Google
Über dieses Buch
Dies ist ein digitales Exemplar eines Buches, das seit Generationen in den Regalen der Bibliotheken aufbewahrt wurde, bevor es von Google im
Rahmen eines Projekts, mit dem die Bücher dieser Welt online verfügbar gemacht werden sollen, sorgfältig gescannt wurde.
Das Buch hat das Urheberrecht überdauert und kann nun öffentlich zugänglich gemacht werden. Ein öffentlich zugängliches Buch ist ein Buch,
das niemals Urheberrechten unterlag oder bei dem die Schutzfrist des Urheberrechts abgelaufen ist. Ob ein Buch öffentlich zugänglich ist, kann
von Land zu Land unterschiedlich sein. Öffentlich zugängliche Bücher sind unser Tor zur Vergangenheit und stellen ein geschichtliches, kulturelles
und wissenschaftliches Vermögen dar, das häufig nur schwierig zu entdecken ist.
Gebrauchsspuren, Anmerkungen und andere Randbemerkungen, die im Originalband enthalten sind, finden sich auch in dieser Datei - eine Erin¬
nerung an die lange Reise, die das Buch vom Verleger zu einer Bibliothek und weiter zu Ihnen hinter sich gebracht hat.
Nutzungsrichtlinien
Google ist stolz, mit Bibliotheken in partnerschaftlicher Zusammenarbeit öffentlich zugängliches Material zu digitalisieren und einer breiten Masse
zugänglich zu machen. Öffentlich zugängliche Bücher gehören der Öffentlichkeit, und wir sind nur ihre Hüter. Nichtsdestotrotz ist diese
Arbeit kostspielig. Um diese Ressource weiterhin zur Verfügung stellen zu können, haben wir Schritte unternommen, um den Missbrauch durch
kommerzielle Parteien zu verhindern. Dazu gehören technische Einschränkungen für automatisierte Abfragen.
Wir bitten Sie um Einhaltung folgender Richtlinien:
+ Nutzung der Dateien zu nichtkommerziellen Zwecken Wir haben Google Buchsuche für Endanwender konzipiert und möchten, dass Sie diese
Dateien nur für persönliche, nichtkommerzielle Zwecke verwenden.
+ Keine automatisierten Abfragen Senden Sie keine automatisierten Abfragen irgendwelcher Art an das Google-System. Wenn Sie Recherchen
über maschinelle Übersetzung, optische Zeichenerkennung oder andere Bereiche durchführen, in denen der Zugang zu Text in großen Mengen
nützlich ist, wenden Sie sich bitte an uns. Wir fördern die Nutzung des öffentlich zugänglichen Materials für diese Zwecke und können Ihnen
unter Umständen helfen.
+ Beibehaltung von Google-Markenelementen Das "Wasserzeichen" von Google, das Sie in jeder Datei finden, ist wichtig zur Information über
dieses Projekt und hilft den Anwendern weiteres Material über Google Buchsuche zu finden. Bitte entfernen Sie das Wasserzeichen nicht.
+ Bewegen Sie sich innerhalb der Legalität Unabhängig von Ihrem Verwendungszweck müssen Sie sich Ihrer Verantwortung bewusst sein,
sicherzustellen, dass Ihre Nutzung legal ist. Gehen Sie nicht davon aus, dass ein Buch, das nach unserem Dafürhalten für Nutzer in den USA
öffentlich zugänglich ist, auch für Nutzer in anderen Ländern öffentlich zugänglich ist. Ob ein Buch noch dem Urheberrecht unterliegt, ist
von Land zu Land verschieden. Wir können keine Beratung leisten, ob eine bestimmte Nutzung eines bestimmten Buches gesetzlich zulässig
ist. Gehen Sie nicht davon aus, dass das Erscheinen eines Buchs in Google Buchsuche bedeutet, dass es in jeder Form und überall auf der
Welt verwendet werden kann. Eine Urheberrechtsverletzung kann schwerwiegende Folgen haben.
Über Google Buchsuche
Das Ziel von Google besteht darin, die weltweiten Informationen zu organisieren und allgemein nutzbar und zugänglich zu machen. Google
Buchsuche hilft Lesern dabei, die Bücher dieser We lt zu entdecken, und unterstützt Au toren und Verleger dabei, neue Zielgruppen zu erreichen.
Den gesamten Buchtext können Sie im Internet unter http : //books . google . com durchsuchen.
je es:
THE LIBRARY
OF
THE UNIVERSITY
OF CALIFORNIA
LOS ANGELES
^SmS&ikf*ft
45 v/fSr
ri^tfieoby
Digitized by v^ooQie
Digitized by
Digitized by v^ooQie
Digitized by v^ooQie
Digitized by v^ooQie
gaus und gcrd.
Digitized by v^ooQie
.
aas und Ikrd.
(Htu
JUnftfirtr HtonatorrfjrW für M* familir.
H e t> i g i r t
DOH
%> £icbkttrt«
v ■ /
(Elfter 3 afjrgartg.
ZTltt jroölf CiteIbiI6«rn unb Dielen tjoljfdjnitten.
(Cmrinnati, <SI)irago unb 3t. fouis:
1 ng van J^aldtn und §iawt.
Pen |f«rb: pi)iUipf unk Jjimt
1883.
Digitized by v^ooQie
Digitized by v^ooQie
gnljaß be$ Jlffeu §ßattbes.
Qitrlbittitr.
Stein Heim.
Der grofie Slrjt.
ÄnoSpen unb Slütycn.
Der groftc Äampf.
@uten borgen.
3uerft baS Stufen.
Sonnenuntergang in ben Skifjen Sergen,
Die liebe ©ommerjeit.
SBalbcSru^e.
3öer ift ber Slermftc?
DaS Butberbenfmal au SBormS.
Stjdjof 3faac 3ö. »Uty, LL. D.
HbhanblungeiL
Seite
2>ie gölte b« 3«it. fr «. Wagler. 12
©ojiale Uebclflänbe unb ityre Hebung. 3- ©djla;
SöaS macht bie SJtiffion auS ben Reiben ? ©eo.
©uty. 115
Die geier beS ^eiligen SlbenbntatylS. ©eo. ©utfy.. 173
Sßie Dr. 3of<ty^ ©ool BängftbefannteS beftätigt.
©bitor. 226
SßatyreS ©^riftentyum. gr. $top\> . 260
Die geiftige ©ntmirflnng beS KinbeS. 267
teuere kunbgebungen beS Unglaubens, bie Sibel
unb bie ©efcbidjte. ©bitor. 281
Sin ben grüßten erfeunt man ben Saum, ©bitor. 337
SÖotyer fommt ber rechte SlrbeitSmuty ? ©Mtor... 393
Sorbereitungen gum Domjclfeft. ©bitor. 461
Wichtiger ©ebraudj unb 3)tijmraudj tyomUetifctyer
Hilfsmittel. ©bitor..;., 508
SluSbaner unter ©cbmierigfeiten. $. H. 580
©ntjpridjt unfer ©efangbudj ben Sebürfniffen ber
Äircbe, ober ift eine Serbefferung beffelben
münfcf^nSmerty ? ©. Skiler. 590
3ugenb-3beale. SB. ©... 600
$iegrapt)iM unb ftbrnsbübtr.
Stetttyorfer ©ctyriftfteKer. ©. Söeiler.26 72
Butter unb SkSlety. ©. ©. g. ©rnft. 64
©ranmerS SJtärtbrertfyum. m Äönefe. 117
©in beutfdjer ©imfon. ©. Hmijjcr. 130
3üge aus bem Beben beS fdjmäbifcfyeu Pfarrers
glalticb. ytjil $auluS. 132
©eneral Holcf. 186
3L Söilforb Hall unb fein Skrf. g. B. Staglev... 190
©rinneruugch an Daniel Skbfter. ©. Ctt. 265
jflotftocf* SJteffiaS unb feine SJteta. ©eo. ©ut^. 291
Srudjilücfc auS bem Beben HänbelS. ©. Ctt. 319
SRajrimilian SuliuS Beobolb, Hfty'Ö oon Sraun*
fcbmeig unb Büneburg, als H^S unb ©tyrift.
SÜöilty. staffle. 419
©in 3u$örer Dr. Stavtin Buttyer’S. 482
Butter als küiberfreunb. ©uterin len beut Xr^'
anber.. 4D0
Dr. Butter unb fein Sarbier. Sllbert Siebter. 505
9luS ber Sugenbjeit beS beutfe^eu ÜaiferS Söil-
$elm. ©. 3)t. 531
SUiS But^er’S Beben. 534
©ine ©bifobe auS bem Beben beS gürften b. SiS*
_._* Ort r <vi •! ä r/» v 1
maref. $aul ^rifclaff... 535
3um Butber*3ubiläum. ©bitor. 561
ftat^arina II., ßaiferin bon Stufilanb. 3- ©c^Ia*
genbauf. . 585
Siföof äöileb. 617
©in Dag aus Butfjer’S Beben. 629
Der SktynacfjiSftern. St. grieS. 7
©in ©nael in einem Ueberrorf. ©. ©. 15
Durcfy jungen gur Sttatyr^eit. 3. 3. SKe&mer.
.29 83 139
Stecht muj* boc^ Stecht bleiben. S al| l ©ugen..
.35 91 148 200 248 310
DaS Hintere ©nbe beS SBagenS. g. B. Stagler.... 76
Der ©rofebater unb fein ©nfel. 3- . 90
Der fterbenbe 3üngling unb baS rcrlorene
<Sc^af. 98
9Bie aud^ mir bergeben. ©tylbiuS. 122
©ed)S müffen’S fein. 1 . 146
Der Binben^oeig. ^Üibb SauluS. 175
SSil^elm. ©. Csmalb. 207
Satev unb 2)tulter. §. grai^. 246
Sliein gutes SJtiitterle. B. ©t. 263
SluS ber SJtorgenbämmerung ber neuen 3^-
©ine gemiffe 3uberfidjt be 6 , baS man hoffet, unb
nicfyt fiebet. (©br. 11 .) Dr. Siicbarb gofter. 305
©uter unb reeller Stebenberbienft..'.:. 315
SluS einem grembenbuc^e. 320
DeS 3uben Dotter. St. SB. 341
Skr ben Dob aus ber Sfelt febaffen fönnte!. 371
Seftelle bein HauS! B. S- .. 403
Dtyätige Stäcbftenliebe. ©. Saum. 413
ykipa Cberlin’S ^aftoralbefucb beim ttejjlertoiii.
©. 3Jt. 422
Der erfte Äiic^emettel am eigenen §erb. 428
©ine Dan^gef^icbte... 433
©in Abenteuer. ©. Saum. 466
©in Cpfev ber Beibenfc^aft. 2B. ©plinger..
.472 520 595 647
©otteS Diener geuerflammen. 483
Die Dotter beS Stac^tloädjterS. ^?rof. ©. Sti^s
f>ert. 511
Unfctyäblicty gemalt. 525
2ßie eS fam, bag icf> ein Doftor mürbe. Dj;. St. ©. 537
Dev befdjämte ©$wtter. 545
©tecfengeblicben. 9om Serge.. 572
Die ©timme beS ©emiffenS. k. 595
Der Beicbenräuber. 599
3 mei ©eenen in einer Stadst. 60 J
Sin ben ©oniieufcbein. 602
Stejebt ju einer giücflidjen ©^e. (>39
SJtein altes Sltütterlein. G 55
(Srboulidjes.
geftgebanten. ©bitor. 2
Sruber SJteier unb (eine ©oben. 67
Die ©mit^föe SemeiSmet^obe. Cnfei SBilbelm. 71
494918
Digitized by v^ooQie
Seite
Perleumbung.. 146
„Peten fäumet nicpt.". 146
§arre, meine ©eele. 188
teilt Ton au« ber freimatp. 244
9Ba« icp miv alle Tage borfagen Will. 260
2Ba« ift felbftberftänDlicpV. 304
©ott behüte bicp!. 324
3m Korn. X. 2). 3.r 339
Angelernt ober aiterfcpaffen?. 484
ter loirb fi^eit uub fcbmetjen unb ba« ©Über reini*
gen. ter toirb bie Kinber Sebi reinigen unb
läutern loie ©olb unb ©Über. 640
Gin finnige« öodneitögefcpenf. 641
2Ber ift ber ©iücflicpfte?. 641
2lucp eine munberbare gügung ©otte«. 646
Ter ipimmel toolle geben. 646
Trei tu Gütern. 647
(Sefdji^tfis unb Jlritbilber«
Pilbet auf ber neuen ebangelifcpen Pefceguttg in
Tie errungene prebigt bon Pernarb ©ilpin.
Kienaft. 68
91. p. Tribüne. SBitttam 21. greunb. 80
Ta« oOjä^rige gubiläum be« beutfcpen SJtetpobi«*
mu$. tebitor. 113
tebriftian gürcptegott ©ellert’« Teftament. 147
Tie Drgaitijation ber Pifcpöflicpen SDtetp. Kirche.
icn non o> 4 ry
Ta« Urteil eine« 2linerifaner« über Teutfcplanb 178
„Serben ^ötoen". 196
tein Ptlb au« ber fcocpfhitp im Dbio*Tpal. tebitor 258
©in beutfcpe« Urteil über 2lmenfa. tebitor. 299
Türfifcpe guftij. 301
Tie Plütpeaeit be« Steliquienbanbel«. 21. gtamann 322
lieber bie Pebeutuitg ber afforifcpen 2lu«grabun*
gen für bie bibltfcpe ©efcptcpte. Tr. Ä. ©ul$*
berger. 355
Ta« c^inefifc^e Steujapr. te. g. Kupfer. 367
Tie größte fpängebrücfe. tebitor. 369
3Bte ber König bon ©cpmeben befiegt iourbe. te.
SJtogaret. 376
Plumenfpracpe. 434
Gpriftlicpc ©Icicppeit. 434
Tic Tpnamttberfcpioörungen. grang bon §olfcen*
borff..*. 458
Tie testen Tage ber Stebellion. Prof. te.-9Uppert 462
2lu« bem Beben einer teraieperm. Ueberfefct au«
bein Bettifcpeit-. 468
Gine Bebrertoapl in Teutfcplanb bor 150 Sauren 489
Tie Gtifetten* unb Titelfrage im erften amerito*
nifcpen Punbe«=©enat. 541
Gine ©eneralbifitation in Sommern... 545
2öaren bie erften Teutfcp * 2lnterifaner gläubige
Gpriften? tebitor. 621
T'e tooeiaerifcbe £anbe«au«ftellung tn 3üricp.
Tr. 21. ©utyberger. 641
Te Knäpel ut be Kloß. 653
Karl«ruper ©cpußnaben bor 80 Sauren, te.
hülfen.654
Tie pöcpften Pautoerfe unb Päume ber terbe. 3 .
Kern. 285
Tie Slgtefen. ©plbiu«. 297
2Ba« un« ba« SWifroffop erjäplt. tepa«. g.
Tie Pfahlbauten. Tr. te. Stiemenfcpneiber. 396
Kleine Stäuber unb ihre Burgen. ©blbht«. 406
tetn gehörnte« ©efcpleipt. te. 2 Ö. 526
äöicpttgfeit ber fra^eittgeu tentfernung bon ©e*
fcptoüren unb freb«artigen 2 lu«ü>ücpfen. 530
Ta« Traumleben. ©. §aufjer~.. 577
Skifjra uub Jtrifebilbrr.
Söeihnadbt auf bem 9Jleer. te. Böttcher. 24
2tm Sth ein * ßöitor. 57
Gin berliner pic=91ic. 74
3 «n 9ieich«lanb. tebitor. 126
2 lfri!a. 3 . ©. ©chaal. 136
3 m alten ©cblofj ju ©tuttgart. ©uftab i?ubtoig 235
2 lu« perften. 353
ailit toelchen 2lugeit ein te«!imo teuropa betrachtet 358
Tie amerüanifche ©chloei^. SDpuSculum. 361
2 lu« bem ©cploabenlänble. p. 21 . 449
2 lm 9Kontblanc. tebitor. 476
©cblofj Sleufdhioanenftein. 492
23efucb in einem ©cpinto^Tempel. Prof. te. 91ippert 516
2 lufgefchaut unb ©ott bertraut. ©. ^lattm. 582
Tie §öhle bei Surap. 2lmo te. ©aebelein. 586 .
3 m ©chtoei$er ^ocplanb ber ferner 2 llpen. tebitor 622
2 lugenjeugen über ba« terbbeben auf 3 «cpia.
DpuSculum... 635
Sebidjte.
S5om SUten jum Sleuen.
3Kein §eim. Äantp.
Sor 23etjhnachten. Kar! ©erot..
©anct SUcolau«.
Sßintergäfte...
2öer nie fein 93rob mit Thränen aft-.
Ter grofje Kampf.
Dfteriubel. ^ermann bon ber ©olfc.
©te romrnen!.
grühling.
teilt ©ehernen nur ift biefe 2Belt. Stoch ^h*>nta«
SJloore.
Ta« Tifcbgebet. gr. ©üß.
Sluheftünbchen. paul teugen.
2ßalbe«ruhe. Margarete Treu ..
Pom Peten..
2öer ift ber 2lermfte ? £ubtoig Pogel.
9Äeer unb 2Belt. §. St.- .
©laube unb Hoffnung, te. ©rumbaep.
T)e Soggelt.
Ter Sanbrnehrmann bor SJtefc. gebor b. Koppen
1
1
5
14
69
81
169
179
225
281
297
304
412
449
490
505
514
581
640
645
Pufih.
SBeihnacpten. te. Sleinetfe.. 54
Ta« ©dnbalbenpäu«cpen. ternft ©ebparbt. 224
3um gneben«port 21. ©auer. 335
Jdatunoi|f(nfd)afUid)M unb @rtnttnnü^igts.
tepriftbaumfepmud. 9lacp 2lnna graendel. 4
Ter 9)lenfcp unb fein £eim. Tr. K. Stiemen*
febneiber. 180
Imerifanifcpe 3ugbögel. Tr. te. g. Paulu«. 230
ädjuie unb (fqiepung.
teprifttag in ber ©onntagfcpule. SWartin Pfaff.. 28
SJtäbcpenbilbung. Souifa te. Stotpmeiler. 75
Tie Söicptigfeit ber Kleinfinber*Klaffe. 2(uguft
©cpeffel. ö ..:. 125
Digitized by v^ooQie
Seite
Sugenbttmine. ßoutfa ©. Nothweiler -. 134
§\igmbüd^ unb weltliche Vergnügungen % %
Jtvller. 197
Tr. ©hrtftlitb über ben Nupen ber ©omttag*
jaulen. 246
Gin Spiegel für ©onntagfchullehrer. 245
Ti t ©Dingungen ju einte erfolgreichen ©igiehung
mit Nüctftcht auf unfer beutfcheS Akrt §.
SBöttc^tr.7. 318
fdmte für Gltem unb Sebrer.354 432 535
fcafct fte einanber unterrichten. J. V. 070
SBarum fouten wir in unferen ©emeinben firt^iie^e
Stpceen errichten ? gr. flopp. 372
Vrügel unb Oh»1eigen. ^aftor D. gunfe.. 410
Süie Vcbeutung beS ©pklS unb ber Unterhaltung
:_ r*:..v-a _v r**.. u.:. v
Gin Vrief oon SWr. ©labftoue übvr baS ©tubiuiu
ber Vibel. Äienaft. 615
SHätehenbUbung. ©mma §erjer. 683
SBaS tann unb foll bie ©onntagfchule für bie ©e*
meinte fein ? 3- SB. §enfc. 594
Quellen, Anna Torr.. 644
äornitagf^uUffktioiiftu
Tie fconmelfahrt Ghrifti. 44
Tie AuSgiefjung beS ^eiligen ©elftel. 46
Tic ©laubigen. 48
Sßunbcrbare öeilfraft. 50
Ter gürft beS Gebens-. 101
Nur m 3efu tarnen ift $ei(.. 103
©laubenömuth-. 105
AnattiaS unb ©apphira.- 106
Noch mehr Verfolgung.. 158
Tic fteben AuSerWäbUen. 160
Ter erfte chriftliche SKärthrer.-. 162
©imon ber tauberer.-. 215
»hilippuS unb ber flämmercr auS HRohreulanb.... 216
©auli Velehnmg-. 218
©auluS oerfimbigt ^^riftuiu—. 220
fBetri SBuuberWerfe. 221
$etruS prebigt ben Reiben. 270
Tie Ausbreitung beS ©oangeliumS. 272
öcrobeS unb VetruS. 273
VauluS unb VamabaS in ©ppern. 275
§n Antiochien. 329
Ru Stonien unb Softra. 330
Gnbe ber erften NhfftonSreife.. 332
£fofua, SRofeS Nachfolger-.. 380
Ter Tuvchjug burep ben Sorban.. 383
3frael jieht w>r 3eri<ho. 385
fjfraelS Nieberlage bei Ai. 387
Tie Vorlefung teS ©efepeS.. 389
Tie greiftäbte,.439
Sofua’S lebte Tage.- 441
SfraelS Abfall... 443
©ibeon’S £eer—. 446
©imfon’S Tob-. 495
Nuth unb Naerni. 497
TaS ©ebet einer SWutter-. 499
TaS Jtinb ©amuel. 501
Gli’S Tob-. 549
©amuel ber Nidder-. 551
S frael oerlangt einen Äöntg. 553
auf S ©rwäblung jum flömg. 655
©amuel’3 AbfcbiebSWorte. 607
©auf* Verwerfung. 609
Taoib’S ©albung. 611
Seite
Tabtb unb ©oliath. 613
©aul Tabib’S geinb. 663
Sonathan Tabtb‘S greunb. 665
Saoib verfchont feinen getnb. 667
©auf S unb Sonaihau’* Tob. 669
Um $amin uni) 3 m Sdjattfii.
5an8 <Sa$8’ Älagc.. 108
TaS Vennögen ber NoihfchilbS. 109
Rwei ©olbaten. 109
9öenn ein Kaufmann. 109
AuS bem fceben griebrich VHlhelm IV. 109
Abgefertigt. 109
©ine ©vabfehrift. 109
©S hat 3h nen Ö e 'chmecft. 110
griebrich ber ©rof# unb ber $orff<hulineiftcr. 155
J)ie Kommuniften. 156
Äulturfortfchritt in ber ©chule.i 156
SBiffen unb ©eioiffen. 156
$aS wahre ©lücf. 156
3öaS bie fchönfte 3Wufi! fei?. 156
3BaS ift ein Affcrb ? % . 156
Ru gufe oou ©an granjiSlo nach New ?)orf...?n<* 156
Sie ©perlinge.. 156
©in beutfeher fpänbebruef. 157
Xrene im kleinen,. 157
äßeltpeS fmb bie größten Äirchen ber Söelt ?. 325
AvfeniMrffer.. 325
Auch ein beutfeher Vrief. 325
2?aS üreng bor bem Namen... 326
©ine neue ©prache.7. 326
©in iüebcSpärchen unglticflich burch’S ©laS. 326
©chertfragen. 326
Nach traurigen Sahrm. 326
©in „tfopffiinftler" in Verlin. 326
Albumworte Oon ©uijtot, HtyiexZ unb ViSntarcf,... 327
Sübifch^beutfche ©prüchwörter. 327
Vertilgung oon 3 utfef t»rrf in ben Vereinigten
©taaten. 327
Nupen beS gruhaufftehenS. 327
Ter Name „XeraS"-. 435
Tie Vitte beS VräutigatnS—. 435
TheureS Nachbenlen. 435
©etrumpft. 435
Luther alS Säger. 435
Slßiber bie ©tifette. 4^5
©ine brol(ig*lompli 3 trte Heine ©trafeenfeene. 436
Äameele in Auterifa. 436
XaS NegenSburger NatbhauS-. 436
9»attlb. ©laubiuS über oen Tob-. 436
Ter ©änfefrieg. 436
Toftor unb ©^ufter. 437
Ober au nett... 657
Auch ©runb. 657
AIS ©uftaö ©chWnb. 657
AuS ber SnftruHionSftunbe.. 657
Tie SRutterfprache. . 657
©in ©fei in eine Vlume oerwanbelt ?. 657
©chiller. 057
2öaS für’n Äopf ?. 658
SNifiglücfte Vorficht. 658
Nlan erzählt. 658
Vfte ein llönig einem ^apft auS ber Vtbel anU
Wortet. 658
©in böfer Trucffehter. a58
Voltatre’S Jlritit. 658
TaS Alter. 659
©auj einerlei.— —. 659
Digitized by v^ooQie
VI
Snljnlt.
Ifrauratritung.
Sor trier Sauren. i>46
©in bezüglicher Stathgeber. 546
Sie refoluten Slmerifanertnnen. 547
©efunbe SDttinner. 547
Seftament eines SonberliitgS... 547
SamemSuefle. 547
Ser herein Sanbifin in ©erliit. 548
©ine gute Seftion. 548
öo^eiten in ©nglanb unb Shnerifa... 548
Söer ift reifer?. 548
©bie Stäche. 606
©in flerital gefilmter frankofifcfyer SchriftfteUer... 603
t rin^ Sflulab ©briS. 603
leftiifcher Kochapparat.. 604
Steijenbe Kinber. 604
Sie. grauenftintmrechtSbemegung. 604
Sie marteren SWäbc^en bom ©affar ©ollege. 604
3u ber Samem©abeanftalt. 659
3m norioegifc^en „§arbanger". 559
grauenfeele. 659
©ine Sßufcmacherin. 659
Sie föniglicbe 3ucferfchale. 659
Sie hocf>ariftofratifcbe Socpter. 660
Ser Kronprinz bon ^reufcen. 660
©in beroifcpeS SMäbcpeu. 660
Sie ©riefmarfenjammelnmth... 660
Sie Kirgifeu. 660
jto Haufe.
©ngüfdper ^lum^ubbing für ©prifttag. 42
S iinp^ubbing. 42
©afe.. 42
Seine 6ommer=3Rettrnurft. M . 43
Seifie SJfilcp. 43
Stafenplafce. 43
©latteiS. 44
§ rifdbgefdüener Schnee. 44
in 30ci4tcl für aufgefprungene $änbe. 44
©ine $oftanh>eifung — feine Quittung«. 44
®^^nng..164 222 268
S£arge(*©eet. 270
SÖte man Spargel focpt. 270
; SaS tiefe 3tt§meii. 327
liebet baS richtige ©inatpmen. 327
Heber Saubeityucht-. 328
The Coddling Motli. 328
Sßftanjen^ür ©täber. 328
ftängenbe Körbe. 328
aühner=©holera. 328
Ä>b ber ©lumen. 379
Unfer ©efuep... 379
Katarrh. 380
Semon^ie. 380
©oofteS... 38o
Staupen auf SopanniSbeer^Sträucper. 437
.‘. 437
©arten* unb öüpnerzucpt für grauen. 438
Spätigfeit ber grauen. 438
Settp ©afe...... 438
Silber ©afe.. 438
©afoline Defen.. 438
©on mancherlei Sonnenblumen. 438
Ser Dleanber.... 493
Sauerpaftc gence^foften. 494
©hofara. 494
©erftenfuppe für Krartfe. 494
SteiS* unb anbere Suppen.
©eeftpee.
©ebatfene Süfcäpfel.
Kopf* unb fcaaireinigung ber Kinber.
SaS Scpnupfen unb bas liefen.
$erbftpflügm.
Wangen in Söpfe.
©ommerblüpenbe 3 miebeln unb Knollen..
©rüne ©opneit eiu$umatbeu.
Sauerfraut..
äöie man Sauerfraut foept.
©ine anbere ©fcife Sauerfraut 311 foepeu..
Kartoffelmus.
Ser Keller..
Stangenfellerie 31 t überminteru.
Scpmeinefleifcp 3 um Stauebern eimupöfeln.
Dbft=©ffig.ü...
billige unb bauerbafte ©ifterne.
Sinb .»JlbifcpemSKaptyeiten nachteilig?.
©in SWittel gegen SJtcttenfraj*.
Ser ©influp eines großen SlianneS.
Sie eigene ^eimatp.
Scpmäfcer im ©otteSpaufe.
S uU Korn.
eflügel.
Sie ©pefepeibung.
Seit«
494
494
494
495
495
557
558
558
.558
558
558
558
558
558
605
605
605
605
606
606
606
661
661
662
662
662
Qtyronik brr (Srgrnnmrt.
SÖie bie Söelt bie Kirche benüpt. 51
©S ift eine bollftcinbige Süeberlage. 52
Sie §auptbertreter beS grauenftimmrecbtS. 52
©on ber ©ibtlbienft*Steform. 52
Sie liberalen in Seutfcplanb. 53
Sie ©ürgerrecptSfrage. 53
SaS bei.tfcbe SünglingSfeft. 53
Sonntagsruhe. 53
Ser SMbcpenpanbel in ©nglanb. 54
Sie Arbeiter in ©erlin unb Söien. 110
©ute ©rüber, aber fcplecpte SWufifanten. 111
©rutale ScbaufteUungen. 111
Söiffenfcbaft unb ©enuS*Surcpgang. 112
Söopin ber Sp 3 ialiSmuS führt. 112
©in grofeartiger Sßohlthäter. 112
Sie SDRethobiften in ©anaba.. 166
©ine Sonntagfchul * ©onbention in ber ©erliner
SomftiftSfapelle...... 166
Ser ©harafter ©ambetta’S. 167
SaS fSaffionSfpiel.....**. 168
©in ©ibübienft'©efeb. 168
Sie Semperei lagefefce in Stormegen. 168
Ob eS einen Satan giebt?. 277
©ine Spazierfahrt über baS SDteer«. 277
Slmerifanifehe gollerfnechte.. 277
Heber bie englifd)en Kaffeehäufer. 278
©in ©tlb ber Söeltbame«.... 278
lieber bie Singeltangel in ©erlin. 279
SeS SichterS bon “Home, sweet 1 omc” enbliche
Heimfahrt.... 279
lieber baS ©orfommen ber Sonntagsarbeit. 280
©Jieber ein öaienprebiger auS ©nglanb. 280
©ntfebiebene SJiafjregeln gegen bie Srunffucht. 280
Sie Hnfitte beS Opiumrauchens. 280
©efonbere grühgotteSbieufte für Srpfchfenfutfdher 280
giaSfo... 333
©eter ©oeper... 334
Kaifer unb ^apft....,..!... 334
©in füvftlicher Spb. 391
Kaifer, Kanter unb'Sogialrefonn. 391
Digitized by v^ooQie
änljalf. vii
et\u
gerbröcfelung Gnglanb*.._.. B91
Unocrfchämt... 392
SÄatjr geiprocben. 392
Kalifornien... 392
$Ba* bi« ißirthe tollen. 448
(Siut gute Gelegenheit für bie Demctraten in Ch™ 448
(rine junge Hinbun>iitn?e. 448
3« Srafilien. 503
Hm Stanleppool. 503
$tahtocrn>anbtfchaft jmifchen Ghinefen unb 3* s
länbem. 503
Die granjofen. 503
Gerparb Stoplf* Steife nad} Hbefftnien. 504
Sttouopol ober Gentralifirung ber Stegierung**
gemalt. 559
Da* echte ainerifantfche Duell. 559
Ueber bie Grünbe ber Haltung be* papfte* gegen
bie preufeifcpe Siegierung-. . 560
Stürme, Ueberfchmemmungenlutb Staturereignifje 560
Die Hnterifauer. 560
Gm guter 3uftaub ber Dinge. 615
Sutperfeier m Deuticplanb .. 616
Gin gran$ofe über »merifa... 616
Die Storb:Pacifk-'Salm eröffnet. 616
Die Stetpobiftcn in Ganaba. 671
9tt<ht&lönner in ben Sereimgteu Staaten. 671
'Der Hu*gaitg ber Wahlen in Dpio unb Sotoa.... 672
3}ol;fd)iiiHf.
*
Die Geburt Gprifti. 3
2Bcipnacht*glocfen. - 5
Ginbringen be* SBeipnacptöbaume*. 5
Äinbcpen* Weihnacht. 6
3öeipna(ht*tratim. 7
Der Sikipnachtsfterii unb bie SBeifen. 9
Da* Srob Gottes. 21
3- S. Drate„. 26
g. G. HaUerf. 26
Hallecf* gamtliemSegräbnißplafc. 27
Stübe*peim unb ©cplofc 3oh‘mni*berg. 57
Hblertpurm in Stübe*beim. 57
Sliibc*heinter Klofterpof.:. 57
SJtäufetpurm. 58
Gprenfel*-. 58
Singen. 58
Stpemftein. 59
H©pnecf. 59
Gfonen&Kapelte unb galfen&urg.~. 59
Dhünn unb Dom in Sutbornacb. 60
innere* be* SCnbernacper Dom*. 60
Surg Hnbernacb. 61
Stabttpcr in Snbernacp. 61
Heufeere* ber Kirche in Sinnig.. 62
3mtere* ber Kirche in 6üi$ig. 62
ttnj: Obere* Stabttpor. 3ft^eint^or. 63
Gtpeler Sei. 63
Hu* Grpel. 63
Son Grpel nach Remagen. 63
SBintergäfte. 69
Gbarle* genito <poffmann. 72
G. P. SWorri*. 72
9t. p. SBitti*. 73
Gulian G. Serplancf. 73
Skr nie feiii Srob mit Dpräuen afe. 81
6t. Waria*Kirche gu Ojforb... 118
Granmer’* lebte Prebigt. 120
Denfmal ber SRärtprer. 121
6trafeburg. 127
Sfite
Otilienberg mit Klofter. 128
Der Heibenteiupel. 129
Safe micb frühe hören beine Guabe. 135
Stöbert Strambribge.1. 170
Stöbert Strambribge* Slocffircpe. 170
Die Steüitapelle. 171
Hauptmann &>ebb. 171
Sarbara Hed.*. 171
^hiHty Gmburp. 172
Gmburh * SBopnpau*. 172
Kiggiug Lolt. Dafelboben. 172
Skälep Kapelle, S^h* 1 Straße, Stern S)orf. 173
feiitteu Wohnung ber SJtenfcpen. 181
Sllteghptifcbe gelfemoopnung. 182
Slffprijcpe* SBopnpau*. 183
SUtgriecpifcpe* SBopnpau*. 184
Sauernpau* im baOerifcpen Hochgebirge. 184
Herrenpof in granfrekp unter ben Steroloingern.. 185
21 . SKlforb Hflü. 190
Der amcritanifcpe Stobiu (Stotpbruft). 230
Geflecfte Droffel (Mottled Tlirush, Brown
Thrnslici). 231
SBalbbroffel (Wood Tlirush)... 231
SöltintoreOogcl (Baltimore Oriole). 232
Kafeenoogel (Cat-Bird). 232
Gra*müde (Warbler). 233
Golbfinf (Goldfinch, Yellow-Bird). 233
Kolibri (Uumming-Bird). 234
SlauOogel (Blue-Bird). 234
Grfte SJfetpobiftemGonfereua. 239
Grfte SJtetpobiftenprebigt in Saltimore. 240
Hartlep im Gefängnife. 241
Snnere* ber Kapelle an Stramberrp Gaffe. 241
Hbbott im Jerfep^öain. 242
Hrrettrung eine* 2)tethobiften. 243
Die H^hfluih unterhalb Gincinnati*. 259
Die größten Säume ber Gibe unb bie höchften
Sautoerfe. 286
Die 2)tammuth*fichte Galifornien*. 287
2lfrifanifcher ^lalmbaum auf 2)tabaga*lar. 289
Stiefcutaju* bei ber Hbtei gountain. 290
Sjtefem Krieger. 298
Opfernber a^tefifcper ^Iriefter. 299
Gute Stacht. 303
SJtännliche Drichineu. 309
9)tu*felfafern mit Drichinen unb leibliche Drichine 310
3m Korn. 340
granct* H*burp in jüngeren 3nh ren . ^4 7
Hau*, in Welchem 2l*burp feine guginb Oerlebte.. 348
SWantooob Hau*, Hnnöönjorth, Stafforbjhire,
Gnglanb. 349
Dr. Dhoma* Gote. 351
Die Kapelle am SooetyGäfechen, Saltimore, ©ifc
ber erften GeneralGonferem 1784. 352
Da* alte ^farrhau* an ber Sightftrafee, Saltimore 352
H*burp in Oorgerücftem HUer. 353
Die 2)to*lite. 361
Die gvofee Hängebrücfe über ben Gaft SUoer gn>i-
fcheu Stelo S)orl unb Srooflpu. 369
Pfahlbauten. 398
Dhongefäfee. 399
Seglättrte Setlhämmer. 400
gifch unb oerenbeter Hi^fch; S^ifhnungen auf Ge*
meihftücfe. 400
Geflechte unb Getoebe au* ben Pfahlbauten. 401
Kleine Stäuber unb ihre Surgen. 406
Die Spinne unb tyr Step. 407
Der gufe einer Sptnne, oergröfecrt. 407
Spinuapparat. 407
Digitized by v^ooQie
vm
Snljalt.
einer 3 Jogelft>inne.
2) cr Slmeücnlöwe unb feine Salle.7
$er 9 lmeifenlön>e bermanbelt.77
2>anfgebet ber ©Knitter.
^^©A^^nit ber unb b#m alten
©tuttaari, bie neue ©arnifonftrcfye«.
3 ) ie „Üöiltyelma" bet ©annftatt.
öeilbronn, 9 )iarftt>lafc unb WatbbauS.
©tyuäbifcbe öo%it.
„ 5 öilobab" un ©cfymantoalb.
Tübingen, ba£ alte ©cblofc.
&<tytenftein.
2)er 9 Menfcf> lebt nidjt bont $Brob allein.. .
3 Wontblanc:ftette.
©enf...
StoffonS s Ü^etfdjer.
öefteigung beS Montblanc.7777
©c^lop ©biHoit am ©enferfee.
©rofjmutter unb ©nfeliit.
(Siugang 31t einem ©c^into^Xempel...
©in ©djinto=Tempel.
©in Xembeltfyurm.
©in ©rabntal.
©in ^oefoeit^aar.7...
©in ©cfyinio-^riefter.77.
©ine £än$erin.”
2)er ©teinboef. * *
Seite
407
408
409
418
450
451
452
453
454
454
455
456
463
476
477
478
479
480
481
512
516
517
517
518
518
519
519
526
Sftarffcur (Capra Megacero«)...
©aftmere^iegen...7777.
5 er 2? ,,l S b (Ammotragus Tragelaphus)
2)er Coupon (Caprovis Musimoii)....
*ut$er unb grau llrfula ©otta...
2uC in ^m 3 . a ^'.. e ‘ an . bbUb >“ -•••
grunbeberg unb iutyer.7.. .7.7.
©infam auf ber S&irtburg.!.
^uttyer tritt in ben ©tyeftanb. .
2)r. SJtortinuä, ber Jlinberfreunb.777!
£utf>er als Matedbet unb ©t^ulmeifter.
2>r. £utf>er, ber ©angmeifter.
9iiefen^aUe berSura^§öble.....!.7......
Orgel m ber Vurab=$>ityle.777
©ern in ber ©djtoeiv.
X^un im ferner Cberlanb.77777777!
2>te Söerner Silben..
»uf ber Älm. .7...!!!...!..
2>er Slofenlaui ©letfetyer.7777777!
2)a§ ©rimfel fcospifc.
2>r ©ie&batfi..7777
2>ie ©c^iefebene-Skityn junt ©ttefcbad;..7
Slnfic^t ber ©tabt ©afamicciola auf J^cbia bor
bem ©rbbeben.'..
©rbbeben auf 3&bia.. . .
Sluegrabung bon «erfd&ütteten in ©afamicciola
burdj ©olbaten.
©eite
527
528
529
529
5^1
5 J
563
564
565
566 *
567
568
569
570
587
589
623
624
624
625
626
626
627
628
635
636
637
1
Digitized by v^ooQie
gifter pan». ZßeißnaQUnummet 1883. ßrftes c C>cft.
Vew zum 3 V*t t&u.
fpocfc oßetv oc&a/w, cni^
|^|officw wizb bcz t^ixwwveX Wau,,
f^u/vcfi ^Siidtevi^<ww6 a/uf x<M4<ftar c&afttt
^elvt’cv mblich bocfv vuxctx ^cvvuxoav.
( 3 «w Sta$lfti<$).
m Kreife ber £icbe, ba roeilt es fid? gut,
Da meinet ber ^rieben, ber Weitere flTntfy
(Ein inniges Streben nur, fid? 311 erfreu’u,
Durd?bringet ba alle im febönen Derein.
fyier nid?t ber Fimmel auf (Erben 3U felj’n,
IDo mag bann fein 6aud? uns fyienieben umme^’n?
EDie 3ie^’n ljier bie (Engel fo freunblid? hinaus,
Unb Fommen fo glücFlid? 3um feligen bjaus!
21 . Kamp.
Digitized by v^ooQie
2
Je|tgebanhrn.
lö ieftgebanlmi. 5s
@bitor.
ebanfen finb eö, bie ich aiteinattberreihen
mödjte, foroie fie mir gefomtnen finb beim
|>eranitahen ber fe|tlid)eu 3 c *t- 2Öer beß=
halb eine laitggefponiicne '.ßbburtDtuitg flicht, ber
fdjlage bicö '-Blatt um.
2loer — Jeftgebaitfeit in unfern innen?
203er fann beim in biefer leßten, betrübten 3eit,
ball ©lettbö, Verbrechen, Schinerg unb £)ergeleib
noch feftlidh geftimmt fein? Planen füllten mir,
wie bie jubelt an ben VJauerti ^erufaletns;
Sufee tljun in Sad unb in ber 91fd)e ; '-Bußtage
galten, anftatt hohe Ueftjeiten bernnftaltcn.
2llfo fpred>en nicht men ine, beneit bie 9iotf) ber
Wenfc^enroelt gu bergen igefft. Unb roeitn mir
uttö nurunter ben 'JDienfc^enfi.tbent uiitfchanen,
roenn unfer Slid nur auf ber ©rbe unb bem
Jreiben barauf haftet, ba erfpäht man aller=
bingö üerhältnißimißig nur weniges, baö ben
^efttagöjubel fchaffeit fönnte.
vlber unferc &efte, baö ©IjrifttagS* unb 9teu=
faljröfeft rufen unö ja gu: '-ttufgefchaut nach
Oben. £>at ja fchott ber große fjefttagömann
Cutter nefunnen:
„Dom £jimmel hod), ba fomm id; her,
3<b bring citd; gute, neue ITtäbr.
Der guten ITtäljr bring id? fo fiel,
Daoon id; fingen unb fagen tnill."
. Unb als 3?rau Äätfje in etroaö freubelofen
©ebanfen an einem 2Beihiutd)tSabeitb einmal
fagte: ,,©ö ift bodj alles Jhctig auf ©rben.
©teilt nid^t aud) ber ÜBeiljnnchtöbaum fd)on utt=
ferS £errn ©fjrifti ftreug oor, £>err Joftor ?"
Da antmortete biefer „Veroafjre, $ätbe. ier
fteßt oielmefjr ben 'S?tuminbanm ttnfereö |>eU
ianbö bar, Welchen oben in ber Spißc baS größte
Sicht anbeutet, roahrenb eö unten fiufter ift, bie=
toeil ba eigentlich 'ilbant unb ©Da fteben müßten,
roie fie bie Solange gur Sünbe uerfüfjrt, meid)’
erftere {id) berbalbert um ben Stamm ringeln
faßte. ®urd) ©otteö ©nabe ober bürfen mir
baö Äripplein mit bem Stinblein ßinfteflen unb
— 8?efttag galten."
3fa mc|l, b’ruin bürfen unb foßen mir $eft=
tag Ratten; b’rum finb bie 3?efttagögebnnfen nicht
bläß berechtigt; nein e§ mär’ eine Sünbe, meint
mir feine hätten. 93on Oben, bom ftimmel her
fommt baö 3fefttagölid)t, bie ftefttagöfretibe unb
Der Hart nicht aßeitt bie fjinfternijj ber ©rbe,
fonbern befiegt fie aud).
2Ber bie SäJelt in 3hm betrachtet, in welchem
bas geben, unb ber baS Sicht ber flienfdjen ift,
bem mirb baö Seib biefer 3eit meniger leibooll
erfcheinen. ©r gemährt in ber triibften Sdjntcr=
jenSfammer beit göttlichen Sichtftrahl; es fließt
ihm im trodenften 233iiftenlanb ein h'mmlifdjer
Vriinnguell, unb bie Äummerfteine beö ©rbetu
lebeits merbett leicht, roenn man in biefem
Siebte roanbeltib redjt üerftehen gelernt, maß baö
Scbriftroort meint: „Me eure Sorge werfet auf
3h»> bentt er forget für euch." öelbft in ber
Jobtengruft fteljt beö ©hriftbaumö tjeüe Seuchte
unb geugt baDoit, bafe 6r, baö Sehen, aud) itt
bie fiufterfte 9tadjt Sehen bringt — „©hriftuö
ber Dtctter, aßen ein £)eilanb unb fjreunb."
3roar roirb baö tjeßfeheinenbe Sicht bon ber
Jinfteritiß nicht begriffen, fonbern oerachtet unb
betämpft. Oie fid) im Staube roinbenbe Schlange
fleht nicht ab oott ihren 33erfucf)en, baö £aupt
gtt erbrüdett, unb ihr ßtingen roirb bann unb
roann auch oott geitroeiligem ©rfofge begleitet.
9lber fie bringt eö bentt hoch nur gur fjerfen=
oerrouttbuttg, unb bie fDtittterberheißunjg beroahr=
heilet fidh täglich, baß beö SßeibeS Same ber
Schlange Same ben Stopf gertreten roirb. ©iitft,
gutti «d)luß ber £ei(ögefd)ichte, roirb baö Sicht
bie ftmfterniß auf croig in ben 9lbgruttb ftürgen.
25ßir fehlten ttttö nach biefent ©ttbfiege; mir freuen
unöbaranf; fepen aber guflleid^^eute fchon bie
Siege beö Sichteö. So oft eine c^eele bom Oobe
gutn Sehen bringt, fo oft erhält featan eine 9iie*
berlage; fo oft bie chriftlidje Stinte einen Slltar
ber SBahrheit aufrid)tet, fo oft muß ein Stücf
fjfinfterniß fittfett; fo oft bie 'JJiiffion einen 33oten
in» öcibenlanb feitbet, fo oft ergeht att bie 3i»=
fterniß eine erfolgreiche $rieg$erflärung; fo oft
eine Butter ihrem Stiube bom etoigen Sichte fagt,
fo oft roirb roieberum eitt empfänglich 5Jtcnf<hen=
fjerg erleuchtet; fo oft ein 'fkebiger oott ©tjrifto
geugt, eitt gläubig flittb ©otteö betet unb ein
chriftiicher Sänger fingt, fo oft ift eilt Weilenftein
beö Sieges über bie f^infternift errichtet.
UÖir roarten nicht bloß auf ben eitblichett
Irinmph; mir feßen ben Siegcögttg ttnfereö $eU
lanbeö täglich Dor91ugen. 23}cj?halb betttt füllten
roir nicht ^reubenfeft feiern ? 9lm hfrrlidhftett
aber roirb biefe fjreube fein, roentt baö einige
Sicht itt bir gutn Sichte geworben, roenn ©hriftuö
itt bir ift bie Hoffnung beö etoigen Sebenö.
9)Jit biefem etoigeit Sebett in mir feiere ich
fröhlich 2ßeihnad)teit unb fröhlich 'Jlettjahr. @r
ftillte baö Seib im alten, ©r trodnet bie ^hränen
aud) im neuen 3dh*; ©r hat ©ebet erhöret, er
höret mich imtnerbar; @r führte feineÄirche,
unb 6r ift bei unö aüe Sage biö an ber 2®elt
©ttbe; @r ift in aßen otüdeti unfer treuer ©ott
gemefen, ©r roirb unö auch ferner führen, felbft
über ben Job Ijinauö; benn er heißt „3efuö
©hriftuö, geftern unb heute berfelbe, unb aud) in
©migleit."
Digitized by v^ooQie
3
PU «tburt (fljriltt.
Digitized by v^ooQie
4
ttljriflb autn fdj tuudt.
ßljriltbnumfiljmiidi.
Had)
^fmto $rarmte(.
t. s J?ifolaS fommt halb
unD Da ein herrlicher
Gbriftbaum hcrftcrid>=
tet uierben foll, ber
nicht üicl foftcu barf, fo
wollen wir fnr^ einige
hübfche ®eforatioiten
bes SannenbaumcS
anbeuten, oon
benen manche
allerbiufld be=
fannt fein wer=
ben.
5ür bie Gin=
gangSthür beb
©eibnahtS^
gimmerS Icißt
fiel) leicht ein
icböneS ®ranS=
parent hcrftel=
len, gu welchem
Die Jtnaben in
iteifer grauer
Sappe eine paf=
fenbe 3ufdjrift
auSfhneiben,g.
S.: «Gbte fei
(Mott in ber
frohe!" ober: «(Such ift heute ber freilanb geboren!"
— Beber ber hohen Sudjfiaben wirb mit geöltem
Sapier binterflebt, unb gur Beit burch bicht hinter-
geftellte Siebter beleuchtet. ®aS XranSparent !ann
etwa ben vierten ®beil ber «Ehür auSinahen unb
nimmt beren gange obere AuSbebnung ein, wäbrcnb
ber untere ®heil burch mit Nägeln befeftigte bide
Sucher ober Sorbänge oerbedt unb oerbunfelt wirb.
3n Dem 9taume, oon welchem auS bie Schrift ge=
fehen wirb, barf fiel) felbftoerftänbüh fein Sicht be=
finben.
®eit Saum ftcllt man womöglich oor einen gro=
feen Spiegel, waS ben Gffeft beffelbcn oerboppelt.
®er übrige fRauin beS 3itntnerS wirb burh bie ©e=
fhenftifhhen auSgefüllt, über welche fich hübfehe
fleinc Sauben wölben fönnen, bie auS ®annengwei=
gen, in Söpfe mit feuchtem Sanb gefteeft, hergeftellt
unb mit Sichtern reich gcfdnnüdt werben.
®er SSufpufe beS SaumeS felbft fann aufeeror=
fcentlih oerjcfjieben auSgefübrt werben. 3n frühc=
ren Beiten oergolbete man hauptfählich eine Menge
Aepfel unb 'Jtüffc, fdjnitt Sapieritefee auS, flehte
SBacbSlicbtcr mit oieler-Mübe an bie Bweige, an
benen fie nie gehörig fefthalten wollten, unb be¬
hängte übrigens ben Saum mit fclbftgebadenen
Sheefuchen unb Släfehen. freutgutage hat unS bie
Snbuftric aufeerbem eine Menge reigenber Sahen
sum Sbriftbaumfhmiuf gegeben.
®a finben wir juerft allerlei hübfhe Gbrtft=
baumieithter mit unb ohne Seberbefeftigung, in
weihe buntfarbige Sarraffinfergen gefteeft werben,
bie oiel längere Beit, alS ©adj^ftodlihte, brennen.
Statt ber oergolbeten Slepfel unb 5Wüffe ober gum
©ebrauh neben biefen hat man wunberfhöne
©lasfugelu in allen Sarben, nebft ©olb unb
Silber, aud) burhfidjtige, oon oorgüglicher ©irfung.
®enfelben reihen fid) Die täufhenDen 92ad)abmungen
oon jrühten an. Son ben neuen Sdmiudjachen
oerDienen gläferne GiSgapfen in ÄriftaU unb
Silber Empfehlung, ferner allerlicbfte filberfarbige
©laSgloden, weihe bei ieDcr Serührung ber
Bweige in oerfhiebenen Sönen Hingen.
©ir laffen hier nun bie Schreibung einiger
felbftgufertigenber AuSjcbuüidungojäcbelcben folgen.
Sehr leiht berguftellen finb Ät ö r b ch e n, bie auS
gebrauchten Softfarten ober Dünnem Gartonpapier
gefd)nitten, mit einigen Stuften gur pafjenDen 3*omt
gufammengenäbt werben, weihe Art Der Scrbinbung
oiel Dauerhafter ift, als baS Bujammcnflebcn. Bum
frenfcl wirb Die SflPPe hoppelt genommen unb Die
Scfeftigung ebenfalls burh einige freftftihe ge=
hübet, frat man in biefer ©eife 1 bis 2 ®ufeenb
Ätörbhen angefertigt, fo werben fie innen mit weU
feem, äugen mit filbernem ober buntfarbigem Sapier
beflebt. ®ie Füllung biefer Ä erbeben gefchieht am
heften burh fleine fpafehafte Bucferfiguren, Denen
auh Bettel mit SerShen ober Sejiergegenftänbe
beigefügt werben fönnen.
Gin Saumfhmud, Deffen Schönheit niht leiht
burd) etwaS anbcrcö übertroffen wirb, finb weifee
Silien. 3bre Anfertigung, ift ebenfo leiht alS
amüfant. Son gutem, bejonberö weifeem Schreib^
papier werben immer 5 bis 6 Slätter ciufeinanber
gelegt, unb gur ftorm beS SilicnfelheS auögefhnit=
teil. ©obl su merfeu ift iebod), bafe bie Siumen
nicht in ber Mitte gefnidt werben, fonbent gang
bleiben muffen. ®ic gleiche werben nun burh baS,
an ber einen Seite etwas oorftehenbe Oi'anDcheu gu=
I fammcngeflebt unb bie Spifeen ber Slätter bis gum
Ginfhuitt über einen Sleiftift nad) aufeen umgeroüt.
Bum größeren Shmud Der Siumen wirb nun noch
ein — allerbüigs nicht ber 9iatur entjpredjenbeS —
Staubfäbenbüfdjel hergeftellt, baS auS fehr oielen
Streifen frlittergolb bcftcht unb mit einem feinen
®ratb fowohl gufammengebalten alS auh in ber
Spifee beS ftelheS befeftigt wirb.
®aS Sefeftigen aller auberen Sad)en, befonberS
beS BucferwerfS, fann man fid) aufeerorbentlih cr=
leidjtern, wenn man bagu ftatt ber ©arnfäben ben
bünnftengeglühten ®raht, fogenannten Siumen^
Draht, nimmt. ®erfelbe wirb in Stüde gefhnit=
ten, baS eine Gnbe umfchlingt bao Ätonfeft, baS
anbre ben Bweig. ®en bunfeln, gang feinen
®raht fieht man am Abenb nid)t, unb Die Sahen
fheinen jomit in ber Suft gu fhmeben. ®agegen
machen bie käuflichen, fpiralartig gebrehten glan=
genben ®rähte einen fehr ftörenben Ginbrud unb
finb nid)t gu empfehlen.
3ft nun in biefer SBeifc ber gange Saum fertig
angepufet, fo fhlingt man alS allerletzte Serfhöne=
rung noch ,,G hriftfinbleinS fr aar" um bie
Spifeen ber Biocige. ®iefen garten, gauberhaft
wirfenben Sd)inud hat man erft oor einigen fahren
•auf ben Marft gebrad)t unb fanb bcrfelbe überall,
wo man ihn anmenbete, ungethcilten SeifaU. ^eine
lange Silbcrfäben giehen fid) im Sogen oon einem
Bweige gum anberit, gart wie Spinnwehfdileier,
aber im fiicbterglang wunbcrooU fhimmernb.
Digitized-by v^ooQie
■«mitlif:
Por XDeihrtadjten
ZTun 3 ätjft bas Kittb bic (tage
Bis 31 t bcr iteU’gen Zlacbt:
„£icb IHütterleiu, 0 fagc,
IPas mir bcr dtjrift gebracbtl"
Hub menu bcr Hbcub graut,
So ftcfyt cs oft im PunFelu
Des <£tjriftfiubs ^liigcl fnufelu
Pas burdj bic Scheiben fdjaut.
illfommeu fjolbe IPocbcft
Der iiatj’nbeu lPeiljnad?ts 3 eit,
Wo taufenb fjcr 3 cn podjcit
3 n ftiüer Seligkeit!
<£> bringt mir euer (Slücf
t>oü tjeimlidjem Belagen
2 lus golbneit Kinbcrtagcit
ZTur einmal nod? 3 uriitfl
£)or SBtiljnadjtett.
Zlun finnt unb forgt bie liebe
Unb füfi ift it^re lUiUf’;
XTlait fpiirt ein ftill (Setriebe
3 nt fjaufe fpät unb frul?:
Das Kinbleiti lad?t im draum,
Die Ututter roadjt, 3 U fd^mliefen
mit beimltdjent (Entwürfen
Den bunten IDeibnadjtsbaum.
Hun mag ber tDintcr ftiirntcn:
Dtan fdjäfct fein ftdj’res Dad;»;
Klag braunen Schnee fid? tbürmen:
Dtan märmt fid? im (Scmacb;
Dtan riicFt bei lampenfebein
Um bes Kamines flammen
ttur inniger jufammen
3m trauten Kämmerlein.
Hub ob ber dag ftcb Furzet:
Dtan fit^t am di leb im Kreis,
Den langen Kbenb roiirjct
(Seplanber laut nnb leis,
Dtan träumt unb ftüftert fad?t
Don tanfenb ßerrlicbPciten,
Die beim lieb ftcb bereiten
3 nt bttn Pein rdiofi ber ttaebt.
Digitized by v^oooie
Ber Peiljnod)t8flttn.
7
Unb ift bie Seit ooüenbet,
Sie ftefyen roie im (Eraum,
X^etgt’s: „Kinber, Fommt fyereiitl"
Sie fetj’n tyr Füfjnftes fjoffeu
Wie finden fte, geblenbet
(Erfüllt unb übertroffen
Dom golbnen XPuttberfdjein! l
21m litten IPeiftnacfytsbaum. —
„Elun, Kinber, foinmt fyereinl"
Per Plcilfimdfteftmi.
Sott 3t. SrieS.
eibnadjten
tonr’s nnb
bie flartje
üanbfcbaft
inffieifige»
fleibet.
Sl'eit unb
breit batte
ber liebe
©ott f?elb
unb f^Iur
jugebedt
mit bem roarmen ©djneebette, barunter Inlett
fteime unb ©räSlein toie fc^lafenbe Äiitber unb
träumten »ott Srübling unb Sluferfteben. 9?ur
bie SBöfllein bitten fnabpe 3eit, bocb formte ber
Sater im C>immel auch für fie. £>in nnb ber
im ffialbe unb unter ben ©eefen gab’S fable
«teilen, too ber ©cf)nee nicht bingefatlen mar,
ba lag noch manches öergeffene Äörncbeit nnb
®eerlein, unb Dor ben offenen Drefcbtenncn mar
eine reichliche Dafel flebecft für biele ©äfte.
9tun mar’S heiliger ©briftabenb. Die ifölte
mar nicht fo gar empfinblidj, menn man bie
©cinbe in bie Saften ober unter bie @<bürje
ftedtc. ©ine grobe, heilige «title breitete fidj
über bie 2öelt. S3om SBalbe briiben t)orte man
allerlei unbeutlicbeS klingen ; mar’S ein bäm=
ntevnbev ©peebt, ober maren’S bie lebten Schlage
ber ©olsfcider, bie nun auch fyeicrabenb machten ?
Die ©onne fanf immer tiefer. 99?an fonute
ihr in’S glübenbe 'htgefiebt feben, ohne ju blitu
Sein, ^efit fchaut fie in bie fjenfter ber ÜWiible
bort brüben, bafj fie ganj bergolbet aufleucbten !
Digitized by v^ooQie
8
Her Peüjnfldjtafhm.
3eßt berührt fie ben ©aum ber Oannenroanb
brüten auf bem ffahenjugc — bie 2Bipfel ragen
roie jadige ©pißen in bie rotlje ©d^cibe! 3>eßt
ift fie bahinter berf unten, über fie liegt nod) auf
ben jenfeitigen Sergenjmb burd)i'öll)et ben auf«
fteigenben Saud) ber öc^ornfteine.
SIt)or beb unterließen ©eljöfteS fielen jroei
Äinber, ein nabe unb ein Ntägblein; baS
!jfaföble ift acht 3ahve alt, unb bosnischen jäljlt
fehfe. 33eibe blidten mit großen, blauen Sugen
in bie finfenbe ©onne. 35er 3fange bat eine
rothrooflene ^ipfeltuüße tief über ben ffaahMopf
gejogen, unb bem Stäbchen bat bie forglicße
Ntutter ein Üüdflein über ben Jfopf gebunben,
als bie Sfinber burhauS bingeben roollten, ben
2Beil)nad)tSftern ju febeit. Öer tommt nämlich
gleich hinter ber <©oitne her, wenn fie jur 9tub’
egangen, als müßte er bie ©hlaffammertljür
iitter ihr fhließen.
'über ber ©tern mußte gar nicht tommeit.
OaS SOßarten freilich mar ihnen nicht fhroer,
benn bie ganje Sßelt bor ihnen mar ja bofl Sicht
unb ©lanj, nicht bloß bon ber untergehcnben
Sonne, ionbern biel mehr noch bon ber 2öeih=
nacßtSfonne, bie ihnen bie ©eele burchleuchtete
unb burdjglühte unb crft recht ftrahlen follte,
roenn bie anbere ©onne hinabgefunten.
SBotn frühen Ntorgcit an mären fie boü un=
auSfprehlih füßer SBeihuahtSgebanlen unb ©e*
fühle geroefen. Schon beim ©machen hatte ,
baS 3faföble bor ffaeuben ganj merfroürbige |
löne auSgeftoßen, fo baß 6lSd)ctt, noch halb im
Oraum, meinte, ber ftaljn frühe in ber Kammer.
Oanit hatte er ihr jugernfcn: „2Ba<h auf! mach
auf! 2üeihnacht! SBeiljuaht!"
£>ernad) hatte bie 33afe, bie immer megen ber
©id)t mit berfriimmten Rauben am Ofen faß, j
aber eine ganj beße ©titninc hatte, ein rounber« i
fhöneS 2Beil)uahtSlieb gefungen, baS höb an: j
Uebcr’m Kripplein ftefyt ein Stern,
(Sieget aus ben milben Schein,
(Sriiget 3 e fum <£tjrift, ben £Jerrn,
Unb btc 3ungfrau fjolb unb rein
fjätt’ bod? jebe Seele linb
(Sottcs unb Klarten Kinb!
$»nn mar ber üag ganj langfam hinge=
gangen. Oie Ntutter hatte mancherlei ju fdjaffen
gehabt, unb Nachmittag«? hatten beibc mit bem
Äanbfchtitten einen ©ad SÖeijenmeljl für bie
tfafttage aus ber Ntiihle geholt. OaS mar eine
luftige ^nhrt! @(Sd)en hatte fidtj auf ben ©ad
gefeßt unb mar roie hingeflogen, babei freilich
aud) einmal jiemlid) unfanft heruntergeflogen —
aber ba§ mar heute halb bergeffen, unb flugS
ging es mieber bormärts.
SIS aber ber ©ad bofl mar, ging’S bergan
recht ferner. Sei bem @hufterf)äuShen an ber
©de hielten fie ein menig au, um ju berfhuau«
fen. Oabor ftanben jmei Äinber mit blaffen
©efichtern unb blauen NäShen unb fahen recht
freubloS unb berjagt aus. Ood) tarnen fie an
ben Schlitten unb blidten neugierig auf ben
fchönen Ntdjlfad.
6S rnaren bes ©chuhfliderS Äinber, ©retdjen
unb '-ßeterle. 3h r Sater mar bor etlichen SBochen
an ber ©chminbfucht geftorben. ©ie hatten noch
hier ©efchmifter, unb ihre Ntutter foßte nun für
afle Srot fchaffen. OaS roat fehr hart! „3h*
habt roohl SBeijenmehl geholt?" fragte baS ber«
ftünbige ©retten; - „ei, ift baS eine Stenge!"
©ie mochte rool)l benfen: „|)ätte bie Ntutter nur
ein Heines Oöpfdjen, bann fönnt’ fie uns auch
maS baden jum ffaft!"
Saföble fah bie beiben armen ifinber mit
feinen treuen, blauen Siegen lange an unb hatte
aßerlei ©ebanfen, bie er aber nicht auSfprad),
benn feljr rebegemanbt mar er nicht. 6is<hen
bagegen fdjroaßte gern, unb ba fie bie bünnen
I Äleiber ber armen Stinber anfah, fragte fie:
I „SBarurn jieht ihr euch benn nicht märmer an ?
fefjt ja beibe ganj blau unb berfroren aus!"
ßlSchen mußte noch nicht, maS cS mit ber Sr«
ntuth fei; ^atöble aber mußte eS fchon.
Oa traten bem ©retdjen Ot)räuen v in bie Su=
gen; fie faßte baS tjßcterle bei ber .fcanb, unb beibe
gingen ftill unb traurig in bie offene £üttenthür.
„$u," fagte ber 3fafob, „baS hätt’ft nich fagen
iniiffen ! ©ie babeit’S ja nich beffer, fie finb ja
arm!" „Sch!" ermiberte ©ISdpen, „ift baS
fcblimm ?" Unb bann jogen beibe ben Schlitten
munter ben Serg hinauf unb langten mit firah»
lenb rothen Süden unb leuchtenben Sugeit bei
ber Ntutter an.
Nun, ba fie auf ben 2öeihnad)tSftern marteten,
bachte ber Ijfange mieber an bie beiben armen
fiinber im ©hufterhäuShen, benn gerabe ba,
mo ber ©tern fommen foßte, lag baS JbäuShen.
Uttb richtig, ba ift er! Oben am Nanbe beS
©hornfteiiiS Mißt er auf! ©onberbar, menn
Nau<h aus bem ehornftein aufgeftiegen märe,
bann hätten fie ben ©tern nicht fehen tönnen.
„£>ei! roie eS funfeit!" ruft ©Ischen. „2Bie
gut, baß e§ nicht raucht!" Sialöble fagt nichts,
aber er benft: „2Benn fie ba maS ju fohen hät«
ten, bann rauhte eS roohl!" Onnn blidte er
mieber auf ben fhönelt ©tern. ©eine ©trahlen
tanjten orbentlid) über bem falten ©hornftein.
, „Ou," fagte 6lSd)en, „in fo ’nem ^>äuShen hat
i aud) baS 6f)riftfinb in ber .51 rippe gelegen, fügt
bie $8afe. Cb baS .IJleiufte ba unten auch mo$l
in einer Grippe liegt ?"
Safob fhiittclte ben Äopf, baß ber jflunter
an feiner rothen 9Jtüße h> n = unb herflog unb
bähte fein Oljeil. Cann gingen bie Äinber in’S
£>auS. ©ie feßten fih rehtS bom Ofen, linfS
| faß bie Safe, alfo lag ber Ofen jmifhen ihnen,
i unb bie ffinber bähten, baß bie Safe nichts hören
Digitized by v^ooQie
DigUized by v^ooQie
10
Per IPriljnailjtaftetn.
tonnte bon bem, roaS fie fliifterten. Xer 3uttge
rebete bon neuen Stiefeln, Sebfudjen unb SiU
berbud), bas ©läbdjen bon einer ©uppe init glä=
fernen ©ugen unb paaren, bon einer Scßürje
unb neuen Schüßen, unb bann feufäteu fie, baß
eg gar nicht ©benb roerben rooflte. Xa rief bie
Safe fie ju fiel), fie »olle ihnen was er}äßlen.
„3hr beult tuobl," begann fie, „ber ©SeihnacßtS*
ftern fei nicht größer geroefen als ber ©benb=
ftern ? 3 ßr ©ärreßen! halb fo groß wie ber
©ollmonb unb biertel fo groß wie bie Sonne!
Sonft hätten bie ©Seifen im borgenlanbe ihn
ja gar nicht fehen lönnen ! Unb alle 2eute in
ber ganjeit 2 öett haben ihn gefeheti unb ift ein
großes ©ermunbern nnb fragen gewefen, woher
bod) ber Stern gefoinmen, unb WctS er 511 be=
beuten höbe ? ©her bie brei ©Seifen ßaben’S ganj
(jeitau gewußt, baß ber große König unb Deilanb
ießt geboren fei, auf ben man fcßoit feit Saß»
taufenben gewartet; ber liebe ©ott hatte eS ihnen
ja funbgetßan, — unb barunt machten fie fid)
auf bie 3leife. XaS war aber ’ne feßr weite
Steife. Unb benlt nur nidjt, baS fei fo gewefen,
als wenn ber ©ater bie ©raunen aus bem Stalle
jießt unb fpanitt fie an ben ©Sagen, feßt euch
brauf unb fährt mit euch burch bie Stabt! C,
nein! 9luf großen Kumeelen finb fie geritten,
bie ftnb noch ©HU fo hod), wie bie ©raunen,
haben lange öälfe unb ’tten Heilten Kopf unb
ittmenbig im Seihe ’tt ©Safferfad, baß fie nicht
berburften. Unb bei'Jage mar’S Diel ju warnt
jum Steifen, fo warm, als wenn ihr euch oor
beit Sadofeit ftcflt. Xarmn mußten fie immer
9la<ßt8 reifen, unb barttin hat ihnen ber liebe
©ott aueß gerabe ben Stern an beit fjiinntel ge=
ftellt, baß er ihnen bett ©Seg jeige. So finb fie
glüdlid) nach ^erufalem getontmen, wo ber böfe
König Aerobes regierte. Xa erfuhren fie, baß
ber fjeilanb in Settjlehfm geboren werben fülle,
unb rafcß machten fie fid» auf, folgten toieber
bem Stern, unb wo ber ftattb, über bent armfe=
ligett Stad, ba lehrten fie ein unb wunberten
fid) gar nicht, baß ein fo großer König unter fo
niebrigem Xacß füllte geboren fein. Unb nun
gab’S eine ffrenbe! Xa lag baS Kiitb in einer
Krippe unb itt ©Siitbeln gemidelt unb War hoch
ein leibhaftiges KönigSfiitb. Xer Stern oottt
hohen £>iminel beftrahlte es fo wunberhell, baß
eS wie in lauter Sidjt gebabet mar, baS war fein
Krönlein unb fein ©urpur! XaS wußten bie
©Seifen and), unb barunt traten fie ihre Scheiße
auf unb fd)enfteit bem KönigStinbe ©olb, ©Seih»
rauch unb ©Ißrrbeu!"
XieKinberlaufcßteu mit ungehaltenem ©tbent.
©ISdjett hatte ißr Köpfchen an ber Safe Knie
gelegt unb fdjaute immer tictd) bem fyenfter, wo
baS ©benbrotß berglütjte unb ber Stern luftig
flimmerte.
„Safe," fagte baS Kittb, „ber Stern über’m
cdmfterhäuScßen ift aber auch feßt groß unb
feßön, unb brunter liegt oucß ein Kinb, beS 5)ße=
terleS unb beS ©retcßenS ©rüberlein; ob’s Woßl
auch in einer Krippe liegt ?"
Gfje bie Safe antwortete, öffnete ber ©ater
bie Xßür, unb bie Knechte unb ©lägbe fangen
braußen auf ber Xiele:
3ßr ‘Kiti^crfein Fominet,
<D, Fommet öod; all’!
§ur Krippe hcrFommct
Unb feßt, roas in biefer hochheiligen Hadjt
Der £>ater im fjiinmcl für ^renbe uns madjt.
Xie ©lütter hatte brühen in ber heften Stube
alles jurecbtgemacht, nnb mit 3 audjjen unb
Springen ging’S hinüber. Xer ©ater ßalf ber
Ironien Safe, bie tonnte nicht allein geben. 3n
ber ©litte ftanb ber Xannenbaum, recht fo’n
löftlicßeS Säumtßeit, mie’S ber liebe ©ott nicht
feßlanfer machten laffen fann, mit blanleu ©a=
beln unb einer Spiße, als wollte fie bireft in ben
Fimmel hinein. Oben ober glänjte ein großer,
golbener ©SeihnacßtSftern. ©Soßl hingen gol«
bene ©epjel, ©iiffe unb weiße Silien in feinen
3 weigeu, unb unter bem ©aum lag alles, was
bie Kinber fid» gemünfeht: Stiefel unb Schüße,
©uppe. Such unb große ©adete ber fchönften
Sebfucbeit, in blaues ©apier gepadt unb mit
rotßen Säubern umbunben; bod) hingen 3alobS
klugen unocrmnnbt an bem 2Beißnad)tSftern,
unb feine ©ebanfen gingen bunt burcheinauber!
©on ber einen Seite tarnen bie ©Seifen angejogen
mit ißren Kameeleu unb Sdjäßen, unb in ber
^erne faß er baS ©ßrifUiub unter bem ©Sunber=
ftern. Unb 001 t ber anbern Seite tarnen ©ret=
eßen unb ©eterle mit ißren ©efeßmiftern, hungrig
unb tierfroren, unb unter bem Stern lag baS
Kleinfte in ber ärmlichen ©Siege. Unb ber
©Seihnncßtsftern oben im Xannenbaum fing an
ju rebeit unb 31 t fingen: ,,©eß bn auch hin,
3faföb(e, wo bu ben Stern gefeßen, unb bringe
btt auch bem armen Kinbe bon beinen Scßäßen,
baS gefällt bem @ßrifttinbe! ©eh’ ßin, Soßn*
lein, geß’ hin !"
Xa nimmt ber 3 mige Kiff ben größten ©aden
mit Sebtucßcn, ftedt ißit heimlich unter feine
$ade, unb wie bie 2 'ußter ausgebrannt finb,
nidt er noch einmal hinauf ju bem ©SeiljnacßtS*
ftern unb fagt bei fid): ,,Sd) geß’ fdßon, bu lieber
e>tern, icß geß’ feßon !" Xattn fcßleicßt er faeßte
hinaus. @r miD tüchtig laufen, bann ift er in
3 eßn ©linuten mieber ba.
(>r gudte eifrig nad) bem Stern, aber ber mar
nicht meßr ba, ftatt beffen ßob ließ bie boDe
©loitbfcßeibe Kar nnb füll über bem Serge unb
füllte alles mit ißrem 2i<ßt. Xer 3 <>tob rannte
aus ScibeSfräfteu bem SchufterßäuSchen ju.
©cß, ba war’S buntel unb traurig! ©lorgenS
war bie ©lütter mit jmei feßmeren Körben auf
Digitized by v^ooQie
Her Peiljnadjtsftern.
11
ben £>anbel ausgegangen. Sie hatte Mild),
Brot unb falte ftartoffelit für bie Slinber gurecht»
gefteüt, iuft nicht reichlich, aber eS ging bocß.
als eS nun aber bunfelte unb bie Mutter nicht
fam, mürben bie Äinber gang traurig; Sicht
tonnten fie nicht angünben, fo ßocften fie Dicht
gufamineu im falten Ofenroinfel, am fdjöuen,
bellen, heiligen ©hriftabenb. Unb menn fie
gemußt, baß ihr Mütterchen unter ber ferneren
Saft gufammengebrochen unb im HöirtßShaufe,
mo man fie aus Barmhergigfeit aufgenommen,
auf einer ©treu lag, bann mären fie noch Diel
trauriger geroorben.
$aS Jfleinfte in ber SOßiege mar bisher bas
lujligfte gemefen. ©retchen butte ihm fürforg*
lieh bie Milch in bie glafdße gethan. ®em ®e=
terle mar ber &opf auch febmer gemorben, ©ret*
eben aber faß neben ber UBiege unb bliefte mit
ernjlen Slugen halb in ben Monbfdheitt, balb in
bie Söiege, roo bie MonbÜraßlen bem fcßlafenben
®rüberlein über’S ©eficht hufchten. ®abei
fummt fie: „Som Fimmel hoch, ba fomm’ ich
her!" unb horcht gefpattnt auf jebeS ©eräufch
Draußen, ob’s nicht bie Mutter fei; baS £>erg
pocht ihr unb guleßt fängt fie an gu meinen,
©ei nur getroft, ©retele, ber SJeihnachtSftern
bat über eurem ®adj geftanben, gaföble ßafS
mit eignen klugen gefehn. ®a — jeßt aber
fommt gatu geroiß ettoaS! „ 6 i, btt lieb’S Müt*
terle, tote qaft btt’S eilig gu beiiten $inbent 31 t
lomtnen!" benft ©retchen. ®a tlopft’S an’S
genfter: „Mach’ auf, ©rete, mach’ auf! 3><h
bring’ bir roaS Dom SBeißnachtSftern !" ruft eine
©timme braußen.
©retten eilte hinaus, Beterle folgt ihr rafch,
unb bie anbern raffen fich auch auf.
3afob, bift bu’S nur ? SMr meinten,
eS mär 1 bie Mutter!"
3afob ßört’S faunt, er ift itt’S monbbeglängte
©tübeßen getreten. 2Bel<h’ ein Unterfd^ieb, ba*
beim unb hier ' „Brennt ihr benn fein Sicht ?
Unb roo ift euer SBeihnacßten ? Unb feib ißt
gang allein ?" @0 fragt ber gunge haftig, aber
feiner antroortet, bis baS meinenbe ©reichen ber=
Dorfläßt: „Mutter ift gang auSgeblieben, unb«
mit haben nichts mehr gu egfen !"
5)a holt ber 3afob baS große Badet mit
Bfefferfucßen heraus, reißt baS rotße Banb ab,
ßeeft jebem einen mächtigen ßueßen in bie £>anb
unb ftürgt babon! 2)er gunge meiß fattm, roaS
er tbut, aber eins meiß er: ®ie ffinber föttnen
unmöglich am fettigen 9lbeub allein bleiben,
frieren unb hungern, unb baS alles ohne Sicht!
®er 2BeibnacßtSftern hat ja übeif ihrem ®acß
geftanben !
Safjeim roollten fie fich juft um ben 5£if<h gttr
reichlichen STbenbrnaßlgeit feßen, ba üermißteit fit
erfl ben jungen. „ 6 r roirb in ben Stall gur
Bleß gegangen fein," fngt ber Sater.
®a roirb bie ®hür aufgeriffen unb herein
ftürmt baS gaföble, grab’ auf ben Sater los,
fteht mit offenem Munbe, fpreeßen fann er noch
nicht, er hat fich fchier allen 9ltbem meggelaufen,
gurücf ging’S ja bergan.
„$itib!" fagt bie Mutter, „roaS ift bir ge*
fcheßen ?" Unb bie Safe befommt fchon baS
3ittcrn, fie fann gar nichts SußerorbeutlicßeS
Dertragen. geßt allmählig fommt ber gafob
gu 2Borte: „®a — ba !" unten, im ©cßufter*
bauschen, — roo ber ©fern ftanb! — ®ie ßinber
— allein, im SDuitfeln ! ifein Sater, feine Mut*
ter! fein ©jfen ! — fRicßtS als ber Monb! —"
Allgemach marbS bann hoch bentlicßer; fie
berftanben, mo 3|afob gemefen, maS er ba ge*
macht, unb ber Safe liefen bie Sßränen über’S
©eficht, rechte SBeihnacßtStbränen!
®a ftanb ber Sater auf unb ging mit ber
Mutter ftill hinaus. 91acß einer SBeile famen
fie gurücf mit ©retchen unb ®eterle unb ben an*
berti, unb gang eingepadt trug bie Mutter baS
ßleiufte unb hegte unb roiegte eS, als eS meinen
molltc. ®ann feßten fie ‘fich alle an ben Stifcß.
(Svft beteten fie: .Somrn, £>err 3|efn, fei unfer
©aft! barauf aßen fie, baß es eine Suft mar.
©pät SbenbS brachte ber alte Sole bie 9tacß=
rießt Don ber Mutter, unb bie braoeit Bauers*
leute haben noch lange mitfammen beratßen in
ber heiligen ©hriftneießt, maS babei gu machen,
unb mic ber fJlotß gu mehren fei. gnbeß Jagen
alle S'inber in feftem ©cßlafe beieinanber, bie
gmei eigenen unb bie fecßS fremben. ®ie Sau*
erSfraii hat ein großes Säger auf gemacht Don
all’ ißren biefen geberbetten, ba liegen fie roie
bie MäuSlein im &eu ! ®cr 3afob aber hat baS
Beterle feft an ber £>anb gefaßt unb läßt auch
im ©cßlaf nicht loS.
9lm UBeibnacßtSmorgen gang früh hat ber
Sauer bie Braunen eingefpannt, um bie arme,
franfe grau gu holen. ©0 arg traut ift fie
©ottlob ! nicht gemefen, nur gar gu matt unb
mübe, unb baß ber Sauer fie heimgeholt, ift ißr
mie ein Shutber gemefen. 9tIS bie ftinber et*
machten, ift bie Mutter fchon bageroefen, unb
mäbreitb ber gefttage finb alle gufammen 9öeiß*
namtsgäfte geblieben beim gaföble unb ©IScßen!
©päter aber haben audß noch aitberc gute
Seute fieß iß rer angenommen, unb in 91otß unb
gammet ift fie nicht mieber geratfjen. ®aS alles
aber fam uom SffieißnachtSftern ! ®rum laffet
uns alle, große unb fleine $inber, aus Doller
Sruft anftimmen:
Das tvo ’ge £id;t geht ba herein,
«Siebt ber IDelt einen neuen Schein;
<2s leudjt’t wohl mitten in ber tlacßt
Unb uns bes Siebtes Umber macht I
Kyrie eleif!
(Deutfcber Äinberfreunb.)
Digitized by v^ooQie
12
$tr fttllt btt 3fit.
Pie fülle Her |eit.
Sott 3. 8. »agier.
a aber bie 3 e i* erfüllet
warb, fanbte ©ott feinen
Ir ©ohn," ©al.4,'4. Der £)auptmoment
m ber ©rlöfmtg ift baS frommen ^efu in’S
- v gleifh, feine ©rfheinuug in ber 3eitlüh=
teit. DiefeS ift bas 2Bunber aller 2Buit»
ber. 9UIeS, was ©ott in ber 28elt unb
an ber gefallenen Wenfhhcit tßut, gehört
mehr ober toeitiger pr 'Ausführung bie=
feS einen tiefgelegten '-IManeS; unb beshalb
ift bas kommen beS ©rlöfcrS baS große
3 i e 1 ber alten, unb ber 91 u S g a n g 3 =
p u n 11 bej neueren 3<üt, 3efuS ©hriftuS,
©ott geotrenbarct im fyleifhe, ift ber
große Wittelpunft ber gefammten Öe=
fd)id)te ber Wenfhhcit, unb ber einzige ©hliif»
fei pr Söfung ifjrer geheimnißuotlen SRäthfel.
Ofpe ihn bleibt 'Alles ein unlösbares ©eheim»
niß, in feinem Sichte toirb and) bas Dunfelfte
erleuchtet, fürwahr, auch in biefem ©imte ift
er „bas Sicht ber 2Belt".
„28a3 hüben mir nun unter biefer Sülle ber
3 eit" ober ©rfülluitg ber 3<üt p oerfteheit ?
9tad) unferent Dafürhalten ein Dreifaches:
e r ft I i cf), b i e 3«'!- welche ©ott felbft in feiner
2 Beisfjeit unb nah feinem fouüeränen 28illen oon
©wigfeit bap beftimint hatte; zweitens, bie
3eit, oon toelcher bie ooin ©eiftc ®otte3 erleud)»
teten Propheten getoeiffagt hatten, unb b r i t =
tenS, bie3 c 't. in welcher bie Skrhättniffe in
ber ÜRenfchheit im großen ©aitjen für biefeS
größte aller ©reigitiffe befonberS geeignet ober
günftig waren.
Unterroerfen wir biefe brei fünfte einer nähe»
ren ^Betrachtung.
I. 2>er tmrcf) ben foubrrünrn SBillen @otte§ be»
fHmmlt 3eitmomrut für bie (frfctjeinuug be i ©rlöfrrS.
SBarum ©ott gerabe bie 3 e 't, in roetdjer
3fefuS erfchien, unb leine anbere, bap beftimmt
hat, tönneu wir ebenfowenig wiffen ober fagen,
als wir wiffen fönnen, toarum ©ott bie 28elt
ober ben Weitfhcn erfd&uf gerabe p ber 3eit,
in welcher er biefe§ that. 3n '-Bepg folcher
Dinge, welche ©ott al§ ©djöpfer unb 2Beltre=
genten alleine angeben, ift fein fouoeräner Söille
abfoluteS unb alleiniges ©efep. 3»' Ickten
©runbe gehört alfo bas „28aS" uub baS
„ 28 a n n" ber Sülle ber 3«it p ben berborgeneu
©eheimniffen ©otteS, bie unfer creatürlicher SBer»
ftanb nie ergrüubeu wirb.
Wan fönnte Dielleicht fagen, baß ©ott feinen
©ohn eben in ber 3<üt in bie 28elt gefanbt habe,
in welcher bie Wenfhhfit für fein kommen reif
war. 2Bir geben biefeS p, wie man weiter
unten iefjen wirb; aber man barf nicht baS jur
Urfache mähen, was wenigstens theilweife 2Bir=
tung ift. Diefe Anfidjt hätte bebeutenbeS ®e=
wicht, wenn ©ott, wie ein muffiger 3ufchauer,
einfach hatte warten muffen, bis fih bie Wenfdj»
heit burd) eigene freie ©ntwicfelung p einer
gewiffen .£)öfje heraufgearbeitet haben würbe.
DiefeS ift aber nicht ber Sali. ©ott hat bie
gefallene Wenfhhfit nidt)t ganj fih felbft über»
laffen, fonbern oon 2lnfnng an fort unb fort
birett unb inbirett, unmittelbar unb mittelbar
an ihr gearbeitet unb in ihr gewirft, fo baß fie
mehr ober weniger unter bem Ir in fließe feines
©eifteS reifte, wie bie Früchte am 3kume unter
bem ©influffe ber ioitne.
3 11 einer 2Bclt, wo einmal bie ©ünbe, baS
©ottwibrige ©ingang gefunbeit hat, gefhiefjt
woßl WanheS, baS nicht Don ©ott fommt unb
uiht mit feinem 28illcn barinonirt; beim wir
biirfen unb fönnen baS 23öfe, baS unter ©otteS
3 ula||ung gefhieht, niht auf ©ott prücf führen,
beim bas würbe bie ikrantwortlihfeit ber ©e»
fhöpfe unb bie ©erehtigleit beS ©höpferS auf»
heben, ©ott überwaltet 'Alles mit fold)er 28eiS=
heit, baß felbft bie Söoeheit- ber ©ottlofen in
Dielen fällen, wenn niht immer, am ©nbe mr
Skrfjerrlidpng feines vtamenS unb pr ©r=
reihung feiner 3wccfe beitragen muß, wie wir
burd) manche Seifpiele aus ber ©hrift barthun
fönnten. 22an beule an 3ofept)S ©rüber, an
fRebucabnejar unb an Anbere. 2Bir glauben beS»
halb, baß, wenn ©ott ben ©rlöfer p Anfang
beS oierten, anftatt beS fünften 3ahrtaufeubS
ber ©efdjidjte ber Wenfhhfit in bie 2Belt hätte
fetiben wollen, fo würbe er es auch ßherlid)
haben bewirten fönnen, baß bie Wenfhhfit S u
jener 3fit für fein kommen reif gewefen wäre.
2Bir fagen beShalb nod) ein Wal: Das „2ßann"
ber Sülle ber 3eit gehört im leßten ©runbe p
ben ©eheimniffen, bie fih ©ott borbehalten hat.
II. 2>rr tmreti bie Beiffagimgrn ber Propheten an»
gebeutete 3eitmomeut ber ©rfiheinuug beS WeffiaS.
DaS foebeu unter 9!o. I. gefagte gilt auch in
23e3ug auf bie 28eiffagungen ber Propheten Don
ber 3e't ber ©rfheinung beS ©rlöferS. Wan
fanit nid)t fagen: 2BeiIbie Propheten Don
biefer befonberen 3cit gemeiffagt haben, b e S *
halb mußte 3efuS in biefer 3cit fommen, als
ob bie 28eiffagungeti Do.n ber 3eit bie U rfache
Don bem frommen 3c'iu in biefer 3 e * * ge»
wefen wären; fonbern man muß fagen: Die
Propheten weiffagten oon biefer 3eit. weil
3efuS in biefer befonberen 3eit fommen foüte.
Der ©ott, welher bie Propheten burh feinen
Digitized by
Google
Jlie Jillle btt jleit.
13
©eift erleudptete, fo baß fie in bie 3 ufunft
ßpauen unb baS kommen 3efu Dertünbigen
tonnten, war berfelbe, welker 3 cf um in bie
2Be(t fanbte; unb pätte 3efu3 ju einer anberen
Seit tommen folleit, fo würben bie tßroppeten
audpauf eine anbere 3 c ü piugewiefen paben.
AßerbingS, als bie SBeiffagungen ba waren,
fo mußte bie ©dprift ou<^ erfüllt weroen, b. p.
gpriftuS mußte bem, was Don ipm bur<p bie
Propheten gefagt war, auch entfpredpen.
Unter ben Propheten war eS befonberS Oatiiel,
welker Don ber 3eit beS Kommens 2fefu be»
ftimmt geweiffagt patte. 6t tpat biefeS befon»
berS in feiner SBeiffagung Don ben „fieberig
SBodpen", ftap. 9, 24—27. AIS biefe ^Jeriobe
obgelaufeit war, ba ift bie Seit erfüllet gemefen,
ba mar bie Sülle ber Seit pereingebrodpen, unb
ber 6 rlöfer erfcpien auf 6 rben.
m. Set bttrip bie ©erpältntffe in btt Utrafippeit
geeignetfle Stitmomeut für bie (grfdjrinmtß
bei SBettpeitonbeS.
Oa» ©dpaffen unb ©irfen ©ottes ift jjewöpn»
litp ein aßmäpligeS ober ftufenmeifeS; fein'fßlan
fiiprt Dom kleinen jum ©roßen, Dom fieberen
jiun ^>operen. OiefeS fepen mir fdpon in ber
©(pöpfung ber SGBelt. 6 in jebeS Oageroerf mar
eine Vorbereitung für baS fommenbe, unb baS
©ante eine SBorbereitunp für bie 6 rfcpoffung
beS uRenfcpen. 3 n ollen jenen ißerioben, bie ber
©cpöpfung AbamS Dorangingen, mar bocp ber
Ätenfdp bie fjauptfadpe im tßlane; er roar p a §
3 i e l Don ber 3 e 'l an, ba ©ott fpraep: „65
Werbe Sidpt!" bis ju bem Dtomente, ba er fpvacp:
„Saffet unS ÜKenfdpen madpett." Oaffelbe ©efeß
gilt audp in SJejug ber ©efcpidpte ber 9J?enfdt)peit
Dom Salle im $arabiefe bis jur ©eburt 3efu in
©etplepem. Unter allen Dorpergepenben Offene
barungen ©otteS reifte bie Ateufcppeit peran,
bis fie nadp ^aprtaufenben enblicp fäpig mar,
bie ießte große £>auptoffenbarung, ©ott ge»
offenbaret im Orleifc^e, aufjunepmen. AIS biefer
3eitpuntt gefommen mar, ba mar in biefer 93e=
jiepung „bie Süße ber Seit" pereingebrodpen.
6 in Slidt über bie gefnmmte Offenbarung ber
SBirfungSmeife ©otteS leprt uns folgenbeS: ©ott
greift nadp Verlauf gewiffer 3 «itperioben, beren
Oauer Don ipm allein beftimmt finb, auf eine
befonbere SGßeife in ben ©ang ber Oinge ober
ber ©efdpidpte ein, um bem Saufe berfelben einen
neuen 3 m p u l S ober eine neue 9t i cp t u n g 311
geben, ober um fie Dermittelft feiner fdpöpferifdpen
2 Wa<pt auf eine pöpere ©tufe ober SJapn ju
peben ober ju leiten. 6 in jebeS 9Jtal, wenn eine
folcpe Seitperiobe nbgelanfen ift, fo ift in einem
gemiffen ©inne eine Süße ber 3 eit perein»
gebrodpen, in meldper baS fogenannte Ueber»
natiirlicpe in ben Sauf beS fogenannten Aatür»
licpen eingreift. 6 in foldper Seitpunft »ar es,
als ber ©eift beS ©dpöpferS über ber SOBüfte unb
Seere ber alten Urroelt ober Untadpt fdpmebte
unb fpraip: „ 6 S werbe Sicpt"; ein anberer, als
er na<p Verlauf geroiffer ©(pöpfungsperioben
fpraep: „Saffet uns löten fepen matpen"; ein an»
berer, als nadp Verlauf geroiffer CffenbarungS»
ftufen ber 6 ngel beS £)errn oerfünbigte: ,, 6 'udp
ift peute ber |>eilanb geboren." 3Jtit bem ftom»
men beS 6 rlöferS warb in ber ÜDlenfcppeit wie»
herum ein neuer Anfang gegeben, aber auep
ein neues 3 < e l gefeßt. 2 öie bie Atenfdppeit für
bie 6 rfcpeinung beS 6 rlbferS reifte, fo reift fie
nun für feine §roeite' 6 rf<peinuitg als 9ti<pter
aller SAenftpen. OaS wirb eine anbere Sülle ber
Seit fein, roetepe aber nur bem aßroiffenben ©ott
befannt ift.
6 iner ber ftärfften Seroeife für bie ©öttlidpfeit
ber cpriftlidpen üteligion ift ipre erftaunlidp fdpneße
Ausbreitung im apoftolifcpen 3 f italter. ©ie
mürbe ben Atenfcpen niipt mit ©ewalt auf»
gebrungen, roie fpäter ber SAupamebaniSmuS
unb tpeilroeife audp ber DtomaniSmuS; fonbern
ipre Aitnapme mürbe ber freien SSJißenSentfdpei»
buug ber SAenfcpen überlaffen. Audp mar nidpts
in ipr, baS bem gefabenen SAenßpen feiner
fleifdplidpen Aatur naip jufagte, roie biefeS bei
ber Äeligion beS $oran ber Saß ift. Oie cßrift»
lidpe ftirdpe mar Anfangs bie an aßen 6 nben
miberfpvocpene ©ette, Apoftelg. 28,22. Unb bedp
breitete fie fidp in turjer 3eit Don ^Perfien bis
nadp ©panien auS, unb erfdpütterte ben alten
Opron ber 6 äfaren, bis er anfing ju Wanten
unb jufammenjuftürjen. OiefeS weift roopl pin
auf bie neue göttlidpe $raf t, bie fidp in biefer
ßteligion offenbarte; aber tönneu wir nidptiben»
faßS pierauS ben ©dpluß jiepen, baß bie 9Aenfdp=
peit befonberS reif mar für bie Sepre 3efu, unb
baß bie SScrpältniffe im Ütömerreicpe berart Waren,
baß fie eine foldp fdjnefle Ausbreitung beS 6 bange=
lium begünftigten? 2Öer moßte biefeS bezweifeln.
6 in ©lidf auf bie 33erpältniffe ber lDtenf<ppeit
3 ur 3fif beS SebenS 3?fu eröffnet uns ein faft
unüberfepbareS ©ebiet. Oie brei bebeutenbften
93ölfer, bie in biefer SBejiepung itt’S ©eroiipt
faßen, finb bie 3 fuben, bie ©riedpen unb bie
Ütömer. Sebentt man ipre religiöfen, fojialen,
politifepen u. f. m. tßerpältnifje, unb wie bie»
Jelbeti mürben, rooS fie bamalS waren, fo fiept
man bie Unmöglicpfeit, aß biefeS in ben engen
9tapmen eines AuffnßeS 31 t brängen. 2öir be»
gnügen uns beSpalb bie Anbeutungen gegeben
31 t paben imb fdpließen mit ben SBorten beS be»
rüpmien .ftircpenpiftoriferS Aeanber: „3ebe ber
brei meltpiftorifcpen Aationen foflte auf eigen»
tpiimlicpe Sffieife basu wirten, bem 6 priftentpume
©oben 3 U bereiten; bie Suben Don ©eiten be§
religiöfen 6 lementS, bie ^eflenen Don ©eiten
ber AMffeufcpaft unb $unft, bie 9tömer als SGBelt»
perrfeper Don ©eiten beS politifdpen 6 lementS."
Digitized by v^ooQie
Sanct Hicolaus.
^ lernet jVJctkiwd.
Ja
L^r Foinmt unb fcbant bic Kleinen an
j . Uni> fpriebt: 3*7 r frommen Kinber,
r 3i? r foüt mir alles eSnte tyaitl
3 d? bring’ eud? für ben IDiitter
liier Hepfcl unb Birnen unb inanbelPcrit,
Scbhicbeu unb Hüffe unb gueferfteru;
Da füllt euct? Kappen unb CEafdjcnl
Die Kinber Flauben unb freuen fiel? fetyr;
Dod? fiuftcr brummt ber Hltc:
Hun gebt mir bic böfen Buben tjer,
Die trag’ id? fort 311 m IPalbc!
Der Pater fpridit: Siub alle bratv
Hub brauchen u^eber §auf nod? Straf;
Sie folgen unb lernen mit ^reubett.
Da ftreiebt ber XTlärtcl fid? beu Bart
Unb fagt: Das läjgt fid? tjöreu!
Da rnirb auch, rneil fo brar it?r rnar’t,
£t?riftPiubd>cn eueb befeueren.
Hbe, it?r Kiuberl Bleibt nur hier! -
Zlun fd?larft er roicber hinaus 3 ur CE^ür
Utib ftolpert bie Stiege hinunter.
\
Digitized by vjOOQI -
15
<§in (Insel in einem geberrodt.
din dngel in einem ilebctrodt.
3rei uaifi bem (htgüfciicn non @. @.
un, eS tljut mir febr
leib, ober irf) habe baS
58e|'te für ©ie geü)an,
ba* man unter beit Um*
ftänbeu tbim tonn."
©S mar ber SBagen*
fitörcr eines ©d)neff*
gugeS auf einer öftlidjen
©ifenbabn, metdjer biefe
®orte an einen Steifen*
ben richtete, ber mit ber
Tafd)enubr in ber £>anb
an ber Tlfüre [taub, als
ber 3ns langfam in ben
Satjnljof bon Softon fuhr.
„3(4 begmeifle baS feinen Slugenblicf," lautete
bie Slntmort. ,,©ie fönnen gemifj n icf)t fiir bie
Serfpätung beS 3ugeS befdfjiilbigt merben. Ter
anbere 3ug roirb toobl fchon abgefahren fein ?"
„Ohne ^roeifet, bie 3eit ber ^Ibfa^rt ift fd)on
längft üorüber."
„Unb mann fährt ber näcfjfte 3ug ab, melier
Slnfchlujj nach Cincinnati bat ?"
„9tid)t bor morgen früh."
„Stun, baS ift für inicf) entfd)eibenb. Tante
3bnen febr." Sftit biefen SBorten ftieg £>err
tfmliburton Tobb Dom 3«ge ab unb ging mit
feinem £>anbfoffer langfam bur$ bie Steiben ber
laut fdjreienben SJtietbfutfcher binburd). Cr mar
ein gu guter Sbilofofft als bafs er fidb über ben
febroeren Stegenergufe ber lebten Tage geärgert
batte, melier bie Serfpätung beS 3ugeS üer=
urfad)t batte; immerbin aber fab er febr itieber*
gefiblagen aus unb feine Singen berrictf)en ©pu=
ren ber tiefften Stübrung. (Sr mar eine inipo*
nirenbe ©eftalt, fiinfunboiergig 3(abre alt, mit
bunflem £mar unb Soll hart, ber febon längft ficb
grau gu färben begann, blauen Singen unb
frifdjem SluSfeben.
Dnfel £>al —fo nannten ibn bie Jtnaben unb
Stäbchen roeit unb breit — mar auf ber Steife,
einem fjamilienfefte, meines am ©fjrifttog Slbenb
inßincinnati gefeiert merben füllte, beiguröobnen.
Sille feine berbeiratbeten Sriiber unb «Sc^tDeftern
batten besprochen, fidb mit ihren Familien ein*
gujtellen. ^iir ibn aber mar eS je&t unmöglich,
an biefer fjeftlicbfeit Tbeil gu nehmen. TaS fjeft
mürbe üorüber fein unb bie ©äfte fid) roieber
gerffreut haben, ehe er bie „SBeftfönigin" er*
reichen fönnte. ©S blieb ihm olfo nichts übrig,
al» in ber fremben ©tabt Softon 9Beif)nad)ten
|ii feiern. Unter anbereit ©efiibleu hätte er fid)
in einet ffutfdje ober im ©trafseneifenbabn*
Wagen in bie ©tabt fahren taffen. 3tefct aber
bergidjtete er auf beibeS. fröhlich gefinnte Seute
mögen fahren, traurig geftimmte geben lieber
einfam beS SBegeS. Cr mollte menigftenS ben
Serfucb machen, feine grofje läufdjung einiger*
maßen binmeggumarfdjiren.
£>err Tobb ging eine ©efd)äftSftraf;e entlang.
Söelcb’ ein Thun unb Treiben ber mogenben
SJtenfcbenmenge nimmt er hier mabr! ’3eber*
mann ift in ber ©ile, fich auf ben Sefttag bor*
gubereiten. „SBer taufen miU, muß beut’ noch
laufen, benn morgen ift SefcbeerungStag," fchien
ihm auf jebem Slngefidf)te geichrieben gu flehen.
Ter Slnblicf intereffirte ihn bermafjen, baß er
feinen Kummer bergnß unb gu fich fpracb: „SBie
biele SJtenfcben finb hoch beute in ©ebanfen unb
in Slrbeit bertieft, mie fie Slnbern morgen eine
Ufreube bereiten tonnten. Unb mie gtücflid) finb
bed) biefe Seute beute febon! Söie oft hört man
fagen, baff ©brifttag ber glücflidbfte Tag beS
gangen 3abreS fei; ift bem aber fo in ber Tbat?
3 ft es nid)t ber Tag bor SBeibnachten ? "
SSäbrenb £>err Tobb fich mit biefen ©ebanten
befchöftigte, bemertte er gtoei fiinber bor einem
@ngroS=$leiberlaben, bie fofort feine gange Sluf*
merffnmfeit in Slnfpruch nahmen. Tie Äinber,
ein Stäbchen bon grnölf unb ein ft nabe bon gehn
Satiren, maren ärmlich aber reinlich getleibet.
„SEßie biel baft bu befommen, Stuft) ?" frug
ber Htnabe, als baS Stäbchen bie Thür beS CabenS
hinter fich gugog.
„SloS fieben TotlarS," antroortete baS Stäb*
eben, mäbrenb fie einen ferneren ©eufger gu
unterbriiden fudl)te. ,,©S maren bier Tußenb
Stad)tf)cniben, mie bu roeißt, unb ber Stacberlobn
ift gmei ToDarS baS Tujjenb; aber ber fjabri*
taut fagte, bie Slrbeit fei nicht gut gemacht, ba=
her gog er einen Toflar bom Sohne ab."
„Ter Qfabrifant fogt eine Unmnbrbeit," rief
Sen bödbft entrüftet aus, „unb idb geh« fogleidj
hinein unb fage eS ihm."
„Sich nein," ermiberte Stuft), „baS mürbe ja
gar nichts mißen. Ter fjabrifant mürbe bir fein
©eljör fdbenfen, unb am ©itbe befämen mir feine
Slrbeit mehr bon ihm. — Slber bie Slrbeit mar
boch gut gemacht, roenn mir fchon ber Stutter
geholfen haben; benn bu baft recht fchöti auf ber
iÖiafcfiiiie genäht, unb Staina fagte, bie ftnopf*
löcher, bie idb nähte, feien eben fo gut, als menit
fie fie felbft genäht hätte, benfe bir boch nur ein*
mal, Sen, mir Trei haben in gmei SSodjen bar*
ter Slrbeit bloS fieben TollarS berbient."
„3ejgt fönnen mir morgen fein Turfebbinner
haben," meinte Sen mit trauriger SJiene.
„Sich nein," ermiberte Stuft). „3ch fab einen
Digitized by v^ooQie
16
(Hin (fngel in einem ^eberroib.
fetten jungen Sßclfcbhobn brüben im Gdlaben
für ein unb einen halben Dollar, aber bu meißt,
mir mtijjcn gmei Dollars fiir fjauSmictlje gur
Seite legen, unb itäcfjfte 2ßod)e müjjen mir
Sfofjlen taufen. 3$ bin gemifj, Warna mirb
uns fugen, baß mir bieStnal feinen Säielfc^fja^ix
für 3Beihnad)ten taufen föitnen."
„So tafj unä beim meiter gehen," fprad) Sen,
roüfjrenb er ooll Unmillen bem eifernen Sdjilb
non „Seligmann & Go." einen fyiißtritt oerfeßte.
fjerr Jobb batte feine Jäufdjung gang bei»
effen, mäbrenb er ber Unterredung biefer beibeu
"inber Iaufd)te. Gr folgte ihnen auf ber Straße,
in ber Grmnrtung, nod) meitereS gu hören, mo=
burdh er einen Ginblirf in bie <55efdE)icf)te biefer
Santilie gemiitnen tonnte. Sie gingen an Der»
fchiebeneit Slaufläben borbei, prächtige Sachen
aller 9lrt nebft Setfereien roaren in ben tJenftern
auSgeflellt, bod) hielten bie ff inber fich nirgcnbS
lange auf. '-Huf einmal erblictte ,'perr Jobb eine
große mit fetten folorirten Sucßftaben aitge»
braute 9lngcige, melche baS Oratorium beS
WeffiaS in ber Wufifljalle am Jienftag ?lbeub,
ben 24. Segeinber, berfünbigte. Sie 9lugeige
berfprath, baß ßerr Saug bie Orgel fpielen
mürbe, baß bas Drdjcfter unter ber Scitung bon
Jheobor JhomaS ftünbe; als Soliften folgten
bie Flamen bon f$rl. JpurSbt) unb Garet), ber
Herren ftratig 9ieminerß, Wpron 2Bl)ituei) unb
Wabere mehr.
„SaS ift cs!" fprad) £>err Jobb gu fich felbft.
3 eßt muffte er, mie er ben Wbeub gubriitgen
roollte unb er nerfprad) fid) eine genußreiche 3eit
in biefer großen, frembeit Stabt.
Sßäfjrenb fjerr Jobb bie Wngeige lieft, be=
mertt er, baff bie beibeu Sfinber SRubt) unb Sen
ebenfalls in biefclbe vertieft finb.
„SaS finb hoch merfmürbige ftinber," buchte
er bei fich felbft, „bie an ber Wngeige eines Ora=
toriums ein foldjcS 3»tereffe offenbaren? 2öäre
es eine GircuSangeigc, bann mürbe id) mich nicht
munberu."
„2Bie gern mürbe id) heute Wbenb ben WeffiaS
hören," meinte Dfubp.
„3<h aber and)!" fiel Sen ein, inbem er bie
Wntroort burch einen laugen, tiefen tjßfiff ab»
runbete.
„Grinnerft bu bidj noch jener 5Rad)t, als mir
mit tßapa uu b gjtama iu’S Goncert gingen, um
Fräulein fRilSfon fingen gu hören ? Fräulein
Garet) mar auch ba. fvräulein fRilSfon fang baS
Sieb: 2Bcnn bie Sdjmalben heimroärts giefj’n."
„3a, iCh erinnere mid) mof)l," erroiberte Sen,
„Warna hat es nachher oft gefungen. Unb er=
innerft bu bid) noch bcS fjrangofen, ber bie Sio=
tine fpielte? SEßie hieß er bod); Slau Jom, ober
fo etroaS."
„Sieuptemps," ermiberie SRubt) laChenb, bie
beS 3?rangöftfd)en etroaS tunbig mar.
„3a, ja, baS ift ber Warne, ber fonnte aber
| ben Sogen ftreicheit unb bie Siotine tangen
machen, ei, ei," unb ber 3u»öc brüefte feinen
Sforb an bie Sdiulter, maprenb er mit bem
Sogen, ben er fich baeßte, eine Ötoulabe ausgu»
| führen oerfuchte. „SJir hatten hoch gute Seiten
gu £)aufe," fuhr Sen fort, „als Warna auf bem
Siauo fpielte unb Sapa mit ber Siolitte fie be=
| gleitete."
„Sei ftifl, bitte," fiel fRubt) bem Sen itt’S
SBort. 3hr •fterg mar fo gart unb voll, baß fie
bie Grinncrung au baS frühere ©liid im elter»
lidjctt £>aufe nicht ertragen fonnte. Unb bie Sf in»
ber gingen ftillfchmeigenb meiter. '«Ruht) hatte
unterbeffen ihre Jhränen abgemifcht, unb |>err
Jobb hörte, mie fie leife vor |idj hi» bie fChönen
2 ßorte fang:
„£ugel fommt, fdjunngt eure ^'liigel,
(traget mid; auf (tabor’5 liöp’n,
Wo auf bem Dcrflärintgshiigel
3 ttle fdjmerjcn fd;uelt ocrgeij’n."
WlS .ftevr Jobb biefe Sporte hörte, fpraCh er
bei fid) felbft: ,,3d) meiß eS mohl, bie Gngel
tragen feine lteberröde unb feinen grauen Sart,
aber id) möchte bod) fo gerne GngelSbienft an
biefeit lieben Sfinbern ticffehen mib ihnen eine
Sßcihnadjtsfrcube .bereiten."
SBährenb er fo bad)te, gingen bie Sfinber in
bie .ftalle eines großen JenementgebüubeS. Gr
fchaut ihnen nach, wie fie im gmeiten Stodf eine
Jhiir öffnen unb eintreten.
fjerr Jobb mar fd)ou am fjaufe tmrbeigegan»
gen, ba menbet er fid) eutfchloffcn um unb fiopft
an bie Jf)iir, meldjc er bie Sfinber öffnen fah-
Ser fleine Sen öffnete fie fofort bem frembeit
Wanne.
„Gntfcffulbige," fprad) biefer, „ich bin ein
3?rembling hier, aber ich möd)te bod) beine Warna
einen Wugcublid fehen, roeun fie nicht gu be»
fdjäftigt ift."
„Jreten Sie herein," lautete eine Stimme
aus bem 3immer; cS mar bie Walter ber beiben
Äinber, bie mir feunen lernten. 3hr ©efid)tmar
bleich unb mager, boCh berrietljen ihre 3ügelRuhe
unb Gntfch(offenf)eit.
„GS ift eine eigentf)ümliche Saff)e, bie mich
3h»en führt, Wabame," fprach $err Jobb,
„bod) hoffe ich, baß Sic mir meine Sitte nid)t
abfchlagen merben. 3hre beiben Sfinber öet=
riethen heute Worgen, baff fie Wufif unb ©e=
fang überaus hochf^äßen. Gine 9lngeige beS
WeffiaS hat fie feljr intereffirt. 3d) tomme nun
gu 3ff»en mit ber Sitte, 3ff« beiben Äinber
heute ülbenb naCh ber Wufifhalle begleiten gu
bürfen."
„O, Warna!" rief Sen mit lauter Stimme
aus. SRubt) fdjmieg, fCßaute aber bie Wutter mit
bittenben Süden an.
:ed by GoO^lß
(Rn (Kugel in einem geberrodt.
17
J)ie Wtutter erwieberte betn gremben: „Sht
änerbieten ift gemift anerfennungswerth unb
Sie tonnten meinen Kinbern (eine größte greube
bereiten, ober . . . unb bie Wutter hielt mit
ihrer Webe inite.
,,Widjt wahr," ergriff ©err Jobb ba§ 2 Bort,
„Sie wollten hingufeften, ober ich tenne Sie
nicht. 2)aS ift wahr unb feine berftänbige
Wiutter oertraut ihre Kinber einem fremben
Wanne an. ©ier ift meine Karte. — 'Jobb &
lempleton, Wattamamteag, Waine/—todj baS
ift nicht genügenb. J>o<h toir wollen fehen, ob
wir uns nicht gurechtfinben unb ausweifen fön*
nen. 2 öie IjeilJt She ©rebiger ?"
„2öir gehören gur St. Wattbäus Kirche, un=
fer ©rebiger fteiftt ©raun."
„2öaS ift fein ©ornaine." „SoIjanneS, glaube
idf>." „gohanneS ©raun !" rief ©err Jobb aus.
„S<h tenne einen ©rebiger biefeS WamenS. gef)
tenne ihren ©rebiger, feit fünf gafjren hat er
K ' “ t Sommer mich oben im Staat Waine be=
, wo er einige 2Bo<hen im SSklbe mit giften
im fleinen See gubracffte. 2Bo wohnt ©farrer
©raun ?"
„3<h weift e§," rief ©en aus, „Wo. — neben
ber Kirche an ber — Strafte,"
„Schön," erwieberte ©err Jobb. „Wadb bem
Wittageffen fchicfen Sie ihren ©en gutn ©rebi*
ger, um ju erfahren, ob er mich empfehlen tann.
3 ch werbe ihn unterbeffen befucfjen. Sinb Sie
bereit, im gaH ber ©rebiger mich tennt, auf fein
SBort hin gljre Kinber mit mir in bie Wufif*'
halle gehen gu laffen ?"
„3$ wüftte leinen ©tunb angugeben, warum
ich fte nicht gehen laffen foHte, Sie finb boch fehr
gütig."
„©los gütig gegen mich felbft," antwortete
©err iobb, „aber ich bin bo<h genötigt, Shren
warnen su erfragen ?"
„Sohnfon."
„SDanfe 3h«en feftt. Um halb acht Uhr heute
Slbenb werbe ich wieber borfprecfjen, Slbieu."
SUS ©err Jobb gum ©aufe hinausging, be«
merfte er, baft baS nächfte 3immer unbewohnt
ift. Gin Gtlafer mar eben befchäftigt, eine
genfterfdjeibe eingufeften. Gs war ein fchmucfeS
3immer, baS eben renobirt worben War. GS
gehörte eigentlich jum 3 immer, in welchem grau
Sohnfon wohnte unb mar mit bemfelben burch
eine Jfjüre Derbunben.
„Sft biefes 3 imnter bermiethet," frug ©err
Jobb ben ©lafer. „Wein," lautete bie Antwort,
„ffio wohnt ber Wgent?" „Wo. fieben Gourt
Strafte."
JBarum ©err Jobb biefe Grfunbiguna ein»
holte unb rog er in bet nächften Stunbe fiep auf»
hielt, wollen wir ieftt noch nicht erfragen. 2öir
wollen ihm nicht folgen unb alles erforfdjen. —
©egen ftJlittag finben mir ©errn Jobb im
Stubirgimmer beS ©rebigerS ©raun, welchem
er in Kürge ergäbt, was feine Wbfidjt ift mit
gwet feiner fleinen Kirchenmttg lieber gu thun.
„ JaS fieht Shnen boch nicht ähnlich," rief ber
©rebiger aus. „2öer aber finb biefe Kinber ?"
„Sie heiften ^ohnfon unb wohnen in ber —
Strafte."
„Sich ja," erwieberte ber ©rebiger, „ber ©ater
biefer Familie war Kapitän eines ©anbelsfchiffeS,
bas nach Slfrita fuhr, boch baS Schiff ging fcheU
tern bor einem unb einem halben Sah«- Wan
hat Don ber Wannfdhaft auch nicht ein ©fort
betnommen, bont Schiff hat man bloS ben Jheil
gefunben, welcher ben warnen feiner Jocffter
„Wubt)" trug ; benn nach ihr würbe baS Schiff
enannt. ©or ber Krifis taufte er ein ©aus,
egaljlte bie eine Hälfte beS KaufpreifeS unb für
bie anbere Hälfte ftellte er eine ©ppothefe aus.
SllS ber Wann aber nicht heim tarn, unb baS
©aus unter bem ©ammer oerfauft werben
muftte, brachte es faum bie Summe ber ©pbo«
thete. Seit einem Saht wohnt grau Sohnfon
gur Wiethe unb ernährt ft<h nnb ihre Kinber .
burch Wäljarbeit. Sie müffen fehr arm fein.
Joch tlagen fie nie, unb fragen fich fo gut es
eben geht burch, ohne auf anberer Seute ©ülfe
Slnfpruch gu machen. Sie aber, ©err Jobb,
fleinen ihnen boch borgetommen gu fein ?"
„Sld» nein, ein folcher Strateget bin idb nidht,
ich will bloS Souife Garet) unb Wt)ron ©Jhitnep
beute Slbenb mit ben Ohren jener beiben Kinber
fingen hören, baS ift alles, ©oben Sie bie ©üte,
ein GmpfeblungSfthreiben an bie Wutter gu
richten, ber Knabe wirb eS heute Wachmittag /
holen wollen."
,,©on ©ergen gerne," erwieberte ber ©rebiger.
Unfer greunb Jobb berfchwinbet Wieber. SU*
leS was wir bon ihm wiffen, ift, baft er im ©otel
binirte unb ein Jelegram nach Gincinnati fanbte,
baft er bem ftamilienfefte nicht beiwohnen tönne,
inbbm ber Gifenbahngug fich öerfpätete. Gr
fchrieb einige ©riefe an feine fleinen Weffen unb
Wichten unb münfeht ihnen fröhliche Sßeihnachten.
Sie Ginlaftfarten für baS fjeft waren beforgt
unb er wartete ber 3*it ab, bis er bie Kinber
abholen tonnte.
Sm ©aufe ber grau Sohnfon war reges 2e*
ben. Sh; ©rebiger überreichte bem fleinen ©en
ein gufriebenfteuenbeS* GmpfdjlungSfcbreiben,
welches ber gunge unter grohlocfeit nach ©aufe
trug. Jie Kinber tonnten faum warten, bis
bie feiger ber Uhr auf halb Sicht ftanben. 3m
beftimmten 3eit ftellte fich ©err Jobb ein, mel*
eher bon ber Wutter ber Kinber bemiüfommt
würbe mit ben Söorten: „JieS mar ein Jag
fpannenber Grwartung für meine Kinber, bie
fich föniglich freuen, einmal wieber gur Wufif*
halle gehen gu bürfen. ©eibe liebten bon Kinb
auf ©efang unb Wufif auf eine leibenfchaftliche
Digitized by v^ooQie
IS
(lin (Ingel in einem Meberroife.
2öeife. $it lebtet 3 e 'l ober butten fie roenig
©elegeußeit, foldjen f$eftcn bcisurooßnen."
Jie Wufifßalle roar 3um (Srbriicfen angefüüt,
«ein Siß blieb leer, fogar aller Steßraum im
großen Saal mar eingenommen oon ben Stenn»
beit ber ßimmlifdßcn Munft, oor ber großen 0r=
gel faß baS Orcßefter au» 150 Wufiteru be=
i'teßenb, 311 beiben Seiten maren Sine ppranii»
benartig für ben Gßor oon acbtbunbert Stirn»
men angebracht. Jßeobor JßomaS, ber Jirigent,
batte bereite feinen Staub eingenommen.
£>änbels Weifterroert, bet WeffiaS, baS mar
baS Jßerna für biefe Gßriftnadßt. jubelt unb
©Triften, Ungläubige unb fromme faßen an»
einnnbergereißt, um biefeS «unftftüd 311 bören.
£)erv Jobb ßörte beute illbeitb mit f ecßS Cßren.
Unb mel<b eine 9 lugenroeibe mar es für ißn, 9 tu 6 p
unb Sen 311 beobachten, mie fie fo begierig unb
ent3üdt laufcbten. JaS Jenorfolo: „Jröftet,
tröftet mein Sol!," macßte einen erhabenen Gin«
brudt, unb ber Saß: „2öer mirb ben Jag beincr
3 ufunft erleiben mögen," griff burcß. Jie
ganse Serfammlung mogte bin unb ber, als ber
oolle unb großartige GßoruS anftimmte: „UnS
ift ein $inb geboren," unb baS Solo: „®S
maren Wirten auf SetblebemS Fluren," „(Sbre
fei ©ott in ber &öße," ergriff jebeS ^»erj, roäb«
renb ber GßoruS „Sein 2focß ift fonft unb feine
Saft ift leicßt," ben erften Jßeil beS WeffiaS
abfcßlofe, unter bem SeifaU ber gansen Stenge,
bie hier oerfainmelt mar.
Jer 3meite unb britte Jßeil madßte einen nicht
minber gemaltigen Ginbrucf. 9 tubß unb Sen
oergaßen alle Seiben. Sie finb iiberglücflicß
unb geben in biefem ©cfüble fpät in ber fßadßt
an ber £)ant ißres SreunbeS Jobb fieser nah
£aufe.
„O, Warna," rief Sen aus, als fie ißn 31t
Sette bradßte, „roäreft bu boeß nur aueß ba ge»
roefen, icß mar fo ooll, baß icß ben Wunb. 311=
halten mußte, idß meinte, icß müßte Oor fjfrcube
3erfpringeit, fo ooll mar icß. 9 llS baS Solo ge»
fiutgen mürbe — mie beißt es, 9 tubß ?" — „ 2 fcß,
3 <ß, — 3 <ß roetfe, baß mein Grlöfer lebt V
ja, baS ift es, unb icß glaubte, mein pcr3 roiirbe
311 feßlagen aufßören, fo entjücft mar icß."
„Wir aber," fiel SJhibß ein, „bat baS Solo
oon 3?rl. Gareß nodß befjer gefallen: „Gr mar
ber alleroeracßtetfte unb unroertßetjte, er mar fo
beraeßtet, baß man baS 9 lngeficßt oor ißm ber»
barg." 9 tidßt roaßr, Warna, biefer oeradßtetfte
3efuS liebt aueß uns in unferer 9 lrmutß ?"
„©emiß, mein «inb, er ift aueß unfer Steunb,
laßt uns nur ißm oertrauen, er mirb alles rooßl
inacßen. Jodß eS ift jeßt ßoße 3 eit, baß ißr
einfdßlaft, morgen fönnt ißr mir meßr ersäßlen."
Jet Worgen fanb bie Slinber im tiefen fiißen
Sdßlaf. Jie Wutter feßaute ißre beiben Sieb»
liuge an, unb mollte leife auffteßen. 9 tubß aber
erroaeßte fofort, feßlang ißre beiben 2lrme um
ißren^alS, roiinfdßte ber Wutter frößlidße SBeiß»
naeßten unb fußr in leifem Jone fort: „ 0 ,
Warna, icß ßatte einen tounberfdßönen Jraum
leßte 9 tacßt, unb icß muß ißn bir ersäßlen, eße
bu auffteßft. Wir träumte, mir ftanben am
WeereSufer, bicle Wenfcßen maren um uns ßer
oerfamnielt. 9 luf einem ßoßen Reifen ftanb
Sri. Garet) nnb fang mit einer ßimmlifeßen
stimme: „ 3 cß meiß, baß mein Grlöfer lebt,
unb er mirb mieß ßernaeß aus ber Grbe aufer»
meefert," unb als fie an bie Stelle lam, mo es
ßeißt: „Unb in ben leßten Jagen mirb er auf
ber Grbe fteßen." Ja lam unfer lieber S<Uw
aus bem SSaffer ßerauf unb lief auf bemfelben
bem Ufer 311, unb $>err Jobb ergriff ißn bei ber
£>anb unb führte ißn 311 unS; unb als er auf
uns 3ulam unb bidß umarmen mollte, ba erroaeßte
icß. 0 , Warna, hätten mir boeß unfern Sapa
noeß." Unb Dtubß barg ißr ©efießt im Riffen
unb erftiefte ißre Seufzer unb Jßränen. Jie
Wutter aber, bellommen mie ißr #er3 aueßmar,
faßte fiep unb tröftete ißre Jocßter, mie eben nur
eine Wutter tröften fann.
2 luf einmal erblicfte Süubß neben bem Sette
auf ißrem Stußl etroaS UnermartetcS. Schnell
fßrang fie auf mit ber S^age: „2Bem geßöreit
benn biefe feßönen Sacßen ?"
„Sie finb bein," ermiberte bie Stutter.
„Sieß’ einmal, Sen, 0 Staina, mer ßat benn
biefe Sacßen gebraeßt ? Sen! fieß, ßier ift ja
aueß maS für ’bieß !"
Jer tleine Sen fprang mit einem Säße aus
bem Sette au feinen Stußl, naßm alles in ben
5 lrm unb hüpfte 3itrücf itt’S Sett. Ja mar ein
Sucß, ein feibeneS Jafcßentucß, für bie beiben,
' 9 tubü ßatte einen feßönen ÜJläßtorb unb Sen eine
Heine fiifte ooll f>anbroerfS3euge, an Sa<f= unb
3udermer! feßlte eS aueß nießt, unb eine 9 ciim=
mer üon einer Stonatsfcßrift, für baS gaii3e
3aßr besaßlt, mar aueß ba.
„2Ber braeßte uns biefe ©efcßenle, SJama ?"
fragen beibe 3U gleicher 3«!-
„feuer S«unb Jobb ßatte biefe Sadfete unter
feinem Ueberrodt geftern Sbenb, auf bem einen
Sadtet ftanb gefeßrieben: „Sür ben Änaben,"
auf bem anbern: „fjiir baS Stäbdßen."
„SBarum maeßt benn ber Wann foldße
Sacßen ?" frag Sen roeiter.
„Söeil er unS beglüdlen mill," antmortete bie
Wutter, „er ift roaßrfcßeinlidß einer ber Wänner,
oon benen bie (Sngel auf SetßleßemS Slutc»
fagen: „Unb ben Wenfcßen ein Sloßlgefallen."
„ 2 !Benn er ßier märe," meinte Sen, „bann
mürbe icß ißn tüffen. 28 irb er nießt mieber ßer»
fommen ?"
„Sielleiht mirb er nodß einmal üorfpredßen,
er fagte mir, baß er nidßt oor Sbenb nah €>oufe
leßren mirb."
Digitized by v^ooQie
Citt dngtl in tmm Seberrocfe.
19
Stuf einmal liefe SRubp alle ihre fdjönen Sachen
gut Grbe fallen, umarmte i^re SJtutter unb
fprad) unter einein Strom Dem Sfjrüneu: „Sich
bu flute, füfee Sttutter bu, bu baft ja gar nid)t§
betommen, mar tun bat man benn bid) and) gang
unb flar Derge||en ?"
„(Sieb bid) nur gufrieben, mein itinb, euer
©lüd macht mich fröhlich, ©etljeilte 3?rcube ift
hoppelte greube. Vielleicht hat baS GljriftuSiinb
au<b noch eine Qrreube unb reiche Sefcheerung
für mich-"
Schnell oerflingen bie SJtorgenftunben unter
bem 3ubel unb ber Grgäblung Dom Oratorium
ber oergangenen Stacht.
„3emdnb gieljt in baS nächfee Zimmer," be«
merfte Sen, welcher bon einem Auftrag mich
feaufe fam. „Gin SRann trug einen Oifd) unb
Stühle b««in; eine fonberbare 3eit umgu«
giefjen!"
„Sie werben aber auch SOßeibnachten feiern,"
ermiberte Stubp, „ich fah, wie fie immergrün
unb ©uirlanben brachten." i
Oie SJtutter hatte fich mit ben Uinbern Der« 1
ftänbigt, bafe baS SJtittagsmaljl heute fpäter als j
fonfe eingenommen werben* födte. SBaren fie |
auch nidbt im Staube, einen Sßclfchhahn gu tau* ,
fen, fo patten fie bod) ein $uljn als Sraten für
SRittag, unb mit Stüjfen unb Slpfelfinen Der«
fpradjen fee fi<h einen guten Stadjtifdj. @ie
brachten einige Stunben am Dorberen fünfter
jm, ihre frönen Sücher betrachtend, bie £>err
atobb ihnen brachte; unb bie SJtutter las ben
Äinbern eine Grgäljlunfl aus ber SJtonatsfdjrift
Dor, welche aüe brei außerordentlich feffelte. Oie
SJtutter fafe bid)t am fjenfter, Sen faß neben ihr
unb ruhte feinen Slrm auf ber SJtutter Sdjooß,
wöhrenb er fie unperwanbt anfehaute, unb '«Rubq
fafe ber SJtutter gegenüber. 6s mar ein lieblicher
Hnblid für bie -Vorübergehenden, bie bie Scene
in Slugenfdjein nahmen.
Um halb ein Uhr Derliefe £>err Oobb baS
fiotel mtb fchlug ben Söeg ein nach ber SBohnung
Don grau ^ahüfon. Sliii Scollaps Square fieht
er einen SJtann an ber Grfe unfchlüffig ftehen,
ber halb fein Slngefecbt nach ber einen Stiftung
unb bann mieber nach ber anbern menbete. Oer
SJtann mar offenbar in großer Sertegenheit.
9 (1$ £err Oob bem SJtanne näher fam, erblidte
er in ihm einen alten ffameraben, ben er feit
Dielen fahren nicht mehr gefehett hatte.
,4>allo, hallo, Srab! Sift bu eS, ben ich hier
fo unerwartet treffe!"
„3fe es möglich- £>al Oobb ?"
„3a, ja, bas ift mein Stame. SBie aber in
aller 2Belt tommft bu hier her? Sticht wahr, feit
fünfzehn fahren haben mir uns nicht mehr ge«
fehen ?" .. , ..
^ Q/ fo lange Wirb es her fein," ermiberte
Srab.
„2Bo hielteft bu bidfe benn auf, unb wie tommft
i bu nach Softon ?"
,,9ld), ich bin in großer Sertegenheit. 2öie bu
! Weißt, mar ich feit fahren auf ber See. Sor
1 gmei fahren erlitt id) Schiffbruch an ber SJeft«
I lüfte SlfritaS. 34 erreichte baS Ufer, fiel aber
in eine fdjmereJtrantheit, in welcher id) Wochen«
lang gmifchen. Sebeit unb Oob ichwebte. SJtonate
Dergingen, ehe ich meine £>eimreife antreten
tonnte. Slls ich «ad) Senguela tarn, mufete ich
einige SJtonate auf ein Sdjiff warten, baS nach
Slmerita fuhr. Stad) einer langen unb gefatjr«
Dollen .Steife tarn id) heute morgen endlich in
Softon an; fogleidj fuchte id) meine Familie auf,
Don ber id) in gwei fahren nicht ein üöort ge«
hört hatte. 2llS ich aber an baS £>auS fam,
welches ich bor gmei 3al)*en ben SJteinen taufte,
fanb ich es Don fremben fieuten bewohnt. SJtan
fagte mir weiter, baS £>auS fei unter bem £am=
mer Derfauft Worben. Slls id) nach meiner ffa«
milie frug, hiefe eS, Stiemanb miffe, Wo fie hin«
gegogen fei. 34 fuchte bie Stachbarn auf, bie ich
tannte, aber ich tonnte Don meiner Familie auch
nichts auSfeitbig machen. 34 toerbe ohne 3meifel
erfahren, Wo bie Steinigen Wohnen, aber wie unb
wie bald — baS ift bie 3rage." Unb ber Don
manchem Sturm gepeitfd)te Staun mifchte fid)
bie Oljränen aus ben Singen.
•frerr Oobb hörte biefer Grgählung feines
ffreunbeS mit grofeer Spannung gu. Oer ©e«
banfe burd)blißte ihn, bafe er am Gnbe heute ber
Familie, bie er fennen gelernt hatte, nod) mei«
tern GngelSbienft Derfehen fönnte. Gr frug ba*
her: „SMe grofe ift deine ffamilie ?"
„(Sin 2£eib unb gmei ftinber, Wenn fie nod)
am Ceben find, unb id) fage dir, £>al, ein gutes
Söeib, unb bie ifinber tönnen fingen wie bie
J Serchen. — G$ ift doch hart, bafe ich heute fo
I traurige SJeihnadjten feiern muß."
„3afje SJtutf), Srab, beine ganiilie wirb fchon
gu finden fein, unb Dielleicht recht halb. Saß
uns einmal ein S?a<hfrage=Sureau auffuchen."
.frerr Oobb führte feinen gjreunb Dor baS
£au$, wo wir ffrau 3oh«fon mit ihren jtinbern
am ffenfter im Sefcn Dertieft guleht gefehen hat«
ten. Gr blieb Dor bemfelben fiepen unb machte
bie Semerfung: „SBir werben dein SDeib unb
beine gmei Binder bald fehen. Sift bu gefaßt
genug, fee jeßt gu erbliden, Srab ?" 9)tit biefen
SBorten richtete .£)err Oobb fein ©efedit in bie
£)öbe. Sein ffeeunb folgte feinen Sliden-
im Stu wollte er bie Oreppe hinaufftürgen, allein
•frerr Oobb faßte ihn am Slrm mit ben Siorten:
1 „Ueberrafdje dein 2ßeib nicht gu feljr, es tonnte
1 ihr Schaben bringen. Saß mich guoor hinauf«
gehen unb fie auf bein kommen Dorbereiten."
„Ou feaft recht, £>al, aber mache es bod) ja
furg, benn ich fann taum warten, bis ich die
SJteinigen wieber begrüßen darf."
Digitized by v^ooQie
20
Silber aus JUutfdjIanb.
£>err Jobb Hopfte an bie Jf)ür. 9IIS Sen bie=
feine geöffnet hatte, riefen beibe Kinber fofort:
„2ßir bauten Shtten taufettbmal, £)err Jobb."
jliefer aber unterbrach bie Kinber, inbem er fid^
mit ben ©Sorten an bie ©lütter roanbte: „Sht
Ißrebiger erjäplte mir Siniges aus Sheer Set»
gangenljeit, als idb ihn geftern befucpte. ©Me
lange ift eS her, feit 3hr ©lann gur ©ee ging?"
„©lepr als gmei 3ahre."
„$aben ©ie feine ©a<hri<ht bon 3fljrem ©lann
in biefer 3°<t erhalten ?"
„©ein, ©id)ts als baß baS ©cbiff mit ber gan»
gen ©lannfchaft unterging." ©IS grau ^ohnfon
biefe ©ntmort gab, erbleichte if)r ©eficht.
i>err Jobb fuhr fort: „gaffen ©ie ficb, ©la=
bame. Obgleich ©ie nichts Dom Schiffe gehört
haben, bin ich bodj nun im ©tanbe, 3htien ©a<h»
richten gu bringen. Soeben traf ich «inen alten
greunb, ber firfj auf bem Schiffe befanb. 3cf)
braute ihn ^ier^er unb er fann 3h«en alle ©uS=
funft geben.",
©lit biefen ©Sorten öffnete ,£)err Jobb bie
Jljür, unb Srabforb Sopnfon— ber Sater bie=
fer gamilie — trat ein.
Oie ©eene, welche nun folgte, wollen mir nicht
betreiben. £>err Jobb ging teife bie Jreppen
hinab, auch er wollte bie lange getrennte unb
nun wieber oereinigte gamilie in ihrer greube
nicht ftören.-
©a<h einer ©tunbe fehl ich fi<h Sen gur ©lütter
hin unb fliifterte ihr leife in’S Opr: „©lama, ift
eS benn nicht halb ©littagSgeit ?"
„Sich ja, mein ©ohn. 3fn unferer grofsen
grreube haben mir alles ©nbere oergeffen. Unb,"
fügte fie langfam hingu, „ich befürchte, unfer
£ühnerbraten ift gang oerborben."
©o mar e§ auch, ©ein» Oeffnen beS Sad»
ofenS ftellte- es fiep heraus, bah ber Sraten gu
Kopien oerbranitt mar.
,,©un," meinte bie ©lütter, „mir werben fchon
etwas als Srfaß herftellen fönnen."
©Säljrenb bie ©lütter noch rebete, Hopfte eS
an ber Jljür, bie gum nädjfien 3immer führt,
©lütter unb Kinber fchauten fich oermunbert an.
,,©3aS mögen wohl bie ©aqibarn, bie eben
heute ©lorgeit eingegogen, oon uns fchon wollen?"
frug bie ©lütter ben heintgefommenen Sater,
ber aufgeftanben mar, um bie Jhür gu öffnen.
„OaS Sffen ift fertig, treten ©ie ein, treten
©ie ein," lautete bie Segrüßunq.
„©Seffen Sffen ?"
Sffen," ermiberte ber fchroarje Kod) mit
weißer ©djürge. „Sh« Sffen, baS heute morgen
befteHt mürbe."
„©Ser hat eS befteßt?" frug £>err Sohnfon.
„Sin f)err in einem langen, grünen lieber»
roct."
„©Sieber eine Uebertafchung, unb gmar oon
beinern greunbe Jobb," fiel bie ©lütter ein.
Unb fo mar eS auch. $err Jobb hatte geftern
baS 3tnrmer gemiethet unb baS ©SeihnadjtS»
©littageffen auf gwei Uhr beftellt. Sin großer
©Selfchhaljn bampfte auf bem Jifd) mit'allem
Subehör für einen ©SeiljnachtSfchmauS. ©Sie
glüdlid) toar biefe gamilie, mährenb fie bie erfte
©lahlgeit nach jahrelanger Trennung mit ein»
anber aß. greubentljränen floffen unb Oanl»
gebete fliegen gu ©ott, bem ©eher aller guten
©aben empor.
©Sährenb beS SjfenS frug 9lubt> mit tiefftem
©adjbenfen: „©apa, ift es benn wahr, ho ft bu
£>errn Jobb fchon als Knabe gelaunt ?"
„©ewiß, meine Jodjter. aber wie lommft bu
gu biefer grage ?"
„©dj, ich glapbte nicht, baß #err Jobb ein
Wirtlicher ©lann fei. 3<h hielt ihn für
einen Sngel im Ueberrod!"
Kaum hotte 9lubt) auSgerebet, ba trat £>err
Jobb wieber ein, melier fofort oon ben Kinbern
förmlich überfallen unb mit Kliffen beftürmt
würbe. Unter Sachen unb Jljränen ergählte man
ihm, baß ütubp ihn für einen Sngel gehalten
hätte.
„©un," meinte fperr Jobb, „oießeidjt bin ich
ein Sngel; mir aber ift eS nicht bewußt. 3d>
weiß bioS, baß ich ein £>olghänbIer bin; .ich bin
gefommen, fiebemohl gu fagen unb euch eingu»
laben, mir nächften ©ommer einen Sefuch ab»
guftatten."
lilber a »0 bar neuen dnaugeliftym
Bewegung in Peutfdjlanb.
m \ ® on
<L Stiß in Berlin.
Kgemein betannt ift eS, baß
Serlin hinter anbere ©täbte.
Was ©eligion betrifft, weit
gurüdfteht. ©Hein taum glaubt
mau uns, wenn mir conftati»
ren, baß Serlin mit feinen
1 ,220,000 Sinmofjnern, unter
Welchen weit über eine©liflion
Soangelifche finb, nur 49 Air»
Chen mit gufammen 40,000
eißpläßen nnb taum 30,000
Kirchgängern gählt. Ss finb
im Oiangen 100 ©aftoren ba, oon
welchen nur eine Heine 3ahl baS
Soangelium prebigt. Jiefe treuen
3«ugen ftehen hülfloS ben großen
Sarocpien oon 20 — 60,000 Seelen
gegenüber ba, unb finb berart mit ©mtSgefdjäften
Digitized by v^ooQie
Speife mid? mit Qimmclsmaitna .
3 n fcem <£lenb biefer geit,
Sei mein Sdjtoert unb Sdjilb unb Banner,
Sonne ber (Sercdjtigfeit.
(Slui öottcorbia.)
___f»
Digitized by v^ooQie
22
Pilber aus Sfutfdjlanb.
überlaben, bafc cm£muSbefucl)e, ffranfenbefuc&e,
an eine regelrechte Seelforge gar nic^t 311 benten
ift. 2 Bie ein £)elb arbeitete ©ofprebiger Störfer,
uni bie untern Sflaffen üou bev einen ^nod) 311=
gängigen Seite, ber fociaUreligiöfen Seite 311
erfaffen utib eS ift it)m aud) gelungen, eine fd)öue
?lnga^l Arbeiter bem Gl)riftentf)um tnieber ge=
neigt gu ftiinmen. „$rüf)er", fo fagte mir einer,
„habe i<h nichts ^ealaubt, feit ich &errii £of=
prebic^er Städter gehört habe, muckte icb glauben
fönnen." — So fielen jept Siele. Sine wichtige
Serfaminhmg fanb biejer Sage Ipe* ftatt, bon
melier mir berichten möchten.
2 )ie Jteunbe ber pofitiben Union
berfammeft in Serlin.
Union bebeutet bie preupifche 2 anbeStircf)e,
meil fie aus Sutberifdben unb SReformirten be=
ftebt, pofitiü nennen [ich Diefe gfrcunbe im
©egenfap 311 ben fiiberalen unb tRaDifalen, mela;e
in berfelben 2 öo<he in Serlin tagten unb auch
gur Union gehören, beren Streben barctuf aus*
fleht, bie Serpflidhtung auf baS ©ImibenSbc*
fenntitip gu ftreicheu, fo öap ein jeher glauben
unb lehren fann, innerhalb ben®rengen
berÄirdhemie if>m beliebt.
2Barum gehen aber biefe Seitte nicht aus ber
Jtirdje? —ift ja gerabe ber ^unft; fie
möchten bie Staubigen üollenöS hinauSbrücfen,
Don ben Siiteru ber Kirche leben, aber ihren
Stauben gerftören. ®ie Staubigen aber geben
nicht hinaus, meit ihnen baS Solf leib tl)ut unb
fie immer noch hoffen, biefe s -J 3 eriobe 311 über*
miitbeit. Sei Sielen mag and) Staugel an
©laubenSmiitl), bei ben Steiften Stängel au
Sinigfeit ber .pemmfcbub fein. So Diel ftebt
feft, baß mettn bie gläubigen eoangetifdjeit
Shriften SeutfchlaitbS fammt unb fonberS ein*
mal freimitlig hinausgehen ober hinausgegangen
roerbeit, biefelben eine herrliche freie Kirche
bitben fönnten unb es nicht lange anftönbe, bis
baS Sott, meines jept fdjon ber ungläubigen
Salbaberei mübe ift, bie großen Kirchen ieer
ftehen ließe unb benfelben in ihre Kapellen unb
fallen folgen mürbe.
Sbe eS aber fomeit fommen fann, muß noch
unter ber Saftorenfchaar oiel gefdhehen. Sie
müßten t>or Slllem anftatt gufammengutommcn,
um bei Sier unb iabafsbainpf 3U politifiren,
ufammenfommen, um tniteinanber 311 beten itnb
ich mit Straft oon Oben antbun 31t taffen.
3fept ift fetbft ber beffere SLheil bon .ftaupt unb
©fiebern nadh unferer langjährigen Erfahrung
gu einem folgen Schritt nicht reif.
2 Bir übergehen bie übrigen Serhanblungen,
meldhe fehr langftielig, unpraftifch unb boctrinär
gehalten mürben, unb bringen bie pauptfadhe,
auf melche biete Semitther gefpanut marett.
Sor ca. 200 Saftoren unb etwa 100 3uhörern
entmicfette &err Or. ©^riftlicb feinen Sortrag
über baS Ibema
Zeitgemäße Stiftet 3 u r 6 r r e i <h u n g
ber nnfirchlichen Staffen."
Oerfelbe fprach ungefähr folgenbeS:
3<h miü nur ein einleitenbeS 2£ort frechen, ba ein
britteS langes Referat heut auf bie Verfammlung nahegu
töbtlicb, mtrfen tonnte, angeregte grage ift baS
Eentrum, bie grage aller grageii bä inneren SOTifftcn-,
beren ^meefe alle auf bie i'öfung biefeS Problems gurüefs
führen. £ie Erfaffung ober bie Vernachläjfigung biefer
Aufgabe mirb gu einem prüfftein ber christlichen $reue
überhaupt. Von bem Gelingen biefer Aufgabe hängt ber
gortbeftanb ber Gemeinben ab unb je länger, je emfter
mir baran arbeiten, befto unüberfehbarer rntrb baS gelb:
b. h- befto mehr febärfen fich bie Vuaen für bisher noch
oernachläffigte (Gebiete ber Arbeit. So oft man ein Ge*
biet erfaßt, geigt ficb mieber ein anbereS. ge länger mir
märten, befto fernerer mirb bie Arbeit. £er 2lugenblicf
febeint aiinftig ; in anbem tfänbern merben bie unfirch*
licken Staffen bereits erreicht, foUten mir nicht auch etmaS
mehr thun tonnen? £er ftulturtampf bttrfte halb be*
enbigt fein, er marte ja eigentlich nur noch auf ein ans
ftänbigeS Vegräbniß, unb halb bürfte eS gu fpät fein gur
Erreichung ber Waffen. 3$ möchte ihre Vufmerffamfeit
auf brei fünfte lenfen: 1) auf baS Ungurekhenbe ber
bisherigen firchlichen Veftrebungen, 2) auf baS, maS an;
bermärtS gefehlt unb 3) auf biegrage: 2ßaS fönnen
mir barauS lernen unb maS tonnen mir auf unfere Steife
in’S Vkrf feßen? 5Bir überleben baS bisher geleistete
nicht, mir befennen, baß mir in mancher fcinficht in einer
auffteigenben iünie ftehen. rebe babei bon ber unter
fchmierigen ^crbältniffcn eingeführten Äirchenfteuer, bon
bem fegenSrcid)cn Wirten ber 0tabtmiffion, bon ben
ÄiinbergotteSbicnften, ich rebe bon ber machfenben Seme;
gung für 0onntagSbeiliguug, bon ber ^rebigtbertheilung
an bie beS ©otteSbienfteS entbehrenben; ich beute an baS
anmachfenbe ber SiinglingSbereine; ich gebenfe ber
2lfple für bie Gefallenen unb freue mich bcS 2lnmachfenS
ber chriftlichen Literatur. 2lber mit aU’ biefem finb im;
mer nur eimeine gamilictt, gtategorieen unb Greife erreicht,
nicht bie SJcaffen im großen unb gangen. TaS Ungu;
reuhenbe beS Gefcpehenen geigen am heften unfere großen
6täbte. gn Berlin g. 53. gehen bon einer Million ^3ros
teftanten nur 30,()00 regelmäßig in bie ftirdie. gn
5lmerifa fommt ein ‘Prebiger auf 6—700 Seelen, in
Gnglanb auf 800, in £eutfchlanb (Stabt unb £anb gu;
fammengercchnet) auf über 1800; in Berlin fommt auf
über 8000 Seelen erft ein prebiaer unb ein ÄultuSlofal
erft auf über 9000 Seelen. SßaS ünb auch bk 25
Stabtmiffionäre mehr als ein freunblicher Anfang ? 9tacfy
ber Analogie Bonbons müßten eS 100 fein. 2luch an;
berSmo ift bie Gnttirchlichung fehr groß unb in bielen
Orten gehen bie fpnfirmirtcn 3iinglinge felbftberftänblidh
nicht mehr in bie .Hirche. ga, fte glauben ben öaupt;
unterfchieb gmifchen .Hathoüten unb ^proteftanten barin
gu fehen, baß bei ben erfteren grauen unb Männer, bei
festeren nur grauen in bie Äirche geben. (!) 5lMe man
früher oon 3 ube m un ^ ^eibenchriften iprcchen tonnte,
fo fann man heut oon Efmiftenheiben fprecfien, ohne babei
an bie ungetauften .Hinber gu benten. &ber ein noc^
bebenfüchereS Symptom ift bic ^onahme ber Verbrechen.
5öer hat nicht mit innerem Erbeben oon ben monatlich
30 bis 40 Selbftmorben allein in Verlin gehört. 3JHI;
liarben oon Seelen haben heute gar fein 9ieligionSbebtirf*
niß, maS fchlimmer ift als ber Unglaube. Uniere Ge*
bübeten finb gleichgültig, unb unfere Pfarrer befehlest
ftiüc Pergmeiflung; benn fie miffen nicht, mo fie anfangen
D i g iti z ^d by Google—
gilbet aus Jteutfdjlanö.
23
jollen. fln oielen Orten fte^t baS geifllictye Amt nicht
tn*h r in fld)tung unb bie ©eelforge bejd?ränft ftd? auf
emjielnc Hranfenbefuc^e. manchen C^emeinben fönnett
bie ÖeiftlicDen monatelang md)t mal einen Pfennig (#c=
halt betommen unb laufen l^ejatyr, ihrer Wohnung oer-
luftig b u 0 «^n. öS tann nid)t |o fortgeben. Ote Strebe
allein tann bie Piaffen nid)i mebr aurütfgehnmten, bie
amtlichen Kirchen finb ihrer Aufgabe nicht mehr gewaty
ien. ^e langer mir märten, befto gefährlicher mirb bie
oai>lage. Haben mir bett Wutb, uns 3 U gefteben: bie
Kraue ber JmfterntB maxien immer mebr. 21 her auch
»ir wachjen in unjere gröberen Aufgaben binein unb
mir muffen Hilfsmittel ftnben, bie Waffen $u getoinnen.
Kommen fie nicht in bie «Kirche, io muß bie Kirche, fo
minien mir $u ihnen gehen. Oie religiös Öefinnten oer=
fcbließen ftd) $u je^r m jtch, bauen ihre Kircbe ju jebr in
bie Kirche hinein, unb fo bleiben bie Waffen braujjen.
6 s giebt oiele Öetftltche, bie fich gan$ leicht über taufenbe
unb abertaufenbe oon ©eeleit hinmegiefcen, bie überbauet
bon ber Kirche nicht angefafjt finb, mä^renb fie über eine
einzelne oeele, bie etma Austritt, ein grobes Ha lloh
machen. Sotoeit über bas Uttjureichenbe ber bisherigen
Wanregel.
lieber baS, roaS Xr. S^rijHieb unter 9to. 2
berichtete, maS anbermärts gefcljiebt, 3 . 33. in
Bonbon, üon ber Heilsarmee, üon üMoobp 2 c. 2 c.,
finb bie #auS unb £>erb ßefer unterrichtet.
Seinen Sericht über bie Heilsarmee fc^liefet er
mit folgenben SB orten:
„Wögen bie ¥eute manchmal auSarten, mag manches
bür lest erfcheinen, eins ift unb bleibt gennb: ^n oielen
ötäbten haben bie ©etftlichen betennen müfjen: „Oiefe
fceute haben bie unterften Klaffen erreicht, bte mir nicht
erreichen tonnten."
Xarauf fahrt Stebner unter 9lo. 3 fort:
„Akts fönnett mir oon auSmäriS lernen tmb in’s Vkrf
ie$en 1 VM 11 ft b u bieWaffen e r r e i ch e n, g ety e
$u ihnen! in aufeer ti rch liehen Verfamm;
lungen müffen bie Waffen erreicht tocr;
ben, momit ja öott fei Oant in biefer Stabt
ber Anfang gemacht ift. Söomögltch nichtftubierte, bie
aber ooll Erbarmens, ooll üiebe *um Volfc finb unb bie
$abe ber flehe befipen, müffen ba Auftreten. Womöglich
muffen (Gleiche auf (Gleiche mirteu. Oie öanbmerfer
tonnen am beften burch ^anbmerter, bie Kaufleute burch
ihresgleichen, bie flichter burch 3 uriften gemonneit merben.
M etnbringlichem, lebenbigem 2 öort, in totalen aller
Art, in abmechjelnber iöeife, mit frifchen (befangen ntub
gemirft merben. Oie Witmirfung ber Anmefeitben tann
burch baS Witlefeu ber Schriftftellen, bie bielleicht an
etnjelne oorher ausgethetlt morben finb, geftchert merben.
$Öo es geht, bürfte nach *ent Vorträge eine mehr perfön--
liehe Vefprechutig bon Vortbeil fein. Oie Leitung gefchehe
bielleicht burch freie Vereine Oie flngcfabten ftnb bann
ben orbentlichen Seelforgem ju übergeben. Konfefftoneüe
cpifcfmbigfeiten finb $u bermeiben. flur für ben Herrn
Jefum tberbe gearbeitet, baS übrige finbet ficb. ’ Oie
liaienhilfe muft mehr berangejogen merben. öS ftnb
aenug berer, bie bte flebegabe beftpen. Ote ^Srebiger
haben in ben Kirchen ben Kirchlichen ihre Pflicht gegen
bie llnfirchlichrn mehr einjufchärfen. Vielleicht mären
auch pertobifche freie Xh** : ober Kaffeeabettbe ju arran-
giren, ober 3 rauen*Verfammlungen, mohtn bie 0 äug=
Imge mitgebracht merben tönnen. Sltam ein Ktnb bann
autp einmal anfängt 3 U mtmmern, nun, bann fprtcht ber
fkebiger eben etmaS lauter, fluch kie ebriftliehe Literatur
ift mebr in bie Käufer nu bringen. Sßir müffen anfangen.
Sir biirfen unS nicht in enblofen Sorgen unb fragen
ergehen, fonbern müffen frifd? unb muthtg anfangen unb
uns bann 00 m frerrn ieiu treiben lapen. 6 s "tft eine
^cbmacb, bafe bte beutfehen Stabte noch am meinen
jurücf ftttb. Ergangen mir bie 2lrbeit ber Kirche burch
eine 2lnuee bon traten. Ote Heilsarmee pocht auch an
untere Oh orc - Oeffnen mir ihnen bic Pforten unb helfen
mir baju, bafe bem beutfehen Volte bas (Shriftenthum
jiirücfgemonncu mirb. Oas malte (^ott! flmen!
s Jiad) Xr. Phriftlieb fprod) ^rebiger non
3chlüntbach unb fd)ilöerte, mie in Vnurifa
(Suangelifution getrieben mirb. £ofprebiger
Ätöcfer oermährte fid) gegen ein Uebertrogen*
moilen euglifcher ober anieritmiifcher s JJictboben
auf beutfehen Stoben unb betonte, bah bas beutjehe
SJolt, toeun es 511 einer allgemeinen örmeduug
fonuuen muffe, nicht tjur einfeitig 00 m reügiöfen,
fonbern Dom nationalen ätanbpuntt angefafet
merben muffe. Xeuuoch erfannte er, bah 33eriiit
unb namentlich beit burch ihn ber Socialbemo*
fratie entriffenen Slnhäugern nid)ls fo noth thue,
als eine grüublidjc (Somtgelifation, meshalb er
®r. Don echliünbad} gebeten ^äbe, hierher
tomnieu. lieber i?e^tcren gehen bie fonberbarften
Öeriidjte. Xie (Sinen fugen, bie SJifchöfe hätten
in einer geheimen Sipung befchloffeit, ihn al»
Spion h^äbersufchiden, baniit er ber fiirche
Siahn bred)e; bie Slnbern behaupten, er fei jur
taiibestirdje übergetreteu. ßeines Dort SJeiben
ift mahr.
Säht ber £)err öS ihm gelingen, eine grobe
(Srmerfung innerhalb ber fianbesfirdhe 311 Staub
311 bringen, fo tönnen mir uns nur herzlich baju
freuen. Xafür beten unb arbeiten mir feit
3ah^u.
6 i n e r e 1 i g i ö f e $ 0 11S D e r f a m m 1 u it g
in 33er 1 in.
Slm Slbenb beS erften XageS ber ermähnten
S>erfammlung mürbe im Xi Doli in einem
groben, Xauiettbe faffenben .Saale eine l*er=
fammlung Don £)errn ^ofprebiger Stöder 31 U
fammenberufen. SMehrere Safloren Don aus=
ttärts — auch Xr. 6 hviftlieb unb Don Schliün«
bach foüten hif^ änfpradjen halten. Xie 9leu=
gierbe trieb uns auch hin- 3 U nuferer, unb mie
mir horten auch ju ber beiben leptereu SRebner
Ueberrafd^ung fabeu bie Seute regelrecht mie fie
bei ihren politifd)en 3 ?erfammlungen immer 311
thun pflegten, bei ihrem SMer, beimpften trop
ber Sitte beS 2>orfipenbeu, Doran bie ^ßaftoren —
ihren Xabafsgualni in bie $öl)e. Xauu fang
man mieber 3 mifchen ben Vitfpradicn einen Ser^
Don „(Sin fefte 33itrg ift unfer ©ott". ^reilid)
mirb ja bei ben goangeliiationsberfammiungen
bas Sier unb ber Xampf megblcibeti, ob bann
aber auch baS bierliebenbe ^ublitum lommcii
mirb! — SBer nun Serlin tennt, f^ludt fo
etmaS hinunter unb freut fidh, bah" bie Beute,
meint auch unter politijeher Zugabe, fid) bod)
noch ettoas Dom ßhriftenthum Tagen laffen. Xie
Digitized by v^ooQie
24
$8eil)nad)t ouf betn JUeer.
„berliner 3eitung" aber, ein befannteS bemo«!
tratifcbeS lülatt, trieb barüber folgendermaßen 1
ihren ©cbcrj:
„(Sine ctyviftlicfysreligiöfe 55ol fö = 93 er-
j a m m l u n g fattfc am 2 )ienftag s 2 lbenb, oon Jreunben !
ber pofitiom Union oeranftaltet, im großen ©aale beö
Xiuoli'-lStabliffementö ftatt. (Sä Ratten fid^ bafelbft mohl
an 1200 s J$erfonen beibertei ©ejchltttytö cingejunben, bie
nach einigen einleitenben ©orten beä igofprebiger ©torfer,
bas alte Kampflieb „(Sine fefte Vurg ift unfer ©ott" am
ftimmten. 2 )ie zahlreichen im ©aal befinbüc^en ^ortraitö
oerjetyiebener ©eifteS^roen mögen nicht menig erstaunt
gemejeit fein, eine fo fromme unb anbäcfytige Verfamrm
lung oor fiep 31 t jehen, bie bei einem ©lafe Vier geiftUc^e
lieber fang unb zmijehen ber „gemanbt unb hurtig'' bie
Kellner mit allerlei „©tärfungen" umher hüpften. 92adj=
bem ^rebtger ü. ©chlümbad^ auS Slmerifa, ber frühere
©encralfefretär aller beutfdjen Jünglingsoereine, eine
erbauliche Slnfpradje gehalten unb §err 8 töder bie djrift*
Ucfcfojiale Sentungsmetfe höchft etyarafteriftifeb gefdjilbert
hatte, mürben bie ©läfer neu gefüllt unb 9tun banfet
alle ©ott w erfcboll es mächtig burch ben ©aal. — (Srft
am ©ontag übergoffen bie tonferoattoen Blätter bie bon
bem s ^rebiger Kalthof im Vuggenhagen’jehen ©aale ab=
gehaltene religiöfe Verfammluitg mit §ohn, meÜ nach
ber religiöfen öanblung em Parteitag beim ©lafe Vier
tagte, unb am Sienftag mufj bei ber pofitioen Union in
©egenmart „bes frönen ©efchlechts" baffelbe paffiren.
Vielleicht entfchulbigen fidj bie Herren, bafe fie nur menig
geturnten hätten, baä öerjapfle Quantum mar iitbejj ein
ganz anftänbigeä. — 9tun, mohl betomme eä!"
iUciljuadjt auf bem Meer.
JBou Karl Sattler.
ob’ roobl!..." ,,2eb’ roobl!..." 2)ieS turje SBort erfc^oü,
al» fic^ unfer ©d)iff roie ein ebern babinroßenbeS ©diidfal
in Seroegung gefegt unb Hamburg mit feinen
Rinnen unb Slburntfpi&en allmählich im 9tebel
üerfcbroanb, aus bnnbert fteblen, als follte eS alles
abtbun, roaS baS 4> er ä noch brütfen tonnte: olle
breutienben 3udungen beS ©dnnerjeS, ber @nt=
fogung, ber IDtutblofigfeit. 0 mie oerfc^ieben
waren biefe 9lbf<biebSrufe! 8eberool)l bem lebten
Stüde Snflenb, ber früblingSprädjttgen, fang»
reichen ©tnbentenjeit. fieberoobl ber baumurn*
. fdjatteten £>eimatb mit ben gemeinten ©räbern ber
©Item, ben ülebenljügeln beS SR^eine§, bem 2an»
nenbunlel bcS ScbroarjroalbeS, erilobeblümten
£>eibe... Seberoobl!...
2BaS biefcS £»nauSjieben in bie ©infamteit,
biefeö fjinubergeben nach einer a<^ nod) fo fernen,
fremblalten SBelt befonberS erfdjroerte, mor baS
beoorftebenbe UBeibnacbtSfeft mit feiner befeligen»
ben Harmonie ber .SßeibnacbtSberjen, feinem
©^riftbaumfd)imnter, beffen Fracht bie meiften
©djeibenben auf beimifebem Soben nie tnieber er»
bilden füllten.
Unb fo febtoanfte ba§ ©<biff bobin ... 3m
ÜJteer erftieg unb üerfanl als bläulicher |)ügel bie
^elfeninfel ^elgolanb, um ben Sug brnnbeten bie
Stellen ber fRorbfee, 3age unb ’ERacfjte tarnen unb gingen, e§ febwanben bie buftocrtlärten reibe*
felfen «ItenglonbS, unb enblidb, enblicb taufte am »oeftlicben ^orijontber le^te Streifen Europas
unter — unb ba§ mar am © b t i ft t a g ...
2 eb’ roobl! liebe§ @uropa, leb’ roobl!...
SBeibuacbten inmitten ber einfamen $ra<bt beS DJteereS, ber 9J?ajeftät bet SBetlen, bem $uft
meißfebäumenber 2 öogen!...
©ine frifdje Srife jog bom gfeftlanb herüber, als tooflte fie ben ©cbeibenben ben HöcibnacbtS»
jubel, ber aber febon iängft in ben fterjen triftete, naebtragen. $aS ©djiff feurfjte unb febofe,
feitroärts geneigt, babin. ©S tarnen böfe ©tunben, roelcbe bie frifdbblübenbe Söeibnacbtsfreube
arg befdbäbigteti.
Digitized by v^öOQie
Peihnadjt auf betn Pen.
25
5J?an horte baS 9tecbgen ber Slafien, ba§
Äaufehen b€t Secjel, baS pfeifen beS SBinbeS im
iafelroerf. 3)ie Slatrofen, welche in ber Schön«
^eit unb ben Schreden beS SleereS i^re fjeimatfj
gefunben, patten Diel gu tpun. Salb aalt e§
bie Sdpietligfeit beS ©Riffes, halb bie Stiefe beS
ÜReereS gu meifen, bann roieber unter „tjoi t>o !"
„boi 1)0!" ein Segel aufgufjifieit unb ber pfeife
bes Bootsmannes gu folgen, wäljtenb gumeilen
ipringluftige Söogett über bas 33erbedf ftürgten
unb minutenlang in fchmaten SUinnen Don allen
Seiten abfloffen.
Surdj ba§ Schiff buffte, ungeachtet bes üöeih«
nachtSfefteS, baS büftere, bleifarbene ©efpenfi
ber Seefranfljeit. 63 frocb in alle 2öinfet, in
bie rotfjfammtnen, prunföouen Kajüten, wie in
bie fahlen SRäume beS 3roiff nbecfs, überall fein
Opfer iucpenb unb bie 2Beihnadjt§freube mot»
benb. lieber bie Slänner in Schlafmüßen, bie
grauen in Unterröcfen, ben im £>au3titte(, jenen
in [filgpantoffeln — über alles hauchte es baS
Beroufetfein einer trübfeligen ©rijteng. 2)aS
alte Sleer braufeen freute fiep bc^fotnifdjen Strei«
benS wie eines gelungenen SchergeS unb bie
fd)eibenbe Sonne lachte ob beS abfonberlichen
3<hau|pielS.
gitblich legte fich bet 2ßinb. ®er mübe Ogean
ftredte fich gut 9tut)e, als wollte er feine SBeife»
naf sftimmung jur Schau tragen. Sur gu»
meilen fdjiiumten noch einjelne Söogen mie lange,
tiefe atbemjüae nach leibenfdjaftlicher (Erregung.
3lu<h bie SSolfen hatten fich gleich fernen
Segeln oergogen. 63 war allmählich bunfel ge«
fflorben.
StiH, wie eine mit Borfidjt getragene Kerge,
gitterte ber Sbenbftern am Firmament; nach unb
nach folgte baS äufblißen anberer ©ferne, bis
enbtich ber gange nachtblaue ßimmel ^errlidh
unb mt faßlich ho<h über uns tn feiner ganzen,
gebeimrtißDollen Stacht erglänjte... SRajeftätifcß
erhabene SleereSweihnacht!...
Jdj beinerfte, mie auf bein Serbecf mcnfdjliche
©ertalten auf tauchten, fich in bitnfeln Umriffen
auf bem fnntertljeil beS Schiffes in ber Süße
beS SteuerhaufeS abgeidpteten, wie e§ ba hinten
gehehnniBDotl hin unb het lief- fid) halb fo, halb
anberS gruppirte, bis plößlicß als polier, fräfti«
ger, uierftimmiger, tiefergreifenber Slännet»
gelang:
<D bu fröhliche, o bu feltge
cSnabenbrittgettbe tDcihnacbtsjcit!
über bie monbbeftrafelten, fternenglißernben
ÜÖogenbahinjitterte. $5ie ©dpffsfchraiibe raufchte
babei ein wenig aufbringlicher, als wollte fie
ihrerfeitS auch einen befdjeibenen Seitrag gur
freier bieten, unb Don 3eit ju 3eit- fcßnalgten
einige neugierige ftifehe empor.
Jn wenigen Sfinuten hatte fid) baS Berbed
mit Saifagieren gefüllt. Slänner, grauen, Kin«
ber laufchten anbächtig ben befonberS burch bie
Situation ergreifenben Klängen. Kaum waren
fie Derhallt, fo begann eine herrliche ff rauen«
ftimme: „O Saititenbautn, o iannenbaum —"
unb ber gange aus aüen Sichtungen ber 2üinb=
rofe jufammengewiirfelte 61)or — wetterge«
bräunte Slänner, bereit milbe bergen fcßon
manche milbe [führten ausgeführt haben mochten,
frohe öfterreidjifche Kinberlärbdhen, blonbföpfige,
anmut£)ftral)lenbe Jungfrauen Dom SR bein —
fang begeiftert mit. 2ßar bas ein Don einer
eigentümlichen Slifcfping Don 6rnfl unbfjumor
burchhauchter ©efang! $en Sleerungeheuern
mußte biefe fchwimmenbe 6hriftfreube, biefer
melobifche ffieißnochtSgrufe gang Wunberfam er»
fcheinen. 2lber ber 2BeiIjnad)tSjubet Hopfte nun
einmal in allen bergen, gucfte burch alle Slbern,
wetterleuchtete auf allen ©eficßtern.
9luS bem Salon ertönte plößlich bie ©lode,
bie Saffagiere hinabrufenb. Jebermann folgte
bem um biefe 3eit ungewöhnlichen Signale.
Sber wa§ erbtidten bie äugen!... $)ie gange
feltge Kinberfreube erwachte in jebem feigen,
brängte fich einfcßmeichelnb heran wie füße, laß«
Derlangenbe Sippen: benn in jebem ©alon flim¬
merte ein mächtiger ©hrifthaum mit Judermert
unb bergolbeten SRüfjen beinahe Derftwenberift
behängt.
SBelch erhabene ©inbrüde biefer Prahlenbe
©hrifthaum ba braufeen in ber SBogeneinfatn«
feit machte, bermag bie Jeber faum genügenb
gu hefchreiben! gfvembe fDtenfdjen, beren bergen
erft bie ©emeiniamfeit ber Sleerfahrt etwas
näher rüdte, umarmten fich fröhlich, als bil»
beten fie eine grofee burch bie Sanbe ber Siebe
unb fjmmbfdjaft gufammengehaltene Familie.
6 in Heines Stäbchen, wohl ein netter über«
fprubelnber üüilbfang, ein Heiner bergiger
©aufeminb, tbat gu gleichenffüfeen einen Sprung
nadh bem anbern, luftig babei in bie fjänbe
flatfchenb.
Ja, freut euch nur, ihr lieben SJenfebenfinber,
bereit nicht an bie trauten Crte bnhinten, bon
beiten eiich jefet ber 91bgrunb bes SieeteS trennt,
aber auch nicht an bie neue SBelt ba brühen, ber
baS Schiff immer mehr entgegenpuftet. ienft
nicht baran, es möchte fonft bie 2öeif)nacht§«
freube fortflattern!...
6in fchöneS, bornehmes, ruhiges SlanneS»
antliß, in welchem ber Slunb fo feiten lacht,
fcheint eS freilich bort am f<f)Wetlenben Ißolfter
nicht unterlaffeit gu lönnen. Slan fann faft bie
burch ben intereffanten Kopf giehenben ©ebanfen
auf bem ©eftcht lefeit:
®u afteS Stütterdjen baheim unb bu, liebe
Schwefter, was werbet ihr in biefer Stuitbe
madhen! J«h febe eure trauliche, Don einer weit«
fchimmernben Sdpteebede umgebene ÜBohnung;
©iSblumen blühen am ffenfler, Slumen ber
s*
Digitized by
Google
jteroijorlttr &d)rift|teUer.
2 ß
/
ffreube in euren£>ergen. ©ebenlt ibr mein l...
— 0 wie wirb’s ber wilbfrcmben Seele ba
brüben im Oualm uub ©ebraus ber grojjen
Stabte ober in ber ÜBälbereiiifnmleitbes SÖeflens
ergeben (... ffiirb iljm im inid)fteii ^aprc and)
ein ©briftbanm ftrablen '(...
(tßoin Jets gum tüieer.)
Heimjorkcr SdjriftfteUcr.
!öou m. Üßeiler.
i ft an bie ftrennbfdjaft groifdjen
©oetfje nnb Schiller epiunernb,
tritt in biefem Greife baS 35er=
bältnife gmifcbeu ©reene £alled nnb
3iO|'epb SSobman Träfe üor unfern ölid.
9tid)t als ob es audj hier eine fyrcnnbfdiaft
gmeier ebenbürtiger 9Jteifter geroefen wäre,
Träte war Weit ber gerinqcre boit ben
'■Seibeu. ftaum aber wirb $öfllid)ereS in
©oetbe’S 'Jfocbriif an Schiller, im ©pilog
gum Sieb üon ber ©lode, gu finben fein,
als ber Nachruf .jjaUed’S an feinen früh
gefdjiebeuen 3?retiub:
(SS grüne ftetS bein öügel,
ftreunb meiner befj'ren Jage. ,
Sieb liebte, wer birb faimte,
Sieg pries, Wer bid) nur nannte u. f. tu.
^ Träte’* bebeuteubfteS ©ebidjt, “The Cnlprit
Fny” oerbanfte feine ©ntftebung einem ®e=
jprätb, welches Träte, Te ßap, ßooper nnb
.ffafled an einem Sommertag beS ^atjreS 1819
pflogen. 93oit ben fcbottifd)en ^liifjcn uttb bereit
'fl. SSrnfe.
ft. ®. .'t'oüccf.
©ebrancb für bie Ißoefie burd) bie gasreichen
romantifeben tßerbinbnngen mar bie '«Rebe,
•ftafled unb Cfooper behaupteten, bnp unfere
tfliiffe feine folche Stoffe bieten. Träfe, wie ge*
wöbnlid), pertbeibigte bas ©egentbeil, unb gum
®elcg feiner ^ofition berfafite er in brei Tagen
fein “Cnlprit Fay ®ic Scene beS ©ebid>tS
ift in bie ,f)od)ldnbcr beS .fmbfon neriegt, nnb
all bie ffftille beS SebenS in 3?elb nnb ^luttj, bie
jener ©egenb eigen, ift bureb ben ftauberftab ber
bidjterifcben ^bantafie in eine 9irt Sommer*
nadbtstraum bermanbelt. 9tur 25 3iabre alt,
fanf ber Tidjter in’S frühe ©rab.
2 Bie manches Ticbterleben ruft boeb immer
mieber ben ithinfd) mad), es möchte bem ftiinffler
gegeben gewefeu fein, unbetiimmert um baS täg*
liebe 53rob, fid) mit Wittfee ber böchfteu ifunjt gu
mibmen. ©erabe baS ©egentbeil bat man motjl
oft für Aip ©reene .fmlled gewiinfebt. tpalled,
1797 —18<>7, febrieb nerbältnifemcifeig wenig,
aber baS Sinnige ift fo mertbboü, bap es fefer gu
bebauern ift, baft ber Ticbter feine glcingenben
©aben nicht beffer oermertbete. Ter oermög*
liebe ©ebiilfe eines 3(ob. 3. 9lftor botte für bie
9lnforbentnqen an fein poetifd)e§ Talent nur bie
fatale Antwort: „Söogti bo<h nur ?" Tie Ißerie
feiner Sprit: 3Rorco SßoggariS (Sotfaris) ftebt
i biefleicht unerreicht in unferer Siteratur. 4?ier
ber SBerfncb einer Ueberfepung:
Marco Bouaris.
Um 'Ulittcrnadjt in feinem £elt
Ser Jurte um ber Stunbe träumt,
Sa (ffrietfienlanb tu Anfi i|jm fällt
3m ©taub, bas fgelb bem©ieger räumt.
,'m Jraum auf feinem ©iegeäjug
Jropbäen reich unb fdiön er trug;
Digitized by v^ooQie
flrtmjorhrr SdjriftfleUer.
27
£aU«fS RamiliensScgrAbuifspIat.
3m bräunt umraufcfyt ifyn ^reiägefang;
Sann blifct ein 3ting an feiner öaitb —
Sann — König — na$ beim S^ron fein ©taub;
Unb IjÖ^er, fyöfycr unbermanbt
3n Sräunten er fid) fcfymang.
Um SWitternacbl, in SSalbeSgrunb
güfyrt ^öoyarid bie ©uliotenfcfyaar —
Zreu, mie ifjr ©tafyl, im fyeilgen 93unb;
©in £elbenbolf fürmafjr.
Sa ftanb einft ^erfienä 33ölferflutfy,
Sa tranf bie Grbe frofy ibr 33lut
©inft an $tatääd Sag.
Unb biefe tfuft, }o geisterhaft,
©dhweilt jefct mit SJtutb, mit ^ömenfraft
Ser ©ohne 93ruft, $ur mtterfchaft,
3um alten öelbcnf^lag.
’9?e ©tunbe fließt — bei* Sürf ermaßt:
©£ mar fein lefcter Sraum;
©rmacht — unb hört ber Sachen ©djrei:
„Ser ftcinb! Ser $einb ! 3 U Sülf ’ ! .herbei !"
©rmaebt unb ftirbt nod) in ber s J?acht,
Umjifqt bon ©luth, bem ftlammenmacht.
3ur gluckt läfjt Jyeinbevfchmert nicht Waum.
Unb fterbenb nod; bernimmt fein C^r
Klar auä beä Bürgen* graufem (Sl;or:
„Wuf trüber, galtet ©tanb!
Srauf — biä ber lebte geinb bahin;
Srauf — bi$ mir frei $ur öeimatf; $iehn;
Srauf — für ber &äter ©räber grün;
gür öott unb SBaterlanb!"
©ie [türmten fid; in’s ©cbmerterfpiel;
2Rit Reichen marb bcfä’t ber ©runb;
Digitized by v^ooQie
28
GIpijHag in bet ScmntagfdjuU.
©ie ftegten — bocp ®oaaari3 fiel,
©lutenb, jurn Tobe munb.
Tie mengen 28affenbrüber fa^’n
3^n lächeln, mie fie fiegreicp nab’n,
2113 ityr §urrab ertönt;
©afj’n, mie im Tob fein 2tug’ ftc$ fcplofj,
Sinnig fein Seben3blut binflofc,
2öie vladjt mit Wutye frönt.
Komm in ba3 SBrautgemacb, o Tob;
Komm ui ber Wtutter, menn beglücft
Hum erftenmal, nach banger Wot$,
Kinblein fie an’3 §erje brücft.
2113 ©eucpe, bie bie geffeln bricht,
©täbte oerbeert im Strafgericht;
Komm al3 ber ©cbminbfucbt gift’ger 2Burm,
@rbbeben3 ©tofc; in geuer unb ©türm;
Komm, wenn ba3 §era fc^lägt hoch unb marrn,
2Jtit 3ubelflang unb Tana unb 2Bein;
Unb bu bift fcbrecflich ftet3 — ber ©ctymera,
Ter ©eufeer, ©arg, gebrochene3 $erj,
Ter 3)ienfchheit Dualen allerioärt3,
©inb, ©chrecfen3fönig, bein.
Toc$ für ben gelben, beffen ©c^mert
Ter gretbeit ihren ©ieg errang,
Tein Wuf tönt mie ^ropbetenmort;
6r hört au3 ihm Serbetfcung toerth
Runinft’gen Tante3 geierflang.
Komm, menn fein Wul^m nun ift erfauft —
Komm mit bem iiorbeer blutgetauft —
Hur Krönung3ftunbe fomm — unb bann
3p ihm bein ©lief, ber $eraen bricht,
SötUfommen mie ba3 ©onnenlicht
©efangnen in be3 Kerfer3 33ann.
Tem ^änbebruef roarm, mie bie §anb
Te3 ÖruberS, in bem fremben Sanb;
Tein Wuf miUfommen mie ber ©eprei:
„Tein bange3 ©ueben ift oorbei,
Tu Söeltenfucher ©enua3!"
2113 oon bem nahen ^almenftranb,
S5om büfterekhen Tropen lanb
Ter Söinb trug 2Bürge §aptia3.
23o»ari3! mit ber {pelbenfcpaar
Wu3 ©riedjenlanb3 glorreicpfter 3*it,
Wuty’ fanft — fein ftolj’re3 ©rab fürtoahr
Trägt felbft e3, meit unb breit.
Wid}t hüllt e3 ficb in Trauerflor
Um bich; nicht SBeibraucp füllt bie Sufi.
Unb Halmen nicht, nicht ©arfop^ag
Verehren beinen ©iegeStag;
Glicht mimrnert Seicpengloäem©bor,
öerjlofer Su;ru3 nur, ber ©ruft.
Tocty liebenb benft e3 immerbar
Tefj, ber be3 S$olfe3 Liebling mar.
gür bich be3 Tid?ter3 §arje Hingt,
Ter Wtarmor glängt, ber Sänger fingt;
©eburt3tag3glocfentlang erfchallt,
Tein Warne jeber ©äugling lallt;
gür bich in feinem Wacptgebet
Ter König unb ber ^Bettler flebt ;•
©ein ©treiter in be3 geinb’3 Skreicp
Um bich führt einen fräft’gem ©treich;
2ln bich benft bie ©olbatenbraut,
2öenn oor ber ©cplacbt ©efahr ihr graut.
3n beinern Soo3 ben Troft fie fchaut.
Unb fie, bie ©ohne bir gebar,
Db auch ber 2lugen trüber Sölicf
©rjäblt ihr traurige3 ©efehief,
Ter 3ugenbfreuben Tobtenbapr —
Unb felbft ba3 alte 2Rutterberj
©iebt nimmer Waurn bem TrennungSfcpmera,
2ln Troft ihr nicht gebricht:
©epörft ber Freiheit nun, bem Wupm —
Tetn Warn’, oer teelt ein Jpeiligtpum —
Tein Warne ftirbet nicht.
£>allecf hat bie @hre, ber erfte amerifanifche
Tichter au fein, bem ein öffentliches Tenfmal
errichtet mürbe.
(Ujttfttng tu ber Somitagfdjule.
®aw Sfartiit
f it haben un$ mieber herfammeltr um mitein=
anber ba$ febönfte geft ber gefte au feiern,
bic fiinber mit iubelnbeit ©eraeit, mir Sltern
mit frohem ©emiith.
63 ift nicht ber ©eburtStag ettteS SBeifen, ©e=
maltigeu ober Mächtigen biefer SBelt, bem mir eut=
gegenfrohlodeu, nein, fonbern bem Tag jenes glürf=
lichften aller 6reigniffe, mo ber gürft jener unfuht-
baren 2Belt feine ©errlicbfeit uerliefe unb 3Kenfd)en-
geftalt annahm, mo nicht bie 3Kenfchen ben ©öttern,
fonbern mo ©ott ben 3Kenfchen gleich mürbe.
O glücflichfter Tag aller Tage, bafj bu ie bev
3Kenfchheit erfchienen bift! T)uxch 3ahrtaufenbe hin
höre unb Jebe ich^ mie bu erhofft, erfehnt unb ge-
meiffagt umrbeft. ©erolbe preifen beinen, ©lau*
unb oerftummen, ohne ba§ ihre 2lugen beine T)äm^
merung erblicfen burften. SBir aber bürfen bich ev=
fennen unb lieben. T)arum feiern mir auch fo gerne
feinen ©eburtStag.
6r fam in fein Sigenthum, aber bie ©einen
nahmen ihn nicht auf, auerft nicht leiblich* fpäter
nicht geiftlid).
Ungefannt oon ber SBelt, aber befungen hon
bimmlifchen £>eerfchaaren, angebetet unb befchenft
oon morgenlänbifchen SBeifen, begann er fein 8eben,
fein 2Birfen unb fern 35Bert.
3afob’3 SBeiffagung, „unb bemfelben merben bie
2Sölfer anhangen," ift uor unferen 2lugen erfüllt,
beim fein ©cijt unb feine 3been haben bie 93ölfer
burchbrimgeti unb befiegt, unb feine ßrlöfung hat
bie Jßelt felig gemacht.
25iv feiern heute ben ©cburtStag 3efu, nicht meil
eS an bemfelben 2lepfcl, Wüffe unb allerlei ©efchenfe
unb Wafchmerf giebt, nein, e3 ift ber ©cift unb bie
3been unb ba3 8eben 3efu, unb bie Triumphe,
melcbe biefelben über bie 2ßelt feierten, toelcher mir
heute pebenfen, toeldien bie ©dnoachen aum SRaube
unb bie ©tarfen aur ®eute mürben.
T)icfe fiinber mit biefem 3cfu befaunt au machen,
biefeS ift unfere 2litfgabe oon ©onntag au @onn=
tag, beim obmohl er ben fingen unb naferümpfen=
ben 93harifdern unb ©diriftgelehrten gragen Por-
legte, rneldie biefelben nicht beantmorten fonuten, fo
ftredt er aur felben 3eit feine ©anbe au3 nach ben
nnfduilbigen unb einfältigen Kinbern unb fpricht:
„Saffet bie Kinber au mir rommen unb mehret ihnen
nidit, beim folcher ift ba3 ^pimmelreid)."
3a, fagt man, biefeS ift fchon gut fürffinber unb
ungebilbete Seute, aber glaubt auch irgenb ein
Digitized by v^ooQie
Putdj Srrungen jut Stoljrljftt
29
Obcrftct beS SolfeS an'ihn? ®er©eift unb bie
3been 3efu finb nicht nur paffenb, um oon biefeit
Snnbetn erfaßt unb oerftanben gu werben, fonbern
auch hoch unb tief genu& um ben Jflügften in Ser=
wunberung au fefeen. ©ie beadbmten unb bdnbig=
ten ben ungefelligen SBilben, hanbeu aufammen
mit heiligen ©anben bie Familie, grünbeteu ben
Sau ber ©tdbte unb baS gefellige 3ufammenwobnen
in benfelhen unb oerebelten bie Sölfer.
SS ift ein ®eift unb biefelbe 3nfpiration, welche
biefe ftinber biefem Fürften ihr 8oblieb erfdjallen
laßt, unb welche ben tieffinnigen Älo^ftocf bewog,
feinen „üRefftaS" au f(hreihen unb äHilton fein
“Paradise Lost” unb “Paradise Regained”, weldfe
Sincent be ©aula trieb, fi(h ber armen oerlaffenen
ftranfeit anaunebmeit unb bie erfte praftifche ©ofpi=
taU unb Jhanfenpflege au grünben.
®erfelbe ©eift unb biefelben 3been, welche burch
unfere einfachen ©onntagfchullieoer weben/ ergreift
unS mit unwiberftehlicber®ewalt in©laife©aScalS
erhabener Sbilofophie wahren SbriftentbumS, in
8utharbtS fcharfer Sogif unb in bem gewaltigen,
atle3 mit ftdj forheeißenben fRebeftrom eines $llesan=
ber Sinei.
®erfelbe ©eift unb biefelben 3been, welche biefe
ihiaben mit Ehrfurcht erfüllt, baß fie ihr ©aupt
entblößen, wenn fie biefeS einfache ©otteSbauS be¬
treten, erfüllt ben größten aller Slftronomen 3. 5Rew=
ton mit heiligem ©thauer, wenn er.@otteS groben
©tementempel betritt unb nie Diefen s J?amen auö=
fpricht, ohne feinen ©ut abjunebmen.
SS finb bie Früchte beffelben ©eifteS unb ber=
felbcn Arbeit, wenn hier eine arme einfache ^Kutter
ihre £inber in ber 3ud)t unb Sermabnung aum
©errtt ersieht unb biefelbe au nüfelkben unb tugenb=
famen SKitglieberu ber menfcblid)en ©cfcllfdjaft
beranwaebfen, unb wenn bort oor fiebenaig fuhren
bie bem beutfehen Solle fo unoergeßlidje Königin
ßouife oon Preußen ihren awölfidbrigen ©obn
JBilbelm, ben jefeigen beutfd)en Äaifer, oor ihr
(Sterbebette ruft unb bemfelben bie treue 50?utter=
banb auf’S ©aupt legt unb fprid)t: „äReiit Sohn,
traue auf ©ott."
•SS ift berfelbe ©eift unb biefelbe Sriebfeber,
welche hier biefeS einfache ©cbulbauS unb bort ienen
Tempel ber 3)?ufe errichtet, burch welche 9?apbael
ber febmufeigen Farbe unb ußichel 5lngelo unb Sbor«
walbfen bem falten SRarmor Sehen einbauchten.
SS ift berfelbe ©eift unb biefelbe ©ewunberuug,
burd) weldje biefe fiinber in einfadjen Siebern ihren
.©eilanb preifeit, unb burch welche ber größte aller
Äomponiften, ©anbei, in feinem ÜKeifterftücf
„SWeffiaS" mit Baubertönen biefem 3)?effiaS ent«
geaeniaudjat.
3bm wollen wir heute fingen unb fpielen in
unteren ©eraen, unb mit einftimmen in ber Sngel
Sobgefang: ,,Sbre fei ©ott in ber ©öbe, JJriebe auf
Erben, unb ben äRenfchen ein SBoblgefallen."
i i r rTTn n
Purd) Irrungen jnr Üaljrljrft
fin t>eutf$-amtxi&auif$e$ 3fatnifien6ifb am bet Gegenwart.
Sott 3 . 3. Keßmer.
ie liebliche
2Beib=
nachtS-
seit, baS
gerdufdj'
oolleStfeu-
iabr wa=
ren uor=
über. ®ie
2Bolfe,
welche baS
Ser-~
fchwinben
mm
über bie
befreunbe-
ten Fami¬
lien gebracht hatte, war noch nicht gewichen, ©ram
unb Äummer oeraebrten baS ©era beS unglüefliräen
SaterS. Sollet Seraweiflung gab er feine Sochter
oerloren. Unb war eS nicht fo? 2Bar fie nicht mehr
noch verloren, alS wenn felbft ber ®ob fie oon feiner
Sette hinweggeriffen hatte ?
Für 9Rina,ftanben neue ffdmpfe beoor. ®ie
GameoalSaeit war am ©eranrürfen. SSflcm fprach
aüem&ttö von bem beoorftebenben großen 2RaSfen=
ball, weltherben eigentlichen©lanapunftber©aifon
hüben follte. ©tiüfchweigenb fd)ien man ibre$thei(=
nähme baratt alS feibftucrftdnblicb oorauSaufcfeen.
®aau waren bie Sefuche eines iungen ätjanneS,
©obn einer befreunbeten, aitgefehenen Familie in
lefcter 3^it immer häufiger geworben. ®aß bie=
felben weber bem Sater noch bem ©ruber galten,
fonnteSRina fuh nicht oerheblen. Son anfebnli^em
?leußern, gewanbt, oollerSBife unb ©eift, babei oon
fledenlofem 9?ufe unb alS fleißiger ©efchdftSmann
wohl angefeben, war er in allen mit erwachfenen
Sechtern gefegneten Familien ein willfommener
©aft. Sluch ÜWina mochte ihn wohl leiben unb
fonnte fich bem 3«»ber feiner UnterbaltungSgabe
faitm oerfchließen. Allein, einaelne gelegentlich hin«
geworfene ©emerfungen, frioole ©ebene unb un«
bebachte 9leußerungen oenietben ihr, baß er in bem,
toaS ihr baS ©ochfte war, bie entgegengefefete ©eite
oertrat. ®aß feine ©efuche oon ben ihrigen gerne
gefeben würben, fonnte fie leicht wahrnehmen.
2BaS follte fie tbun? —®en erften ©chritt in
ben Sergnügungen unbßuftbarfeiten bcrJSelt hatte
fie bereits gemacht, unb fdjon fab fie immer *ahl-
reichere Fcffeln in ©ereitfehaft, um ftc an ben @6feen=
wagen biefer 3eit au feffeln. SOBic fonnte fie ftdi
benfelhen entließen ? ©ie batte geglaubt, bloS beit
\
Digitized by v^ooQie
30
Purdj Strängen jur Pfnljrljeit.
Oringcnbcn Bitten unb 5 >ordcdungen ber Shrigen
eine Gonccffion 311 machen; fic wollte bloS in finb-
lidjer Pietät ben SSünfcfien oon Sater unb Stüber
flennten; ater jefet fall fie, bie SBclt wollte fie eben
aan3 haben, ©atte fie hoch ©errn SSÜfenS in ber
mhe gehabt, um ihn, um 3 iath fragen 311 fonnen;
aber baju war feine ©elcgeuheit. 51 uch fühlte fie
311 fdjüchtern, fich ernften, chriftlichcn Sreuubcu ihrer
nächften Umgebung anjuocrtraucn. Gnblicb bacf)te
fie wieber an Goufin SöhnnncS, unb ba fie überbicS
ihm einen Srief fdwlOig mar, fo benüfete fie bie
©elegcnbeit, ihn mit ihren ©rfjwierigfciten befannt
au machen unb ihn um feine ?fnficht unb feinen
9 tath 311 bitten.
©ie Antwort liefe auch niefd lange auf fich wcir=
kn. ©a bicfelbe für ihre (vntfchlüffe entfdjeibeub
mar, fo fefeen mir bicfelbe oollftanbig her.
. ..Godege, ben 15. Sanuar 18..
Siebe Goufine SRina!
©einen lieben Srief habe ich erhalten. Sch fann
bir gar nicht fagen, wie fefer cS mid> freut, au$ bem*
felben 3« oernehmen, bafe bu noch immer aufrichtig
bemüht bift, ®ott 311 bienen unb in feinen SBegcn
31t manbeln. ©er ©err wolle bir ba$u in alten
©tilgen Äraft unb ©nabe fefeenfen!
©u fragft mich um meine Slnftcfet unb meinen
Stotfe in beit @d)wierigfeiteu, 001t beneit bu umgeben
bift. ©iefelben mögen fehr brüdenb für bid) fein.
Grinnere bich aber, bafe mit nicht auf biefer SBelt
finb, um gute ©age 311 haben, fonberit um für eine
ewige ©errlichfeit 3ubcreitet 311 werben. Unb ba
muffen auch Schmierigfeiten unb Xrübfale 311 unfernt
Sefteu bienen. 3 ßa 3 aber beiite befonberen @d)wie=
rigfeiten unb ben 2Beg anbetrifft, ben bu babei nach
©otteS 2Bort 311 nehmen haft, fo will ich bir barübet
offen meine Ueberaeugung mittheilen.
5 lu<h in biefem ©tüde ift baS SBort ©otteS bie
alleinige unb untrügliche SRuhtfdjnur unfereS ©an=
beln^ unb SBanbelnS. SRun ermahnt un$ baffelbc
nad) 1 Setri.2,11 auSbrüdlid): „Enthaltet euch oon
ben fleifchlicfeen Süden, wehhe miber bie Seele flrei-
ten." ©aan haben mir nun aud) bie Suftbarfeiten
unb SSergnitgungen ber ffinber biefer 2Belt 311 red)=
nen, al§ ba finb: ©ad, ©heater, weltliche Goncevte,
GircuS u. bgl. Sch meife wohl, bafe häufig 311t Gnt=
fdnilbigung beS ©efucfeS folcher ©läfee getagt wirb,
bafe bafelbft nichts Ungebührliches oorfomrtte, unb
Slnftanb unb gute Sitte aitfS Strengfte gemährt
werben. ®aS mag in oieleit Süden auch wirf (ich
fo gehalten werben. 9 lber baS ift noch nicht ber ein*
3ige ©tanbfcunft, ben ber Ghrift einsunehmen hat;
er hat itod) gans anbere®inge in Setracht 31t aiehen.
91 Ö unfer ©hun unb Saffen, unfer Umgang, uitfere
Sefchaftigung, unfereGrhoiungen, mit einem $ 5 ort
nufere ganae SebenSrichtung, übt auf unfern Gha=
rafter alS Ghriften einen grofeen GinSufi auS; bilbet
benfelben 311 bem heran, waS mir wirtlich am Grube
werben. Gutweber ift nun biefer Ginflufe ein folcher,
ber unfer inneres geiftlidjeS Sehen förberi unb unfern
Gharafter für baS Dieid) ©otteS weiter bilbet, ober
aber er ift ein folcher, ber baffelbe hinbert unb tobtet
unb unfern Gharafter für biefe fünbliche ®elt bil~
bet. ©u fclbft fühlft, welcher 5 lrt ber Ginflufe ift,
ben biefe Suftbarfeiten auf bich aiiSüben mürben.
Unb wenn ber ©err marnenb fragt: „$BaS hülfe eS !
bem SKenfchen, wenn er bie ganae 2Belt gewönne I
unb litte Schaben an feiner Seele," fo aeigt bamit l
ber ©err/ bafe mir um feineS ivbifchen ©cnuffeS
willen baS ©eil nuferer Seele oerfchericn foüten.
„ 5 lber," fagft bu, ,,id) thue es nicht auS Suft 311
biefcit ©ingen, ich felhft habe feine Sreube baran,
ich möchte nur burch meine Steigerung bie deinen
nicht betrüben." Stürbe ber Ginflufe biefer ©inge
ein weniger gefährlicher fein für beine Seele, wenn
bu bloS auS folcher Urfache hingingeft? SlUlrbeft
bu nid)t ie langer ie mehr in bie Suft biefer SBeit
oerftridt werben? Sch gebe 311, bafe bie ©einen über
beine Weigerung cvft unwillig werben mögen. 51 ber,
„wer Satcr unb Butter mehr liebt, beim mid), ber
ift meiner nid)t merth," foricht ber ©cw. Grregft bu
burch beineu ©ehorfam gegen ©otteS SBort ihren
Unwillen, fo ift baS eben baS fireuj, baS bu um
Sefit willen 311 tragen haft. ©laubemir, liebe 3 Wina,
ber ©en wirb beine ©reue gegen ihn unb fein SBort
nid)t uubeiohnt (affen, unb bu wirft eS erfahren,
bafe, wenn ber SBcg, ben er oorfhreibt, auch oodev
©ornen 311 fein fd^eint, er betmod) jum Stieben unb
3ur ©errliddeit führt, ©er ©err fegne itnb ftärfe
bich. Sei nur treu unb oertraue bem ©errn, ber
5 ldeS wohl macht.
Sn Siebe bein Goufin
SohanneS.
©er Srief ihreS GouftnS übte auf Sttincf eine
entfdjeibenbe SBirfung auS. ©er 9 ?cbel, ben eigene
Unentfchloffenheit unb bie anersogeneit Sorurtheile
ber Shrigen ihr über ben 9 Beg gelagert hatten, war
oerfchwutibcn. ©ie fab nun ihren 9 Beg flar Oor fich
unb ihr Gutfddufe war fd)ned gefafet. SBelt unb
©ünbe oerflichten, fie mit unauflöslichen ffianben
31t fcffeln, eS galt, benfelben gegenüber ihre chrift-
Iicf>e Sreibcit 31t behatioten. ©och ihr ©er3 bebte
beim ©ebanfen an ben ©türm, ben ihr Gutfcfalufe
bei ben Shrigen heroorrufen würbe.
©ie nädtfte ©elcgenheit, ba fie fich mit ihrer
9 )?utter allein befanb, benufete fie, lim ihr ihren
Gntfchlufe, an feinen Suftbarfeiten mehr ©heil ^u
nehmen, unb dd) gang aur ftirche au halten, mit=
autheilcn.
,,©at bir S^hamteS gefchrieben ?" fragte Srau
Sehmanu fogleich.
„Sa," antwortete STOina, uttb übeneidde ihr ben
Sörief. Srau Sehmann burchlaS benfelben naA s
benflich, unb hie unb ba ftablen fich ©hränen auS
ihren 5 lugen.
„®it weifet, ÜHina," fagte fie nach 5 ?eenbigung
ihrer Seftüre, „bafe unS SohanneS fehr werth gewor^
ben ift, unb wenn and) bein SSater hie unb ba
meint, bafe er in feinen 5 lnfidden 311 fdwoff fei, fo
weife id) bodi, bafe er grofee Wddun^ oor ihm hat.
Sd) glaube felbft, bafe SohanneS im SRecfeten ift,
wollte bir gerne helfen, btefe ©efellfdiaft 311 meiben;
aber id) weife, eS wirb 9 ?ater fehr franfen. Gr hat -
grofeen ©tola auf bid) tutb hoffte, bich einmal eine
heroonagenbe dtode in ber gtofeen SBelt foielen 311
fehen; barum hat er auch alleS für beine 9 lu 3 bilbung
gethan unb fein Oofcr gefefeeut. Gr wirb nun ade
feine $lane oernichtet fehen unb fehr betrübt fein."
„©ewtfe," fagte 90 ?ina, „thut eS mir in ber Seele
weh, ihn betrüben 311 müffen. SSater war ja immer
fo gut 31t mir; aber liebe 3 Äutter, i^ fann nicht
anberS; ich fann biefe ^ßlafee nidit mehr befuchen;
I id) fann gar nicht baran benfen, oldte bafe eS mir
I baS ©ers aufammenfÄnürt."
I „ 51 m SBeften," meinte bie 3 Rutter, „bu dmcfcft
Digitized by c^ooQie
Pucd) Errungen für JUöljrijett.
31
felbft mit beinern Vater. Vielleicht, bafe e$ auch
nicht jo fcblimnt ausfällt* wie mir es befürchten."
Den nädiftcn Mbenb, al$ bie ^ycimiüe gemüthlid)
bei Sifche jafe, fam ba3 ©efpräch wieber auf ben
beoorfiehenben SWaofenball unb ©err Sehmann warf
3Hma bie grage bin, wie c3 in biefer Vegiehung
mit ihrer ©arberobe aubfähe ?
3Bina fühlenb, baß ber gefürddete Mußenblicf gc=
fommen mar, antwortete mit flopfenbem bergen:
* Vater, entfcbulbige mich, id) gebenfe nicht gu biefem
3Ha*fcnbaU gu ßchen."
*®ie?" fuhr ©err Sehmann erftaunt auf, „höre
ich rcd)t‘? Du will ft hoch gewife nid)t faßen, bafe bu
ohne ©runb oon bem fchönften gefte ber ©aifou
meableiben willft ?"
2Wina, all ihren ÜRuth gufammennehmcnb, ant=
wertete: „Sieber Vater, fei mir bod) nid)t böfe; ich
habe mich währenb be$ lebten Valleä fo unglüdlich
unb nachher fo elenb gefühlt, bafe ich mir oorge-
nommen habe, feiucfolchen Vläfee mehrgubefucheu."
©err Sehmann wollte eben eine ärgerliche Mntwort
geben, aber SRina fuhr bittenb fort: „SD Vater, ich .
weife, wie febr bu mid) liebft unb bafe bu mir nur |
greube unb ©lütf bereiten willft, aber ich fann auf
biefen Vläfeen feine greube geniefeen, id) glaube, e§
ift nicht recht unb (Sott nicht wohlgefällig, folche
Suftbarfeiten gu behüben, ich habe lanße barüber
nachßebacht, aber id) tonnte nicht eher gut Muhe
fommen, bi* id) ben Sntfdjlufe fafete, biefelben ßang
aufgußeben unb mich allein gur$ird)e unb gu@ottc$
SSort gu halten."
? err Sehmann ftanb entrüftet oon feinem Stuhle
unb faßte: ,,?|d) febe fchon, bat? finb wieber
folche oerbrebte i^been, bie bir in SDcean ©rooe in
ben fiopf gefefet worben finb. Sich wollte, id) hätte nie
meine ©inwiUißung ßeßeben, oafe bu bahin ßinßeft!"
Heinrich bemerfte: „Sßenn 90?ina nid)t gur 3Ka^
ferabe geht,Jo habe ich auch feine Suft, mich bafelbft
fehen gu lallen, fühle überbieä feine befonbere MeU
ßiuiß, mich bei ber Marrheit gu betheilißen."
„So," meinte ©err Sehmann farfaftifch, „natür=
lieh, ein ^ebeS tbut, wie e3 ihm beliebt. 3d) habe
freilich Micbtö gefpart, um bie MuSbilbting meiner
lochter gu oolleuben unb fie in ben ©taub gu fefcen,
eine untrer gamilie würbige ©teflungin ber ©efcll=
jehaft eingunebmen; nun aber baä gräulein naefc
träalich fiubet, bafe biefeä wiber ihr ©ewiffen ßebe,
fo rann fich ber Mite bcfd)eibeu."
»SD Vapa," rief 2)?ina mit thränenüberftrömtem
Mngeficht, iubem fie auffprang unb fid) an feinen
©al* binß, „wie fann ft bu fo ßraufam fein, fo etwa§
,gu faßen. Du weifet, bafe bu mir mit 2Rutter mehr ,
biit, aläjie gange ©eit. ©ie ßerne will ich in
allen ©tücfen bir eine ßeborfame Sechter fein; aber
ich bitte bich, gwinße mich nicht m Dingen, bie ich
nicht ohne Mnftofe meinet ©ewiffenS tbun fann.
piefe Suftharfciten, wenn ich fie mitmadeen mufe,
unb mein Unterßanß, ba3 fühle ich. Dcnfe an
Meüo, wäre fie nie in fofcbe ©efellfchaften ßefommen,
©en g— hätte nicht fo febmereä Seit) um fie gu 1
tragen, ^d) bitte bid), lafe mich ©ott bienen!"
„©chon gut," faßte ©err Sehmann, inbem er fich
oon ihr loä mad)te, ,,id) febe fdwn, ee ift eine be=
fchlovfene Sache, bafe bu beinen ©eg oon bem unf=
rißen trennft. Da* ift bie©hriftlid)fcit bieferSeute,
Oafe fie ©Item ihr eigene^ £inb ahfpenftig machen,
freilich finb bamit meine liebften Vläne gerftört,
aber ma£ fdjabet e§. 3nbeffen braudjft bu feine
Surd)t gu haben. 3cb bin nicht Sorann ßenuß,
| um oon meiner erwachfeneu Tochter baö gu er-
gwinßen, wa^ fie mir au6 Siebe nid)t geben fann.
Much will id) feines* SWeufdien ©ewiffen befdnoeren,
i auch ba^ beine uid)t. 95Btnn bu benfft, bafe biefcs
! recht ift, fo maßft bu auch beinen eigenen 2Beg
haben." Damit oerliefe er mit allen 3eid)cn tiefer
I ftränfunp ba^ 3immer.
SBie tief bieje ©genc SKina oerwunbete; welche
innere Kämpfe fie ihrocrurjaditen! Spälte ein ftrenßeo
©ebot ihr 3wanß auferleßen wollen, fie hätte ftraft
aefunben, bemfelben um ©ottcsuüllen gu wiber=
ftehen unb bie Solgen auf fid) gu nehmen; wäre fie
mit ©pott überfebüttet unb mit 33erfolßunßen be=
broht worben, fie hätte ihr ffreug ßebulbiß auf fid)
genommen: aber bafe bieienißen ihr ©erg oon ihr
wanbtem, bie ihr bie Dhcuerften waren, barüber
blutete ihr ©erg unb wer weife, ob fie biefe 3$er=
fudjunß übenvunben hätte, hätte nid)t ihre Butter
ihr Droft unb Unterftüfeunß gu Dheil werben laffen.
grau Sehmann gehörte m ben Maturen, bie oot
jebem ©türme ihr ©aupt beugen, aber babei feft im
SBoben einer tiefen innern Uebergeußung unb ©e=
wiffenhaftißfeit wurgeln unb baher nid)t weaperiffen
werben fönnen. ^ohanneb’ SJrief hatte ihr bie Suft=
barfeit ber 2Belt tu einem neuen Sichte gegeigt unb
fie war übergeugt, bafe baffelbe bie SBahrheit war.
3Hit 33angigfeit hatte fie bem ©türme entgegen
gefehen, ben 2J2ina3 ©ntfehlufe heroomifen würbe,
nun berfelbe aber ßefommen war, erhob fie guerft
wieber getroften 3Ruthe§ ihr ©aupt.
äßina hatte fich in ihr 3imnicr gurfufgegopen.
©ben war fie im begriffe, ihr ©erg mit heifeen
Shränen oor bem ©errn auögufd)ütten, al§ grau
Sehu.ann eintrat, fie umarmte unb fußte unb ihr
guflüfterte: „Minim c$ nidit fo fehr gu ©ergen, M^ina,
ber SSater meint e§ im ©runbe niefit fo böfe unb er
hat bich gu lieb, al$ bafe er bir lange gram fein
fönnte. ©eine $läue finb allerbingb aefcheitert,
aber er wirb gur Üebergeugung fommen, bafe eS fo
am ©eften ift. ©ei nur treu, ©ott wirb bir fchon
I binburd) helfen, ©einrich febeint bie Miwficht, nicht
gur M?a6ferabe gu geben, gar nicht ungelegen gu
fommen; Mellpö SSerfd)ivinben hat einen gu tiefen
©inbrud auf ihn gemacht, alä bafe er fid) gu folcben
3erftreuungeu aufgelegt fühlte. JBer weife, waö
ber liebe ©ott noch mit uu$ oor hat."
SD, wie fühlte fich M?ina burch bie treue SDhitter-
liebe getröftet! SBie fd)lop fie ihr ihr gaiueö ©erg
auf! Unb wie ftärften fich bie beiben fcpwad&en
grauenhergen im inbrünftigen Öcbctc oor bem ©errn.
Sage unb SBochen gingen bahin. SMina batte
fid) ber ftirche enger angefchloffen unb war oon bem
weifen ^rebiger auch gleich ber Keinen Mrbeiterfchaar
einocrleibt worben, ©ine filaffc oon mittlerem
Mlter, bie ihr in ber ©onntagbfdwle übertragen
würbe, bot ihr ein intereffantcä Slrbeitöfclb, babei
gab e^ fo mancherlei SBerfe ber Siebe unb ©arm-
hergigfeit, weld)e fie and) burd) bie 2Bod)c in Mn=
fprndh nahmen unb mit anberit ftinbern ©otte? fie
auf’e innigfte oereinigte. Mn Vergnügungen unb
Unterhaltung fehlte e^ ihr auf biefem 23ege nie unb
fie fam nicht in Verlegenheit, wie fie ber töbtenben
Sangeweile eines unbefthäftigten MütagSlebenö ent-
fiiehen fodte.
3u ©aufe würbe ber lebte ©tunn feiten mehr bc
Digitized by v^ooQie
32
$0|tale Kebelftünbe unb ihre Hebung.
rührt. ©einrid) Begleitete feine ©cbmefter öftere aur
JTircbe. Gmilie batte ficB gleichfalls ber ©onntag=
fcbule angefcbloffen, 2 llfreb mar Bereite in bie Sibel=
flaffe oovgcrüdt unb oerfolgte uiit Sntereffe ihre
Stubien. Qnfel ©ermann fam nod) oft auf Se=
fudj, bod) blieb er ftetS nur furae 3 ett, unb obfefeon
er gegen Mina unb bie Mutter btefelbe liebenbe
Freunblicbfeit an ben Saß legte, u>ie früher, fo
febien er oon etmaS in feinem ©emütbe gebrüdt ju
fein, unb mar ßeßenüber feiner früheren fprubelnbeu
Cebenbigfeit oft gerabeau einfilbiß. ©arrp3 Sefudje
mären feiten gemorben. SSater batte in ben erften
SBocben eine gemiffe Stätte an ben Saß gelegt, bie
febmer auf Mina3 liebenbem ©emütbe laftete, bod)
mar biefelbe halb feiner früheren fJrennbücBtcit unb
Milbe gemichen; nur febr oer*inaclte ©emerfiutgeu
beuteten an, bafe er Ming3 Gntfdjlufe noch feinet
megS billigte. Gr mollte ihr aber offenbar in biefer
^Richtung burcbauS feinen 3mang antbun.
©err 92. batte bie erften SBocben gleichfalls feine
Selmhe fortgefefet. 9 US aber Mina alle feine Gilt*
labungen, ihn 31 t biefen ober jenen Sergnügungen
31 t beßleiten, fonfequeut abfdjlug unb auf fein Se=
fraßen bireft erflärte, bafe fie auS ©runbfafe biefelbcn
aufßeßeben habe, batte er etmaS inbißnirt baßeßen
feine Ginmenbungen gemacht, Mina batte ihm aber
barauf mit einem offenen Sefenntnife ibrcS ©lau-
bcnS ßeantmortet. .©err 92. fuebte baffelbc erft alS
einen Scbcva aufauuebmen, alS ihm aber Mina oer-
fieberte, bafe eS ihr bamit ooller Grnft fei, unb bafe
fie 92id)tS tbun mürbe, maS biefeS Sefenntnife Süßen
ftrafen tonnte, ba fpracb er fein Sebaucrn auS, bafe
eine ®ame oon fo oiel ©cift unb ÖiebenSmürbigfeit'
ficb folcb abßefd)inadten 3been bingeben fönne. (Sr
batte barauf etma3 fall 9lbfcbieb ßenoinmen, unb
liefe ficB feitber nur feiten feben; boeb eraeigte er
Mina bei gelegentlichen Segegnungen feine ltix-
ßetbeilte SteBtung. ©0 fcBien ber aanje Sturm,
ohne bem glüdliefeen Familienleben befonberS Gin*
trag 31 t tbun, oorüber gegangen 311 fein, alS ein
neuer bie ©emütber in Aufregung oerfefete, ber aber
©errn Sebmann* mit ber 9?id)tunß, bie bie ©einen
einßefcblaßen batten, meü eher au oerföbnen ge=
eignet mar.
®aS gebrüdte ®cfen Onfel ©ermannt batte
feine tiefliegenben, traurigen ©nntbe. ©arro mar
burdj feinen leicBteu, unentfcbloffenen Gbarafter oer=
leitet, immer tiefer in fcblecfete ©efeüfcBaften oer-
ftridt morben. Oft fam er betrunfen nach ©aufe;
bie unb ba blieb er audj ganac 92äd)tc auS; fein
Safcbengelb reichte für feine Sebürfnifje längft nicht
mehr bin. Son ba unb bort fatnen 9lnforberungen
an feinen 3Sater aur Seaahlung oon ©cbitlben, bie
er gemacht batte; baS ©efebäft mürbe oon ihm oer=
nacblaffigt. Stile Sitten, Grntabnungeu, Sor=
fte(lungen z ia ®robungen oon ©eiten feinet SaterS
blieben erfolglos. SOBenn er audj bie unb ba einen
Slnlattf nahm, fid) 311 beffern, fo maren feine guten
Sorfäfce boeb halb mieber oerflogen.
GincS SageS mar er oon feinem Sater auSgefanbt
morben, um ©elber 31 t folleftiren. S)a er eine aiem^
lieb meite Slunbe au tnad)en batte, fo fiel eS meiter
nicht auf, bafe er biS aum Schluffe ber ®efdjäftS=
ftunben noch nid)t aurüd mar. 9US er aber aucB
311 m 92ad)teffen nid)t erfdjien, mürbe fein Sater un=
ruhig unb ging au*3, um nach ihm 31 t fueben. Gr
fanb auch auS, bafe er feine ©efchäfte mirflidj er=
lebigt batte, aber über feinen Serbleib fonnte er
nichts entbeefen. SiS babin batte er noch nie irgenb
mehfee @efd)äft3gelber oertintreut. 3 n ber ©off=
nunß, er mochte unterbeffen nach ©aufe ßefommen
fein, (teilte amh fein ^ater feine 5)?acbforfchunßen
ein unb ging nach ©aufe. G3 mar bereits gegen
11 Uhr, aber er mar noch nkbt ba. ©ehr unruhig
begab fidi bie Familie au Sette; ber Morgen fam,
©arro liefe fid) nicht bliden. Oer Sag unb mieber
eine $ad)t verging, unb immer liefe fid) ©arro noch
nicht feben. ffiaS mar mit ihm geschehen? Seinahe
ieber SlnbaltSpunft, bafe er baoon gegangen fein
möchte, fehlte. 3Ear auch bie ©umnie, bie er in
©äuben gehabt haben mufete, nicht unbcträd)tlid),
fo mar fie bod) nid)t bebeutenb genug, um anauneb=
men, bafe er bamit baoon gegangen märe. Siel
näher lag bie Sermutbung, bafe er in fcbled)te ®e=
feüf(haft geratben unb beraubt )oorben fein modte.
SUlcin bie Siacbforfchungen, meld^e bie ganae Fa=
milie felbft mit ©ftlfe ber Soliaei anftcllte, ergaben
fein befviebigenbeS fHefultat. ©arro blieb oer=
febmunben. Ginige feinerÄameraben, bie aufgefucht
mürben, behaupteten, ihn in gemiffen Sergnügungös
lofaten oon ameifelbaftem Stufe gefeben au haben.
ffiieGiuen molltcn ihn ba, bie Slnbern bort oer=
laffen haben, Seiner mollte miffen, mobin er ficb 311 =
lefet bingemenbet batte. ©0 oicl mx flar, er batte
ficb mieber mit leichtfertiger ©efellfcBaft bevum=
getrieben, unb bie Einnahme lag nabe, tafe er fd)liefe=
lieh in eine Spiele ober ßafterboblc geratben fein
mochte, mo baS ©clb, baS er bei ficb trug, ficberlid)
baS raubluftige ©efinbel reisen mufete, bab folche
Släbe ftetb frequentirt. 3 u ber 92ad)barfchaft einer
Spielhölle behauptete man, gegen Morgen in iener
Stacht einen oerbädjtigen $ämt, mie oon einem
©ilfegefchrei gehört au haben, mäbrenb beb Sagb
fei ein bebedter JBagen oorgefabren, eine auffallcitb
lange Sifte fei in bcnfelben gebracht morben, bann fei
ber fffiagen fchnell baoon gefahren. £)ocb meitere
9?ad)forfd)unaen unb felbft eine fcbarfe©auöfucbung
ergaben feine fiebere ^pur oon bem ffierfchmunbenen.
2 Bod)cn lang bauerten bie 92ad)forfd)un9en. 3 cbe
Seiche, bie aufgefunben mürbe, nahm man in äugens
fdjein, bic ©ofpitäler, bie©efängniffe mürben burcb=
fueßt — 5llleb umfonft. Onfcl ©ermann mar auf ’3
Sieffte erfchüttert. 2Bie batte er fid) bie lefete 3eit
bemüht, ben Unglüdlicben oon feinen oerberblid^en
SBegen abaitbringen, aber er feßien alle ©crrfchaft
über fid) felbft oerloren au haben unb oer 3 meiflunge=
ooü ergab ficb fein Sater bem ©ebanfen, bafe er in
irgenb einer Serbrecherböble ein Gnbe mit ©chreden
gefunben habe.
^o|ittle itebelftänftf tmb iljre
$ebuttg.
Sott 3. ^^(agcttlottf.
II.
/fein anberct Ucbclftanb, ii'dcliev für bic ©efe(l=
jm febaft ßcfäbrlicü 311 merben brobt, ift bic »cr=
1 lehrte Srsiebuns, bei welker bie 3;üchtifi--
macfuina für bah praftijibe Sehen entweber fjan;
oerfänmt ober oernaibläfftgt wirb.
Digitized by v^ooQie
Soziale Hebelftöttbe unb Ujre Hebung.
33
35a muffen wir gleich Bet ber SBiege anfangen
unb ben ©ebraudj beb 3u<fcrwerfeb, ber Sederbiffeu
uub s J?afd)creien entfdveben oerurtheilen. ©itrdibie
jdmblichen 3ngrebieiigiett, welche btefe ©iitge ge=
wohnlich enthalten, wirb bab Slut oergiftet, ber
SRagen gefchmächt, unb ber ©ruitb gut Feinfchmede=
rei, Üeppigfeit, Schwächen unb Äranfheiten gelegt.
3ft eb ein SBuiiber, bafe fo oiele $erfonen an
©ibpepfie, Schwiitbfucht u. bgl. mehr leiben?
3n ben fogenaniitcn fafbioitalen Steifen gehört
eb togar nun fluten Seit, burch alle tböridjte 3?er=
anügungeu ben (Seift beb$ochmutheb unb ber^uß;
jucht frühgeitig in ben Siitbern gu werfen. Än
Sotnineroergnüguiigbpläßeii mie Songjöranch unb
Saratoga loerben mährenb ber „Saifon" Siitber=
Balle abgehalten, Bei welchen bie juitflen $ärdjen
Ärm in Sinn tum Sange aufmafdjiren, unb mit
einer Selbftgefäüigfeit im ©aale umhenoirbeln,
alb mären fte bie gefeierten Selben non taufenb
Schlachten, unb bocB bat ber little Gentleman noch
feine acht Sommer, unb bie 8abo, bie er am Slrm
führt, nod) leine fechb Sommer hinter fich.
$3ei einem folchen glangoollen Speftafel fielen
einmal an einem Nachmittag 32 Sinber, oon ber
übergroßen $>iße unb ber Slufreßting, in Ohnmacht.
Oft enbet bie ßontobie mit 3attf unb Streit
npifchen ben kleinen, unb burd) Schimpfen unb
Serfeinbungeit ber thöriebten eilten unter einanber.
©in s -öericbterftatter einer ber größten Leitungen
New Norfb febilbert einen folchen 'Ball, aub welchem,
bcT ituriofität JhalBer, nachftehenbe wortgetreue
Uebcrfeßung ftehen mag:
„©er galante 3unfer grebn, Sohn beb föerrn
®oftor Ä. aub New SJorl, mar ber £elb beb
Äbenbb. 3n ber Sieibuitg eilieb Stammfürften
aub Schottland iboebgebirgen, führte er bie rei=
genbe ©lonbine, 3*räuleiit ßlla SB., Socbter beb
Sonora Bie SB., aub Sllbam), bie alb febottifebeb
fRdbcBen gefleibet, ihre Nolle oollfominen Spielte —
jttm Sange herein. ©ib gut SpätenStunbe machten
fie iebeit Sang mit, unb obwohl nod) feiiieb bab
neunte 3abr erreid)t hatte, fchien man hoch feine
(Srmübung an ihnen gu Bemerfen."
Unb bie Sitten flatfchten in bieföänbe unb riefen:
*C mie febön! 2Bic brillant!"
©iefe Sommeroetgnügungbpläße Scheinen gu
©nitftätten ber Ueppigfeit, beb #ochmutheb unb
ber Sittenoerberbniß, Bejonberb für bab aufwaefc
fenbe weibliche fficfcblecbt gu werben.
3n einer ber loeitoerbreitetften 3eitungen beb
SBeftenb mar auf einer Seite in großen fetten Sud)-
ftaben gu lefen: „©ab Slllerneuefte!"
Schnell flogen bie Äugen über bie 3eilen hin, in
ber ßrmartung oon groben ßntbedungen, 'ßriftn-
billigen, Fortschritten anf bem@ebiete berSrgiebung,
fiünftc, 9ßiffenjd>aften, Religion gu lefen, aber
niditb oon alle bem.
Cviiic Gorrefponbeitg aub Saratoga, in melcher ber
Speiiegettel, bie 3Robe, bie Ängüge, ber Äitfmanb,
bab oornehme Faulengen, befonberb ber jungen
®äm<hen, in ben ©otelb gefchilbert mürbe, Ginige
Sähe mögen hier alb ©robe ftehen, um gu geigen,
* welcher Ärt bab Sehen bort ift, meld)eb ber jungen
©amenwelt Ämerifab alb 3beal oorgehalten mirb.
Sacbbem ber Seridjterftatter ben Sorbereitungen
für einen »uSflufl unb ber gangen Partie junger
T)ämdhen in oielcn üBerfchmangltdjen Ußorten ge=
lobhubelt, fuhr er fort: „Sefonberb mar SRi& Steüie
S?. ginn ßntgüden gefleibet. Sie trug einen creme-
weißen £>tit, gang unb gar mit SSalleolilieu Befefet.
®ab Ai leib war oon meinem 9)iuffclin unb um ben
Siacfen mit foftharen oergilbten Spifeen befefet, bagu
Spifeeitärmel, burd'welche man bie bcrrlicbfteit Sinne
in gang Saratoga erblicfen fonnte. (Sine lange
Schleppe wallte hinter ihr nieber, bie F»6e in reifen-
ben parifer Schuhen, mit hohen, gang büniieii Slb=
Säßen mit» feine meifjfeibene Strümpfe mit Oiofa-
hanb-SeSaß."
Slm nachften Sag ergatterte fich ber Scrid)ten
ftatter unbenierft bab Sagebud) eineb fafhionablen
®ämd)enb unb ma^te baraub folgenben Slubgug
oon einem ®ag.
„Saratoga, 20. Äuguft. SBar geftern nach bem
langen Sangen leßte Scadjt gu mübe, bab ©aar noch
gu widelu. 3Kußte eb' heute früh brennen laffcit.
Srufl Jßeife unb hellblau geftern Slbenb, furd)tbar
belieb Stau, nicht bab fabenfeheinige, mie bieSromnb
eb tragen. ®en Fndier hatte ich mit Slau heießt,
blaue Slumen im £»aar, blaue Sd)ärpe unb blau=
feibcite Strümpfe. ®ie Frau beb fpaniSd)en ©e-
anbten unb id) waren bie ßingtgen, meldie bie mciß=
eibenen Äermelhanbfcbube trugen, bie bi^ über bie
ßllbogen hinaufreid)en unb bie neuefte 5D?obe finb.
^)abe nur ein wenig Schminfe aufgelegt unb bie
Ängenbrauen gemalt. Saute weife nichtb baoon,
aber fo ein Sibchen rothe Sdiminfe fann bodj gewiß
nid)t fdiäblich Sein. ®ie Slubern braudicn ja noch
mehr. Um 11 Uhr promenirte id) in bem neuen
Ängug, ber geftern oon Sarib fam. Um 2 Uhr
©inner, trug/ ein rofafeibeneb mit weißen Spißen
BeSeßteb £leib> mit einer Sdjleppe eine $)arb lang,
©ic Slermelhanbfdjuhe behielt idi an. Um 4 Uhr
fleibete id) mich wieber um, bab ift bab britte 3Kal,
unb heute Slbcnb fommt ber neue Sallangug an bie
Dteihe. ©ie fiingb finb gmolfSage hier geweSen,
unb haben 24 neue Ängüge getragen, fie erfdiienen
nie gum gweiten ü)?al in bemfelben. ®ie SO?abatn
Sader hat fich in bemfelben Slngug brei 3Kal hliden
laffen, eb ift fchauberhaft, bafe eine gebilbete Frau
fich nicht mehr um Slnftanb unb üWobe fümmert."
Schüttle niefit fpottifd) läcfielnb ben ftopf, lieber
Sefer, unb frage: Sßogu biefeb! ©ab gewährt einen
(Sinblicf in bie moberne ©rgiehung unb bab Sehen
eineb grofeen Sheileb ber tonangebenben amerifani=
fden SKäbchen.
9?atürlid) treibt nur bie fogenannte Shobbo=
Äriftofratie, bie mehr ©elb hat alb Serftanb, mehr
ßoehmuth alb Silbung befißt, folchen 3c»t, Äiorper
unb ©eift töbtenben ©umbtig, aber biefe Scrichte
werben oon taufeubeit jungen uiierfafiviicn, im
Schaufelftuhl fich wiegenben ©dmefeen gelcfen, bie
meinen nid)tb ißidtfigerb tfiun gu founen, alb bem
fönrnbug nadiguahmen.
©ie 3citungbheraubgeber laffen fich fold)e Sc-
ridite ein Schon Stüd ©elb foften, weil eb ihnen
Äbtiehmer fichert, ein Semeib, wie tief ber.<öang nach
Neuerung unb 3Kobefud)t in ber ©amenmelt ift.
©ab ift ber munbe Fled in ber Srgichung ameri=
fanifcher Söd)ter, baß mehr 3eit auf ^leibung,
Suß, Vergnügen unb eine oberflächliche Silbung
oerwanbt wirb, alb auf bie Süchtigmachung gur
ßrfüllung ber SflicWen, welche nothmenbig mit
bem Seruf eineb SBeibeb, 3)?utter unb ©aubhälterin
gufammenhängen. 3Banche junge ©ame enoirbt
Digitized by v^ooQie
34
Soziale pebelftönbe unb tljre fiebung.
fid) »war 'trefflidje ftenntniffe, unb tciftet in bem
ergriffenen ftache DüdttigeS, aber fchliefclid) heiratbet
fie bei .ber erften betten ©elegenheit bod), unb wa3
nüfeen bann ihre fi'enntnifie, wenn fie bem ©au3-
wefen nid)t oorzuftehen gelernt hat?
(Sinetn praftifchen unb fehr oerftänbigen 9lrzte
hatten feine ‘Sreunbe gerathen, eine wohlgebilbete,
aber im Haushalt unerfahrene Dame zu heirathen.
9113 er mir biefeS mittbeilte, tagte er: „JBozu foll
ich biefe Dame heirathen? Um mir^ben ©dnllcr
unb (Goethe oorzubeflamiren? (Sine <yrau t bie ba3
S>au3wefen nicht fuhren fann, welche bie «’oehfunft
nicht oerfteht, fann nie mein SBeib werben, unb
wenn fie fonft alle fünfte in ber Sklt oerfteht."
(Sr wollte nid)t bie traurige (Erfahrung jeite3
jungen Kaufmanns, ber in einem befannten, un=
gefähr 8000 (Siuwohner zählenben Stäbtdjen im
SBeftcn wohnt, madien. Derfelbc fam eineei 3Äit=
taget heim, unb fanb feine junge Srau meinenb im
©djaufelftubl fifeen. (Srfdnrecft frug er: „Maggie,
wa3 fehlt bir?"
„Die 90?agb ift fortgelaufen, unb ich fann mit
bem heften ©illen baS sDiittageffen nicht jubereiten."
,,ü)^acbt nid)te, la§ unb zu beiner Stfutter gehen,"
unb bamit nahm er fie am 9lrtn unb führte fie heim.
Dort angefommen, erzählte er ber Sd)wieger=
mutter bab Sorgefallene unb fd)lo§ mit ben 2Bor=
ten: „ÜHutter, bie SKaggie bleibt fo lange hier, bib
fie tüchtig lochen unb ben ©auShalt führen fann.
©obalb fte bab fann, lafj mich’b wiffen. Si3 bahin
logire ich bei meiner 9D?utter!"
gür bab golgenbe, welcheb geigen foü, wie oiel
manche amerifanifchen Damen oom@au3wefen oer=
fteben, ift ber Dieu> Mort „(Shriftian 9lboocate" oer-
antwortlich.
(Sine fafhionablc wohlgebilbete Sabn Softonb
würbe plofelid) oon ihrer flbchin ocrlaffett. Da
unternahm fte eb, ihrem £errn ©emahl eigenhänbig
eine Daffe fiaffee ju bereiten, 9113 fich bie Sache gar
au arg in bie Sänge aog, machte ber ©attc bie leife
Anfrage, wie eb beim eigentlich mit bem fiaffee be=
(teilt fei. Da antwortete bie grau ©emahlin unter
©dduebzen unb Dhrdnen: „3dj weih nicht. 3<h
habe bie Söhnen fchon oor einer Stunbe in ben
ffeffel gethan unb fortwdhrenb gelocht, unb fie finb
fein Sibchen loeicher, alb ba ich fie hiucinthat."
* 2Benn bie Dbchter nid)t frühzeitig zur £)au3arbeit
angeleitet werben, fo befommen de auch nie Suft
noch ©ejehief baju unb Re flaniren lieber auf Sro=
menaben umher unb fuchen burd) auffallcnbe Drache
ten unb oorlauteb ©efeu fich bemerkbar zu machen,
ftatt in bem eigentlichen ©irfungbfreife thdtig zu fein.
Darum ziehen jährlich ganze ©(haaren oon Däm¬
chen unb Damen, beiten burd) eine oerlehrte (Sr=
Ziehung bie Siebe z» ihrem eigentlichen Seruf ab=
haubeit gefommen ift, nach ®afhingtoit, um ait=
gethan mit allem möglichen erborgten mtb eigenen,
ed)ten unb unechten ©chmud, bieföauptbeamtcn ber
oerfchiebenen Departements um eine 9lnftc(lung zu
bestürmen. SBochen unb 3Koitate lang nehmen fie
zu 3ntriguen, Schmeicheleien, Sitten unb flehen
ihre 3ufiucht, unb oft ift ihnen fein 5Kittel zu ge=
ring unb zu oerädjtlid), ihren 3wedf zu erreichen.
(Sine folche ©chaar nach Remtern hungriger
Sßeiber umlagerte lebten Sßinter auch ben Sice=
Srafibenten Daoib Daoi3 oon 3üinoi3. 5113 er
ihnen wieberbolt bie Scrficherung gegeben hatte, er
fbnite nichts für fie thun, unb ftch zum SBeggehen
anfduclte, ergriff eine gefchminfte, in ©ammet unb
©eibe gef leibete Sab t) feine $anb unb fagte: „Sie
müffeit etwa3 für mi<h thun. 3ch bin am Ser=
hungern!" Da3 war aber bod) bem gutmüthigen,
biefeu Daoi3 zu oiel, unb er gab bem ganzen Shor
bie folgenbe wohloerbiente Seltion:
„Stamm fommen fie au3 allen SanbeStbeilen
hierher, unt bei ber Regierung eine 5lnftellung zu
erbetteln, ba bod) fchon Saufenbe hier ftitb, bie mit
wahrem öeifebitnger bamacb oerlaugen. Sie feheu
9lUe fo oerftänbig au3. JBarum gehen fie nicht hin
unb lernen ba3 Soeben unb anbere .^au3arbeiten,
wobmeh fte fid) ein ehrlid)e3 5lu3fommen unb wdter
bie Stellung gearteter ©auefraueit ertoerben fönn=
ten. Srgreifen fie ben häuslichen Seruf unb bie
Seute werben ihnen nachlaufen unb fie anftellen,
ftatt bafj fie ben Seuten nachlaufen unb 5Ö?onate
lang feine 5lnftellung haben. SBenn iÄ in ihren
Schuhen fterfte, wäre mir bie ©teile eiiteS admmgSz
wertheu DicnftmäbcbeitS in einer guten Srnntlie
taufenbmal lieber, a(3 ba3 lumpige 5lemtcben, ba3
fie erbetteln wollen, unb in welchem fie feinen Sionat
ficher finb." gür biefen wohlgemeinten Math
fdnmpften bie Damen ben marferen 3Wantt in ben
3citungen tüchtig au3.
fragen nur nach ber Urfache foldjer traurigen ®r^
fd>eiuungen, fo mu§ al3 bie tiefliegenbfte bie oer^
fehrte (Srziehtmg3methobe in ber Samilie angegeben
werben.
Die S?utter nnrft im JßerftagSfleibe am Sacf-
tifch unb ®afchzuber, wdhrenb bie Dochter im mo=
berucit 5lnzuge am laoier fifet ober ©chmetterlinge
malt; bie Butter focht, ndht, ftridt, ba3 Dochterdjen
lieft im ©chaufelftuhle bie neueften Momane, unb
n»enn e3 am Difche fifet, f^richt e3 feine Serwitnbe=
riutg au3, bah Warna ba3 (Sffeit nicht ganz nach
feinem ©efchmade getroffen hat.
(Sin ©lüd ift e3 für ba3 Sanb, ba§ bie 8anb=
beoolferung unb bie Sewohner Heiner ©täbte, fowie
bie eingewanberte Seoolferung noch gröfjtentbeilS
oon biefer falfchen (Srziehitngbweife ferngeblieben ift.
Denn wenn einmal folche Dämchen bie Sfütter
unb (Srzieher unferer Srdfibeitten, ©efefegeber unb
Seamten fein feilten, möge ©ott unterem 8anbe
gitäbig fein.
Die Srage entfteht, wa3 wir Deutfchamerifaner
gegenüber biefer oerfehrten ©rziehung unb Ser=
hdtfchelung thun feilen.
Darauf ift zu antworten: ®er ©elb genug hat,
unb toeffen £6<hter Einlagen unb Cnft bazu befifeen,
ber taffe fie in allerlei fünften unb SJiffcnfchaften
unterrichten; aber bie föauotfache in ber öeran=
bilbung für ben weiblichen Seruf ift eS nid)t.
SBenn fie eine für Serftanb unb £>erz glei(hmdhige
©dmlbilbung erhalten haben, wie fie ja faft in
jebem Stdbtchen, befouber3 aber auf unfern beutfdj=
amerifanifdjen methobiftifchen ^ochfAulen zu er=
langen ift, lehre man fte bie ffunft, Kleiber zu
madjen unb au3zubeffern, ba3©ait3wefen zu führen,
eine gute Äoft zu bereiten, mitzuhelfen in ber.(Huber'
erziehung, bamit fie mit bem richtigen Segriff, ©e=
fchidliddeit unb Siebe in ihren fünftigen2Birfting3=
frei3 eintreten tonnen.
Seiber lehrt aber bie Srfahrung, bafe bie au3 ben
höheren Sehranftalten fommenben jungen Damen
wenig Sorliebe unb noch weniger ©efchidlidjfeü für
Digitized by v^ooQie
Jlrdjt muß Uedjr bleiben.
35
h&uSUcfte Sefcbäfti^ung haben, unb awar gröftten^
tbeilS beShalb, weil innen nie ©elegenheit fehlte,
in biefein Sache unterrichtet unb herangebilbet 311
inerten.
©ürbe eS sich uidst lohnen, wenn untere Stnftaften
and) ein Departement für biefeu Rwccf errichteten.
So lange bie Serhältuiffe bleiben,, wie fte finb,
ift daS Öeil nur au3 folcheit gamilieit au erwarten,
in welchen oerftänbige SMiitter bie Dödüer heran-
hüten 311 fittfamen Jungfrauen, tüdüigen ®au3=
hälterinnen, arbeitfameit ©attinnen unb särtlicbett
füttern, bie ben Salaft unb bie ©iitte au einem
glücflichen ©eint machen, unb turch ihren ftillen
Ginfluft au Sildneriniten be3 sittlichen GharafterS
ihrer Umgebung, ber Glteru unb beS äßanneS greube
werten. Dann wirb ihnen ton Jedermann <Sd)il-
Icre 80 b mit greuben auerfannt werben:
,,©^ret bie grauen! fte flehten unb Weben
t immli|'d)e Wofen in’3 trbifc^e geben,
lebten ber 8iebe beglücfenbeS $$anb.
Unb in ber ©rajte süchtigem ©cb leier
Äderen fte Wadjfam ba3 ewige geuer
©djötter Gefühle mit heiliger öanb."
Äuch in ber ©eranbilbung ber jungen SMänner
für ihren aufünftigen Seruf ift man in eine falfdhc
Wichtung gerathen.
9Xanche Gltern fcheinen e£ unter ber ©ürbe
ihrer Söhne au halten, ein ©anbwerf au erlernen,
oter in einem Serufe thatig au fein, in weitem
fic burch förperlidje ^nftrengungen ihr Srob ter=
bienen muffen.
Unb doch ift bie Setreihung beS SanbbaueS unb
bie eine* ©anbwerfeS au allen Beiten alS eine ber
ehrenhafteren Sefchäftigungen angefehen worben,
ber gürften unb ©eiehrte mit Vorliebe oblagen.
$aulu3 war ein Beltweber. Sei ben Wörnern trug
ber SüTgermeifter eine ©ellebarbe, ber Sriefter
einen ©ut, ber Web net ein Such, ber Schneiber
eine Scheere, ber ©ulid)mteb ein Schwert, weldjeS
tie tfennaeichen ber ffunft waren, ton ber fte fidj
nährten.
Seter ber ©rohe ton Wuftlanb aeigte alS ßaifet
oft die Sdjuhe^bie er am WmboS alS Schmieb
tertiente, unb'faate: „Die habe ich mir im
Schweifte meinem 5fngeftcht3 erworben."
tfaifcr ©ilbelm ton Deutfdjlanb ift auglcidj
ein Sdüoffer, ber ftronprina, „nufer grifc", ein
©ebriitiefcer unb ber junge Srina ein ©rateur.
Wicht alle Stirnen tommen auf ben Dhron, ber
Weichthum ift gar flüchtig, unb wer bann, auf fkh
• jelbft angewiesen, bie ©efcbidlicbfeit befiftt, fich
und bie Seinen felbftau ernähren, ift wohl baran.
©er mit offenen klugen auf ba$ Dhun ber
beranwachfenben männlichen Jugenb biefe3 San¬
des fchaut, wirb bie traurige ©ahritehmung ge¬
macht haben, baft ba3 Uebel immer mehr um Sich
greift, ein bequemes ©ohlleben au führen, tor=
nebm gejwfet, mit ber Gigarre im 3Kunb unb bem
Spaaierstödxhen in ber ©anb einheraugehen unb
einen Xufwanb m treiben, ben fic unmöglich in
späteren Jahren mit bem ©ewinn ihrer Arbeit auf¬
recht erhalten fönnen.
©enn ber ßebrer ober UWeifter fich mit ihnen ab-
gemüht hat, baft Sie anfangen etwaS Serftänbnift
nnb ©efefttrf 5 « haben, wollen fie ÜÄeifterlohn,
fangen an in ihrem ©anbwerf ober Seruf au
pfuschen, ftatt burch anhaltenben gfeift unb WuS-
dauer sich die nöthigen Qualififationcn auauciguen.
Daher rührt eS auch, baft die geschüttelten ©and=
inerter unb Sachmänner gröfttentheilS bev eilige-
wauberten Setölferung ober ihren Wadjfommen
angehören.
©enn ba geholfen werben foll, muft in ber ga=
milie ber Einfang gemadit werben. Da muft ben
Ätinberu Slrbeitsamfeit, gleift, fjiidat und ©ehorfam
beigebracht werben, beim bie Gmbrüdc, weldse baS
Äinb im elterlichen ©aufe empfängt, geftaltcn fei=
nen Gharafter, bilben feine ©efinnung unb beftim=
men feine ©eifteSrichtung.
©enn wir belfere WfJenfchen erwarten unb dem
Umfichgrcifen ber fittlichen ÄrebSfcbäben Ginhalt
thun wollen, muft Pon ba auS geholfen werben.
Die ganae Hoffnung auf Kirchen unb Schulen
feften au wollen, ift thöricht, beim feiten faitu auf
ein 001 t ©au3 aus pernachläffigteS ©emüth bafelbft
fegenSreid) eingewirft werben.
Hed)t muß bodj Hed)t bleiben.
II. |)et
(Sine gefd)id)tlid)e <£r;üt>Utiig nu» bem JBeitrtlter bes
brei^igjäljrigcn ^rtegea.
Wach beutfe^en Quellen bearbeitet Pon
$an( Gugeu.
SierteS Kapitel.
Kebrrfallm unb Ubrrliftet.
er alte greiherr oon ftohenheg ge=
hörte au ber tleineu Buhl chren=
werthcvStraftburgerSürger, bie
mitten im «ttampf ber Parteien
noch immer bie frühere Selbft-
ftänbigfeit ber Stabt beumhrt
wiffen wollten; er hatte fich aber
fchon längst pon ben WathS- unb
WcgierungSgcfdsäften mehr unb
mehr aurüctgeaogen. Die Se^
tanntfÄaft mit ben beiben Srü=
bem Watbob, fowie bie wichtigen
Sluffcblüffe, weldic er bur^ baS
Dotument erhalten, gaben ieftt feinen ©ebanfen
eine anbere Widstung unb er beschäftigte fid) mfr ba=
mit, bem hochmüthigen ©efen ber ©rafeit Pon
.ftohenheg einen empfinblidsen Stoft beijubringen.
Bunädstl fefcte er ben auf feinem Schlöffe oer=
weilenben Äonrab pon ©obenheg oon bem
Dafein be3 Dokuments in Äenntnift unb fügte
eine Abschrift beffelben hinau. Der Sd)(uft beS
SriefeS lautete:
„ 5 ln ber ©abrbaftigfeit beS JnhalteS ift nid>t
au aweifeln, benn berSerfaffer be3 DofumcntS wirb
barin alS ein Gbrenmann beglaubigt, wie baS amt=
liehe Siegel beiocift, baS dem widstigen Sdwiftftüd
beigefügt ift. gebe Gw. Grlaucht eine ffiodie
Sebenfaeit, follte ich aber nad) Wblauf berfclben
feine befriebigenbe Antwort erhalten haben, fo werbe
Digitized by v^ooQie
36
Jtedjt muß $edjt bletbetu
ich su ©unften bcr hier in Straftburg anwefenben
Brüber Üiatbob weitere Schritte tbun."
s Jiad)bem ber Brief beförbert worben war, rieb
fiel) ber alte Freiherr bergnügt bie ©änbe; er fannte
ben unbegrensten Stols Konrabb von ©obenheg nur
SU aut unb wuftte im Morand, baft ber 3om beb
©raten in bellen Slammen auflobern werbe* beim
I einc Snmilienebve war bebrobt. ®ab Verbrechen
eines Ahnherrn warb bureb biefeS 'Dofument fo su
aaen wieber lebenbia gemadjt, unb ber Freiherr
ab im Weifte ben innern 3miefpalt ooranb, ber
bem hoebmütbigen Koitrab beborftanb, fobalb er
»on bem Vorhanbenfein beb ©ofumentb Kenntnift
erbalten.
9?och war bie *Jrift, belebe Koitrab ooit ibm er=
halten, nicht berftrichen, alb fRubolf unb Slnbreab
am fünfter bon einem ältlichen, äufterft fein ge=
fleibeten äRantie angefprodjen würben.
,,3d) bin ber Kammerbiener Sr. Srlaucht beb
©rafen Koitrab von ©oheitbeg," begann er. „‘Dies
fer bat bor einiger Seit einen Brief erhalten, unb
lagt euch bureb mich bertünben, baß er gewillt fei,
in Unterbanblunaen su treten; bodi tnüpft er bie
Bebingung baran, baft er cb nur mit euch allein su
tbun habe, bie Freiherren pon ©oben heg mü§ten
bon ber Verbanblung aubgcfcbloffen bleiben, ja, er
forbert bon euch fogar bab Sbreitwort, gegen bie
genannten Verfallen nichts verlauten su laffen. Selb
ihr gewillt, biefe Bebiitgnngen einsugebeu, fo habe
ich euch in feinem Aufträge noch SDBeitereS su ber=
fflnben."
s )?ach einer heimlichen Berathung tarnen bie
Brüber überein, fich ber Bcbingung beb ©rafen
borläufig su fügen.
„Sobalb bie Untcrbanblungen borüber," äufterte
Slnbreab, „werben wir felbftberftänblich unfern lie¬
ben Vsirtb iit’b Vertrauen sieben, beim bann binbet
unb fein (Sbrenwort mehr." atubolpf erflärte fi(f>
bamit eiitberftanben unb wanbte fid) mit bem Bru^
ber wieber bem Kammerbiener sttr weicher, ttadibem
er bon ihtteiKbie gewünfehte Verficherung erhalten,
weiter fortfubr:
„Sr. Srlaucht haben alb Ortber 3ufammenfunft
bie Scheute beb fogenanuten Schnafenlochb,
bab [ich bor ber Stabt, unweit beb SpitteUDborb,
befinbet, gewählt. Der ©err ©raf witnjchen, baft
bab Steübichein morgen 9lbcnb, nach Sinbruch ber
9?ad)t, ftattfinbe, beim er will bon s J?iemanbeii ge=
feben werben, ?litfterbem läßt er euch bitten, bab
Dofuinent mitsubringen, bamit er fich bon ber 9led)t=
heit beffelbeit überseuge. Sr hegt babei bie suoer-
ftchtlicbe ©offnung, bah ein Vergleich su Staube
fornine, welcher beibe Varteien befrtebige."
„3ui Schnatento.h will er unb treffen?" riefen
Beibe berwunbert. „9fun, wir wollen unb über jene
Scheute mit bem jonberbaren tarnen ©ewiftheit
verschaffen, unb fällt bie ?lubtnnft günftig aub, fo
barf fich ber ©err ©raf unjereb Srfdieinenb berfichert
halten."
Dab feingefteibete ^Kännchen berneigte fich unb
verliefe bie Brüber, welche gebanfenooü bem ©aufe
it>reS ®irtheb sufdjritten . . .
9lin 9iad)inittag äußerte 9litbreab gegen ben alten
Freiberrn bie Bitte, ihm bab Dofitment su geben,
ba er etwab barin nachlefen wolle. Obgleich etwab
überrafcht, willfahrte ber freunblicbe Bfanit ber Bitte
beb 3üngtingb, welker- fich wieber auf fein Stüb*
eben surüdsog, um mit bem Brüber fich enbgiltig su
beratben, ob man bem Steübichein folgen joüe ober
nicht.
„atodi ber Verficherung atidiarbb, ben ich foebeit
barnach gefragt, ift bie Scheute ein ehrlicher Ort,
unb ihr B>irtb, ©anb, ein ehrlicher üKann; unb
fontit haben wir niditb su befürchten," lautete 9?u=
bolfb Meinung. „Natürlich werben wir bem ©rafen
nur bann einen Sinblid in babDofumcntgeftatten,
wenn er fich aüein befinbet."
„Selbftverftänblidi," pflichtete 9lnbreab bei. „Du
ha ft Üied)t, wir wollen es* wagen."
So ioar am anbern ?lbcnb unb bie Dämmerung
bereite bem näclitlidien Dunfcl gcwidteit, alb unfer
Brüberpaar bab Spittetöthor paffirte. Sßctiige
Minuten fpäter erreid)ten fie bie Sd'ente. So-
wohl im Srbgefdioffe, alb auch im obern Stod^
werte plänste Sicht, ein Reichen, bah man bornehme
©efellfdiaft enoartete, beim eine ireppe hod) war
bie Stube für bic Stabtgäfte.
®ort befaub fidi iubeffen nur ein einsiger S^aft,
beffeu 9leu§ereb nid>t eben fehr bertraucucrioedcnb
ioar. 9lntlip seigte rohe 3üge unb eine nie-
bere Stirne, unter bereu bufchigcn Brauen swei
bunfle 9lugen funfelten. ^Oie reidu' .Stleibung pafete
fddedit su bem gemeinen ©efidit unb lieft bie edigen
Körperbewegungen in einem womöglich nod) un=
bortheilhafteren l^idite erfefeeinen. ®ie beiben Brü=
ber traten fdnoeigenb ein.
„©ebrüber Diätbob tönte e§ bon ber bärtigen
8 ippe ben 9lufommenbcn entgegen. ,,^ch bin Äton=
rab bon ©oheuheg," fuhr ber cinfame ©aft fort,
„laftt euch an meinem äifdie nieber unb un§ an bie
Srlebigung beo@cfcbäfte£ gehen, ba^ unel heute hier
Sufammen geführt, ©abt ihr bao ®otumcnt bei
eudi?" 9f?ubolpf bejahte unb beutete auf ben Brüber.
„BK'llt ihr mir borher einen Sinblid erlauben,
ehe ich midi gegen euch äufeere?" „T»a§ war ja
bon Anbeginn Sucre Bcbingung," antwortete 9ln-
brea8 unb sog bas Sdiriftftüd herbor. ^Der ©raf
griff barnach, 9lubrea$ aber sog cS rafdi surüd unb
fagte: „Ddi gebe baö ®ofument uidit aub ber
©anb." %\ bcmfclben 9lugenblide aber fühlteer
unb fKubolf fidi bon hinten gepadt unb ehe fie nod)
einen ©ilferuf aubftoften tonnten, war ihr Bcunb
burch einen Knebel berfdiloffen. 3bre 9lnftrengun=
gen, fidi beb hinterliftigen Ueberfallb su enoehreit,
fdieiterten 1 an ber Kraft ihrer an 3«hl überlegenen
©egner.
„atafdi bab ®ofument in Sicherheit gebradit,"
raunte feinen ©elferbhelfern ber angebliche ©raf su,
welcher in SBahrheit nur ein 9lbgefanbtcr Konrabb
bon ©ohenheg war unb in feinem Aufträge geban-
beit hatte. „Vorwärtb! 3n ber ©aubflur unten
erfchallen dritte» — rafdi bab 35o!ument bem Kerl
entriffen, er trägt’b in ber linfen Brufttafdie!" ?ln-
breab bot feine ganse Kraft auf, ben ffiaub su ber=
eiteln, nur su halb aber befanb fidi bab ihm fo
werthboüe Sdiriftftüd im Beftfte ber ©egner. Sie
hatten äufterft gefchidt ben Brübern {vcffeln ange=
legt unb ftoben jeftt bie kreppe hinunter, unbetüm=
mert baritm, baft ihnen mehrere 90?änner entgegen
tarnen unb fie aufsuhalten fuditeit. Sie fcblngen
fich tapfer burch unb batten halb bab ^reie geibon=
neu. 2öie groft aber war bab Srftauneit ber am
Bobeit liegenben Brüber, alb fie in ben 9Infontmen-
ben ben alten Treibern unb feinen Sohn erfannten,
Digitized by c^ooQie
Jlfdjt muß fifd)t bleiben*
37
in beten ©efolge fid mehrere ©Ziffer befanben.
ff 2Bü ift bao ®ofument?" rief ber alte greiberr,
nadbetn man bie Stüber Don ben Änebeln uub
gefieln befreit.
„Wan bat e3 mir geraubt," ädgte Änbrea3, „nur
fcbitcll bem ©rafen unb feinen ©elferobelfern nach'
geeilt!" „Sao wäre eine oergeblide Stöbe," oer=
lefete fcobatbeg uub fiiflte im Sone eiiteo leiten
Sorwurf 8 hiugu: „So bat fid) meine Äbnung, baß
ihr in eine gälte be3 beimtüdifdeit ftonrab gegangen,
bod) beftätigt! Jßäre id nur gleid eud) gefolgt, al3
ihr beute Äbenb heimlich ba 8 £>au3 oerlaffen, bann
hätten fte ba3 92atbfeben gehabt unb mit ©obn unb
Spott beimgieben muffen! . . . 9tön id) mill eud)
toeiter feine Sorwftrfe maden," fügte er gutmütbig
bingu, al3 er bie bezweifelten Slide ber Srüber
fab, „weimfdott id) euer Sertrauen 311 oerbienen
meinte. 8113 8lnbrea3 am geftrigen 9?ad)iuittag
mir ba3 Dofument aboerlaugte, ftieg mir nnwill-
fürlid) ber ©ebanfe auf, baß ber©raf möglicher
ffieife euch 311 Überliften gefonnen^ei. 2 Bärc id)
nur gleid mit meiner Änüdt offen beruudgerüdt,
bod) wollte icb eud für ben galt, baß id) tnid irrte,
nidjt webe tbun . . . 91 un laffen wir ba3 iefet, wir
mülien eben 8 ift mit 8 ift oergelten unb Äüe3 auf=
bieten, be3 geraubten 3)ofumcut3 wieber habhaft 311
werben."
3m Surgbofe be3 alten 81bnenfdloffe3 ©obenbeg
ging e3 beute lehr lebhaft 311 . ©dinmtlicbe @ölt>-
ner, Seamte, ®iener unb ftnedte erfdieneu feftlid
aepufct, unb auf bem JBarttbunn batte ber Städter
Softo gefaßt unb hielt febarfen 8ugau3, — ein beut-
liebet 3 äcbeu baoon, baß man einen hoben ©aft
erwartete. Seter ®up3 — ber foebeu über bie
Bugbrüde febritt — war e3 fieberig nidjt, 3 umal er
ftd beute mit Sefen unb 8 eiter 311 m ©doritfteiits
fegen bewaffnet batte. „3>u bdtteft bir audb eine
paffeitbere Beit wählen fönnen," brummte fein Ser-
wanbter unb ©onner, ber Surgiwgt, al£ er be 8
Surften anfiebtig würbe. „Wcvfit bu beim nicht,
baß wir beute hier getffag haben ?" „ 3 a po^taufig,"
lachte Seter, „wenn ich barauf immer ütödftcbt neh¬
men wollte, fönntc ich wdbtenb einer 2 Bode faum
ficben üiaudjfänge lehren, e3 ift immer etwa3 lo3.
®od wad giebt’3 benn beute bei euch für eine geft=
liebfeit ?"
„Sentto oon ©obenbeg, ber jüngere Sru*
bet unferer Srlaudjt, febrt beute oon feinem $rieg$-
guge 3 itrüd," antwortete ber Surgoogt.
„8113 ©eneral?" fpötteltc Seter. „Stärum febrt
benn ©raf Senno gerabe iefet 3 uritd, wo ber ffrieg
erft recht wieber beginnt? $at er oielleicbt Slngft,
tobtgefeboffen ju werben ?"
„©dwetg ftifl!" rief ber Sogt unwitfdj, „®raf
Seitno fürebtet ftcb oor 9iiemanb, fonbern gab nur
bem SBunfcbe feiltet SruberS ttad unb wirb beute
hier in ber Serfleibung eine3 $anbel3mann3 ein*
trcrren, beim fonft gelange e3 ihm fdwerlid, bie
fdjmebifcben 8 inieit 311 paffiren."
Som £burm ertönten jefetbrei langgegogene föorit*
fignale, weide bie 8 lnfunft be3 jungen ©rafen per-
fünbeten. Unb a(3 ber 8 efetere jebt bie ^ugbrüdc
paffirte unb auf Äonrab gueilte, erfeboü ein lautet
$ 0 ^ poit ©eiten ber Untergebenen. SErofebem
Per ruftgefcbwäzte Seter ®up§ burdjau3 nicht 31 t
biefer geftoerfammluna paüte unb feine Äleibung
gegen ben SJufe ber geKbdfttg bin- unb bereilenben
I Seamten unb ®iener grell abftacb, wtA er bennoeb
| nidjt pom Slafce; feine Slidc waren mit größter
8 lutmerfjamfcit auf bie beibeit Srüber .^obenbeg
gerietet, ipeldje jefet miteinauber bie greitreppc em=
por ftiegen bem oberen ©todwerf 311 , weld)eo auber
bem ©aale nod) eine ÜJiengc fleiiterer ©eihäcber
enthielt. ®ic greitveppe burftc unfer Seter nicht
betreten, ba3 wu§te er au3 (Erfahrung, — bie Srü-
ber wollte er aber feinen Slugeublid ati3 ben Äugen
perlieren, bantit er ft<h überzeuge, in weld)e3 ©cinadi
fie fid) begaben, ©dmell brüdtc er ftcb in einen
SBinfel, um oor ben beiben ©rafen, bie jefet ben
©ang binabfebritten, perborgen 311 bleiben; alb fie
tebod) unter ber SEbüre ber britten fiammer per-
]d)wunben wgreu, perlicß Seter fein Serfted unb
eilte in bie grembengimmer beb oberen ©toefwerfb.
®ort laffen wir ihn inbcfjfen unb begeben uub nach
ber ftammer, in weldje bie ©rafen ©obenbeg ficb
3 urüdge 3 ogen. Sennob dienen 3 eigteu ©roll unb
Serbrufj, unb in wilbem Xoite rief er bem unweit
be3 ftaminä ftebeitben Sruber 311 : „©3 bleibt eine
ewige ©djanbe für unfer 8 anb, baß ber ©dioebe,
a ber 3 ablreid)en ftarfen geftungen, feften guß 3 »
i n permoebte."
„ 3 ib habe bid) nicht gerufen, um bie Surg unferer
Sdter por ben ©cbweben 311 fdiüßen, benn biefe
haben mehr 311 tbun, alo ihre Kräfte burd) bie Se=
lagerung un 3 ugdnglid)er Ser’gfdjlöffcr 3 U gerfplit-
tern, — ich bebarf beine3 9tatbe3 unb männlichen
9Hutbe3 tn einer gaiz anbern ©ade," enoiberte
£onrab unb 30 g 3 ugleid bao ©ofument berpor unb
tbeitte bem Svuber in auofübrlicbfter SBeife mit,
wa3 wir bereite wiffen. ®ann febritt er mit ihm
ber SEbüre 311 . £aum batte ficb aber bte 8 efetere
hinter Seibett gefcbloffett, fo begann e3 im jfarnin
311 rafdeln unb au3 ber Defrnung bufdte eine
fdwar 3 e ©eftalt, bie mit ihrer gauft ben Srübern
nadjbrobte.
S3 war Seter ©up3. 6 r batte im Äamiit per=
ftedt, ba3 ©efpvdd berfelbeit, fowie ihren Änfd)lag
belaufcht. ©eine Äugen glitten jefet forfdjeitb im
Bintmer umher unb ein leitet greuPenfdrei entrang
fid feinen Sippen, benn auf bem SEifd lag ba$
®ofument. ©raffioitrab batte e§ Pergeffen, unb
blipfdnell riß Seter ®up3 e3 an fid, barg e3 auf
feiner Sruft unb trat ben 9?üdweg burd)’3 fiamitt an.
@8 war bie böcbfte Beit, beim fdon öffnete fid
bie Bintmertbüre auf ’8 9?eue uub herein trat Si on-
rab. Uitwillfürlid ftreifte fein Slid ben Sifd unb
beftürgt fuhr er gurüd, benn er war leer, ©v eilte
hinüber, um ben Snjber gu fragen, ob er oielleidt
ba 8 CDofument an fid) genommen habe, allein
Seitno perneinte. Nunmehr entftanb eine greitgen^
lofe Serwirrung. ®ie ©rafen ließen fdtmntlide
3 nfaffen be3 ©cbloffed por fid) bejdeibeit uub bc=
S n mit ihnen ein febavfeeiSerbör. ^affelbe
natürlid 311 feitterlei Sefultat, bi3 fdließüd
einigen Seamten ber junge ©dortifteinfeger einfiel,
ber poit allen gefeben worben war.
„Wan fdafte ihn herbei!" rief Santo.
3 )aS war 3 tvar balb gejagt, aber fdwer getbatt;
^ietnatib permoditc ben ©dorttfieinfeger im©dloffe
aufjuftöbern, bagegen perfünbete febr balb ber
Sburmwädter, baß ber fdwarge ©efelle unten itt
ber ©bene 311 fehen fei unb eiligft ben 2 Beg nad
©traßburg Perfolge.
,,©r unb fein Ättberer bat baS ©ofument
Digitized by v^ooQie
38
$ed)t muß Hedjt bleiben.
öcftoftlcn!" rief Senno, „unb gwar im Aufträge beS
alten föohenheg! Sührt bie heften SKenner auS bem
3J?arftall unb fefet ihm fd)leunigft nad)! Ser ihn
einbringt, foü von mir reich belohnt werben! 4
Senige Minuten fpäter jagten mehrere Leiter
gum Surgthorc hinauf, ben SclSpfab abwärts.
©aS fcharfe Auge beS Verfolgten hatte fie entbedt,
unb währcnb fie in bem ©ebölg verfchwaubcn, baS
ben untern Sheil beS Vergcs bebedte, bog er rafch
non ber ©auptftrabe ab unb barg fich hinter einem
Siebten Strauchwerfe, von wo er eitblich auf groben
Umwegen erft fvät benbS nach Strabburg gelaugte.
©aS ©ocument befanb fich nun wieber in ihren
©änben unb fo gögerten bie beiben trüber, bie aus
ben äRittheilungeu Veter ©upS’ erfahren hatten,
bah ihnen von Seiten ber ©rafen nur gemeine
©interlift unb 3)2euchelmorb brohe, nid)t länger, fich
von ihren Strabburacr greunben gu trennen 4 inb
wieber gu ben Schweben gurüdgufehren.
©er alte Freiherr unb 3tichart> fahen bie Säfte,
bie fie währeitb ber furgen Seit ihrer ©efanntfdjaft
auberorbentlich lieb gewonnen, ungern feheiben, unb
bem ehrlichen Veter ©upS traten fogar Xhrancn in
bie Augen, als er ihnen bie &anb gum Abfdjiebe
barbot. Am fonnenhellen Xaae hatten fRtibolf unb
AnbveaS ben altehrwürbigen uWüufterthurm erbtidt,
iefet war eS bunfle 32acht, alS fie auS ber alten Stabt
wieber fchieDen, wo bereiuft bie Siege^ ihrer Ahn=
herren geftanben war. Sie theilteu auf Seiten ber
bis bahin fiegreichen fchwebifdjen Armee bie Sed>fel=
falle beS breibigiähtigen SriegeS bis gut unglüd=
liehen Schlacht bei 32 ör Olingen, in ftolge bereit
bie faiferüchen Xruppeu wieber baS Uebergewidjt in
©eutfchlanb erhielten, unb fich nun ftrantreich offen
unb unßefcheut in bie beutfehen Angelegenheiten
mifchte, währcnb eS bie Schweben bisher nur burd)
©elb unterftüfct hatte, infolge beffeu fahen fich bie
trüber 32athob genöthißt, auSguwanbern, unb gwar
nach Shurbranbeitburg, wo fie eitblich gu bem tang=
erfehnten ^rieben fanten; 3tubolf erhielt eine
StaatSanftellung, todhrenb fich AitbreaS alS 9techtS=
anwalt einer guten VrajiS erfreute. 3)2it bem alten
jjreiberrn uitb Sicharb blieben fie in brieflichem
Sßerfehr, unb eS erfreute fie ftete, toeitn ^ßeter ©upS
einen ©rub beifugte. Snbejfen war biefe ßorrefpon=
beug fchulb barait, bab bie Sruber SRatbob an ihrem
gebcnSabenb noch einmal auS bem griebeit auf=
gefchredt würben, ben fie fich nad) harten Sämpfen
mühfam errungen hatten.
SünfteS Sapitel.\
Straßburgs Herratß unb Kettung.
3n ber groben ©allerie beS Verfailler SchloffeS,
ieneS Prachtbaues, beffen Ausführung Cubwig XIV.
nicht weniger alS 164 SDtillionen CivreS gefoftet
hatte, wimmelte eS an bem heutigen üKorgen von
Herren unb ©amen beS £>ofeS, welche alle ber
Aubieng bei feiner 3J2aieftät beigttwobnen wünfdücn;
AUcS ftrahltc in gldngeitber Xoilette, man fah nichts
alS AtlaS, Seibe, Sammet, foftbare Stuben unb
Sehern, diamanten unb ©rbensfterne.
An ber ttörblichen Senfternifche ftanben gwei
SKdnner, welche ein leifeS unb, nad) bem AuSbrutf
ihrer dienen gu fd)lie§en, fehr ernfteS ©efpräd) mit
einattber führten. ©er jüngere trug eine reiefc
geftirfte Uniform, ber Aeltere oagegen baS violette
geifttiche ©ewanb eines SürftbifAofS. ®ev jüngere
war ber 3)2arguiS von 8ouvoiS, ber mächtige
ÄriegSminifter 8ubnug XIV., ^( e jd) gefüvdüet unb
gehallt vom gangen ©ofe wegen feiner öcrrfdmicht
unb Anmahung. s Bei bem Äouig bagegeu ftanb er
in grober ©unft, ja Subwig* nnbefchränfteS 3?er^
trauen geftattete feinen Stathfchlägcn nidü bloS auf
alle ft'xiegSange!eßcnhciten, fonbern aud) begüglid)
ber auswärtigen ^olitif einen groben, mehr unb
mehr wadifenben ©inRub. SouvoiS war ia wie fein
|>err von ber 3)2adit unb bem Oiechte Sranfveid)S,
fid) auf Soften ber 3?achharlänber gu vergröbern,
burchbrungen, iveShalh er benn auch bie (5voherungS=
luft 8ubwigS burch feine Diathfchläge immer von
3?euem wicber rege mad)te. X)er geiftliche SBürben*
träger, ben wir heute in feiner ©efcüfchaft evhliden,
gehörte ber frangofifchen Nation nicht an, foube^t
war ein — ®^utfder, ber fid) nach '^nfailleS
begehen hatte, um bem Sbnig Subwig XIV. jeine
ergebenden ®ienftc angubieten. Sein 3Jamc fteht
in ben Annalen ber ©cfchichte gleichfalls vergeichnet,
wennfehon in feineSweaS für ihn rühmlider SBeife.
Srang ©gon, ©raf von Sürftenberg hatte
fid) in verhältnibmäbig fuvgcr Seit gu einem Söcih-
bifd)of von Sollt unb Strabburß anfgefdnumtgen,
war aber feit fünf fahren in bie DteidWadü erflärt.
92ur heintlid) unb unter allerlei SSevfleibungen burfte
er ftch auf ben heimathlidten hobelt wagen; wenn
er eS aber that, fo gefdtah eS nur, um für S*rauf=
reich ben Svioit gu fvielen. 8ouvoiS brach baS
heimlidtc©efvräch, baS er mitSr. (vutineng geführt,
iefet ab, ba bie Stimme beo bienftthuenben Sammet
herrtt anfünbigte, bab bie grobe Aubieng beginne,
©ic Slügelthüreu flogen auf unb unter bem 3?or-
an tritt beS Zeremonien - 3)?eifterS erfdneu 8ub=-
wißXIV., gefolgt von berSbnigin, ben bringen unb
einem glängeuben ^offtaat^ Schmetternbe San=
faren ertönten unb bio gum X^oben beugte fid) jefet
3llleS ringSmnher.
®ie SWajeftät banfte mit einem ftolgen fiopf?
niefen, beim eine gröbere Bewegung geftattete ihr
fdtoit bie SBucht beS ©etvaubeS nicht, beffen Sßerth
an ©olb unb Zbelfteinen über gtvölf SKiUionen
SivreS betrug. 8ubwig nahm bie ©ulbigungen ber
Omtgelnen entgegen, aber alS ihm ber beutfd)eS»rft'
bifchof vorgeftellt würbe, fvielte um feine 8iwen ein
veräd)tlid)eS Sädteln, baS inbeffen nur von SouvoiS
bemerft würbe.
3US 8ubwig XIV. hinter ben Slügelthüren wte=
ber verfdwunben war, lehrte er in feinen Pavillon
gurüd, wo er bie SWiuifter gu cmvfäugen pflegte.
©erSönig hatte fid) behagiid) in einen foftbaren
Seffel gurütfgelehnt, währenb CouvoiS in geneigter
Stellung unb mit bem AuSbrude tieffter Ergeben¬
heit fich alfo vernehmen lieb: „Schon im 2Befc
vhälifchen Srieben von 1648 hatSranfreich für feine
Xheilnahme am breibigiährigen Srieg baS Elfab,
foweit eS ©efterreich gugehörte, abgetreten erhalten.
?ift nun aber einmal ber Oberrhein unfere natür^
liehe ©reuge gegen ©eutfchlanb, fo mub eS and) ber
32ieberrhein werben, baS erforbert bie ©röbe unb
Ehre ber fraugöfifdien Ätone. 44
©iefe Sorte genügten, ben Ehrgeig beS länber=
gierigen 8ubuüg gu wedeu. 32ur tarn eS noch auf
D i g i t i zed by V^OOQie
Hedjt muß ürdjt bleiben*
39
bic Stage an, mie btefer Maub bemerfftelligt werben
fenne. Die Antwort fiel einem ©totme mie fcoupoib
nid>t ichmer unb er faßte fie in bie menigen ©orte
tujammen: „iDiit ©emalt natürlich, aber unter bem
Detfinantel beb Mechtb." ,,©irD aber bab beutKhe
Meid) biefem fcheiubaren Merino fich fügen?" gab
Vttbmig ihm tögernb juriuf. „Sire," »erfeßte ber
Sriegbminifter mit einem verächtlichen 8äd)eln, „bie
Bmietracht ber Deutfd)en, me Ute bas ©olf in feinb=
lid>e Parteien terfplittcrt, legt all* ihre .Strafte labm.
'Hon ©ganten unb ßnglanb haben mir gletd)fallb
nichts tu befürchten, unb fo"—
„©eilen mir haubeln ," nitfte berSlönig mobU
gefällig. „©efchäfttgen mir bie CDeutfchen bureb
Bujammenberufnng eineb Gongreffeb. s ?lber mäh=
renb bie gelehrten Herren albbann ÜÄonate lang
berathen, febreiten mir, tut ßhve unb tum Muhme
Sranfreicb^, mr Mu^führung unfever glätte. ßiucu
tlnfchein bebMerfiteb muffen mir inbeffen hoch haben,
um bab (Slfaß vom »eutfehen Meute lobturcifeen."
„3ch fühle mich aufeerorbentlich ghuflidj," ber¬
ichte Souooib mit einer tiefen ©crbcugting, „teurer
miieftät jagen tu föntten, baß ein folcher bereite ge=
funbeit ift." Dab Mitgefiriri ber ©Jaieftät ftrahlte
»er innerem ßuttücfen, becb gleich Darauf berfialter¬
ten fich bic 'DMietten mieber unb bie bange Jyrage ent¬
glitt ben Rippen: „Dorit mie fteht’b mit... © trafe-
hurg, biejer ©erle beb beutfehen Meicheb, beten
©eilte fchen een meinen ©erfahren umfonft an-
geitrebt mürbe? Srote unfereb guten Mechteb bürfte
betAiaifer unb beim hoch, mabStrafeburg anbetrifft,
Schmierig feiten machen/
„Darum tommen mir ihm lieber tupor, 9Kajeftät,
unb bereiten ihm in feinem eigenen ©aufeSchmierige
feiten, ^n Ungarn gährt’b fchoti lange unb eb be-~
barf nur eiueb fleinen ftünfcbenb, fo bredien bic
Slammen beb Mufitanbeb gegen Oefterreich berpor;
aufeerbem ift bet Surfe nidU abgeneigt, gegen bie
öfterreidüicben ßrblattbe tu Selbe tu tichen. Unfere
©efanbten in Sonftgutinopel finb eifrig bemüht,
bab (Sifcn tu frinitieben, fo lange eb noch heife ift,
unb lfm. s 3)?aieftät miffeu aub Erfahrung, melche
SRacht bab frantöfifche ©elb in ftcf> fcftließt. ©e=
milligen $ie ben Surfen unb Ungarn eine reiche
Unterftüteung itub bic beiben #eere bringen gegen
©ien vor. datier ßeopolb bürfte bann fchmerlich
in ber Sage fein, gegen bie ©egnahme Strafeburgb
fräftig tu proteftiren."
„Bhr habt Mecht, ^oupoib," pflichtete Subrnig bei,
„unb id) loerbe ßtterm treuen Mathe folgen. ?lber
©trafeburg ift eine ftarfc Heftung unb bie ©ürger
merben fich mit aller 2)?acht tur ©ehre fefeen; ba
helfen itub bie Surfen unb Ungarn nichtb."
„SRajeftät oergeffen, bah fio) unter ieber beerbe
räubige Schafe beftuben."
,/^hr meint, bafe auch ©trafeburg feine ©er=
rät her habe? 4 '
Souooib beiahte.
„Dann nennt mir einen Solchen!"
„©raf ßgon von Sürftenberg, JVürftbifchof pon
StrafebttTg," melbete iit biefem Mitgenblitfe ber
bienftthuenbe Öauptmanu,. melcbet ben Gingang
tunt ©aoillon bemaditc.
Submig XIV. marf feinem Sriegbminiftcr einen
erftaunten ©lief tu unb gab fobann bem Haupts
manne einen ©inf, ben beutfehen ©ifchof eintreten
tu lallen, 'Die hohe fdilanfe ©eftalt Sürftenbergb
'fllitt bemüthig burch bie peöffnete Slügeltbür unb
bie (Sminent ermartete in tiefgebeugter ©teüung bie
3lnfprad)e ber üHajeftät.
,,^ht fommt pom Mbein," begann ber fiönig,
„mie fieht eb tu Strafe bürg aub?"
„Sire," ieuftte ber fircbliche ©ürbenträger, „jebem
guten ftatholifen blutet bas A>ert, meint er iehett
mufe, mie bab perhafete Suiherthum bort ©ttrtel ge=
fchlagen hat unb ber heilige ©ottebtcmpcl, bab
prächtige fünfter, fich in beit Apättben ber Whgefah
lenen befitibet. Saum bunbert fatholifche Familien
giebt eb jefet tu Strafeburg, unb bennech betrachte
ich eb alb eine heilige ©flieht, all* meine ©ca du auf-
tubieten, Strafeburg unb feine ©emobner in ben
Sdmofe ber allein fcligmadienbcn Suche turücftu*
führen." ,,^d> tmeifle nicht an Sbrem guten ©ilieit,
.Oerrjyürftbifdiof," »erfctetc lächetnb ber Wenig, „hoch
bürften bamit nur geringe Mejultatc tu ertielen fein,
menn nicht ein nod^ mächtigerer ©err hinter hinten
fteht unb Sie in ^hrem ©orhaben unterftütet."
iefev iD?ädAtige fteht jefet por mir," rief 3*ürften-
berg in heudileviichcv ©egeifterung aub, „unb ich
hoftc, bafe Sttbmig XIV. halb ernten mirb, mas meine
fdnpadieti A>änbe gejäet haben, ja, bafe eb mir oer¬
gönnt fein mirb, Submig beit ©rofien als Ferrit unb
Sönig in Strafeburg unb fein fünfter eintuführen."
DerSönig nahm biefe A>ulbigung fteunblich ent=
gegen, mcnnjthon er in feinem ^nnerften ben SOiann
perachtete, meld)er um fchnobeu ©emimt fein cigeiteb
©aterlanb Perrieth. 9luf einen ©inf Soupois' fuhr
Jvürftenberg fort: „3d) habe bem .’perrn ftviegb«
minifter ein Schreiben beb beseitigen frantöfijdieu
Mefibeitten tu Strafeburg, .'perrn Srifchtnann,
überbradd unb fönnett @m. 33?ajeftät aub biefen
©?itthciluugeu am beiten erfahren, bafe eb um bab
©ohl Strafeburgb nicht befonberb fteht."
SttbiPtg XIV. zeigte fich fchr erfreut über biefe
brieflichen Machrtchten; ber ©ijehof aber fuhr, auf
einen miebevholten ©inf bebSriegbminifterb, meiter
fort: „^m Mathe ber Stabt befinden fid) ^Männer,
bie gern unb bereitmillig einer frantofifdien A>eit=
fchaft ihre Dienfte mibmeit möchten, beim fie miffen
nur tu gut, bafe Strafeburg meber auf bic Apilfe beb
Metd^b noch beb Ataifcrs redmett barf. ©on biefen
cinfichtbpollett Mathen empfehle id) gaitt befonberb
ben ©tabtfehreiber ©unter bem ©ohlmollen
(Sm. ©fajeftät."
,,^d) erinnere mich feiner," entgegnete ber Aiönig.
„©lauben Sie, ©err gürfthifchof, bafe man fid) auf
biefen ©ünter perlaffcu fantt?"
„(vr mirb enttücft fein, ßm. ©faieftät einen mich-
tigen Dienft tu leiften. Dab bebeuteubfte ßlemeut
ßlfafe iebod), )oeld)es eine frantöfifche öcrrfdiaft
herheifehnt, hüben bie Satholifen, unb au ihrer
Spifec hefinbet fiel) ber Sräger eines altabcligen
Samiliennameub, ber bnreh mich ßm. SOJajeftät bit¬
ten läfet, ihm ©öchftihre ©nabe unb ©eachtung su=
tumenben."
„Ut]b mie nennt ftch biefer ßbclmamt ?" fragte Der
Söitig mit erfichtlichem ^ntercffc.
„@raf Sourab Pott ©ohenheg."
„©ohettheg?" ipieberholte ber ©ionarch mit ge¬
falteter Stirne. „Sonberbar! jn einem früheren
©erichte theilte ffrifchmann Unb mit, bafe fich unter
ben ©iitglieberu beb Mathb ein öohenheg befinbe,
meld)er ein gefchumrener ^einb Jvanfreichs fei."
„Der £>err Mefibent fagte bamit nur bie ©ahr=
Digitized by v^ooQie
40
Sfdjt muß fied)t bleiben*
beit, Sire," erwiberte Sürftenberg unterwürfig, beS ränfevollen Submig, bie elfäfftfdjen Abete*
„bocfe gehört biefex 9 H<harb Don Jpohenheg einer pefdjlechter 311 feinen Bafaüen gu machen, ja fogar
verarmten Seitenlinie an unb wirb von feinen graf- ihre ©fiter ohne weiteres conftSciren su laffen, falte
lieben Bcrmanbtcn veradjtet." fie fid) weigern, ibm ben fönlbigungSeib gu leiften.
„9hm wohl, fo foll mir ©raf 5?onrab mitlfom= S^d) aber, mein tbeurer Srennb, gebe unfer geliebtes
men fein. ÜBir rechnen alfo auf bie thätige 9Rit= , e>trafeburg nod) nicht verloren unb baue guverftdit-
hilfe unferer brei BuitbeSgenoffen Sürftenberg, lieh auf bie ftitlfe beS ftaifers. Der gute DupS
©ünger unb Jpohenheg unb hegen bie Hoffnung, ! wirb unS behülfüdj fein, ben verrätherifchen 3n=
bafe mir burdj fie nodj weitere BunbeSgenojfen ge= triguen beS ©rafen Äonrab auf bie Spur gu fom=
minnen." men, fo bafe mir feine Beftrafung bei bem faifer=
Die lebten $Borte waren an 8 oitvoiS gerichtet, liehen ©eridjtShofe beantragen fönuen. ^Möglicher
weld)er nunmehr in honigfüfeer fHebe bem Scharfe SBeife eröffnet fich unS bann eine AuSfid)t, gu unferm
finu feinet hohen ©ebicterS Beifall sollte unb mit red)tmäfeigen ©rbe gu gelangen, unb in biefem Salle
ber S^age fchlofe, welcher Danf bem föerrn Sürft= wäre eS freilich gut, wenn bu unS mit beinern iu-
bifehof wohl für feine treuen Dienfte bargubringen riftifchen 9tathe gur Seite ftünbeft. Siegt eS baher
fei. in beiner 9Rad)t, eine Steife nad) Strafeburg angutre-
Subwig XIV. geigte bem beutfeheu Berräther feine ten, fo eite fo halb alS möglich hieher."
föniglicbcörofemutb unb bewilligte bemfelben iäfer- AnbreaS war feft entfchloffen, ber Aufforberung
(id) 60,000 givreS, wogegen Se. ©mineng bem Sife 9hd)arbS Solge gu leiften; in aller (Site orbnete er
nige oon Stanfreich gelobte, nach Straften bie ßänbe feine ©efchäfte. Srofe allebem aber traf er erft im
gu bieten, um Strafeburg von bem beutfeheu Reiche 3uli in Strafeburg ein. Der herglidbe ©mpfang,
loSgureifeen unb Sranfreid) einguverleiben. welcher ihm von ben Sreunben gu 3;heil warb, be=
Damit war bie folgenfcbwere Alibieng gu ©nbe fam aber burd) bie allgemeine SRifefiimntuna, bie
unb ©gon von Sürftenberg verliefe, an ber Seite fid) ber Strafeburger bemächtigte, eine Trübung.
ßouvoiS, freubeftrahlenben AntlifeeS ben Stönig unb ©ine ängftlicbe Schwüle lagerte über ber Stabt unb
lehrte wieber nach bem von ihm verratbenen ©Ifafe am politischen Sporigont ftiegen büftre BBettcrwolfen
giuiitf. Solgen )vir ihm auf beutfeheu Boben nad) auf. Die Stimmung ber Straßburger warb eine
unb feheit wir unS in Strafeburg um. .Spier be= nod) gebrütftere, alS halb barauf verjdnebene fran=
aegegnen wir einem ältlichen Bürgersmann mit göfifd)e Sruppenbemegungen im ©Ifafe ftattfanben
freunblicben, wohlwollenben ©efichtSgügcn, unb in- unb gteid)geitig von vielen Seiten ber Stabt SBar^
bem )vir unfern Blitf noch einmal über baS vo(l= nungSbriefe gufamen. 9hd)arb von ©ohenheg unb
wattgige Antlife unb bie treuen blauen klugen ftrei- noch einige anbere SRatbSmänner boten ihre lieber*
fen laffen, erfennen wir unfern alten Sreuub Beter rebungSlunft auf, ben gefunfenen 9Muth ihrer 2 )?it*
DupS wieber. bitrger wieber gu heben, allein ber Stabtfdweiber
9Rit ber 3ugenb war eS freilid) bei ihm vorbei ©ünger unb feine Bartei rife ftetS wieber Alles etn,
unb fein ehemals fo glattes 3tntlife hatte Salten be= was biefe watfern äHänner aufgebaut.
_ fonimen, welche Beit unb Sorge hineingemeifeelt. So ftauben bie Angelegenheiten, ate Anbreaö
* \ Der.spumor aber war ihm treu geblieben; nur wenn eines SageS mit bem alten DuvS bei fHicharb gu^
er auf bie S^angofen gu fvrechen fam, ging ihm bie faminentraf. Selbftverftänblid) brehte fid) and) bet
heitere Saune auS unb er begann bitter ernft gu ber heutigen Mittagstafel baS ©efvräd) um bie Bu=
werben, hatte ia hoch bie Art unb SBeife, mit iveU funft unb baS Schitffal ber bebrohten Stabt,
eher bie frangöfifchen Befehlshaber, Durennc unb „3* fürd)te," rief Beter mit vor Born gerötheten
ßoube, in bem ©Ifafe gemütbet, ben Strafeburgern SBangen, „bafe wir bur^ allgu grofee fWa^giebigleit
bie Augen geöffnet über bie AbfidUen SranfreichS unfer Spiel ftfon auS berSpaub gegeben haben unb
auf ihre Stabt. Die Batrioten fchloffeu fid) bem= eines 3)iorgenS als frängöfifefee Unterthanen er=
gufolge immer enger an einanber an unb fo mar es wachen." w 3 hr fehtgu fd)warg," wibevfprachfliicharb,
gefomuten,bafe aud) gwifchen bem bürgerlichen DupS „ber Äaifer läfet unS nid)t ini Stid)!" „Der Waijcr!"
unb bem abeligen Sticharb von .öohenheg ein lachte DupS höhnifch auf. „$at ber SvnbifuS
Sveunbfchaftsbünbnife beftanb. ^tach beS alten 1 Svanfe in 2Bicn etwaS ausgerüstet? .^at man auf
©ohenhegXobe war s Jtid)arb in ben Biath ber Stabt i feinen Bortrag, ber flar unb bünbig bie fcblimmen
gewählt worben, unb ba and) ber Schornfteinfeger- | Abfichten SranfreichS barlegte, etwas gegeben?
meifter ein ©hrenamt befleibete, fo hatte fid) .frohen^ Biein! ber Äaifcr unb feine BDiiniftcr geigten fich
heg feines SreuitbeS wahrlid) nicht gu fd)ämen. Aber I gegen alle feine Bitten unb ©rntahnungen taub."
auch ber fernen Benvaitbtcn in Branbenbnrg, ber „Dennoch finb unS 9Jatf)rid)ten gugegangen, bafe
beiben Brüber AnbreaS unb töubolf Oiatbob ge^ ber Aiaifcr heimlich rüften läfet," verfemte 9iicharb.
bachtc er treulich. ©S war im Srühliug beS 3ahreS „DaS ift allerbingS wahr," ergriff iefet AnbreaS
1681 gewefen, alS AnbreaS von SRicharb einen Brief baS ©ort, ,,bod) foll baS ^peer nicht Sranfreich be=
erhalten hatte, in weld)em berSreuub fidiinbitterer brohen, fonbern bie Surfen in ihrem Bormarfch
Äläge über baS gewaltfaine Borgeben SranfreichS aufhaltcn." ,,9?atürlid)," rief ber erregte Beter
erging unb gleichzeitig bie ®ittheiluug machte, bafe I DupS, „mit Strafeburg hat eS ja feine folche ©ile;
©raf £onrab von .sp oh enheg gegen itaifer unb i wenn nur ber ©ünger unb feine Bartei nicht csiftir^
9ieich ein falichcS Spiel treibe unb allem Anfchcine | ten. 3ch traue bem Burfcheu nicht, bin feftübcr=
nad) gu ®unftcn 8 ubwig XIV. fpionire: ! geugt, bafe er fich bemühen wirb, bem fleinen &äuf=
„Unfer gemeinfamer Seinb" — lautete ber Schlufe . lein patxiotiftfer SHänncr baS Seben berart gu er=
Vi^feS Briefes — „cjiebt offenbar bie Sadfe beS fca\= fd)iveren, bafe fie ferner ben Sitzungen beS äRagiftratS
ferS verloren unb fteht feinen ?cröfeeren Bortheil auf fern bleiben. Dann aber hat bie ©egenpartei freie
Seiten StanfreühS. Siegt eS ia hoch in ber Abficht ©anb unb freies Spiel."
Digitized by v^ooQie
Jkdft maß $t4f l bleiben.
41
hoffen mit, bah 3br @udj in biefer Slnnabme
irrt," äufceTte Änbreab. „Oa mit nun aber einmal
aut bao fiapttel ber ©errätberei gefommen finb, fo
theilt mit mit, mas 3bv über beu©rafen ftonrab in
(rrfahrung gebracht habt."
Reiter nod) nicht uicl," gab OupS ftinmmgelnb
gurüd, „io oiel ftebt iitbeffen feft, bah er ©egiebungen
mit bent fraugöfifebett Sefibenten 5rifd)tnann unters
hält unb in Strahburg herumfpionirt. Sinnen
Äußern hoffe td) ihm eine fjaüe gu [teilen unb bann
jeUt ;M>r ©eitercS oon mir oernehmen."
„3hr mollt unS fchou oerlafien, ©eoatter ?" fragte
dticharb überrajeht, ba ber ehrliche OupS fiel) non
feinem ©lafee erhob. ©enige Minuten fpätet-fah
man ihn bureb bie Orufengaffe ber SiclauSbrüde
unb beut Spittelthore gurenuen unb balb barauf
näherte er [ich febon ber über eine SJeile oon Strafe
bürg entfernten ©ogtei 3llfird). Oort angefommen,
üblüpfte et j ermübet bureb bie 2lnftrengung beS
iRarfcheS, fomie bie herrfdjenbe 3ulihifee, in eine
©dteuite, bereit einer Slügel offen ftanb. Sadjbcm
jid) ©eteT OupS übergeugt, bah anher ihm feilt
menfcblicbeS ©efen in ber Sähe fei, flettertc er au
ber Seite* gum ©euboben empor unb inad)te [ich
fcbiteü et« Saget gureebt, b. h. er mirfelte fiel) berge-
ftalt in bas ©eu ein, bah faft nid)t3 mehr oon ihm
gu fehen mar uitb fcblief behaglid) ein.
3Rehrere Stunben oergingen, ohne bah ber mübe
©anberer ermaebte. 6 r muhte hübfd) lange ge=
fcblafen haben, b«nn beim Srmadien lieh ihn eine
Spalte in betöteftermanb am bunfeltt Firmament
blibenbe Sterne erfenneit. (Sin ©efaitg, beit er
hhon oorher im ©albfddafe pernommen, braitg au$
bent untern Saume ber Scheune unb ein matter
Sicbtfcbein gum ©euboben herauf. Sehutfam unb
leite näherte er [ich ber Oeffnuttg, ait meiner bie
Setter augelehnt mar, unb fchaute hinab. Sur mit
3 Rühe unterbrüdte er einen SluSruf ber lieber-
raidutna, benn bie Scheune mar mit frangöfifchcn
Solbaten flefüllt, gmifchen benen fich grangiSfaner^
iMöiube bemegten. 3 efet mürbe ait ba3 Sdjeunenthor
geflopft unb baffelbe fofort geöffnet. (Sine 3Röndm=
geftalt feblüpfte herein, fie minfte einem ber OrbcitS-
brüber tmb näherte fidj mit biefent ber Seiter, bie 311
bent ©euboben emporführte. Oie ©cfürd)tung 1
$eter 0>up3, bah bie beibeit SrvangiSfaner mohl gar
heraufflettern möchten, ermicS fid) glüdlicher ©eife
als irrig. „9)?etn ©tmmel, maS hat ba3 $Kle3 gu
bebeuten!" bachte er unb legte bie ©anb ait’S Ohr,
batnit ihm ta fein ffiort bes ©cfpvächS entgehe,
welche* bie beiben 3J?ötid)e iefet begannen. Oer
Särm, bett bie $tieg3fnedtte bisher pollführt, hatte
ein ment# nachgelaffen uttb io mitrb* e3. ihm mög=
lidv mit (Erfolg beit 8aufd>cr 311 fpiclett. ©a8 er
oernahm, mar in furgem folgenbeS: Sad) beut ©e=
fehle bcs fdtlauen Souooiä feilten bie fvangöfifchen
Solbaten, mit ba§ noch immer ftarf befehle nnb gut
bewadtte Strahburg erobern 311 Jönnen, ud> als
iVoitrhc perfleibct ie gu gmei unb gmei btirdt bie ocr=
vfuebenen Obere hctcinfd)leid)cn unb int $rangis=
fanciflcftcr fammelit. I
taufig!" rief ber fdmell bie Setter herab-
flettcrnbe 'jjeter Oup^ gähnefitirfcheitb, „ba3 ift ja
eine gang heilkfe ÜJerfdtmörung! ?lber märtet nur,
ihr füllt end> perrechnct haben, ober idb mill mid)
fertan nicht mehr ^eterOupö neunett!"
fflit groffer 2?orficbt fd)lid) ititfer greunb auS ber
Scheune unb betrat bie Oorfgaffe. Oie Sacht hatte
ftch berabgefenft unb ringsum mar Slüe^ ftill. Sur
: einzelne mettige Sterne funfclten am ©origont uttb
eo fiel ihm giemlich ferner, ben rechten ©eg gu fiit=
| ben, meldier nad) Strahburg führte. e§ ihm
aber gelungen mar, fehle er feine 3?eiue in Orab,
um nod) oor Siitternadit ba$Stabtthor gu erreicfeeti.
(Sö gelang ihm. Sein $Ulan mar iefct fir unb
fertig. So fdmell al^ möglich eilte er nach bem
Spitteltbore, mit beffett ©äd)ter er iit gutem 6in=
peviiehnieit ftanb. 3tt büitbiger Sebe theilte er ihm
baö ©iffenenöthige mit, morauf ber alte SEhormart
ihn eiitlieh.
Oebe unb eittfam lag ba8 £lofter ber Scctngi§s
faiter auf bem üBarfüherplafee ba. Sur feiten
hufd)te eine ©eftalt burd) ba§ eifejtbefdtlagene Shor,
toelcheo mit bem auS ßidhettholg gefchnibten gmölf
5lpofteln gegiert mar. Oer näcbfte Sag toar Por=
über unb ber&benb fam. Oie bleifarbigen ©olfett,
melche mährettb be^Sagö über ber Stabt gehangen,
löfteit fid) in einen heftigen Segen auf, ber bie
Strahen rafd) poii fpätcit Spagiergängern fäuberte,
fo bah fie balb eben fo öbe balagett, mie baö alte
AMofter am SBarfüherplafee.
5Kom 9)?ünfterthurme fdilug e§ gehn ilhr, — ba
taudite auf bem meitfcbeuleeren fßlafee, bem filefter
gegenüher, eine ©eftalt auf, bie in einen SOtantel
gehüllt ioar unb einen breitfräntpigen © 11 t in bie
Stirn gerüdt hatte. 2U§ ber lehte ®lüdenfd)lag
pevfhmgen, lieh fie einen furgen $fiff ertönen uno
halb nachher befanb fich ein ebenfalls in einen
Stantel gehüllter 2Bann an ihrer Seite.
„Oie Stunbe ift ba," flüfterte Bieter OnpS bem
herbeigeeilten 9lnbreaS gu, „mo allabcnblich gmei
oevfleibetc Solbaten am Älofter angulangen pfle=
gcit." „Sur gu," antmortete SlnbreaS eben fo leife,
„unfere Seute fiub bereit. Sur ftill, id) höre Schritte.
Sufgepaht!" Unb in ber Shat bogen jefet gmei
ftrangiSfanermöndje um bie nädjfte Stvaheuede.
Unfere Sreunbe traten ihnen entgegen unb OupS
vebete fie an: „3hr feib fromme U>äter, bie in bem
äUofter eine Sad)therherge hegehren. So fommt
unb folgt unS," fügte er nach ^Bejahung ber ftrage
hingti. Statt aber auf baS ßloftev gugiifteuern,
manbte er fich ber in ber Sähe gelegenen ©affe gu,
tmb faitin mar baS erfte ©auS erreicht, alS bie per=
tappten Sölbner pon träftigeu Firmen gepadt unb
ihr ivainb pon einem jtnebcl perfddoffen mürbe.
Sad)bem man fid) ühergeugt,bah unter ben S^önd>S=
futten gmei bemaffnete ^vangofen [taten, mürben
biefelhen ber Äutten entfleibet unb fovtgeführt,
mährenb OupS unb $lnbreas bie härenen ©eioaitber
fich felhft ühermarfen. Sid)t lange bauerte eS, fo
begann in ber nächften Sähe ber ftloftermauern ein
I geheimnihoolleS Scheu unb Sreihen. Ountlc@e=
ftalten hufd)ten hin unb her, bie fid) gegen bie
Sc'auern bvüdteu unb bann rcgungSloS ftehen hlie=
ben. 3cht ertönte bie ©lode an ber tölofterpforte
imb gletd) barauf öffnete fid) ber Schieber beS fleinen
ShovfcnfterS.
„©er begehrt iefet nod) ßinlah?" fragte bie fchläf=
rige Stimme beS Pförtners, „,3'oei S?önche, bie
fidh toegen be6 Segens oerfpätet haben."
„3ch mill euch gleid) bie Pforte öffnen," tönte eS
im ftlüftertcu gitrüd, „hoch geigt mtr porher bie
Slermel eitre^ ©emanbe^." ©ei biefen ©orten
ftredte ber ©förtner bie ©aitb auS bem Sdjiebfens
Digitized by v^oooie
42
jlu laufe.
fterdjen unb nadjbem er bie raubhaarige ffutte bet | benben 3)?annfchaft au, „nehmt tefet allen euern
Sraiutöfaner gefühlt, raffelte er mit ben Schlüfjelu s 3)futh jufammen unb lafet euch burdj bie milben
am iüunbe unb fcfeob ben Schieber in ber Pforte au. Sotbaten nicftt aurüdfchreden. Kämpfen mir ja
fiaiun batte er aber bie festere geöffnet, al3 ber 1 Dod> für eine gerechte Sache unb gilt e£ bodj, 9Ser=
fcheinbare Krieger, mit beut er baä furae ©efpräd) ratb unb Schurterei au vernichten. 9llfo muthig
geführt, ibm in bie dritte ftiirate unb ihn fo fräftig ; voran, ©ott verläfet feinen braven Deutschen!"
umfchlang, bafe ihm ber s M)em verging. Sine grofee I „2für ©ott unb ^Batcrlanb!" rief e£ im hellen'
Slnjabt vermummter Banner brang tu bae fßfcrts I Sbor. Die ÄeUertbüre flog auf unb bie bemaff=
chen, nur einen SBachtpoften bei bem inamifcben ©e nete Schaar brang etn. ym nächftcn Slugcnbliae
feffelten aurüdlaffenb. fchon tobte ein erbitterter Atampf, benn bte 3rau=
‘Die 8ift ^Scter Dup3’ mar gealüdt, bocb aalt e3 aofen hieben mit verameifelter 2Buth um fich.
jefet noch, ben Ort auyaufunbfchaftcn, meiner bie rUÜcin trofc ihrer milben Sntfcbloffenbeit mufeten
tm Allofter verborgenen Sölbner beherbergte. Der fie fdjltefelid) bod) ber feinblicben Ueberaahlmeicben
3ufall tarn ihm hierbei au ßilfe, benn fie vernahm unb eö fid) gefallen taffen, von beit Siegern gefef-
men einen milben aber entfernten ©efang, ber fett au merben. Die öefeteren ftiefeen ein tautet
au£ ber Siefe beraufaufommen fd)ien. „©eben föurrah auä, benn ba§ Ailofter fammt allen feinen
mir bem Sd)alle nach," fchlug s ?lnbrea3 vor, mo= Snfaffeit befattb fid) jefet in ihren ©änben.
tauf ber ganae Srupp vorfiebtig unb leife ficb in am näd)ften borgen bie überrafchenbe Afunbe
^Bewegung feste. Da eä nid)t rathfam erfrf>ien, einer Ailofterverfdnvbrung, gleidt einem Sauffeuer,
eine Laterne anauaünbcn, fo irrten fie über eine burd) bie Stabt lief, gerietb bie Simvobnerfchaft
halbe Stunbe in ben tfreua- unb Ouergditgen beä Strafeburgs in eine folcbe SButh, bafe ber 2Nagt=
Allofter3 herum, bte fie enblid) vor ber eilenbefcfela- ftrajt ficb genothi^t fab, ba* .Si(öfter mit einer
genen Sbür anlangten, bie in beit Atelier führte, groben ^Injahl ftabtifdjer Sblbner umfteüen m
„^rcitnbe unb ©enoffen," Alliierte v $eter Dup3 taffen, benn ba£ erbitterte Solf mar feft gemißt,
ferner am* moblbemaffneten üöürgerfbhncn bcfte= babfelbe au ftürmen.
I» Saufe.
®ou einer #an8frrm.
Sitglifrijeit Vlitm * $nM»iitg für ShrlfHag. lj hineinthun; man binbet e§ ju, ftetlt e§ in einen
fßfunb aitegemachte föojtnen, i ^funb reinge Sopf mit faltem SSaffer, tagt eS li Stunbe
mafchene Kurrente, i ißfunb 3tinb£fett (suet), i fo(hen, unb er ift abermals fertig aum ©ebraud).
$int feingerolttcn ^mtebad, 1 gefiebte^
SKcbl, 2 Ster, i Säße 3uder f i ÜKitefatnufe, l £>omii«j * ^nbbing. 1 Saffe aefochten falten
Sheelöffel voll Sala, i Dheeloffel voll Sinnamon, ßominv, 2 Saffen füfic 2)Jilcb, 1 Sfeloffel votl mei=
i Xheeloffel voll 2)Jace unb füBc WM) genug, um feen 3ucfer, 1 jheeiöffel voll ^Butter, 3 Sier unb
ba^ ganae au einem Deig hera^aubilben mie Sup ein menig Sala. Da* gelbe von ben Siern, ber
Safe. Dann nehme man ein Stücf ungcblcid)te^ 3ucfer, Sutter unb Sala mirb gut verflopft, ber
ftarfe$ Saummoltcnacug unb thue ben Seig hin* A&ominv hincingerührt, bann bie füfce 3)?ilcb unb
ein» man laffe etma^ fttaum, bamit menn ber 2cig aulcfct bie au Schaum verflopften (Sier, thue e§ in
aufgeht, er ntebt feft ift, fonbern redjt (oder mirb. eine irbene Scbüffel, ftelle e§ in ben beifeen 93acf=
Dann legt man ben Tübbing in einen Sopf mit ofen unb laffe e^ eine halbe Stunbe baden. Hn-
foebenbem 2Baffer unb lafet ba^ ganae 6 Stunbcn ftatt ^ominp fann man and) gefod)ten 9tei§ neh 5
fortmdhrenb foeben, man gtefet rod)enbc3 SBaffer men. ^ut bie Sauce nimmt man einen Sfelöffcl
nach, fo oft e3 fid) verfodjt. Dann nimmt man vvll frifebe Butter unb etmaö mcifeen 3udfer, ver=
ben Tübbing herauf unb halt ihn eine üDZinute flopft eö gut au einem leichten Schaum unb man
in einer Scbüffel voll faltem SBaffer, barnad) ftetlt ee falt neben ben beifeen Tübbing auf ben
nimmt nan ba^ Sud) meg unb legt ihn auf eine Siid).
ftacfye Scbüffel. ^ür bte Sauce nimmt man einen
Sfelöffcl voll fritebe Butter, einen Sfeldffel voll S«ti Safe. 5 ’Sier» 1 Saffe 33utter, 2 Saffen
metfeen 3uder, einen Sbeeloffel voll SJieblf ein meifeen 3uder, 4 Saffcn genebteg 3Rehl, i Saffe
mtnig ÜJhtöfatnufe, rhut bteicS in ein fleine£ füfec 2)hld), 2 Sbeelbftel voll 33adpulver, i Shee*
33lcd)ge}d)irr, rührt eö gut burefeeinanber, man (bffel voll Sanilla. 3Ran verflopft ba^ ©elbe
giefet etma& 95Beineffig hinein, um bem ganaen von ben Siern, ben 3,uder unb 39utter gut burch=
einen angenehmen ©efdnnad au geben, unb fod)en= einanber unb ba^ ffieifee von ben Siern auf einer
beS SBafier genug, um beinahe ein halbem $int flauen Schüffel au einem Schaum, ba3 ^öaapulver
Sauce au machen, man lafet es einige 2)?al auf- tvirb mit bem "Dtehl burd) ein Sieb gefiebt. 2Man
foefeen, mdhrcnb eö fortmährenb uifigcrührt mirb. tbut bie 3Kild) in ben Seig unb rührt eö gut burdj'
2Birb ber Tübbing bet einer SRablaeit nicht ver= einanber, barnadj etma^ 9tRchl, bann etmaei von
aehrt, fo fann man nach einigen Sagen baö reine bem Sierfchaum unb baö übrige 3Kehl, unb aulefet
Tübbingtiuh nehmen unb ben falten Tübbing )-ben anbern Sierfchaum unb SSanilia. SKan mu§
Digitized by v^ooQie
JJu fauft.
43
ted)t bebcnbc bamit umgeben, foitft wirb bcr
ftud>cn nicht recht (oder; bann tbut man ben Jets
in eine runbe tfuebenpfanne, bie tnwenbig mit
8 d>maU ober Butter beftrichen ift, unb [teilt ben
Studien in einen jiemlid) beiden Öfen, giebt gut
Sicht, baft er nicht verbrennt. Diefer .Vtuchen muft
ungerdbr eine Stunbe baden. Um $u prüfen,
ob Sueben ober Brob gut burebgebaden ift,
nimmt man aus einem neuen Beien einen bünnen
Stengel unb fticht in ben töueheu hinein; bleibt
fein ieig baran bangen, fo ift ber Ätudbcn gut
burebgebaden; man nimmt ihn auS bem Ofen unb
aus ber Pfanne, unb [teilt ihn mit bem unteren
ßnbe auf ein Sieb. Der buchen bleibt um fo
lodercr.
gftue <So«mrr> 9 tettumrfl. ©ierju gehört baS
feinfte üRcttfleifch (tenderloin), womöglich bon
einem gut gemäfteten Sdfwetn, man nimmt 311 5
2af[en fein gebadteS ftlctfd) 3 Daffen Sped, bas-
felbe muft feit unb frijeb fein, man fehneibet eS in
feine SSürfelcben, unb vermengt es unter bas gc=
badte gleifd). 3u 6 Bfunb gebadtem gleifdj
nimmt man 1 } Unje fein geftofteneS Sah, eine
halbe Un$e weiften ober fdnoarjen feingeftoftenen
Bteiter, unb ein Dram Salpeter. Machbcm man
bas ©ewür 3 in baS ftleifd) getban, muft man es
mit rein getoafebenen föänben gut unb lange
burebeinanber verarbeiten, finbet man Sebnen,
£äute ober barte Dbeile im ^Icifch, wäbrenb man
eS verarbeitet, fo entfernt man bicfelbcn, bann
verfugt man eS, ob eS recht gemurrt ift, unb bar=
nach füllt man eS in wiblgereinigte, gut gewäfferte
unb gcrucblofe, bidc, glatte $cttbärme, in welchen
ftcb bie JBürfte am beften laftig erbalten, man
fann beSwegen nur Scbweinebärme gebraud)en.
DaS füllen ber Därme muft febr bebutfam ge-
f (heben.
üHan binbet ben ‘Darm unten 3 U, siebt ibn
auf bie JBurftfprifce ober &örnd)cn, tbut baS
Sleifcb langfam hinein unb brüdt cS bebutfam
unb nur aUgemacb jtärfer an, bamit ber Darin
nicht plafce, bie 2 Burft aber fo feft als möglich
»erbe, wobei bie mit Öuft gefüllten Stellen
mit einer Stopfnabel burebftoeben werben, !jc
bener bie 2 Burft gefüllt, ie fefter unb bider fie i|t,
ie beffer halt fie [ich, wo hingegen ®ürfte, welche
lofe gefüllt finb, verborbene Stellen unb einen
ftarfen ©efebmad erhalten. Sinb bie 23ürfte
nach Angabe feft gefüllt, fo fönnen fie gleich nige=
bunben werben; bei 3Rangel an Hebung aber ift
ju ratben, fie eine Macht liegen 311 laffen, bann
bebutfam, unb nvar nach beiben Seiten bin, fie
buTcb Streichen fefter 3 U brüden, nene Bänber ba=
ran $u binben unb bte erften absufebneiben. Slls
bann bange man fie 14 Xage in einen mit fiuft
verbunbenen fchwachen Manch von ©adiholbcr
(wenn man fie haben fann) unb bewahre fie bän-
genb an einem luftigen, froftfreien Orte.
Bemcrfung: Den Salpeter hole man auS
einer 3 lpotbcfe; benn wäre berfelbe nicht gut auf-
bewahrt, ober feucht geworben, fo hätte er feine,
»ttfliche äfraft verloren, unb bie JBurft würbe ba-
btttch eine bleiche Sarbe erhalten. k }luch nimmt
ber geringftc Jfroft ihr bie Sarbe unb ben Sßobl^
gefefcmad. ßvjt nach einigen Monaten ift fie fertig
|um ©ebraud).
t rifte SRilift. gür Dianböe, Nerven- unb
arlachfieberfranfe ift fein ©ctränf beffer at$
beifte BJild). Dr. B. ßlarfe in Oftinbien gab ei=
nem biarrhöefranfen tarnte, ber am Sterben lag,
frifchc heifte Btilcb 3 Ü trinfen, nachbem alle übrigen
3)?ittel fehlfd)lugen'; bie Ättanfheit nahm eine
giinftige SBenbung unb in einigen 2 öod)en war
ber Bcann wieber gefunb. Mur merfe man fid>:
9Man läftt bie MJildj nicht fothen, fonbern bloft heift
werben. Die güfte unb ben ^eib bes Traufen
halte man warm, ba$ 3 immer aud), muft aber oft
gelüftet werben.
Äafettjiläfte. Um einen guten Mafenplafe 311 be-
fommen unb bcnfelbett in Orbnung 311 halten,
mu§ ber Boben gut bergerichtet werben; man
büng-t im Spätjabr reichlich, pflügt ober gräbt ben
2)^ift tief unter, ber Boben wirb um fo lederer.
Der Bläh mufe troden genug fein, bau man ihn
gut bearbeiten fann mit fMedftcn unb B>aUe, unb
muft gan 3 eben gemadd werben. 3 ft bcr .s>erbft
gclinbe, fo fann man im Jpcrbft ebenjo gut :)iafen
legen, als im Jyrübiabr, nur bürfen bie 3 iafen
nid)t bünn geftod>en werben, fonbern fo bid wie
möglid). Bran legt bie Oiafenftüde bann iccht
nahe unb feft neben einanber, unb foüten bennodb
fleine Vödier ba 3 wifdjen bleiben, weld^e nid>t aus=
gefüllt finb, fo thnt man am beften, man nimmt
feinen ©runb unb füllt bamit bic fleinen Vödier
aus. Dann nimmt man abermals eine >>anb-
wal 3 e unb macht alleS recht feft unb eben. .V>at
man biefe Slrbeit früh genug verriditet, che bie
öerbftregen fommen, fo fängt ber Siafen gleid) an
311 wad)fen. Soft muft ber ätafen mit einer Blalse
gewalkt werben, fonft trodnet er im Sommer unb
im hinter friert er auS. ^d) fenne eine Familie,
bie legte einen groften Stafenplaft an im BJinter;
bie Jl>itterung war natürlid) rcd)t gelinbe wie im
^erbft, es regnete oft, ber JHafen blieb faft immer
grün; int Sommer von 1881, ba faft alles aus=
trodnete, fd)icn aud) biefer Blaft gan$ fahl unb
troden, aber im barauf folgeitben Frühjahr ent=
faltete ber Olafen ein fold) prad)tvcllcs ©rüit unb
2 öachsthutu, baft man feiten feines ©leidteit fanb;
nur merfe man lieh: Der Boben war reichlich ge=
büngt. 3ft bas Sktter ungünftig im Spätjabr,
fo büngt man bloft unb gräbt ben Boben um, man
legt ben s 3 tafen int ftrübjabr; finb auf einem alten
Wafcnplafce fahle Stellen, fo nimmt man ©raS=
fameit unb mifd)t fie mit Slidte ober Sägfpähnen,
b. b. gans feinen, unb in (Erwartung eines
SchneelturmeS geht man suvor hinaus unb wirft
auf biefe fahlen Stellen ©rasfanten; ber Sd)ttee
unb Stegen treibt fie beffer in ben Boben unb im
Frühjahr geben fie auf. (Ys ift eine Icidttcrc Ar¬
beit, als wenn man im ^rübiabr mit neuen
Sfafenftüden ben auShcffert. ^Woch 311 be=
merfen ift, baft man bei bem tfegen eines neuen
SßafenplafceS äd)te N Jfafen erhält unb nid)t folche,
bic voll Unfraut wudtern; 3 eigt fid) bettnod) Uit-
fraut, fo sieht man eS heraus nach einem Mögen,
ber Boben ift bann weich; bies ift aud) bie hefte
3eit, im grühjabr ober Sommer baS ©raS 31 t
idmetben, bcr Mafen trodnet nicht fo leicht auS.
3ft bie Sonne brenitcnb im Sommer, fo läftt
man bas ©raS einige Sage bünn ausgeftreut
barauf liegen, bann tbut man gegen $bcnb mit
Digitized by v^ooQie
44
Sonntagfdjufifehttotifiu
einem fftedjen aUe$ aufnehmen; bet Shau fällt
über 9?ad)t unb befeuchtet baS garte ©raS, unb es
fängt gleid) mieber an gu machfen.
Glättete. 2Jlan ift im SBinter oft Dielen @e=
fahren wegen ©latteiS auSgcfefct. STOan nimmt
einfad) Saig; ich nehme gemohnlid) oon bem, in
meldjeS id) meine Sier perpaeft habe, grobes, billt=
geS Saig, unb ftreue es auf bie Seitenmege unb
por bie äbiir, baS Siä gerfprmgt augcnbiidlicb,
unb man fann gleich ohne ©efaht barüber hinge=
hen, ünb in einer furgen 3eit fann man mit bem
23efen alles rein pufcen.
grifrjgefattmer Srfinec. 3Ran tbut am beften,
man fteht SßorgenS eine halbe Stunbe frü¬
her auf, unb in biefer furgen 3eit bringt man
mit bem 23efen mehr fertig, als nad)her in gmei
Stunben, menn ber Schnee feft gufammen getreu
ten tft-
Hin Kittel für aufgefprungene £änhe. STOan
nehme etmaS abgefdjabteä SBienenroacftä in einem
Meinen meithalfigen ©laje, *ein Stüd Schaffett,
fülle ba3 mit Olioenöl, man ftelle e£ hinten auf
oen Ofen unb laffe e8 fdjmelgen, unb e3 ift fertig
jum ©ebraudj. 9Kan fann einige Stopfen Par¬
füm btnguthunr um ber Salbe etnen SBohlgerud)
gu geben.
ditte ^oöantoeifnug — feine Cuittung. Sin
befannter ©efchäftSmann Pon hier fieberte [ich
fäuflid) einige SBodicn gurücf ein Hnrecbt in einer
Husftcllung in SanbuSfp; um feiner Sache gemt§
gu fein, mar e§ nothmenbig, bajj er einen Shcil
be3 SBetrageS baraitf eingahlte. 9?ad)bem er
fid) mit greunben berathen, entfebieb er bureb
Sßoftanmeifung bem Sefretär 25 OollarS guge=
gehen gu taffen. Sr eilte auf bie $oft, faufte
bie Hnmeifung, meil er aber nur menig mit
Hnmeifungen biefer Hrt pertraut mar, betrachtete
er fie alS Ouittung für baS auSbegahlte ©elb unb
legte fte forgfältig unter feine SBerthpapiere, ba^
mit ber Slnfauf nid>t rüdgäugig gemacht merben
fönnte; er benachrichtigte bcu Sefretär brieflich
pon ber Senbung be3 (Selbes unb erbat fich 9lnt=
mort beim Smpfang; meil er ieboch feine 92ach'
rieht erhielt unb bie 3eit ber HuSftellung fich
nahte, telegrapbirte er megen ber Sache unb erhielt
ben 23efd)etb, meil er fein ©elb gefanbt habe, fei
fein Anrecht an anbere ^ßarthicen perfauft morben.
Huf Smpfang biefer 9?ad)rid)t erflärte er, bafj er
betrogen fei, unb um feine ^Behauptung gu beftä=
tigen, geigte er feinen ftreunben bie $oftanmei=
fung, ober Ouittung, mie er e3 nannte; feine
<}reunbe lächelten unb fagten ihm, bafj eine Sßoft^
anmeifuna feine Ouittung fei, unb ba§ er bicfelbe
in 3ufunft ben SBetreffenben gufenben muffe, an-
ftatt unter bie SBerthpapiere gu legen.
Sonntttgfdjul-Mtionen.
Sonntag, 7. San. Slpoftelgefchichte 1,1—14.
S>ic Himmelfahrt
I. $ie ^trheifjung M 8ater£. (23. l— 8.)
8 . 1 — B: Sin gang ber Slpoftelgefchichte.
®a§ 5. ©efcbichtäbucb be3 S J?. S. heifit eigent¬
lich „Hpoftelthaten", meil fie im Unterfchieb pon
ber in ben 4 Spangelien ergählten 8eben$=
g e f ch i d) t e S h r i ft i gmar nicht bie gange Cebens=
gefd)ichte aller Hpoftel, mohl aber bie hauptfäch=
lieh burch bie SBirffamfeit ber gmei heroorragenbften
berfelben, betrug (Äap. 2—14) unb SS au tu 3
(Sap. 13—28) gefchehene Stiftung unb SSctbreitung
ber S’ird)e Shrifti pon Serufalcnt über Hn=
tiod)ien, Sleinafien unb ©ricchenlanb bis Dtom be=
richtet, unb bilbet al3 SBerf beffelben 2>_erf a f ferS
mit bem Soaugclium SufaSSin gujammenhän^
genbeo ©angeS. CefetereS ift bie „echte fWebe" nicht
bloS ber 3citfolge, fonbern auch ber Sache nach,
meil bie bort gejdjilbetten früheren Srcigniffe aus
Shrifti irbifehern geben äußerlich unb innerlich
bie ©runblage unb 23orausfefeung für bie fpäteien,
b. h. für feine himmlifche 5öirffamfeit in ber
ßeitung unb SBeiterbilbung feiner ©emcinbe finb.
®aS Spangel ium pon Shrifto, feiner ißcr=
fon unb feinem 2Berf, ift überhaupt bie „ed)te fHebe^
baS pornehmfte ©auptftücf aller 3Srebtgt, ber 2tngel=
unb 2BitteIpunft Der gangen SCBeltgefchichte; eS rebet
pon Hllebem, maS 3efuS anfing u.f.m.,
momit mieber niefit eine pollftänbig erfd)6pfenbe
gebenSbefchteibiutg gemeint ift, bie gufaS ebenfo-
menig ate SohauneS (^oh. 20, 30) geben molltc,
ober auch nur fonnte (3oh. 21, 25), fonbern nur
ein umfaffenber unb genauer, mahrheitSgemä&er
Bericht über baS, maS er f ,beibeS, gu thun unb gu
lehren" hatte, alfo über feine in Sbun unb gehren
fich Pollgiehenbe SBirfjamfeit, mobei er lebte
mie er lehrte unb lehrte mie er lebte, b. b. cbenfo mie
burch fein SBort fo and) burd) SBunber unb SBerfe,
burd) SBanbel unb SBirfen fid) aiS Sohn ©otteS
offenbarte bis an ben Sag feiner ©inimefi
fahrt. ®iefe, ber Subpunft beS SpangelimnS
unb ber HnfangSpuuft ber Hpoftelgcfcbi^te ift ber
gemeinfame SBenbepunft gmifdhen beiten unb mirb
baher, obmohl Dort fdjon furg berührt, auch hier noch
einmal auSführlid) ergählt. SBaS ^efuS auf Srben
„anfing", mirb burd) fie nicht abgebrochen unb hört
überhaupt mit bem Scblufj feines irbifeben SBerfo
nid)t gang auf, fonberp mirb fortgefefet burch baS,
ioaS ber erhöhte ShriftuS poni ©immel her in unb
au feinen Hpofteln, für fie unb burd) fie alS feine
©efanbtcn unb S3ePollmäd)tigte thut, meiche er
hatte ermählet; mie bie SBelt fie immer ge^
mählt hätte unb mie fie bodj eingig paffenb für bie§
Digitized by v^ooQie
Smmtögfdjul^ehtumen.
45
wichtige 2lmt waren: au§ peringen unb verachteten,
aber einfachen unb lebenbig gläubigen Seelen, bie
bemüthig unb einfältig ben Schafe ber 2Bahrbeit
aufnehmen unb weitergeben, ohne ihn burd) eigene
3uthat ui verberben. Die „Dhateit ber 9ipofter'
als* feiner 3 teil Vertreter finb feine Dhaten, bie
Hpoftelgefdndfte alS ©efebiebte ber Ätircbe ßhrifti ift
ein Stücf feiner eigenen ®efcbid)te, alS ©efd)icbte
beS verhärten ©ottcSfohneS in ber ©errlicbfeit bie
Sortierung beS ©vangeliumS alb ©efebiebte beb
fleifcbgeTOorbenen äWenfdjenfohnS in ber 9iiebrigfeit.
DaS „aufgenommen warb" bezeichnet bie Him¬
melfahrt, obwohl fie ancb bie eigene Dhat (Shrifti
ift (Suf. *24, 51) alS 2Berf DeS VaterS an ibm (wie
äKarf. 16, 19 unb 1 Dirn. 3,16) unb zugleich alS
eine uidht bloS räumliche unb finnlicbe, fonbern and)
»efentlicbe ©rlöfitng, fofern er baburd) eine
höhere Stellung, 3Sad)t unb SBürbe erlangte (Vhil.
2,9fr.) Den 9lpofteln bat er Vefehl ge =
geben, bie ,,Dbaten ber 9lpoftel" finb alfo nur bie
Vollziehung beS „lebten SBittenS" beS febeibenben
HeilanbS ©Matth. 28, 18 ff. üMarf. 16, 15.),bcffen
SJidmgfett ber Veifafe bureb ben beil. ©eift =
oermöge unb in ifraft beffelben, weil er bamit ge=
falbt war (8uf. 4, 1. 14. 18.), hervorbebt. Ahlten
bat er fid) nach feinem Seiben unb Durch baf=
felbe bewährt unb vollenbet (Hehr. 2, 9. 10), le =
benDig erzeigt alS ben Äuferftanbenen; hinfort
ewig fiebenben CJtöm. 6, 9. Off. 1, 18); bieß war
bie notbwenbige Vebingutig unb Vorbereitung für
ihr Hmt al^Bougen (V. 8) .feiiteS gebettS, wie
auch fonft feine 9tuferftcbung bie©runblagc unfereS
ganzen ©laufend ift (1 Sor. 15, 14. 17 ff.); nur
bie ©ewißbeit, baß er lebt unb ihnen unftdjtbar nab
ift mit Äraft Siebt unb Droft (üMattb. 28, 20), unb
zwar geftüfet bureb „mancherlei ©rweifungeit", b. b.
Offenbarungen feiner fclbft, alfo auf untrüglichen
Äeunzeicben rubenb,giebt ihnen ben2Mutb für ihren
Äpoftelbernf. Vom 91 eich © otteS rebet er nad)
wie vor feinem ÄreuzeStob, alS bem großen einigen
Hauptgegenftanb aller feiner Sehre.
®. 4 — 8: Sefete 3nfammenfunft 3efu
mit ben Jüngern. $br Ort ift nad) V. 12
ber Oelberg, ihre 3 e i t nach V. 2 ber 40. Dag nad)
ber fluferftehung, alfo ber Dag ber Himmelfahrt,
maS gut. 24, 49, wo baS Vleiben in 3eritfaicm
»or Der lefeten ^ufammenfunft befohlen wirb, nicht
miDerfpricbt, weil bort bie lefeten 9teben ohne ütücf=
fiebt auf bie 3«itfolge furz zufammengezogen finb;
iebenfallS waren alle 11 9tpofte( babei, ehe fie
ihre Seelen fammeln fönnen, müffen fie erft felbft
um ihn gefammelt fein. Der fdjwere Vefehl *
m ber üMörDerftabt zu bleiben, ftatt ftcb in bie ge=
jicberte öeiinatb ©aliläa jurüdmjiehen, weil von
bort auS nach 3ef. 2, 1—3 unb Vfalm 50, 2 ©otteS
3teicb auSgehen foll, wirb ihnen erleidftert bureb bie
herrlidfe Verheißung beS heiligen ©eifteS, weld)e,
nachbem Der verheißene üMcffiaS felbft fd)on gcfom=
men mar, nun bie einzige unb größte nodj zu er=
fälleuDe Verheißung blieb, bie, im 91. D. fdwn von
«ütt Dem Vater gegeben Qoh. 44, 3. OSoel 3,
1. 3acb. 12, 10), audj vom Sohne ben Seinen
cü wieberbolt worben war (Suf. 11, 13. 12, 11
onb befonberS in ben SlbfdjiebSreben bei 3oh.) unb
burcB Die frfwn gefebehene, aber erft theilweife ©eu
ieömittheKuna (8uf. 0, 55. 3oh. 20, 22) nod)
erfüllt ift. SBegen beS ©egcnfafeeS
Sur ffiaffertaufe beS 3oh./ bie bloS eine
Vußtaufe unb Damit baS 9)iittel nt einer bureb 6r=
fenutnib unb Vefenntnifj ber Sünbe gewirtten
SünDciwergebung war, wobei iebod) ,V'h. felbft
aiwbrürflid) fcboit auf bie burd) feine Daufe nur
unvoüfommen abgebiibete unb vorbereitete ©eifteo=
taufe beS ^effiafe binweift (gut. 3, 16), wirb bie
©eifteogabe hier ebenfalls eine Daufe genannt
als ©intaudjung in ein reinigeitbeS unb belebenbcS,
in reid)fter Sülle auSgegoffeneo Slemeitt, bie aber
int Untcrjdjieb vom Via ff er, baS blob äußerlich
reinigt, eine baS 3itnere nidft bloS erleud)tente
unb erwärmenbe, fonbern burd)glübenbe unb alle
Sd)ladett wegfd)tneitenbe Sencrtaufe ift. liefet
lange jc. ift abfichtlid) fo weit gefafet, um ihren
©lauben sugleid) im ,,harten unb ßilcn" (2 Vetr.
3, 12) gu üben, fie folleit wiffen, baß eS fommt,
aber nkfet iv a n n ; von ihnen war viel verlangt,
barum will ihnen auch ©ott juvor viel geben
(umgefehrt: gut. 12, 48.). Sragten ihn jc.
veranlaßt burd) bie vorangegangencii 2öorte 3efu
felbft: weil er bie ©eifteStaufe alS nahe bevorftebenb
bezeichnet, fragen fie nad) ber 3eit, weit er vom
Dieid) ©ottcS gerebet (V. 3), fragen fie nach
biefem unb jwaralS bem Öteicb 3f raelo, beften
VMeberberftcllung im alten ©lause („wieber auf=
rid)ten") vom eff iaS als theofratifAem Helbem
tönig (15D?of. 49,10) envartet würbe, ber fein Volt
wieber frei, groß unb berrlid) ntadft. Diefe an ficb
wohlberedftigte Hoffnung unb Stage, auS Sehnfudjt
unb 9lbmtng ber großen MeicbSsutunftGhrifti ftaut=
menb, tveiSt ^efuS nid)t einfad) surüd; feine 9lnt=
)vort: ©S g e b ü h r t cud) jc. ift göttlich weife unb
menfeblid) sart, mehr belehrenb alS tabetnb, unb
beftreitet nid)t baS 9ted)t m fragen unb au forfd)en,
wie fchon bie Vtopbetcn thaten (1 Vetr. 1, 11),
fonbern mir bie Vefugniß au w t f feit, wab ©ott
ficb felbft Vorbehalten hat ©Matth. 24, 36), er be^
(tätigt bie übrigens ben Jüngern felbft nid)t zweifel¬
hafte ©ewißheit beS fotmnenben Reiches, unb
befdwänft bloS bie vorwifeige 9?eugier nad) einer
3 eit, unb weift ftatt'ungebulbiger 9Büitfd)e für
bie 3 u f u n f t beffelben bie 9lpoftel vielmehr auf bie
praftifeben Aufgaben ber © egen wart hin. Sür
ihr SBtrten in ihrem Veruf feilen fie Üraft ent--
pfang eit burch ben heiligen ©eift, um eben biefeS
fein 9ieich burch ihr3cugttiß von ihm Qoh. 15, 27)
in immer weiteren Äireifen vom Wittclpuntt 3eru-
faletn auS nid)t bloS bis an bie ©rettsen iianaanS,
fonbern bis an’S (5nbe ber ©rbe verbreiten au
fönnen; bennßhriftuS ift ber Heilanb ber ganzen
28eit unb hat ein Hers für bie ganze 9Menjd)hcit,
obwohl fein Volt feinem Herzen am näd)ftcn ftanb
unb ben 9luSgangSpunft feiner ganzen HeilSthätig=
feit bilbete (?loh. 4, 22).
II. ier ®. 9-11 :®o
er foldteS gefagt, alfo unmittelbar nad)biefen
bie ganze Srbe unb SMcnfcbheit, 3«f»nft unb 28elt=
gefebiebte umfaffenbeit SB orten erfolgt bicö i in m e U
f ahrt, bie nirgeitbS fonft im 9?. D. fo genau unb
aitfd)aulid)bargeftellt wirb nach ihrem boppeIten
Hergang: bem a I (nt ä h l ig e n Sicberhcben beS
Herrn „zufehenbS", b. h. fo baß man ihm eine
28eile mit beit 9lugett folgen fennte unb bem barauf
folgenbett p l ö fe T id)e n Hinaufgehobenwerben bureb
eine (lichte, 2Mattb. 17,5) 2Bolfe, bem fidjtbaren
Seichen ber perföitlidjen ©egenwart beS u itf idi
Digitized by v^ooQie
46
Sonntagfd) Injektionen»
baren ©otteb (2 üKof. 16,10). 51 iö f ic Um
nad)laben, aljo nod) währenb bieies unoer=
wanbten ©mporriditcnb ihrer 23lide ftanoeu awei
Männer bei ihnen, ohne Zweifel ©ngel, wab
fd)on in ihrem ploplidjen unoermerften Auftreten
unb 23erjd)miiiben, sowie in ben weißen Afcleu
beul alb Sinnbilb hintmliicber Feinheit nnb &ei=
ligteit (Offenb. 7, 13) ließt; beftdtigt wirb bieß
burd) ihre 23otfd)aft, bie neben einer fanften 2iü ge
wegen beb bejd)aulid)=untbdtigen 2fad)blidenb in
icl)iner 3 lid)cr 2M)inutb, ftatt beffen fie lieber mit
freubigem üRutb nnb rüitigem ©ifer an’S 2ßerf
ßeben sollten, bie herrliche 23 e r h e i ß u n ß ber fünf-'
tißen ficbtbaren 2Bieberfuuft bei Selben mdd)tißen
treuen nnb gndbigen ApeilanbS enthalt, bie ihnen
eben jn ihrer 2lutgabe 5L)iutb nnb Alraft Scheuten,
aber fie and) jum ©ruft unb thdtißen gleiß au=
Spornen follte. 2i3ie treu unb freunblich ift bod)
ber ©eüanb, fauni ift er fort, so ienbet er ihnen
fchon bimmlifcbe 23oten; fie Jollen willen, baß er
aud) im £>im mel ihrer gebeult, fie liebet unb für
fie forßt, ja baß alles, was auch burd) fie, bie ge=
riußen, oerachtcten jünger auf ©rben geschieht
in ber sichtbaren 2I3elt, leinen Ursprung in her um
fichtbaren bat, mo er iefet jelber wohnt unb aümdd)=
tiß wirft unb waltet, uubbafe fie unter feinem 3d)ufc
unb Segen ftehen!
111. $ab©ebet nm ben heiligen @eifl. ®. 12—
14: X)er O elberg, ber Sdjauplafe ber .'öimnieU
fahrt ©hrifti, wie einft feinet ©ebctSfainpfeb (üKarf.
14,26ff.), laß einen 3abbathweg=65tabien
ober etwas weniger als eine 2 Meile oou Scrujalem ent-
ferut; fein 2Biberfprud) mit 8 uf. 24,50, wo nur ßefaßt
ift, baß er mit ben ^ungern auf bem 23eg nach
SSetbanien hin, etwa 2 teilen oou ^erufalem
entfernt, ^ing, nicht aber bah er ßerabe unmittelbar
bort ßen Jpimmel fuhr, fowenigalS hier, baß bieß
fchon am Anfang beb ßanjen „Öelberg" genannt
ten ©öhenaugb gefdjah. ®er Söller (offenes
Obergemach), alb ftiüfter aurüdgeaogenftcr 23lafe
aewohulid) auch ber ©ebetbplafe, gehörte wohl au
bem &aub, baS fie fchon 3oh. 20, 19 ff. aum
23erfainmlimgSplab benufeten, nid)t aum X e in p e l,
wie man nad) 8 uf. 24, 53 meinen fönute, beim
borthin ßiiiß man blob in ben tdßlichcu ©ebetb=
ftunben; ba beim fid) enthielten (aufhielten),
b. h. jufammenhielten ohne fid) au aerftreuen, fom
bem fich einmuthiß mit ©ebet unb ziehen bereiteten
auf ben oerheißeneu ©eiftebempfanß. ®odj nid)t
in ftolaer 2 lbfd)ließung, beim au ben 11 21 p oftel n
(3Rarf. 16,14) fameu uod) bie anhlreicheu grauen
auS ber 2tad)folge ^efu ( 8 uf. 23, 49. 55. 24, 10),
worunter auch üK a r i a, 3 efuS 3Äutter, aubbrüdlid)
genannt ift ( 311 m lehteumal im 21. X.), unb feine
(4 leiblichen oerßl. uJiatth. 13, 55) 23rüber, bie
früher feiitbfeliß ßeßeu ihn ßefinnt ( 3 oh. 7, 5), jefet
feit ber 2 luferftebuug, wohl mit ben oielen 1 Sor.
15, 6 ßenannten 2lugenaeußen berfelben, gläubig
ßeworben waren, iebod) oon ben 2 lpofteln felbft
beutlich untcrfd)ieben finb. ©inmüthiß, beim
©inigfeit mad)t ftarf, finb fie beifammen in vlnbadü
unb ©intraht; burd) bie 21 nbacbt wirb bie Sintradjt
befeftißt unb ßeheilißt, burch bie ©intraebt bie 2 ln=
bacht erwärmt unb ßeftdrft; auch bie 21 poftel faiißen
ihr 2 Berf betenb an.
Sonntag, 14. 3an. Slpoftelgefdjidjte 2,1—16.
$>ie 5tuögic§ung öc« ^eiligen ©eifteö.
I. ®ie fenrigtn jungen. (23. l— 3 .)
®« 12. 3eit unb Ort: 2llb ber Xaß bet
23finßften erfüllet war = beim ©intritt be 3
iübijeheu 2 }finßfifeite^ be^ nad) 2 lblauf oou
oollen 50 Xaßen ooui Xaße n a d) bem 23 a f f a h
au ßeredjnet, ßebalteu werben mufete unb fomit in
ieuem 3abr, wo ©hriftiw am Xaß oor bem
2 >afjah alb au einem frreitaß ftarb, auf einen
oonutaß fiel, ©b heißt barum and) im 21. X.
„bab Seft ber 7 äßoeben", gried). 23entefofte,
b. b. ber 50. (Xaß), woraub unfer beutfd>er
2^ame „23fiiißften" abßefür 3 t ifi, unb würbe nur
©inen Xaß lang fabbathlid) gefeiert mit Seftopfer
unb 2 )arbriiiflunß oon 2 ©rftliiißbbroben auo 2 ßei=
jenmebl; beim eb hatte eine boppelte25cbeu=
tuiig: eine irbifche alb ®anffeft für bie im
^Morgenlaub fd)on an jenem Xaß nach bem 23affah
mit X)arbrinßung ber ©rftlinabgarbe (unbawar oon
ber auerft reifenben ©erfte) oeßinnenbe unb fomit
50 Xage fpdter bereits oollenbete (erfte) ©rnbte
unb eine ge ift liehe alb ©rinnerunßofeft an bie
in benfelben 2 )ionat fallenbe © efefege bun ß.
> 8 eibeS ift ioid)tiß auch für bab gleichfalls 50 Xage
nad) 6 hrifti 2 luferftehung ßefeierte unb fomit iebeb
3 aht auf einen 3 onn tag fallenbe ehr ift liehe
23fingftfeft, weil nun bie ©rftlinge oon ber g e i ft =
l i <h e n ©rnbte ©hrifti auf bem arofjen ©rnbte=
felb ber 2üelt (3oh. 4, 35) oon ben Vlpofteln bureh
bie 23efehrunß ber 3000 gefammelt werben; 23fina=
ften ift fomit ber ©eburtbtaß ber fidübareiu chrift=
liehen flirche alb einer &ird)e aller Sollet
COJiatth. 28, 19), wenngleich bie 2lpoftelßcjdnd)te
felbft aimddift (£ap. 2 — 11 ) nur oon ber juben=
chriftlidien 23rübergenieiube in Serujaleni, unb erft
fpdter (Atap. 12—28) oon ber (Stiftung unb 21 U&
breitung ber heibcn-chriftlidien ©emeinbe in 2 lficn
nnb ©uropa beriditet. X)ab in ber chriftlidien Ai irche
herrfd)enbe © e f efe aber ift nid)t mehr bao du§er=
l i d) e 23uchftabenaefeh, fonbern bab burch ben heili-
gen ©eift in bie fersen geschriebene innere ©e=
wiffenbgefefe (herein. 31, 33). SOßdren fie alle,
nehmlid) bie fdjon Itap. J, 14. 15 ßenannten, nicht
blob bie nunmehr nach ber SGBahl beb üWatthiaS
wieber oolladhlißen Slpoftel, beim biefe werben nach'
ber 23. 14 beutlid) oon ben übrigen 2lnwefenbcn
unterfchieben, (auch ld§t bie in S. 16 alb erfüllt
beaeid)nete SGeiffaauiiß 3oel 3,1 ff. bie ©eiftebgabe
nid)t alb eine beionbere 2 (mtbßabe nur auf ben
21 poftelfreib befchrdnft erfdieinen, fonbern fefet alb
©abe beb allßemeinen d)riftlichen 23 rieftcrthumb
einen weiteren Spielraum ihrer SBirffamfeitooraub),
einmüthiß bei einanber, ioie Äap. 1,14.
unb awar ohne 3 tueifel wieber in bemfelben Apa'ub,
wie bortnidit im Xempel, wie man anb ber 23.
15 genannten ©ebetbftunbe fchließen wollte, beim
bie ©eiftebaubgießung felbft muß biefem 3 eitpunft
fd)on ooraubgegangen fein, unb oor bemfelben
brauchten fie noch gar nicht im Xempel au fein unb
nach bem griech. 2 Bortlaut heißt eb: fie faßen
beieinanber, wdbrenb man beim ©ebei ftanb;
auch bie 23. 6 genannte „SKenge" bezeichnet nicht
nothwenbig bie Scftgdfte im Xempel, sie tonnte fich
Digitized by LiOOQle
Sonntagfdiul^ektumeti.
47
aud) auf einet geräumigen Stelle in bet 9tähe
oerfammeln.
8 . 2 : Der ä ugere 25 o r fl a n g: ©8 ge=
iebah f d> ix c 11 , plöfelicb unb unoerfehen 8 , alfo
au 6 für t'ic ba 8 ihnen £ap. 1 ,5 nur im allgemeinen
als nabe beoorftehenb angefüubigte ©reiguiü er=
wartenden jünger flän^ltc^ unoerinuthet unb über=
rafebent, ein Stabil feit, ein füefeenbee nad) 25.
6 auch fouft in ber (£>tabt oertummene 8 ©etöfe, ba 8
mir o erg lieben wirb mit einem gewaltig baber=
fabreuOen Sturmwinb. ©8 ift alfo nicht au
einen wirf lieben SBinbftog ober gar ßhrbftofuu
benten, fonOern an etwa 8 Uebcrnatürlkbe 8 , baber
«oom ßimmel“ ftommenbe 8 (oergl. Suf. 24, 49).
3 « biefem hörbaren Beiden unb üKittel ber
©eijteämittbeiUinj fouiint bann itod) ba 8 f i dj t =
bare bet feurigen Bungen: „man fab an
ihnen“ u. f. w. (25. 3) feilte eigentlid) beißen: e 8
erfdnenen ihnen (würben alfo oon ihnen felbft, nicht
oen Ruberen gefeben) 3 iingen wie oon fteuer,
b. b. nach oben fid) ipaltenbe „süngelnbe“ #Iam=
men, bie ficb oertheilten unb oon oben ie auf bie
©inseinen nieberliefjen, aber nur leudjtenb, nicht
btennenb unb oerfengenb, alfo auch hier wieber nid)t
materielle fteuerflammen, etwa 23libftrahlen ober
elertrifche ©rfebein ungen, fonbent benfelbcn nur
ähnlich. 2 Jeibe 8 finb alfo nur bie Präger unb
25orläufer (oergl. 1 $ön. 19, 11. 12) be 8 ®eifte 8 ,
nicht er felber, nur bie für Ohr unb 51upc oemehm=
lieben Offenbarungen feine 8 an ficb ftnnlidj nicht
wahrnehmbaren 2 Befen 8 , aber ihrer $atur nach mit
ihm unb feinen Söirfungen oerwanbt.’ (25er =
gleicbung 8 punfte: ber heilige ©cift wie ein
28inb (3ob. 3, 8) unbeareiflich unb unfaßbar nach
Urfprung unb Biel, nicht einsufchränfen in feinem
freien Sauf, wohl aber su erfahren mit feinen 8 e=
ben 8 fräften, erfrifchenb unb reiniaenb wie ein 8 uft=
hauch, aber auch nieberfchmetterno wie ein Sturm=
winb, unb wie ba 8 ^euer alle 8 oersebreitb, burefc
glühenb unb fdjmelsenb, aber auch erleuditenb,
enoärmenb, entjünbenb wa 8 ihm nabe fommt, unb
unaufhaltfam lieh oerbreitenb, fchon 2 3Bof. 3, 2
Snmbol ber heiligen ©egenwart @otte 8 .)
8 . 8 : ® i e innere 2 B i r f u n g :. © i e
würben alle ooll heiligen ©eifte 8 , nicht
Blo 8 theilweife unb ftücfweife wie fd)on bie Propheten
be 8 21 . Zz.t fonbern in feiner gaiuen Sülle ( 3 oh.
3, 34) wirb er ihnen su Sbeil, aucn nidbt blo 8 seit=
weife, wie bort nur für gewiffe befonbere Bwcrfe,
foufcern bleibenb a !8 bauernber innerer 2 Jeftb, ber
aber immer noch im 2 Bach 8 tbum an Srfenntnife
unb Bucht (^oh. 14, 26. 16, 3. 17, 17. 9töm. 8,
14) ebenfo nothig al 8 möglich macht.
II. ^rebigen mit aitberrtt (25. 4) ift
nun bie unmittelbare 55ol$jeäugerung ber empfange¬
nen ®eifte 8 fülle, ihre SKittbeilung felbft war bort
fchon unb ift beute uod) ein ftille 8 2 Biutber unb.
oerborgeneä ©eheimnih; aber wa 8 i n ner 1 ich oot^
gegangen, muß ftch auch äu§erlich funbtbun
^uf. 6,45), unb jwar sunädtft noch nicht oor ber
2Belt (bie „®?enge" fommt erft25. 6 ), fonbern im
gcfchloffcnen Alrei 8 ber ©leichgefinnten, in ber „®e=
meiube ber ©laubigen“ felbft, baber auch ber © e =
gen fta n b icneS 9leben8 sunächft noch nicht al 8
ein eigentliche^ „25rebipen" unb belehren, fonbern
al 8 ein Cohen unb greifen, ®anfen unb Sefennen
SU benfen ift. ©einer Sorm nach war e 8 wie
6 ff. beutlid) seigt, ein 9 teben in einer 9Kanchfal=
tigfeit, oon oielen ihnen bi 8 ber felbft fremb gewe=
fenen n e uen ('üKarf. 16, I7)©prad)eit im Un=
terfdueb oon ber ihnen allen gemeinfamen unb
woblbefannten galiläifdjen s DhuWart, wobei aber
nid)t an eine oon iefet au unoevlierbare ober ooll=
ftänbtge gelehrte Afenntnifj berfelben ober gar aller
Spradjen, etwa sunt B'oecf ibree fünftigen W\ f=
|ion 8 beruf 8 , fonbern wobl nur an einseine be*
geifterte 2 ßorte unb 2 lu 8 rufe augenbli(flid)er ©nt=
südung su benfen ift; banbeite e 8 fid) bod) iefet
nod) nid)t um 3Kittbeilung an bie erft fpäter
(25. 6 ) berjutretenben Srembliuge, wosu übrigen 8 ,
ba aud) fie alle sur 3 ubenfehaft gehörten
(25. 5), and) fchon bie iübifche Sprache allein
au 8 gereid)t hätte, fonbern nur um ba 8 2 luöfpre(hen
ihrer eigenen ßrfabnmg unb ©timmung; su-
gleich alb Sin itbilb, wie ber heilige ©eift $erj
unb SKunb reinigt unb heiligt, Seele unb Sippen
sugleid) weiht Qef. 6 , 7.), fo bah fie nun eine neue
©pradjc reben: ftati su flud)en, beten, ftatt su
läftern, fegnen, ftatt Sügcn bie SBabrbeit, ftatt.
Sd)mähungen freginblid)e 2Borte reben, ftatt su
(lagen, loben, unb ftatt su murren# banfen, aber
and) alb 25or biIb, bah einft in ber gansen ge^
heiligten 3Kenfd)heit alle Nationen, Sprad)en
unb Bungen ®otte 8 fKubm oerfünbigen follen
(25hil. 2 , 11 ), fo ba§ burd) biefe Sinigung ber
Sprachen ihre einftige Verwirrung unb 3er=
theUung (1 3Rof. 11, 9) wieber aufgehoben ift.
III. $ic Sßirfunß ahf’8 8olf. 8. 5-13:
©d)ilberung be8 gemifchten ©inbrud8 be8 25. 4
enannten auf bie in Serufalem anwefenben 3 u-
e n a u 8 a 11 e r l e i 8 ä n b e r n , fo besetdmet in
Unterfd)ieb oon ben 25. 9 gleid)fall8 angeführten
eingeborenen ©inwohnern 3ubäa8, alfo au8=
länbifche 3uben, bie theil8 nur oorübergehenb wegen
be8 Sefte8 (5 3Kof. 16, 16) ficb bort eingefunben,
theile, um bem Stempel immer nahe su fein, fich
gans bort angefiebett hatten („su Berufalem w oh 5
n e n b“). ©d)on bteß beweift, bafe fie in SBahrheit
g o 11 e 8 f ü r d) t i g e 9N ä n n e r waren, oerlangenb
nad) ©emeiufdbaft mit ©ott unb empfänglid) für
alle basu bienenben ^pilf8mittel, wenn gleid) ihrer
eigentliä)eu ^eimath nach ftrembe a u 8 allerlei
25 o l f, b a 8 unter b e m ß i nt m e l i ft, b.h.
au8 ber faft in allen Säubern oer ©rbe oerbreiteten
iübifdjen ®iafpora („Berftreuung“ 3oh. 7,35), alfo
ein oolf8thümlid) übertreibenber 2lu8brud wie ©ol.
1, 23. 2?erheijieii war e8 aber fchon feit 5 2Nof.
30, 1—6, ba6 ©ott fein 25olf au8 allen Sänbem ber
©rbe wieberholen unb sufammenbringen werbe, unb
bieß ift fchon hier bem erften unb triftigen Anfang
nad) erfüllt. Sie würben o e r ft ü r j t = rath=
lo8, oerwirrt burd) ben wunberharen 25orfall, b a
fie höre ten, ein 3 cg lieber, baß fie (bie
3ünger unb ihre ©eitoffen 25. 4) mit feiner
Sprache rebeten, nicht al8 ob fie alle sutnal
unb gleichseitig alle biefe oerfd)iebeiten ©pradjen
gefprodöen hätten, benit fonft hätte 92iemanb etwa8
Atlare8 unb ®eutlid)e8 oerftanben, fonbern ber ©ine
in biefer, ber 2lnbere in iener, alfo in grofeer 3)iand)-
faltigfeit unb 2lbwed)felung, nacheinanbcr unb im=
mer nur fürs in wenigen Sähen, bie aber wie oer=
fchieben geftimmte ©)loden in eine einsige grofee
heilige ßarmonie sufammenflangeit, wenn aud) in
maud&faltigen Sauten, bodj mit bemfelben ©runb^
Digitized by v^ooQie
48
Sonntagfd)uU|ektionen.
ton, bem 8 ob@otte 8 unb feiner iefet eben gefchehenbeit
herrlichen 3; ha teil ( 2 $. 11 ). 9ln bie ©teile ber
anfänglidtcn Beitürsung tritt halb ein b opp e lte§:
oermunPertes ©ritauncii, ia ©rfdjrerfen, baä fid> bei
ben teilten in evnülicheo SJadibenfeu oermanbelt,
theils aber and) bei auberen leidjtfinnig megmer-
fcnber-Spott (23. 13); 23ermirrung unb ©ntfefecn
ift fpraddo^, crft alä eä in 23ermuttbcrung unb 6 r=
ftaunen übergeht, foinmt e3 su 2 Bortcn unb fie thcU
len einander ihre SJluthmafmngcn über biefe$ ihnen
pöllig unbegrdfluhe mit, gleidtfam ©iner Pont 9ln=
beru duffdduB begebvcitb, mie eä beim möglich fei,
baff bieje 91 Ile, bie fie bod) flau* gut afö 2 ln=
banger 3 e)tt poit SJasarcth unb fd)on an ihrer
SRunbart al$ ©altläcr crfaiiitten (SRatth. 2 6j
71. 73.), unb von beiten fie red)t mohbmtifitcn, baB
fie ungelehrte teilte unb Saien umreit ÜWap. 4,13),
fo fprecbeit fotincn. ®ic fßarthcr, 3Mebcr
unb Slamiter toohnten im fernen Cfteit Pon
Elften, bann fomint v D?e fopotaittie it smifcbeit
Suphrat unb Sigrid, unb tum ba nach 28eftett
herüber 3 ubäa, Poit hier itad) korben hinauf
ÄappaDocieit, $ontu£ tittb 9lfiett (iMcitt=
afien), unb micbcr itad) O ften stirütf 23 hrpg tett
nttb 23 a nt p btt l ie n ; ferner über’ö SMeer hinüber
in 9 lfrifa bas uralte ©gppten unb bie ©ebicte
pon (Ober ) 8 p bien mit berOauptftabt & preitc,
eitblid) aus ly uropa bie 2 (usläitbcr tum Siotn,
100511 noch a 1*5 2 ?crtreter ber fernen Unfein (ocrgl.
Beph. 2, 11. 3ef. 51, 5) unb .s>albittfelit itod) bic
Jlreter im fernen 2 Bcfteit, unb bie 9lraber im
äufierften Süben, alfo attfjer Reiben auch bie
Ähncn ber fünftigen SMuhatnmeban er, unb
neben Söhnen 3fvaclä auch Äinber 33tnael3 gc-
naiint fittb, fie alle alfo theilb geborene 3 ubeit,
theilb erft au3 bem Ocibeitthunt su ihnen überge^
tretene 3ubettflcitoffen (23rofelpten). 28 ir
hören fie u. f. m. bebeutet itidit etma nur ein
0 ürmuttber, b. h. bah bic fHebenben jmar ihre
eigene 9}hinbart gefprod)en, bieBubörer aber bie
ihrige $tt peritehmeit geglaubt hätten, ma3
fdjlicftlich auf eilte blofse Säufduntg hiitauäfämc
unb übcrbicB nid)t ntinber uuittberbar, afö ein
cigeittlid)e3 3 ptachumnbcr märe, fonbern mas
biefe hörten, al3 fpredteu jene auch um r f l i cb, nehm^
lieh eine ihnen fclbft frembe Sprache. Mit
uitferctt Bungen, suerft fällt ihnen alfo biefe
eigenthümlicbc jorttt auf, Dann aber auch ber
nterfmürbige 3 tt h a 11 , begleichen fie noch nie au3
SRenfiheitittunb pcrnommeit hatten, beim bie „gro =
6 ett Xhaten (Sottet fiitb feine gemöhnltchcn, fon=
bem eiaenthütnlichc, cinsigartige, bie „©rofjthatcn"
3chooa*$ (23falm 71, 19). 23 a 3 mill bod>
ba 3 merben? mörtlid): ma$ föitnte bod) ba3
fein molleit ($it bebcutcu haben)? 3 ut 3 ntterfteit
getroffen ooit biefem auBcrorbeutlichcn ©reignife, unb
lichtbar bemegt Pott bem auftcrorbcutlichcn ©iitbrud
ber ihnen oöllig uitcrflärluhett, aber bcbcittfatnen
Shatfache, bie fie meber läuatteit fönnett, itod) mol=
len, fteheit ihr bic 9 (ufrid)tiggefiniiten mit ehrer=
(nötiger Scheu gegenüber in ftillcm Sclbftbefinncn,
ober ernftem Sraacit nach ihrem perboraenett Sinn
ober ihrer möfiiidjen Jyolac; bie ßcidttfittniaen,
©tcid)ailtiacn ober Scinbfelifleit aber perfd)lieBeit
fiel) acmaltfam ber aöttlichen Offcitbarunfl, gichcit
fie ihrer eigenen itiebriaett S)eraen^aefinnuiifl aemäB
in’^ ©emeine herab unb ßteifen aur SBaffe be^
Spottet unb mohlbemuhter, abfichtlicher, falfcher
Berbächtiamtfl unbi'efchulbifluitfl; att Reiben erfüllt
fich 1 2Setri 4, 14.
IV. ite $crt4ttß!tttQ M Vctrntf. ®. 14—16:
2 lud) hier ift Petrus ber SteUoertreter unb Stimm¬
führer ber übrigen, in bereu Stauten er mgleiÄ
rebet. ©r hob auf f eine © ti tu me, feierlich,
in ber gcmiddigtit SBürbc eitteo 9 lpoftelö, um bem
Spott ber ©inen ju begegnen, unb bie ttachbettf-
lid)e Srage ber9lnbertt 311 beantioorten; hierbarf
utib fann er iüd)t länger mehr fdnoeigeit, gegenüber
einer folchcu boshaften äJcrläugnuitg nicht etma nur
ihrer eigenen $erfon, fonbern ber2>crfoii unb Sache
©hrifti unb feiner gantett ©emeinbe. (5r redufertigt
fie gegenüber fokher 8äftcruttg smar iit mufterhafter
Ä ürae, ba er feine ©egner mit ein paar 9Borte
abfertigt, fein nad)hcriges Beugiti§ pon Shrifto aber
mehr als 20 Berfe füllt, unb mit meifterhaftex
Stube, ohne Schelten unb Berbantmen, fottbertt
im ©eift tnilbett ©rbarmens unb äd)t epangelifcher
Siebe, bie ohne ber SBabrheit etma^ au pergeben,
bod) amh biefe erbitterten ^eittbe tto^ aus ihrer
traurigen Berblenbuitg retten unb für ©hriftum
geu'inuen möchte (Daher aud) bie freunblich ehrer=
bietige 9lnrebc: „3hr 3ubeit, lieben 3)iänner"),
aber bod) neben aller Schonung, bie aunädtft nicht
ba^ Uttmahre unb Ungered)tc, fonbern nur bas Un=
gereimte ihrer 9lusfage att’s Sicht fteüt, mit fchla=
genber ©d)ärfe: ®icfe (b. h- ich, meine 3)M'
apoftel unb bereit ©eitoffen) ftttb ttid)t trunfen
je. k. ®ie britte © tuitbe ift 9)?orgeitS 9
Uhr, mo felbft ein unorbentiieher 50^eitfd) ttod) am
cheftctt nüd)teru ift, basu bie erfte ©ebet^ftunbe,
gleichseitig mit bem 9)tcrgenopfer im Stempel, oor
loeldter man, sumal an fjefttagen, ttidttä getiiefeen
burfte; auherbem fatttt ia ein Struiifcner nicht eitt=
mal feilte eigene Bunge mehr regieren, gefdmeige
beittt in frettiben Bungen rebeit. ©ottbertt baS
ift’ö u. f. m. = in biefettt ©reignth, ba$ freilich ihr
in eurem Unglauben auch nicht attberä beuten föniit,
ai$ burd) fiitnlofe ©eraufAung (oergl. 1 ©or. 14,
23), ift oiclntchr erfüllt, ma^ bttreü bett Propheten
3oel aupor (por bereits 900 3abren) gefagt ift.
©ine 'Begeiferung ift alfo freilid) ba, aber nid)t
jette f a l f ih e fleifddicbe, bie ihr „mähtiet", fonbern
bie mahre burch ben fchott lättgft Perheihenett
heiligen ®eift, sugleid) alfo auch eine SrfüUuttg
Poit ©pb. 5,18.
Sonntag, 20. 3an. Äpoftelgefchichte 2,37—47.
Xtc (gläubigen.
I. €ntffe 0ttther. ®. 37—40: ®te 28 tr!u tt g
ber erfte tt 23 fiitgftprebigt (23. 14—36) mar
eine burd)fcblagcubc, bem gröBten Sheil ber Bn
hörer ging fie buvdi’S .Oers, b. h. fie gab
ihnen befoitberS burd) beit Stachel in ihren lebten
28orteit einen fcbmerslid^oermiiitbcttben Stid) iit’S
Oers unb baS foll and) heute noch bicSBirfutig ieber
ächten fßtebigt fein, nid)t bah fie nur in’s Ohr, aber
aber am Oersen oorübergeht, mie ein perhaUeuber
Slan^, auch itidf bloS über baS OetJ hin, mie ein
fchmeichelnber 2Binb, ober eine ftreichelttbe Oanb,
fonbern in’S Oers hinein unb burth’3 Oers hittburch,
Digitized by v^ooQie
SonntagfdjuUfektioneiu
49
wie ein ^lufenbcv ©life ober ein fcharfeS Schwert
(Öebr. 4, 12), nicht blo$ ben Verftanb befdjäf-
tigenb ober befriebigeitb, aud) ntdit bloSbaS©c =
fühl anreflenb unb auftegeitb in flüd)tiger ober-
! läcfclid)er Shlhtattö, fonbern ba$ © e ro i f 1 c n tref=»
eub unb ben ©3 i 11 eit fräftig erfaffeitb# fo bafe es
jubem bimhgrcifettben erlitten Vorfafe unb enb
tcbiebeneit Sittfchlufe fommt, baS waS iefet
©otteS JBide an bie Seele au ihrer Srrettung itt,
auch mirflid) au tbun. ®iefe innere ©ercitfchaft
aeigt fid) in ber oott aufrichtigem 3utraueit gegen
bie äpoftel unb tcblidicm Sifer um bie eigene Se*
ligfeit aeujjeitben Stage beS tiefften unb beutlidj
ernannten £>oilibct>ftrfniffe3: „2BaS joden loir thuir'
u. j. ui. SBoriit aber augleid) and) fd)on ber Äeiin
beS ©la ubenS unb ber Hoffnung liegt, bafe ©ott
auch ihnen nod) oergeben unb auredjtbelfen fönne
unb wolle, VetruS aber fprad) jc. ®amit
aeigt er Dem bereite Srnpfänglidjcn unb Gmoccften
ben eoangeltj d>eit ö ei IStoeg mit einer bop^
gelten gotberung unb hoppelten 93er =
hct§nnex: 1. Sr ocrlangt a) in itere fittlidje
Umfehr(©ufee), aber auch b) äußeret ©efennt-
nife au Shrifto unb Verpflichtung autn ©lattben unb
©ehorfam gegen ihn, ben eben noch oon ihnen 33er*
jehmähten unb oon ^jrael Verfiofeeiteit unb Ver¬
worfenen (Saufe), alto wefentlich nichts anbcrcS,
alS waS auch fchon 3ohaitite3 bet Saufet unb 3efuS
felbft (ÜKattl). 3, 2. 4,17. Matt 1, 15) alS erftc
©eDutgung aumSintritt iit’3 &immelreid) aufgeftellt
batte, benn ohne ©ttfec unb ©laubeit bleibt bie
Saufe ohne Äraft, fjrncüt unb Segen. 5lber 2.
«verfpridjt er ihnen auch »)bic Vergebung
oerSunbc unb alS mit ber Vcrföhnung
unmittelbar alS ifraft unbSrlöfuitg uttb föeU
ligung oerbuitben; b)bie©abc be$ heilt'
aett ©elftes, alfo biefclben, welche bie 91 poftel
fchon empfangen haben, bie aber and) allen Sl n *
beren ohne Uuterfdjieb (V. 17ff.) gilt, aundchft
freilich ben 3ubeit alSÄittberit beS ©unbeS unb
ber Verbeifeuitg (3,25), bei benen baher and) beren
Srfitdung ait fangen fofl(8uf. 24, 47) unb aioar
nicht blol beit iefei Sebeitbeit, foitbent auch ihren
SRadrtommeit bis auf bic fpäteften ©cfchleditcr, weil
biefelbe nicht bloS für ben gegenwärtigen 5tu=
genblicf, fonbern audj für ade 3 ,ufun ft gilt, bann
aber auch allen Völiern (©cibeit) in ber gerne,
b. b. bie äitfeerlidj uitb innerlich ©ott noch fern unb
fremb jtttb (ocrgl. Sph. 2,12 ff.). Sie hat alfo
bie umfaffenbfte ©eftimmung für bie g a it s e ©Seit
unb ihre fünftige ©cfdndjte, uitb ift weber rdumlid)
noch acitlich bcfdjränft; and) baS fooicl ihrer
u. f. io. fefet ntd)t bem Umfang ihrer 2Birffamfeit
©tenaen, etwa intSiitit ber uitoibüfchen Sehre einer
ewigen Srwdhltutg nur c i n e S S h e i l $ ber
SSenfchheit }i\x Seligfcit, foitbent beaeidmet nur beit
orDttungSmafeigen Verlauf in ber Verwirflidjung
beS allgemeinen göttlichen $eil3rathfchluffeS,
fofern nidht ade Völler ober Siit.aelne auf einmal
auglcicb, fonbern ie au ber ooit ©ott vorherbeftimm=
teri 3cit berufen werben, ©eaeugete er unb
ermahucte, weilet mitSRedtfauf eine fofortige
unb oödige Veränberuitg ihrer gaitaen bisherigen
du&ereii unb inneren Stedung bringen muhte unb
Daö Sifen fcfjmtebeit wodte, fo lang eS warm war;
hoch ift auch biefe im Unterfdneb oon ber Antwort
3ohanniö be3 SäuferS auf biefelbe grage (8uf. 3,
10 ff.), hiev ed)t eoattgelifdi, ltidit au eiuaclne äufeere
3 *orberuiigen unb eignen oerbieitftUche Seiftungeu
burd)Uebernahme ooit aderlei ©efebcSwert gcfuüpft,
überhaupt nicht fowohl alS ein harter grohnbietift,
fonbern vielmehr alS eilte SBohUhat, alS heilfame
©efveiung unb Srlöfuitg bargeftellt, au bereu frei¬
williger Sin nähme fie blob freimblid) aufgeforbert
werben: Saffet eud) helfen x., nehtnlid) bitrch
ShriftuS, alb eittaigen £>eilanb (Ätap. 4, 12). ®ie
©itabe ift bie rettenbe 2Wacht, ber fich ber SHcnich
nur aufrid)tig htnaugeben unb oollftdnbig au über-
laffen hat; aderbingS aber muffen jeticSHcubefcbrtcn,
um an bie ©emeiitbe fich anfchliehcn au
föititeit, auoor oon ber SBelt innerlich unb äufjer^
lieh ftd) a uS f d) l tefjen (3er. 15, 19. 2 Siin. 2,
19), um.wirflid) ein 9JeueS beginnen au feinten,
mit bem Slltett oodftdnbig abfd)lie§eu uitb
brechen, beim wenn man in beit gefdhrlidjen Striefen
uub Schlingen oerführerifdjer ©efedfehaft hangen
bleibt, fann ®otteS®eift nichts Rechtes, ©leibcnbeS
wirfeit.
II. SröhUihe gittber. ». 41-43: 5» a h nt e n
baS SBort ait, biefer erftaunliche Srf olg oon
©etri Vrebigt ift bie ßrfüdung unb baS ©egenbilb
von Suf. 5,4—10. ?ln iettentSage,b. h. im
Verlauf bcrfelbcn würben fie und) uitb nadi ooit
ben 12 aipoftelit gemd§ bem ©efebl ßhrifti SOtatth.
28, 19 burd) bie Saufe, worauf bann ttodi weitere
©elehrung unb nähere Ünterriditung au folgen hatte,
ber ©emcinbe eitiocrleibt, h t it a tt g c t h a n alS ihr
erfter 3itwachS, natürlich burd) freiwilligen
9 Xnfcl)ltt6, womit abernüht gefagtift, ba§ bie gattae
wSKenge" (V. 6) belehrt würbe, j. ©. fchwerlid) bie
V. 13. ©enanntett; weil fürbic©läubiggcwovbcnen
baut alS bie Saufe giißlcicf) and) ein du feer lieh
evfenitbarer, entjeheibenber Schritt auS bem 3ubcit=
thum iit’S Shriftenthum war, fonnte auch ihre Suhl
angegeben werben.
42 beginnt ttadt beut du feeren 3uwadj§
bie innere ßntwidfung unb SebcnSentfaltuitg
ber erfteit Shviftettgemeinbe itt ©cftalt einer ettg=
oerbunbeiten unb ftetig aufammetthaltcnben ©anS=
genoffenfd)aft: fie (bie 3000 V. 41) blieben
oom Vfutgftfcft an beftänbig in ber Slpoftel^
lebte, worein fie ia bisher erft wenig eiiigcfübrt
waren, tim nun auch barin au wadifen (2 ©ctrt 3,
18), unb in ber ©emeittf chaf t mit ber fchon
vorher befteheitben ©emeinbe im engeren Sinti (1,
13 ff. 2, 1 ff.), unb im ©ro tbr cd)en bei ben
pemeinfchaftiicheit 8 iebeSm a hlen, an bic fich
tn ber erften 3eit wohl regelmäßig nad) bem Vor-
bilb beS lefeten 5KahleS 3efu mit ben Seinen auch
bie Seiet beS 51 b e nb nt a b lö anfcblofe, unb aumr
in ihren eigenen Käufern (V- 46), hinter ver=
fchloffenen Shüren (wie 3oh. 20, 19. 9)?arf. 16,
14), alfo alS nach innen ^ufammengehörige, nach
außen abgefchloffene Samilten, unb im ©eb et.
®ie awei aulefet genannten ®iitge ftnb befottberS
hervorgehoben alS bie beibett ©auptftüde unb©aupt=
mittel chriftlicher ©cnteinfd)aft, wovon baS eine mehr
leiblicher 9lrt auch mehr bie dufeerlidje, baS attbere
rein innerlicher 9?atur bie geiftige ©emeinfehaft unter
eiitanber (Vhil. 1, 5. 1 ©etr. 2, 17. 5, 9) itttb mit
bem ^enn bezeichnet; nimmt man baau and) noch
baS erfte ©lieb, fo erhält matt bic auch heute noch
wichtigften ©runbbeftanbtheile adeS chriftlichen ©c
meinbelebeuS: Vrebigt, Saframent unb ©ebet.
4
Digitized by v^ooQie
50
SonntagrdjuHMtümen*
Bei leßterem ift nidit bloS an bie beftänbige SEheik
nähme am öffentlichen ®otteSbienft bnrd) fort=
bauernben SEempelbeftich (2?. 46) subeufcn, fonbern
auch an BtioaterbauungSftunbcn unb ©ebener*
fammlungen bähe int. (SS !am au cf) bei ben
noch außerhalb ber ©emcinbe ftehenben 3uben in
3erufalem allen Seelen furcht an in golae
beS wunberbaren BftugftereigniffeS unb ber plöß=
liehen aber grünblühen Belehrung fo oieler Seelen,
fo baß fie einen gewiffen Mcfpeft vor biefen ßhriften,
aud) wenn man fie noch geringfehäfeig bie „Sefte
berBasarener" nannte (24,5. 14. 28,23), befamen,
wogu namentlid) auch bie nod) weiter folgenbeit, hier
aber nicht im Sinselneit berichteten 3etd>en unb
SBunber butdj bie 2lpoftcl beitrugen, in benen
man fidhtbar ben Äittger (Sottet erfennen xnußte,
unb woburch baS ftille SEBachSthum ber ©enteinbe
oor Störungen burdj oorseitige Berfolgung gefiebert
war unb bewahrt blieb.
III. Die Kinigfnt ber ©lättbignt. ». 44-47:
3 efet erft ift bott ber ©efamm tgemeinbe im
weiteren Sinn (bem ©runbftamm unb ben 3000)
bie SRebe; fie waren beieinanber, natürlich
bei ber and) nadj 2lbsug ber geftgafte immer noch
großen 3ahl nun nicht mehr in einem emsigen Sofal,
fonbern in mehreren familienartig jufamrrenleben-
ben, burd) Sinheit beS ©eiltet unb brüberlidte Siebe
in SRühtung unb ©eftnnung eng oerbunbenen @e=
meinfcbaftSgruppen; un!b hielten alle Xinge,
bie bisher bie ©inseinen alS Briuateigcntbum bc=
feffen, gemein alS Sigenthum beS ©angen, burd)
Berfauf ber liegenben ©üter unb fahrenben $a be
unb Bertheilüng beS ßrlöfcS unter bie '©efi^lofeit
ohne Untcrfchieb, aber mit SRücffidjt auf baS teweU
üge Bebürfniß („nadjbetn 3ebem 92oth war"). XieS
ifi alfo bie fog. © ft tergemeinf ebaf t ber
2lpoftelseit, nicht alS gefeßlidjer 3waug, fonbern
nur al3 allgemeine, aber freiwillige Sitte, nicht
überall, fonbern nur in 3,crufalem eingeführt, nicht
eine unchriftlübe, wo eS gilt: „waS bein ift, baS ift
mein," fonbern eine chriftliche, wo eS heißt: „waS
mein ift, baS ift bein" (nach Hap. 20,35), bie 2MeS
in ben Xienft helfenber Siebe ftellt, weil fie auf ben
©eift ber Siebe gegen b i e 2t r m e n, nicht beS
© a f f e S gegen bie Speichen ruht, wie ber
moberne Kommunismus, unb wie fie nur im Steuer
ber erften Siehe unb in einem oerhältnißmäßig noch
{(einen HreiS möglidtr ia bei ber Erwartung ber
nahm 'IBieberfunft Khrifti fogar natürlich war
(Su!. 12,32ff.), für «nfer ießigeS gemifchteS nub
oielgeglieberteS Staatlichen aber ficb oon felhftoer=
bietet, wcnigftcnS ber äußeren Sonn nadj, wie-
wohl ihr ©eift ber2t ädjftcnliebe unb Selbft*
o e r l a u g n u n g auch heute noch baS einzige ©ei U
mittel für bie focialen Schaben ift. ©etragen war
fie vor allem oon lebenbiger ©otteSfnrcht: fie
waren täglich unb ftctS beieinanber im Xe m p c l
(Suf. 24, 53), b. h. wohnten regelmäßig su ben üb=
liehen ©ebetSftunben bem gewöhnlichen offen t =
l i ch e n © o 11 e S b i e n ft bei, baneben aber aud)
bem BrioatgotteSbienft, namentlid) bei
ben SiebcSntahlen hin unb her in ben Käu¬
fern, bie hieburd) su „©ütten ©otteS bei ben
3Renfchen" geweiht würben; iebenfallS hielten fte
baS ch r i ft t i ch e 2lbenbmahh baS mit bem i ü =
b i f (h c n Opferbienft nid)tS gemein hatte, nur hier. I
XaS „nahmen bie S p e i f e" besieht fich 1
gleichfalls auf jene gemeiüfanten 3Rahheiten, wobei
eS oermöge ber reidjlid) geübten ©aftfreunbfehaft
unb ©ütergemeinfehaft aud) ben 2lcrmercn nid)t an
ben nöthigen SebenSmitteln fehlte; unb gwargeiebah
eS mit 8 o b © o 11 e S unb freübigem Xaitf (5 äRof.
8 ,10), ohne Hoofhängerei 11110 in ©ersenSfreubig=
feit (Bfalrn 34,9) auch ben leiblichen ©enuß
weihenb su einem g e i ft l i ch e n Segen (1 Stirn.
4, 5). Sic hatten ©nabe bei bem gati=
s e n B o l f, wohl aud) bei ben „Oberften", in golge
beS wohltbuenbcn (SinbrucfS ihres gottfeligen, ehr=
baren unb frieblich - ftiüen SebeitS (lXim.2,2);
aber auch © 011 läßt fid) 11 übt uubegeugt an ihnen,
fonbern bie ©enteinbe täglich fiel) mehren,
ihr SBachSthum hört alfo mit bem Bfiugftfegen
nicht auf, fonbern geht, wenn aud) in fleinerem
SRaßftab, bod) um fo ftetiger fort, nicht als natür=
liehe Kntwidlung ber eigenen SebenSfraft, fonbern
als BUrfung befonberer göttlicher ©nabe.
Sonntag, 28.3an. Slpoftelgefdjidjte 3,1—11
SBunberBare -fjeilfraft.
I. brr Xhüre bc# Ztmptlü. ».1—5: Stuf
baS erfte Stooftelwort, Betri Bfingftorebigt, (2.
14 — 36) folgt bie erfte 2loofteithat, Bern
2Bunberhcilung, alS befonbcrS heroorftcchenbeS ä9ei=
foiel ber Hao. 2,43 genannten 3cid)en. BetruS
unb SobauncS, ber 3Rann ber rafchen 5that unb
ber beS tiefftnnenben ©ebanfenS, in ber erften 3eit
ber cbriftlidhen Hird)e oor Berufung beS ©eiben^
aooftelS BauluS als ©auotaooftel ber 3uben
neben 3 a f 0 b u S auftretenb (®al. 2,9), gehen audh
bier©aitb iit©anb sufamnten, wie einft 3efuS feine
jünger „su 3^'eien" gefenbet hat©Rarf. 6,7). CDie
Hab. 2, 44 oon ber gangen ©emcinbe gerühmte
Kinigfeit geigt unb beftätigt fid) auch am 3ummrnen5
halten bieferBeibeit. Um bie 9. Stunbe, 3Uhr
9?ad)inittagS, bie lefete ber nad) ©anielS Borgang
(®an.6,11) gewöhnlichen brei täglichen ©ebetS-
ftunben sur 3eit beS 2lbenbobferS (43Rof. 28,8),
welche auch bie 2looftel gleich ber qansen übrigen
gemeinbe (2,46) nod) einhieltcn. ®tefer su 3cru=
falem fdion über403ahre lang (4,22) lebenbe unb
barum allen wohlbefannte (2,10) 9Rann, lahm
00 it SRutterleibe, würbe als ber allgemeinen
302ilbthätigfeit bebürftig, an einen öffentlichen» oiel
befudden Blaß getragen, um bort fid) feinen 8ebenS=
unterhalt su erbetteln, eine nicht bloS bamalS üb'
Ud)e 2Beife sur Berforgung foldjer Hrüoocl ©gl.
Suf. 16,20), gegen welche bie 2,45 beseichnete ge=
orbnete 2lrmenfürforge ber ßhriftengemeinbe oor=
theilhaft abfticht. 21 n beS SentoelS Shür,
gemeint ift weber ber bei ^erftörung ber Stabt burd)
bie Babolonier mit sertrummertc falomoni jd)e,
noch auch ber nach ber babnlonifdjen ©efangenfebaft
an feiner Stelle burd) Serubabel neuhergeftetlte,
fonbern ber nach Abbruch beS leßteren oon ©ero--
beS bem ©roßen größer unb otächtiger benn ie
fchon oor mehr alS 50 3«hren begonnene (3oh. 2,
20) unb erft fürs uor Eroberung 3crufalemS burd)
bie SRömer ooüenbete Stempel. Xae „fchöne Slhüre"
war baS in ber 9?äbe ber ©alle SalomoS (B. 11),
"ütgttized by Googk
(Hjronik ber ßegenwart.
51
wo audj Ver SEempelmarft ftattfanb, alfo nach
Often ju gelegene aus! lorintbifcbem Srj gebübete I
unb mit SUiengeflecbt iit getriebener Arbeit ge-
fcbmücfte (Daher aud) Pforte ©ufan" = Lilien-
tbor) genannte SEbor ber Ricaner, Das vom äu§er= !
itcn Xempelraum nach bem ittbrontbal hinan#
führte. ®afj fic wollten gum (eigentlichen)
SempeKgebdubc) bineingeben, nämlicb vom
Borbof ber ©eiben au# über ben Verbot ber 2 Bei=
ber. Betru#, auch hier wieber allein rebenb uub
baubelnb, wäbrenb ^obanite# fdnueigenb jur ©eite
jtebt, jab ihn au mit bem Bltcf bef Dtttleits
unb bet erbarmenben Siebe um 3efu willen, nicht
fteU unb veräcbtlid) wegfebettb, audj nt(f>t blo#*
oberfldcbüd) unb gleichgültig über ihn binfebenb
ober geringfehäfeig auf ihn berab, fonbern fo, bah
ihm ber gaitse elenbe 3 uftanb be$ ©ülflofcn au
©er$en ging, gcwi& audj fein aufälligcr, fonbern ein
burd) befonbere Eingebung be# heiligen ©eifte# ver=
anla&ter Blid, wobttrd) er inne wirb, bafc beute
©ott bitrcb ihn etwa# aitfcerorbentlicbe# wirten will
(vgl. 14, 9 unb 3ob.9,1). ©iehe unb an; er
batte alfo bei feiner gewohnheitsmäßigen Bitte
nicht einmal aufgefdjaut, iefet foll eine innere
Sammlung feinet ©emüth# bewirft, feine 2 luf-
merffainfeit auf bie 2 lpoftel gerichtet unb er burd)
Slnbabnung einer perfönluben Beaiebung 31 t ihnen
auf bie bevorftebenbe SBobltbat vorberettet, juglcich
aber and) bureb einen offenen Blid geprüft werben,
ob er für biefelbc wütbig unb empfänglich fei.
3)aß er Etwa# » 01 t ihnen empfange, er
benft alfo blo# an ein reichliche# 2 llmofen, ba# ihn
melleicht für immer oon aller Both befreien unb be#
weiteren Betteln überheben würbe, aber e# wirb
tbm etwa# oiel ©errlid)ere# unb awar ungefudjt au
Jheil.
II. $ie ©cilnitg felfcft. 8.1—11: Silber unb
@olb u. f. w., um bid) fo, wie bu beitfft, von bei¬
nern äRaitgel 511 befreien. @0 muß auch im# ©ott
oft unfere eigenen 9Renfdjengcbanlcn serftoren, ba-
mit wir feine ©otteSgebanlen verfielen, unb oft
alle 2 liiSfidjt auf Sßenfchcnhülfe nehmen, bah wir
um nad) feiner viel befferen ©otte#btlfe fehnen ler¬
nen. 23a3 idj aber habe u. f. w. traft gbtt*
lieber Vollmacht, vgl. Stil. 9, 1 . 2Rarl. 16,17ff.
3m tarnen 3efu Sbrifti b. b. in ber ffraft
beffelben, bie er al# bie wunberbat wirlenbe Urfache
feine# nunmehrigen Bermögen#, fid) au erheben
! unb umheraugehen, au benfen ift, ft ehe auf unb
I wanb le! ^affelbe SBort, wie im ättunbe Sbrifti
1 ÜDtath. 9,5; unb rid)tctc ihn auf (vgl. 9Marl.
9,27), um ihm au helfen, Die ncugefd)enftc ©efunb=
! heit nun aud) burd) Befolgung ber eben empfange^
nen Sßeifung au betätigen unb fomit au beftdtigen,
bie, al# Teilung eiltet lahm ©eborenen hoppelt
erftaunlicb, unldugbar nur eine Jhat ber b ti r d)
bie aipoftel wirfenben ©anb (Settee felbft ( 2 , 44)
fein fonnte. 21 l # b a l b ft a n b c n lt. f. w., fie waren
alfo iefct fähig uub tüchtig au ihrer natürlichen Ber=
ridjtung, burd) ihre ©pannfraft ben Scib in feinen
Bewegungen au ftüfeeit unb au tragen, fo baß er (ich
alSbalb al# einen völlig ©enefenen erweifen
fonnte (25. B). ben Tempel ging er mit
ihnen, natürlid) au gemeiniamer $)anlfagung
(Bfalnt 50, 23). 8 . 10 bilbet einen bebeutfmnen
©egenjafe au bem früheren Verhalten berfelben
3üben, 3oh- 9, 8 ff. ®aß ber ©cheilte fich au
Betru# unb ^Dbannes hielt (wörtlich: fie
fcfthielt), b. h. fie auf ihrem Bücfweg in bie ©tabt
begleitete, ift ber natürliche Slusbrucf feiner Siebe
unb bautbaren Berohrung, wie auch 3efu bk *wn
ihm wieberbergeftcllten trauten nachaufolgen pfleg¬
ten; man fieht aber barau#, bah ihm nun nid)t blo#
leiblid», fonbern and) geiftlid) geholfen war,
wie ja biefe ganae@cfd)id)te febon vielfach ale B ilb
ber bei ber Belehrung mit bem von ©eburt an
unter bie ©ünbe gelnechteten SKenfd&cn vorgehen=
ben Umwanblung burd) bab äUort ©otteb unb bem
©lauben an Cbriftum angefehen worben ift, bie
fid) bann aber auch in banfbarer Stehe unb gott-
feligem SBanbel bewähren mu§. Sief a 11 eÖ
Boll beim Berlaffen beb Stcntpelb nach bem
©chliih beb ©ottebbienfteb au ihnen in bie
©alle (bebecfter©äulengang)@alomonib, fo
genannt alb einaiger nod> übriger 9 ?eft beb älteften
JalomoniWen Sempelb (3ol). 10,23), ebenfaüb an
oer Cftfeite gelegen unb fpäter (5,12) ber geto 6 hn=
liehe Berfa nt mlungbort ber Ehriften. 3efet tvaren
alfo Slugenaeugcn genug ba für biefe neue Erfüllung
beb alten SBortb 3)carl. 15,31. Suf. 7, 22 , ioab bem
Betrüb nun Beranlaffung giebt au feiner weiteren
Berlünbigung» in ber er ein b oppel teb 3iel ver=
folgt: a) Belehrung über Urfprung unb 2lbficht beb
gef&eheneit 23 tut Derb B. 12—18, unb b) Mahnung
aur Bufee unb Belehrung, alb emsige, aber noth-
wenbige Bebingung beb ©eilb B. 19—26.
■ -<ioC=0=C^(^-««•--
®(,ronik 5er (fifticnroflrt.
Bie Me Belt bie ftinhe bnt&kt, bavon lann
Sonett 3blanb, ber berühmt - berüchtigte Babeplab
%ew JRvth ein Beijpiel eraählen. 2)ie bortigen
©otehSelifeet haben fdwn feit fahren aüemoglid)en
Sehmittel angewanbt, um bie 3)2enge nicht blob in
ben SBoAen^ fonbern au^ an Sonntagen nach
Gotten 38l«nb ju lotfeu.
®ie Btcbiaer in 9?ew Bor! würben auf btefe
©onntagSauSUüfle. aufmeifiam unb ftemmten m
bagegen.
2 )a führte ©ert Bitmap, einer ber Unternehmer
am Sßanhattan Beach, einen gefebieft angelegten
Blait aub. ßr lub bebeutettbe .ilaitaelrcbncr ber
amerilantfchen SKetropole ein, in üHanhattan am
Sonntag au prebigen. Unb bie —nahmen bicßin=
labttng an. Bot fid) hoch eine ©elegenbeit, bab
ßvanäelium ber ÜWenge an prebtgeit, unter mU
eher fich ohne 3weifel Biele befaitbett, bie nie eine
ftirebe betreten.
Bach ber Brebigt würben bem Bebner jebebmal
Digitized by v^ooQie
52
(Shrontk ber (Begetiwart
oon bem Unternehmer #50 eingehänbigt. Tie Bre«
biger gingen nach ©aufe mtb — mufften ttatürlid)
su bcr auf ©oiteo ;j#lanb getriebenen Sonntag
©ntheiltgung Schweigen. Tie Unternehmer aber er¬
achteten oiefc Strategie für einen fluten 3ug — uub
(achten [ich in’# gäuftchen.
SBirb bietfirche, unb werben einseine kirchliche
®eineinfchaften niefit noch auf anbere SBctfe oon ber
28ett unb oon 9lnberu auf ähnliche 2Betfe beitüfet?
<£$ tft eine nokffanbige Xiebrrlage, meld>e bie
rebuhlifanifche Partei biefe# Spätjahr erfuhr.
Siegen ftch bie ©errat nun auch ihre 3Bunben mit
Balfam wajehen unb cinanber bie ©chulb in bie
Schuhe jchicocn unb [ich auf beffere Jage oertroften
— bie Xhaifarbe änbem fie baburch nicht.
Tie Utfachen biefer Sieberwerfung alle s» er«
grünben, ift wohl Siemanbent möglich, fo fehr fiefi
and) oielc in biefer Meldung bemühen.
,3weierlei aber ift leicht au erfennen:
1) ©räfiOent Slrthur hat baburch, bah er bie oon
bem flemorbeten ©arfielo einßefd)laflene politische
©ahn oerlieh, Diel basu beigetragen, bah er unb
feine Bartei geschlagen nuirbe. Ofr hat bie bechfien
Sleinter ber Buitbe#regierung mit ßeuten befefet,
weldse ba# republifanifche Tiftatorcnthum reprä«
fentiren, unb baburch sur ÜRiebcrlage wenigsten# in
92cm £)orf unb Bamfoloanien oerholfen.
Unb wie finb alle bie Brophetcn, bie immerbar
bie 9öege ©otte# auf# genaufte ergrünben wollen,
SU ©chanben geworben! 9116 ©arfielb tobtlkb oer«
wunbet barnieberlafl, faßten fie, ©ott werbe ihn
nicht fterben (affen, beim er fei ein sunt JBohl be#
Sanbe# unumgängliche# ©rfovbernih. 91(6 er ge«
ftorben war, faßten fie, ©otte# ©attb fei beutlid) su
erfennen, beim wenn ©arfielo mit feiner ßeßen ben
©üben ßeübten BeYfobnung#politif titto feiner
„Bürgerregicrung" oier'^ahrc am Mtber ßcblieben,
fo wäre e# fdtief gegangen — namentlich betrefft ber
rebublifanifd)eit Bartei.
Unb iebt, ihr brobhetifd)en ©erren?
©eht ihr beim immer noch nicht ein, bah mit fuper«
flußer Beruünftelei ©otte# ©ege nicht erßrünbet
werben, unb bah feine ©ebanfen nnenblid) hoher
finb al# unfere ©ebanfen? ©v, unfer ©ott, fifet im
Steßimente, ba# ß lau ben wir oon ©erseit, mähen
un# aber nicht an, bie ©inselsüße feine# ^Regimentes
inSgefammt sn oerfteben. Afein Sienjch weih
heute, wie ©ott bie Srmorbmtg ©arfielb’# unb bie
SRiebevlagc ber rebublifaitifchen Bartei für feine
SReicb#awecfe su lenfeit ßebenft. ©ernih aber ift, bah
ber aHmächtiße ©err ©immelS unb ber ©rbe ben
Thron einnimmt.
2) 3ft eS offenbar, bah bie ÜRacht unb ba# ffiir«
feit ber 9((cohol = gabrifaitten unb ihre# ©eere# ein
©ebeutenbe# sunt 9lu#fchlaß, wenißften# in manchen
ber Staaten, lieferte. Uebcrall, wo bie Temperen*«
fräße in irßenb welcher ©eftalt in ben Borbergrunb
trat, haben taufenbe SRepublifaner ßeßen ihre Bar«
tei ßcftimmt, währenb folcfic Temofraten, welche
{Reformen be# Trinfunwefen# müitfcbeit, eben bemo«
fratifd) ftimmten, ober su ©aufe blieben, ©ine ßut
unterrichtete, im Staate Jlnbiatta berau#ßeßebene
Beituitg behauptet auf ©runb genauer 3ufatnmen«
Wellungen, bah bafelbft faurn 2000 Temofraten für
republifanifche Ganbibaten ßeftimmt haben fonueit.
Sehnlich oerhält e# ftch auch in anberen Staaten.
$ie ©anpfeertrettr De# grottfnfHrarartdst# wollen
iefet, ba fie in 9tebraSfa feinen (Erfolg ersielten, eine
anbere Stethobe sur ©rreidnutg ihre# 3wede# ein«
fchlagen. Sie glauben nunmehr, Oah e# nur ein
Stittel gebe, Ocn erftrebten Sieg su gewinnen; unb
Oie# Stittel beftehe barin, Den Atongreh sur
Baffirung eine# cntfpredjenben 9lntenbement# sur
Bunbeooerfaffung su oeranlaffen. 9luf bie ©ewiit«
niing fccr Buitbe#gcfefegebung feilten baher in 3u=
fünft alle Strafte ber Befürworter be# grauenftimm«
redit# bereinigt werben.
9lber bie waeferen ©elbinnen — Fräulein S. B.
9lnthono oorau# — werben fid) and) bamit nicht fo
leicht burd)fd)laßen, fo lange e# ihnen nicht gelungen
ift, bie öffentliche Steinung für ihre ©eftrebungen
Stt gewinnen. 5)ie Sieberlagen, welche bie grauen«
rechtler bei ben bi#her ooüsogeneit ©olfSabftimmun«
gen erlitten haben, werben oon ben £ongrehmitg(ie«
bern al# Beioei# betraditet werben, bah Oie grohe
Stehrhcit be# Bolfe#, refo. ber ftimntbereebtigten
Bürger, gegen ba# grauenftimmrecht ift. Sie
werben fid) be#halb hüten, f ü r baffelbe einsutreten,
in ber fehr richtigen Srwdgung, bah bie Unterftühung
be# oorgefddagenen 9lmenbemeut# ihnen bei ihren
(männlichen) jöäblern gar nid)t# nüfeen, wohl aber
oiel febaben fonnte.
Unb fclbft wenn, woran jeboch au# bem angegeben
neu ©ruubc gar tiid)t su beitfeu ift, ber .tongreh ba#
9lmeubement haffiren feilte, fo würben bie Beiür-
worterinuen beffelben nodt himmelweit oou ber Ber=
wirflichung ihrer ©Öffnungen entfernt fein. ®enn
ba# 9lmenbement mühte, um Üted)t#gültigfeit su er=
langen, nodi ratifisirt werben, unb basu bebarf e#
bev Buftimmuug ber ©efehgebungen in brei Biertel
fämmtlicher Staaten ber Union. Seummbswansig
©taat#legi#laturen mühten alfo für ba# grauen«
ftimmrecht gewonnen werben, um feine (Sinführtmg
auf biefem SBege su ermögli^en.
»ott bcr ©iuilbienft * Äfforw wirb gegemi'ärtig
wieber oiel gerebet. ©ine Steform hätte unfer ©c«
amtenbienft notbifl* ba# ift wahr, beim e# fieht niefit
nur mit ber Sioral, fonbern au^ mit ben fteimt«
niffeit oieler itnferer Beamten gans fchauberhaft
au#. 3n biefem freien 8anbe, wo e# „jeber bi# sur
©räfibentfd)aft bringen tarnt," glaubt eben auch
^cbennann su irgeub welchem 9lntte, fei e# im ©oft«,
Steuer«, ©ericht#«, ©d)ul« ober irgeub einem anbern
®ienft befähigt su fein. Unb bann — uwsu toären
beim bie ©arteten, bie 28ablfd)lachten, bie Siege
ba, wosu babei ba# oiele ©elb au#gebeit, wenn nicht
auch bie Beute, bie 9lcmter unter bie Sieger oer«
theilt würbe ?
Tie oolitifchcn ©arteien geben ber allgemeinen
9Solf#ftimmung, bie fid) gegen biefett Unfug erhebt,
auch in Soweit nad), al# fie oon 3?it su 3*it Be«
fchlüffe bagegett faffeit. Tabei bleibt e# auch unb
muh e# ber Sachlage nad) bleiben, bi# swei« ober
breierlei gefdtieht:
1) Ta# amerifanifebe Bolf muh fiefi feine Be«
amten ersiehen, biefeibeit Prüfungen untertoerfen
unb nachgähigteit mtb guter 9liiffftbruitg beforbertt,
fowie e# anbere Bölfer and) thun. S?ag bie# auch
fehr eurooäifch att#fehen, mag baburch auch ein Be«
amten ftaitb eittftehen — bem 9(cmterunfug toirb
nicht gefteuert werben, bi# biefe (Sinrichtung getrof«
feit ift.
Digitized by v^ooQie
(fflronih brr Ärgenroart.
53
2) Solcher Sinticfetunfl aber ftnb oot allem unfere
faft ungähtigen ©Bahlen hittberlidj. So lange in
manchen Staaten alle 6 ©Ronatc gewählt unb Diel
©elo auSgegeben unb Diele Hoffnungen auf ©eute
barauf gebaut werben, foJange wirb man ooit or=
Deutlich herangebilbeten ©eamten, welche ihr 3lmt
behalten, ob biefe ober jene Partei flewinnt, nichts
wiffen wollen.
Sin 2Beg gur ßioilbienft - Nefornt ift beohalb bie
Sftfchaffttng ber ©telwählerei. 9lber bis borthin hat
eS noch flute ©Beile.
Sir giftfreien in $wtfdj)tattb haben bei beit lebten
©Bah (er. hoch lanae nicht ben groben Sies flewonneit,
ben ne erwarteten. 3a, fte haben gar nichts ge=
Wonnen, beim bie ^Regierungspartei ift offenbar ge=
träftigt worben. DaS betttfehe Soll toill [ich eben
hoch noch nicht mir nichts bit niddS in bie Hättbe
biefer ©RaulftelPen begeben, unb ©iStnard hat noch
Ä nicht fein ©ewidd eingebüht, wie hüben unb
n non flewiffev Seite immer pofaunt wirb.
Hefter Die jBnrgerredjtgfrage hat ftch auch ber
gegenwärtige StaatSfefretär, toie fein ©orgänget
©laute» betn 9tuSlanb fleflettüber fchr beutlid) auS'
gesprochen.
Der Äommiffion, welche bie ßntfd)äbifjungS*
anfprüche amerifaitifcher ©ürger an Spanten $u
prüfen hat, lieaen nämlich mehrere Salle Dor, tn
beiten bie fpantfdjc Negierung fich weigert, bie be=
treffenben Anfpruche nt befahlen, weil de baS ante*
tifanifebe ©ürgerreebt ber Kläger nicht aiterfennen
will. Sie hat g. ©. ttachflewiefen, bah Kubaner
ftch nach New ©)orf beflabett unb bort ihre Slbficbt,
baS amerifauifebe ©ütgerredd gu erwerben, auS*
gefprocbett haben, bann aber ruhifl wieber nach Kuba
gurüdgefchrt fittb. 9*2acf> ©erlauf pon fünf fahren
haben biefe 8eute bann flcleflentlich eines aber*
maligen ©efucbS in ben ©er. Staaten ihre atneru»
fanifchen ©ür^erpapiere erhalten unb treten ber
fpanifchen Negierung nun alS 9lmerifaner gegen-
über. ©Rehr noch: Sie oerlanflen nicht nur ben
Schüfe uuferer SuitbeSbefwrbcn, foitbern ertoarten
auch, ba§ biefe (cfetereit bie fpattifdte Negierung per*
attlaffcn ober felbft gwingen füllen, bie gwifdten
Spanien unb ben ©er. Staaten beftehenben ©er*
träae auf fte anguwenben.
3u biefen 9liifprftcben hat nun StaatSfefretär
Srelinghupfeu Stellung flettommeit, tnbem er bie
Anwälte, welche bie ©unbeSregierung por ber er*
wähnten ffommifflon pertreten, in folgeitber ©Betfe
inftmirt:
„DaS Staats - Departement befennt ftch nt fol*
flenber Nuffaffitng:
1) ©Beber baS Staats = Departement itods bie
fioinmiffion hat fid) um bie ©rüttbe m befümmerit,
bie iemaitb peranlaht haben, bie Natitralifation
nach^ufttcheu. Die eingige Srafle, bie hier entfdnc=
ben werben tnith> ift bie, ob eine ©erfon, bie ftch für
einen naturalifirtcn ©ärger attSgiebt, wirflid) ita=
turaliflrt worben ift. ©Bir haben hier feinVSefcfe,
toeldteo perlangt, bah ber bie Naturalisation Nacb=
[uchcnoc bie ©rüttbe angiebt, weldte ihn peraitlaffen
feine Nationalität gu wechfeln.
2) ©Beber baS Staats = Departement itcd> bie
tfommiffton haben bie ©ewalt, bie Mnerfennung
ber erfolgten Naturalifation Pott ber gorbetintg ab=
hängig nt machen, bah ber ©ewerber por erfolgter
Naturalisation fünf 3uhre lang ununterbrochen in
ben ©er. Staaten attwefenb mar. Der ©etveffeitbe
fattn pielmchv gang wohl feinen 2B o h n o r t in
ben ©er. Staaten gehabt haben, ohne wäbrenb ber
fünf 3uhre, toelche gwifdiett ber ßrtheilung ber
erfteit ttitP ber gweiten ©ürgerpapiere oerftreidtett
muffen, ununterbrochen in ben ©er. Staaten att =
tuet eit b gemefeit gtt jein.
3) fte in ©efefe in Seit ©er. Staaten erfennt ben
©ruubfafe an, bah bie Naturalisation innerhalb ber
©rengeit beS ©eburtSlaitbeS nur fo weit anerfanitt
git toerbett braud)t, toie bie betreffenbe Negierung fie
freiwillig anerfeitneit will. DaS ©efefe mad>t eS
gang itit ©egentheil bem Staatsdepartement gur
©flidd, ben entgegengefefeten Stanbpiinft eingutieh=
tuen. 3d) fann baruttt nicht gugebeit, bah bie in
Nebe ftcheube ß'ommiffioit, bie ihre©Raddbcfttgniffe
atiS bem bieffeitigen Staatsdepartement unb auS
bem fpanifdten 3)üiiifterittttt ber auswärtigen Än=
gelegenheiten ableitet, überSvafleit entfdieibet, bie
ttacif uitferen ©efefeeit Pont Staats = Departement
gar nicht aufgeworfen werben bürfeit."
beutfefee JüttgliugSftfl int Deutoburgertoalbe
pom 23.-25. September, Pott 300 Delegirten ge=
feiert, ift in oorgüglidter ßintraebt unb itt erhebettber
©Seife perlaufen. Dreihuitbert ©ofatiiteit lubett gur
©rebigt beS ©rof. Shriftlieb über 9D?atth. 5,13—16
ein, 1500 ©erfonen bilbeten bie ©erggetneinbe, gang
gu gcfdtweigeit pon beit 5— 6000 N^enfdien, bie Nadt-
mittags ponDetmolb her gufamniengeftromt waren,
um bie intereffanteit ^nfprachcn ber perfchiebenen
Nebner gu bereit. — ßS würbe -über bie ©ringipieit
ber JünglingSrereine perhanbelt, unb war matt fich
flar, bah bie enge ©forte unb ber fchmale Sffieg gur
Seligfeit aud) beit äüngliiigett nicht weiter unb
md)t breiter gemadd werben bürfe, alS er einmal
fei. — SS ftcht gu hoffen, bah bie geier biefeSftefteS
eine neue ^Ittregutig für bie noch immer in ber ®nt*
toieflung gurttdftehenbeit bentfehen 3üitglingSpereine
bieten toirb.
SonntagSrufee. ßtwa I600©uchbruder'©ehülfen
haben am Sonntag, beit 12. September, in Sßien
eine ©erfamntlung abgehalteit, um ©^efpredmngen
über ihre Sage unb über bieSMittel giir©crbefferuitg
berfelbett gu pflegen: Unter anberm würbe auch bie
Slbfdtaffuug ber Sottn tagSarbeit oerlangt. 3u
biefem ©uitfte bemerft nun baS Jßiener ,,©ater=
laub' 1 in eiitettt Ceitartifel: „UitS will eS bebtntfen,
bah Aufgabe ber legitimen Obrigfeit fei, ben
©uchbrudergehülfeit in btefem ihrem ©eftrebeit burch
gefefeliche ©Jahregeltt guporgufoutmen. ßS mürbe
übcvflüffig fein, toollten wir tntS hier nodt über bie
Nachtheile, über bie ©erwerflicbfeit ber Sonntags^
arbeit perbreiten. Die Heiligung beS SonntagS,
bie ©efreiung pon fnechttfdter 9lrbeit an bemfelben,
ift ein ©ruitbgefefe ber Sdtopfttitg; iebeUebertretung
beffelben rächt fleh phpflfd) unb pfpdtifch. Die fapi=
taliftifd>e ©efcllfdtaft, wekhe biefeu ©^hbraud) beS
Nebenmeiifdien ergwingt; ber Staat, ber ihn bulbet,
gieht fich nittthioillig bie ©arbaren, bie ©eftien
heran, ioeld>e eiiift bie Strafe für biefen ^reoel Doll=
giehett werben, ©ei fatim einem ©erufe ift aber bie
SonntagSarbeit fo oenoerflich, wie bei ber ©u<h'
brtiderei. Die ©efÄäftiguitg beS SefeerS ift noto=
Digitized by v^ooQie
54
ületi|naif|ten.
rifcfe eine hödjft uitgefunbe, feine 8ebett3baucr eine
erfebredenb geringe. 3bm ift beim 3eituitgäbrude
in weitem Umfange bie Sad)tarbeit auferlegt, weldte,
wo fie übet baS uttabmciSlicbe Sebiirfni& ergwungen
wirb, einer ber ©cbanbflede unfereS oon falfcber
Humanität triefenben 3ahrbutibert3 ift. (Sr ift oer=
urtbeilt, ben Sleiftaub Der Settern, bie oon kohlen?
ftoff gefebwängerte 8uft eines biird) ©asflammen
überhifeten SofaleS einguathmen. 92immt man bie
fer fdtmer bebrüeften 9lrbeiterflaffe and) noch ben
Sag ber Silbe, ber Srbolttng, beä Sebent in feiner
Samilic, ben einigen Sag, ba ber Arbeiter, feiner
öttlkben Cfcbcnbilbfcbaft jjebenfenb, ftdj ber Sr=
ebung, Heiligung unb c&ittlUbung beS ©otteo?
bieitfte3 bingeben rann, fo febänbet man wabrlkb in
foldjem gcmiBbraucbten 3nbioibuum bie gange @c?
fellfdjaft nnb ben Staat, welcher jurn 9Bäd)ter ber
©ereebtigfeit beftellt ift.
Ucbct ben üibcbfttljßtfbfl in ^nglanb oeröff ent?
liebt ber Bericht be3 „(SomiteS gur Unterbringung
be33J2äbcbeitbanbel3 inlSuglanb" erfd)rctfcnbcShat
faiben. ®iefe3 (Soutite trat S2itte 1880 gufammen
unb erfuhr fd>on nad) wenigen ffiod)en bureb grüttb?
liebe Secbcrcben oiele Samen oon 3J2ännern unb
Stauen, welche in fionbon ben S?äbcbenbanbel nach
bein ^luslanbe betrieben, unb bie Sbreffen oon 50
Käufern in ftranfreidj, Setgien unb fcollanb, mit
betten iene ßonboner äßenfcbenhänbler in Serbin?
bung ftanben. Sabbern ftdj herauägeftellt batte,
baft bie englifebe ©efefegebung feinen au3reicbeubeit
©d)ufe gegen folcben etnpörenben ©efebäftebetrieb
■gewahre, ging SJr. ®per, oon welchem bie 2ln?
regung gur Silbung be3 ßomiteä auSgegangen war,
felbft nad) Srüffel, um bie bortigen Serbältniffe
aus eigener Stnfdjauung fennen gu lernen, Crrfanb
Oaft bie Unglüdlicben oöllig wie wiltenlofe ©flaoitt?
neu bebanbelt werben, bafj fie — in’$ Serberben
gelodt bureb faljebe Sorfpiegelungen — burd) ein
fünftlidjeS Softem oon Sügen unb roher ©ewalt?
that in ber Sdtanbe feftgebalten loerben, — auch
wenn fie ba^ febnlicbfte Verlangen haben, ihrer
fürebtertidjen Sage entnommen gu werben, ba§ bie
Soligeibeamten mit ben Sßirtben im (vinoerftänb?
niffe fteben. ®icfc mit ben eittfefciiebften (Singel?
beiten belegten Sefultate ber Sacbforfdningen ocr?
aitlafjten, ba§ fid) ba^lSomite inSevmanengerflärte.
©ein föauptgwed ift, bie kenntni§ oon bem ft>fte-
matifeben SMenfcbenhanbel itt’b gröbere Snblifum
gu bringen, bie englijd)e Regierung unb bas englifebe
Parlament bnrd) Petitionen auf bieo Treiben auf?
merffam gu madten unb gur gefehlten Slbhülfe gu
nötbigen. Bugleid) würbe befcbloffen, allc.Scbulbi?
gen mit ©ülfe ber „Sritifd) = kontinentalen Ser?
einigung gegen ba§ gefefelich gefdnifcte Cafter" gu
oerfolgen, So gelang es im ®egetuber 1880 in
erben tlidjer ©ericbtoocrhanblung bas Unglaubliche
gu beweifen, ba& in SrüffelllSnglänberinnen unb
2 Srangöfinnen in prioilegirteit unb oon ber Soligei
überwad)ten Käufern ber ®d)anbe wiber SBiUen
feftgebalten, unb bab an ihnen bie Serbredtett be&
Seiruges, ber Urfunbenfäljdmng, ber Serfübnutg
SMinberjähriger gur Ungudd, ber Sveiheiteberait'
bung n. a. begangen loorben feien. ®ie ScbulbU
gen traf bie gebührenbe Strafe. ®erStaatoanwalt
felbft brachte bann nod) klagen gegen gwei 3nbioi=
buen oor, oon betten ba^ eine ein Stäbchen oon
16 fahren für 800 gr. oerfauft hatte, (^ntfeblicbe
(Singelbeiten finb fdtott an ba^ £idjt gebracht unb
ber Oeffentlichfeit übergeben toorben.
Moderato # ®orl fteinetfe.
Digitized by
Goog -
$8fil)nadjifn
56
P(i^nad|ttn.
i=±rq:==^-j=p=ta=: - »~5
ttit — ©in front * mcr «Saiuber mi$ t»i« * ber, 2ln = bc^tenb ftau * * ncnb mufe id?
tiHT _
M 344-
W-
L. h.Ll r ♦
-j-
r t?r4_ J&t
Ped. p
* Ped.
* Ped.
* Ped.
* Ped.
I i
*
calando
2*to. fctons.
DigitizecTby v^ooQie-
Digitized by
Google
Digitized by v^ooQie
Digitized by v^ooQie
Digitized by
Google
Sin illuftrictes Jö tu iI i enb In11.
giftet Tßtuib. §feßrit« 1883. ^weites ^eff.
&£3 JV m $ Ij t i u.
©bitor.
f er feinen Sinn für Saturfcpönpeiten bot,
wem nur bie Stairie, weldje breipig
Sufpel Söeijen per 9(cfer trägt, prächtig
bäuept, toen bie ©efepiepte mit ifjren ebrwiirbigen
©eftalten niept feffelt, unb wer nur ein Singe
bat für ein gerablinigeS, boflgepfropfteS Söaaren»
bau», ber gepe tiicpt an ben 9tpcin.
Jflöftern unb ©täbten roieber, unb fanb ibn noep
berrli<per, als in ben Sagen ber ^ngenb; benn
feitbem lernte icb baS ©ipriftroort berftepen —
Silles ift ©uer. 335er mit einem bon ©ott er»
leuchteten ©emfitp, mit bem £>errn Jlefu im
fterjen bie SBelt befebaut, bem leucfjtet bie
©cpöpfung feines ©otteS biel prädjtiger entgegen.
SRiltxefcim unb S$(oß So&fliwtetoß*
Slblcrt^urm in iRi'tbeSfcim.
9iübeS$«mer jUoftev&of.
< Hüt anberen Stenfcpenfinber aber werben ba»
felbft für 3tug’ unb ©emütb, ©ebanten, ©efiipt
unb ©rinnerung reiche Staprung ftnbeu, and)
wenn fie nadpgerabe feine fentimentalen ©eptoär»
mer finb.
SJor bieten, bieten labten bob’ i<p mich gar
mancpmal am SSater Slpein ergäbt unb bor noch
nilpt gar langer 3«'t fob i«P ben perrlicpen beut»
i<ben' Strom mit feinen Sargen, ©cplöffern.
als anbern; beffen ßunftgenuß ift ein biel inni»
gerer, als ber bcS ©ottentfrembeten; ber fiebt
bie ©efepiepte unb ipte Scnfmale im Siebte beS
IReicpeS ©otteS unb ber ©migfeit. ©S ift beSbalb
ein epiegelwerf beS Satans, wenn er ben Sien»
fepen börganfelt, bafj mit bem perfönlidpen
©rfaffen beS £)errn 3>cfu ©prifti, mit ber
SBieberaeburt, afle burep Statur, Äunfl unb
Söiffenfcpaft gebotenen fwepgeniiffe berbannt
5
Digitized by v^,ooQLe
58
Sljritt.
mürben, ©ernbe bn§ ©e^eiit^cil ift ber Suff:
fie merbeu befto rtemif$reid)er.
9luf ben Serfud) einer eiiißebenben SefdjrcU
bum) fotl in bieten ^Müttern oerjidjtet werben,
bn bie» 31 t roeit führen unb am ©nbe and) meine
lieben fiefer laiifltocilen unirDe. Silber, Stilen
au 3 ber Diatur, ber ©efdjic^te unb bem ireiben
ber fflienfdben fallen üorijcfiiljrt werben, unb wer
nodj 2 öeitere§ 311 miffeii iDilufc^t, für beit finö
ja ber Quellen unb
Sücber genufl t>or=
battben. Sind) uht=
beit {einerlei Ser*
leid)e 3 mifd)eu bem
Itbciu unb ben amc=
ritanifdjen Strömen
anc^eftellt werben,
uttb jwav beöbalb,
meilfold)e®ertileicb=
unweit 311 nid)t* fitl)=
ren, ba jebe3©ebilbe
©otteSeiflcuartiflift,
unb feine befonberen
Schönheiten bat.
@3 ift ein ©ben,
ba» bem 2 Bauber*=
rtefliid)tet habe, aufßegelfrt marb, berichtet jtuar
ber ©cfcbicbUfd)reiber nicht. 31ber bie
Sage bemeift bod), mie baS 33olf über ben ©eia
unb ben fliaufameit ©erbäte bentt. 3 >ener
Sifdjof foll berfelben i^eniäfi arme Seute, bie ibn
in einer £unßcrsuoib äubriiißlidj um Srob
baten, in einer Scheune buben uerbreiiuen laffett
unb bei ihrem 3 ammcr<iefd)rci flefagt buben:
„£)ört, tuie bie s JJtüufe pfeifen/' $ur Strafe
bafiir warb er in
feinem Salaft non
Millionen kaufen
beinutefuebt, unb
eitblid) non ihnen im
Hcüufetburm, wo*
bin er geflüchtet, unb
ben fic fdjluimmenb
erreichten, auffle-
f reffen. — SBabr*
fdjeinlidjcr ift, bafj
ber Waufetburm in
älterer Qe\i ein
s JJuuitb= ba§ ift ein
3 olU$burm, mar,
non bem auö bic
ärofieit Herren non
SDläufet&urm. — (S^rcnfeW. — Gingen.
mann entgegenlacht, men» er Dort Stainj ober
Stberid) mit auf einem Dampfer bei Sklluf
in’S eigentlidhe Stljeingau hmeinfebifft. Sillen,
Schlöfjer, Dörfer uttb Stabte reiben firf) faft
jahlloS aneinanber unb toinfeu bir ju.
3)ort brüben liegt ber Johannisberg unb baS
f<f)on burdj $ar( ben ©roßen befannte tJtiibeS*
beim. SBeiter hinauf Singen, bas Songfellow
fo fdjön bedungen, unb bemfclben gegenüber ber
burch bie (Sage befannt geworbene Stäufethurm.
Dafj bet geijige (Srjbifdhof Don Stainj hier Don
ben Staufen, #or benen er fid» aus feinem tßalaft
bem „firämcrüoir, bas feine Skaten anf bem
hi'hein beförberte, unberfchämte Jolle erhoben,
feilte aber fiitb biefe Jauntönige mit ihren JolU
beamten Dcrfchwunben.
Singen beinahe gegenüber ragt bie SRuine
(Sbrenfels empor, bie ebenfalls ein Stiicf 9llter=
thum birgt, ^utereffanter aber ift baS weiter
unten liegenbe 9tl)ei»ficin, wofelbft eS Dor 600
fahren gar nid)t ehrenhaft herging. 5>ie Surg
war ein Öiaubncft, welches ber rijeinifebe Stabte*
bunb Snno 1£79 jerftörte, unb als eS bie Herren
Ütitter nach SMeberaufbau ber Sefte noch toller
Digitized b>
e
Um JUjein.
59
trieben, crfdjien ber geroal*
tige Staifer Shtbolpfe Don
ftabSburg, ber fo uiefem
Untoefen in ®eutfcf)(aitb ein
6 nbe machte, am 9tf)cin nnb
erliefe öoti feier au» bcn 23e=
fefel gu ihrer £inrid)tung.
»Stäuber finb e§, nid)t s Jtit*
ter/ J ertlärte er. „SBaljre
9titterfd)aft lebt efjrenljaft;
rner aber mie ein ebrlofer
Stäuber lebt, fall eljrlofeit
2 ob fterben." llnb Der ge=
redete fyiirft liefe ba3 vitter=
lidje ©efinbel fannnt nnb
fouber£ bei ber 2öengel3=
fapelle auföängen. Sßrinj
gfriebrid) Don H3renfeen bat
ba£ Sdjlofe neu erbaut. —
SBieberumeincßrinuerung,
bie un§ rneit
guriid in bie
«ergangen*
beit fiUjrt,
gu 33erglci=
efteu mit bem
jepißen beut*
ftpen Steicfee
aufforbert
unb aud)
amerifaitU •
fcfje Silber
unb 3 uftän*
be in’s ©e=
bacbtitife
geic^net.
hinter
bem 5)fäufe*
t&urm rau*
föen bie
©irom*
fdjneüen be»
Singer
2 odj*. $er
enge, einem
$e(fentI)or
ähnliche
(Eingang
empfängt
uns mit fei*
nem anfire*
benben ®e=
ftein, auf
öeffen ©tu*
fen bie 9tebe
roädjft, auf beffen Sorfprüngen bie alten Don
beit ©djroeben unb ben gfronjofen mefer ober
minder gerftörten Bürgen tuie ©djtDalben*
nefter hängen, unb burdj bereu Xunnel gu bei-
beu Seiten am Ufer
bie Saljngiiße halfen*
faufen.
2 öir finb im ro*
mantifdjften, befuti*
(teuften, beriilfenteften
2 t)eilefcey s 0 tl)cint[)aly
— gmifdjeu Gingen
unb ßoblenj. 3 ober
^uiffagjer auf bem
SJampfer ftel)t gleid)*
fam auf beit 3 el)en;
SeberntiuiH gollt un*
geteilte äcnniube*
ritng; felbftbie lieben
Slmeritauer geben 31 t,
bafe ber £)ub|on bod)
gang unb gar uirf;t
mit „biefem" 311 Der*
gleidjeu fei. Stur
einige 6 ng=
läitber, bie
Dielleidjt ben
©pleeu Ijaben,
JH^cinftciu. — ^o^itccf. — (Elemcud ÄapeUc imb
3alfcuburg.
bteibcit eisfatt unb flauen fautit boii ifjrei
tUaret unb if)rcn Hinten auf. „2B aä boefi b
um Jiljetn tfjun," meinte nidjt fo (jung unred
cm beutfcfteS Srüulein, „fotdje giöflefidjtc
Digitized by v^ooQie
60
Um Jtljfin.
paffen Piel beffer an bie nebelige Sbemfe, benn
|ier ber!"
(S§ ift ein mmtberfiböner ©ommertag, unb
uns fomntt immer ititb immer mieber baS ©folnt*
mort in Sinn unb JMnnb: „Cobe beit Ferrit,
meine «eeie." 2)aS ©d)iff paffirt Sord), ©orf)a*
rad), Obermefel unb anbere altrbeinifdje Crte.
3n ©oarSbaufen, ©t. ©oar gegenüber, fteigen
mir au§, um einige ©tunben Umfd)ou ju £)ul=
burcb unb derfteben unb fpredjen reibt orbentlid)
beutfd),
®ort (ebnt einer biefer ©äfte über bie ©rüftung
beS Stammes. (Sr bot halb heraus, baß mir
and) über’» ©teer geboren unb mir ftetjcn mit
beut gefpriicbigen ©em = (Sitglänber fofort in
Unterhaltung, in roeltber er uitS fagt, bau es
ipm unb ben ©einen reibt gut am Ülbein gefalle
— megeit beS lieben ©ounenfd)einS, bem milbeu
£$unn imb $>om in 9(nberna$.
ten. (SS ift bieS ein aus faft nur fd)öiten ©illeit
beitebenber Ort, ber fid) langgeftrectt am itt deine
binjiebt. Unb bie „Bürger"? 9tutt — bie
fpredjen nid)t feiten gut englifib. (Sngliinber
finb eS, bie Sftlt = (Snglatib menigftenS im ©om=
mer berlaffen, um fid) am fRbein ju „fonnen".
2(u<b Slmerifaner hoben mir getroffen, Biele
biefer 2 lnglofn<bfen hoben fid) hier angetauft,
brauen ihren Slbee in ©t. ©oar fo gut als in
fionbon ober ©oftoit, finb treue Bürger ihrer
fernen $eimatb unb fröhliche ©emobner 2 )eutfd)=
lanbs. ©Jambe bleiben baS ganje 3Jabr b'n*
3nnere« Ui 2tnbema<$er $ont*.
$ 1 i m a,
bem ruht*
cjen Seben
imb anbercr ©eitiiffe. 2 )ie monarchifdhe Sfeflie*
runß fid)t ihn ni ü)t an, ift er hoch freier 2 lm*eru
feiner. 2 )ie $icfelhauben ärgern ihn nicht, braucht
er hoch feine 511 tragen; mit ben 93eamten fteht
er auf recht ejutem öfufee, unb meint man freist,
mie er benn feine amerifanifdE)en ©runbfäfce be=
treffe ber ©onntaQ§heili(Utnfl/ ber SJJäjnflfeit ic.
mit ben rheinifdhen 2 fnfdhauunc;en bereinige, fogt
er uns mit freunblichem 2 äd)eln, ba&'er als
Digitized by v^ooQie
Um JSIjein.
61
ttnitarier fcfjon früher freieren 9 lnfd)auungm
gehnlDigt, welche fid) in ber rhciitifchnt «uft
nod) erweitert hätten.
2öir tonnen itnferen ob biefer Unterhaltung
auf jteigenbeu ©ebanlett nid)t nad) hängen; benn
joeben tominen fein flefleibete ffnabeit iittb 9?iiib=
d>en baher nnb fingen mit etwas fremblänbifdjer
< KuSfpr«cf)e, fonft aber red)t gut: ,,3d) toeifj nicht,
roasjoü es bebenten :c."
„Siub baS englifd)e Äinber?“ fragen mir
unfern ©etaimten.
„3a wohl, welche, beren (Sltcrn beinahe baS
ganze 3 ‘ihr l)ier wohnen."
„Unb fie^ gebraudjen
bie beutfche «prache ?"
„2öenn fie am 3tl)ein
to o b n e n , unb nicht
bloS, wie Diele Gngläitber,
Don Ort ju Ort reifen,
ergebt es ihnen tote ©an»
cröft’S Äiitbern in ©er»
lin, bie nicht bloS beutid),
fonbern fogar ben ©er»
iiiter $ialeft (ernten,
ßinft, fo hörte ich auS
guter Quelle, befud)te ein
jjfreuitb auä 9tero = €ng»
lanb biefen ameritani»
fdjeti ©efanbten unb be«
rühmten ©efchid)t§fd)rci*
ber unb hörte bie$iitber,
roie fie bie Stiege herauf
tonnnen, beutfd) plau»
bern.
„Stber ©ancroft," fagf
ber ffreunb, „toirb benn
in 3 brem fpaufc nicht
ameritanifch gerebct ?"
„SBeSbalb b?nn nicht, aber öon bem jungen
®efd>led)t nur bann, roeitn cS baju fommanbirt
roitb. 5DaS lehtjn ber ©erliner 2uft unb fangt
bie Sprache in Sdfjule unb anberwärtS gleichfam
ein. 6 § ift bamit, wie mit bem ©ogel, ber in
ber Suft, roie mit bem fjfifch, ber im Ußajfer
lebt; unb roaS anberS fönnen mir erroarten, als
baß uniere $inber bie Sprache aufnehmen,
welche fie gleichfain roie bie Cuft einathmen?
2Benn fie röieber nach Slmerifa tommen, roerben
fie fcfjon roieber englifd) reben."
2 Bir miiffen jeboch weiter hinunter in’sSKbein»
tljal, fonft hätten wir bem intercffanteii Slntcri»
taner noch mehr abgelaufcht. t*r hatte gar
manche ©ebattfen angeregt, bie — fid) weiter
fbinnenb — hinüber reichten über’» ©teer, unb
Beiträge jur Söfung fotdher fragen liefern,
roebhe uns in ben ©er. Staaten oft nicht wenig
befdjäftigen.
3eboch — weg Don ben ©ebanfen jum Schein.
Sopparb unb ©raubad) unb anbere Orte ziehen
an uns borbei. Schloß 8 at)ned unb Stolzenfels
Winten Don ihren £wl)en herüber, unb bor uns
erweitert fid) ber prächtige Strom ju einem
©eden, abgefchloffen burd) bie ©rüden jwifchen
,U ob lenz unb ber trotzigen ©ergfeftung @l)ren=
breitfteiu.
•£>ier miinbet bie ©tofel in ben Sthein. So
lieblid) jebod) baS üon if;r befpiilte ©taifelb and)
ift, fo freunblich bie am Stljein gelegenen 9teb=
gelänbe and) roinfen — hinter biefer ^crrlichteit
ragt in biefer Umgegenb bie fteinigte Dont unter»
irbifchen geuer gefdjaffene ßifel, liegt ber troft»
lofe ©Jeftcrwalb, beffen föinber
fid) ooit elenbcr 3nbuftrie fiira»
merlid) ernähren.
St)er aus biefen ©egenbeu
nad) Slmerifa auSfoanbern faiut,
ber thut es. Soeben fahren wir
roieber an einem ber mit SluS»
toanberern augefiiüten ©adet»
fdjiffe Dorbci, unb baS $erj
wirb mit ©Jcbmutb unb wiber»
ftreitenbeu ©efiihlen erfüllt, in»
bem wir bem beutfdjen, an einem
©uro 2lnbernac$. — Stabttbor in ftiibcnta$.
6 nbe be* Sdjiffe* gefundenen Ciebe laufd)en:
„So leb’ beim tt>ot)l, bu füllet ^>aus!" wäljreub
am anbern 6nbe bie beiitfcf)en ausroanbernben
3?urfdje in ba» 2f)a( tjinausjubcln: f ,^eutfd)=
lanb, $cutfd)lanb über Safdjentüdjer
mefjen; £)iite werben gefdjwenft; $)od)rufe er*
tönen unb au* bem bewegten £erjeu bringt ein
inniges: ©ott fegne eud)! _
Leiter eilt ber Dampfer an Sd)löfferit,
Stuinen unb Dörfern tiorbei, burd) ein anbere*
ftelfcutljor bei 91nbernad) nad) bem burd) feilte
Äircf)e betanuten Sinnig, ba*, mie foüiele 9tl)ein=
orte, ebenfall* römifdjen UrfprungS (Sentin-
cum) fein will. 91 (t ift ber Crt, baS ift ma^r,
unb fernere Seiten bat berfelbe and) bitrc^=
gemad)t, benn er mußte immer bie 3cdie be=
^afjlen, wenn ber $of)enftaufe in ba* ©ebiet
feine* Qfeinbe*, be§ (>r^bifd)of* bon itöln, ein=
brad). ^ier fofl bie Stätte fein, an welcher
Utonftantin ba* Strablenfreuj am Fimmel er=
blidte, al* er 311 ooit Jlölit gegen s DJai‘entiu*
Digitized by
Google
62
Um Jtfyrin.
gog, baffelbe Hreug, bnS er in feine 3?o(jne auf»
nahm mit ber Teuife: in hoc vinces. Söenu
biefer SÖa^rfprue^ einmal am gangen 9ibeiit gur
bollen Söaljrheit wirb, wenn baS „Itreug" all»
überall wirtlich gefügt hat, bann ift eS bort noch
biel bunbevtmal fdjöner.
»eufseves ccr .uudje m öinjig.
9lnt Qfuße b<te $aifer=
berfleS lient bie alte Stabt
Sinj mit ifjreu mittelalter«
licken Stürmen. Siemacpl
feinen Slnfprud) auf romi=
fd)e „©runblage", fonbern
ift eine altbeittfcfye Stabt,
tDe(cf)e Ui)on in früfyeflet
3eit ber bcutfd)en ©etd)id)te
Genannt luivb, unb bereite
um’3 3fabr 1000 ^um rpcU
nifeben Stäbtebunb Aborte.
®er Ort mürbe in ben Kämpfen ber ©e^eiu
Inifer ^3^iüpp unb Otto $erftört. 9lnno 1250
gina Sinn an ben Sr^bifcbof Don $öln über.
intereffantefte Wionument biefer Stabt
ift bie aite bem 13. 3af)rf)unbert ftanunenbe
9)lortutefird)e im fpcitc^otf)ifdt)en Stil mitmcrtt)=
Dollen ©la^emälben.
S5om nabe^elec^enen ^aiferbert^e aite c^cnicfU
SttnereS ber flirre in <Sin$ig.
auf baS gweite 9Jheinbeden, baS SUjrtljal mit
feinen greifen unb ©urgruineti, unb namentlich
auf bas am jenfeitigen Ufer liegenbe 9iemügen
mit bem ©ittoriaberge, ber 9lpoUinariafird)e unb
ber ©upeler 2ei.
‘«Remagen, baS alte 9tigomagu§, beruft fid^
binfiditlid) feines UrfpruiigS auf einen unan*
t cd) t baren 3*«Ö*n, ben 'Dteilenftein aus bem
oaljve 102 n. Opr., laut meldjem ffaifer fDtart
Slurelius unb 2. ©cruS bie ^»ecrftrafie üon 9tc*
maßen nach ftöln gebaut, unb watjrfcheiulich ift
bie tpfarrlivdjc auf ben ©runbmauern eines
9iömcrbaucS errichtet.
&ür frühgeitißc ©inführung beS ©Triften«
tl)uni” geugt and) bie auf bem Reifen weithin bie
©eaenb beherrfdjenbe Slpollinaristirche, benn luf
i biefer $ölje ftanb fefwn im Sabre 1110 ein bem
heiligen ÜDiartin geweihtes ©oltcshauS. SBunber*
I bar |d)bn ift üon hier aus bie 9luefid)t auf baS
bom Siebengcbivge begrengle Sieden bee SRbeinS;
! and) auf bem ©iltoriaberge lacht bem SEBanberS*
mann ft vornan f= unb abwärtsbisHönigswinter
unbSlnbcvnad) eine prächtige Sanbjdjaft mit bem
TradjcnfcIS, 9folaubsed unb- bem licblid)en
9tonnenwcrth gu.
91 nt Sicbeugebirge haben bie romontifeben
£>errli<hfeiten, Welche ben 9thein fo berühmt ge*
macht, ein ©nbe. ©ou ba
burebftrömt ber ging gwnr
febßnes, aber fladjes 2anb.
9iid)t Weit üom Sieben*
gebirge rul)t am linten Ufer
baS ftillc ©onn mit feiner
berühmten Uniüerfiliit, unb
weiter hinunter prangt
ftöln mit feinem unüer*
gleiebliehen Tom, ben mir
i'd)on früher in £>au§ unb
£>crb üorgefiihrt hoben.
SBenn bif aber einmal
nach Höht tommft, mein
lieber Scfer, fo hüte bid)
üor gwei Gingen: 1) ©or
ben großen Rotels — „Tu
9torb" u. f. tt>.; beim ba
giltft bu nichts Wenn ou
nicht ein englifdjer ©aron
bift, unb mufst bein gutes
©elb für wenig „SBaare"
laffen. 2) ©or ben ©den*
ftebern unb Führern. Unücrfcf)ämtere, als bie
.Ciohier, habe id) in ber gongen ©klt nidjt ten*
neu gelernt. 9tid)te e§ alfo ein, baß bu gar lein
91ad)tguartier in llölit braudjft. Ten herrlichen
Tom fannft bu ohne Führer fehen, auch Wenn
bu lein tKeifehanbbud) Ijaft. Tu wirft beim 9ln*
fchauen bicfcS nhidjtigften 2öerfeS gotf)ifd)er
©aulunft ungleich höheren ©enuj? haben, wenn
man bie herrlidjfte 9luSfid)t auf bie ©afaltbriide, 1 bu allein bift, als wenn einer biefer uuauSfteh«
D i g i t i z ed by
%m Sljem.
63
lid^en 9 ??enfdjen bir bie Cl)ren botI=
trommelt.
9 luüer beni iiitüerglcid)iid)cn Tom
giebt e 3 in ftbtn eigentlich nichts 311
(eben, maß ben ffianberer, ber ficb
ouct) anbete 3 tarne Befdbaut bat, luv
fonberß feffeln tonnte. (S» finben fid)
jmar l)ier eine Stenge (Gebeine ber
^eiligen; meobalb bie Stabt and) bie
„diüige* ($eilige) genannt mürbe.
SBer aber ttrirb fidj) and) mit biefeit
liebervefteii nienfd)lid>er ©röße ober
Bigotterie eingetjenb befdjaftigcn moU
len! Tte ft&lner Sammlung römu
fd)er Hlltevtl)iimev mivb in oieieit Stu*
feen Teutfcblanbß
bei rncitem flbertrof*
fen, unb mir bleiben
ber Ue&erjeugung,
baß bie einzige große
SMerfmiirDigteit ber
Tom ift. Ten be-
fd)aiie Dir, mein lie¬
ber ßefer, memi bu
'mal ba bin tommft,
nid^t mit ameritani-
feber vmft, fonbem
mit beutfdjev 'Hube.
©ebroudje l> Stun*
ben bugu - unb bu
mir)l nod) lange nicht fertig
Damit fein. T niete bir ba'g
©efainintbilb ein; ergäbe bicb
an ben faft munberbaren
(Singelbeiten unb tdueibe auf
ba£ ©attge: „Tao ^at beut-
fd)e ü uuft unb beutfdbe
Baterlanbsliebe üoflbradfjt."
3ebodb mir finb am
(Snbe ber ßerrlicßeu 9 tf)cin*
fahrt, meld)e 11110 in oieler
$infid&t 311111 Segen geroor=
ben ift, 1111b 11110 aufl s J?eue
!lar gcinadd, meobalb ber
Tätliche für feinen SRbeiit fo
Begeiflert ift. .frier auf einer
ber rbeinifdjen frohen mar
e£ and), mo Julius
Sturm fein prädb-
tigeß Wcbidjt: „ fr a 11 e t Söß a d) t"
Oer faßte:
Tjaltct ÜJadjt!
iräcbtcr auf ben hoben §iuttcit,
Scib auf euer 2lmt bcbad)t!
£aufd?t uub fpäbt mit fdjarfen Sinnen,
haltet XlUicbt! galtet IDadjtl
^ubm, beit uns Der licrr bcfdjic&cn,
Hcibct mts Der ^citibc Iltacbt,
(Trauet md)t Dem faulen ^rieben,
Xialtct IPacbtl galtet TDadjt!
ITlit ben IPaffcn au ber
Seite
£eae fid) bas Xicer 3 ur
2Tad)t,
Paß es fertig fei 311m
Streite —
|< 5 ilt cs Pcutfdgaubs ITTadjt
Utlb (£b rc /
Siebt bas aame Dolf ]ux
Sdjladjt,
j Wahllos ipic ber Saub am
ITTccre:
Ätnj: 06m* Stabtt^or. — 9t6etut$or. — (Srpcler £ci.
Jlu* GrpU. ®ou ttvvcl nad? iKcmaßcn.
haltet rDadjtlgaltet XUacbt! haltet Wacht! galtet ll^acbt!
probt cfiefabr bos Heitres «Einig unb mit (Sott per-*
<$rcn3cn, buubeu,
Stoßt in’s fforn mit aller Wo gleicht uns ein ^\cicb au
ITTadit, HTacbt!
Daß bie blanfett Sd>u>crter ^>is ber Siegesfrang gc*
glänzen! \ imiubeu:
haltet XDacbt] haltet Wad)t! galtet XDad)t! haltet IUad?ti
Digitized by v^ooQie
64
.futtjer unb JHesieq.
£utfyer unb WesUy,
ober
ge* J&eifttfÄismus als gfejetl Äe* ®jesammtt:jef 0 vmattjcm.
®om <£. 6 . g. (intfl.
ie ©efcfeicfete beS '9)tetfeobiSmuS' belaftet mar; eS gab eine 3^it, mo bie ©emeinbe
maefet einen Sfeeil ber allgemeinen bet* ©laubigen feilte unb if)r ©freien !am bor
ftirefeeitßefefeiefete aus unb nimmt ©ott. 2 ) 0 , als bie 3 e ^ erfüllet mar, erfeob ber
in berfelbeit neben ber 'allgemeinen' ßttäbiße ©ott feine £)anb, er ^riff befreienb feer*
Deformation ben )piap ber 'be= itieber, es mürbe maf)r: „Gr fafee b’rein unb
fonberen' Deformation ein. nafent fid) feines 53olfeS an."
Menn mir hierbei Don gmei ©attungen ber Sie Deformation ift bod) maferliefe niefet eine
Deformation reben, fo mill bamit niefet gefaßt blofee Sltenfefeentfeat, fie ift bor 2iUem eine ein*
fein, bafe bie Septere bie Grftere auf bebe, bieU greifenbe ©otteStfeat. Dtenfefeen haben ßearbeitet,
mehr mollen mir beibe als Sfeeile einer grofeen aber ©olt allein bat baS ©ebenen gegeben.
Deformation anfcben, bei melier Der .poeite SDeitfdjen haben gefämpft, aber ©ott allein bnt
Sfeeil ergäi^eitb unb boüenbS rciitigenb fid) bem ben Sieg oerliefeen. Gr ftebt babinter. Sie
erften gleid)fam periobial anfefeliefet. Menn beibe I 9Jicnf<feen finb feine Merf^euge nur. ©ein mar
Sßerioben geitlid) burcb über jmei ^aferfeunberte baS Merf. „Gr fabe b’rein unb nabni ficb fei*
gefcfeieben finb, fo [eben mir barin, mie bei allen nes SßolfeS an."
grofeen Meltereigniffcn, bie langfame aber ficfeer Unb meid)’ eine ©otteStbat mar bie Defor*
iaufenbe, reifmerbenbe Gntmidelung ber gott* mation ? ©ie ift, als in ber erften ^eriobe, 3 u*
gemollten Datfefd)lüffe. SaS Mort bcS Herrn näd)ft eine % 1) n t ber D e i n i g u n g ber
finbet naefe ber erften DeformatiouSpcriobe feine ft i r efe e o o n ber f i efe t b a r 1 i efe ft e u U n *
Dnmenbnng, meines lautet: ,,3d) brtbe einb nodb re in iß feit. Sie 2efere beS GoangeliumS
t»icl 31 t faßen, aber ifer tönnt es jept nidjt tragen." marb oerberbt, ba ließ ©otteS ©nabe bie Defor*
3n ber erften ^eriobe ber Deformation marb mation feereinfafereu, mie eine Murffcfeaufel,
ber Gferiftenmelt burefe ©otteS Meisbeit nur fo mclrfie bie Senne fäubert. Ser ©otteSbienft ber
Diel Sicfet ßeßeben, als biefelbe bei ihrem Don ber ftirdjc marb oerunftaltetba liefe ©ottesÖnabebie
23linbfeeit operirten* 2luge tonnte ofene ©efafer j Deformation bereinfabren, mie ein Jener, mel*
ber abermaligen Grbliubung ertraßeu. Sie ! d)eS bie Sdjfadcn binmeßnimmt. SaS geiftlicfee
Deformation mufete fid) periobial entmitfelu, Slnit batte perleritt 311 bienen, eS mollte feerrfefeen,
menu fie bem Solle oerbaitungSgevecbt merbeu Da liefe ©otteS ©nabe bie Deformation bajmifeben*
mollte, unb ©otteS Meisbeit begann biefelbe treten unb bent ©errn feine £errfd)nft mieber
bamit, bafe fie äitnäcfeft ben äußeren aßermeift erobern. ©otteS Mort mar berfcfeüttet, ba liefe
in’S 2luge fpringeuben uon ©ott trennenben ©ott burcb bie Deformation ben verborgenen
Sorbanß jerrife unb baS Dntidferiftentbum in Scfeap mieber feeben. Ser £)eilsmeg mar beit
feiner ß’anjeit Jeinbfdjaft ßeßen bie Mabrbeit I Seelen berfüinmeri, ba liefe ©ott burd) bie De*
unb baS £id)t bemaSfirte. fortnatiou mieberberftellen eine ebene Seifen, ©ie
Unb jener Wann fiutfeer, baS Don ©ott er* | mar eine Sfeat ber Deinißtiitß Der ftirefee.
mäfelte Meneng, biefe eifertte ^aue, mclcfee ben 1 So mar fie and) cine 2 fea t Der Gr*
©tein ber Maferfeeit aus ben fiuftern ft lüften I neuer unß ber ftirefee. Dicfet «IS hätten
ber römifefeen Hierarchie feerauSbrad), ift er nicht bie Deformatoren eine neue ftirefee ftiflen mollen,
ber Gferifteufeeit ein Stofe ßemorbcu? 2lls3>Srael fie mollten nur bie alte apoftolifdje ftirefee mieber
ßebeußt mar unter baS egpptihfee 3od), als eS , gur (Bettung brinßen. Sie feaben fein neues
befefemert mar Don briideitber Saft, ba feufjteu ! ©Danßeliutn ßeprebißt, fie haben nur baS alte
fie mie es feeifet über ifereDrbeit unb ifer ©efereien ©Daußelium mieber att’S Sicfet ßebraefer. ©ie
Jam Doi ©ott. Sa tarn nad) langer ^nifuußS* , haben feinen neuen Grlöfer Derfünbißt, fie feaben
geit bie ©tunbe, mo ©ott erfeörete ifer Mefeflaßcn nur ben alten tiub einsißen ©rlöfer, ber uns ße*
unb mit rettenber £)anb feernieberßriff unb ba* fefet ift 3111 * ©ereefetißfeit, mieber 311 Gfereu ße*
Don feeifet eS: „Gr fafee b’rein utib nafeut fid) braefet. Dber eben in biefent Diidßaitß auf bie
ihrer an." alte Maferfeeit einpfiitß bie ftirdfee neues Seben,
Gs ßab ja audfe in ber (feriftlicfeen ftirefee eine neue ftraft. 3 » ber ©elbftbefiunuuß auf iferen
3^tbe» eßöptififeen 3o(feeS, eine 3^it, in melcfeer ßottßeßebenen Urfpriutß tfeat fid) ifer eine neue
baS (feriftlicfee 93oIf reefet eißentliefe 31 ml ßeiftlicfeeu 3ufunft auf. ©0 mürbe bie Deittißunß ber
fjrofenbienft feerabgefunlen mit fernerem Srud ftirefee 3 ur Grneuerunß ber ftirifee.
Digitized by
Google
lutljn: unb Peslet).
65
3« 6 eiben aber lag eine Heim«
fudjung ber Kirche. ©ott ^at fein Soll
beimgefucfjt. ©r ift ben Seelen nacbgegangen,
bie berlorett gu geben brol)ten. ©r bat guriid»
gerufen, toaS fiep gu betirren brobte, ©r bat
fein SBerl gerettet bor beiten, bie eS gu berberben
brobten. Ueffeln, bie fidb um bie ©etbiffen leg»
len, mürben gefprengt. Sanbe, toelcbe bie Seelen
am ^rrtbuin feftbielten, tnurben gerrißen. ©e=
bunben mar bie '-ßrebigt beS göttlichen SSorteS,
fie mürbe befreit, ©ebimbeu mar bie Söabrbeit
beS ©oangeltuinS an Srrthum unb ijfäffifc^e
fiüge, fie mürbe erlöft. ©ebunben mar baS
beutfdbe 33olt an fRotiiS Sßiüen, eS mürbe er»
rettet. Sie ^Befreiung ber Kirche ftellt fidb bnrin
bar. Unb barum ift bie erfte ^icriobe ber üiefor«
mation ein Aadjbilb ber ^Befreiung, bie Stofe
öoßgogen bat, in melier fiutber gum befreienben
Stofe mürbe.
Ser aßmetfe ©ott mäblt gur Ausführung fei»
ner 9tatbfc$lüße berfdbiebene Sfnbioibueit, bie
mit ihren großartigen ©ingelgaben beim 'ein»
anber in bie Haidt arbeiten' ©otteS Uöoflen gur
Soßenbung bringen unb als große Sbeile eines
großen ©angen, ©roßartigeS leiften unb boß»
bringen. Sie Schrift fagt: „eS giebt mancherlei
©aben, aber cS ift ein ©eift." Ser eilte Stenfdj
lann auSgcriiftet fein mit gemaltigen abminiftra»
tioen ©oben, mit einer ftarfeit birigirenben
Orübrerbaitb, unb babci beriettigett ©aben er»
mangeln, meldje nötbig fittb, um feine Arbeit gu
einem abgerunbeten boßfommeuen ©angen gu
machen, ©eiten finbet man unter ben Stenfdben
foldj’ ausgeprägte, beibeS oerbinbenbe SBegabung.
fiutber, als Stofe ber erfteit jRefortiiationS»
pcriobe, batte einen feurigen, gemaltigen ©eift,
faß moflte ich fagen, eine raube ^etbennatur als
Kämpfer für bie Sache ©otteS. 6r allein mar
ber geeignete Stann, melcber mit energifcbem,
lüfjnem ©riß baS «teuer ruber beS ledctt Kirchen»
ßbißeS ergriß, um es mit bon ©ott gelcnfter
Hanb burdb bie gefabrboßen Klippen pfäffifcßer
SoSbeit, Uitmißenbeit unb ^ntrigue binburcb»
guleiten gum fiößcrn Hafen. Seite 3eit mar eine
unbeilfcbmatigcre 3 e >t boß Semeguitg unb
Sfiibrlidbfeit unb nur Statuier, bott ©ott ge»
barnifcbt mie ein fiutber unb ©enoffen, tonnten
biefe SRiefeuarbeit beginnen, aber auch nur be=
ginnen. Ser alte, ntorfdje Kirdjenbau beburfte
einer griittblidben äußeren ttttb inneren Dteftau*
ratiou. SieS aber Alles im 3 c >traunt ©iner
©eueration gu bollbringen, mar ein Sing ber
Unmöglicbteit, abgefetjen babon, ob fiutber, ber
Stepräfentnnt jener erfteit ©emegung, mit feinem
Ion ft ftarlcn ©ifenmefen bie 3artbeit berbuttben
haben mürbe, bie oonnötben mar, um ben ber»
leßiett heiligen in ner ft en ©runbmabr«
beiten fRedbnung gu tragen.
Sicht rnill idb berftanben fein, als ob ich fiutber
überhaupt baS garte Auge abfprädje, nein! benn
ohne baffelbe hätte er nicht entbedt, roaS er ent»
bedtte. Sebocb fein Auge mar mehr baS Auge
eines für feine Sache entflammten, iiberfdbaueit»
ben, im ©angen operirenben Heerführers, ber
für bie, boeb ben bollfoinnteiten Sieg gcroiitnen
belfenbeu, Heineren Abtbeilungeit mäbrenb ber
Schlacht fein befidjtigeitbeS Auge bat. fiutber
mar ein großer ©etteral, aber ein lleitter Kor»
poral. fiiitber rechnete mit ungcrlegten fffattoren
bie Hauptfuntme bor unb überließ eS — meit es
fo ©otteS SBifle mar — Anberen, baS Sechen»
erempel bem Soll auSeinanberguIegen. SarauS
gebt genugfant bie Anerfennung beruor, baß
fiutber unb ©enoffen nach ihrer Art große geift»
liehe Statbematiter marett, melc^e bie fiöfung
ihrer Aufgabe, aber auch nur ihrer Aufgabe,
fattben. 2*3 aS bureb fiutber, ben Statut ©otteS,
gefdbab, mar tiidjt meßr uttb nicht meniger, als
genau baS bon ©otteS Söeisbeit als jener 3eit
erträglidb erachtete Stjeil, baS mit bem barauf»
folgenben ein ©angeS gu bilbett batte. SaS
2öort beS H f rrn hieß auch in jener 3eit: „3<b
habe euch noch biel gu fngett, aber ihr löntit cS
jeßt nicht tragen."
Statteber, ber in ber bon mir ermähnten erften
SeformationSperiobe leine periobe, fottbern ein
boßettbeteS ©ottcSmerl erblicft; mancher, ber
biefe ©eriobentbeilung ber ^Reformation eine
attmaßenbe nennt; mancher, ber anftatt einer
gmeiteit geriete ber ^Reformation, mie mir eS
benennen, nichts ficht als eine feftirerifebe 23e=
megttng, unb babci ©eiftlicber ober fiaienebrift
fein miß, muß bie Singen bon ber oßcnbarlichett
Söabrbeit abgcioatibt halten, metut ihm nicht bie
Sbeiluttg utib Söidjtigfeit ber gmeiteit periobe
als bon ©ott georbnet erfdjeint.
©efenuen mir uns berfuchsmeife gu fiutberS
^Reformation, als ber einattigeu ©oßenbung,
bann mußte nach berfelbcit bie eitangelifdje Kirche
jur ©inbeit gelaugt fein, gur ©oüfommetibeit
tn ber ©djriftauffoffung gefomnien fein, eine
fchladettlofe Kirche gemorbett fein, unb mar bettt
fo ? blieb nicht bctS Sroftroort: „menn aber jener,
ber ©eift ber Söatjrbeit tonnnen mirb, ber mirb
euch itt alle SSatjrbcit leiten," noch in ibeilmeifer
23cbeutung ? ©3ie ftebt cS nun mit ber einattigeu
©oßenbung ? Stuf mcldter ©eite hätte nun bie
Slnmaßung ben redjteu -Blaß gcfuttbeit? Stuf
jener ©eite, bie ba bon fidj fagt, baß Jbr SEOeyf
ein abgefdfloßeneS fei, ober auf ber «eite, bie
hefebeibett fiep bettt fortentmidelubeit Satbfdjluß
unterwirft? richte felbft! — 2öic fteßt es mit
bettt ©briftentbum, baS fich mit eingefcbloffetieit
©(hätten bjmmlifcber ©nabe begnügt unb bem,
baS jene Schüße febett unb befühlen miß, baS
Auge unb fierg baran meibett miß ? ©inb biefe
barum ©eftirer, meil fie fid) an bettt 21'ort
allein nicht genügen laffett moflett, fonbertt
Digitized by
Google
66
futljer utib JUrsirij.
bi« burdj baffelbe auSgebrüdte ©nabe als ©insei»
fapital in ißren ftersenSfchranf aufnefjmen rool»
len? ri^te felbft!
döafjt ift eS, baß burdj Suther unb ©enoffeit
ber Schaß aus beit fpetulatiuen Rauben ber rö=
mifd^etx (BaalSpriefter errettet mürbe; ift er aber
aud) babtird» mie ©heißt 3Mut 311 m ©emeingut
gemorbeit ? Stieben nidjt bielmehr noch manche
na<h.SRom riecbenbe Fragmente, bie überhängeitbe
berhergenbe Sede, mclcfje binnen ber 3faht=
bunberte ftiidmeife abfiel? (Ricßt fage ich, baß
Suther halbe Arbeit gethan, nein, bcn ißm burdj
©otteS (Billen unb (Weisheit auferlegten UlrbeitS»
tbeil bnt er boüenbet, aber auch nur biefeit Stjeit.
Sen anberen friebtidjeren SLfjeil batte ein fanf»
terer, mit ebenfalls großartigen ©oben anbercr,
milberer 9lrt auSgefiatteter ©otteSmann ju boll»
führen, nämlich 3ohanne8 2S e S l e t), ber
nadjreinigenbe (Reformator.
2 Bar einerfeitS Suther ber eifenfefte, fatnpfeS»
muthige ©lauhenSfriegSmann, meidjer baS in
feinblid)e $änbe gerätljene ©rhglaubenSlanb
jurüderoberte, fo mar anbererfeitS (Besieh ber
ebenfalls großgeiftige, aber fanftmüthige, be»
mütljige, friebfertige ©laubcnSabminiftrator,
meldber in feinfüfjlcnber SohanniScigenfchaft bie
bern Solle rnohl übergebene, aber unerllärte alte
©laubenStrabition unter bie (Beleuchtung gött*
lidber Deutung brachte, unb fo baS (Boif recht
eigentlich (Befiß ergreifen lieft Don bem eroberten
Sanb, Don roeldjein uns gefagt ift, baß eS eilt
gut unb rocit Sanb fei.
©S mar eine geiftliche SBüftenjeit, in meldber
(Besieh mirtte.
3(n jener 3eit haben mir ben Sdjlüfjet ju ber
beute fo mächtigen ßinlje ju fudjett; jene 3 eit
erzeugte bie (Rotljmenbigfeit einer geiftlidjen (Rc=
formation, unb mie einft Sutber bie alte ber»
bedte (Wahrheit aufjubeden bemüht mar, mie er
einftenS feilt 9lugeninerl auf bie Umformung
beS berfrüppelten .fjeilStoegeS richtete, fo 30 g ein
(BeS(et) reiitigeitb unb crfrifdjenb mit encrgifcher
£>anb bie beit |»eilsroeg berhängeube Sede ber
Sermeltlidbung ab unb beutete mit bom £>errn
erleuchteten ©eift bie nnberftanbene, ober auch
nicht berftanben fein geroofite nadte (Wahrheit
nach ©otteS in bie heiligen Schriftroorte gelegten
Sinn.
(BaS ift eS beinnach 3 tt bermunberit, menn bie
bamaligc laue, träge unb üppige ©eiftlicfjfeit mit
2 lrgu§nugen auf ifjrcn Sol (egen fdjaute, unb
bemfelbeit, als fie feine eutfdjieben eingefchlagene
s Jtid)tung roaljmahm, baS Ukebigen in Staats»
firchen bermirfte, ängftlich beforgt, ber burch ben
heiligen ©eift angefeuerte Wattn unb feine ©e=
noffen möchten ihrer behaglichen (Ruhe, in roeldbe
fie ficb eingeltillt batten, gefährlich unb ftörenb
merben! (BaS (Bunber, meitn baS arme, mager
gefpeifte Soll gierig baS frifdje KRanna ber»
fchlang gleich lederen Siffen, unb fuh nadh Sau»
fetiben um biefeit ©otteSmann fdhaarte!
SMe Sutper, fo hatte auch (Weslct) barunt feine
Kämpfe unb Serfolgungeit 311 leiben. Sei ihm
hieß eS auch, bie gottfelig leben (uub lehren)
mollen in ©fjrifto 3(efu, niiiffen Serfolgung lei»
ben. (Besieh, als ber bon ©ott ermählte Stann,
blieb bemungeadhtet 3 ur ©rfüüung feines SerufeS
— mie einft Sutfjet— erhalten, beim men ®ot»
teS £>anb hält, bem mag bie (Belt nichts an»
haben. So mürbe (BcSlehS (Reformation bie
(Reformation ber (Reformation. 2luS bein Stif»
tungSlanbe ber erften (ReformationS = tßeriobe,
Scutfchlanb, lam bie (Reformation nach ©ng=
lanb, um—mie munberbar ift boch ©otteS (Bai»
ten — nach etma brei Saßrljunberten bon @ng»
lanb, als bem £erb ber gmeiten Seriobe, roieber
Seutfdjlanb p reformireit.
©erabe mie jeßt bie Kirche SeutfdllanbS in
ben tobten 3?ortiialiSinuS berfaflen ift, gerabe
mie jeßt bort 311 m großen Sljctl bie ©eiftiidhleit
in ben (Rationalismus berfunfen ift, gerabe mie
bort baS lidjtfdjeue ©ulentljum bie Sonne ber
©credhtigleit fdjeut, fo mar es, ja noch mehr- in
ber ifirdje ©nglatibS beftellt, „als ©ott b’rein
faße unb fich feines SolleS entnahm." (Wenn
nun heute fich in Seutfdjlanb ein lüljncr Wann
fänbe, ber 011 S ben (Reißen ber fdiodhmatten
StaatSgeiftlichtcitherauSträte, berbnS©loubenS=
bifir gegen baS Soll unb feine Smtsbrüber
öffnete, ihnen fffludh unb Segen, Sob unb Seben
borlcgte, an ihr ©emiffen appellirte, fie ernftlich
ermahnte, iljuen ben alleinigen 2Beg pr (Ret=
tutig aus ber heiligen Schrift nachmiefe, baS
alte Sottcrmefen in eine gemiffc Crbnung ein»
leitete, mürbe barunt biefer eblc Staun eine neue
Sehre lehren ? (Rein, gerniß nicht, ca' mürbe nur
baS ©iS micber 3 U SBaffer machen, Subftans
bliebe Subftaus, aber 3?orm bliebe nicht fjornt.
Unb RBeSlep mar ein foldh cblcr mutßiger URann,
mclcher eS unter ähnlichen Serhältniffen magte,
in bie j£obtengriifte 311 Reigen unb an ben ©e»
beinett ber erfdhlngencit (Wahrheiten 311 rütteln.
@r mar eS, ber nicht ben ©latiben änbern, aber
baS unchriftlidhe Seben ber Wenfchen änbern
mollte. ©r lam nidjt üon ihm felber, er üoH»
brachte leine dRenfchenthat, fonbern als in 3(efu
(Rameu eine ©otteStljat, beim ©ott faße b’rein
unb nahm fich feines SolleS an. Unb analog
ber erften Seriobe mar biefe Seriobe.
$icfe ©otteStljat mar 3 unädhft eine (Heini»
g tt n g ber ,(fir<he bon ber innerlichen Unreinig»
feit. Sie Sehre beS ©üangeliumS mar eine
trodene gemorben, barunt ließ ©otteS ©nabe
feinen erfrifdjenbeit fümmelstbau hernieber»
träufeln. Ser ©otteSbienft ber ifirdße mar eitel
tfform ohne (Befen. barum fanbte ber |ierr fei*
nen belcbenben ©eifteShaudh. SaS geiftliche 9lmt
feljnte fich «eich ben (yleifchtöpfen ©gtjptenS unb
Digitized by v^ooQie
Pruber Peier.
67
lebte üppig, eS patte Derlernt gu bienen nnb
wollte perrfepen, eS War fplaftrunfen, bn ließ
©ott burp feine 9luSermäl)Iten bie Spläfer
weden unb fie gur 93orficf)t mahnen. ©otteS
Sort war Derflapt unb gab als ©lenfpenmort
uubeutlipe Stöne non fip, ba gab ber £>err bem»
felbeit feinen wahren Slang wieder. $cr#eilS=
weg mar ben Seelen Derfümmert, ba lieft ©ott
wieber perftellen eine ebene ©apn. — Sie mar
eine Spot ber Steinigung ber Sirdje.
So mar fie and) eine 21 )at ber G r n e u e r u n g
ber Sirpe. Stipt als hätte Seslei) eine neue
Sircpe ftiften wollen, er roollte nur bie alte
apoftolifpe Sirpe mieber gur ©eltuug bringen.
Gr unb ©enoften haben fein neues Güangeliitm
geprebigt, fie haben nur baS alte GDangelium
an baS Sieht Gb*>t'ti gur riptigen ©eleuptung
gebrapt. Sie hoben feinen neuen Grlöfer ber»
fünbigt, fie hoben nur ben alten unb einzigen
Grlöfer, ber uns gefet)t ift gur ©creptigfeit,
wieder gu Gfjren unb feiner berbienftbollen Gigen»
fpaft gebracht. 3lber eben in biefem Sliidgang
auf bie eigentliche Saprljeit empfing bie Sirpe
neues Seben, neue Sraft. 3n ber «elbftbefin»
nung auf ihren gottgegebenen Urfprung tpat
fich ihr eine neue 3ufunft auf. So mürbe bie
Steinigung ber Kirche gur (Erneuerung ber Jtirpe.
3 n beiben aber lag eine £>eim|upung ber
ßirpe. ©ott fahe b’reiu unb nahm fich feine»
©olfeS an. (Er ift ben Seelen napgegangen, bie
berloren gu gehen bropteit, er hat gurütfgevufen,
was fiep J u berirren dropte. Gr hat fein Serf
gerettet bor benen, welche eS gu Dernapläffigen
bropten. ©ebunben mar bie ©rebigt beS gött=
fiepen Sort» burep Unwiffenpeit ber uermelt»
fisten Präger, fie mürbe befreit, ©ebunben
war bie Saprpcit beS GbangeliumS an ©tift»
Derftanb, fie würbe erlöft.
Sieber Sefer, ber bu bip Gprift nennft, aber
noep immer mit ©orurtpeilen gegen bie ©tetp.
fTircpe behaftet bift, laffe bir tagen, baft, fo
bu ein maprer (Efjrift im Sinne unb im ©eifte
ber Scprift geroorbeit bift, bu füglich ©tetpobift
peifteu fannft, benn bn paft bie einige '©tetpobe'
gum Seligmerben eingefplagen, Welpe peifet:
burp Siebergeburt jitm ©naben»
ftanb ber ffinbfcpaft.
Sutper unb SeSlet) finb gmei fiep munberbar
ergänzende 6 parattere, bei welchen fiep SpillerS
Sorte bewäpren:
„IDeun partes fiep 31m; Starfen menget,
Dann giebt es eilten guten Klang."
Sapr ift eS, baft bor Sutper unb ScSlet)
©tänner ber Saprpcit erftanben finb. Sären
biefe a 6 er bie bon ©ott erwählten Serfgeugc ge»
Wefen, fo hätte ihr Sirfen einen burcpfcplagen»
bereit Grfolg als ©eleg gegeben, baft bie 3 eit
gefommett fei, wo ber £err in feiner SeiSpeit
fiep feines ©olfeS annepmen wollte. 3lber bie
3 eit war nop niept gefommen.
S)iefe ©tänner finb gu Dergleichen ben peH»
leucptenben Sternen am tagenben fjirmamente.
Sapr ift eS, baft bie ©egeumart unb bie 33er»
gangenpeit mapre JJinber ©otteS pat unb patte,
auep opne ©tetpobiften gu fein unb gemefen gu
fein; wenn bem aber fo ift, fo trachten unb trap»
teten biefelben auf orbuungSgemäfte <spd)rift=
anweifung ipr Seelenheil auSgufpaffen, unb
folcpe priftlipe ftirdjen ber ©egenwart, bie ba
ernfteS Gpriftentpum pflegen, bie bn laufen auf
bem allein Derorbneten Seg gur Seligfeit, pobeit
immer gefpöpft unb werben immer fdjöpfett aus
ber ©efamintfumme ber reformatorifpcu Gr»
rungenfpaften. Sie fagen niept, bieS unb jenes
nehmen mir feines UrfprungS wegen niept an,
fonbent beitüften treulich alles (Errungene, opne
bespalb ipren Stanbpunft gu Derlaffen.
Prüftet Peier Hilft feine Mtm
Step bem Giißllfpett.
4n|er ©tanpem fo unwillfomniene Stag war
cv gefommen, ba bie ©tiffionS = Toilette ge»
k hoben toerben füllte.
31 11 cp ©ruber EDicier war, wie iibliip peute in
ber Stirpe. 3'n ber GrbauungSftunbe Dor bem
öffentlichen ©ottesbienfte ergäplte er feine ©e=
feprung. Gr pries ben fjerrn unter 2pränen,
beffen ©nabe unb Segnungen ipn fpon fo Diele
3 apre begleitet patten, „wofür," fügte er pingu,
„wie id) glaube, icp wahrhaft banfbar bin."
3nbem er bie Spanien mit feinem rottjen,
feibeneti Satftupe abwifepte, begeugte er, baft er
3llleS, was er befifte, ber SReligion gu Derbanfen
habe, baft er in feiner fcpwacpen Seife uerfndje,
bem ^errn gu bienen unb puffe, endlich feine
lieben ©efepwifter alle im Fimmel wieber gu
treffen.
„©ott feqite biep, ©ruber ©leier!" fagte bet
gutpergige Führer.
„Gr ift ein alter ©eigpalS," flüfterte halblaut
ber blöbfinnige „©ob" in ber töioterbanf, inbem
er fiep hinter ben breiten Schultern eines Dor
ihm fipenben ©lanne» Derbarg.
2 )ie meiften ber 3lnwefenben patten bie ©e»
merfung gehört; ba aber ©ruber ©leier etwas
fipwerpörig ift, fo blieb ipm bie Semiitpigung
erfpart.
©ruber ©leier betete laut, ber £err möge ber
©enieinbe Seben fpenfeu, bie Sünberpergen
brepen unb bie ©efpmifter beleben, Don benen
©lanpe fpon feit fep» ©lonaten fein ©efennt»
Digitized by v^ooQie
68
Pie erjmungmf Jlrebigt.
niß in ber Äircpe abgelegt hätten — unb 3 uleßt
fprncp er in großem Grnftc mit bontiernber
Stimme, inbem er ben Soben ftainpfte, baß bie
ßitcpe gitterte unb bie ticinen ftiitber, bie eben
herein tarnen, erfcprofen: „O £)err, gic 6 unferen
Sjkcbiqern mehr SReligion, mirflicpe, altmobifd^e
Religion!"
®a ber öffentliche ©otteSbienft begann, faß
Sruber Weier in feinem gemöhnlicpeu oiß. Gr
mar nie miibrenb einer Srebigt abmefeitb, ob»
fcpon, mie er oft mit einem Seufger tagte, bie
Srebigten nicpt mehr mie früher maren.
9lls ber Srebiger gum „ 3 meitenS" tarn, mar
SBruber üJteier feft eingefcplaien.
Gr träumte. Sein Wienenfpiel öerrieth, baß
fein Sraum ein außerqeroöhnlicp »nichtiger fein
mußte.
Gr befanb fiep im Sorpof beS Rimmels, —
beutlicp hörte er bie ßlänge hintmlifcpcr Wufif,
unb bunt) bie etmaS offene Spür brangen Strafj=
len ber |»e¥rlichfeit.
Schon mollte er eintreten, als ihm eine ftrenge
Stimme gurief: „£nilt Sterblicher! SRur bie
©erccpten gehen ba.ein."
3 uerft fühlte er entrüftct, aber feine 3 i'nge
fchien gebunbeit unb cS mürbe ihm fonberbar ju
Wutpe. 2)aS &erg ftanb ihm faft ftiH.
„SBorauf grünbet fiep beine Hoffnung ?" frag
ihn bie Grfcpeinung.
„3cp >®ar auf Geben ein Gprift, biergig $opre
lang," antroortete SBruber Weier.
,,'$aS hüft nichts," mar bie ftrenge Stintmort,
„haft bu feinen anberen ©runb ?"
SBruber Weier bebte. „3<h höbe immer ber»
fucht, meine Pflicht gu thun," flotterte er.
„SEßir roollen fehen," fagte ber Gugel unb
nahm ein Such bon einem Scpranf herunter,
auf bein fi<h Willionen ähnlicher Sü<per befati»
ben. ,,.£>ier mirb genau SRccpnung mit allen
Sterblichen qepalten."
Sruber Weier gitterte jeßt mie Gfpenlnub.
2 )a£ Such öffnete fich gerabe ba, tuo fein SRame
mit großen Sucpftaben obenan getrieben mar
mit ber SRecpnung barunter:
Sopannes Weier
bem Mnnicptigen f ch u 1 b i g:
3?ür Sehen unb Latein,
„ feepgig Jfohre ©efunbheit,
„ acht fräftige, gefunbe ifinber,
„ eine gute 3 ?arm,
„ Süöerihpapiere,
„ ©elb auf 3 ntereffen,
„ fircplicpe unb cpriftlicpe Sorrecpte,
„ £>eil in Ghrifto,
„ alle bie unauSfprccpliCpen Seiben beS
£>errtt 3fefu
unb fo meiter. MeS gufammen mehr roerth als
biele SEßelten.
Sruber Weier mollte bergehen. ,G§ ift Silles
unbegabt," rief er gerfnirfCpt unb fiel auf ben
Soben."
„Stehe auf, betrachte beine 3aljlungen!" fpraep
1 bie Stimme mit erfepreefenber Strenge,
i Unb er faf), maS er in beit bielen Rohren ge»
! than hotte — fo erbärmlich menig im Sergleich
| mit ©otteS reichlicher Scrforgung: — er fap bie
Sdjätse, bie er fiep ermorben auf Grben unb mie
menig er getpan für bie Stlrmen unb für bie Sffielt
ber Sünber.
Sergmeifelt rief er auS: „SfitaS foll icp tpun ?
■ 3<h hohe feine Hoffnung. Serloreut Serloren!"
5)a berührte eine £>aitb feine SCpulter unb er
! hörte eine Stimme:
„SRoCp barfft bu gur Grbe juriieffepren. 9tacp
monCpeu fahren mirft bu mieber fommen unb
; an baS Sperleutpor Hopfen, oielleicht mirb es bir
| bann geöffnet."
i Sruber Weier ermadjte gerabe als man fang.
, Wampe munberten fiep über bie nngemöhnlicp
große ©abe, bie ei heute gab.
Gr lebte noep gmaitgig 3apre, unb nie formte
er genug geben. Ueberall, mo eS galt gu geben,
ftanb fein SRanie mit einer icpötien Summe
obenan. Gr boepte niept inepr auf fiep felbft,
ionbern auf ben Stöunfcp beS pimmlifcpen SaterS.
Gnblicp flopfte ber 2ob an feine ipitr, boCp
braepte er feine gfurCpt mit fiep. GS berflärten
fiep bie bleichen ^iiege unb fterbenbe Sippen
fliifterten: „S£ie Störte ber ^errlicpfeit ift meit
j geöffnet, icp fepe, iCp fepc burep ben Scpleier!
GS ift meiner Seele fo mopl!"
Pie errungene prebigt non
Pertiarb föUpitt.
Glngefaubt non ■£>. »iennfl.
nter ber SRegierung ber Königin
Glifabetp befam baS Jßort beS
£>erru freien Sauf. Son Stltißen
marb bem StBacpStpum beS ©lau»
beuS unb reeptfehaffenen SffiefeuS
in Gprifto fein .ftiuberniß in ben
Sffleg gelegt. 9lber baS größte fginberniß ift über»
paupt nirgenbS unb gu feiner 3 eit ein äußeres,
fonberu immer gunacpft ein inneres gemefen:
S£aS Serberbniß unb bie natürliche {Jeiubfcpaft
beS WenfcpenhcrgcnS gegen ©ott unb feine ©e=
falbten. Ter größere 2 peil ber Seprer, tneldje
jeßt im Sonbe maren, nannte fiCp freilich „eban=
gelifd)", aber bei fepr bieten oon ipnen toaren
meber ©efiitnung noep SEßanbel bem Gbangelio
Digitized by
Google
70
Pie errungene JJrebigt,
gemäß; eS beburfte nur ber ©elegenßeit, bamit
an ihnen offenbar werbe: baff mit ber äußeren
Unterwerfung inbie f>errfd»enb geworbene SBahr»
heit ber natürliche £>ujj gegen eben biefe SBahr»
heit noch nicht gebrochen, nicht ausgetilgt fei.
3n Surßcun regierte jeßt an SöinftalS Statt
ein anberer Vifhof, ein Soctor VarnS, wie man
jii fagen pflegt, „ein wohlmeiiteitber SKann",
aber jhmah, uitentfhlofjen unb fo wenig felbft»
ftänbig, baß er unb bie Angelegenheiten feines
ViStßiimS gaitj unter ber {>errfhaft anberer
fieute ftanben. Siefer {»errfhaft Ijatte fi<h oor
allem ber bifhöflicße Äanjler bemächtigt, ber
auch VarnS hieß unb ein Vermanbter beS Söifcf>ofS
mar, ein 'Dteufcß oon fo gräulicher $abfud}t, baß
er burch ©efhente baS Steht beugen ließ unb
tim ©elb Alles, Aemter unb VMirbeit, Vefreiung
oon wohloerbienter Veftrafung uub unoerbiente
Vegiinftigungen oertaufte. Sie Unorbnungen,
Welche hieraus entftanben, baS öffeutlidje Aerger»
niß, baS fie gaben, waren bei allen Veffergefinn»
ten ein ©cgeitftanb innerer Vetrübniß.
©ineS SageS fenbet Sr. VarnS, ber Vifhof,
ju ©ilpinuS unb läßt ihm fagen, er folle näd)=
jften Sonntag bie ÄirchenoiiitatioitS» Vrebigt
halten, ©ilpin, melier fich fdjon feit längerer
3eit ber Seelenpflege ber halbmilben Stortßuni»
berläitber angenommen, hatte, follte eben um
biefe 3e>t eine bringenb nöthige ^flicßtreife in
9teabS=Sale unb Sine» Sale machen; er benadj«
richtigte beShalb ben Vifhof oon beit ©rünben,
bie ihn unoergüglih ju biefer Steife nötßigten,
unb bat, baß <s?e. {>errlid)leit für bieSinal ihn
entfcßulbigen möchten. Ser Vebiente, ber biefe
Vitte bem Vifhof überbrachte, fagte bei feiner
tRüdffehr: ber Vifdmf tja bc ihn angehört unb
nid)tS barauf entgegnet, ©ilpin nimmt bieS als
ftillfchweigeube 3uftimmuitg unb begiebt fich
auf bie Steife. Sa er aber oon biefenoieber nad)
{taufe fommt, hört er ju feinem Staunen, er
fei Oon feinem Amte fnSpenbirt, beim einige per»
föitliche Söiberfacher hätten ihm feine eilige Steife
beim Vifdjof als SnborbinationS * Verleßuitg
jum ftrafmürbigeit Verbrechen gemacht. SBenige
Sage nachher würbe er aufgeforbert, nah
©hefter * le *.ftront, bem alten Sßohnfiße ber
Vifcßöfe oon Surßcun, ju lommett. ©r finbet
hier bei bem Vifhofe bie ©eiftlidjteit beS SanbeS
oerfammelt, unb jener forbert ihn auf, er folle
nodj heute oor ihnen prebigen. ©ilpin entfhul«
bigte fich, er fei ganj unoorbereitet hierher ge»
Jommen, unb iiberbieS fei er ja jeßt eben bon
feinem Amte fuSfpenbirt. — So hebe ich, fugte
ber Vifhof, biefe SuSpenfion wieber auf. ©il=
pin fährt fort fih gu entfdjulbigen unb gu bit»
ten, man möge feiner, ber auf gar feine Vrebigt
gefaßt fei, bieSmal oerfeßonen. Ser Vifhof er»
miberte: ein SJtann, ber fo lange baS Amt eines
VrebigerS oerfeßen hot, bet muß immer in ber
Raffung fein, gu prebigen. Stoch einmal ber»
fucht ©ilpin eine befeßeibene ©egenoorfteflungj
ba wirb ber Vifhof heftig unb gebietet ißm, bei
ber Vflicßt bes firdjlichen ©ehorfamS, er folle
fogleih auf bie Stängel gehen. Siacßbeni ©ilpin
nun noch einige Augenblide fich gefammelt hot,
befteigt er bie Stängel, unb obgleich er gewahr
wirb, baß SJiehrerc feinen Vortrag nahfehreiben,
läßt er fich barin nicht irre machen.
Sie Vrebigt wirb eruft unb nimmt eine immer
ernftere VJeubung an bie hochgelehrte unb hoch»
würbige Schaar ber bieSnialigen 3ußörer; beim
©ilpinuS mar mitten unter bem Sprechen ber
©ebanfe getommen, er wolle biefe ©elegenßeit
benußen, um ben Vifdjof, bei melhem bisher
alle Vorftellungeu unter bier Augen obnefffrucht
geblieben waren, öffentlich ein bieVebeutung
feiner Vfüht unb an bie hohe Verantwortlich»
feit gu machen, weihe er burh bie Verwahr»
lofttng berfelben auf fih liibe. Vor beni Schluß
feiner Vrebigt wenbete er fih beSßalb an biefen
.fX'rrn unb Vorflatib ber Verfaminlung unb
lebet ihn alfo an:
„3h muß nun, oereßrungSWürbiger Vater,
meine Stebe an Sie rihten. ©ott hat Sie erhöht
uub ginn Vifhof über biefeS Canb gefeßt; ber«
eiuft wirb er Stedjenfhaft bariiber forberu, wie
Sie biefeS Amt oerwaltet hoben. Von 3huen
erwartet man eine Abteilung, eine Teilung jener
Vlißbräucße unb jener Shäben, an benen bie
Stircße bisher gelitten; ftatt beffen aber ereignen
fih unter 3h rem Stegimeut Unorbnungen ber
üielfahften Art. Somit nun ©ure {lerrlicßteit
ferner nicht fagen fönne, Sie hätten oon allen
biefen Singen ' nichts gemußt (bieS, fheint eS,
mar bie gemöhnlihfte ©ntfcßulbigung, bie ber
Vifhof bei Vrioatoorftellungen gebrauhte), fo
bringe ich biefclben heute gu 3hten Cßren. —
Sagen Sie nun ferner niht, baß biefe Verbrechen
nur burh bie Sdjulb oon Anbern, ohne ißt
Söiffen, feien begangen worben; benn Alles baS,
WaS unter 3h r ? r 3uloffung burh Anbere oer»
übt wirb, baS ift eben fo feßr 3ß« Sdjulb, als
baSjenjge, was Sie felber oerüben. SeSßalb be¬
zeuge ici) in ber ©egenwart ©otteS unb feiner
©ugel, foroie in ber ©egenmart ber SJfenfhen,
baß Sie ber Urheber aller biefer Ucbel fiitb. 3o,
an bem großen Sage bes ©ericßtS Werbe ih gegen
eie als 3euge onftreten unb eS fagen, baß ih
felber alle jene Singe gu ihrer ßenntniß gebraht
habe, unb alle bie SJtänner, weihe heute miöß
reben hörten, foHeit bann jugteih mit mir 3eug=
niß gegen Sie ab legen."
Siefe unerhörte fjreimüthigfeit feßte alle in
Vemegung. Als ©ilpinuS aus ber $ird)e ging,
oerfantmeiten fih feine ffreunbe (benn auch ju
biefen gehörten SJfanhe unter ben heutigen 3 U *
ßörern) um ißn her unb feßten ißn fänft unb
jum Sßcil mit Sßränen ber Sßeilnaßme bar*
Digitized by v^ooQie
Pie Smitlj’fdje Pemetsmethobf.
71
über jur Siebe, bafe er nun fel6er ben SSift^of
herau?gcforbert unb ihm bie lang gewünfd)te
©elegenheit in bie #onb gegeben habe, i£)n ju
[türjen. ©ilpinuö trat freimbiirf) ju jebem Don
ihnen bin, briidte ihnen bie &anb für ihre i'icbe,
Derfid)erte fie ober jugleich, baj), wenn nur feine
Siebe bie 3i3irfung tljue, welche er bei berfelbeit
beabfichtigt bnbe, er fid) gar nicht um bie folgen
befüinmern wolle, welche biefelbe etwa für ihn
haben tönue.
Sen gaujen übrigen Sag hörte man Don nicht?
fprecpen, als Don ber heutigen Gvebigt. Sie
Weiften rühmten bieielbe, waren aber beforgt
lim ben Grebiget. Sa? .fjofgefinbe be? Gifdwf?
wartete fchweigenb auf ben 3lu?bruch ber Siacbe
ihre? £>crrn.
Stad) Sifcpe ging ©ilpinn? hin ju £>ofe, um
bem Gifchof Dor ber £eimreife feinen 3lbfchieb?=
befuch ju machen. „Wein £err," fagte ber
Gifchof, „ich felbft gebente Sie in 3h r eni £>aufe
ju befugen?" — Unb fothat er auch. (Sr tarn
n ©ilpin, unb iamn hatte biefer ihn in ba? Ge*
u<h?jimmer geführt, ba menbete er fid) ju ihm
herum, ergriff ihn mit £eftigfeit bei ber £ianb
unb fagte ju ihm:
„33ater ®ilpin, ich ertenne e?, baß 3hr t>iet
würbiger märet, Gifchof Don Surhain ju fein,
al? id) Gfarrer in (Stirer ©eineinbe. 3$ bitte,
oergebt mir mein begangene? Unrecht. 3<h weiß,
3 hr habt fffeiitbe, aber feib üerfichert, bafi, fo
lange ich Gifdwf Don Surhnm bin, feiner Don
ihnen Such ferner Unruhe machen foll."
Sie erzwungene 5ßrebigt hatte, ba? jeigten bie
folgen, ihre ©irfung getfjan.
Pie Smitl)T(i)e Pettmömetljoöe.
Onfei SSühelm.
#werr Semetriu? (fo wollen mir ben Wann
M nennen, obwohl er feine? &anbmerf? fein
Silberfchmieb ift, auf ? @elbma<hen ift er
aber wie oerpicpt, unb jwar auf eine Söeife, bie
Weber Don ©ott, noch bon eblen ttub recht ben*
fenben Wenfcpen gebilligt wirb) hatte unlängft
einer jahlreich befuchten SJtäBigteit?oerfammlung
beigemohnt, bei melier auf warme, begliche
unb überjeugenbe ©eife auf ©rutib be? gött*
liehen ©orte? bie Sache ber Wäfiigfeit al? ©ott
gefällige empfohlen Würbe, ftiirchtenb nun um
etwaigen Gerluft, wollte Semetriu? eine fianje
für feine Sache einlegen, unb bat hoher auch
um’? 2Bort, wa? ihm gewährt würbe. (Sr be*
gann bnrnuf folgenbermeife: 3b r Samen unb
Herren! @b e ihr einen entfdjeibenben Schritt in
ber eben Dom '^rebiger bort angebeuteten Stich*
fung roagt, möchte ich euch bitten ju bebenfen,
bafi bie borlicgenbe fffrnge auch eine anbere Seite
hat, bie er euch nicht jeigte. (Sr führte nur Ge*
weife gegen ben Webraud) geiftiger ©etränfe an,
währenb hoch auch Sdjriftftelleu ju ©unften be?
©eingebrauch? oorhanbeit finb. Sfoab tranf
©ein, Don hem gefügt wirb: er erfreut be?
Wenfchen £ierj; 3efu? fdjnf ©ein unb Abraham
mürbe er übcvbradu Don Welchifebef, mnbrfdjeiu*
lieh weil er ihn nöthig hatte, unb ber große Gau*
lu? hat ihn feinem lieben Simotheu? ju trinfeu
auempfohlen. Seht! Wit her Gibel läßt fich
3111c? bemeifeit. — Stach her Smith’fchen Ge*
wei?methobe! rief ba plößlid) 3emanb in bie
Gcrfamntlung hinein. Was ben £)errn Semetriu?
bewog — wahrfdjeinlict» buchte er fich fiege?»
gewift mit biefer SJfctbobe — heil bermeintlichen
©ehiilfen in ber Srintbcrtheibigung ber 33er*
fammlung ju lieb hiefe SJtethobe ein wenig au?*
einanber ju feßen. 6? gefchah in fform folgen*
ber (Srjahlung einer ergö^lichen Gegebenheit:
(Sine? fihönen Sage? be? Wonnt? Oftober 18..
fam ju £>ernt Grofeffor 3- f)err Smith, um
bemfelben feinen Sohn al? 3agling ju empfeh*
len, wobei bemfelben ber (Sigenname be? Sohne?
uatürlidjermeife angegeben mürbe, ber, weil e?
ein fo frembartiger Slawe, ben £>errn Grofeffor
in jiemliehe Gelegenheit brachte, welche? &err
Smith wohl bemerfte unb bnrum bem Grofeffor
bie beruhigenbe(?) (Srflärung gab: ’S ift ein
Gibelname, ja ja, ein Gibelname, £)err G*o»
feffor. Statiirlicf) würbe bie Gelegenheit be?
£»errn 3- nur größer, unb bie? briidte er wie
folgt au?: 3<h habe bie liebe Gibel mehrmal?
forgfältig burchgelefen, aber nod) nie biefen Sta*
meitgefunben. ©err Smith ertlärte nun: Sehen
Sie, £ierr ^ßrofeffor, al? bie? nufer einjige?
$inb benannt werben follte, entftanb jwifchen
mir unb meinem ©cibe ein längerer Si?put.
Sie wollte eben einen recht heibnifchen Stamen,
währenb ich mich Jur ©af)l eine? Gibeluamen?
entfehieb. Stach längerem streiten willigte fie
ein in folgenben Glan: SJtit gefchloffenen Slugen
füllte burd) mich in ihrem Sabcifein allemal ber
Suchftabe, auf heu bie Spiße be? jwifchen meinen
3ähnen gehaltenen Stifte? beim jebe?maligen
Ceffnen beute, jur Gilbung be? 3tnmen?Jienußt
werben, bi? bereu jwölfe gewählt feien. So traf
ich benn ber Steihe nach folgenhe 12 Guchftaben:
S=i*f=f*n*n=o=w*i*t'Ch (fpridjSiffanowitfch). 6?
i|l ein Gibelnatue, aber weil ber Stame ein Gi?=
dien lang ift, fiirjen wir ihn ab unb rufen ben
jungen „Siff"; aber e? ift ein Gibelname. So
bie ©efdjichte. — So reifeen auch Wönner wie
Semetriu? ©orte au? ihrem 3»fammenbang,
um bamit irgenh eine ihrer 2iebling?ibeen ju
beweifen, unb barum heiße ich feine ©eife: Sie
Smith’fche Gewei?methobe.
Digitized by v^ooQie
72
JJeiutjorker Srijriftjtellrr.
Pwtjorkfr $djrift|UUcr.
®oit ©. Sßfiter.
^inc tjeröorragenbe ©teßung unter
beit 9 Jerot)orier Siteraten her lebten
©eneration rniljm (Sf)a 3 . £>offr
nnrnn ein. .ftoffmann rourbe geboren in
9 ten> ?)orf im ijaljre 180 G. (Sr abfoluirte
ba§ ©olumbia Kollegium, jtubiyte, tuie
3 fvuing, 3 furi§tmiben 3 unb berließ bie=
felbe gleicf) itjni, um fiel) ber altgemeinen
Literatur ju roibinen. (Ir publiäirte eine
9 lnjaljl Lobelien tmb KrjäÖlungen unb
einige Sammlungen ©ebict)te. 3 » 1833
griiiibete erbaö belaitnte “Knickerbocker
Magazin”; fpäter rebiairte er “The
American Honthly”, “The New York
Mirror" unb “The New York Literary
World”, ©eit 1850 jog er fidj; burdj ein ©e=
birnleiben genötigt, böllig au» ber Oeffentlirf)=
feit jurücf. ©ein lt»rifcf)e§ ©ebid^t: “Sparkling
and Briglit” mirb Don tßielen alö'tn feiner 9 (rt
unübertroffen in ber euglifctjen Sprarfje ge=
galten.
9 lmerita§ größter Sieberbicfyter ift ©. tp.
Geartet genuo Qoffmanu.
(3. % STOornä.
9 JtorriS. 93 on ihm fac^t ein Jfritifer: „ 9 ta<h
allgemeinem Seifall, nicht na<h$ritif iftWorriS
ber befanntefte ^idjter bes SanbeS. @r ift gerabe
baS, maS bie dichter mären, mürben fie,* gleich
ben gefieberten ©ungern ohne alle^ritif fingen,
unb es ift eine @igentf)iiin(id)feit feines 9 tuf)mS,
bau berfelbe fo gleichgültig
gegen bie firitif fd;eiirt, mte
ber Soge! in ber Suft.
9 lid)tS tann eines feiner Sie*
ber aufhalten. 6S ift leidet
genug gu fugen, baj$ bie*
felben leicht 311 bitten finb.
©ie bergen ein ßtmuS, buS
Stnbern fchmer mirb 311 ge*
ben 1111b buS fie fidler 311m
fernen 3ie( ber Popularität
fenbet."
©ein “Woodman spare
tbat Tree” mollen mir in
UeberfeBung beifügen:
U«lt! Sdjotte kiffen $aum.
fjalt! Sd^one biefen Baum!
ZTicht einen gweig berühr’!
SdmB meiner Kinbljeit
(Eraum,
Des Hlanncs Schüfe bafür.
(Es pftaii3tc ihn mein 2 Jhn
Por feine bjütte fdplicht;
fcaj5 beine 2lrt nidjt iiah’n,
Dcrlcfe bett Baum mir nicht.
Den altbefannten Baum,
Defe weiter Dom r>ou £aub
IDohl rühmt ber (Erbe Haum
IDUlft ftreefen bu in Staub ?
Digitized by (^.ooQie
äeroijorher SdjriflfleUer.
73
31. >4!. ffliUis.
nein, fütjrc rticf^t beit Streid?l
Bod? lange bleib bie Krön’
XTachbar 3um Sterneureid? —
Bie alte €id?e fd?on\
f^ab oft als Kinb geruht
3n feinem Schatten Fühl;
^ier trieb mit frohem IHuth
Bas Schroefternpaar ietit Spiel.
Bie UTutter Fügt’ ntid} l^ier,
IPenn mir mar £eib’s gefcheh’n —
Bereif? 1 bie (Ehrdite mir,
Hur lag bie (Eiche ftefj’n.
ITtein Sieben hält bid? feft
lüie Hiitbc, alter f reunb!
Bau Böglein nur bein Heft,
EDo Sommer (Eicheln bräunt.
UTein Baum! furcht’ Feinen I^arml
Unb bu, fd?aff’ fdjnell bid? fort:
So lang nod? Kraft im Krm,
Bleibt er an feinem (Drt.
3n engfter Kerbinbunq mit OTorrte ftanb
Hatbanael SßifliS, 1806 — 1807. SBnr er
auch ein TOeifter erften 9iange§, fo be*
zauberte er bod^ feiner 3eit ba^ lefenbe ^Jublifum
roeit nnb breit. 9 lnt glii(fli<hften mar er in leids¬
ten 9fuffä&en unb Stilen, in melden er bie $e=
gebniffe in ber ©efeflftfjaft fdjilberte, überzogen
mit einer biinneu Politur ber Dichtung. 9)ian
faiin fief) beim Cefen feiner Schriften faum be3
CFinbrucfe erroetjren, bag SBifli» in ber 5)?ufe bie
Wildjtuf) fie$t, unb besbalb feine eblen Kräfte
oft im Unbebeutenben jerfplittert. 2Bir geben
auß feinen Dielen ©ebidjten ba» “Satu'rdny
Afternoon”
Samftag |lad)mittag.
tBie meilt mein Kuge fo gern beim Spiel
Ber muntern Kinberfdjaar,
3<t? bereb’ mich babei, noch fei id? nid?t alt,
Xl\d}t büttn nnb grau nod? mein Saar;
Benit fröhlicher fdjlägt eines (Sreifcn ^er3
Unb rafd?er ftrömt fein Blut
0b jubcluber Stimmen SilberFlattg
Unb glüeffprühenber Kugelt (Sluttj.
^ab’ lange gelebt — halb acht3ig 3 a b r ,
Unb man fagt, id? fei fel]r alt —
Bag mein £?er3 fei reif für beit Schnitter CCob,
^u (Enbe mein pilgern halb.
(Es ift ja bem fo — es ift ja bem fo —
3 <h bin alt unb mein (Eubc nah;
Bod? mein S c f3 nnrb noch marm bei biefem Bilb
Unb meig bod? Faum, mie ihm gefd?at?.
Spielt fort! fpielt fort! Kud? ich bin babei,
Behüte (Eheil an ber f reube unb £uft;
führ mit euch ben Schauer beim Fühlten Sprung,
Kud? mir pod?t beim IPettlauf bie Brnft.
DerftecF’ mich mit euch im bnft’gen Beu,
Stimm’ ein in’s gebehntc Signal;
Klein fug gleitet aus auf ber glatten f lur,
(Erhebe mich lachenb oom fall.
Bin 311m Sterben bereit, wenn mein Stünblein
Fommt,
Unb miü ja gerne bann getj’n —
Bie HMt ift ja bod? ein trauriger 0 rt,
Unb mein puls null ftille ftetj’n;
(Sulinn <S. Verplanet.
Digitized by v^,oooLe
74
«to ferliner |rtc#tc.
Dodj’s (Srab ift bunfcl unb bas ßcr3 erbebt
Dor feinem fo flitftcrn (Et^or;
Drum taufest es fo gern oor bem 2Ibfd?ieb nodj
Der 3 ugenb frenbigem <£fjor.
©ulian 6. ©crpland, 1787—1870, mar Der
erfte ©merifaner, ber ficb in bem fdjmierigen
Selbe ©batefpeare’fcber ßritit auSgeidjnete.
©eine SluSgabe pon ©bafefpeare mit einem
SebenSlauf unb fritifd^en Slnmertungen machte
amerifanifdjer ©etebrfamfeit Sljre. G$ mar bie
befte amerifanifebe ©uSgabe Don ©bafefpeare
Por ber Don Slicbcub ©rant 2B^ite. ©erplantfs
fcbriftftellerifcbe 'Arbeiten umfaffen baS fjelb
öffentlicher ©orträge, ftaatSmännifcber ©bbanb»
hingen, Seiträge gu ben leitenben ©lagaginen,
©ebiebte k. ©ad) feinet: ©üdfeljr Pon einer
europäifdjen ©ilbungöreife war er ^ßrofeffor ber
©emeife beS GbriftentbumS in Dien» $ort. Sine
SReibe Pon Sabren Pertrat er feine ©aterftabt im
Gongrejj, bann war er ©taatsfenator. ©ebft
anbern Remtern befleibete er Piergig 3>al)re lang
ba§ 9lmt eines ©ige = ftangletS ber Uuiperfität
Pon ©ew ?)orf. Ueberatl griff er beförbernb in
bie Literatur feines ©aterlanbeS ein.
diu Berliner pie=Bie.
f ir höben in biefen ©füttern fc^ort öfters
auf bie ©onntagfd)ul=Tbütigfeit in ©er»
(in, wie überhaupt in gang Teutfdjlanb
aufmerffam gemacht unb angebeutet, bafi filme»
rita, baS Saitb ber ©onntagfdfulen, aud) bort
noch etwas lernen fönne.
Heute laffett. wir einen ©eridjt über einen
Serliner ©onntagf<hul=91uSflug folgen, wefeber
mit ber ©onntägfchule ber tanbeStircblicben
©t. 3«fobigetneinbe unternommen würbe unb
bem „©onntagfebutfreunb" entlehnt ift.
„Iier Pierte ©uSflug mar ber 3flbreSfeft=9IuS=
ffug. lie freier beS lynbrcSfefteS beftebt bei uns
aus brei Steilen: bem ©uSfluge, ber in ber Siegel
am ©littmod) bor bem ©tiftungStage (28. Suni
1868) unternommen wirb, bem 3?eftgotteSbienjl
unb ber ©aebfeier beS HelfertreifeS.
TieSmal würbe „©rünau" (©tation ber ©er»
lin=©örliber Sifenbabn, 2 ©leiten Pon ©erlin)
gewählt, unb ber Slusftug auf ben 29. 3 uni feft=
gefegt. len ©reis tonnten mir lanf bem Snt«
gegenfommen ber Sifeitbahnbireftion für bie
ffinber auf 80 ©f. (1 ©fennig = J Gent) mit
Ätaffee, für bie Grmacbfenen auf 60 ©f, aber
ohne Äaffee, ftefleit. ©emefbet butten ficb 966
'ftinber unb 451 SrWacbfene. Um fl Uhr mar»
flirten bie $inber in langem 3uge unter Irom»
melwirbel unb ©feifentlang mit mebenben ©an»
nern Pon ber $ird)e nach bem ©örli&er ©abnbof,
wo man in ben bereitftebenben Sjtragug Pon 24
Söagen ftieg, fuhr um 2 Uhr ab unb tarn nach
20 ©linuten auf ber ©tation an, unb im ge»
orbneten 3ug« unter ©ang unb Ulang ging e4
bur(b ben grünen SBalb nach bem „©efetlfcbafts»
bauS". Sange Sleiben Pon Stühlen, Tifcben,
Staffen — unb, was mir bei früheren 3feft»SluS«
flügen nie gefunben, in mehr als auSreicbenber
Sfn'jabt, — ftanbcit bereit, fo bafi baS ffaffee»
trinten mit einem ©lale ftatifinben tonnte, unb
ba iebe Helferin ben Stifcb bebient, ber ihre
Slaffennummer trägt, fo War baS Trinlen in
gar furger 3eit beenbet. lann fanb bie Sin»
weibung Pon gmei neuen Sannern ftatt. Son
ber ©eranba beS ©aaleS herab richtete ein ©elfer'
eine 9lnfprad)e an bie ffeftoerfainmlung, ergäblte
fefiefnb pon ben rebenben 3eugen aller per«
floffenen 3ab«: unferem ©onntagf<hul=©ater,
bem ©orfteber, unb ben ©onntagfd&ul = Onteln,
auberen ©eiftticben, bie ficb an ber Seitung ber
©onntägfchule beteiligt haben, unb ben ft um»
men 3eugen: unfern ©annern; biefelben mur«
ben, fünf an ber 3abl aus bem ©aal auf bie
©eranba getragen, gule&t erfebienen bie beibett
neuen, bereu Hüllen unter Trommelwirbel unb
taufenbftimmigem ©urrah ber ßinber fielen.
Unb fie waren auch in ber Tbat prächtig: Pio»
letter ©amietet mit golbenent Äreug, an ©röfee
unb ©hönbeit bie früheren iiberragenb. Siebe
©äitbe batten S£ag unb ©acht baran gearbeitet,
um fie gum ffeft fertig gu (teilen; ihre ©lübe
mürbe reichlich burch bie gfreube ber ßinber unb
beS HelfertreifeS belohnt, ©lit einem Hu<h auf
bie ©onntägfchule fd)lofj biefe Seiet. Unter bem
©efange: ,,©3er will ein ©treiter 3 f fu fein"
fammelte man ficb gum Slbmnrfcb nach bem
prächtigen ©pielplafc, wo ficb Sung unb Sllt
fröhlich herumtummelte bis gur Slbenbanbacht,
ber — mit ©egug auf ben ©amen „©rünau" —
©f. 23 gu ©runbe lag. ©lit $lang unb ©ang
ging es bann gurüd gum ©abnbof. ©egen 9 Uhr
langte ber 3ug an; auf bem ßircbplab flang
mit 3apfenftrei<h unb ,,©un bautet alle ©ott"
ber Sefttag aus.*)
©lit lanf gegen ben £errn, ber ben ©uSflug
über alles Srwarten batte gelingen laffett, trennte
man ficb; alle ©tüben unb ©orgen ber Reifer
unb Helferinnen, bie manche Wochenlang öorher
batten burd)ma<ben müffen, Waren bergeffen, ja
man backte oielinebr fchon an baS näcbfte 3al)r.
9lm Sonntag, ben 3. 3uli, mürbe baS
3abreSfeft in ber SJirche gefeiert, 800 Äinber
unb uiele Srmacbfene waren gugegen, bie ©an»
ticr, mit drängen geflbmüdt, im Slltarraum
aufgefteüt. ©aftor Saade hielt ftatt ber
*) ©erben bie amerilanifhen ©ic> 9 ticS auch oljo er*
öffnet unb gefcploffen ? Sbitor.
Digitized by v^ooQie
PöbdjenbUbung.
75
ftcdedgefe eine SInflnracbe über ©falnt 103,1—5.
w gem\jd)te ©bot beS ftelferfreifeS trug ben
23. Sßfalrn öon GJrefl, bie SWotette: „SBeitn id)
nur bid) Ijabe" bon Succo unb ben ©hoeal:
,3Bitf bein Slnltegen auf ben £>errn," — bcr
ftinberdfor: „Sanfet bem £>errn" bor. Sie ©e»
meinbe fang: „©rojier ©ott, mir loben bich,"
„3eßunb will id) bell« finden" unb gunt Sdjlufj:
„Stirn bantet alle ©ott".
Sie gefellige Waöbfeier beS ftelferfreifeS fanb
SWontaa, ben 4. 3uli tm Gonfirmanbenfaal
flatt. ©in Jbclfer gog als Urian, („wenn 3e=
manb eine Weife tbut") in ©erfen eine ©arallcle
B 'f<b«n bem bor* unb bem bieSfäbrigen Jahres»
unb erregte burd) feine broftifcben ted)ilbe*
tungen bie Weiterleit ber Slnwefenben.
SJiit bet Sonntagfdjule berbunben ift ber
Sabeaberein; etwa 70 bis 80 Sonntagfcbülerin*
nen naben unb ftriden für bie Sinnen. (Sie ber»
fummeln fidj ieben gweiten unb bierten SWittwodj
im SWonat.
Sie ©ibliotbcf bon 467 ©änbeti toirb bon un»
gefäbr 150 flinbern benußt. Sie ©ibliothefS*
faffe batte eine ©ittnabme unb SluSgabe bon
23 SW!., gefd)enft mürben 20 , getauft 69 ©änbe.
SaS berliner ©bangelifche Sonntagsblatt
batte im lebten 3afjre 250 Abonnenten; ihre
3obl wädjft bon SWonat gn SWonat.
Sie Sonntagfd)ulfaffe batte im 3 fabre
1880 eine ©innahme unb SluSgabe bon etwas
über SWart 1280. Sie GoUccten betrugen ins»
gefammt SWarf 251.08, mobon bie SWiffionS*
collecten bom 1. Sonntafle feben SWonatS mit
SWarf 48.69 an baS SWiffionSbauS abfletiefert
mürben.
Für bie ©flege beS SWufifcorpS beftebt
eine ftänbifle Gommiffion bon acht Reifem, bie
einen Unterrirf)tSauSfd)uB bon brei SWitgliebern
flemäblt bot- Sie Äoffe biefer ©ommiffion butte
eine ©innabme bon SWarf 217.55, eine SluSgabe
bon SWarf 199.40.
J#abd|ntbUbtt« 0 *)
S*n fiattifa ©. Kottweiler.
be mit bie ©ilbung felbft näher betrachten-
ift es am ©labe, einen furjen ©lid auf ben
SSeruf unb SBirfungSfreiS beS SWäbdjenS,
ober beffcr flefagt, ber Femt gu werfen, benn
was bie Sfrou einft wiffen unb fein foll, baS mufs
baS SWäbcben erft lernen unb Werben. SDBirb hier
*) SHefer »rafiifcb« Sortrag Würbe bon ber Gon=
ferm für ßrjie^una unb Sonntagfc^ule in Gtewtanb
jur fluM itation empfohlen.
bon ©eruf unb ©ilbung ber F*au gerebet, fo ift
barunter nicht ein fbegieüer, fonbern ibr atlfle»
meiner ©eruf, ihre aügemcine ©ilbung gemeint.
Sroß allem, was in ben lebten 3ohwn über
fyrnuenrcc^te unb Frauenberuf gejagt würbe, fo
bleibt eS bennodj fcft, baß jcßt wie immer, ibr
größter, widjtigfter, ber ibr bon ©ott berorbnete
©eruf ber ber Grgieljung ift.
©rgiebenben, berebelnben, bil»
benben Ginfluß foll bie Femi ausüben, wo
immer fie mit anberen, befonberS aber mit ber
3 ugenb in ©eriihrung fommt, fei bieS nun in
bem Familien* ober im ©efellfcbaftSfreiS, ober
in ©erfolgung eines fpegiellen, fie aus tiefen
greifen hinauSfüljrenben SerufeS.
Sie Familie bleibt aber bor allen anberen baS
wicbtigfte unb erfolgreiche Felb ber Frau. £>ier
follte ibr ©influfj unbeftritten unb fie Königin
fein.
3 ft es wahr, baff bie erfien ©inbtiide bie
bleibenben finb, fo haben fidjerlidj biejenigen bie
befte ©elegenbeit bleibenben Ginfluß, entweber
einen guten ober einen fd£>Iect»ten, auf foinntenbe
©efcblecbter ouSguüben, unter beren ©flegc unb
in bereu ©efellfchaft bie kleinen fteben unb er*
Wadjfen. 3a ben Rauben ber Frau liegt baS
Sdjidfal ber ©ölfer.
3ft nun ber © e r u f ber Frau ein fo wi<bti*
ger, fo ift eS nicht minbcr wichtig, bafe ihre
©ilbung eine folcbe fei, bie fie fähig macht,
benfelben auf bie befte unb tüd)tigfte SBeife gu
erfüllen.
3«beS SWäbdjen follte, wenn irgenb möglich,
einen griinblidjen ©lementarfcbuUUnterricbt ge»
niefjen. ©Item, bie ihren flinbern ohne bie
äujserfte Sfotf) biefeS ©orrecbt entgieben, begeben
ein große» Unredjt. Sie rauben ben flinbern
baS, WaS mehr wertb ift als ©olb.
3ft eS bem SWäbcben möglich, weiter gu geben
unb fid) höhere flenntniffe angneignen, lim fo
beffcr, bod) ift babei ja nicht gu bergeffeu, bafj
griinbliCe ffeuntniß bon SÖenigem weit beffer
ift, als oberflädhlidie ©efanntfCaft mit ©ielem.
2 Bo einmal ein fefter ©runb gelegt ift, fann
man fpäter immer weiter bauen, ift aber baS
Funbament loder, fo fann baS £auS nie feft
unb ftarf fein.
Sie weiteren Stubieu füllten mit befonberer
©orficbt gewählt unb Wiidficbt genommen wer*
ben auf natürliche Slitlagen, ninftige ©läne,
©eruf u. f. w. Hann nun ben foiiben flennt*
niffen noch Fertigfeit in einem ober mehreren
3 weigen ber feinen flünjte beigefügt werben,
um fo beffer.
Sod) and) hier foll ber äufjere Schein nidlt
ber wahren unb grünblidjen flenntniß bor*
gegogen werben, was nur gu oft gefd)ieht.
3 ft ein fefter ©runb gelegt, fo foll felbftber*
ftänblid) immer weiter fortgebaut werben. Ser
Digitized by v^ooQie
76
Pas Ijintcrc (ffnbe bes Ölagens.
©eift muß roadjfen, mit ber 3eit ©djritt galten,
foD er nicht einrofteit.
Sod) fann ein Stäbchen, baS and) in allen
SMijenfchaftcu 51t Houfe ift, baS in öden 3 fit=
fragen Scfcßeib roeiß, baS aber bloS au-3 Siidjeni
gelernt fjat, nod) nid)t Dollftünbig gebilbet ge»
iiannt merben; beim ba ibr SBirfungSfrciS
meiftenS i tn -£>a n f e ift, fo muß and) ißre Sil»
bung jum großen Sljeil eine praftißh ^äitslidje
fein.
Hier mirb bie gefellfd’aftliche Stellung fid)
meßr geltenb machen, als in ber ©d)ulbilbuug.
Sie Sod)ter Des armen SfanncS mirb natürlich
einen meit affineren 9 lutf)eil an ben häuslichen
Arbeiten nehmen miiffcu, als bie Sodjter beS
reichen StanncS, 1111b obrooljl hier noch meniger
als oben eine fiir alle paffcnbe 9 tid)tfd)imr ge»
gogeit roerbeu fann, fo bleibt beuuod) StaitdjeS,
' baS jebcS Stäbchen, fei fie reich ober arm, praftifd)
auSjufüßren im ©taube fein follte.
3 febeS Stäbchen follte griinblidje, prattifcße
X?emitnife 0011 allen Hausarbeiten haben, ob fie
in fpätereit fahren biefelbcn fctbft Derridjteti muß
ober ob fie über Sienftboten ju befehlen haben
mirb.
2 öie manche Älage über Sienftboten mürbe
nie gehört, mie manche Scrlegenßeit erfpart mer»
ben, menn Samen mehr praltifchen Unterricht
empfangen hätten, beim Sicmaub fann erfolg»
reich regieren, ber nicht felbft baS Ausfuhren ge»
lernt hat.
Sun aber ift’S roahrlich genug, betifen mof)l
Stauche. Sod) bei meitem noch nicht. 9 llleS
maS aus Suchern 311 lernen ift, bie größte fjer»
tigfeit in Stufif, im Stalen u. bgl. nt., bie befte
praftifche Jtenntniß aller häuslichen Arbeiten
mirb einem Stäbchen noch feinen Slnfpruch auf
roahrc Silbung geben, menn fie nicht auch ben
©tempet eines guten GljarafterS trägt. Semt
meit bnooh entfernt ein gering 31t fchäjjcnbeS
Gleinent ber Silbttttg 311 fein, ift ber tnoralifche
mtb religiöfe Sfjeil berfelben gerabe baS, maS
allein Snberen feinen mähren SBerth oerleiht
unb bie Silbung 311 einer fegenbringenben Stacht
erhebt.
2 öer nicht im eigenen Öeben ein gutes Seifpiel
giebt, betrf nicht ermnrten, Snbere für baS ©ute
311 erziehen unb 311 beciitfluffen.
SBäfjrenb nun theoretifche unb praftifche
ßenntniffe, Derbunben mit einem feften mtb
cßriftlid)cn Gharafter, bent Stäbchen ihren maß*
reit SJertl) Derleiljen, fo mirb fie bennoch Don
Sielen mißfannt unb unterfchäßt merben, roenit
fie nicht rneiß ihren Sefiß auf bie befte unb Dor»
iljeilfjafteftc SBeife 3U Dcrmerthen, b. I). menn fie
nid)t vedjteit Slnftanb mtb Saft befißt.
©ic muß miffett fief) überall anftänbig unb
»ohlgefittet 3U betragen.
©ute Sitten aber fönnen nicht butch ©elb er»
fattft, noch aus Süchern erlernt merben. ©ie
tntiffen burch Seobachtung, burch Sachahmung
beS ©uten, burch Steiben ber fehler Stnberer
gelernt unb burch täglichen ©ebrattcb 3ur 3roeiten
Scitur gemacht merben. Stit offenen 'ilugen foü
baS Stäbchen burch bie Sßelt gehen.
Sa beult Dielleicht manches Stäbchen, hätte
id) nur bie ©elcgenhcit gehabt, mie gerne hätte
ich wir fine gute Silbung Derfcßafft, ober eine
onbere, ja märe ich nicht fo arm, ober meine
Umgebung mehr gebilbet u. bgl. tn. Sber es
braucht feinem Stäbdjen ber Stutl) 311 finfcit,
beim obroohl bie Silbung auf ber Stuttcr ©djooß
angefangen merben follte, unb biefe Silbung
eine oieifeitige fein follte, fo fann bennoch mit
©otteS Hülfe unb burch eigene ernftliche 9 ln»
ftrengmtg Sieles nachgeholt merben. Ser fdjon
gelegte ©runb fann geftärtt unb auf betnfclben
meitergebcint merben. ÜBenii nur jebcS Stäbchen
erfcuneit unb bebenfen mürbe, mie fo feßr Sieles
Don ihr felbft abljängt, beim ©clbftersieljung
fpielt eine feßr roießtige Solle in ber Silbung.
Stöge ©ott jebent Stäbchen helfen, ja er ioirb
helfen, beneit bie fid) felbft helfen ihre ©aben,
©ciegenheiten unb Umgebung auf baS Sefte 3U
Dcrmerthen 311 ihrer maßren djriftlicßen Silbung.
Pap filtere (ffiilie be$ jtöagen$.
eiut «aßre &rfdii^te mm 8. 8. Wagtet.
rans, ßaft bu maS geßört, mo eS Sepfel §u
taufen giebt ?"
„Sein, Stutter, nichts befonbereS; aber
id) benfe, eS giebt Diele Slepfel bort gegen SEßoob»
lattb 31t."
„Skrum benfft bu fo?"
„Söeil mir ber Üonrab Dorgeftern gefagt hat,
baß bort große Slepfelbaum»©arten finb, unb
ba muß eS bod) auch Diele Sepfel geben."
„SaS ift gerabe nicht immer ber ftnll; aber eS
mag ja leicht fein, baß es bort 5 (epfcl giebt. Ser
Sater hat Jßeute Storgen gefagt, mir fönnten
uns einige ©äefe Doll laufen, menn bu uttb idß
fie holen wollten mit ben Ccßfen, er hat feine
3cit ba3u. 3>dj möchte aber nießt‘fortfaßren,
bis ich genau roeiß, roo eS Sepfel giebt."
„ 9 Bie fönnen mir aber baS erfahren ?"
„SBürbeft bu bid) fürchten, ’ntal gegen Sßoob»
lanb hin 31t gehen unb feßen, ob eS bort Diele
^epfel giebt ?"
„O nein, Sfutter, idß gebe recht gern; ich flehe
heute noch, menn bu eS nur roiuft. ©oll ich
gehen, Sfutter?"
„2lber heute mirb eS bod) fdjon giemlidj fpät;
Digitized by v^ooQie
hintere (ffnbe bet jSagent.
77
<5 iß fd)on neun Uhr, unb ber Weg ift weit, eS
iß über je^n Steilen."
„D nein, fDtutter, eS ift nid)t ju fpät, id) fann
fchnell gehen. 3<b bin leßte Woche and) nach
CiaftingS gegangen, unb mar wieber baheim, ehe
eS 9tad)t war, unb baS war gerabe fo weit,
^eute i|t auch fd)öneS Wetter; morgen fann’S
regnen."
„9tun, meinetwegen, bann mach’ bid) fchnell
fertig; aber gehe ja nicht ju weit, baß bu beit
Söeg mieber heim finbeft."
„WaS beutft bn beim, Wutter; bu fprichfi
gerabe, als ob biefeS baS erfte Wal Wäre, baß
ich uon bafjeim fortgehe." —
2)iefeS ©efpräcb fanb ftatt an einem frönen
Oftobermorgen awifdjen einer Wutter unb ihrem
©ohne, welker ungefähr bveijehit 3oßre alt
fein mochte. $ie ©egenb, wo ffranj mit feinen
6 Item wohnte, war barnalS noch eine fogenannte
neue ©egenb im Staate 9Jt.; beim es ftaub nur
hie unb ba ein SlodljauS, Don wenigen ((einen
tfelbern umgeben, an welche überall ber große,
große Urmalb grengte. 5)er Sater beS Heilten
grrang hotte wohl auch fchon einen Saumgarten
hinter bem £aufe angelegt; aber bie Säume
waren noch gar ju Kein, unb eS fchiett bent ivranj
wk eine ©wigfeit, wenn er an bie ferne 3eü ber
3utunft buchte, ba biefe Säume Ülepfel tragen
würben. Unb ooit ben 91epfeln war er citt großer
greunb, wie ja bie nteiften flnabeit feines 9llterS
finb.
Äleibermedjfel beburfte eS nicht Diel, unb ge*
mafchen unb getämmt war 3?ratij auch halb;
gehn HJtinuten, nachbem bie Wutter ihr Jawort
gegeben hotte, war er bereit, ben weiten Warfcß
anjutreten. So groß war bei ihm bie fjreube
unb (Site gewefen, baf? er gang Dergaß, wie einem
Knaben feines 9üterS um bie WiitagSftunbe ge=
wohnlich baS ©ffett fo gut fchinedt. Wit leeren
Jafchen, was beibeS, Srob unb ©elb, anbelangt,
fchritt ber Heine Wanberer bie Straße entlang.
3uerft führte ber Weg gegen ©üben hin,
bann bog berfelbe öftlich; unb als eS ungefähr
elf Uhr jtt werben begann, unb er btirch bie
offenen 2 hören mancher Wohnungen bemertte,
wie bie gefchäftige fjauSfrau bie ßeffel uitb
Sfnnnen auf ben Ofen fteüte, um baS Mittags*
mahl Ci bereiten, ba buchte er erft baran, baß er
Dergeffen hotte, ein ©tiicf Stob in bie 2afcße au
ftecfen; aber er tröftete fi<h, baß er halb ben Ort
erreichen würbe, wo er Diele 9lepfet ju fiitben
^°füe" unb ba frttgerbiejenigen, beneneraitfber
©fräße begegnete, ob fie müßten, wo Ülepfel au
Derfmifert feien, gewöhnlich betam er auch bie
oemfinfcfjte «uSfunft. 9ln eiifem ©cheibemege
beaeanete ein Wann, welcher ihm fagte:
’ffiemr bu jene ©traße, bie nach ©üboften
füfri uiigefcihv brei Weilen Derfolgft, fo wirft
bu auf beiben ©eiten große Saumgärten fin=
ben, bort, höbe itß gehört, finb Diele itlepfel gii
Derfnufen, unb and) billig."
tfrang ließ fidh bie Dtainen ber ©igenthiimer
jener Saumgärten fagen, unb fdilug bann bie
ihm gezeigte Ütidjtung ein. SiS jeßt war er auf
einer ihm betanuten ©traße gegangen, benn er
war fchon einmal mit einem Widjbar biefelbe
gefahren; aber ber Weg, ben ihm ber ffrembe
geigte, war ihm gänglich uiibelannt. Ooch baS
flimmerte ihn wenig; wenn er nur etwas ju
cffen gehabt hotte. Öicfc ff rage fing an immer
mehr 3uterejfc für ihn au gewinnen.
Salb tarn er an eine Sriide, welche über einen
Keinen, aber au jener ©teile bod) jicmlich tiefen
ffluß führte. $ort feßte er fid» eine Weile nie.
ber, um ein wenig auSguruhen, uub fchaute fin«
nenb in’S Waffer hinab, in welchem er fich fpie»
geln tonnte, benn eS ftänb faft gana ftille. Oer
Heine ©trom war ihm nicht frentb, benn er floß
in ber Dtälje feiner ^jeimatf) öorüber, unb hatte
er fchon einige Wale mit anfceren Knaben bar*
innen grfifeßt, ohne aber uiet gefangen au hoben.
2llS jjrang fo finuenb in ben {fließ f (haute, ba
ift eS ihm nicht im ©ntfcrntcfteu in ben ©inn
gefommen, bah tt gwei Sage nachher an eben
biefer Stätte eines ber größten 91 beitteuer feiner
3ugenbgeit, ein 9Ibenteiier, baS er nie Dergeffen
wirb, erleben foflte.
Sfurge 3 f it nachher tonnte ffrana bie ihm an»
gebeuteten Cbftgärten in ber {ferne bewerfen
imb würbe auch baib gewahr, baß ein Wagen
mit Sterben borinnen hielt, unb einige Serfonen
befcßäftigt waren, Sepfel aufgulefen. ©r ftieg
über ben 3aun unb nahte fich ben Seuten. 3u
feinem ©rftaunen unb au feiner ffreube bemertte
er, baß er Segte fanb, bie er au feinen Nachbarn
aäfjlen tonnte, beim fie wohnten nicht fern Don
bem £>aufe feines SaterS, unb waren, ohne baß
{fraita etwas baüon erfahren hotte, hierher ge*
fomtnen, um ülcpfel au taufen. 2)er Wann,
welcher bie Siebtel Derfaufte, war recht freunb*
lid), fagte (frana bie Sreife ber 9lepfel unb for*
berte ihn auf, fo Diele Seßfel au effen, als er
wollte, welches fid) biefer auch feine awei Wal
fagen ließ, benn er hotte gewaltigen jünger.
ffrana half ben WicbbarSlenten ihre 9lepfel
auflefeit unb in ©äde füllen, unb burfte bann
mit ihnen nach fjatife fahren, weldheS natürlich
auch öiel fchneüer Don Statten ging, als baS
Saufen.
©ben ging bie Sonne hinter fdjönem 9lbrnb*
roth unier, als unfer junger Uöanberer mit
5lepfeln in ber 2afd)e unb ber guten Nachricht
feine Wutter begrüßen tonnte, baß er Diel Cbft
gefunben höbe. Dtachbem er eraäfjlt, wie eS ihm
gegangen, wo bie 9lepfel feien unb wie er fo
fcbnell heimgefommen fei, ließ er fid) fein ihm
Don ber lieben Wuttevßanb DorgefeßteS Dlbenb»
Digitized by v^ooQie
78
Pas hintere (Stritt bts JBagens.
brot wohl f*meden, was auch feine gute Urfac^e
batte; benn et batte ant Sittoge ni*t3 genoifen
als ülepfel, tmb fo gut ibm biej'e au* gef*medt,
fo mufete er' bo* bie 6rfabrung ina*eu, baß
Srot unb Steif* beffcr finb, beit inniger j«
ftiden, al§ bie heften 31epfel.
Sen folgenben Sag brauste ber Sater bie
0*fen, um bamit auf bent gelbe ju arbeiten.
„Sann," fagte er ju Uranj, „tonnt ibr meinet»
wegen 'mal fortfabren mit einanbcr; bie Odftfert
tannft bu ja treiben."
„O ja," berfi*erte granj, „bie 0*fen ber«
ftebeu mi* ganj gut."
3ln biefern Morgen mar ber Stimmet trüb,
unb e§ fab aus, als tnenu e§ halb regnen rootlte,
unb Stttnj fagte ju feiner Sutter: „63 ift gut,
bafe wir beute ni*t fortgefabren finb; i* bente,
morgen wirb ba3 Setter f*ön fein."
„63 mag fein," fagte bie Sutter bie Sölten
betra*tenb, „aber Diellei*t foinmt atubber Stegen
erft morgen."
Sem granj wollte biefe 31nfi*t ni*t ein»
leu*teu.
©o btobeitb bie Sölten an biefern Sage ju«
weilen au* auSfabeit, e3 regnete bo* nur ein
fleht wenig; unb am 31benb würbe ber fjimmel
wieber flairer.
Sen folgeitben Sorgen Wadjte granj febr
frühe auf, was bei if)in etwa3 aufeergewöfen»
li*e3 mar; benn eS fdjtnetfte ibm gewöhnlich ber
©*laf nie beffer, al3 wenn e3 3 e 't war aiifju»
ftebeu. Sie freute er ficb, al3 er ba3 f*öne
Sorgenrotb bur* bie Sipfel ber Saunte wahr»
nahm; unb er tonnte e3 fautn glauben, al3 ihm
ber Sater fagte, ba8 fei nicht ba3 hefte 3ei*en,
unb e3 mürbe mabrfcheinlich ito* bor 3lbenb
regnen. 6mige Stauben fpater glaubte er e8.
Sie 0*fen würben angefpannt, unb halb be»
fanb fi* granj mit feiner Sutter unb bem tlei«
nen Srüber*en Sobaitn, ber ungefähr jmei
Sabre jäbleit mo*te, auf bem Sege ber 3lpfel*
gegenb ju, SiefeS Stal butte granj ba3 Sittag«
effen nicht oergeffen, fonbern fdjon bor bem
3?riibftücfe bie Sutter baran erinnert, ja ba3
6ffen nicht jit bergeffen.
Ser Seg war faurn batb jurüdgelegt, ba fing
e3 fchon an ju regnen, unb es war alle 3luSfi*t
borbanben. baß e3 ein re*t regnerifcher Sag
werben würbe. Ser 9tegenf*irm unb bie Sep»
piche, welche auf be3 Sater-3 Statb mitgenommen
mürben, waren nun wohl ju gebrauchen.
31(3 fie an bie fdjon ermähnte Sriicte tarnen,
ba erjäblte granj feiner Sutter, baß biefcS ber«
fetbe glufe fei, ber nicht weit bon ihrer £>eimatb
borüberfliefse. £>ätte nun gronj ^ier baran ge=
ba*t, bie 0*fen bom Sagen absufpannen unb
fie $u tränten, fo märe er mabrfcheinlich einem
gemiffen „Ungtücte", ba3 feiner wartete, ent«
gangen, wäre aber auch um eine fiir ihn feljr
intereffaute 6rfabrung ärmer gemefen. 3lber an
ba3 Sränfen ber 0*fen badjte er nicht, obwohl
er bemerfte, wie ber alte SiU immer nach bem
Soffer f*aute. Sielleicht ba*te er, bei fo naffem
Setter tönne ber Surft ber D*feti nicht befon*
ber3 grofi fein.
Sa3 3tuflefen ber Stepfel war an biefern Sage
feine fo angenehme 3lrbeit, als jwei Sage jubor;
benn es regnete immer ein wenig unb baS ©ras
war febr naß. Säbrenb bie 3(epfel jufammen*
gelefen mürben, fafj ber fleine gobann im Sagen
unter bem 9tegenf*irm, unb bie Ochfen liefen,
bom Sagen abgefpannt, aber mit bem 3o*t
auf bem fialfe, im Obftgarten umher unb Iiefeen
fi<b baS ©raS wohl f*meden. •
Sier ober fünf ©acte würben mit Slepfetn ge*
füllt, unb ungefähr fo biele Olepfel, als in beit
©öden waren, würben in ben hinteren Sfeeil
beS leeren Sagenbettes getban. Urfa*e hierbon
war, bafe graitjenS Sutter mehr 3iepfel taufte,
als fie 31nfaugS im ©inne batte, fo bafe ihnen
einige ©öde fehlten.
Ser 31ufentfealt im Obftgarten nahm im
©anjen nicht biel mehr als eine ©tunbe in 3ln*
fpruef); bann ging’« Wieber ber fieimatfe ju. 63
mag jmif*en ein unb jmei Uhr 9ia*mittag3 ge*
Wefen fein, als grati} unb feine Sutter bie
fjeimreife alltraten.
Ser alte SiU fchritt rafch bormärtS, unb ber
alte 3fim muhte na*, ob er wollte ober nicht,
granj half ihm au* bie unb ba ein wenig mit
feiner langen Uiuthe.
„Sie 0*feir laufen aber," fagte bie Sutter,
„wenn baS fo fort geht, bann tommen mir in
guter 3 f ü beim."
„3a, ber alte Sill weife, bafe eS heimwärts
gebt, ber ift gar gefefeeibt," ermiberte granj.
„$aben fie benn au* Soffer befommen im
Obftgarten ?"
„9cein, eS war fein Soffer bort, fonfl hätte
i* fie faufett laffen. 3* laffe fie faufeu, wenn
i* an bie Sriide fomine."
„San fann aber bo* ni*t bur* ben 3?!«^
fahren ? 6r f*eint mir febr tief ju fein bei bet
Srüde; unb auf ber anberen ©eite f*eint baS-
Ufer febr bo* »mb fteil ju fein."
„Sur*fabren fann i* ni*t, baS ift natürli*,.
aber i* fpanne bie D*fen oom Sagen."
„3a, baS mufet bu tbun." —
ffraiij hielt fefer biel auf bie Ochfen, befonberS-
auf ben alten SiK, wel*er au* eilt f*öner unb
guter 0*fe war, unb feinem Sreiber gewöhn*
li* auf’S Sort gehorchte. Sem gfranj mufete
ber alte Sill au* oft als SReitpfcrb bienen, bent»
wenn er ihn im 3dbe hotte, fo fefete er fi* auf
feinen Dtiideii unb ritt juin ©toll. SiefeS liefe:
fi* ber alte Sill ganj gut gefallen. Ser altr
SiU war wirfli* ein fluger 0*fe, wenn man
überhaupt einem Sbiere ein fol*e3 6igenf*aftS*
Digitized by v^ooQie
Pa» hintere (fnbe be» Pagen».
79
wort beließen barf; aber an einer bebeutenben
Portion twn (Sigenfinn fehlte es ihm gu Seiten
m«b nicht, befoitberS wenn ber ©ille feines
IreiberS mit ben Sebürfnißen feines ©agenS
in Konflift tarn. @iii fold>cr Älonflift faßte nun
balb jum Ausbruch tommen, bei meinem aber
nicht Der Treiber, fonbern Siß ben Sieg bauon
&r Heine gfluß, über ben bie Srütfe führte,
hatte auf ber einen Seite, mie fdjou angebeutet,
ein ungefähr fünfzehn 3?uß hohes, fteileS Ufer,
auf ber anberen Seite ein niebereS unb flaches.
Oie Sriide führte beSßalb ein wenig bergauf.
Worts, troßbem auf ber einen Seite ein auS=
gegrabener fpoßlmeg unb auf ber anberen bie
6 rbe hoch aufgeworfen war.
911s fich ffrang mit feinem fjuhrwerte bet
Stüde nahte, ba fing ber alte Sill an immer
rofcber gu laufen, ohne baß fjram fogleich ent=
( iffem tonnte, was er im Sinne patte; boch es
oßte ihm halb tlar werben. 3 n ber ©iße ber
Srüde, gerabe als fjrang ben ©agen anhalten
wollte, um bie Ochfen abgufpaitnen, ba lentte
bet alte Sill fdjnefl rechts ab, unb lief mit ©a=
gen unb aüem bem ©aßer gu; ber alte 3 'm
mußte mit, ob er wofite ober nicht, ftranjfchtie:
Jbo\ ho! ho!" auS ooflem £>olfe, unb bie Utiutter
fcprie auch: „C>alt! halt!" aber ba war tein £>al«
ten. 3 n biel weniger 3 e *t, als wir brauchen,
nm es 311 erzählen, ftanben bie Ochfen bereits
bis an ben Seih im ©aßer. 3eßt erft gehorchten
fte bem „£ 0 !" beS Treibers, unb ließen fi<h baS
©affet wohlfchmecfeu.
Oie oorberen ätäber beS ©agenS ftanben
ebenfalls im ©aßer unb waren tief eingcfunten
in ben Schlamm unb Sanb am Dtanbe beS
fjlußeS.
ginen ©igenblid faßen ftrang unb feine ©ut=
ter mie oom Schrecten gelähmt auf ihrem Siße
ohne ein ©ort gu fagen. fjfranj brach guerft bas
Schweigen.
„Oer miferable alte Siß, ber ift Schulb an
ber ganzen Sach’."
,,©aS ift aber jeßt gu machen?" frug bie
TOutter ängftlich, „burchfahren tonnen wir boch
nicht ?"
„ 3 <h weiß nid)t, was gu tljun ift," erwiberte
O'raitj, inbem er aufftanb unb umherfhaute.
„©enn baS ©affer auch nicht gu tief wäre, fo
fönnten wir boch nicht auf ber anberen Seite
hinauf. £erumbrehen fann ich auch nicht, benn
auf biefer Seite fteßt bie Sriide, unb auf biefer
breht fleh ber 3fluß fo lurg, baß ich nicht (Raum
genug ^abe. ©§ ift tein anberer ©eg, ber ©a=
S n mul rüdroärtS mieber auf bie' Straße ge.
oben »erben. Sielleicht geht baS. wenn mir
bie »epfel tjxerabnehmen, baß ber ©agen nicht
ffiiÄ'i fln We ® r kit. ® er Weine 3 oljann,
ben bie ©utter auf bem Schoße hielt, mürbe
auf ben Siß gefeßt, unb mäfjrenb fjrang bie
Säde im ©agen aufhob; hob fie bie ©utter
oom ©agen herab. OaS war balb gefächen.
Oie Ülepfel, welche im ©agenbrett lagen, mußte
man natürlich borinnen liegen laßen, ©ährenb
biefer 3eit ftanben bie Ochfen gang ruhig im
©aßer, unb 3 ?ranj meinte einmal: „bie beuten
jeßt ruhig über ihre Oummljeit nadj."
9tun galt’S, ben ©agen rüdmärts mieber auf
bie Straße gu bringen. OaS mar aber teine
Heine Aufgabe. Oer tleine 3ohann faß immer
noch auf bem ©agenfiß. Oie ©utter griff in
eines ber hinteren SFtäber, unb fjrang ftellte fi<h
mit feiner fRutlje auf bie ©agenbeihfel gwifchen
bie Ochfen, unb fing an, biefe auf bie Köpfe gu
fdjlagen, baß fie ben ©agen gurüdfhieben foß.
ten. Sie fchoben ben ©agen auch, aber nur tie«
fer in ben Schlamm unb Sanb. 9lm Oarauf«
fdjlagen unb Kommanbiren ßafS ffraitg ficherlich
nicht fehlen laßen; aber afleS wofltenicpt helfen.
3?rang ftieg mieber oon feiner Oeichfel herab,
unb betrachtete ben ©agen oon aßen Seiten.
Oa auf einmal blißte ein funtelnagelneuer @e.
bante in ihm auf, unb er fagte gu feiner ©utter«
„ 3 eßt weiß ich, was ich tlju’."
„ftun, was benn ?"
„3<h fpanne bie Ochfen ab, unb fpanne ße
mit ber Kette au’S hintere (fnbe beS ©agenS,
bann tönnen fie ihn ganj leicht auf bie Straße
gießen."
„3h weiß nicht, ob baS geht," erwiberte feine
©utter bebentlich. Slber fjrang oerfidjerte:
„OaS muß gehen; ich tann gar niht fehen,
warum nicht. 3h nehme bann bie Oeidjfel, fo-
balb fie aus bem ©aßer ift, unb lenfe ben
©agen, bis er auf ber Straße ift. OaS ift auch
ber eingige ©eg, mie mir ben ©agen mieber
herausbringen."
„9tun, bu lannjt eSterfuhen; etwas müßen
Wir tßun; Wenn nur ber Sater ba wäre. 91bet
wenn bu bie Cdjfen hinten anfpannft, bann
nehme ich ben Kleinen oom ©agen; wer weiß,
wie es gehen tönnte." OaS war auch ein glüd»
licßcr ©ebante. ©ir meinen nicht Drängens ®e«
bante, bie Chfen am hinteren Snbe beS ©agenS
anjufpannen, fonbern wir meinen ben ©ebanten
ber ©utter, ben {(einen 3 ohann herabgunehmen.
Oenn wäre biefeS nicht gefhehen, es hätte ihm
mabrfheinlih baS 8 eben getoftet.
9tun ging 3 *ang an bie Arbeit, fein ©eifter.
ftüd in Ausführung gu bringen. ©S nahm nur
furge 3eit, bie Chfen Oermittelft ber Kette an
bie hintere 9lhfe beS ©agenS gu fpannen. fjrang
bemerfte, baß bie Kette ein wenig gu turglei;
aber baS ließ ßh jeßt nicht änbern. (fr fteflte
ßh neben bie Chfen unb trieb biefe ein wenig
an. OaS ging ja gang Oortrefflid). Oie Oeihfel
War bereits aus bem ©aßer. Oie ©utter mit
Digitized by v^ooQie
80
$f. Sribune.
bem _fleinen Johann auf bem Sirme ftanb ba*
neben unb fab bem foinifchen Sn^rnjerfe ängft*
lidj ju. Sfrattä trat ttun juriitf unb mit)nt bie
Teicbfel in bie ftanb, um ben ©Jagen 311 teufen.
Stun trieb er bie Ocbfen wiebcr ntt. Ter treibe
Sfirn mar in feiner (Site; aber ber rafebe ©ill,
burch bie bieten ftiebe auf ben ftopf nod) fettrU
ger geworben, 501) fcbnell an. Ta befam ber
faule Sfim einen Stoß bom llßoflen, ber il)n aus
feiner Trägheit aufmedtc. Gr tpat einen Sprung
uormürtS unb ber jmeite Stoß traf nid)t it)n,
fottbern ben Sill. Tie ©Jirtung fann man fich
leicht benfen. Kaum jel)n Sefunbcn tuaren ber=
flanken, fo batte fjranj feine Teicbfel tnebr in
ben Rauben, unb bie Cchfeit tiefen faft fo fcbnell
als ©ferbe mit bem ©Jagen babon; 3 ?rattj batte
bloS baS Stncbfebcn. Gr febrie loobl mit aller
Mad)t: „fto! bo!" aber bie Ocbfen barten baS
nicht. Tab bie SJtutter aud) febrie, leiüt fid) leicht
beulen; bat ja fogar ber fleine Johann feine
•Stimme böreit (affen, ol)ue eine anbere Urfacbe
31t roiffen, al§ baß eben alles febrie. ©6er altes
Sebreien unb Stufen half nichts; beim bie Ocbfen |
Waren mit ibretn ©Jagen nod) nid)t weit c\e=
laufen, ba flog bas ©Jagenhrett mit Siebteln unb |
©llcm herab unb ber uorbere 2 beit bes ©Jagens j
oben barauf, unb mit ben hinteren Stübern,
welche ftürjten unb rollten, oft hinter, oft neben,
oft auf ben Od)fen waren, liefen fie baüou.
5rait3 Warf einen Seiteublid auf ben 3erbrod)e=
nett ©Jagen unb eilte bann ben Cd)feit nach fo
fcbnell ihn bie ©eine tragen mochten. Tie Mut*
ter blieb bei ber ©rüde fteben; was fie mäbrenb
ber 3 fit, bah jyratt3 ben Odjfett nachlief, bort
tbat, weift Schreiber biefeS nicht.
©iS Sranj ungefähr eine Mette juriidgelegt
hatte, ba fanb er bie Ocbfen jitternb unb aus
uerfd)iebenen ©Junben blutenb ant ©Jegc fteben.
GS batte fie ein SJtanu, ber au ber Straße ar=
beitete, aufgehalten, unb ftanb nun bei ihnen
unb betrachtete bas fotiberbare gfuhrwerl. ivraitj
erjdblte ihm faft außer Sltbem in wenigen ©Jor*
ten, was gefebeben war. Gr ging mit ^ranj
jiiriicf 3ttr ©rüde. Tie Ocbfen würben boran*
getrieben, unb ber Manu 30g bie Stüber, wäb=
retib gratis ein wenig fd)ieben half. ©IS fie an
bie ©rüde tarnen, ba ftanb fd)on ein anberer
Mann beim jerbrochenen ©Jagen. Gr batte nicht
weit babon gearbeitet unb ben Barm gehört unb
mar getommen, um 31t feben, was gegeben war.
Ter ©Jagen würbe untcrfucht, unb 311m ©lüde
ftellte eS fid) heraus, baß nichts serbroeben war,
als baS lange Stiid $013, welches baS uorbere
unb hintere ©überwert mit einaitber uerbinbet.
©Jäljrenb bie Mutter mit bem Keinen Johann
in ein StadjbarbauS ging, um fich Ju trodnen
unb 311 wärmen, benn eS regnete immer ein Kein
wenig, ftellten bie Männer ben ©Jagen wieber
her. ’ Stach ungefähr 3Wei Stunben War alles
1 wieber in Orbnung, unb nadjbem ben beiben
: Männern ber berslidjfte Taut abgeftattet war,
ging’S ber fteimatb 311, welche fpäi in ber Stacht
erreicht mürbe.
Tie SJtutter er3äblte bie gnii3e ©efcbidjte bem
| ©ater, mäbrenb gratt3 am Ofen fab unb ftiü=
; febmeigenb 3ul)örte. Ter ©ater fagte enblich:
„Schlimm genug; feib nur froh, bafs eS nicht
noch fchliminer abgelaufen ift; ihr habt immer
! noch große Urfacbe, bem lieben ©ott battfbar 31t
fein."
TieSJtutter erKärte: „Mit bem Keinen grans
fahre ich aber nie wieber fort, ba lann man nod)
unt’S Beben tommen; baS nimmt einen Mann,
ben alten ©ill 311 treiben."
Gütige ©Jochen tiad)ber fuhr fie boeb Wieber
mit gratts fort; wie wollte fie fonft aud) attberä
t()un. —
gratts bat fpäter bie Ochfen nie wieber an’S
hintere Gnbe beS ©Jagens gefpannt, b. h- im
bitchftäblicben Sinne beS ©JorteS; im bilblichen
Sinne bat er’S wol)l mehr als einmal oerfucht,
aber jebeStttal gab’S ein „Unglüd"; unb er
möd)te einem jebett feiner Befer ben guten Stath
ertbeilen: Spanne ben ©Jagen nie am
hinteren Gttbe an.
& j}. fribuitf.*)
©pu Sßilliam V. ftrennb.
f orace ©reeleß, ber ©riinber ber Tribüne,
mürbe 31t Slntberft im Staate Stcw ftotttp*
fbire im 3abre 1811 geboren. 3m 3‘'bte
! 1834 gab er eine Leitung I)craiU|/ bie bett Stauten
„Stew ff)orter" batte.
I ©IS 3 ournalift batte er% bclanbere gäbig*
1 leiten unb grünbete bann int Sab« 1841 bie
„St. $. Tribüne“.
Gr war ein mutl)iger ©ertbeibiger ber Tem=
I peren3 = Sadje, ber grauenredjte unb ber ©h=
febafftntg ber SKaoerei.
Tie St. $. Tribüne war ebenfalls bas Organ
ber iirfprünglidjcn repubtitanifeben ©artei (rndi-
eul Republican Party).
3 fn 1848 würbe forace ©reeleb 311m Gongreh
erwählt, unb es wirb gejagt, baß eS burch feine
©emithuttgen war, baß-©brabam fiincoln an*
ftatt Scmarb ©nuo 1860 bie Stomination für
©räfibent ber ©ereiitigtett Staaten erhielt.
3 n 1872 erhielt ber ebrmürbige alte fterr
felbft bie Stomination als ©räfibent Don ber
*) Gin« gute Stbbilbung beS XribunesOebäubeS brach:
ten wir in einem ber früheren Jahrgänge.
Digitized by v^ooQie
Digitized by v^ooQie
82
jl. Sribune.
©reenbader Sßartei, würbe aber nipt erwählt,
unb eine furje 3 C ** uap ber.SEßahl braute bie
Sßreffe ben SobeSbeript beS alten Jlämpen.
©ine Slftien»©efeUfpaft ber 9t. Sribune
unternahm eS, ju ©pren beS oerftorbenen 3our»
naliften unb Staatsmannes oor einigen fahren
ein SDtonument in ber ©eftalt eines ©ebäubeS
ju errieten, feilte ftept nun baS Unternehmen
gnnjlip bollenbet ba, unb ift eines ber fpönften
intb botlfommcnften ©ebäube ber Stabt 9tero
Dorf.
Der Deutfpe roirb geroöpnlip als ein guter
Spwabe betrautet, bop miiffen mir Mterifaner
ein wenig jurüatreten, meitn mir an alle unfere
großen Unternehmungen beitfen unb napforfpen
unb erfehen, bafj ber beutfpe ßopf alle biefe
Unternehmungen entmirft, unb ber 9lmerifaner,
ber gewöhnlich einen belferen ©efpäftStaft be»
fißt, bie 99tittel liefert, um biefe Unternehmungen
auSjufiihren.
So ift bieS au<h ber fjall bei biefem Unter»
nehmen gcroefen, beim ber geniale 6b. 6. 9tapt,
lllrpitett, pat bewiefen, baff er fein ©efpäftber»
fleht, als er bie fHane für bieS riefige ©ebäube
entmarf.
Der erfte Streit beS ©ebäubeS mürbe fpon
bor einiger 3eit bollenbet. 35er Eingang beffelben
ift an Sßrinting fjoufe Square, gegenüber bott
©ito £aü Bart mit einer {Jacobe (Sront) bon
92 Suß 6 3ott.
Mf ber füblipen Seite, gegenüber fJteunb’S
Buppaitblung erftredt eS fich 100 fjufe,
auf ber nörbli<hen Seite, gegenüber Srenp’S
£>otel, 29 Sufi 6 3oH unb bie öftlipe Sinie ift
176 fjuß lang.
Der erftgebaute Speil nimmt einen fjläpen»
raum bon 4500 Quabratfujj unb ber neuerbaute
einen SRaum bon 5400 Guobratfujj ein.
Der neuere Speil ift einen Stod höher als
ber erft erbaute, unb fomit ift bas ©ebäube an
ber fjranffort Street 11 Stodroert pop.
Das ©ebäube ift feuerfeft (fire proof), in«
bem alle Pfeiler bon Stein finb. DaS fjunba»
ment bis jum 2. Stod ift bon fernerem ©ranit
unb ber obere Speil bon gepreßten Bhitabelppia
Badfteinen, berjiert mit ©ranit, gebaut. Me
Senfter haben rollenbe fjenfterlaben bon Sifen.
Die innere Mbeit ift bon hartem $olj.
Die ©änge finb bon importirten 9Jtetlap 3'**
gellt, berjiert mit 9)tarmor»Safelroerf. 3tu
Heller befinben fip 2 35ampffeffel.
3mei ©leoatorS fteigen ben ganjen Sag auf
unb nieber jur 9lccommobation ber 9Jtietpenben
unb Befuper, unb ein befonberer ©lebator für
bie bei ber Sribune Befpäftigten.
3ebeS Departement hat feine eigenen 3'mmer,
Welpe mit all ben petffpiebeneit Speilen beS ®e=
bäubeS in' Berblnbung burp Sprechröhren
flehen. DaS ©ebäube enthält 150 3imnier bon
berfpiebenen ©roßen, Welpe meiftenS alle bon
profeffionetlen Seuten befeßt finb. Die Schreib»
ftube (counting room) ber 3«>*iing befinbet
fich im erften Stodroert unb ift 22 bei 75 fjujj
arofe, gefpmüdt mit einem überlebensgroßen
Oelgemäibe beS ©rünberS ftorace ©reelcp.
Der Sabentifp ift bon 9)iarmor unb außer«
bem enthält buS 3immer bie feinfte 9Jtöbelarbeit.
Die 3immer ber ©bitoren befinben fich im 9.
unb 10. Stodroert, welche gut beleuchtet unb
bentilirt finb. 2fm 10. Stodroert befinben fip
ebenfalls bie Stereotbpen=3immer, roofclbft bie
? Hatten, fobalb fie fertig finb, auf einem nur
ür biefen 3md beftimmten ©lebator nach bem
fteHer beförbert unb gleich auf bie Treffen ge»
tpan werben, bie 15,000 Mbrüde per Stunbe
liefern.
DaS 3immer ber Seßer ift 165 Sich lang
unb hat eleftrifche Beleuchtung; eS arbeiten barin
100 Seßer.
Die ©efeflfpaft behauptet, baff fie bie beften
Mcomniobationen einer Druderei im 3n» unb
SluSlanbe befißt. Ebenfalls rühmt fie fiep beffen,
bah fie bie eingifte 3eituna ift, welche mit eleftri«
fpem Drapt jroifpen SJafpington unb 9tero Dort
in Berbinbung ftept.
fjür Befuper ber Stabt 9tew Dort roirb eS
fich lohnen, biefeS ©ebäube in Mgenfcpein ju
nehmen; befonberS angenehm in ben heifeen
Sagen ift bie frifpe Suft, bie einem entgegen«
fommt, roenn man bie oberen Stodroepte be»
^)a3 ©ebäube ift born Seitenweg 150 Safe
poep unb ber Spurm 265 Sup, welches ungefähr
5 Sah weniger ift, als ber Spurm ber betann»
ten „Srinitp ©purep".
Bon biefer fjöpe bietet fiep bem Befucper eine
popp angenepme 9luSfipt über bie Stäbte 9tett>
Bort, Brootlpn, Staten ^Slanb unb Qerfep
©itp.
Dies ift nur eines ber Dielen elegant erbauten
©efpäftspäufer ber Stobt 9tero Dort, unb im»
mer werben neue errichtet, bie, wenn fie auep
niept fooiel Släpenraum einnepmen, boep man
möcpte fagen bis in ben fjimmel hinein gebaut
werben.
2Ber bie 9t. D- Sribune lieft, roirb leipt ge»
wapr werben, baf} ber gewanbte ©bitor —
Süßpitelaro SReib — bie fpönfte unb beft»gram«
matifpe Sprape feinem bebeutenben fiefertreife
liefert.
Digitized by v^ooQie
furdj Srrungm jur IBehrljeit.
83
Purd) Strittigen |ttr Plni)rJ)dt.
£in bnttf^-ammßant^rs ;3famifienßifb aus Bet Gegenwart.
®*n 3« 3* We&wer.
Vin. ©ater unb £>einri<h mußten felbft hie unb ba
einen Dag in ber 2öod)e p fparen, um benfelben
onate finb öevgnngen. 'Cer fjrüh« in iljver ©efedfcpaft ppbringen; auch fanb man
lina hatte bie @rbe in neues, e§ felbfioerftänblich, baß bie ganje Familie fiep
frinheS ©rün gefleibet. Der über ©onntag bafelbft bereinigte unb felbft
Sommer mar ihm gefolgt unb Onlel £>ermanu [teilte fid) einige 3Jtale mit ber
heiß brannte bie ©onite in bie Dante bei ihnen ein.
©tränen unb ©affen ber Metropole. Der jäf>r= „3 cp !amt bie ©infamfeit nicht ertragen,"
liehe 9lnSpg ihrer ©erooljner mar halb in bollem flogte ber Oitfel, „unb feit £>arrt) berloren ift,
©äuge. Die ©inen flohen in bie Serge, bie muß idj h't unb ba SLvoft haben, unb ben fann
Inbern an bie SteereSfüfte, bie ©ommerhotelS ich mir nur aus ben frommen Mgen StinaS
waren halb überfüllt, bie pradptooden Sommer« lefen. 9lcp hotte £>arrt) beineit SBarnnngen ©e«
refibeujen, au ben Ufern beS £mbfonS, roie am hör gegeben, fo wäre eS nicht fo meit mit ihm
©unbe gelegen, hotte» faft ohne SuSnapine ihre gefommeu!"
Scrooljner aufgenommen. 2Bem bie Stittel ober Der Kummer beS CitfelS ging Men tief p
anberc Umftäiibe e§ nicht erlaubten, ber heißen fiteren, unb um fo mehr, als fein fjünfdjen bon
Mnofphäte ber ©tabt p entfliehen, ber filmte Hoffnung fich jeigte unb fein Drbft in irgenb
fich bamit fdjabloS p holten, baß er fich ben meinem Umftanbep finben mar. „©erloren",
zahlreichen ©ergnügungSjügen anfcploß, bie täg« baS mar ber einjige unb boch fo fd)recflid)e ©e«
lieh eine große Stenge hinaus in bie freie ©otteS« banfe, ber fich mit bem Mbenfen an ben Ser»
natur brachten. Die prächtigen Dampfer, bie fchmunbenen berbinben ließ,
ben Song 3s(anb ©unb ober ben romantifchen „Stätte er oovigeS 3af)r, anftatt feinen flame«
fnibfou befuhren, toaren jeberjeit ood befeßt, rabeu in Song ©rand) unchplanfen, ben uäm«
©icnicS, ©jcurfionen, ©ommernochtfefte maren liehen 2öeg, mie ©lina, eingcfcplagen, fo mürbe
an ber DageSorbnung, 9tuber= unb ©egel=2Bett= es nicht ein foldjeS 6nbe mit ihm genommen
führten, fjifcbpartien u. bgl. fanben ihre be= hoben. Diefe frommen Seute hoben oderbingS
geijterten Sicbhober. 9lucp baS Solf beS &errn eigentbüniliche Mficpten, benen ich nicht gaiij
mar feineSroegS müßig, hotte eS fid; boch pm bestimmen fann; aber baS muß man pgeben,
©runbfaße gemacht, fid) in bie 3*it p fepiden. ifjrSöeg ift jebenfalls ber fidjerere.
Salb in ibpUifcpen SBälbcpen, balb ant SteereS« Unb für fold) fd»macf>e ©haraftere, mie mein
geftabe fummelte eS fich für einige SEBodjen, um £)arrt) einer mar, ift ber fiebere 2Beg immer«
bem £>errn ein 3feft p feiern unb baS Seß beS hin ber beffere. Utbcr ich ftaiib bem armen 3un»
©oangeliumS auSproerfen. gen felbft im Süöege."
Ocean ©robe hatte mie geroöhnlich auch biefeS ©o mechfellen bei Cnfel Hermann beftänbig
3ahr mieber eine bebeutenbe Stenge angepgen. Klagen unb ©elbfttwrroürfe ab. 91 n ben ©ot=
Die hübfehen ©ommerroohnungen maren mit ieSbienften nahm er nicht allein ohne SMberrebe
©äften angefüdt; bie luftige 3eltftobt geroamt theil, fonbern jeigte auch roirflicpcS Sntereffe in
immer mehr an MSbepnung unb in baS Stau« benfelben. Doch fprach er fich nicht meiter über
fepen ber Sranbuug mifchte fich ber Sobgefang bie Vorgänge in feinem Innern aus, unb bie
ber ftinber ©otteS, bie ©ebete hc'l^öegierigcr [Jreunbe maren roeife genug, auch nicht meiter in
Seelen unb bie flare unb fräftige ©rebigt beS ihn p bringen.
©DaugeliumS. £err Sehmann lobte oft bie ongebörten ©re«
Stina unb ihre Stutter hatten eS ohne be« bigten, [teilte aber immer ©ergleicpe an mit bet
fonbere ©chmierigfeiten p erreichen gemußt, baß alten £>eimatb unb meinte, man fönnte eben fo
fie fich für einige 3*U bem Snubhiittenfeft am gut ein gläubiger ©hrift fein, roie bort, ohne
SteereSgeftabe anfdjließen burften. 3hre lieb« auf folche auffadenbe ffleife mit feiner SReligion
lidjie SÖopnung oont nötigen ©ommer ftanb ©ropoganba machen p rooden.
ihnen mieber pr Verfügung, unb menn auch ihr Heinrich fchloß fich feiner ©chmefter mehr unb
Dätertidfer ^reunb, ^)err SöilfenS, biefeS Stal mehr an. 3>n bem Serfchminbeu SedpS hotte
fehlte, fo hofi e f^ina in ber 3<U mit manchem er bie erfte herbe iciufcbung feines Sehens er«
theuten ©otteSfinbe ©efanntfmaft gemacht unb fahren. Diefen ©chlag p überroinben, mar ihm
oft Durfte fie folch e unermartet im Stabernafel Khmer. Die greuben beS gefedfdjaftlichen Sehens
begrüßen. Slber auch aubere JÖefuche famen. erfchienen ihm mehr unb mehr abgefepmadt.
Digitized by v^ooQie
84 Purd| Errungen jur iBaljrljeit
habet mar ihm feine Sdjmefter ein SRäthfcl. Sht
inncreb ©lücf, ihre ©eiterfeit uitb 8iebenbmürbig=
feit bei alt ihrer, mie er eb nannte, ftrengen Dteligiö=
fität, überrafebten ihn. (S*r fühlte, bah fie (Stmab
haben muhte, ba^ fie meit über bie Shorheiten, ä>cr=
fudjungen uitb Mein liebfeiten ber 3*>clt erhob. 3Mehr
unb mehr mürbe in ihm ber Söutifd) lebenbig, biefeb
(Stmab audj du bejifeen. (Sr fuebte bie Wahrheit,
©ie $rebigt, mie bie ©otteobienfte im Allgemeinen
machten gröberen (Siitbrucf auf ihn; er nahm feine
SM bet Sur ©aitb, er oerf liebte eb mit bciti geheimen
©ebete. (Srft unler beut Anfdjcin allgemeinen Sntcr-
effed gab er beit (Sinmenbungen feiner noch uncr=
leud)teten Vernunft nnb feinen 3mcifeln bei feiner
Sdjmcfter Aubbritcf. (Sr liebte eb offenbar, ooit ihr
miberlegt du merbeit. (Siitgchenbere Untcrrebungen
maren nidu feiten, unb mohl bemerfte fie mit inni-
S er ©anfbarfeit, bah bet ©eift 6)otteb (ein 23erf in
em ©erDen ihreb Srubcrb angefangeit hatte. •
Sa, er Oefchlob^ feine Sommer = S>afam gatiD bei
feiner Scbioeftcr DUDubringen. Aber noch eine anbere
Ueberrafcbuug mar äRina Vorbehalten. Am Samb*
tag Abenb, alb ©einrid) sunt Antritt feinet Urlaubs
in Ocean ©rooe eintraf, fanb fid) in feiner Wejcll*
fdiaft and) Goufiit Sohanneb, ber am 3)?orgcn un*
ermartet jitm Sieftufte eingetroffen mar. S3cfonbcre
Familienangelegenheiten hatten ihn nad) s J?em£)orf !
geführt, uitb einmal bort, befcblob er, fich einige
SBodien bei feinen Freunben auhuhalten.
„Ad), Goufiit Sohanneb, mie tomrnft bit hichcr?"
rief SKina bod)em*eut atib, alb ihr bie Anfömmlinge
nnermartet auf berSJeranba entjicgentraten * „25ill-
fotnmen, millfointncn!" bamit itreefte fie ihrem Gou=
fin beibe ©änbe entgegen.
„9lun, ©ainpfcr unb (Sifenbabn haben ihre
Sdjulbigfeit gethau, unb einmal in ©ceait ©rooe
angcfoinmen, haben mich meine gefunbeit SJeitie
oolleubb du beinern hübfd)en Heftchen gcbrad)t!" rief i
Sohanneb lacbenb, inbem er bie ©ätibe $?inab er- I
rabte unb herzlich brncftc. „Snbeffen haben mich
Familienangelegenheiten .nad) s )tem SJorf geführt,
unb einmal ba, bad)te id), meine liebe Goufine mürbe
Sßichtb bagegeit haben, menn ich mich ihr micber
einmal oorftellte." !
„2Bie freue id) mich, bich hier du fehen," fuhr
SBina fort, inbem fie ben ©aft nach bem ^Sarlor
Dpg, mo bereitb 2$ater, Butter unb Onfel ©ermann
ftcb befanbeit. Auch hier fanb ber neue Anfömtn=
iittg freubige Aufnahme, unb uad)bent bie gemöhn-
licben ©rübe aubgetaufdit, unb bie gegeitfeitigett
(Srfunbigungen nad) bem Siefinbcn ber beiberfeitigen
Familien beantmortet maren, bemerfte ©err Ceh=
mann-
,,®u fiehft, mir finb hier auf guten SBcgett. SRiita
lieb eb fid) nidrt nehmen, biefeb Sahr mieber nad)
Ocean ©rooe du gehen, mo fie, mie fie fagt, ®c=
funbheit für 8cib unb Seele gefuttben hat; tinb ba
mir nun einmal Alle unter ihrem Pantoffel ftehen,
jo blieb unb nichts meiter übrig, alb ihr nach-
Dufolgen.
„Sch freue mich," fagte Sohanneb, ohne auf bie
Iefetere fchcr^hafte fflemerfung eiiiDitgehen, „(Sud)
AUc hier du finbeit, unb 5Diina mieber fo mohl du
fehen."
„Sd) mübte feinet) angenehmeren Ort Dur Gr=
holung alb gcrabc Ocean ©rooe," meinte Onfel
©ermann; „hier faittt man bod) einmal mirflid)
SRuhe gettiebeit unb ©rholung fiitbett. SRadj Allem
haben fiel) aud) meine Anfidjten beDÜglid) biefer
SMetbobiften geäitbevt; eb mag maitdje ©citcbler
unter ihnen haben, aber aud) fchr S>iele, oor benen
mir beit ©ut abnehmen müffeu. Sm Allgemeinen
finb fie im 9ted)ten unb junge teilte thuit beffer, ftdj
ihnen aiiDufcbliehcn, alb mit ber heutigen fogeuantt-
ten ©cfeUidjaft du laufen."
„©ann bcfud)t ihr feine 23ällc unb Sheater
mehr?"
' „©ab mill id) nicht gcrabe fagen; aber nach ben
lebten ©reigniffen in uufercr Fvcttnbfdjaft fann eb
unb Aicmanb übel nehmen, meint mir nnb für eiitft-
mcileit aub ber ©cfcllfchaft DurücfgcDogcn haben."
„Sbr habt bod) fein Uitglüd gehabt?" fragte 3o=
hauiteb erfdjrodcit.
„Unglücf genug!" ©ie Fveuitbc erDählten ihm
nun oou bem ä>crfd)minbcii 9iclh)b unb ihren trau¬
rigen SMfürdduiigcn in betreff ©arro3. SobanueS
mar über biefe A'achvid)tcn tief erjehüttert, enthielt
fich aber eiuftmeilen beiotiberc S>ctiicrfungcn an bie=
fclben du fnüpfcn, alb bafe er feiner Sraucr Au3=
bruef gab.
©a ber Abenb fchr fd)ön mar, fo fdjlug er SOcina
tiod) einen SpaDicrgang oor, twtb biefe tim fo bereits
milligcr atinahm, alb ihr bcrfclbe CSjclegcnheit bot,
fiel) ihrem ©oufiit gegenüber tiod) mehr aubDU=
jpred)cit. Sie tbeilte ihm ihre Ätciuiofe tinb Skr=
fuchungett hinfid)tlid) ber gefeUfd>aftlid)cn Skt*
gnügungen mit, ebcitfo meldteil ©nttdiluft fie gefaxt
tinb mie fie bcnfclOeit aubgeführt habe, unb meldieb
bie tiächftcn Folgen ihreb ©ntfdiluffcb maren.
„SSahrfdieitilid)," meinte fie, „mürben mir noch
grö§crc Sdjmicrigfciteii in beit 2£c^ getreten fein,
meint bab llnglücf mit SRcllo uitb ©arro nid)tge=
fdichcn märe, ©od) faittt id) barinuen nid)t ©otteb
Fügung erlernten. Sd) mellte oiel taufeub 3Kal
lieber, id) hätte ein härtere* tireiiD du tragen, unb
bab llnglücf, bab tinb Alle fo tief barnieberbeugt,
märe nicht gefd)chcn."
„®n follft eb aud) ttidtt alb ©ottcb Fügung be=
trad)tcn, bafe beine Ftcunbe oerloren gingen," jagte
Sohanneb, „aber ©ott meijj aud) bab S3ofe Dum
©uteit du meitbeit. ©en ©einen hat biefer crfchüts
ternbe Vorfall Dureniften Mahnung bienen müfiett.
©ieje ^Mahnung fam für beine Utnftätibc freilich
gerabc Dur rechten ücit. Aber eb ift traurig, fchr
traurig, bah ber 3äkg ber Umfehr erft über tolcheb
Unglücf gehen muhte."
9Jtina erzählte nun meiter, mie fie fid) nur mit
ihrer fDhitter näher bcrßirdie angefddoffen habe,
mie nachgiebig S>ater tinb Ottfel ©ermann nun
feien unb mclche Untcrrebungen fie fd)ott mit ©eiu=
rid) gehabt habe.
„.©offe," fagte Sohattneb, „ber ©en hat gemih
fein Söerf att ben ©einen, unb er mirb eb du feiner
3eit aud) hinaubführen. Unb mab ©einrich attbe^
trifft, fo habe ich heute fdtott beutlich gefeheu, bah
(Stmab in ihm oorgeht. Sd) glaube, er ift nicht mehr
ferne oom 9teid)e ©ottcb."
©er Abenb vereinigte noch bie gaitDC Fnutilie duui
gemeiitfatiien ©ebete, rneUhem fid) felbft Onfel ©er^
maitit nicht entDog, uitb beffen Leitung Sohanneb,
alb attgeheitbem $rebiger, übertragen mürbe.
Für ©einrid) mar bie Anfunft ooit gotifin Sohan-
neb oon grobem Söerthe. (Sr fd)loh fid) aufb innigfte
an ihn an unb fchüttete ihm mieberholtfein ©erDattb.
Digitized by v^ooQie
Purdj Srrungen jur JBaljrljfit.
85
„3<b habe," faßte er eineS £aße3, „feit 5Wonaten
bie Sibel mit '©ebaefet ßelefen. 3d) habe liiancbe
Spötterei meinet Onfel3 unb inand>e ©inwenbun-
aen aebilbcter Seutc aeßen ihren Rabatt ßehort; aber
ich miijfe ßeftehen, je mehr id) barinnen leie, befto
ehrwürbißcr erfdjeint fic mir, tmb loenit irßenb in
ber Kelt Kabrheit 311 finben ift, fo ift fie hier cnt=
halten, (93 unterließt audi bei mir feinem Zweifel,
baft, wer nach ben ^orfdmften biefe^ ©ud)e3 lebt,
ßlücflicf) fein inuft. 9(ber id) fann nid>t leben, uue
ich jemals im ©talibe fein werbe, barnad) 311 leben."
„Äein SWenfd) ift bam au3 lieb fclbft im ©taube.
*X)aviim bat un3 and) 6)ott feinen ©eiftanb oer=
beiden unb feine $haft ift in ben Sdnoacbeit mäd)=
tiß."
,/Ba3 habe id) and) aelefcn unb id) habe and) um
ben göttlichen ©ciftanb aebetet, aber ßerabe bann,
wenn ich bie heften ‘Borfäfee ßefafet habe, treten mir
allerlei Kibermärtißfeiten in ben 'Keß, unb ßerabe
bann fomme id) um fo fdmeller 31 t 55a llc."
faßte 3ohanne3 lädiclitb, „ift eine prafc
tiiebe 3liuftration m ben.Korten ber heil, ©dirift:
„3)a3©ate, ba3 id) will, Da3 tbue id) nid)t, fonbern
ba3 ©öfe, ba$ id) nicht will, ba3 tbue id). 3dt eleiis
ber 'üSenfcb, wer will mich erlöfcn bon bem Sctbe
btefeS Tobe3?" 9lber weifet bu auch, wie c3 ferner
heiftt? „3d) baitfe ©ott burd) 3efum
6 b r ift um."
„3cb weife nicht, wie id) ba3 oerftehen foft."
„Sieber ©cinrid), bu muftt bie beiliae Schrift nicht
blo3 alß eine äiifammenfaffuna oon Sehren aufeben,
bie wir ßlauoen, ober oon iBflichten, bie luir au3-
üben tollen, ©ie ift oielmehr im weiteften Sinne
linfereS ftufecS Seuchte unb ba3 Sicht auf nuferem
Keae. ©ic führt un3 in unfer ftera; fie lehrt im$,
un3 felbft m erfennen, bamit wir and) bie ßottliche
©nabe recht erareifen möchten. 3» nn3 ift feine
Ihraft 311 irßenb einem ©uten, wir finb oon 9?atur
flau* unb ßar, burth unb burd) oerborben, werben
aber ohne $erbienft ßerecht au3 feiner ©nabe,
burd) bie (Srlöfunß, fo burd) 3 efuin Kbriftum ße^
fchehen ift."
„3d> oerftehe," faßte Heinrich, „ba$ ift bie Sehre
ber Sufee, be3 ©laiiuen3 unb ber fteiliamiß. 3d)
fehe bie Kabrheit biefer Sehren ein, aber bie ent-
fprethenben ©efühle maitßeln mir, um biefeit Keß
|u ßehen."
„(53 fommt babei auch nicht auf ltnfere ©cfühle
an. ‘Die ©aaptfadje bleibt immerhin, baft wir ben
rechten Keß ß e h e u, bie ©efüble feien, welche fie
wollen."
föcinridj fchien biefe3 nicht red)t 311 oerftehen, hoch
oerforach er, ernftlich über ben ©eßenftanb nadjju 5
benfen.
‘Den folßenben Äbenb war ber ©eßenftanb ber
'JSrebißt: „‘Eie ©efahren, benen nufere
3ußeub anSßefcfet ift." Der fMmcr nahm
Aiim Silbe ba$ ©eeuußebeuer, weldteS fürriidj an
ben ©eftaben oon 9?eticnalanb oon 55ifdtern ße~
fanaeit rnurbe. (Sr befdwieb, wie baffeibe in ber
liefe be3 3WcereS auf Scutc lauernb feine unßcheu^
ten /Vanßarme an3ftrccft unb aüe3 Sebenbiße, ba3
in feinen fflercidj fommt, erfafet, unwiberftehlid) in
bie liefe rieht unb ihm Slut unb Sehen au3faiißt.
3 )ann wieS et hin auf ba8 Unßeheuer ber mobernen
SBeltfiift. Ghc befdirieb, wie baffeibe in Beitunßen,
%nm§ebiü8t Sßlafaten u. f< w. feine Sodfpeife au&
fteüt; bann weißte er auf bie Saufenbe oon @aloon 3 ,
©piel = Rollen, Sbeater, ©diaububen unb 3 Ser=
fluiißiinßoplabc, auf bie wohlfeile, .'petj unb ©e=
mfitb oerßiftenbc Unterbaltuiißßliteratur, unb e\\U
warf io ein furd)tbare3.Silb oon bem s Herbcrben,
mit bem liniere heutiße 3 iißcnb hebrobt ift unb mit
ber^beweßlidien Korten wie» er bin auf bic jaus
fenbe oon blühenben ^enfebenleben, bic iabrliih in
unferem Sanbe bem Uiißchcticr ber mobernen Kclt-
luft mm Opfer fallen. Unb wer fann bieic» Her*
berlen aufhaltcn? C5r M'ißte, bafe bic fDiadit ber
Siufternife ihren 6 inftufe bi» mm (Silbe ber Säße
ßdtenb machen werbe, unb baft e3 baher vor Allein
ßeltc, für fiel) felbft unb bic ©einen ©idieihcit , 51 t
fueben. Unb wo ift Sicherheit m finben, al^ allein
beim •t'errn! 3cun erfolßtc eine crßreifenbe (Sr=
mahnuiiß an bie3ußcnb, Schuh unb ©idicrhcit bei
3efu m Indien, ber fein Seben audi für fie bahiu ße=
ßeben. 3 inn ©d)luffc forberte er biejenißen, loelche
entfchloffeu feien, ber ßefcihrlichcn Sufi ber Kclt ben
SXhfchieb mi ßeben unb ©chufc unb ©icbcrbeit bet
3cfu 311 fueben, auf, biejeo burd) Sluffteben 31 t be=
3 eiißen.
9ludi Heinrich loar unter benen, weld'e oon ber
£raft be3 Korte3©otte3 tief evßriffen, anfßcftanben
waren. 9lbcr nun folßte weiter bie (Sinlabmiß,
ßerabe iefet Sicherheit 311 fudien, unb fidi 311 biefein
8wecfc am Elitäre 3 » ßemeinfdiaftlidiem ©ebete 311
oercinißen. — (Sein heftißer itampf entftanb in ber
Sruft bc3 imißen 50?anne3. ffiie oft hatte er ßcßen
biefeo Kefen am Elitäre rebeu unb felbft fpotten
hören, konnte benn nur ba ©nabe unb &eil ioiber=
fahren? Unb wa3 würben bic ©einen, wa3 feine
ftreunbe unb Sefannten faßen, wenn er fid) ßleid)=
falls fo oor ber ßamen Serfammluitß 311111 ©cbau=
fpiele hinoabe? — 9lbcr ßeßenfiber biefen ©inflnfte=
ruitßcn fühlte er audi, al3 wenn ihm iefet bae .^eil
ßam befonberb nabe ftanbe; alo ßältc e3, iefet ober
nie baffeibe 3 U erfaffen; er fühlte, bafe wenn er jefet
oorßiitß, er ßleichfam bie Srücfe 3 urürf 3 tir Kclt
hinter fidi abbrad). Unb war e3 uidit ßerabe bicieS,
wa3 er eigentlich) thun follte unb and) wollte? 6r
warf einen Slid auf feinen ßoufin 3ohanne3, ber
neben ihm faft. „©oll id) mit bir oorßchcn ?" fraßte
berfclbe. ^a^ ßab ihm neuen SD?uth: „3a, fonim
mit mir!" flüftertc er, unb am ^Irinc fciiteo Srcuiu
be3 fdiritt er 311 m Elitäre. Kic fein £>ei *3 Hopfte!
wie er bie 9ltißcn ber ßaiucn 3>crfaminluuß auf fiefe
ßerichtet fühlte! 9lber er fühlte aud), bafe er int Se*
ßiiffe ftanb, fid) feinem bimmlifdien SSater 311 über-
ßeben. (Sine foldie s 3icihe ©ottee^ war jeinem .'Oerteil
fühlbar, bafe feine Seele ßleidifam in bcrfelben ,ter=
ffofe, unb wabrenb ba3 ©ebet feines SreunbeS für
ihn ßcit ßimmel fließ, überßab er fid) mit Seih unb
©eeie bem #errn unb erfuhr ba3 innere Beiißuift,
baft er aitßcnomiuen war auö ©naben in 3efu unb
bem ©laubenSßebet feineS RrcunbeS um ©rlöfuuß
für ihn, folßte fein ®anfßebet für bie ihm ioicber=
fahrene (Sriöfmiß.
©3 war fpät, a!3 bie Familie biefen 9lbcnb 3 itr
fRuhe aiiiß. ®ie Sreubenthranen feiner ©dnoefter
unb 5Kutter waren ^peinrid) hier idion ein füfeer
©ewinn. Unb er fah, baft and) Satcr unb Onfei
nichts ßeßeit feinen ©dnitt einmwenben hatten.
Unb wie fdmell nun bie 3 wei Kodien in Cceait
©rooe oerfloßen! Oft überfam e3 ihn, wie ein
©rauen, wenn er an bie Serfudjunßen uubScbwie^
Digitized by v^ooQie
86
Jtordj 3nungm jur JBaljrbeit.
rigfeiteu bed täglichen CcBcnS bachte. ©ürbe er
treu bleiben? ©ürbe er ß'raft haben, audauharren?
3ohaitned lehrte ihn, feine Hoffnung auf ben 31t
feben, ber gefprodjeit: „3<h mill bidj nicht oerlaffen
noch oerfäumen." ($3 mosten grobe ©erfuebungen
imb heftige Kämpfe beoorftehen, aber auf feiner
©eite ftanb and) nicht blöd meitfcblicbe, fonbern
göttliche ©ülfe unb ©nabe.
IX.
%n$ SRitttd Sagcbtnft.
7 . ©ept. 18 —, Schon finb mieber etliche ©odjen
bahin gefdjuuinben, feit mir oon Oceait ©rooe 311=
rütf finb. ©ie fchneU hoch bie 3cit oergeht. 9 lber
meid) eine herrliche 3cit haben mir auch bort oer=
lebt! ©ie erguitfenb mar bie frifche ©eetuft; mie
majeftätifch raufeftten bie ©ogeit bed Dceand; mie
lieblich grünten bie ©iefeit; mie pracbtooll lieb ed
fich auf bem fleinen See bahin fchiffen! 9 lber mie
herrlich maren auch bie©ottedbieufte, unb mie oiele
chriftliche Sreunbe burften mir ba feitnen lernen!
9 lber baß ©errlidjfte oon 9 lllem mar bodj bie ©e=
fehrung meinet lieben ©ruberd Heinrich. O mie
©rofted hat ber ©err an und gethan! SRutter fchliebt
fich mehr unb mehr und an. ©ater fagte, er habe
nichts bagegen, menn Heinrich ein mahrer ßhrift
gemorben fei. ®ad fei jebenfalld beffer, ald menn
er in fchlechte ©efetlfdjaft geriethe unb ein trüber
Sieberlich mürbe. i)a ed nun einmal in unferer
Stamilie nicht tnöglid) 3U fein fcheiue, bie golbene
uBittelftrafte innc 3» halten, fo fei ber ©eg, ben mir
eingefddagen hatten, immerhin oorAujiehcn. Onfel
©ermann fd)ien tief erfchüttert 31t fein, ßr fagte,
hatte ©arro biefen ©eg eingefd)lagen, fo märe er
nicht fo elenbigüch 311 ©runbe gegangen. ®er arme
Onfel! ©arrod ©erfebminben brüdt ihn immer
tiefer barnieber. ßr fcftilt iefet menig mehr über bie
ßanteraben, bie ihn oerführt, unb bann ald er auf
gefährlid)e ©ege gerathen mar» ihn im ©tid)c ge=
laffen hatten. 9luer er ergeht fich in ben heftigften
©elbftanf lagen. ßd ift nur gut, baft fein web ihn
311 beffern ©Öffnungen bcred)tigt, fonft mürbe er ber
SSerAmciflung anheim fallen.
2 Bir haben nun redjt fchöne ©tunben 311 ©aufe
unb bie ©egenmart ßoufin 3 ohanned trägt auch
nicht menig ba3u bei. 3 n etioa 3 mei ©ocheit mill
er mieber aoreifen. ßd iu biefed fein lefeter Sennin
im ßollege. Näcbfted Srühjaht gebenft er tn’d
©rebigtamt eiii3utreten. Seiten Sonntag prebigte
er iu unferer ßiitbe. ßr hat ber ©emeinbe fehr gut
gefallen; aud) ©ater, JButter unb Onfel maren fei=
tted 8 obed ooll. ©eftern 9 lbeitb mar berSingdmr
unferer ©emeinbe bei und. ©ir haben unfere
ßoangeliumd= 8 ieber beinahe burchgefungen. Eibele
8 . unb Sophie S. fangen ein httbfcbed $ 5 uett; unb
einige junge NJäntter bcflamirteu hübfdie ©tücfe
aud ber geiftlicben ©oefie. ßoufin ^ohanned hielt
eine Slnfpradje, unb beoor mir und trennten, fnieten
mir noch nieber unb er erflehte ben Segen ©otted
auf alle ?lnmefenbe. ©ater mar bie ganae 3 cit
gegenmärtig unb fchien fehr erfreut 311 fein. Nachher
fagte er: „Sokbe ©efellfdiaften laffe ich mir ge=
fallen; ficherlicb haben fich 9 llle gut unterhalten unb
berSBorgen mirb feine fdnoeren ßöpfe bringen."
3 d) hoffe gaii 3 gemift, ber ©err mirb und noch 9 lüe
in feinem ©ienfte oereinigen, ßoufin 3ohanned
glaubt ed auch, unb fpridtf undbeftänbiguButh 311.
©einrich fd)eint fich ber ©efellfdjaft, bie er in ber
ßirdje gefunben hat, fehr au freuen. S)er3ung=
männcr = herein sieht ihn fehr an, unb er fehlt in
feiner ©erfammlung. 9 Beine 2 ßäbdjenÜaffe iu ber
©onntagfdjule bereitet mir oiele ftrettbe; nur fühle
ich mid) fo ungefdütft unb untüchtig, bie lieben Äin*
ber fo red)t auf ben ©eg ber ©ahrhcit 311 leiten,
©err ßarter, unfer ©uoerintenbent fagte mir aber,
ich feilte bie ßinber 311 einem befonberen @egen=
ftanb meined ©ebeted madien unb im Uebrigen
auf ben ©erni oertrauen. S)ad mid ich benn auch
thun."
12. Seot. ©eftern mar ein fehr erregter Sag.
ßoufin 3ohanned fam foät am Nachmittage nach
©aufe mit ber Nachricht, bah er eine ©pur oon
Nello S. entbetft habe. 3 n grofter Aufregung frag?
ten 9 lllc: „©0? ©ad meifttbu mehr?" ßreraählte
nun, er fei eben burch bie ©omero gegangen, ald er
Anfällig auf bie entgegengefefete ©eite ber ©trafte
geblidt habe. ®a fei ihm ein junged 5raueii3immer
aufgefallen, bad in einen Negenmantel gehüllt, fich
mühfam burch bad ©ebrängc manb. ßr habe ihr
9 lngefid)t nid)t gefehen, hoch ihre ©cftalt unb ©al-
tung habe ihn jehr an Nello erinnert. ®a fei auf
ber Strafte ein ©efehrei entftanben, inbem ein fiinb
nabesu überfahren mürbe; biefed habe fie oeraitlaftt,
gleid)falffi nach ber ©trafte au bliden, unb fo habe
fie ihr ©efidit ihm Augcmenbet. ßd fei Niemanb
anberd, ald Nello gemefen, er habe fie beutlich er=
fannt. ßr mellte ihr fofort nacheilen, allein ald er
bie ©trafte freiten mollte, famen mehrere Jöagen
in ben 2Beg, unb beoor er fid) burchAuminben im
©taube loar, mar Nello oerfebmunben. ßr glaubt,
fie fei in eine ©eitengaffe gegangen, unb ftellte fo=
fort ßrfunbigungen an, tonnte aber Nichtd and*
ftnben.
©ir maren 9 lüe in grofter Aufregung. 9l(d mir
ihn fragten, mie ihr äudfehen gemefen fei, mollte er
erft nichtd fagen, enblidj geftanb er 311, baft fie ihm
fehr elenb unb franf oorgefommen fei. ®ie arme
Nello! ©ad mohl aud ihr gemorben ift? ©ir ent-
fddoffen und, ihrem 93 ater oorläufig nidhtd 311 fagen,
aber genaue Nadiforfchuitgeii aiiAuftellen, unb 3 o=
hanned erbot fi^, feine ganse 3cit 311 biefem 3mec!e
311 oermenben.
22. ©ept. Nello ift enblid) aufgefunben morbeit.
9 frme, unglüdlidje Nello! ©ie ferner hat fie ihre
Unerfahrenheit unb ihren Setcbtfinn büften muffen!
ßoufin 3ohanned hatte oorlefete ©od)e gan3 redht
gefehen. 3 n, Nello mar in Nem Norf. 3 mar maren
alle uitfere Nadjforfchungen erfolglod geblieben,
©eftern ^Morgen iebodi brachte ber Sßoftbote mir
einen ©rief, bei beffen 9 lnblid id) midi eined lauten
©chreied nicht enthalten fonnte. ®ie 9luff(hrift mar
oon Ncllod ©anb. ©ir hatten eben bad äRorgen-
effen oollenbet; ©ater unb ©etnrid) maren nod) ba.
3ohanued mar ben ?lbenb Aiioor abgereift, ©chncll
rift ich beit ©rief auf. ßd mar eine ßinlage au
©errn 3- bariu, ihre menigeit 3cilen an mich fau=
teten:
„Siebe ÜRina! Um ©otted ©armheraigfeit millen
übergieb biefen ©rief felbft in bie ©änbe meined
©aterd. ©ereite ihn oor, ich bin fehr franf unb
elenb. O oerurtheilt mid) nid)t unb oerftoftt ntid)
nicht! S)eineuitglücfliche Nello."
Dlgitizeä by
Gock (e
Purdj JJmmijm }ur gfaljrljeit
87
3 d> eilte fogleich mit bem ©tiefe gu &erut g.
Sr mar bereits in feinet Office. 2Bie et ben ©tief
fahr erbleichte er unb muhte fich «or Shifregung auf
ben Xifch ftüfeen. St miufte mit, mich git fefeen,
bann erbrach et ben ©tief, laS ihn unb reidjte ihn
mit. Sr lautete:
„Sieber ©ater! 3dj mürbe eS nicht gemalt haben,
mich ie miebet birgu nahen, nachbem ich bich fo tief
beleibigt habe. Slber ich bin jehr franf unb fühle,
baß ich nur noch furge 3eit gu leben habe. O, unb
ich fann nüht fterben, eS fei beim, ich batf noch eht=
mal beiu liebeS Slngeßdjt feheit unb beiitc ©er=
gebung erflehen. O, ©ater, fomm git mir! 3 a, ich
weiß, bah btt fommft, unb bah btt beitte unglftduche
Mochtet noch nicht «ergeßen halt, itomm halb, halb,
mit fterben gu helfen. 3ch mohtte S2o. 657 *©trahe,
4. glur. © eilte arme Stellt)."
4 >ert g. war tief erfchüttert, hoch hatte er fich
ebneü gefaßt. Sr gab feinen Untergebenen ruhig
eine ©efehle für ferne Slbmefenheit; bamt fagte er
gu mit: „ 3 ch werbe SRefip fofort heimholen. SBoßeit
©ie, grdulein Sehmann, noch weiter mir unb Stell«
einen ©efallen thun?—©ann bitte, eilen ©ie itad)
meinem ©aufe, taffen ©ie SteßpS 3tmmer herrich=
ten unb jenben ©ie nach ©r. ©., bamit er hier tft,
wenn mit anfommeit."
O mie gerne faate ich gu. &err g. eilte nun fchneU
weg unb ich begab mich nach feiner SBohming. SS
nahm etwa gmei ©titnben. ©er ©oftor mar fchott
angefommen, alS &ert g. «orfu«r. Sr ftieg tafch
auS bet Sittiche unb tru$ bann auf feinen Sinnen
#eü« herein, ©ie hielt thn feft umfdjlungcn, bis
et Re in baS jubereitete ©ett gelegt hatte; iefet erft
fchien Re auS einet ©etäubung aufgumacheu. ©ann
blidte fie mich mit einem traurigen Sddjeln an unb
fagte: „O, mie banfe ich bir, liebe üRüia, bah bu
©ater gefdjidt haft unb felbft gefommen bift. O,
ich bin lehr franf unb fo tnübc!" ©ie oerfiel gleid)
in Schlummer. O, mie abgegehrt unb Sletio fah
fie auS, unb mie brannten bie totben Siede auf
ihren SBangen. ©et ©oftor fchütteltc ben ffopf
unb unterfuchte Re genau unb jagte: „©ieSdjwinb-
fucht im höchften ©tabtum."
&ctr g. Wien unter bet Saft faft gufammen gu
brechen. 3 ch fragte ihn, ob ich ©Jutter rufen foßte?
„ 3 a," fagte et, „grdulein gehmann, rufen ©ie ihre
SSutter, ba$ wirb baS Sefte fein, unb nicht wahr,
©ie «erlaßen unö nicht?" 3 d) «erficherte ihn beffen
unb eilte heim, ©ater mar gleichfalls gu föauje unb
nach furger ©erathung mürbe befebloßeu, bah © 2 ut=
ter mit mit SteßpS ©Rege übernehmen foßte. — O
bie atme, atme 92eßt>!"
• »
*
ffiir haben hier übet bie Umftdnbe ber Sluffinbuitg
5Reß«S unb übet ihr trauriges ©chidfal SinigeS
nachgutrageu.
£>err g. butte, nadjbem er ben ©rief SteßpS
empfangen, fogleich eine itutfebe genommen, unb
mar nach bielem fötn- unb ^erfahren enblid) auf
bem begeichneten ©lafee angefommen. ®aS £auS,
auf welche# bie Kummer lautete, mar ein büftereS,
hohes (Sebdube unb fchien gahlreidje ©emohner gu
haben. St fanb bie föauStbür offen unb ftieg bie
treppen hinan. Sluf bem brüten ©oben angelangt,
trat ihm eine einfach gefleibete aber refolut auS=
febenbe Stau entgegen, bie ihn fragte, maS et in
bem ©aufe fuche? föerr g. erfunbigte fich nach
grdulein 97cUt> g., worauf bie fjrau heftig er=
miberte: „©iefeS &auS ift ein ehrlidjeS £>auS, unb
eS wohnen nur orbentlkhe Öeute in bemfelben. 3BaS
wollen ©ie bei ber iungeu ©atne, bie inbeffen erft
einige Wochen hier ift unb traut liegt, SBcnn id)
gemufet hatte, baß fie&errenbefiiche empfangt, mürbe
id) fie nicht aufgenommen haben!" ©ie grau, iu=
bem fie &errn g. in ben SBeg trat, fchien nid)t
übel 8 uit gu haben, noch eine ißeile in btefer JBeije
fort gu ganfen, allein &err g., inbein er fie unge=
bulbig bei ©eite fdjob, enoibertc: „UmÖotteSmÜleu,
gute grau, halten ©ie mich bod) nicht auf, ich bin
ia ber ©ater ber jungen ©aine."
„®er ©ater?" fragte biegrau erftaunt, „nun
bann ift eS etwas anbereS. ©ann aber munbert eS
mich, mie bie ©ante in bieiem 3 uftanbe bagu
fommt, hier ein Untcrfommen gu fliehen." 3nbeffeu
gab Re föerrn g. ben 2Beg frei unb rief ihm, mäb s
renb er bie oierte kreppe erftieg, bie 2 Beifung gu:
„®ie gmeite Shür liufS."
5luf fein Snflopfen rief eine fchmache Stimme:
„herein!" 3 «t itdchften Jlugenblide Raub er in
einem ärmlich auSgerüfteten 3inimer, unb oor ihm
auf einem bürftigen, boch fauberen Saget fanb fich
eine blaffe SeibenSgeftalt, auf ihren Sangen bie
fchatf abgegrengte oerrdtherifche heftijebe Rtöthe
brennenb, baS teidje blonbe ©aar mar aufgelbft
über bie £i|feit gebreitet, ©ei feinem Sintritte er=
hob fie fich, ftredte bie fdmeemeihen, abgegehrteu
Ärme nach ihm aitS unb rief in Jhrdnen auS=
brechcnb: „O, ©ater, ba bift bu enblid)! O, @ott=
lob, ba§ bu bein thörichteS ftinb, beine arme SHeßt),
nicht oerftohen haft. O, oergieb, oergieb! 2Bie un-
glüdlich bin id) geworben, bah ich bich «erlaßen
habe." ©o fuhr bie fieibenbe nod) eine SBeile fort,
ludhrenb fie liebreich mit ihren gingern burd) bie
grauen $aare ihres ©aterS fuhr, ber erfchüttert an
ihrem ©ette niebergefunleu mar, unb fein ©iäbchen
in feinen Firmen hielt.
„O, 9 ?cßt)!" Rüfterte ber gebeugte ©ater, „mein
armeS $inb, fage mir, mie fommft bu in biefeit
3 uftanb."
©ie Singen S?eß«S nahmen einen fonberbareit
SluSbrud au, bann griß fie gbgernb unter ihr Riffen,
gog ein abgenufcteS ©cutelchen her«or unb entnahm
bemfelben ein gerfnitterteS ©tüd ©apier, unb baS=
Selbe ihrem ©ater reichenb, fagte fie: „®aS bat eS
getbau! O, ©ater, ^laub’ mir, id) wollte mir erft
nur einen ©pah bannt machen, aber mie furchtbar
habe ich bcnfelben buhen ntüßen."
$err g. warf einen ©lid auf ben 3 ettel unb
fuhr mie «on einer ©chlange gebißen auf unb
«ergmeifelnb bie ©dnbe über bem Stopfe gufammen
fchlagenb, rief er auS: „So habe uh bir felbft bie
©ahn beS ©erberbenS geebnet!"
®aS ©tüdeben ©apier mar ein SluSfdmitt auS
feiner eigenen 3eitung unb enthielt folgenbe Sin-
geige:
„Sin junger ehrenhafter SKann, «on gutem
SluSfchen unb reichen Mitteln, münfeht bie ©c=
fanntfehaft einer aebilbeten jungen ©amc 311
machen, ©trengfte ©iSfretion gugefid)ert. Slbreße
SB. £>. ©oftoffice."
Sr fanntc biefe Slngeige wohl, .^err Lehmann
mar gerabe in feine Office gefommen, als er bie-
felbe angenommen hatte. Sr fah fie auf bem
Digitized by v^ooQie
88
Purdj Errungen jur fflaljrljett.
Oifche Ueflciif unb barauf binbeutenb meinte er:
„9lber, lieber 3*., beuten Sie, baß fid) fplche 9ln=
geigen auf bie i'ängc ber 3eit begabten? Oas
bringt ja 3brc 3«itung in Serruf." Er batte
baraut geantwortet: ,,9ld) wa3 flimmern fiel) bie
Öeute baruin, braud)t ja 9iicmanb barauf gu ant¬
worten unb wab bie ©auptfacbe ift, biefe Singeigen
werben gut begablt."
Slengftlicb bliefte bic; Alranfe auf ihren Sater
unb in Xbräiten auobredjenb bat fte in ben ruh
rfnbftcn 9luäbrücfen um Vergebung, bi£ ein hef-
tiger ©uftcnanfall fie beinahe gu erftiefen brohte.
Oer Slnblicf ihrer Öcibcn brad)te ©errn 3- wicber
gu fid) unb fich aufraffenb tagte er: „Sei ruhig,
liebet Atinb, ich will bid) foglcid) nad) ©aufe neh¬
men, bort fannft bu mir bann ergdhlcn, wie Slllco
gefommen ift."
Oann öffnete er bie Obüre, um 3emanbcn hcr=
bei gu rufen, Er fah bie grau, bte ihn empfan
gen hatte, unten an Der Xreppe ftchen unb erfuchtc
lie, herein gu foinmen. Sie war bie '-Kerntietberin
ber Bintmer. (Sr bezahlte ihr bie’aufgclaufenc
SOJietbe, lieg fich für 9?cUn einige Stärfungbmittel
reichen, bann würbe fie gut in warme Ofuher ge
widelt unb in bie Atutfche getragen, Salb war
fie wieber in ihrem Hinunter, unb bie forgfdltigc
pflege 3)?ina^ unb ihrer Butter weeften nod) ein¬
mal in (Stroaä ihre Vebenbfräfte.
E3 folgten nun Oagc hci&cn Ala tupfet, ba bie
Alraft unb Hoffnung ber ^ugenb oetgwciflungäoolJ
mit ber tüaifchen Alranfbeit unb Dem lobe rang.
„Sich wie jchredlich, nod) fo jung unb fd)on fterben.
9ld) ich möd)te nod) fo gerne langer leben. s J0lufj
id) bentt wirtlid) fterben ?" jo flagte fie oft in
hergbred)citber SBeife unb e 8 oeburfte ber gangen
Stanbhaftigfeit eineä gottlicbenbcn Öemütheb,
bie Atranfe gu beruhigen unb fie auf ihr Eitbc,
ba3 langfam aber unabwenbbar heran rüdte,
porgubereiten. $n ihren Unterrebungen mit ihrem
Sater tarn auch nach unb nad) baä Oidthfel ihree
gebeimnifwollcn Serfd)winben3 an’3 Xage3lid)t.
(§3 war eine traurige, aber nur gu oft fid) wie*
berholeitbe ©ejehiebte. Sie war ein’ä ber Dielen
Opfer, bie alljährlkh beut Ungeheuer be§ geheimen
Serbred)en£ gur Seute fallen, ba3 feine gahlrcidjen
gangarmc ftetö in ber 3ßcltftabt a liege ft reeft halt.
Etwa 3 90Jonate oor ihrem Serfdjwinben hatte
Slellp eiltet üDiorgen# g(eid)gültig einen Slid auf
bie auf bein Sifcbe liegeitbe 3 citung ihree SaterS
geworfen unb ihr Slicf blieb auf ber Oben be=
geichneten Sin geige haften, ßangcweilc unb ein
Slnfall toller ^aune reiften in ber Seele be$ 'JMab
d)en$ einen Slan, fich felbft eine romantifebe Se=
fd)äftigung gu Derfchaffen. „Oa3 wäre ein Spaß,
biefe Slngetge gu beantworten unb ben Sd)reiber
ein wenig gum Seiten gu halten." Sdntell fdmitt
fie bie Slngeiae herauf unb Derbarg fie in ihrer
Sörje, bann tdmeb fie ein buftigeS Sriefcbcn unb
wart eä in ben Srieffaften einer entfernten Straße.
3 hr ©erg pod)tc ein wenig; aber wie luftig würbe
e£ fein, unter einigen gebeimnißDollen jlnitialien
einen Meinen Sriefwechfel gu haben. Oie Ant¬
wort ließ nicht lange auf fich warten. E3 war
eine fchöne ©anbfdirift unb bie iBorte waren fo
gut gefeßt. Sid)erlid), ber Schreiber muffte ein
gebilbeterSKann fein! 2 ßere$ wohl fein mochte?
Sie fchrieb alfo wieber unb trofe be3 Allopfeits
ibreäftergen* immer wieber. Stach jebem Sriefe
nahm fie fid) oor, baß es gewi§ ber lefete fein folite.
91 ber bie Antworten waren fteto fo intereffant,
Doller ©eift unb tfebenäluft, baß fie nid)t abbrechen
tonnte. Eitblich Dermochtc fie ed nicht langer
über’3 ©erg gu bringen, fie mußte feinen bringen*
ben Sitten nadjgeben unb ihm eine stammen*
funft gewahren.
Söelcb ein hübfd>er, intereffanter 3 )tann unb
geiftoollcr ©efeüjcbafter er war! 2 Bic fchön er gu
veben oerftanb, unb wie 3 utraucn erwedenb fein
gangem Senehmcn war. Süherlich tonnte e$
uid)t$ Unrcd)teb fein, je unb je mit ihm gufammen
gu treffen, unb wie begaubernb war c^, hie unb ba
mit ihm ein Vergnügen aufgufuchen. 9 . 3 ie liebte
fie biefen ®}ann unb wie fehr war er ihr guge=
than. ^a fie tonnte nidd anberd al^ ihm oer=
fpredien, bie Seine werben gu wollen. Unb fie
bat ihn, gu ihrem Sater gu fommen, ficherlich
uu M irbe er feine (Sinwillignng nid)t Derwcigern.
9lbcr er meinte, ba£ hatte ja nod) 3 cit, feine
Stellung fei nod) nid)t gefiebert genug, fein Äilemob
heim gu führen, unb Dielleid)t tonnte beßhalb ihr
Serfchr unterbrod)en werben. 93ohl regte fich
92eUt)^ Ötewiffen. 91 ber er wußte ihre Sebenf=
lid)fciten fteto in fo berebter iöeife gu entfrdftcn
unb ba$ bkheimniß war ein fo jüßeö, bafe fte ben
3auber nicht gu brechen int Staube war.
(Snblid) fd)lug er oor, bafe fie im Stillen fid)
initeinanber trauen laffen wollten, (vr fdnoor,
baß er nid)t mehr ohne fie leben tonnte, unb geigte
ihr Aiiglcid), baß ihr Satcr ihre Serhcirathung
jefetbod) nicht gugeben würbe unb bah fie, wenn
fie gu ihm tarnen, am (Snbe für immer getrennt
würben. 2Bcnn fie erft oerheirathet feien unb er
fehc, wie glüeflid) fie fei, fo wäre feine Sergeihung
leid)t gu erlangen. Sie war gu wenig weiter^
fahren, um bie ihr gelegte Salle SU feben; bagu
hatte fie ihren 'Kater unb ihre greunbe beftänbig
gctäufcht unb fie fühlte feine Alraft, fich ben 3au=
berbanben, bie fie umfdjlangen, jept nod> gu
entgiehen, ihr arglofeö 63emüth war burd) füße
Sd)tneid)elworte leid)t bethört, ihr ©erg flopfte
gwar, aber bod) gab fie ihre Einwilligung, fid) an
jenem DerhängnißDollcn 9lbcnb trauen gu laffen
unb bann fofort bie ©ochgeitereife angutreten,
nad) weld)cr er fid) gang gewiß mit ihr ihrem
Sater Dorftellen wolle.
Oie Orauung fanb in bem ©aufc eineä foge=
nannten greunbe^ ftatt. Oie ©od)geit£reife führte
burd) alle bebcutenbe Stabte bib weit in ben fer=
nen JBeften. greiüd) war fie ein wenig lang=
weilig. E3 war gugleich eine Wefchäft^reijc. 3br
@atte mußte ben Oag über feinen Öejchäften
nachgehen unb fie war oft einjam. 9)?anchnial
tarn er and) Derftimmt gurücf; einige 9Male fd)ien
er nicht gang nüd)tern gu fein. Ood) wibmete er
ihr alle 9lufmcrffamfeit unb führte fie Don einem
Vergnügen gum anbern. So gelang ee^, bie
Stimme be^ Öewiffenö in ihrem ©ergen gu über^
tauben.
Enblich lehrte fie nad) 9?ew JJorf gurücf, aber
anftatt nun einen eigenen ©ausftanb gu beginnen,
mietbete man fid) m einem Soarbinghaufc ein.
„3hr Sater würbe ihr geiuiß einen eigenen ©au^=
ftanb einrichten," meinte 9lellp eine^ 9lbenbS.
„Oa^ glaube ich fauni," gab er fühl gur Slntwort;
Digitized by v^ooQie
Purdj JJrnmgen ;ur IBöljrljeit.
89
pudern fön ne »t »wir noch nicht daran deuten, ttnS
ihm üorjuftcücn. SÄeine ©efcbäfte flinken in bcr
lebten 3cit 511 fchlecht, alS baß ich großen Slufiuand
machen fonnte, uitb bu luirft nicht wott mir werlan=
(tcn f baf* icf) mich ihm in Verbältniffen präfentirc,
wo bcr Slnfpvuch auf Uuterftübung, ihm baS Stcd)t
gebe, mit Vovnntrfe au machen. CDu mußt dich ge=
dulden, bis meine Vcvbältniffc fiel) gebelfert baben,
waS hoffentlich nicht mehr lange bauern wirb."
So muhte lief) Stellt) aufvieden geben. Slber 0 ,
»wie jehvte baS ©eiunweh an ihrem ©craett. llub io
SNanchcS tarn oor, »waS ihre 8age peinlich machte.
‘Sic 8eute im aioarbinghauS jafym fie oft fo miß=
trauijeh au unb fliifterteu geheitnnißwoll unter=
einander. Und ihr (Satte jeigte fid) oft io falt unb
gleichgültig.
Unb endlich faut ein lag, — 0 , ein Sag beS
SrtjrecfenS, ber fie auS allen ©intmelu eiltet er=
träumten ©(liefet in baS tieffte Slcnd, in Schaube
unb Verachtung ftieß. 3Bir übergehen bie näheren
Umftänbe, »welche au ber fchredlicheit ßataftvophe
führten. Sie erhielt citteS SageS bie uiiinnftoß=
liehen 23e»weiie, bah ihr angeblidjer ®atte bereite
»erheirathet mar, unb a(S fie ihn aufs hochfte ent=
Tüitet jur Siede itellte, leugnete er nicht allein nicht,
foitdern fchmetterte fie and) mit ber SRittheilung
nieder, bah ihre wcrmeintlicbe Stauung nichts an=
bereS alS eine mit feinen freunden unternommene
Srarce »war. 3hre bittern Klagen nahm er bloS
mit rauhem ©dächtet auf unb amüfirte fich hcrjlo^
über den Späh, ben eS ihm bereitet, während
freund ®. io trefflich ben Pfarrer fpieltc und fie
tu der andcicötigfteii ©emütbSwcrfaffung SllleS alS
haare SRiinae angenommen habe. Slber Slellt)
fonnte den ungeheuren Vetvug, ber an ibrwerübt
morden war, nicht fajfeu; aitternb, bebenb an allen
(Sliedern trat fie 00 t ben heralofen SReufcben, unb
indem die Shränen ihr ©efid)t uhevitromten, rief
fie mit erftiefter Stimme: „O iprich, ftreb!" bu
treihit nur graufamen Scher* mit mir, iprich cS
auS, alle diele S)ittge ftnb itidjt wahr, fo graufam
fonnteft bu nicht an mir fein, ein folcßeS Verbte=
chcn fonnteft bu nicht an mir begehen, 0 iag’ hoch,
eS ift nicht wahr." Slber er autfte gieihgültig bie
Siebteln, dann fagte er: „Siitmal muhte ft bu hoch
bie Sßabrbeit erfahren, io fannft du iic eben io gut
iefet wifien. ®u haft fein gcfcfelid)eS $ed)t an mir,
boch deshalb werbe ich bid) uid)t oon mir »weifen, bu
fannft bei mir bletbeu, fo lange eS bir beliebt; ben
betrug, wie bu jpridrit, wirb Siiemaud naebroeifen
fönnen." Unb alS S2elfo mit einer ©eberbe beS
SlbfdjeiieS [ich oon ihm wanbte, fuhr er inbignirt
fort: „Sine junge S)ame, bie auf Anfragen in ber
Bettung anhwortet unb heimlich baS .^>ait3 ihreS
Vaters wcrläßt, mit einem fremden SKaitne au fol¬
gen, hat, benfe ich, genug hewiefen, bah fie auf daS
©erebe ber ßeittc nichts gibt unb folfte nicht auf
einmal bie Sugenbbelbiit fpieleit »wollen."
®iefe graufautc Siebe brach wolleitbS ihr ©et*.
3Xit lautem Stuffchrei ftürate fte auS beut Biinmer
hinaus, unb ohne rcd»t au »wifien, »waS fie that,
paefte fie baS wenige ©cid, baS fie heiah unb ihr
©efrfnncibe atifamiiten unb ftürate auS dem ©aufe.
3 hrem erften 3mpu(fc folgend, beftieg fie eine ßar,
um na<f> bem ©aufe ihres VaterS au fahren. SS
war ein langer 2Beg unb »wie betäubt fah fie in
bem SBagciif faum eines ©ebanfenS fähig. @itb=
lieh war fte ait ber ©trahe angelangt, eS »war be=
reitS fpät, im 3immer ibreS VaterS brannte noch
8 id»t. Sie legte bie ©attb an bie ©lode, ba bttvch=
auefte eS fie wie ein elcftrifchcr Sdjlag unb fie fuhr
Sttrüd. JBer »war fie beim ? ®uvfte fie beim noch
baS $attS ihreS VaterS ihre föetmath nennen?
.’&atte fie ihn nid)t fchnobe wevlaffen? .^atte fie
nid»t ©chmach uitb Sthanbc auf fein ©aupt ge=
häuft? ©ehorte fte nid»t au beit Vcmwvfetteu unb
Vevftohenen ? ^Durfte fie beimfebren ?
Sleitt, 0 »tein! VSie ber Sitgel mit bem ffam=
tnenbeit ©chiwerte wer bcr Vfwvte beS VnvabicfcS,
fo lagerte fid) ihre Süitbc wor bie Shftre ihreS wä=
terltd)ett ©aufcS unb feheudite fie himweg. Ver=
niebtet, froftelnb, tuiatthiprechlid) elettb üblich fte
»wieder fort, ©djrecflidje ©ebanfen peinigten ihr
©era, aber ein guter Sngel beiwahrtc fie wor bem
SteuBerftcn. 3n einem 33oarbittghaufe fand fte
für bie Slacht Zuflucht, ©eit folgenbett Sag wer=
faufte fie ihr ©efebmeibe, bawott fonnte fie einige
Beit leben. Sinn fah fie fid) nach SKrbcit um unb
fand folche.
@ie tuiethete ftd) ein Bintmer ttttb arbeitete für
einige girmaS, bie ihre ©efd)icflicl)fett itt feinen
Arbeiten bald erfaitnt hatten. 5lber eS »war ein
havteS S3vob. Kummer, Sletie, ©cinnweh aerriffen
ihr ©era, die ungewohnte, anftrengenbe Arbeit that
baS Uebrigd. Stliche s Dlonatc fcbleppte fie fitb fo
dahin, bann fanf fie auf’S ftranfettlager. Sfrcunb-
IwS unb rathloS »war fie ber $cra»weifltmg nahe,
endlich entfchlwh fie fid), ihren Vater au rufen.
„O »wäreft bu. jette Stacht gefoiittnen, mein 8ifh=
ling," fagte ber Vater. „S)u hift nicht allein
Schuld an beinern Unglücfe. kleine ©orgtofigfeit
und ©leichgültigfeit tragen mit die Schuld. 3d»
habe ber Süttbe hülfreid)e ©attb geliehen unb fte
hat fich furchtbar an tttir gerächt."
„Ö Vater, »warum muftte ich fo thßricht fein, wor
bem liebften unb befteit Vater ein ©ebeimni§ au
haben ? Sich wevgieh, 0 fage mir eS noch einmal,
baß btt mir SlUeS uevgebeti haft."
• •
SS folgten noch »weiter heiße Sage unb SBochen,
»wo ein jugendlicher, »weint and) durch fdviweve Seiden
gebeugter ©eift mit bem bittevften Verhäitgttiffe,
dem Sode rang.
„SOluß eS denn fein, baß ich fterben muß ttttb bin
doch nod) fo jung, ad) fo jung?" fragte fie oft
SOliita, »wenn fte an ihrer Seite faß. Und bann
fonnte fie »wieder ihren Vater bitten: „Sich lieber
Vater, laß mid) bod) nidjt fterben, 0 »wie fürchte id»
mich wor betn Sode. O Sob! 0 ©rab! »wie falt!
»wie fdjattrig! Sich Vater, geh’ doch nid)t wott mir
»weg, nimm mid) in deine Sinne!" unb wcra»weifelnb
flammerte fte fich au ihn an.
ÜBer fattit biefen 3ammcr bcfchveiben! ®wd)
leife, leife awg aud) itt bicfeS weva»weifclte ©era fuße
©offnung ein. SWiita eraählte ihr poit der©evv-
(ichfcit beS ©imntelS — fie aeigte ihr, »wie Swb unb
©rab nur baS fileid ber Stevblicbfeit treffen, »wie
aber bie Seele beftimtnt ift, in e»wtgcr ©enchltch'
feit fortaulcben. Siuhig uitb ftille, wie einem
SWärÄcit, laufd)te fie erft ber fftßeu ©immelSbot'
fchaft. S)attn eraählte SOJitta wott bem guten
©irten, ber auSgegangen ift, baS werloreite Sd)äf=
lein au fuchett, unb ber eS, »wenn er eS gefunden,
Digitized by v^ooQie
90
Per Äroßooter unb fein (SnheL
mit Stuben auf feine Sirme nimmt unb jurfuf 311
feinet föeerbe trägt. 2Bie leuchteten ba bie fitfeen
tö'inberaugen auf, wie begierig fog bie Seele bie
füfee SMilcfe beS gnabenreidjen (SoangelitunS ein.
Bmar folgte noch ntanc()c bittere Stuitbe fd>u>c=
ren ÄainpfeS. Salb, bafe bie alte 3ugeitbfraft
mit bcm Sobe [tritt, balb bafe bie büftere Ser--
gangenheit uttbeiloerfüitbeub oor bie Seele trat.
Slber SKina batte bie ßrlaubnife erhalten, ihren
Srebiger 31t &ülfe rufen 311 bürten, (SS mar ein
achter Unecht beS $errn, voller Siebe 5» beu itn=
ftcrblidjen Seelen. O mie herrlid) mitfete er baS
licbenbe, für nufere Sünben gcftorbeite @otteS=
lamm 31t febilbern unb auch peiitrid) lernte an
bem Sterbebette feinet 3 ugenbfrcuitbin ben Söertb
ber foftlidjen Serie noch hübet fchäfeeit. Unb bie
©ebete ber ftreunbe fliegen nid)t umfoitft 311m
Dhroite ber ©nabe; ftiller Jriebe unb heilige (Sr=
gebuttg in ©otteS SBillen tebrten mehr unb mehr
and) in bicjeS &er3 ein.
Unb näher unb näher rfnfte bie Stunbe ber
StuRofung unb ftiller unb ftiller mürbe baS arme
mübegebebte £>er3* SllS fie am lebten Sage eine
3eitläng anfcheiitenb ruhig fdjlummentb bagcle-
gen hatte, richtete fie plofclid) einen ftrahlenben
Slidauf ihren Sater. Dann Rüfterte fie: „Sieber
Sater, ich glaube, ©ott meint eS gyt mit mir,
bafe er mich oon biejer SBclt abruft. 28 er meife,
maS no(h auS mir gemorben märe. 3d) bin |o
fchmaefe unb fo thoridjt." 3hr Sater moüte fie
beruhigen, aber leifeabmehrenb fuhr fie fort: „Sa§
mich nur, lieber Sater, baS Sprechen fann mir
StticfetS mehr fdjabett. Der gute &irte hat mich
gcfuitben unb jebt bringt er mich heim. 3a, ich
mochte heim, nur heim!" — „Unb Sater f balb
fonunft bu aud) bu, — unb bann ftnb mir Sille
mieber beifainen; Sftutter, Slntolb unb Snbia unb
Sille, bie uitS oorangegaitgen ftnb. Sei getroft,
Sater, baS Sterben ift mir ni(ht mehr bitter; ich
gehe heim!"
©egen SWitternadR fam bie StuRofung. Die
Sfreunbe hatten [ich Stile in bem Sterbe 3 immer
inten gefunben. Sdnuer röchelte bie Ster=
; hoch hellen SlugeS unb lächelnben Singe-
fidjtS oernahm fie bie Sröftungen beS Soange=
liurnS. SllS bie SBorte erf langen: „Unb ob id)
fchon manberte im finftern Shcilc, fo fürd)te ich
fein Unglüd." Da lispelte fie mit ihrem lebten
erlofchenben Obern: „(SS ift nicht mehr finfter, —
eS ift helle, helle — 0 mie fchon! — 3ft baS Ster=
ben? — O ich fomrne — ia, ich fomme!" — noch
ein Seitfjer, ein feligeS Säbeln unb — eS mar
oorüber. — — — — — — — — —
ffiirb bie elenbe ffain 3 =Seele, bie mit tcuRifdter
Sift biefe holbe SMäbdjenblumc tn’S Serberben
locfte unb fich bann hohnladjeub oon ihr hinmeg-
manbte, and) eine folche Heimfahrt halten ? ®e=
mife, eS giebt eine ©erechtigfeit. ©otteS SRühlen
mahlen langfam, aber fie mahlen trefflid) fleht.
SSeldje Silber merben fich an bem Sterbebette
eine 3 folgen SerbcrberS 3eigen, menn baS Slitt
ber gemorbeten Unfchulb um Slachc fd)reit unb bie
bitrd) feine Sdnilb Serlornen mit taufenbfachem
SBehe bie abfdjeibenbe Seele oerfolgen!
Per d&roßtiater nnh fein ßjiliel.
äWärdjen mit einer 8e|re non 3 . 9t.
S mar einmal ein alter 9Wann, ber
mußte feinen fleiuen (Snfei märten,
meil Sater unb SMuttcr bcm töinbe
geftorben maren. Der Ai leine ntadtte
feinem ©rofeoater oiel Siotl), beim
er mar ein unruhiges fiiitb. 2BaS
aber bem alten SNaitn am läftigften
fiel, mar baS unaufhörliche ©eplauber beS Sl ita=
ben, ber nid>t mübe mürbe 311 fragen unb ben
©rofeoater tiidd einmal fein äNittagSfcbläfdjen
madjen liefe, ohne ihn 31 t ftoren. iS :tneS SageS,
alS ber kleine mie immer plauberte, ber ©rofeoater
aber nidit 311 m Sdjmafeen aufgelegt mar, oerlor
ber alte 3)?ann bie ©ebulb unb rief sornig: „So
mollt’ ich bod), bafe bir bie Bunge erlahmte!" Da
mürbe baS Ätiitb ftiU, tan 3 te nicht mehr um ben
©rofeoater mie fonft herum unb plauberte nid)t
mehr mit ihm. DaS mürbe bem alten äWanne
unheimlich, unb er bat baS Äinb: „So rebe bod)!"
SUS baS ßinb aber fort unb fort fchmteg, fchlug eS
ber alte S3iann, ber behauptete, eS fd)unege auS
3:rofe. Slber and) bie Schläge maren oergeb=
lieh; ber muntre, plauberluftige £itabe hntte bie
Spradie oerloren. —
DaS nahm fich ber alte SKann tief 311 ©ersen
unb tonnte feinen (Sittel faunt ttod) ohne Xhräitcn
attfeben. 61 * fafe oft traurig, in ©ebanfen oer=
tieft auf ber fleinen Sauf oor bem £aufe unter
bcm Slpfclbaum. (SiiteS iageS fefete fid) ein frciu=
ber ernfter S?aitn oon ftillem, feierlidtent SKefen
au bem ©reiS unb fragte ihn nad) ber Urfadte
feines fiummerS. SllS ber Srembe oeritomuten
hatte, maS ben alten SMaitn fo traurig madje,
blidte er ihm fo tief in bie tbräneitfeud)tenSlugen,
alS mollte er ihm bis iit’S ©er 3 fehen, unb fagte:
,,©S giebt ein S)iittel, burd) meld)eS bein ßntcl bie
Sprache mieber gemimten fann. Du haft oon
heut ab ttod) smei 3 ahre 311 leben. SNit einem
oon biefeit 3 mei 3uhreit faitnft bu beu Sann
lofen. Slber bebenfe bich mohl: fomic bu eS bc=
reuft, bafe bu ein 3«hr beiiteS ScbenS haft opfern
molleit, bleibt beiit (Snfel für immer ftitntm."
Da freute fid) ber ©rofeoater unb faßte, er molle
gern gleid) fterben, menn er bautit feinem lieben
Sittel, ber ihn immer fo traurig unb bod) fo lieb-
reich aitblide, bie Spradte erfaufen föttne.
So mürben bie Scibcn mit ein 3abr hanbclS=
cinS unb ber Srcutbe fagte beim Sdtcibcn: „Damit
bu meifet, mer id) bin, fo miffe, ich bin ber $ob;
halte bein SBort; heute über ein 3 ahr foittme id)
mieber unb fefee ntid) 311 bir, aber ohne bafe bu ittid)
fiehft."
Sou ber Beit an meinte ber alte 2Rattn itidtt
mehr, freute fid) auf feinen lebten Sag unb hatte
nur bett einen Söuttjcb, bie Stimme feines (SnfelS
noch einmal 31 t hören. SllS ber lefete $ag feineS
Gebens gefoutineu mar, martctc er aut berSattf oor
beut föauje auf ben grembeu. „Soll id) ihn and)
nidtt fehen," badjte er, „ich u^erbe eS fcfeoit mevfeit,
menu er Reh 3U mir fefet."
(SS toar ein foitniger grühlingStag, bie Sluutcu
Digitized by
Google
$ed)t muß $ed)t bleiben.
91
im ®artcn am ©aufc blühten buftenb, unb in bet
blauen Suft fanacn Serchcu. Slbor fo fdjon eS and)
auf bet Grbc war, ber alte 'sÜiaitu bereute fein Opfer
nicht unb blicfte lädtelnb auf feinen ISnfcl# ber Per
ihm auf bem ßrünen 9tafcit faß. 9S löblich aiua eS
ihm u>ie ein faltet ©and) über baS ©efidtt, cnouvbe
tobten bleich unb preßte bie ©anb aufs ©evz. Sa
rief fein Gttfel voll Uebenber Miißft, inbem er beut
alten Mann ^ärtfid) bie©anßcn ftvcicbelte unb ibn
am ftopf faßte unb rührte: „©roßvatcr! lieber
©roßvater!" unb ber ©roßvatcr blicfte baS fpvedteube
fiinb noch einmal freuitblid) lacbclnb an, unb bann
iteißtc er fein iveißeS ©aupt — unb war tobt. 9113
auf baS laute ©einen mtb Stufen bcS ßnaben bie
Macbbcmt berbeitamen, faßten fic: „Oer ift fcliß
aeftorben; febt nur, wie freuitblid) fein ©efießt ift,
baS jonft immer fo voll Trauer mar."
■ # ■ —
üedjt muH bod| üedjt bleiben.
II. |>et fleimfidl«
©ne <\rfit>id}llid)C (£r)äi)liin<i au« bem ^fiUltcr btt
brcifjißjäljritten Mrifßca.
Stad? beutfeßen Quellen bearbeitet von
fßaul (Innen.
© e d) S1 c 3 St a p i t e I.
Pelfdje ®Udu.
a m Sfußuft fatn in Golmav bet franaoRfche
it*vioß6iuintfier MavquiS von SouvoiS an# be-
aleitet von vielen hoben Offizieren unb SU
plomateu. Gr überfdulttete ßerabezit bie
Straßburger mit Sveuubfchaft3bctvcifen unb tbcilte
ihnen mit, baß 8ubmiß XIV., vev @ered)tefte unter
bett ©ererbten, ihn nach bem Glfafi eutfenbet habe,
um beit lieben Gintvohnevn ber alten 9tcicb3ftabt
fein Bebauern mcßcn iencS uitanaeiiehmen Vorfalls
int 5jvanzi3fanerf(oftcv auSzubrüifen, unb ihnen bie
SBeriidKrunrt* au neben, baß bic 9?erfd)tvbvunn ßanz
neneit feinen Billett neplaitt tvovbeit fei. Seiber
riefen bie falschen Gntfcbulbißunacn auch tuirflich
beit ßcmiutfd)teu Giitbrucf bei ber Mehrzahl im Mathe
hervor; man tvar entzfieft über baS freunbfchaftliche
Gntneneufommen $vanfveid)3, itub alle ©arnuiißen
Micßavb von ©ohcnhcßS, meldet biefe Schmeidtclcicn
nur alluibeuttich buvd)fd)aute, tvareit in ben ©inb
nefprod)cn. Oer Sorfdjlaß, an SotivoiS eine Se=
putation abzufchicten, tvavb cinftimmin annenom=
men, tutb bic beibett nutnefinnten Patrioten muhten
eS iid) fonar ncfallen laffcn, bic nach Golittar zu enU
feitbenbe Deputation zu benlcitcn. 9lnfaitß3 lehnte
Micharb freilich entfchiebcn ab, als aber ein Sd)reU
ben beß fraitzöfifdKn Ävien3mtnifter3 eintraf, baS
beit ©imfch enthielt, beit Ferrit Midiarb von ßoheu-
ftca perfbnlieh fcnucn zu lernen, muhte iinfer Svciinb
bie auf ihn Befallene ©ahl annchmen.
„Mnu tvobl, ich flehe nach Golmav," äußerte er
baheim au SüibreaS, „allein ber luanevifche ftranzofe
hü von mir bie volle ©ahrheit zu hören befommen!"
®iefer aber rief feiuent Srcunbetvamenb zu: „Gincnt
Miniftcr, tvie MarquiS von 8ottvoi$, bie ©ahrheit
zu fanen, ift ein ©aflftürf, ba3 leicht Freiheit unb
Sebctt foftcit fann!" „Mach* mir nicht baS ©evz mit
unniifccn Af laßen fdjtvev, foubevit laß inid) hanbcln
alS einen ehrlichen, beutfehen Mann!" evtviberte
jener mtb ättbvcaö bviufte bafür beut hclbcnutiithißen
Sreunbe Berührt bie ©anb.
9lm nächften 2aße fuhr bie Deputation nad) GvU
ntar ab tutb im MathhauSfaale zu Golmav ciupfiitß
ber admachtiflc SouvoiS bie Stvc.ßburßer MathS-
herren unb nahm mit hulbvollem Sächcln ihre
untermürfißen SicßrüßuuSmovtc entßeßcn. Gr banftc
im Manien feines Miouavdiett unb nab bev Depu¬
tation bie 5>ciTtcbcvuna, baß ttod) nie ein Sicn ifl auf
3*vanfrcid)3 Sbroue ncfcffcit habe, bev e3 fo aut unb
aufviebtia mit Stvaftbuva meinte, al3 Subvia XIV.
Sie Häupter bev Mathobcvvcn neißteu fich banf=
bar unb ehrfurchtsvoll, nur Midjavb von ^ohenhea
unb bev SvnbifuS ffvanp blieben bed) aufacridjtct
fteheit unb ber 93lid be3 erftcveit tvar fo herauf
fovbcvitb auf beit franzbfifd>en Miiniftev Berichtet, baß
biefer ihn untvillfuvlicb fvaßte, ob er einen Zweifel
in feine ©orte fefee.
„9lllcvbinB3," entBCBttetc Midtarb, „benu ein fvan=
zöfifchcv ©cvvfchcv tvivb tutb fann nie eine Statt
aufrichtiB lieben, bie von ©vuub au3 betitfd) ift."
Unter beut ©efolße bcS MiavquiS cutftanb ein ®e=
ttumncl be3 Mißfallens, unb alS jetzt ber fühlte
©pvcdicr fein $aupt nach tiefer MidjtiniB tvenbete,
cvbiicfte crbcnÖrafcn .(tonrab, beffen Biftiflcr
IMid ihn Bcvabezu vevfdjliitBcn tvollle. Allein
Midtavb evivibevte ihn nur mit einem vaädjtlidjcn
Sädtcln.
„3d> ßlaubc nicht," beBanit iefet SouvoiS von
Meucnt, „baß alle ©tvaßbuvBcv Guere 9litfidd thei=
len; id) bin vielmehr von ihrer ftluahcit ilbcrzciißt,
bie ihnen faßt, baß fic iin ^nteveffe ihrer Stabt
hanteln, ivenn fic fid) unter bie fdulbcnbe Madn
JyranhcidiS [teilen. Ober ßlaubt 3hv auch ttidn
einmal an iinfevc Stävfc unb ©ctvalt?" fußte bev
Miniftcr mit nur fchlcdit verhehltem Uinvillctt hiit=
Zit. ,,^d) bin fein 2her, ßcvv MaiquiS," anhvvY-
tete bev utterfchvorfene Midmrb, „unb tveiß nur zu
ßut, baß Rrattfvcid) zur Beit bie halbe ©clt bc=
hcrrfd)t. Sa Subtviß XIV. vie§ 9(llcS zu Staube
BcbvadU, fo hat er allcvbiitßS ben ^cinatncit N bcr
©rofic' vevbient; ich tncinevfeitS ivunfdje, baß ivir
Gliäffer ben Sltanz feines MuhincS noch utehicit fen-
nett, inbem er uttS ©eleßcnheit aiebt, ihn and) v bnt
©erechten' nennen zu bürfen. Straßbura chvt8ub=
u'iß XIV. alS feinen ftavfcu unb mächtißcn Madi=
bar, aber baS ift auch 9llleS, tvaS biefe freie 9Jcid)S=
ftabt bem frait.zofifdjcit flönißc cntBCßcn briiißen
fattit, betttt StvaßLuvß ift bcutfd) unb tvill bcutid)
bleiben." Midrnvb fdnvicß unb eine unheimliche
Stille folßte feinen ©orten.
Sie ^licfe von SouvoiS ©efotße tvareit auf beit
MarquiS Berichtet. Gr fnivfehte mit bcu Bahnen
unb ieber ber 9ltnvcfcnbeit tvar barauf Befaßt, baß
er feinem ©vintutc 8uft machen tvevbc, allein 8ou=
voiS tvar ein vollenbctev Meiftev in ber Änuft bev
iunftelliiuß. ©eniße Mitßenbltcfe ßenußtcu unb
fein Bvrn tvar nicbevßebantpft, ein Sädteln um=
fpiclte feine Sippen, tutb tvährcub fein ©aupt fich
ßeqen Midtarb von ©ohenheß neißte, faßte er in bc-
beututtßSvollein Sone:
,,^d) erfud)e bic ©eneit Sfbßefanbten ihrer Stabt
Digitized by v^ooQie
92
Jsedjt muß JJedjt blfiben.
liniere freunblidrften ©rüfje 311 überbriiißeit unb ben 1
^utcn (Sinmohncrn melbeu, ba& ©trajjburßb i
©chicffal ©v. SMajeftät 8ubmiß XIV. an bab ©erj
ßemad)fen lit. 3 Bir merben bie 9 >erlc beb (Slfaffe* |
ßemifi lüibt aub bem Sluae oerliereit."
Stuf einen 9 GB in f bcbmußiiib traten nun mehrere
(Sbelfnaben vor, melcbe fammtene Aliffen tnißeit, auf
beuen ßolbene (Sferenfcttcn lauen. i
„@e. SWajcftät haben mich beauftragte begann
Souooib abermals, „bie Herren Slbgefaubtcn burd)
Terleihuiiß biefcb Sdmmcfeb 31t ehren, unb crfudie |
id) bie ßefcfeäfete Deputation, naher 311 treten, bautit |
id) fie eißcnbänbiß mit biejeu Metten jehmüefen ,
fauu." Slicharb oon ©ohenheß mar ber (Simißc, j
ber ohne fid> 311 rühren auf feinem 9Slafee oerblieb,
•unb leije oor fidi hinmiirmeltc: „3ch oerjoüre feine
8uft 311 fraiuöfifdjeit (Shreti3cid)cit." Sluf beut Slntlife
beb üMarquib erjehien eine neue 3m*ncbrothc unb er
äufjerte mit bebeuber Stimme: „ 9 hm, ©crrStathb-
herr ©ohenheß, ivotlen ©ic nicht and) naher treten
unb bie Mette in (Smpfaiiß nehmen ?"
„3dj oerjicbte barauf," lautete bie ruhige Slntmort
Slicharbb, toährenb bab franjofikhe ©efolgc burd)
SMurrcii feinem ßeheimeti Slerger 8uft mad)te, „beim
eine Mette bleibt bod) immer eine Mette, maß fie nun ;
aub ©olb ober (frifen ßcfdmtiebct fein, ©önnen ©ie i
mir alfo meine Freiheit, ©err SJlarquib." |
„.©in," entßCßiiete 8ouooib mit einem foöttifdjcn I
Cachein, toobei er fein ßcrötheteb Slntlife bem ©raten j
Alonrab gmoanbte, beffeti Singen eißenthüinlid) !
3minferteii. „Ohne jebmebeb ©nabcmeichen hart id)
inbeffen einen folcheit (Shrciunann, mie 3hr feib, |
nicht entlaffen, tuül ich mir nicht bie Uitßiiabe meu 1
neb fönißlichen ©errn jiniehcu. ©eftattet mir ba- j
her sunt menißften, (Such einen (Shrentrunf 51t bie= j
teil, ber Deutfche trinft ia ßertie ben feurißen |
SBebenfaft §vanfreichb." 1
Diele Slufforberima fotinte 9 ?id)arb fdion bebS(n= I
ftaitbeb halber nicht gurücfiocifen, er oerneißte fid) I
unb 8ouooib minfte nach ber 6tfe beb ©aaleb, mo :
©rafAtonrab ftanb. (Sin Sbclfnabe trat mit ßol=
benen Seilern oor, auf beuen ein ‘JJofal unb eine
ßolbene .Manne .ftanb. Der SWarquib fchenfte ein
unb Stidiarb führte ben SJechcr 311m SRuitbe: ,,©ott
fcöüfec ©trafeburg unb oeiicihc 8ubmig bem©e =
rechten eine ßcfeßnete Sfeßieruitß!" „SBohl be=
fonmt’b!" flüfterte ber (Shvenmann, melcher in ber
(Scfe beb ©aaleb ftanb.
Dtidiarb reichte ben 93 ccher 8ouooib turücf, toorauf |
bie Deputation ihre ©eimreife mieber an trat. $od)
aber mar fie nicht mcit ßefomuten, alb Sticharb oon
©oheuheg fiel) plöfelicb uitmohl fühlte.
„3hr jeht in ber Shat uiißcntein blafi aub,"
äußerte fein fjfreunb, ber Spnbifub S?ra nfe beforßt,
„bie Slufreßuiiß mirb ©chulb fein."
„Oh nein, nein," toiberfprach ber franfe Stathb-
herr mit einem fdjincrslichen Cacßeln, „ich meift iefet,
ba§ man mir 311 Goltnar einen Sranf ßereidit hat,
ber mich in eine aitbcre TBelt beförbent foll."
„Um’b ©imiitelbmillcn, mie fommtShr barauf?"
rief ber ©pnbifub.
Sllleiu Micharb blieb ihm bie Antwort fdmlbiß
unb bat ihn nur, bah er ihn, alb man am fpätcit
Slbenb ©trafehurg erreichte, fofort nad) ©aufe be~
ßlcite, ba fein Buftaitb fid) bebenflid) oerjdiliminert
hatte. 9 )?an oradjtc Ihn hier foßleich m 93 ett,
SlnbrcaS aber eilte 311m Slrjte, beffen ©ülfe man I
fehr benbthißt mar. Danf ben Semühuiißeit be 3 =
felben, fomie ber fräftißen SJatur be 3 Mranfen, er-
holte er fid) laiißfam nad) brei SBocheti febmeren
8 eiben 3 toieber, 1111b erft jefet theilte erben Sreunbcu
mit, men er für ben eißcntlidjen ©iftmijeber halte.
Der . 3 ovit unb bie JButh, in toelche 9 lnbrea 3 unb
9 >etcr Dup 3 ßeriethen, mären fo ßemaltiß, bah bie
beiben Wänner am liebften ben ©rafen Meurab in
feiner i^urß aufßefudjt hätten, um ihm ben rnohb
oerbienteu Cohn 311 ßcbeit. ©eilte fam e 3 inbeffen
nid)t ba3U, beim 9 tidiarb 3 ©attin hatte für ben
Slbenb ein fleiue 3 ^-eft t>\\x 3*cier feiner SBieber-
ßencfuuß oeranftaltet, 311 loeld'em außer 9 lnbrca 3
unb Dupo and) nodi ber 2 tabtfonbifti 3 franfe ße=
laben loar. Die ©aftc hatten e 3 fiel) feft oovßcnouu
men, heute einmal alle politifd)e©orße oon lieh ab=
mfchüttelu, mec'halb beim and) toährenb beb 2)?ahle3
im Aheife ber Smiube bie feftlidte Sjeubc herrfdite.
9 iacb bcnifelhen erhob fiel) ber alte Dupb, uub fein
©lab evhcbmb, rief er aub: „Caßt unb im ©uten
loie im ©chlimmcn alb treue ©ohne unferb S?ater=
laubeb feft aufainmen halten unb all* unfve firäfte
baran fefeen, beu bbfeit S^einb oon unferer beutfdten
©eimath fern 31t halten."
„Dab mollen toir," riefen bie Sretmbe einftimmiß,
bie ©läfer flaiißcn aneinatiber unb buinpf hallten
bie ©chläßc ber 9 ){fuifterßlocfe 3» biefem Schtour ber
Männer.
„ 3 )?iiteruad)t!" faßte 9 ßeter Dupb erfchrocfen.
„9Sobtaufiß! ba mivb’b Beit m 9 >ett 311 ßehen." „Cfi
toab, 9Reifter," meinte Slubreab, „morßen ift ia
©onntaß, unb ba fonnt S\hr aubfehia-." 2 BeU
ter fam er jebod) in feiner Siebe nicht, beim in ber
Seme ertönten plbfelitf) heftiße ©dtüffc.
Sille lanfchtcu in hanßcr(Srmartimß. Dic©d)üffe
miebcrholtcn fid) unb jefet bradjen Sille in bie $vaßc
aub: „TBab hat bab 311 hebcutcn ?"
SRidtarb oon ©ohenheß vid>tete Ttd) hoch empor,
feine Sinnen flammten uttb feine Tvuft hob unb
feufte fiel) fieberhaft.
„TBab —bab bebeutet?" ädi3te er unter ßrofier
Slnftreiißima, bann aber fd)rie er fcfnnevslid) auf:
„Tcrratb! Herrath! ©trafebnrßb ©d)idfal hat fid)
erfüllt!"
Sille fuhren entfefet surürf unb ißeter Dupb ftot=
terte: „Öihr meint, bafi — baft —"
„Dafi jene ^lintcnfchüffe aub f r a im 0 f i f di e n
93 üd)fen famen!" lautetebicSlntmort. „©ört! hört!"
rief Slitbreab, „iefet fanden and) bie ©loden ber
Mirdieit au 311 ftürmen!" Damit eilten fie nad) beit
Senftcrn, fuhren aber erfdiredt 3urüd, ba jefet brei
buinpfe, fchiocre Schiäße bab ©aub erbittern madt=
teil. „Die Cärmfaitone auf bem 9 Ballc!" fdirie
93 etcr Dupb.
Die SJläiutcr ftürmteu auf bie ©trafie, unb halb
laitßte ein TBächter mit ber ©ebreefenbfunbe au, baft
bie Slheinfchaiiie 0011 ben Syraugofeit überfallen unb
alle Bußäiißc ber ©tabt auf beibeit ©eiten beb
©tromeb ftarf befefet feien.
(Sine unfäßlidie Tenoirruitß bcmächtißtc fid) ber
Ginmohiicrfdiaft. Die loaffenfähißcn ‘Türßer, uitb
unter ihnen Steter Dupb unb Slnbreab, eilten auf
bieSBälle, beim oon ben menißen ©olbtruppen mar
bie ©älfte burch Mranfheit oerhinbert, Dienftc 31t
thun, auch toar mir ein ciii3iöcr Offizier oorfeanben,
um fie 3« befehlen.
Slidiarb eilte mit bem ©pnbtfub granfe auf bab
Digitized by v^ooQie
Hedjt muß |Sed|t bleiben.
93
SRatbhauS, wofelbft ftch ber gefaminte 2)?agiftrat
einfanb. ©aitz zulefct erfchieit auch bet Stabt?
fehteiber ©ünzer, wcldjer ficb in bie ©obnung beS
franzöftfdwn dieftbenten uerfü^t unb bieien mit bie
tlrfacftc beS feiitblicf>eu Angriffs befragt batte.
„Unb wie lautete bie Antwort SrifcbmannS?"
riefen dngftlid) bie DtathSherrn. „Sr bat hoch unb
heilig betheuert, baß er non ber ganzen Sache eben
fo *.i>enig wiffc, alS ber 9Magiftrat."
S)ie3 war benn aikb in ber Shat ber *?afl, beim
goueoiS batte cS niebtlür notbig erachtet, ben 9Mi-
beuten in baS ©eheimniß feiner friegerifeben Unter?
nebmung einjuweihen, fonbern ihm nur bic ©ei?
jung gegeben, ben Straßburger 'äBagiftrat bei et?
matgeu beuurubigenben ©erüebten über Xruppeu?
zufatnmen Ziehungen zu befd)wid)tigen. liefet fanute
aber SRicftarb pon&ohenheg (einerlei StfuffiAt mebr,
in jürneuber99ebe warf erben 9iat(v3berren ihren
ffianfelmuth por, ber echter beutfeber 90?dnner eben
fo uitwürbtg fei, alS bie fned)tifd)e furcht, mit ber
fie ficb Pot bent ftolzen Sraufrcicb gebemütbigt.
^ic ©efchichte," fcftfoß 9ticbarb feine jünbenbe
SRebe, „wirb bcrcinft über ben Sali StraßburgS
richten unb auch bie kanten ber^errdther ber9?adj=
weit offenbaren ! 3|a, SSerrdtber ftub fie gewefen,
Scrrdthcr!" biefem Augenblicf öffneten fid)
aber bie ftflftgelth fiten beS SaaleS unb ein 33vei?
facber Bürger ftürzte atbemloS herein.
„©iebtige ®otfd)aften!" ftammelte er, bann fant
er ermattet auf einen ibut bingefdwbencn Stuhl
nieber. SS wdhrte eine geraume ©eile, cbe er ficb
infoweit wieber erholt batte, uni ben ihn mit S*ra?
gen beftürmenben SRatbSherreu gerecht werben zu
feinten. 9?ur mit grober SKübe unb ScbenSgefahr
war eS bem aufopfernben 9Mannc gelungen, nach
Straßburg zu entfomineu, um ber bebrobten Stabt
noch rechtzeitig bie freilich unbeiloolle, aber äußerft
wichtige Sotfcbaft zu üherhriugen, bah CoupoiS in
dreifach eingetroffeit fei, mit feinen gelammten
gruppen heranziebe unb fiubwig XIV. auf bem
©ege nach Straßburg fid) hefinbe, um bie ©ulbi?
gung ber eroberten Stabt zu empfangen.
Sine tiefe, tiefe Stille trat ein, nur einziges 9KaI
bnreh baS fcbmerzlicbe Auffchlnchzen eiiteS 5Ü?aniteS
tmterbrodten, ber feine SSaterftabt innig geliebt batte
unb bem eS iefet zu 9Jluthe war, alS habe ihm ber
unerbittliche Job eine-3 ber Seinen entriffen.
SS waren bange, febwere Stunben, bie jefct über
Stoßburg heraufzogen, unb ber freunblicb lacbenbe
Sli<f, mit bem ber anbreebenbe Sonntag zu ben
gemieru ber alten fReidjSftabt hereinlugte, erfchieit
wie ein bitterer Spott auf ihr gratifeS fflefchicf. ®ie
©loden, weld)c fonft fo berebt ber frommen ©e?
tneinbe ihr: „ftomrn, foinin!" zuriefen, hlieben
heute fttunm. Sin fleiiteS ©duflein SRcnfchen
hatte ben iDfünfterthurm erftiegen, um eine fWiinb-
fchau in baS ßanb zu halten, unb feuchten AugeS
bemerfteii bie Armen, Paß im weiten Umfreife ber
Stabt AlleS noit bewaffneten Schaaren wimmelte.
5D?att fattn fid) benfeit, bah bieS bie ^eftürzuna
ber Siitwofmer noch permehrte. „So foflen wir,"
hieß cS nun pfofetich, „unS alfobie fRiebertracbt unb
ßinterdft f?raitfrcichS ruhig gefallen taffen ?" ,,©ir
thun tinfcrc Pflicht," antwortete fWicbarb, „unb be=
aeben nn3 morgen in bax3 ßauptauarticr ßoiwoiS,
um gegen ben 99aub StraftburgS zu proteftiren.
»üfct bie$ nichts, fo müffen wir uufere geliebte Sa^
I tevftabt bem Scinbe übergeben unb in SRuhc.unb
©ebulb bie 93efd)lüffc beS flaiferS abwarteu."
Srdge fdiwanbeu bie Stunben beS traurigen
SonntagS bahin; bie Straßen waren zumcift men-
fcbcnlcer. Sind) in 9tidmvbS ^paufeging eS ftill zu,
unb mehr alS einmal äußerte er zu SlnbreaS: „ftdtte
id) nur im ßntfevnteften eine Ahnung gehabt, baß
eiji fo entfefelkbeS Scbicffal unfev Straßburg ereilen
fonnc, icb uuirbc bid) wahrlich nicht berebet haben,
beineßeimath zu oerlnffen unb hierher zu fommen."
„COeitren wir iefet nidit baran," entgegnete ?(nbveaS
herzlich unb bie ßanb beS ftreunbeS ergreifenb.
„®vaf ffourab barf freilich über unS trium-
phiven, ba ßubwig XIV. fcen (gieg errungen; hoch
bin id) feft überzeugt, baßbereinft bieStunbc nahen
wtrb, wo ©ott mit bem grd fliehen ©cfddechte ber
.^ohenhegS Abrechnung halten unb auch ben 9?aub
StraßburgS rächen wirb, benn er Idßt Seiner nicht
fpotten!"
Am 30. September würbe zu ?|flfirch bie Papi^
tulation unterzeichnet unb noch am fclben Sage er=
folgte bie Sefctzuna ber ohne Schwertftrcid) evohet*
ton Stabt. 99?it fchincvzoollcm Sd'wcigcn blicften
bie Sinwohner auf bie einziehenben Srnppen, bereu
flingenbeS Spiel fchlccht paßte zu ben Souen tieffter
Sra^tier ^ cr l^oeften Sohne StraßhurgS. 3u ihnen
gchorte'por allem 9?idiarb pon $ohenheg, ber fofort
fein GntlaffungSgefud) einreidjte, nadjbcm bic^ran-
Zofen eingezogen waren.
(Vbeu hatte er bie amtlidie S^eftdtigung erhalten,
alS 5?eter ®upS iu’S Zimmer ftürmte unb auSvief:
„AnbveaS muß fo fdjnetl alS möglich Straßburg
perlaffen!"
„Oho! warum?" aab 9tidmvb ztirnd, wdhrenb
AnbreaS ben Bunftmcifter erftannt onhlicfte.
„©eil Straßburg jeßt eine framöfifd^e Stabt tft
unb bev neuernannte ßommanbant feinen 93ran=
benburg’fchen Spion barin bulbet."
„Spion ?" rief AnbreaS außer ficb. „©er wagt
eine folchc 9?icbertrdddigfeit zu behaupten ?"
„?(e nun," lachte Bieter OupS grimmig, „ber eble
©raf .ffonrab pon ftehenhea, ber ©uere Anwefen-
heit erfahren hat unb Stich über bie ©renze gefdjafft
wiffen will."
„?|cb will bem Schürfen zeiaen, baß id) mid) Por
ihm niefit fürchte," rief ber bebrohte AnbreaS, allein
ffiicbarb [teilte ftcfi por bie Sbüre unb wehrte ihn
mit ben ©orten ab:
„Um beS $immetSwilfen, begieb bid) nidit in
biefe ©efahr. S)er unreditmdßige 9Mißcr beincS
SvbeS, mein lieber AnbreaS, ift fortan mit ßeib unb
Seele ftratizofe unb fein ffCmia wirb ihn nicht nur
fchüßen, fonbertt ihn audi in 9Kadd unb Anfeheit
fteigen laffen. ®arum fei pernfmftig unb ftürje
bich nicht mtithwiflia in ©efahr."
„Oh, wie ohnmächtig finb )oit ®eutfchen hoch
aeworben!" feufzte AnbreaS unb ging Tanafamen
Schrittes zum Sifche znrücf. 9?etcr S)upS aber ließ
ihm feine 3^it zu trübfcligcn fficffcctionen, fonbern
mahnte baran, baß ©efahr im Verzüge fei unb An?
breaS fchleunta Straßburg Perlaffen muffe, um einet
fchimpflichen ©efangennahme zu entgehen.
„S/och wie foH unfer ftreunb anS ber Stabt un=
bemerft entfern men ?" fragte 9ficharb dngftTich.
„S)aS laß meine Sorge fein," antwortete SPctcr
^DupS unb holte ein Sünbel herbei, welches er por
ber Shüre gelaffen hatte.
Digitized by
Google
94
Hedjt muß $ed)t bieibetu
„2tber ich bitte(Siuft," rieffRicharb, alS bevBunffc
meifter beit 3ubalt gu Sage geförbert, „baS ift ia
bei ruhige Sutgug eiltet ^chorufteinfegerS! 3& c
meint Doch nicht etwa, bah unfer greunb biefe
SleiDer —"
„Slngiebcn foü? J oollenbetc iJJ'ter CDuu3. „Mer^
binflS meinte uh baS, itnb er bat iieb ber ruhigen
Fracht wahrlich nicht gu jehänten, beim in i(>r ftccft
mehr Sbrlichfeit, alS in ber mit ©olD unb Silber
überlabenen Uniform 8ouooi3!"
„2Babr gesprochen, mein grettitb," rief 9lubrea3
unb fchüttelte bem gutbergtgeu äRanite bie ©aitb.
Oanit fehritt er mit bem Bünbä nach betn aitfto-
henDcit älfooen, um Dort bie Berwaublung mit fich
porgunebmeu. 91(3 er nach wenigen ÜJiiuutcu gu
bett gceuitDen gurücffebrte, flatfchte OupS freubtg
in bie ©änbe unb rief:
„3br nehmt Such gang oortrefflich tu biefeit fflei-
beru auS unb ich gäbe waS britin, tocitn ich Such
al'i ©efellen haben fömtte! 3ebt nur noch eine
Bortiou 3tuh, 1111 t ©efidjt unb .©äitben bie ©ewerf*
färbe git geben, unb Stiere Betreibung ift beenbigt.
3cb gebe Such baS ©eleite btS ienfeitS beS SRbcinS,
unb wenn uitS ein neugieriger grangofe aitbält, fo
geige ich meinen 3Reirterfcheiu bor unb fage ihm,
bah 3bt einer meiner ©efelleitfcib, ber in Äcbl Ka¬
mine git fegen bat."
„®aug gut fo," nicfteStnbreaS, „aber meine $(ek
ber?"
„Oie (affe ich oon einem attbern ©cfelleit nach
Äehl Schaffen. SSefet aber 9tu& her unb bann fch(eu=
ttigft fort!"
3um gweiten s 3Ra(e faßten SHicharb unb 9tubtea3
eiitanber 8ebewobl, unb wenn e-3 auch ein fchuterg-
lieber 9tbjohieb mar, fo leuchtete benuo.h in ihren
Seelen bie ©offmutg beS BJicberfebeitS auf, tum.il
fiwit lüttgrt 'Jtichirb ben Sntfefjluft gefafrt batte, mit
beit Seinen bie geraubte Baterftabl git berlaffcit.
Oaun aber fottntc er fein bcffereB Bhitbergiel wäb=
leit, als Branbeubtttg, bie neuc©eimatb’3ftättc feU
ne-3 gcettitbeS. 3it biuaer Sorge fab er 9lubrea3
fcheibeit; erft ant nährten Sage ctbmctt et erleichtert
auf, alS ihm bitrcb Beter OupS bie ffimtbe warb,
bah9tubrea3 ba3®ebiet beS SchwargwalbeS glück
lieh erreicht habe. Oer Buuftmeifter batte föccht ae-
habt, al-3 er gttrSile aufforberte, beim eine halbe
Staube fpäter, ttachbem er ttttb 9liibrea3 baS ©au3
oerlaffeit, toaren fraitgöfifche Solbateit erschienen,
um ihn gefangen git nehmen.
3miner fdjwüler toarb eS in Strasburg; fihoit
Sttbe Oftober hielt 8itbwig XIV. mit bcin gröhteit
Botnp feineS pradjtUebenbcit BeitalterS feinen fiegs
reichen Sintu^ in bie aeraubte Stabt. Oie ©lotfeit
lauteten feicrltch, bie ©äitfer waren auf Befehl feft*
lieh aefcbmftift unb 001 t bem Obutmc beS Sßmtfter
webten frangöftfehe Sahnen. 9KS ber gläitgeitbe
Bug am fßortale beS OonteS angelaugt war, reichte
ber Sbreitmann gftrftenbetg beit 3)Zaieftdten
baS SBeibwaffer, fo wie baS ffintufh; gum ifuffe,
ttitb bamit mar baS berrlichfte Oeitfmal ber mittel¬
alterlichen Saufunft wieber in bie $ditbe ber fatbo=
lifheit Kirche gegeben. 3war batte ber frangöftfebe
.fföitig, Sitbwig XIV., feinen neuen Untertbaiten bie
freie Ausübung ibreS religiöfeu ©efeuntniffcS ge¬
lobt ; um fo gröber aber war bie Snttditfchung, a(S
bie Sftrgerfchaft iefet bie amtliche .^uitbmichung er¬
hielt, ba§ fein Sßroteftaut wdbreitb ber 3tnwefeubeit
Sr. SRajeftdt baS ÜRunfter betreten burfe. OaS
war ber Hnfaitg ber Orangfale, welche fortan bie
eoangelifcbeit 'Bewohner ber Stabt erbulbcn mubten.
2 Bcr bagegen bem ©laubeu feiner Bdter untreu
warb, fab fich nicht nur für brei 3abrc bon allen
Steuern unb Abgaben befreit, foubern erhielt auch
noch fliitgeitbeit Öohu. ÜÄit beut SRatbSberrn SRi-
charb boit ©obenheg machte man furgeit Brogefi; er
würbe für einen Gebellen erflärt unb oogelfrei ge¬
geben, fo baft eS ihm nur nach tmfdglidter 2Rübe
gelang, nach Saigburg gu eittfomuten, gefolgt bon
betn ehrlichen OupS, welcher treulief) alle ©efab=
reit uitb Sntbebruugeu mit ihm tbeilte. 5liidh
Der beutfehgefinnte SpitbifuS Sranfe fiebelte ftch mit
beit Seinen im Schwargwalb au unb feinem SeU
fbielc folgte noch ein attfebnlicher Sheil ber Bürger^
fihaft, bie boit beutfalfchcn graufreich nichts wtfTeu
wollte.
llitb Ocutfcfjtaub unb fein Äaifer btt (beten
ben Staub? „3a," berfünben unS bie Blätter ber
65ckhichtc. Allein ber allmächtige ®ott, ber bie
©efehiefe ber Bölfer teuft, hatte baS ©efcblecht,
welches ben an Oetitfchlanb berübteu Sd)iutbf ber=
einft rächen foflte, bereits erfteben taffen; im fernen
Often erhob ftcfj ber gtofee Shurf ürft, beffen
fbätem Sitfel eS befchiebeit toar, bie berlornc SteichS=
cinheit unb baS Slfaft wieber git gewinnen uitb auf
beut Strajlburger fünfter wieber bie fiegreiche
gähne OeutfchlanbS aufgupflangen.
S te beit teS i?ap i tel,
Peutfdje türeue.
3m 3abr 1700 batte ffönia griebrich ®itbelm I.
oon Breu&eit, obwohl pcrföitlicb fein grofter greunb
uitb Berebrer m\ ©iffenfehaft unbffuurt, — beim
„ber gefrönte Korporal," wie bie ©cfdiicfrte ihn
nachutalS genannt bat, befaft nur für SineS Sinn
uitb 3ntereffe, für baS Militär, unb inSbefonbere
für feine „Sticfengarbe" in BotSbant, — fich ent=
fchloffen, ginn ©lange feines neuattfblübenben
Staates, nach bem Sutwurf beS groBeit beutfehen
Bbilofopben 8eibnib in Berlin, eine „?(fabemie"
git grtntben. Unter ihren SRitgliebern fcefaitb ficft
auch ber Bjcofeffor ©ottbolb 8ebrecht^at=
hob, ein Sohn tinfereS alten greunbeS ?lnbreaS,
ber nach bem Siatibe StraftburgS unb ber beim^
tücfifcbeit Unterwerfung beS SlfaB, unter frangöft*
f^e Oberhoheit nach ßburbranbenburg entfloben
war, itm ber Siache feiiteS SobfeiitbS, beS ©rafett
ffoitrab Poit ©obenbeg, eines ber beoor=
guqterteit ©üitftliitge 8itbwigS XIV. unb feineS
ffrtegSminirterS 8ouooiS gu entgehen.
Oer ältefle Sohn beS BrofefforS, Sh r irt 0 p h
mit Siatnen, ein hochgewachfeiter 3«ngling, gleich^
falls gtim ©elehrtenftanbe bertimmt, hatte baS Uit-
glücf, bitrcb feine aitffallenbeÄörpcrgröBe bem Blidfe
feines fföitigS uitb ber oou bemfelben überall auf-
geftellten SBerber, welche ihm auS allen ©egenbeit,
unb oft um fchwereS ©elb recht riefcitgroBe iitttge
?Känitet iit feine 8ei6gatbe liefern muhten, auf fich
gu gieben unb eS war hei ber ittgenblicheu Utterfaft-
renheit beS „unpraftifdjeit" ©eiehrten Sogar einem
berfclbeit, bem berüchtigten 3®erbeoffigier Bülücfe
gelungen, ben Stubeuten Poit ber Unioerfität wcg=
Digitized by
Google
95
Hrdjt muß Uedjt bleibett
lufangen unb ihn a(Seine3ietbe feinet 92egimentS Umgang gewohnt gemefen mar unb ja nur un=
unter Die yeifchufaren ber ©otSbamer Greitabiere freiwillig Den gähnen folgte, enblich au biefetn
einjureihen. Gleichseitig aber befaub fid) unter febr gefährlichen Schritt gebräunt, ber auebnabeju
benfelbeu aud) ein ebenfalls wejjen feiner Unglaube mifttungen märe, unb befien fdfitejfiicbet glüdlidjer
heben Gtöfje gepre&ter böhmitdier iDJufifnnt, ber Grfolg nur beut 3ufammenmitfen mehrerer gün-
luftige 3 o \ e p b , in mekbein mir gleichfalls einen ftiger Umftänbc unb bem Mutb, ber Klugheit unb
alten ©kannten miebererfennen, menn mir er= förperlicheu Stärfe namentlich beS böhmijdjen
fahren, Daft er berGnfel beS früheren &ufarcn= Mufifanten su banfen mar.
wachtineiftcrS Sofias Gbelbed ift. ^er erzürnte Atbnig fonnte ihm aber fein Gut-
(SnDlicb treffen mir halb barauf in ©crlin uodj meichen jo wenig verseihen, ba§ er vielmehr AücS
einen Dritten Mann, befien 92ame unS intereffirt. aufbot, feiner mieber habhaft su merben, ja fogar
Unter Den vertriebenen „Sal 3 burger Galanten", auf feinen fonft fo bodjgcebrten ©ater, ber von
welche uni ihveS euaugelijdjen (Glaubend mitten ber ganzen Sad)e nidUS mit&te, unverbienter
ihr fchoueS ©atcrlaub unter bem ®rude beS fa= 33eife einen fo unoerfobnlichen marf, bafi er
thohfeben GrsbijchofS Seopolb Litton von ihm jcbeS ©orrüden auf (einer Stelle unmöglich
girmiau hatten surütflafien muffen unb nun, mad)te, ja ihm fogar feinen 92ang unb SBürbe
swanügtaufenb an ber 3ahi, in ben fiänbern Äb= eincS MitgliebeS ber Afabemie cigenmädfiig ent=
nigS #rieDricf) SBilhclm I. von ©teuften, ber ba^ 30 g. Grft fein Sohn unb 9cad)fotger griebrid) II.,
mala id>on Der &ort unb Sdjubhevr ber proteftan= bem bie Gcfdüdrte mit 92ed)t ben kanten beS Gro-
tifchen GlaubenSgenoffen mar, 3uflud)t gefunben ften gegeben bat, mad)te auch biefcS llured)t leinet
batteu, befaub lieh auch ein gemijfer Grmin ©aterS, mic fo manches anbere, baS vicüeidfi
92atbob, ein ©ater beS©rofeft*orS unb ein92ad)= meniger auS bofcin ^Bitten, als auS ber ©e^
fomtne ieneS fleineij tfurt von $ oben heg, ichränftheit feines nur vom Solbatcnmefen be=
ber alS Sohn einer ©ürgcrlidjen von feinem friebigten GefdnnadS entfprungen mar, mieber
abelaftot 3 en Groftvater enterbt unb verfioften mor= gut, feftte ben ©ater mieber in feine alten Remter
ben mar, a(S berjclbe erfuhr, baft er cinfi feinem ein, ja befetberte ihn fogar von Stufe 311 Stufe
armen ©ater Murn hart von ©ödlinSau 3 ur flucht unb geftattete fpäter bem Sohne bie 92üdfehr in
auS bem ©urgverlieft beS alten 9iitterfchloffeS feine preuftifdie ^eirnath.
jpohenheg im Gliaft verhotfen hatte. 2Bir merben ©orerft. aber trieb fich ber Cefetere nod) mit
unS erinnern, metche gefährliche golgen biete feinem greunbe 3ofeph im Glfäft, bem alten ©a^
glucht Damals für ben Grafen SBalbner von terlaube feiner Ahnherrn, herum. GS mar ihm
Jpohenhcg hatten, Denn eben biefer Münthart mar gelungen, auf ber Damals hodibcrühmteu Strafen
es ia gemefen# ber baS ächte Seftament beS alten burger Univerfität feine Stubien alS 92ed)tSge-
Kaufherrn Michael 92a tb cb mit fich genommen lehrtcr 311 voücnben, unb fein ehemaliger tfcibenS=
unb im ©ibüotfjeffaat beS ÄlofterS 9BaIburg genoffc in ber ©otSbamer Gavnifen batte eine
verftedt hatte. 2)avon wuftte freilid) bamalS fein treffliche Stelle bei bem befannteu StabtmufifuS
iunger Setter Äurt nichts, ber faft entblößt von Ger bei, einem 9?ad)fommen beS alten frommen
allen Mitteln um ftch bem 3orne feiiteS Grofe= 92athSherrn ©crbel, befien mir uitS nod) von ber
DaterS 311 entstehen, ieneS ferne Öanb hatte auf= 92eformationS3eit her erinnern, gefunben. Scibe
fuchen muffen unb fid) Dort nach bem gamilien- Jünglinge hatten an ihm mitten ui ber frausofid)
namen feiner Mutter ShiliPbine gleichfalls 92at= gemorbenen .'pauptftabt einen treuen bcutfd^ge=
hob nannte; hatte Dorf) biefer 92ame fd)on von finnten greunb gemonnen, ber ihnen namentlid)
ben lagen ber 92cformation her in Strasburg auch noch manches von ben immer nod) in ber
fomobl alS in 23itteuberg einen fo guten itlang ^amilic fortlcbcnben Gerüchten über baS alte
unter ben Guaugelifdjen gemonnen, bafe er bem Grafeugefd)lecht ber ^obenhegS unb bereit Sd)id=
glüchtling aud) bei feinen neuen GlaubenSgcnoffen fale inittheilen fonnte.
in Saljburg sur befien Empfehlung biente; GS ging nchmlid) bie Sage baS ädjteSefiamcnt
nicht ininber aber aud) feinem 9iad)fommen Gr= beS alten 92atbob fei nod) immer in ber Ahnen-
ivin bei feinen neuentbedten Sermanbten, ber gruft beS gräflichen StammfchloffeS verborgen,
^rofefiorSfamilie in ©erlin, ia fogar bei feinem mohin eS cinft bie Grbtochter bcffelben, © hilip=
jefeigeu fönigüd)en ©errn felbcr, ber ihm auf bie ptne, gebracht, unb vor ihrem £obe 311 Gimfieit
©itten beS hvehangejehenen MitgliebS ber Afa= ihres nod) minberjährigen SöbndtcnS i2urt vor
bemie behilflich mar# fein Gemerbe alS Judunadjer ben gierigen ©liden unb ftänben ihres habfüd)ti=
auch in Die Marf ©ranbeuburg mit Schmung 311 gen SdjmieaervaterS, beS alten Grafen 3Balb =
betreiben. ncr, verfieeft habe. ®iefe ©urg felbft, ber alte
ffleniger gewogen mar unb blieb ber gürft bem gamiUenfib, befanb fich iefet in ben £änben eines
Sohne DeS Grficteu, ßhriftoph, bem eS ge- ber cstremften fransofifeben ©artei gehörigen
(imgen mar, währenb eines längeren Aufenthalts 92addommen beS alten beutjehen 2lbelSgefd)led)te,
fccr preu&ifd&en SEruppen im Glfafi, mit feinem ber lange 3eit in ©ariS gelebt unb feinen ehrlkhen
riejlaen greurtbc, bem luftigen ©feifer ^ofeph beutfehen 92amen bort in ben franaofifefan Sitcl
(fcelbek auS ©öhmen, 31 t befertfren. ®ie fchlcd)te eines G 0 m te ba u n a ig ue vermanbelt hatte.
Sehanblurtöf bie auch beSÄönigSLieblinge, feine Sd)on feine ©erfahren itonrab unbSJcnno
Miefen von ber ©atbe, ober mie er fie felbft am von ^ohenheg haben fid), wie mir mifi'cn, um
liebitcn nannte, feine „blauen Äinber" unter ber Submig XIV. unb feinem AtriegSmiuifter bei ber
rohen (Gewalt iiiigebilbeter Gsersienneificr 311 er= jchmählidten Uebcrgabc von Strafeburg großes
feu/ben hatten, hatte ben jungen Gelehrten, ber ©erbienft ermorbcu. Seither hatte bie gamilie
von hau* auS feinere Sitten unb einen ebleren mcift in ©erfaiüe gewohnt, bis eS jefet bem jüng=
Digitized by v^ooQie
96
$ed)t muß Udjt bleiben.
ften ©prcßling, ®raf ©ictor eingefallen mar,
gleidjfalld bie Straßburger Unioeri'ität au be=
Sieben, wobei aud) teilt ©ater unb feine Scbmeftcr
Jeanette ficb entfdUoffen, mieber in Die alte
Stammburg im Slfaß übersufiebeln. ©ei bem
ftolsen, berrifeben unb leibenfcbaftiidjen SBefeu
bed jungen (Grafen unb feinem heftigen Born
gegen bie Oeutfcben im Mgemeincn unb Med
waS fRatbob hieß indbefonbere, tonnte ed nid)t
fehlen, baß er, fobalb er unter ben ©tubenten
etnen Sräger biefed bitter gehaßten kantend traf,
aueb fofort mit Sbriftopb in ©treitigfeiten tarn,
bie au einem .Bweifampf führten. S)a aber 3 o-
fepb ftatt feine3 greunbed bie Jperaudforbevung
annabm, fo gelang ed ©raf Victor nicht, feine
glübenbe Stäche su fühlen. Stur jener fiel burd)
gemeine ©interüft in feine ©änbe unb wanbertc
in’d ©urgoerließ. ©alb feilte ihm aber burd)
greunbedtreue eine wunbcrbarc Stcttung 511 Shcii
werben. Sin alter fttiegdtamerab, ber ungarifd)e
£>ufarenoberft SR an bei, ber fchon längere Beit
im Auftrag ber öfterreidnfeben tfaiferin SJtaria
Sberefia im Slfah tbätig gewefen mar, um baifclbe
ju einer gemciufamcn Srbehung gegen bie franko*
lifcben Unterbrüder unb sur Otüdfebr an bad
®eutfd)e Steicb aufsumuntern, batte faum oon
feiner (Gefangennahme gehört, ald er auch fofort
einen ebenjo fübnen ald fd)laucu ©lan su feiner
Befreiung faßte. Sr brachte ncbmlid) feine £>u=
faren oerfleibet in bie ©urg herauf, ließ bann bie
iebtere burd) ftc überrumpeln unb ben Werfer 3 o=
fepbd fpreitßen. Mud) S b ri ft op b batte ficb bei
biefem oermegenen ^anbftreicb, ber bem greunbe,
ber ficb für ihn geopfert batte, tfeben unb Freiheit
wieberfchenfte, um fo lieber betheiligt, ald er ba=
burd) hoffte ©elegenbeit su befommen in bie ga=
miliengruft ber feinblidjen Stammburg cinsu^
bringen unb ficb felbft baoon su ü bezeugen, ob
bort mirflid) bad oerntiftte Scftament noch 311 fin-
ben fei. ®od) mir laffen lieber ben Öefcr felbft
biefe ©sene im alten Stamuifd)loh ber ©obenbegd
miterleben.
Mud ben glänsenben, reiebaudgeftatteten ©e-
mäd)ern führte ein fd)inaler ®ang mehrere ©tod=
merfe abwärts unb halb ftanbSbriftopb, nachbem
er mübfam bie fernere eifcnbefdjlagene (SingaußS*
tbüre geöffnet, inmitten bed 00 m 3)ionblid>t ge=
bcimnißooll belcad)tctcn büftern StaumcS. ©ein
©lief haftete an ben oerfebiebenen Särgen oon
3 tnn unb Tupfer unb ber Steibe nad) nabte er fid)
jebem Sinselnen, bie auf bem ®edel eingeara=
benen Stamen ber barin SRubenbcit aufmerffam
lefeub; überall begegnete er ein= unb bcmfclben,
nur bie Vornamen wcchfclten. ®a aab ed einen
SBalbner, SBolfgang, ©enno unb Sonrab oon
^obenbeg. Mud) Sraucnnamen lad Slmftopb,
bod) alle batten bem ®cfd)led)tc ber Roheit hegd
angebört. 3 bnen galt bad 3 utereffe unfcrcS for^
fdjenben ftreuitbcd nidjt, ber jebt enblid) ben £>iit=
tcrgrnnb bed ©emölbed erreid)te. Unb fiebe ba,
bort ftanb in einer Sde, gänslicb ifolirt oon ben
anbern, ein jinnerner ©arg, mit ber Muffdmft:
„Statb ob", ©dfon glaubte Sbriftopb am Biele
31 t fein unb bie lebte ©ebaufung ber Tochter feines
Mbnbcrrn oor fid) au haben, febou gab er ficb bem
©tauben bin, baß in biefem ©arg bad unter=
jd)lagene Seftanient oerborgen fein merbe, ald
plöplicb ein iäber Muffebrei feinen Sippen entglitt,
beim hinter bem ©arge lauerte eine weibliche
©eftalt, welche, ald fie fid) oon ihm benterft fab,
bittenb bie gefalteten &änbc audftrecftc.
Sbriftopb taumelte gurüd, währenb ber Seudjter
feinen tauben entfiel unb bie £id)ter ocrlöfchten.
©tnnbetäubt unb laut äd) 3 enb fdjloh er bie Mugen.
2Bar cd ein Staunt ober entfefeUche 9Birflici)feit,
bte ihn umgab ? Srft nad) einer ©Beile wagte er
bie Mußen mieber 311 öffnen unb ein neuer Mufföhrei
entrang ficb feiner ©ruft, Denn bie geifterbafte
©ejtalt mar inawifchen oor ben ©arg getreten,
währenb ihr früherer ©laß oon 3 mei männlichen
Siguren eirgenommen warb.
Unfer greunb ocrmodjte fein SBort beroorsu=
bringen, bagegen rief bie meiblidie ©eftalt: „Uebet
©armbersigfeit, oerratbet und nid)t ber milben
Öorbc, mcld)e bie ©urg unferer ©äter beimgefuebt
unb geplünbert bat."
Sie©timme flang fo frifd) unb fugenblid), bah
Sbriftopb fid) fagen mußte, Sllled gebe bi«r mit
rediten Singen su unb nur ein feltjamer Bu=
fall habe fein Unmcfen getrieben. Obwohl ber
©ebreefen tbnt nod) in allen ©liebem naebaitterte,
gewann er bod) fo oieUtraft, bie Srage beraudsiu
ftoßen: „ 2 Ber feib ihr unb wie famt ihr hinter
jenen ©arg ?"
^Seiftet und bad ©erjprcdjcn ber ©crfcbwiegcn=
beit unb 3 br follt Mlled erfahren," gab bie iung=
fräuliibe ©eftalt sitternb uor furcht aur Mntmort.
Sbriftopb erfüllte ihr ©erlangen unb fie fuhr fort:
„ 3 br febt bie£od)tcr bed Somte b’^aunaigue
oor Such, ©on ben einbre^enben ^ufaven oer=
folgt, retteten mir und nad) ben inneren ©c=
mädjern, bid bie fRäubcr audö bortbin famen.
SBir gebad)ten nunmehr burd) einen unterirbifd)en
©ang bad Sreie su gewinnen, batten aber bei
unferer Süc ben ©d)lüffel oergeffen, ber bad gel=
fentbor öffnet. Unfere ©erfolger blieben und auf
ben Werfen unb und baber nidjtd übrig, ald bie
3uftud)t in biefcd Srbbearäbnih. Sie ©efürd)^
tung meined ©aterd unb ©ruberd, baß bie geinbe
and) biefed ©emölbe nid)t oerfd)oncn würben, cr=
mied fid) allerbingd nur 311 gercd)tfcvtigt, beim
einige berfclben brangen bid su biefer ©ruft oor,
sogen fid) aber bei bem Mnbliae bed äobed feheu
surüd. Mufatbmcnb oerlieh id) mein ©evftecf
hinter einem ©arge, bid ein neuer Stritt ertönte
unb mir nid)td anbered übrig blieb, ald noch ein*
mal bie fdjaucrlicbe 3 uftud)tdftätte aufaufuchen.
Sad Söeiterc ift Such befannt."
Unaeaditct bed nur matten 8 id)tfd)immerd, ben
ber 3Ronbfcbein oerbreitete, batte Sbriftopb in
einem ber hinter bem ©arge oermeilcnbcn SRänner
ben ©rafen ©ictor erfannt. „ 3 bt befinbet eud)
allerbingd in meiner ©emalt," äuherte Sbriftopb,
währenb ber ©raf ängftlid) auffeufste, „unb id)
banbeite burdjaud nur gerecht, wenn ich euch an
b;e ©anburen oerrietbe, benn ©raf ©ictor bat fo
beimtüdifd) an mir gebanbelt, baß er wahrlich
(einerlei ©chonung oerbient."
„©cbenfen ©ie, junger 992ann," unterbrach ihn
ber s.itternbe alte ©raf, „er ift ber ©obn eined
©reifed, ©tab unb troft meiited Miterd —rauben
©ie mir ihn nid)t für meine lebten Sage!"
Sd mar ein fonberbared Öädieln, bad um Sbri=
ftopbd Rippen sudte, ald er ießt ermieberte: ,,©err
Digitized by v^ooQie
üedjt muß Uedjt bleiben.
97
®taf von ©ohcnheg, aud) gegen ©ie vermag id)
fein SNitlcib ju füllen, trob 3 h red hoben ältere
unb 3 hver grauen ©aare. ©inb ©ie ja bod) ber
Steiger cincd tSamilieimatnend, ber viel Unglücf
über meine ebrlkben, bürgerlichen Vorahuen ge=
bradjt; ift ed bod) nur b<»ö ©cfcblecfit ber ©ohenhegd
aewefen, bad und um unfet guted Üiedjt betrog.
®enn ©ie fehen in mir einen Nachfommen iened
9Kid>ael Matbob, beffen Socbter beut jungen (Grafen
von ©oheuheg redjtmäfeig angehaut mar!"
®ie Ucberrafdmng bed alten ©errn geftaltete firb
um jo peinlicher, ald er jefet erft ben Manien bed
ffremben erfuhr. 3 n grober Verlegenheit ftotterte
er enblid): „®ic Sage gebt allcrbingd, bafe bereinft
von unfern Vorfahren ein Seftament unterfd)lagen
worben fei, — boeb glauben ©ie mir, bie genaue
Unterjucbung hat butdjnud bad ©egentheil ergeben
unb jener Söalbncr von ©oheuheg in etelfter SBeife
an bei* gamilie Matbob gehaiibelt. 3ubem bebenfen
©ie, bafe mir für eine Shat, bie vor 3flhvhunberten
begangen, unmöglich verantwortlich gemacht werben
fönnen."
ßhviftoph hatte zwar burdjaud feine llrfadje, bie-
je» febr zuvcrfid)tlid) audgefprodtenen Verftcberuugcn
bed alten (Grafen jo unbebiugt ©tauben zu fdjenfen.
«ber in feiner ©eele flang bad ffiort bed ©ervit
wieber: „Siebet eure fteinbe, jegnet bie eud) flucben,
tbut wohl beneu, bie eud) beleibigen unb verfolgen !"
unb biejed VBort behielt zulcfet ben ©ieg unb liefe
ihn allen 3 orn, ©afe unb Mache vergejfen. Vielleicht
hatte aber and) bie jugenbliche ©räfin mit ihren
tiefbunteln «ugen unb Sein flehenben Vlide feinem
ritterlichen (Sntjd)lufje ben «udfdjtofl gegeben, unb
er tuufetc fid) felbcr ehviich gefiehen, bamer wahr-
fcbcinlid> weniger nachfichtig gehanbeit baten würbe,
wenn ftatt ber ungarifd)cn ©ufareu bie prcu 6 ifd>en
ftameraben bie äiurg erftünnt hatten.
„©ier ift ber ©chlüffel," äußerte er 311 bem in
fanget (Erwartung laujdjenben jungen ©raten.
^Beeilen ©ie fid>, beim iebe SRinute ift foftbar!"
Vlifefchncll verfdnuanb ©raf Victor unb Ghriftopb
fchaute ihm lädjelnb uad). «ber and ben ®acb=
fparren ber Vurggebäube fdtlugeu flammen empor,
bie mit MiefenfcbncUe wtichfen unb halb bad alte
©tammjchlofe vermehrten.-
©leid) einem fchweren biefen Mcbel lag aber and)
bie näddte 3 ufunft vor bem jungen ©eiehrten.
2 öad follte er beginnen? ©trafeburg, bie einzige
Stabt, weiche ihm möglicher SBeife einen 2Birfungd=
freid erfchlofe, war ihm bei ber wachfenbeu lieber-
uiadtt berSramofenfreunbe, bie gleichzeitig mit bem
«ngrifr bed Obcvften ÜMenfeel auf bad ©chlofe
©oheuheg, ftch wieber ber ©enfdmft im Glfafe be¬
mächtigt hatten, verloren, er burfte ihr 3Beid)bilb
nid)t wieber betreten, fclbft nid)t unter ber Voraus*
jefeimg, bafe fein (Sbelmuth bie feinbjeligen ©cfiu-
mingen ber ©vafen ©ohenheg gemilbert habe.
Äufeerbem gingen auch noch feine ©elbmittet zu
Gabe unb bad ©cfpenft ber Moth unb bed (Slcnbd
taud)te vor ihm auf. ®cr troftrciche 3 uftfrud) bed
giitmüthigen 3 ofcpft vcrmedite ihm unter folchen
Verhältniffen niefttd sit helfen unb in höd)ft ge=
brürfter ©timinnng erreichten bie Veiten ein ®orf
in ber Mähe, wo fte ein llnterfommen fanbett unb
ähriftoph aldbalb in einen wohltätigen ©ddunu
incr verfallf unb 3 ofeph ald ein treuer ©üter feinen
Sd)laf bewachte. ®er Sräumcnbc fchien in ber
©eiutath su weilen, beim ein wahrhaft finbliched
Sachelit belebte feine 3üge. Hub jo war ed auch.
Gr jah fid) wieber in bem traulichen SBobuzitniner
neben (Streut unb ©efehwiftern, unb bie Niutter
eilte gefchäftig bin unb her. (Sr fclbft faß auf bem
Stuhle am genfter unb jchlief, vernahm aber ben-
noch alled, wad um ihn ber vorging. (Sr hörte laute,
fchallenbe Svitte braufeen auf ber Steppe, er ver¬
nahm, wie bie Shüre aufging ttnb eine männliche
©timine jagte: „®em ©immel fei ®auf, ba war*
tdj enblid) angelangt! ©old) einen «uftvag übers
nehme ich aber in ber Äriegdzeit nie wieber. Vkittg
hätte gefehlt, fo wäre id) von bem ©olbatenvolf er=
griffen unb aufgehängt worben, ©ier finb ver-
fd)iebene Vviefe unb einer Davon ift and bem «ud=
lanbe, — bie anbevit erhielt ich von bem ©ervn
Vrofeffov unb bem ©errn ©tabtpfeifer."
. . . Vrofeffor! — ©tabtpfeifev? . . .
Ghriftopb fd)lug bie Slugeli auf. Gr befanb fid)
nid)t baheim bei (Sltcvu unb ©efehwiftern, ed war
nur ein lieblicher Staunt gewejen, ber ihn umgeben
unb falt tutb öbe haud)te ihn bie grenibe an. «ber
ber 39?atm, ben er iut Svaum fpveeben gehört, ftnnb
vor ihm unb auf bem Sifetc lagen bie Vriefe, bereit
er (Svwähnung gelhait. erfannte Gbviftoph
bad ©dneiben and bem «iivlaitbe. (Sd trug bie
©chviftzüge bed Vatevd. 3ofeph blirfte ftauncnb
auf benSvetmb. 3Ead enthielt ber Vrief? SBaruitt
brachen auf einmal helle ßrcubensäbvcn and feinen
«ugen, toarum begann er zu zittern unb gerührt bie
©äube zu falten?
„Oh, iV'fcph," rief Gbviftoph attffpvingenb, wäh-
renb er ben Ävetmb innig an fid) brüdte, „ber alte
©ott lebt noch unb hat mid) nid)t vcrlaffcn! ®enfe
bir, ich barf zu meinen Sieben itad) Vevlin juvücfs
lebten, ber Völlig bat mich enblid) begnabigt. Gd
ioar feine lebte ©anblung, bevor er mit feinem
©cere nad) ©djlefieit unb Vöhmen aufbracb. «d>,
©erzendfveunb, mm ift alle Sorge vorbei unb id)
bin geivife, bafe fich and) für bid) bie ©nabe bed
ftönigd erwivfen läßt."
®a aber fchüttelte ber fd)lid)te 33öhme vcvneincnb
beu Äopf tmb entgegnete:
„Mein, Gbviftoph, ich feine nicht nach bem Vmtfeen-
lanb zuvücf. 3u meiner Vvuft regen fid) wieber bie
alten SGeifen cer ©eiinath, bie Sieber uteined Vol=
fed, unb in mädUiger ©ehnfudjt zieht’d mid) zntfnf
nad) ber Stätte, wo meine 2i>iegc geftanben. SBäreft
bu etnfam unglüdlid) geblieben, jo würbe id) nicht
von beiuer ©eite gewidjen fein, iefct aber bebavfft
bu meiner nidk mehr unb fo zieht beim ber üjofcpb
Gbelbecf mit 3)?enfeeld wilben ©ufaven nad) feinen
hcimathli^eu Vergen unb SBälbcvn zurürf. Unfeve
.©erzen bleiben ja bod) einanbev treu, mögen and)
bunberte von 3 )ceilen zwifd)en und liegen."
®ie Srennimg von bem treuen ftreintbe fant
Ghriftopb unenblid) fd)wcr an, aber inbeui er fid)
ber eigenen ©efühlc erinnerte unb bed ©eiinwehd
gebachte, bad ihn feit ber Srennimg von Gltevn unb
©efehwiftern nie gänzlid) vcrlaffcn, übenvanb er
ieglidien 'äRifenmth unb fanb in bem ©ebanfeit
Sroft, bafe ia Vöhmcn nid)t außer bev 9Belt liege
unb er mit 3 ofcph in fürzerer ober längerer 3 eit
wieber zufamnienfommcn fönnc. ©o fagten bie
beioen Rreunbe einanbev Sebewohl; noch an bem=
felben Nachmittage rüdte unfev ÜWufifant mit ben
uugavifchen ©ufaren aud unb Ghriftoph, ben uichtd
Digitized by v^ooQie
98
Per fterbmbe Httngling uni ins uerlorene Sdjof,
mehr im ßlfaß feffelte, ßab tftnt für eine laitße
©trecfe baS ©cleite. -MacObem er norf) oon beit
©traßburßer SBcta unten brieflich ^lbfd>icb flcnoin-
men, fuhr er leidjteu @eraen 3 Siß unb 9 Zad)t ber
lieben föeiinath gu, bi -3 er ftc enblicf) erveiebte unb
in ben Firmen ber ©einigen laß. Shränenfeudjteit
SliißeS betrat er, oon filtern unb ©cfdjmiftern um=
riußt, baS alte, tränte ©ohußetnad).
©alb nad) fihriftophS ßintreffeu langte mit ©cib
unb ßinb auch ber Setter ßrmiit an, um beit ßc-
lehrteit &emt Softor m begrüßen.
©ährettb bic fllücflicbcn 3 ) 2 enfdjcn in bent trau»
teu ©ohnftübeßen fröhlich bei einanbermeilen, mäße
ber SBorhaitß fiel) fenfen unb und erlaubt jein, ber
Beit ooraiuufchreitcn unb bem Cefcr mitauthcilen,
baß Shriftoph alSbalo eine 9 luftelluiiß erhielt, baß
er und) Olüdfeßr beS ÄönißS griebridj U. oon biefent
mit bem Sßrofcffortitel auSfle^eicbnet marb, unb baß
er fpäter ber ßlücflid)e ©atte ber blühcnbeit £od)ter
Setter ßrmiitS mürbe.
©eit in ber {Jctne aber im frair,öfifch gebliebenen
ßlfaß florirte nad) mie oor bie gautilie b’öaunaißue
unb aueb bie jerftorte Söurß erftanb mieber anS ihren
Strümmeru, unb amar in oerjüiißter unb fchöner
©eftalt, beim ein prädjtiacS ©d)loß int Sftococo=
©tote jehaute wen bent Seifen in bie ßbette hinab.
Beiten unb üÄcufchcn luaren anbere ßemorben unb
nur ber uralte beutfdje ©oben berfclbe ßebliebeit,
auf meldjent feit Sahrßunbcrten baS Slßneitfdjloß
berer oon ftoßenheß ßeftanben.
(Snbe beS 3'oeiten SßeilS.)
Per fterbeube $üii0ltii0 unb tms
verlorene Sdjaf.
fbinc meiner erften $farrftefleu," jo erzählte ein
3® treuer, eitßlifdjer $aftor, ber nun attdj 31t feiner
T 9 tube eiitßeßaitßen ift, „laß in bent milbcften
Shcilc ber fdmneit ©raffchaft $errt) in Urlaub.
9 Reiite ©emeinbe bcftaitb anS armen Seutcit. Sie
©ohituitßen tu bem ßroßen, büitn beoölfcrteit 8aub=
ftrid) laaeit jo jerftreut unb marett oft burd) ihre
8 aße auf hohen, felftßeit Scrnabhäitßcn, in ©d>lud>=
ten ober an Sümpfen jo fchmer 31t erreichen, baß eS
für inid) feine leichte Sache mar, bie mir anoertrau=
icn ©celeit perfön(id) feinten 31t lernen, ©ic mären
bisher feßr oernachläffißt morben; oon ©cbulbilbutiß
mar unter ihnen nicht oiel 31t entbedeit. Sie mcitiß=
fteit fonitten lefen ober fdmeiben, unb oon ©otteS
©ort hatten fte faunt etmaS ßehört. ßiit fleineS
ÄartoffeU ober ©aferfelb hilbetc nteift ihren einaißcn
fflefife, unb burd) bie 9 Zotß beS täßlidjen 8ebenS
fchieitcn fic für alleS Rohere fo abßcftumpft unb
ttnentpfänßlich 3u fein, baß mir meine 9 lufßabe, ihr
Sßaftor 31t fein, eine trauriße unb ziemlich hoffnuitßS'
lofe fdtien. 2 lber ßrabe, als mir aller Sßitth auS*
ßehen mollte, ereißttete ftcb etmaS, baS mir toie ein
©onneitftrahl an einem trüben 9 ?eßcittaße mieber
Sretibißfeit unb ©offnunß aurücfßab.
Jjd) faß am 9 lbenb eines falten SebruartaßcS oor
bent Äuttiitfeuer meines fleineit ©obit3iinnterS,
unb oon ber Slrbeit beS SaßeS auSrußettb, mar id>
iit eines meiner ßeliebteit ©üdjer oertieft. Sa
flopfte eS an bie Shür, unb meine SBirthiu melbcte
mir, baß oor berfclben ein armer, ihr unbefauuter
50 Zann ftehc, ber ntid) 31t fpredten münfdie. 3di ließ
ihn ciutretcn. SS toar ein fchr ärmlich unb clcnb
auSfehenber üJZeufch, ber ntid) bemüthiß um Ser=
3eihtiiiß bat, baß er tnid) nod) fo fpät ftorc. ,M
bitte, ^err Saftor," faßte er, „fontmeu ©ie bodj
ßleich mit! ^ch habe einen ©ohn 311 ipauS, ber
arme ^uiißc ließt im ©terben, unb id> möchte fo
ßern, baß ©ie ihn befwbteit." — ^ch ftanb ßleid)
auf, unb mietoohl eS fehr fpät mar, ntaditc id) midi
bereit, ben armen 3 Mann 311 beßleiten. Söährcnb id)
mid) in meinen mannen äBantel hüllte, madite mein
©emiffen mir ffiormürfe, baß ich biefe aviueSantilie
bisher nod) nid)t befud)t hatte.
UntenocßS oerfudjte id) mit meinem ©efährteit
iit’S ©efpräd) 31t fontmeu, aber er fchieit 31111t ©pvedten
nid)t ßcneißt, unb mir leßten ben einftüubißeu ©eß
ßröfitcnthcilS ftillfchmcißenb aurüd.
SS mar ein befd)merlid)er ©eß, mandmtal über
(teile .?)üßel, bann loieber burd) jÄlammißc ©iefett.
ßnb(i(h machte mein Sührer ©alt an einem Serß=
abhaitß, oor ber £hür einer ©litte, bie mic eine
maßre SRobinfottShöhle in beit Seifen biitciiißehaut
nub oon ber übrißen ©eit oollftättbiß abßefdiloffen
mar. — 911 S toir cintraten, bemerfte id) auerft nur
eine alte Stnu, toeldie fid) an einißeit ocrfxliiiintcn-
beit Sohlen bic ©Anbe märmte, fid) aber bei meinem
Sin tritt erhob, um mir ihren ©diemel anmbictcit.
3 d) banfte ihr, beim in einem ©infei bcSBinimerS
hatte id), auf einem ©anfeit ©troh licßenb, mit
mettißen Sumpeii 3Ußebecft, ben Sranfeit entbeefh
ben ich befuchen mollte. SS mar ein iuitßcr 9 )(enfch
oon fiebtehu ober aefttaehn fahren, bem man eS an=
fah/ baß feine Saac auf ßrben ßeaählt maren. ßr
laß mit ßefdiloffenen 9 lußett ba, in einem 3«ftanbe
äußerfter firfd)öpfmtß. liefet öffnete er bic iluaen
unb ftarrte mich fd)ett unb oermunbert an. ?;ch
rebete ihn ruhiß an, faßte ihm, tocr ich fei unb ridj=
tete bann einiße einfad)e Svaßeit an ihn, um feinen
©eelenjnftanb 311 erfenneu, fanb ihn aber ßäiultd)
ttnmiffeitb in allem, maS beit ©lattben unb bie ©off=
ttuiiß ber fihrifteu betrifft, ßr hatte moßl einmal
etioaS oon ©ott unb 0011t jüitßften Säße ßehört#
aber oon ber firlöfuiiß burd) ben ©errn gefüllt
ßhriftum mußte er niditS, unb bie bid)tcfte Sinfter=
niß umlaßerte biefe ©eele, bie an ber Pforte ber
©mißfeit ftanb. — ?|d) mar tief betrübt unb faft
rathloS. ©ie follte ich eS utadjen, biefen armen
^üttßliitß, beit fd)on bie &ant> beS SobeS erßtiffett
hatte, nod) jeßt in ber elften ©tunbe 31t bem htiuus
führen, ber hoch and) für ihn feilt Seben hiitßeßeben
hatte, unb ber ja itidit miU ben Sob beS ©ünberS,
fonbern baß er fid) befehre unb lebe, ^ch fühlte eS
mohl, baß id) nid)tS thun fonitte, ©ottfelbft mußte
alles thun, unb fo erhob id) mein föera in flehend
lid)cm ©ebet 311 meinem ffiatcr im ©imtnel unb bat
ihn um ben ©eiftattb beS ßroßen SKathßeberS, feines
heilißeit ©eifteS; bat ihn, mir fclbft ben ©eß 311
meifen, auf melchem ich bie frohe s Botfdjaft 001t ber
SBerföhituitß hiiteinbriitßen fönnte in bieS arme,
umnachtete ©eutüth.
9 ?ad)bem id) fo mit meinem ©ott ßeruitßeu, fah
idj ben armen fitaitfen mit einem 93lid ooll 3 Kitleib
an, unb fein 9 lnSbrucf mürbe freuttblidjer, alS i<h
mit fünfter ©timmc ihn nun mieber anrebete:
Digitized by v^ooQie
Soziale KebelfJänbe uni iljre gebang.
99
„9Rcin armer 3iuific f bu bift feftr Iran!, id)
füwbtc, bu mußt viel au3ftel)cn."
ff3a r " jagte er mit Slnftrengung, „ich bin vedjt
(cblimm erteiltet, ber duften nimmt mir ben SÜbem
n>eg ttnb tbut mir meb!"
ir&aft bu bcu pulten fcf>on lange ?"
„Sld) ia, fdjon eine ganse SBcilc, beinab ein 3abt
ifFäfdmn her, feit td) ibn befaui."
„SBie baft bu bid) beim fo erfältet, mein 3unge ?
3 d) hätte acbvid)t, ihr müfetet hier an bie raubeguft
gewohnt unb vcd)t abaebärtet fein!"
n%i) frcilid), ©err s J5aftor," antwortete er, ,,id)
mar ber ftdrfftcn einer, bt3 su ber fcbredlicben St'acbt,
— e3 mar gerafce im Sinter vorigc3 3<tbr, - ba
batte fid) cin^ von 9Satcr3Sdjafcn verlaufen! iD^ein
Sater hält ein paar0d)afc hierauf ben bergen,
©avon leben u>iv. — SUfo cinc3 Slbcub3 beim
©urdnäblcn febtte ciu3, unb ba fd)idte er mich au3,
tß 5 » llldKMl."
„©abei baft bu bid) alfo erfältet, mein 3»ugc?"
„3^" fugte er, „c3 lag viel Schnee, ber SBinb
ging mir btirdj unb burd); aber ba3 beamtete id)
weiter nid)t, id) war fo inSlngft um ba3 Sd)af unb
wollte c3 fo gern finbeu!"
rrllub baft bu c3 bcun gefunben?" fragte id) mit
fteigenbem 3ntercffe.
rrO ia, e3 mar ein weiter, anftrengenber 9Barfd),
aber id) hielt mid) lürgeubS auf, bid id) c3 gefüllten
batte."
»Unb mie baft bu c3 beim nad) ©aufe gebrad)t ?
Sollte c3 benn gläd) mitgeben, ober batteft bu ba-
mit nod) reebte 2)2übe?"
„Sinn, id) traute ihm nid)t vcd)t, aufierbem mar*3
aber aud) tobtmubc, unb ba hab* id)’3 auf meine
Schulter gcuoutmcit uitb bab’3 nach ©aud gc=
tragen."
„$a freuten Re Rd) aber su$aufe alle recht, nidjt
»abr, atd bu mit bem Schaf surfteffamft?"
„M ia, 93a tev unb üÄutter, unb and) nod) viele
anfcere, bic am nädjften 3Rorgcn tarnen, um nad)
bem -3dkif su fragen, bie freuten Reh alle; Sie mif=
fen ja, ©err ißaftor, in folchen Sachen halten bie
Sacbbam febr sitfainmeit. (£3 tbat and) allen leib,
tag id) bie lange, falte 2iad)t binbureb batte bvatiftcn
bleiben infuteiu ©abei batte id) mir eben biefen
ßuftcu geholt. SDZcine "IRutter glaubt nicht, bab
ii micber gefitnb iverte; ©ott mein e3 — id) bin
nur froh, ba& ich ba3 Sdm gerettet habe."
ff 2Bic louubcrbar!" badjte icb. „3u biefer ©e=
ftbidRc ift ba3 ganse Goangeltum enthalten: ©a$
Schaf ift verloren, ber Satcr ienbet feinen Sohn,
um cd ah Rieften; ber Sohn gebt millig bin, bulbet
atkS ohne Ä?lage unb opfert sulcht fein Scheit, um
ba3Sdkif an retten; unb al3 er c3 gefunben bat,
trägt er^ auf feinen Stchfeln jur beerbe jurud unb
freut fid) mit feinen Nachbarn unb ffreunben, ba&
baß Scrforenc gefunben ift." — SWeiit ©ebet ivar
erhört, ber 23cg ivar mir burd) ©otte3 ©nabe ge=
wiefeii 3lcf> legte bem armen fterheuben jungen
tat fiaincu fceHVfrtan Öotte* au«, inbein irf> baju
ferne eigene, ewmfenbe ®cjdjtd>tc knuMe 34
las ihm bic uicr Sßevfe bc3 ln. Gamtc(3 beS ß»«n=
aflimii-3 öufii^ vor, n>o bic_treue Sornfaft beS ©ir=-
ltn ii'iT feine 3rf>aic io fcfv.'it fletchtlcett tutrb. ßt
iemerttc foflfcirf» bic StcbnliAbit unb folfltc mit
mit bem nrtMHcn Stntctcttc, ntS id) ihm beit «otten
JifbcS &feitOniffc» «ftävte. Set fcett öffnete
ihm ba3 SScrftdnbuiß unb tbat ihm ba§ ipers auf,
bau er ba3 Sort, ba3 ihm gefagt mürbe, voll ftreubc
aufnabtn. ©r fclbft marVn# verlorene Schaf; 3c-
fud 6bviftu3, ber Sohn ©otted, ber gute ©ivte, ben
ber 2>ater im ©iiitmel in feiner^armbersigfeit au3=
gefanbt batte, um ihn su fliehen. 6r batte alle
£>errlid)fcit, Die er beim ^ater batte, um ihn unb
aitbcrc, bie gleich ihm verloren maren, su fliehen unb
sn retten, ©leichmie er, ber arme 3unge, ohne
Silage ben eifigeu Scbneefturm unb ben fcbneibcuben
SBinb ertragen batte, nur von bem einen SBunfdie
getrieben, ba3 Schaf su Rüben, jo batte ber bann=
bersige ©cilanb allen ,^ab ber Simber, ©obn unb
Spott unb Schmevscu erbulbet, ohne feinen 2)2unb
su einem SBortber Silage aufsutbun unb batte sm
lefet fein tbeurc3 geben bingegeben, um und 2Kcn=
feben vom 3>crbcrben su erlöfcn, unb ivie ein guter
©irte überlast er feine micbergcfunbcucn Sdmfe
nun and) nid)t fiel) jelbft, labt Re auf bem gefäbr=
liehen 9Bcge nicht allcin T jonbern tmgt fiefidjer unb
voll g-reube in feinen Sinnen fclbft heim in bie
biiumlifrijcn ©ürben.
3)2cin armer fterbenber 3»nge fdjicn mie mit bur=
ftenbem ©ersen allcd aufsunebmen. ©r verftanb
allc3, er glaubte auch von fersen, ©inen fo beut*
liehen 33ciocid von berSBirfung be3 heiligen ©eifted
an einem SHenfdjenbersen hatte id) vorher noch nie
gefeben.
©er itvaufc lebte nur noch mentge Sage. 3d)
fanb feine 3cit, ihm einen anbern Sheil ber hei¬
ligen Sd)vift s» Icfcit ober su erflären. ©ic vier
©vangclien unibtcn in biefe vier SSerfe be3 8ufa3
sufammen gehängt iverben. ©ft fonnte er nid)t3
hören vor fdjrcdlicbcm, erftidenbem ©iiftcn; bann
micber verfiel er für furse Beit in (dimeren Schlaf,
aber fobalb er im Staube mar aufsumerfeu, cr^
freuten unb beruhigten ihn biefe vier Serfe.
6 r nahm 3cfum ©hriftum in ftnblidjem ©laubeit
ald feinen ©etlaub.au, unb oft betete er inbrünftig,
er möge auch ihn finben unb gleich bem verlorenen
Schaf ihn beimtragen in bie Sinne bed guten
©ivten. #
©r ftavb glucflicb, frieblid), faft iubelnb; unb bie
SBovte: „3cfu3, mein ©cilanb unb mein ©ixte!"
maicu bie lebten auf feinen gippen.
Äennft bu biefen 3efu3 aud) ald beinen ©eilaiib
unb ald beineft ©irten, lieber gefer?
(9?aihbat.)
Sajtale fCrbrUtaiibe unb iljre
Hebung.
Bm 3 . Sdjlaflfniattf.
HL
©ic ungesugeltc ©rmerb3fmht ift ein anberer
Sd)abeit in nuferem Sßolföleben.
Bmar bat berSd)öpfer beit 2rie6 nach Grmerb
unb Sefib in biemcnfcblidje Siatur gelegt, beim er
ift ein mäd)tigcr gaftor in ber ©ntmidlung unb
SJereblung be3 2Kcnfchengejchled)te3.
Slber ber 3ug su ermcrbeit unb su befifeen mu§
ubermacht unb regulirt merbeit, fonft mirb au3.Der
Digitized by v^ooQie
100
Sojiole Sebeljlfinbe unb tljre Hebung.
berechtigten GrmerbSluft bie fdmöbe Grwerbsfud)t,
bic uucvfattiid)c ©eminnfuJbt unb Habgier.
SSoit biefer ©elbgier ift ein gvofjer Sheil be3
9 Solfe^ wie oon einem wüften Taumel erfaßt. 3 n
wilber £>e|$iagb wirb beut Dollar nad>f\eia^t, alä
wäre cv baähocbftc ©ut, unb meint e$ and) auf ft'o=
ften ber ©ejunbbeit, ber 3ufriebenhcit, Ghrc unb
92ecC)tfcC:affcuf>cit gcfchicht.
Ser gewöhnliche ftdtcve unb ehrbare 2Beg©elb au
erwerben, ift fielen ju langfam unb müheocll, fie
mellen fd)itell, ebne oiel 9 lnftrcngung reid) werben.
Seähalb nehmen fie 511 aweibeutigen Mitteln, 51111 t
^ajavb- unb öorfcnfpic!, lotterten, Slktten, Spc-
fulationeti, fürs jitui ©cbwinbeltbum bie 3 uftud>t.
9lllc3 mill reid) mevben, unb awar febneü mit etli=
cC>en fühlten fingen ©riffelt, ob e§ auf bev 93övfe,
burct)(Sortiert itnMarft, burdjerfd)winbclteStaatä=
papiere ober Gifenbahnboub3gefd)ieht.
©elb, ©elb, biel ©clb feil gewonnen werben,
unb habet mivb alles auf'iSpiel gefefet. Selbft bie
ärmere unb bemitteltere 3>olfsflaffc tragt bie flüjfi-
gen paar (niubert SollarS au beu 93örfcumölfcn,
um unter ihren 9 lnmeiiuitgen au fpefulircn, in giu
teil unb Krediten papieren. So lange bann ein
„ 93 oom" anbält, fiitb fie nominell bie ©eminnen=
beit, bi$ auf einmal baä 9iab ber Spefulation fiel)
rßcfwävtS brebt unb fie nicht nur ibrei ©emiitneä,
foubevtt and) be3 eiugcfefeteu ©Jlbe-3 ocrluftig fiitb.
ä$on biefent Sohwiubelthum ift ber Jpanbelsftanb
au gvo&eiu Sheil ergriffen, trofe ben jo oielen mar-
nenbeit i^eifpiclcn.
^nt 3 ahre 1876 mürben iit wenigen Monaten
bret Millionäre buvcb ihre waghalfigen ©pefula-
tionen baufevott. 9lu3 ben taufenb s Seijpielcit,
welche fo ved)t ba 3 tolle ©pefulationSwcfeit veprä-
fentiven, fei hier nur ein 3 cvmäbut.
3m äahre 1879 ftarb in Kalifornien ein gewiffer
Mdiuttt) bettelarm, unb bod) mar er in feinem lie¬
ben mehrere Mal fteinreid) arme feit, 91U* oor 30
fahren bet ©efcbaftötheil ©acramentoS uieber-
brannte, mar er reid), beim er eignete oiele itauf=
läben unb SBanrcn. SBährenb ba3 Jener noch
wütbete unb 9 litbcre fid) über ben Skrluft grämten,
beftieg er ein flinfc$ 35fcrb unb faufte alles 9iauhola
unb alle Sägcntüblen in ber ganaeu Unigcgcnb.
Mad) einem 3abr mar er buvcb biefc Spefulation
ein mehrfacher Millionär. 9 ?ad) brei fahren batte
er burd) eine Minenfpcfwlation alleS loiebcr eiit=
gebftfjt.
(Sin 3ahr fpäter gewann er burd) geborgte fflerg*
merfaftien innerhalb neun Monaten eine Million
^Dollars. 9?ad) brei fahren mar er wieber ruinirt,
ttad) einem 3abt mieber ein amiefadter Millionär
unb in ben lebten fahren feinet SebenS ein bcttel=
armer Mann.
Ser $anbcl tft für bie SBetreffenbeit fein ge-
fttnber SSettlauf mehr, wie in früheren 3ahrhun-
berten, foitbern ein unfinnig betriebenesSpiel,
wobei man fid) fattut mehr 3eit aum ©Heit unb
©d)lafcn gönnt, unb hoch am Gitbe fid) noch ben
föalS brid)t.
9lit bie orbentlidje pflege bes fiörperS, an Gr-
holung, att bie hohem 311 tereffen beS ©eiltet unb
ber Menfdjhcit ift gar ntd)t au beuten.
Sie grofcen Stäbte werben immer mehr stt
©ammclpläfcen folcher Meitfdieit, weldte ftd) auf
fchnelle unb mühelofe SBeife jfteichthümer erwerben
wollen, tinb ba bieS nur feiten Sittern gelingt, fo
laufen fie in baS Säger ber Soaialiften über unb
bilbeit aur3eit ber 9lrbeit3lofigfeitcin gefährliche#
Glentent. Sie9lleltoerbefferungSpläite, welche bei
ben S 03 taltftcufithrern mie $>ilac auS ber Grbe
betoormad)fen, ocrmirreit ihnen aulefet ben Jiopf
gatta unb gar, ba§ fie in ffiirthShäitfern uitb
ßlitb^ bcrtimlungeru unb auf beit 9lnbruch beä
golbenctt 3 citalterö warten, währenb ihre ftami=
liett am $ungertud)e nagen.
Gin &auptmittel, bie Grwcrb^ unb ^efifeluft
unferer 9)coölfcrung in nupbringenbe ©eleife au
letten, beftünbe barm, bafe bie bemittelten 9 lrbei=
terflaffctt ber überfüllten grofeett Stäbte ihr ©elb
ben unfichern Sparfaffen unb Spcfulationoin-
ftitutionen entaögen unb Öattb bafür faufteit, uut
e^ felbft au bebauen. 2 Ber einen feften Villen,
9lrbeit«luft unb gefuttbe ©lieber hat, bringt e$
mit ber 3 eit auf bcitt Sanbe au einem gewiffeit
9Bohlftaitb.
®er Caitbmann tnu& au>ar and) fdimerarbeiten,
befonberä fiitb bie erften 3 ahre eines 9 litjiebler£
auf unfultioirtcm Saube mitoicl Mühen perbun=
ben, aber feine 9lrbeit ftellt ihm aud) fidtere Se=
lohtiung in 9lusfid)t. Seine 9lrbeit füllt ihm
Sdteune uitb Heller, Ätüd)e unb Sdtrein, bas Sanb,
bas er fultioirt, bas 9>ieh, bas er pflegt, bieGrub=
ten, bie er einheimft, bie ©ebäulid)teiten, bie er
errichtet, fattn er fein eigen nennen unb baä erwedt
Sclbftbertraiten, 3ufricbenheit mit feinem Sooä.
91 us bent früheren Saglöhner unb Jpaitbmerfer
wirb in wenigen fahren, wenn er oon feinen
befonbern Unglüdsfallen betroffen wirb, ein uit=
abhängiger datier, ber in 3tuhe unb Söebaglidtfeit
lebt unb mit froher 3 uoerfid)t in bic 3 ufunft blieft.
3n feinem Grmerb^aweig fiitb bie gehlfdjläge
fo feiten al^ itn ©aueritftanb, uitb feiner bringt
bei 5‘lcift uitb Gitergie fo fichern, wenn aud) nid)t
ben größten Grfolg.
Satifenbe oott 9lrbeitent in grofeett Stäbten
rnüffen oont frühen Morgen biä autn fpäten 9lbenb
oft bei ber brüefenben .^ipe unb fchwülen Suft in
stauch unb Staub gehüllt, auäbalten unb fich
abguälett» uitb wenn ber Monat herum ift, föttneit
fie froh fein, wenn bie Jpauäntiethe, ber ©rocer,
ber 93äcfer unb 5(cifd>cr beaahlt fiitb. Sie fiitb
Mafchineit, mcld)e ben SBeutel feelettlofcr Gorpo=
ratioiteit ttttb habfüdftiger Sabrifherrn füllen
muffen, bainit biefe ihre Grwcrb^jucht unb mag=
halfigett Spefulatioiten in nod) größerer 9lus=
behnuitg treiben tonnen.
Sic unruhigen 9Jörjenfpie(er brachten ben ge=
fammten ^anbelsftaitb mehrere Male an ben
9tanb bes 93anfcrotte^, währenb ber ©auernftanb
in ruhiger ficherer äöeife bic gefunbe Gntwidlung
ber ftiitanacn herbeiführen half.
9llle 93cfd)lüffc ber politifdten Parteien, alle
glätte be^ GottgreffeS unb ber gittanamänner
toaren ttidjt im ©taube bas ^}aptcrgelb auf ben
oollen 92emtwertb au bringen unb bic $art=
aahlung aufaunchnteu, bi'3 bie ungeheuren ^Jko*
bufte bes 9lcrerbattet auf beu SBeltmarft floifcn.
Sa floji ©olb bei Millionen in’ö Saitb, bie ^att=
belsbilana fdjlug jtt unjern ©unfteit um’ ttttb
bie 9lbtragung unferer ungeheuren Staatöfdmlb
fonitte mit beifpiellofem Grfolg unternommen
werben.
Digitized by v^ooQie
SonntagfdjuUfekt tonen.
101
Huf bem ruhigen fianbfifcc vergeben bie tttopi^
fd)cn ^lane unb bic ungezügelte Grwerbfucbt,
\nbem mau in beut georbneten fleißigen 23trfen
ben 2Beg gefunben bat, auf welchem man zwar
langjam, aber fid)cr zum 23efife unb 23oblftanb
gerätb.
®aS pvobateftc üXittel ift natürlich baS in ber
Schrift, bcfonbcrS vom Hpoftel VauluS fo nacb=
brüdlicb empfohlene: „GS ift aber ein großer Se=
winn, wer gottfeüg ift, unb taflet ihm genügen."
3ufriebenbcit, Seitügfamfeit finb Sd)äße beS
HeucnS unb wer biefc befifet, ben vermag bie
werböjud)t nid)t in Ueffeln au legen.
9Kit ber 6rwerbSiud)t gebt bie Vrmtf- unb
©enuftfudjt Hanb in Hanb. ®aS (Erworbene
zur Verbefferung unb Verfcböncrung beS Gigen-
tbumS, au größerer ^Bequemlichkeit im HauSwefeit,
jur HuSbebnung an vetwenben, ift billig unb
togar Vflid)t.
GS ift nid)t baS fReicbfein, fonbern baS 9Jeicb=
tbun, nicht baS Votnebmfcin, fonbern baS Vor-
nehmtbun, worauf ber ©efellfchaft ber gröfttc
Schaben envädjft.
jaufenbe jagen beut Selbe nach, um'ein flottcS
InsurtofcS tteben fübrcit, ben ftnnlichcn Vergnü-
? ungen nadigeben unb allerlei lüften fröbnen m
önnen. ÜMan nehme nur eine Leitung aur Hanb
unb febe bie vielen Hnacigen für Vergnügungen
aller Hrt, bie für bie Vcranftaiter eine profitable
(Sinnabmequcüe fein muffen, fonft würben fie
biefelben iid)t fo oft ucranftalten.
Sei folchen 3utammcnfünftcn wirb in foft-
fpieliaen Äleibern geprangt, bie feinften Speifcu
unb ©cträufe werben veraebrt, baß oft an einem
Hbenb ber faucr verbiente 23od)enlobn, ber mit
Sier im ©efehäft erjagte ©ewinn veraebrt unb
.verjubelt wirb.
Hocbgefteüte, gutbefolbete Seamte haben ihre
Stellungen zu ©eftecblicbfciten unb Unterfd)lcifen
miftbratidd, um ben fiujuS unb bie verfcbwenbe=
rifd)e f!ebenSwcife ihrer Familien aufred)t erhalten
au tonnen.
9Kand)e ÜRenfchen geben mit beut ^Dollar um,
als waren eS feurige itoblen, bic ihnen Köcher in
bie Xafd)e brennen, ober baS HauS in flammen
fefceit würben *
Sei ber erften Sclegenbeit muft eS für Staat,
Vufe, äeeferbiffen unb tbörid)tc Vergnügungen
auSgegebeu werben.
‘Sic rafd)e Vermehrung unfercS nationalen
23ohlftanbeS, ber ohne Sleidjen in ber Scfcbicbtc
baftebt, bat natürlich viel baau beigetragen, ben
Seift ber Vcrfcbweubung au werfen unb au nähren,
aber ber 92eicbtbum unb SBoblftanb folltc unS
Urfache werben, in frommer Semutb vor Sott au
wanbcln, fonft wirb er unS alS Verächter feiner
Süte feine Strafe au fühlen geben.
9US 3frael aur 3cit beS falomonifdien 23ob(-
ftanbeS Sott vergaß, verfchwanb ber 9teicbtbinn,
bie 2)tad>t unb Hcrrlidrfeit beS VolfeS wie ber
Schnee vor ben warmen Strahlen ber Sonne.
9tom batte unermeftlidje 9teid)tbümer, uner-
fcböpflidie Hilfsquellen, mächtige flotten, glän-
aenbe SRilitärorganifationen, ein großes Heßwcrf
von Sfeftungen unb Straften, unb bod) begann
ber innere Verfall lange zuvor, ehe eS eine Vcute
barbarifeber Horben warb, in jener 3?it, als bei
feinen Vürgern SIcidjtbum mehr galt alSSeifteS-
febäße, unb 3)iad)t unb Hettiter gefud)tcr waren
alS Sitgenb.
SSBenn bie (Sinfünfte von unfern Hilfsquellen,
frud)tbaren ßänbereien, auSgebcbntem Hanbel,
ergiebigen 2Rinen unSjiid)t unter ben Hänbcii
verfdiwinben follcn, rnüffen wir ferne bleiben von
Stola unb Ueppigfeit.
92ur SotteSfurcbt unb dwiftlidje Giufad)heit
fönnen unS auf ber 33abn beS SBoblftanbeS unb
SlürfeS erhalten.
-<■--* 0 » ■
Sonntflgfdjttl=# 'ritttonen.
Sonntag, 4. gehr. 9(poftelgefd)id)te 3, 12-21.
2>et giirft he« Sebent
L Serlittgntntg M #eili(|ni. V. 12—15. HlS
$etruS a 3 fab, baft lic fich über baS ©'
fthebenc uemuinbevtcn (V. 11) unb fid) fo gar nid)t
bareiu z» finben wußten, fonbern jo viel tfragenS
barühor unter ihnen war, an twortete er alS
gnvieDctung unbVefd)eib barauf: 23aS Willi¬
bert i l> v c li ch u. f. w., b. b. bleibet nur nicht
gar fo fein* hloS au ber aufterorbcntlichen 6 r f ch e \=
nmig bcS 23organgS unb bem bloßen Rümpfen
Staunen ü&er feine euch unerflärlichc Hüften feite
Men * o b c v iv a S f c b e t i b r a u f u n S u. f.
w b h- hieibet and) nicht bloS bei ben meufcb=
liehen 2 Berfacufl€ii haften, alS hätte irgeub eine unS
inwohnenbe gebeimniftvolle Sitaft ober unfer eige*
ncS Verbien ft (etwa wegen unferer befonbern
Srömmigfeit) baS 2Bunber gewirft, ftatt in’S 3 n=
n e re ber Sache einzubvingen unb eud) auf ben au
befinnen, in beffen Dicnft wir bloS ftehen, bamit
ihr uid)t in bie beibnifche Sünbe (Slöin. 1 , 25 ) vcr=
faltet. Gr tabelt alfo nidit bie Verwunbcrung au
fid>, fonbern nur ihre falfche Heufterung unb Vor=
auSfeßiiug unb ihren wahren (Srfolg in bloftem ge=
banfenlofem Hnftauncu. ©egenüber biejem ihrem
Slrrthuin acigt er ihnen nun aber and) ben wab 5
reit SufantmcnbangunbSadwerbalt: ®er6 )ott
91 b ra h a ntS u. f. w. 9llfo ^ebovab, ber s Bun-
beSgott febon ber erften Stammväter uitfcrS VolfeS,
alS ber and ieiten brei Patriarchen bervorgegaugeneu
12 Stämme 3ü*ael, bat fein $inb (eigentlich:
Unecht, vergl. 9Kattb. 12 , 18 . 3ef. 42 , 1 ff.) ^e-
fum, in beffen Stauten ia bie Heilung gefchab
Digitized by v^ooQie
102
SonntagfdjuUfehtionen.
(25. 6) Derf I&rt. Son bem eigentliihen Uvhe=
ber bc^ 2BuitberS geht ©etruS alfo fofort and) gu
bcifcit eigentlichen $ w ed ft bei*, nämlich ber ©cr=
hevrliehung Ghrifti uub buvd) ihn nud) beS ©ater*,
waS ja alS 2Äittcl 311t' ßrwedung imb Stärfuiig
beS ©laubeitS an ©eibe (3oh. 11, 42) überhaupt
bic Kbficht alter äöunber Ghrifti ift (3of). 2, 11.
5, 20. 36. 11, 40.)
SB eiche n ibrber rontifeften Obrigfeit, alfo
bem „©ericht ber Hcibeit" (Suf. 18, 32) 311t ©oll=
gichung ber SEobcSftvafe üheran twortet unb
alS euren 2RcffiaS unb rechtmäßigen Jftmig per-
l ä u a it e t h a b t, ocrgl. bie Vorgänge Por © i l a=
t u 3 (Suf. 23, 2 ff. 3fob. 18, 28-19,16), namenb
luü bei ber 2Babl gwiichcn 3efuS unb ©arra baS,
um ber ©egenfaß gwifcheu bem $ e i l i g e n (= ®ott=
geweihten, Suf. 4, 34) unb ©erechten (3ef. 53,
11. $tol>. 8, 46) unb bem 311111 Xob berurtbeilteu
Korber (2Barf. 15, 7) bcfonbcrS ftavf hevpor=
tritt, ebenjo nachher gwtkben bau Surften beS
8 ebe 11S (Hebt*. 2, 10. 12, 2. ^oh. 1, 4. 3,16.
11, 25 ff.) unb bem X obte it beSfclbcn, unb bann
loiebev umgefehrt gwifcheu biefem Sotten unb
bem Kuferwedeit bon beu lobten, wo=
burcf) er eben „üerflävt" (25. 13) uuirbe; uub gwar
loirb alS Urheber ber 3(u?ermcdung auch hier
loiebev, loicmohl auch ber Sob u baS Sehen in ihm
felber hatte (;Vh. 5, 26), ber ©ater genannt, ioie
W\tp. 2, 32, wäbreitb bie 21p 0 ft el ihre wahrheits¬
getreuen uub gttperläffigen 3c ugen fiub (l Gor.
15, 5.)
Gbcnfo ift aber auch baS Soll felbft jeßt Senge
feiner ©erberrüchuiig burch baS eben gefchehene
9Bunber, in welchem er ftch gleichfalls alS ben „Süv=
fteu beS SebeuS" geoffeubart hat. ©ei bem g.iuseit
©erhalt, ben ihnen ©etruS macht, um fie burch
nachbrudliche Sriunerung -an ihre fdjwere ©erfüit-
bigung au ^eju 311 aufrichtiger ©uße barüber 311 bc=
wegen, ift etne Steigerung ihrer ©ebulb gu bcmcrfcit
(überantwortet — ucrläugnct — gefreugigt), bie
aitßcrbem noch in ein hoppelt helleS Sicht gcftellt
wirb burch ben fchoit bcgeidmeteit boppelteit ©egen*
fafe, einerfeitS gwifcheu 3cfttS, ber Milieu nur
wohlgcthan ODlarc. 7, 37) unb bem Uebelthatcr
©avrabaS, ber nur Unheil anrichtete, unb an-
bererieitS gwifeben beu Reiben ©ilatitS, ber
’ eit eit (oSlaffeit wollte, mtb beu 3ubcn, wcldie
iejeu loSbateit(obwohl fie fein GigenthuutS=
oolf, 3oh. 1, 11, nicht ©lieber einer frcmbeit
Station waren); unb boch ift gevabe burch ihre
Schult 1 3)tof. 50, 20 im höchftcn Sinn erfüllt.
II. ®r ff} ber BAmaihttyr. ©. 16—18. Öurch
ben ©laubeu au fernen 9tamen, b. b.
auf ©ntnb beS G)(aubeuS ber 9(p 0 fte l an ihn alS
beu Ferrit uub ©tcifiaS ^fvaclS (2,36), hat er,
fid) 31t ihrem ©laubcnSwort (©. 6) befeunenb, be=
(tätigt feinen 9t a nt e n a(S „Surft beS 8e-
beitS" (25.15) unb Duell allcS .^eilS für fein ©olf;
ber nachher genannte © l a 11 b c b 11 r <h i h u ift ba=
pegeit ber burch bie 2Birfuitg feiiteS ©eifteS auch
tn beut 8 ahüten fchoit bci’in erfteit Süd ber
Stpoftel gewirfte ©lauhe. ©eim 3oftaitbfomutcit
ber Teilung oevciitigte ftch alfo ein boppelter
©laube: ber wirfenbe berSttpoftel unb ber
e nt p f a tt g e it b e beS ©cheilteit, bie Heilfraft
S elbft aber lag in beut ooit ieneit beteub aitgeriu
eiten unb von biefen oevtraiienSooll angenommen
neu 9tamen 3efu. Diefer ift wohl fchoit a it u it b
für ) i ch f cl b ft ftavf unb wirfiam, fein inhaltS=
leerer, wirfungSlofer, bloßer Schall, aber erft burch
©ebet unb ©laubeit, ber alfo gleichfalls „fein leever
28ahu" ift, loirb er and) bei unS mtb für unS wirf=
iant unb ftavf; uub auch feine Gmpfänglicbfeit beS
©laubenS wirft nur ber Jpcrr allein. 9luf beit
iebarfen ©erweis (©. 13 ff.) folgt nun baS milbc
herjgewiitncnbe SBort ber Siebe (baher and)©. 17
bie oertraulich freuitbliche 2litrebe: „liebe© v ü=
ber" gegenüber ber feierlichemften in ©. 12), benn
fie folleit nicht persagen mtb Pcrsweifefit, fouberit
glauben unb hoffen.
®urch Uitioiffeitheit, foferit bie SBaffe
beS ©olfeS wetiigfteitS ihn noch nicht alS baS, waS
er wirflid) war, pollftänbip erfannt hatten, baher
cS auch feilte benutzte Ginpovuug gegen ihn alS beu
9 )tcffiaS war (pergl. Suf. 23 , 34 ); wie a ud) eure
Ober ft c it (1 Gor. 2, 8) fügt er bei, um nach beut
Gruft, womit er gupor gesprochen neben aller itoth*
ipeitbigcn Strenge and) alle cittichulbigenbcn Unis
ftanbe wahrheitsgemäß gut Sprache 311 bringen, ba=
mit feine ©cfdiulbigimg feine ungerechte fei. 28 ic
GhriftuS leib eit füllte, um eben burch bieS
feilt Seiten uub Sterben fein ©olf gu erlbfcit (Suf.
24 , 25 ff.), ift ber Hauptinhalt aller 2 t 5 eiffa-
gung im 91 . $., wenn and) nicht pollftänbig.
W(ar bei icber eingelneu, fo boch wenigftens in
ihrer ©cfammtlieit; burch ihre Srf üll u n g pou
Seitcn©otteS aber ift bie Schult beS ©otfS feinet
tocgS aufgehoben, anbercrfeitS jeboeb eben bamit
auch ber cingige 23 eg gur ©ergebung berfelbcn er¬
öffnet; eS ift alfo and) für fie noch ©ettung nt og-
lieh tuib eben bavutii ©uße unb ©efchrimg 11 ö-
thig(©. 19 ), loeil fie baS eiitgige Mittel gurGr^
langitng berjclben ift, baher folgt ttmt fofovt bie
9 ltijforberuug hicjit.
III. dr ift ber ^rldfrr (©. 19 ): ©etruS folget
alS Schluß, auS bem bisherigen bic birefte fMuffor*
bcruitg ber 3 nbcu gur iintern ©inneSänberung
unb äußern Umfchr Pon ihren bisherigen bbjeit
©Regelt (©. 13 ff.), alfo eine pra ftifd)e Kente¬
rung ihres gangen ©crhalteuS (©. 26 ), mtb
begeidmet alS unmittelbare SSirfung berfelbcn eine
ebenfo poKftanbigc ©erauberung ihres gegenwär¬
tigen unb gufflnftigen ©er bä (tni ff eS 311 ©ott
in boppelter 28 eife unb gwav a) alS uächfte
So (ge: bie KuStilguitg ihrer ©ünbe (baS ©ilb
wie Gol. 2, 14 pou ber ©d)rift eine Urfunbc, g. ©.
eines ©dntlbfcheinS, bie auSgelbfdit loirb), unb
b) alS weitere Solge: bie nach Aufhebung
ber Schutt nod) ferner su hoffeitbe ScgcnSgeii : 0 $.
20 ff. 26 ), in bie er ihnen einen bie gange 2Öelt
uub Bufunft umfaffenben (©. 25 ) ©lid eröffnet,
©uße unb Scfchvung ift alfo bie 111111111=
gängliche©riutbbebingung alles öeilS, fowoht
ter ©Jegfchaffuitg bev pcrgangencn Sünbe, alS ber
fünftigen ©egabung mit ben Schaßen göttlidjcr
©nabe (©. 26 ), ohne biefc per} 01t liehe Grfah=
r u njj ber 28 i c b c r g c b u r t faitit 9 ?ientanb in
baS 9 teich®otteS fomrnen Qoh. 3 , 5 ), and) bie
beu nicht etwa fdioit beSbalb, weil fie „KhrahantS
Same" fiub, oielntebv gerate alS ©ettoffeit biefeS
©uitbeS mit ben ©ätevn (©. 25 ) (teilt ©etruS biefe
beftimmte fittlidic ^orbermtg beS ©laubcttSs
gehorfautS au fie, (teilt ihnen aber and) unter
tiefer ©orauSfefeung bie fid)ere Aufnahme in baS^
Digitized by v^ooQie
SomitogfdjuUfekUoaeit«
103
felhc burdj bcn gerabe für fic, wenn auch nidjt
a 11 c i u f bo d) jucv ft unb aunädgt alo i h r e n
(läitgftvcvbciöcncu) üRcjftaS vorbattveneu unb le*
benfcigcit &eilanb (©. 26) in gewiffe Auöfidjt.
Daö neben Dem negativen Moment ber 43 uö e
auch VaS iß o f i t i ve beS ®la u b c n '3 alS ebeitfo
abjolut nothmenbig tit beni biblifdjeit ©ollbegriff
ber ©efelnmng mit cingefdjloffeit ift, attd) weint eS
biet nid)t auSoriicflid) genannt wirb, ergibt ftd) atiS
Stellen u>ie iÜiarf. 1, 15 unb verftebt ftd) eigentlid)
von felbft, iofern et ja bie belebeitbe wirfjameihaft
für bie fittlidje UmÜcbr felbft unb iit^befonbcvc bie
ftauptbetringung für beit Smpfaitg ber fmtbever*
aebenben unb beiliaenbett ©otteSgitabe ift, worin
färben (Si \\\ e l ne n fein perf onli d) er © cilS*
befife befd)loffcn Hegt. $un weitbet ftd) aber
©ctrnS im Svlgcnbeit auch uoeb ju ben für baS
(S a tu e ber d) r i ft l i d) e it St i r dj e alS @e*
meiitbe Sbrifti nt boffenben Seanunaen.
VI. <gr iß twr ftänig, brr fomwt: ©. 20. 21.
Die längft verheißenen (;>f. 35, 10. Dan. 7, 22.
27. $ebv. 4, l. 9. ff*) unb baruut aitcb länaft er*
fehitten Briten ber 6 rq ui dun g, in wehhen
auf bie £ifec, ben Sturm unb Drang t>c3 ftantpfeS
unb ber Xrübjal 9ttil>e, ftcicDe unb (Svlofnng folat
(2 Jbeff. l; 7. 3?öm. 8,21 ff.), unb bie eralS wei*
tcre berrlidte 3folge ber Sefeiming CB. 19) in AnS*
Ütt ftellt, finb, a(3 fontnteitb vom Aitgeficbt
beS Ferrit, als von ihm felbft au5aebenb
betelcbuet, auch iveun fie bitrd) bie fittlicbe Dbat be6
iWeitjcbeit bebt nat finb. ÜBenit er fenbeit
ivtrb vom ftlutinel her, in fid)tbarer ffiieberfunft
(Jtap. I, ll), Den, ber audjjefet ijuvorfdwii
tu gläubiger Annahme feiner fünbenveraebcitben
unb heUigenOcit (Siube a e p v e b i a t wirb, we l*
(ber mu& ben öintmel ein ne buten, beffer:
welchen muü ber föimntel einnebmeit, alS fein für
ihn biMtimmter Aufenthaltsort (Sol. 3, 1.3), nadj*
bem er ftd) bei feiner Himmelfahrt (2, 33) gefebt
hat *ur Rechten (Sottet (oebr. 1,3). Daher*
wiebergebraebt (aurüdaeftellt, iDhttb. 17,11)
wirb alle# u. f. tv., b. b. ctUe von ber erfteit
©ctbeiftmtg im ©arabieS an (1 3Roi. 3, 15) gege*
beiten SBetlfaguttgett in ihrem auf baS lebte Silbe
iieleitbeu Sinn erfüllt ftitb; aemeint ift alfo bie Beit
ber fdjlteBlicbcn unb vollftänbigcn HeihSerfüllung
am (Sitbe ber gegenwärtigen üöelt^cit (üKattb. 19,
28) in bcin neuen Himmel unb ber netten Svbe (2
©etr. 3, 13), wobei aber feiite3weg3 an bie fef>rift-
tvibriae Sehre von ber fog. „ffiieberbringuita aller
Dinge," b. b. an eine julefet eintretenbe Se f ec It*
gung aller Sreaturen, auch ber ©ottlofeu,
aber autn ©olf rebeten, ttebmlidj ©etruä
unb Sobaitneb (3,1), an bie $ap. 3, 12ff. berich¬
tete ©rebigt be3 Srftereit noch wettere ©emerfun*
peit unb Srntabnungen anfnüpften, traten ju
tb neu bie ©riefter, bie ben Dienft ber levi=
tifdten Dempelwadte verfabeit unb in beut 3u s
fammeitlauf be^ ©olfe^ ©flidjt unb i)ied)t ju
amtlichem (Sinfchreiten um fo lieber faben, alö |ie
in bem bffentlidten Auftreten ber Slpoftel ohne
Sefugnife 311m lehren eine ©erlefeuitg ihrer
Stanbeöwürbe erfannten, unb ber ^aupt =
nt amt beä Dempelo al^ ihr ©efeblbbaber
(1 Sbroit. 24, 5. 8ut. 22, 4) unb Inhaber ber
©olijeigegewalt, unb bie Sabbucäer.
Die ©barifäer betrieben, wie eö fdjeint, nad)=
bem fie buri^ bie Älreuaigung Sbrifti felbft ben
ftauptfcblag auägefübrt batten, bie ©erfolgung
feiner Angehörigen nid)t mehr fo ftreng, weil biejc
la ba5 Cs)efefe 2Koft3 hielten, ohne gegen bic fd>rift-
licbeit Sabuttgen aufsutreten, and) wenn fie bieje
nicht mehr au beobachten fid) vcrpflid)tet hielten;
bie ohnehin nur auä unwifienben (Saliläern
(2, 7) beftebenbe Sefte mochte ihnen ttid)t febv
aefäbrlid) erfdteinen, baber auch (Santaliel
(5. 34 ff.) ziemlich milb, aber aud) etwa^ gering^
feväfeig über fie urtheilt, vielleidjt in abfid>tlid)cni
©arteigegeitfafe gegen bie Sabbucäer, weil ber
erftc Angrtffvoit biefett aubgegangen war.
Den ^auptauftoü nahmen ttefetere aud) hier,
wie fd)on 9Batth. 22, 23 an ber von ©etruö ge=
lehrten (£ap. 3, 15), von ihnen aber geläuaiteten
(ffap. 23, 8) Auferftehuttg von ben Dob =
ten; alfo itid)t bai8 ©tinber, fottbern ba^
2B or t rief bcn SBiberftanb hervor, erft wenn ba^
ffiort von Sbrifto bem ©efreuaigten unb Aufer*
ftanbenen *bem 9Henfchen per foul ich nah ge-
brad)t tvirb, regt fiÄ ber ®ibcrfpruch feines uatür=
liehen ipcneuS gegen bie gcttlidie SBabrheit. Hub
f e fe te n fie ein, nämlich ©etvuä unb Johannes
(©. 13,) H'abvfd)einlid) aud) beit ©eheilten (©. 10
unb 14) unb awar in baS beim Dempel gelegene
(?|er. 20, 2. 29, 26) allgemeine ©cfäugnip (Apo-
ftelgefd). 5^18) biö an ben borgen, bamit
bann ber hohe 9?ath (©. 5) über fie ®cvid)t halte,
wa3 iefct nicht mehr gefdjehen fonnte, beim e$ war
hereiti Abenb, b. h. nach 6 Uhr. Alfo mit
fleifchlid)en SBafteit unb )vcltlid)er SWacht tvollctt
fie baet ®cvf ©otte§ bämpfen, weil fie e^ mit geilt*
lid)cn3Saffen nid)t hefämpfen fonnen; aber and) bie
weltlid)e 90?ad)t hilft nichts, beim fo lange bie
Säeutännev Shrifti im ©efängnift fddafen, wäd)|t
ber Same bc-3 9BortS nur befto ftävfcr (©?avf. 4,
aubmfen ift.
Sonntag, 11. Seh. Apoftelgefchichte 4,1—14.
Wur in Warnen ip .peil.
I. 6rbt 9t*mt »$r» nrfftnf^trt. ®. 1—S. 3tt
bereiften ®crfo(^«ng unb Serbaftung ber
Jfooftef, unb twar mitten in ifiret SöcrurSarbett
fMattf» 28, 19. 20), erfüllt ftd) bie 93orbctfagung
Sbrifti (Wattfi. 10, 1« ff.); aber beinah and) bie
bert gegebene ®ctt»etBung (®. 19). 3t (i fie
26 27.)
II. Stau glaubt ou H«(®. 4). j£em®erid)t
ft ber bie näd)iie Süßere golge von ®etrt ®vcbigt
feint mm ited> nadjtraglid) ber über ihre innere
SBivtung: ® icl c tut t e t bcn eit tt. f. tu., alfo
nidit n (1 e, beim 3?iclc bürten nur mit ben Obren,
nirbt mit beut .öertcit, n> u rb eit g tä u big, b. h.
non ber SSnhvbcit iitnerlid) überteugt, fo baft fie
fidj beim and) äußerlich mt bie ©emeinbe anjdilofs
fett, unb tn>ar bei 5000; fdion Üicip. 2,41 mar
bic fleinc ©emeinbe bi? auf 3000 gemadifcu, in ber
auf ®etvi ®vcbigt folgenben Beit, fdimerlidi g(eid)
an bemiclbcn Sage, tarnen binjii nod) ivcitevc 2000
fjftänner, baueben mobt aud) nod) eine entfprc=
dtenb große Bat)t von Sreuten (1, 14. 5, 14).
Digitized by v^,ooQLe
104
SonntagfdiuUfehiionett.
Ghviftub würbe auch hier beit Ginen sunt beit
?lnbcvu 311m Slufcrftehcn (Suf. 2, 34), bie Gineit
fautcu 311m obüißcit Suvdjbrud) unb aub bcr bloßen
Scrwunbcuiiiß (3,10) jur Sewunbcruitß unb sunt
©lauben, bei beit 9lnbcvcn baßCßett tritt jefct ber
SBibcrftanb alb cnticbiebeite ftcinbfelißfeit auf.
III. 3cfu Äame wirb bertfjeitiißt (S. 5—10).
Sie Oberiten, 9lel.icftcu unb Schrift*
ß e l e h v t e n luavcu 9)2 itß lieber beb hoben 92a thb,
alfo beb hödiftcu ßciftlicheit ©cvichtbhofb, bcr ftch
iefet in förmlicher unb feierlicher Slcnarfifeuitß,
wahvfcheinlich in bcmfclbcn Saale, too fie cinft aud)
definit sunt £obe ocvurtheilt haben (D?atth. 27,1),
ocrfammclt, jene bcibeit alb Seprafentautcn beb
Solfcb, bieSebteven alb Inhaber bcr ©cfefecbfunbc;
basu noch bie ücbcutenbften unb bacunt mit Samen
ßena nuten Vertreter beb Srieftcrftanbcb, uämlid)
bie £> 0henpr iefter .£> ait na 3 uttb $ai5
Phab, ber Grftere alb Schwicßcroatcr unb SSor-
ßäiißcr beb Sebtcreit noch im Scfi& bcr £>ohen=
priefterwüvbe unb beb Sitclb, biefer ber eißcntlichc
Strdßcr beb ?lmte3*
3ohanneb unb 9lleranber, swei toeitevc
foult unbefannte ©lieber ber batualb rcßiercitbcn
hoheupvieftevlichen Familie, aub bereit Ä'tcib btefe
hochite cinRußvctdic Stelle fchott läitßeve 3cit befefct
mürbe, jo Daß fie ßleichfant ein erblicheb Anrecht bar*
auf hatte unb eine 9lrt 9(Dclbftanb bilbctc, 10031t
toahrjcheittlicl) auch ber ftap. 19,14 genannte S f c 0 a
flchörte, beim einen eigentlichen .ftohenpriefter biejeb
Sameub ßab cb nie. ©eit 3’r 11 ja lern fautcu
fie oon ihren außerhalb ber ©auptftabt ßclcßcncn
Sanbhauieru.
Sic (teilten fie oor ficf> f Inmitten ihreb
fireijeb Qoh. 8,3), baß fie 0011 allen 100hl ßefcheit
werben fonuteit, namentlich auch bcr sur Gonfron*
tation mit hcrbciacsoßcne.Öchcilte (93.14). 9(ub
10 eich er ©cwalt» b. h. euch 31t ©ebot ftchcnbcn
ftraft unb Soüntacot, ober in loelchetn kanten
unb9luftvaß, bentt jene 952ad)t habt ihr ja icbcitfallb
nicht in unb oott euch jelbcv, fonbent fie muh euch
buvch einen 9lnbcvn, in beffen Sienft thr nur ftchct,
3iiv Sevfüßitnß ßcftellt fein* Offenbar beitfcu fie
bavan, bafj bcr bei ber £)ciluttß aubßcforochcne 3cfub=
namc (3,6) ivßenb eine ßchcimttißooll toirfettbe
Saubcrforutel fei, ober aar, baß fie bab SBunbcr
buvch bdmonijehe Ginjluffc (9)?atth. 12,24. 10,25)
ßethait haben; bie ßcuau formulivtc Scrhbvbfvaße
betrifft (iljo nicht bie Sehre ber 9(poftcf, fonbern nur
ihre SBunbcvthat, unb Setrub richtet hernach (33. 9)
feine Antwort nur auf leßtcre.
Soll beb heil, ©eifteb, in biefeut fritifchcit
Slußcnblüf mit befottberer Srcubißfeit unb Grleuch-
tuitß burch benjelbcn aubßcrfiftct, Oßl. Äap. 13, 9.
Suf. 12, Uff.; forach 31 t ihnen jc. Sic nun
folßcttbe Scvtbeibißiuißbvebc zeichnet fieß loieber
buvch ihre bejonnene maßoollc Scjdicibenhcit neben
aller ernften feften Gntfchicbcnhcit atib, fie ift ooll
SDiuth unb Semutbf 9Bävme unb ftlarhcit, ©eift
unb ft'raft, Gif er tutb Siebe. Schon bie 9(nvcbc:
3hr Obcvftcn beb Solfb, bcioeift bicb, fie ift
nicht tvopiß uttb bodmiüthißj fonbern loürbiß unb
chrcrbietiß, ßiebt aber su oerftehen, baß bab, ioab fie
iefet thun alb Vertreter beb ßauscit 93olfb, für biefcb
felbft, in beffett Samen fie hanbcln, ßefchicht, unb
bie Serantioortuiiß für bie (Sntfcßeibuitfl 001t ßattj
3^racl alfo aud) auf fie aurüdfällt.
Gr oerläußnct ttidit bic fdjulbißc 9lchtunß oor beit
Sräßevn beb 9(mtb, bereit Oiccht alb ßcfefeliche Obriß*
feit er anerfenut, mochten fie auch pevf611 lieh ihreb
9lmtcb unb feiner 9lchtmtß umourbiß fein. ©c =
r ich te t über biefer 3I> 0 h l t h a l, ein feiner unb
hoch fchavfer Stich = fonft wirb matt nur aitßeflaßt,
wenn man Sbfcb ßcthan hat, wir aber, weil wir
Öutcb ßethait haben (1 Sctri 2,20); aber itidit an=
berb hat tttatt eb CShrifto aud) acmadit, 3oh. 10,32.
Orud) unb allem Solf 3 k bracl, beffen Die-
pväfcntantcn ihr feib, fei futtbßethan u. f. w.
Offen unb frei, fühlt unb uttcrfdirocfeit ßiebt bcr=
felbe Sctrub, bcr cinft 3cfutn oerlaiißitet hatte, hier
Bciißttiß für eben bcnfclbcit 3cfub, unb macht ba=
mit ßut, ioab er bort im Sorhof beb £>obciuntcftcrb
bbb ßctuacht.
3n betit DJanieu 3efu ßhrifti, nur in bie=
fern allein unb in feinem anberen, wie ihr etwa beti-
fet; wchhett ihr ßcfveusißt habet, batttü
ßeht Setrub bcrcitb 001t bcr Scrthcibißtniß 5111119lit-
ßriff über, wie jtap. 2,23. 3G. 3,14ff. Steht
biefer k ., er beweift baniit, baß bie .^cilmiß beb=
felbeit eine wilflicbe ihatjachc, fein trüßerifchcv
Schein ift, unb beruft fiel) bafür auf fic felbft alb
unjjattheiijcbc 9lußcit3ciißcn.
VI. 3cfu Äarnc wirb ficflcn (SB. 11—14). 9?oc{)
mehr alb febott S. 10 toiib hier bab 3ctißitiß Sctri
5ttr 9lnflaßc, feine dichter $u ©cridjtetcn, bereit ßc^
toaltißeu 3rrthum tutb fcbtocrc Schulb er tro($ allcb
billigen SJcfpeftcb Oor ihnen, alb bat rcchlmafuß bc^
ooüiitacßtißtcu ßeiftlidtcii Sorftaubcit unb ©cfcb=
ßebent 3braclb aufviditiß unb uitumwtitibcii blofc
ießt unb fie oor ben 9ltißctt beb Solfb 1111 b ihrem
cißcitcn ©etoiffen befchantt unb branbmarft.
©crabe fic, bereit ßbttlichcr SScruf eb ßewefen
toarc, treue führet tutb Sflcßcr bcr G^cmcitibe gu
fein, haben fich alb fcblccblc unb ßcwiffcitlofc ßirten,
fic, bic ben ßciftlidjcit Seinpcl beb ©cvrn außurid)-
tcit bcrcchtißt unb oerpfliebtet toarett, alb blinbe ur=
thcilblofe Saulcutc betoiefen.
Sab ift ber Stein tt. f. w., ttatttlich ßerabc
bic Sßcrfon biefeb eben genannten 3cfub, unb nur
Gr aubfcblieftlich, wie fd)on SDtatth. 21 42 9lnßüc^
liutß auf bic fficiffaßiniß Sßf. 118,22. ©er jtun
Gcfftciu worben ift, oou©ott felbft buvch feine
Slufcrtoccfuitß unb Grhbhunß (itap. 2,24 ff. 32. 36.
3,15. 26) alb fold)cr atterfannt unb erwicfcit alb
ber ©ottebfohn, ben er fiel) felbft üKatth. 26,63 ff.
eiblid) beseichnet hat; ebenbavum ift aber auch bab
Scfcnntitifi feineb 9camettb unb bab SBunbcrthitn
in feinem Samen ttid)t eine ©ottcblaiißiiunß ober
ftvafbarc Scfdnobviutß (59)2of. 18,9ff.) fonbern im
Samen 3cfu wirb beb ©cvvn eißcncr Same attßc-
betet, gelobt unb ßechvt, bcitit in ihm ift eben bie
bevfonlidjc wefcnhafte©cßcnwavt@ottcb, ber fief) in
ihm offenbart unb fuubthut; bie Slnrufuna fetneb
Saittenb ift cbcitfooicl, alb bie 3chooal)b felbft uttb
fontit bab Scfcitntnifi ber9lfwftcl gu ihm feine Scv^
icituna su falfchettt ©ottebbienft. Slllerbittjjb ftcht
ihrer S-vebißt oou 3cfu nod) ein mddjtißeb ©inber*
ttiß int 2Beß in bcr Scvacfituiiß biefcb 3cfimatncnb,
bereu Schulb aber nur bie ßbcrfteit 3'^raclb felbft
trifft, bic ihn fbrmlid) unb feierlich oerurthcilt unb
ocvwovfcit haben, aber eben bicb Äcnnscichctt fcU
nev Schmach tutb Schaube ift bcr SJcwcib ba=
oon, baft ßerabc Gr ber ccbtc unb eiitjißc oon
©ott f e l b ft erwählte ©runbftctn feiner
Digitized by v^,ooole
SonntögfdjnUfektionftt.
105
Wemeinbe (1 ^Jctri 2, 4. 6 oh. 2, 20) unb atle^
4 >ci(§ ift.
So loirb baS 3ciißnt§ beS VetruS eine grofte, all=
genuine ©eilSorebigt, bie er laut unb uner{d)rodeii
nicht bloS oor unb für 3Srael, fonbern oor aller
28clt unb für bie ganse SWenfcfjftcit hält. 3 hr
Shcma ift: 3efu3 ShriftuS, ber ihr oon ©ott sinn
Vtittel unb Mittler alles £>eil3 cilisig unb allein ge-
aeben ift (1 gor. 1, 30), bleibt bieS and) auofchliefc
lieh, trofebem baft 3 ^cl ihn oerad)tct unb als uns
brauchbar lueggetoorfcn hat; aber 33rael3 Oberfte
null VetrttS noch nicht richten, fonbern einlabcn,
burch 3 hn fich felifl machen 311 laffen (ogl. 2 , 21 ),
beim bie geschehene ©eiluitg beS gähnten ift nur
Siunbilb unb Unterofanb ber in 3efit für Alle oor=
hanbenen SRettiutg auS Sünbe unb £ob unb ber
oon ihm gefdieuftcu geistlichen ©enejung, ogl. 5,
31. 15,11. ®iefe Scitimiming (Ihrifti 3 ur.$cilS=
quelle für al le SMenfdjcn auf ber ßaujen ©*rbe
(tfaO. 2, 5), für bie 3-ubeu oorttehmlid), aber and)
für bie Reiben (Stöin. 1,15) unb sioar mit ber
ein 31 flen SSebingung beS ©laubenS an feinen
überAüe3 erhöhten tarnen (5J5hil. 2 ,9ff.), beffen
fteilS fülle fchon SDtattft. 1,21 beseidmet ift, ift
eine unabanberliche göttliche Vcftimmung feinet
ewigen ©itabenrathfchluffeS („fein aitbcrer Stame
gegeben")* oon ber fich uitfleftraftdeiner ent*
biiiben faitit noch barf.
Bum Schluft folflt bie Schilberuitfl beS SinbrutfS,
ben foiuohl bie Vcrfön liebfeit ber Aooftel unb inS=
befonbere bie 9tcbc beS VetruS, alS audi bie ftille,
aber befto ftärfer tuirfenbe üKacht ber ßrfdicimmg
beS Seheilten, beffen unmittelbarer Anblicf allem
febon, freilid) gan* fleaen ihre ^Berechnung, ihren
Vlan oöllig vereitelte, auf baS Sonebriunt machte:
Sie faheu aber an bie ft r e u b i g f e i 12 c.
CDie unbefangene ftreimütbigfeit unb entfehiebene
Sicherheit ihres umtimounbenen 3eugmife3 oon
Christo erfüllte fte mit ftamtenbem Vefrcmbeit unb
fchlitfl ihnen auch fühlbar flenufl in’S ©cioiffen, tote
iebeS berartifle mutbige Vefcnntnift and) heute noch
thut; f i e 0 e r m u it b e r t e u f i d), looher ihnen
folche 2Bei3hcit_ unb 9)tadit beS UßorteS fomme
(üMatth. 13,34 ft. 3oh. 7,15), benit fie loareu
ßeioift, fchon «uS beut frtilicbten, einfachen Inhalt
tmb ber fdjmucflofcn, funftlojeit ftorin, b a ft fie
ungelehrte Ceute loarcn ohne rahhinifche
©cbulbilbung unb utenfchliche SßciSheit (1 6 ov. l,
17 ff.), unb fa unten fie 001 t früheren Ve=
gcgiuutgen mit 3 efu her.
Unb hatten nichts baioiber 31 t reben
( 8 uf. 21,15), loeil fid) loebet bie 3bentität be3 früher
©dahinten unb iefct ©ehcilteit, uod) bie Shatfädu
liebfeit beS gefchehenen SßunberS, noch and) bie
SBirflichfeit ber 001 t ben Aooftclit oefoitberS heroor^
gehobenen Auferftebung ßhrifti ( 8 . 2 ) lättgnen lieft,
bie auch feinen fteiuben felbft fehr 100 hl bcnmftt loar
(äüatth. 28,11 ff.). So ftetien fie ba in ihrer fläg=
liehen Ohnmacht unb Verlegenheit unb müffcit fid)
nad> biefem ftehlfd)lag unb beut erften Sieg ber
jimgen ©emeitibe bantit hegnügen, bie Sadie ioenig=
ftenS burch Verbot meitcrer Vrebigt tobt 3 ufchiocigen,
Vantü nicht noch mehr Atiffebcn unter bem Volf ent^
ftänbe, alS fdbon burd) bie ftabtfuubig gcioorbene
Gegebenheit felbft gefcheheu ivar, 1111 b baS Anfehcn
ber Aooftel fid) nicht noch mehr fteigere unb befeftige
(g 25 _I_ 17 ); allein bie SSabrbcit läftt fid) burd)
feine Voliseimaftregeltt lote burch einen ©djlagbaum
einbämmen (Aooftelg. 28,31).
Sonntag, 18. gebt. Aboftelgefdj. 4,19—31.
©laubenämutl).
I. *rr befleflte|o|e Kat| (V. 19—22). ®ie?lnts
loovt ber beibett 8 (ooftel ift and) hier loieber bet aller
Vefdicibeuheit hoch ooll 6 ntfd)iebenheit unb bei aller
fduilbigeit (Shrerbietung gegen bic redjtmäftige getft-
ltd)c Obrigfeit ihres VolfeS bod) uod) mehr ooll
Ghrfurd)t gegen ©ott bem föcrrit felber. 3)iefe er^
latibt ihnen nid)t, baS ihnen V. 18 oöflig loiber*
rechtlid) 3ugemuthete, looriu eilt Verbot nidit nur
be3 ferneren öffentlid)en Auftretens, fonbern fogat
and) ber blofteit gnoahnuttg beS Samens 3efu felbft
iit Vrioatgeforäd)eit lag, 311 erfüllen. >Jfid)tet
jelbft 11 . f. iv., beim thr loollt unb follt ia bie
9tid)tcr unb iOkifter in SSvacl (3oh.3, 10 ) fein.
®amit aoocllircit fte an $cr 3 unb ©eioiffeit ihrer
fteinbe felber unb 3 eigeit ihnen bic ©teilen 3 ioi jcbeit
bem ©chorfam gegen blofte 9)^eiifd)en unb gegen beit
lebciibigen ©ott. 2BaS ©ott gebietet, baö barf feilt
üDlcnfch oerbieten unb umgefchrt. ©ott aber hat
ihnen burd) ßhviftum gerabe baS gntgegengefefcte
oon bem befohlen, loaS hierher hohe SJath oerlangt,
unb eben baS oon ihnen geforbert, loaS biefer ihnen
oenoeigern unb uuterfagen ivill (ogl. Äao. lf 8 .
3oh. 15, 27).
9tad) SMaftgabe biefeS göttlidjen VertifS bürfen
fie eS nid)t unterlaffcn 001 t 3cfu 311 seligen, aber fie
föitneu eS and) nidit ttad) ihrem eigenen inneven
.OersenStvieb; eS loäre für fie ein fittlidieS Unvcd)t
linb sugleid) eine Unmöglidifcit, ein ihnen oerföns
ltd) gar nidit benfbarer Sali. ®aS ift für fie bie
einfache Cöfimg bei bem fdjeittbar fo fdiioterigeu
Streit 3 ioeicr VeYOflid)tuiigen, beS ©ehovfamS gegen
©ott unb beS UntcrthanfcinS unter bic Obrigfeit,
für bie übrigens fd)on baS SBort 3efu, 9)^atth. 22 ,
21 , baS red)tc Vorbilb gab. AllcvbingS oenoeigern
fie tmithig uitb ftanbhaft ben blinben ©ehorfant
gegen bie 3Renfd)eit unb toerben biefer äufterett Ver^
Ofiidjtttng untreu, aber nur, um befto treuer bie
höhere Vflid)t unb ihren eigenftett inneren Vertu 31 t
erfüllen unb laffen, um ber&auotfadie genügen
3 ti tonnen, bie Vebenfadie fahren. Aber fie be*
gnügcit fid) auch mit bem biogen V^oteft, ohne 31 t
thatfäd)lid)er Oobofition fuh fortreifteu su laffen
unb fiitb fogar bereit, felbft Strafe 311 leiben. 3hre
gntfchcibttitg richten fie aber nicht bloS nad) ihrem
eigenen ©eioiffeit, baS möglidierioeife atidi
fdnoanfeit unb irren föitnte, fonbern nur nad) beut
untrüglichen 2Bort ©otteS, unb baS 9?cdit ihrcS
SSibcrftanbcS gegen bie Obrigfeit ruht barauf, baft
btefc felbft, toenit fte ©otteS ©ebot aufhebt um ihrer
Sabungcn loillen, fte bamit cigcittlid) fid) felbft auf'
hebt, foferit fie mit ihrem eigenen Bwccf, nur ©otteS
Wienerin unb Stellocvtrcterin 31 t fein (9?öm. 13,
1—4), in SSibcrfortid) tritt unb fomit feilte biitbenbe
Autorität unb fein Stecht auf ©chorfam mehr hat.
Aber fie brohteit ihnen, ftatt ihrungercd)=
teS Verbot surücfsusieheit, oevfdiärfcn fie eS noch,
freilid) föniten fie bie für ben SBicbcrholuttgSfaU
Digitized by v^ooQie
106
Sonntagf^ul^ebtumeiu
in Sludftdrt geftellte Strafe vorerft noch nicht wirf*
lid) verhängen, weil bted einen gefährlichen Slufruhr
veranlaßt hätte. Sieben biefev Slugft vor bem SBclf
mag fte aber and) eine gemiffe, wenngleich unbe*
u>iiBte unb unfreiwillige ©d)eu vor bem bei jenem
SBimbcr fo berrlid) geoffenbarten SJameu 3efu,
beffen Sob unmtllfürlicb alter SMunb unb föerg er*
füllte, von fofortigem tbätlidiem Sinfchreiten ah*
gehalten haben. ®ie fd)einbar blöd beiläufige Sin*
aabebed Sllterd bed ©chcilteit (über 40 3abre)
ift abfidjtlicb beigefügt, um bad an ihm ©cTchebeite
befto größer evfd)eincn du (affen.
II. $if bftfttUftt fünfter (V. 23—36). Sind ber
9J?itte ber laiternben unb brobenben getnbe im
©ißmtgdfaale bed ©vnebriumd da men fie gu
ben 3bren, b. b. au ben übrigen Slpofteln unb
bem enteren Greife ber ©laubigen, bie fid) an bie
3mölfe angefchloffeit batten (1,14.15) unbbieuatür*
lief) mit liebevoller Xbcilnabnte unb namentlich mit
treuer Sfüvbitte ihr ©djidial verfolgten unb baritm
bad nädjfte Siecht barauf batten, von beffen fd)ließ*
lieber 6ntfd)cit)iinfl möglichft halb genau unterrichtet
gu werben.
®a fie bad horten, nämlich bad SScrbot bed
hoben Stathd, SS. 1B. „©otted Äiitber loben, wenn
bie fteiitbc toben," vgl. ftap. 16,26; unb greifen gu
ber heften SBcbr unb SBaffe, bem gemetnfamen ©e*
bet, bad bie bervlidjfte unb fväftigfte Verheißung
bat (SKatth. 18,19. 20). Ed ift bied bad erfte cf>rift=
liebe ©eineinbegebet imSl.S., befonberd hervor*
gehoben buvdi: einmüthiglid) o o v © o 11, mad
beibed, bad fefte Sanb genteinfamer Siebe unterem*
anber unb bie fefte 3uverfid)t unb Hoffnung ge*
incinfameu © laubend unb Vertrauend auf ben Ferrit
begeiebnet; fie alle erflärten fiel) baburd) ald mit bem
©runbfaß jener beiben J&atiptapoiicl (V. 19) voll*
ftänbig cinverftanbeit, wie auch fpäter micber, A?ap.
5, 29.
Unb fpradjeitx. Sinn erfüllt eine brünftiae
unb gciftgefalbte Vittc um Afraft unb Seiftanb auch
für ihr fernered apoftolifdicd SBirfeit. ®ie feier*
iidje Slnrufuitg ©otted beim Vegiitn berfelben ald
©dwpfer ber gelammten fiebtbaren SBelt (wie Afap.
14,15. Off. 14,7. Sieh. 9,6) ift nicht ohne Slbfidjt,
beim bie Erlöfung ald Steufdjöpfung fefet bie
©dwpfung felbft fchon voraud, ebenfo bad Sieicb ber
©nabe unb ©errlidtfeit bad ber Statur unb Slllmacbt,
ber 2. unb 3. ^(rtifcl bed djriftlidieii ©taubend ben
erften; außerbem ift eben bie in ber ©dwpfung be*
wiefene Slümadit ©otted ber feftefte ©ritttb für bie
3uoerfid)t unb Sreubigfeit bed ©ebetd.
Durch ben SKuitb Davtbd, beim biefem
mürbe, obwohl fein Staute ald Verfaffer nicht and*
brütflicb angegeben ift, ber 2. Vfalm, beffen erfte
gwei Verfe fte iefet in bem brehenbett feiitbfeligeit
Verhalten bed hoben Statbed erfüllt faben, gugefebrie*
ben. Unb wiber feinen Shrift, b. b. ben ©e*
falbten (bebr. SHeffiad), ber fdwn bei ber Saufe ben
heil, ©ctft ald befonbere Slmtdgabe em))fanflcn.
Ueber beiu beiliaed ffinb, b. b. beiitcn
uon aller Sititbe abflefonberten unb eingifl au bei=
nein Oicnft aemeihten £ned)t, uni. Älap. 3,13. 26.
'Sin bie ©teile ber oevfolflten Slpoftel fefeen fie alfo
Sbriftum felbft, beim' bie Verfolauna feiner ©lieber
auf Svben gilt im lebten ©runb bem bimmlijd) er=
böbten ©aupt felbft (Äap. 9,4. 5) unb ihr Seibeit
ift cAub bad feine (2ßor. 1,5. ßol.1,24); ebenfo
an bie ©teile bed hoben Slatbd im Stflflemeinen bie
beiben befonberd beaeidmeuben Slamen ©erobed,
ald Vertreter ber „Albnige auf Srbcn" uub jBila*
tud, ald Stcpräfeutanten ber „dürften"; mit.ben
Reiben, nämlid) ben Stömeru.
3 u t b u n u. f. m., menit aud) nid)t mit eigenem
SBilfen unb SBillen, bod) oermoae bed über ihnen
maltenbcn fl6ttlid)en ©efd)idd (2,23. 3,18), aber
bamm bod) nidjt ohne berfönliche Verfd)iilbuna.
Siehe an i h r © r o b e n (V. 17 unb 21), b. b.
mit machenber gürforae, bab nid)td baraud entftebe,
ald iuad für bie ©eineinbe felbft aut unb beilfaui ift.
Unb a i e b b e i n c u A? n e d) t e n x. Sie uer*
langen alfo nicht eine auaenblidluhe aemaltfame
Vertilfliing ber Seinbe (Cuf. 9,54), ßletdjfam ald
Obfer ihrer 9lad>e, fonbern nur ein um fo ftärfered
3euani6 ber flotilicbeu SBabrbeit unb eine um fo
fräftigere Srtocifung berfelfccn bur^ nod) meitere
SBunbcraeicben, bamit babureb momoglidb auch 3ene
nod) gu befferer ßinficht unb orünbli^ber Vefcbrnng
fomtuen unb fich an ihnen fo auch bad ©ube jened
Vfalind (Vf. 2,12) nod) erfülle. Unb ft rede
beine ©anb atid, eben gnr SEivfung folch
mädjtiger SBunbertbaten, bie ihre Vrebigt nach
Ehrifti Verheißung (9Harf. 16,17ff.) auch noch
burd> „utitfolgcnbe 3eid)cit" beftätigen unb befräf*
tigen feilen (14, 3).
III. £cr gittli^e Xrojler (V.31). Vemegte
f Cd) b i e © t ä 11 e (vgl. ©aggai 2, 7), natürliih
ebenfomenig mie flap. 2,2 bureb ein gemebuliched
Srbbeben, fonbern ald 3etd)en ber fofortigen Er*
boruug (mie 16,26 unb ähnlich 3ol). 12,28) ihred
©ebetd, ald eined ©ebetd „im Spanien 3efu", bem
bie unbebingte Erfüllung nach 3ob. 14,13 ff. 15,7.
16, 23 ff. gewiß ift.
Oed heiligen ©eifted voll waren fte
allerbingd fchon am Vfingftfcft geworben, ed ift alfo
nid)t bad Eintreten eined gang neuen äußeren, fon*
bern nur bie innere VJicberholung bed erften
Vfingftereigniffed gemeint: fie würben aufd Scene
vom Vfingftgeift, ben fie fdmit bamald ein für alle*
mal empfangen tmb nidit etwa ivicber verloren bat*
ten, angefaßt unb ergriffen, wie burd) ein S?ad)=
weben iened ©turmwinbd unb ber Airaft and bet
£>6bc. Unb r e b e t c n bad SB o r t x., um fo*
fort, auf ber ©teile, ihrem Verfaß, V. 19 unb
20, getreu, ben Vorfaß bed © v n e b r t u m d, V.
18, gu ©chanben gu mad)en. 3W i t ^ r c u b i g =
f c i t = mit allem mir erbenflidxn Sfrennutb, gwar
nid>t mehr wie 2,4 mit frentben 3ungen, wohl aber
mit Vfalmen unb Sobgcfängen unb geiftlichen unb
lieblichen Siebern (ßol. 3,16).
Sonntag, 25. geb. Stpoftelgefchichte 5,1—11.
Hnattia$ unb ©a^ira.
I. $er Veirttg. V. 1—4. Slnaittad heißt
entweber ald gricchifche fforin bed hebräifdjcit S2a*
tuend 91 u a n i a (Sich. 3, 23) „ber &err gebeult",
ober ift foviel wie Qa n a nia (Oait. 1, 6. 3er.
28, 3) „ber £err begnabigt", alfo etwa = oem
beutfehen 65ottbofb; ©a wbtra aber bebeu*
tet „bie ©chöne".
Digitized by v^ooQie
SonntogfdjttUffhtioneii,
107
©erlauf te feine ©üter, eigentlich blog: aum93erfauf genötbigt ober and) nur aufgeforbert,
e i n ©ut (©runbftüd SS. 3); man bat fid) bc§balb fonbern eg mar bei» eigener »öüig freier (SntfdUuß.
bic Sache oft fo oorgefteüt, auch er habe mie bie 31 bet and) ba er wert au ft mar, bätteft bu
ftap. 4, 34 (genannten, non benen nicht gefagt ift, mit bem ©elb noch gana nach belieben jchalten
fie haben aut ihre gange $abe »ersichtet, fonbern unb malten tonnen, ohne baß irgenb Jemanb
nur, fie haben ficb ihrer ie naebbem cg bag ©ebürf- einen Slnjprucb barauf, ober and) nur. auf einen
niß ber Firmen erforberte, au bereit ©unfteu ent= 2heil bcfjelben hätte tnadten tonnen ober moücn.
äußert, gieichfallg nur einen 2 b e i l feineg ßigen^ ® u b a ft n i d) t (fomobl bloßen) SHc n f d) e n
tbumä hingegeben, unb fein Unred)t nur barin (üWarc. 9,37. Job. 12, 44), fonbern ©ott
beftanbeu, baß er bieß Opfer blog mit 28 i ber- gelogen, ber tu feiner ©emeinbe gegenmärtig
ftrcbeu, nicht aug freiem inneren Siebegtriebe, ift unb ihre Sache für bie feine anfiebt unb
fonbern nur um eg Jenen gteicbjutbun, bar= nid)tg halb mitl (Wal. 1,12).
gebracht unb baruin auch einen Sbeil beg ßrlöfeg $ic Strafe. (2>. 5—li). giel er ttieber,
unterjdriagcn habe, mag er in fofern mit einem jugleid) mit bem bitrcb beg 3(poftelg Söort gemirf=
gemißen Sdjeiu beg iRedjteg für nid)t jo belangrcid) teil ©cmiffcngßhlag auch »on einem unmittelbar
halten tonnte, meil ja bie Änbercit eg jum 2beil aue ©otteg Jpanb tommenben töbtlidjen Sd)lag
ebenfo mad)teu, nur bah Jene ebrüd) genug maven, (natürlid) md)t einem gemöbulidjcn „9Jer»en=
für ihre nur t bei Imeife Selbftoerläugnung feßlag" in beg Scbredeng) getroffen, »ergl.
men igfteng ben oollen ©reig an befahlen. l Sam. 6, 19. 2. 2 Sam. 6, 7; unb gab
Allein fo läßt ftch bag nachberige ftrenge Strafe ben Seift auf, mörtlid): bauchte bie Seele
Gericht nid)t recht erflären. ©cjfer faßt man bie aug. ®affelbe 2Bort ift auch ftap. 12, 23 ge=
Sadje baher in ihrem unmittelbar nächften braucht, unb beseichnet and) bort einen g ema 11-
fainmenhang mit bem Verfahren beg© ar n a bag f a me n Sob alg unmittelbare Söirfung beg
(Üap. 4, 36ff.) fo: 3lnaniag berfaufte mie biefer ei ge neu perfbnlichcn (Sinfdjreiteng Sottet,
jeingauacb ©cfifetbuin, um bei ber ©emeinbe $)ie Sache ift alfoaudi hier nicht fogu »erfteben,
unb beit Äpoftcln ben Schein einer gleid) alg ob Petrus felbft bicfcö plofelidie ßnbe be =
ßcn Opfermilligfeit au erregen; biclleid)t fogar, mir ft hätte (mobon ohnehin gar niditä baftebt),
um ftch baburch eine ähnliche Stellung au fid)crn, fo baß eg alfo alg eine amtliche Slugübung ber
wie Jener fie fpäter einnabm, nebmlid) bie eincg Mir eben sucht angefeben merben müßte, mie
©rophetcn(ftap. 13, ll,»ergleid)eßpb.4,11). Atap. 8, 20ff. 13, 10ff. 8efetere bat ja nad) 2.
ßr miU ihm gleich merben, menn aud) nicht an Gor. 13, 10 überhaupt gar nicht eine SHacbt au
©tößc ber ©abe felbft, ba fein Slder »ieücidjt nid)t »erberben, fonbern au beffern. Sonbern eg ift
ebenjo groß mar, aber bod), menigfteng bem Sdjein ein b i r e f t e g (Singreifen ber g ö 111 i cb e n
nad), au ©roßc ber Selbftoerläugnung, inbem er Strafgered)tigfeit, bie ihrer nid)t fpotten läßt
fichftellte, alg mollte auch er, mie ©arnabag alg (©al. 6, 7); ungefähr mieeinft bei ber ©cftrafnng
ein ädjter neuteftamentlid)cr 8e»it (»eral. 4. beg 9? ab ob unb 31bi hu (3 SHof t lo, lff. 4
9Hoj. 18, 20. 5 uHoj. 10, 9) auf a 11eg feigen* 2Hof. 3, 4) ober beg Ufa (1 febroit. 14, 10).
tbumgre^t au einen perfönluben ©rioatbefib »er* So erflärk fid) aud) am beften bie große
sichten. 9tun aber tbut eg ihm bod), mell fein fturd)t, bie über alle nod) außerhalb ber
Jperasmar nicht an bein 51 der, moblaber an bem ©emeinbe ftebenbeit tarn (Cut. 7, 16). ®a fie
Selb hing, binteunad) hoch leib um ben ©erluft bag höreteu, unbbaran moblmerfen tonnten,
begiefeteren unb cr entmenbet (Stmagbaoon, baßber&err felbft feine SSohnung in biefer @e-
be»or er ben (Svlog alg Opfer in bie ©emeinbefaffe tneinbe alg feinem heiligen Xetnpel aufgefchlagen
entrichtet, giebt alfo ftatt beg ©anaen nur einen habe (©falm 82,1). feg ift bie heilige unb tiefe
Sbeil, behauptet aber hoch, eg fei bie 0 e f a m m t* Sd)cu »or bem unfidjtbaren unb bod) fo mirffam
ju tu m e aemefen. Unb amar mit 333 i f f en naben ©ott, ber ein »ersebrenbeg 5euer ift (£ebr.
feineg SBei beg, fdjredlicheg „feingfein" »on 12,29. 5 S)^of. 4, 24). Unb mie bort jene.beiben
amei ©begatten in Sünbc unb Schulb, bie bod) trüber,Jo mirb hier auch Slitaniag unb fpäter
baaußing merben füllten, baß fie einanber in ben Sappbira (33. 10) »on Jünglingen aug ber
Fimmel, ni^t in bie &ölle halfen! ©emeinbe (alg einer 91rt ©emeinbebiener) bc =
betrug aber fprach, onenbar »om heiligen ftattet, mörtlich: aufammengelegt, mag fich
Seift erleud)tet, f obaß er ben ganjeu mir! lidje n bauptfächlich auf bag Slnorbnen ber ft lei ber,
Sadmerbalt fofort mit untrüglid)em»23lid »oll- aber auch ber burch ben gemaltjamen 2ob aug=
jtäubig burchfehaute. 2)er Satan ift hier einanbergeaerrten ©lieber besieht; unb aumr
genannt alg „ s i}ater (Urheber) ber ßüge" (Job. 8, außerhalb ber Stabt (8ut. 7, 12).
44); ftatt ihm in ber Stunbe ber SBcrfuchung mit Ueber eine 2Beile, mäbrenb meldjcr bie
Sehet unb ffiort ©otteg au miberfteben (Jac. 4, ©emeinbe mieber ruhig unb ohne Störung ihreg
7. l. $etr. 7, 9), hat 9(naniag ihm »ielmebr ben ©ottegbieufteg (3 5Dtof. 10, 6g.) martete. 2>rei
ffinlaß in fein J&ers nicht gemehrt, fonbern Stunben lang warteten fie duf bie fHüdfehv
gemährt, (3*>h. 13,17. 8uf. 22, 3) unb ihn ber Jünglinge. Unb mußte nid)t mag ge=
»oflftänbig banon fflefife ergreifen laffcn. 2) a ß f d) c b e n m a r, ba fie au bem bigberigen ©otteg=
bu bem hei Ilgen ©eilt lügft, ber in ber in bienft nicht Stheil genommen batte, jefct aber
ben Mpofteln (Shrifti alg Leitern feiner ©emeiube nad)fcben mollte, mag mit ihrem 9Haune, ber ihr
auf ßrben aleiefefam ^leibhaftig", mie ©ott in au lang augblieb, gefcheben fei. Ja, fo tbcucr.
(Shriito fel&ft (Sol. 2, 9) maltet, »ergl. 1 2beff. $icfc5lntmort auf bie prüfenbe ftrage bc§ betrug,
4.8 3ü>oftelfl. 13, 2. 4. 15, 28. 20, 23. Ipätteft mie meit aud) fie in ben ©etrug ihreg SManncS
bu bocö wofei u. f. w.-8*iemanb bat bi^ »erftridt fei, seigt bei ihr einen noch »iel »er^
Digitized by v^ooQie
108
Um Hämin.
bärteteren Sinn, al3 bei 3enetn, ba hier bie Um=
ftäube noch weit erfdnoerenber waren uub fte aur
Sefinnung batten bringen füllen.
9Jetru3 bejeiefmet ihr Sbun al3 ein 3} e r f u <h en
b c3 heil. © c i ft c 3 , ob e3 nämlich nid)t bod)
möglich fci f ibn bnrd) Süge unb betrug in über=
lifteu, wie man etwa üDieitfchen tduidjen unb bin=
tergeben fann. Siebe bie ^ü§e berer x.>
ancb bic3 ift wieber nid)t fo sn fallen, al3 ob$etru3
felbft ibr g(eid)iam al3 Siebter ba3 Sobesurtbeil
fpräcbe unb ffraft feiner apoftolifeben Soümacbt
bicfelbe wie 3luania3 suerfenne nnb gleichseitig and)
wirtlich oerhängen lufivbe, fonbern oiehnebr äbn=
lid) wie ba3@erid)t über bie 9totte ff ora b, 4 SMofe
16, 25 ff., ba3 SDfofe swar gleicbfall3 mit oollfter
Söeftimnubeit oorauofiebt nnb mit unfeblbarer @e~
wifebeit oorau3fefet, aber barunt bod) feine3weg3
felbft oollsiebt ober and) nur befcblie&t unb oer-
anlabt, fonbern nur a(3 ®efanbter uub beoollmäcb'
tigter ®otte3 al3 fofort eintreteub anfünbigt. 92acb=
bem $etru3 mit leiblichen 3tugcn gefeben, wa3
©ott an 9lnania3 bereite getban bat, fann er nun
and) mit g e i ft l i d) e nt 3luge oorau3feben, wa3 er
cbenfo ficbcr and) an Sappbira nod) tbuu wirb,
bie in gleicher, ia nod) gröberer ©ebulb unb Sünbe
ift unb e3 bemgemäb auch ohne alle Sermeffenbeit
unb Slnmafcung göttlicher Allmacht ober Sülwiffen-
beit beftimmt oorau3f agen, ia er mübte bie3
fogar anfüubigen, um feine nun febon sunt sweiten*
mal unb nod) oiel fcblimnter angegriffene apofto-
lifebe SBurbc unb Autorität ber ©emciube gegenüber
SU wahren uub wieber berjuftellcn.
Da tarnen bie Jünglinge, nämlich in
bemfefben 3lugcubli<f wieber sur Sbüre herein
unb trugen nun auch fie bin au3 — unb weld) ein
fcbredlicbe3 „$inau$!" oergl. Offenb. 22, 15.
ü)iattb.7,23: lieber bie ganse ©emeinbe,
bie e3 nun hoppelt inne werben mubte, )oa3 e3 um
fie felbft al3 heilige SBobuftätte ©otte3 etwa3 fo
unerfefelicb heiliges fei, oergl. 4 SMof. 14, 5. 9. 1.
©am. 6, 20. 3ef. 60, 18. Zugleich war aber bie3
wohl oerbiente Strafgerid)t©otte3, ba3 bie Unbub'
fertigen ohne Schonung binwegraffte, eine ernftc
33ujjprebigt für alle anbern su itrenger Selbftprü=
fung unb sugleicb eine notbwenbige ftarfe Sdmfc
wehr für bie ganse ©emeinbe n a d) a u §en gegen
etwaigen SMifebraud) ber cbriftlicben SBobltbätigfeit
(4,34), oor allem aber nach innen gegen alle
unb iebe Unlautevfeit, ©elbftfudjt, ©cbeinbeiligfeit
unb ©eudtelei, bie gleich beim ©ntftebeu unterbrüeft
werben mubte.
Jim Hantln.
ftlage M fittnreidjett ttttb toeitberithmten 6au§
©ad)$, ®djttbmadjtr %n Dumberg, über bie mb*
bathfdiättber, Unm 1554, ift aber noch fo frifcb,
al3 wäre fie erft 1882 gef lagt worben:
Da3 oierte Such 2)?ofe faget flar
8lm fünf sehnten: 31(3 nun war
jfrael au3 3tegppten fort,
Sßarb erfunben ein 3Kaun bort,
Der föols faminlet an einem ©abbatb.
Unb bie ihn funben an ber Statt,
Die führten ihn su 3Rofe ein
$or Slaron unb bie ©emein’,
Denn c3 war noch nit au3gefprodjen,
©o einer bat ben ©abbatb brochen,
28ie man ihn ftrafen foll jur 9lad).
Der £err aber su SMofe fprach,
Dicfer äßamt foll be3 3wbe3 fterben,
Um fein’ Sünb’ öffentlich oerberben.
3bn foll fteinigen bie ©emein
9lu§erbalb bem 8ager allein.
9l(fo führt ihn ba3 ®olf bin
33or ba3 Säger unb fteinigte ibn.
3llfo ftarb er in grimmer SRoth,
2Bie benn ber £>err 3Jiofe gebotb.
ßier fd)au bu chriftlicbc 3Reng\
3Bie ©ott bat alfo hart unb ftreng*
©eftrafet biejen armen äBaun,
SBeldjcr bat ein 2Berf getban,
Da3 an ibnt felbft war nüfclicb unb gut.
Setrad)t nun felbft in beinern 3Hutbi
Öb ©ott nidit auch ibn billig rächen,
Dafj wir fo freoentlicb brechen
Den Sonntag mit Safter unb ©ünben,
Da§ er nit mehr ift au ergrünben.
ßiner ob feiner ?lrbcit leiert,
Darnad) er auf ben üDiontag feiert,
Det 5lnbcre mit feiner ^aftorei,
Der Dritt’ mit feiner ffrämerei,
Dev 3Siert’ mit Äed)tcn, ©d)ic§en, fHingen,
Der mtnff mit Sagen unb mit Springen,
Der ©ed)3t’ mit ©offartb unb mit Sans,
Der Siebent’ mit Spiel unb 3llifans,
Der 9ld)t’ mit 3>öllerci uub Behren,
Dev 9?eunt’ mit Slud)en unb mit Sdmwreiv 4
Der Behuf mit Sacre3’ unb mit Boren,
Der ©Ift’ mit Sobfcblag unb Tumoren,
Der Bwölff mit argem (Sbebrud).
Dod) wa3 ift uotb, ba§ id) iebt fuch*,
Die Uehel fo am Sonntag gejebebeu,
Sie finb fd>ainlofer aiuufeben
Unb gröber, benn au SBerfciagen.
Sollt uu3 benn ©ott nit grimmig plagen,
2Seil wir be3 Sabbatb3 ßhre brcchcn,
Unehren, entheiligen unb fdnoämen
50?it sabllo3 uncbriftlid)en ©tücfen,
3113 ob wir wären -DJamclucfen ?
Die Obrigfeit muh fRechnung geben
3$on folcbem uncbriftlichem Seben,
3So fie mit ©traf* nit fährt barein,
So ben Sonntag bricht bie ©emein*,
Den ©ott oerorbnet bat basu,
Dafj wir folfit haben unfer SRub*
‘üHit^ieb, 3Kagb, ffneebten, ffinb unb 2Beib,
3lud) bafe nit ruh* allein ber Selb.
Die Seel’ foll auch fabbatbifiren,
3?on ©ott ftcb taffen fein regieren,
S n allem Ding’ wohl halten ftitt,
nb ihm gehorchen, wa3 er will*
Digitized by v^ooQie
Hot H ämin,
109
©egekt I )ab auf fei« fruchtbar ©ort,
Uno unb frei bamach richten fort.
Kein weltlich ©efchäft laffen aut SEhür ein,
©onbern allein mit ©ott leben gemein,
Unb bajj bie folgenbe ©oche fromm,
©ib ba& ber Sonntag wieber fomm, v
Alfo oon Sünben fid) enthalten
Unb ©ott frei in unb laffen aalten.
Öab ift ber rechte ©abbath unb 9tub*
? n biefer 3eit, baburdj mir 311
)em Sabbath fommen uneerwanbt,
®ort in ein ewig ©aterlanb,
®a ewig 5RuV unb auferwadjb,
®ab wünjdjt oon Nürnberg ©anbSadjb.
Ueier frab Scrmbgen brr ftoibfdjilfcb finben mir
in einem beutfdjlänPifchen ©latte folgenbe 3Kit*
theüungen. ®te ©ebrüöcr S^iherren oon Ototh*
fdjilP in Sranffurt a. 9K. haben iüngft ihr Sin*
tommen jum 3 wecfe ber Sefteuerung angegeben,
unb jwar bat ber jüngere ©ruPer nach biefer An*
gäbe bab größere Sinfommen, benn er ift für bab
laufenbe 3abr mit einem folgen oon 4,788,000
®arf eingefÄafet. ©ährenb ©aron ©illp 9toth=
fätlP biete Summe angegeben bat, mirb eon
©aron 3Raier Karl ein Sinfommen eon 4,560,000
3 Ratf eerfteuert. 5Wa<h biefen für bie ©efteuerung
angegebenen 3 iff^rn würbe ©aron ©illo an icbcin
Sage bie gan 3 nette Sinnahme oon 13,120 9Kart
haben — eine Summe, mit ber eine Samtlie ein
Jabr recht angenehm (eben tann. Sür iebe
otunbe berechnet jtch bab Sinfommen beb Sarong
Silit) föotbfchilP auf 546 Matt, für iebe SDiinute
auf neun SfSarf unb bemnadj für iebe Setunbe
auf fünfaehn ©fennige. ®ab lefetere Hingt am
Snbe nicht febr hoch, — aber bab 3abr bat eben
31,536,000 Sefunben ! ©enn ©aron Aothfdjilb
oierüg 3 abte ber Selbftftänbigfeit für fein Öcben
rechnet unb wenn er jährlich eine t>ode SRillton
aubgibt, bann mürbe ieber ber beiben ©rüber,
3inb auf 3io^ gerechnet, nach feinem SEobe unge*
fahr oierhunbert 3Äilltonen ©hrf mehr hinter*
lajfen, alb er feiner 3 ?it oon feinem ©ater ererbte.
ber fuh aufrafft, feinen Sieben eor feinem (Schei¬
ben ein lefeteb Sebetoohl 3 U fagen, ergreifeu mir
bie fteber, 3 hncn bic$)tittheiluug 3 U machen, bafj
alle untere Srfparniffe unb Srrungenfdjaftcu, bie
bab Srgebnijj unferet mübfeligcn Arbeit inner*
halb einer Meihe eon fahren mar, nunmehr in
bie ©rüche gegangen finb, in Sotae bcffcit mir
unb leibet bemüßigt fühlen# aiib biefer fdjonen
©eit ber faufmännifchen ©ünftlidjfcit fd)inera=
erfüllt 3 U fchetben. ©roß ift ber ©dwtcneincb
tapferen Kriegerb, ber ungeadftet feiner ©ahr*
nebmung, baff feine ©affenbrüber fahnenflüchtig
geworben, Pennod) mit übermcnfd)lid)er Anftren*
gung ben Kampf auf'b Aeufjerftc fortfefct, wenn
er fd)lie§lich unterliegen, unb auf ©nabe unb
Ungitabe [ich ergeben muff noch gröber aber ift
ber etneb ehrenhaften Kaufmannes*, ber feit beut
Anbrmhe ber Krifib im 3'anuar b. 3- mit Auf*
Opferung unb Selbftperleugnung ringt, feine
taufmännifche Shre 311 retten, trobbem bab feine
Kollegen bei Poller Kampffähigkeit bab Schlacht*
fclb pcrlieben, — wenn auch er nothgebrungen
iapitulircn mub. ®ic Seftüraung anläblid) bie*
fe^ ßreigniftcS raubt unö momentan bie ©eiftcä*
gegenwart unb bie 9Höglid)fcit, bie Sragmeite
unferer ©d)mäche ergrünben unb oerfünben 311 fön*
neu. Slüein mit hoffen bemnädjft un 6 PormegS
mit ber Aufarbeitung bef Statuf eingebenb au
befdtäftigen, mobanit mir 3bnen btfriebigenbe
Auffchlüffe unb genügenbe ©emeife unferef reb*
liehen ©trebenf geben werben, «©odmchtenb
Scrmo & ßo."
Auf beitt Sebm ^riebridj SBilhelm IT. folgenbe
©eene fpielte fid) in einer pommcrfchen Sanbftabt
ab. ©rabc alf baf ©ürgcrnieiftcrlein eine hoch*
irabenbe Anrebe atir Segrüfning bef Königf be*
gönnen hatte, erhob ein in ber 9?äbe befindlicher
ßfel, ben feine burch bie Umftänbe geredttfer*
tigte Siirücffcbung unb ©crnadüäffigung fränfen
mochte, fein unmelobifchef ©efdjrei. „Still, ftill,"
Tagte ber König bem unbeirrt fortfahrenben ©ür*
germeifter, „Siner nad) bem Anbenu"
©olBoten lagen im lebten Sranfpaalfriea
im ©interhalt. ®er Sine trug: „ffiefihalb bi|r
®u benn in bie Armee eingetreten, Som?"
„Sun," antwortete SEorn, „ich hatte feine Sr au
unb liebte Pen Krieg."
irSir" oerfebte ber Anbere# „ich hatte eine Srau
wib liebte ben 3 rriebeu, alfo gerabe baf ©egen*
theil."
8aw et« Atnfntaitti in Amerifa ©anferott
ma^t, fo mangelt folchem ©organg iebe ©oefie,
ber ©cpulbner legt feinen ©laubigem feinen
©tatuf Por, offerirt fo unb fc oiele ßentf auf ben
Dollar unb bie ©cfdjidjte ift abgemad)t. ©eit
gefühlpolier geht man im Königreich Stnmäitien
ui fflerfe, bort oertünbet ber Sanfcrotteur feine
^affite mit einem ber ©elegenheit angemeffenen
rMorif^en Schwünge, welcher nicht perfehlen
fonn, ben ©laubigem ihren ©ertuft minber fchmer
erfefieinen m laffen. ©0 hat eine pon ber S«ma
forme & go. in ©ufareft erlaftene Snfolpena^
inme fetaenben SBorttaut:. „SBeftmutbäBotl
unb mit frampfhöff eic 3uaung eme^ Agonirenben,
Abgefertiat. ©ot bem ©irth§hau 6 ftanben
eine Anaahf luftige ©efcllen unb fahen ben ©far*
rer betörtes* bie Strafte herauf fommen. Schnett
würben fie einS fiA einen ©pa& au bereiten unb
ben ehrmürbigen ©errn einmal in ©erlcgenheit
3 ti bringen. Al§ nun ber ©farrcr bei ihnen por*
bei fam, rebete Siner ihn auf folgenbe ©eife an:
,„ßerr ©farrer: ©ir finb über einen wichtigen
©egenftanb nicht gana im Klaren unb badften,
©ie fönnten 11116 barüber wohl Aubfunft geben."
„9?un, toab ift eb benn?"
„Sb ift in ©eaug auf bab Alter beb SEcufclb,
fönnen ©ie unb fagen, wie alt berfclbc ift?"
,,©?eine Herren," Jagte ber ©farrer, „wie fön*
neu ©ie erwarten, bafj ich mit folchcn ®ingeu
befannt fein fott, ©ie müffen ihr eigeneb Samt*
lienregifter halten." Sagte eb unb ging ruhig
feineb ©egeb. O.
Sine ©rabfdjrift. ©ürgermeifter ©aub Köfe*
ring in Ortelbburg, 5Wcumatf, hatte gcwünfÄt,
man feile ihm nach feinem 2 obe eine fchönc ©rab*
fchrift fefcen; bebhalb bichtcte ihm ein ©oct beb
Digitized by v^ooQie
110
%m Jtamitu
©täbtdjenä folgcnbeä ©erädjeu, baä fidOcrticfe ge»
eignet ift, bie 8ad)muäfeln in ©emegung au
fcbeit.
„©icr unnen liegt ©an8 ®öferiitg,
®e fo fcheep up fine ©eene ging;
O ©ott tnaf ein be ©hinten lief
Un nemrn eit up in’t ©immelrief.
®u nemmft bie ia be Kammer an,
8at of beit oUcu ©od mit gähn." O.
fl |at 3^«en gefdjractft. „Scib ntd§ig in allen
Qingen" ift eine©orfdjrift ber ©ibel, melche aber
nid)t oon willen befolgt wirb. Uebrigettä ift eä
fchmer gu fagen, too gerabc bie 2Räbigfeit aufhört
uitb bie Unntäbigfeit beginnt; bcttit ber 9Magcn
mancher 8eutc befifet eine erftaunlidje uitb faft
unglaubliche Seiftungäfähigtcit, uitb maä unä
sehnmal fatt machen mürbe, märe fattm geitügenb
beit größten ©unger mancher Ceute su füllen,
©on beit 3citen beä römifeben Äaiferreicheä biä
auf bie ©egeitmart hat eä eine gange 9ieihe ©ol»
(her gegeben, melche im Sffcu Unglaubliches ge»
leiftet haben. S3 möchte 9Ranchen intere{fant
fein, einmal etmaä über biefe „gelben" gu hören,
unb beäbalb gebe ich hier einige Singelheiten, mie
ich fie hier unb ba berichtet fiitbe, ohne jebod) für
bie SBahrheit biefer ©erichte mich gu oerbürgen.
Ungeheure Summen finb für einseine (Berichte
unb ©Jähheiten auägegeben morbeit. ©o mirb
berichtet, bah bie Sifchauägaben beä ©Uelliuä fid)
auf $5,000,000 in einem 9Ronate belaufen haben.
(Sine iRablgeit beä ©eliogobaluä foÜ $100,000
gefoftet haben, mähreitb ein eingigeä ©eridjt beä
tt'aifcrä 92ero $150,000 foftete.
ferner oerbradjten SRandje febr oicl ihrer 3cit
bei Sifdje. Unfere amerifauifche (Site bei ber
SRablgeit ift eine Sitte ber SReugeit unb ob fie
eine ftolge beä Rortfchrittä ift, mögen 2lnbere ent»
fdteiben. SChatfad>e ift cä, bab eä früher nichtä.
Ungewöhnliches mar, ein biä gmei ©tunbcit am
3afd)e gu fifeen. ®odj menn ©eidudjtäjcbreiber
berichten, bab SRero, ber Spraitn, oftmals gmölf
©tunbeit fpeifte, bah Siberiuä unb ©itettiuä beit
gröBtcn Sheil ber 3eit, bie fie nicht im ©ette ocr»
brachten, an ber Safel faben unb bau ©ontitian
fortmähreitb etrnaS bei fid) hatte, um feinen ©un»
ger gu ftilleu, fo geht baä nach unfern ©egriffcit
beim hoch über bie ©reitgeit ber ©?äbig(eit, unb
ber ©rabftein folcher 8eute follte bie 3ufdjrift
tragen: „Sr lebte» ab ttttb ftarb."
Äoinmen mir aber erft gu ber Quantität, bie
berührt mürbe, fo mill benn aber bod) unS ein
©efühl beä 3meitetä befdjleidteit, ob eä bcnit amh
mahr fei. SJenit man gum ©eifpiel ergählt, bab
ßrotoit oott 2Milaä einen gangen Odjfeit bei einer
SRablgcit oergehrt habe, fo glaubt baä mohl 92ic»
maitb. SRäber an bie ©rengen ber 3Röglid)feit
fommt ber ©eriebt, bab ©erobon oott SRegara bei
einer 3Rablgcit gmaitjig ©funb ftlcifch oergehrt
habe. Slaubiuä 2llbtnuä ab auf einmal fünf»
hunbert Reigen, huitbert ©firficbe, gehn 3Relonen,
gmangig ©funb SScintraüben unb hunbert ©ebne»
pfen. ®er berühmte ©iclfrab 3ofeph Äolitidcr
auä ©affau (ftarb 1751) oerfchlang in fünf ©tun»
beit gmei Äälbcr unb gmangig Quart 2Beiit. ©on
einem Zubern berichtet man, ba§ er fid> oerpflichtet
habe, ein gangeS £alb gu effen, unb bann, nadj»
bem er bereits bie (gröbere ©älfte bcffelben in oer»
fchiebenen 3»bereitungen oergehrt hatte, fprad)
er: „ffiettn aber nun baä Sta Ib itid)t halb fomntt,
bürfte cä hoch halb ein ©iädjen oiel merben."
©or einigen Monaten ftarb ein 3Kanit, 92amcnä
^Uejanber ©rant, genannt ber ©iclfrab oon ftin=
berhoot, bem eä etmaä ©emöhnlicheä mar, ohne
aufguhören gmangig ©fuitb feftc ©peife ttitb eine
©aüone ©iilch .ober Äaffee gu oergehreit. Rünf
©fuitb ©raten genügte bloS feilten Appetit gu
reigeit.
CSin gemiffer ßaret) oon SBalfhiH, genannt:
„Qer SRann mit bem ©ummi^SRagenoer=
)d)lang eine halbe ©aüone Stiftern unb oicr 3;el=
ler ooll ßraderä unb erbot fid) nod) fed)ä Quart
gu oergehren, menn 3emanb fie für ihn begahle,
mogu iebod) ©iemanb 8uft hatte.
w 9tom" 8amfoit oon Süenäoide, ©. 6., foll
am lebten Sßahltage folgenbe ©egeitftänbe oer¬
gehrt haben : (Sin unb ein halbes ©icrtel Schaft
fleifd), ad)tgehn ©iäcuitä, ein ©funb Ganbp, gmei
halb gemachfenc ©ühner, fünf ©dringe, ein 8aib
^oritbrob, trän! babei brei Quart SBaffer, unb
behauptete bann, er habe noch nicht halb genug.
(Shten nid)t gu oerachtenben fRioalen finbet er
ieboch in 3ofhua ©opneä. Qerfelbe miegt gmei
hunbert unb füitfgig ©fuitb, ift 60 3ahre alt,
unb foll im lebten Sommer in Onaitcocf, ©a.,
ein SRittageffeit, beftchenb auä fünfgehn ©funb
©chtoeiitcflieifd), einer brei Ru& langen RBurft,
einer grofeen@anä, einem auägemad)fcnen ©uhit,
einem ©ed ©üBtartoffeln, einem ®ubenb grober
©iäcuitä, einem groben ©ie, unb fed)S Saffen
ftarfem Äaffee oergehrt haben.
(Siitcn gefegneten Sppetit mufj auch jener 8anb=
pfaner gehabt haben, ber einmal bei feinem $ol=
lator gu ©cittag fpeifte. 2113 bie ©auäfrau einen
Seiler mit einem mädjtigen ©raten gum ©erum=
reichen gab, eignete er fid) benfelbcit an mit ben
2Borten: „2l(h, gnäbiae Rrau, baä bürfte bedj ein
©iäd)en oiel merben."
Sin ©raf ®. hatte ebenfalls guten 2lppetit.
Sr oerfitherte allen Srnfteä nie in feinem Cebcti
fatt gemorben gu fein. SiiteäSageä mar er bei
einer hochftehcnben ©erfoit gur Safel gelaben.
2 ) ^an molltc feine fceiftungäfäbigfeit auf bie
©robe ftellen, unb beähalb hatten bie Qiciter
©efehl erhalten, bem ©rafcit jebc ©d)üffel brei
bis oier mal git reichen, unb bcrfclbe ab beim au^
im ©erhältitib. Srofcbem oerfid)erte er ttad) auf»
gehobener Safcl nicht fatt gemorben gu fein, unb
erflärte fid) bereit, eine grobe ©änfeleberpaftete
für oier unb gmangig ©erfoneit ttodj-aufgucffen.
3) 2it ©ülfe einiger R(afd)cn 2Betn oergehrte er
bann aud) noch bie ©aftete. ßächelnb frug
hierauf ber erlauchte SBirth: „5Run, Heber®.,
iefet ftnb ©ie mohl fatt?" ffiiebcrtim antmor»
tete er mit einem ©ein. „®ann mub id) frei¬
lich barauf oergichten, ©ie gu fättigen," mar bie
Srmiberung.
Sin alter, feines guten Sppetttä megen berühnt»
ter ©err, faßte eineä Sageä: ffiir haben foeben
einen prächtigen Sruthahn oerfpeift, er mar auä»
gegeichnet, bab mir mahrhaftig nur bie ffnodjen
übrig geiaffen haben! 2Bie oiele maret ihrer
benn ? „3*o£i, i^h unb ber Sruthahn."
S. Ott.
Digitized by v^ooQie
tüponib bec Cegrnmart
m
tffyrontb der flkgentvart.
$ie Itftttcr im Berlin «mH Biem unb anberen aufjufteffen, Die 8 maß bann unb mann richtig
großen beutfehen ©täfcten haben fiel) oercinigt, um fein, öftere aber and) nid)t. ©olitifchc Parteien
menigftcnS ©onntagSruhe 311 befotnmen. fterbeit ntd)t fo fdntell, mie fidj manche ßutc ©rü-
Der ©cbrattch,bte ©efdjäfte ant Sonntag offen ber einbilben, unb neue, mirflidj lebensfähige
3 u halten unb ttunben aller &rt 31 t bebtenen führte unb tljatfräftige ©arteien merben auch nicht im
enblid) ba 3 ii, bafj bie meiften Arbeiter gar (einen §anbumbrebeu gefchaifen.
Stuhetag mehr hatten. Die SMeifter, bie tfauf= DaS folltc man ftd) be 3 Üß(ich ber iefeigeit
leute, bie SUbeitägeber haben Sonntag mie 9 ßerf= politifdjen Parteien merfett. 91U baS Stufen nach
taß bie ftrenßftc Slrbeit oerlangt, bi3 bie Arbeiter einer neuen Partei, bie noch oor bem nächften
fich gegen foldjeSflaoerei empörten, unb 3 mar mit ©räftbentenmablfampf orßaitifirt merbc, unb me-
Stecht. ber mit ben Demofraten nod) mit ben Siepu-
Da3 tommt unferen beutfd) - ameritanifdjen blifattern halte, ift red>t fchöit ©erebe, aber metter
3*ttungcn, melche ben ©oitntagölärin, bdä offene nid)t$. Diejenigen, mcldje folcb präd>tigc 3Äcben3=
halten ber SBirthfchaften am Sonntag u. f. m. arten führen, erinnern an baä ©prkbmort 00 m
bertheibißen, ßaiu unb ßar ungelegen. Denn giiten ©ruber, ber ein fchled)ter SKufifant ift.
biefe Arbeiter in Deutfchlanb fiub ein fprechcnbeS e>ic meinen e£ recht ßut unb heßen bie heften $lb=
ffieifpicl bafür, ba§ wenn ber Sonntag einmal fid)ten, ohne etma$ 001 t bem ©efchäft, baö fie
nicht mehr ßeheilißt wirb, ba3 helfet — wenn bie treiben, nämlich be3 politifchen ©orherfagcnä, oiel
Gejchätte- nid)t an bemjelben -ruhen, aud) ber 311 oerftehen.
Stuhcfc^beS Arbeiters halb abgefdjafft ift. hätten fie tiefe Sinfidjt in bie politifche ©ad)*
Die bcutfch=amcrifattifd)en Bedungen betonen (aße, fo müßten fie erfeuncti, baß bie näcbfte
jrnar in,-ihter Stoth, baß bie Arbeiter in Deutfd)= 9 Bal>lfd>lad)t für baä ©räfibentenauit smifdjen
lanb nur ben Stuhetag ocrlanßen, nicht bie £>cilig= Dcmofrateit unb Stepublifanern ßefchlagen mirb,
baüiutg t>e 3 ©onntagS, maä mir red)t gerne glatt= unb iefct — 311 Anfang be 3 3 ahre* ’83 nicht baran
benmoUen. Slber ba^ eine fann nic^t ohne ba 3 311 bettfen ift, eine mirtfame politifche ©artei 311
anberc beftchen. Der Stithc taß, ben bie politi- arünbcit. Slber bie guten ©rüber unb fchledbtcn
leben Bettungen biefeS 8 anbe 3 befürmorten, ift ein SMufitanten merben mohl noch eine ßan3e 3 cit=
Sonntag, an mclchem alle Sßirtbfchaften meit lang 001t ber neuen ©artei fingen, meldje ihren
orten unb, ©icr in Strömen geträufen mirb, ba Sßräfibentcn ermählen jollte, unb •— mir muffen
bie iainmufif nimmer aufbört, Dbeater aller 2lrt fte eben fingen lafjett.
Speftafel machen unb man im allgemeinen tbut,
wie man will. Brutale ®d)i»fkaiutgeu. SBcnn fich bie ©pa*
Dae ift ber St u h e tag, ben bie meiften beutfcb= nier au ihren graufigen ©ticrgefed)ten, unb an*
aincrifanifcben Beitungen empfehlen unb ber ihrer bere ©ölfer an anbern fchrecflicben ©chauftclluii-
SReinung nach oon ben Arbeitern in Deittfchlanb gen laben, fo jagt man in ben ©er. Staaten nicht
geforbert mirb. SBeitn e3 aber ben §errn 28ir= leiten: Da3 finb eben ungebilbete, uncbriftliche
then unb ben ©d)aufpielern erlaubt merben joü, ©ölfer, benft aber babei nicht an ben ©alten im
am ©onntag ihr ©ejehäft in ooüem ©d>mungc eigenen 5luge.
ju treiben, mc&halb nidrt auch beit Sdunieben, 3 n feinem anbern Sanbe merben graufigere,
Schuhmachern unb ©eifenfabrifanten ? empörenbere ©d)aufte(lungcn aufgeführt, alä in
alle angegebenen ©rüitbe für einen St uh e tag ben ©er. Staaten. 3ebcr mag unb fann fein
mit ©ieripeftafel unb Sheaterlärm finb IcereS, ober aitberer fieben riöfiren, mo unb mann er mill,
eitleä ©erätmäb. ©old)eit Stube tag giebt eS unb überall mirb er ein fchauluftigeS ©ublifum
ni4t. Stur iw beit 8 äubcrni mo ber Sonntag haben, ba3 ftch oft auö ben gebilbeten (?) Ätlaffcn
geheiligt mirb, haben bie Arbeiter in SBahrheit aufammenfefct; uttb je brutaler bie 8 eiftuitg, befto
einen Stuhetag unb baS ©olf mufe fitft ent- gröfeer bie B^hl ber ©chaulnftigeit.
Wliegcn, ftrtftc ©ountag^geicbe ait 3 ititehmen ttitb 3n jüngiter Beit ift ber „S)teiftcrfd)u 6 " 31 t ben
burSsufübreWf menn c3 einett Stuhetag haben grofeeit (?) 8 eifhtngeit imDheater hinsugefoimnen.
will, ©ute ©dntfecit haben bem Seil nachgcahmt, unb
Da§ fofehe ©efefee nidtt ausführbar feien, ift irgettb 3 emanbeit, ber fid> basti hergab, oft einem
ebenfalls leeret, tb*3rid>tcS ©cfd>iuäfe. Sie merben grauenjimmer, mit ber©ttchfc einen Slpfel ootn
intoitbon, in‘ ^Baltimore, in ©hilabelphia uttb Atopfe gefchoffeit; unb 3 mat nicht feiten rücfioärtd
überall in ben 2 $cr. Staaten auögeführt, mo bie mit ©ilfe eine^ ©piegclö.
toiMcti ßrateclev bic politifdte Ucbermad)t nicht ftürslid) nun fchoü ein folcher fchaufpielenber
kitten CDiefe lefeterc Shatfache aber gereicht Schüfee, ©err Srapnc, eine S^aufpielerin bei
Jifwnt iRolf acwiB nur 3 ur ©d)attbe. jold) gräulicher Öciftnng in ßincinnati tobt, meil
^ baö ©emehr bie ©ere^mutgen be^ ©d)üben
Säte Brüter, «Ber f<hled>tf Äufifnntm. Sooft tdufd>te; unb bie SJtenge anftatt mic gemöhnlid)
7 * r:Hidtc djartei eine gro§c Stiebcrlage erlit- iit utiqehcureit 3uhe( att^ttbrechen, fah eine ©c=
L S allcn CSrnftcS bauen gefno&n, eine morbetc.
7, in arünben. alte fet abgelebt, neue ßineu anbern SJameit haben mir für folch fchänb-
gtagen feien 31 * beantmorten unb neue Örunbfäpe liehe Spiele mit bem Sebett nid)t, unb Srapite hatte
\
Digitized by v^ooQie
112
(Slpontk bet Ätgroroart
gana recht, wenn er por beiu ©ericht fagte, er fei ein
SÄörber tinb erwarte feine Strafe; beim e 8 üt bod)
niditä alö ein aiW fdwöber ©clbgier geübter ©torb,
ben biefe ©eiben ber ©üdjfe pcllbringeu, wenn
biefe einmal beit gewöhnten Dienft perjagt. Stie=
manb hat ein Siecht ÜRenfchenleben alfo 311 gefähr^
ben, unb bah 31 t folchem frevelhaften Spiel fid)
2000 bi$ 3000 3nfd>auer perfammeln, ift ein gar
fd)led)te33engni§ für uitfer gebilbeteS chriftlicheS (?)
m t.
3nm Schluffe awei fragen: 1 ) Um wie viel futb
wir benn heffer al$ bie Spanier, welche an ben
Stiergefechten Steube haben ? 2 ) Sollten nad)
fold)cn ©orgängen (Shriftcnmcnfdjeu nodj fragen,
ob e$ geftattet fei, in3 iheater 31 t gehen ?
SSiffmfdjaft ttttto Smit$*$itr<hgaitg. Die 2Bif=
fenfehaft geberbet fich häufig, alä ob fie unfehlbar
fei unb bie Ungläubigen haben, fo oft fte bie ©ibcl
angreifen wollen, gleich ben Spruch bereit: ba3
Such ber Shriften wiberfpridjt ber neueren, untrug±
lid)en SBijfeufchaft.
Unb bod) ift’ä mit biefer großen SBiffenfchaft, fo
bod) wir fie fclbft halten, nicht immer )o fehr weit
her. Sehr vicleä hat fie noch gar nicht ergrünbet,
unb wirb fie auch fo fd)ncll nicht ergrünbcit. ©ic-
leä behauptet fie heute, um biejclbe ©chauptung
morgen wieber uuvuiwerfen. Sie ift eben auch
nicht allwiffenb, verfteht manches noch lange nid)t
unb fann trofe ber größten 332ühe manchmal nichts
ergrnnben.
DaS lehrte 311 m ©eifpiel unter anberm auch ber
lebte ©enu3 = Durchgang bitrdj bie Sonnenfcheibe._
Sille gebilbete ©ölfer ber (Erbe hatten ©eiehrte auf
bie ©mitte gefanbt, wo ber Durchgang am beftcu
beobachtet werben tonnte, um etwas über bie ©enitS
311 erfahren, 001 t ber wir beinahe nodj nichts willen,
obwohl fie 3 « unferem Sonnenfhftem gehört.
Dieje auSgefaitbteit ©clehrten haben fich unge-
mein angeftrengt — unb fo viel wie nidjtS herauf
gebradbt. Doch — etwas entbeeften fie:
1) Stab fie aufS Steue überzeugt worben, bah
burch biefeS (Sreigniß bie (Entfernung ber (Erbe oon
ber Sonne gemeffen werben fann. DaS wußte
man aber auch früher.
2 ) ©aßen fie eine Suftfchichte um bie ©enu3
wahrgenommen. Sind) baS wußte man fchou.
3) SBurbe feftgcftellt, baß ber ©enuS * SKonb,
pon bem manche ©eiehrte uncrfdjütterlidj behaup¬
teten, baß er oorhanbeit fei, n ich t b a i ft.
Unb baS ift alleS, waS bie SBiffcnfdiaft an ber
©enuS entbeift hat. © 01 t bem ©landen felbft
willen wir fo wenig wie früher; wiffeit noch nicht
einmal, in wie viel Stunben er fich um feine Sise
breht, benn bie bidite ©enu3-8uftfchid)tc fagt ber
SBiffenfifiaft: ©iS hicher uub nicht weiter. So
muff bie 2Belt 122 3ahre warten, bi3 e3 wieber einen
©cmiSburchgang giebt, nämlich Slnno 2004; unb
bann entbedtt bie2Biffcnfd)aft vielleicht wieber nirf)tS.
2Bir fdhreiben bieS nicht, wiffeufchaftlichc 3or-
fchuug 31 t oerfleinerit, fonberu nur um baruithun,
baß aiuh fie befcheibeu fein unb gugehen follte, baß
bem ©ienftbenfinb ©rennen gefefet fmb, an beiten
cS heißt* „©iS hierher."
KBo^itt her ®ojiaU#mu$ führt, baS fagt unS©ert
SRoft, ber bitterej?eiitb aller beftehenben Ovbmiug,
•ber in ben ©er. Staaten herumreift, täglich in fei=
neu ©ranbreben. (Er wirb jwar pon beit Soaia*
liftcn nicht alS einer ber3hren attgefeheu; wenn
man aber bie focialiftifd)eu©runbfäfee beS äiißerften
ftlügelS ftreng burchfübren würbe, tarne man ge¬
rade ba an, too biefer Schaijbmenfch fteht. (Sr fagt
311 m ©eifpiel:
„(ES hanbelt fid) heute nicht mehr baritm, ob eine
Revolution autfbvecheu, fonberu wann fie auShre-
d)eit foU.
Selbft bie theoretifchen StaatSweifeu sweifcln
nkht mehr an bem (Einen, baß bic Umwälzung fom=
men muß, tröften fich aber bamit, baß nod) 3 aßr=
hnnberte biS bahiit pergehen werben. So lehrte
bie StaatSpbilofophie oft, unb manche haben fich
geirrt. 3ui3a()vel792 peraweifelte ©iavat an beut
©dingen ber großen franjöfifdjcn Revolution, er
wollte fi(h auS ber ©ewegung jurüdkicheu, auS-
waitbcrn; SDlarat irrte fid), beim fccl>3 Monate bar*
auf würbe ber ilönig geföpft. ®ic Revolution
hatte fid) bamalS in ba3 gieifd) unb ©lut be 3 ©ol=
fe3 pon Sraitfrcich hincingearbeitct, uub heute ift
fie perforiert in allen ©roletariern ber Srbe, Pom
ruffifdjen ©aucru unb irifcheu Srarmcr bi3 311 m in=
buftrieUcn Slrbciter jeber ©rauche. 'Die 3eit ber
Dheorie ift porüber; ba$ Proletariat wartet blo 3
ben geeigneten 3 citpimft ab, um bie ©anb auf
Da3 3 U legen, waä fein (Eigcnthum ift. Die 3ett
ber 5 lugfd)rifteu unb 3citung3artifel ift porüber:
biefclbeu werben buvd) Dpuamit erfeßt. Rur @c=
waltthat fann ber ©ewalttbätigfcit ben ©arauö
mad)cn.
3Ä will 3 «m Sdjluh meine 2 lnfidjt in fitr^e
SBortc 3 ufanuneufaffen: (So hanbelt fid) für baä
©olf inn eine öebenöfragc, unb 311 feiner eigenen
Rettung miifj e3 ben imaginären ©ott, mit bem
man e$ fo lauge bliub geleitet, pon feinem 2 Bolfen=
himmel herunterftürjen, bie Scufel auotreiben, bie
e3 fnechten uub fncbeln, ba3 golbene 3?alb 3 ertrüm=
mern, mit anberen iJBorten, wa3 por 2 ll(em Rotö
thut, ift 2 lbfd)affuug ber Stcligion, be3 S)tonopol3,
bc3 ®apitalioimi3, ber politifd)cn Sprannei. 3 u
biefem 3 toccfc heißt e3 aujammenftchcu."
llnbTold)cm 3cug flatfchen beutjch^amerifanifche
Arbeiter ©eifall!
^in groftartiger SBohUliter in Deutfchlanb ift
eine Seltenheit. Sticht weil e8 bafelbft etwa feine
reiche Ceutc giebt, fonberu weil biefe ihr ©clb viel
lieber behalten unb lange nicht fo freigebig fiitb al$
viele wohlhabenbe SBobUhätcr in 2lmerifa.
Um fo uwhlthuenber ift e§ hie unb ba auch pou
brübeit etwaS Pon pro§artiger SBohlthätigfcit 3 U
hören. So 3 iunScifptel hat ein für$licb Perftor^
heiter ©ftrger ber Stabt ©armen, ßubwig Stingel,
nachbem er lange 3ahre in hcrporraaeitbcr ©Seife
fcgenoreich getoirft, 3 ulefet ©ermä^tuiffe für wohl 5
thätige unb gcmeinnüfcige 3 wede in ber ©ehe poit
1,226,000 9B. (3300,000) gemacht hat. m\x wählen
nur einige berfclbcit auf: 400,000 3Jt. (3100,000)
311 m ©au einer$ird)e in Unterbarmcu, 100,000 3 H.
(325,000) für ein ©erpjlegiingähaiiä für bebürftige
SRänner über 65 3ahrcn aiW ©armen, ebcnfopicl
311 einem ©erpftegung^baii^ für ebcitfolchc grauen,
45,000 S)t. (311,000) 3 ur Svrichtung einer 3?lein=
fiitbcridjule in Unterharmen, 50,000 m. (312,000)
311 m heften awetcr f(hon beftehenben Äleiufinber-
fihiilen unb fofvrt biä 311 3300,000.
Digitized by v^ooQie
Digitized by
Digitized by v^ooQie
(Bin illuftrirtes IfamilienbUtt.
fffter 'g&anb. 1883. p*itte$ <£eft.
mar am 17. Septem6er 1835,
baß Dr. 2B m. 91 a ft 9Jiitglieb
ber Oljio Konferenz mürbe, momit
biefeS Datum jum ©eburtstag be§
beutfcben 9J?etpobi§mu£ mtrb.
2lu§ feßr {leinen, faft ljoff*
nungsiofen Slnfängen ift burd) bie ©nabe ©otteS
in nicht gang fünfzig Jahren in 21merifa unb
im alten 33aterlanbe ein Sott gemorben, ba§
beute 58,000 ©ommunifanten unb 62,000 Sonn*
tagfdjttler gäblt. fünf ^ö^cre Sebranftalten unb
pei SBaifenbäufer gegriinbet b^ unb unter=
hält, ein Sfircben=ßigentbum im SBertbe Don
82,800,000 fein nennt, geh* 1 »eit Derbreitete
3eitfcbriften patronifirt unb eine beutfdje Site*
ratur befißt, wie fie taum eine anbere beutfdje
Uircf)e in beit 25er. Staaten aufgumeifen bat.
SBas jöunber, baß beutf<be9Retbobiften baran
backten, gur Sb** ©otteä unb aus Danfbarfeit
für Seine große ©nabe unb mannigfaltige
iurcbbülfe ben 50jährigen ©ebenftag ber Stif*
tting be$ beutfcben 3Retbobidmu5 zu feiern !
Da aber bie 3Jifcb. 9Jtetbobiften*$ircbe etma
jur felben 3 ei * (1884) ba» £)unbertjäbrige Ju*
biläuin ihrer Organifation begebt, fo mürbe ber
Gebaute mach, in ben beutfcben ©emeinben biefe
^entennirtlfeier mit bem fünfzigjährigen 3u-
bilaunt be£ beutfcben WefbobiSmuS zugleich zu
ieiern.
Diefe 3fbee fanb entfprecbenben 21u§brucf in
einem Don bem Drufteeboarb be3 beutfcben SBal
9
lace Kollegiums gu Seren im Juni 1882 ge*
faßten Sefcbluß, melier babin lautete, baß fol*
genbe 3uf<brift ben beutfcben Konferenzen oor=
gelegt, unb na<b Einnahme ben SBifcböfen ber
53ifcf). 9fletbobiften=$ir<be, welche mit ber 9lu3*
arbeitung eines feftplaneS für bie £>unbert=
jährige Jubelfeier beauftragt maren, gugefanbt
merben foüte:
„Shrmürbige unb melgeliebte SSäter!
Jnbem mir unferer ©ergenSfreube über bie im
Jahre 1884 abgubaltenbe Jubiläumsfeier 9 (u 3 =
brud geben unb ©ott bem ßerrn bauten fürbaß
bcifpiellofe ©ebeihen, moniit er unfere geliebte
Äirdjc gefegnet bat, erlauben mir unS, Sie ad)-
tungSoott auf einige ttmftänbe unb 23cbürfniffe
innerhalb beS beutfcben ÜRetbobiSmuS aufmerf=
fam 31 t machen, melcbe unferer llebergeugung nach
in bem Slan $ur Seiet beS Jubiläums Serücf=
fiebtigung oerbienen:
91m 17. September 1885 merben eS 50 Jahre
fein, baß Dr. SB. 9Jaft in bie Ohio Konteren*
aufgenommen mürbe, unb ber bcutfdje SMetbobiS^
mu^ möchte alSbann baS fünfzigjährige Jubt-
Iäum feinet SeftanbeS feiern.
Da mir aber auch zugleich mit ber gangen Äirdjc
baS Jubiläum ihrer Organifation begeben mollcn,
fo bitten mir in bem oon Jbnen anSgebcnben
9 ßlan angugeben, baß bie beutfcben SMetbobiften
biefe beiben Jubileen oont Spdtjabr 1884
bis Spdtiabr 1885 feiern merben.
Sold)e 91norbnung mürbe unS ©elegenbeit bte=
ten, betbe für unS fo bocbmic&tige, gefdjicbtlid)e
Dbatfacben gu feiern unb mir batten alSbann
Digitized by v^ooQie
114
Pas Jiinfjigjätjrige Jubiläum bts btutfdjtn Petyobistnus.
auc^ bic nothmenbige Beit, linier isolf in grünb=
lidjer SBeifc 311 foteßen BubiläumSgaben 5u ocr-
anlaffen, n>cfd)e mir haben muffen, um Die großen
3meae ber (Soangclifation bei* 2eutjcbcn burd)
ben MethobismuS in duSfülmmg 511 bringen.
Unfere Aufgabe mirb eine immer mächtigere.
®ic Ginmanberung dom alten Paterlanbe über-
flutbet baS i?anb. 2Biv muffen alles tbun, unb
aüeS maßen, um biefe (vin man Derer für Wott unb
ben MetbobismuS ui gemimten unb hoffen babei
auf ben fräftigen Peiitanb ber gangen Äiircbe.
Gin Mittel gur Grreidwng biefcs großen
3mecfes ber Goangdifation ift Die 5eftftcUung
unb Grmeiterung foldjcr Üehranftalten, in welchen
junge Öeute für ben Miffionsbienft unter ben
Deutfcbcn auSgebilbct merben. ißir muffen uni
fern StiftungSfonb oergrößern, um ben gu gerinn
gen©cbalt berProfcfforen unb bie iingulänglidjcn
Vehdrafte ui oermebren; mir brauchen ©ebäulüfc
feiten, Bibliotbcfen unb anberc Hilfsmittel, unb
bitten Daher in Dem Dem beutfd)en MetbobiSinuS
gemibmeten Paragraphen 3bresplaitcS bic^ehr=
anftalten beS beutfdjen McthobiSmuS alS ©egen=
ftanb 7 für bie BubiläutnSgaben Der beutfdjen 3Re=
thobiften gu begcidjnen, mit ber Äilaufel, ba§
folche ©emeinben, meldjc eine fein* fd)mcre 3djul=
Denlaft 311 tragen haben, ihre BubiläumSgaben
thcilmciie gur Dfcbucirung biefer ©djulbcn be-
nüben.
9Uidj giebt e3 gemiß 3reunbe cugüfdjer 3unge,
meldie, menn Darauf aitfinerffam gernadü, un3
gemtfjlich in biefem großen ©erfe behülflid) fein
mürben, unb menn in Dem oon ben Bifdjöfen
auSgchenben plan foldjc 5*eunbe auf bie hohe
©iebtigfeit unteres 3ubildum3'Untcrnchmcn hin-
meifen mürben, fo mürbe einer großen Miffion3=
fache Porfdjub geleistet merben."
2iefeS Sofuntent mürbe bon ben Gentval,
3t. Souis, 9torbmeft, ©eft unb Chicago beut«
fd)eu Gonferengen einftimntig aboptirt. 2ie
Oeftlidje unb ©übliche Gonfereng tonnten bor ber
Perfammlung ber Pifcfjöfc nid)t mehr erreicht
merben; aber eine gereich befud)te Prebiger«
Perfammlung beS 5Remporter 2iftriftS ftimmte
ber 3ufcf)rift ebenfalls bei, unb bie beutfdjen
Methobifteu in ber ^üblichen Gonfereng unb
CalifornieuS merben fid) jcbenfaüs freuen, fold)eS
2oppe(t«3ubiläum gu begehen.
3n bem fün(id) publigirten SubiläumSptan
ber Pifchöfe haoeit biefe, mie gu ermarten ftanb,
baS ©efud) ber beutfehen ©emeinben gemährt,
unb geben an, bah bie beutfdjen Methobiften baS
Jubiläum bon 1884 bis 1885 begehen merben.
©eitere 5lnorbnungen biefeS bifd)öflichen
biläumSplaneS laffen fich in golgenbent gufam«
menfaffen.
1) 911S dorbereitenbe Maßregel follen bie im
3al)re 1883 tagenben Gonferengen einen Pre«
biger ernennen, melcher als Ginleitung mäbrenb
ber ’84ger Gonfereng eine ^ubiläumSprebigt
halten foll, unb außevbem e>orge treffen gur
Abhaltung meiterer ©otteSbienfte, menn es gmeef«
Dienlich erfcheint.
I 2) 3 u glei<h [ollen bie anno ’83 tagenben Gon«
ferengen ein aus Prebigern unb ßaien beftehen«
be* Gommittee ernennen, meldjcS mährenb Des
3ubilaumSjahreS 3ubiläumS«Perfammlungeit
unb Goimentionen innerhalb ber Gonfereng«
! ©rengeu beranftalten foll, mie es gur Grreichung
• beS gefteetten GnbgmecfS nötfjig fein mag.
3) Machen bie Bifchöfe Darauf aufmerffam,
1 baß obmohl ber ©otteSbienft unb bie Grbamntg
, ber ©runbgug biefeS Jubiläums fei, bie ©e«
meinben bod) auch miflig fein mürben, für große
firchliche Bpecfe Cpfcr gu bringen, unb Damit
baS unbehinbert gefcheheu fönne, empfehlen fic
bie Abtragung briiefeuber ffirchenfchulben noch
bor bem 3ah*e 1884.
2ÜS H au bifiegenftanb für bie 3>i l &iläumS=
gaben mirb bie GrgiehuugSfa^e empfoh¬
len, unb merben nebft ben firchlichen ©efell«
fd)afteu gur Seförberung ber Grgiebung benannt:
2. h e 0 1 0 g i f ch e ©chulen, unb folche
Gollegien unb Uniberfi täten, melche
bon ben derfchiebenen Gon ferengen
auSerlefen merben mögen.
3n gmeiter Cinie mirb bie Miffion«, bie
©onntagfdhnt s / bie ftircheubau« unb bie 2Bai*
fenfache 2 c. genannt.
GS gef)t aus biefem plane hetbor •
1) 2aß jeber Gonfereng bie # Fiction, fomie
bie 9lnorbnung ber ^eftfeicr gäuglid) überlaffeit
bleibt.
2) 2ah bie 3ubi(äum§feicr in ben beutfehen
Methobiftengcmeinbeu im ©pätfahr 1884 be«
ginnen unb in jeber Gonfereng ein forgfamev
^lan ausgearbeitet merben follte, fo baß bom
^pätjahr 1884 bis ©pätjapr 1855 momöglich
jebe einseine ©emeinbe mit einer mürbigen, er«
hebeuben unb erfolgreichen 3(bbiläum$feier be«
badjt mirb, mährenb in Gentralpunften UnionS«
SSerfammlungen unb Gonbentioueu gmeefeut«
fpred)enb fein mögen.
Cefen mir bic ©efinnung ber beutfehen Gon«
ferengen unb ©emeinben richtig, fo merben fie
im SufnläumSjabr mit aller Macht bie Gr«
gieljungsfache anfaffen. 2ie Slusbilbung tüch«
tiger, junger prebiger, fomie bic ©erftclluufl'
ber Möglichteit für bic bculfch«ameritanifdje
Sugenb, fid) eine tüchtige chriftliche 9luSbilbung
gu berfdhaffen, mirb heute allgemein als eine
unumgängliche Dlothmenbigfcit anerfaunt. 2ic
beutfd)en Methobiften hüben bie* ffraft, mit
©otteS Hülfe, biefeS hohe 3ü't menigftenS an«
| nähernb gu erreichen, menn es nämlich gelingt,
lalle Dafür gu begeiftern, unb menn fie ihre
I Mittel nicht unnöthigermeifc gerfplitteriu
2aS ^iinfgigjährige 3-ubiläum beS bftitfehen
1 MethobiSmuS bietet eine ©elegenhcit, nicht nur
bie ©efchidjte beffelben bem Polle bor'gu führen,
1 fonbern auch unfere hohe GrgiehungSaufgabe
! ben Hetgen nahe gu bringen, mie fie mopl feinem
Digitized by
Google
Pas madjt bir $Ußton aus beit Reiben ?
115
Kon un§ guni 3tt>eitenmal »erben loirb. Blögen
mit biefe ©eleqenheit mit ©otteS £>ülfe aus«
beuten unb bie Hoffnung nidjt auf $iilfe oon
Stoßen, fonberu auf beit &errn, £>errn fe|jen,
bet uns geigen mirb, baß mir eine offene 3hür
unb feine ßraft haben, fo mir biefelbe nur
anmenben.
Biht oft genug fanit bie ©mpfeljtoitg unferer
Bifcböfe roieberholt merben, noch oor 1884 mit
alten ßirhcnfhulben aufguräumen, fobajj
mir frei unb ungehiubert oon alten
Sh u Iben, ober—feßen mir hingu, an«
betn Unternehmungen unb Slnfprü«
hen, im 3ubiläumSjahr beS beut«
fdjen BtethobiSmuS gebetsooll unb
mit aller © n e t g i e bie fo n o t h m e n«
bige Befeftigung mtb Srmeiteruug
ber Sebranftalteu beö beutfhen Bte«
tljobiSmuS in’s9luge faffen fönnen.
)9a* madjt die üifftou au*
den $etdeit?
Bortrag eines Aiffionär».
3m «u*gu* für $a«S unb #erb tum Beo. 9ut|.
I) $ie Btiffion mäht aus ben £ei=
ben glicflihe Seute.
begleitet mich im ©eifte noch ber BliffionS«
jtation Botfhaodlo in Sübafrifa. 3fb führe
euch bortbin, nicht um biefe Station auf Stoffen
Bnberer ju erbeben, fonbern rneil fie mir gerabe
für meinen 3»»ed bie bequemfte ift. — ©S ift
früh BtorgenS bei Sonnenaufgang. 2öir febeit
oon ben oerfhiebenen Sfraleu einen ftattlicben
trupp Bieh nah beni aitbern fn’S $e(b auf bie
SBeibe gieljen. Bor oiergebn Staaten, als bie
Station angelegt mürbe, maren bie Seute arm
roie eine ÄirhenmauS.
töir febeu uns mciter um. 3)ort fährt ein
Sdjmarger mit feinem Pfluge nad) feinem tiefer;
bort fpannt fjreunb 3acob Btathbdtle feinen
Ocbfenraagen ein. ©eht einmal nah ben um«
liegenben heibnifhen Sfralen; ihr feht ba meber
Bitoq noch Blagen.
J) ie auf einem &o<bfelbe gelegene Station
Botfhaodlo bat fdjledjte SBeibe; baS Bieh muff
im SÖinter in’S roärmerc Bufhfelb, roenn es
nicht oerhungern fod. Schiefe einer aber ein«
mal mir nichts bir nichts fein Bieh in’S Sufch«
felb, mo er feinen Biehplafc befißt. 2)aS miffen
bie Seutcben Don Botfhaodlo. Sie taufen fid)
alfo einen Biehplab im Bufhfelbe. 2Bo friegen
fie benn baS ©elb per ? ®a3 haben fie fich enb»
lieh erarbeitet. Unb feht eud) einmal bie Seut«
| chett felber au, menn fie im SonntagSftaate gur
; Sfivd)e giehen. Sinb baS bie oormals naeften
Reiben '( 3a, ja, fie finb’S.
! Slnf ben Sfraleu ber Station raimmelt es boit
j jungem Bad)mud)S, ber fich fröhlich umhertum«
: melt. ©eht auf bie ^eibeitfrale, ba finbet ihr
im Berbältnih fauin halb fo Diel Sfinberfegen,
| eine fjolge Don Stiubermörberei. Bantemdtje’S
grau hat ihm ßmiüiuge geboren; mären fie
i Reiben, bann märe eins ber Stinbleiu ober beibe
1 umgebracht morben; nun bleiben fie (eben, benn
eS finb ©hriftenfinber.
$aSBöltd)en Dott Botffjaüdlo mobnt im f$?rie=
ben; feine Btiffionäre finb feine Begliider unb
Befhüfccr. ©S erfährt bie Blahrfjcit bes Spritch«
morteS: „Unter’m Sfrumm ft ab ift gut
roobuen."
3h muh immer Iahen, menn gottlofe Blätter
in bie SBelt hineinlügen, baß bie Btiffionäre
barauf aus feien, „bie armen £>eibcnfd)afe gu
fheren." SffiaS es roof)l an benen gu fhereil
giebt ? Bun bie Station Botfljaodlo geigt gemifj
Dom „Sheren" baS gerabe ©egentljeil. Bier
biefe Seute fiel)t, ber muh tagen, es finb glücf«
(i h e Seute gemorben. Unb biefe SegenSfruht
ift eine ^Frucht ber Bliffioit.
2) Sie Biiffion mäht aus ben £>ei=
ben gebilbett Seute.
Blir gehen in baS ftattlidje ShulhauS bon
Botfhaodlo, nähft ber Stirdje toohl baS fhönfte
©ebäube in gang SranSoaal. $a merben in
brei Sllaffen etma 250 Sfinber unterrichtet. $ie
| lernen lefen, fhreibeit, redjnen, fingen, oor allem
| aber biblifdje ©efhihteu, fo gut tuie nur bie
©briftentinber in $eutfhlanb. Blären fie uoh
#eibeufinber, fo lernten fie Don allebem fdjmer«
lih etmaS.
Blir gehen Dom Sdjulhanfe nah bent Btif«
I fionShaufe, roelhes ein Stiidcben baijinter liegt.
I ®ort treten mir in baS BrbeitSfämmerdjen bes
1 BiiffionärS. fi^en brei junge Burfheu üon
Diergchn bis fiebgehn 3af)ren. 6S finb 'l ! räpa=
rauben, bie gunähft gu Shulmeiftern ober and),
fo ©ott ©nabe gäbe, gar gu tßrebigent auSge«
bilbet merben follen. 2)ie lernen allerhanb gute
Sfenntuiffc. Saht fie einmal ben ÜltlaS auf«
fhlageu unb eud) bie ©ebirge Don 3lfien nennen,
fie merben biefelben roifien. Cber Iaht fie ein«
mal bie ©eige nehmen unb euh eine Btelobie
Dorfpielen, baS Derfteheu fie auch. Cber Iaht
fie auh aus einem beutfhen Buhe oorlefen, auh
baS tonnen fie. Sie baten ihren Sehrer, fie
feine Sprache gu lehren, unb er tljat es. Bon
einem biefer Burfhen habe id) in beutfdjer
Sprahe unb mit beutfhen Budjftaben gefhvie«
bene Briefe im Befifc. ©in Bliffionär, bem ih
einmal feine Schreibhefte geigte unb ber felber
eine febr fhöne £>anbfhrift fhreibt, rief auS:
Digitized by v^ooQie
116
Uns madjt bie Piffton aus ben $jtiben?
„Der fcfireibl ja wie ein JJafliqrapb !" Serfe&en
mir un§ im ©eiftc auf bie Station SßadmannS*
tljal. Sa finben mir bort bie Wiffionäre oon
ivauSöaal pr Spnobe oerfammelt. Stuf ber«
felben roivb mit einem bom Wiffionär Hnotfje
üorflcbilbeten Matedjeten, Rofepb ftd)od)oentien,
©pmen abgebalten; er befielt es pr 3 '*f r > e=
benbeit. Unter Slnberm hält er babei and) eine
ißrebigt. ©r mar barauf oon ber WiffionS«
gefedfdjaft in Sienft genommen.
Hehren mir prütf nach 33otfbnö4Io unb feben
uns um, maS bie Ceute auf- ben Oralen machen.
SGßir lenfen unfern Schritt p ben ^ßoliteuten
unb fommen nach ©aufe beS btinben Rohn
Hateli. Ser lehrt feine Hinber lefeit, obmot)t
er feinen Sudjftaben feben fann. ©r meid
nämlich oon öfterem Slnbören bie ganje Ribel
SBort für Sßort ausmenbig. Sein Rebler im
SÖud^ftabiren entgeht ihm, er corrigirt ihn fo«
fort. So fann ein SBlinber Seijeitbe lefen
lehren. Ser Wann toeij? übrigens audb in ber
SBibel tüchtig SSefcbeib: aus bem Steuen Sefta«
mente fann*er gaitje ffapitel ausmenbig; Oon
Scbriftfteden meid er fo gut aitpgebett, too fie
ftebeu, toie nur ©hier. Sind] ift er ein 'f]f)ilologc,
ber ben Wiffionär auf @igentf)ümlidjfeiten unb
Reinheiten ber Spraye aufmerffam macht. —
2 ßir geben p bem ©aufe oon Wartin Seoufbane,
bem gefdjidten ©eroebrfcbmiebe. (Sr fcbmiebet
auqenblicflicb nicht, fonbern fipt über einem
getriebenen ©efte. SEßir blicfen hinein, eS ift eine
Ueberfejpng ber fircblidjen ißerifopen, gefertigt
Oon einem Wiffionäre. Sie fiebt Wartin burcb,
um etroaige Sprorf)fe£(fer p berichtigen.
Sodj laßt uns auch einmal ba briibeit überm
Sache in Weifter Sabemann’S SBagenmacberei
bineingucfeu. 2 ßir treten in bie erfte fRäum«
liebfeit, ente Scbmiebe. Sa ftebt oben ber
febroarje >»<bmiebegefed Slbam bei’m Schraub»
ftod; ein Oon ihm reparirteS ®eroebrfd)(od liegt
üor ihm; je&t bat - er ben fiötbfolbeu in ber
©anb. 3BaS lötbet er benn ? Slecbformen p
aderbanb gebaefenen Rigureit, bie auf ben SSßeib«
naebtsbaum foden. Sßenntoir etmaS länger
oermeilen, fönnen mir feben,’ mie ereilten eifer«
neu Steifen auf ein SBagenrab jiebt. — SluS ber
Scbmiebe treten mir in bie groeite SBerfftatt, bie
Stedmaeberei. Sa ftebt mieber ein f cf) mar 3 er
©efed. RafobuS, ber jirfett ab, febneibet p, ;
bebaut, hobelt, u. f. m. SGßir feben unter feinen ;
©änbett eine -löagenare entfteben. Ser Wenfd)
mar oorbent febr bumm; jept fiebt man ihm
feilte Summbeit mehr au.
Slde biefe Singe, bie mir jept gefeben, finb
eine Rrudjt ber Wiffion; fie jeigen, bafe biefe
bem ©eiben 58 i l b u n g bringt. Silber maS
hilft SBilbung, menn man nicht noch SejfereS
bat? SEßir geben baber meiter:
| 3) Sie Wiffion macht aus ben ©ei« *
beit gefUtett Seute.
Ser ©eibe roäcbft in berßüge grofj. SBie
ftebt es bamit bei unfern eingebornen ©briften ?
Rcb führe nur ein einjigeS Seifpiel an: Reh
: batte einen Sttrfdjen im Sienft, ber bieft Hati,
bon Wiffionär ©rüjner getauft. Serfelbe mar
fecpS Rapre lang bei mir. @r gehörte nicht
unter bie beroorragenben ©briften. ©ins aber
muji ich anerfennen. R<b habe ihn in ben fecbS
Rabrett nie bei einer Unmabrbeit betroffen.
Ser ©eibe mäcbft in ber Unfeufcbbeit
groß. ©S giebt unter ihnen Sßiele, bie oorbent
5ßolbgamiften maren; jept führen fie mit nur
einem SEßeibe eine cbriftlicbe ©be. RntUebrigen
führe ich nur noch an, baß in ben jrnei Rubren,
ba ich in Satfbaodlo pbraebte, fein einjiger
Rad in ber über 1000 Seelen ffarfett ©emeiitbe
oorfam, mo ein ©emeinbeglieb hätte roegett
grober Siinbe miber baS feebste ©ebot öffentlidb
auSgefcbtoffen merben müffen. Süßic ftebt eS mit
ber 6 b r f i <b f e i t ? — Sßeitn i^ auf $atfba>
o^to mit ber Ramilie auSging, batte ich nicht
nötbig, oor ben StationSleuten bas ©aus ju
üerfcbliefeen; eS fiel deinem ein, mir etmaS p
fteblen. S9eit unb Sätfe blieben oft über 9ij»cbt
auf bem ©ofe liegen; fie famett nicht abbattben.
Rn ben Siamaittengräbereien maren unfere
Sotbo=©briften befotiberS gefdjäpt als treue, p=
oerläffige Seute. ©iner üon ihnen, Rohn Wa=
laf^ng, batte fi<b bei einem englifeben „diggor”
oermietbet.
©ineS SageS gebt ber ©nglänber aus feinem
3 elte unb läfjt aus SSergefelicbfeit einen rnertb»
boden ©egenftanb offen baliegen. Rohn fornrnt
hinein, fiebt ben ©egenftanb unb bringt ihn
feinem Weifter mit ben SBorten: ,,©err, bu
mufet bicfeS Sing nicht fo offen im 3ftte liegen
laffen, fonft feben eS biebifebe Äaffern uttb fteb»
len es." .,9tun," fagt ber ©nglänber, „bu bift
ein guter 33urf<bc," unb ftedt ihn oon ba an
als Sluffeber über feine übrigen febtoarjen Sir«
beiter an.
Rcb füge ben angeführten 3äflf« nur nodb
bie ©rmähnung einer ©eobaebtuhg binju, bie
i<b in Sübafrifa gemacht. Oft nämlich fonnte
ich bei mir uitbefannten ©ingebornen fofort am
©eficbtSauSbrud unterfdbeiben, ob ich einen ©bri«
ften ober ©eiben Oor mir batte, ©in djriftlidbeS
| Slngeficbt jeigt nicht mehr bie alte tbierifc|e,
beibnifebe Stumpfheit: aus bem Sluge leuchtet
etmaS oon einem anberem, neuen SEBefeit, ein
3eid)en oon ber Ummanblung, melcbe baS ©üan«
gelium im ©erjen üodbraebt.
4) Sie Wiffion macht aus ben©ei=
ben auch fcltge fieitte.
@S ift Sonntag S3ormittagS neun Uhr. Sie
©lode bat pm britten Wale geläutet, pnt
Reichen, baß ber ©otteSbienft beginnt. Sie *
Digitized by v^ooQie
(franmrrs Pärhjrertljum.
117
&itd)e ift gebrängt Doll; &opf an $opf Ijoden
Die Seute au? ber ©rbe. Wit bem jwcitcu Sciu«
ten fiitb fic Don allen Seiten in langen bunten
3ügen hfrdngeftrömt. Aus Dielen puubert
weilen ertönt nun ein Sieb jum greife ©otteS.
Nach ber Siturgie befleißt ber Jötiffionär bie
ffnnjd. Wit faft athemlofer Stille laufchen
bie Seutchen ber '-JJrebi^t, fein Auge bon bem
Srebiger menbenb. Wan fiept eS, ©otte» 2 ßort
ift ihnen ein ärunf SebenSroajferS, ber bie <&eele
evfrifc^t. — 3)er ©otte»bienft ift Doriiber, man
geht nach fjauS. fjie unb ba feßt fid) eine
©nippe Seute am SOßec^e nieber. Söobon unter«
halten fie iicf) ? Nicpt Don Sagesneuigfeiten,
nein, Don ©otteS Wort. ba» fie foeben gehört.
Wir gehen ben Seuten nach ttitf bie flvale. $a
fjnben mir piet einen einzelnen Wann auf einem
grelle liegeitb, ba» Neue Jeftament not fid); bort
fißeu mehrere um baffelbe Such; man jucht fid)
über TieS ober 3CneS Har 3» tuetben. ©dingt
eS nicht recht, fo geht» 311 m Wiffionär, ber wirb
um Auficpli© gebeten. Wieberum. @S ift an
einem Wocpenabeitb. 3)ie ©lode ruft 311 t Si=
belftunbc; etioa 200 Crwadjfeite berfammeln
fich, um tiefer in ©otteS Wort eingeführt 3 U
werben, welches ihres gußeS Seudjtc unb ein
Sicht auf ihren Wegen geworben. 35a» muffen
felige Seute fein, bie eS fo treiben ; fie
leben ja in bem Worte, welche» bie Äraft ©olle»
ijt fclig 311 machen alle, bie barau glauben.
— Stwa alle Dier bis fedjS Wod)eit ift Sonntag
AbeubS große AbenbmahlSfeier. 3)a briingeii
fich immer 2 bis 300 Seute 311 m iifdje beS
fperru. 3 ^ rer jmölf bis fünfzehn Inieen immer
auf einmal Dor bem Altar nieber, um gefpeifet
3 u werben mit ber fjiinmdsfpeife, um getränft
3 U werben mit bem .friminelstraiif. 0 felig
biefe Seute, bie ba hören, fdjen unb fcpmedeu,
wie freitublidj ber fjerr ift.
Wir treten an’S Sterbelager jenes alten Wüt»
terdjenS, 3 U bem iih gerufen würbe. Sie forbert
mich auf, für fie unb mit ihr 3 U beten. Als eS
gefchefjen, fagt fie: „Wein &err, S e hmxi, ruft
mich." NiCpt lange barauf mar fie 311 3hm ge»
flangen.
Ober treten mir an baS Sterbelager jenes
Sente, ber, noch ein geibe, Don Angft um feine
Seele erfaßt, Don feinem ffrale bei Wachcle
geflohen war, um 3 U SotfpaDdlo Nupe unb
gfrieben im£eilanbe 311 fuepen. Auf ber glucpt
hatte er fi<h eine ftarle ©rfältung 3 uge 3 ogen; er
fommt auf Sotfhabdlo an, um nicht lange bar«
auf fich hmj« legen unb 3 U fterben. (Sr Derlangt
getauft 3 U werben, um im ^rieben fterben 311
fönneu; feine Sitte wirb ihm gewahrt, unb er
fdjläft faitft in feinem fjeilanbe ein.
Son ber Sotho, bie unter meiner Sflege ge«
ftanben, weiß ich jehon SerfChiebene baheiht bei
bem C>errn. Unb auf bem griebpofe 3 U Sotfha«
Ddlo ift fd)on eine gans ftattlicpe Ansapl ©rüber,
eine „Saat ber Wöhren." 3<P bin bejjen in
guter 3uDerfid)t, baß bie Weiften felig
e 111 f cp l a f e n f i it b. Wopl jebeut, ber mit«
geholfen, Arbeiter in ben Weinberg beS ©errn
311 beförbern!
ifrnumcrö $lärttjrcrtl)iim.
3ür |»auet unb gerb bearbeitet bon SB. ftöntfe.
homaS C raumer würbe ben 2.3uli
1489 in Asladon, Nottingham«
fl)ire, (Snglanb, geboren. Nach
bem 2obe feines SaterS fanbte
ihn feine Wutter in’S 3cfuS Col«
lege, Cambribge, wo er fid) feinen
Stubicn mit großem gleiß mibmete. Schon
im 3ah*e 1510 hatte er fid) eine Sehrerftelle
im College erworben, bie er aber bolb burd)
feine Serepdicpung Derlor. hierauf hielt er
Sorlefungeu in Suctinghain College. ®iefcit
fich ungepiuberter ergeben 311 fönnen, unb ber
befonberen Sorge für ben fjauSfjalt enthoben
311 fein, that er feine grau bei einem Ser«
manbten, ber eine ©üftmirtpfCpaft hielt, in bie
fl oft. Seine oft wieberpolten SefuChe bafelbft
waren bie ©runblage 311 Cntftcllungen unb
Serläumbuitgen feitenS feiner geinbe bei feiner
nachmaligen Erhebung 311 m C^bistpuin San«
terburp.
SiS 3 um Stöbe feiner grau blieb er im
Sudingham College tljätig, aber fogleidj nach
ihrem Abfcheibeit folgte er einen Nuf in’S 3efnS
College. 3eßt rid)tete er feine fjauptaufmert«
famfeit auf bie Jheologie. Als Sehrer berfel«
ben legte er großes ©ewiCht auf Kore Schrift«
fenntniß unb geftattete feinem Äanbibaten feinen
theologifchen ßurfuS ju fChlieften, ohne wohl
barin hemanbert 311 fein, ©ewiffe Wönd)e,
welche bie praftifepen SBahrheiten beS SBortS
DernaChläffigt hatten, fiCh aber mit befto gröfje«
rem Cifer ben fCholaftifchen Spibfinbigteiten 3 u=
gemanbt, würben ihm beShalb feinb.
Um biefe 3«it würbe bie (Sfjefdieibung beS
ÄönigS ^einriCh VIII. pon Katharina Don 91ra«
gonien üerljanbelt. 2)ie ffarbinäle Campeggio
unb SBolfep hatten ben Auftrag erhalten, bie
Angelegenheit bei 3 ulegen, ober ber Schwierig«
feiten wegen 3 ogen fie bie Sache in bie Sänge,
in ber fjoffnung, baß 3 e *t unb Umftänbe bie
erwünfehte Spfung bringen werben. Ueber biefeS
3 ögern wirb enblidj ber flönig unwillig unb
entläßt ben Äarbinal Campeggio.
Cine Sd’t in Cambribge trieb Cranmer nach
Digitized by
Google
118
ttranmer» $ftärti)rcrtl)um.
St. SJtnri« Äircbe ju Dtforb.
ber 9tbtei SBalttjam in ©jfejr. ©ier traf er beu
3)octor @a ebner, fpater Vifchof oon Sßincbefter,
unb gfor, nachgebenbS 93ifdt»of bon ©ereforb, bie
} ur 3eit int $ienfte beS JfönigS ftanben. 3bre
Interbaltung lenfte fi<h halb auf bie @^ef<^ei=
bungSfrage. 6 rannt er äußerte bie 9lnficht, baß
man ba§ Wort ©otteS in biefer Angelegenheit
fragen folle, unb bebeutete, baß roeber 9tom,
noch ein auSlänbifcher ©of, toobl aber ©nglanbS
Uniberfitäten bie ©utfcbeibung geben follten.
AIS ffoj: biefe Anfichten bem $ötiig mittbeiite,
fotl er mit einem ffluch bctfjeuert haben: „®er
Wann bot bas rechte Scbroein bei’m Cb* !"
©ranmer tnarb an ben ©of berufen, erfreute
fidj ber ©unft beS itönigS unb erhielt nach ©nt»
lajfung WoijlfepS baS ©rjbistbum bon ©an»
terburß.
„Wir fehlen alle mannigfaltig," beftätigt fidb
auch am 2eben ©raitmerS. ©ein Weißlings»
eib, fein Verbältniß ju ber ©befcßeibung Völlig
Heinrichs bon Anna Volpn, fotnie gu ber Ver»
urtbeilung beS 3oßn fffritb unb 3oan bon $ent,
finb nicht ntoralifcb rein; aber tnenn man be=
bentt, baß er in ber römifchen ffircbe ergogen
tourbe, unb fich nur burcp einen ernften ffarnpf
biefein ©iitfluß unb ben barauS berborgebenben
Vorurteilen entminben tonnte, fo mirb man
geneigt fein, ein nadjfichtigeS Urtbeil ju fällen.
Stroß allen feinen Fehlern mar er bocß ein Wann
großen VerftanbeS, bem ©nglanb bornebmlid)
ju berbanten bat, baß eS bie Vibel befißt.
Aad) bem Stöbe ©cinricbs VIII. unb ber
Stbronbefteigung ber tatbolifcben blutbürftigen
Königin Waria, mürbe eilt gerichtliches Verfaß*
rcn gegen ©ranmer eingeleitet.
55r. VroofS boit ©löucefter, ein VeboDmäch*
tigter beS Jfarbinal ^ßola, tarn im ©eptember
beS 3abreS 1555 in Begleitung jmeier Abgcorb»
neten, meliße ihm im Aarnen ber föniglicßeit
Wajcftät beifteben follten, ben ©raumer ju ber»
hören. Als ©ranmer Dorgefiißrt mürbe, erroies
er ben Vertretern ber töniglichen Würbe alle
Achtung, aber ben Vifchof bon ©louceftcr ließ
er unbeachtet, meil er bie Oberhoheit beS ^ßapfteS
in feinem Vertreter nicht anerfennen mollte. @r
tagte: „3mei ©erren tann unb roill ich nicht
bienen; gubent habe ber IfJapft feine angemaßte
Wacht mißbraucht, inbem er bie Anorbnungen
Digitized by bOO^lß
Granmrrs 3Härttjrertl)um. -
119
be§ £>errn GbriftuS geänbert, baburd), bafi er
ben Saien ben Ä?clc^ im Menbmafjl entgog, bie
©ottcSbicnfte in einer beut Solle unDerftöublicben
Sprache hielt unb bie 9Jiad)t beanfpru^te, IRe«
genten abgufefien." Vogesen befcbulbigten ibu
Sroot» unb bie Mgeorbneten Martin unb
Scorrp unter 9litberem, baff er bein ßönig, um
feine eigene Seförberung gu fiebern, flattirt unb
baß er Sambert wegen Säugnung ber StranS«
fubftantionSlebre Derurtbeilt unb jejjit fie felbft
berwerfe.
Granmer wies bie 9(ufcbulbigung, nad) bem
Grgbi»tbum Ganterburt) geftrebt gu hoben, ernft
gurüd, geftanb, bafe er feine 91nfid)t über bie
MenbmablSlebre geänbert unb and), bafi er fid)
jWeimal Derel)cli<ht bobe. 9!ad) langem .£>in=
unb |)erreben forberte ibn SroofS auf, binnen
80 Sagen öor bem Sapft gu erfebeinen, um gegen
Dorliegcnbe 91nfd)ulbigungen fid) gu Dcrtbeibigen.
Gr willigte ein, fo man ibm feine fyreilaffuug
au» bem ©efängnijf fiebere. 3m Februar 1565
fanbte man Sonner unb Sb'rlebp, ibu wegen
feiner ©cigeruttg nad) 9tont gu geben, abgufeben.
obgleich man ibu bie gange 3eit <« ber ©efan«
genfebaft gebalten batte. ©an tleibete ibn in
feinen Dollen bifd)öflidjcn Ornat, worauf ber«
felbe, und) ber Sorfdjrift ber (Zeremonie ber 9lb=
fejning, ibm ftiidmeife abgenoinmen würbe.
®abei geberbete ficb Stornier fred) unb gefühllos,
Sbirlfbp hingegen, ber ein ^freunb GranmerS
war, geigte grojfcS ©itleib unb ücrgop Diele
Sbränen. Granmer felbft fdjien Wenig baDou
angefoebten gu fein, erilärte Dielntebr, baff er fidj
freue, enblid) fein Scrbältnifj gur püpftlidjen
Äircbe gelöft gu finben, er ertenne aber bie 9(uto=
rität beS SapftcS nicht an, unb appcllire Don
feiner Gntfcbeibung au ein allgemeine» Goncil.
Sou jejit an bearbeitete man ihn auf alle er«
benflidje ©eife, ihn gum ©iberruf gu bewegen.
Merlei Sorftellnngen würben gemacht, biele
Scrfprcdbi'ugen gegeben, fein Sehen follte ihm
gefdjenft fein, felbft Seförberung würbe iit 9luS=
fid)t geftellt. ®iefeS batte enblicb einen entfejj«
lieben Grfolg. Gr untergeiebnete ben ©iberruf
unb fcbloj? benfelbeit mit ber Grflärung, baft er
bie-3 ans freiem Slntrieb gut Grlebigung feines
©ewiffenS getban habe - . Mer ber .{inft ber $ö«
nigin warb bureb biefe ®bat nicht gefüijnt. Sie
befcbloft, ib f < bennodj gu opfern. „Gs fei gut,"
meinte fie, „für feine arme Seele, bafe er Suffe
getban unb wiberrufen, aber baS allgemeine
©obl uerlange, bafi ber ©auptoerbreiter Don
Irrlehren fterbe." Gin Sefcbl, ihn gu oerbren«
neu, würbe erlaffen, unb ba man mit ber 9luS=
fübrung gögerte, folgten anbere, biefelbe gu be=
fdblennigen. ®em Graitmer enthielt man biefe
Mfid)t, unb hoffte burch Ueberrnfdjuug mit bem
©(heiterbauten, ihn gur Sergweitlung gu trei«
ben. ®od) festen er eine Mnung Don bem Se«
Dorftebenben gu haben, benn er febrieb ein Ian«
geS ©luubenSbctenntnijf, wie eS fein ©emiffen
unb uidit feine ftird)e ihm eingegeben.
91m 21. ©ärg führte man if)ii in bie St. ©a=
ria»$ird)e. ®r. Gole hielt eine Srebigt, in wel«
eher er baS Serfabren ber Königin in ber Ser«
urtbeilung GranmerS rechtfertigte,- befonberS
aber bie Setebrung ®r. GranmerS als ein ©er!
beS ©eifteS ©otteS bartbat. Gr fprad) barauf
bem Seruvt heilten Sroft gu, unb felgte ihm Unter«
ftüfcung burd) Steffen in 91u»fid)t. Granmer
ftanb unter ber gangen ^Prebigt befefjämt unb
tief gerührt. Sadjbein Gole feine Srebigt be«
cubct, lebte er bingu: „Sriiber, baf; Siemaitb
biefes ©anneS Belehrung begwcifele, follt ihr
ihn felbft rebeu hören. 3« Granmer: „3cb bitte,
mein .ftcvr, baff Sic jefit baS SäugftDcrfprocbene
halten, nämlich offen 3bren ungcbeucbclteu ©lau«
ben betennen, fo baff alle ©enfeben wiffeit, bafe
Sie ein rechter ffatbolit finb." Graitmer er»
wiberte: „®aS werbe ich gerne tl)uu. ®arauf
fiefj gum Solle wenbenb, fagte er: ,,©ute Seute,
meine tbeuren, geliebteitiSriiber in Gbrifto! 3d)
erfuche euch beglich» gum allmäcbtigeu ©ott gu
beten, bafs er mir äße meine Süitben, Welche
gablloS unb grojf finb, Dergeben wolle. GineS
briidt mein ©ewiffen mehr als alles 91nbere,
worüber ich, fo ©ott will, fpäter mehr gu fagen
haben werbe; aber fo grojf unb biel auch meine
Siinben fein mögen, fo bitte ich and), betet gu
©ott, bafi er fie mir nad) feiner Sarmbergigteit
Dergeben möge." Gr Iniete nieber unb hielt ein
ernfteS Suffgebet, baS er mit bem Sater«Unfer
fdjloff. ®ann folgte eine ernfte fJtebe an bie 3n*
Ijörer, worin er guerft Dor ber ©eltliebe warnte,
als einer fjreinbfdjaft wiber ©ott, bann gum ©e»
borfam gegen bie bürgerliche Cbrigfeit ermahnte,
gum britten fie gur redbteu Siebe untereinanber
aufmunterte unb enblid) biejenigen, bie Diele
©iitcr haben, auf SufaS 18, 24. 25, 13obanneS
3,17 unb 3afobuS 5,1.—4 ernftlid) binwieS.
Gr fuhr bann fort: „®a idb jc^t aus Gnbe mei«
neS SebeuS, an welches ficb meine 3ufunft tniipft,
in welcher ich entmeber mit bem .fievrn GbriftuS
ewig in ffreuben leben ober in ewiger Sein mit
bem 2eufcl in ber .£>ö((e (eben werbe, angefom»
men bin, fo werbe idj meinen ©laubeit frei, offen
ohne Färbung unb auch ohne fRüdfidft auf baS,
was ich in bergangeuen 2agen gefagt ober ge«
fdjrieben haben mag, betennen:
„3<b glaube an ©ott, ben allmächtigen Satcr,
Schöpfer Rimmels unb ber Grbe lt. f. w. 3<b
glaube jeben 91rtifel beS fatbolifeben Sefenut«
ttiffeS, jebeS ©ort unb jeben Saf», bie mtfer
.fjerr 3efu» GbriftuS unb feine 9(poftc( im neuen
unb alten üteftoment gelehrt haben. 3e^t tomme
id) gu bem, baS mein ©ewiffen mehr als alles
9lnbere befdjmert bat. 3<^ habe eine Schrift
Derfafft, weld)e ber ©abrbeit guwiber ift, nnb
Digitized by
Google
Digitireef by VjOO9l0'
(franmtrs Pärti)tertl)um.
121
JDenfmal ber Wärt^rer.
✓
biefe Schrift, bie roobl meine £>anb fiefdfjricbert,
aber mein £>erj nic^t geglaubt bat, getrieben
au3 furcht oor bem Dobe, in fjofftutng, mein
geben ju retten, miberrufe ich je^t. @3 finb
alle fold)e mieten unb Rapiere, bie ich feit
meiner Sbfepung gefebriebeu unb oiele3 Uiu
wahre enthalten. Da meine £>aub bur<b biefeS 1
Schreiben gegen #erjen3überjeugung gefiinbigt
bat, fo foU fie au<b perft bie Strafe erleiben,
wenn id) 8 iun ^Pfabl tomme. Stit aSejuct auf
ben Sapft befenne i<b, baß i(b ihn als Ghrifti
gfeinb, als 9lntidjrift, mit aßen feinen fallen
Sehren öerroerfe. 3f<b halte feft an ber Sehre
oom ©atramente, mie ich fie in meinem Suche
flecien ben ©ifdjof öon Sßiucbefter barfletban."
Die 3ubörer flauten ficb oerrounbert unb
entfett an. Standje hielten ihm feinen 2Biber=
ruf oor. 9tnbere befchulbiflten ihn ber Heuchelei.
Die ®eleljrten unb £)ocbgefte[lten mürben
mätbenb, um fo mehr, ba fie (eine 3tad)e üben
tonnten, beim felbft ber febteebtefte Stenfcb tann
in biefer nur einmal fterben, unb bie3
Serhängniß foüte ihn jept ereilen. @3 blieb
alfo nichts übrifl, a(3 ihm Sorroürfe p machen
unb ber Heuchelei p befdplbigen. 9lber bie3 mar
bem Grattmer nicht einerlei, ©eine Stöbe, bie
er fidj gefleben, empfanb er fchtoer. „9(<b, meine
Herren," fagte er, „beutet meine Stellung nicht
fo. Sisber habe ich bie aiufrichtigteit geliebt unb
bie 3?nlfcbbeit gehabt, nie habe ich mich juüor
oerftellt." Gr meinte bitterlich- $ie Aufregung
1 roarb immer gröber, man miitljete unb beulte.
Gole felbft fchrie: „©topft ben flepermunb!"
Stau rib ih» au3 ber Kirche pm Scheiterhaufen.
s i(uf bem Siege tonnte et ficb nicht enthalten, ba3
Soll p ermahnen. Sn bem Slap angetonimen,
roo früher aitbere Stänner um ihres ©InubenS
millen Derbrannt mürben, fprach Graumer ein
furjeS ©ebet, entf(eibete ficb bi3 auf fein lobten»
bemb, gab ben Umftebenben bie.^anb, ließ fiep
mit, ber eifernen ftette binben unb machte [ich
auf fein Gnbe gefaßt. Der ©cheitcrbnufen marb
.angepubet, ba3 ffeuer griff um ficb, enblich tarn
e3 feinem Opfer näher. IJcft ftreeft Prämiier
feine £>anb, bie ben SMberruf unterzeichnet hat,
in bie flamme unb hielt fie feft, bis fie oor ben
Sugen be3 Solte3 oerjehrt marb. ©ebulbig unb
feft mitten in biefer Qual richtete er feine klugen
gen tpimmel, einmal um3 anbere ben SuSfprucb
ioieberholenb: „Diele £>anb hat gefünbigt, biefe
Digitized by v^ooQie
122
Hit aud) mir oergeben.
Hanb bat gefüttbigt!" SJtit ben SBorten beS hei*
ligen Stephanus betete er: „Herr 3efu, nimm
meinen ©eift auf." Gublidj tarn bie Grlbfung.
@o enbete im 67.Sebensialjre SLbomaS Gran«
mer. Gr mar ein SJtann großen Fleißes, guter '
UrtljcilSgobe unb ^crrlidjfter Äenntnijje, ber
troß feiner ©ebrcd)en unb Schmähen einen
frommen Sinn unb reblidjeS ©emiitb batte, unb
ein Seben ber' Siebe unb SBoljltbtttigleit führte.
Gr manbette öor ©ott unter ben SJtenfdjen be=
mütbig unb fauftmütbig. ®er große Statel an
feinem Seben mar fein leßter galt; bocb erhielt
er bafür Don bem bie Vergebung, ber einftenS
p bem Sd)iid)er fpradE): „Heute mirft bu mit
mir im ißarabiefe fein."
Pie audj mt tiergeben.
Gine Grjäbfung aus A m e r i f a.
S»r H«uS unb £erb tun <®#Itriu§.
ie batten nun fdjon über breißig
3aljre neben eitianber als Stadjbarn
geroobnt unb in biefer 3«it maiube
greub’ mie auch manches Scib ge«
tbeilt. 3m alten Heim maren fie
Schulfameraben gemefen unb batten
• nebeneinanberftebenb bie Gonfirmation empfan«
gen. Aber noch ftärfere Sanbe berfnüpften fie
miteinanber. GS mar ein großer gefttag im
3)örflein, als HanS ©erbart unb ßonrab fjrieb»
lieb am felbeu Sage bie beiben Stödjter beS alten
t ofer pnt Sraualtare führten. Sßarett bocb bie
eiben rneldje non ben braöfteit unb belicbteften
Surfdjeu, unb faft mollte fid) etmaS mie Steib in
manchem 9Jtäbd)enberjen regen, als fie fo fdnnud
unb ftattlid) oor bem Elitäre ftanben. Salbei
maren SJtarianne unb fiätf)d)en bilbfehöne SJtäb«
epen unb batten einen recht chriftlidjen @inn oon
ihrer oerftorbeneu SJtutter ererbt.
2)a tarn bem £>anS einmal ber ©ebanfe, nach
Amerifa auSproanberm 2ßar ja bod) ber Schul,
ten Sörgel babin gezogen unb batte fid) in eini»
gen 3apren «in eigenes £>eim erroorben. HanS
tbeilte feine ©ebanfeit bem $onrab mit. ©iefer
batte bcitfelben tpiait fchon eine 3eit(ang bei fid)
überlegt unb ba SÖeibe nur p amerifa«luftig
maren, fo mürbe halb ein Uebereinfommen ge=
troffen. 2)er alte Hofer gab feine 3uftimmung,
ba ihm bod) ber Aufenthalt im 2)orfe burch ben
Üob etlicher Äinber unb pleßt feiner ©attin
oerleibet toorben mar. Gr mollte mit feinen
•fiinbern pfjen, um im fernen Sanbe momög»
lieh feinen Schmer* begraben p Jönnen.
S)as Sanb, mie audj »b« fonftiges Gigeuthum j
fanb Ääufer p billigen greifen. Salb mar >
man mit Sacf unb Sacf auf ber fcbmierigeit
Steife. Sa§ Sanb ber Hoffnung mürbe enblicb
erreicht. Stach furäem Aufenthalt in Stern Dorf
ging eS lanbeinmärtS bem barnalS noch fernen
SSeften p.
3 in fiiblichen 3'tbiana mar es, mo man ftd)
eublidj mitten im SCßalbe in einer noch fpäriid)
angefiebelten ©egenb nieberliefe. S)as mar ein
Unternehmen, in ber Sßilbniß ein fjeim p
grüitben, ben hupten SSalb *u lid)ten unb ben
jungfräulichen Soben urbar p machen. GS
foftete manchen fauren Scpmeißtropfen, manche
berbe Hiebe. Allein HanS unb Uotuab ftanben
fid) einanber treu pr Seite, unb SJtarianne unb
Äütpdjen halfen pelbenmütljig mit. ileiit S)un»
ber, baß fidj im fremben, milben Sanbe baS
Heimroep einftellte.
®aS Sefte oon Allem mar, baß fie täten ©ott
unb ihren ©lauben mit in bie SMIbniß genom«
men hatten. £er alte Hofer toarb ber Sriejler
beS Kaufes. $ie alte moblgebrauchte Sibel, baS
©efangbudj unb 3op. Arnbt’S mabreS Gpriften«
tbum mürben oft beroorqefudjt. 3)a mürbe be=
fouberS Sonntags baS SOßort ©otteS gelefcn unb
burch ben 23alb erfchallten bie iflänge eoange«
lifdjer Sieber.
3apre Ooll Oon Gntbebrungen unb unfäglichen
Sefcpmerbcn fiub mittlermeile oerftridjen, unb
in biefett 3npren ift manches anbers gemorben.
GS blühte bie SBilbniß mie eine Stofe. Sreite,
lacheitbe gelber, grüne SBiefen unb graSreidje
SBeibeit, auf benen frieblich baS Sieh grafete,
maren an bie Stelle beS unmirthlicheu SöalbeS
getreten. SDaS Slocfpüttcben, in bem ©erhärt
unb grieblidj mit ihren gantilien unb ihrem
Scpmiegerbater gemobnt batten, mar längjl Der.
fchmunbeit. $afiir ftanben jmei ftattliche Käufer
ba, ein febeS bon anftänbigen garmgebäuben
umgeben. fEort auf jener Slnböbe ftanb baffelbe
ßirchlein, baS noch beute bafteljt, unb ber grieb.
bof babei, in bem fchon fo mancher ©rabflein
bie Stuheftätte ber Heimgegangenen bejeidhnete.
Auch ber alte Hofer ruhte ba Oon ben SJtüben
unb ben Sorgen feines SebenS. Gr mar im
grieben p feiner 9tul)e eingegangen.
SJtancheS mar anbcrS, aber nicht AHeS mar
beffer gemorben. ®iemeil bie Sanbfdjaft ben
Stempel beS griebenS unb ©ebeibenS trug,
maren rauhe Stürme burch bie $er$en gefahren
unb hatten auch manches Her} gefnieft.
Stacbbem etroaS SBohlftanb einaefebrt mar,
bauten fich ©erhärt unb grieblid) jeber ein eige»
neS Haus. $aS mar auch uöthig gemorben,
benn es hatten fich inbeffen bie gamilienglieber
oermehrt. 2)er alte Hofer hielt fich einen Stbeil
ber 3eit bei ©er'hart, ben anberen bei grieblicb
auf. 2)aS ging auch leidht, benn bie beiben Häu»
fer ftanben nicht fern Oon einanber. $a unter«
hielt er fich mit feinen muntern Gnfeln unb
Digitized by v^ooQie
ffu oud) mir otrgebrn.
123
Snteliuneu, oerfertigte allerlei ©fjielfadben für
|le, erjagte ihnen anmutige ©efcbidhten aus
bem alten ©aterlanbe uub gab ihnen Anroeifun*
gen gut Sröimnigfeit.
Doch folltcn )id) über biefeS SÖitb beS SriebenS
balb bunfle ©chatten lagern. ©erwart mar bou
©atur aus nic^t leidet erregbar, aber mürbe er
einmal erregt, fo nahm eS gemötjnlicb eine lange
3eit, bis er ficb mieber gufrieben gab. Srieblid)
bagegen tjatte eine feljr bem eg liehe ©atur, mürbe
überaus leidet erregt, füllte jeboch balb mieber
ab. @3 mären febon bie uub ba Heine ©eibungeu
borgetoinmen, bie aber ber alte Wofer immer
balb gu fcblicbten mußte. Allein mit ber 3eit
»erlor er immer mefjr feinen ©influß auf bie
beiben ©tänner.
63 mar im ©ßätberbft; baS 2öelf<blorn mar
bereits abgetanen unb ftanb in ©dijobern auf
bem Selbe, ©erbart batte unter feinem ©ieb
ein ränleootleS ©taultljier, baS fcboit mannen
Schaben angeriebtet batte. • 6ineS AbenbS über»
lieb ©erbart eS feinem älteften ©ohne Dom,
baS ©ieb in bie Stalle gu treiben unb gu füttern,
ba er roegen mancherlei ©efcfjnften erft fgät bom
©täbtdjen beimtommen fonute. Ulm felben Abenb
fanb im naben ©dbulfjaufe ein „Stelling ©tatdj"
Patt, an bem ficb Dom beteiligen mellte. 'Dar¬
über aber oergafj er gang unb gar feines ©aterS
Auftrag nnb ließ baS 93ieb auf ber Düeibe über
©ad)t. Da gefdjab eS benn, bafs „Dobbin", baS
TOaultbier, ben 3 fl un niebermarf unb in f?Frteb=
lidjS UBelfdbfomfelb binüberfprang, gefolgt bon
ben ©ferben, Äiiben unb ©cbmeinen. ©iS
gegen borgen mürbe giemlicbe ©ermüftung an*
gerichtet.
Als Srieblid) am borgen ben ©(haben ent»
betfte, begab er fi<b gornentbrannt, troß beS 3u*
rebenS feines ©cbmiegerbaterS, gu ©erbart bin*
über. 6s entfpann ficb ein immer heftiger mer*
benber ffiortroecbfel gmifeben ben ©eiben, Srieblidj
mürbe immer gorniger, unb bergaß fid) gnleßt fo
meit, bafe er feinem ©cbmnger einen mächtigen
Sauftfcfilag in’S ©efiebt oerfeßte. DaS mar
faum gefdfjeben, als er gur ©efmnung fam unb
tiefe ©d)am über feine Dbat embfanb. ©erbart
mar nun auf baS £ödbfte aufgeregt. ©on feiner
mittlermeile berbei gefommenen ©attin aufge«
batten, ermiberte er ben ©djlag nicht. „SBarf,
baS fod bor ©eticht gefchlichtet roerben!" rief
er bor 3orn bebenb bem ficf> entfernenben Stieb*
lieh nach-
6S berrfchte bie gröjjte Aufregung in beiben
Samilien, mie auch in ber gongen ©adjbarfdbnft,
als ber Sorfaü befannt mürbe. Da mollte Wofer
mieber alS@cbiebSri<bter gmifeben feinen ©ebrnie*
gerföbnen gerieben machen. 3ebo$ biefes fötal
{(heiterten feine Semübnngen. Srifblicb bereute
fein übereiltes ©enebmen unb mollte gern Ab«
bitte tbifn unb fich nnSföbnen, ©erbart aber mar
unb blieb unoerföbnlich. ©ergebenS mareit bie
Anftrengungen ber©a<hbarn, mie auch beS©re*
bigerS. Umfonft mareu bie Dbraneit feiner ©at*
tin, er blieb unbemeglidf).
Der Sali tarn oov baS ©ericht, unb nach tan*
gern ©rogeffireu, baS ©erbart nur immer mehr
erbitterte, batten fie ©eibe bie ©rogefsfofleit gu
tragen, ©erbart blieb mittlermeile uon ber
$ircbe fern unb iiberliefi bie £>au3anbacbt gäng*
lieh feiner ©attin. 63 fdjien, als ob er ent*
fchloffen märe, fiel) nie ’gu üerföbnen. Der alte
Wofer hielt fiel) fortan nur bei Srieblid) auf.
©o oerftricbeu etliche Sabre. Der alte Wofer
lag auf feinem ©terbelager uub lieb ©erbort gu
fid) rufen unb befchroor ibn, oon feinem W«fi
abgulaffen. ©erbart aber lieb ficb bon ben ©}or*
ten beS ©terbenben nicht rühren. 6s halfen
alle ©orftcllungen nichts, ©tit biefer Saft auf
bem bergen mußte ber ©reis bie Dingen fd)lieben.
$nunt mar bie mübe |)ülle im ©rabe falt ge*
morben, fo entbrannte ber Streit auf’s ©eue
über baS lleine ©ermögen, baS ber ©erftorbene
flinterlaffen batte. Die ©eridjte mürben aber*
mals in Anfßrud) genommen unb mubten ben
3 mift entfeheiben.
Smmct grimmiger mürbe ber £>afs in ©er*
bart’S Seele, unb frab an ihm mie ein Strebs*
fd)aben. ©ein ©efidjt nahm eine biifiere ©ciene
an unb fein ©enebmen berrietf) innere ©ul)e«
lofigfeit. Weiterleit mar faft aus feinem Waufe
gemichen. ©eine ©attin feufgte unter ber Saft
ihres ShimmerS. ©otteS ©egen fdjien auch in
irbifefjen Angelegenheiten gemichen gu fein,
©latidberlei Unfälle unb ©erlufte lehrten ein,
bie ihn noch mehr oerbüfterten. Die beiben jün*
gcren Stinber mürben balb nach einanber oom
©eroenfieber babiit gerafft unb Dom lambfte in
ber SunbeSarmee im fernen ©üben.
Der Sf rieg nahm ein ©nbe unb Dom lehrte
als baS eingige iiberlebenbe ftiub feiner 6!tern
beim. Aber er brachte ein roiifteS, lafterljnfteS
Sßefett ginn großen Sf ummer feiner ©lütter mit.
6 r flickte bie rohefte ©efeKfdhaft auf unb nahm
Dbeil au ihrem milbeu Drciben. ©o tarn es,
baß er eines AbenbS auf einem Dange mit einem
gefürchteten tRaufbolbe in ©treit gerietb unb
Oon ihm erftodhen mürbe.
©teinermeidhenb mar ber Jammer beS ge*
brodheiten ©lutterbergenS über biefeit nieber«
fdhmetternben ©chlag. Auch ©erbart mürbe tief
erfdjiittert, als man bie blutige Seiche feines
älteften ©obiteS b«>mbra(hte. ©ein ©emiffen
folterte ihn unb roarf ihm oor, am fchredlichen
6 nbe feines ©obneS mitfdhulbig gu fein. DaS
Dafein mürbe ihm unerträglich. Sa feinem
inneren barg er eine Wälle. DaS ©ilb beS 6r*
morbeten fdjmebte ihm Dag unb ©acht oor ber
©eele.
Da fafste et ben ©ntfdjlufs, feine Sarm gu
Digitized by v^ooQie
124
$0ie aud) nie otegtben.
berfnufen imb weiter nach bem Weften gu jief)en,
beim ber Wifenthalt in ber ©egenb war ihm
gur Qual geworben. 91ber eS füllte eine 355en=
bung geben.
9US fie eitteö SlbettbS bor bem ffaminfeuer fo
einfam faßen, unterbrach 'Marianne bie peinliche
Stille, inbein fie ihren ©atten mit mehmütfjiger
3 «vtlichfeit anrebete: „ffomm bod) morgen wie«
ber einmal mit mir nach ber ff irebe, Johann,"
fprach fie, „bn bift jeßt faft fchon gehn 3 aljve
lang nicht mehr mit mir in bie ffirdje ge»
gangen."
@3 lag eine Macht in biefem gärtlid) ge«
fprochenen Sormurf, ber fein hart geworbenes
4 )erg nicht wohl wiberftehen tonnte, ©rinuerun«
gen an glüdlichere Dage tauften in feinem ©e=
miithe auf, unb eS mar ihm gu Mutlje, als muffe
fein &erg gerfpringett.
„Witlft bu nicht, Johann?" frug fie Wieber,
ba er nicht geantwortet hatte.
©S fchien ihm unmöglich, ihre Sitte abgu«
fälligen, unb boch fiel es ihm fo fchwer, fie 311
gewahren.
„9lun, wenn bu eS einmal burcbauS haben
will ft, fo will ich lieber einmal mit bir gehen,"
antwortete er nach einer Saufe.
3ur Sermunberung ber Wimefettben war
©erhärt am Sonntag Morgen wieber in ber
Kirche nach jahrelanger 'Jlbmefenljeit. Dort faß
er in ber leßten Sa nt unb fah berftört barein.
©S war ihm fonberbar gu Muthe. War eS bo$,
als ob bie Sltmofbäre beS ff irdjleiuS wie ein mil»
beS Dhaumetter auf fein erfrorenes .£>erg ein«
wirfte. (Sr fah fjrieblich in einer ber oorberen
Sänte, aber bieSmal fühlte er nicht baS fjeuer
beS fjaffeS in fid) auflobern, wie fonft, wenn er
feiner aitfichtig mürbe. Der Srebiger mar ein
fctjlichter ffneeßt ©otteS, ber mit einfachen Wor»
ten, aber mit Salbung bie göttlichen Wahrheiten
bortrug. ©S war ber 22. Sonntag nach Drini«
tatiS unb bie Srebigt hanbelte oom Sdjalfstnecht.
So einfach wie fie war, fo brang fie bo<h gleich
einem gmeifdjneibigen Schwerte tief in ©erfjart’S
Seele ein. SefonberS erfcfjütterten ihn bie Worte:
„Unb überantwortete ihn ben Reinigern." Da
tarn es ihm bor, als ob er in ben berfloffenen
fahren felbft etwas bon biefen Seinigern er*
fahren. 3 fn feinem $ergen wogten bie ©efüble
mächtig. 6 r mar tief getroffen.
3 >n fich gelehrt ging er fdjweigenb heim an
ber Seite feiner ©attin. Seine Unruhe mürbe
an biefem Dage aufeerorbentlid) groß. Die Worte
ber Srebigt höhten in feinen Ohren nach wie
ein beftänbigeS ©cho. @r badjte an bie Sor«
ftellungen feines fterbenben SchmiegerbaterS,
bor feinen klugen febmebte baS Silb feines er«
morbeten Sohnes unb bie abgehärmte ©eftalt
feiner ferner geprüften ©attin. 3 u feinem 2 fn«
neren ioberte ein heißer ffampf.
Die 9ta<ht brach enblich herein, aber fie brachte
ihm feine 'Jtuhe. Sein ©ewiffen peitfehte ihn.
©r warf fich in feiner Dual auf bem Saget um«
her. ©ublid) tonnte er es nicht mehr auShalteu.
©r fprang auf, fleibete fich an unb lief mitten
in ber Wacht gu ^lieblich hinüber. 3 um erften
Male feit fahren betrat er bie Schwelle unb
flopfte an, währenb fein .j)erg hörbar pochte,
ffrieblich ftaub auf unb tarn gur Dbüre. 311S er
©erhärt erfannte, lub er ihn ein, in’S 3immer
gu treten unb güitbete ein Sicht an.
Sie blidten einanber fchweigenb an.
„ffannft bu mir noch bergeben ?" würgte enb.
lieh ©erhärt herbot, unb babei fing er laut gu
ichluchgen an.
„Sou ftergen gern l" rief fjfrieblich unb bol
ihm bie fjanb bar.
„Sch! wie habe idj mich au bir unb an meinem
©ott oerfünbigt. Mein Sehen ift mir gur £>öüe
geworben, ich fantt eS nicht länger ertragen,"
fprach ©erhärt.
„Soit mir foll bir 9ltIeS gern bergeben fein,"
fügte tfrieblich.
„grieblich, millft bu nicht mit mir beten, baß
fich ©ott meiner erbarme!"
^rieblich war froh, baß es mit feinem Schwa«
ger fomeit gefönt men war. ©s entfpann fich ein
wahrer ^atobsfampf. DctS war einmal ein
Schluchgen unb <&d)reien um ©nabe! Das ber«
fteinerte #erg war enblich botlftänbig ger«
fnirfcht.
©S graute ber Morgen fchon, als ©erhärt
mit erleichtertem £>ergen fid) auf. ben Heimweg
machte, fühlte er boch wie ein gang anberer
Menfch. Die Saft, bie ihn gu erbriiefen brohte,
war abgemälgt, bie ffetten waren aefprengt unb
er warb enblich wieber frei. 911S Marianne baS
Sorgefallene erfuhr, ba wollte ihr artneS #erg
wieber jubiliren unb fie pries ©ott aus boller
Seele.
Otiiljrenb mar bie Sgene, als am nächften
Sonntage ©erhärt nnb fjrieblich neben ein«
anber am 'ilbenbmablätifche Inieten unb heiße
Dheätten weinten. Da blieb faft fein 5litge in
ber ffirdje troden. ■
©S war eine fchmierige Seftion für ©erhärt,
bie er in ber Schule bitterer ©rfabrung gu ler«
nen gehabt hatte, aber fein nun banfbareS £>erg
hatte beten gelernt, wie nie gubor:
„Sergieb uns unfere Schutben,
wie mir unferen Schulbigern
b e r g e b e n."
Digitized by v^ooQie
Jir Hurtigkeit bet Itleinkinberklaffe.
125
Pie Ütd)tt0heit bet liettikitiber-
UlaflTe.*)
3«r §an8 nnb §ert tioit fuguft Reffet.
f ie fe^r roid^tiq baS gange ©onntagfdjut»
mer! ift, barüber ijt heute faum ein Eprift
im 3wetfel; eben beStjalb ober ift bie
Äteinfinberftaffe febr micßtig unb gwar:
1) SOBeit in berfelben bie Steinen, abgefonbert
Don ben größeren ©(Gütern, nad) ihrem fjaffungS»
Dermögen burrf) befonbererS geeignete Sehr»
methobe, gum Seifpiet 3lnf<haiiungSunterrid)t,
Ergäljlungen unb begleichen unterrichtet »erben
fönncn.
2) 3n ber frühften Sugenb ift bie Empfäng»
lichteit größer, als in irgenb einem anbern Sitter,
baßer bie Siothmenbigfeit, bie £crgen frühe mit
bem ®uten unb ©öttlidßen angufütten. SBenn
eS in biefem Sitter nicht gedieht, fo nimmt baS
4>erg baS Söfe gang Don feibft in fich auf. Es
ift Dor allen Singen micßtig, bie $inber in bie»
fern SebenSatter auf bie redete Sahn gu leiten,
benn roie bu ein ßinb gemßhnft, fo haft bu e§.
Sopola, ber ©rünber be» Sefuiten «DrbenS,
fagt, baß bie erftcn auf baSßinb gemalten Ein»
brüdte gerabegu unberechenbar feien.
3uiii Seifpiet: Stuf einer ber hofften ©pißen
beS fyelfenqebirgeS, mehr als 10,000 fjfuß über
bem SieereSfpiegel, befinben fich gtoei Duetten
in io geringer Entfernung Don einanber, baß fie
mit roenig Stühe mit einanber berbunben wer»
ben tonnten. Sie eine fließt in öftlidfer Stiftung
in ben Sater ber ©tröme unb in ben Steerbufen
Don Sterifo: bie anbere in mcfttid)er SRicßtung in
ben E olitmbia = fftuß unb burdf biefen in ben
ftitlen Cccan. Um bou ber Stünbung beS einen
öluffeS gu ber beS anbern gu gehen, mürbe eS
nöthig fein, eine Sergfette bon über 10,000 ffuß
ju überfteigen unb eine Entfernung bon menig»
ftenS 5000 Steilen gu burchmaubern. Unb hoch
maren beibe einft bie nädjften Sacßbarn. Äeine
Don ben beiben Duetten hotte anfänglich eine
befonbere Steigung für bie eine ober anbere Stich»
tung. ©eringe Slnftrengungen mären genügenb
geroefeit, um bie öftliche Duette mefttid), unb bie
ioefttiche öftlich gu leiten. Slehnlich berhält eS
fich betreffs ber frühen Ergietjung ber $inber.
3 t Sludj begiiglich beS ©ebeiljenS ber ©onn»
tagfchute ift bie Ä?teinfinberftaffe fehr micßtig;
benn menn bie Siebe gur ©onntagfchute recht
frühe in bie ßergen gepftangt roirb, ba mirb bie»
felbe faff ohne SluSnatjme auch im fpäteren
Sitter eine beftänbige fein. Siefe grüßgemon»
') acuf empfebtwnS ^ ©onfewttj für ©rjiefjung unb
tecnntögfcßute in (SoanäBiße, Jjnb.
neneit unterfcheiben fich feht Don benen, roelche
erft im oorgerüdten Sitter gur ©chute tommen.
-Sie Seßteren roerben gar leicht üeranlaßt, burdh
Serfprecßunqen unb ©efcßente bon-einer ©onn»
tagfchute in bie anbere gu manbern, fo baß mir
feßt fcßon in unferen größeren ©täbten eine Strt
©onntagfchuUSrampS hoben, metche fich reget»
mäßig gur Sic»Stic= unb Skihnacßtsgeit ein»
ftetten, aber auch ebenfo regelmäßig mieber ber»
fcßminbeit. ES freut mich, fügen gu tonnen, baß
Don ben ffinbern, bie mir in ber Sergangenßeit
in SouiSbilte in bie jtteintiuberflaffe aufgenom»
men hoben, beinahe ade ohne SluSnaßme bie
©chute regelmäßig befuchen, ohne baß mir ihnen
irgenb toelche Setohnung in SicfetS ober harten
gu geben brauchen. 2ßir fiub baher auch meniger
ber Ebbe unb fftuth beS SefuchS auSgefeßt, als
manche anbere ©Aulen.
Studh für bie ©emeinbe ober ßircße ift bie
ßleinfinberftaffe michtig, meit folcße Hinber nicht
nur in ber ©chute bleiben, fonbertt auch bie
ßircße lieben lernen unb biefelbe als bie ihrige
mähten. 3<h betrachte biefeS als einen Sßuntt
bon großer SBicßtigfeit begiiglich ber Äteinfinber»
Haffe, ©purqeon fagt, baß aus 2700 Stitgtic»
betn feiner ©emeinbe nie eins auSgefchtoffeit
toorben, bas er als ßinb aufgenommeii.
4) 3ft bie ßteinfinberflaffe mistig, meit hier
am beften bie Siebe gu ©ottes SBort geroecft mer»
ben tann. SicßtS ift für bie Steinen fo an»
giehenb, als bie ©efcßicßten ber Sibet, befonberS
beSmegen, meit fie für baS finblidje gaffuitgs»
bermögen fo gut Paffen; aber auch besroegen,
meit fie bem macßfenbeit Serftanbe beS Sinbes
beftänbig neuen ©toff gum Sacßbenfen geben
unb neue i^been gu ©einüthe führen, metche auch
ber Serftanb ber SSeifeften nicht erfdjöpfen tann.
Saher entftcht eine beftänbig macßfenbe Siebe
gur Sibet unb mer tann bie ffotqen folget Siebe
berechnen auf firchlichem unb bürgerlichem ©e»
biete ?
5) 3fn biefem Sitter fönnen bie Äinber leichter
gu 3efu geführt merben, als in irgenb einem
anbern. Stag biefer ©aß and) nicht febem fo
recht einleuchten, fo beruht berfelöe bod) auf
©otteS Sßort unb ber Erfahrung. SaS Stinb
mag bicfteicht mit bem Serftanbe nicht SttteS
faffen lönnen, allein es fann Don bergen lieben
unb liebt auch- ©ieh nur, mie fdjoit baS tteinfte
$inb feine Slermcßen ausftredt nach ber Sperfon,
bie eS liebt, obgleich es bir baS SBarum nicht er»
Hären fann. Stan benfe gum Seifpiet nur an
bqS Stübchen, Don bem tßaftor gunfe ergätjlt.
ES mar 6 ober 7 3jahre alt unb fam gu ihm, um
gu bitten, gum Slbenbrnaßt gugelaffen gu merben.
Ser Snftor begann eine Srüfung mit ber gtlei»
nen, metche in manchen Stiiden nicht beftanben
mürbe. „Stein $inb," fagte |>err ffunfe, „ich
fann bidh nicht gum Slbenbmaht gutaffen, fo
Digitized by v^ooQie
126
3m jbidplanb.
lange bu nicht bcffer unterrichtet bift." Sa
traten ber At leinen fd^roere, beifee .Sferäneit in
bie 91ugen mib fie faßte: „£>err '-Pfarrer, wenn
ich audfe niefet alle %l)xe fraßen beantworten
fann, fo weiß ich bocfe, bafe id; beit grofeen, fluten
£cilaitb |efer lieb feabe."
„0," fefet finite feiuju, „welch flrofe totürf
Sfeeologie bat micfe biefe Illeine gelehrt!"
6) Sie Kleiufinbertlaffe ift e i n 'IRittel, baS
©laubenS» unb ©ebetsleben beS .Minbeä gu er»
werfen. SaS Kinb betet unb fllaubt mit oer»
traucnSDollcm bergen. Statt biefeit ©ebanfen
weiter aiiSgufüferen, will td) eine ^Begebenheit
erjäbie alles SaS in lieb fcfeliefet, baS iefe
euch ju £>erjen führen möchte. ©inft War ich
fefer tränt. Ser 5trjt machte ein fefer erufteS
©efiefet. kleine ©attin wollte bie Hoffnung
anffleben, unb welche ber kleinen ftanben wei»
nenb um baS Säger. Sa tomint mein fleiner
Knabe aus ber Schule, (ir bemerft, bafe etwas
Säuberliches im £>aufe Dorgefet, liefet bie rotfe»
fleweinten Hingen unb fragt, toaS eS beim fei.
Wau antwortet ifem, ber Safer fei fefer tränt
unb würbe wofel halb Don ben Kinbern in ben
£)immel gefeen.
„Wichts ba," fagt ber Kleine, „$a barf noch
nicht fterben. Wir brauchen ifen noefe." Unb
barnit tniet er fich. an baS Sett beS 23atcrS,
nimmt beffeit £>anb unb faßt: „ißa, weifet bu
nicht, wie bu uns fagteft, bafe wir nur gum £>ei»
lanb beten follen, unb bafe ©r immer feöre?
SaS werben wir jefet tfeun, unb @r wirb bi<h
niefet fterben laffen." — Ser Sater lebt feeute
noch unb feabe iefe bieS '-öeifpiel nur beigefügt,
um gu geigen, wie bei ben Kleinften baS ©lau«
beitS» unb ©ebetsleben geweift werben fann.
Unb follten wir, geliebte Seferer unb Sehre»
rinnen ber Kleinfinberflaffen, in unferm '-Beruf
tleinmütfeig werben, ba wir hoch wißen, Wie
hochwichtig berfelbe ift ? Wit niefeten ! ©ott ift
bei uns unb fegnet unfete Hlrbcit, wenn wir
auch bie fjriidhtc niefet immer fogleidj fefeen.
Saturn mutfeig oormärts bis gunt feligen ©nbe.
iferer £>crrfcfeaft auch Wüfee gaben, alles Seutfche
auSgumergen.
Scfeon in ber golbigett 3ugenbjeit finb wir
gerne hinüber ge.oanbert über ben Dtfeeiu in bie
frühere beutfefee SReicfeSftabt Strafeburg, bie mit
ifereit ©iebelfeaufern, ifereit truminen ©affen
unb oor Mein mit ifereni wunberbaren Wiiiifter
immer einen eigentümlichen 3auber auSübte.
hinter Strafeburg aber liegen bie Sogefen mit
bem Ctilienberg, bem £eibentempel unb anberu
^errlicfeteiten; unb wenn einmal bortfein ein
Msflug gemacfet werben burfte, fo war beS $iu
bels teilt ©nbe.
Sreilich feerrfdjten bamalS bie fjrangofen, bie
fRotfefeofen, wie fie bie beutfefeen Knaben nannten
im tfteidjSlanb. SaS wurmte fefeon bie Suben
unb fpater haben fie ©ebanfen gehabt unb auch
auSgefprodfeen, wie fie im Siebe niebergelegt ftnb:
„3m ©tfafe, über beut :Kbeute,
Xa Wohnt ein 8 ruber mein,
ST'ie tbut’e baS £*crj mir preffen,
©r bat eS {(hier »ergeffen,
SBaS Wir etnanber fein.
SDlein armer, guter SSruber!
ßaft bu bicb benn rerträlfcbt ?
©eraubt bon ben g-ranjofen
Iräpft bu bie reihen Jöofen —
3ft auch b«m §«*3 wrroälfeht?"
©in fo intereffanteS, altbeutfdfeeS Sanb tonn«
ten Wir niefet linfS liegen laffen, als wir brüben
Waren über bem 2J?eere, namentlich jefet niefet,
ba ber beutfefee ffteicfeSabler barüber wefet. 2Bir
Waren wäferenb ber lefeten ©uropareife gweimal
im Otcidfef-Ianb. ©iumal betraten wir baffclbe
Dom fcfeönen Safel auS; baSanbere mal feferitten
wir Don ber $falg, wo wir uns Speier, fReuftabt,
Saitbati, SrifelS unb MbereS noch einmal an»
fefeauten, Darauf loS.
Cb fie wofel orbentlicfe „bitfdfe" geworben finb,
bie alten, lieben Strafeburgcr, buchten wir, als
ber feerrlidjc 9Rünfter anfiefetig würbe, unb fan»
ben tiacfe wie Dor ben unDerwiiftlidfeen ©Ifäffer,
ber, ob unter Sranfreicfes, ober SeutfcfelanbS Safe»
nen ben alten Dteim in’S $erg gefeferieben feat:
|tn Meidjölanö.
dbitor.
t’ber Seutfcfee intereffirt fiefe für baS
„fReicfeStanb," für©lfafe unbSotferin«
gen, baS man gewöhnlich baS „fReue
iReicfeSlanb" feeifet, aber eigentlich „alt"
nennen fotlte, benn eS ift uralter i
beutfefeer ©runb unb Soben, unb ber I
bortige beutfefee Stamm tonnte nie feine Säter i
üerleugnen, fo fefer fiefe bie Sraitgofen wäferenb '
„<5traf*burger bin idj itn tmü’S blitoe,
Söemt’S anb’re nod) fo affictyt trih?e."
fann ben Sinn berer in ben 9teicf)3=
lanben beutlicfyer be^eiAnen, als bieS alte Sers=
lein. Sie finb Dor 9lUem unb in erfter Siinie—
Straßburger, (Slfäffer, Cotfjringer; ob mm ber
beutfd)e, ober ber ^ranjofeufaifer ©emalt über
fie bat. So toar eS oor 30 3'af)ren, unb alfo
ift eS b^ute nod). Sie toiffen, baß baS 9teicb§=
lanb eine oielbegebrte ^umele ift, unb baS
bat ihnen Don jefjer eine 9trt fouberbiinblicbeS
Selbftgefiibl oerlieben, baS fidh felbft unter ber
^rerfenSbetrfcbaft ber fran^öfifeben JReoolutiou
nicht oerläußuet bnt. Sie haben eine reiche
Digitized by v^ooQie
3m jbidjslanb.
127
©efdjichtf hinter fiel), in welcher ihre 9Jhnen oft I ^tofjenftaufen, haben auf ©trofebur^ unb boS
mäd)tifle ihattraft unb gäbe 9tn$bauer bewiefen, j (gange jegiae iReicbsIcinö iivofse ©tiicfe gehalten
ba§ alte beutfche fReicb aber fiel) als bie Ot)iu i unb benfetben Diele Vorrechte Derliehen. £>an=
maö^t geiegte, unb fo ift es ihnen nicht gu Der» bei, ©enterbe unb ^ltbuftrie blühten in ber
arflen, wenn fie etwas auf fich halten unb ben ! beutfehen Steicbsftabt unb Umcgeeienb unb als
.Ditfcben" ein wenifl fcheel aufeben. ©trahburjg im fünfzehnten S'abrbunbert ben
Die alten beutfehen ffaifer, namentlich bie ©ipfel feiner fötacht erftiefleti, ba wehte ihr
Digitized by Google
128
3m $eid)slattfi.
tt>eifec§ panier in ben JhiegSaüaen unmittelbar
hinter bem faiferlichen 9lbler. Tie ©tabt prägte
ihre golbtien unb filberncn 'IRünjen, uub fchlofe
'-Bünbuiffe mit durften unb ftouigen, ja felbft
mit bem töaifer.
Taju blüljteu Stint ft unb Siiiffenft^aften mie
in nur roenigeit Stabten. Ta fang Heinrich
non Sanfeuberg leine geglichen Sieber, unb
©eiter bon Sfaiferöberfl hielt im fünfter feine
berühmten '-jirebigten. Stucf) ber ©rfinber ber
noch al§ freie Stabt unter ben beutfchen ßaifern,
aber nicht fepr tauge. Subroig XIV. gelüftete
nach biefer „ftrone," uub baS beutfehe '.Reich mar
fo ohnmächtig, baß es müffig jufehen mufete,
als biefer fjnrft 1681 Straßburg mitten im
Stieben mit frangöfifc^en Truppen - beferen ließ
unb jjranfreid) einoerleibte.
Tie granjofen haben baS fReicbStanb—einige
StuSuahmeu abgerechnet — „gebätf<he(t unb ge.
tätfchelt," um bie.Tcutfchen früujöfifd) ju machen.
Dtilicnbag mit Älofter.
Siuhbrucfevfuuft, Johannes ©uttenberg, lebte
lange in Strafeburg, unb bie erfte beutfe^c Söibet
mürbe 1466 bafetbft uon Johannes 'Dcentelin
gebrudt. Tie ^Reformation fanb in biefer Stabt
mofet borbereiteten '3oben unb mürbe unter 95ta=
gifter WattfeiaS 3etl beinahe ohne SBiberftanb
eingeführt.
3llS nun Teutfchtanb burd) ben 80jährigen
Shieg fo fehr herabgetommen mar, mußte es im
roeftphälifchen fjfrieben 1648 jugeben, bafe ganj
Sotferingen unb faft ganj ©tfcife an ^nintreict)
abgetreten mürben. Strafeburg berbtieb bamalS
5fn ben Kriegen beS erften fRapoteonS hoben
biete tapfere fReichSlänber, mie j. ©. ber ©enerat
lieber feinen 9tnhin geteilt unb es gefdjah bon
franjofifefeer Seite MeS, um fie mit ^rantreidh
jit berfchmeljen. Ob bieS je gaitj gelungen,
bejmeifeln mir, obmofel mamher @(fafe.8othrin.
ger auf f^ranfreich ft o l j gemefen fein mag.
ießten ©runbe aber galt unb gilt in erfter Sinie
ber bereits angeführte fReint, maS aud) gar nicht
ju bermunberit ift.
2Öie aber ftefet’S benn heute in jmeiter
fiiuie hinfichtlich beS beutfehen '«Reiches? fRiut—
Digitized by v^oogie
3m jiridjslaub.
129
fo, fo. ©ehr begeiftert ift baS Soll in ben
meid)Slanben für baS neue (Regiment noch nicht,
obroohl es f<hon länger als ein Fahrgehnt bar»
unter fteljt. $aS beutfdje (Reich hat groar aüeS
(Mögliche gethaii, um Sie roiebergeroonneiten
Äiuber mit ihrem ©dfidfal gu Berfößnen. 3lber
fie fühlen [ich buch noch gu fefjr als bie Ueber»
rounbeneu, fo fetjr Diele Foinilienbunbe tniipfen
fie an fjrcmfreich, gu biele geroerbliche Fntereffen
mußten burdj ben SBedjfel geftört toeröen, unb
gu fehr tour ber Glfaß*Sothringer gewöhnt, mit«
leibig auf baS arme, ohnmächtige „$itfd)lanb"
311 Khanen, als bah ie^t fchon eine allgemeine
Steigung bafiir gu bemerten märe.
Singeiite biefer geraubten SJinber finb groar
immer beutfd) geblieben unb bie 3 aljt berer.
(Regiments ertennen, aber aus Furcht barüber
fc&roeigen.
betreffs beS 9teid>eS ©otteS hotte baSGlfaß
neben biel Unglaube, feichtem ß^riftenthum unb
, 2eid)tfertigteit immer eine 'ilngaljl ©otteStinber
aufguroeifen, toelche fidj in ber Siebe tljätig er«
roiejen. 2 Ju<h heute finbet fid) in biefeit Greifen
reges, d)riftlicf)eS Sehen. Sermehrt ober hoben
j fidj bie|elbeit burch 9tnroefenSeit ber beutfehen
! (Beamten nicht befonberS. „©eben ©ie," fagte
j ein alter ©traßburger Gljrift auf einer Gifen»
I bahnfahrt gu mir, „roenit auch bann unb mann
I ein frommer beutfd&er ©eneral an ©otteS SJort
i feft hält, fo haben hoch bie meiften Seamte unb
! Cffigiete beS (Reichs mit bem Gbriftenglauben
I gebrochen. 3 a, fj e fielen fogar begüglid) beS
Der ^eibentem^el.
welche gerne gttm (Reich gehören, hat fich feit
1870 bermehrt; aber eS finb bieS immerhin nur
Singeine, ©roßer ift bie 3abl berer, welche im
©eheiinen gerne bie Sorttjeile beutfdjer Ginrich»
tung anerteunen, aber eS ber Seute unb beS
„SüfeS" wegen ja nicht berlauten (offen. ©0
fagte mir mein ©eroäfjrSmann, Saftor £>. SJtann,
Don ©traßburgern, bie ihre Stinber mit Freuben
in’S beutfdhe non ber Regierung geleitete ©hm»
nafiuin fchidten würben; aber mit einem ©eiliger
ljingufeßen: „(Dian barf ja nicht; unb fo müffen
mir bie Silben in’S frangöfifdje Sribntgbmna«
pum fenben; obwohl bieS lange nicht fo Diel
leipet, als baS beutfdje."
„SJtan barf ja nicht," mit biefem ©aße ift
moljl bie ©efinnung Dieter Glfaß«Sothringer
begeidjnet, welche manche Sorjüge beS beutfehen
Familienlebens Bielen unferer frangöfifdjen Se=
amten nad). $>iefe $eutf<he finb groar ftramm im
$>ienft, fonft aber fieht man fie nie in ber&irche,
außer, menn fie einmal bagu commanbirt roerben.
©ie leben bei Gommanbo auf ben Slmtsftuben
nnb auf bem Gjergierplaß, fonft aber Biel gu Biel
in ihren ©efellfdjaften, im Gafino unb nicht bei
ihren Familien. SüaS übt leinen guten Ginfluß
auf bie Siirgerfdjaft aus."
2 Bir laffert bie Hoffnung, baß biefer Sruber»
ftamm einft noch bu«haus d)riftlid) unb ächt
beutfdj merben roirb, leboch nicht finlen gnb
fßredjen mit bem dichter:
JSertoädiSt gu einem Stamme
®ie« Soll einft unb bie« 2$al, —
®lüflt eine Jteubenßamme
Stuf ®r»in8 6 fiten mal."
10
Digitized by v^ooQie
130
(Sin btutfdjtr Sirnfon.
3 ebo© — mir finb ja brinnen in ©traßburg,
ber munberf©önen (?) «Stabt mit ihren trummen
©tragen unb hoben ©äufern unb rufen alte
Erinnerungen mach. Sort ift bie ©teinftraße.
2 öir tennen fie ni©t mehr; benn bie alte marb
bei ber Selagerung jerftört, unb mit ber fran*
jöjif©eit UriegSentf©äbigung marb eine prächtige
neue,©trage ^erfteftettt. SaS ©teinthor, mie
überhaupt alle Qfeftungsmerfe, (namentlich im
Sorbmeften ber ©tabt) finb meit über bie alten
SBälle hinauägerüdt, unb meit braußen liegen
rings um bie ©auptfeflung 13 ftarfe neue fjrortö,
3—5 englifcpe Steilen bon ben Shoren entfernt.
SBenn baS bie ffranjofen mieber einmal nehmen
moüen, mirb e§ Diel Slut toften.
SDie Urone ©traßburgS, ber poetifpfte aller
gothif©en Sauten, prangt noch in ber alten
©errli©feit, an bet man fich nicht fatt feben
tann. Einige SatreS ftehen in ber auf baS Sor«
berportal julaufenben ©traße unb ftaunen baS
Saubentmal mit feinen ©pißen, Spännen unb
Sbürinchen unb feinen hnnbert ©tatuen an, unb
Spränen rollen über bie SSangen biefer Stän«
ner. 2Bahrf©einli© hoben fie einftenS hier ge«
meilt, gehören jeßt ju beuen, rneldje nicht im
beutf©en Stei© leben roollten, finb nach bem
3?riebenSf©luß auSgemanbert unb betrauten fich
nun auf einer Söanberung nochmals bie <3©öpf»
ung ErminS bon ©teinba©.- 5ßir bebauern fie;
finb aber bo<h froh, baß bort oben bie beutfche
Sahne meht.
Such Steh mit feinen blutgetränften @©la©t«
felbern haben mir auf unferer jfoeiten SBanbe»
rung befugt; finb bei ©rabelolte unb ©t. Sribat
geftanben, mo fo biele ber preußif©en ©arben
ben ©eibentob ftarben, unb haben bort, mie am
Sapoleonftein bei ßeipjig beS ©©riftroorteS ge»
ba©t: „Serlaffet euch ni©t auf Sriirften; fie fön«
neu ja nicht ©elfen. Senn beS Slenfpeti ©eift
muß baoon unb er muß mieber 311 t Erbe merben;
aisbann finb oerloren alle feine 9lnf©läge."
3 febo<h — bon biefen ©cpla©tfelbern, mo bie
Sölfer mit einanbet rangen unb ©ott ber ©err
regierte, bielleicht ein anbermal.
€in örtitfdjer Simfott.
gür ©ans nttb ©erb um ®. ©außer.
jb ein 3eitalter in ber ©efchichte beS beutfdhen
SolfeS bietet fobiel SntereffanteS, Se»
^ lehrenbeS unb SBunberfameS, mie baS
Slittelalter mit feinen fdjroffen ©egenfäßen im
©taat, ber Uir©e unb bem focialen ßeben. —
EinerfeitS litt baS arme Soll bon ber geiftlidjen
©ierar©ie unb Anmaßung ber fatpolifcpen Srä»
laten unb anbererfeits bon ber rohen ©ematt
unb graufanien Sefpotie ber tegierenben fjfür»
ften. Obgleich baS ganje beutfche Stei© 8 üm
heiligen römifchen Stei© gehörte, mar hoch bie
Secentralifation beffelben fo groß, baß es bom
Uaifer bis herab jutn fleinften Staubritter ober
ber geringften Surgbogtei in bunbert unb ober
hunbert felbftftänbigen ©taaten unb ©tüät©en
jerfplittert mar. Saß es bei biefer bielföpfigen
Stegiererei ju immermährenben 3miftigfeiten,
Heineren ober größeren Uriegen fam, ift leicht
begreiflich. 3 « ben bur<h bie ©efchichte mit*
geteilten meltgef©i©tli©en Ereigniffen haben
fi© noch eine Stenge Segebenbeiteit jugetrageit,
bie im SolfSmunbe erhalten blieben unb bon
benen ich auf meinen Dielen Steifen oft reben -
hörte. Es giebt bom Scbenfce bis nach ©inter«
pommern, bon SreSlau bis Uöln mohl feine be«
beutenbe ©tabt, melchc ni©t in ihren Slttnaleit
intereffante Epifoben bon jener 3eit aufmeifen
fann. SefonberS mareit es bie römifchen Srä»
laten, mei©e bie ©©mä©e ber römifchen Uaifer
mit ber ihnen eigenen Schlauheit auSjunüßen
berftanben, inbem fie fi© geroiffe ©ouberänitäts»
rechte ju erroerben mußten, bie fie bann nicht
feiten in einer SEBeife gegen baS arme Solf panb»
habten, mie es ber graufamfte Sefpot nicht beffer
hätte thun fönnen.
SEBer nach bem alten Uölit fommt unb unter
anberen intereffanten ©ehenSrciirbigfeiten, bereit
bie ©tabt biele befißt, auch ben Sotn be|u©t, ber
mirb bur© jmei Silbmerfe, bereu eines an ber
Sorberfeite beS ErferS, baS anbere an einem
Erfer im Innern beS ©ofrauitieS bie pelben»
mütpigen Spaten beS SürgeruteifterS b. © r p n
bargeftellt fepen. Sur fepr SBenige miffen, roaS
biefe beiben Silbmerfe, bie burch bie 3eit f©on
feßr gelitten haben, 311 bebeuten haben unb bo©
ift bie ©ef©i©te, bie fie bereroigen follen, nicht
nur höchft intereffant, fonbern läßt uns auc©
einen Slicf thun in jenes na© fo Dieter Stiftung
rohe 3eitalter, mie feiten eine. Sie in ber @e»
f©i©te enthaltene Spat beS SürgermeifterS ift
ein e©teS 3ei©en jenes SürgerthumS unb föhnt
uns ein menig mit ber Stoppeit jener 3 ?it —
mel©e bon fatbolifcher ©eite noch bie perrli©e
genannt mirb, — bem Uebermutpe ber macht»
gierigen Sfälaten unb bem ©tegreifpelbentpum
ber Stitter aus.
Sie ©efehiepte ber rheinifepen ©täbte ift fajt
einzig unb allein ein Uantpf beS aufjirebenbeit
SürgerthumS gegen bie ränfebolle Unter»
brücfungSpolitif ber geiftlicpen Spraitnen, roel©e
fi© menig um ben Uaifer fünimerten, ja ge»
miffermaßen beffen Ütegenten maren.
Ein fol©et perrf©fü©tiger ^Prälat mar au©
Uonrab bon ©o©fieiten, ber 1237 bem ernior*
beten Engelbert I. auf bem Ersftuple na©folgte.
©o mie Engelbert I. eilt meifer, tü©tiger unb
Digitized by v^ooQie
(Sin beutfdjer Simfon.
131
einiicptSDoUer fjürft unb ^rieftcr mar, fo war
ftonrab ba§ ©egentheil pictöon, uttb et braute
es glüdlid) batjin, baß bie Kölner fiCp fielen feine
Gingriffe in ihre Wunigipalberfaffung Detmahr»
ten itttb unter WatpiaS Don Döerftolg etiblidj bie
Waffen ergriffen.
ftonrab gog mit (jeereSmaCpt gegen bie 9te=
beflen, mußte aber eine fcpmüpliche Nieberlage
etleiben.
Noch mehr gegen bie Uttberfchämteit aufge»
bracpt. bie ihn fetbft ju befiegen wagten, aber
bot) belebet, DerfuCpte er mit Sift, maS ibra burd)
©emalt nicht gelingen Wollte. Gr brachte eS ba=
in, 3 TO * e t ra< ^l unter bie Sürger ju fäen unb
<b b'erburcb bie £errfd)aft über bie Stabt an«
gueigneti.
©ang in feine ffußtapfen trat fein Nachfolger
Engelbert II. aus bem &aufe ffaifenburg. Sie»
fer ließ bie bie Stabt uitifchließeitbcn Sollwerte
noch mehr befeftigen unb mit Gruppen befeßeit.
3war erfannten bie Sürger jeßt, wie fcpmach»
boll fie fi<b batten überliften taffen ; aber bie
Wacht, bie ber Grgbifdjof aufftellte, fcbücbterte
fie ein, unb murrenb jwar, aber bod) furcbtfara,
orbneten fie fid) feinen NuSfprüdjen unter.
' IBIS aber bie fjerrfcpaft beS Srälaten immer
brücteuber würbe, erhob ficb ein fcplicpter Wann,
Gberparb, unb rief bie Sürger gur Ginigteit auf
unb giim Kampfe gegen bie Unterbrücfer.
Ser Sürgermeifter Don ©rpn Dereinigte feine
Worte mit benjenigen beS eblen Gberpatb, unb
wie ein günbenber ö?unte taufte in aller £>erjett
ber ffreipeitSgebante auf: bie Sturmgloden Wur«
ben gegogen unb mit ihren beulenben klängen
mifcbte ficb baS Älirren ber Waffen unb baS
ftampfgefcprei ber Sürger.
ftöln mar in ein ffelblager umgemanbelt. Sie
Sollwerte ber Spraitnei fielen, unb bie Stabt
mar frei.
Ser wutbfcbnaubenbe Stälat fammelte ein
‘ £eer unb gog gegen ftöin. (Sr mußte aber
unterbanbeln uttb bie Necpte ber Sürger aner»
tenuen.
Engelbert II. 30 g in ftöln ein. Gr Derfant«
melte bie $äiipter ber Sürger, um fiCb an ihnen
! u rächen, fdjloß er fie berrätberifcper Weife in
einem Salaft ab, ber augenblitfltcp Don feinen
Struppen befeßt Würbe. 3 »gleich warf fein
Srnber eine beträchtliche Schaar Semaffueter
nach itöln; aber bie Sürger, burcb biefe Se=
wegung aufmetffam gemalt, warfen ficb auf
bie Seßteren, fprengten bie Shore beS SdjloifeS
unb nahmen ben berrätberifdjen Sriefter ge»
fangen.
3mar ließen fie ihn quf hohe Setmenbung
hin mieber giehen, aber er mußte geloben, nie
mehr bie Stabt gefäprben 311 wollen.
^reilkb baChte ber GrjbifCpof nicht baran, fei»
nen Schwur halten gu wollen. Gr fann im
©egentheil auf Wittel, wie fein Sorgängcr burcb
Sift 311 fiegen, unb oor allen Singen ben matteren
Sürgermeifter unfd)äDli<b ju machen, benn bie«
fer, baS wußte er, war bie Seele ber gangen
Sürgerfdjaft.
Um ihn hinweg gu fcbaffen, erfann er folgen»
ben tüdifcpen Slan.
Gr befaß in feinem 3winger gu Sonn — wo
er refibirte — einen Söwen, melier nadh ftöln
Derbracht würbe. 3^* Somprobfte mußten ben
Sürgermeifter einlaben, um ein SerföpnungS»
feft mit ihm gu befpredjett, unb ihn Derlodcit, in
beit 3winger gu treten, in bem man bett Söwen
einqefdjloffen hatte.
Ser Sürgermeifter munberte fiCh gwar über
bie Ginlabung, bie ihm wirtlich Don ben beiben
erlefenen ißröbften gufam, aber im Sertrauen
auf fein gutes NcCpt, unb geftüßt auf feinen bie»
bereit Wuth, fchlug er bie Warnungen feiner
ffreunbe in ben Winb unb folgte berfelben.
Nadjbcnt man lange getäfelt hatte, führten
bie geifilitbett Herren ihren ©oft umher, um
ihm bie ftunftmerfe gu geigen; babei öffneten fie
eine 2büre, unb als er harmlos nid)tS SöfeS
ahneub eingetreten mar, fehloffen fie biefelbe
augenblidlidj mit einem fchabenfropen £wbn»
gelädjter hinter ihm gu.
©rpn, welcher erft mit Grftaunen, bann aber
mit Gmpörting unb Gntfeßen bie nieberträchtige
ffalle erfannte, in bie man ihn gelodt hatte, war
noch mehr entfeßt, als er beS Soweit anfieptig
würbe, ber in ber gangen Wajeftät feiner ange«
bereuen Wilbbeit ihn mit tobtfuiifelnben Süden
anfah, bor junger unb ©ier heulte unb feine
Senben mit bem biifd)igen Schweife fd)lug.
Ser intitpige Sürgermeifter in feiner ©eifteS»
gegenmart, mit ber er bie Situation fchtteü über«
faß, hatte nur 3«>t, bie Sinfe in ben Wantcl gu
püflen uttb fein Schwert gu gieheit, als ber tobt«
ließe Sprung nach ihm gefäafj. Sf«ilfänell
aber fchob ©rpn betn Söwen, als er gur Grbe
tarn, ben (inten Nrm itt ben Nachen uttb bohrte
ihm bie ßlinge in bie Weichen. Wie ein utibe»
mttßter ©ebanfe hatte er bie Spat Dollbrncht,
uttb beftürgt Don bem Siege unb bebenb bor
Aufregung tuiete ber leicptoermiinbete Söwen«
befieger neben bent Derenbeten Sh'« nieber unb
banfie ©ott aus tieffter Seele für feine Neltung.
Sange Stunben harrte er, maS nun gefäepen
werbe. Sa aber brüllte bie Sturmglode mieber
unheilDertünbenb über bie Stabt. Waffenliirnt
inifäte fiep in ihre ftlänge, unb halb barattf
mürben feine ffreuttbe Don ben gitternben Stob»
ften nach bem Saal geführt, wo ber eble Sürger»
meifter neben bem erlegten Spiere ftanb unb ben
Sürgern bie fjänbe entgegen flredte.
Gin Wuthgefcprei ging bttreh bie Stobt, als
man ben Serratp Dernahm. Sie beiben Sröbfte
würben aufgehängt, ber Sürgermeifter aber im
Digitized by v^ooQie
132
Hus brat frbra bes Jffarter« llattidj.
Sriumphe nach £aufe gebracht, roo er halb wie«
ber bon feinen Wunben genas.
®ic 93ürger flagtcn beim ffaifer. 3)er Grg»
bifchof fcbwur natürlich alle ©titfchulb ab, unb
nannte eS ©erechtigfeit, bafj bie 23ütgcr bie
Glenben beftraft, baS Reifet, fie aufge^ängt
batten.
2)ie Sift bagegen, bie niebere ©olfstlaffe gu
gewinnen nnb neibifct) gu machen gegen bie ©a=
trigier, gelang if)in nur gu gut. G» entgünbcte
fid) ein ©iirgertrieg, in meinem bie Partei be»
Grgbifd)ofS unter ber ©nführmtg beS ©eneral
WeifenS, beS ©rufen bon Simburg unb Gngel«
bertS SSerwanbten, bie bon tJalJenburg, gefcblagett
würbe.
®ie Ooerftolgen, bie ^Partei ber ©a trigier er=
rangen einen bollftänbigen Sieg, warfen bie
tJrembeit aus ber Stabt unb gewannen bie ber«
bienbeten unb burd) ben Grgbifchof betörten
©titbürger wieber auf’» ©eue gu einem Sürger«
bunbe.
Um ihre ©lacht gu bergröfiern, fchloffen fie
SEruß« unb Schußbüitbniffe mit ben ©rafen bon
©elbern, ©erg unb jfaßeneüenbogen.
welche auch bon ihnen gu Sc^ieböridjtevn gwifcßen
ber «tabt unb bem Grgbifcßof ernannt wurben.
Gngelbert, beffen Wutl) fich bei jeber neuen
©iebcrlage mehrte, fiel nun bie mit ber c&tabt
berbünbeten ©rafen, befonberS ben bon 3üli<h,
an unb berheerte beffen ©ebiet.
5)er ©unb fammelte baher fein Deer, unb eS
Jam gwifcheu ihm unb bem £>eere be» ©rülaten
in ber Gbene bon 3ülpidj unb Sechnich gur
Schlucht, wo ber fein £>eer pcrföit lieh Jornman«
bireube (£vgbifd)of nicht allein befiegt, fonbern
auch gefangen genommen würbe.
SDer ©raf bon Jülich führte feinen fjeinb im
Triumphe in Äölit ein unb feßte ihn bann auf
ber ©urg ©iebed au bet ©uljr gefangen. $ort
mußte er gur eigenen Schmach unb gum Gr«
gößen ber ©urgbemohner jeben Stag einige
Stunbeit in einen ftäfig itieberfteigen unb fidj
feheit (affen.
Später, auf bie Sürfpracße beS eblen Albertus
©tagnuS, guerft Sehrer in ßöln, bann ©ifdjof
bon ©egenSburg, ließ ber ©raf feinen ©efange«
neu frei; boch biefer überlebte feine ffreilaffung
nicht lange; er ftarb an gebrochenem — Stolge.
lüge aus bem J? eben bes fdjntäbirdjeti Pfarrers flattidj.
gär £anö unb #trb tiou ©ßiltpp $anlu§.
erabe gu ber 3eit, als ber ©ietiSmuS
im übrigen St)eutf<blanb ermattete,
alfo in ber ©litte beS oorigen 3al)t*
hunbertS, begann er in Württem«
berg burd) 3- 91- '-Bengel unb feine
Schiller erft recht aufgublühen unb
verbreitete fich über einen nicht unbebeutenben
Stfjeil ber ftiibtifchen unb länblichen ©ebölterung
Württembergs bis gum Infang beS jeßigeit
3ahrhunbert§. Unter ben geiftig herborragenben
©tännern, bie ber bamalige ©ietiSmu» herbor«
brachte, unb bon beren Wirtfamfeit heute noch
in Württemberg bie Spuren beutlich wahrgu«
nehmen finb, ifi nicht ber begabtefte wohl aber
ber boltsthiünlichfte ber ©tünebinger ©farrer
fflattid). 3)ie eigentümliche Hirt, wie er wirfte,
bie in mancher ^inficht an bie Weife be» Sofra»
teS erinnert, unb bie bon nicht geringen Grfol«
gen fomobl in feiner Sthätigteit als Grgieher,
wie auch als Seelforger begleitet War, läßt {ich
am beften aus Seifpielen etfennen. GS füllen
baher hier einige 3üge aus bem fieben be» eigen»
thümlichften unter ben fchwübifdjen ©rebigern
unb Seelforgern beS borigen SaljrhunbertS
folgen.
®er airdjweihgeiger.
3u fyiattid) Jam eines 2age§ ein ©tann fei«
net ©emeinbe, ber fich fiatt burch Arbeit lieber
als ©tufifant bei <£>od)geiten unb ffirchweihen gu
ernähren fiicßte, imb beJannte feinem ©farrer,
baß er fich über bas ©ewerbe ein ©ewiffen mache,
aber er fei ein armer ©tann unb tonne biefen
©ebenberbienft wohl brauchen. Gr möchte baher
ben £>emi ©farrer bariiber befragen, was er
baooit halte, ^lattich erwiberte: „$0 h.an i bo
jeßuitb (eine ©ebensart, bie er fich angewöhnt
hatte, um fich beim ©eben nicht gu übereilen),
nur fortgegeigt!" SDer ©tann ging unb feßte
fein mufitalifcheS ©ewerbe fort, ©ach einiger
3eit Jam er wieber unb fagte: „Gr fei boch nicht
ruhig, er möchte feine Seligteit boch nicht ber«
fpielen, aber einträglich fei’S boch, unb er tonne
bei feinen bielen ffinbern biefen ©usfatl ber Gin»
nahmen fanrn entbehren." Qflattich antwortete
abermals: „5)o tjan i bo jeßunb, nur fortgegeigt!"
©a<h einiger 3 e it t«w ber ©tann gum britten
©tale wieber unb befanntc mit fichtborer greu«
bigJeit: „Gr habe eS bem £)errn ©farrer wol)l
angemertt, baß eS ihm mit feinem ©ath nicht
recht ernft gemefen fei, unb baS habe ihm noch
weniger ©uhe gelaffen, unb barum habe er jeßt
feine ©eige gerfchlagen. Gr wolle fich nun mit
feiner f)änbe ©rbeit nähren." 2)a antwortete
fjlattich: „®o han i bo jeßunb, ich h«ü’ wohl
gewußt, bafe er Jeine ©uhe meljr helommen wirb,
bis ecPs $anbwerJ mit ber ©eige gang aufgiebt."
Digitized by v^ooQie
&us bem ftbtn be# Pfarrers flattid).
133
Set belohnte Sfircfegäitger.
üftatticb fab Sonntag für Sonntag unb fonft
aud) nod) rcgelmäfeig einen iDtüncfeinger Surfer
in ber ,Ä?ir<^c. Allein meiftenS fcfelief er wäferenb
beS gangen ©ottcsbienfteS; {ebenfalls mar öon
einer Sejferung im Söanbel bei ibm nichts gu
[eben. Sa liefe ibn glatt ich tommen unb iefeenfte
ibm ein ^aar Scfeufee. Ser fDlantt mar Der*
rounbert unb tonnte fiefe oor Staunen nid>t er»
bolen. Sa gab ibm glalticfe ben 9luffcfelufe:
„So bau i bo jefeunb, baS ift, meil 3fl)r fo fleifeig
in bie Itircfee gebt." 5113 ber UJtann fiefe bnrdb
baS 2ob febr gefcfemeicbelt fühlte, fo fuhr Qrlat»
tiefe fort: „GS ift nur, bafe Sb* nicht in allen
Sfeeilen in Schaben tommt. 9tufeen für Guer
£erg unb SBanbel nehmt Sb* boefe feinen mit
aus ber ßirefee. Sarum habe ich gebaut, ich
wolle Gucb bo<h wenigftenS ein 'fSaar Scfeube er»
fefeeti, ba Sfer bei Gutem oergeblicfeen $ird)en»
geben bo<b wobl fefeon manche gerriffen habt."
Sa 8 Ubrengemicbt.
9113 fi<h einft 3eraanb bei glattich beflagte,
bafe ibm immer neues Ureug unb neues Selben
auferlegt werbe, bemerfte glatttct): „‘Senf, bo
fean i bo jefeutcb, ber ÜJtenfcfe ift eben mie eine
Ubr. 2öenn biefe geben foll, fo mufe man ibr
ein fchwereS ©ewiefet anfeängen. So roitt oft
aueb baS geiftige Sehen *be§ fÖtenfchen nicht recht
in ©ang fotninen, bis bem SebenSrabe ba§ riefe»
tige SeibenSgewicfet angebäitgt ift."
Ser flüchtige Sträfling.
Um feiner unfeheinbaren Äleibung mitten
mürbe glatticfe eines SageS auf ber Strafee in
SHüncfeingen oon einigen gubrleuten, welche aus
ber geftung 9l3perg tarnen, für einen aus ben
bortigen ©efängnijfen entflohenen unb mit Sted»
briefen oerfolgten Sträfling gehalten unb wohl»
meinenb ermahnt, fiefe boefe eilenbS weiter gu be»
geben, ba man ihn überall fu<be. glattccfe er»
wiberte (äefeelnb: „So ban i bo jefeunb, ich bin
freilich auch wie mir ade, ein entlaufener Sträf«
Iing, aber ich gebe, um mich oor ihm gu ftellen,
ob er mich noch annebmen werbe."
i bo jefeunb, TOab^en, bas feat nidjtS gu fagen,
ich nehme bir’S nicht übel, aber wenn bu auch
oon einem gilben einen SiebeSbienft oerlangft,
fo mufet bu ihn nicht fefeimpfen, fonft tonnte er
bir’S abfcfelagen."
S a S neue 5ß a a r Strümpfe.
Ginmal tarn ein £>anbwerf8burfcbe in’S -Pfarr»
bauS in ÜHüncfeingen, unb. flehte glatliefe um
Strümpfe an. „Gr höbe noch weit beim, feine
fDtutter wohne noch 2 Stunbcn hinter Gflman»
gen. Gr fei auf feiner SPanberfcfenft bi« au ben
Ütbein borgebruugen unb fei jefet wieber auf bem
Heimwege. Sie güfee nun würben cS wobl noch
auSbalten, benit fo oft er fie auch wunb gegan»
gen, feien fie immer wieber geheilt, aber feine
Strümpfe wollten nicht heilen, unb ba wiffe er
nidjt, wie er mit biefen gefeen bei feinen weben
güfeect OolleubS nach 4)nufe tommen folle." Sa
gebt ber Pfarrer bin unb holt ihm fein befteS
'■Paar Strümpfe. Gtliche Sage nachher bemertt
bie Hausfrau, ben Abgang unb fragt: „Sieber
9J?ann, feaft bu baS neue tßaar Strümpfe aus
bem haften ba berauSgetban ?" „3fo," fagte er,
„ich habe fie einem armen fjnnbmertsburfdjen ge»
fchenft." „Gi," fpriefet bie grau, „warum feaft
bu ihm benu gerabe beine guten unb niefet lieber
ein tpaar fchlechte gefchenft?" „So ban i bo
jefeunb," antwortete f^lattich, „fcfelecfete batte ber
^anbwertSburfche felber."
Ohne Schube.
SSon einem 5tu§gang tarn glatticfe eines 9lbenbS
ohne Schube, nur in ben Strümpfen naefeftaufe.
9ltleS ftaunte, unb feine grau fragte gang auf»
geregt: „Sag’, WaS bat es benn gegeben?"
Sächelnb antwortete glatticfe: „So fean i bo
jefeunb. Ser 2Bcg, worauf ich ging, war gang
totfeig. Stuf einmal fant ich auf einer Seite fo
tief ein, bafe ber Schub mir fteden blieb, unb
ba ich ihn trofr aller iftüfee nicht feerauSbringen
tonnte, fo buchte ich: mein einer Schüfe, ben'icfe
noch feabe, hilft mir nicht Oiel; brum ift’S baS
Sefte, iefe giebe ihn auS unb ftetle ifen neben bran.
So feat ber ginber bann hoch gmei Scfeufee unb
tann fee brauchen."
Ser oermeintlicfee !gube.
glatticfe madfete einmal einen einfamen Spa»
giergang im gelbe. Sa fiefet ifen ein ÜJJäbcfeen,
baS eilt Sünbel gcitter gefammelt batte unb
fonft weit unb breit Wiemanb entbedte, ber ihr
hätte auffeelfen tonnen, bon ferne unb rief ifem,
ba fie ifen für einen gilben hielt, gu: „HDtaufdjel,
feilf mir boefe auf!" glatticfe antwortete: „GS ift
reefet, iefe will fommeu." 9lber wie erfeferidt fte,
als er nafee tarn, unb fie entbedt, bafe eS ifer
Sfarrer ift. Sie entfdfeulbigt fid) unb bittet um
Sergeifeung; glatticfe aber antwortet: „So fean
SaS gute 9llmofen.
glatticfe wollte einmal feinen greunb, tßfarrer
Staubt in tßflugfelbt, befudfeen unb fragte, im
Sorfe angetommen, an bem bortigen SBafchbauS
bie SBäfdfeerinnen nach bem neiefeften 2Peg in’S
'Pfarrhaus. Siefe gaben ifem 9luSfunft, fefeten
aber, feiner geringen ffleibung wegen ihn für
einen Bettler fealtenb, feingu: „?ja, gef)’ Gr nur
in’S tpfarrfeauS, ba befommt Gr ein gutes 911«
ncofen." 9tach ber Segrüfeung fagte fflatticb gu
feinem ffreunbe: „Senf, bo fean i bo jefeunb, t<fe
feabe gehört, bu gebejl fo gute 9llmofen feer, gieb
Digitized by v^ooQie
134
Bugenboereine.
mir auch eins." $er Sfarrer ermiberte: „Skr
bat bir beim baS gefugt?" fjlattid) berfefcte:
„®eine S3üfd)eriitneii. 3)aS gute 9llmofen fofl
aber fein, baff mir uns barüber befptechen, maS
©ott uns armen Bettlern allen fdjon an 911«
mofen gegeben bat uitb in alle ©migteit geben
mill."
3)er 9?ocf nad) §Iatti<hS ® efchmact.
Skil 3?(attid) immer in fo geringer ßleibung
einljerging, fo (ub ibn einmal eine angefebene
fjrau in Stuttgart ein unb erbot ficb, ibnt einen
neuen, eleganten 9toct jum ©efchenf tnacben ju
laffen. glättich entgegnete: ,,©r bante tmn fjcr»
len für folches SBobiroolIen, aber er tonne ben
atorf nur annebmen, menn er ganj nach feinem
©efdjinacf gefertigt fei." Stuf bie grage, roaS
beim fein ©efchmact in biefer $jinficht berlaitge ?
antmortete er: „2)o tjan i bo jejjunb, menn bie
mir einen 9tocf aus feinem Stuch unb nach ber
Stöbe machen laffen roollen, fo müpte er auf
feber Seite eine grobe $afche hoben, mobon bie
eine beftänbig mit SechSbäfcnertt, bie anbere mit
©reibähnern gefüllt märe. $enn menn id) in
folcb’ febönem iltod getleibet einberginge, fo mür*
beu bie Settler nicht mehr mit mir jufrieben
fein, menn ich ihnen bloS einen ganjen ober pal»
beit Äreujer fdjentte."
-. •-
lugeitiwreine.
{für §a«8 unb §trb non fionifa ©. Kotbtueiler.
cjrlurih einige Scmerfungen, bie ich fiirjlich
bötte, tarn icb jur Stnficbt, bnjj noch Siele,
unb barunter grofse gremtbe ber ^ugeitb
febr im Shinteln finb in Sejug auf 3»genb«
bcrcine, über 9lrt unb Skife ber Rührung ber»
fetben, fomie über ihren Stufen.
Stief überzeugt bon bem SDÖertb eines root)l=
georbneten <$riftti<$cn 3ugenböereinS für eine
©emeinbe, unb miffeitb, roeldje |)ilfe ein foldjer
Serein merben tann jur inteflettuelleu unb geift»
lieben StuSbilbunq ber 3ugenb, mage id} eS,
©tmaS über ben ©egenftanb ju fagen.
©S mar mein Sorred)t, etmaS mehr benn ein
3ahr ©lieb eines fofdjeit SereinS in einer unfe»
rer ©emeinben ju fein, unb and) mit ber frühe»
ren ©efebiebte unb bem llrfprung biefeS SereinS
betannt ju merben; icb hotte fomit ©elegenljeit,
bie Siebt» unb Schattenfeiten tenuen ju lernen.
3um Slnfang ift natürlich ein 91 n f ü b r e r,
ober tonnte man fagen, ein 91 n r e g e r nötbig,
um bie Uebrigen für bie Sache ju intereffiren.
3fn ben meiften Stillen roirb bieS ber Seiger
fein müffen. Sknn auch bie ©lieöerjabl ju 9ln»
fang tlein ift, fo braucht besmegen ber *Dlut|
nicht ju finfen, Slnbere merben mit ber3eit auch
angejogen merben. 3ft ber ißvebiger auch 2ln»
führet ober Slnreger geroefen, fo braucht er nicht
Sorfifcer ober Sräfibent ju merben. ©in tbätigeS
©lieb foüte er fein, unb menn möglich, in feiner
Serfamtnlung fehlen. 6r ift oftmals bie befte
Serfon für baS 9lmt bes ßritiferS. @r tann,
mo er eS nötbig finbet, ben Seamten mit 9tatb
helfen, ohne jeboct) als eigenfinnig ober atlju
biftatorifcb ju erfcheinen.
Unfer Serein berfamntelte fieh möchentlich; bie
erfte Serfammlung beS StonatS mar ©efdfäftS»
oerfammlung, bie übrigen roaren literarifchen
9lrbeiteu unb ©efängen gemibmet. 3«be Ser»
fammlung mürbe nom Sorfiper mit ©efatig unb
©ebet eröffnet. $er Setretär führte ein ge»
naueS Si'otofoll bon jeber Serfammlung, hielt
auch ein ausführliches SÜegifter über ben Sefuth»
bie gefovberte unb bie gelieferte Slrbeit, fomie
über 3oblung beS monatlichen SeitragS, ber, ba
mir ein Jtlafjjimmer in ber iJirche gebrauchten,
unb unfere 9luSgaben gering maren, bloS auf
5 Gents per ©lieb gefetjt mar.
©in bom S r äfibenteu ernanntes literarifdjeS
©omite hotte bie 9trt ber Arbeiten unb bie ©lie»
ber, bie fie ju bringen hatten, ju beftimnten, nnb
liiupte in ber ©cfchäftsberfammlung berichten
für ben fommenben Stonot. Skr Setretär hotte
bann bie Setreffenben ‘jeitig ju benodjrichtigcn.
Statürlicb bürfen bie gorberungen, befonberS ju»
erft, nicht atlju hoch geftellt merben.
Skr feinen 9lnffap ober Sortrag liefern tann,
mirb millig fein ju beflamiren, ober auch etmaS
SnffeitbeS aus einem Suche ober einer 3eilf<hrift
borjulefen, maS einem grojjen 2heil nuferer
beutfd)=ameritan ifchen Sugenb fchon ferner genug
erfcheinen mag. 9luSjüge aus Sklt» ober ff ircheit»
gefdgdjte ju machen, mag Stanchem nicht fo
fchmer fallen, als felbftftäubig einen Stuffah ju
fchrciben, unb hat ben fWu^en, bafe eS jum
Stubium anregt unb 3ntereffe an ber ©cfdjichte
ermedt, befonberS menn fich bie in biefeu 9luS=
jiigen befprochenen 3eiten, SBoche nach S?o<he
an einnnber anföhliepen. |>ier fei beincrft, ba^
eS fehr münfdhenSmerth ift, einige gute gefehlt»
liehe, fomie anbere S33erfe anjufchaffeit unb fo
ben ©runb ju einer SereinSbibliottjef ju legen.
3 ft hie unb ba bas Srogtamm nicht genügcitb,
um ben 9lbenb nuSjufüllen, fo ift eS nid^t un»
fchidlid), jtoei ober mehr ©lieber aufjurtifen, um
eine freie Unterrebung ju holten über irgenb
etmaS, gerabe, als hätten fie einanber jufäüig
getroffen. $ieS ift oftmals amüfont unb ju
gleicher 3eit fehr bienlich jur Serbefferung ber
fo häufig oortommenben Sprachfehler. So'tarnt
auf intereffante unb boch nüfclidge Söeife ber Ser»
ein geführt merben.
Siler es noch nie mit angefeljen, mürbe taum
Digitized by v^ooQie
135
faß mid) frUße tjäceti beine tfnabe.
Digitized by v^ooQie
136
Ufriha.
glauben, radier fjorifd^ritt gemacht werben
tann, auch wenn bic Steibe nur alle 4—6 Sßocben
an jebeS ©lieb fommt. 3<b b‘i&e fchon gefeben,
bab folcße, bie nicht Teutfrf) fcbreibeit tonnten,
mit englifdjen Sucbftabeit fchrieben. Slnbere,
beneit baS Teutfche febr fchwer mar, fchrieben
erft in ©ngliid) unb überfeßteit bann in baS
Teutfche. ©olcße, bie man guerft faurn bewegen
tonnte etmaS üorgulefen, faßten halb SJtutb etwas
ju fcbreiben.
Toch abgefeben bom intefleftuellen SBertl) ber
Vereine, finb fie nicht obue anbereit Stußen. Tie
3(ugenb will unb wirb Unterhaltung hoben,
ginbet fie biefelbe nicht in ber SJiiche, fo
fuebt unb finbet fie biefelbe in ber SB e 11.
Beiher gu Siele finb auf biefe Steife fchon ber
ftirdbe oerloren gegangen. 3n biefen Sereineu
wirb bie ^ugenb mehr mit einanber betannt
unb wirb fefter als ®angeS oerbuuben, als bieg
burch anbere bloS gefeüige 3uftmwenfünfte gc»
fchiebt, bie oftmals mehr Unheil als oegen mit
jtdb bringen.
Turch ein wenig SJtiibe unb ©elbftDerläug»
nung tonnten in febr Di/len ©emeinbcit folcbe
©ereilte gegriinbet werben, bnreb bie mancher
Süitgling unb manche Sfungfrau angeregt wer»
ben möchte, ihre SJtußcftunbeit beffer gu Der»
mertben, als es bisher gefaben ift.
ö3lftih«.BS
gfir ©an« nnb ©erb bou 3 . ©. ®djaal.
ein SEbeit unferer ©rbe b«t in ben
(eßten ^abrgebnteu bie Slufmerf*
famteit ber wifjenfcbaftlichen gor»
fchung mehr in Sufpruch genom»
men, als Slfrifa. Unb obgleich
gerabe in biefem Stelttbeil fid) ber
©erb ber menfehlicben Kultur finbet, welcher fei»
ner 3eit einen unberechenbaren ©ittflub auf bie
©ioilifation SIftenS unb (SctropaS auäübte, fo
blieb biefeS mertwiirbige Sanb hoch bis auf bie
leßten 2(abrgebnte noch ein DerfiegelteS Such für
bie Stelt. Tiefes ift um fo auffatlenber, ba
bodj bie weifefteit SJtänner ©riedjenlanbS lange
Dor ßbrifii ©ebuvt Steifen burch ©gppten unb
anbere Streite SlfrifaS machten, um ihren ©eifi
burch bie hier befannten ©chäße beS StiffeiiS gu
bereichern.
©erobot, ber Sater ber ©ef<bi<hte, welcher 484
Dor ©brifti geboren würbe, ©at fchon eine febr
umfoffenbe Scftbreibung eines groben 2heile?
Dom nörbtichen Slfrifa binterlaffen, welche fich
bis auf nnfere 3eit als febr guoerläffig erwiefen
bat. (Srft burch bie Tbätigfeit ber SJtiffionen,
welche in nähere Serbinbung gu ben in biefem
merfmürbigen ©rbtbeil lebenben Söltern traten,
unb namentlich burch bie Steifen SiüingftoneS
würbe baS ^ntereffe ber wiffenfcbaftlicheii Stelt
für eine genauere Stenn tnißSlfrifaS machgerufen.
Slber fo grob waren biefe Unternehmungen unb
bie Opferwilligfeit für biefen 3wedf, baß im
leßten 3obrgeb>U faft fo Diel geleiftet mürbe für
baS beffere Serftäubniß beS inneren SlfrifaS, als
Wcibreub ber Dorbergegangenen gehn 3at)r»
bunberte.
Slfrifa ift ca. 3t Stal fo grob wie Europa,
unb enthält £ alles geftlanbeS ber gangen ©rbe.
StaS bie pbbfifaliftbe ©eftaltung biefeS Stelt»
tbeileS betrifft, fo fteßt biefelbe, beibeS ber intie»
ren (Srfcheinung wie bem äußeren Umfange nach,
grobartig auf biefer @rbe ba. Sebenfeit mir,
baß biefer ßrbförper ber Sänge unb Sreite nach
ca. 5000 englifdje Stteilen mißt, fo finb wir hier
in unterem weiten Slmerifa faum im ©tanbe,
uns bierDon einen ridjtigen Segriff gu machen,
eS fei beim, mir bellen, nach einem Sortrage
Don SteD. 3- O. StteanS, einen Sergleicb mit
unferem eigenen Sanbe an. 5000englif<heS)tei*
len finb gleich einer fiinie, bie wir Dom ©olutn«
bia=gluß über unfern Kontinent nnb über ben
Ccean bin bis an bie Stufte Urlaub gieben. U 11 S
will nufer liebes Slnterifa oft faft unermeßlich
erfcheinen. Slber bie Stiifte ©obara ift allein
gröber als bie Sereinigtcn Staaten öftlicb Don
ben gelfengebirgen finb, nnb gebnmal fo grob
als Teutfcblanb. Slfrifa wirb mit Stecht ber
beibefte Stelttbeil genannt, ba bie ©onnenlinie
benfelben faft in gtoei gleichmäßige SEljeile, einen
nörblicben unb fiiblicfjen, febeibet. Sier fünftel
beS ©äugen liegen im tropifchen Stlima. Tie
beibefte ©egenb b^finbet fich jeboch nörblic© Dom
Slequator in Stnbien, wo bie @rbe nach ©cb'
©rbtnnbe „geuer unb ber SBinb eine glamme
ift." Sebod) troß ber im ©angen genommen
hoben Temperatur SlfrifaS wirb biefe große
©iße burch eine giinftige Sobengeftaltung, bie
3nbl unb ©röbe feiner ©ce’n unb gliiffe febr
neutralifirt, was befonberS Don ber füblicßen
©älfte gilt. Tier Soben erbebt fich burchfchnitt»
lieh etwa 1500 gub über bem Steeresfpiegel.
Unmittelbar auf ber ©onnenlinie befinbet fich
ein Serg, fo hoch alS^ber ©tont Slanc, beffen
©ipfel mit ewigem ©chnee bebeeft ift. Stebft
biefem b«t Slfrita noch anbere Serge Don faft
eben fo grober ©öbe als biefer, welche nicht
wenig gur Slbtüblung ber fengenben ©oitnen»
ftrablen beitragen. Ter @ee Uferewe (Sictoria
Stpanfa) ift gröber als ber ©taat Stern $orf,
unb liegt 3800 gub über bem SJteer. Ter ge*
ringfieber afrifanifchen ©aupfTiiffe, ber 3ambefi,
fommt unferem gefeierten SJtiffiffippi gleich.
Stach ©tanlep bot ber ©ongo aÜein 4000 Stet«
(eit fchiffbareS SBaffer.
Digitized by v^ooQie
Afrika.
137
Der Wiger, welcher etwa 200 englifche 5JJeilen
Don ber atlantifchen Küfte im ©ebirge entfpringt,
piept faP über einen fo großen gliidjenraum
bin als ber ©ongo. Unb wem ift ber Wil, an
bem WtofeS gejtanben unb ber boit ben alten
©gpptern göttlich oerebrt würbe, bem s J(umen
nach nicht befannt? Diefer betanntefte aller
ölüffe, beffen Urfprung in Dunfel unb ©age
gebullt blieb bis auf unfere 3eit, foll allein
eine Sänge haben, welche bem elften SL^eile un=
fereS ©rbumfnngeS gleich fommt.
Diefer große Uöafferreichthum WfrifaS fhiißt
feinen ©oben oor Wusbörrung, unb Perleibt bem«
felben nebenbei eine außerorbentlihe fruchtbar*
feit. Webft nuferen befannten 'Gerealieit —
ffiaigen, Hafer, ©erfte gebeifjen hier WtaiS,
Kartoffel, Weis unb faft alle flüchte ber anberen
©rbtbeile, nebft oielen WahrungSmitteln,. bie
nur hier einfjeimifch finb. fjiir bie ^abrifation
unb ben £anbel liefert Wfrifa Dabacf, ©aurn«
mode, ^>anf, Äaffee, 3«cfer, 3nbigo, ©Ifenbein,
Straußenfebern unb noh manche anbere wichtige
HanbelSartifel. Die ©traußengucht unb ber
Hanbel mit Elfenbein werben riefenartig betrie*
ben, nnb werfen enorme ©ewinne ab.
Die Dhiermelt biefeS ©MinberlanbeS hat für
ben Waturforfher einen 3auber, wie bie feines
anberen SBelttheileS. Wn Wtajeftät unb 3 a hl
pebt fie einzig in ber SBelt ba.
Hier hot ber Wiefe ©lephant, ber alljährlich
bem ©Ifenheinhänbler taufcnbe bon Opfern lie=
fert, feine ßeimath- Hier fchreitet ber König
Söroe, als gürft beS ©hrecfenS, majeftatifch
burch 2Balb unbDicficht bin, ohne bou©iraffen,
@nus, 3ebraS, OuaggaS, Antilopen, ©tein«
böcfen, Wffen, £>t)änen unb Seoparbeu gu reben.
©benfo burchlauft ber Wiefenbogel Strauß hier
wie im fjluge bie SBüften unb ©benen biefeS
ffiunberlanbeS. Kurg, hi« erfcheint bie Watur
in ihrer ©eftaltung unb mit ihren ©rgeugniffen
überall inajeftätifch unb ftaunenerregeitb in ihrer
(BrÖße unb Wtannigfaltigfeit.
Die Sebölferung WfrifaS ift, obwohl bon fehr
ungleicher Dichtigfeit, in golge ber giofjeit SßJitfte,
beiinoch faft unglaublich groß. Ungefähr ber
fedjste Dheil ber gefammten ©eelengaljl unferer
©rbe foflen hi« wohnen; unb gwar an manchen
Stellen fo bicht, baff auf eine beutfdje Ouabrat»
meile 10,000 ©inwohner fommen.
Der 9lfrifa«Weifenbe wirb nicht bloS am ®e«
jfabe beS mitteflänbifchen WieereS, fonbern felbfl
im Innern biefeS SBelttheilS bon großen unb
blühenben ©tobten begrüßt, welche oft 150,000
bis 200,000 ©inwohner gählen.
Wach ben ^Berichten SBinwoob Weabe’S, welker
|u berfchiebenen Wlalen mehrere 3aljre an ber
SBeftfiifte WfrifoS wohnhaft war, fann man,
bie große ÜBüfte ausgenommen, bon ©ierra
Seonie bis nach Dunis reifen unb ieben Wbenb
in einem Dorfe ober einer ©tabt übernachten;
unb in ben größeren ©täbten fogar HanbelS«
leute finbeit, welche im ©taube finb gu irgenb
einer 3?it, gegen gute ©ürgfchaft, $150,000 in
baarein ©elbe gu leihen.
fco mannigfaltig wie bie Watur, finb auch
bie ©ölferfc&uften, welche biefen ©rbtheil bcwofj»
nett, an äußerer ©rfheiitung, ©prache unb ©ul«
tur. ©o wenig ber schotte ein Dürfe, troß ber
Wehitlichfeit ber Hautfarbe, ebettfo wenig ift
jeber Wftifaiter ein Weger. ©S leben fogar
©öfter im nötblicheit Wfrifa, welche bon ©ach*
berftäitbigen gur weißen Waffe gegäßlt werben.
Wach ©ierer werben bie ©oller WfrifaS in
Hottentotten, Sufchmänner, Weger, Hamiten
unb Semiten eingetheilt. Die Hottentotten,
bereu Warne ©totterer bebeutet, unb bie ©ufh*
männer, beren WamenSurfprung noch in Dunfel
gehüllt ift, bilben gufamnten eine Wtenfchenraffe,
bie in Horben gerftreut im ©aplaub wohnt, ©ie
finb bon ofergelber ffarbe, Heiner ©tatur unb
haben einen längeren Kopf als bie Weger.
Die Weger Wohnen bom ©übvaubc ber ©a=
hara bis gu bem ©ebicte ber Hottentotten unb
©ufchmänner, bom Wtlantifchen bis gunt 3nbi»
fcheti Ccean. Die Hautfarbe burchläuft alle
©chattirungen bon ©benljolgfhwärge bis gur
heUen WJulattenfarbe. ©arth foll fogar fupfer«
rotfje Weger gefehen haben, ©ine eigene Slbtijei«
lung ber Weger bilben bie Koffern in ©iibafrifa,
welche an Körperbau unb 3ntelligeng unfere
hier wohneuben Weger weit über treffen. Sibing«
ftone Wollte fie in biefer H'uf'eht fogar ber
geegraphifchen ©efeüfdjoft ©ritanieuS gleich»
ftelleit.
Die Hamiten bewohnen baS nörbliche Wfrifa
bis gum ©üben, unb bie Küftenlänber nörblich
bom Wequator. ©ie werben in brei Hnnptgweige
gegliebert: ©erber, ©gqpter unbOftafrifaner.
Die ©emiteu, welche ben öftlicben Dheil bon
Wfrifa bewohnen, unterfcheiben fich bon ben
Hamiten burch reicheren ©artmuchS, fchmalefiip«
pen, fcharf gegeichnete ©rauen, meift gebogene
Wafe unb einer boit leichtem Dunfel bis tief«
braunen Hautfarbe, ©ie tarnen meiftenS aus
Wrabien herüber unb bilbeten hier im abeffini«
fchen Hoehtanbe ein fefteS Weich.
©Me man in Wfrifa ©ölfer trifft, welche för«
perlich unb geiftig ebenbürtig mit ben bollfom»
menften unb gebilbetften ©ewohneru ber ©rbe
baftehen, fo trifft man auch mieber anbere an,
welche ber untersten ©tnfe angehören, unb unter
biefen follen fich iogar ein ©efchlecht bon 3*oerqeti
unb WlbinoS, b. h- lichtfcheue Wleuf^en bon im«
natürlicher fjarbe mit röthlichen Wugeti fiuben.
Seiber finb bie bürgerlichen unb gefellfchaft«
liehen ©erfjältniffe WfrifaS, wenige Ausnahmen
abgerechnet, berart, baß fie baS chriftliche ©e«
müth mit ©djauber erfüllen. Deffenungeachtet
Digitized by v^ooQie
138
Afrika.
hüben felbfl biefe ein Ijödjft intereffanteS ©tu»
bium mit fetjr praftifc^cn Aefultaten für baS
©hriftentljum unb ben WiffionSeifer ber ftirctje.
2üo jebodß bie 3uftünbe beffer flehen, ba mürben
biefelben burch ben ©influß beS 6tjriftentfjum§
unb ber WiffionSthätigfeit ber Äirct»e ginn Seffe»
ren um» unb neugeflaltet. ©o fleht g. SB. bie
©übfpiße AfrifaS, melcpeS ungefähr um biefelbe
Seit, mie Amerifa colonifirt mürbe, auf gleicher
©tufe ber Gioilifation ber SBölter ©uropaS unb
AmerifaS. Oer 3teifenbe finbet bafelbft Shinft,
Siteratur unb SPiffenfchaft mie in feiner §ei»
matl) Der treten. Unb burch ben H°nbel unb
Serfeßr mit cioilifirten SBölfern mürben manche
anbere ipeile AfrifaS, raenigftenS in einen halb»
cioitifirten 3uftanb umgemanbelt.
Jebocp, troft allebem, mirft baS ^>eibentbum
mit feinem Aberglauben unb feinen blutigen
©reuelfcenen noch immer einen tiefen ©Ratten
auf biefeS mastige Sanb; unb gmar in einem
fotctjeu- '•JJiaBe, baß Afrifa, troß feiner Sauber»
maffe, feinen pbpfifalifdjen Sortheilen, feinem
Aeicbtfjuin unb feiner gahllofen Seoölferung,
faft gar feinen ©influß auf bie übrige SJBelt in
unferer 3?ü anSiibt. 5Bie ein giftiger Wehl*
tßau bat boffelbe bisher bie fcpönften Hoffnungen
biefeS füßnen SöelttheilS gebleicht unb oernichtet.
Ju ben Oheilen, in melden fiep noch bie Ur»
guflanbe beS Heibentbum^ oorfinben, bat baS
meufchliche Seben faftißh gar feinen iiöertb;
biefeö ift befonberS an ben Höfen ber Könige
unb Springen ber Stall, rnelcpe nicht bloS bei ihrem
SBegräbniffe, fonbern fogar bei fürftlichem ©in»
pfauge ©tröme menfchlichen SlnteS fliegen laf»
fen. Sei’m Oobe eines Sfiirften merben oft
Oußenbe föniglicber grauen unb Jungfrauen
lebenbig begraben, unb über benfelbeit ©flauen
mie ©djlaibtoieb hüigemorbet.
Oie Wenfcbenfrefjerei hfrrfdjte fdjon in man»
eben Obeilen in folcbem ©rabc, baß man noch
im Jahre 1859 Wenfdjenfleifcb öffentlich auf
Wärtten feit bot. Unb noch heute ift fie im
Jnneren beS SanbeS hertfehenb.
AIS ©tanlep ben ©ongo hinabfuhr, traf er
mehrere Wale auf ßanibalen, melche feiner
Wanufcbaft beftäubig auflauerten, fie mit Kriegs»
hörnern, ©peeren unb '-Pfeilen begrüßten, unb
ihnen mit beiBbungernber Segier guriefen:
„ jleifcf) rnoflcn mir, euer Jdeifd), mir merben
heute Jfleifih in Wenge haben." (Sin frangö»
fifiher Wiffionär, melcher 5 Jahre unter ben
SofutoS mirfte, unb mährenb biefer 3eit üiele
Höhlen befitcf)te, fanb in manchen berfelbcn,
roclihe als Steftorte bienten, ©chäbel, ©diulter»
fnoiben unb Wenfcßenfleifcb aufgehäuft, bis bafs
baS Slut alte Aijjen unb Soren beS ©efteinS er»
füllte, mit melden es in SBeriihrung fam.
SPielroeiberei ift ein Hauptcbaraftergug beS
häuslichen Sehens, rneun man überhaupt an
manchen Orten noch bon einem häuslichen Sehen
reben barf, ba mancher aftifanifche ftraal eher
mit einem SPiehftaü als mit einem HauS ter«
glichen merben muß. Jeber Wann befißt, me»
nige rühmliche Ausnahmen abgerechnet, fo oiele
Söeiber, als er eben nur im ©taube ift gu er»
halten; bie lauft unb Oerfauft er, mie ber Sieh*
gücpter fein Sieh. JebeS 2Beib ift eine ©llaoin
unb jebe ©flaüin ein Sßeib beS AfrifanerS ohne
aüe Berechtigung. ©ammerou fließ mährenb
feiner Steifen fogar auf einen Ort, an meinem
bie Sielmeiberei einen folcheit fibeußlicbeu ©ha*
rafter angenommen hatte, baß ein Äönig San»
ten, ©oufinen, Stickten unb felbft feine eigenen
Söchter in feinem Harem hielt.
9tä<hft ber Bielmeiberei berrfeffle bie ©flaoerei
hier immer in fehreefenerregenber SBeife. Alles,
maS mir je in unferem Sanbe oon biefer Änedj»
tung oon Wenfchen gehört, hält feinen Sergleich
mit ber ©raufamfeit beS ©flaoenbaubelS im
Jnnern AfrifaS aus. ©Itern oertaufen ihre
Wiuber oft mit ebenfo roenig ©efühl, als ber
Sauer feine ©djmeine. Unb bie ©tlaoenhänbler
treiben bie armen ©Haben gufammen unb burch
baS Jnnere beS SanbeS mit einer ©raufamfeit,
mie fie fein Äubtreiber AmerifaS im ©taube ifl,
gu thun. Sioingflone fah gange Seihen berfel¬
bcn burch Aflgobeln an einanber gehaft, in H>m»
ger unb Ourfl, burch baS Jnnere beS SanbeS
treiben, unb menn fie ermattet hingefunfeu, ohne
alles ©efiihl mie ein ©tücf Sieh erbosen ober
einfam oerenben.
OaS ©chlimmfle Oon Allem ifl, baß auch hi«
mie unter allen beibnifchen Sölfern bereits alle
biefe ©reuel unter ©<huß unb ber '-Pflege ber
Abgötterei flehen. Oer '-Priefter unb SBefctjmörer
übt einen unumfehränften ©influß auf bas Seben
unb alle bürgerlichen unb focialen Sevhältuiffe
aus, unb biefe beberrföl er nach bem AJillen beS
dürften ber Jinflerniß, in beffen Oienfte baS
Heibenthum fleht.
Oie chrifllicße Wiffion finbet hi« ein großes
unb michtigeS 3?elb gur Arbeit. Unb tröf» ber
Unfeuntniß beS SanbeS unb anbern ©chmieiig*
feiten hat fie aflbereitS fdjon ©roßeS geleiflet.
©ange Söffer beS füblidjen AfrifaS unb anbere
Äiiflenberoohner, melche noch bor meitigen Jahr«
gehnten Wenfchenfreffer roaren, finb hfute Ser»
ehrer beS Strenges unb beiniithige Ghviflen ge«
morben. SiS in baS erfl burcl) Sioingflone unb
©tanlep entbeefte H«S biefeS geheimnißoollen
SanbeS hat man in ben leßteit Jahren baS pa¬
nier beS SfreugeS hineingetragen unb erfolgreich
aufgepftangt. Unb mie auf ber einen ©eite
alle roirflicheu fjortfehritte gur ©rforfchung unb
ßibilifirung AfrifaS Oon ber unermiiblidjen
Ohätigfeit ber Wiffion abhängig mareu, fo mirb
auch feine mahre 3i>tunft oon ihr abhängig
bleiben. SBenit aber Afrifa erfl beS Herrn ift.
Dtgitized by v^,oo^Le
Purdj jSrtungrn jur üaljrljfit.
139
bann wirb biefer SBetttheil aud) JU einer foldjen
Stellung in ber SDßelt peraiiflereift fein, roelcfje
nicht mehr doii ber cioüifirten SSBelt ignorirt
Werben tonn, fonbern eine 9Jiacf)t biiben, mit
ber afle übrigen Nationen unb SBölfern ju red}*
neu fabelt, „©üter, ifl bie 92adi)t fcf)ier pin!"
Purdj Irruugctt jur pfnljrljeit
&iu betttfch-auterißanifches ^famitienbitb
aus bet Gegenwart.
Sir Han« nub § erb bou 3. 3. Stegmer.
X.
S /^j^onate finb roieber babin gefChroun*
\#/l. tien - ®' e ^tuffinDunfl 9MpS,
Jvl>IB '& r unb i()r (Sterbebette
batten in ben befreunbeten 3 a*
milien einen tiefen Sinbruc! ge*
macht. 9lellpS Suter ging ftill
feinen ©efdjäften nach, bodj mar er bei 2 eh=
inannS beinahe ein täglicher ©aft. $er innige
täntßeil, ben fie an feinem Ungliide nahmen,
bcfonberS aber ber ©iiifluß, ben fie auf feine
ungliitflidje Jochter auSgeübt hatten, rooburdj
ihr Sterbebette no<b ein fo frieblidjeS unb ge*
fegneteS gemorben mar, hatte ihn mit unauflöS»
liehen Siinben au fie gefeffelt. 9lber fein ©e»
fdjäft mar ihm entleibet unb es mar fein fefter
©utfchluß, baffelbe fobalb als thunlid) ju Dev»
taufen unb üorldufig auf Steifen ju gehen. 353aS
bann weiter mit ihm werben foflte, baS fie Ute er
in ©otteS ©anb; beim an fRelltjS Sterbebette
hatte er gleichfalls bie Stichtigfeit afler ©üter
biefer @rbe feinten gelernt unb fein mißliches
Suchen hatte ihn burdj ©otteS ©nabe gum giiicf*
liehen giuber ber ^|3crle Don großem Siertbe
gemacht. Seine geheime Hoffnung ging bahin,
halb mit feinen lieben Soraitgegangenen roieber
Dereinigt ju werben. Unb mer feinen mitben
Slicf unb feine jerfaüene ©eftalt betrachtete,
tonnte fuh allerbiitgS bes ©ebanfenS nicht er«
mehren, baß feine Sage auf Erben gejählt fein
mochten.
©err Sehmann wohnte regelmäßig bem ©ot=
tesbienfte in ber .ffirdje bei unb nahm an allen
Sorgäitgen in ber ©emeinbe lebhaften Sntheil.
Oiifel .©errmanu begleitete fie oft bahin, ober
er ftellte fich mit feiner ganzen fjamilie bafelbft
ein. ©außS Serfchminbeu nagte unabläffig au
feinem ©erjen. „SBenn ich nur roenigftenS
müßte, waS auS ihm geworben ifb?" fprach er
oft, „aber fo fanit ich feine 3t»he finbeit. O,
es ift faxt, ein ilinb auf foldhe SÖeife ju Der*
lieren, unb boppelt h«tt, fi<h felbft fagen ju
miiffen, bu haft eS felbft auf ben Sfab beS Ser*
berbenS augeleitet!"
QaS ©au§ bergfamilie SebmnnnS mürbe mehr
unb mehr ber Wittelpunft einer ernft gefilmten,
unb hoch freubig geftimmten, cßriftliebeu ©efell*
fd)nft. 2 ln ben Sonntag fRaehmittagen unb oft
auch an ben SBodjennbenben fammelteit fich bie
3 ?reunbe im großen '-ßarlor. Sieblicß ertönten
bei’rn fflauge beS '-Pianos bie füfjen 3ionSlieber;
Erfahrungen aus bem chriftlichen Seben, inter«
effante Seftüre, chriftlidje unb meitfchenfreiiiib*
liehe Unternehmungen boten eine unerfchöpfliche
Quelle chviftlicher Unterhaltung unb manches
2ßert ber Siebe ging Don biefem ftreife aus,
manche mißliche Einrichtung unb manches ge*
fegnete Unternehmen faub hier feine elfte 9lu*
reguitg. QaS IRäthfel, bes ScbenS 3reubeu unb
Snnehmlichfeiten in wahrhaft djriftlidjer ©efel*
ligfeit ju genießen, fanb hier feine’Söfung.
9Rit Eoufin Johannes pflegte Wina einen
intereffanten Sriefmechfel, beffen Inhalt ©e*
meingut ber ganzen Familie bilbete unb oft ju
ben intereffanteften ©efprächen Seraulaffung
gab. ©arrtj’S Sdjidfal mar es einzig, bas im*
mer unb immer roieber wie eine bunfle SBolfe
über ber gamilie feproebte. $>od) auch biefeS
IRäthfel fällte noch gelöst werben, freilich in
einer Söeife, welche bie fchrerfliChften Sefürd)*
tuiigen ber Familie beftätigten.
Eines WorgenS roar ©err Sehinann nach bem
Sriihftücfe eben mit ber Settüre ber angefomme*
neu 'JRorgeuseitung befchäftigt, als er plößlich
mit einem SuSrnfe beS SchrecfenS Don feinem
Siße auffprang unb offenbar auf’s ©ödjfte er»
regt baS 3immer burcßfCßritt.
„9SaS ift’S ? 2öaS hat es gegeben, Sater ?"
tönte eS Don allen Seiten.
„ 3 dj glaube, mir haben hie* bie fo lange ge»
fuebte Spur Don ©arrt)!" antwortete er. „Ob
Dufcl ©errmann biefeS roohl fCßon gelefeu hat ?
— O, eS ift fChrecflich!" »
9llle brängten fich herbei, um DlähereS jn er»
fahren, fo baß©errSehmaun fich geuöthigt fah»
folgenben Söeric^t Dorjulcfen :
,,')ln ben Ufern doii Song 3slaub, etliche 5Rei»
len oberhalb bem Qorfe 5lftoria finb bie Ueber*
bleibfel eines menfChlichen Körpers aufgefunben
worben, unb baS unter Umftänben, welche eS
beinahe außer 3 meifel erfcheincn laffen, baß hier
unter bem Schleier eines aufebeinenb unburch*
briuglichen ©eheimniffeS ein gtaufiger Worb
üerborgen liegt. S)ie Guitbedung mürbe in fol*
genber 2l3eife gemacht: 3mei in ?l|toria lebeitbe
Sörüber, Don 33eruf f^ifcher, hatten fich leßten
Qonnerftag mit einem fleineit 92uberboote auf*
gemacht, um bem Straube entlang nach 2 reib*
hol} ja fucheu. Welches nach einem Sturme unb
311 geroiffeti 3 c>ten ber Srluth reichlich an ben
Digitized by v^ooQie
140
Purd) Srrungen ;ut Paljrljrit.
©tranb geroorfen toirb. Sähe ber fogenannten
Soroerß»©ai ftieg ber eine ber ©rüber an’S fianb
utib ging langfam bem ©tranbe entlang unb
las ba» heruinliegenbe £oU jufaminen. Oie ©ai
macht ^ier einen Meinen (Sinfchnitt unb bie öft=
liehe ©renje bitbet ein ©tüd ©tarfchlanb, baS
eingejaunt ift. Oer anbere ©ruber ruberte eine
turje ©trede hinter bem erfteren am Ufer hin,
als er an biefer ©teile ein ©tüd £>0(3, roie bon
einer Stifte tjerrührenb* gerabe über bie 2 Bajfer«
linie heroorragen fab- Oa3 Ufer roar ^ier circa
6 3 fujj hoch- (Sr machte feinen ©ruber auf baS
&0I3 aufmerffam; biefer tarn herbei unb riß eS
loS. Oann fagte er, eS freute baffeibe bon einer
langen Stifte fjerjurüljren. ©ei näherer Unter»
fucfjiing fanb er, baß bie Stifte (StroaS enthalten
muffe, allein Schlamm unb $otfj ^inberteit iljn,
ben ©harofter ihre» ^nljaltä ju erfennen. Oie
©rüber bereinigten ficf) nun jur Unterfuchung
ber ©eiche. Oer (Sine ftieß 311 biefem 3 wede
ein Suber in bie Stifte unb als er baffeibe ju»
rüctjog, tarn ein langer Stnod)en 311m ©orfchein,
ber augenfcheinlich bon einem mettfdhlichen $ör«
per herrühren mußte.
„%h," rief er, „baS ift ja bon einer Seiche."
Oorf) tboöten fie bie ©ad)e noch näher unter,
fliehen unb riefen einen anbern ©lamt her»
bei, ber in ber Sähe mit einem fleinen ©oote
fifdjte. Oerfelbe befaß an einer langen ©lange
ein ©dljöpfneß. (Sr fließ biefelbe glei< 3 $fa(Iä in bie
geheiinnißoolle Stifte unb roieber erfdjienen bie
graufigen Ueberrefte eines inenf^lidhett UörperS.
Oie brei ©tänner begaben fich nun fogieich
nach Sftoria, um bon ihrem fdjredlichen Süinbe
Snjeige 311 machen unb bie ©olijei machte fich
auf, um bon ber Stifte ©eftß 311 nehmen. OaS
ging inbeffen nicht fo leicht. (SS fanb fich, baß
bie Stifte 3ur ffluthseit fich unter Sßaffer befanb.
Oa.iu mar Re 6 fjuß tief, eingegtaben unb über»
bie» mit Steinen unb ffeisftüden befchroert.
3mei ©ial unterbrach bie heranbriitgenbe ffluth
bie SuSgrabnngSarbeiten unb erft bei’m britten
©teile gelang es, bie Stifte, bie babei in ©tücfe
ging, bem Saitbe 311 entheben. Stuf bem Süden
liegenb fanben fich bie Ueberrefte eines ©tanneS,
ber nahesu 6 fjuß hoch unb non fräftiger ©eftalt
getoefen fein muffte. Oie fjleifchtheile roaren
größtenteils bereits oerroeSt unb menig mehr,
als bie nadten, mit Schlamm bebedten ©ebeine
übrig geblieben, ©in fiodj im hintern Ofjeile
beS ©chäbelS, offenbar öon einer Stugel herrüh»
renb, machte es roahrf<heinli<h, baß ber ©erftor»
bene auf geroaltfame SfBeife 3U feinem Oobe ge»
foinmen mar. Ueber bie ©erfönlidhfeit beS (Sr»
morbeten unb bie Stüter beS muthmaßlichen
©torbeS enthielt bie ftifte feine ©pur. Oocf)
bei einer näheren Unterfuchung fanb fich unter
bem Schlamme oerftedt ein bünner, golbener
tfingerreif mit einem grünen ©teine."
©iS hierher mar #err Sehmann mit bem fie»
fen beS 3 eitungSberidhteS gefommen, als ©tina
erregt auSrief: „(Sin bünner tfiitgerreif mit
einem grünen ©teine! Sch, einen foldjen hohe
ich io geirrt) in Dcean ©rooe gegeben."
„ 3 <h glaubte, fo (StroaS oon bir gehört 3U
haben," antmortete fjerr fiehmann, „barum
bachte ich auch gleich an $arrt), fobalb ich oon
bem Singe las. 9 lber maS ift nun 3U thun ?"
Slle gaben ihrem (Sntfeßeit unb ihrem (Sr«
ftaunen SuSbrud; es mürbe hin unb her ge»
rathen, bis man eublidj 311 bem (Sntfdhluffe tarn,
borläufig Onfel #errntann feine Sacfjricht bon
ihren ©ermuthungen 3U fenben, bagegen foüten
£err fiehmann mit ©tina fi<h nach ber Office
beS ©oronerS begeben, um ben Sing unballfäl»
lige anbere Ueberbleibfel in Sugenfchein ju neh»
men, unb fich fo felbft 3U iiber3eugen, ob ihre
©ermuthungen begriinbet feien ober nicht.
©ilig mürben bie nötigen ©orbereitungen
getroffen unb halb befanben fie fid) auf bem
©Jege. ©om ©oroner mürben fie nach ber
©torgue gemiefen. Oafelbft angefommen, teilte
ihnen ber Söärter mit, bie Ueberrefte feien ber
2lrt, baß an ein ©rfennen ber fieidhe nicht 3U
benfen unb 3ubem fei ber Snblid fo fchredlia),
baj} er nicht raten fönnte, biefelbe in Sugen»
feijein 311 nehmen, am menigften in ©egentoart
einer Oame. Oer Sing habe fidh noch an einem
Singer beS ©etöbteten gefunben; er mieS ben«
felben bor unb ©tina fanf bei beffen Snblid bei«
nahe in Ohnmacht; fein 3 *®eifel — es War ihr
Sing.
Stille begaben fidh bie ©eiben su Onfel &err«
mann unb teilten ihm fo borfidjtig als möglich
bie fchredlidhe ©utbedung mit. (Sr roar gefaßter,
als man eigentlich ermatten fonnte. ©tonate
lang hatte er umfonft auf Sachrichten oon fei»
nem ©ohne gehofft; als aber feine folche fam,
als bie aufgefunbenen ©puren barouf hiubeu»
teten, baß er fidh '» fdhledhtcr ©efellfdhaft aufge»
halten unb feinen 2Beg 3U gefährlidhen fiofali«
täten genommen hatte, ba mar er 311 ber Ueber«
jeugung gelangt, baß er bort roabrfcheinlich
feinen Untergang gefunben habe. Oie Suffin»
bung feiner Ueberrefte mar nur bie Seftätigung
feiner furchtbaren Sljuung.
©tili mürben biefe traurigen Ueberbleibfel
beS noch ®or nicht langer 3 «ü fo fräftigen unb
lebensluftigen, jungen ©tanneS bem ©cboojje
ber (Srbe übergeben, freilich hatte biefer fjunb
beit Sadhforfchungen ber ©olisei einen neuen
Impuls gegeben. (Sine ©anbe falfdher Spieler
unb 3U jeber 3 ;hat fähiger OefperaboS mürbe in
jener fiofalität abgefangen unb eine nähere Un»
terfudping ergab, baß feine Seraubung unb
(Srmorbung unsroeifelhaft ihr SDBerf mar. 3 «
einem ©ergnügungSlofal, baS oon leichtfinnigen
jungen fieuten ftarf befudjt mürbe, hatten ihn
Digitized by v^ooQie
Putd) Smingen ;ur IHaljrljett.
141
etliche bet ©attbe beobad^tct, nachbent fie roabr*
genommen, baft et eine bebeutenbe Summe ©eU
beS bei fich trug. Sie Ratten fich an ibn heran
gemacht nnb mußten ibn gu immer ftärferein
j.rinfen gu beranlaffeit. 9llS feine Ramerabcn
roeggegangcn mären, (odften fie ibn nach jener
Spielbüde. fRachbem fie ibn erft burcb etliche
©eroinnfte geföbert hotten, fingen fie nn, ibn
burcb fnlfdjeä Spiel auSguplünbern; aflein et
mar nicht j‘o betrunten, baft er nicht roabtgenom»
men butte, baß Setrug geübt mürbe. (Sr be*
fcbulbigte auch bie ©efellen beffelben bireft unb
berlangte Satisfaftiou; nun mar auch fdjnefl
ber absichtlich herbei geführte Streit fertig, in
bejjen ©erlauf er fein borgeitigeS (Snbe fanb.
SBer aber beit fatalen Schuß abgefeuert butte,
tonnte bie Uitterfudjung nicht berauSbringen,
roie eS auch au binreidbenben bireften Seroeifen
mangelte, bie ©anbe beS abfidbtlidben SötorbeS
unb SRaubeS gu überführen, immerhin roaren
genug gefeßlidje ©riinbe oorbaitben, um fie für
mehrere 5$abte in feften ©emabrfam gu bringen.
giir Dnfel Hermann mar es freilich eine
Sache bon mitergeorbneter ©ebeutung, bafi ber
Sinn ber bürgerlichen ©eredbtigfeit nicht ftarf
genug mar, ben ©torb, ber ait feinem Hinbe be»
gangen roorbeit mar, gu fübnen. 2öaS ihm fo
oft Stiinbeu beS bitterften £>ergeleibeS berurfachte,
baS mar ba§ ©eibufetfein ber eigenen ©erfdbul»
bung un bem Untergänge feines Sohnes.
„2)er arme 3unge!" faßte er oft, „bei feinem
fchroachen ©borafter bütte er befonberS eines
feflett inneren 4>olteS beburft, um ihn gegen bie
Skrfucbungen, bie ihn umgaben, gu ftäblen.
flnftatt felbft ihn gu bemfelben anguleiten, bube
ich es in meiner ©erblenbung gerabegu berljin*
bert, baft er ben eingig mabren nnb feften ©ult
feines SebeitS finben tonnte, unb als ich enblicb
meine Stborbeit erfannte, butte baS ©ift ber
Sltifflärung, baS ich ihm felbft eingeträufelt, fein
©eroiffen unb feinen ©erftunb fo biirchfreffen,
baß idb teinen ©influfe mehr auf ihn auSguüben
im Stanbe mar. Unb fo lieft er fidh immer mehr
bon feinen Seibenfdjaften beijerrfcben unb mürbe
ein Spielball feiner leichtfertigen ffameraben.
SBabrenb aber ©ram unb Hummer um ben
berlotnen Softn fein inneres bergehrten, ging
ber ©eift ©otteS immer tiefer mit iftm in’S ©e»
rieht. (Sr fab, baft eS nicht bloS bererbte ©ei*
gungen unb 9Infi<hten unb aus bem Sumpfe ber
fcufflärung aufgelefene Sinroürfe roaren, maS
ihn fo lange bet SBabrbeit ferne gehalten butte,
fonbern bie Sünbe, bie in iftm roobnte, bie ©er*
borbenbeit feiner eigenen SRatur, bie ihn bie
ginfternift mehr lieben liefe, benn baS Sicht. <5r
mußte tief, tief hinunter, ber Onfel Hermann,
in feiner eigenen SBertbfcbäßung nnb Selbft«
achtung, 9tber bie göttliche 3ücbtiguug ermieS
fich für ihn als gum Segen unb gum Sehen. 3n
langem, beifeen Kampfe rang fidh audb biefe
Seele binbureb gu ber mabren unb barum mich
fo beliebe» greibeit ber fiiitber ©otteS. Unb
mie er ftetS ber MeS leitenbe ©eift in feinem
£>aufe gemefen mar, fo mürbe er jeßt feiner ©at=
tin unb feinem jiingern Sohne, unb auch ©tun*
ehern feiner greunbe ein SSegmeifer gum $inu
mel. 91 ber, maS hätte er barum gegeben, baft
er fidh früher ber 3 ll <bt beS heiligen ©eiftcS
untermorfen butte, bebor ber gefräßige ©iolocb
ber ©eitlu ft fein Hittb berfchlungen!
XI.
3mei 3ubre fpäter. — 3n einem fdbönen
Sanbftäbtcben beS norbmeftlichen Illinois ift eben
ber junge ©aftor an feinem t>aufe »orgefabren.
Stoffelbe, in bübfdhem Sanbf)au§=Stt)ie erbaut,
ftebt etroaS bon ber Strafte guriidf in berfelben
Umgäunung, meldbe auch bie Hircbe umfaftt.
SRedljtS gur Seite befinbeit fiel) Stall unb Scheune,
linfS bom #aufe ab, am anberen,Silbe beS giem*
lieb weit auSgebebnteit ©runbftiicfes ftebt bie
einfndfje unb boch gefchmocfboll gebaute fyvanie«
Hircbe, mit einem fchlanfeu Jbürmchen gegiert,
auf beffen Spiße ber bwhfdb bergolbete Hnopf
gar lieblich int Sonnenlichte ftrablt. SDaS bem
©farrbaufe gugetbeilte Stürf beS SanbeS ift in
einen lieblichen ©arten nuSgelegt, roähvenb ber
übrige in SRafen gepflanzt unb mit 3ierbäunien
gefebmiieft ift. ©S ift ein richtiges ©fobell tion
einem Hircbeneigeutbum, baS praftifch ©iißlicbe
mit bem Schönen unb ©ngeneijmen aufs ©efte
mit einanber Herein igenb.
©eim ©orfabren beS SnggtjS ift eine junge
ff rau mit bübfeben ©efidbtSgiigen unb einem
freunblichen Sächeln auf ben Sippen aus bem
£>aufe getreten. Sie eilte auf ben ©nfömmling
gu, ber fie freunblich begrüßte unb einen Hilft
auf ihre Sippen brüefte, bann aber fofort an bie
ÜIrbeit ging, fein ©ferb auSgufpannen, baffelbe
in ben Stad gu führen unb mit adern ©otb*
menbigen gu berforgen. ©äbrenb biefer Arbeit
blieb bie junge grau bidf)t an feiner Seite unb
grage unb SMntroort folgten in rofefter 9Jufeiu»
aitbetfolge unb befunbetett, roie nabe bie ©eiben
gu einanber ftanben.
„2Bie bot fidh benn mein grauebeu in ber
3eit meiner 9Ibmefenbeit unterhalten ? £>nft bu
fein ^eimroeb befommen?" fragte ber junge
©atte angelegentlich-
„O nein!" ermiberte bie junge grau errötbenb.
,,©on .£>eimraeb höbe ich nidhts gefpürt, hotte
auch feine 3eit bagu. ^>eute roaren fdbon meb*
rere grauen aus ber ©emeinbe gum ©efudhe ba.
Sdjro. SR. faßte, fie roodten einmal nachfebeit,
maS bie junge grau ©aftor mache, unb ob fie
ihr nicht in irgenb etroaS gur ^anb geben föniu
ten, unb bann fchien es ihnen febr am bergen
Digitized by v^ooQie
142
Punt) Prangen ;ut Paljt^eii
gu liegen, mir ©tutb gu madjett, unb fic faßten
ginn Slbfcßiebe, meint id) in irgeub einer ©acße
if)ver Unterftiißnng mtb ißreS StatljeS bebürfte,
fo füllte id) mid) breift nn fie roeitben. ©iub bie
Seute liiert freunblid) ? Unb ßeftern Stacbmittag,
als bn fort mareft, machte id) etliche Söefudje.
©ie tleine Simt 3- geigte mir beit SBeg. SBir
ßinßeit jnerft gu ber alten ©tutter SB. ©ie fdjeint
feljr fehlend) gu fein, aber fie mar fo froh unb
bautbar, als ich il)r ein Kapitel aus ber Söibel
oorlaS unb als id) noch mit ibr gebetet hatte,
liißte fie mid) mit Dielen ©hräneu unb rief mir
nod) beim SBeggdjen nach: „©ott fehlte ©ie,
liebes fliitb!" fjrau ©., oon ber bu mir gefaßt
baft, ift oon ihrer Jhanlljeit nod) nicht hergeftellt,
bie Seute fcbeineit nicht oiel oon einer fluten,
fvdftiflen Sßfleße gu oerftebeu. 3d? habe ihr am
Slbenb noch eine gute ©uppe gefaubt. ©aitn
mar idj and) bei ©i.’S. ©ie ffinber hoben ben
ßeudjhuften; id) habe ihnen einige ©tittel ge»
geben unb bie SJtutter getröftet, bie feßr mübe
imb auch etmaS oerbroßen gu fein fdjeint. O,
Johannes," fdjloß bie junfle ffrau ihren ©e*
riebt, „eS ift bod) Diel fftotb unb ©lenb in ber
SBelt!"
„©ein ift fo. ©afür finb mir aber auCbba,
um uns ber ©orge unb Slot!) unferer SJtit.
menfcbeit fo oiel roie möglich angunehmen, unb
e§ fdjeiitt mir, bu bift entf<blo|fen, in meiner
Slbmefenbeit alles ©rnfteS als mein Sßifar gu
aintiren."
„Sieb bamit ift es ni<bt meit her. 3<b bin froh
unb bantbar genug, menn ich nur ©traaS an ben
Seuten tbun tann."
SBäbrenb biefer Unterhaltung mar baS ©ferb
oerforgt morben, ber ©aftor gog nun aus bern
Suggl) ein ÄötbChen unb überreichte eS feiner
8?rau, inbem er faßte: „Sitten feßönen ©ruß
pon ©(broefter ©. unb ba f<bi<fe fie bir ©troaS
in ben Haushalt!"
„Sieb, fieb’ mal," fagte bie junge ff rau, nnd)»
bera fie baS iJörbdjen geöffnet, „bie fdjönften
©ier. ©ie Seute müffen bid) febr lieb hoben,
baß fie auch gu mir fo gut finb."
„3a," fagte Johannes, „unb ©djmefter ©.
fagte, fobalb fie in bie ©tabt fomme, mofle fie
bir au<b eine $enne mit gmölf großen ffüdjlein
bringen, fo baß bu halb beinen eigenen ©eflügel»
ftanb hoben mirft."
„3ft baS nidjt prächtig!" antmortete bie junge
ff rau, bann fuhr fie ladjenb gu plaubern fort:
„SBer hätte baS gebaebt, baß icb noch einen ©e»
flügelbof haben roerbe. SBenn baS meine Se=
fannteit unb ffreunbinnen in SB. mühten. ©iS
©tutter fommt, bin ich f<bon eine halbe ff arme»
rin!" ßier fiel ber jungen ff rau baS fertig ge?
mnebte ©benbejfen ein, barum brach fie ihr ©e=
plauber plößlid) ab, unb nötbigte ihren ©emnbl
in’S #auS, mo fie ihn fogieich an bie reid) be»
feßte ©afel mieS, um mit ihr baS Slbenbeffen
einjunebmen.
SBäbrenb beS ©ffenS berichtete ber junge ©atte
Oon feinen ©aftoral. ©efueben unb ben ©r«
fabrungen, bie er babei gemacht batte.
„_3Cb bin froh unb bantbar," meinte er guleßt,
„baß ficb mir ein SBeg geöffnet bot, unter ben
©eutfeben gu arbeiten. 3m Sillgemeinen finbe
ich unter ihnen oiel mehr ©efanntfd)aft mit
©otteS SBort unb mehr ©brfurebt oor göttlichen
©iitgcn, als unter ber eingeborenen ©eoölfernng.
SBie mein ©ater immer ergäbt, miiffen fie
braußen ftrenge barauf febeit, baß 3ebertnann
in ber cbriftlicbcit ^Religion gut unterrichtet merbe.
Stur ©ineS finbe icf), baS troß Slllem für baS
SBer! ©otteS ein großes fjinberitiß gu fein febeint.
©ie finb febr felbftgerecbt. — SBeil fie getauft
unb fonfirmirt finb, fo meinen fie, an ihrem
©briftentbum fönne Siiemanb einen groeifel
hegen, befonbers menn fie fid) babei nod) gut
$ird)e holten unb amb nur bolbmegS ficb orbent«
lieb auffübren. 3Rand)e nehmen eS gerabegu
übel, menn 3emaitb anberer SJteinung ift. @s
hält fo ferner, bie Sente gu überzeugen, baß
SBiffen unb innere ©rfabrung gmei gang üer«
fcbicbene ©inge finb, unb baß man bis ©rftere
hoben tann, roäbrenb baS #erg in ber ©bot ben»
noCb ferne ift oon ©ott."
„3a," meinte läcbelnb bie junge ffrau, „bu
meißt, mie reichlich ich biefe ©rfnbrnng auch gu
^rnufe machen mußte. 3nbeffen, menn fie erft
einmal gur ©rtenntniß ber SBabrbeit toinmen,
bann ift auch ein ©erlaß auf fie."
„3a," fagte ber junge ©atte, „gerabe au ben
©einen bot ©ott ein großes SBuitber getban,
unb barf uns biefeS auch ftetS neuen SJtiitb unb
neue Hoffnung geben, baß auch nufere Slrbeit
unter ihnen nicht oergebliCh fein mirb. SBir
hoben and) hier in unferer ©emeinbe fraftig be»
lehrte Seelen unb liebe Stinber ©otteS unb auch
binfidjtlicb ber Uebrigen mirb es fidh geigen, baß
baS SBort beS £»errn nicht leer gurüd lontmt."
©öS ©efprä^ ber beibett ©atten mürbe bi«
bureb ben ©intritt eines älteren, ebrmiirbig auS»
fehenben SltnnneS unterbrochen, ben bie junge
grau freunblicb mitllommen hieß unb ber oom
©aftor mit großer ^uöorfommenbeit bebonbelt
mürbe. ©S mar einer ber ©orfteßer ber ©e»
meinbe, auf ben ber ©aftor, um feiner gebiegenen
©rtenntniß unb feiner nüdjternen Slnßbouungen
miQen, große ©tiiCle hielt. Stacbbem er feinem
©ergnügen über baS gute SlnSfebcn ©tinaS SluS«
brud gegeben, moreit fie halb in ein angiebettbeS
©efpräcb über bie 9luSfid)ten beS SöerteS ©otteS
in ber ©egenb im Slügemeinen Oertieft.
Unfere aufmerlfamen Sefer merben baS junge
©aar im ©farrbaufe gu 8. längft erfannt hoben.
DigifeeeHDy Googl -
Piird) Srruugen jur JÜJaljrljfit.
143
— 3a, unfete ©tina ift too^lbefteflte ©farrfrau
im SBeftcn geworben; mitten in einer foft au§»
Schließlich tion Seutfdjen befieöetten ©egeub.
UnD menn ißr auch erft baSSeben auf bem ßaitbe
etroaS einfam erfhien, fo bentt fie bod», baß ißr
2ooS auf’s lieblicßite gefaflen ift. 3hr Johannes
ift ein aufmerffamer, liebeooßer ©atte unb ein
frommer unb eifriger ©eelforger, bem ber £>err
halb bie £erjen ber anoertrauten ©enteinbe gab.
SBeibe finb auf baS 3nnigfte in bem ©inen unb
$öd)ften oerbunben:
„3hm 5« leben, 3h m 3 U ßerben; '
Musjnjielj’n unb für 3h n
Seelen a»t3Uwerben I"
aber wie baS Me§ fo gefommen ift! 28aS bie
©Itern ju biefer ihnen etwas unerwarteten Sßer=
biitbung fügten. 2Bie fich bie weiteren ©djidfale
bet in unferer ©Höhlung angeführten Familien
geftaltet hüben ? Sa§ möchten Sßiete ohne 3wei=
fei noch erfahren.
5fuit, bie ©ef<hi(hte ift nodj nic’ht jti ©nbe.
Staun fie es jemals wirb, wer fnnn es fagen!
6o lanqe gfamilien fidh entwideln unb ftetS meu
ter aushreiten, fo werben fie and) ftetS neue ©e*
ßhidjte machen, aber bie £üde, weiche in unferer
©tjöhlung jwifchen bem jute^t berichteten trau*
eigen ©reigniffe unb bem ibpßifchen Silbe im
Sitfange unfereS ©djlußfapitelS liegt, mag ein
SuSjug aus SDtiitaS Sagebuch bofleitbs auSfiiQen:
17. Oftober 18—.
„©nblidj in unferem eigenen Safjeiin ange*
langt! @S ift ein eigenthümlicheS ©efühl, feinen
eigenen £>auSftanb anzufangen. Johannes fngte,
er habe fich fchon lange barnach gefehnt. Stun,
ihm tann man eS nicht übel nehmen; als einzeln
jtefjenber fDlann einer ©emeiitbe oorzufteljen, ift
feine Äleinigfeit, unb bie ßettte fheinen audh
fehr jufrieben, baß er fich eine ßebenSgefäljrtin
angefdjafft hot, wenn es auch nicht eine folche
aus ihrer eigenen ©litte war.
2Bie boch alles fo wunberbar fich gefügt hnt.
Unb ich bin nun fo weit bon ©Item unb ®e*
feßroiftern entfernt, freilich liefen fie mich «n*
gerne ziehen; aber ba es Johannes für feine
©fließt hielt, feine Slräfte bett zahlreichen Seut*
fchen ju wibmen, welche bet ftetS nnfdjweflenbe
Strom ber ©inwanberung nach bem fernen
ffleften fenbet, fo wollten fee nicht länger bnqegen
fein, unb machten bloS zur ©ebingung, bah wir
nicht gleich au bie äußerften ©renzen ziehen fofl«
ten. ©o hat fich benn hier eine paffenbe ©teile
gefunben, unb ba manche frifche 9lnfiebf?r fich
in ber ©egenb niebergelaffeit haben,- fo hnt er
hinreidjenb ©elegenljeit, feine ßieblingSpläne in
äuSführung zu bringen.
Söie aber ©Des fo gefommen ift! — 3ch habe
fo lange nicht mehr in mein Sagebuch gefchrie«
ben, unb jefct, ba Johannes oft bon |>aufe ab*
wefenb ift, miß ich bie ©elegenljeit benußen unb
bie entftanbenen 2üden ausfiiflen, befonberS ba
nun ein ganz neuer abfehnitt meines 2ebeuS be*
gönnen hat.
ach, welch ein fdjtedlicber ©djlag war eS, als
bie traurigen Ueberrefte ©oufin £>arrt)’S auf*
gefunben würben. 3<h habe Cnfel £>ermnnn
feit ber 3eit nie mieber fröhlich gefehen. 6r tarn
oft iu uns, um Sroft zu fudjen, unb ©ott 2ob,
er fanb ben einzigen Sroft, ber für ihn bor*
hanben war, ben Trieben ©otteS für feine ©eele,
ber ba höhet ift, benn alle ©ernunft. 2Bie er
borher bon feinem Unglauben fein fjefjl gemacht
hatte, fo trat er auch jejit mit einem offenen Sc»
fenntnifje beS £errn unter feinen greunben unb
©efanuten auf. Oft erntete er baoon Spott
unb #oljn, aber er Wußte biefeit Spöttereien in
einer SBeife zu begegnen, welche biefelben halb
Zum ©Ißmeigen brachte, unb ©tandjer, ber erft
gefpottet, geftaub ihm fpöter ein, baß er am
©nbe bo«h Stecht haben möchte. Cb ber bon ihm
auSgeftreute ©ante in biefen freigebigen Streifen
noch Iebenbige Früchte trägt, wer fann es wiffen!
2ßir hoffen eS; fchon ©tauchet hat unter ber
©pöttermiene nur bie Unruhe feines £>ei'zeuS
berborqen unb ift fdjließlid) boch ZU einem ernft*
liehen frorfdjer nach ber SBaßrljeit geworben,
Sie ©einen ergaben fich alle bem fjerrn zum
©igentljum. Sie ftiße, fdjiicbterne Saute würbe
noch eine freubige Sefennerin beS ©omenS beS
|>errn 2fefu. ©eb hat fich gleichfalls ber Stirche
angefhloffen. 6r hat überhaupt einen biel
ernfteren unb feftcreu ©harafter, als ber arme
#arrp unb berechtigt zu ben fchon ften fjoff*
nungen. — aber baS ftiße ßeiben OnfelS über
feinen berlorenen ©ohn brach enblich felbft feine
fdjeinbar eiferne ©onftitution. ©eine ©efunb*
heit fing ott zu wanfen unb baS ©ertoeufieber
raffte ihn fchnefl hinweg, ©origen fterbft haben
mir ihn zur Stube gebettet, ©ater fieljt mit Sieb
Zu feinem ©efcßäfte unb Sante ift bie meifte
3eit bei uns.
3u #aufe hat fich afleS auf’S feßönfte ge*
orbnet. ©on ©äßen unb Sheatern, bie mir einft
fo Diele Stampfe berurfachten, ift feine Siebe mehr,
©ater geht zur Stirche, bazu ift er bei mehreren
moljlthätigen Unternehmungen fo ftarf betheiligt,
baß feine freie 3eit mit ©Jeden ber Siebe bofl*
auf in anfpruch genommen ift. Sazu hat er
noch OnfelS ©efchäft zu leiten. ©S märe ihm
biefeS faum möglich, wenn Sieb fich nicht weit
über feine 3afjre ben Umftänben gemachten er«
weifen würbe unb ©ruber fjeinrid) in ©aterS
eigenem ©efcßäffe eine fo fräftige ©tiifje wäre,
baß ©ater gebenft, ihn nädjftenS förmlich zum
Sheilhaber zu machen, befonberS ba Slusficht
borhanben ift, baß er halb fich einen eigenen
£>au§ftanb grünben wirb. 3n ber Stirche ift
^einridj ein angefeljenes SJtitglieb unb führt
Digitized by v^ooQie
144
iurdj 3trungen jur üoljrljeit.
eine 3u0enbtlaffe, bie unter feiner Leitung
beS befteu ©ebeihenS erfreut, '-öruber 2llfreb tft
gleichfalls ein eifrige» DJtitglieb berfelben. 33or=
läufig terut er noch fleißig. $od) t)at er 3oh<w*
neS anüertrnut, bafj er ju ftubiren toüivfdje uitb
einftmalS gleich ihm bas ©oaitgelium bcs #rie«
benS jii ocrfüitbigen hoffe- J)er ,f)err mag auch
biefeä üerfe^cn.
©inilie, unfer einftiger, tleincr 23ilbfung, ift
nun recht groß unb gefegt. Sie t)at itjr £>erj
frühe bem |>errn gegeben unb nimmt jeßt ohne
3*oeifel ju &aufe meine Stelle ein.
fiepten Sommer maren mir brei ÜJtonate in
Ocean ©roüe. ©3 gelang uit$, ein eigenes
Räuschen für uns ju tniethcit. 0, es mar eine
herrliche 3eit. Später, SBrüber unb 9teb brachten
alle ihre freie 3eit bei uns ju. 3 l1 hleeiche 93e»
tannte tarnen ju uns unb für mich mar biefe
3eit eine befonbere Segenöjeit.
©leid) ju Anfang tarn auch ©otifin 3ohnnneS
unb er fah aus, als ob er etmaS SefonbereS auf
feinem £>erjen hätte. Unb baS batte er dud}.
©leid) bei unferm erften Spajiergange am
Straube fpradj er oon feiner ©eineinbc unb ber
fJtotbmenbigfeit, eine Lebensgefährtin ju haben,
(ich tDäre gerne bor Sd)am baoon gelaufen, aber
er hielt mich feft) unb mie er mich fd)on lange
tenne unb fein $erj mir immer jugeneigt ge»
mefen fei unb mie fchön er es fia) auSgemolt
habe, mit mir für ben £>errn ju arbeiten, ©nb«
lidj tarn bie 3?rage, ob ich ihn lieben fönne unb
ob ich fein 2Mb roerben wollte ? — Stuf bie erfte
3rage hätte ich gleich mit „3a" antworten fön»
nett — beim fo lange ich ihn fenite, freute ich
mich immer fo fefjr, ihn ju fcben unb ju hören;
aber befonbeiS feit ich ben £>ctrn fuchte, mar er
mir ber treuefte Seratfjer unb ich fanb immer
eine folc^e Uebereinftimmung jroifchen ihm unb
mir, als ob mir feit lange jufammen gehört
hätten. 2lber baS tonnte ich ihm in jenem 2lu«
genbtide hoch nicht fügen unb auch feine jroeite
fjfrage nicht gleich beantworten. $n meiner
iüerroirrung mußte ich nichts SBeffereS ju fagen,
als: • „2Ba3 merben 2Jater unb ÜJtutter bnju
ägen ? " „SDarf ich mit ihnen barüber reben ?"
ragte er gleich, unb um nur toSjufommen,
agte ich: „3a, rebe erft mit ©ater unb IDJutter."
Üöir maren unterbejfen mieber ju £>aufe ange»
fommen unb ich fdjlüpfte ftill in mein 3immer
unb fdjüttete mein £>erj oor bem £>errn aus unb
erft bn fühlte ich fo recht, mie theuer mir 3o=
hanneS mar unb mie gerne ich ihm folgen mürbe.
9lber ich übergab bie Sache bem £>errn, ber auch
meiner ©Iterii 4>erj lenfen tonnte nach feinem
SBoßlgefaflen.
211S 'fliutter in’S 3immer tarn, umarmte unb
tüßte fie mich Järtlid» unb fagte gerührt, mäh«
renb 3?reubenthränen in ihren 9Iugen perlten:
„ftßeine liebe, liebe SWinal" ©nblidj erjählte fte
mir oon Johannes ©erbutig unb mie bamit ihr
ein lieber Ütfunfch erfüllt fei, benn „Johannes,"
fagte fie, „ift mir fd)on lange ein lieber Sohn
geworben." Sann erjählte fie, mie ©ater ge»
fngt habe, wenn er fid) boch einmal oon mir
trennen müßte, fo mollte er mich am liebfteit
Johannes geben; meint es nur nicht fo meit meg
märe.—O, ich bin foldjer Liebe gar nicht merth-
2tber baS ift ja auch bie ©iite meines ©otteS,
bcifj er mich Uumürbige mit ben Siemeifen feiner
©üte unb Liebe überfcbiittet.
®ie ©Hern brangen in Johannes, eine Stelle
im Often ju fuchen. 2tUeiu er feßte ihnen bie
©riiube auSeinaitber, bie ihn für fein jeßigeS
9lrbcitSfelb beftimmten, fo baß fie es für Un«
recht hifllen, biefeS jur 2}ebingung ber 6r jiillung
feiner 2Siinfdhe ju machen. $a mir teilt 9luf«
fchen auf bem 'fMage machen mollten, fo be»
gnügteu mir uns mit einer ftilleu SkrlobuugS»
feier, ju roelcher nur bie nädjfteu gfreunbe ein»
geloben mürben. Johannes blieb einen fDionat
bei uns. ©3 mar eine 3eit heiliger Stille unb
eliger 3?rettbe. 2öeldje ipiäne unb ©ntfdjlüffe
ür bie 3utunft tourben ba gefaßt. ©ott gebe
ju Mein fröhliches ©ebeiheit.
Johannes ging bann nach 6aufe, um MeS
ju meinem ©mpfange einjurichten. 5)ie paar
Ktonatc gingen fchnell, fchnell oorüber unb als
er mieber tarn, feierten mir ein heiteres £>och=
jeitsfeft, — bei melchent freilich bie Sthränen ber
IBehmuth nicht fehlten, inbein mir ber flinge»
gangenen gebachten, bie mir fo gerne jii 3eugeit
unfercS ©lüdeS gemacht hätten. — «o fchtoer
mir auch ber 2tbfchieb aus bem lieben ©Item»
häufe mürbe, fo mar er boch burd) bie Hoffnung
eines balbigen 2BieberfehenS oerfüßt, benn baS
inupte Johannes oerfprecheti, baß ich ben mich«
ften Sommer baheim jubringen follte; auch (iah
er biefeS SBerfpredjen um fo lieber, ba er felbft
joffte, fich für längere 3«it am lieblichen UteereS»
tranbe ju erholen, ber mir felbft jur ©eburtS»
tätte eines neuen Lebens getoorben mar.
9luf bem ©ege nach unferer neuen ^eiiuath
führte mich Johannes auf eine 2öoc£»e in fein
elterliches ©aus. O welch «ine Sfreube, feinen
ehrmürbigen ©ater, feine liebeoolle DJhctter unb
feine freunblicheit ©efchroifter fennen ju lernen.
fDtit ihräneit ber fjreube umarmten mich Stile
unb bei’m 9tbenbgebet flehte ber ©ater fo in»
brünftig um Segen unb #eil für midh unb für
unfern jungen ^auSftanb, bap ich ganj baoon
überwältigt mürbe. Äein SQßunbet, bafe 3o»
hanneS fo ein tüchtiger HJtann geworben ift. —
3<h weife, bafe idh an ihnen ©ater unb IDtutter
haben Werbe, auch roohnen fte nicht fo meit ent«
fernt, baß mir ni^t öfters bei ihnen einen Sefuch
madhen tonnten.
3m fjrühling aber tommt ÜJtutter unb Schwe»
fter ©milie, um uns in unferer neuen $eimath
Digitized by V^,OQ£ie
Jlerleumbung.
145
aufjufucheu. 2 Bie id) mid) barauf freue, ©ntilie
fc^rcibt mir jcbc 2 Dod)e unb id) ömtefjme Me?,
wa? im ff reife meiner Vetannten borgeht. 06
e? immer fo bleiben wirb '!
3 ohanue? meint, ba? fei nidjt wahrfcheinlidj.
3 <h werbe mich mehr unb mehr Ijier angewöl)«
neu, neue Vetannte unb neue tßflühten werben
mid) in Mfpruch nehmen, bann werbe ber Ver»
feljr weniger lebhaft werben, ober bie Siebe
»erbe bleiben. — Sd) fann mit bu§ faum bor»
fteüeu! 3tber gewiß, bie Siebe bleibt. Söeldje?
audj bie 23ege fein mögen, bie wir ju geben
buben, ober bie Grfaljrungeit, bie wir machen
müffen; bie Siebe bieibt. ©rftbie ewige, gött«
liebe Siebe ju un?, bonn unfere Siebe jmn £>ernt,
unb burd) biefe Siebe geheiligt, bie Siebe ju all
ben Unfrigen, ju allen §reunben unb Vetannten,
unb eublid) bie Siebe 511 adelt Wenfd^m; — u n b
bie Siebe ift ba3 © r ö ß e ft e l
©nbe.
P e r U um imt 0.
„2)u fodfl falfcber&nHage nic§t glauben, baß bu einem
feottlofen SJeiftanb tyuft, unb ein falfc^er 3 cu 0 e fcifr"
2 SKofe 23,1.
„6ei ferne fcon falfdjen Sachen." 2 3Jtofe 23, 7.
Tier „Vofton ffieetlb Mbertifer" fagt: „ 2 öir
2 l hoben oft ba? Otätjffel gehört: 2 öer ift bie
n Vtutter bet ffüdjleiit, bie £>enne, welche bie
6 ier legt, ober bie ^>enne, welche fie au?brütet ?
Unb nun ift e§ befriebigeub, eine gerichtliche
Snlfcheibuitß über biefe h^'itte 3 ?rage lanbwirtt)»
fchoftlicher SiUigfeit $u hoben. ©in ©inmobner
bon SBeft ©tratforb, Gönn., hotte eine £>eitne
Don einer befoitbent ©attung, bie fich auf be?
Hachborn ©runbftücf berirrte unb bort ein 9toft
Doll Gier legte, ©ine anbere £>enne, bie betn
Sigenthümer be? Sanbe? gehörte, nahm ba?
Hejt in ©efifc unb briitete«ibie ©ier au?. Sa
gerietljen beibe 9taihbarn in einen Streit über
bie ffüchteiu. 9to. 2 oertaufte biefelben an einen
brüten, 9to. 1 Oerfchaffte fich einen ©inlöfung?«
befehl, unb bie Sache tarn bor einigen Sagen
jnr Verljanblung, mit einem gefdjicften 9tbbo«
taten unb bielen beugen. Sa? ®erid)t entfcjhieb,
bie &enne, welche bie Gier au?gebrütet, fei bie
rechtmäßige fötutter uub Wie? bie fflage auf
©inlöfung ab."
„ 6 ? ning al? ebenfo feftgeftedt bon bem ®e=
richt?hof be? gefunben Vtenfdjenberftanbe? be«
trachtet werben, baß eine Ißerfott, bie eine ber»
leumberifche ©efchidjte wiebererjählt, ebenfo fehr
bie SJiutter berfelben ift, al? ber erfte ©rfinber—
bie 91u?brüterin ift fo fehlest wie bie Segerin,
wenn nicht fcfjlechtcr.
Ser, welcher juerft bie Süge fdjmiebet, ift
fidjer fdjulbig- aber wenig ober gar teilt Scha«
ben würbe au? feiner Styot entftehen, wenn c?
uidjt ^erfonen gäbe, bie willig wären, feine
Verleutnbung ju hören uub ju glauben. Unb
felbft bann wäre ba? Unglüct gering, wenn nicht
bereite Sungen ba wären, um bie @cfd)ichte bon
Ort ju Ort ju tragen unb fo hp§ Uebel ju ber«
breiten. SBenit e? wahr ift, baß ber fehler fo
frfjlimm ift Wie ber Stehler, fo ift ber, welcher
eine Süge glaubt, ebenfo fdjulbig, wie ber, wel«
d)er fie auöfprichl; wie biel mehr ift beim ber
ein 9Jiitfd)uibiger an bem Verbrechen, welcher
bie Süge wiederholt uub iii Umlauf febt. Uub
hoch wirb bie? fehr gebanfculo? getbou, unb
wenn bie Verleumdung toiberlcgt ift, fo bereuen
bie 9)tenfdjen feiten, fie wiebererjählt ju hoben,
obgleich bie? eine Siiube ift, bie fie bor beut
9tid)tcr oder ju berantworten holen werben.
VJeitn id) auch ben Solch nid)t gemacht höbe,
fo bin ich boch be? 9Jiorbe? fchulbig, wenn ich
einen VJeiifdjen boniit erfteche; wenn ich nicht bie
91nflage erbacht hole, fo bin ich boch ein Sheil«
nehmet an bem Verbrechen, wenn ich bem 9iufe
meine? 9täd)fteu fd)nbe, inbem ich fie wiederhole.
Um un? gu hüten, fcaf? Wir nicht in biefe? Uebel
fallen, ift e? baf Sidjerftc, fehr ungläubig in
Vetrcff aller böfen ©criidjte ju fein unb unter
teinen Umftänben fie felber itiuherjutrageu.
©3 giebt £>unbe, beren Vergnügen c? ift, allerlei
Singe herbeijuholen unb ju tragen, aber e? ift
nicht nöthig, bafj wir un? ju biefen herabwür*
bigen, inbem Wir eine folche Mfnaljme über«
nehmen.
Vlautu? wodte bie ©rjähler uub bie ßörer
bon Verlcunibuiigen gleidjnüijjig burdb Mfbän«
gen beftraft hoben, bie einen bei ber 3 *mge unb
bie auberit bei ben Ohren. VMr würben halb
Vtangel an |)olj ju ©algeu hoben, wenn biefe?
Wißigc Urtheil au?gefiihrt würbe, aber e? thut
nicht nöthig, baß fid) irgenb einer bon un? ba?
9ted)t erwirbt, in biefer ©efetlfchnft ju baumeln.
Vknn Selcphbiie uub '.Uliluphoue noch weiter
au?gebilbet werben, fo werben wir genug .fjörcu
unb SSieberhören hoben, unb e? wirb weife fein,
baß wir un? ber Saubbeit befleißen, wenn au»
bere fchwaßen. 6 ? würbe wenig berloren fein,
wenn wir alle unfere Vofale iii ftumme Vuch«
ftaben wanbelten unb unfer Sifchgefprich mit
einem V«nft fhlöffen.
Sa? nächfte 9Kal, wenn bie “fchwarje $enne
ein 6 i legt, laßt fie felbft barauf fißen unb ihre
eigenen ff iichlein aii?briitcn. ffein oernilnftige?
VJefcu wiinfeht, Stiefbater liner Süge ju fein,
ober al?ffaßcnpfote be?Seufe(? jubieiieu, wenn
e? ihm gefällt, gute SKcnfcheit im fffeuer ber
Verleumbung ju röfteit. Ser 91u?rufer in ber
Stabt Sonboit hot ein ehrenoolle?*91mt, aber
ber allgemeine 91u?rufer für bie Stabt ber Siige
11
Digitized by v^ooQie
146
„£eten faumet nid)t. ”
ju fein, ift ni^t münfdjenSWerth; biefe Dlrbeit
fommt im Sauge gleich nad) ber beS gewöhn»
liefen Angebers." (Sachbar.)
-———
„Peten föumft iiidjt.”
©raf Dlleranber bon Slöürttemberg befnnb fid)
einmal in bem bclannten nnb oft genannten
SBabeort 2euf in SBafliS, einem ber henlichften
Kantone ber Sdjmeij mit fchroffen Sergen nnb
tief eingefchnittenen 3:^ätern. ©erabe über ben
Säbern bon 2euf erbeben fid) gewaltige, faft
fenfreebt auffteigenbe ftelswänbe. ©inen folcijen
Dllpengipfel wollte ©raf Slejanber in SegleU
tnng eines ffiihrerS ertlimmen. 'Schon waren
fie Ijo.b oben, als ber Segleiter einer Keinen
Kapelle inbrdngte. Ser ©raf erwartet nach
bem Verhalten beffelben ein befonbereS Kuitft»
wert in ber Kapelle ju finbeit, erblidt aber ftatt
helfen mir ein ganj einfaches Starieubilb. „SaS
ift baS wahre ©nabenreid)!" ruft ihm ber Staun
in tiefer Dlnbacfjt nnb hoh«m ©rnfte jn. Ser
©raf war tief gerührt bon bem innigen ©lau»
,ben beS Dllten; bie feierliche Stille tingS umher
unb bie aotteSbienftliche Stätte bringen auch
ihn iit’S Sadjbenfen, unb er fagt fid) felbft:
„SJie biel fd)öner ift baS fchlichte Kirchlein, als
all’ bie Stocht ju DSailanb unb in ottbern hohen
unb bielgerühmten Somen ber ©fjrifteuljeit!
Sort bie fchwarjen unb geftieften Sieden, hier
ber Seppich bon glänjenbem Schnee unb grü»
nenben Slninen. f^iivwn^v, nod) eine fchönere
ffßölbung nnb ein höherer Saumeifter! Sort
bie trübe simpel, hier bie Sonne als 2eud)te!"
SBährenb feine ©ebaitfen fleh fo fortfpinnen,
betet ber Rührer. ©S wirb lange, unb ber ©raf
tlettert hinter ber Kapelle bis jur Sfuppe beS
Reifens empor nnb wartet unb wartet . . . Ser
Rührer fomint noch immer nicht. Ser ©raf
wirb aümählig ungebulbig unb fagt bor fich
hin: „3e&t $1)1’ idjitoch bis hunbert, bann rufe
ich ihn- — Sod) nein, er mag noch »beiter be=
ten!" ©r $hlt noch einmal hunbert unb wartet
Wieber fünf Stinuten.-Dluf einmal athmet
er fchwer. ©S wirb ihm fchmarj bor ben Dingen;
wie bon Stillioncn Sönnern ober Kanonen»
fdjüffen fnallt es ihm bor ben Ohren, unb 2a»
wiuen fiefjt er ftiirjen. @r felbft bleibt uitber»
fehrt. Son einem nahen Serge mar eine häu»
ferhohe ffelsmanb auf ben ongrenjenben ©letfcher
geftiirst. SaS war aber eben berfelbe, über
welchen fie jefct hotten Stehen wollen. „Senft
euch" — 14 fchlofj ber ©raf feinen $reuitben
gegenüber nie ©rjählung — „beult euch einen
feittrcchfen Reifen wie ben Strafjbnrget Stirn»
fter, unb biejen nieberfallenb auf einen hohen
©letfcher; bann lönnt ihr euch ungefähr ben
Knall borfteller. 3<h fühlte mit einem Seal
einen Schlag auf bie Schulter, ©rfchrcden
fchoite ich um. ©S ift mein Führer. Unb jefct
beutete ber Stann hinab auf bie Kapelle, wo er
fatitn noch geftanben unb fagte wieber: „SaS
ift baS wahre ©nabenreid)!" — Unb wirtlich,
hätte er einige Statuten fürjet gebetet, ober ich
ihn früher abgerufen, fo mären mir fd)ott auf
bem ©letfcher gemanbelt unb bann ficher Per.
loren gemefen. (Sachbar.)
muffen'* feilt.
S er Superintenbent S. in U. fah eines SageS
an feinem Suite unb fchrieb. Sa trat ju
ihm eine alte gläubige xöittme herein unb
fhüttete oor ihm ihr £>erj auS. „Sie miffeu,"
fagte fie, aber in plattbeutfcher Sprache, „baß
ich lange front gemefen bin unb nichts hob« Oer»
bienen tönnen. Sun [oll ich fccbsSpolerStiethe
bejahen, habe aber nichts. 2öaS ju thun ? 3<h
habe meinen lieben fjerrn 3«fmn gebeten, ©r
möchte mir fed)S Sljoler fct)enfen uub 6r hot
auch ja gefagt." ,,©i," fagte ber Superintenbent,
„wie ba ?" „3a," Perfekte fie, ,,©r hot gefagt:
'iöas ihr bittet in meinem Samen, baS will ich
thun/ 3<h höbe ihn in feinem Samen, im
©laubeit an fein Serbienft gebeten unb ba fann’S
ja nicht auSbleiben. Sun wollte ich ®i« bitten,
bah ©<« oit bie Segierung fchreiben, bamit ich
baS ©elb befontme." „3a," fagte ber Superin«
tenbeut, „wie faitn ich baS thun ? Sie Srgicruitg
lann nicht jebein, ber ©elb braucht, etwas
fd)iden." „€)," entgegnete fie, „es befommt ja
hoch fo manche Küfterfrau eine Untcrftiijjuug.,
2öaS ich 3hneu foge, fchreiben Sie mir; ich be«
fomme fetjon and) etwas." „Su bift aber feine
Küfterfrau," fagte ber Superintenbent, „beren
Staun ein Dlint befleibet hot." „Sfjut nichts,"
perfekte fie, „fdjreiben Sie nur." Keine Süiber«
rebe half. Ser liebe Stnnn tonnte bie tfrau
nicht ouberS loS werben, er nahm ein Srotofod
auf, fchrieb einfach was fie gefagt, erflärte, bah
er fie nicht hätte loS werben löniien, unb bat für
fie um fünf Sholer, nicht barait gebenfeitb, bah
fie fecfjS gefagt hotte, ©r lieft ihr baS Schrei»
ben oor unb fragt: „3ft’3 fo gut?" „Se!"
fagte fie, „feS möten’t finn, &err Superinten»
bent." „Sch," oerfefste er, „baS habe ich »er»
feljeti, abänberit lann ich nicht uub juin noch
einmal Schreiben höbe ich feine 3«it. Seftehft
bu auf beinern Kopf, bah ich höbe fchreiben
miiffen, fo will ich mich auf meinem Kopf befteljen
Digitized by v^ooQie
(fffriflian 3fürd)t«jott ©ellerts ®effament.
147
unb jle^en (affen was ich gefcffrieben habe."
„(Ru," ermiberte fie, „feS frieg’f bo<ff!" Ia<fft
freunblich «nb gebt. 3« ber 2Bod)c iff eine ©r=
iiauiingSffunbe in ber ftircffe. Sie dllte fifft, wie
immer, anbäcfftig an ihrem alten ©lojje bor ber
flanjef. (Rad) ber ©rhnutmg tritt ffe ju bem
Superintenbenteit heran unb fragt ibn ffeimlid):
„Sff’t f<bon ba ?" Sie erhält eine berneinenbe
Sntroort. 5tber halb baranf empfängt ber «Super»
iutenbeut ein Schreiben boit ber (Regierung, unb
lieft ju feiner ©erwunberung auf ber dlbreffe:
„hierin fecffs Sffaler ßaffenaumeifungen." 6r
öffnet unb finbet richtig fedjS SE^aler.. „dluf
3breit dlittrag," ffeifft eS in bem Schreiben, „be=
willigen mir ein für affemal ber armen SBiltme
fecffs Sffaler Unterffüffung." SBuitberbarer^err,
benft er, mie erbörft btt bocb fo pünftliib beiner
©laubigen einfältige ©ebete! Su mufft bocb
ben ©laubeit ber fjrau noch ein Wenig prüfen,
benft er roeiter. dllS fie fommt unb fragt: „Sff’t
fcbon ba ?" antmortet er: „3«!" langt fünf
Sffaler heraus unb legt fie bin. ,,©i," fagt fie,
„f)err Superintenbent, feS möten’t finn, viicfen’S
man rut." Unb er muff iffr nun ben fechften
Jffaler auch geben. (Riebt roaffr, fuhr ber er«
läfflenbe ©nffor fort, baS iff eine prächtige ©e=
fcfficble. «Sie iff aber noch nicht aus.
©in ©rebiger itt Sommern baeffte auch, als er
bie ©efeffieffte in biefem Frühjahr hörte: SaS iff
ja föfflicb- Sff her £)err fo freuttblich, erhört
er alfo ©ebete, fo barfff bu bich ja auch nur in
beiner (Roth an iffu meitben. 6r brauchte näm»
lieb gerabe 1000 Sffnler, nicht für ff<h, fonbern
für eine berroanbte Familie, bie fieff in ber gröff«
teil (Roth befanb. 6r bat ben litben 3efum, ba
er gar nichts hotte, er möchte ihm bo<h 1000
5holet für biefe Familie fcffeiifeit. (Der treue
fierr gab iffnt in’S &erj, baff er ein Senbfchrei»
ben unfertigen foflte an barmherzige Samariter.
Sarin mar in aller ©infalt bie (Roth ber befag«
ten Familie gefcffilbevt unb gebeten, mer 5 ober
10 iffaler hotte, ber möchte fie hergeben unb
foüte fie, falls ber £>crr einmal fo meit helfe,
auch mieber hoben; baS ©elb müffe aber, roenu
ber Familie geholfen fein foflte, irt zwei 9Ro«
naten jufammen fein. ©r‘ feffiefte bieS Senb.
fchreiben an einige fyreuttbe unb (ieff eS bitrdj ffe
Don £ionb ju £>anb meiter febiefen. Sa (amen
halb ©riefe bon Oft, SBeft unb Siib mit 5, 10,
50 Sffaler, unb als ein dRonot ju ©nbe mar,
toareu 500 Sffaler jufammen, beim Silber unb
©olb iff’beä &errn, unb er lenft bie £>enen, mie
bie (EBafferbädje. dtber ba fam eine Scitfang
auch fein Seut mehr. „dRutter!" fagte ber ©ve»
biger gagenb zu feiner grau, „nun iff’S moffl ju
©nbe;" pber fie erinnerte: „©ater! feS möten’t
finn!" unb gleich hotte er mieber guten dRutlj.
9lls ber zweite dRonot zu ©nbe mar, waren bie
erbetenen 1000 Sffaler zufommen unb ber ar¬
men Familie War geholfen. SBie baS aber ben
©rebiger in ben Staub gebeugt bor bem tbeuern
Ferrit 3efuS, fügte er hinzu, mie im ©lattben
geftärft bot, baS bebarf Wohl leinet dluSeinanber»
feffuug.
„§u 3 C P> h' n » oertrau auf 3hn,
€r ift ber ItTann, ber helfen fann,
Sein fjerj ift t>oll (Erbarmen
mit alten gciftlid; Ilrtnen,
Unb tuas fie gläubig fTeffen,
Das läfjt €r audf geftbehen."
©Ijriflian prdjtegott ©flirrt' *
teftnnwiit.
^eff höbe mir angelegen fein (offen, befennt
< 9 $ ©ellert in feinem Seffament, baS ©efte zu
lefen, toaS bie ft lüg ft cu unb ©erniiuftig«
ffeit unter bett alten SBeijen bon ©ott, (Religion
uub Sugenb, bon ben dRitteln znr (Ruhe unb
3uf rieben beit unb bem böcbften ©nte beS dReu«
feben gelehrt haben. Sh bezeuge auf mein ©e=
roiffen, baff alle ihre RBeiSljeit gegen ben Unter»
riebt ber Offenbarung gepalten, Schatten uub
Uitgemifibeit, bödjffenS ein bimtter Schimmer,
öfters aber Sinfterniff, Sfforljeit, dlberglaute
unb Uitfinn iff. — 3<b höbe fünfzig Sabre ge»
lebt unb mannigfaltige dRüfffeligteiten beS
SebenS erbiclbct. Sch habe nirgenbS mehr Sicht
in Sfinfferniffen, mehr Stärte, mehr Sroft unb
dRuth in Sciben gefunben, als bei ber Cuelle
ber Offenbarung. SiefeS bezeuge ich ouf mein
©eroiffen. —Sfb höbe fünfzig Soffre gelebt, uub
bin mehr als einmal an ben ©forten beS SobeS
geroefen. S<b habe eS erfahren, baff nichts, nichts
offne dltiSnabme, als bie göttliche Äraft beS
©briftentffumS bie Schrecfeu beS SobeS befiegen
hilft; baff itidffS, als ber ©taube an unfern
^eitanb unb ©rlöfer ben bangen ©eift bei bem
eutfcffeibeiiben Schritt in bie ©roigfeit ffärfen,
unb baS@emiffen, baS imS anltagt, ffillen fann.
SiefeS bezeuge ieff, als bor ©otl!
€tns ift ZTotfj! mer ^at btes <Etite ?
Per allein, ber 3efunt t^at.
3efum traben, maef^t alleine
Selig, frötjlidj, rillig, fatt.
IPer 3efunt ermäßet, l }at 2Wes erforen;
IPer 3cfum oerlieret, Ijat 2Iües üerloren,
Pod? ftubet ifyt mieber, mer fuc^etmit ^lei§.
Unb mer bemalt, ber beljält auef? ben preis.
Digitized by v^ooQie
148
Hed)t muß üedjt blribrn.
Ilrdjt mulj Mt blribeu.
III. p«5 nmltergefiinbrnc gfflaratut.
<£in <B>rfrt)id)lftbilö au« brr £ftt brr brutfdjrn
£d)inad) iinb <£rl)f buiig.
pr $tui# uub #erb non faul innen.
6 rftcö ftapitel.
Pie Jludjt ans Paris.
3 mar ber SBinter be3 IgapreS 1793
bis 94 unb ber £>initttel becfte mit
feinem meinen, meinen Seicpen*
titele bie blutigen ©puren, melcpe
9kri3 tagtäglid^ aufgumeifeit,patte.
Der 9lbeitb mar finfter unb bie fpäv=
liipe Seleucptunft nicht im ©taube bie perrfepeube
Dunfelpeit gu oerbräufteit. Die ttnfreuublkpe
Sßitteruiift mochte fipulb baran fein, baft ba»
fonft fo belebte ©tabtbiertel an biefeut 91benb
öbe unb auögeftorbeu ba -lag. 9lti3 meiter gerne
ließ ficb bitftefteit non 3^* 3ti 3 e U ber miberlicpe
Siirm Reiferer SRäitner* unb fjraueuftimmen
oeruepmeu; unb gar imtn<pe3 Verbitterte unb
bebte bei biefeu 'Jonen, bie an ba» ©ebriill miU
ber Jpieie mahnten, menn fie nad)3Mut leipjen.
©elbft ein innrer ®lanu non etlichen groaitgift
fahren berinocpte fiep be» ©cpaubeut 3 nicht gu
ermepreu unb 30c] fih Weil non bem genfter ber
{(einen Stube guriid, melcpe er im nierten ©torf=
merfe eiltet befcheibeneu £>ättfe» bemopitte.
„58epe mir," baepte er feufgettb bei fid), „meint
ich einem biefer ^öbelpaufeit in bie öäitbe fade!"
Der iiiuge 9)iaitn, melier feit fünf fahren
in ^ari» nermeilte unb ba» ff unftpanbmerf eine»
93ilbfd)niper» betrieb, faitute bie ©Freden ber
9teno(utiou au3 eigener 9litfcpauunß; patte er
ja hoch ben ftürmifcpeu ©eenen in ber National*
oerfammluitfl beigeiaofmt unb ber ropeit
93ehaub(ung fein tniiffen, bie beiit fcpmacpeit
ÄJöuig SubmiflXVI. non feinem $olfe gu Jpcil
ftemovbeu mar. ©eit jenem Jafte ber 6ntiebri=
gung gingen bie SBeflen ber ©mpöriutft aber
iioch nm SBieleö höher. Den 9Inblid blutiger
©eenen, mie fie fiep jefet täglich in $ari$ abgiu
fpieleit pflegten, Dermocpte ber junge Silbfcpnifcer
itiipt lauter mepr gu ertragen, unb er ftinft ba=
per mit bent 6utfcpluffe um, ba3 an £)eiifern
reiepe $nri3 gu neriaffen unb und) feiner öfter*
reicpifcpeit £eimatp guriidgufepren.
Der Sarin in ber gerne mar jept nerftummt,
unb ber SJemopner be» {(einen ^intmerö manbte
feine 9(ufmerffamfcit ber aufgeheiiben Jpüre
gu, burep melcpe üiabame 9Jteuuier, fein SBirtpin,
eintrat.
„63 mirb bafe 3>pr 6ucp auf ben äßeft
maept," bekamt bie paftere Sßittme, „neun Upr
ift Darüber, unb epe^pr bie 9tue Stopale erreicht,
fbnnen mir um eine ©tunbe älter fein."
Der junge 9)tann blidte unfdhlüffig nor fi(p
pin, SMabame SMeunier bemerfte e3 unb fupr
baper in ihrer 9tebe fort:
„ 3 pr merbet bocp#nicpt mieber manfenb fte*
morben fein unb 6 uer gegebene^ Sßort al3 6 prett*
mann auch palten ?"
Der 3immerperr mich bent Dormurf3doden
33lide feiner SSMrtpiu au3, polte tief 9ltpent unb
eiitgeguete: „63 ift linrecpt, bap 9JJarioit niept
auf meine 9tiirflepr geroartet pat; fie mürbe ntiep
bann (cicpt burep 33eautmortuitft einiger graften.
001 t ber Unruhe befreit pabeu, melcpe bie ftepeim*
nffmolle ©efdpiipte in mir ergeuftt."
„ 6 i ma3," fiel Wabame SReunier im Jone
ftutmiitpifteu ©cpeltett3 ein, „meine ©djmefier
yjtarion ift (ein SBafcpmeib, ba3 jebe3 ©epeint*
nijj meiter tlatfcpt. SBon ipr miirbet Qpr feilte
Silbe tttepr erfahren pabeu."
„3fpr bagegen fepeint um 9JJariou3 ©epeimnifc
511 miffen," meinte ber junge SWann unb mad)te
einen fcpmacpeit Serfitd), itt beit fflieitctt ber
Sßirtpin gu lefett. Diefelbeit blieben jebeep utt*
beränbert unb in perbent Jone ftab fie jurüd:
„9tein! 3cp micberpole 6 ucp, bap ich ni(pt3 meife,
a(3 ma3 i<p 6 mp bereit *mitftetpeilt pabe.
9JJariott erfupr oor ein pmuc Ja’ften rott mir,
baft 3P^‘ Reifte oerlaffeit unb nach Cefierreicp
jurüdtepren Toodtet. ^eute fam fie in ber Däntr
merunftsflunbe mit oermeititeit 91ugen 511 mir
unb befd)mor miep, 6 ud) 31 t bevntögen, fepon
biefe 9tacpt, unreinc3 barmherzigen 9i'erfe3 mil*
(eit, bie bluttriefenbe .frauptftabt gu berlaffen.
©odtet 3 Pv mirfliep ein fo guter, ebler 9Jienfdp
fein, mie Marion ipn bteper in 6 ucp oermutpet,
fo ermartet fie 6 ucp gegen gepu Upr im Calais
93ntneoide. 9lde3 SÖeitere follt 5tpr bort er*
fahren."
„9tun moplau," rief ber junge Wann nadj
einer SBeile furg entfdploffen, „fo mid icp e3
maften! ®effer noch heute bem falfdpeu ^ßariö
ben Stüdeit äuftemanbt, al3 morfteit, mo e3 Diel*
leicpt fchoit gu fpät ift. 9)ieitte menigen 4 >abfelig»
feiten finb halb ftepadt." „Sßollt 3;pr niept ba3
9totpmenbiftfte gleich mit 6 ucp nepmett?" ftab
bie SBirtpiu *u bebeitfen. „SCßer meip, ob (Such
noch fo Oiel 3 ^'ü übrig bleibt, um pieper guriief«
gulepren."
Der 3imnterperr ttidte beiftimmeitb tufb ftanb
halb nachher reifefertift ba. TOabame 93ieunicr
trat jept auf ipn gu, erftviff feine 9tccpte unb
faftte mit bemeftter Stimme: „@ott ftebe 6 ucp
feinen ©egen unb laffe 6 ucp ftlüdlicp bie $eimatp
erreichen!" 9?ou biefem 5Bunfd)e begleitet trat
ber Silbfcpniper feinen SBeft an, ber ipn in bie
9hie 9topale fiipvte, mo er im tiefen ©epatten
n 1 /T j 1 f j - 7/~4 \r\\ f
Ljiyiuz.cu u)
Google
$edjt muß Sedjt bleiben.
149
bei Calais Sruitebille berfdjtoanb. Sängl btt
auSgebcljntcn 3?ront bei alterthümlidjen ©eböu»
bei, bal fouft am 9lbenb glänjenb beleuchtet ju
|ein pflegte, brannte Ijeute nicht eine einjige
fiateine, unb fo glich *3 in feinen Umriffen,
welche fiel) am ©ud)t()imuiel abtjoben,- einem
fchroarjen 'Jliefenfarqc. Selbft ber fteinerne ©or»
bau, unter welchem bie oorfaljrenbeu ©quipagen
ju halten pflegten, tag heute in fyiufternifi ge»
hüllt ba, unb nur im ©ortierftübd)en, bal jid)
unmittelbar neben bemßingange befanb, brannte
ein einfamel Sicht. Set portier, ein im Sienfte
feiner ^»errfr^.ift ergrauter Siencr, begrüßte
freundlich ben 9(nfömmling unb führte ihn fo»
fort bie mit bieten SEeppidjcn gefrfjmucfte SEreppe
empor. 31« einem ber toeiten Sänge öffnete ber
9llte eine 3immertl)ür unb erpichte ben fremben
jungen ©lann in bein ©ernad) bie $errfd)aft ju
enoarten.
9113 fi<h ber ©ilbfdjiiijjer allein befanb, ftürm»
ten bie ©efiiljle ber 9lngft, ber bangen Grmar»
iung unb ©eugierbe burd) feine ©ruft. 3unäd)ft
laufchte er nah ben wilben Sönen, bie et braujjen
berttomnien, hoch tiid)t3 unterbrach bie im ©alail
herrfdjeube Stille. ^eftt erft fajjte er fich ein
£>erj unb fap fich in bem eleganten ©emache
fdjiidjtcrn um. Sie fd)W.irjgeKeibcte grauen»
gcftalt, welche jept bie ©orf)ünge ber bem ©in»
gang gegeniiberliegenben Slfür auleinanbcr
fdjob, pafite jeboch nicht ju bem ©laitj bei ©e»
mah3, bielmehr bereinigte fich bie ernfte ffarbe
ihre3 ©em.mbel, foroie bie tiefe SErauer ihrer
©efidjU.'iüge ju einem ernften, faft büftcren unb
trüben ©iiee. ©lit einer £)anbbemegung lub fie
beit ©.ift ein ©lafc ju nehmen, ©rft |e{st, Wo
ber fiidjtfch.’in ber 9lmpel auf ba3 9lntli|j ber
©larquife fiel, ertannte ber ©ilbfdntifcer bie
auperorbeuttiche Schönheit ber noch jugenblichen
grau.
„Surdj ©larion erfuhr ich, bafj Sie ein ßanbS»
’mann Don mir fiub," begann fie mit ihrer melo»
bifdjen Stimme. „3u bienen," lautete bie 9lnt«
u»ort bei ©aftel, ber 9lngefichtS ber frfjöncn
^errin bei $aufe3 ungemein üerlegen geworben
war, „Oefterreidh ift mein ©aterlanb — eigent«
lieh ©öhmeu.. .bod) bin ich nicht bort geboten."
©in fanin fichtbarel fiächelit h<if<h*« über bie
trüben ©efidjtljüge ber ©iarquife, bann fuhr fie
fort: „Sie finb mir all fianblmann boppett
milltoinmen unb ich betreibe Sie, bafc Sie nach
bem fdjönen Oefterreich juriidfcljren bürfen."
„könnten ©W. ©naben bal nicht and) ?" fragte
ber öilbfehniper befcheiben. Sie ©iarquife -fdjiit»
telte traurig bal feböne $aupt unb ihre tief=
blauen 91ugen lämpften fichtlich mit Sfjränen,
mühfain fäfete fie fich unb nahm bal ©efpräd)
wieber auf.
„Sie nennen fich ©belberf? ... Sinb
Sie bielleicht eilt 9lbfömmliug bei abeligen @e«
fhlechtel, bal in Oberöfterreich fein Stamm»
fdilof! hat?"
„3th-.-ich glaube nidtjt," ftotterte ber junge
©lann, „beim mein ©ater ftanunt aul ©öhmen,
wofelbft mein ©rojjbater Stabtpfcifcr war."
Sie Same warf plöfjlid) einen ©lid auf bie Uljr,
bie feitwärtl auf einem prad)toollen ©iarnior»
famiufiinl ftanb, unb tief: „Sic 3 e 't entflieht
nnb ©ile that noth ... 3ft 3huen *> er $ibed
Shrel ©efudjcl Iji« betamit V" wanbte fie fich
plcplidj bem ©afte wieber ju. Serfclbc berneiute
unb tljcilte ber ©iarquife bal SBenige mit, mal
er bon ©labame ©ieunier erfahren. „Sa, ja,"
tief bie Herrin bei Kaufes in wärmerem Sone,
„©iarioit ift eine treue, berfd;wiegcue Sieuetiit.
Surch fie erfuhr id) aud) bie ©ijrlichfeit 3h veß
0' hnrnftcrS, £crr ©belbed, unb nachbem id) Sie
perfönlid) näher leimen gelernt, h f !l c auch ich
bie fefte 3uberfidjt, bafi ich 3hnen, bem Sanbl»
manne, bertrauen barf unb lieber fein lann, bon
Shneit nicht berrathen ju werben."
fieopolb ©bcltcd ftarrte bie bornchme Spreche»
rin jnerft erftauut an, bann aber (oberte mächtig
bie flamme ber ©egeiftenmg für bie bornchme
Sanblmänniu in feiner ©ruft empor unb er ge»
lobte ber ©iarquife unbcrbrüchlidjcS Stillfdjirei»
gen. „3hrer ©erfdjwicqenljeit bin i<h fidjer,"
äufjerte bie ©iarquife, fügte aber glcid) mit einem
fdjwcrcu 9ltt)cmjuge tjinju: „©erbe id) aber and)
auf Shre £>ilfe rechnen tönnen? 3<h h<ibe all
eine ber ©efpielintten ber uugliidlidjcn «önigin
©lari» 9(ntoinctte eine freubcnreid)e S'igenb ber*
lebt unb folgte gern ihrem ©hmfdjc, all fie mich
nach ©erfailtcl an ihren $of berief. So warb
ich ber ^leimath ungetreu, ja, brach getbiffer«
mafecu mit ihr, ba ich bem ©larquil Sruncoiflc
bie f)anb reifte. 9luch in fUaulreich lädjelte mir
bie Sonne bei ©lüdl, ich fdjctifte meinem ©at»
ten bor jehn Saljrcit ein Südflerdjen unb bie
Keine Souifon War unfere griifjte ffreube»"
Sie ©iarquife bebedte fuh abermals bie 9lugat
unb fe^te erft nad) längerer Ißaufe ihre ©tit«
theiluna fort: „9ltcr ad)! bie wilben Stürme,
Weldje feit bier 3al)reu in ©aril wütljen unb
ben 4>of unb uni jmangen, bal fd)öue©erfaillel
ju berlaffeu, brauften auch über unfere Häupter
bahin. ©rlaffcn Sie c! mir, Shunt alle bie
wibrigen Sccncu ju fchilbern, unter beiten wir
feitbem ju leiben gehabt. Umfonft befd)wor ich
bie Königin, bal frebclljafte sparil ja bertaffen
unb mit mir nach Ceftcrreid) juriidjutchren; ber
Stolj ©tarie 9lntoinette’l gab bicl nidjt ju, bis
fchlicjjlich bo<h bie flucht gewagt würbe, welche
fo überaus unqlüd(id) enbete. Srrp allcbem
glaubten wir nidjt, baft bie ©ntartnng belfran»
jöfifchen ©oltel fo weit gehen werbe, fclbft bor
einem fiöniglmorbe nicht jurüdjufchreden. 2Bir
hatten uni oerrechnet. Ser ©aum ber ©eooltition
mufetc, wenn er gebeiljen follte, mit bem ©Inte
Digitized by v^ooQie
150
ließt muß ließt bleiben.
jui ItönigS getriinlt werben» unb fo fiel baS
ftaupt bcs avmeit Submig. Stunnteßr war ber
Üufaiig gemaßt, mib ber Pöbel burfte fiß 311m
plntbab vüften. 3cf) aßnte es, baß anß mein
©atte als iejjter Sprofje eines ulten 9 lbel 3 «
gefd)leßtes augellagt werben würbe, — feit
gejteru fßmaßtet er im Sterfer unb halb wirb
and) er if)m 311111 Opfer fallen! 3 ß werbe mei«
neu Sittmenfßiner3 nic^t lauge 311 ertragen
haben," fuhr fie fort. „Pou put linterrißteter
•Seite weif) iß, baß bie blutige Steiße and) an
bie grauen ber ßiugefßlaßteten Opfer fommen
wirb, SJtarie 9 lntoinette folgt alsbalb bem ßö.
nige naß ... unb iß meinem ©atten. 3$
fürßte miß nißt oor bem Oobe," fügte fie mit
einer bittenben Bewegung gegen ©belbed, ber fie
unterbrechen wollte, ßi 11311, „nur baS Sßidfal
meiner Souifon, meiner lieben, {feilten Souifon
beliimmert mich tief. 9 leßnliß wie iß, beult
nucß bie Königin, unb nufer ßeißefter Sunfß
gipfelt bariu, baß wir unfere Ütiuber nach Oefter«
reich gerettet feßen, eße aucß für fie baS fiirß«
terliße ßereinbricßt. So aber finbet
ftcß ein fo treues. mutßigeS ^»erj, baS ein folcßeS
Sagniß unternimmt V
Oie 'jjiarqu ife blicfte bei bicfeit Sorten ben
jungen Pilöfßuijjcr fo burßbriugeiD au, als
wollte fie in feiner Seele lefen. (Sc oerftanb
ben geßeimen Sinn ber grage, eS warb ißm nun
flar, warum man ißu in baS Palais Pruneoille
gerufen unb er eutgegnete mit fefter, weuufcßon
bewegter Stimme:
„(SS ift fcßöit 001t SJtarion, baß fie, Slngefißts
ber Pebroßung ißreS Keinen Pfleglings, an einen
armen Purfßeit gebacßt ßat, in beffen ©ruft ein
folßeS mutßigeS £>erj fßliigt. £icr ift meine
£>anb, grau fDlarqnife, ich ftrenge alle meine
Äcräfte au, bie Keine Souifon 311 retten. 9 lber
wie fallen wir aus bem Stßlo)) unb ber Stabt
enttommen ?"
„( 5 $ ift SlfleS 31U gluißt oorbereitet," fußr bie
glüdliche SJtutter fort, „unb obgleich baS Palais
bon Poli3eifpioiten bewußt wirb, werben Sie
mit meiner Souifon bennoß glüdliß eutfommeu.
SJtarion foll 3 ßiien baS Steigere mittßeilen."
„Unb bie ifinber ber flönigin?" fragte ©bei«
bei in gefpanitter Erwartung. „SaS gefcßießt
mit biefen?"
„Stoß haben mir ben plan 3U ißrer glncßt
au§ bem fJerler nicßt erfontten," gab bie SJtar*
quife befümmert 3uriid, „boß ßofft SJtarie Stil»
toinette oou'ißrem faiferlicßeit Steffen grans,
baß er reßtaeitig £>i't(fe fenben wirb. Oie leßte
Pitte, Welche iß an Sie ßabe, mein junger
grcunb, geßt baßiu, einen Prief ber ungliid«
ließen Königin bem Äaifcr bon Oefterreiß 31t
überbringen, bainit er bie entfeßliße Sage meiner
feßmergeprüften gremtbin leimen lernt. Sollen
Sie aucß bieS auf fieß neßmen?"
©belbed ßebaeßte fiß feinen Slugenblid, beim
baS Sßidfal ber löniglißett gainilie fßnitt ißm
gleißfalls tief in’S #er3.
Oie Oßüre öffnete fiß unb ßerein trat SJta«
rion. „jpaft bu bem armen ilinbe baS Stölßigfte
mitgetßeilt V rebete grau 001t Prunebiüe bie
treue Oienerin an, weldje ftutnm mit bem Stopfe
nidte, ba Oßriuen ißre Stimme erftidten. „So
geße iß jeßt 311 meiner füßen kleinen," erflcirte
bie SJtarquife naß fur3er Paufe. „Perftiinbige
inswifeßen fjerrn ©belbcd bon nuferrn Plane
unb ben babei 311 beobaßtenben PorfißtSmaß»
regeln. 3 <ß teßre halb mit Souifon ßießer 3U«
riid, benn bie ßeit eilt unb mit jebet Stunbe
wäßft bie ©efaßr." *
Stoßbein bie fierrin baS ©emaß berlajfeit,
trat SJtarion auf ben jungen Pilbfßnißer ju,
fßiittelte ißm bie £mnb unb fagte mit großer
4 ?er 3 lißleit:
„3ß ßabe miß in 3ßnen nißt getäufßt, £err
Seopolb, Sie finb ein bracer, guter SJtenfß, bem
©otteS Soßn unb Segen nißt auSbleiben wirb."
Sie tßeilte ißm hierauf in ausfüßrlißfter Seife
bieSJtaßregelu mit, weiße 3ur glnßt ber Keinen
Souifon getroffen waten unb naß beiten fiß
(Sbelbcd genau rißten mußte.
„ 9 luß 3 ßr 9(ii3iig bebarf einer Slenberuug,"
fßloß SJtarion, „Sie feßen uoß immer 3U uiel
naß einem Slriftotratcu auS" unb mit biefeu
Sorten fßob fie ißn in ein Keines Stebengemaß,
wo alles Stötßige 3U einer Pertleibung beS jun«
gen SJtauiieS bereit laq. SJtarion wartete auf
ißu im 3inmter ber Ptarquife unb 3eigte fiß
mit bem «leibermcßfel 3ufrieben. 3" ber Oßat
foimte ©belbed jeßt für einen äßten Stepubli»
lauer gelten. Oie £>aare ßatte er fiß tief in
bie Stirne gelammt unb auf ben Stopf eine rotße
3nfobiuermüße geftülpt, wiißrenb umbeuCber-
törper in feinem buiitelguiueu grad eine breite
toreifarbige Pinbe gefßiungeu war. ©ug an«
liegeube Peinlleiber unb Stappenftiefel üolleube«'
teii ben feltfamen 9111311g.
Palb naß ©bclbed trat miß bie SJtarquife
in’S ©emaß, boß crftauiite ©rfterer, als er au
ber Seite ber fßöneit grau einen Stiuibcn, ftatt
eines PtcibßeuS erblidte. Oer 3 >rtßum löfte
fiß iubeffeu halb; bie SJtarquife ßatte, ber grüße«
reu Pequemlißfcit wegen, ißr Oößterßen als
Knaben berlleibet. ©S War oorauSsufeßen, baß
bie glnßt bis an bie Oftgrense granfreißS nißt
oßne £>inberniffe oor fieß geßen werbe, ja, eS
fonnte fogar ber galt eintreten, baß bie weibliße
ftleibung Souifon auf ber Steife liiftig, woßl gar
oerberbliß warb, grau 001t Pruueoille ßiin»
bigte bem Pilbfßnißer ein eiferneS Itaftßen ein
unb erflärte ißm leife, baß baffclbe Oolumente
enthalte, weiße für SouifonS 3 «lunft Oon gro*
ßer Sißtigleit feien. „ 3 ß erfuße Sie," fßloß
fie in innig bittenbem Oone, „Jtäftßen unb 3n«
Digitized by v^ooQie
itrdjt muß $rd)i bleiben.
151
halt meinem bei ©Jiett lebenben ©ruber, bem
Grafen 3tuerftein, auSjuliefent, an meinem mein
armes Kinb einen jroeiten ©ajer finben wirb."
Stach biefen ©Jorteu trat fie bon (Sbelbed ju.
riicf uub nun erfolgte eine äbfcßiebSfcene, welche
auch bem jungen ©ilbfdjnißer baS ©Juffer in bie
äugen trieb. $ie Kleine meinte, fcßmiegte fiit)
immer bon Steuern mieber au bie ©tarquife unb
tief in betjjerreißenbem 2one:
„Ob, SStama, liebe ©lama, laß mich nicht bon
bir! &aft bu mich beim gar nicht mehr lieb?"
„©leine Souifon mar ftets ein brabeS Kiitb,"
begann jeßt ©tarion, [ich gemaltfam faffenb,
„fie mirb auch jeßt ber armen ©lama fjreube
bereiten nnb biefem ©Imme l)itr folgen, ber ein
lieber Sfreunb bon mir ift." 2)uS Kinb fdjüt«
telte baS Köpfchen, ben jjals ber ©lütter bon
Steuern umfchliitgenb. „®ie ©lama faitn ohne
ben ©apa ©arid nicht berfaffen," fpracb ©larioit
Weiter. „$)anit »arte ich, bis ber ©apa jurüd»
lommt," erfldrte ßouifon.
„®aburdj eben ftttrjeft bu beine gute ©lama
in ibr ©erberben," rief bie treue ©tarion mit
ihrer lebten Kraft. „Qrolgft bu nicht auf ber
©teile hier meinem fyreuube, fo bringen bie
häßlichen SStänner mit ben rotljen SJtüßen in baS
©alaiS, morben, fengen unb rauben ustb. führen
bie ©lama für immer bon bir fort. 3)anu fiebft
bu fie niemals mieber —" J5ie bermochte nicht
toeiterjurebeu, benn ber löchmerj brach ihre
Stimme.' 3)en beabfichtigten 3™ed aber hatte
fie burdj ihre ©orftetlung erregt, ßouifon
blidte ftarr bie ©lütter an unb brach bann in
ein bitterliches ©Jeiiien aus. Die äug ft, baS
fiiebfte auf ber ©Jelt ju berliereit, wenn fie fidj
noch länger bem ©ebote roiberfeßte, lief} fie bie
©eben, einem fremben ©lanne ju folgen, über*
Winben, unb fie flüfterte: „©lama, ich roill folg«
fam fein, — oh, laß bein fleineS ©läbchen nicht
jn lange alleiir."
3>ie arme ©lütter lächelte burd) Dfjränen, noch
einmal preßte fie ihren ßiebling an ftdj unb be»
fahl ihn in briinftigem ©ebet bem ©djuße ©ot*
teS; bann übergab fie ihn Gbelbcd, meiner auf
einen ©Jtnf ©larionS fchnelt bem äitSgauge ju*
fchritt, um fo rafch, als möglich, baS ©alaiS ju
betlaffen. Die in leßterem ein. unb ausgehen«
ben ©erfonen mürben jeboCß oon ben in ber Stäbe
laueruben geheimen ©olijiften fCßatf beobachtet
unb troß ber republitanijchen Kteibung ©belbeds
machten fie mit ihm teine äuSnaljme. ©lüd*
licbermeife mar man jeboCh im ©alaiS barauf
gefaßt gemefen, unb obmohl ©belbed bemertte,
baß brei ©olijifte« ihm nachfdjlidjen, blieb er
boCß rußig unb banbeite feinen SnftruEtionen
gemäß.
ßtroa in ber ©litte ber ütue Stopale ftanben
mehrere ©liethtutfChen, bon benen ber ©ilb*
fdjnißer eine anrief. Der Stoffelenter tarn mit
feinem ©efäljr fofort heran, ßbelbed nannte als
baS 3iel ber fjahrt eine ©traße in ber innern
©tabt unb flieg hierauf mit Souifoit in bie
Kutfche. ©JäJjreuöbein waren bie brei ©oliiiften
heraugeEonunen unb meChfclteu mit bem ©lietb*
Eutfcher ein paar ©lide beS ßinberftänbnifjeS.
Stach einer langen fjfahrt hielt ber ©Jagen in
einer ©eitengaffe bor einem alten, fefjr bau*
füUia auSfehenben ßaufe. ©belbed erfuchte ben
Kutfcher, ben Klopfer an ber £auSthüre in ©e*
megung ju feiten, ©alb ließen fi<h in bem in*
nern 3(ur ©Cßritte beruehmen unb ein ältlicher
SJlaun erfdjiett, ber große äehnlichfeit mit bem
©ortier beS ©alaiS ©runebiDe hatte. (Sr fpielte
ben Ueberrafchten, feinen ©Cßmiegerfohn unb
(Sutel — wie er (Sbelbed unb bie Eleine Souifon
bejeidjnete — noch <» fo fpäter StaChtftunbe ja
feßen, uub eilte fobann mit bem berfleibeten
©läbchen über ben ©orfaal einem 3iu"»rr ja,
beffen SLßüre er halb offen ließ.
febelbed ftanb noch auf ber ©traße, um bem
SJtietßfutfdjer ben Fahrpreis ju jaßlen, ba er
aber in ber Duitfelßeit bamit nicht juredht fom*
men tonnte, fo erfuchte er ben Stofjelenter, ihm
in baS offenfteßenbe 3iu<mcr bc§ ©rbgefcßoffeS
ju folgen. Der Kutfdjer nidte unb begab fid),
an ber ©eite (SbelbedS, in baS bejeidjnete ©e*
mach. Kaum hatte er jeboch bie ©djmelle bef*
felben Übertritten, als er fi<h ßinterrüds gepadt
unb Iräftig borwärtSgcftoßen fühlte. ©leiCh*
jeitig marb bie offenfteßenbe SLIjüre in’S ©Cßloß
geworfen.
„(SS gefdjieljt bir nichts," raunte beni ©efef*
feiten bet greife Wiener ber ©tarquife ju, mäh*
renb jmei anbere träftige©tänner, bie alS@ärt»
nergehülfen im ©arte ©ruitcbille’S tßätig ge*
mefen, bie ©tride noch fefter anjogen. ,,2'Jir
Wollen nichts, als beiuen ©aß unb beiiten weiten
KutfChcrmantel."
2)ie ©rieftafChe, in Welcher bet Kutfdjer baS
wichtige $otument berroaßtte, mar balb gefun*
ben unb roanberte fammt bem KfcibunqSfiiid
fofort in ©belbedS ©efiß. ,,©o, unb jeßt fCßleu*
nigft fort," fagte ber alte treue Wiener jufrie*
bengeftellt, „beim bis morgen früh niüßt 3hr
fCßon weit bon ©ariS fein."
3njmifchen hatte (Sbelbed ben KutfChermantel
umgeßangen, bie ©eitfdje beS SloffelenterS bom
©oben aitfgcnommen, uitb ben ©od beftiegen.
Stonn erfolgte ein turjer ©bfeßieb unb gleich
nachher mürbe baS fchmhjliche ©Jeinen beS im
©Jagen fißenben SSldbcßenS bou bem Stollen ber
SRäber übertönt.
$aS gefährliche Unternehmen, jn weichem fiCß
©belbed hatte gewinnen laffeit, mar nun boü«
ftänbig im ©ange uitb es galt jeßt SJluth uub
unb ©efonnenheit ju jeigen, benn nur auf biefe
©Jeife bermodjte er baS ©erfprecheit, welches er
ber ©tarquife in ©etreff SouifonS gegeben, ein*
Digitized by v^ooQie
152
Hedft muß jied)t bleiben.
juljaften. ©alb lag ©ari8, bie Stätte ber
Sd)reden, fjinter ben Oteifeubeu. Ser initge*
noinmeue ©aß batte bei’ni ©affiren be§ St)ore§
(jute Sieuftc geleiftei uiib ba» innere ber '.Uiiet[)=
futfcfje tu.n - itidjt einmal oifitirt roovben. Sie
aufgcftellteu 28dd)ter batten jeßt Sag uiib 9Jadjt
genug git tbun uiib loaren froh, menn ber 38a*
gen eine» oerbiiubeteu ©JietbfutfcberS fie ber
tUtiibe flenauer Unterfud)ung enthob. ©efattb
fid) mirtlidj etma» ©erbad)tige§ barin, fo flab
ihnen ber Dioffelenfer fc^ou ein geheime» 3ci<b *'•
fjür bie in ber Umgebung non ©ari» fleleflcnen
Stabte unb Sörfer reifte ber ©aß be§ ©lietf)*
tut über» gleichfalls au»; fpäter fab fiib ©belbed
jebod) flenötbiflt, jebe Octfcb.ift gw bermeiben,
beim iiberafl nahmen bemaffuete ©iirger unb
©atrioten jeben anlaugenben gremben in eilt
fcbarfe»$heugoerbör, betätigten feine aint(i<ben
©apiere unb ©rieffchafteit unb fd)lugen in tan*
gen Siften itadj, ob fid) fein ©ame nicht als ein
Derbiicbtifler barin befinbe. Sie Sicherheit 2oui*
fonä fliufl ©bet beet über 2lfle8 unb er bequemte
fid) lieber gu {troffen Untmeflen, als baß er fie
irfteitb eiltet ©efafjr niujfejjte. Sieben Potte
Sage butte bereit» bie gaijrt gcmiibrt, a(» am
nd)teu bie ©eifenben fich © t r a fl b u r g näher*
ten uiib © r m i n § berühmter ©au, ber beulidje
Soitt, aut fernen £>origont einporftieg. Ser
©iünftertburm biente ©belbed gcmifferntaßeu
als 23arnuitg3geicbeu, ba er ibnt bie ©idjtung
angab, melche er tt i db t Perfotgeu burfte. ©r
bog batjer bon ber breiten 2aitbftraße atsbatb
ab unb uerfotgte einen ©ebeitmeg, ber ficb füb»
öftlid) nach einem 28albe gog. Serfetbc mar
halb errcicbt; ba fid) jebod) bie gabrftraße noch
mehr üerengte, fo flieg ©belbed Pom ©od ber*
unter unb ging neben beut ©Jagen ber. SaS
Suitfel beS ©falbes breitete ficb immer mehr unb
mehr über baS ©efeibrt, boeb louvbe bie berr*
fdjenbe Stille gar bctlb burdj ein fräftigeS „$al*
lob!" unterbrochen, baS uoit gmei oerfd)ieöenen
Seiten ©rmiberuug fanb.
„©roßer ©ott, ma» ift ba§?" flüjierte ©belbed
erfchredt Por ficb bin unb bedte unmitlfürlicb ten
28agenfc(j(ag mit feinem ©iiden. gn bemfelben
Slugeublide raufebte e» aber aueb fdjon in beit
©iifcbeit unb halb fa() ber ©ilbfdjniJjer ten 28a*
gett Pou einer 3ofjl milb aitSfebeitbcr ©Jänner
umringt. „3Ber feib 3br ? ©fo Joutint 3b r
ber? 38a» hobt 3br ba brinnen int ©fagett?"
©in folcbeS Surcbeiunnber oon fragen (türmte
jeßt auf beit ratblofeit ©belbed ein, mäbrenb er
fid) Pon ber SBagenthüre meggebrängt fab unb
gmei ber ©Jauner bie gitternbe Öottifon aus bent
Sintern holten. Sie rotlbe ©efellfcbaft bebiente
fid) ber beutßhen Sprache unb biefe befannten
Sötte ber ^eimatb oerliebeit bent jungen ©ilb*
feßnißer neuen ©Jutl) unb neue flraft.
„3urüd, ©erroegene!" fd^rie er bem ©aare
gu ( toeldjeS ficb feiner Scbußbefofjleiten bemädj*
tigt hotte, „©fie 3be ottS meiner ifleibttng er*
fcfyt, bin id) ein guter ©atriot, uitb biefeS Üinb
hier ift meine Scbmefter. ©in echter grau*
gofe überfällt feinen 2aitb§maun nicht mie eilt
'Jtauber."
„3tij gratigoS," lärmte bie Schaar, unb jefjt
erft evfanute ©belbed, bafi er es mit elfäffifd)eu
3 igemtern gtt tbun hotte, bereit Häuptling, ein
bod)gemad)fcner, fräftiger ©Jattu mit einem
langen ©follbarte in gefpaitnter ©rmartuiig ben
beibeu gefangenen greinben eittgegenfah.
3>ociteS flapitel.
Pie Sdjrecfeettsberrfdjaft in Straßbarg.
3luf bem breiten 2Balbpfabe, melcber Pott einem
in ber ©äße gelegenen ©ergfcbloffe in bie 9iie*
berttng führte, ritten in ber©iorgeubnmmeruitg
gmei ©Jänner. Ser ©eitere oon ihnen hotte
mehrere Sage auf bent Sdfloffe gugebradjt, unt
eine ©erföhnung mit bent ©igeutßüiuer angu*
bahnen. Siefelbe fdjien gcglüdt gu fein, beim
ber Schloßbm, ©raf b’&aitnaigue, ritt dn
ber Seite feines ©elftes, beS ©anlicrS Sind*
beim, um ihm ba§ ©eleite uorf) Slraßbtirg gu
geben. 3nt Shale angelaugt, ließen fie bie
©ferbe in eine fdmcllere ©angart übergeben.*
©S mar bie§ um fo uötbiger, ais fie bie clfäffi*
f<he Cmupiftabt noch fvüb aut ©Jorgen erreichen
moüten. yjttr gumeilen giigelteu fie ben Stab
ber ©ferbe, menn baS Pott ihnen geführte ©e*
fpriid) einen befottberS miebtigen ©egenftanb be«
rührte. Saffelbe banbeite oon beit betritbenben,
unbeilbrittgenben ©orgüngeti iit Strafsburg, in
teffen ©Jauern gleichfalls bie 'Jleoolutioit tobte,
genau nach bem ©orbilbe, mie c§ ooit©ari§ au»
gegeben morben mar.
„3ch höbe bie» ?l(le§ tomineu febeu," üufjerte
ber ©raf, ein ©Jaitn oon etlichen oiergig fahren
unb ein guter ©riftotmt, gu feinem ©egleiter.
„gern fei e» pon mir, bie ©erbienfte 3b«3
greunbes S i e t r i d) gu beftreiten, bennoih gab
er btirdj feine allgtt große grcibcitsliebe beu ?lii=
trieb gu ber Scbrcdcnebcrrfchaft, bie jefjt über
Straßburg unb baS Glfaß bereinbriebt. Schott
al§ er por brei gabreit gttm ©ürgermeifter Pon
Straßburg gemäblt mürbe, foitbcrte ich mich mit
meiner ©artei fofort oon feinen Oielen grettitbeit
ab. ©Jan fdjmabte mich beöbolb, ich befallt fo
manches horte 3Bort gu hören, felbft 0oit3bueii,
©err Sürdbeim."
„28er hotte aber auch beuten föitnen," ftid)te
fid) ber ©anfier gu entfcbulbigen, „baß bie Singe
in Straßburg eine fo febiimme SSfenbung nehmen
unb bie 9Jepo(ution»inänner ben Sturg meines
Portrefflichen greunbeS hfrbeiführen mürben ?"
Digitized by v^ooQie
Jtfdjt muß $ted}t bleiben.
153
Oer ©raf lachte grimmig in fi<h hinein uub
rief mit großer Sebhaftigfeit: „©eit bem Oage,
wo 3br fyveunb einem Wanne, wie Eulogius
©djneiber, bie Eutlabung, fich in Straß»
burfl ausufiebeln, iiberfdjirfte, faf) id) bieS bor»
auS; benn ich roufjte, bufj biefer bevhaßte Oeutfche
jroar eine flnte Ergießung genoffen, troßbem aber
eine leicßtfinnifle ^ugenb hinter ließ hotte, unb
baß er, feiner vebolutiouären 3 beeu halber, fei=-
neS SlmteS als ©rofeffov in '-Bonn entfeßt mürbe.
2öaS aber ttjat Euer Sreunb Dietrich ? (Sv Inb
biefen ©törenfrieb ber bürgerlidjeu Orbmnifl,
beffen [ich feine eigenen Sanbsleute entäußert
hatten, nach ©traßburg ein. £)ätte er freilich
geahnt, baß ©chneibev nur ju balb fein grim»
miflfter fffeinb unb ein gliihenber ©ertßeibiger
berSteoolution merbeit mürbe, fo märe bie folgen»
fcßwereEinlabuiig ficherliih unterblieben." „Oh,
Sie hoben leiber nur 311 Stecht," bevfeßte ber
Sanfier SEiircf^eitu fchnterjlid). „Stoch öor 3fa^=
resfrift mürbe Stiemaub fleglaubt haben, baß ein
Ehrenmann, mie Oietrich, ber mir baS ©efte ber
©tabt gemollt, uub ben bie Semohner berfelben
auf alle erbenfbare ©Seife geehrt, baß ein foldjer
Staun burch uiebrige ©erlüumbung geftüvjt
loevbeu tonne!"
,,©ie haben gefehen, baß ©djneiber mit fei»
nem Slnßang ft© bamit nicht jufrieben gegeben
hat," lächelte ber ©raf fpöttifd). „Oietrich mürbe
tum ber Stationalberfanimlung in Sntlagejuftanb
berfeßt uub mürbe unter ©ebeduitg nach ©oris
oerbvacht loorben fein, hätte er fich nicht biefer
Schmach burch bie flucht entzogen." „(Sr mar
aber Ehrenmann genug, ufn fich menige Wonote
fpiitet freiwillig ju ftellen," fiel Oiircfheim rafch
ein.
„Unb welche ©ortheile hatte erbauon?" fragte
ber ©raf, mitleibig bie Sldjfeln pefenb. „(Sr
rourbe nach ©ariS gebracht uub bafelbft in’S ©e=
fängitiß ber Slbtei gefeßt, um nach einigen
SBochen nach ©traßburg juriicfgebracht unb aber»
malS eingefperrt 311 werben."
„Sergeffeit ©ie bodj ia nicht bie ©emeife treuer
Slnbünglichfeit uub ©erehruug, welche bem ehe»
maligen ©iirgermcifter miihreub feiner £>nft 311
3:heil geworben finb," tief Oürdheim unb jügelte
gemaltfam fein Stoß.
„2öaS ttüßen alle (Sheenbejeugungeit, wenn
baS Sehen burch eine mächtige Partei bebroht
wirb?" äußerte geringfcßäßig ber ©raf. „Oodj
wir wollen hoffen," fügte er in gemeffenem 2 on
hinjn, „baß bet jeßt erfolgten ^reifpredßuug
OietridjS nicht eine neue Sin finge folge. Stoch
möchte ich für bie Sicherheit feines StopfeS nicht
garantirett."
OaS ©efprädj fanb hier feinen Slbfchluß, benn
iürefheim Oerfiel in ein büftereS Stachfinneit, in
Welchem ihn ber ©raf um fo weniger ftörte, als
auch ihm allerlei ©ebanfen über ben gegen»
märtigeit fchlimmett ©tanb ber Oinge burch ben
ftopf treujten. UnroiUtürlid) gaben bie beiben
Steiler ihren Stoffen bie Sporen, fo baß es nun»
mehr in ßharfem ©alopp auf ©traßburg p=
ging. SJtan hatte fid) ber altehvmürbigen ©tabt
bis auf Schußweite genähert, als Öürtfheint,
mit bet rechten £>anb bieSlugen befchatteub, plöß»
lief) begann:
„Oäufcßt mich baS matte Sicht beS SJtorgeitS,
ober ift baS Sheuj bom Wünfterthurm oer»
fchmuitben ?"
Oer ©raf folgte mit feinen ©liefen ber an«
gegebenen Stidjtuug unbermiberte bann in großer
Erregung: „ 2 Baf)rhaftig, eS ift gegen eine große
Slatobiuermüße Dertaufdjt worben! ©Bäßreub
3 ßrer Slbmefeuheit, ,ßerr Oürtfbeim, fcheiueu in
©traßburg wichtige Oinge borgefalien 311 fein."
Oicfe ©efiirchtung traf leiber nur 311 feßr ein,
wie bie beiben Steiler olsbalb erfahren füllten.
©öbelßaufen jogen lärmenb unb StebolutiouS»
lieber fingenb burch bie Straßen, boeß tierfolgten
alle ein uub baffelbe 3 H nämlich ben ©arabe»
plaß, wo .mäßrenb ber leßten Stacht bie in ganj
gvanfveid) eingeführte ©uillotine auf ^d^em
©chaffot errichtet worben mar.
Unfere beiben Steiler, bereu Erftauneit immer
mehr wuchs, ließen fich willenlos bon bem
Wenfd)enftrome fortreißen uub erfuhren auf
bem SBege nach bem ©arabeplaß, baß Eulogius
©dpeibev and) im Elfaß bie Einführung bon
StebolutiouSgerichten burchgefcßt habe, auS fei»
ner.bisherigen Stellung gerieben unb bon bem
neuen ©ürgermeifter S)touct 311 m öffentlichen
Slnfläger ernannt worben fei. Oer ©raf warf
einen bielfagenben ©lief auf Oiivefheim, welcher
ferner auffeufste. ©eibe SMinuer fannten bie
furse ©roseßart ber blutigen 3tebolution£gevid)te,
bereu Urtheil entmeber auf Oob ober ©evweifung
aus bem Sanbe lautete. Eulogius Sdjueiber hatte
nunmehr fein 3 »el erreicht unb fonnte in ber
Eigenfcßaft eines öffentlichen SlnflägerS einen
Seben, bev ihm luftig erfeßien, bem ©chaffot
überliefern.
9lm heutigen SJtorgen füllte bie feierliche Ein»
meihung ber ©niflotine erfolgen. 3um Cpfer
waren drei junge ©nrfeßen äuSerfehen, welche
gegen bie ©cfcßlüffe bev SchrecfenSmäuner re»
beiiirt hotten.
Stoch on bemfelbeit ©ormittage würben auf
©cßneiberS ©efeßl 30 1)1 reiche ©erhaftmtgen bor»
genommen. Er hotte eine Sifteanfertiflv.i laffen,
welche bie Stameu ber ihm berbächtig erfcheinen»
ben ©erfonen enthielt, unb es fiel ihm bei feiner
SJtachtfteflung nid)t fdiwer, unter irgenb einem
©ovmanbe bie erforeneu Opfer berljoften 3 U
laffen.
Oer ©raf b’£>annaigue ßanb gleithfollS auf
biefer Sifte, 3umal er fein ^iehl barauS machte,
baß ißm bie ©Mllfürherrfchaft ber ^afobiner ber»
Digitized by v^ooQie
154
Heißt tnufj Heißt bleiben.
haßt fei. ©iö^er war er inbeffen Sdjneiber uub
feinem Sufjang gefcßidt auSgewicßen. $>er
öffentlidje Snfläger batte itju uub 3lürcfüeint
unter ber gur ßinricßtung ^erbeifleftrömten
Stenge bemertt. Ma$ berfelben ritt er auf baS
(Paar gu unb faßte mit unheimlich leifer Stimme
uub funfetnben Sugen: „©3 mirb (Sud) freuen,
(Bürger £>aunaigue unb Üürdheim, baß 3ßr
bemnäcbft ©elegenljeit erhaltet, (Stieb als gute
Patrioten gu erwcifeit. Fd) feitne (Suere wohl*
toollenbett ©efinnungeit gegen mich unb bie Sache
beS (BaterlanbeS, feib baber gewiß, baß id)
©uerer nicht »ergeffen werbe." Mach biefen
©orten teufte er fein ipferb ab unb fprengte
baoon.
$ie boppelfinnigen ©orte beS 3atobinerS
»erfehlten meber auf beit ©rufen, noch auf ben
(Banfier ihre ©irfung, unb in fdjtoerer Sorge
um bie 3ufunft trennte fichJjaS (paar.-
©twa um bie nämliche Stunbe, n>o b’#au»
liaigite ber Stabt ben Süden Waubte unb nach
feinem (Bergfcßloß gurüdritt, langten in ber
Stabt gmei Siänner an, welche ooit bem (parifer
(Blutrath nach bem ©(faß eutfenbet uub mit ben
auSgebeljnteften (Bollinarf)ten oerfebeit worben
waren. Sie nannten ftcb S a i n t - 3 u ft unb
SebaS unb gehörten gu ben oevtrauteften
Fremtbeit beS berüchtigten SobeSpierre.
©iner ihrer £>anptgwede ging bahiu, ben 58er»
fehwöruugen ber ariftofratifdjeit (Gegenpartei
ninhjufpiiren unb beit fran}ö|ifdjeii ©eift im ©(»
faß gu beförberit. Stonet begegnete ben beiben
©ewalthaberu überaus freunblicß unb erfuhr
Don ihnen, baß fie bie Spur gweier Flüchtlinge
entbeeft hatten, auf beren ^abljaftwerbuitg
SobeSpierre einen namhaften ^3 re iS gefeßt.
„2)er eine ber Flüchtigen ift ein junger Oefler»
reicher," fuhr ber berebte Saiitt»3uft fort, „ber
Wahrfcheiitlich im ^ntereffe feiner Regierung gu
(Paris fpiouirt hat, begleitet »on einem gehn»
jährigen, als ffitabe oedleibeten Stäbchen, ber
Sochter ber Starquife be 'Sruneoille, beren ©e»
tnahl in (Paris hingerichtet worben ift. 2113 SebaS
uub ich abreiften, warb au<h bie Starquife ber»
haftet unb ihr £>aupt biirfte ingroifdjen ebenfalls
unter ber ©uiHotine gefallen fein. ®aS Calais
Warb ftreitg »ifitirt unb fein ©infei unburch»
flicht gelaffen, ba SobeSpierre »iel baran lag,
einige wichtige $o!umente in (Befiß gu befom»
inen. Sille Machforfchungen blieben jeboch ohne
©rfolg, unb er ift jeßt übergeugt, baß bie tpa»
piere »on ben beiben Flüchtlingen mitgeführt
werben."
„Sie foKen nicht entwifCßen, wenn (Bürger
Saint»3uft mir ihre Spur angugebeit oerrnag,"
»erfeßte (Maire Stonet mit großer ©ntießieben«
heit. ®ie beiben ©ommipre theillen ipm nun
mit, baß fte bie Stiettjfutfdje, beren fid) bie
Flüchtlinge bebient, wenige Stunben »or Straß»
bürg in ber Feme bemerft hätten. (Das ©efäßrt
fei ihnen jeboch bei einer (Biegung beS ©egeS
wieber aus ben Slugen gefoinmeit, inbeffeit unter»
liege es feinem ß^eifel, baß bie (Berfolgten be»
reits in ber nächfteu Madjt ben (BerfuCß wagen
Würben, bie Sljeinbriide gu paffiren."
Stonet »erfprach, bie nötljigen (Maßnahmen
gu treffen, um beS ^aareS habhaft gu werben,
©ine Stunbe fpäter erfdjien »or bem geftrengen
(Biirgermeifter ein wettergebräunter Scann, ber
im Slnfang ber (Biergiger fteßen mochte unb beffen
Ürad)t ben 3ig f i | >t fr häuptling »erfiinbete. (Deo»
net hatte ihn fdjon gu wieberholten (Malen in
Straßburg gefeljen unb fid) »orgenomuien, bei
günftiger ©elegenljeit ihn angurebeit, beim bei
bem Stanb ber $inge tonnte man feilte (Banbe
leicht gur (Berftärfung beS (ßöbelS brauchen. Stil
großer Frcunblichtcit fragte Stonet ben 3<gf uner
baßer nach feinem (Begehren, unb biefer crgäßlte:
„Deute erfchieit ein Fwmber, mit einem iJna»
ben an ber £>anb, in uuferm Säger, er theilte
mir mit, baß er aus (Paris läme unb bem ©ngen,
ben er in einiger ©ntfernung flehen gelaffen,
fah man auch bie weite Seife an. $er F«mbe
fudjte mich über ben ©eg auSguforfcheit, ben er
nehmen ntüffe, unt bas rechte Sljeinufer gu er»
reichen. 3d) aber war fdjlauer als er unb gab
ißm ausweidjenbe Slutwortcn. S(n enblicß gog er
eine bide SBrieftafche Ijeroor, bie mit (ßapiergelb
gefüllt War —"
„(Befanben fich niCßt auch ^ofutnente barin ?"
unterbrach ihn (Monet fjaftig.
„3 ja, ich glaube wohl, ©r Ijänbigte ntir ein
paar biefer (Banfnoten ein unb bat mich, ihm
mitgutheilen, wie er es Wohl onguflellen habe,
um währenb ber näcßften Macht glüdliCß über
ben Sljein gu fommeit."
„Slha ... alja!" rief (Monet triumphirenb.
,,©ie lautete beine Slntwort?"
„(Bürger," erwiberte ber Häuptling unb fraßtt
fiCß baS bärtige ßinn, „ich Würbe ihm »icllciCht
ben richtigen ©cg bcfChriebeit hoben, wenn feine
(Belohnung .nicht fo wingig ausgefallen wäre.
So aber fagte iCß ihm bloS, er folle ficb biefe
Macht, punft gwei Uhr, gu bem {»agenauerthore
hereinfchleidjen unb fid) bann ttach (Morgen gu»
wenben, fo werbe er an eine Ueberfaljrtsftelle
beS SljcinS gelangen, ©r banlte mir turgmeg
intb berließ mit feinem ßnaben unfer Säger."
Unter einer Stenge »on (Büdlingen »erließ
ber Häuptling baS SathhauS, unb Stonet ließ
bie gange Macht Straßburg unauSgefcßt be»
Wachen, ©nblidj erfchieit bet. (Morgen, unb halb
nahte auch bie Stunbe, wo bie an ben Stporeu
»ertfjeilten Solbaten ihm (Bericht gu erftatten
hatten, hoch gegen alles ©rmarten erfdjienen fte
mit leeren ^änben, benn Mientanb War währenb
ber Macht burdj eines ber 5höre gefommeu. 9lfle
(Borfehrungen, welche Stouet im (Berein mit ben
Digitized by v^ooQie
31« Storni*.
155
oeiben Gommiffären nunmehr anorbitete, blieben
ohne Grfolg, — bie beibeit gliicßtlinge liefen ficf)
itirgeitb# bliden unb f(bienen üon bem Grbhobeu
öerfcßrounbe« ju fein. Ser 3ifl f unerhäuptling
jeigte große ©ermunbernng, als er non Wonet
ba# Utäßcre erfuhr. Gr gelobte ihm ober, feine
gauje Wucht unb OrtSfenntniß anmeubeu ju
roolien, um ba# ©erftecf ber beiben glücßtliuge
ju erforfcheit uub bomit mar bie Angelegenheit
Dorläufig abgethau.
Wit biefem Sage begann in Straßburg fo
recht bie eigentliche <Sdhre<fenShevrfd>oft. ©ou
ber uiel gerühmten greißeit ber Stepublit mar
rnenig ju fpüreu, bagegeu empfonben bie ©ürger
mehr unb mehr ba# fnecßtifche 3ocß, unter ttel*
cße# bie blutgierigen greiheitämänner fie beug*
ten. Saint* 3uft unb Wonet gaben fich baniit
aber noch feineSmeg# aufrieben; fie gingen einen
Schritt meiter unb roeihten auch ben 9teft non
Seutfcßthun!, melcßer fich noch im Glfaß oor=
faub, bem Untergang. Wan fcßalt bie beutfche
Sprache eine barbarifcße unb nerbaunte fie au#
alten Attenftücfen unb 3eitungen, bie Schilber
ber ^anbmerfer unb Jffauflente mußten non jcßt
an bie fraujöfifche ©ejeicßnung tragen, unb für
bie Straffen, ©läße unb Stabtthore fourben attin
großen 3;heil frembe republitanifcße tarnen ge*
imihtt. 3a ber Aatioitalhaß ging noch meiter,
Saint*3uft unb 2eba# erließen an bie meibtiche
©eoölfermtg Straßburg# bie Aufforderung, ber
beutfchen fianbeStracht ju entfagen, unb fie hatte
leiber bie gemünfcßte Söirfuitg. Gine große An*
Saßl non grauen unb Wäbcßeu beeilten fi<ß, i^fc
altbeutfcßen foliben Scßmucffachen al# potrio*
tifihe ©oben auf bem Altar be# „franjöfifchen
©aterlanbe#" nieberjutegen, mie fie läitgft fchon
ihre nätertiche Wnnbart abgelegt hotten. Auch
Gulogiu# ©cßneiber legte bie £>änbe nicht müßig
in ben Scßooß unb troßbem, baß feine 3«<t jeßt
fehr genügen mar, nergaß er hoch feine# heftig*
ften ©egner# be# ©rafen b’£>aunaigue nicht,
roetcher bisher noch ftraffrei ausgegangen mar.
Gutogiu# Schneiber martete nur noch eine gün*
ftige ©e(egenheit ab, bamit er bann um fo fuße*
rer ba# auSerforette Opfer oernidjten fönne.
G# mar roenige Sage fpäter, bie Schloß*
famitie faß beifammen unb bot bem Auge ba#
freimbtichfte gantilienbilb bar. Sie ©räfin, eine
ftattlicße, fcßöne grau, ber ältefte Sohn 9t a ou 1,
ein fcßmaraäugiger, fünfaebnjähriger giingling,
in beffen ©eficßt§aügen fich fchon jeßt eine tnänn»
ließe Gnergie ausprägte unb fein achtjähriger
©ruber 2 o u i 8, auf bem Scßooße be# ©ater#,
melcfjer lieblofenb über ben braunen 2ocfenfopf
be# Steinen ftrieß. Sa# ©efpräch, fonft mit ben
unheimlichen Greigniffen ber ©egenmprt fich be*
fchäftigenb, breßte fich heute um ßarmlofe Singe.
Wan fcherjte mit ben Siubern unb freute fich an
ihren Antmorten. Sa fanb plößlicß ba# gentüth*
liehe ©laubern einen grellen Abfcßluß. ©3über
2ärin tönte au# bem Schloßhofe herauf. Ser
©raf eilte an’# genfter unb erbleichte, benn er •
blidtte auf eine Ansaßl 3afobiner uieber, in bereu
©efeflfcßaft fich Saint.guft unb 2eba§ befanbeit.
geßt eilten mehrere Siener in’# 3> ln mer unb
melbeten haftig, baß fie ben ©rafen oerhaften
unb ftch be# Schlöffe# bemächtigen mollen.
So# mar ein ©liß au# bciterni ßimmel. gin
erften Augenblicfe bmhte ber ©raf an SBiber»
ftnnb, hoch fah er fofort ein, baß berfelbe miß*
(o# fein unb bie 2age ber gamilie nur öerfcßlim* •
mern mürbe. •
„28ir miiffen ber ©emalt meießen," rief er
fiitfter, bie jitternbe ©attin fanft umfaffenb.
®leicß barauf eilte er nach feinem 3imnter, mo
er ein gefeßnißte# Schreibpult auffcßloß, bem er
Söertßpapiere unb gumelen entnahm, gn groß*
ter Gile mürben nunmehr bie merthooflften ©olb*
unb Silber * ©erätßfcßaften jufammengerafft,
bann raunte ber ©raf feiner fuß in einen Wan*
tel büflenbett ©attin ju: „Aach bem geheimen
©ange!"
©Jettige Winuten fpäter ftiirmte Saint.guft
mit feiner &orbe bie große greitreppe herauf
unb brang in ben berfelben gegenüberliegenben
©runffaal ein, mo er jeboeß Aiemanb mehr fanb.
Sie# fachte ihre bliube SBnth nur noch mehr an;
gleich tigern briiflenb unb ben Aamen be# ©ra*
fen tufenb, tobten bie greißeitSmänner oon einem
©emaeß in’# aubere, bi# fie fcßließlicß iune mur.
ben, baß ber ©raf mit feiner gamilie fpurlo#
oerfdjmunben fei.
(gortfetung folgt.)
Jtm Statut«.
ffriefcri* Ut Srafre utto ber
Srriebrirf) fcet ©rofec im 1760 eine WflAt in
bem Keinen ®orfe ©tan))ib snbradjte, mnfuirte et,
nmS er fclbft im gelbe m tfnm preßte, bei offenem
genftet auf bet glötc. 2)a oetnabm et im ©efcüfdj
nntex bem genftet ein ©etäufd), in golße beffen et
buiauäfabi unb bemetfte nun, mie ein SWenfö ftcb
fotßfam an bet 9Rauct tetbatß- „2Bet tft 6t?"
friift bet fiöniß batfeto. ®et atmcScbelm in oodem
Sanernftaat fam dnßftlid) betoot unb ftotterte:
„SWaicftät, icb, id) bin bet ©tmonfect fffliitot!" —
„@o! Unb n>aS mill Gt beim?" inquirirte bet
niß. — „©alten *u ©naben, ÜRaieftät#" antumrtete
benmtbiß bet ©cbulteßent, „i(b habe fo oicl baoou
Digitized by v^ooQie
156
Um Hämin.
gehört, baß Sure SDJajeftät fo gut Slöte fpielen, unb
ba td> ein Sveunb ber 9Nufif bin, |o hak ich cö ge=
wagt mid) hiebet au fchleidjen, um auaubören!" —
„92a, bann bleibe (Sr nur ftehen, wenn’S 3hm ge=
fällt," berfeßte ber Ä'önig gütig. Sriebrich machte
bie übrigen ftenftcr nod) auf unb fpielte feine 4BeU
fen, ohne fid) ftören au taffen, fort. ,811$ eS fübler
mürbe, trat er enbtid) an bie Scnftcr heran unb
wollte fie fcbließen; ba ftanb ber ©dmlmcifter im=
mer noch, anbädjtig ben ©ut in ber &anb. „92a,
wie hat eS 3hm gefallen, Stantor?" frug ber ffönig
leutfelig. — „O, äBaicftät," rief ber biebere 9)tufif-
fritifer entaüdt hinauf, „baS hätte id) 3bncn mabr=
haftig nicht au ge traut" ©er Völlig lachte
heit auf unb eraählte fpätcr noch oft bie urfomifebe
Scene, wie ber oerlegene ©orffdjulmeifter in feinem
hödiften SciertagSftaat baftanb unb ihm in feinem
Sntaucfen biefc Schmeichelei aurief.
©ie ftomntttttiffeit. „^a, bu rebeft immer bon
©leid)heit unb ©ütertbeilcn, allem id) fefee ben
Salt, mir haben gethcilt, unb ich, id\ fpare meinen
Stbeil, hoch bu berfdjwenbcft ben ©einigen, maS
bann?" — „®ana einfach! ©ann thcilcn mir
micber!"
Änlturfortfißritt in ber ©djule. 9ßie weit bie
ffinber in ber ßultur borget“dritten ftnb, mag man
auS folgcnber ^robe erfehen. Sin Lehrer in £bü=
ringen giebt Unterricht in ber beutfdjen ©brache,
läßt Sähe bilben unb giebt einen ©oppelfaß mit
bem Sinbcmort „aber" auf. ©ie $inber befinnen
fid). ©a auf einmal erhebt fid) ein siemtief) bodj-
aufgefcboffeneS 9Räbdjeu unb fagt: „©roß genug
bin id) 311 m fteiratben, aber nod) 3 U iung."
SBiffen unb ©rWtffeit. (Sin fcljmeiaerifdjer $re=
biger pflegte au lagen: ,,©ie 8 llten hatten ein @c=
miffen ohne SSBiffcn; mir haben baS SBiffen ohne
©emiffen."
©a8 wo^re ©lud. (Sin ©djutbube ertebigte bie.
Aufgabe, einen Sluffaß über: ,,©aS mahrc ©lüd"
311 berfaffen, folgenberntaßen: „SBenit man aum
Seifbiel beS ©onntagS früh fortgegangen ift, ohne
ben (Eltern etmaS au fagen unb fommt bann erft
SlbenbS mieber, fo hat man große Slngft, befonberS
auf ber ©reppe unb bei ’111 klingeln. Sinbet mau
bann aber bei ben Sltcrn eine größere Shccgefelt
fd)aft, fo ift man wahrhaft glüdlicß."
8 e h t e r: SBarum ift baS 9Beermaffer fataig ?
© cf> ü l c r: SBeil fobiel Häringe barin finb.
ffio$ bie fdjöitjie Stuß! fei? hat befanntfiefi ein
großer SDluftfer bamit beantmortet, baß er fagte, er
miffc feine 9Kufif, welche ihn jemals in feinem Ce=
ben tiefer bemegt unb inniger erfreut hätte, alS baS
erfte Schreien feincS erfteu JlinbeS. ©iefer ©011
habe feine ©eele mit ©immclSgemalt ergriffen mie
niemals ein anberer. StmaS StehnlicheS geidjah
bor nicht langer Beit in einer rafd) auS bem Soben
gcwadjfenen uorbamerifanifdien ©tabt, in meldjer
ftd) 3 war fd)on eine mit ameifelhaft guten Kräften
befeßte Ober befanb, aber Stauen unb ftinber um
ber Unfertigfeit unb Unficherheit ber Scrhältniffc
mitten nod) fehr feiten waren, ©a gefdjah eS eines
©ageS, baß währenb ber Oberuborftellung auf
einer ©allerie ein fleiueS ffinb au fchreieu aufiug.
(Sinige wollten megeu biefer untiebfamen Störung
ungebulbig werben; ba erhob fich aber ein 9Nann
bon mäd)tiger Sigur unb rief mit gewaltiger
Stimme ber 9)Jufif unb ben Sängern au: „©0 feib
bod) einen Slugeublid mit eurem ©ebubel ftill, ba
fdjreit ia ein Alinb! fo loaS ©chöneS habe ich feit
3abr unb Sag uid)t mehr gehört!" Unb SltteS gab
ihm Seifall, baS itinbleiu muficirte eine SBeilc
allein, unb erft al$ eS eine Saufe machte, ging bie
Ober ihren ®ang weiter.
8Ba£ ift ein Äfforb. 3wei $erren auS bem
ffaufuiannSftanDe ftreiten fich über bie mufifalifdien
©chöuheiten beS ncueften 2BerfeS bcS Sabreuiher
3)?ciftcrS. „9tch, maS berftchen ©ic baoou!" ruft
enblich ber (Sine nad) längerer ©iScuffion, ,,©ie
wiffen ia nid)t einmal, maS ein ruhtiger 8lfforb
ift!" — ,;3d) bitte fehr," entgegnete ber Änberc eut=
rüftet „25 Svoacut !"
Sn S»ß bon ©au gronci^co nah 9teto*9orf. 6in
©eiteuftüd au ©eumcS berühmten „©baaiergang
nad) ©bracuS" hat füralich ein öOjähriger (Salifor-
niev, 92amenS ©euiS (SollinS, geliefert, mehhev ben
SSeg bon ©an .SvanciSco nach 8?ew=Sorf ber Sa*
cifteSahn entlang binnen 93 Sagen au Süße au^
vücflegtc unb bamit eine SBette bon 3500 ©ollarS
gewann. 81m 1. 3uui um 10 Uhr SiorgenS mar
(SollinS bor Saufcnben bon Sufd)auem ooit ©an
SranciSco aufgcbrochcu, am 4. ©cbt. Di'admiiUagS
traf er in 92cm=g)orf ein, mo feine 81nfunft eben¬
falls ein bon ben Sritungen fdjon aum SorauS
berfünbeteS ©dmufbiel mar. (Sr hatte einen 2Beg
bon 3255 englifchen SOJeileu aurüdgelegt. „3m
habe mid)," eraählte er bem Serichtentattcr bcS
$>?cw=8)orf $cralb, „auf bem ganaen 3Bege neben
ber Sahnlinie gehalten; id) hätte bie ©trerfe in
100 Stagen aurüdlegen feilen, unb ba id) fie binnen
93 Sagen aurücflegte, fo bin ich burd)fdmittlid) 35
cnglifche (über 7 beutfehe) teilen im Stage gegan¬
gen. Sei 92ad)t habe id) gefdilafen unb auf jeber
Sahnftation eine 9'iuhcbaufe gcinad)t, loährcnb bie
©tationSdjcfS mir bie 9(nfunft in einem eigenen
Süd)lein befcheinigten. (Sin Scrtreter ber gegen
mid) SBettenben fuhr auf .ber Sahn unb traf mich
berabrebeter SBcifc alle 24 ober 36 ©tunben auf
einer Sahnftation, um bie (Eintragungen im Süch=
lein au controliren." — ©ie Sahnaüge bebürfen
befanntlich für bie ©trede ©au SvanciSco bis 9?em=
?)orf, welche (SollinS in 93 Sagen 3 » Suß aurüd=
legte, faft eine bolle 2Bod)e.
©ie ©tterlinge. ©iefe ©efd)id)te habe id) mir
bon einem lieben, treffließen S)2anne fdneiben laf=
fen, welcher äRagiftcr Johann 2)2atthcfiuS hieß, ein
Sreunb unb ©ifd)geno|fe beS 3)2artiu Suther war
unb ießt feit 300 3«hren begraben liegt, ©eine
®efd)id)te aber ift nod) fo frifd), alS märe fie
geftern bom Saume gepflüdt, unb lautet folgeu=
bermaßen:
(Sin Sperling hatte brei 3unge in einem ©chwak
benneft. 2Bie fie nun flügge waren, ftoßen böfc
Suben baS 9ieft ein, fie fommeu aber alle im 2ßin-
beSbrauS babon. 9lun ift bem 91lten leib, weil
feine Söhne in bie Sßelt fommen, baß er fie nidßt
D i g iti z ed by Goc - :
Itamin.
157
3 tiDor oor allerlei ©efahr oerwarnet unb ihnen
etliche ante gehren ooraefaat habe.
Stuf Dem ©erbft foutmen in einem SBeijenader
Diele Sperlinae aufammen; aüba trifft ber Sllte
feine bret 3ttttaen an, bie führet er mit ftreuben mit
ftd) heim. Sich, fpviebt er, meine lieben Sohne, waS
habt ihr mir ben Sommer über Sorae aemarijt, bie=
weil ihr ohne meine gehre oon mir im SBinbe baoon
faiuet. ©övet mein 2Bort nnb folaet enreni ©ater,
unb fehetcuch wohl Dor: Keine ©ößeleiit haben aud)
öro§e-©cfährlichfcit au$,mftehn. _
Darauf fraßt er ben älteften, wo er fiA ben Soim
mer über aufaehaüen nnb wie er fid) ern&hrt habe?
— habe midi in bie ©arten ßchaltcn, Staupen
unb SBüvntleiu aefudit, bi3 bie ftirjeheu reif wur=
ben." — Sich, mein Sohn, faat ber ©atev, bie
@chita 6 etweitf ift nid)t bö3, aber e3 ift arofjc ©cfahr
babei, bat? bie ÜHenfcben mit gift bid) fanden.
Darum habe forthin betuer wohl Sicht, unb fouber=
lieh, wenn geute in ben ©arten umbcraeb’n, bie
lanac, arüne Stanaeu traaen, fo inwenbia hohl
Hub unD oben ein göchlcin haben. — „3a, mein
©ater, bie fenne ich wohl; oben auf ba3 göcblein
wirb ein arüneS ffllatt aeflebt, baf? wir Sperlinae
un3 barauf fefeeit unb bineinfalleu." — (Si, mein
Sohn, fprad) ber ©ater, wo haft bu biefeS aefchn ?
— „ln eineo Kaufmanns ©arten habe ich biefc-3
gefehlt." — Unb ber SSatcr oerfefet: ftauflcut’ ae-
fcbwtitb’geilt’; bift bu um biefe SBcltfinberaewefeu,
fo haft bu iöeftacfcheibiafeit ßemiß ßclcntt. Sieh’
nnb hraud)’‘i nur recht unb wohl, unb trau bir nid)t
?u Diel!
Darauf befraaet er ben anbern: 5Bo haft bu bein
SBcfcit aehabt?— „3u ©ofe," fpridit ber Sohn. —
Unb e3 antwortet bev ©ater: Sperliua unb alberne
©ößd bienen nicht an Diefem Ort, ba Diel ©olb,
Sammet, Scioe, SBchr, ©arnifri), Sperbev, ßattaeit
unb ©laufftfie finb. ©alt bu bid) befchciben 311 m
8 toj?ftall, ba man ben ©afer fdiwinaet, oberba man
briühet, fo fanit bir*3@lücf mit ßutent Trieben auch
bein täqticf) Störulein befrijeren. — „?la, ©atev, faat
biefer Sohn, wenn aber bie Stalljnnaen ihvcSdjün=
aen unb SRafchen in*3 Stroh biuben, ba bleibt and)
Staucher hänaen." — 9Bo haft bu ba3 aefeben?
fante ber Sille. — „gu ©ofe, bei ben Stof?buhen."
— O mein Sohn! ©ofbuben, böfe ©üben, ©ift
bir 311 ©of unb haft feine Jfebern ba actaffen, fo haft
bu ziemlich ßclernt; bu wirft bich in ber 2 Belt wohl
wiffeu austueifeit. Doch fieh bich um: bie SSölfe
freffeu auch manchmal bie aefcheibten ©ünblein!
(Sublid) fommt ber ©aler au ben iünaften Sohn:
bu mein liebc*3 ©acfelueft, bu wareft allezeit ber
9(lbernfte unb Sdnoächfte; bleib bu bei mir! bie
9Be(t hat oiel arobev unb bofer ©öael, bie fvumme
Schnäbel unb drallen haben, unb nur auf arme
Sößlein lauern, fie 311 oerfcblucfen. ©alt bich 3 »
bciiteS ©(eichen unb lie*3 bie Sptnnlcin unb Stau¬
pen dou ben ©äumen nnb SHauern, fo bleibft bu
lana in ^rieben. — Sßorauf ber ifutßfte Spcrlina
antwortete: „Du mein lieber ©ater, wer fid) nährt
ohn’ anbver geut* Srf)abeit, ber fährt auten 9ßca,
unb fein Sperbev, ©abicht, Slar ober 28eib wirb
ihm fehaben, fonberltdi, wenn er fich unb feine ehv=
liehe SJabvuna beut lieben ©ott alle Slbenb unb
SRoraeit actreulid) befiehlt, weld)er aller 2Balb= unb
Dorfoöaelein Schöpfer unb ßrhalter ift, ber and)
ber iitngen Staben ©efdjrei unb ©ebet höret. Denn
ohne feinen SBUlen fällt and) fein Sperliua ober
Sdmeeflocfen auf bie ßrbe." —
©So, fragt ber ©ater, haft bu biefeS aelernt?
Antwortet ber Sohn: „ 2 Sic mich ber ßrof?e 9 Binb=
brauS oon bir wcßrijj, fam id) in eine ft ird>c r ba la 3
id) ben Sommer bie fließen unb Spinnen oon ben
Scnftcrn ab unb hörte biefe Sprüche ptebiacn. Da
hat mich ber ©ater aller Sperlinae ben Sommer
über ernähret unb behütet oor allem Unalütfc unb
ßrimuiiacn ©öaelit."
Der ©ater fprad): Dvaun, mein Ticbcr Sohn,
füeaft bu in bieiiirchen unb hilfft Spinnen unb bie
fiimmenben Slieaeit aufräumen, unb 3 ivpeft 311 ©ott
wie bie iuugcit Staben, unb befiehlft bid) bem ewißen
Schöpfcv, fo wirft bu wohl bleiben, unb wenn bie
aanse 23elt Doller wilber unb tücfifd)er ©öacl wäre.
Denn wer bem ©errn befiehlt feine Sad)’, fehweißt,
leibet, wartet, betet, brauritt ©litupf, thut ©emadt,
bewahrt ©laub’ unb aut ©ewiffen rein, bef? will
©ott Sdtufe unb ©elfer fein. — So hat ber alte
©pevlina ßcfprorften.
®iit brntfdler ^nubebrtu! brachte einem 90?atirer
in ©rftivt nidtt acriitßc ©erlcacnheit unb für feine
Serhältniffe gienilid) hohe ©clbfoften. ®r miifj
näutliri) einem Biutmevmaint, befielt ©anb er bet
einer ©cacanuna fo überntäfiia brüdtc, baf? bev
Daumen auSßcrcitft totirbe, allwödtentlid) l 2 S)tarf
unb 3 ?oar fo lanae sal>leti, bi3 fein Sreunb wieber
arbeitofähia ift.
Breite im ftleiitm. ffiom feliaen ©välat Detiuaer,
bem tiefen Schviftfovfdter, wirb folgende bcnfwüvbiae
?lncfbote evsählt: ßr liebte e3, 311 3 cttcu Slbcnbä
hinauf 3 u achcn unb in ber Stille ber Stacht, 311 m
Sternenhimmel atifblicfenb, 31 t beten, ßinft an
einem Samftaa Slbeitb bealeitete ihn auf feiner
näd)tlid)cu SBanberuitß ein ßanbibat, ber bei ihm
wohnte. Sie alnaen aufamnten auf ben ©ipfcl ciueS
©craeS. Dort ftanb Octinger eine lanae ©>cile
fdtweiacub, in tiefe ©etrachtuna Dcrfunfcn. 3n fei¬
nem ©ealcitcr regte fich untevbeft ein ©crlanaen, nt
wiffeu, woran Octinaer wohl ben feit möae? ßr
meinte, berfclfte fei aewifc bantit befdmftiat, irgenb
ein ©eheimnif? berSheoloaie au eravünben, ober ein
©roblern bev ©hilofophic au löfen. ßrbradtalfo
enblid) baS Stillfdtweiaen unb fragte, ob er ftch
wohl bie Freiheit nehmen büvfe, bem ©errn ©vä=
laten einen SBunftf) auSaufPvcchen?—„Ö ia!" war
bie Slntwort. — ,,?id) mödtte wohl aern wiffeu, wor=
über ber ©err ©rälat eben iefet nadtaebadtt hat?"
— „Jch habe ßerabe an bie frommen SBciber ^
bad)t," erwiberte Oetinaer, „bie in bem Dorfe hier
unten wohnen unb heute, al3 am Samftaa Slhcnb,
bie SScrltaaSfleiber ihrer SJtänner unb Söhne att3=
fliefen, bautit fie am SKontaa alcid) wieber achraudit
werben foitnen. ^d)bad)te: welch* eine autc £Boh=
miua werben bie bort oben crlanaen, iubem fie fo
aeringc unb befchwerlidjc Dienftleiftunaen bis in
bie Stfadjt hinein mit ©ebulb unb Svene, iut®ehor-
fatit aeaeu ©ott Dollbrinaen! Unb id) wuttfehe nur,
baf? eine foldic SBohituitß, wie bie eine erlaitßctt,
auch mir einft 311 Sheil werben möchte!" — SBclcheit
ßinbruef biefe fririiehte, einfältiae, unb bod) fo er=
habene Slntwort auf beit ftvaacr ntadjte, läftt ftdi
benfcn. Schveib’3 audj in bein ©ct 3 , lieber 8 efer!
Don 3K. in ©. hcrrührcitbc ©erfe:
Digitized by
Google
158
Samitogf^ttl^elitioneti.
SRartha ähnlich fid> im Sienft verfteißen,
Siet) oft bunberttaufenbfach ver 3 ioeißen,
Sahin, bortbin feine ©anb auSftreaen,
SMiffionirenb mirfett, Seelen meden,
Opfern, preb’aen, weithin tbcilen, ratben,
Sieb cntfddieuen felbft m ©clbentbatcn: —
ftorfebe, ob ba3 bem ßebübret,
Sen ©ott ßeme niebriß fübtet?
Kleiber jliden—Sieber, moflfft bu ftnfeen ? —
Seinen Stall beforßen, Sfinblcin puben,
©cm ermäbleit baS» maS hier verachtet,
SBäbrenb man nacl) bem, ma3 Wotb ift, trachtet;
SMaß, meint mir ancb Obißcä nicht fd)elten,
Soch in 3efn Stoßen mehr nod) ßelten,
Ser fo boeb bie Semuth liebet,
Sic ftch tren an kleinem übet.
»
^oitntagfifyul -Mtioittn.
©onntag, 4. 2Rärj. SCpoftetgefdjidjte 5,17—32.
$odj meljr Verfolgung.
I* 3 « ©efittfliiiß (fB. IT— 18 ). Wad) ?lbmen=
bunß ber erften ä it fte reit ©efabr einer SSerfolßtniß
unb (Sinfefeiinß berSlpoftel unb ber erften in netc n
©cfahr einer Sefledniia ber ©emeinbe felbft bnrd)
Sclbftfud)t unb ©cud)etci, folßt nun ba 3 erfte
fieibenberSlpoftel umGbrifti millen, aber and)
bie 3 ßereiebt ihnen felbft unb ber ©euteinbe nur
311 neuem Seßcn. Ser ©ohepriefter ift
mabrfdjeinlich ber aud> 4 ,6 juerft ßcnamite ©an-
na8, obmobl factifdj ffaipbaS regierte.
äieibe unb überbauptbic hohepriclterliche fJainUic
ßehorten 3 mar 311 ben SJSbarijäern; aber ba3 rafd)e
Uuiftcbßreifcn be3 ShriftcutbumS lieb fte attßcit=
Ididlid) ihre SSarteiftelluiiß vetßeffett unb ficb ßeßcn
biefen ßemcinfamen Seittb mit ihren jonftißcn ©cß=
nein, ben Sabbucäent, vevbinben, von benen
{ebenfalls, mie fd)on r?ncr elftere nod) inilberc 9(n=
lauf ßeßeu bie Slpoftel (ffap. 4 ,1 ff.), fo and) biefer
weite* bereits ftärterc, ßemaltfamerc unb leiben^
d)aftlid)eve auSßina, ba cS fie ia länßit fdjon vcr=
broffen batte, ba& bie Slpoftel von 3efu, alS bem
Sluferftanbcncn, 3 eiißten (ftap.4,2).
Unb mürben voll (SiferS, marum ßerabe
iefet biefer SanatiSmuS attfS neue fo heftiß anSbrad),
ift nid)t ßeffaßt; bod) mub ihre ©anblimßSmcife
iebenfallS auch irßenb einen äuficren Slnlaft achabt
haben: mabvfdjeittlid) ßlaubtcn fie bem maebfenben
Stofehen unb Umfana ber neuen ?ehrc unb Kirche
nid)t länßcr mehr rubiß Aufehen m föitnen, fonbern
enblicj) cntfd)icbenere Sdjvittc baßcacn thun 311
nutfjen, um montößlicb nod) 311 verhüten, bab bie
refißiojc SJemeßuiiß, von me(d)er fdjon ßans 3evu=
falem unb baS umließenbe 3ubaa ergriffe« )var,
fid) 3 ulefet aud) nod) über baS ßefaimntc Israel er¬
ftrede, mie cS iitSbefonbere in <yolße ber fortbaiicrn=
beit'unb fid) ftcißcrnbeu auberorbentlid)en Sßunber;
tbaten ber Slpoftel (SS. 15) 311 befürchten )var.
Sic leßten bie©ättbe an fie, b. h. lieben
fie bitrd) bie „Sietter" beS ©ohenrathS cinfeben, um
fie bann am anbern Saß vor ©erid)t 31 t fteften unb
311 verurtbeilen. 3n baS ßemeine ©cfäußnib,
3U SSerbreebern aller Slrt; „aber bie SSattbe ftnb
prciSmürbiß unb bie Setten ehrlich, bie man um
ßbrifti SBillen träßt."
1L 3mientpel(®. 19—25). Slbcr ber (Sttßel
beS ©ertu wirb ben StpvfUin vom ©imrael her
3 ttr ©ilfe ßefanbt (Vßl. SSfatot 34,8), hier nicht blo$
alS 3Berf$cuß ber allßemeinen üöcltreßierunß ©ot-
teS bcS 9S a tcrci r fonbern aud) ber befonberen ®na-
benleitunß ©ottc-S be$ Sobneö, unb barum nid)t
nur in bie (Sreißniffe beö ßcwöhnlicben 9tatuv= unb
@efchid)t^verlauf§ einßreifenb, fonbern and) in ben
©anß bc§ 9teid)e§ ©otte§ unb bie ßntwidlunß fei=
ner Äfirdic auf Qrrbcn. 63 ßiebt ein ßöttlid)e3
„Slber," ba3 alle i # ift unb 9Kad)t be3 S9?enfd)en 31 t
Spott unb Sdjanbeu madbt, Vßl. 19Wof. 50, 20.
^}fafm 2,4.
3n ber Stacht, bieStunbe ift nicht näher bc*
ftimmt, nadj$.21aber mar e3 eher fdwn ßCßn
ben iWtotßen hin. Serfelbe tbat bre Sbüre be3
©efänßuiffcö auf, morauf fie fid) hinter ihnen
micber fd)lo§, ohne baft bie SBädder von allen biefen
Sorßänßcn auch nur ba3 ©eviußfte bemevften ($.
23). Sie Slpoftel ftanben nad)hcr vor bem ©ohen=
ratb ßan3 anbcr3 ba, menn fte fid) vollfommcn frei-
milliß ßeftellt hatten 08.26), al3 wenn fie al3 ver¬
haftet votßcführt movben mären. Sa3 SBunber ift
alio fein 3medlofe3, fein Btved laß eben in biefer
ihrer fflefreinuß felbft, nicht aber in ihrer vollftäit=
bißen ©emabruuß vor aller Strafe, mirb aljo auch
burch bie nachfolßenbe 3üd)tißuuß uid)t mieber
aufßchoben; bat bod) aud) ^efu§ felbft Streike
leiben muffen, mie viel mehr alfo feine ^fuißer!
ODfattb. 10, 24. gut. 6,40). Sind) er hat einft feine
fteinbe 3 »crft burch biege SJennmiß feinet S?amcn§
311 Stoben ßefd)laßen unb bod) burften fie bann
.©anb an ihn ießen! (3oh. 18,4ff.) Saft aber nad)=
her beim SSerbör meber bie Slpoftel felbft, nod) ihre
Widder auch nur (Sin 28ort von bem ßefdebeneu
SSunber faßen, erflärt fid) leid)t unb ift fein S3emeiä
ßeßcn bie mirflicbe Shatfüd)lid)feit befielbcn: bie
Echteren molllen natürlid) biefe Urfad)e ihrer eißenen
SSenviiTmtß unb Watblofißfeit (SS. 24) nidit auch
nvd) fclber befonberS bervorbeben, bie (Srftcvcn aber
: hatten 2Bid)tißere§ au thun, a 18 blo^ Tiber bie Slrt
unb SBcife ihrer Sefrjiunß au§ ber Unterfuchunß^=
haft au beridden, nämlid) ihr ©lauben§befenntui§
SlitßcfiddS be§ ßaiiAen Svncbrium§ noch einmal 31 t
mieberholcn (SS. 30ff.). Ser 3ivcd ber Sefreinnß
ift alfo vollftänbiß crrcidd: bie ^ünßer felbft finb
in ihrem ©laubcnömutb ßeftärft, ihre fjeinbe aber
in ihrer völlißen Ohnmacht blofjßcftellt.
Sretct auf mit aller Stcintüthißfeit, miebi§=
her, unb rebet int Sernpel (b.b. int äuhe=
reit SSorbof bcffelben) jtim $ol!, alfo ßauA
offentlid) unb unverhohlen, nicht blo 8 31 t ben ©lau=
bißett, mie früher,Äap. 4,23, alle 2Bottcbic)e3
Digitized by v^ooQie
SonntagfdjuUfehtionem
159
8 ebenS, baS tut ©laufen an Ghrifhtm, alSben
©efrcusigtcn uttb 9(uferftanbcncn gegeben ift (ähn*
lieb Äap. 13, 26). ©o fpricht ber Gngcl, weil er ber.
bintmlifcfen Seit beS 8 cbcnS angehört, in bcr cS
feinen Dob giebt, unb er bartim auch nur für baS*
ieuige ©tun unb Dbcilnahmc bat, waS 8 eben beißt
ttnb Sehen bat. Da$ Cefen iit Gbrifto, beut Sehen*
bigott, ift auch bcr Gngcl ^vcube unb ewiger 8 ob*
gefang, in baS aurf) fic „gelüftet bineinju|d)aueit"
(I93etri 1 , 12 ).
$on 3 c r u f a (c in füllten bic apofiet nicht
weichen, fo lange bie ©chulb bcr Oberften noch nicht
pott unb bie ©ebuib ®ottcS über ibnen noch nicht
erfeböpft mar, bort füllen fie fortaeugen, fü lange eS
itn93olfe wcnigftenS ttürf) ein empfängliches ©evj
für fie gab, ähnlich wiefpäter93nuluSin Gorinth,
Äap. 18,9 ff. Singen fie, ooit ihrem £>auS attS,
in baS fic ftch cjnftwcilen begeben batten, früh#
fchon ttarf) ber OTüYgcnbämmcruitg, in beit £ ent*
Del, trennten ftch alfo aurf) hier ttürf) nicht von beut
flcmcinfamcn .fteiligtbum ^SraclS, obmübl 2$raclS
©äupter fie $u tobten fuchtelt.
Der o b epriefter aber fam, noch ohne
Jlbnung ooit bem ©efchebencu, in baS int hohe*
prieftcvlirf)en SJJalaft gelegene ©ibungSaintnter beS
©tmcbriumS MRattb. 26,15 ff.) unb bie mit
ihm waren, feine Snutilie unb foitftigcit 9 lit*
bänger, 93imbeSgeitoffen unb ©elferSfelfer (93. IT),
unb rief a u f a tn nt c u b e u 9i a t b m feiev*
lieben uitD förmlichen Rührung beS 93toaeffeS unb
9>erurtbeilting bcr 9lpoftel; unb alle Seite*
ftcn x., alfo auch bieienigen, melcbc foitft nicht aum
©pnebriutn gehörten, eS mar alfo nicht bloS eilte
gewöhnliche 9 ßlenarfifeung beffelbeit, fonberit eine
«ußcrorbentlich oerftärfte. D a S © e f ä n g tt i 6
fanbett miroerfchlofien, bieS gefchab mit
allem Steife, batnit 9tieinanb bie ©efängnißmächter
einer gabvläffigfcit int Sutt bcfchulbigcit tonnte.
Sfenfo abficfetlicl) ift bie 93entcrfung beigefügt: unb
bie ©u ter bra u§en ftcbeit, bantit itäut*
lieh auch nicht bic leifeftc ©pur eiltet 93erbacfetcS auf
fie falle, alS hätten fie fie abftrbtlicb etttmifcheu
laffen ober gar entführt.* Dicfe 9tcbe (93. 25) fällt
nun wie ein 93lifeftrahl unb Donncrfcblag hinein
in bie ftol$e 9?uhe unb flcifeblicfee Sicherheit beS
©ohenvathS mit feinem bodjniüthigen 9lmtSbünfel.
Der © a u p t m a tt n b e S % e nt p e 16 (ber
lentpeltoarfje) ift befonbcrS genannt alS .ftaupt*
fethetligter, beim er hatte (Äap. 4, 1 ) bic (Sinterte*
ntng ju beforgeit unb aurf) bie weitere ©träfe au
oollitrecfeu gehabt. 9ß a S hoch b a S werben
f o 111 e = welchen weiteren Fortgang unb fcblicß*
liefen 9(uSgang bie ©acbe itorf) nehmen mochte; fie
tonnen alto felbft nicht läugneit, bah ftchtbar eine
höhere £>attb hier ciitgegriffcn, aber eS fällt ihnen
nicht ein, fiefe felber fchulbig unb ©ott bie Gbrc au
geben, fie finb nicht einmal begierig, Näheres au er*
fahren, weil fie fürchten, noch tiefer baooit im ffie*
wiffen berührt au werben; cS ift ihnen nur unt firfj
felbft, ihre gefährbete 9Macht, Gbre unb 8 eben (93.
26) au thun. Dg f ain Giitcr bar, ein tut*
berufener unb unwidfommeiter 93ote, ber ihnen bie
9teuigfeit überbringen und, fei’S in böfer Sbficbt,
*ttm ftch an ihrer 9tieberlage au rncibcn unb fte öffent¬
lich bem ©pott preiSaugebcit, fci*S in guter, um
ihnen auf bieSput berGntflobencn au helfen, „benn
wo cS gilt (Shriftum unb bie ©einen auSiuliefertt,
ba finbet ftch überall leicht ein oerrätberifcher
3ubaS."
III. ®dt bm Math (93. 26—32). Da ging
hin, nach bem Stempel, ber $ a u p t m a u n
unb holte fie# nach bem ©ericbtSfaal, tt i eh t
mit © c w a 11 , fonberit nur einfach mit Sorten
fie porlabcttb, b a m i t fie n i cf) t g e ft e i n i g t
w ü r b e n, falls fie nämlich noch einmal, wie fchoit
93. 18, $attb an fie legten. 9lber fie folgten auch
ohne ÄwattgSmaßrcgeln freitoillig, benit bie wunber*
bare Befreiung marf)tc fie auf'S 9?eue gewiß, baß bie
Oberften ihnen nichts anbaben bürften; fie beugen
fiel) gifo im ©chorfant, benn „©otteSfurcbt vertreibt
alle 9Kenfrf)cnfurrf)t." ®ie grofe ©unft beS 93olfeS
erflärt ftch theilS auS bem Ginbrurf bcS gefchehenen
SunbcrS, fowie ihrcS niiithigeit BeugniffcS, theilS
aber and) namentlich auS ihren vielfachen Sunberit
(93.15ff.), bic gaitaen. Sramiticu unb ©emeinben
eine Soblthat waren.
Unb alS fie fie brachten, nämlich aum
hohepriefterlichen ^ 5 alaft f fragte fie ber&ohe*
prieftcr, ttirfrf etwa nach bem Suitber ihrer SKet*
tmtg unb noch viel toeniger nach beut Inhalt ihrer
$rcbigt, benn er ift froh, ba§ er fic nur wenigftcuS
U'iebcr in feiner ©cwalt hat, fonberit er ferbert
fRerf)cnfrf)aft über ihr 93crbaltcn, b. h. ihren Uugc*
horfam gegen fein früheres 93erbot (4,21), baS fie
fo wenig gehalten haben, bafe fie oielmebr g a tt 3
3 crufatcm erfüllten mit ihrer 8 ehre
unb am Gnbe gar einen 93oltSaufftanb erregten
btirch ihre 8 ehre oon Ghrifto a(S beitt längfioerheific*
neu 9)?effiaS (ßap. 2,36. 3,18ff.) ttnb fo fetn
931 u t über fie bringen alS eines uttfrfjulbig
ftiitgericbteten, baS nach 9tarf)e au ©ott fchreit. Ob
bcr ©oherath ein SHccht hatte au ienent Verbot, ii>irb
gar nicht unterfurfjt, unb fo baS 9?cvhaltett ber
Spoftel gleich pott Pont herein alS Ungehorfaut uttb
9 Biberfpenftigfcit gebranbmarft; auf bie Sache felbft
geht er abfichtlicb gar nicht ein, ein 3 eichcn fcineS
böfcit ©eioiffenS unb ber geheimen Slngft, uwhl in
Grinncrung an 9)?alth. 27,25.
93ctruS aber (wieber alS Sortfübrer) attt*
w 0 r t e t e unter 3 uftiuimung ber übrigen 9lpofte(:
nt an tu 11 6 ©ott mehr x., alfo gana baffelbe
wie frftott 4,19 ff. unb awar bieSntal ohne alle wei*
teren ©emerfttngcit, wie bort noch, uw er wettigfienS
an ihr eigenes ©cwiffeit appelürt unb ein 9Bort
ehrerbietiger 9 lnerfcnnung bcr rechtmäßigen, toenit
auch unrichtig hanbelnbcit Obrigfeit beifügt. ®aS
gleiche Sort, baS bort ben © rf) l u ß ber 93erbanb=
Itmg hilbet, au bem mau fie gewaltfam gebrängt
hatte, bilbet hier fcbon ihren 91 tt fit it g, womit ge*
fagt werben fod: wir haben bamalS fthott euer 93er*
bot gar nicht gelten laffen, ihr fönnet unS alfo füg*
lieh aurf) nicht alS Ucbcrtreter beffelbeit anflageit,
ba wir rechtzeitig unb rechtmäßig bagegen proteftirt
haben. ®ie Gntfrftiebenheit ber apoftolijcbcn 93er*
tbcibiguug mäcbft mit ber toarftfenben Gntfrftiebeit*
heit ber hohepriefterlichen 5 ?cinbfchaft unb Grbitte*
rtntg; ja fo wenig finb bie 9 lpoftel gewillt, ienent
jjnterbift einfach firft au fügen, baß fie pielmchr iefet
gerabe 9tngeficl)tS ihrer dichter felbft Poit Ghrifto
aettaeit.
Der ©ott ttitferer 93ater x. Dann
liegt noch eine ftillfchwcigcnbc ftnerfennung ber
immer noch beftehenben Bufnuintengchörigfeit an
bemfelbeit 93unbeSoolf, beffen ©lieber auch bic
Digitized by v^ooQie
160
Sonntagfd)uUj?fhtionen.
©egncr finb; eben barum marc aber and) für biefc
in bemfelbcu ^ejud nod) bad £)eil 31 t finbeit, in
mcldwm Die Slpcjtel cdgefuuben. SJetrud betennt
ganj offen ieinen kanten 3c j ud (ald Den tbeuev-
ften unb jeligftcn, ocrgl. Map. 4, 12 ), mäbrenb Der
ipohcpvicfter suoor ihn gan 3 ocrächtlid) nur „bicf er
SRcnfcb" genannt batte, aber er erfpart bcmfelbcn
au cf) jo menig ald früher Den üßormurf Der ©chulD
an feinem fcbmadmcllcu unb fcbmerioollen Mreu 3 cd=
tob (ocrgl. 5 SRof. 21, 22 ff.), meil eben nur im
S r f c u n e n Der ©dutlb auch für ihn unb feine ©e=
noffen nod) ber einzige 2Bcg jur 513n 6 c unb iüc-
februna lag, Der auch ihnen naef) S>. 31 unter
ber einzigen Sxbingttug bed ©laubend angc-
boten unb gezeigt mirb. Unb ber heil, ©eift,
nämlicb: ift aud) ein Beuge feiner Srlmbung, ocrgl.
3 ol). 15, 26.
©onntag, 11. SJtärj. SIpflg. 6, 1—15.
$>te fteben 9lu$erömf)lten.
I. $ie Sieben (55. 1—7). Sluf bad erfte 8 e i-
ben ber Slpoftel oon Slufjcn ber folgt bie
erftc (Spaltung ber ©emeinbe im 3 h=
nern unb bereu Ueberminbung burd) bie Stiftuna
bC'S Slmted ber Sllmofenpflegcr ober SBcrmalter bed
©emeinbegutd für Sinnenimeefe unb amar loirb su=
nadnt berichtet:
a) Ser Sin fab 3 » ihrer ßinfefcunn: ®a ber
3 fing er SSielc mürben, alfo gcrabe in einer
Beit, am bie fortgefefete $rebigt ber Slpoftel (Map.
5, 24) uuD ihr ©laubendmutb im ©rbulbcn ber
©cbinacb Khrifti ficb befonberd fräftia ermied unb
bie ©emeinbe rafcb unb mächtig junahnt, trat plbfe*
Ud) ein Uebelftanb beroor, ber oiel fdjlintmer mar,
ald alle bisherigen SSerfolgungeu Don ©eiten ber
fteütDe; Denn Dieje neue ©efabr brobte non ben
eigenen ©liebem, unter mclcbc fiel), ie ^al>lrcid>cr
fie mürben, befto leid)ter unb häufiger auch allerlei
unreine (Elemente eiitfcbleicben founten. 3 c milber
unb liebreicher für bie d)riftlid)cu Sinnen geforgt
mürbe, befto eher mochten fid) beim auch SOianche
aud Sigcunub unb Jrägbeit einfinben, ba indbe-
fonbere bei Dein macbjcuDeu Unfun ber ©emeinbe
bie ludberige regelmäßige Slrmenfüriorgc (Map. 2,45.
4, 35) auch gro&ere Sdnoierigfeitcn mit fiel) brachte,
fo ball baburch mirfüd) mambe Scrfcben oorgetom-
men fein mochten.
6 d erhob f ich ein SOturineln, ein STOurrcn
ber Unjufricbcnhcit cvft leifer, bann immer lauter,
bei ben ©riedien (.Qellcniftcu, b. b. audläm
bifeben 3 uben) miber bie Hebräer, b. h. bie
in 50 a l ä ft iit a felbft aeborenen unb anfäffigen
3dracliten. Slllerbingd maren and) bie Srfteren
(menigftend übermieaenb) ihrer Slbftammuna
nad) 3 uben, batten aber ihre fteimath in läppten,
Sprien, Mleinafien u. f. m. (Map. 2 , 7 ff.) unb
rebeten uid)t araindifd), fonbern aricchifch
unb batten auch fonft manche frembe Sitten, ®e=
brauche mibSlnfcbauuuaenanaenommcn. Sa rum,
bah ihre SBittmen ie. Siefen ©runb gaben bie
^elleniftcn menigftend ald fBormanban, bie eigcnt=
lid)e Itrjache loar aber mobl eine gemiffe fcboit oor-
her oorbanbene nationale Siferftuht auf bie Hebräer.
Sie tägliche £> a nbre id) u n a ift Die Skrfor=
gung mit ©peife u. bergl.
©ine abfid)tlid)e öintanfebung ber Sludläm
ber aud Stolj (mic es fleh 3 . 5U. 3oh. 7, 35 seigt),
ober gar fcinbfcligcr ©efinuung gegen fie ift natür¬
lich uid>t anjunebmeu, eher ein Mangel an genü-
genDer_ perföiilübet $)cfanntfrf)nft mit ihren
Dürfniffen, ba fie ihren SBobnfife oicllcidn nod)
nid)t lang in 3 erufalcm batten unb man fid) auch
Der pcrfchiebcncn ©pradjen megen mit ihnen nid)t
fo lcid)t oerftanbigen tonnte. Sie SBittmen
gcrabe tonnte Dieb um fo eher treffen, ba fie bci’in
^audoater felbftftanDig bie Slnlicgcn ber gamilie
geltenD machen unb nadnoeislidi oertreten tonnten;
um jo empfiublidjer mürbe eb bann auch oon Der
Partei ber 8 anbslcute empfunben. ©obaun mirb
berietet
b) ber Hergang bei ber 9?iabl ber SKuiofen-
pfleger: Sa riefen bie Bmblfe u. f. m. ©ie
hatten gan* red)t nad) bem®runbfab lSbeff. 5,22
(oergl. 1 6 or. 4, 3), ber ©adje nid)t nur einfach
ihren Sauf 311 laffbn, ober Den fid) regenben Slrg=
mobil ftillfcbmeigenb ahuimcifen, fonbern Dem Uebcl
au Dei'SSursel ahiubclfeu unb bie Ouelle Der Mla=
gen 311 oerftopfen, inbem fie an ©teile ber burd) bie
eiuftmcilen oerdnberte ©ad)lage ungenügenb ge-
umrbenen ©iuridjtung eine neue unb beffere febten,
bie Da3 Vertrauen and) ber Unbcfricbigtcn micbcr
gcioinnen tonnte, ohne auf ber anberu ©eite 3 Ser-
badjt unb Slnftoft 311 erregen, unb barin liegt eine
grobe burd) ben heil, ©eift gemirtte apoftoliidje
23cUbeit. SDJan mellte burch SEbciluug ber
Slrbcit ta'3 ©cfdjäft erleichtern, 3 ugleid) aber and)
bie Slpoftel felbft Oon einem ungehörigen unb babei
bod) febr 3 citraubcuben Sicbenamt befreien. Slber
fie banbclu babei nicht eigenmddjtig für fid)
allein, fonbern tbun ibrcÄnfidden unba3efd>lüffc
aud) ber ©emeinbe funb unb smar ber ganzen
©efammtgemeinbe ( f rb ie 3)?enge ber 3 um
ger u ), nicht alä ob alle(Sin.^elnen ber S>erjannn=
hing beigemobnt batten, fonbern nur bie netlv
loenbige Slu 3 ahl paffeuber Vertreter beiber betbei-
ligten Parteien; Denn maö für bie ©emeinbe
gejdjiebt, feil aud) burd) fie gcfd)eben, oon Slmt^-
büufcl unb ©hrgeij loiffen Die Slpoftel nichts.
SaS SB ort © 01 teS u u ter la f fen u. f. m.
SMSber batten fid) biefe mobl atid> fchon beliebig
pemdhlter ©ebülfen 3 ur Slrmcnpflege bebient,
Kbt brauchen fie aber bie 3 ii eigentliche © te 110 er*
treter, um nicht baS ihnen ia gunädift unb 3 umeift
befohlene (Map. 1 , 8 ) Schrämt alljufebr 311 oer=
finden ober gan 3 3 U ocrnad>läffigcn. Slber ihre
SBabl mollcn fie nicht allein auf fid) nehmen,
fonbern bie ©emeinbe foll aus ihrer eigenen 5D2itte
mürbige SOMnncr oorfd)lagen, bie bann oon
ben Slpoftcln formlid) an ge ft eilt merben Kmm
teu; unb 3 ioar erflären biefc fiel) jener gegenüber
gaii 3 offen über ba^ f ma‘S fie nid)t mollcn unb maS
fiemolleu. 9itd)hoollen rührt aber nicht aud
Süeguemlidjfctt ber, fonbern aud ©emiffenbaftigteit,
meil fie cd oor ©ott nid)t glauben oerantmorteu 3 »
tonnen, unb nod) oiel meHiger aud ipochmutbf ald
ob ihnen bad „Sienen" ald jold'ed 311 gering gemefen
märe, be*eid)nen fie bod) and) ihr gciftlidjcd
Slmt nad)ber felbft (58. 4) ald ein „Sienen."
SJur um fid) für biefed 3 eit unb freie ©aub 31 t
-— -
$onntagfd)ul;j?ehtionm.
161
fcbaffen, motten fle bieftürforge fur’ö 8 eib(idje 3 war ift fie fehr paffenb al3 eine ©hat be3 ©lau-
Slnbcrn überfallen; aber nid)t beut beliebigen Bu= bcu3gehorf arnö gegen ben &eil3willcn ©otte3
fall, fonbcrit einem ftänbigeit 91 int. ©afür in Ghrifto beaeirfmet, weil gerabe bei ihnen ein ftar=
machen üe aber brei SSebingungen namhaft': fer 23illeu3cntfcbluß 311 einem folcb entidjeU
1 ) ein gute3 Gerücht, allgemein anerfannte benben Schritt gehörte.
-Dicdjtfdjaricnbcit be3 Gharafter3 1111 b SBanbcl3, II. ®tepbattttMS>. 8—15): 9ßar ba3 SMsherige
bainit man nid)t Slnlaß habe an ihrer ©reue mtb gleid)fam nur Sinlcitung unb S3orgefchichtc für
3uverläfiigfcit 31 t awcifelit, fonbcrit fie Gebern ben Bericht über Stephaitu3 „al3 beit leucbtenbften
volle3 Vertrauen einfl 6 ßcn (l Stint. 3, 7); 2 ) voll Stern in jenem Siebengeftirn ber Sllmofenpflcger,"
heiligen ©eifte3, alfo auch voll warmen fo beginnt nun erft bic eigentliche &auptgc=
Gifcr3 für bie Sache, nicht parteilicher SSorlicbe fdjichtc, bie Sraählung Pont erften cbriitlicbeit
für einzelne fßerfonen, unb 3) SBei3heit, SMärtprer, ber mm für eine Beitlang fo febr in
b. h. bie ©abe f ihr 9lmt praltifch ait 3 ugreifen unb ßintergrunb tritt, bah felbft bic Slpoftel hinter ihm
fegcnärcich 3 tt vcrivaltcn, W 03 U noch mehr al3 ber verfd)winbeit. Bucrft fehett wir:
bloße „gute SBille" gehörte ober gar nur ein „gute3 a) feine g ci e g 11 e te SS i r f f a in f ci t nebft
Sera." Offenbar ift alfo ihr 8 lmt bon vornherein fm^cr Schilberung feiner SScrfon unb feines ($haraf=
nicht auf3 bloße 9llmofcngebcn bc)cbranft, fottbern tcrS: SS 0 11 Ö l a u b c 11 3 1111 b Äl r ä f t c, wie
umfaßte auch bie Scclforge bei ben SSctrcffcnben. fchon SS. 5 von ihm gerühmt batte. SBo ber heil.
SBtr aber tt. f. w., naebbent un3 fo Beit unb ©cift unb ber lebcnbigc©laube ift, ba fehlt cs auch
ffraft ungcfdimälert für uitfcrcn Hauptberuf ge* nicht an allerlei ©nabengaben unb befonbern Straf*
laffen ift, wollen ihn nun auch mit befto ungetheil* ten (vcrgl. 4, 33).
tcrer Hingabe erfüllen, unb amar itad) feinen beiben ©ie SSunbcr ttitb große Beiden ver*
Sauptfeitcn: ©ebet unb SSrebigt, wobei richtete er ohne Bwcifdaunädift tu Slusübung fcincS
oa3 Srftcre al3 ba3 SSicbtigfte abücbtlid) voran- 9lmtc3, in ber Sßflege ber Slrmcu, firanfen unb
fteht unb bcibc3, bie Fürbitte für bie ©emeinbe wie Sleitben, wo ihm Gelegenheit genug gegeben war,
ben pcrfönluhcn Umgang bc3 SSrebigcr3 mit©ott in mancherleiSioth biitciit 3 ubliaen, wo feine ivbifche
umfaßt, wobiirch er felbft erft von oben fdjöpft, Hülfe au3rcid)te unb ie treuer ttitb gewiffenhafter
was er prebigenb itad) unten mittbcilt. er e3 mit biefem feinem eigentlichen SScruf nahm,
Unb bie Siebe tc. ©er SSorfcblag gebt befto mehr tonnte ©ott ihm auch noch ©rößerc3
alfo awar au3 von beit Slpoftclit al3 bcfcblicßcnbeit, gewähren nadj bent ©runbfaß 8 uf. 10,16 unb ihnt
übcrBwecf unb Umfang, ©ragweite uitb9Sorau3= neben bem ge ift liehen Slnit auch leiblidje
fcfemtg be3 neu 311 ftijtenbcn 91 inte 3, wirb bann SSuitbcrfräfte an vertrauen, bic ihm awar fdmit
aber ber©enteinbesurPrüfung unb Sinnahme burch bie apoftolifd)e Haubauflcgung al3 befonbere
übcrlaffcn mtb leßtever auch bie SBahl ber einacliteit 9lmt3au3rüftung mitgetheilt ivarcit (SS. 6 ), aber
SSurfouen übertragen, ©iefe waren iebenfall3 bodj auch wieber erft burch feinen eigenen©laubcit
au3 beiben betheiligten SSartcicn genommen, viel- gemedt (2 ©im. 1 , 6 ) unb in ^Bewegung gefeßt wer*
Icicht fogar numerifeh gleich vcrtheilt, bic brei erften ben mußten. Obwohl felbft fein Slpoftel, thut er
etwa beit öellcniften, bie brei nädiften ben Hebräern bodj ohne eiferfüdjtigc Sinfpradje ber 8 cßtcreit bic*
unb berScfetc beiben augleich ungehörig, fofern er fclben SSuttber wie bic Slpoftci ($ap. 5, 15. 16)
awar nad) ©eburt unb ©eintath au3 ber Sfrembe unb rebet auch hernach mit bemfelbcn ©eiftc ber
flammte, aber al3 ^ ut> engen off e ober fog. 2Bci3hcit(SS. 10 ), ber3citcit verheißen iiiibgefd)cntt
»SSrofclt>t ber ©eredjtigfeit" vodftäubig bem S3olf worben war. 63 folgt nun
Israel einperleibt war. ©a alle Sieben g 1 1 e* b) feine grimmige 91 n f l a g e: Unb
db i f dj e tarnen tragen, fdjeint man ben murrcitbeit ft a n 0 e n a u f tt. f. w. ©urch Sßcib ttitb 332iß-
fcelleitiitcn entgcgcngcfommcn 311 fein, inbent man gunft getrieben wegen feiner bervorragenten ©hä-
lautcr 8 eute nahm, bie ihnen an Spradje unb 3n* ttgfcit unb ber ihm burdj SBunbcrfräfte unb bcfoit-
tcreffe am nächftcn ftanben. bereit ©aben ber Grfcnntniß unb Diebe Aiithcilcjc-
SSon @tephanu3 ift im folgcnbcn Slbfdjnitt, worbeuen SlwSjcidmung, wohl aber auch auglctdj
von SS hi li PP n 3 Äap. 8, 5 ff., 26 ff. unb 21, 8 ff. au3 Surdjt, bic ©emeinbe möd)te ftch noch weiter
nod) bie Diebe, bic anbein finb unbefannt. ©ie au3brcitcit unb in beut Streben, bie3 möglichft 31 t
eigentlicße Ginfefcu 11 g in’3 9lint unb bic Sßeihe verhinbern. ©tlicbe von ber Sdjuteu.f.m.
für baffclbe gcfdjieht nun aber wieber burdi bie SBahrfdicinlidj hotten bie nadihcr ©enanntcit alle
9(poftel felbft burd) ©aitbauflegung (1 SDiof. ie Sine (befonbere) Smiagoge in Serufalcm, wo
48,14) unb ©ebet über ben Srwähltcn (13,3), e3 imSanacit 480 gegeben haben foll, möglidjcr*
um bie ©abe be3 heil. ©eifte3 ihnen noch gana be= weife gehörten aber auch bie brei Srftcn aufam^
fonber 3 für ihr 91 ntt (4 S)iof. 27,18) 311 erflehen men 31 t Silier unb berf eiben Sdntle. ber
(vergl. 8 , 15 ff.), wenn fie fie auch für ihre SS er- r ö in i f d) afrifanifdien unb bie awei Seßten ebeitfo,
f 0 n bcrcit3 hatten. Snblid) wirb aud) noch fur^ aur g r i e d) i f d) afiatifdien.
c) ber Srfolg unb Segen ber neuen Sin- ©ie Sibertiuer finb bie namcntlidj unter
ridjtung erwähnt: ©a3 SBort ©ottc3 nahm SSompcjuS nadj Dioin gcbrad)tcn, nadihcr aber wie*
311 an 9lu3breitmtg, tnbem biefelbc vor Slllem bei- ber freigelaffcncn frieg3gefangcnen?liibenunbbercn
trug 3 ur©cfd)wichtigung berbrohenbenSntaweiung Diachfommen, bie fpäter großcntheil3 wieber in ihre
ber ©emeinbe unb aur Srwcdung cinc3 befferen unb alte ©cimath aurürftehrten, theilweife aud) in Dient
fricblidiercn ©innc3 in ber Sinigfcit bcs ©eifte3. Ttd) anficbcltcn (ffap. 28, 17 ff.); S vre ne in
©ie SScfehrung vieler SSrieftcr ift befonber3 Obcrfvrien unb 911 exa 11 bria in Sgvpten ivaren
licrvorgehoben, weil bics bi3hcr itod> nid)t ber Jyall fehr ftart Von jubelt bevöltert, ßvltcien, eine
gewefen, ießt aber erfüllt ftd) aud) 3ef. 53, 12 ; unb Sßrovina in Älcinaficn, au bereu Sdjule auch ber
12
Digitized by v^ooQie
162
SonHtagf^uUfehtionen.
bort, in Jarfu3> geborene Vau(u3 (7, 59) gehörte,
unb 91ficn bet meftlite lüftenftrich 33orberaften3.
U n b befragten i i d) (bi3putirten) mit S te=
h a n u3, um ihn burrt) allerlei fpifefinbigeStreit=
ragen über reügiöfe Dinge in ihr Sieh ju sieben,
mie cinft ben ©errn 3e[u$ felbft. 91 ber alle bieje
Umtriebe halfen nichts, beim ber (Seift 3*1« ßbrifti
mar nach feiner Vcrbei&ung öuf. 21 , 15 auch in
Stephanus mirffaut unb felbft bie ©egiter mufsten
meuigfteu3 anerkennen, bafj eine |old)e ,,geiitige
SRacbt" ba mar unb mirfte, auch menn fie fte nicht
al$ ben heiligen (Seift kannten, habet e3 hier
auch blo3 „(Seift" beiöt. Sie tonnten ibut mobl
miberfpreeben, aber nicht miberfteben unb
menn fte amt ooit feinem Beugnifj ber iliabrbeit
nicht überseugt mürben, fo mochten fie bot fiel) nicht
meiter mit ibm einlaffen; naben aber bennoit ihr
3 »el nicht gan$ oerloren, fonbern greifen, mieber
gans mie eiitft bei ßbrifto felbft su ben flcifcblichen
SBaffeit ber 8 üge, meil fie mit ben geldlichen ber
SEBabrbeit nicht3 erreichen fönneu.
Die 9lu3fage ber offenbar ooit ihnen beftellten
unb beimlifcher ffieife baut oorbereiteten SRäuuer:
9Bir haben ihn gehört x. erinnert gleich*
falls an eine ähnliche ränfeoolle 'Behauptung gegen
beit ©errn felbft (oergl. üSatth. 26, 61; 27, 40)
unb follte, gcfiiffentlicp in ber ganten Stabt per*
breitet, baut bienen, fomobl bei’in 33olf Uitmiüen
gegen StepbanuS su erregen, al3 amt bie ätufmerf*
Jautfeit beS ©otoerrath3 auf ihn su lenken; meil Re
feiner Sache nichts anbabeit fönnen, mollcit fie
menigftenS feiner V erf on fitabeu, aber mit©ülfe
Äuberer, um nicht ihre Stachfutt blo§suftellen unb
fleh felbft su gefährbeit.
3hrc 9tbfitt mirb erreicht: Sie erregten
b a 3 33 o l f su einem Aufruhr gegen ihn unb bie
91 e 11 e ft c n tt n b S cb r i f t g e l e b r t e it, alfo
bie 3Ritglicber be3 SpnebriumS 311 m amtlichen 6 iu=
ftceiteit unb Abhaltung einer au&crotbeutlicbcn
©erittSfiöung. Unb riffen ihn bin, att3
beut oou ihnen felbft oeranftalteten 33olf3getümmel
führten fie ihn iit’3 ©efänguijs, mobl naebbent fie
fit htesu auSbrucflit hatten 33o(lnncht geben laf-
feit. 9U3 Auflager bei’rn ©dicht erfteinen babei
biefelbeit fall eben Beugen mie 33. 11 .
Diefer 98 e n f et) (oeräcbtlit) hört n i 11
auf k. Schon oou 33ornhereiit ift nitt mahr-
fteinlichf bafs ein 98aitn ooll ©laubenS unb heil.
®eifte3 (33. 5) basu ooll ©nabe unb 2Bci3heit unb
unbefcbolteneu 9tufe3 fich fomeit füllte oergeffen
haben, e3 unabläffig su feinem eigentlichen ©efchäft
ju machen, in läfternben 93erläumbungen gegen ba3
3 ubenthum, beut er hoch felbft früher angehört
hatte, feinblit aufsutreten, ia fogar frech gegen
9llle3, ma3 einem frommen 33raelitcn ba3©eiligfte
mar, su ftelbe su sieben, mie beim aut feine gaitse
Spätere 33ertbeibigung3rebe ($ap. 7) ba3 gerabe
©egentbeü eine3 folcpen 3ranati3mu3 seigte. 9lbct
auch bie oou ihnen sunt Bemei3 oorgebratten an=
gebliten eigenen Weiterungen be3 Stephanu3
felbft: 3 e f u 3 0 0 n S2 a s a r e t h k. märeit ie=
beitfalB blo3 0 c r e i it s e (t e SBorte gemefen unb
bemiefen fontit menigftenS fein beharrliches
Sichauflebnen gegen ba3 Subenthum unb trugen
noch oiel meuiger eine Spur oon leibenftaftliter
Schmähung beffelben an fit* 98ag fit aut oiel-
leicht ihre Beftulbigung an irgeitb etma3 Jbat=
fätliteS, übereilt ober mifjoerftänblit ©efprod>c-
ne3 angelehnt haben, fo mar fie iebenfallö grell
übertrieben unb abficbtlit entstellt. 3 m ©egcit-
tbeil seigt oiclutchr ihre eigene 9lu3brucf3-
meije „b i e f e r 3 c f u 3 0 0 n 92 a s a r e t b," bie
fte ibut in ben 98uitb legen, mährenb er felbft
fiterlit fo fich nitt auSgefproteu haben kann,
einen bitteren Jon be3 SpottS, unb ba3 „9len=
bern bie Sitten k." ift fogar eine grobe
ölige,-beim bi3 iefet hatten fiel) bie ßhrtftcu not
gans an bie ©ebrämhe unb Övbimugcn ber 3 ubeit
unb ihve3 ©efefceS unb ©ottc$bicnfte3 gehalten.
Die Stellung be3 SlephaituS mar fiterlich gans
bicfelbe »oie bie bes VatiluS (bla p. 25, 8 ), bie er
Später gleitfallS gegen einen gans ähnliten Vor*
murf su oertbeibigen hat (Äiap. 21 , 28). (inblit
ift aut not bie Siebe oou
c) - f e i 11 e r h i ui tu l i f ch e n 33 e r f l ä r u it g:
Sic f a b e u auf ihn mit gejpannter ßimar*
tuug, ma3 er auf bie ftmeve Auflage enoibern
merbc, baoou er ja in ihren Slugcn ftou fo gut mie
überführt mar, alfo mohl aut mit einer gemiffcit
Stabenfrcube 1111 b in ber Stillen Hoffnung, fie mer-
ben etma3 oen 9lngft unb Streifen, 92athlofigfcit
unb Verzagtheit, i]orn unb 3ngrinmt fehen; aber
im©egeuthcil, fcinSIngcfitt ftrahlte ihnen entgegen
m t e c i n c ö © 1 . g e 13 91 n ge f i 11 , nicht nur
lmtn 9lii3biucf männlichen 30?uthc3, fiegreiter
geifterung unb heiliger ©cuiütbäruhc, ba3 fit bar-
auf Spiegelte, fonbern übcrgofjen oon einem himm*
liftcn Öitt al3 SlUbcrftein bc3 auf ihm ruhenben
©eiftc3 ber ©crrlitfcit (1 fßetv. 4, 14). ©r, ber
ber Öäftcruug 9)2ofc3 angeflagt mar, scigt aut jene
Klarheit be3 9liigefitt3 9)2ofe3 (2üOcof* 34, 29 ff.),
etu £ctvcth für bie Sahrbeit oou 2 6 or. 3, 7. 8 ;
Souitt., 18.50lärs. 9lpoftelg. 7,54—60; 8 ,1—4.
2>er erfte djriftlidje SWärt^rer.
I® ärfiti ttwb Step|anu3 (7,54—56). Da fte,
bie 9)2itglicber be3 ^pohenrath3, Sold)e3 höre*
teit, uämlit bie lepteu SB orte ber ooraugeheuben
92cbe be3 Stcpbauu3 1111 b bie bort 33. 51—53 ati 3 -
gefbroebeneu 3Jormürfe, ging e3 ihnen burd)3
©ers, aber nitt mie bovt£up. 2 ,37 sur (Snocdimg
aufrittiger 93ufie unb tebenbigen @laubeu3, imb
fontit sur göttlitcn Jraurigfeit (2ßor. 7,10), fon¬
bern mic Äap. 5, 33 nur sur meiteren inneren 33cr=
ftodung unb 33erftärfuug ihrer 3Buth, fo bafe fie oor
3 ont unb Verachtung bie Bähtte su laut me n -
bei fien (pgl. $f. 35,16. 37,12), menn fie aut für
ben 9l«genblicf nod) nicht magteit mit offener ©c-
malt miber ihn einsuftreiten. Sah er auf gen
©immel, bulbenb unb glaubenb, betenb unb
hoffenb gegenüber oon all ihrem milbeit ©rimm.
33 01 ( heiligen ©eiftc3 mirb feine Seele
gerabe im 9(tigcnblid ber hötftcn ©efahr unb 92oth,
erfühlt jefet lebenbtger.al3 ie s.u feiner Stärkung
feine Äraft unb feinen Veiftanb im ©ersen.
9lufu'ärt3 blieft er uat ber Stätte ber emsigen
nod) möglichen ©ilfe unb Rettung (ogl. Vf. 121 , 1 );
mie im Bttftaub berßntsücfung (2ßor. 12,2. 4) ift
auch fein leihüd)e3 9luge aufierorbcutlichermeife
Digitized by-— )Ql0-
Sontttagfdjul^ehtionetu
163
Befähigt, über bie gemöhnlicheit ©dwmfen be§ iv-
b i | d) c n ©efid)tefmfeS bcu ß c t ft i g c n 33licf beS
©laubcns binaiifbeben 311 fön neu bis 31 U» bimiiw
iifd>c 11 Sid)tglait 3 ber i>cvrlicl)fcit ©ottcS,
mo bicfer felbft uitb mit ihm ber aufevftaubeuc unb
Mrflartc Öcilanb mohnt unb thront. Sonft ift ge¬
wöhnlich uem einem Sifeen bcrjelbeu bic Mebe,
hier abfichtlid) von einem Stehen; ieneS ift Sad)e
beS Königs unb Stichtag, biefeS bes Kämpfers unb
&elfcrS, bev für fein verfolgtes 4>olf fiel) erhebt,
gerabe in bem Slugenblid, mo eS 311 m erften blutigen
SDtärtprerthum geht.
II. &tet>ft*nug mtb (7,57—60). © i e
febrieen aber (aut, um cS uninöglid) 311
madien, ba§ er noch mciter rebe unb hielten
ihre Ohren 31 t, um feine SB orte menigfteuS
nicht 3 U hören, in benen bereite ein erfter Sviuutph
imbSicgeSruf über fie fuitb mirb; unb ftießen
ihn 3 ur ©labt hinauf, um ihn bort au&cv=
halb berfclben 3 u fteinißen, mie and) fein SMeifter
fe(bft außerhalb ber ©tabt gefreu$igt mürbe; viel^
leicht gefchal) eS bureb baS itadmtalS feinen Manien
tragenbe fog. ©tcphanSthor, int Olten ber Stabt
ßcßcu baS Äibronthal hinauf.
©eine Sßortc fteißcru a(fo nur ihre Seibenfchaft
noch inehr, beim fie scigen ihnen, mie ber non ihnen
verworfene 3efu3 bod) wtrflich ber nun erhöhte
wahrhaftige ȆZeffiaS 3Srae(S ift, unb nun erfolgt
her lebte gewattfamc SluSbruch, inbem fie nicht ein¬
mal mehr ba$ Snbe ber ©crichtSverhaitblung unb
bie gälluna be$ UrtheilfpruchS abmarteu, fonbern
einen 93otfeaufflaitb erregen unb ihn unter bcin
Stoben unb Samten beffelbcn sur ©tabt hinauf
bräugen.
©in Stecht 3 ur eigenen ©ollftreduug ber StobeS=
ftrafc hatten fic befanntlicb nicht mehr ( 3 oh. 18,31);
cS ift alfo ein St ft millfürtidjer SBolf^tuftis, freilid)
meinten fte felbft tn blinbein Sifer eine (Sott ge¬
fällige Jhat gegenüber bem ©otteSläftcrcr gethan
311 haben.
$)ic 3eugeit (biefelben natürlich mie 6, 13)
malten nach jübifchent ©efefe ben erften ©tein auf
ben Slngeflagten merfen (3*>h.8, 7. 53)iof. 17, 7),
beShatb legten fic ihre (Ober=) ffleibcr ab,
bam.it ihnen biefe babei nicht binbertich feien. © a u=
luS mar vielleidH alS Stbgcfanbter beS J&ohenvathS
augegeit (22,20). $erv 3 cf n u. f. m., merfwür*
bißiit einmal, ba|, mährenb StcphauuS in fci=
ner aamen oorangehenben Siebe ben Mauten Ghvifti
felbft nid>t nennt, obmohl er ihn unaufhörlich ge-
ptebigt hat, alS ben Manien, in bcin allein alleS
$eil 311 finben ift (4, 12 ), ihn nun aurfi wirflid) auS=
bricht unb fid) fo mit beut Mauten gtiglcicB and) tum
©laubeit an bie maluhaftige unb mefentlidw ©ott-
heit feineS SträgerS befenut, beim nuriu®ottcS
föänbe allein famt ein ©laubiger ftcvbcnb feine
©cele befehlen, unb fobann bie völlige lieber-
einfttmmung biefeS feines letten SBorteS mit 3cfu
lefetem SobeSntfc felbft (SufaS 23, 46; pgl. $falnt
31, 6 ).
3 n ben SBorten „fdivie taut" ift ber game
ftraftaufwanb feines ffllaubcnS unb feiner inbrfm*
ftigcu Siebe auSgebrücft, bic ihn auch auf bie .ffnice
niebertog. ‘Dergleichen ftimmt and) feine lebte S3itte
für feine SVeinbe gam mit bev Fürbitte bc3 ©ervn
am Ifreus überein (Siif. 23,34) unb fchon S( u g 11 ft i n
hat barauf aufincrffam gemacht, meld>e tftud)t fie
trug, loenu er fagt: 㣊tte StephanuS nidit alfo
gebetet, jo hätte bie jfirdje nimmermehr einen ^}au=
lu3 befommen;^ unb ähnlid) ein aitbcver alter Slu3*
leger: „fauiit liegt bev elfte 3eugc tobt unter beit
©teinen, jo ift ber 3 meitc fchon in bev SOiache."
(S-utld)ticf er, abfid)tlid) bc 3 cid)iiet Sufa§ fei¬
nen &ob mit biefem äUort, ba3 fo gar nicht auf fein
blutigcb CSnbe 311 paffen fdidnt, um su geigen, ba|
eb benned) tiefe aücv ©vaufamfeit feiner Jycinbe ein
fanfteb, ftillee unb feligcö gemefen fei, unb ev buvch
feinen ftaubbaften ©lauben unb bie@ottc3fraft ber
©itabc bennod) aud) im ©fliegen uod) herrlid) ge=
liegt habe allein feinetMameuö (Stephanu3 =
Ävone) müvbigcv ©clb. ©atilub aber (alfo ber
fchon 7, 57 ermähnte Jüngling) hatte 2B 0 h l =
gefallen jc., eigentlid): ftimmte ihm bei, mar
gans bamit einoevftanben ( 3 oh. 16, 2 ). S>on hier
ging e3 aber mit ihm halb nod) meitcv obmäitö:
Äap. 8 ,1. 3 ift er bereits ein Verfolger bev ©hviften
gemevben, alfo von bev ftillcn ftveubc unb bem tutifei^
gen Bufcheu juv thätigen 3)c itmivfung fovtgcfchrittcn;
fein ©oblgcfallen ging alfo tiefer als bloS bis 311 t
Sbcfricbigung perfönlidicn $affcS, mie eliva bei ben
Slnberen, bic nad) gefdiehcnev Steinigung ivahv=
fcheiulid) fidi gufricben gaben, 3 ugleid) ift bgmit
aber and) angc 3 eigt, bah er StephanuS befiev per«
ftaub unb richtiger tasivte, alS bie anberen alle: et
erfanntc gam mohl, mie ocrgcblich cS fei, mtvbiefen
©inen l e i b l i ch 3 U tobten, loenu in Slnbcven fein
©eift bod) fortlebe, unb fo bvadite er cöbahin, baß
ttod) am glcidien Sage ( 8,1 mövtlich: an icnentSagc,
nid)t bloS: 311 ber Beit) fid) eine graufame S?er=
folguug gegen bie ©cuieinbe erhob, ber man bisher
blcS mit Scheu entgegen 311 treten gemagt hatte.
III. ©iiuluK nuPbie^enteiube (8, 1 —4). ©ine
gr 0 fie SSevf 0 (gu 11 ig buvch bie mm miebet in bie
Stabt 3 uiütfgefchvte SSolfSmeugc, »reiche bie ohne
Bu'eifcl an ihrem gemöhnlidjen SSerfammlungSort
im ©ebet vereinigte ©emcinbe überfiel unb geioalt^
faut auScinarberjagte. Unb fic aerftreuten
fid), namentlich in golge bev meiteren Schritte
(5>.3), alle, alfo auch bie übrigen 6 Sllmofcns
Pfleger (6,5), ohne bie Slpoftel: nur fic allein
verliehen 3erufalent and) iefet nod) uid)t, benn bic
rechten Wirten halten auf bem Sßvftcn auS, and)
menn bie beerbe felbft auSeinanbcr läuft; fic bleU
ben ftchen glcid)fant alS bie lebten chvmürbigen
©äulcnrcftc beS 3 erftörtcn ©otteStcmpelS.
3n bie Sänber (Sanbfdwiftcn) 3«bäa unb
©amatia flohen fic suuäd)ft, nid)t bloS alS ben
nächftlicacnben nach bev aiiSbrürflidjen SBcifuug bcS
©errn (SMatth. 10, 23), fonbern auch nad) beut
Sftathfchlufi ber göttlichen SSorfchung, um iefet fd)on
ben Uebergang bcS ©vangclimnS von ben 3ubcn 311
ben Reiben vovtubcrcitcn (vgl. 14). ®icfc noth=
iveubige ©ilc ihrer B*lud)t verhinberte and) bic ©c^
mcinbe felbft an ber SJcftattinig bcS StcphanuS.-
®ahev b e f d) i cf t c n ihn g 0 11 c S f ü r d) t i g e
SMänncv auS ben 3«ben felbft (vgl.2,5), bic
eS nicht mit ber aufgeregten SWengc hielten, fomenig
alS bie tmei SMitglieber beS SmicbviumS, bie 3efum
felbft begruben (MicobcmuS unb 3vfcph von SlrU
mathia) mit bem übrigen .ftohenratb.
Sie umreit alfo in Sßahrhcit gottcSfürditig
unb Mtänncr, bie rnuthia ©oti mehr fürchteten
1111 b ihm gehorditen, alS SMcufdicu, unb bei benen
bie frühere fviebluherc ©cfimtung gegen bieGhriften
Digitized by v^ooQie
164
jlu Haufe.
(2,4/. 5,15ff.} nod) fortlcbte» im ©egenfafe au beut
finftevcu pbarifäifcbeit Weift bei SaultW unb beit
übrigenSeilten am* bem .'pobenrath. (Sine groftc
(&’id)en=) $lagc, ttad) bem Vorgang von 1 iOtof.
50 f 10; e3 beweift bie$ icbenfallo ben tiefen Gitt-
bruef, ben fein gottfeligcr ©anbei unb fein feligeä
Gnbe auch auf fic al3 unparteiliche Beugen gtmadrt
batte. _
3tfftovtc bie ©euteinbe, inbem er in Seinem
fanatijehen ßtfer alle3 aufbot, um ihre (Stiftern in
rjerufaleut unmöglid) au inad)en. (Sr befebränfte
ftcb nid)t mehr bavanf# Sie auf öffeittlidjer Strafte
G.tfiugreifeu, jonbertt brid)t mit ©ewalt in ihre
■eigenen Käufer ein, wohl in Begleitung oon ©e^
riebtebienern, bie tbm bet öobcratb baju bewilligte
(26,10) unb bcmäd)tigt fid) ebne Uuterfdneb 9111er,
bereu er babbaft werben fanu, um fie aunädtft in
Untersuchungshaft au bringen, bis baoSobeburtheil
über fic gefprod)cu ift — ein rütffid)tslofes unb belüg
ungeredrtfertigtes Vergeben gegen frieblid>e Bürger,
bas aber bereite bas genaue i>orbilb be3 Späteren
Verfahrens ber 3 n <! u i j i t i o n geworben ift. ® i n=
gen um, ttämlid) von tineui Ort aum anbern,
nid)t sufriebeu mit ihrer eigenen augenblidlkben
Rettung unbSidierbcit, fonbern begierig, bem ihnen
hierburd) ju Sheil geworbenen göttlichen ©iitf au
folgen unb baS (Soangcliunt auch über bie ©rennen
feiner bisherigen Verfünbigung hinauf weitet 311
verbreiten. — ,,©aä SMut ber Slßärtprer ift ber
Same ber Äirche."
lui
®ou einer
(Srjifljmtg. (®te (Sntfchiebenbeit ber
SDluttw.) ®a3 Mbeitbeffeit oerfpatete fich in ber
©obituug bc3 £>errn SÖlcrwin in fflofton. fyrau
SOierwitt faft beim Steuer unb wartete auf bie Burüds
funft ibre3 äßanneS oom ©efebäft. ©illie unb
9lnna fptangeit wilb imBiututcr umher, warfen bie
Stühle um, weld>e ©cfabr auch leiber ber gebedten
Safel brohte.
„Sflubig!" rief $ratt 2Rerwin iu’3 3immer hinein*
„9litna, offne beinern 3Sater bie Sbür unb ©illie,
rufe baS ußabdjen."
„©er Vater hat einen 9}ad)tfdjlüffel, unb fattn
bie Sbür felbft offnen," fagte 9(nna unb fiel über
ihren trüber her, welcher ein Stüd Spieljeug Pott
ihr batte.
Gmnfibet trat $ert 9ßerwin ttt*3 Bitnmet unb
fe^te fid> au’3 Reiter. Salb folgte baS äßäbdjen
mit geröftetem Srob in einer &anb, unb in ber
anbern einen Sopf voll Oiabm; bie Äfinbcr Por Un¬
art faft auftet fich, liefen gegen ba3 2ßäbcben, wcl=
cbe3 baburch fein ©leicbgcwidjt perlor, unb ba$ ge=
*öftett Srob auf bett Seppid) fallen tieft. Graürnt
ging ftrau 3)Jerwiit unb gab ben tfinbern Serbe
Ohrfeigen. „So etwa3 habe ich noch nie gefebett!
^br feib gewift bie fcblimmftcn fiittber, bie e3 giebt,
Jibr feib eine wahrhaftige Slagc! 3ch wollte ihr
wäret beibe meilenweit entfernt! ?$cb faittt e3 nicht
begreifen, wie c3 tommt, baft ich fo böfeßinber habe,
©eh* iefet an ben CXifcö unb fcht nt/ baft ihr euch gut
betragt. Jibr mad)t c3 eurem Vater gewift Sehr att^
pvitehm, ber ben ganten Sag für cudj arbeitet unb
jefct heim fommt, unb finbet baS £au3 in einem
foldjen ©urebeinanber, ba$ Gffen perborben, ben
Seppid) ruinirt." EO?it btefett SBorten trieb fie bie
ft'ittber att ben Sifcb. G3 waren wirflid) fchöne
fi'inber, nur etwa3 blaft unb fcbwädilicb; aber ieftt
— mit einem zornigen finfteren 65cficbt unb ttnge=
tämmtem ©aar, machte ihr 9lu3feheit einen böchft
uubefriebigenben Ginbrttd. Sie festen ftcb hin unb
afien ohne ein ©ort nt reben; fo auch bie Gltcnt.
Gnbticb fagte fyrait 9)?erPin: „©illie, ift nicht fo
piel Pon biefent fiud)wt, ift and) etwas 23rob unb
a u ft,
$an£fr*it.
Suttcr, unb btt 9lnita, follft nicht fo Piel Süfteb
effen, bu baft iefet fdwn mehr, alo bir gut ift."
„Srob unb Sutter fduueeft mir nidjt," enoiberte
ffiillie int mürrifeben Sott, „unb toa3 tnii nid)t
jebmerft, fanu id) nidit effen." Unb Slitna, ohne
thre 9Mittter einer Antwort su toürbigen, aft pon
bem Gingcmadttcn, bi3 nid)t3 mehr ba war.
©er 9lbenb perging fo uitheimlid), wie er begann.
9cacb bem Gffen ging c3 an ben Süd)ertifd), ba bie
ftittber ihre Sd)ttl ^ Öefttonen für ben nächftcn Sag
ju tnadjen batten; aber fic faften unruhig ba unb
waren aoritig gegen einanber, unb ber 35atcr, nach 2
betn er pergebiid) oerfuebt batte, eine halbe Stunbe
au lefett, legte bie Bettung bin unb feftte fiel) tief
feufactib att’3 geuer.
„SKutter," frug ©illie, „wo liegt Surin?"
„Otdj weift e3 iefet gerabe nid)t; fliehe c3 auf ber
ffarte auf."
„^d) fann ttid)t; e3 Sinh eine fold)c 5Kaffe Heiner
ÜRameit barauf, unb wa3 mehr ift, id) werbe cö nid)t
thun. G3 macht nichts att3, ob meine Seftiou and)
fehlerhaft wirb, id) bin tefet fo weit unten in ber
filafic, baft ich gerabe fo lieb bort bin, wie fonftuw."
„Whttter, ift „gut" ein Gigenfd)aft6= ober ein Um«
ftanbSwort?" frug 9lnna.
,,©ie folftc id) ba3 wiffen? ffannft bu ba3 nicht
in oer ©rammatif lernen?"
„9ceiit, ich fann nicht," fagte 9(nna*.
„©aitit ftubire beine Sücher, unb bcläftige mith
nicht immer," fagte bie SButter.
©ie Sftchcr tourben loeggelcgt. G3 war neun
Uhr» bie fiinber oerlicften baä Bintmer unb gingen
au Sett. 9litna flagte über ftopffchmeraen uttb fd)alt
©idic, weil er ihren ©la$oogel aerbrochen hatte.
9?achbent bie Gltern eine halbe Stunbe bafaften,
ohne ein ©ort au reben, wattbte ßerr SScrwin fid)
au feiner 5?rau, loclche aut Sifd) faft unb ihr ^paupt
auf ben Slrnt ftüfete; bie Näharbeit war ihr atio ber
©aub gefallen.
,,.Oele»e," fagte er, „warum betragen unfere Sin-
ber fich fo? !3d) wüitfd)e eine angenehme, freunb=
liehe, ruhige ©eintatl). baute bicfcä ©atto unb
Digitized by v^ooQie
Ju Hauff,
165
ließ e3 pracfttooll au3ftatteu, id) oerforgc eud) mit
altem auf’3 Riefte unb benttod) finb mir ftöd>ft utt=
glüdlid). Uub e3 fommt aüe3 burch bie ungegogenen
Hinter."
5rau üRcruuit fdjautc ihren $DJann ctma3 un¬
willig au. „©eitn bie Hinter bofe fiub r ift e3 nid)t
aud) theilioeife beine©chulb? ©uchft bu Re gutn
©chorfam anjutciten, wie bu foüft?"
„©ie famt id)," ermiberte er, „bin id) nicht bcn
flauen 2ag au ber ?Crbcit? Sott ich bie turje 3eit,
bie ich gu meiner Srbolung übrig habe, nod) oer-
wenben, mn biefe unartigen Hinter 31 t erdeheu?
©ie lieben mich ie^t khon wenig genug, höre höd)ft
jetten ein frcunbti^e^ ©ort bon ihnen, unb tuic
märe c3 noch, wenn ich ben $lbeitb im ©ebclteit mit
ihnen gubrächte. ©eitern $lbenb ging ich nach ©aufe
mit ©errit ©efton (nnferem alten §reunbc); ber=
fetbe ift jo bejehäftigt, mic id), unb bie (Srgiehung
feiner fünf Hinter liegt gang allein feiner grau ob;
aber meid)’ ein.Unterjdiieb, Helene! freute unb
©lüd ftrablte au3 bcn @efid)tern, jo intelligent, jo
licbeooll gegen einanber, jo ruhig uub gehorfam
gegen bie ©Item! 3 ch hatte Hoffnung, fotoerben
meine Hinter auftoachjen, aber tiefe Hoffnung ift
längft gejeheitert; ie älter fie toerbcu, ie fchltmmer.
3<h mfiniche, baß bu ihnen $lbenb ein anbcrc3 3im=
mer giebft, ich mag fie nicht mehr um mich haben."
Sachtem ber Vater jo gcfprod)en, ging er tief feuf-
jenb auf fein ©drtafgimmer.
ffaum war er fort, jo brach Sran 9Hermin tu hef=
tige3 ©einen att3. ©ie mar bi3 aur’3 3nncrfte er*
fchüttert. Sie bemitleibete fiel) felbft unb toar er*
sürtit über ihren 9Kann unb ihre Hinter. „3ch mar
erft Rebengclm ^ahre alt, al3 idj einen SRaitit hei*
rathete, ber üiel älter toar als id) unb be.shalb auch
oiel oerftänbiger; unb tote foitnlc.er ertoärteit, baß
ich oerftänbe Hinter gu crjiehen, ba ich felbft ein
»ergärtelteS, oergogcne3 unb halbgebilbcte3 'üRäbchen
war? ©0 feilte ich /Ut tiefer großen Arbeit bie noth=
wettbige Selbftoerläugnmtg unb 9lu3bauer her*
genommen haben? Sollte e3 ertoartet mürben, baß
ich alle meine iugeitblicbenJyreubcn für aitbre opfere?"
Unb toäbrcnb fie fobad)tc, weinte Re um jo mehr.
(53 ift wahr, Srau SWenoin hatte gu früh geheirathet,
ber Anfang mar baruiu nicht, toa3 er hätte fein fön*
neu, aber fte mar eine Srau oon ©cfühl unb Gnt*
fehiebenheit. 3 hre ©ebanten fchlugeit jefet eine
anbere Dichtung ein. „$lber id) liebe meine Hinter,
unb ich liebe meinen 2 Rann. 3 d) bin ihre 2 Rutter
uub feine Srau; unb oerlaitgt nicht bie $?atur, ©ott
mtb mein eigen ©erg, baß id) meine ^Richten beRer
unb treuer erfülle, mie bi3 bahin? O, toie glüdiieb
märe id), wenn ich meine Hinter fönnte gewinnen
unb gur Sefferung anleiten, ©ettn ich meinen
SRann beglüdctt unb feine ©eimath angenehm
machen fönnte! ©eldje Opfer toäre id) nicht willig
gu bringen ?" 3hr $(utlife leuchtete, al3 Re fo nadj*
bachte, aber ber SRüdblid entmutbigte Re.
„3d> bin breifitg 3abte alt," jagte Rc, „$lnna ift
gtoölf unb ©iliie gehn, unb meint ich mid) audt
beRertc, tote joll ich e3 bei meinen Hinbern anfangen ?
Sich! id) fürd)tc, c3 ift oergeblid)e Arbeit."
Srau uBcrtoin mar leiber nicht entfdueben rcligiö3,
unb bennodj hatte Re in ber lebten 3cit, gwar tut*
regelmäßig, hoch ernftlid) im Verborgenen gebetet.
3cfet aber janf Rc bemüthig nieber, unb brachte ihre
Sorgen, ©üttfdje unb Anliegen oor ©ott. ©ie
betete toie ©alonto unt ©ei3heit unb ©nabe, beim
Re fühlte toie nie guoor ihren hohen Vcruf, mtb baß
e3 ihr allein burch ®otte3 Hraft itnb ©cisheit tnög*
lieh ift, ihre Vflkhtcn 31 t erfüllen. $113 fie aufftanb,
regten fid) neue ©efühle in ihrer 33ruft; fie toar be¬
ruhigt, ermuthigt uub fd)aute toieber hoffnungsooll
in bie 3 ufunft.
$lut näd)ftcii 2Korgeit ging Re 311 ihrer alten
ftfmtnbin Svau ©efton, unb offenbarte ihr ibre©e=
fühle unb ?lbfid)ten; Svau ©efton mar eine grojb
bergige, oerftäitbige unb fromme fjvau. ©ie hörte
mit inniger Shetlnahuic 31 t, ermuthigte Re unb gab
ihr 9tath; nad) einer langen Vcfpredtung ging grau
9)?ertoiu micbcr nad) ©aufc. $(it icuent $lbettb,
nad)bcm ihriDtann mtb ihre Hinbcr 3111 * 9tuhe ge*
gangen, nahm Re Stinte unb fteber unb fdjrieb fol-
genbe Regeln nieber:
1 ) ®e3 2age3 evfte VRidjt joll fein: (Sin ©cbet
31 t ©ott um ©eioheit unb Hraft, meine Hinbcr
ridjtig anatilctten unb 311 ergieheu.
2 ) ©erbe meinen Hinbern nie micbcr erlauben,
abficbtlid) gegen meinen ©illett gti haubein unb 31 t
miberftreben.
3) ©ill id) mid) beftreten, ntidj nie toieber buvch
©cfül)l3aufregungcn hinvei&cn 311 laRcn, bainit ich
burd) flitthe unb Ueberleguug 311 einem ridRigen
Urthcil gelange.
4) ©erbe id) täglid) einen 2hei( meiner freien
3eit 311 m eigenen Unterricht benüfeen, bamit id> ba=
burd) gefdiidtcr mcvbe, meine Hinbergu unterrichten.
5) 3d) will ocvftidKMt, mein eigenes Sempevament
311 übermadten, fretmblid) unb milbe fein unb mid)
auch für bie fleinften ®iuge meiner Hinbcr intern
effiren, bamit id) ihre Siebe gewinne.
6 ) Uintöthige 9tuhe ober Sefen oon 9Jooellen fok
len in 3 ufunft oerntieben werben, ebcitfober Vefitd)
oon großen ®cfellfd)aftcn unb Vartic 3 , un b bie 3 rit,
bie ich baburdt gewinne, feil bagu oermanbt toerbcu,
bie ©eimath für meinen 9)iann uub meine Hinbcr
angenehm m machen.
7) 3<h will in 3ufunft mehr auf bie ©cfunbhcit
meiner Hinbcr adtten, uub toerbc mid) über biefcit
©egenftanb burd) Vüdtcr unb erfahrene Vcvjonen
befragen uub berathen laffen.
8 ) ©ill ich nid)t burd) Schlfdilagen meinc3cvften
Vcrfud3 mich entmuthigen laffen, fonftvn fovt=
fahren, tm feften ©latiben an bie Verheißung be3
©errn für fold)c, meld)e ihre VRidjten treu unb gc=
miffenbaft m erfüllen fudtcit.
$113 bie Butter mit ©dneiben fertig toar, fdueitcn
ihr biefe Vorfäfee auf bem Vaptcr freilid) vedtt for=
mal. ®a3 ©chrciben berfclbeu toar nicbt3, aber Re
hatte biefe Vorfäße im ©cvgcn; Re legte baher ba3
Vapier gufamtnen unb fdtloß es gur Cfrinncumg ein,
fürbcn^all, baft Rc fpäter toieber ©cfahr lief, in
bie alten ©emohnheiten gurüdgufallcn.
$lm näd)ftcn 2Korgen frühftüdten Rc toie gewöhn^
lief), $lttua unb ©iliie famen gcrabe, al3 ihr Vater
00 m 2 ifd> aufftanb; beileibe ging auf eine 9?eifc,
umoicr©od)en abmefenb gu fein; aber ba3 blich
ben .Hinbern gleich, fein $lbfd)ieb3gru& beut Vater,
ber Reh tag für tag für Rc abmühte. „Vvingc mir
etma3 ©dwnc3 mit!" unb „Vringe mir ehoas ©chö=
nc3 mit!" riefen Re ihm Veibe git, unb mit biefe«
©orten fefeten Rc Reh au ben tifch.
„©0 ift beim mein Haffee?" frug ©iliie. „®ies
fe3 weiße 3ei»ß ift bod) fein Haffee."
Digitized by v^ooQie
166
(Sßrottih ber Äegemtmrt.
„9?eitt," Tante bie 5Kutter, ,,e3 ift 9Wild) unb
Sßaffcr. 3d> wüttfdje, baß bu c3 trinfft; e3 iftbeffer
fftrbid)."
»Unb ich will ffaffee," Tante ®ißie in einem ent=
Tcfticbencn Sou, f riint> id) werbe nicht3 ?lnbcre3 nch=
men," bamit ftreefte er feine £>anb au3, um ficf> fei-*
bev gu helfen.
„ jraae ben S?affee hinauf," faßte grau SRerwin
gum ®ienftmäbd)cn. ®er ffaffee würbe htnau3=
ßetraaen.
„ffio ift mein ßeröftete3 ©rob mit Sßurft?" fuiß
?lnna.
„®u betommft biefeu SRorßcit beibe3 nicht; bort
ift ßute3 ©rob unb ©utter. ®u fannft etwa3
gleifcb bagu haben, ober and) ein ßetodite3 Gi, wie
bu wißft."
,,3cb wüttfdie feinS oott beiben; id) will ©Surft,
unb wenn ich bie nicht haben fann, wiß id) nid)t3."
,,®erabe wie bu wißft," erwibertc bie üDiutter
faltblütiß.
®it ffiüber fdmuteit jefet ihre SRutter unb bar=
nach eiitauber an; fie tonnten ber Sfiutter Gntfd)ie=
beuheit nid)t beßreifeu. Sie baten, brohten unb
fuchten auf aßerlei ©Seife gu erlaitßcu, wa3 fie
wüufdffeu, aber umfonft. 3Kit finfteren ©eRcbtern
erßabctr Re fid) ettblid), uttb aßen, wa3 oor ihnen
ftanb.
ifÄber ich n>ei§ ein3," faßte SBißie, „wenn ich gum
5)?ittaßeRen nid>t haben tarnt, wa3 ich miß, werbe
id) lieber ©itnaer leiben. Schon feit einer SBoche
habe id> nicht mehr ßebabet, unb werbe e3 and) nidtt
mehr thun; and) werbe id) heute 92ad)inittaß nicht
in bic Schule ßehen. ©ater ift oerreift, unb ich
werbe gu .ftattfe bleiben unb fpiclett; bu auch, Stnna ?
Sticht wahr?"
Huna war oeßfontmen wißiß, auf biefeu ©lau
cinwaehen, unb fo verließen fie ba3 3»nnner.
Seim 9Rittafleneu war ihre Ungufriebcnhcit uoch
um ein ©ebeutenbe* ßeftießcn. ®ie ffinber ßinacn
gmar 9iachmittaß3 tu bie Schule, aber mit Unwillen
unb Born, ©eim Slbenbeffen ßiitß e3 nicht beffer,
unb weil ber SRutter föanblunß3meife bi3 bahiu
blo3 im Siedffßcben beftanb, fo tonnte fie iefet nid)t3
mit ihnen aiwridßen, ben freunblidteu ©Sorten ber
ßuten Butter beßeßneten fie mit ber arbßten ©leid)-
ßültißfeit. Stad) einem red)t toilbett Spiel, tu wcU
che3 bie SRuttcr nicht eingußreifen waate, ßiitß c3
att’3 Stubiren, bod) ehe fie ihre ©lieber nahmen,
fteßte bie SRuttcr gmei Stuhle hin, hieß bie ff inbet
fid) barauf fefeett unb fefete fid) ihnen ßcßcuüber.
3hre Slitßen waren feucht unb ihre Stimme bebte,
al3 Re anfittß gu rebett, bod) gelaitß e3 ihr, Reh gu
beherrfdtett.
„S3?einc ff inber," faßte Re, »ich liebe eud) herglidt,
unb euer ©ater liebt eud) and). 3hr feib nufere
ffinber. ©Bit wuitfdtett eud) ßlüdlid) gu ntad)cn,
ttttb ba3 tonnen wir nid)t, e3 fei benn, baß ihr brao
feib. ®er liebe©ott ßab euch ttn3, um euch nüßlidj
gu ergiehett. Gr hat ben ffinbern befohlen, ihre
Gltcrn gu lieben unb gu ßeboreben. 3br feib ießt alt
ßcnitß unb oerftebt biefe3.
3d) war ttod) eine febr iuttße SWutter, al3 euch
ber liebe ©ott un3 fchentte. 3d) war fclbft ttod) xwu
wiffettb unb unaditfam. ^dj bin iefet älter unb {ehe
bie golaen be3 CcichtRitn3 unb ber Stadißiebißtcit.
3d) habe ©eobadffuitßen aitßcftellt, habe ßclejett
unb nad)ßebad)t. 3<h )oerbe iefet probirett, eud) gu
ergiehett, unb ba3 erfte, worauf ich befteben werbe,
ift, baß ihr mir folßt. 3<b ßlaube famti, baß ihr
ttiid), noch euren ©ater fo liebt, wie ffinber ihre
Gltcrn ßcwöbnlid) lieben; e3 maß fein, baß ihrc3
nie thun werbet; aber ihr müßt un3 refpeftireit unb
ßehordjen."
®ie ffinber hatten bic SRutter oft ßereigt unb er-
gürnt burd) ihre Unarten, unb fie würben bafür be-
ftraft; — aber hier fabelt fie ein, baß e3 Reh um ein
ucuc3 ©riugip hanbelte, unb fie horten mit ber
ßrbßteu Slufmertfamfcit gu.
(ßovifctuma folgt.)
___—I Pr r_
Chronik 5er C^eßenwart.
®ie Wethobiften in ßanatoa Rrebett eine Scteitti=
ßitna an, unb haben ernftliche Sdwitte bagtt ßethan,
wa3 wir al3 ein ßute3 Blichen ber Beit begeichncn.
(53 beftehen in Ganaba nid)t wenißer al3 vier oer-
fd)iebette methobiftifchc ©emeiitfdtaften, weldte gu
einer leben3fräftiaen ff irdtc ocrcinißt, aewiß oiel er=
folßreicher gu wirten im Staube wären; näntlid) —
bie Ganabifdte Wcthobiftenfirdte, bie primitive $?e=
thobiftenfirdte, bie ©ibeldwiften unb bie ©ifdwfliche
SOJethobiftentirche. 3*i her Cchre Rnb biefe ffirdien-
ßemeinfdtaften alle ciniß# im ffirdtetireßinicnt aber
finbeit fid) fold)e Unterfdtiebc, baß bic aiißcftrcble
©ereinißititß benn bod) nid)t fo ßattg leidtt gu Staube
gu briitßett ift, unb e3 würbe be3halb eine ©afi3 gu
finbett fein, auf io:ld)er bie ?lnfidffcn unb ©runb'
falge über ffinbenreßiment ßcßenfcitiß actoahrt wer=
ben tonnen. ®ie einen fehett in ber ©eiteral-Gon^
fereng bie Geutralßewalt —Rnb alfo Uuioniften, bie
attberen woßett bie 9?ed)te ber jährlichen Gonferengen
tiid)t ßefchmälcrt wißen; bic einen leßcu ©ewidtt auf
bic Öencralfuperintenbcntur, bie nubern auf ba3
©aftorat *c.
®a3 mit ber Sache. beauftraßteGommittce ßlaubt,
baß alle biefe ?lnfchauunßcn unb ©ruubfäjge gum
fHcdttc tomincn tonnen, unb hat ein Sunbfdneibcn
an bie ©emeiuben unb Gonfercngeit erlaffen, in
weldteut bie © a f i 3 ber © c r c i ti i ß u tt ß nie-
berßeleßt ift, unb bie ©etreffenben aufßeforbert ivcr-
ben, barüber abgufiimtnen. Woßett fic gu ©oU
um 5öci3heit nnb Grleucbtuitß bitten, ©cßrüubcte
Urfache gum ©eftehen oon oier metbobiitijeheu @e=
meinfd)aften in Gattaba tonnen wir nicht entbeefen.
(fine 0ountaßRhul*Goutifutiott in ber ©erlitter
^omfHftßfttpeKe! 2Ber hätte and) oor 25 fahren
baran ßcbad)t — bie SBelt breht fid) hoch unb ©ot^
Digitized by v^ooQie
(Sfjronik ber Segrmoart
167
teSrcicfe ifi bodj ftcgreich. 8cfete3 ©pätiahr warb
alfo bie oterte ©oitntagfdmUßoitPention ber per*
einigten Sonntagidmlen SeutfchlanbS in Berlin
gehalten, au welchem 3wccfc bic SomftiftSfapelle
fteunbliam bewilligt würbe. Sic Xbcilnabme
war eine jehr rege, unb bie Statiftifcn wie anbete
Sladmd)teu erfüllten bie Gouocntion mit frö(>ltd>cr
Öoftnuitg. Sie SMartcn, Schienen, SdrfcSwig«
$>olitcin, Spommeut, Oftpreu&eit, s 45vopiniSac()jen,
Steinen, Äöuigveich Sachfcn unb SRittcl=Scutjd)=
lanb waren oertreten, jclbfi Sliga unb/ilkag fehlten
nicht. SaS ßommittee hatte für bic bieSiährige
ftauptPcrfammlung Awci cinjcblägigeShcmata auf-
gefteilt. SaS erfte lautete: „9Bie finb bic ©in-
berniffc, welche in flcincn ©cmciitben, iuSbcfonbere
Sorfgemeinbcn, bie ßinrichtimg ber Sonntagfchule
cntgegenftchcn, au überwiiibeu ?" ?yfir biefe^ S£(>cina
waren Spalter Barche auS ffültfchm unb SJaftor
©lücber auS Sorfhain hei ßble Ärone im Äonig=
retih Sad)jeit au ^Referenten erwählt worben. SaS
Amcite Shenta enthielt bic Srage: „SkaS ift $u
thun, bamit bie Sonntagfchule mehr unb mehr ut
ba3 jJewugtfcin bcS größeren dmftlidjen^ubUtuntS
gehradjt wirb?" SaS Shema war fßrof. S. Gaffet
auS ^Berlin unb fßaftor Sic3nteper auS Bremen
übertragen worben. Ccfetercr iftburdj feine: „93rasi3
ber Sonntagfchule" befamit geworben.
$ut <£|*r*fte ©ambettaS 31 t Aeichnen ift fcfiwct;
benn er würbe im ficben wie nach feinem Stöbe fo
wcrfchieben beurtheilt, ba& cS unmöglich wäre, ein
richtiges Sharafterhilb von ihm 3 » erhalten, wüüte
man nicht, bah biefe ocrfdjicbcitcit öcurthcilungeir
beit berfchiebenen Stanbpunftcn bcr Scurthctler
entfpriugen. Sie einen fabelt in ihm einen Staats¬
mann fonbergleidjen, bic anbevn nur einen gewöhn«
lid)en Kolititer; bie einen biegen ihn beit groben,
emsigen ^Patrioten ^rranfrcidjS, bic anbern nannten
ihn feibftffichttg; bie einen jagten, er bereite einen
jRachcAitg gegen Scittfdjlanb oor, bie anbern, er
beitfe nur an Trieben; bic einen Ijie&cn ihn einen
Seutfcbcnfreffer, beit anbern war er lange itid)t
billig genug gegen bic Sciitfdjen.
3BaS war nun ©ambetta ? SBait betrachte ein-
mal fein ©tlb in 3abrgang 6 unferer ©djrift,
3. 184, wofclbft aud) fein 8ebcnSlauf jJiAAttt ift,
unb man wirb fd)oit barauS auf einige Gbaraftcr*
lüge fcblie&eu tonnen.
(Sr war oor Stllern SfraitAofe, ein gfühenber 9ßa=
triot unb Awar feiner 001t beiten, wcld)e bic 93 ater=
laitbSliebe Aum SJorwanb nehmen, baS 9 Satcrlanb
AU berauben. SaS gereicht ihm 311t Ghrc, Slic=
utaitb, and) ber beutfdjeftc Scutjche folltc eS ihm
Atiut SSorwuvf madjen, bag er ein Sranjofc war, ber
Stanfvcicf) über SUleS liebte.
Sobann bejah ©ambetta ein jRebnertalent, wie
eS nur ciitAclnc Männer aufAuwcifcn haben, filar
unb fdiarf in ber grormulirung ber begriffe war er
hmrcigcnb in hecfcftcm ©rabc unb hatte, währenb
crrcbctc, feine iJnbörcr in oölligcr ©cwalt. ©err
SBafftbtiriic, bcr frühere©ejanbte ber 93er. Staaten
in ißariS, lagt uon ©ambettaS 93crebtfamfeit: ,,3d)
habe ©amhetta gehört, alS er iit ber Stationalocr;
fammlmta gegen ben jogenannteit StaatSftreid)
»ad»ahoii§ fpwd). Sicje Siebe wirb ficber alS
bic bcbeutenbftc, bic er ic gehalten, bcAeidmct wer=
ben. 3dj f>at>c feit bem Sabre 1840 faft alle he*
beutenben Stcbner unfereS 8anbeS unb einige bcr
herühmteften Stcbner (SnglanbS unb SranfreichS
gehört, aber id) um6 fageit, Pa§ ich nie etwas ge¬
hört habe# waS aud) nur entfernt mit bcr bamalS
001t ©ambetta gehaltenen Siebe perglichen werben
fann."
©amhettaS aitbeve ©aben waren ebenfalls bc=
beutenb. Gilt iDlattn, ber, nad)bcm baS Äaifcr«
reid) in Srüntmer gegangen, bie faifcrliche Armeen
gefangen ober Acvfprcngt iparcn, foglcicb und) bicfeit
ISreiguiffeit beit gcjimfencit SKutb bicjcS ^olfcS
heben, Armeen auS bem ^boben ftanipfcu, ftc flei-
ben unb organifiren, unb unter folchctt Umftänben
einen bebeutenben SSibcrftanb hcrftcKcn tonnte:
ein fotchcrSRann mufetc uid)tungcwöhnlid)e3ähig=
feiten haben.
Seine Ghrlichfcit würbe währenb biefer 3cit-
periobe (währenb feucr Siftatur) auf bie härteftc
^5vobe geftellt, beim er gab batnalS allein ^Millionen
auS, unb alS feine Scinbc nachmals ftrenge Uutcr-
fttd)ung anorbuctcn, ergab eS ftd), baft an feinen
Singcvit and) fein Äupfcrftücf hängen geblieben.
SaJ feilt Gharaftcroilb ncbcu biefen gläitAenbcn
Gigcnidiaftcn aud) Schatten Acigt, ift felbftverftänb-
Iicp. SiiditS au fageit Pon anbern ftttlid)en©cbrcchcn
thcilte er bie Siaiiottalfchler feineS93olfeS: Umiber*
wiublichen GhrgciA, leibcnfchaftlirte buvdj ben 91»=
genblid evAeugtc Grregmtg, bie oft feinen jonft flareit
Sülid trübte, unbcfwränftcS Sclbftpcvtvaucn, unb
oielleicbt auch einen angeborenen bitteren ©aß gegen
Scutfchlanb.
©ir fageit „picflciditaud)," weil auS feinen ©aufc-
lungeit buvcbauS nicht beroorgeht, betp er, wie
manche aubere SraiiAofcit, Scutfchlanb glüheub
haßte, and) wenn bie Scutfchcu ßljafrßotbvingcn
nicht hätten. So t. 5B. erAählt SEBafhhurnc:
»3ch mad)te bie pcrföitlühe 93efanntfd)aft ©mit'
bettaS, alS biefer nadj ber Slbfcbung SRapolconS
baS 3)?iniftcritnn bcS ^nnern übernommen batte.
3cb war» tuic Sie wijTcn, mit bent Schube bcr
in ftranfrcich Icbcnbcn Seiitfchcn betraut worbcit
unb hatte bcr früheren faifcrluhcn Slcgtcrtutg ge^
gcitübcr bamit einen fchr imangeitcbmctt ©taub.
Sie Slvt unb SBcife, in ber bie taifcrUd)c Siegic=
rting bic in fjranfvcich Icbcnbcn Scutfdjctt bc=
hantelte, war niiht allein pöllig wibcrftimig, fon-
bcrit ftanb auch iit unmittelbarem SKiterfpruehc
mit ben anerfainttcn ©mitbfäben beS9Sölfcrrc(htc§.
3uerft wollte bie franAöfifchc SJcgicnmg Jeinent
waffenfähigen Seutfcheit bic Grlaubntö geben,
Sfraitfrctdj 31t Perlaffen. SllS Gntfchulbigung für
biefe gaitA ipillfürltdjc uttb oö(ferrcd)t$wihiac @itt=
Weibung führte Re an, baft eS namentlich iit jßariS
pon iungcit fräfttgeu Scutfd)eit wimmele, bie, weint
man ihnen bie Slbreifc geftatte, bcmitächft bie SSaf-
fen gegen Sranfrcich ergreifen wtubeit. 3ch batte
über biefcit fßunft lange Äueciuanbcrfcbungcit mit
bem auswärtigen 9lmt unb fefete eS fcblicfjlich bttreh,
baft bie Stegierung ihre erfte (Sntfchcibuitg gtirüd-
nahm, freilich nur, um fte buvd) eine aitbcrc, pict
imnteitfchlichere a» erfcbcit, wonach alle Seutfcheit
auS JJranfrcid) aiiSgcwicfcn würben 1111b fofortbaS
8aitb perlaRen follteit. Siefcr graufantc 23cfchh
pon bem iit 93ariS allein 30,000 Sentfdje, Sltäitner,
ftraueu uitb Äiitber, betroffen würben, mufite für
Satifeitbe pon Samilicn teil pölligen Sluin Atir
Solge haben unb bie Schwicrigfcitcn, mit bcitcit ich
Digitized by v^ooQie
168
(Kljroitih ber @egmn>art.
gu fäinvfcn batte, mürben ßerabegu unüberminblith.
©a trat ber SRcfticrunflöii>ea>fc(ein unb tri) befchlofe,
tniri) verfönliri) an ©ambetta, ben neuen Miniftcr
bco Innern gu menbeu, in beffen ©evartement bie
hier berührten ftraßen fcbliefjliri) cntfchicbcn merben
mußten. ©ambetta batte bamat3 niri)t bie minbefte
Srfabrmtß in Sermaltunß3außcleßcnbcitcn unb e3
mar minbeftenä fva^Iid), ob er im ©taube fein
mcvbc, ben in’3 Unermejjlicbe ßcftcißerten 9lnforbe-
runnen {einer verantmovtlichen ©tellunß ßereri)t gu
merben.
91(3 iri) meinen erften anttU(T>en Sefurij bei bent
neuen Minister machte, faitb ich einen junßen Mann
von mittlerer ©röiie tntb ©tärfc (©ambetta ift fvä=
ter erft febr ftarf ßcmorbcn), mit angenehmen 3Ka=
nieten, ©ein ©cfiri)t mar bübfeh; er truß lanßeS,
fcbmargeS foaar unb einen »ölten Sart. 3<h fefetc
©ambetta bie ßangc 9lnßelcßcnhcitau3cinanbcr unb
mar angenehm übcrrafcht ooit ber ©cbuellißfeit unb
©chärfe feiner 9(uffaffunß. Sr billigte fofort ben
©tanbvunft, ben iri) ber faifcrlidjcu SWcßieruuß
gegenüber eingenommen batte, unb brüritc feine
Stheilnahmc mit ben von bent 9(u3mcifunß3bcfchl
betroffenen ©eutfri)en au3. Sr verfvrari) fofort,
baß er, ma3 in feinen Kräften ftche, tbun molle, um
bie Caae ber armen ?lu3gemicfenen gu erleichtern,
unb mir einigten unSbahin, baß ieber©eutfrf)e, ber
einen Saft von mir habe, auf K'oftcn ber frangofU
feften SRegicrunfl bi3 gut beutfehen ©rengc acfri)afft
merben folle. ®a$ gefeftab bettn auch fortan unb
meine fehmere unb verantwortliche Slufgabc -mürbe
mir baburri) bebeutenb crleiri)tert. ©ambetta bin
iri) aber für fein cncrgifcbcS Sinfcbreitcn ftct3 gu
großem ©anfe verpflichtet geblieben."
hieraus acht hervor, baft©ambetta bie ©eutfebeu
nicht haßte, fo febr e3 feiner SatcrlaubSlicbe unb
feinem Sbrgcig auch barum gu tbun fein mochte,
Si3marcf unb Moltfe beruntergufriegen.
Ob ©ambetta einen 8larijefricg in nächster 3cit
beabsichtigte? 2Btr glauben e3 faum. Mochte fein
fvangbfifcbeS Slut auri) bagu treiben, fein flavcr
Slia, wie feineSrfabruna mußten bavon abratben.
SJebcnfallS aber märe er ber Manu ßcwcjcn, bic
Srangbfen gu entflammen, unb Siämarct foll bei
ber Nachricht feinet 3;obe3 ßefaßt haben: „ftranfs
reiri) bat einen großen Mann verloren; mir aber
tonnen rubißer fcblaten."
$a$ fafffoiilftiicl foll jefet auch in 9?cu>=S5orf
aufßefübrt merben. 3n biefem ©viel mirb be=
fanntlidj baoCciben unb Sterben unferc3$ci(anbc3
auf ber Sbcaterbühne barßeftellt. ©iefer ©ebrauri)
führt in’3 Mittelalter gurürf, mo in ber foßenanuten
ftaftengeit in Surova folri)e ©viele von ben Srie=
ftern in ©eene gefefct mürben, um bem Soll ba$
Seiben be3 föerrn gu veranfebaulirijen. ®a aber
biefc ©viele febr mißarteten, mürben biefelben viel=
arf) verboten. 9iur in einißen Orten erhielten fie
iri); fo g. S. in Slmmergau in Dbcrbaiern, mo
baß Saffionßfvicl alle 10 ^ahre aufßefübrt mirb
tmb- SHcifcnbe aller 9lrt gu SEanfcuben angiebt.
©tefcß ©viel foll nun auri) in 9icm=2)orf auf bic
Sühne fommen. Stiebt um ben Seutcn relißiöfe
©ebanfen beigu bringen; nic()t um baß 8eibcn unb
Sterben beß &errn ben Sergen cinguvräßen; nicht
um bem Sbriftcntbum ober ber Kirche Sorfcbub gu
leiften. ilri), nein — an all baß benfen bie Unter¬
nehmer nicht, ©ie fuhren baß Safftonßfvicl auß
feinem anberen ©runbe auf, alß ivcil fie ©elb, viel
©elb, ©ärie voll ©elb bamit verbienen mollcn.
®a3 ©eiliße mirb babei in ben Kotb ßcgoacu, ba3
hoebfte ©ut, bao bie Mcnfchbeit bat, gum ©efvotlc
ßemari)t. 9lber ma3 mari)t ba3 ben Sbcaterunters
nehmern au3! ©ie merben ©elb verbienen unb viele
tboiicbte Sbriftenmenfihen merben biefe SrijaufteU
lunß ibre3Srl6fer3 ebenfalls anftarreu, ohne baran
gu benfen, melcber ©obn baburri) auf ihn ßebauft
mirb.
3mar bat ber 3Bat)or von 9cempört bie Srlauh-
niß gut 9luffübrunß bc3 $affionbfviel3 niri)t er=
tbeilt; mer aber fann faßen, ob baffclbe biefer 9Bci=
ßeruna gum Srofe nicht aufßefübrt mirb. £>eutgu=
taße febeinen ja folcbe Verbote eißentliri) nur ba gu
fein, um verlacht gu merben. 9ccm=S}orf ift ieboch
in biefer Segiebuiiß beffer beftellt al3 Sincinnati,
unb u>ir hoffen, bafe bie 9luffübninß beo s 4>ajjion§s
fviel3 für immer unterbleibt.
üta SiVilbim^QIrffh beftebt alfo jefet in ben 3>cr.
©taaten. fterr Senbleton bat e3 bem Sonßreft vor-
ßelcßt, biefer bat eS anßcuommen unb bevSrafibent *
ßut ßcbcißcn. 9llfo mürbe bie „Sill" gum ©ejefe.
SBa3 enthalt beim baffelbe? Manrijeö ©ute.
Sxamcn follen bic 8cute hefteben, mclcbe fiel)
um Slemter bemerben, ihr Sbarafter foll in Se=
trarijt fommen, bic Sonßrcfjleute Sollen nirijt mehr
ben uäri)fteu heften burc()fri)mußßcln büvfcn. 9111
bie$ ift rcrf)t, ßut unb jebon, unb mir freuen un3,#'
ba§ fo viel en*eiri)t ift. 91 ber allgußrofje Srmar-
tunßcn beßen mir nicht, ©er ^auvtfebier uuferc3
bivberißen ©vftem3 ivat ber, bah ber Sivilbicuft
abhänßiß mar von bem Sluofatl ber volitifrijeu
SBahlcn. Unb baran mirb burch ba3 neue ©efefe
fo ßut u>ie niri)t3 ßcanbert. Keiner ber unter ba3
ncueöcfcfe fallenben Scamten ift firijev, bafe er feine
©teile bcbdlt, mcitn eine anbe\*e volitijri)e Sartci
an’3 9tubcr ßelanßt unb ma3 bie 9lnftellunßcn an=
belanßt, fo merben auri) unter bem neuen ©efefe
trofe aller 2Bettvrüfunßcn von einer revubtifanijeben
9(bminiftration Dicvublifancr, von einer bcmofratU
friicn aber ©emofraten aiißcftcllt merben. 3cbori)
— bie$ ©efefe ift bori) eine ©runblaßc für Dtcfovm,
auf melcber fvätcr meiter ßebaut iverbeu fann.
Sie Smtyerettgftefehe iu fformegfi. SWormcßcn
ift nur nommcll eine Monardjie, ba3 8anb bat faft
ßang revublifanifri)e ^nftitutionen unb bori) ßiebt
e3 in biefem freien 8anbc eine Sefrinanfuiiß be3
9(lfobolverfauf3, mie fie fonft nur noch in ben Ser.
Staaten unb hier nur tbcilmcifc gu finben ift.
©ie Srlauhnif; 2Bcin unb Sier gu verfaufen ift
von bem ©viritu3= unb Srijnavovcrfauf buvdjau3
(getrennt. 9llle ©otel3 haben bie crftcre, bori) nur
febr meniße, felbft in ben ßroften ©tabten, haben
bic lebtcrc. Scrtaußt bort ber DJeifcnbc nach Sier
ober 2Bein, fo erhalt er biefelben fofort, beftellt er
aber einen Soßnaf, fo antmortet ber Kellner mit
9lcbfelguden, ober er muh märten, bi3 biefer ©etränf
auS einem 8abcn ßcbolt mirb, )velcl)er bie fvegicllc
Srlaubnijj bc3Srauntmeinverfaufe3 bat. Keinerlei
Sranntmcin barf — felbft in ben bagu berechtigten
gäben—iu ber 3cit gmifchcn fünf Uhr 9tari)mittaß3
am ©onnabenb unb acht Uhr fv«b cuu Montaß vcr=
tauft merben.
Digitized by v^ooQie
V
?
Digitized by v^ooQie
9«r 0r®(|* $Uwq>f.
Digitized by v^ooQie
§fftn JSanb.
Hptit 1883.
Viertes «&eft.
-Hcöör fpeA&e ^ctiupf. ^N*
- 0*0 -
( 3 um Sitelbilb).
SJticfr a&> kw
iw ^aiwp^ew &ei^tioteji’w,
gj^^wtjeoi bu, fiiz- wiicfi mit c|letew,
l^twö IVäftäi w>eiwc/wi> aw iwit
§^ww tc& iw (|wuv imb |a^w,
^&&cp, fi^K/fc §^atei>! !>a^m.
^cp, bw hänvpfest wwc, kw ^uie,
fj^a/fvr.e<> |eW wvü betw ^ab,
|gwi> beiw ^cftwei^s 'ue/jwwewtji wit c^fwte,
^qXxtX wvicfv bc^we g^CKyoe Spotfi.
bie ^iiwbc^ bicfo wicfvt wetfem,
^ownii eiw |[w<jet bicfv stä/^IWw.
--«*-
Pie ftrgamfation bet üfdj. Üetlj. Hirdje.
«bitor.
I. inrittg« Jlttfffttg*.
S m 3o^re 1784 mürbe bie Sifcfc. TOetf). aus beten SBirfen ©emeinben entjtanben, bas
Jtirche organifirt, baS Reifet, fie Sßort ©otteS auf norbamerifanifchem ©ebiek
erhielt barnatS eine firchliche 53erfaffung, berfünbigt haben, nämlich Stöbert ©trarobribge
roäfjrenb man bie © r ü n b u n g beS unb fjauptmann ffiebb.
9JtethobiSmuS auf 1766 jurücfführt, in ©trarobribge tarn nach ben beften Quellen nicht
Welchem 3ah« unter ©mburq in iRempotf bie [bätet als 1765 nachSlmerifa (unb maljrfiheinlid)
etile ÄlajTe gebilbet mürbe. früher) unb hielt als eifriger Sofalprebiger fo=
Obgleich nun bie ©rünbung bet Äirche gleich nach feiner Ulnfunfl öffentlichen ©otteS=
Don biefem 2>ahr batirt, machen eS bie neuften bienft in feinem &aufe. konnte er fich auch
Soridjungen ieboch mehr als mahrfcheinlich, baß meber als Sanbmirth noch als ©efchäftSmanu
fchon früher *) jroei methobiftifche Saienprebiger, befonberer ©rfolge rühmen, fo hatte ihm ©ott,
._ ber £>err, einen glüljenben SBerbeeifer für ©eelen,
•> 9 c*c< 9 ’« unb tB^ttcficM sitttamtcu t#M nun wo^«r. ein erbarmungSDoüeS 4>erj für bie in zRarplanbS
13
Digitized by v^ooQie
170
fit Organtfation btr fifdj. ftrtlj. fitdjt.
Stöbert «Stniiobiibfle.
bamaliger S33i(bitiB berfommenben 9litfiebler ge=
fd)enft. 91(3 feuriger Urlauber mar ©trambribge
nicht bamit aufrieben nur itt feinem £)aufe 51 t
prebigen, fonbern errichtete am Sams Sach in
greberidßountt), SJtarijlanb, eine rohgejimmerte
Slodfirche, an meldjer öfeufter unb Spüren fef)U
ten unb bie
nie Pollenbet
mürbe. Wan*
(he ©efdjichtS*
fthreiber Da*
tiren biefen
SauinS3tuht
1764. — 9Bie
betn aber auch
fei, geroiß ift
es, baß ber=
feibe bie erfte
Kirche mar,
in melcher ein
Wethobi fielt*
prebiger baS
Sßort ©otteS
im ©ebieteber
Ser. Staaten
bertimbigte,
bemtbie Sub*
fcriptionSlifte
für bie 2BeS=
let) SJapeüe an
ber ^ohnStr.
in s Jtero=$orf
mürbe erft Robert
1768 eröffnet. Igeboch mar ©traro=
bribge’S Slodtirche, mie Sifdjof
Simpfon tagt, nie baS ©igenthum einer
Wethobiftengemeinbe, auch mürbe ba*
felbft teilte foldje organifirt, roaS erft
fpäter gefchah- Sie 93(ocftircf)e mürbe
anno 1783 burch eine SteinfapeDe er=
fept, me(d)e im Sahre 1800 nochmals
umgebaut marb, Don melcher auS im
felben 3 fahre bie große benlmürbige @r*
medung geleitet marb, unb bie heute noch
ftebt.
Soll beS heiligen ©eifteS unb Doll
©laubenS 30 g ©trambribge Don 9lit[ies
belung 311 91nfiebelung, inbem er nicht
nur in feiner großen, brei fpätereGouiis
tieS umfaffenben ©raffchaft beftanbig
Don Crt 311 Crt baS ©bangelium .pre=
bigte, fonbern and) oft — Warplanb,
Selaroare, ^JennfplDanien unb Sirginia
befud)te unb ben fpäter nachfomnteuben
fReifeprebigent ben 33Beg bahnte, greis
lid) litten barunter feine irbifchen 93e*
rufSgefdjäfte uidjt menig unb hätten feine
greuube nid)t geholfen, fo märe es ihm
unb feiner gantilie übel ergangen, ©r
aber bertraute in einfad)em, fiitblichen ©lauben
feinem ©ott—unb ber ließ ihn nicht 311 Sdjaitben
merben. ©r ftarb 1781 in großem grieben.
Ser anbere Caienprebiger, ber mol)l ebenfalls
fchon bor ©mburt) baS Sßort ©otteS in 9lnterifa
Derfünbigte, unb befjeu 9trbeit ebenfaÜS ben
6tral9bribfle’§ SSIodfircfc.
Digitized by v^ooQie
Pie $rganifation brr Pifdj. Ptrtfj. Jtirdjr.
171
$ic Stcin-ÄapcUe.
Örunb jur fpäteren (Scmciubcbilbung legte, mar
fjaiiptmaitn 2 Bebb- ■seiner Sopferteit unb
yflidjttreue megen in ber engtifdjeit ©ritiee fjod)=
gefdjiibt, fam er mit feinem fRegimente 1745
nod) »merifa, geidjnete fiel) in mehreren 3 d)lad)=
len gegen bie Sfranjofen ritfjmlirf) au», bertor
bei ber (Srftürmung «cm 8 oui§burg am ©t.
Sarovence ein fHuge unb ging nad) ©eenbiguttg
ber franjöfifdHanabifdjeu jfriege mit feinem
(iominaitbo nad) (Snglanb guriief, mo er in einer
oon 2Se»(et) gehaltenen ©rebigt erroedt unb halb
barauf befetjrt mürbe, ©egabt mit ungemöf)n=
$nuptmnrm 2B<bb.
lieber Serebtfamfeit unb au^geriiftet mit oielcrlci
Senntniffen unb fchäpbareu (SigcnfcC;aften er=
tfjeilte ihm 2 öe§lep bie ßrlaubnijj zu pvebigen,
üou melcfjer ber tapfere, reiche £>auptmanu überall
eifrigen ©ebraud) machte.
©alb barauf mürbe Säkbb mieber nad)9(merifa
unb jmar nad) 9llbant), im jepigen Staat s Jtem=
$orf, berfept, tue er 311 6 nbe be3 Jahres 1765
unb fomie 17GG öffentlichen @otte»bienft in fei*
nein £)aufe hielt unb im felben 3 apr (Smburp
unb ©arbara £)ecf in 9tem=^)ort auffanb unb in
9iem=©ort unb Sone] 3§(aub burch feine mach*
tigen ©rebigten fo Diel Wuffeljen erregte unb in
großem Segen mirlte. 6 r burchreifte ^etfet),
ifcelamare unb anbere Staaten al» UJerlünbiger
be$ ©üanfleliumö unb ift ber ©ater be* 9)ietho*
«arbam <jSecf.
biSmuS in ©hilabelpl)ia. ©Bieber nach (Snglanb
Zurücfgefehrt, fefcte er bort feine fo reich gefegnete
©ßirffamfeit foit unb ftarb, mie er gelebt, am
21. iecember 1796 im hohen Filter unb im
Triumph be§ ©laubenö.
So bebeutenben Sinflufc jebodj Strambribge
unb äöebb auf bie ©rünbung be3 9J?et()obi3mu§
inSlmerifa ausübten, fo finb bieXeutfdh* 3 frläiu
ber Sarbara £)ecf unb ©hilipp Gmburt) (9(m*
burgX bod) al» biejeitigen zu bezeichnen, meldje
bie erfte metfjobiftifche ftlaffe organifirten, alfo
bie erfte methobiftifche ©cmeinfdjaft grünbeten
unb jronr anno 1766, mefefjalbgan^ richtig mar,
bap ber ©tetljobisnuiS anno 1866 fein Rimbert«
jährige» ^ubelfeft feierte. 3> rt h^ e 1766 mar
Digitized by v^ooQie
172
Pie ©rganifation bet Pifd|. Pletlj. Pirdfe.
^ilip ©mbur^.
e§, ate Barbara £>edf in ^eilifler (Sntrüftunfl bie
Karten itjrer Sajibsleute in’S ^euer marf unb
ben fiaienprebifler, ^1). (Srnburty, auf feine
$fltd£>t aufmerffam madjte, für bie ©celen ber
S3ermafjrloften ju formen. 3ni 3af)re 1766
Ijielt 6m6urb bie erfte ^ßrebiflt in feinem un=
fd)einbaren ääuSleiu ju 9tem $orf (ftafcrncn-
flaffe, jefet Park Place). biefem 3>aljre
mürbe flleidj nadj ber erften Jßrebiflt bie erfte
9)tetl)obiften=Ktaffe formirt; in biefem $al)re
verlebte ba§ flehte, (jeriitfle |>äuflein feine ©ot=
ieSbienfte itad) einem flemietl)eteu ßröfteren, cben=
fattö an ber verrufenen ftaferneiiflaffe t]ele^e=
®mburty’8 SBo$n$au*.
(Rigging I/oft.) fcatelbot’cu.
bie fleine ©eineiube im ^afjr 1768 in bie neu»
erbaute ©testet) = Aapelle an ber 3lof)u (Strafe
iiberfiebette. ©arbara £>ccf mar bie mutljige,
betenbe Seele, ^auptmanu 26cbb bie teitenbe,
freigebige |>anb beS $ird)enbau8,
ohne toelcbe jene fiircfje bamalS
faum gebaut morben märe, ©ar»
bara flehte $um £ierrn unb erhielt
nur eine Antwort — „es mirb ge»
tingeit". SBebb ging mit bem
£)errn hinaus ins Sehen, um ba
für bie Sad)e ju mitten, unb ber
ftimmermann ©mburt) faßte mit
©ott an. 2öo aber ©ott ber £)crr
alfo mit in ben ©unb genommen
mirb, ba gelingt es. Unb es ge»
lang. $ein ©rod)ttcmt>el mar es,
baS öierjig ffuß breite unb fecßSjig
3?uß lange Sfirdhtein—aber bie ar»
men Seute hotten bodj ein ©otteS»
hauS, —baS am 30. Oftober 1768
unter Sob» unb SJanfpfatmen bem
breieinigen ©ott gemeiljt mürbe.
Ratten bie ©änfe beS üirdjleinS
aud) feine Sehnen unb bie ©aHerie
fein ©elänber unb mußte fi<h bie
©emeinbe aud) gefallen taffen, ihr
nen 3 'mjner. £>icr fanb ftaubtinann ffiebb
bie 1 )eutfd) = Urlauber unb ihre 3 ufjörer 2 titno
1767 unb ooit hier aus mürbe ber Umjug nach
bem 2 afelboben (Rigging lofi) an ber ©MlliamS
Straße in 9 tem 2 )orf beranftattet, boit mo aus
Digitized by v^ooQie
Pie feiet t»e# heiligen Ubenbmahle*.
173
mit fo grof$en Opfern erbau*
teS fjircplein als emfacpeS
SrioatpauS in ben Ätabtre*
giftern eintragen ju fepen,
beim bamalS burften '){icpt*
©pisfopale noch feine &ir<pen
bauen — fo betannte ficpbod)
©ott ber £>err ju ihr unb
tpat hinju gur 3apl berer, bie
ba felig mürben. 2>ie ©tabt
Wem s ,J)orf gäplte bamalS
20,000 Sinroohner; in ben
jeßigen Ser. Staaten wohnten
etroa brei Millionen ©eiße.
MeS mar im ©erben begrif*
fen, gering unb Mein, unb fo«
mit patte ber StetbobiSinuS
(Gelegenheit mit ben ihm um«
gebenben Serljältniffeit fich
unter bem ©eiftanb beS all*
mächtigen ©ottes gu entroi*
dein.
Söcaletj Äapctte, 3oftn Strafte, 9lett> 2)ori.
3ene Slocffircpe in ber ©ilbnifs ©artjlanbS
ijt bie Stutter oieler punbert Stempel, in welchen
taufenb «timmen baS „©pre fei ©ott in ber
Clöhe" fingen. Ms jenem ärmlichen Räuschen
an ber itafernengaffe gu Wem $orf ergoß fich ein
Strom euangelifchen fiebenS unb ©trebenS, bef*
fen Ära ft ^eute bis an bie ©üben ber ©rbe Der*
fpürt mirb. Unb jener irifche Sauer, unb biefe
einfachen $eutfdj=3rlänber finb nur Selege gu
bem eroig mähren ©chriftroort: „fflaS fcfjmach
ijt bor ber ©eit, baS hat ©ott erwählet, baß eS
gu ©chanben mache. Was ftarf ijt, unb baS Un*
«bete oor ber ©eit, unb baS Seradjtete hat ©ott
erwählet unb baS ba nichts ift, baß eS $u nichte
mache, roaS etwas ift, auf bah fich bor ihm fein
tfleifch rühme."
-•-
fir frier 5e* f|elligett JUienft*
tnal)lf0.
Sott ®eo. »ttth.
f nter allen ©itteln ber ©nabe, bie unfer £>err
3efu§ 6h r >ftaä gur Seförberung beS cfjriji*
fiepen ©laubenS unb fiebenS feiner ffircpe gege*
ben hat, ift bie 3?eier beS h^iliflen MenbmahleS
für ben ©priftenbefenner unftreitig bie beben*
tungsoollfte unb wichtigfte fjanblung. ©ie be*
beuiungSboll biefe freier ift, geht aus ben ©or*
ten beS fjerrn 3efuS felbft herbor, bie er in jener
berfjängnißDoflen Wacht, ba er berrathen warb,
ben Jüngern gegenüber bei ber ©infeßung biefeS
©aframenteS auSfbrach: „Webmet, eff et,
baS ift mein Seib, ber für eudj 0f=
brochen wirb, . ®aS ift ber SJeich,
b a S neue S£ e fi a m e n t i n m e i n e m S l u t,
baS für euch bergoffen wirb, ©ol*-
<heS thut, fo oftifjr eS trinfet, gu
meinem ©ebächtnife." ©ie wichtig biefe
£>anblung ift, geigt ber 9(poftel Saulus in fol*
genben ©orten: „$)er Wtenfcp aberprüfe
fiep felbft, unb alfo effe er oon bie*
fern Stob unb trinfe bon biefe in
$ e l <h. $ e n n m e l cp e r u n w ii r b i g i f f e t
unb trinfet, ber iffet unb trinfet
ihm fei ber baS ©er ich t, bamit, bah
er nicht unterfepeibet ben 2eib beS
fjer rn."
Obgleich fchon mehr als adjtgepnbunbert 3apre
berfloffen finb, feitbem ber £>err 3efuS jene in«
haltsfchweren ©orte fpraef), fo ift boch bie Seiet
beS heiligen MenbmafjleS ^eute noch fo frifch,
fo (ebenbig unb befeligenb für £>erg unb ©einiith
als gur 3eit ber erften ©hriftenheit. Me au*
beren ffeierlichfeiten unb ©ebenttnge bcrliereii
ihren Weig unb werben burep ben Sauf ber 3 e >t
aflinälig berbrängt. $)ie freier beS heiligen
IlbenbmahleS aber bleibt ewig neu unb gereicht
Men, bie eS würbiglich genießen gum ttnauS*
fprechlicpen ©egen. Unb warum wohl ? ©eil
GpriftuS baffelbe jebeSmal mit ben ©einen feiert
burch feine gnäbige ©egenmart. Staper fepreibt
auch ber Wpoftel SauluS: „St)er gefegnete
ff e lcp, welchen wir fegnen, ift ber
nicht bie © e m e i tt f cp a f t beS SluteS
©hrifti? 3)aS Srob, baS wir bre*
cheit, ift baS nicht bie ©enteinfcf)aft
beSSeibeSGprifti?"
$er ©runbgebanfe in ber freier beS I;ei liegen
MenbmahleS ift alfo biefein nach bie ©e=
meinfepaft mit beni£>errn. ©hriftuS
Digitized by v«,ooQie
174
Pie ?eter bes heiligm Hbenbmal)lf<.
offen 6art fidh auf eine gang befonbere SBeife;
fein Seib unb fein SSlut wirb nach einer himm«
lifd^en unb geglichen SBeife im ©lauben em«
pfangen unb gen offen. SÖetradhten wir ferner
bie SRuhe unb SBiirbe ber ffeier beS ^eiligen
SlbenbSmaljleS. flier f(baren fidj ©laubenS«
genoffen, ©leichgefinnte in bem ffterrn uin fei«
nen 2ifdj. 2ie oerfdhiebenen greife unb ©taube
beS tnenfchlichen SebenS werben wäljrenb ber
f$?rier beffelben gfeidjfam aufgehoben unb aus«
geglichen. 2er Unterfd^ieb jwifchen Steidh unb
Itm, ©rofj unb $(ein, ©elefjrt unb Ungelehrt
berliert fich im ©ange jum 2ifch bes £errn.
©in ©ebante nur bemächtigt jtcb fämmtlicher
©ommunifanten. @3 ift ber ©ebanle an ben
liebenben ©rlöfer, ber fich in ben 2ob baljingab
jur ©rlöfung armer ©ünber. 2ie Slbljängig«
feit oon biefem einen SOtittler jwifdhen ©ott
unb ben Blenden unb bie © 1 e i <h h e i t Silier
Oor bem, ber fern Slnfeljen ber ^|5ecfo« fennt, baS
ift baS ©efübt berer, bie fidh bem 2if<he beS
£>errn auf eine roiirbigc SBeife nahen.
SBie wichtig unb wie herjergreifenb finb bie
©rinnerungen, bie währenb ber 3?eicr bes ^eili=
gen SlbenbinaljlS in ber Sruft bcS ©oinmuni«
faitten machgerufen werben! @3 finb bie ©rin»
tterungen an bie spaffionSgefdhidhte beS ©errn.
2aS heilige Slbenbmahl weift hin auf baS Samrn
©otteS, welches ber SBelt ©ürtbe getragen hat,
auf beffen unfäglicheS Selben unb fdhmachoollen
2ob am ÄreujeSftamm. @3 erinnert an ben
reinen unb heiligen SJlenfdhenfohn, ber als SBütge
für uns bie ffluthen beS göttlichen ©erichtS über
fich hereinbreihen lieft, ber, obwohl er oon feiner
©ünbe muhte, für uns baS ©dhulbopfer würbe,
bamit wir Trieben hätten unb burdh feine SBun«
ben geheilet würben.
2aljer ift baS heilige Slbenbmaljl baS ißfanb
ber innigen Siebe 3(efu ju uns armen SJlenfdhen.
3frgenb ein ©reigniß feines thatenreidheS SebenS
hatte ftdh baju geeignet, 3>efu Siebe jur ©ünber«
weit ju betätigen, deines aber wäre fo über«
jeugenb gewefen unb fönnte ben ©iinber fo beu«
gen unb bred^en, wie bas ©ebädfjtnifsmahl bes
Seitens unb ©terbenS $efu.
2ie SBorte, womit ber Sipofiel Johannes ben
SSeridht bon ber fjfußwafdhung ein (eitet, finben
ihre Slnwenbung auf bas ^eilige Slbenbmahl:
„SBie ber $>err hatte geliebet bie
©einen, bie in ber SBelt waren, fw
liebteer fie bis anS©nbe." 3fn ber
fjriißwafdhuug berherrlidhte fich bie bienenbe
Siebe beS £>errn j U ßen ©einen. 3fm heiligen
Slbenbmaljle aber offenbart fidh bie 1 e i b e lt b e,
fich felbft hingebenbe unb aufopfernbe
Siebe beS fteilanbeS allen armen ©ünbern ge«
geniiber. Siebe ift ba§ ©eheimuiß bes heiligen
SlbenbmahleS wie überhaupt ber ganjen £iei(S=
Offenbarung ©otteS in ©hrifto 3»efu. 2er fterr
ift im Siegriffe, feinen SeibenSgang an ju treten,
[ich in ber ©iinberhänbe ju übergeben, er, ber
fidh bewußt ift, baß ihm ber Suter SllleS in feine
£änbe übergeben. 3n SBahrheit aber übergiebt
er fich in ber ©einen fpänbe; für fie läfjt er un«
auSfpredhli^eS Seiben über fidh ergehn; für fie
ftirbt er, fein 2ob gereicht ihnen jum ewigen
Sehen. 3nbem er fein Sehen für fie hingiebt,
wirb et ganj ber 3hrige unb fie oöllig bie ©ei«
nen. ©o überwinbet er burdh bie Siebe ju ben
©einen, bie ihn erfüllt, im S3orau§ baS beoor«
ftehenbe Seiben unb ©terben unb giebt ihnen bie
wahre SBebeutung.
SBie ernft unb feierlich ift für uns ber ©ang
jur ©rabeSftätte unferer Sieben, bie burdh ben
2ob uns botangegangen finb! UnOergehlidj»
finb unS bie lejjten ÜKomente ihres SebenS. SBie
iheuer ift unS bie ©rinnerung ihrer lebten SBorte,
bie fie fterbenb nnS juflüfterten. Slni ©rabeS«
hügel jieljen fo manche ©eenen aus ihrem Sehen
unb 2obe lebhaft unb ergreifenb an unterem
©eifte üoriiber. ©benfo erinnert uns bie freier
beS heiligen SlbenbmahleS an ben SluSgang beS
SebenS 3efu. SBir fommen jum 2ifdhe beS
ßerrn erfüllt oow ©ebanleit an 3fefu unaus«
fpredhlidhe Siebe, bie er ui uns hat unb bie in
feinem Seiben unb 2ob fidh an aUerbeutlidhflen
offenbart.
©einen 2ob alfo will 3efuS im heiligen
Slbenbntahle berfünbigt haben, unb Wie bie 3iin=
ger beS ^)errn bie ©infeßungSWorte beffelben erfl
uadh feinem 2obe unb Shiferftehung Oon ben
2ooten red)t ju begreifen unb ju fdjcißni wu|=
ten, ebenfo finb biefe SBorte jebetn fiinbe ©otteS
befonberS löftlid) unb ergreifenb, fo oft er fie im
©ennfs ber geweihten ©lemente wieberholen hört.
2aS heilige Slbenbmahl ift aber andf) ein S|3fanb
ber ununterbrochenen ©emeinfdhoft 3efu mit
ben ©einen. 3n jebem toiirbigen Slbenbmahl§'
geitnß nahet fich ber |)erv felbft ben ©einen unb
fpeift fie mit feinen ©egnungen unb erfüllt fo
feine SSerheifeung, bei ihnen ju fein alle 2age
bis an ber SBelt ©nbe, auf eine ben ©lauben
ftärfenbe SBeife. 2ie SBahrheit biefer Sßerhei«
fsung wirb aufs Steile beftätigt unb bie £off=
nung, ben ftönig einft in feiner ©dhöne jju fe»
hen, belebt. 3ö, StidhtS ift im ©tanbe, baS
Heimweh ber gläubigen ©eele nadh bem ^immel
fo ju erweefen, als biefe feierliche £>anblnng.
3efum einft ju fdhauen wie er ift unb mit ihm
biefeS SWahl neu gu trinfen in beS SSaterS 9leich,
baS ift bie heifse ©ehnfucht ber' ben fjeilanb lie«
benben ©eele.
2er ©ennfe beS heiligen SlbenbmahleS ift feine
©adhe ber freien SBillfüht oon ©eiten beS ©hri»
ften, fonbern eine Pflicht, welche ihm ber £err
felbft auferlegt hat. 3>oar wirb unS in bem«
felben nichts bargeboteu, was unS nicht auch
außerhalb bem ^eiligen Slbenbmahle burdh baS
Digitized by v^ooQie
per linbenjnieig.
175
göttliöße ©Bort bargeboten mürbe, nämlich: ©er«
gebung ber ©ünben, ©tärlung beS ©laubettS
imb Sraft jur Heiligung. 3m heiligen 9lbenb«
maßle aber wirb unS baS alles auf befonberS
einbringlicße SDßeife naße gebracht. ©o wie mir
außerhalb öem ^eiliflen ©benbrnaßle fa)on 93er=
gebung ber ©ünben erlangen, fo erhalten mir
am üfcße beS iperrn bie feierlich |te ©erficberung
baooit uttb bie in ©ejug auf bie täglichen lieber«
tretungen notßroenbige 6 r n e u e r u it g biefer
'SBerßeißung. @o mie auch außerhalb bent ßei=
ligen ©benbinaßle ©törfung beS ©laubenS ge«
toonnett mirb, fo bient bentfelben 3 ro ede eine
ivinblung, roelcßc uns auf bie augenfcheinlidhfte
2Beife ©ßriftum als unfern ©rlöfer* unb ©elig«
inacßer barfteHt. ©oroie mir außerhalb bent
heiligen ©benbmaßte an unferer Heiligung ar«
beiten unb barittnen fortfahren fallen in ber
fjfurcßt ©otteS, fo giebt uns biefeS ©aframent ben
lebenbigften Antrieb unb auch bie Srnft baju,
bie ©5elt fammt unfer f^leifdh unb 33(ut ju über«
toinben im ©tauben an ben, ber für ttitS bie
Sffielt übermunben hat. Oaher mir auch fagen
tönuen : fo geroiß mir bon biefem ©robe effett
unb auS biefem Selche triufen, fo gemiß toiffen
mir, baß ©ßriftuS burch fein Seiben unb ©ter«
ben uns bie ©rlöfung oon ©cßulb unb ©erbamm«
niß erroorben unb uns alle Segnungen feines
OpfertobeS gefiebert hat. ©5er baßer im ©lau«
ben baS heilige ©benbtnaßl empfängt, macht
Unfprucß auf alle Segnungen beS &errn, unb
ro-r baffelbe oßne 9lotb perfäumt unb beharrlich
nicßt feiert, macht fi<ß burch foldßeS ©erhalten
überhaupt ber ©nabe ©otteS unmürbig unb ün=
empfänglich. $aS heilige Ibenbmahl nicht
feiern ju rootlen, heißt ben £>eilanb beracßten
unb b.tS burch ißn bargebotene £eil ju perfchmä»
ßeu.
©o bebentließ unb ftrafbnr eS iß, baS heilige
Stbeitbmaßl ju oerachten, ebettfo traurig finb bie
folgen beS unroürbigen ©ettuffeS befleißen, fei
eS in unbußfertigem, unoerföhntem ober auch nur
gleicßgiltigein 3uftanbe beS |>ergenS. „®enn
welcher unmürbig iffet unb trinlet,
ber iffet unb trinfetihm felberbaS
©ericßt, bamit, baß er nicßt unter«
fcßeibet ben ßeib beS £errn." ©uf
bie Ofrage, mie man ficß jur Sommunion Porbe«
reiten fad, cmtroortet SElfamaS & SempiS in fei«
ner Nachfolge ©ßrifti mit folgettbeu ©Borten:
„©enteilte mit tiefem ©cßmerje, baß bu noch fo
fleifcßlich unb meltlicß gefinnt bift, fo ungetöbtet
in beitten ©Jeigtingen, fo Poll böfer Öüfte, fo un«
beroacßt in bei’nen äußeren ©innen ; noch fo oft
perroicfelt in fo mancherlei tßörichten ©inbilbun«
gen, fo faßr geneigt jum ©eußerlicßen unb fo
unacßtf'am auf baS innerliche; fo fertig jum
Sad^en unb jur 3etftreiiung, fo hart ju SEßränen
her Steue unb Serfnirfcßung, fo fcßnell hinge«
riffen ju jeber Freiheit unb ©entäcßlichJeit beS
tffleifcßeS, fo träge jutn ©rnft unb brünftigem
©ifer, fo begierig bleues ju hören unb ©cßöneS
ju feßeit, fo fraftloS baS ©erachtete unb fiebrige
ju ergreifen, fo gierig piel ju haben, folarg gum
©eben unb fo geijig jutn ©eßalten; fo unbe«
bacßtfam im ©eben, fo unentßaltfam im ©cßmei«
gen, fo ungeftünt in ©anblunaen, noch fo taub
für ©otteS ©Bort, fo eilig jur atuße, fo langfant
jur ©rbeit, fo macßfam bei leerem ©efdjroäße, fo
fcßläfrig bei ©rbauung, fo träge jur ©öaeßfam«
feit im ©ebete, fo eilfertig eine Sache ju enbigen,
unb. fo jerftreut, roo ©ufmertfamfeit erfordert
mirb; fo feiten ober gor nie gcfammelt, fo plöß«
ließ jutn 3°ru beroegt, fo reijbar ©nbern roeße
tßun, fo geneigt ©nbere ju richten, fo jirenge
©nbere ju beftrafett, fo auSgelajfen im ©lüde,
fo Perjagt im Unglücf, fo reich on guten ©or«
faßen unb fo arm ein Erfüllung berfelben." ©5er
fo feine ©ebreeßen befeitnt unb bemeiut, ben fe«
ften ©ntfdßluß faßt fein Sebcn ju beffertt unb ficß
ganj unb oßne ©orbeßalt bem 4?erru jum Opfer
barbringt, ber ift roürbig jum SEifcße beS fterrtt
hiujujutreten unb baS ©alrament beS fieibeS
unb ©lutes 3efu ©ßrifti ju feinem £>eile ju
empfangen.
(SS ift ©efaßr Porßauben, baß baS heilige
©benbrnaßt bon ©eiten Pieler Sircßenmitglieber
Perfäumt mirb unb eS märe ju müitfcßen, baß
toir jur altfircßlieheit ©itte jurüdfeßrten unb
jum «Eifcße beS £ernt öfter gingen, als faßt ge«
bräucßlicß ift.
-. «-
Per £iiii>eii|wei0.
Sür §*u§ tittb ferfc tnm f WW
©ine erjä^lung auö bem 14. SÄ^^unbert
ber erften Hälfte be§ 14 . 3 fa^r^unbertö
lebte in 9 türnberg ein 9 Hann, 9 lamenö
^ainb, ber gmar feinen beneibenätnertljen
3 unamen führte, — man nannte iljn ben ©rin*
bi^en, meif er in feiner Sfu^enb ftarf mit biefem
Uebel behaftet mar, — ber aber burd) feine eble
©efinnuncj unb fein menfcf)enfreunbli^e§ SPBir»
fen bie böcbfte Sbfftung bei feinen 3 e *^ e noffen
unb ein a^f^nete§ ?lnbenfen bei ber 9 tad)melt
fiit ermarb. @r ^atte feine 2 BoljnunQ in einem
©arten bor ber ©tabt unb erholte ftcb ßerne nach
be§ Stafle§ £aft unb |)i^e mH ben ©einigen im
©chatten feiner Säume. $ort faf; er audh eines
91 benbS im ©ommer beS Jahres 1320 mit feiner
liebenSmürbigen unb innigft geliebten CebenS*
gefährtin auf einer hölzernen Sauf, mährenb
i feine SJinber in frö^lidhem ©piele fid) ergöpten.
i 6 r mar über fjclb gemefen unb faum erft mieber
Digitized by v^ooQie
176
$tt finbenjroetg.
nach ©aufe getommen; beßßatb füllte et fi<ß im
Äreijr bet ©einigen boppelt gliidlicb. Um fo
meßr fiel eS ißm auf, baß ^iite ©attin nicht fo
beiter wie fonft fid) jeigte, utib es brängte ißn,
fie }u fragen, ob ißt etwas Unangenehmes tutber=
fahren fei. „0 nein," antwortete fie, „bieS
nicht, aber ich bube biefen borgen, mäbrenb bu
fort warft, etwas hier gefeben, maS mich gang
erfcbiittert bat."
„Unb was ift baS?" fragte er erftaunt.
„©eißelbrüber," erwiberte fie, „burcßjogen bie
'Stabt in einem langen 3uge. Me gingen Der»
biiltteit ©aupteS. 3eber trug eine ©eifeel Don
Stiemen in Der ©ctnb unb bamit peitfcßten fie
unabtäffig unter ©eufjen unb iBeinen unb unter
Ibfinaen Don SBußpfalmen unb unter Anrufen
ber SBarmberjigfeit ©ottes ihren entblößten
Stüden bis auf’s 33tut. Selbft bie Singen ber
©ärteften tonnten fid) ber Übranen nidgt ent»
batten."
„leb fo," oerfeßte ©ainß, „jeßt begreife i<ß
beine Stiebergefdjiagenbeit. 3<ß tenne bie Sache;
fie ift neu bei uns. 3fn Italien ift fie fdjon
lange betannt. ®a bot febon Dor jmei 3 a ßr=
buriberten ber Mt eines 0ominifanertlofters,
tjjetruS üamiani Don Staoemta, bie ©eißelung
atS (Buße für bie Sünben auf baS üringenbfte
empfohlen, unb fein '-Beifpiel unb ber Stuf feiner
©eiligfeit Derfchaffte feiner ©rmaßnung ©in»
gang, fo baß fofort ©eifilicße unb Baien, SStän»
net unb SBeibw anfingen mit 3tutßen, Stiemen
unb ftetten gegen ihren Seib ju mütljen. Selbft
durften ließen fi>h Don ihren Seicßtöätern geißeln
in ber SJteinung, baß mau bureß Selbftpeinigung
auch bei ber größten Sünbenfdjulb ber ©ölle
entfliehen fönne. 3000 ©iebe, üertünbigten bie
ißriefter, unter Mfingen Don 30 Sußpfalmen
gelte für ein 3aßr unb 30,000 für 10 3aßre
Süße. So rühmte fich febon Dor 200 3ub«<i
eine itatienifebe SBittwe bureb Setbftpeinigung
für 100 3fabre Süße getban ju haben, inbem
fie ficb nicht weniger als 300,000 Streiche gab.
3eßt foinmt bie ©nie auch ju uns. Üßeutung,
fteft unb ßriegSnotp einerfeitS unb ber Serfall
ber ftireße unb beS SBolfS anbrerfeitS, haben ihr
SSabit gebrochen. Iber fage mir, glaubft bu
auch, baß man fo wirtlich ©otteS SBoßlgefallen
erwerben unb ber Strafe ber ewigen ©eredjtigfeit
entfließen fönne?"
„©(aubft bu es nicht?" üerfeßte bie Sfrau.
„üiefe SSuße hat bodj, wie man mir fagte, fo
gewaltige Sßirfungen, baß Uneinige ficb Der»
föhnen, 2Bud)erer unb Stäuber baS ungerechte
©ut jurüdtgeben, noch unentbedte Serbredjer ihre
SJerbredjen befennen?"
„3a," antwortete er, „baß ber Slnbtid eines
folcßen MfjugS bie ©einütber mächtig ju er»
greifen unb ju erfchiittern im Stanbe ift, bas
jeigt bein eigenes ©eifpiel. Mein baS beweift
für biefeS in ft<h felbft un» unb mibernatürtiche
Üreiben nichts. SBollen wir ©ott wirtlich ge=
fallen, fo müffen wir ihm im ©eift unb in ber
SBaßrbeit bienen unb nicht auf biefem SBege.
üaruin fei beruhigt unb tümmre bi<h nicßt weiter
um biefer Sache wiüen."
©inige Üage nach jener Unterrebung über bie
©eißelbrüber machte ©aiuß mit feiner ©attin
einen Spajiergang auf bas Schloß, bie Steigs»
Defte genannt, üaffelbe ift feinem Sleußeru nach
noch beute erhalten, liegt auf einem ©erge unb"
gewährt bie meitefte Msficßt. Stuf ber ©öße
angefommen machten fie ©alt unb erfreuten fich
am Slnblid ber herrlichen Stabt unb ißrer in
ber (Beleuchtung ber Meitbfonne munberfeßönen
Umgebung. 0a ergreift bie fjrau überwältigt
Don biefem Mblid bas SBort unb fagt: „3Bie
feßön ift bie Statur! 0 ich begreife jeßt, wie
Weißt es ift, was bu gefagt: 'üaSUn» unb
SBibernatürlicße fönne nicht baS 2Baßre unb
©ute fein. SBer ©ott gefallen wolle, mü||e ißm
im ©eift unb in ber SBaßrßeit bienen/ "
„3a, freilich," erwiberte ©ainß, „baS war
auch ber SBeg, ben bie ©ßriften in ber 3eit ber
erfteu Siebe gingen. 0ie wußten Don SBall»
faßrten, tßroceffionen unb ©cißlerjügen nichts.
0aS ©injige, was fie Dor atleu anbern SHenfcßen
auSaeidjnete, — baS war bie Siebe. $ie|en
Stupm mußten auch ißr« fveiube ihnen (affen
unb ißnen bewunbernb baS 3 ei, gniß geben:
'Seßet, wie fie einanber lieben!' üiefe Sie»
beStßätigfeit ber erften ©ßriften war noch in
ber Sltitte beS britten 3wb r buubertS ber ßer»
borftedjenbfte 3 l, g in Mein, was fie tßaten.
3n Stom, wo neben bem größten Steicßtbum bie
bitterfte Irmutß ßerrfeßte, unterftüßte bie ba»
malige ©emeinbe ber ©ßriften allein meßr als
1500 Irme aus Beiträgen, welcße bie Siebe bei.
fteuerte; unb als bet bamalige ^käfett, ein ßab«
gieriger SJtann, Don bem üiafon SaureutiuS
bie luSlieferung beS ©emeinbefcßaßeS oetlangte,
fo fiißrte ißm biefer eine SJtenge Don Ilten, ®e»
brecßlicßen, luSfäßigeit unb fonftigeu Innen ju
unb fagte: '®ieS ift unfre Scßaßtaininer, ßiet
bei ben Irmen (egt bie ©emeinbe ißre Scßäße
nieber/"
„3a," ergriff bie ©attin jeht baS SBort, „baS
ift ergreifenb feßön, aber haben fie biefe Siebe
nur unter fich 8 e ü&t ober auch an Inbern, an
ben ©eiben ? "
„0 freilich auch an Inbem," erwiberte er.
„Unter ber Stegierung beS UaiferS ©aflienuS
war in fjolge üon Urieg Üßeiming unb eine
Derßeerenbe 'Beft ausgebrochen, unb biefelbe
ßerrfeßte namentlich in nlepanbria auf’s ^ureßt»
barfie. 3)a mar bie fyureßt üor Infieduitg ju»
leßt fo groß, baß bie ©eiben, fobalb fid) bei
3emanb bie erften Spuren ber jfrantßeit jeigten,
eutweber ißn aus bein ©aufe ftießen ober boeß
Digitized by v^ooQie
litt finbeupoeig.
177
toor ihm flogen unb ihn hilflos ließen ließen.
Qalbtobte mürben auf bie Straße geworfen, unb
bie ©eftorbenen blieben unbegraben liegen unb
routben Don ben £>unben gefreffen. Stur bie
Gfjriften malten es anberS, fronten ihrer felber
nid)t unb fugten bie Üfranfen in allen Einteln
bet Stabt auf jinb pflegten fie mit eigener £>anb,
fpradjen ben soterbenben Svoft gu unb beftat»
teten fie mit aller Sorgfalt. 33iele ftarben in
fjolge biefer SiebeStljätigfeit; allein roie Diele
auch Don ber Seuche angeftedt mürben, immer
traten rnieber Slnbre an ißre Stelle. 33iS an’S
Gnbe ber '#eft hielten fie unermübet au§ unb
opferten mit 3?reuben ißt Seben im Sienfte ihrer
Ütebenmenfchen, gleicßbiel ob es Reiben roaren
ober ©Triften. So hielten eS bie Ghriften gut
3eit ber erften Siebe."
„Stun fa," berfeßte biefjrau mit gehobener
Stimme, „fo roollen mir in ihre gußtapfen tre»
ten unb nicht, um ©otteS ©unft gu geminnen,
uns felber mehe tljuu, fdnbern, um ihm in feiner
Siebe ähnlich gu merben, unfern 9tä<hften, bie
in bem Glenb finb, mohlthun unb SBarmfjergigfeit
erroeifen, fooiel mir fönnen,—baä fei unb bleibe
unfer SBeg gu ©otteS ©nabe."
„Simen," antroortete &ainß, „barauf gebe
ich bir bie £>anb unb miß es mit ber Spat be«
weifen."
Sräume finb Schäume, fagt baS Sprichmort,
unb atlerbingS enthalten Sräume meiftenS nur
ein ©emifch Don rounberfeltfamen ©eftalten unb
f^nelt mecpfelnben Silbern ohne $lan, ohne
t roed unb Sebeutung. 3« unb fe aber nehmen
räume auch einen höhnen Gljarafter an unb
erroeifen fid) als ©efteßte unb Sifionen, in benen
wirtlich gufünftige ober Derborgene Singe fid)
enthüllen befonberS bei Staturen, bie, roas fie
fuchen unb anftreben, mit ganger Seele erfaffen
unb bem 3«!«» baS fie einmal borSlugen hüben,
mit Doller, ungetheilter Straft entaegenfteuern.
Sine foldje Statur, ein ganger Scann mar auch
ber eble £>ainß. Gr hatte gelobt, ben 2öeg, ben
einjl bie erften ©haften gegangen, gu gehen unb
ftanb feitbem mit biefern ©elübbe feiner Seele
auf unb legte fich mit ihm auch roieber nieber.
GS begleitete ißn in bie Slrbeit .unb befeßüftigte
ihn, menn er fich ^»he gönnte. So mar eS
auch, als er eines SageS in feinem ©arten mit
allerlei Slrbeiten befcßäftigt mar unb enblicß er»
miibet Don ber Sonncnhiße im Schatten eines
SinbcnbaumS, ber feine Sfefte faft bis gnr Grbe
nieberfenfte, fich nieberließ, um auSguruhen.
Staum lag er im ©rafe, fo flogen feine ©ebanfen
auch bem SieblingSgegenftanb feiner Seele gu.
„Selig finb bie Sarmhergigen, benn fie merben
Surmbergigfeit erlangen," hieß eS in feinem
Innern; „allein mie greifft bu baS an ? Woher
bie Stittel nehmen, um etroas, maS auch ber
Sltühe roerth ift, auSguführen? Sich mie Diel
©elb mirb für IßeterSpfenniae unb niebrige
3mede unter bem Schein beS ©otteSöienfteS ge»
fammelt! O roenit id) es hätte, ich moüte ©olb
unb Silber anberS anroenben !"
Unb fiehe, biemeil er folcße ©ebanfen in feinem
eblen bergen h'» unb her bemegte, fdjlief er ein,
unb mährenb er fdjlöft, träumt er feljr lebhaft,
baß an einem gemiffen SMaße ein großer echaß
Dergraben fei. Sa macht er roieber auf, unb
roaS er geträumt, ift ihm noch fo lebhaft oor
ben Slugeit, baß er nicht umhin faitn, einen ber
nächften Sinbengroeige abgnreißen unb auf bie
Stelle fjingulegen, um fid) biefelbe gu begeidjnen.
Salb fcßläft er roieber ein unb fiehe! ba träumt
ihm baffelbe noch einmal. Sa rauf erwacht er
roieber unb ergäbt ben Seinen, bie inbeffen hin*
gugefommen maren, ben feltfamen Staum, unb
roie er gefonnen fei, wenn feine Slhnung gur
SBirflichfeit-mürbe, ben Schaß für bie Sinnen
gu berroenben. Stun gruben fie ba, roo ber Sin»
bemroeig lag, nad) unb fiehe! ber Sranm roar
4oat)r. oft barfei ten aller Slrt unb alteSJJüngen
in großer SJtenge unb bon hohem SBerthe tarnen
u Sage, unb Sitte ffanbeu unb ftaunten unb
onnten eS faum glauben, baß eS Wirtlich*
feit fei.
Sie Stuitbe bon bem Schaß, ben tpainß in
feinem ©arten gehoben, burdf)fief in einem Sin»
genblide bie Stabt, unb in allen Käufern unb
bei allen 3ufammenfünften fprad) man babon.
Ser Schaß bilbete baS SageSgefprädj. 91 ur
gingen bie Slnfidjten, maS ßaiuß nun tßun
ioerbe, gar feljr auSeinanber. Sie SJfeiften neig»
ten fich gu ber Meinung, er werbe fich ein Schloß
bauen, Söagen unb ^ßferbe, Unechte unb SJfägbe
einthun unb als ein großer Jjjjerr fein Seben
herrlich unb in ^reichen gubringen. Saß er,
als er ben Sraum ben Seinigen ergählte, babon
gesprochen, er fei gefonnen, wenn ber Sraum
roaljr mürbe, für bie Sinnen etwas gu tljun, ber»
lautete wohl auch, aber man legte fein großes
©emießt barauf, unb Stiemanb badßte baran, baß
StamfjafteS gefcßeljen werbe. Sa ronnbte fich
fjainß auf einmal an ben Dtatlj ber Stabt unb
fam um bie Grlaubniß ein, ein ftofpital gu
grünben. Senn für fich ben Schaß ausguben»
ten, baS fam ihm au$, als er ihn in £>änben
hatte, nicht in ben Sinn. 3?ür bie Slermften
unter ben Slrmen, für Sllte unb ©ebrechließe,
nicht mehr Arbeitsfähige, fjülfslofe unb Skr»
laffene follte er oerroenbet werben.
Gine ffreiftatt für ben fReft ihrer Sage, eine
bon ber Siebe berflärte 3ufIuchtSftätte, eine lieb»
ließe ^eimath follte für biefe Unglüdlidjen in’S
Seben gerufen unb nach beni ©eifte, ber bie
erften ©haften gu ihren berounbrungSroürbigen
Seiftungen befähigte, ber „£>ofpital gnm heiligen
©eifte" genannt werben.
3rür 100 Slrme biefer Slrt rourbe baS £>au&
Digitized by v^ooQie
178
Pa< ftrtpeil ein» Jünerthaners Über Jleutfdjlanb.
einfleridbtct. So Diele foHten ba freie ff oft unb
USopnung fiitben, in ffranfpeiten gepflegt unb
mit Srgneien üerfepen roerben. (fr feiber aber
gog in ein grofteS ©dpauS am Starfte, baS pun»
be'rt 3faf)re fpäter au bie Familie Kloben tarn
unb gegenwärtig nocp ber Bloben» (Stauen) ©of
genannt roirb. 3)ie ©ainften aber führten dou
ber 3eit an als Stoppen in Silber einen grünen
Siubeugweig.
9tlS baS ©ebäube fertig war unb bie Scpaar
Don alten unb gebrecplicpen 9lrmen ihren feier=
licken ©ingug in bieS ©aus ber Barmbergigfeit
hielten, oerfäumte ©ainft es niept, feine treue
©attin mitgunebnten, unb als ber 3>'Ö üon
Wanteuben ©reifen unb gitternben alten Seüttern
Durch bie Straften gum ©ofpital fiep bewegte, fie
an ben ©eiftlergug gu erinnern unb gu iftr gu
fagen : „91 un was macht beim biefer 3ng für
einen ©inbrud auf beiu ©emütp ? niept wapr,
and) einen ergreifenben unb erfcpütternben? aber
anberS woljl als jener. 2>as ©rgreifenbe unb
©rfcpütternbe biefeS 3ugeS ntacpt nicht nieberi
gefcplagen, fonbern erhebt bie Seele, macht nicht
ein trübfeligeS ©erg, fonbern ftimmt eS gu feliger
Bewegung, benit hier brauepfi bu niept mit Ün«
gliidlicpen unb Serbienbeten gu weinen, fonbern
hier fannft bu biep freuen mit gröblichen unb
Sobenbeit, baft ©ott fo gut für fie geforgt."
-. •-
Pa* Krtljeil eine* Jlmmltaiier*
iibn pnitfdjlanb.
©bitor.
angweilige, nieptsfagenbe Seifebefcpteibun»
gen, Seurtpeilungen unb Sbnrtpeiluugen
über Söller unb ihr SUjun; furg — unrei»
feS, wertplofeS 3eug wirb in ©eftalt üon Stig=
gen über Sanb unb Seute in folcper Stenge über
baS gebulbige Sefepublitum auSgefchüttct, baft es
nur feftabe ift um baS fepöne Rapier unb bie
25ruderfcpmärge.
Namentlich muft ©eutfcplanb bereinigen Uu»
fug immer unb immer wieber über fiep ergeben
laffeit. Sermeint boep— nichts gu fagen Don
aitberu — beinah jebeS junge Dämchen, baS ein»
mal eine Seife auf einer beutfepen ©ifenbapn
gemacht, ober fecpS Stunben in einem beutfepen
©aftpaus Derweilte, baS beutfepe Soll gu leimen
unb tbeilt nicht feiten feine Skispeit in einer
gebulbigen 3eitung freigebig aus.
Um fo wobltbüenber ift es gur Sbwecpfeluitg
auch einmal auf baS gereifte, auf üielfacpe Se»
obaeptung efeftüftte Urtpeil eines gebilbeten, un=
parteiifcbeu StanneS gu ftoften. ©in folcher Se»
urtpciler ift ©err Snbrew 2). SJpite, Sräfibent
ber ©orneü Unioerfität unb ehemaliger ©efanb»
ter ber Ser. Staaten in Berlin. Seriell» hielt
förglich °or ber Smctilanifcpen ©eograppifepen
©efellfcpaft eine Sebe über 2)eutfcplanb, unb bat
in berfelben fo unparteiifebe Urtpeile abgegeben,
fo gritnblicbe Belanntfcpaft mit beutfeben Ser.
pältniffen bewiefen, unb fo freimütig baS So»
bcitSwerthe anerfanut, baft unfere Sefer ficb
freuen Werben, etwa# Daraus gu Dernebmen.
9I(S tüdltig gebilbeter 9Rann faftt er baS
beutfepe Soll in feiner ©efammtbeit auf, reiftt
alfo niept einzelne 2peile Don bemfelben loS, um
baran feine Sanbglofjen gu hängen; er betrach»
tet Serftältniffe unb Umftäube im Safnumten»
bang mit ihren Urfacben; er giebt ©cfamtnt»
einbrüde unb Seflegioneu, onftatt 2agebucp=
notigen; er oerarbeitet baS gefammelte Staterial
gu einem Silb, auf welchem Diel mehr Sicht als
Schatten gu fiitben, unb baS in fo pellen färben
gemalt ift, baft Diejenigen 2)eutfcpen, welche eine
©pre barin fucpeit, ihr ©eimatplonb fortwaprenb
mit Scpmuft gu bewerfen, ficb »or biefem Smeri»
laner orbentlicp fcpämen füllten.
„2)a§ wiebererftatibene beutfdje Seid)," fagt
©err 33>hitc, „ift eine gefcpicptlicpe Spatfaipe, wel»
eper auch wir in Smerifa fRecpnuug gu tragen ha*
ben, unb bie fiep feit einem halben ^aprpunbert
Dorbereitet bat. ©S war ein gewaltig Singen,
au§ ber 3erbrödelung ber ©onföberation gu Dem
mächtigen ©inheitsftaat gu gelangen. Unb bie»
fer ffampf ift bis jeftt erfolgreich burepgeführt
worben. ®eutfcplanb ift praftifd) eine Union
unb gwar eine mächtige unb gefürchtete. Seine
politifcpe Sebeutung ftept in ©uropa in erfter
Seipe; fein ©anbei pat feit 1866 einen gewal»
tigeit Suffcpwiing genommen ; feine 3fitbuftrie
würbe äufterft DerDolltommnct unb bie inili»
tärifepe, Wie finangielle Starte beS beutfepen
Seines grengt gerabegu au baS JBunberbare."
2)aS Hingt gang anberS als bie boshafte ff rit*
telei, welcpe piergulanb unb Drüben bie „Sotben"
über ipr eigenes Saterlanb loSlaffen. 2Beil ni^pt
alles erreicht ift, was fie fiep oorfteüten, weil baS
beutfepe Seicp niept uaep jebem beutfepen ffopf
formirt werben lonnte, haben Diele 2)eutfcpe naep
acht germaniffper Stanier baran perumgunör»
geln, opne bie SBelt je mit einer lebensfähigen
ijbee beglüdt gu haben. Stag ©err SBpite auch
bie Sicptfeiten etwas gu fepr in ben Sorbergrunb
brängen unb bie Schotten gu Diel iiberfepen —
im groften ©angeit ift fein Ürtpeil boep ein riep»
ligeS, was immer auep unDermüftlicpe beutfepe
ffritteltöpfe bngit fagen mögen.
Seinape noch mehr aber als baS beutfepe Seicp
wirb ffrürft SiSmard gelobt. „2)er beutfepe
SeicpSlangler," fagte ©err Sßpite, „Darf mit
Secpt ber ©tgieper feines SotteS genannt wer»
ben. ©r pat baffelbe politifcp ergogen. ©r bat
eS gelehrt, baft bet alte BunbeStag abgefepafft
werben lonnte opne ben Staat git fprengen.
Digitized by v^ooQie
&fterjubtl
179
9?<idj>em baS 95otf burdj man^etlei (gjperimente
bic (Sinpeitju erringen fuc^tc, patbiefer flrofee
Wann ben SEBeg jurn gezeigt. Snbere pa=
ben gefcpmärmt, er erfpäpete baS (Streitbare;
aubere jintmerten ^brafen, er betrat bie Sapn
ber Spät unb joa baS Soll — baS oft roiber*
ftrebte — mit. (Sr glaubt an bie &anb ©otteS
in ber ©eftitte, unb bot feinen ungläubigen
Saitbsleuten gezeigt, baß bie #onb ©otteS aut
in ber beutften ©eftitte ift, unbbie§ift iptn
bot anjuretnen."
3miften bem beutften (ReitStag, ber franjö=
fifc^en Kammer unb bem aineritaniften © 011 =
greß ftellt £>err Söpite feine Sergleite an unb
ppt ben erfteren in Dielen ßinfüpten t>ot. „(Ss
ift einer ber beften Peratpftlagenben Körper,"
fagt er, „bie es aie6t. ©eine fteftigleit, Uitab=
pängigfeit unb Söiirbe flögen jebem intelligenten
Seobatter Sttung ein. Wan pört meber über,
flüffige, niept s ur @a<pe gehörige Sieben, not
leibenftaftliteSluöbrütetoie in ber franjöfiften
Kammer, not ift bie fopflofe Ueberftiirjung
aineritanlfter gefetegebenber Körper Porten be=
tannt. jt)ie Witg lieber beS IReitStageS liegen
nitt in ben anftoßenben Säumen herum, not
finb fie in ben StegierungSbureauS, um Slemter
)u fifteu, fonbern fie beftnben fit. beutfter ®e»
roijfenpaftigteit gemäß, in ihren ©ißen. 3 roar
giebt eS bort mehr als jrnei politifte Parteien,
aber bie ©elbftftänbigteit jebeS Slbgeorbneten ift
fo groß, baß bon feinem Sorteijmang bie Siebe
fein fann."
Sn äpulüper SSßeife fprat fit ber Sebner
über bie ftrammen, pflittgetreuen beutften Se=
amten aus, bie ihre ©ate grünblit öerfteben.
Unb ber in Slmerita fo bielfat gegeißelten beut»
ften tßreffe ftellt er folgenbeS Seugniß aus:
„$>ie beutfte treffe fiept gang unb gar bon 5jßer=
fonalfacpen ab, unb jerrt nie 3familien.Slnge«
iegenpeiten oor bie Oeffeutliipfeit. 35aö ©enfa*
tionS.I$lement wirb bon ihr faum je auSgebeu«
tet. ©paltenlange Worbgeßpitten, ©fanbale
unb ftmußige ©eenen bleiben ganj unbeattet.
©ie bepanbelt allgemeine SEbatfadben, befpritt
eiitjufüprenbe Waßtegeln unb giebt rupig unb
loürbig ipr ©utatten barüber ab."
©o gar inerfmiirbig, wie manten anbern,
bäutt e§ un§ nadjgerabe nitt, baß biefe Siebe
bon ben ameritanifepen 3 u börern mit großem
Sei fall aufgeuommen unb ber Sebner oft burt
lauten SfpplauS unterbrochen mürbe. £>err 2Bpite
rebete bor einem auSerlefenen, gebilbeten Snb=
litum, unb baju not bor ©eograppen, beren
Aufgabe e§^ft, bie 2öelt fennen ju lernen, unb
roelfpe miffen, baß hinter ben Sergen immerhin
not Seute mopnen, bon beneit man allenfalls
etmaS lernen fönnte. ©erabe bie gebilbetfte
Klaffe ber ameritaniften, mie jeber anbern Se»
bölferung ift eS, melipe (StmaS nitt beßpalb gut
ober fdplett peißt, meil e§ englift. beutft ober
franjöfift ift, fonbern barum, meil es folf
Sräbitat roirflit berbient. ©ölte Wen.
ften finb toillig überall unb oon allen ju lernen,
©ie ertennen bie Wängel ipreS £>eimatp(anbeS,
unb jroat um fo mepr, je mepr fie baffelbe lie¬
ben, unb mötten bie Sorjüge anberer Söller
in ipr eigenes Saterlanb berpflanjt fepen. ®er
Ungebildete ober ftalbgebilbete aber begnügt fit
bamit, Kapital mit feinem „£urrap ©olumbia"
ju ftlagen, ftedt mie ber Sogei ©trauß ben Kopf
in ben ©anb, mäprenb ipm ber Säger auf ben
fferfen ift unb glaubt mit bem Sternenbanner
alle ©täben peilen ju tönnen. (Sin folter
Wann gefällt fit felbft, unb manten anbern, bie
aut nitt mepr fönnen mie er; nüfelit ober ift
er bem Saterlanb bunpauS nitt. ®aS finb nur
biejenigeti, roelte, mie ßerr SBpite, mit gliipen.
bem Sotriotismus im fersen, pinauStreten auf
bie £otmatt, Umftau palten, fammeln unb
oerarbeiten unb baS alfo ©emonuene iprem Solle
barbieten, bamit es aus ben (Srfaprungen, (Sr.
rungenftaften unb (Sinrittungen anberer Söl«
ler etmgS ju feiner Sßoplfaprt geminne.
-. »-
ßfteijuM.
2luf, jubelt, it^r £eute!
£obftnget in ^Jreube,
Da§ <£fjriftus crftanM
3auci?3t, ba§ €r fein £ebeu
^iir uns t^at gegeben,
Den (Eob übermanbl
tlid?t fonnten galten
Die finftern (Seipalten,
€r t^ob ftei? 311m £idjt!
So tief €r geftiegen,
So fyoci? ift Sein Siegen
3n Reil unb (Seric^t.
Die mächtigen gelben
Unficbtbarer' IDelten,
Sie bienen bem Sofyn.
Das £amm, bas gefdjladjtet,
3P mürbig erachtet,
§u erben ben Cb ron -
0 felige IDonnel
Die Sonne,
Sie bienbet nidjt me^r.
Die Sd?n>3cbften ber Kinber,
Die 2lergjten ber Sünber
(Setjn freubig einher.
Digitized by v^ooQie
180
Per Plenfdj unb fein Heim.
Den Sünbern — bte Sdjanbe
Den (tobten — bie Banbe
<£r brad? fte entjmei
Dertraulid? nun tpagen
IDir „ Pater" 311 fagen,
<£r machte uns frei.
<£r fpridjt für bie Seinen
<£r macfyt fie 311 Heilten,
Cr jttllet tfyr £eib;
<£r trägt fte burdj’s £eben,
Dort fte 3U umgeben
DTit lidjtem (5efd?meib.
So jubelt, ifjr £ente,
£obfittget 3*t m faute,
Daß <£r eudj erftanbl
Jaucht, baß €r gegeben I
Sein tiimmlifdjes £eben *
§um fidjeren pfattbl
(bjermamt oon ber (Solfe.)
per JHenfdj unb fern $eint.
ffir §ou« nnb §erb non $r. #. NiemenMneiber.
S roar ein ftürmifc^er 9iobember»
abenb. 25er früfjjeitig eingetrof»
fene Aßinter jeigte fid) in feiner
unangenehmften ©eftalt, unb ein
feiner, frofliger, mit jahlreidjen
' ©djneefloden untermifdgter Siegen
liefe e§ fel6ft bem gegen SEBinb unb Söetter ab»
gehärteten Oberförfter 91., meiner feit Oielen
fahren in einer ber anmutfeigften ©egeitben beS
frönen ©chroabenlanbes mit 2reue unb Um ficht
feines Amtes geroartet hätte, als einen roahren
©enufe erfcheinen, am 3iele feiner Sßanberung
angelangt jn fein unb ben Aufenthalt im freien
mit einem roirtfjlichen Obbache oertaufefeen ju
bürfen. 2Bir fefjen ihn eilig auf fchön gebahn*
tent gahrroege burch eine geräumige Sarfanlaae
einem einfa’m gelegenen ftattlichen Sanbljaufe
»ueilen. 25ort finbet er bei feinem ©intreten
ftetS eine Heine, auSgeroäblte ©efellfchaft feiner
beften §reunbe oerfammelt, welche ben Derfpä»
teten Anföntmling mit aufrichtiger greube be»
roiHtoinmnen; roar er boefe wegen ber SBieberieit
feines SBefenS, feiner gefaflfcbaftlichen ©aben,
feiner gebiegenen SMlbung in allen greifen ber
©efeflfd&aft ein ftetS gern gefeljener ©aft.
9Jtit feinem ©intreffen roar bie ©efeDfcfeaft
Dofljäljlig geworben, Schon feit fahren nänt»
lidj Ratten fid) eine An ja 1)1 ber gebilbetften 9Jtän*
ner ber nahegelegenen Oberamtsftabt unb iljter
Umgebung ju einem Sfränjehen oereinigt, welche
es fiCfe 8ur Aufgabe machte, in monatlichen 3««
fammentünften, bie abroedjfelnb bei ben Der*
fchiebenen fDtitgliebern Des '-BereinS abgehalten
würben, einige Stunben gefelliger Unterhaltung
mit einanber ju Derbringen, unb bei biefeit ©e»
legenbeiten auch fragen Don allgemeinem 3>n*
tereffe in freunbfchaftlich ungejioungener ®e»
fprechung ju behanbelit. Unter ben '-Berfant*
melten erwähnen wir neben bem bereits ©inge»
führten, ben würbigen '-Pfarrer, beit Arjt, einen
Jjenfionirten ©ameraliften ber ©tabt, ben ©e*
fchichtsprofeffor beS bortigen ©t)innafiumS, ben
Stebncteur einer bafelbft erfcfeeitienben roiffen*
fdjaftlichen 3fUfdhtift unb eine Aujaljt ber lei«
tenben ©efcbüftSmänner beS gewerblichen, blü«
henben ©emeinroefenS.
2aS Äräitjchen hotte l’ich an jenem Abejibe
n bem trauten £>eim eines ber 9)Jitglieber, eines
irebfamen unb erfolgreichen SanbroirtfjS ju*
ammengcfuubeu, unb es roar biefes ffeim gauj
baju geeignet, alle Anroefenbeit in bie beifüg*
lichfte Stimmung ju oerfe^eit. 2)raufeen tobte
baS winterliche Unwetter; bas machte bie ©tim»
mung ber Serfammelten, welche fiefe in bem an*
f enepm erwärmten, reich erleuchteten Salon beS
reunblidjen ©aftgeberS ficher geborgen fühlten,
nur noch behaglicher.
Salb nach ber Anfunft beS DberförfterS trat
bie junge, anmuttjige £jerrin beS Kaufes herein,
um ju ber im Speifejiinmer aufgetragenen
ÜJtahljeit einjulaben, unb willig folgten bie ©e»
labenen ihrer freunblidjen Aufforderung.
2>er £ausroirth fo wie beffen ©ehülfin hatten
ihr 9)Jögli<hfteS getljan, ben gefd)äfeten ©äften
bie ©hren beS Kaufes ju erroeifen, unb in ber
beften Stimmung lehrten biefelben nach aufge*
hobener 2afei in ben ealon jurüd, um nun jur
eigentlichen Aufgabe beS AbenbS überjugehen.
hiebei führte ber Starrer, als ältefteS 'Dlit*
glieb beS deinen A reifes, ben Sorfib, unb nach*
bem berfelbe mit einigen freunbfdjaTtlidj ermun*
ternben SGßorten ben 3n>ed ber 3nfamtnenhinft
feftgeftellt hatte, begann ber profeffor, welchem
bie Aufgabe jugefallen war, ben Atiffafe Des
AbenbS ju liefern, fofort auf bie bem Aränjchen
Dorgelegte fjrage einjuaehen.
„SBerthe tjfreunbc! 3n bem traulichen £eim,
baS uns heute Abenb fein gaftfreunbliches 2hot
geöffnet hat, in bem wir inmitten aller nur ge*
roüufdjten Anneljmlichteiten beS Sehens uns jur
gewohnten ^Bereinigung jufammengefunbett ha*
ben, follten wir uns iganj befonberS angeregt
fühlen, mit fiuft unb Siebe uns gerabe mit bem
Don unferem roiirbigen Sorfifeer angebeuteten
2hewa ju befajfen. . 3ft eS boch eine 3rage,
welche mit ben iDienfCfeen, ober beffer gefügt, ber
3Jtenf<hbeit in innigfter Serbiitbung fleht. Sffiobl
giebt eS 25inge im menfdjlichen Sehen, welche
Digitized by v^ooQie
Per fHtnfd) unb fein $eim.
181
höhere Snterejfen beS WenfcbenbafeinS berühren,
ober roobl nur wenige, welche in bem engeren
greife beS täglichen SebenS fi<h gu aflen feiten
me^r geltenb machten, unb auch gegenwärtig bei
ber fte'ts roachfenben Seüölferung ber ßrbe unb
ben ftetS fid» fteigernben Wnforberungen beS 2e=
bertS mehr auf eine etngeljenbe ©rwäguna 9ln=
fprucb ergeben, als bie »rage, wie ber Wenfh
wohne.
„2Bir föpnten, um bie Sebeutung unb Strag-
weite biefer Frage angubeu*
ten, barauf binweifen, wie
biefelbe mittelbar ober un¬
mittelbar tjineingreift in fo
gar manche Begebungen
beS WenfcbenlebenS, wie fie
ihren ©influfe auSübt auf
baS Familienleben fowobl
als auch auf bie 2Bot)(fabrt
ber eingelneit Wenfhen ;
wie fie einwirtt auf baS
fociale 2ebeit unb wie enb*
lieb auih baS fittliche fieben
unb 2Bob (ergeben ber Waf*
fen nicht bon biefer Frage
unberührt bleibt. ®o<b bie*
feS wäre ein gu weites, ein
gu reiches ©ebiet, baS wir
in ber tunen, uns ange»
wiefenen Seit nicht i u
burchmeffen bermöhten;
barum loffen ©ie uns bie
für bie SiScuffion gewife
nicht unbanf bare ©eite
ber Frage auffajfen, wie
unb woburch ber Wenfcf)
nach unb nah gu ber mo*
bernen SOßoljnung getorn*
men fei.
„Weine» ßracbtenS ftnb
eS, um nun fofort in biefe
Sahn ber Unterfuchung
eingulenten, bor adern äu*
feere Serljältniffe, welche
ben Wenfchen im lefeten
©runbe beranlafeten, ja
beranlaffen mufeten, in ir=
genb einer SBeife fid) ein
£eiin, ober fagen wir gu*
nähft nur ein Ö6bach gu berfdjaffen. <5s war
biefeS eine gebieterifhe Forberung in feinem
Äainpfe uni bie ©gifteng. $)aS Sbier Würbe
bon feinem ©djöpfer gu biefem Kampfe bur<b bie
9tatur mit ben gegebenen Wittein ber 2tbmebr
auSgerüftet; ber bernunftbegabte Wenfdj aber
fab fidj angewiefen, bie erforberlichen Wittel
aus ber ihm untergebenen 9tatur felbft gu ge¬
winnen.
„©eben wir nun gur Förberung unferer Unter*
fudjung auf bie Eingaben guriief, welche bie guber*
iäffigfte Urtunbe über bie älteften Seiten beS
WenfcbengefhlecbtS, bie SBibel, uns in bie £anb
giebt, fo finben wir, bafe ber erfinberifhe ©eift
ber Wenfchen fchon febr früh biefer 5lnforberung
beS Sehens gerecht gu werben berftanb. ©efet
nicht, um hier nur anbeutungSweife gu erfahren,
bie £>erfteflung eines SaueS, wie eS bie 9lr<he.
■Jtoab’S war, notbwenbig eine grofee 9teibe ber*
mannigfaltigften ©rfinbiingen ber Sautljätigteit
$üttem2Bo$iiung ber SWeuf^cu.
borauS, unb bewahrheitet fidj biefe SotauSfefeung
nicht in befonberS nachbrüctlicber Sßeife burdj bie
Sthatfache, bafe fd)on hunbert Sabre nach ber
©ünbfluth ber Sau ber ©tabt Sabplon unb je*
neS SthurmeS, welchen bie 9ta<htommen fRoah’s
in titanifdjem Uebermutfje bis gu ben SBoIten
binaufgufüfjren fich oermafeen, in Angriff ge*
nommen werben tonnte ?"
„Sft nicht auch fdwn Shnen, meine Herren,"
unterbrach hier ber Sfarrer ben ©preeber, „ber
Digitized by v^ooQie
182
|ler 9trnfd| unb fein Heim.
©ebanfe gefommen, als fei uns in biefein oer»
meqetten Serfutfje menfchlidhen UebermutljeS in
gemijfem Sinne ein Sdhlüffel gegeben juin 33er=
ftänbniß jener gewaltigen Sauten aus uralter
3eit, wie fie uns tfoeils ermatten fiitb, theilS aus
ihren9tuinen noch ihre einftige ©röfje betunben?"
„@S ift feljr rool)l möglich," fuhrnunber'fko«
feffor fort, „baf? ber in ber jerftreuten Stenfdhheit
fortlebenbe ©ebanfe jenes SaueS in ben gaf)l=
reichen üöuitberroerfen ber Saufunft ältefter 3eit
feine '-Berförperung gefmtben hot- 3)o<h feeren
mir nun roieber jü unferem Schema jurüdf.
Sisfjer haben wir nachjuroeifen berfudht, bajj ber
fÜtenfch als folcfjer firf) ein Obbach ju fudf»en ge»
^elicniuo^nuug.
nötfjigt mar unb wie er biefer Aufgabe gerecht
ju werben oerfuchte. ®od) berläjjt uns hier her
fjaben, ben bie heilige ©efcfjidhte und in bie §anb
gab. ©an* unbemittelt tauchen aus bem 93öt=
tergemirre bie älteften ©ulturftaaten in ber ©e»
fdjichte bor unfern 9lugen auf, ohne baff eS uns
möglich wäre, aus ben mageren Ueberlieferun»
gen, menigftenS für unfere 3*r>ecfe, befonberS för»
bertibeS Material ju gewinnen. 2öir fehen uns
baher genöthigt, unfere Unterfuihung nach 9lna«
logie beS ©ntmicfelungSprojeffeS, wie er heute
noch in bem gortfchritte ber ©ibilifation fich
abfpielt, fortjuführen.
,,©S tann wohl als thatfädjlicf) feftgefteüt gel»
ten, baß Siehjinht unb Stdferbau bie urfprüng»
lichfte Sefdhäftigung ber fDtenfdhen roareiK 9luf
biefen Sahnen ber SebenSthätigfeit treten unS
noch bie Sotriarchen ber heiligen @ef$id)te ent«
gegen. ®er Sefiß beS Wirten finb bie beerben
unb bie ©egenb ift bie hefte für ihn, welche fei«
neu beerben bie auSreichenbfte 9taf)rung bietet.
9tid)t lange nun burfte ber £irt in berfclbcu
©egenb bleiben. ®r muhte bielmeljr, fobalb baS
ffelb abgemeibet war, mit feiner beerbe weiter
äiehen unb ein frifdjeS fuchen. 5Do er eine 3eit»
lang oerweilte, ba fällig er fein 3^lt auf. ®S
beburfte baju bloS eines grofcen, feften Stabes,
ber in bie ©rbe gefterft, unb
ber SBeflcibung, bie an bem»
felben bermittelft Heiner
Stäbe nadh allen Seiten aus«
gefpannt mürbe. $iefe Se=
fleibnng befianb anfänglich
aus Shirrhäuten, fpäteraber,
nadh ©rfinbuug ber Spinn»
unb SBebefunft, ans Sinnen.
Unter folchen' tragbaren 3el«
ten wohnte bet £irt mit
SQßeib unb ßinb, ruhig unb
bergnügt, umgeben Pon fei»
neu Qeerbeu, bie in fröhlichem
©ebränge um ihn h?r wei«
beten. $ie ©ibel nennt nnS
Sabal als ben erften, welcher
unter gelten wohnte. £>eute
noch finben wir foldje Wan»
bernbe ^irtenfiämme in ben
SPüfteneien 2lfrifaS unb
9lfien, Welche, jebe bleibenbe
SBohnftätte berfdhmähenb,
bon Ort ju Orte sieben unb
überallhin ihr leicht beweg«
licheS Cbbadh mit fich führen.
„$urdh ben 9lcferbau fo»
bann befam ber SDienfd) einen
feften, bleibenben SSkhnjifc.
®er 9ldfer erforberte feine un«
auSgefeßte pflege. ©rfdhlug
beshalb bet bemfelbett eine
£>ütte auf. ®iefe war anfänglich gewiß fei)r
einfach, ©ingerammte Stäbe mit 3n>eigen unb
©efträuch burdhflodhten ober mit Sfbierfetlen be=
beeft, bilbeten wohl bie erfte £mtte, weldhe ben
Sanbmann gur erquidfenben 9tuhe cinlub, wenn
er am 9Ibenb mit Schweife bebedft bon feiner
Arbeit jurüeffehrte. Mehrere foldjer Jütten
jitfammeit, bie nach unb nach fefter unb geräu»
miger würben unb fo ben Uebergang ju ben
Käufern machten, bilbeten baS erfte 3)orf, baS
fich mit ber 3 p i* i u einer fleinen Stabt ermei»
terte."
„©rlauben Sie, #etr Su>f«ffor," unterbrach
Digitized by v^ooQie
litt Penfill unb fein geim.
183
hier einet bet anmefenben ©efd[|äftsleute ben
Sortrag, „ich las oor Äurjein in bet miffen*
fchaftlidhen 3 eitfdjrift, welche unter ber Leitung
unfereS gefcgäßten fJreuitbeS Bier betauSgegebcit
Wirb, baß in berfchiebenen Öänbern Europas,
fomie in 2 tmerila 4 >öplen—nur tJelfenmohnun»
gen aufgefunben worben ftnb, beren 9llter fidj
wohl nic^t mit ©enauigfeit beftimmen lägt,
welche aber unjweifelhaft einem ' fepr frühen
Zeitalter angehört haben müffen. 2 Bie ertlären
wie eS nun, baß Stenfchen biefen SBeg jur ^>er»
jtetlung ihrer SBohnungen eingefchlagen haben?"
„Saß es ju einer :§eit, welche gäitjlich außer
bem Sereidje ber ^iflorifc^en Ueberlieferung
liegt, Stenfdhen gegeben habe, bie anftatt Jütten
Überläufer ju bauen, ihre
3 uflucht in hä()ten fud)=
ten, ift eine bur<h bie tn
Seigien, ©uglanb, 3frartf=
reich unb 3)eutfch(anb ge*
machten 3 ?uitbe bon uraU
ten aus ©tein bereiteten
ffi.-cfieugeit, ja fogar oon
Speifeüberrefteit in foldjen
höhten fejtgeftetlte $hat*
fad|e. $t(3 Erllürung
bietet ftd) gattj naturge»
ntäß ber ttmftanb bar, baß
biefe 9taturöölfer, roelche
an Eioitifation, meiner
Knftcht nach, noch hinter
ben Somabenüölfern ju*
rüdfteheu, ber ftunft ftd)
ein Obbach ju bereiten
noch uitfunbig, bie ©eie*
genbeit, welche ihnen bie
Statur bot, ju einem Ob*
bache ju gelangen, benuß*
ten unb fo, ben Shiereit
gleich, in höhlen ber
Serge, ober wo immer ftch
folche finben mochten, ein
Unterfommcii juchten. —
Slnbers jebod) oerhält es
ftch mit ben grelfenbemoh*
nern, beten jum ifjeil großartig ausgeführten
Sauten unS in berfdjiebenen Serritorien Storb*
SlmeritaS entgegentreten. Slud) biefe weifen je*
benfallS auf eine feljr frühe 3 eit in ber ©ef<htcf»te
ber URenfchheit jurücf, aber baS Soll, welches
fte bewohnte, erfreute fi<h ohne 3 n>eifet eines
weit höheren ©rabeS ber Gioilifation, als bie
Stomabeit ber alten unb ber neuen 3 f it jemals
{rr<icht haben. Erforberte eS boch, abgefehen
üon ben Slnjeichen einer hohen Gultur, welche
ftch in reicher Qrülle an jenen Orten erhalten ha*
bett, junt minbeften einer gemiffen Seroofllomm*
nung ber SEBerfjeuge, um biefe SBoljnungen
herjufteQeti. Soeale Serhöltniffe, wie bie bro*
ÄffariftgdJ ffiohn^au*.
möglich in Wenigen erflürenben Störten uöllig
geregt ju werben oermögen."
Oa biefer Sorfcßlag oon Stilen mit beifälliger
3 uftimmung aufgenommen würbe, fo fuhr ber
Srofeffor in feinen Erläuterungen wieber fort.
„9Bir hatten oon ber hanb ber ®efd)id)te
nachgewiefen, wo im Saufe ber 3eit fich allntah*
lig aus urfprünglich tleinen Anfängen bie ©tobt
herangebilbet hatte, $jiemit war in ber Ent*
wicfelung ber menfdjlichen Stohnüerhältniffe im*
ftreitig ber bebeutfamfte Schritt gesehen. Stuit*
mehr wirften gar üerfchiebene Momente, wie
llimatifche Serhöltniffe, gefeflfchaftliche Snfor=
berungen, 9teid)thum unb ©efqmacf ber Eiujel'
henbe ©efahr Oon ©eiten ber fffeinbe ober Ueber*
fchtoetninungen, welche j. S. in Segppten bie
großartigen fjelfenbauten beranlaßteit, mögen
bett erften unb £>auptai}laß 3 U folchen unb ahn*
liehen Saumerfen gegeben haben."
„Stödjten nun nicht, §err Srofeffor," fiel
hier ber Eaineralift ein, „auch bie berühmten
Stahlbauten, welche ben gelehrten Sltertbums*
forfchern fo biel ju beulen gaben, auf ähnlidje
Serattlaffuttgen jnrücfjuführen feilt ?"
„©icherlich, boch wenn ©ie erlauben, wollen
wir ben oon Shnett angeregten ©egenftanb, ba
er bon gattj befonberetn ^ntereffe ift, jur aus*
fiihrlidheren Sefpredjung an einem anbetn Sbettb
jurüdlegen, ba mir ber Sebeutung berfelbeu un*
Digitized by v^ooQie
184
Per Ptenfdi unb fein peim.
2lltgriecbif($e§ 9Bobitbau$.
nen, auf bic mciterc SerOofltommnung berfclbcn
ein. 3(i* i'frijt lebendiger 2Bcifc müffett fo §. S.
biefe totalen einroirhingen einen (äuvopäet be=
tüf)_ren, meiner auf auSgebcljnten Steifen bie
oerfdjiebeneit cioilifirtcn Sänber befudjt ijat. Oie
Sauten beS fer=
nen Orients mit
Ufrcin biden @e=
niiincr, ifjren
flauen 2)arf)eru
»erben beit an
europäifdje Sau»
ffple ©emötjnten
SlufangS freinb»
artig anmuttfen,
a6cr gar halb
mag er fid) gu
bem 3**fl c ffönb=
niffe genötigt
fetjeit, baji eben
biefe bitten Stau*
cm ben beften
Sdjtiti gegen bie
erfi|laffenbe Stifte
beS ftlimaS ge»
roäf)ren,baft biefe
flauen Oitdjer,
mcld)e ibm fo
unflott erfdjei»
nen, e§ ib*n ge»
ftatten, unter bem
©djufce ber Sdjatten fpen»
“ = — benben Seinmanb bem füfeen
_ dolce pur niciito ber Orieit-
talenjid) Ijingugeben."
„Sie ermahnten, tnenn
id) mid) nid)t irre," fagte
hier, als eine S<u*fe j m
Sortrage eingetreten mar,
ber SlÜirtlj beS Kaufes, tuel»
d)er bieder mit gefpannter
3iufmertfamfeit ben 9tuS»
fübrungen be*9luffatjcS ge»
folgt mar, „baf; and) ber
©efdjntad, ber jtunpfinn
eines SolfeS einen beftim»
meitben ©influj; auf bie
£>erfteUung unb Semoll»
tommnung ber nicnfd)lid)cn
SBobnungen gehabt tjabe.
9tun laS id), falls icb mid)
nid)t irre, por langen 3al)=
reit einmal, bafi bie Käufer
ber alten 9tt()cner, beS an»
erfannt funßfinnigften Sol»
teS aller feiten, bennod)
einen auffallenben Stängel
beS fonft fo pod) gepriefciten
atbenifdjen fiunftfiitnS an
ben Sag gelegt fiätten. Säufdjt mid) meine
Grinnentng, ober nid)t, unö meitn nic^t, mie er»
tläreit Sie biefe Ijödjft auffalleitbe 6rfd)einung?"
„3(f)r ©ebäd)titifs mar Serien burdjauS treu.
©S ift mal)r, bafi gu Sitten, ber ipeimftättc ber
SBauevntyaud im bairitc^cn ^octojcbirge.
Digitized by v^ooQie
Per SJenfdj unb fein |titn.
185
ebelften, erbabenftenßunft, bet ftolgen Seherin ,,©aS war bie Sehaufung beS heibnifdjen
eines SartljenonS, bie Süofjnljäufer, felbft ber ©ermatten. ©o<h will es uns nidt)t fheinen,
Weiten unb Sorneljmen, in einem burchaus als paffe biefe S^ilberunfl noch heut gu Sage,
unfcpeiitbaren, einfachen Stple errietet gu wer» einer ©figje gleich, auf manche ^Bauernhöfe, wie
ben pflegten. ©od) biefeS patte feinen ©runb fie uns wohl auf unfern Steifen im füblidjen
tljeils barin, baß ber ©rieche eigentlich nur ben ©eutfdjlanb, g. 58. im bairifdjen fwdjgebirqe
Hbenb unb bie Stacht im
#aufe gubrachte, fo bajj eine
geräumige unb fcpöne 28ot)«
nung lein Sebürfnijs für
ihn war, theils auch barin,
baß es, wenigftenS bis gut
Seit beS ißeritleS, gefeßlich
»erboten war, ißribathäufer
mit ardhitef tonifhem
©chmucf gu oerfehen, bamit
bie ©empet als Sßoljnung
ber ©ötter ftets einen we»
fentlicpen SSorjug bot ihnen
behaupten feilten. Unbneh»
men wir ni$t auch in bieten
unferer alten beutfehen
©täbte, wenn auch nicht in
fo auSgefprochener SSßeife,
ähnliche ©rfepeinungen
wahr? SJtitten in einem
©ewirre enger ©affen mit
unfehönen Käufern, ftojjen
wir bielleicht gang unber»
muthet auf eine fhrdje ober
auch wohl ein ©taatSqe»
bäube, baS uns burch nta*
iejiätifdh erhabenen ©h)l
gu ftaunenber Semunberung
hinreißt.
„©eftatten ©ie mir nun
noch fdjließlich meine $er»
ten, in möglichfter ftürge
auf bie SOBohnungSoerhält»
niffe beS beutfehen SolfeS
eingugehen, ba gerabe biefe
bon befonberem Sfntereffe
für uns fein miiffen. £>eben
wir gunädhft bie nationalen
SJtertmale beS altbeutfcpen
£eimmefen§ herbor, fo mar
bas germanifdje SßoljnbauS
halb in halb über ber ©rbe
gebaut, ©ie SBänbe beftan»
ben entmeber auS fdjlichtem
Sachwert ober waren auch
wohl, nach Slrt ber amerita«
nifdjen Slocfhütten, aus Saumftämmen aufge» entgegen treten ? ©a ftnb biefelben Stiegel«
fchic^tet. ©aS ©ach beette man mit ©troh ober wänbe, beren ©teile hie unb ba rauhe ©lein«
©hilf, welches bann in ber falten SafjreSgeit mauern einnehmen, ba ift baS fdjlichte ©troh*
burch «in* Schichte ©ünger berbichtet würbe. *bacb. ber ©fall, bie ©djeune, burch ein unb
©efonbert bom SBohnbaufe ober an baffelbe baffelbe ©ach mit bem SBohntjaufe berbunben.
angebaut, ftanben bie ©elaffe für baS Sieh unb „SluS biefen bürftigen Serbältniffen feboch
ben ©etreibeborrath. * Wuchs mit bem Solle auch fein £>eim heraus.
14
fterrat^of in $rantrei$ unter bat 9Xarotvingem.
Digitized by v^,ooQLe
186
Central $ohfc.
Um nur in baS mittlere Stabium bet ©nt«
midlungSgeftitte beutfter«2Bol)tuing§Derf)ült=
niffe hineinjugreifen, fo finben mir, baß fit
j. 39. im carolingiften 3citalter bie Hütte jum
geräumigen Haufe, ja ju einem mit ^aflifaben
iimgürteten Häufercomplej erweitert bat. 2)a
feßen mir ju einem Slnroefen bereinigt: baS
Herrenhaus, baS grauenljauS, baS 39abehauS,
baS fleUethauS, ben flornboben, ben Speicher,
bie ißferbe», 9tinbPieh=, Stof» unb Stmeine»
ft alle, ein in jeber 39ejiehung ftattliteS, folibeS
Slnmefen, baS bon ben behäbigen IBermögenS»
berhültniffen beS ©igentljümerS 3 eu 8 n >ß abiegt.
„Slot inniger mutbet uns baS beutle Heim
ber fReformationSjeit an, in meinem folibe Sau»
art fit paart mit ©eftmad unb IRüdficbt auf
SBequemlicbfeit beä häu§lid)en SebenS. Genien
mir uns in ein folcheS Heim baS anmuthige ga»
milienglüd eines Sutljer hinein, fo tritt uns
bamit recht eigentlich baS Urbilb einer monnigen
beutfchen Heimath entgegen.
„Unb nun, meine Herren, brauche icb Sie
moijl nicht mehr auf bie Sßanbelungen pinju«
meifen, melche fich feither in ©eutftlänbs äßoh»
nungen bolljogen haben, 3hnen nicht mehr bie
ibaratteriftifcben ©igenthümlichleiten beS mober«
nen HeimS bor lugen ju führen, barjutljun,
melche Stploeränberungen ißlaß griffen, mie
baS macbfenbe Streben nach SBohnlitfeit unb
©omfort ber tphhfiogitomie beS beutfchen HaufeS
unterer 3«it ihr eigentümliches ©epräge ber«
lieh, ftann ich bot auf baS traute H e *nt hin»
meifen, baS uns heute Ibenb aufgenommen hat.
SRöge es, unb ich glaube, meine greunbe ftim»
men alle mit in biefen 3Bunf<h ein, möge es
unferm geftäßten 35ßirthe atlejeit eine 33erge«
flätte beS reinften beutfchen HauSglüdfeS fein !' ;
Silit biefen tiefgefühlten SOßorten beftloß ber
SRebner feinen 33orttag.
Slachbem nun bie ©efeUfdjaft auf 33eranlaf«
fung beS 33orfißerS bem '-ßrofeffor einen OanleS«
beftluß ootirt hatte, ergingen fit bie SRitglieber
beS ßräitichenS not «ine SBeile in trauliter
Unterhaltung, in roelter fie bielfat auf baS
©efjörte 39epg nahmen, ©nblit riiftete man
fit jum lufhrut- $er Sturm hatte fit mitt«
iermeile gelegt. Har ftien am roollenlofen Him»
mel ber vJlonb auf bie frieblite ©rbe herab unb
beleuchtete unfere greunbe mit feinem hellen
eteine ben nättüten Heimmeg ju bem im
Stale gelegenen Stäbtten.
„gleift unb 39(ut lottti baS SReit ©otteS nitt
ererben." Sßenn man ben alten SJlenften not
fo brab macht, tommt er bot uitt in ben Him»
mel. $aS SRiftbeet fommt nitt in’S 3immer,
fonbern bie ftöne 39lume, bie b’rauf mätSt; ben
lefer, bie ©rbe trägt man nitt in bie Steune,
fonbern bie grutt.
General Saldi.
et ftrecflitfte latljolifte ©eneral im 30fäh»
jährigen flrieg mar Hold, beffen Slame Diele
3fahre nat feinem Sobe nur mit Stau»
bem genannt mürbe, unb ben ber flaifer in ben
©rafenftanb erhob, roeil er fo borjüglit bie
Ausrottung beS '-firoteftantiSmuS oerftanb. ©r
Derfutle nitt lange, bie ftörriften ©Dangeliften
ju belehren, fonbern ließ fie ftaarenmeis tobten,
melte Derbienftlite Hanblung nat Anfftt beS
flaiferS mohl einen ©rafentitel mertt) mar.
IRatürlit mürben bie Unglücfliten Dor ihrem
Stöbe gemartert unb ihres Sefißthums beraubt,
Don bem ©raf £>old ben loftbarften Sheil nahm
unb ben 3teft feinen Kroaten unb ^anburen
überließ, ftein laiferlicher ©eneral ging mit
feinem H eere borthin, mo Hold gemefen mar.
Sie meinten latenb, mo er gemeibet, ba matfe
in fahren lein ©ras. 3tn ber $hat, roohin er
ben guß gefeßt, hinterließ er eine entfeßlite
©inöbe, unb höufig ließ er Ortftaften nur beS
Spaßes halber anfteden. SRan tann fit benlen,
mie Alles bor ihm floh unb nur Eßenige ihm mu»
thig Stanb hielten. SDeren ©nbe mar meiftenS
ein entfeßliteS. 3a, bie latljolifte flirte befißt
bide Heiligenbüter, in benen ber Helbenmutlj ber
erften ©hriften, ben H«iben gegenüber berittet
mirb, mie fie troß graufamfter Oualeit ihren
©lauben nitt berleugnen mollten. Unb biele bon
ihnen maren fromme unb heilige SRärtprer, ju
benen aut mir in ©hrfurtt aufbliden, toenn mir
fie aut nitt ju unfern Stußheiligen erlorett
haben; aber bie römifte flirte begnügt fit nitt
bamit, bie SJtärtprer ber erften 3ahrhunberte
nat ©h r >fti heilig ju fpreten, fonbern hat fft
fpäter not manterlei Heilige auSgefutt, melte
nittS meiter mie fromme Seute maren. Slein,
mir lennen folte öciltcjf|jre<hung nitt, fonft
gäbe eS unter ben Opfern fiolds mante, bon
beren Stanbhaftigfeit im ©lauben fit biel er«
jählen ließe, unb benen biedeitt ber römifte
Heiligenftein nitt fehlen mürbe, menn fie fo
bartnädig am latholifteu ©lauben fefigehalten
hätten. — 9lun, biefleitt hat ber liebe ©ott ein
golbeneS 39ut, in meltem unfere SRärtprer Der«
geitnet ftehen. Sie merben eingegaitgen fein
}u unferS Herrn ffreube.
®ot mir roollen uns not einige 9lugenbtide
mit^fieinrit H°Id beftäftigen. @r flammte,
o Stmat, bon ebangeliften ©Item, aber er
hatte längft feinen ©lauben abgeftmoren, unb
ben latholiften angenommen, greilit fagten
feine ©enoffen bon ihm, baß er, menn er be»
trunlen fei, niemals miffe, melcher Religion er
angehöre. 3m nütternen 3uftanbe aber ftrebte
er eifrig bamat, ben ftatholiften »u jeigen,
mie er für ihren ©lauben ftrebe. 3** biefem
Digitized by v^ooQie
Äenetal Ijoldi.
187
3wed batte et fich einen rohen, ünmiffenben laffen. Sin fä<bfif<heS ebangelifcheS Regiment
SDtönch tommen lagen, welcher nach Sroberung fprengte mit lautem ©efdjrei auf ben a)iatft=
einet - ebangelifchen Stabt fid) auf ben 3Jtarftplaß plaß, bie Stabt mit einem Schlage bom geinbe
feßen unb '-8eid)tjettel feilbieten mußte. Sinige befreienb, ber in eiligfter flucht baS Söeite fuctite.
Kroaten fdjlugen bie Trommel baju, unb eine ©raf £old entging nur mit Stotty ber ©efan»
Stunbe lang wartete biefe ©efellfdfjaft, ob nid^t genfcbaft. Sr batte, am StatbbauSfenfter fte=
etliche Sinröobner tommen mürben, bie burch benb, bie Scene auf bem 2)tarttplaß gu lange
Srtaufung beS 33eicbtgettelS fich bereit ertlärten, angefebcn unb barüber bie 2l3ad)famfeit ber»
ihren ©tauben abgufcbmören. Saß biefe ®ei<f)t= geffen. 9lber er fchwur, baß er noch einmal
gettel mit fernerem ©elbe begablt roerben mußten, nach flauen tommen roolle, unb fein Schwur
oerftebt fi(b oon felbft. Obgleich baS 3lbfd)Wö» festen in Srfüllung gu geben. SaS Ärieggglücf
ren beS ©laubenS bor qualoouem Sobe errettete, fchmanfte bamals ftart bin unb ber, halb mußte
fanb fi<b nur feiten 3emanb, ber bem 9ötön<h flauen mieber bon ben Saufen aufgegeben
einen 3«ttel abfaufte: meiftenS gingen bie Sban« merben, unb £old lagerte ficb in ber 9lälje. Sie
gelifdjen mit ©leicbmutb ben fcgrealic^en Seiben Stabt gitterte. Scbaaren bon SSetern ftrömten
entgegen, welche bet gkofoß beS ©eneralS über in bie Kirche unb ©ott erhörte ihr ©ebet. Ser
fte berfügte. fcbredlicbe ©eneral ertranfte an einer peftartigen
öefonberS in Sacbfen häufte ber wilbe ^oldt Kranfbeit, welche et fich im müften Sagerleben
fürchterlich: 3?aft febe 9ta<ht geigte ein glübenb» gugegogen. Sa geigte e§ ficb, baß er, ber nur
rotber geuerfäein am ©origont, baß eine Stabt £ a & unb S3era<btung gefäet batte, nur baffelbe
ober ein Sorf oon ben roilben Kriegerbeerben mieber erntete, deiner feiner Offigiere nabte
angegünbet fei, unb gitternb ftürgten bie Sban« ficb ihm, feine Siener berließen ihn; nur ber
gelißben bei §oId§ wnnäberung in bie Kirchen, 2lrgt unb ber tßrofoß gittgen bann unb mann
um bort Schuß gu fueben. 9lber auch biefe bei* gu ihm, ber halb befinnungeloS bor Slngft
lige 3uflu<bt3ftätte mar bor ben rohen Scbaaren mar.
ntdbt ficber. Ser graufame fjelbberr, welcher fo biele Seben
So erfchien ©raf £>old einmal mit einem 9te» auf feinem ©emiffen batte, gitterte bor bem Sobe
aiment in flauen, einer Stabt beS fä<bfif<ben unb berfptad) bem 2lrgt große Schabe, wenn et
SJoigtlanbeS, unb nachbem er im 9tati)bauS ihn mieber gefunb machen Wollte, liefet be=
Quartier genommen, feßte fich auch hier ber ge» beutete ihm aber gleichgültig, baß feine 9lugen«
roiffen» unb gefüßHofe uJlöncb bor baffelbe unb bliefe gejäblt feien. Sa brach €»olcf in laute
liefe burdb bie Trommel ben «erlauf ber Seicht» SerWünfchungen feines eigenen fünbbaften 2e=
jettel betannt machen. Son ben Sinroobnern benS auS unb berlangte laut iammernb nach bem
tarn 9tiemanb, nur bie groei ebangelifchen ©eijl» Slbenbrnaßl. Stan fdjidte nach bem Htöndj,
lieben, welche ber ^fetbberv mit graufamem £obn Welcher gitternb bor ber 9lnftedung ben Kopf in
batte jur Safel befehlen taffen, würben bon bie Sßür ftedte; aber bei feinem Slnblid fluchte
einem Fronten berbeigefübrt unb mit lautem ber Kranfe auf’s Sntfeßlicbfte. Sr fei eoan»
3Butbgef<hrei bon bem tüdifeben 9Jtön<b empfan» gelißb, febtie er, unb oerlange baS Saframent
gen. Sie erftbienen nämlich in botler lutberifdjer m beiderlei ©eftalt. Sie Oberften feines ^ecreS
imtstracht unb weigerten fich entfdfieben, bie» gudten ungebulbig bie tHchfeln, als fie baS Se»
felbe abgulegen unb ihren ©lauben abgufdjwören. gehr beS Sterbenben oernabmen unb meinten,
' Sann würbe noch ber reidjfte SitatbSberr beS er fönne ohne 9lbenbmabl jur ^pölle fahren.
StäbtchenS berbeigefcbleppt, unb als au$ biefer Stur einem jungen ffäbnricb ging ber SBimfch
Weber feine Schöße betflf^n noch tatbolifch beS ©eneralS, welcher immer lauter nach einem
merben moQte, begann bet erfte ©rab ber SEortur. ebangelifchen ©eiftlidjen berlangte, gu bergen,
Siefe beftanb barin, baß ber tjßrofofj große bä« unb er fanbte Silboten in bie umliegenben Crt«
nifebe Soggen auf bie Unglüdlichen beßte. 3KS fdjaften, - um einen Saftor gu holen. 9lber nir«
ein tiefiger £unb Inurreitb bie Saßen auf bie genbs war ein ^ßrebiger gu finben; fie hotten
Schultern beS StatbSberrn legte unb ihn mit gum Sbeil tbr Seben eingebüßt ober waren ge»
blutgierigen Hugen anftarrte, begann biefer gu flohen. Stur in flauen befanb fich noch einer
gittern unb oetfprach fein ©elb bergugeben unb ber IfJaftoren, auf ben $old bie §unbe batte
feinen ©lauben abguftßwören. Sie beiben $a» beßen laffen. Obgleich noch nicht gang berge«
ftoren baaegen blieben ftanbbaft bei ihrer 2Bei» ftetlt bon feinen SOBunben, ertlärte er ficb bereit,
gerung, feibft als bie ftunbe fie anpadten unb mit bem Soten gu geben,
ebnen bie Äleiber bom Seibe riffen. Sie blu» 9llS er gu bem ©eneral geführt mürbe, lag
teten fdjon aus bielen SBunben—ba fdjmettcrten biefer im $ieberfä)laf; als ber $aftor aber an
trompeten bot bem Shore ber Stabt, unb mit fein Säger trat, erwachte et, unb fich aufrichtenb,
einem wilben ffrtudj mußte ber ©eneral feinen ertannte er ben ©eiftlichen, weldben er batte mar»
Seuten SBefebt geben, oon ihren Opfern abgu» tern laffen. „SÖift auch bu getommen, um mich
Digitized by v^ooQie
188
Harre, meine Seele.
bei ©ott ju berflagen?" fdjtie er roilb, „habt ibr
beim alle fein ©tbarmen mit mir ?"
Umfonft berficherte ber Saftor, baff er ihm
herjlid) gern baS gegen ibit begangene Unrecht
berjeilje. $>olcf hörte auf fein berupigenbeS 3“*
reben. fÖtit fcpauerlidjen fjflütheit überfcpüttete
er ben ©eiftlidjen, fein SDafein berroünfd)enb,
unb als eublich ber ^Liaftor begann laut baS Sa=
terunfer ju beten, fließ ber ©eneral einen inatf«
erfchiitternben Schrei aus.
(Sä mar fein lefftcr. — Heinrich &olcf mar
tobt unb au ihm erfüllte fi<b ©otteä SBort:
„Sehe aber ben ©otttofen, bcnn fie finb boäpaf»
tig, unb eä roitb ihnen bergolten roerben, roie fie
eö berbienen." (fltachbat.)
|arre, meine Seele.
rre, meine ©eele, $arre be* $erm!
e« i$m befere, bilft er btx§ fo flcm.
f ie oft hohen mir biefeä Sieb bo<h fcpott ge=
fungen! roie (ieb hoben mir eä mit feiner
föftticfjen SDlelobie! Äber eä mirb unä nod)
lieber merben, roenn mir ben fötann, ber eä ge*
bidjtet hot, fennen lernen unb aus feiner Sehens«
gefchichte erfahren, baff eä nicht ein fiinfilicheS
SBIiimtein auä ber Stubirftube, fonbern bie Frucht
eines bielgeprüften Sebenä ift.
©äfar fötal an helfet ber fötann. ©ein
3Sater, ein ©enfer, mar ein ebrenfejter #err;
aber er log, roie bie ganje 3eit, in ben Sanben
einer bürren SerftanbeSreligion, Äucp (Süfar,
auägeftattet mit ben glänjenben ©eifteägaben,
hörte bon feinen Änabenjahren bi§ jur ©tunbe,
roo er auäftubirt hotte, nichts bon bem füfeen,
»ähren Iteru beS Soangeliumä. ©eine erftcn
fßrebigten roaren troff ber bortrefflichen 3eugniffe
in feiner Jafdje boch nur ©preu, ohne nah»
rungäfräftigen SBeijen. ©otteä SBort erfchien
ihm, roie er geht, langweilig, läng ft beraltet,
bis ber ©eift ihm bie Slugen öffnete, uub er an=
betenb in bie SEiefe ber göttlichen (Srbarmung
bineinfdjaute. ©r roar bamolä #aupttehter ber
fünften ftlaffe beS ©bmnaftumS in ©enf. Skiä
roar auä ber ©tobt ©albinä geworben! 2fn ber
.ftirche rourbe leeres ©troh gebrofdjen, unb auf
ben ©affen erfdjofl ber ©ehret: „lieber mit
3efuä ©hriffuä!"
3« Oftern 1817 trat fötalan jum erften fötale
mit feinem ebangelifdpen ©lauben öffentlich auf
ben Sion. ©r prebigte, roie eä fßauluä getban
hot, bafe ber fötenfdj gerecht werbe ohne beS ®e«
feffeS fSBerfe, allein burch ben ©tauben. Daä
War ein .Qeulenfchfag für bie gefammte rationa«
liffifche ©eifflichfeit ber ©tabt. ©djon anberen
XageS rourbe er amtlich aufgeforbert ju roiber»
rufen, ©eine eigenen ©Item entfernten ft<h
bon ihm ; felbff feine Utau war bamalä tief be=
trübt über fein Äuftreten. ©r blieb unerfdjüt«
terlich- Ohne SBeitereä rourbe ihm bie ftanjel
unb baä öffentliche fßrebigtamt berboten. fRicfft
genug, bie ©eiftlidpfeit feßte eä burch, bafe er auch
bon (einem Schulamte, worin er ganj unbeftrit»
ten ein feltener föteifter war, abgefefft rourbe.
©r wohnte um biefe 3«it mit feinen fünf
Äinberit in einem £aufe, welkes er bon feinem
33ater getauft hotte, ©in 2heil ber ffauffumme
mufete unweigerlich befahlt roerben, ba ber Sa=
ter felbft bringenbe Skcfffelöerbinblidjfeiten ein«
gegangen roar. Sein ©elb in ber fiaffe, feine
Äpnnng, woher eä fommen fotlte; nichts als bie
geroiffe ÄuSfidjt, in wenigen Sagen amt« unb
brobioä ju fein. „#arre, meine ©eele, harre beS
£errn!"
9ia<h einer fitacht boll Ängft unb brünffiger
©ebete ging fötalan am fötorgen beä Sageä, roo
ber auägcfteflte Sßecfffel berfnüen roar, in feine
Älaffe. S®ährenb beä Unterrichtes flehte er ftitle
ju ©ott, ihm einen Ägäroeg auä ber fJtoth ju jei«
gen. Sa erfchien an ber Spür beä ©chulfoaleä
ein Urember, ber ihm rointte. ©ä war ein
burcpreifenber ©nglänber. , „3<h habe," fagte
biefer, „bon 3h rer Stoth gehört unb fomme, 3h*
nen bie ©umme ju bringen, welche ©ie nötbig
haben!" föiit biefen SBorten brücfte er baä
©elb in bie &anb beä ©rftaunten unb ging.
Um in feiner Sßoterftabt baä reine ©otteöroort
nicht ganj betjhmimen jn laffen, begann föta»
lan, aufeerhalb ber fötauern eine Äapelle ju
bauen, freilich ohne ©elb unb ©ut; benn 250
Uranien, baS ©efdjent eines 3rlänberS, roaren
fein aanjeS Äapital. 5lm 19. fötärj 1820 rourbe
baS Uunbament auägeroorfen.
Unter ben Arbeitern roar ein U«in>iDiger,
Uelij fitäff mit fltamen, welcher burch fötalan
jum lebenbigen ©lauben geführt, bamalä als
©olbat in ber ©enfer Ueftungägarnifon ftanb.
©r hotte fidj aus Sanfbarteit erboten, in ben
ben Sagen unb ©tunben, roo er feinen Sienfl
hatte, an ber ÄapeDe ju arbeiten. Sei ben er»
ffen ©patenftiehen, bie er that, fanb et eine
ßupfermünje, baranf ein ©äemann mit ber la«
teinifdpen ^nfcferift: Ejaotura lucrum, auä
bem Serlufte ©eroinn! fötalan, bie fötünje fe*
henb, fagte: „®ie mit Slhtänen fäen, roerben
mit Uteuben ernten!" fJtoch an bemfelben Sage
erhielt er bon Srübern auä SBiirttemberg burch
bie Soff 30 Souiäbor mit ben SBorten : „©ine
©eihülfe jum Sau ber fötauern 3 eru folemä."
S)aä roar aber für lange 3<it auch ÄUeä, roaä er
für ben Sau empfing.
Älä berfelbe halb fertig roar, muffte fötalan
bem Saumeiffer eine beffimmte ©umme jafflen.
6r hotte ff<h on jroei reiche Ureunbe geroenbet,
bon benen er mit Sicherheit £>ülfe erwartete.
Äm fötorgen brachte ein Sriefträger btei ©cffrei.
Digitized by v^ooQie
Darre, meine Seele.
189
ben. ©lit ©ajt öffnete ©talan bie beiben, auf
roelchen er bie ©anbfdjrift ber ermähnten greunbe
erfannte. Sie enthielten feinen fetter, nur ben
auteit ©atfj, öon feinem Vornehmen abjuftehen.
gr gab fie feiner grau unb faßte: „Der, melcher
nicht roiU, baß mir fjleifch für unferen ©rm hot»
ten, mirb roohi ju Reifen roijfen!" „2öaS mirb
beim," faßte bie grau, „ber britte ©rief erljal«
ten ?" ©ialan öffnete ihn. gin Sßedjfel bon
2500 fronten fiel ihm entßeßen, bon roarmen
äöorten ber grinutljigung begleitet; ein ganz
Unbefannter hatte ihn ßefanbt. ©alb barauf
fain, gleidjfadS bon unbefannter ©anb, ein ©rief
aus Süö=3canfreich mit 50 SouiSbot unb ben
UBorten: „gS fieht gefchrieben: Dehne beine
Seile lanß! ©ber es fteht auch gefchrieben :
Stecfe beine ©ägel feft! (3ef. 54, 2.) „SBenn
©des bricht, ©ott oerlaßt uns nicht!"
©odj oft hat ©lalan auch nach ©odenbung ber
Aapede bieS erfahren. (Sin fchroereS fieiben be»
brücfte ihn. Sein ftebeniähriger Sohn Sfocelpn
mürbe, maljrfcheinlich in tfoige eines gefährlichen
Sturms, bon bem heftißften ©eroenleiben befal-
len, roelcheS fi<h bis ju furchtbaren Ariimpfen
fteißerte. Die frönen, geiftooden 3üge beS
Anaben boten einen ^ammerblicf, menn bie
Äranfheit ihn fchüttelte. Der ©ater, feft im
©tauben, hoffte juoerfichtlich, bur<h anijaitenbeS,
inbrünftißeS ©ebet ©enefunß für baS ßeliebte
Ainb bon ©ott ju erfämpfen. ©dein baS Sei«
ben flieg nur höher, ©talan mar mie $er«
fcpmettert. Das ©Juffer ßinß ihm bis an bie
öeele.
„gr roufete noch nicht," faßt fein Sohn, ber
bie ßebenSgefdjichte beS ©aterS ßefchrieben hat,
„baß biefe 3»ahre beftimmt maren, nicht um ihn
einen neuen Triumph feiner ©laubenSgemißheit
burch bie ©eilung beS ßieblingS erleben ju
laffen, fonbern um ihn in bie lange, fchmerjenS«
reiche Schule fchmeigenber, finblicher Demütf)i=
flunfl unter ©otteS geroaltige ©anb ju nehmen."
©lalanS ©usfehen mürbe mie baS eines ge«
fnicften ©obres. „Starre, meine Seele, hm«
beS ©errn!"
gnblich fain bie grbörung, anberS jroar, als
er gebacht halte, aber fetiger, rounberbarer. 2fe
herjjerreißenber bie ©otlj beS AinbeS mürbe, um
fo ^errliciher offenbarte (ich in feiner jungen
Seele ber ©bglunj ber groigteit, bie geljetmniß«
»olle ©tadjt friebeoollen, freubigen ©laubenS.
Die brei Sterne feiner ©acht maren bie immer
öoit ihm roieberholten brei Sprüche: roiU
bidj auSerroählt machen im Ofen beS glenbs!"
„©Jierool)! er ©otteS Sohn mar, hat er an bem,
baS er litt, ©efjorfam gelernt." „2Bir müjfen
burch Diele Trübfale in’S ©eid) ©otteS ein«
gehen !" ©eun 3aljre touchS baS ßeiben; neun
3abre rou<h§ auch bie ©ottinnigfeit beS Anaben.
„Sie gut ift ©ott!" faßte er einft ju feiner I
©lütter, „ich fühle ihn ganz nahe, unb ich meine,
ich fönne mit ihm reben, mie mit bir!" S3on
feinen namenlofen ßeiben fprach er nur, um
©ott ju banfen, melcher ihn baburdh an fein
©nterherj gezogen habe. „©<h," faßte er, „meine
©rüber unb Scijmeftern finb noch mitten in ber
Seit unb ihren eitlen ©erfudjnngen, unb ich
bin bem allen burch bie Araft meines ©eiianbes
fchon entriffen. O, icfi bin meit glüdlicher, als
fie ©de!" — ©m 26. Januar 1846 mürbe ber
Anabe bon feinem Schmerzenslager in bie felige
gmigfeit felbft geführt.
©uht lange barnach begann bei bem fräftigeit
©lalan jenes fchmere ßeiben, meines, mie baS
feines Sohnes, 3fah« lang hi«bur<h machfenb,
ihn mit folchen Schmerjen folterte, baß er mit«
unter ju ben Seinen faßte: „@ebt hinaus, meine
Sieben, ber ©nblicf biefer ©oth ift nicht für
euch!" „©iS ich jung unb ftart mar," äußerte
er ein anbereS fötal, „mar ich in ber mächtigen
©anb ©otteS ein eiferner ©ammer, um bie
Aiefel ju jerfchlagen. 3feßt hat er mich auf ben
©mboß gelegt, mich felbft ju fchmieben!" geuer
thut mep; aber „größer als bet ©elfer ift bie
©oth ja nicht."
©talanS hoffenber ©laube ftrahlte in folcher
Sicbtbarteit, bah ber ©rjt eines Tages ju feinem
Sopne faßte: „So eben habe ich gefehen, mobon
ich oft teben hörte, maS ich aber noch niemals
mit ©ugen geflaut hatte. Sefct habe ich cS
fo gefehen, mie ich biefen Stocf felje, ben ich in
meiner ©anb halte!" „Unb maS ift baS?" fragte
ber Sohn. „3<h habe," mar bie ©ntmort, „ben
©lauben gefehen, ben ©tauben nicht eines Theo¬
logen, fonbern eines ©hriften. ©tit ©ugen habe
ich ihn geflaut!"
©bgejehrt, unbemeglich lag ©talan in ber
lebten 3 f 't auf feinem ©ette; aber in feinet
Seele mohnte ber ©immel. „gr ift eine ©eali-
tät, eine ©ealität!" faßte er. ©alb barauf mie«
berholte er ^meimal nacheinanber: „©ein, nein,
cS giebt ferne Solfen an meinem ©immel."
©m- 8. ©tai 1864 ging es jitm Sterben; TobeS*
färbe lag auf feinen 3ügen. ©lößlich leuchtete
aus feinem ©ntlifc ein Strahl innerer ffreube.
Der pflegenbe Diener brach baS feierliche Schmei«
gen unb rief: „0 feljt, feht, roelche Schönheit,
roeldje ©errlichteit!" gine ber Töchter antmor»
tete: „5n biefem©ugenblicf ift bie Seele unfereS
SaterS in baS©nfchmien ber himmlif^cn ©lorie
eingegangen!"
gmige Treue, ©etter in ©oth, tetf auch meine
Seele, bu treuer ©ott!
Digitized by v^ooQie
190
3L jiilforb Hall unb fein Perlt.
*. Pilfor* JEjrtH uni feto JBtrb.
Siir ©au* nub ©erb bim 3. 8. ftagltr.
f er ift 91. 2öitforb ©ad? SerhältniBmäfng
nur wenige ber Sefer non ©aug unb ©erb
mögen biefen Wanten aucf) nur gehört
haben, gefdjmeige etmag Wähereg nou biefent
merfwürbigen Wtaitrte, bcr ihn trägt, miffen;
beim biefer Warne wirb erft feit einigen Monaten
in weiteren Streifen befannt, unb grnar borläufig
noch nur in ben Grei¬
fen eitglifcher 3uitge.
2Bir gmcifeln aber
nic^t barait, bafe,
tnenn biefeg 3apr=
hunbert fein Gilbe
erreicht bat, 9t. 2öil*
forb ©all mit gu
ben gewaltigften unb
einflufereid)ften ©ei*
ftern beffelben ge*
gäl)lt werben wirb.
3a, manche fitib fo
fanguiuifcb, ihn ab
ben ©tern erfter
©röße in bemfelben
gu begegnen. Ob [ich
biefem fo berau^ftelli,
barüber taffen wir
bie 3utunft ent*
fibeiben.
Unb worauf grün*
bet man biefe 9ttt=
fiebt? ©auptfäd)licf)
auf ein mertwürbi*
geg s 3ucb, bag 91.
SBilforb ©aÜ nor
einigen Monaten
fcbrie’b. Diejeg ©mb
trägt ben SEitel:
The Problem of
Human Lite, Here
and Hereafter.
ift ein miffenfebaft*
liehe»,philofophifbeg
unb apologetifcbeS
9öert, in weichem ber
9lutor bie berfd)iebe=
neu materiatiftifeben ©pfteme ber bebeutenbften
miffenfchaftlicbeit ©roßen unferer $c\i mit ge*
Wattigen ©ammerfeblägen zermalmt.
Gine ©figge beg Gebens biefeg großen Wtanneg
mag ben Sefern üon ©aug unb ©erb nicht ohne
3fntereffe fein; benn wer hört ober tieft nicht
gern don bem Sebeng* unb Gittmicflungggang
einer bebeutenben 5perfönlicbfeit. — ^otgenbe
Sebengffigge haben wir aug engtifchen Duellen
bearbeitet.
1. %. Jöiiforb TjaUs £eben.
9t. SBitforb©aU würbe geboren ben 18. 9(ug.
1819 im iownfbip 93atb, ©teuben Gountp, im
©taate Wem=?)orf. ©eine Gttern waren febr
arm, unb ber 35ater ernährte feine fünf fittnber
bureb ben Grtrag feiner Jagelöhnerarbeit auf
ben farmen anberer
ßeute. Oie gange
©egenb war bamalg
noch wilb unb nur
fpärlid) bewohnt.
Oie fleißige Wiutter
fpanti unb wob fetbft
bag 3^ag für bie
fileiber ihrer Sin*
ber. Oafe eg ba, mag
Währung unb filei*
bung anbelangt,
fpärlicb genug in ber
Samilie herging, ift
leid)t eingufeben. —
©obalb ber Heine
9Biiforb ciitigerma*
Ben h^angewadbfen
mar, mußte er bie
Samilie burch 9lrbei*
ten auf ben Sannen
ber Wachbarn mit
berforgett helfen. 9tn
Schulunterricht unb
Wugbilbuttg beg ©ei*
fteg war unter fol*
eben 9?erbältniffen
nati'trlid; nicht gu
beuten; benn eg mar
feine ©cbule in ber
Wabe unb fehlten
and) bie Wtittel, um
©cbulbüdjer gu tau*
fen.
Um biefe 3eit tarn
feiner Whitter 93ru=
ber, 9tbner ©atlja*
map, auf 93efucb gu
ihnen, um ben 2öinter über mit 3agb gugu*
bringen. Gr brachte ein neueg ©ernebr mit,
unb an ©irfeben unb anberem ffiMlb fehlte eg in
ben bitten Urwäibern jener ©egenb auch nicht.
Unb ba 9tbner ein auggegeiebneter ©<büße war,
fo hatte bie ©all Samilie jenen SBMitter mehr
Sleifcb gu effen alg gewöhnlich. S?ein SOßunber,
bafe bie $inber gu ihrem Dnfet, ber ihnen Wian*
heg aug ber großen weiten SSelt ergäblte, auf*
blidten alg gu bem größten Wtanne, bon bem fie
Digitized by c^ooQie
%. Pilforb $aU unb fein |8rrk.
191
ie gehört Ratten.— Oer Ontel gewann ein reges
Snterefie für ben munteren, aufqeroecften, brei=
geljnjäbrigen Änaben unb bat bie Gütern, ben»
[eiben mit ibm geben gu laffen. ©r oerfprach
ibm eine Slnftellung als ißferbetreiber am ©rie
Äanal gu Derfchaffen. Oafj ber Heine ©ilforb
»itiig mar, braucht nicht gejagt gu werben; hotte
er Dorf) nun 9luSfi<ht, bie weite, weite ©eit gu
feheil, oon welcher ihm ber Onfel fo Sieles er»
gählt hotte. Oie ©inwiHigunq ber Gütern mürbe
nach einigem 3ögern erlangt, unb bann ging’S
nach ©eneoa im Staate 3tem»$orf. 3 um ©Hidt
beburfte eS nicht Diel Schulweisheit, um ein
tüchtiger ffanalboottreiber gu werben.
ffünf Sommer lang war ©ilforb, ben man
Damals gewöhnlich ©edf nannte, mit ißferbe»
treiben befchäftigt. Slber ber Sohn War Hein,
unb an ©elegenheiten, baS wenige ©elb loS gu
werben, fehlte eS auch nicht, unb.fo fam eS, baß
©ilforb nichts erübrigte; unb in feinem acht»
ehnten Sabre ftanb er fo arm unb mittellos bei
einem Sferbgefpann, als fünf Soh« guDor.
Um biefe 3eit traf eS fich, bafi er in einer f<hö=
nen moiibhellen stacht, auf bem Serbed eines
ÄanalbooteS, mit einem Srebiger ber ©piScopal»
lirche in SRocbefter, eine ernfte Unterrebung hotte
über bie ernfteu [fragen feiner 3«tunft. Oer
gute SJtann fagte bem Jüngling, b rt jj p a § 3; re i s
ben ber tpferbe am Äanal nicht feine Seftim»
mung fei, er foHe fich eine anbere Sefdjäftigung
fuchen. Oer ©ntfdjluh war fchneü gefaßt, ©il»
forb gab fogleicb feine Sefchaftigung auf, um
einen anberen SebenSberuf gu fliehen.
SJtit feinem ganjen ©rfparniß, fieben Dollar,
in ber Oafche eilte er gu ffuh über Sanb feiner
fteimath gu, atlwo bie s JJtatter ben ©anberer
mit offenen Sirmen empfing. Stur für turge
3eit oerweilte er in ber Sloctfjütte feiner ©Item,
unb bann war ber ©ntfchluß gefaßt, nach bem
fernen ©eften gu gehen, um bort fein ©liicf gu
fuchen. SJtit einem jüngeren Sruber machte er
fich i« ffuß auf ben ©eg, um nach Ohio i u
gehen. Ohio würbe bamals noch gum fernen
©eften gerechnet. Oie gmei manberten Sag
nach iag bis baS wenige ©elb, bas fie hotten,
auSgegehen mar, bann hielten fie an unb arbei»
teten für einen Sncffieinbremter, bis fie mieber
©elb genug hotten, um bie Steife fortgufefeen.
SllS fich bie beiben Jünglinge im weftlichen
Sheile beS Staates befanben, trug fich eine $lei=
nigteit gu, welche aber hoch für SBilforb oon
großer Sebeutung werben follte. OiefeS ©reig»
nife mar nichts mehr unb nichts weniger, als baß
er feinen fjfuh an einen Stein ftieh unb fein
Sein baburch fo üerlejjte, baß er nicht weiter
gehen tonnte, SJtit ber ©ülfe feines SruberS
erregte er bie näehfte ©ohnung, ein SlodhauS
im ©albe, unb bat, baß man ihn unb feinen
Sruber über Stacht behalten möchte, ben £>auS»
tjerrn Derfiehernb, bah fie ©elb genug hätten,
um für ihr SogiS gu begahlen. Oie ©anberer
fanben unter biefen Umftänben Aufnahme, ob»
wohl ber Hausherr fie SlnfangS mit bebenflichet
SJtiene angefchaut hatte.
OiefeS Heine fDcißgefchicf follte ber ©enbe»
punft in ©ilforb’S Sehen werben. Oer Se»
mohner unb ©igenthümer beS Kaufes gab oor,
ein ißrebiger Des ©bangeliumS unb gur gelben
3eit Slrgt unb Schullehrer gu fein. $n ber
Slbenbunterrebung Würbe er betanut mit ber ©e=
fchidjte ber jungen SJtäntter, gewann eine befoit»
bere Steigung gu bem lahmen ©ilforb, unb ba
biefer am anberen SJtorgen noch nicht gehen
tonnte, fteUte ihm ber Hausherr ben Antrag,
bafe ft» mährenb ber Sruber alleine weiter reifte,
bei ibm bleiben unb in bie Schule gehen foüte,
für iroft unb SogiS tönne er bie itühe füttern
unb melten unb ffeuerholg fjouen. ©ilforb
nahm ben Slntrag an. Sein Sruber nahm 9lb»
fdjieb Don ihm unb ging weiter.
3um erften SJtole in feinem Sehen, obfdjcm
bereits ad)tgchn 3ahre alt, ging nun ©ilforb
in bie Schule, unb wenn eS je einen fleifsigen
Schüler gab, fo war er eS. SJtit ganger Seele
warf er fich in feine Stubien. Son jeber Stunbe
Seit mürbe ber hefte ©ebrauch gemacht, ©r
machte foldje gortfchritte im Semen, baß man
ihm nach anbertljalb fahren rieth, bie ff orming»
ton Slcabemp, welche bloS einige SJteilen entfernt
mar, gu befuchen. ©r rechnete ab mit feinem
ffreunb unb ©ohlthäter, bem Schullehrer, unb
mit folgen Kleibern, wie er fie eben unter Um»
ftänben betommen tonnte, aber ohne ©elb in
ber Oafcbe, machte er fich ouf ben ©eg gur Slca»
bemp. SJtan nahm ben jungen SJiann, bem bie
Sache feiner geiftlidjen Sluebilbung fo ernft War,
gerne auf. Unb nun ging’S auf’s Sieue an’S
Stubiren. ffüt feinen SebenSunterljalt unb
©elb für Sücher fpaltete er ffeuerftolg bei einem
ff armer in ber Stachbarfchaft, unb um bie baburch
Derlorne 3f't nachguljolen unb mit ber illaffe
Schritt gu holten, muhte bie Stacht herhalten.
So trieb er eS fedpS SJtonate lang, uno am
©nbe biefeS 3eitraumS empfing er Dom Ißräfi*,
benten ber Slnftalt ein ©ertifitat, woburch feine
Oualifitation als Sehrer einer Oorffchule Dor»
guftehen begeugt würbe. OiefeS Ootument hotte
großes ©emicht bei ben angeftellten ©jatnina«
toren, welche ihm behhalb in ber Prüfung Der»
hältnihmäßig nur fehr wenig ffragen Dorlegten.
ÖiefeS war fehr gu feinen ©nnften, benn Stie»
manb als er fannte bie Sücfenhaftigfeit feiner
Schulteniitniffe. Salb finben wir ihn als Seh=
rer einer schule Don fünfgig Schülern. SJtanche
biefer Schüler waren junge SJtiinner, welche nach
feiner Slnfidjt beffer qualifigirt gemefen mären,
ber Schule oorguftehen, als er felbft. Slber burch
unermübliche, nächtliche Arbeit gelang es ihm.
Digitized by v^ooQie
192
JL tUilforb Dali unb fern IHerk.
feinen ©Mülern im ©tubium immer einige
©dritte boran gu bleiben.
Ter Hennin lief gut ab, unb bie TrufteeS
gaben ifjm ein TanteSfcpreiben jum abfcpieb.
3m ©oinmer ©dfüler, im SBinter fieljrer — fo
ging es einige 3a|« lang, ©päter befchäftigte
er ftd) Diel mit ben Stagen beS gufünftigen Se»
benS, unb ein grünblicfjeS ©tubium ber heiligen
©chrift war bie Soige baoon. Tann wanbte
er fich bem 5ßrebigtamte gu, unb gehn 3af)te lang
reifte unb prebigte er als ©bangelift, wo immer
er ©elegenfjeit 'fanb Berfammlungen gu halten.
«uf 'Begehren hielt er manche öffentliche TiS*
cuffionen mit hetborragenben ißrebigern beS
UnioerfaliSmuS. TaS ©rgebniß biefer TiScuf*
fionen War ein Buch unter beni Titel: Univer¬
sal ism against Itself (UnioerfaliSmuS gegen
fuß felbft). Tiefes SBerf fanb eine fold) günftige
Aufnahme, baß in gwei bis brei Saßren biergcg
Taufenb berfauft würben, ©päter würbe baS
2Berf berlegt bom Bteth. Boofconcern in ©in*
cinnati, unb wieberum taufenbe bon ©remplaren
berfauft. ©eit gwangig 3ah«n war e§ außer
Trud. ©egeuroärtig arbeitet ber autor an
einer neuen iluSgabe biefeS SBetfeS.
Bad) ber Verausgabe biefeS Buches gegen ben
UuiberfaliSmuS gog fich SBilforb VaQ wegen
©efunbhfitSrüdfichten boin öffentlichen Seben
gurücf, unb brachte ben größten Th«il ber leßten
breißig 3ahre im fernen BJeften in ber Büße
beS Seifengebirges gu. Sange hörte man nichts
bon ihm, bis er bor einigen 3aßren mit feinem
Buche: The Problem of Human Life, Here
and Hereafter, mieber an bie Oeffentlichfeit
trat. Bad) 3ah«äfrift erfd^ien bas 2Berf in
jweiter bergrößerter 3luSgabe, unb oon biefer
gweiten SluSgabe würben in bem furgen 3f't*
raume bon gmeiSaßren gweiunbbreißig Taufenb
©jemplare getauft, ©iner foldjen Berbreitung
in fo furger 3«it tarnt wohl fein anbereS miffen*
fdjaftlicßeS 9Berf bon fich rühmen.
Tie in biefem SBerfe enthaltenen anficßten
riefen bereits eine folcße TiScuffion ßerbor in
Seitfcßrifteu unb wiffenfchaftlichen Greifen, baß
ftcb ber autor bewogen fühlte, ebenfalls eine
^eitfcßrift herauSgugeben, in weiter feine au*
fuhten oertheibigt unb bie angriffe ber ©egner,
an welchen es natürlich auch nicht fehlt, erwibert
Werben. Tiefe 3eitfct)rift trägt ben Titel:
“ Wilford’s Microcosm : A Religio-scientific
Monthly devotod to the Discoveries, Theo¬
ries, and Investigations of Modern Science,
in theirbearing lipon theReligiousThought
of the Age; With other matters of general
interest.” Tiefe 3 e 'tfch r >ft erfcheintjnonatlich
in Bamphletform oon 32 Cdab * ©eiten bie
Bummer, unb foflet ein Totlar baS 3aßf- ©e=
genwärtig (1883) ift ber ©bitor in einer ©ontro*
berfe übet bie Beroton’fche ©rabitationSlehre be=
griffen, welche et meifterhaft führt unb in mel*
(|er er mit füßnen Schlägen BtandßeS gertrüm*
mert, baS feit mehr beim ßunbert 3ahtf>* Bie*
manb in 3weifel gegogett hat. Tiefe 3eitfdjrift
hat im gweiten Saß« ihres BefteßenS bereits
eine ©irculation bon gwölf taufenb Bummern,
unb gewinnt immer mehr Sreunbe. 2öir fömten
fie beftenS empfehlen, wenn auch nicht alles, was
barinnen erfeßeint. Tie beften artifel fließen
aus ber Sfber beS ©bitorS.
TaS Sebanon Baflep ©oHegium berlieh £>errn
SBilforb Vaß in anbetracht feiner bebeutenben
wiffenfchaftlichen Seiftungen ben ©hrentitel Pb.
D., Todor ber Bhilofoßhie.
©egenwärfig wohnt unb fchreiht er in Bern*
?)otf. abreffe: Be. 23 Barf Born, B. ?).
2. H. üilforb $aU's $rrh.
Tiefes Sßert liegt bor uns auf bem Stifte,
unb gwar in ber gwangigften rebibirten auSgabe.
TaS gange Titelblatt lautet: The Problem ot
Human Life: Embracing (ho “Evolution
of Sound ” and “Evolution evolved,” with
a Review of the six great modern Scientists,
Darwin, Huxley, Tyndnll. Hacckel, Helm¬
holz, and Mayer, by A. Wilford Hall. T>aS
Sormat beS BJerfeS ift Cctab, 524 ©eiten jlarf.
BJenn bon einem wiffenfchaftlichen Bferfe biefer
©röße in einem Safran me bon ungefähr brei
3ahren über neuniutbbreißig taufenb ©jemplare
oertauft werben, fo muß biefeS feine wolflbe*
grünbete Urfacße haben.
TaS Grfte, baS bem fiefer auffällt, fobalb er
biefeS Buch öffnet, finb auf einer ©eite bem
Titelblatt gegenüber bie fechS Bilber bon T) a r=
min, Tpaball, V l *rl e h» V e lwholg,
Väctel unb Btaper (.nicht ber oerftorbene
Bobert BJapet, fonbern ein bebeutenber Bhhf'ter
in amerita). Tiefes finb bie Biefen auf mif*
fenfchaftlidbem ©ebiete, benen BMlforb wie ein
moberner Taoib mit feiner ©cpleuber entgegen*
tritt unb ihnen ben Ärieg ertlärt, unb gwar auf
folche nachbrüdlidje SBeife, baß eSnurGrftaunen
erregen fann. @0 gefchicft gebraucht biefer mo=
berne Tabib feine ©djletiber, mit folcher Btä*
cifion entfenbet er feine ©teine, nub fo gewaltig
finb bie ©djmerthiebe, unb gtoar meiftenS mit
ben feinen ©egnern entwunbeneu SBaffen, baß
man leßtere oft bebauern möchte, fo wenig man
auch mit ihren anfichten ipmpathifirt.
B5ilforb ift unbarmhergig in feinen angriffen,
tollfühn in feinem Unternehmen. @r bebt bor
nichts gurücf. 2Biffenf<haftIi<he Theorien, an bie
bie SEßelt feit fünfunbgwangig 3ahrhunberten
geglaubt, bie in allen ©cbulen gelehrt würben,
legt er auf benamboS feiner Uutcrfudjung, ger*
triimmert fie mit bem Vatnmet feiner fiogif,
gertrümmert bann bie Brocten, löfl ben ©taub in
Digitized by v^ooQie
%. iSUforb $aU unb fein ütth.
193
Dunft auf, welker bot ben ©lugen beS erftaunten
SeferS oerfdjroitibet.
Das ©Bert jerfäöt eigentlich in brei Steile
obroobl ber ©erfaffer es nicht fo eingetfjeilt bat,
onbern nach fortlaufenben Kapiteln), ober man
tonnte auch fügen, eS feien brei ©üc|er in eines
gebunben. Der erfte 5Ef)eil (S. 1—72) ift ein*
Ititenb, uitb banbeit non bem gegenroärtigen
Stanb ber roifienfchaftlicben fjorfcbungeu, befon*
berS in ihren iBejiebimflen pr chriftlichen 9te»
ligion; ber jroeite (S. 73—350) banbelt
oon ber allgemein angenommenen ©Bedentbeorie
beS Schulte 3 ober oon ber ©tbfurbität biefer
ibforit; ber britte Db*ü (S. 351—524) ban*
beit oon Rädels Urjeugung unb DarromS Des*
cenbenjtbeorie u. bergl.
Das eigentliche 3<el< baS ficb ber ©lutor ge*
ftecft bat, ift, mie er im ©orroort felbfi fagt, p
jeigen, baß baS ©ei ft liebe, Unroägbare unb Un*
jtcbtbare gerabe fo roefenbaft ober fubftantied
ift, als baS ©Sagbare unb Sichtbare, hierauf
grünbet er fein großes Argument für bie ftort*
bauet ober Unfterblicbteit ber Seele. Seine
Kritif ber ©Bellentbeorie beS Schalles ift bloS
beSbalb bem ©Berte mit einoerleibt, um p jeigen,
mie es eigentlich mit manchen ber SRefultate ber
fogenannten ejatten ©Biffenfchaften befteHt ift;
unb nur bejtfjalb bat ber ©erraffet bie ©Beden*
tbeorie beS &<hadeS, anftatt bie beS Sietes, ber
£iße u. f. ro. ber Kritif unterjogen, weil fie nie
ernftlicb in 3 ,Be 't e l geigen mürbe unb im ©Id*
E meinen als bie unumftößlidjfte ber rniffen»
aftlicben Theorien betrautet mirb. Diefe
©Bellentbeorie beS Scbades (unb inbirett auch
bie beS Siebtes, ber pipe u. f. ro.) mirb mehr als
jertrümmert, unb haben auch fdton bebeutenbe
Brofefjoren ber ©bbfil in ©Imerifa, in einigen
prallen ganje 3?atuftaten, mie berichtet mirb, feit
(sricheinen biefeS ©BerteS bie alte ibeorie faden
taffen, unb bie neue angenommen, melche bann
babin lautet, baß ber Schad, ähnlich mie ber
@eru<b, etroaS SubftantiedeS ift, unb nicht bloS
bie ©emegung einer geroiffen Subftanj.
Der ungleich roertboodfte SLbett beS ©BerteS
iß unfereS ©rachtenS ber ießte, in roelchem ber
Serfaffer bie UrjeugungStbeorie Rädels unb bie
DeScenbenjtbeorie DarminS unter baS Secir»
ineifer feiner Sogif bringt, ©luf eigentbümliche
©Beife gebt er proege. ©emöbnlicb läßt et feine
Segnet (Datroin, £>ujlet) unb £>äde() felbft
reben, in ihren eigenen ©Borten ihre Dbeorien
formuliren; bann behauptet ©Bilforb baS birette
Segentbeil unb ruft feine 3 ei| gen, um ©ebaup«
tuiig p flöhen, unb biefe 3eugeit finb — roun*
berbar genug — eben roieber biefelben ©egner. —
Damit bemeift er aud) (maS febon ©brarb Oor
fahren behauptet bat), baß Datroin (unb ©on*
forten) ber roiberfprudjsooüfle Schreiber ber
neueren 3*>t ift* unb baß bie DeScenbenjtbeorie,
maS inneren ©Biberfpruch unb ©Ibfurbität anbe»
langt, eine ©odlommenbeit erreicht bat, bie im
anjen Domän beffen, roaS ber menfcbliche ©eift
eroorgebrad)t bat, ihres ©leichen flicht.
©Bir freuen uns, baß auch enblicb einmal in
englifcher Sprache eine geroaltige ©ombe gegen
biefe Sfeftung beS mobernen Un* unb ©Iberglau*
benS (benn bie Darroin’fche DeScenbenjtbeorie
ift nichts ©InbeteS) abgefeuert morbeit ift, unb
biefeS foroeit mit auSgejeicbnetem ©rfolge. 3n
beutfdber Sprache ift biefeS fchon früher unb
öfter gefcheßen. ©Bir erinnern bloS an bie
©Berte oon ©brarb, ©Bigatib, ©faff, £)uber unb
anberer.
Unb bod) merben Staufenbe unb aber SEaufenbe
an biefer Sbforie, an biefem ©lauben feft bal*
ten; unb roarum? $rof. gr. ©faff bat biefe
tfrage üor noch nicht langer 3eit am Schluffe
eines ©ortrageS (Die SEbeorie DarminS unb bie
Dbatfachen ber ©eologie) treffenb beantroortet.
©tachbem ber ©rofeffor nachgeroiefen batte, mel*
eher ©Biberfpruch jroifeben biefer SEbcorie unb
ben ©rgebniffen ber fforfebungen ejriftirt, fährt
er fort: „Darroin batte am ©ube feines SucbeS
gefügt: 'Daher nehme ich an, baß mahrfcheim
lieb ade organifchen ©Befen, bie je auf biefer
©rbe gelebt haben, oon irgenb einer Urform ab*
flammen, roeldjer baS Sehen perft oom Schöpfer
eingebaucht roorben ift/ unb hotte feine Splbe
baoon gefprochen, baß auch ber ©tenfd) in bie
9teibe biefer ©Befen geböte. Diefe beibeu ©unfte
adein beburften in ben ©lugen ber grennbe ber
SEbeoti* einer ©erbefferung. ©Benn fie nicht
ben ScböpfungSaft ooUfommen befeitige, fo helfe
fie nichts, meinte ©ronn, unb fie flehe unb fade
mit ihrer ©Inmenbung auf ben ©Jtenfcben, fie
habe leinen ©Bertb ohne biefelbe, fo äußerte ficb
£>ädel. Kann man offener eingefteben, baß es
einem in biefer ffrage nicht um bie ©Bahrheit p
thun fei? ©Ber einen ©taßftab anlegt, mie
^Ȋdel, barnach eine Dljeorte beurtheilt, ob fie
für feine pbilofophifche ©Beltanf^auung oer*
menbbar fei, ober nicht, ber jeigt eben bäburch,
baß ihm nitbt mehr bie ©.'ahrbeit baS £)ö<bfte
fei. ©IIS eine SBnftration bap mag bie DI)at*
fache bienen, baß biefelben ©Jänner, melcjbe oor
bem ©rfcheinen beS ©ucheS oon Darroin bie ein*
beitliche ©Ibftammung ber oerfchiebenen ©ten*
fchenracen leugneten, fofort bie ©inbeit ber ©Ib»
ftammung aller ©Befen bon einem Urmefen
annabmen, nicht meil biefelbe als roaljr nachge*
miefen mürbe, fonbern meil biefe ^)t)pothe|e noch
beffer in bie materialiftifche ©Infcbauung paßte,
in noch fchneibenbereni ©egenfaß pr diriftlidjen
©Beltanfchauung fleht. Das ift ber roahve©runb
ber ©InjiehungStraft ber Darmin’fcben Theorie,
unb Sie merben, roenn Sie baS im ©luge beljal*
ten, fich nid)t mehr rounbern, baß biefelbe auch
fernerhin als ein träftiger Srrtbum, ber ©iele
Digitized by v^ooQie
194
Pilber aus btt foangelifdjm Pemegung.
Derfühd, erweifen Wirb." — 2Bem eS aber nicht
um eine materialiftifdhe ©kltanfdhauung, nicpt
borum gu tbun ift, ©ott aus ber ©cf)öpfung unb
aus bem ©emiffen gu Derbannen, fonbern allein
um bie Ußaljrbeit, ber wirb in 91. Sßilforb ©all
einen fixeren unb gemanbten Süljrer finben.
hierin liegt bie ©ebeutung biefes merfmürbigen
©tanneS.
PUder au 0 der etum$eltrd)e» 3t-
tOf0U!10.
g«r ©auf nnb ©ert tu« ®. SBetß in ©erlitt.
P enn man im 9luSlaitb Don einer
ebangelifdhen ©emegunfj in
in Deutfchlanb fprid^t, fo [teilt
man fidf) barunter große Er«
mecfungen Dor, in meinen gange
©cfjoaren gur ©uße unb gum
©tauben an ben ©errn l^efum fommen. Es
wäre ja Unrecht, wenn man in 9lbrebe [teilen
Wollte, baß baS überhaupt nicht gefchiefjt. 9tber
borerft gebt eg noch nicht fo tief. DaS religiöfe
Seben bewegt [ich, äbnticb wie in ber fatho(if<h?n
Sirdhe in ihren befferen 3«iten, Dorerft noch mehr
in 9«erten ber 9Bohlthätigfeit unb bie Segriffe,
baß man fchon in ber heil. iaufe ein wieber«
geborener Eh*ift wirb unb nur auf biefe wieber
gurücfgeben barf, baß jeber ©etaufte als ein
©brift nngufefjen ift, wenn er nicht burdj feinen
SBaitbel beweift, baß er abgefallen ift. Daß man
in ber ©eichte 9Ibfolution nnb im heiligen 91benb=
mahl ©ergebung ber ©ünben immer wieber
empfängt, (offen ben ©ebanfen an bie 9toth=
Wenbigteit burchgreifenber ©rweefungen nicht
auffomntcu.
ferner boügieht fich in Deutfchlanb 9l(IeS weit
langfamer, als in 91nterifa. 3fn einem Sanbe,
in bem e§ 1000 3afjre alte Sirchen giebt, in
welchem es ©aftoren giebt, welche beii ©roß«
Dater confirinirt, ben ©ater getraut, ben ©nie!
getauft haben, in meldjem 30—40 ^aljre lang
berfelbe ©rebiger biefelbe ©fnrrei hat, — in
einem foldhen hält man fich an alten ©emohn«
beiten unb ©orurtheilen. 3ft eS ba ein Sßun»
ber, wenn ber ©JethobiSmuS mir oftmäblig er«
ftarft ? — 93aS ~ix bringt, erfefjeint bem ©oll
ja neu unb was neu ift, fagt ber ©auer,
taugt nichts, ©ater unb ©roßoäter haben baS
auch nicht gehabt unb haben auch flelebt. (Reu
erfcheint in mancher ©inficht bie alte Sehre Don
[Rechtfertigung unb ©eiligung burch ben ©lau«
ben allein, baS 3eugniß beS heil- ©eiftes, noch
neuer bie ©ebetSberfammlungen, Staffen unb
SiebeSfefte, neu ber ©ebanle, baß man auch
geben foll für ben Unterhalt ber ©emeinbe, benn
in ber SanbeStirche beforgt ber «Staat baS 9lDeS
unb man mechfelte, ehe man gur S irdße ging,
ben Sreuger in gwei halbe gum „Opfer." 91m
allermeiften aber ift unfere Saienthätigfeit in
Segug auf baS Ermafjner« unb ©rebigtaint.
Daß unftubirte Saitn Serfammlungen abhalten,
baß „©dßufter unb ©d)neiber" prebigen — was
ift baS unb wo foll baS hinaus?
Sein SBunber, wenn auch lefctere noch fiel gu
lernen haben, ehe man fie in umfaffenber ©Jeife
Derwenben fann wie in ©nglanb: Unfer ©olf
ift überhaupt nicht gur ©elbftftänbigfeit ergogen.
jßeber in Sircbe noch in ©taat war eS in Örb«
nung, baß 91nbere als Dom ©taat 9(ngefteUte
baS Söort ergriffen, erft baS leßte^ohrgehnt hot
eine freiere Saft gebracht.
[Rur in ben ftiüen greifen ber ©ietiften un«
terhielt man fid) über ©otteS SBßort unb betete
mit einanber, Don ber Suche aber würben
foldje ©erfammlungeu ängftlich überwadjt. 9lu<h
giebt es folche nur in ©übbeutfchlanb unb einem
Dljeit ber SRheinprooingen. Unter ben 20 ©fil«
lionen in ©orbbeutfdjlanb ift bie freie Saien«
thätigleit faum nennenSmerth. 91üein eS beginnt
gu tagen, ©tan erlennt, baß es anberS werben
muß. 3war befebräutt fich bie Saienthätigteit
jeßt noch meift auf baS ©ammein Don ©fiffionS«
beitragen, ber 9lrmen= unb Sranfenpflege, bie
©ertheilung Don cpriftlichen Schriften u. f. w.
©elbft bie Dhätigteit ber ©tabtmiffionarc be«
rührt gu wenig baS geiftliche ©ebiet. Doch fdjon
bie © o n n t a g f ch u l e tat ber Saienthätigfeit
auf geiftlichem ©ebiet ©ahn gebrochen. 9lengft«
lidß haben fidh beßbalb fachliche «Stimmen er«
hoben unb bedangt, bie ©elfer unb ©elferinnen
follten nur ihre ©ruppen überwachen, bie Sin«
ber überhören, baS Sehren aber bem ©afior
überlaffen. Das mar beS ©ubels Sern in bem
©treit, ob bie ©onntagfchule nicht umgetauft
werben unb Si ubergotteSbien ft heißen
follte. 9lflein b i e © o n n t a g f <h n l e hat ge«
fiegt unb ba in ben ©erliner firchlid)eu ©oiin«
tagfdjuilen ©iemanb am ©onutag lehren barf,
ber nicht in ber ©orbereitnng mar, müffen auch
ben ernfteften Sirdhenmännern bie ©ebeitfen
fchwinben.
Pertljeilung d)rifUid)er ©eitfeßriften.
©eit 5 fahren befteljt hier eine Draltatge»
fellfchaft unter ber Seitung beS ©aron D. Ungern«
©teruberg. Diefelbe hält 4mödf)entli(he 3ufam«
mentünfte, wobei über bie Erfahrungen bei’m
Drattatoertheilen berichtet unb neue ©tuuition
bertljeilt wirb. Dur$ SReifengenten ftidjt fie
auch auswärts ©titgtieber gu gewinnen, bereu
3af)l f>dh au f nahegu 5000 beläuft, ©erbreitet
Digitized by v^ooQie
195
Pilber out btt ebangetifdjen Bewegung.
rourben bis jeßt naljegu 3 Wiflionen SEraftate.
Diefe ©dfeltfcbaft roirb fräftig unterftüßt bon
bei Sonboner Draftatgefeltfcbaft, welche baS
Uebeteinfommen mit ihr getroffen bat, ibr ge*
iabe fobiel gut Unterftüßung gufommen gu taffen,
bis fie feloft aufmacbt. Gin anberer Serein
bat ficb gebilbet unter #ofprebiger ©töder’S
©organg gur SBertbeitunfl bon gebrudten ©re»
bigten an Drofchfentutfdjer unbGifenbabnbeamte
unb anbere ©onntagStofe. 3llte ©rebigten bon
beioäbrten ©otteSmännern toerben neu aufgelegt.
SBer ©rebigten bertbeitt, tauft ficb biefelben gu
einem Pfennig unb berfdjenft fic unb biete
oon beneti, welche fie gefcbentt befommen, fucben
Stnbern roieber bie gleiche Söobttbat gu ertoeifen.
©on 600 Gremplaren flieg bie ©ertbeilung in
einem 3abr auf 11,000 unb biete fleißige ßänbe
helfen ben ©tabtmiffionären in biefer SEbätig*
teit. Daran fdjließt fi<b jeßt baS neue Unter»
nehmen oon fjerrn &ofptebiger ©töder, bie beit,
©cbrift mit ©nmerfungen berfeben, in eingelnen
Sbeilen gum ÄoftenpreiS git berbreiten. ©iS
jeßt ift ber Prophet Obabja (@ 5 Pfennige)
unb ber ©rief ©auti an ©bilemon (@ 3 ©fen=
nige) erfcbienen. ©ehr intereffont ftnb bie ©n*
mertungen gum leßtern: I. ©uS ber 2Belt bor
unb nach ©^rifto. 1) @f labenletten; 2) 3©aS
jagt baS ©Ite SEeftament über bie ©ftaberei?
3) Das 3>teue SEeftament, bie <briftli<he JHrcbe
unb bie ©ttaberei. II. ©raltifd)e Söfung ber
©flaoenfrage burcb ©t. '-Pauli ©rief an ©bile*
mon. 1) ©ebunben burcb Siebe, berbunben gu
Siebe. 2) Die &auSgenoffenf<baft. 3) Das
Zentrum. 4) SBeilanb unb nun. 5) Durch
Siebe bie fjreube. Ober im Obabja: 2öem
bienft bu? 1) Sreibeit, ©leicbbeit, ©rüberlichfeit
u. f. m.
Sine bebeutenbe ©ngabl Draltate mirb ferner
bertbeitt burcb unfere eigene ©emeinbe unb burcb
bie ©aptiften unb in ber [Regel -finben fie mittige
Abnehmer. Der ©ertiner tieft gern unb oft ift
baS ber eingige 2Beg, benfelben mit bem Gban*
gelium betannt gu machen. — ©einabe hätte i<b
ben ©ereiti gur ©ertbeilung cbriftticber 3 c >t=
fcbriften bergeffen, roelcber fonntäglicb 60,000
Gjemplare beS ©ertiner ©onntagblattS unter’S
©ott bringt, in ähnlicher SGßeife mie Oben.
JLut einem Slinbenljaus mirb rin Betbaus.
3m korben ©erlinS fanben feit 3«bren im
„gürft ©(lieber" berüchtigte SEättge ftatt. Sor
14 Dagen taufte ein Gommittee oon cbrifttichen
greunbeit gum ©reis bon 139,000 Wf. (etroa
$35,000) baS große £>auS am 2Bebbig ©(aß an,
um barauS einen ©ainmetort für christliche Ser*
eiuStbätigfeit gu machen unb meines ben ©amen
„ ff r i e b e f ü r ft" trägt. Darüber fchreibt ber
SeicbSbote bom 18. 3anuar : „Das chriftticbe
©ereinSbauS „griebefürft" beginnt unter ber
tbatfräftigen 3nitiatibe beS ©aftorS b. ©djtüm*
bacb unb beS ©aftorS Dieftettamp unter ©ffifteng
bieter ernftgefinnter ©tänner aus alten ©tauben
bon ber hoben ©riftotratie herab bis gum arm*
ften Arbeiter feinen gefegneten Ginfluß gu ent*
falten. — ©m ©onnabenb conftituirte [ich ber
©erein, nahm bie ihm borgetegten Statuten an
unb mahlte feinen ©orftanb, ber aus 11 ©er*
fonen befiehl: barunter ber ©raf ©üdter unb
ber ©aron bon UngenuSternberg, außerbem
Sebrer, ©eamte, fjanbmerter unb Arbeiter. Die
©ufforberung gum Gingeicpnen in bie ©ereinS*
tiften, bie in ben bon ©. bon ©cbtümbach arran*
girten religiöfen ©erfammtungen im ©orben ber
©tabt in ber lebten 3eit regelmäßig erfolgte,
gab in manchen «reifen, mie mir in Grfabrung
gebracht haben, ber ©efürdjtung ©aum, eS fönne
fidf um eine ©ettirerei banbetn. SEBie grunbloS
biefe Sefürdjtung ift, braucht gar nicht erft ge»
fagt gu roerben, boeb fei gur ©erubigung ber
änaftlicben ©emütber hier gugefügt, baß ©. b.
©gjlümbacb „ber fretnbe ©rebiger," mie er bon
feinen 3ubörern bietfach genannt roirb, nur im
©uftrag unb meift unter ©ffifteng bon ©ciftlicben
ber SanbeStirche arbeitet unb fpridjt. Das ift
ber hefte ©emeiS für bie Sopalität unb Streue
feines ©JirtenS."
Baftor oon $d)lUmbod|.
©eit 1. ©obember mirlt ©r. b. ©chlümbach
unter bem ©cbußbeS £>ofprebigerS ©töder unb
eingefiibrt bon Dr. Gbrifilieb in ©erlin, unb
groar im äußerften ©orben in ben ©arochien ber
,©agaretb unb 3ionSgemeinben, beren ©rebiger
ihn eingetaben haben, ©on unferer Äapelle
finb biefe ©erfammlungen H ©tunben entfernt,
meSbatb mir roenig ©elegenbeit batten, ihn gu
hören. Die erfte ©erfammlung, ber ich bei*
roobnte, ©nfang ©obember, mar bon 400 ©er*
fonen, bie leßte, Witte 3anuar, bon 700 ©erfo*
nen befucht. GS roerben babei gur großen ffreube
beS ©olfeS ©antep=Sieber gefungen, nach ber
frohen ©otfdjaft. 3n ber ©eget hält einer ber
©aftoren eine — teiber manchmal febr lange —
©nfprache, bann folgt b. ©chlümbach. ©ott bat
biefent ©ruber bie ©abe oerlieben, bie £ergen
munberbar gu überzeugen unb gu eutgünben, unb
febon manche ©eele mürbe burd) feine ©rbeit hier
belehrt, bie bann roieber in ben fircblicben ©?än*
ner* unb [yrauenbereinen ben guten ©amen
roeiter tragen lönnen. Da er ben Ginfluß unb
bie Unterftii|ung ber fircblicben Greife hier ge*
nießt, fo hoffe» mir, baß feine ©erfammtungen
immer noch größer roerben. ©iS jeßt ift nichts
gefächen, bie Grroedten inniger unter einanber
gu berbinben, ein Unternehmen, roeldjeS mit
©Mißtrauen angefeben mürbe, ohne roeldjeS
Digitized by v^ooQie
196
„Pri ben fSmen.”
aber ber bleibenbe ©rfolg in grage fteht. 5)ie
tirdjlichen SBiätter SerlinS f4weigen o. ©4lüm*
• fca4’S Arbeit tobt, worüber fogar ein politif4eS
Statt feine ©ntrüftung geäußert bat.
Stauche möchten oietleicbt fragen, warum nicht
wir Stetfjobiftenprebiger auf gleiche SBeife wir*
ten? 2Bir antworten: 2öir wollen ein SDßetl
griinben, baSSeftaub bat für bie 3ufunft. 3Bir
wollen bie burch unfere Arbeit (Geretteten nach
ben Sorfchriften ber heil- Schrift pflegen unb
biefelben benüßen, bamit fie uns helfen wieber
Snbere jum f)errn au führen. 2Bir tönnen aber
{eine ©eeleu pflege üben ohne ©emeinbe*
bilbung. ©obann mähten wir eine pernta*
n e n t e ©oangelifationSarbeit in unferm SSater*
tanb begrünben, baS ift auch nur benfbar, toenn
Wir®emeinben im Süden haben, bie uns betten.
„ K i r 41 i 4 " wirten hieße ferner uns trennen
öon ber eigenen ilirche; aber—wirten Wir benn
nicht „ t i r <h 1 i ch ? " t?ür bie SanbeSfircbe allein
arbeiten, hieße unS auch unter bie Sorfdjriften
ber 8aitbeSfir4en unb beren ^aftoren (teilen.
S)ie heißen aber ni4t alle: ©töder, $ieftel*
tamp, Straft je. — baS wiffen w i r am Selten.
— 2öir haben jubem feine Suft, unfern ©amen
in ben 3öinb ju ftreuen, unfere turje SebenSjeit
ju »erbringen, um an einem ohnehin baufälligen
t iauS ju arbeiten, uuS welchem bie Sejferen ber
anbesfirchen fi<b f4on fang hinauSfeljnen, unS
unter eine Stirne ju ftelien, bie bo4 nur „Safto*
renlirche" ift unb oon einer gefchloffenen ©e»
meinfchaft oon ©läubigen nichts weiß. Sieber
wollen wir uns burch ben Serg bon Sorurtljei»
len hinburdjarbeiten unb nach Dlußett fcheinbar
weniger tpun tönnen, aber für bie 3ufunft befto
ficherer bauen, als einen firchlichen ©elbftmorb
begehen, benn unfere ©emeiubebilbung aufgeben
hieße nichts DlnbereS, als baS unb bamit tpäten
Wir unferm Saterlanb einen fchlechten 2)ienft.
SlnberS fteht eS mitSr. o. ©chlüm*
b a c^. ©ott hat ihn fo fichtlich in biefe Arbeit
hineingeführt, baß wir uns nur freuen tönnen.
2Bir hätten ihn ja lieber auf uuferer ©eite, wo
auch fein Werj ifi, er fönnte unS eine fehr große
t ülfe fein, boch wünfchen wir ja auch, baß baS
eich ©otteS tomme innerhalb ber SanbeStirchen
unb ©eelen ju ©ott geführt werben, jumal es
nicht in unferer Stacht fteht, jene Streife ju er*
teidfen.
„$et ben ptnen ”
gür dauS unb derb berichtet.
ergangenen SBinter hatten berliner Srbei*
ter, meift focial * bemotratifcher gätbung,
eine SBerfantmlung im Dienen ©efeüfchaftShauS
beS Kottbufer SfjorS in Serlin einberufen. Ser*
golber ©malb wollte fi<h gegen allerlei Sefdhul«
bigungett rechtfertigen unb hatte aftch 4>errn
Wofprebiger ©töder eingelaben. $>iefer, ein
muthiger Siann, ging hinein in bie £)öh(e. @r
würbe theilS mit SeifaU, tpeilS mit 3if4«n
empfangen. $)er 3roed biefer 3«ilcn ift nun
ju jeigen, welcher Waß unter bem ^Berliner 2lr*
beiteroolf gegen bie Seligion wohnt, 6r fpra4
ungefähr wie folgt:
Steine Qfreunbe! 34 banfe 3hnen für bie
©hte ber ©inlabung; war aber heut Sadjmittag
im 3weifel, ob ich tommen fönnte, weil man in
ber Srbeiterjeitung fdjteibt, baß oon mir bis in
bie fjortfchrittspartei hinein nichts für ben Ar¬
beiter ju hoffen fei unb baß ich nur bie Arbeiter
für bie chrifttich fociale Partei werben woüe.
(Stuf: ©ehr richtig!) 3)aS finb unwahre Se*
bauptungen. (Unruhe, Unterbrechungen, Stufe:
3ur ©äche!) Sun biefe Serfammlung ift ja
einberufen jum 3«rüdweifen falfcher Sehaup»
tungen. 34 glaube, baß ©ie mich bgju einge*
laben haben. @S ift nicht wahr, baß ich nichts
SnbereS wollte, als nur bie Arbeiter für bie
tonferoatioe ober <hriftlicf)=fociale Partei ju qe*
Winnen. 34 erfläre oot ©ott unb meinem ©e*
wiffen— (®roße Unruhe, äßiberfpruch k.) 34
erfläre, baß i4 ©te ju meiner politif4en unb
religiöfen Ueberjeugung jurüdgeminnen will;
aber ni4t gegen, fotibern für 3hr 3'ttereffe,
jum Seften ber Arbeiter felbft, na4 ber Ueber»
jeugung, bie i4 mir aebilbet habe. (Stumnlt,
SBiberfptuch.) ©töder: 2)aS Se4t hat Sie»
manb, meine ehrli4e Ueberjeugung in 3meifel
ju jieljen. ®ie Krage, bie bireft unb feierli4
an mi4 geratet, miü i4 ebenfo beantworten:
i4 erfläre, baß idj mit ^»etrn ©walb webet
münbluh no4 f4*iftli4 iemalS ein SSBort über
bie ©ewertf4afts* Bewegung gewertet! habe.
34 mifl nicht bie ©timmen ber Arbeiter. (3wei*
felnbe Sufe, Unruhe.) 34 halte eS für orbinär,
einen Stenf4en auf feine SBahlftimme hin an»
jufehen. 34 miß ben ganjen Stenf4en, bann
habe i4 feine Stimme au4- (öeifaü. Weiter¬
leit. Sßiberfpru4.) ®ap mir bei ben 2Sahlen
fo niete ©timmen gewonnen haben, liegt bo4
an bem Vertrauen, bas bie Seute ju uns gefaßt
haben, liegt bo4 baran, baß fi4 fo üiele Stänner
mit ootler Klarheit unferm Srincip angef41offen
haben, (Kortwährenbe Unterbre4ungen, bie
fi4 häufig ju anbauernber Unruhe, ja jum to*
benben Särm fteigern.) — Wert K o n r a b er«
mahnte mit großer ©rregung bie AiiWefenöen,
bo4 ni4t bie Sebefreiheit mit Süßen ju treten.
®er Sorfißcnbe Sieflänbet bat ebenfaüs wieber*
holt um Sulje. ©töder fei bo4 ui4t gefotumen,
um ben Arbeitern Komplimente ju nta4en unb
ihnen na4 bem Stunbe ju reben, fonbern um
feine Steinung ju fagen. — Sa4bem bie Siehe
wieber einigermaßen hergefteüt mar, fuhr Wert
Digitized by v^ooQie
Sugenb* unb tBeltlidje Vergnügungen.
197
©töder fort: ©afe bie gortfd)rittSpartei mehr
für bie Arbeiter getljan haben foü, als bie ©on*
feroatioen, beftreite ich, baS fann man nur ben*
Jen, wenn inan mertblofe abftrafte greibeiten
für micbtiger hält, als ben Slnfprud) ber Arbeiter
auf Arbeit unb auf Schuß unb Serfid)erung,
bie Arbeit als bloße 2Baate gu begegnen, ent*
fpringt einem fcbamlofen Sringip. 5tein, bie
Arbeit ift bie fittlicbe, perfönlidje ©bätiafeit eines
unterblieben ^3tufe oeS UnroidenS) vJtenfhett,
mit ber er feine unb feiner gamilie gjifteng
frijtet. ©ie Arbeit mit ÄaufmanitSroaare Der«
gleichen, beißt bie Arbeit entwertben unb ben
Arbeiter entehren, ©agegen opponiren Sie unb
mit. (Seifad.) 34 habe oon bernünftiger
geroorbenen Sogialbemofraten gefprochen. (9tuf:
5tamen!) 5tun eS finb in bet ©emerffegafts.
bemegung bod) oernünftigere ©ebanfen gu ©aae
getreten. ©S giebt bo<h Sogialbemofraten, iDelctje
ber ^Regierung bie £>anb reifen (Stürmifcbe,
anpaltenbe Unterbrechung), nidjt um mit ber
Regierung burcb bid unb bünn gu geben, fon*
bern um Im Serein mit ihr in beftimmten ein*
»einen gragen b«S Stahl ber Arbeiter gu fdjaffen.
®aS ift ein gortfdjritt gum Seffern gegen bie
bloße fogiale ftritif, gegen bie meitgebenben
Släne einiger ©ogial'.ften.
„®aS Unoernünftige ber ©ogialbemofratie be=
fleht in bem fjafe gegen baS itönigtbum unb
baS ßbriftentbum (Ungeheurer ©umult). ©ie
Sernünftigen fudjen fiet» auSguföbnen mit ben
gaftoren, bie baS Stahl ber Arbeiter motlen.
®aS ift baS beutfdje Staifertbum. (Unruhe.)
©en 5tadjroeiS erbitte ich bon 3bnen, melcbe mo=
berne '.Regierung ben Arbeitern mehr geboten
bat, als bie beutfdje. StaS motlen Sie benn bon
ber Sebolution? (fiärmenber Slibetfprud). 5tn=
baltenbe Unruhe. SMeberbolte ^nterbention beS
Sorfißenben.) StaS motten e>ie mit 3b«m
ätbeiSmuS, mit 3b«r ©otteSläugnung? (Unbe*
fdjreiblicber fiärm.j
„@S giebt fein Sud) auf Srben, baS bem ge*
funben SogialiSmuS günftiger ift unb bem Stahl
beS Arbeiters förberlicher, als bie Sibel, (SRa*
fenber SMberfprud),) unb eS giebt feinen 5Jcann
auf ©rben, ber mehr 3b r greunb ift, als ber
in ©etblebem geboten ift. (Minutenlange, ftür*
ntifche Unterbrechung, ©rmabnung beS bereits
beiferen Sorfißenben.) Sie haben feinen beffern
§freunb, als ben ©rlöfer 3efuS ß^riftuS. (Stür*
mifdjer SMbetfprucb.) 6t fagt: ©er vJJenfd)
ift nicht ©igentbiimer, fonbern nur Sermalter
feiner ©ilter, ber Menfd) fotle nicht unabläfftg
irbifeben ©ütern nadjjagen unb jeher foU feinen
jRädjjlen lieben als fid) felbfl. 2Benn Steidf» unb
Hrm biefe Jfbeen halten, märe bie fogiale grage
nicht auf grben, fonbern eS märe allgemeiner fogia*
ler griebe unb eS märe beffer als jeßt." (Seifad,
SMberfprud), 3'f4«n, anbaltenbe Semegung.)
©er Sbgeorbnete St a i f e r mürbe mit ftürmi*
febem, lange anbaltenbem Seifall begrüßt, unb
manbte fid) erft gegen '.Richter, ber bie Serliner
Arbeiter ber Soligei benungirt habe, ftimmte
Stöder gu, auch ben ©Borten ber Sibel, münfebte
fie aber mehr iu’S ©Jrattifd^e überfeßt unb fprach
bann oon ber (Sinfcbränfuitg, bie er fich feines
SarteiftanbpunfteS halber auferlegen müffe.
©er Solijeilieutenant löfte beßbalb bie Ser*
fammlung auf ©runb beS § 9 beS Sogialiften*
aefeßeS auf. Zahlreiche SfuiS ertönen. Un»
befchteiblicber Särm bauerte an, ©rampein,
Schreien, pfeifen, 3ifd)en, roäbrenb fich bie
li ©aufenb bem SuSgange gumälgten. Utiun*
terbrochene <ßod)§ auf ben Sbgeorbneten ffaifer
ertönten. 5tad) längerer Zeit bringen Sd)uß=
leute in ben Saal, ber fich langfam leerte.
Suf bem Äottbufer Slaß fuchten oiele berittene
Schußleute bie uttenblid) bielen Menfdjen, bie in
©ruppen heftig geftifulirenb unb bebattirenb
umberftanben, gu gerftreuen.
lugenb- unb nidUidje f er-
0itö$un0en.
gftr §«KS unb §erb ttati 3. 3 . Mn.
Qlunge unb alte 6briften finb täglich ber ©e*
JjM fahr auSgefeßt, burch bie Sünbe betrogen,
irre geleitet unb gum fjoll gebracht gu mer*
ben. ©ie täglichen SerufSgefd)äfte bringen faft
einen 3eben in Umgang mit leicbtfmnigen, roelt*
lichgefinnten, ja oft boshaften unb lafterbaften
5Jfenfdben. 3b« ©baten fiebt man, ihre ©e*
fpräcbe hört man. 5ficbt feiten machen foldje
leiebtfinnigen, bie Sünbe liebenben Menfcben, ben
©briften gur 3>flWr>be beS Spottes unb bet
Seradjtung; ober fie loden, reigen unb fchmei*
cbeln ibni unb laben ihn freunblicb ein, an ihren
gfeflen unb ©elagen ©heil gu nehmen. @S mirb
ihnen oorbemonjlrirt, mie herrlich es fei, bieS
unb jenes Sergnügen mitgumacben. 6s fei ja
5ldeS fo unfchulbig unb fchabe ja 5?iemanben
etmaS. So merben bie Schlingen gelegt, bie
gaben gefiedt. So mirb bie roeltliche Suftbar*
feit, bie unfchulbig feinfodenben meltlidben Ser*
gnügungen, ber hrifHichen 3ugenb angepriefen.
Siele finb in bie 5leße gegangen, anbere finb
noch in ©efabr fich bineinioden ober auch treiben
gu taffen.
3BaS finb benn aber nun baS für Sergnü*
gunaen, bie jlörenb, fcbäblich, ja oerberblich ber
djrijtlicben 3ugenb merben fönnen ? StfaS bat
man fich unter roeltlidjen Sergnügungen oorgu*
fteden, oor benen man 3ung unb 3Ut marnen
Digitized by v^ooQie
198
äugenb; unb nirltltdje JJergniigungen.
foü ? 6s ftnb baS folcpe Vergnügungen in ber
SBelt, welche feinen fittlitb*bilbenben, ben ©eift
beS Vtenfcpen oerebelnben ©influß auSüben;
wopl aber baS ©egentpeil bewirten. Ourcp
foIdf>e weltliche Vergnügungen wirb bas £erj
unb bie s 43&antafie beflecft, Vtoral unb gute Sitte
gewöhnlich ju ©rabe gebracht. ©S werben babei
foldje £anblungen begangen, welche ben Sin*
fcpauungen unb ©runbfäßen beS ©bangeliumS
bcm innerften 2öefen nach wiberftreite'n, unb
einem ertöften, in baS normale Verpältniß ju
©ott wieberum gebrachten SJtenfcpengeift nur ju*
Wiber fein fönnen. ©ine {Jeftlicpfeit, ein Ver*
gnügen, ju bem man ben funblofen ©rlöfer nicht
einlaben, ihn nicht um feinen Segen bitten, noch
nach bem ©enuß banfen fönnte,, ift ein gefäpr*
lieber Ort für einen (Steiften. ' Oie fünblicpe,
finnliche ©enußfutpt, wie eS baS tfleifcp, bie
fünbhafte Statur beS SJtenfcpen gern haben mag,
ift 3iel unb 3wecf alter folcper Vergnügungen.
Stile Vergnügungen, alle Suft unb ffreube,
auch wenn fie in einem noch fo unfcpulbigen
©ewanb erfepeinen follte, wobei man jeboep nicht
©otteS ©pre iw Sluge hat, noch ihn bamit ber»
herrlichen fann, fiub gefährlich. Sie finb nichts
SlnbereS, als berjucfertcS ©ift, welches früher
ober fpäter oerbcrblich fiep erweifen wirb.
Oer Slpoftel nennt biefe Weltliche Vergnü*
gungen, biefe Suft unb greube, nach benen bie
ttinber biefer SBett fchmachten, rennen unb fageu,
ffleiftpeSluft, Slugenluft, hoffürtigeS SCßefen unb
Seben. Jn biefem ift alles weltliche, finnliche,
fenfationelle unb luftige ireiben unb Verlangen
eingefcploffen, wie bie Äinber biefer 2ßelt bie
Süfte beS jJleifcheS ju befriebigen fuepen.
Oa nenne ich nun baS fepeinbar luftige, ge»
fettige 3ufaminenfomnten unb Jufammenfißen
in ben SöirthSftuben ober in ben ©ärten, wo
ba§ Vier in Strömen fließt, wo 3oten geriffen,
wüfte ©efänge gebrüllt, unb eine für foldje
Vtenfdjen unb Viäfte paffenbe SJtufif geblafen
wirb, welche bie gefunben Sinne berwirrt unb
fdjlummernbe Seibenfchaften wach ruft. Oort
wirb ein weltliches Vergnügen genoffen.
Oer moberne Oanj, mit ober ohne Starren*
tappe, biefer JubaS unb Verräter ber Jugenb
in unferer 3«it ber fo fept fcpmeicpelt, liebfofet
unb gepflegt wirb, unb bie confirmirte unb un»
confirmirte Jugenb bem Seelenmörber gewöhn*
lieh überliefert, gehört mit ju ben weltlichen
Vergnügungen.
©omöbien unb Vbffenfpiele, wie fte in ben
Opeatern aufgeführt werben. Wo baS meifte nur
Heuchelei unb Verkeilung ift, wo bie böfen Sei*
benfepaften geeignete Staprung finben, wo baS
Steroenfhftem zerrüttet unb bie tppantafte in bie
ffieberpiße getrieben wirb, finb tm bollen Sinn
beS SBortS weltliche, finnliche Vergnügungen.
harten», Villarb«, Siegel* unb SBürfelfpiele
finb befonberS, wo um ©elb gefpiett wirb, Vie»
ien ju einer unbänbigen Seibenfdpaft geworben..
SJtit biefen Oingen hat ©ott nichts gemein, fann
eS nicht fegnen noch gut heißen, Paper gehört
folcpes ipun unb Oreiben ju ben weltlichen
Vergnügungen.
Suft, Siebe, ©efatlen unb Vergnügen haben
an bem Sefen Don fittenlofen 3eiH<priften unb
Vücpern, bie ©ier unb Sucht nach Siebes», ©nt*
führungS»,. Staub* unb 5)?orbgefcpicpten,_mo
häufig baS Safter überfirnißt, ja glorifijirt wirb,
ift ein Vergnügen, Woran nur ein ftinb biefer
SBelt ©efaUen pat. Oiefe geiftige ©enußfudjt
wirft pöcbft »erberblicp- Sticht nur wirb bie
foftbare 3eit nußloS bergeubet, fonbern ade
eblen ©efüple unb gute Sitten werben erftieft unb
juleßt getöbtet. 2BaS Slrfenif in bem SJtineral*
reich, ber StacptfChatten in bem Vflanjcnreicp, bie
Hpäne unb SHapperfcpIange im Opierreicp finb,
baS finb bie fdjlüpferigen, fittenlofen Schriften
in ber Siteratur unb für ben ©eift beS SJtenfdjen.
Vergnügen unb SVoplgefalleu an übermäßigem
ßleiber* unb Siopfpuß ju haben, fteif unb pup*
penartig einperjuftoljiren, gehört mit ju ber
Slugenluft unb bem (in ber Schrift) gerügten
poffärtigen SBefen unb Seben. SBeber ©ott
noep eia bernünftig benfenber SJtenfcp fann ©e*
fallen baran finben, wenn SJtenfdjen raus unb
brein fcpmien, wie ein Stälbcpen, baS feinen Stopf
aus einem blüpenben Stofenftraucp perausftreeft,
ober wie ein aufgepußtcS VeffCpen perumwebelt.
SJtaucpeS mag wirflidh ein- unfcpulbigeS Ver*
gnügen fein, unb auch ber cpriftlichen Jiigenb
geftattet fein, wie tfifepen unb Sagen, Seiten
unb fahren u. f. W., wenn man babei nicht baS
oierte ©ebot Übertritt.
Vor folCpen Vergnügungen' foll bie CpriftliChe
uqenb gewarnt werben. 3ft benn wirtlich
efapr, baß fte »erführt unb irre geleitet werben
fann? Sinb benn fepon welche mit fortgeriffen
worben ? Haben fepon welche bon biefem über*
juderten ©ift gefoftet ? Seiber ja ! Opatfacpen
reben laut babon ! ©inige biefer berberbliCpen
Vergnügungen werben bon Vtantpen fepon prat*
tijirt, bon «Inbern bertpeibigt. Unferc üüge*
meinen Siegeln unb ©efeße, bie babor warnen,
finb ju einem tobten Vucpftaben geworben.
Oaß allbereits bon bielen Chriftlicpen Seuten
ber fenfationelle Sefeftoff mit ©ier unb einem
wahren Heißhunger berfcplungen wirb, ift be*
fannt. Vtan wirb wopl niCpt irren, wenn man
behauptet, baß berariigeS Vergnügen, woburep
bie tfleifCpeSluft fo fepr genäprt unb entflammt
Wirb, mehr Schaben unter ber Siigcnb anrichtet,
als irgenb ein anbereS fogenannteS weltliches
Vergnügen. Oaß fiep in einer ftirepe Wie bie
unfere mit 1,700,000 ©liebem, worunter einige
punberttaufenb Sünglinge unb Jungfrauen
finb, feine englifcpe Jugenbfcprift, mit entfepie*
Digitized by v^ooQie
4
199
Jlugmb* unb «eltliipr Vergnügungen.
bfner religiöfer 5£enbeng, aus Stängel an ßefern 3ti biefer ©rfaptung liegt ipre moratifcpe Straft,
Ratten tarnt, ift ein trauriger Seroei» Don bem um ber Siinbe überhaupt roiberftepen gu fön*
Derbotbenen ©eicpmacf an gefunber Literatur, nen, unb roo eS gilt, entfliehen Stein fagen gu
®ie Golden Hours unb baS Ladies’ ober tönnen, roenn Sodungen unb Serfucpungen an
National Repository mußten eingeftellt roet* fte perantreten. SBeitn fie fiep nodp niept als
ben au§ fötangel an Sefern. ©lieber betrachten unb angefcploffen finb, fo
$aS 2anb ift mit Derberblidper fiiteratur über* fuepe man fie für bie ©emeinbe ju geroinnett.
feproemmt; bie Herausgeber Don folgern Sdpunb 2)ann gebe man ipnen, roenn immer möglicp,
roerben reidp; bie Slbnepmer —bie Sefer ipr ©elb Sefcpäftigung im firdplidpen HauSpalt. £a=
lo» unb geroöpnlidj tnoralifcp bantrott. Sin bie* burdp roerben fie an baS ©ute geroöpnt, ipr
fern Uebelftanb finb ©Item, tßrebiger unb Seprer dpriftlidper Gparafter toirb auegebilbet, gute ©e*
nicht wenig fcpulb. ©S roirb niept genug über roopnpeit roirb bei ipnen eine SJtacpt.
biefen Seinb geroadpt, ober man Derfäumt gur 2. SJtan Derfäume nidpt fiep felbft unb ben
reepten 3«it ein enifdpiebeneS Seto bagegen ein* alten, erfaprenen ©priften es immer roieber ein*
gulegen. Stocp mepr: man giebt opne Scheuten juprägen, baß ipr Seifpiel gunt ©uten ein ge«
ber ^ugenb foldpe berberbliaje Scpriften in bie roaltiger gaftor ift, bet Sugenb auf bem guten
£anb. ©S ift fdpon foroeit getommen, baß Sü* 2ßeg fortgupdfen unb für ben Herrn gu er*
(per Don folcp gefäprlicper Stenbeng in Sonntag* giepern 2)aS böfe Seifpiel ift oft baS größte
fdjul * Sibliotpefen niept nur fdbon eingefüprt, Hinberniß in ber Slrbeit unb pat fdpon päufig
fonbern mepr unb mepr entfdpieben berlangt bie Semüpungen Dereitelt.
roerben. 3. Statt belepte unb roarne öffentlidp, befon*
$r. Söife, ein großer Sonntagfdpulmann unb berS aber auf eine bätcrli&e SCBetfe priDatim, bie
3ugenbfreunb in unferer Äirdpe, ber fdpon man» liebe Sugenb Dor ben ©efapten, unb man bette
djes ftpöne unb gute Sudp für bie Ijjugenb ae* ipnen baS Sdpäblicpe foldper weltlidpen ©enüffe
fdprieben pat, unb baper mit unferm tirdjlicpen auf. Stan madbe fie mit ben traurigen Sei*
Hauspalt roopl bertraut unb betannt ift, pat fpielen unb ©rfaprungen berer betannt, bie, roie
mrglidp in einer unferer 3eitungen—bem Sun- ®emaS am ©lauben Scpiffbrucp gelitten unb
day School Journal — auf biefen fdpreefliepen biefe SBelt roieber lieb geroonnen paben. Sin
Uebelftanb aufmerffam gemadpt unb roarnenb foldpen Seifpielen feplt es ja leiber! niept.
feine Stimme erpoben. ßr fagte unter Slnberm: 4. Stan barf roopl audp auf bie ©efapr pin*
„Slls bie Sößne ber Sroppeten gu 3eiten ©lifa’S weifen, roeldpe üble folgen es paben tarnt uttb
Don bem ©emüfe aus bem Stopfe effen wollten, fdpon gepabt pat, einer ißerfon gum ©pebunbe
feprien fie: 0 Stann ©otteS, ber S£ob im Stopf! Hanb unb £erg gu geben, bie feinen religiöfen
$ie burdp Jfrrtpum mit gefäprlidjen ffräutern Sinn, fonbern nur einen Sinn für roeltlidpe
gemifdpte, ungefunbe, ja giftige Speife tourbe Sergnügungen pat. Hier tönnte idp eine Sin«
Don benen entbeett, bie guerft baDon aßen. @S gapl Seifpiele ber traungften Slrt anfüpren.
beburfte ein SBunber oon .©lifa, um baS ©ift 5. SWan übe Sorfidpt, baß matt bie 2fugenb
in jener SJiaffe gu neutralifiren. 3fdp pabe gu» nidpt Don fidp abftößt burdp allgu große, folbaten*
ten ©runb unb baS 3eugniß Don glaubroürbigen mäßige Strenge unb fdpulmeifterlidpes 5)rein*
unb fadpDerftänbigen Serfonen unterftüßt midp, fapren mit barfdpen, unüberlegten Sorten,
gu fagen, baß es wenige SonntagfdpuUSiblio« 6. Statt aeftatte ipnen, ja ermuntere fie 3u=
tpefen giebt, roo man bei einer Sidptung unb fammentünfte gu paben, roo fte auf eine gefelltge,
Prüfung nidpt roürbe gu bem SluStuf genötpigt cpriftlidpe Seife fidp amüfiren tönnen. Oeftere
roerben: „0 Äiripe ©otteS, ber Job ift in biefer Sontttagfdjul* unb Sugenbfefte, roeldpe mit ©e«
Sonntagfepul*Sibliotpef." fang, $eflamationen gewürgt finb, roären fepr gu
„©S ift bie pödpfte 3«t, baß biefem feelenbet* empfeplen. 3?reilidp muß gute Slufiidpt geübt
berblitpen SBefen unb Treiben ein entfdpiebeneS roerben, bamit fie nidpt ausarten.
Halt entgegengerufen wirb. ©S giebt feinen 7. SJian ermuntere gum Cefen guter Südper;
fteperen unb fdpnetleren 3Beg, unfere Sugenb bem Südper, bie für ben Serjtanb unb baS Hetg ge*
Untergang unb bem Serberben gu überliefern, fdprieben finb. 2Bo eS tpunlidp wäre, roürbe ein
als ipnen geftatten, foldpen Sdpunb gu lefen, ßefeberein ein fepr gutes 'Dtittel fein, bie Sefe«
einfaep weil eS ipnen gefällt, fte amüfirt unb fte Iujt gu roeefen. ©ine Don bem Seiger für bie
großes Sergnügen baran finben." So Tpridpt 3fugenb paffenbe Sorlefung bon 3eit gu 3eit gu
unb roarnt ein SJtann, ber weiß, roas er fagt. palten, möcpte audp eine gute SBirfung paben.
SBelipe Sdpufcmittel mögen nun ba in Sin*
roenbuna gebradpt roerben, um bie (priftlidpe 2fu»
genb Dor biefem Steltfinn gu beroapren ? * 1
1) Stan fei unermüblidp unb rupe nidpt, bis
unfere Sugenb gum Herrn grünblidp beteprt ift.
Digitized by v^ooQie
200
9cd)t mnfj Hedlt bleiben.
Jfced)t WttÜ bod) $cd)t bleiben.
III. J)as wiebergefunbene §:eßament.
(Ein ®tfd)td)lisbilii «ne brr 3rit brr brutfd)tn
Sdimnd) mib (Ererbung.
Sur #au§ n»b §erb kttt ©anl ©ttgra.
drittes Kapitel.
IJerftedite ptänr.
Jfl o* einmal flirrt uns unfere Srgäljlung aus
«, bem berwelfchten ©Ifaß auf ben „märtif*en
@anb" unb na$ 33 e r I i n in einen uns
woljlbetannten f??amilienfreiS gurücf.
(Sin lebenSmüber ©reis fünfte fi<h bort an,
aus biefer Welt gu fReiben. Wehr als a*tgig
grühliuge batte er tommen unb grünen gefeljen,
e6enfo b’iele |>erbftftünne waren aber au* über
fein jeßt tableS £>aupt babin gebrauft. ©otteS
©aterbanb batte ibn gnäbig bef*üßt, batte ibn
fanft unb rubig burcb’S Selten geführt unb ibn
bie Stage beS NuhmS fcßauen laffen, welche
fjriebrich ber ©roße über baS Heine ©reußenlanb
gebraut. Slber auf bie fonnige 3eit war eine
überaus trübe gefolgt, benn ber treue Wächter,
welcher fo forgfam fein Saterlanb behütet, ber
große Ittönig, wanbeite nicht mehr unter ben
Sebeuben unb bie ©rengen beS SanbeS ftanben
jebem ©egner offen. So lagen um’S Stabt 1808
bie ®inge im beutfehen ©aterlanbe. ©S war
begreiflich, baß ber fterbenbe ©reis, Gtjriftopb
Natbob, fi<h na* jener biminlifcben Nube feinte,
wo ein ewiger yfriebe waltet, batte er bo<b am
©nbe feines bielbewegten SebenS noch baS Sluf*
treten beS_mä<htigen ©robererS, Napoleon I.,
unb bie Schmach feines beutfehen ©aterlanbeS
erleben müffen, baS nach ber unheilboüen
©(bladst bon 3<na bem ftemben länbergierigen
Sefpoten ficb beugen mufite. Sfmmer Weiter
brang ber jiegreicbe fforfe oor unb gwang burch
ben f*ma*ooilen Stieben bon St i l f i t griebrictyS
beS ©r. ©roßneffen unb Nachfolger, flönig
fjriebrich SDÖilbelm III. bon ^Breufeert, ihm mehr
als bie $älfte feines SanbeS abgutreten, Wo er
nun als gefürchteter Stprann feine gfrembberr»
fefjaft aufj*lug.
„Nun finb wir allein!" fpradj auf bem fteim*
weg bon beS Sllten Seqtäbniß fein gleichfalls
als ©rofeffor ber alten Sprachen unb ©efchidjte
am SfoadbimStbaler ©bmnafium angeftellte äl»
tefte Sohn gu feiner ©attin unb feinen beiben
bereits ermaebfenen ffinbern, bem acbtgebnjäb*
eigen 3 o b a n n e S, welcher biefen Namen gur
©rinnerung an feinen ©erfahren erhalten, bet
einftmals ein eifriger jünger CutberS gemefen
war unb feiner etwas jüngeren ©<bwejter2)ora,
einem gefreiten, munteren Weibchen. SDabeim
angelommen, fanben fie gwei reu nbe ihres
fjaufeS, ben alten £>auptmann © ö ß e, ber
fttmintlidje ruhmreichen Schlachten beS fiebeit»
jährigen ßriegeS mitgemaebt batte, bis ein
©<hufj iit’S ©ein ihn gwang, ben ®ienft aufgu*
geben, unb ben erft feit einem 3«b« in ©erlin
als ©ommanbant beS Seibbufarenregiments an»
geftellten Wajor © d) i 11, nebft einem jungen
Wanne, bem troß feiner ©ioiltleibung ber ehe»
malige Wilitär fofort atigufeben war.
„©ugen!" ertönte es aus bem Wunbe bon
SfobanneS, ber mit Wutter unb ©chwefter ein»
trat unb fofort in bie Sirme bon Schills Se»
gleiter eilte. „@elt, baS nenne ich eine Ueber.
rafchung?" rief ber Wajor, Wäbrenb er bie Sin»
fommenben ftumm begrüßte. „Sie feben, lieber
Johannes, baß 3b* öfreunb fein Wort gehalten
unb ©ie no* in biefem Sfaßre in ©erlin aufge»
fudjt bat. ©r barf wohl nunmehr auch hoffen,
baß © i e 3b* ©erfprechen löfen?"
Johannes beutete lächelnb auf ©ater unb
Wutter, ber Wajor aber fuhr rafjh fort: „Um
3h« ©inmiHigung gu erhalten, wirb fein fchwe*
reS ®ef*üß nötbig fein, ©ugen bat jfbnen
biel gu enäplen, lieber Johannes, nehmen ©ie
ihn mit fi<h auf 3b* 3<nitner. 3* t»erbe in*
gwif*en bie 3eit beitußen, 3h ne n ben gewünfd)*
ten Urlaub gu erwirfen."
©r folgte ber freunblichen ©inlabung ber
Hausfrau unb ließ fi* an ber ©eite ihres @at»
ten nieber, wäbrenb ©ugen, ber ingwifeben einige
©egrüßungSworte an bie $amcn gerichtet, feinen
Slrm in ben beS 3?reunbeS febob unb mit biefem
baS 3'ntb>« berließ.
©ugen bon £irfchfelb batte feine mi*
litärißhe Saufbahn als £>ufarenlieutenant be»
gönnen, biefelbe aber wieber fallen laffen, als
Napoleon fi* jum 3wingberrn ©reußenS auf»
warf. £)irfcbfelb fühlte fi* außer ©ianbe, bem
berhaßten fjrangofentaifer ben ©ib ber Streue
gu leiften, unb nahm baber mit noch bielcn Sin*
bern feinen Slhfchieb; ©ebid hatte ihn im Nat»
bob’fcben £taufe eingeführt unb ©ugen mit 3o*
hanneS fchnetl Sfreunbfchaft gefdjloffen, benn in
ber ©ruft Seiber glühte biefelbe heilige ©ater*
lanbsliebe.
©läßlich berfdjtoanb jeboch ^>irf<hfelb ohne
Slbfchieb aus ©erlin, unb 3ohanneS erfuhr bou
bem Wajor ©chifl nur, baß ber greunb fchleu*
nigji nach bem @ute feiner Staute habe abreifen
müffen, in biefem 3ah« aber noch «inen ©cfuib
in ©erlin abftatten werbe, wenn Johannes ihm
berfpräche, für einige Wochen fein ©aft auf bem
©ute bei ©tenbal gu fein. $aß 3ohanneS mit
gfreuben gugefagt, haben wir bereits erfahren,
unb wir folgen jefct bem fjteunbespaare, baS
Strm in Slrm na* bem 3intmer bon 3ohanneS
fchritt.
Digitized by v^ooQie
Hfdlt muß |led)t bleiben.
201
Der freubige WitSbrud, wetten ba$ SBieber»
feöeii inni*f4felbS@eficbtSpigen heroorgerttfen,
muckte jeßt einer evnfteven 'iltiene '-Blaß. (Sv jog
beu fjremib auf einen 3tu 1)1 neben lief) niebev,
erfaßte feine Siebte nnb begann: „34 bin ein
Wnberer geworben, feifoem mir mtS nicht ge»
feljeit. Da» (Sleub bcv ^cit unb nnfere briirfeitbe
Sage haben meinenGntichlußgereift. 3fn Spills
©eiellfchaft ma4te irf) bie löefauutfc^nft eine»
oortvefflicken 'JWanneS, befjen $erj bei bem Wn»
btiefe. De» gefue4teten 33oterlanöeS gleidjfaü»
blutet. Du mirft meinen 33imbc$genofieu, ben
nauptmauit QFriebricb Äarl ö o it ft a 11 e ,
in Stenbal fennen lernen."
„SButtbeSgenoffe?" roieberljolte 3 0 hanne8 er»
ftaunt.
„WllerbiitgS, mein ffremib, nnb irf) hoffe, bidj
gleichfalls ben Unfrigcit beipiljlen pt biirfen."
„Den Gütigen?" oerfeßte 3of»amie3 fopf»
fdjiittelnb, ,,idj öerftelje bicb nicht." „Welcher
WatcrlaiibSfrcnub," fnljr Ctivfcflfelb in bereifter»
tem Done fort, „ertrüge mofj( ben Jammer nn»
fere» gefnechteten 33o(fS, ohne baS ©efübl na4
3tad)e pi empfiitben ? 3 m 33o((e gäfjrt’S, man
fefjiit fitf» nach einer ©elegeufjeit, baS franjöfifche
3ocß abjnfdjütteln. 9Cnf biefe fBetheiligung beS
WolteS batten mir ttnb haben nnS baS SBort ge»
neben, möglichl’t gleichzeitig einen allgemeinen
Wufjtanb pt erregen. Der ©rauufdjweiger Her*
zog orgauifirt jit Wadjob itt 3}ö(jmen ein gfrei«
roilliaencorp», Hin mit beinfelbeit in Wittel»
te.itfdjlanb eiupifalloit; ©djill bri(f)t mit feinem
Wegiinetttf, roeldjein tagtägli4 neue ftreiroillige
tmiröineit, itacfj ber Glbe auf nnb ftatte unb id)
überrnmpelit bie Heftung Wagbeburg. Wun,
loa» fagft btt pt unferin platt ?"
„(Sr ift fchön," räumte SohaitneS ein, „aber
auch fefjr tolltiibn."
„Wur beut Wutfjigen gebärt bie Söelt" —
„SBeitn er genug SBerbiinbete bot, bie iljm
untcrftüßeitb ptr Seite ftefjen." „Unb haben mit
bie nicht ?" gab ^irfchfelb jurücf unb erhob fidj.
„Du» bcutfdje «olf märtet nur auf ben giiitftigen
Wugenbl'cf. gegen feine Reiniger fid) ju erheben,
e» mirb fid) uns frettbig entließen, unb roahr»
lieh, f§ ift ftarf genug, ben ffrranjmanit über ben
Wbeiit 5» jagen. SBie fteßPS, ftrennb, miflft bu
nufer treuer SuubeSgeiioffe merben?" „©öitnc
mir 3eit, ruhig über bie Sache nacbzubenfeit,"
ermiberte ^oheintteä freimiitljig. „Dein 33er=
trauen haft bit teinein Unroitrbigen gefchenft, ich
werbe eS zu fd)äßen miifen."
Hirfchfelb geigte fich mit ber erhaltenen Wut»
wort ttn gif rieben unb lehrte peinlich berftimmt
mit Johanne# zu ber ©efellfchaft ptriiet.
3d)i(l laS fofort in feinen Wieneu, rief aber
troßbem ben beibeit $rcmtbeit pt: „Scib frohen
WtutheS, ftiitber, — ich habe Johannes ben ge»
wiiufchteu Urlaub bcrfchafft. 3ßt tonnt noch
heute nach Stenbal atifbrechen." Die Gltern
trieften beu beiben jungen Wänuerit freunblidj
pi, mübreub Dora fid) an beit geliebten 33 ruber
fthiniegte unb ihm bie SBorte pifliiftertc:
„@ar pt lange barfft bu aber nicht fort»
bleiben, beim joitft reife ich bir nach uttb hole
bid) ptriief."
Win näcbften Dage fuhr Hirfchfelb mit 3o»
haniteS noch Stenbal utib erreichte fpät am Wbenb
bas ©ut ber Dante.
Gilt Diener mclbete bem Sicutcuant, taf; im
Schlößchen — mie ba» fehmnete Herrenhaus ge»
nnititt murbe — ©efellfchaft fei, pi Ghreit ber
©räfiit uon Ciibbeiiau, bie Por einigen Dagen
aus Cefterreich angelangt. Hiifchfelb evfnnbtqte
fich »ad) ben übrigen ©iiften, beim er hoffte iiis»
geheim, baß fich ftatte barunter befinben würbe,
bod) nannte ber Diener nur einige Damen nnb
Herren auSbent Gioilftanbe unb fchloß Utchelnb
mit beu SDprten:
„Der H«vr Gommerjieurath Gerf fehlt natiir»
lieh and) nicht, obwohl er Don ber gmibigcit 33a»
voneffe feine Giulabimg erhalten hat."
„Selbftoerftänblid)," bemertte ^>irfrf)fctb iro»
ttifch- „®er ift beim biefer Herr Gerf ?" fragte
SlohauneS neugierig.
„Wim," ermiberte (tichelnb Hirfdjfelb, „Herr
Gerf gehört bem utofaifdjen GJlauben an unb
befißt ©elb genug. Wuf gut bentfeb heißt er
eigentlich H>efch nnb er ftammtPon einem 3ubcn
gleidjeu WanieiiS, ber miihretib ber ^Belagerung
WagbeburgS im breißigjähvigett ftriege Dillp’S
Spion gemefei! fein toll. Diefev WofeS Hiefd)
legte beim at:d) ben ©rtinb jum Weidjthum fei»
ncr Wnchfoinmeii, iiibent er ben pliiiibernbett
Heeren uachp'g unb ihnen pi Spottpreifen ihre
!Beute abfaufte. Wit 33ernchtimg gebcuft man
ncch heutigen DogS biefcS '-Patrons, besljalb ift
eS crflärli^, baß ber jeßige Wachfoinme fid) nach
einem anbern Waiftett fcljute. WIS reicher IBanfier
modte er ja hoch eine gemiffe Wolle in ber Stabt
fpieleit. er erfah fich Wapolcon pi feinem Hflbeit
unb Wetter au§ unb iiberichte beu beutfdjcu
Hivfd) ins tSraujöfifche. Gin Ditel war für ihn
ebenfalls halb gefimbett tmb fo entftaub ber bc=
rühmte Gommcrjienrath Gerf. habe bir bie
©efchidjfe nur beSßalb mitgctheilt, bamit tu bid)
in ©efellfchaft be» müvbigcit WaimeS nicht ju
potriotiidjen Weutcruiigen hinreißen läffeft, beim,
mie gefagt, er ift ein gliitjeubcr Verehrer Wapo«
leouS, troß feines „weichen" HerjenS, beßen er
fich ho> jebeut ^Cnlnffc rühmt."
„Wannte ber Diener nicht auch beit Warnen
einer Dame, welche gegenwärtig hiev bermeilt?"
fragte Johannes.
„Wichtig, bie ©räfin Sübbeuau. 3ch feinte
fie nicht, foitbern weiß nur, baß fic bie Öje»
ntahlin eines hohen öfterreidjifcheit OffiperS
ift, ber jur entfernten Söermaubtfcfjaft meiner
Digitized by v^ooQie
202
Hrdjt muß jtrdjt blrtbrn.
2 mite gehört. Tie junge grau warb fcfeon
lüugft erwartet."
Tie (Srmübung ber Steife liefe bie greunbe
halb ifeve Stufeeftatt aufiuifecit^ erft am mibeven
SJtovgcu liefeeu fie fiel) bei bev fcdjlofefeerrin me!«
ben, bev Paronin (Sfcfewege, toeldje bereite
mit ihren beibeu ©äffen beim grüfelliitf fafe.
Stad) bev gegeufeitigen Porftellung nahmen und)
bie beiben jungen SJiänner an bem Tifcfee plafe.
3m Hellauf bev Unterhaltung äußerte £)irfd)=
felb: „'-Bitte, j£>evv (Sommergienrath, „bavf iefe
nidfet 3 fere ©iite für miefe in Slnftmid) nehmen,
©ie tonnten ntiv einen ©efaden evmeifen."
„£evauS bmnit, Sie mijjen ja, iefe befifee ein
weidjeS £>erg."
„ 3 dfe langweile midfe nämlich gong entfefelidfe
nub möchte gerne miebev in bie Slrince eintveten.
Horljer luiti iefe miv abev bie ©adfee ein wenig
mifeheu nub beffev fvanjöfifd) lernen. TeSfealb
feabe id) bor, nach SStagbeburg gu neben, Sonn«
ten ©ie miv bovt mit eininen ©liibfefeluiigen gur
©eite ftcfeeit ?"
„SticfetS leichter als baS," vief bev Hantier er«
freut, „id) loill ©ie bei nden meinen 3 ?venitben
einfübven. beim es fveut mich, bafe ©ie cnblicfe
beffern ©inueS geworben finb unb in bie gvofee
Slrntee eintveten wollen, weldje bev «Q'aifev nnv
n Stuhni unb ©ieg fiibvt. 3 <fe will ©ie ein*
üferen bei meinem ffveunbe, bem ©eneral oou
SJticfeaub, wetebev ift bev ©otibenteur non SStagbe«
bürg, nub iefe will fie entführen bei meinem
frreunbe, bem gefürchteten Gfeef ber '-ßolijei, bem
©enerolcomntifjär Woifej, unb noefe bei biefeit
anbevu ^vcunben will i<fe ©ie einfübven. 2öaS
tbue id) niefet fiiv ben Steffen meiner Hebens«
wiivbigeit ^fveunbin) ber '-Baronin bou ©fefemege,
id) bub’ ja ein weufeeS #erg."
lieber baS Slntlife ftirfcfefelbS flog es Wie ein
Hliti. (Sv banfte bem Hantier auf baS 3*>bor=
bominenbfte unb fügte baS Hcrfpvcd)cn binju,
in wenigen Sagen bei ibm in Htngbeburg gn er«
febeinen.
„Stattirlidj werben ©ie abfteigen in meinem
£niufe," niefte (Seif woblwollenb. Tod) madjte
ber Sieutenant bon biefer (Svlaubnife feinen
©ebvaucb, was feinen ©önnev cinigcrinafeen ber«
ftimmte.
Ta bev Cfommergienrath mit Stadfemittage
wieber in feinem ©.jefeäft fein wollte, fo beruh«
fdjiebete er fiefe alsbalb bon ber Haronin unb bev
©efellfcfe.ift. Ta« Stollen feines ©ageuS mar
taiim in bev fyerne berbaflt, als ein ftattlidjev
Steiler bem ©ifelöfufecit fid) näherte. Tev j$vembe
moefete^ein Tveifeigcv fein unb fd)ieu, nach ber
alten ©olbateniniilie gu fdjliefeen, fviifier bem
fDtilitärftanbe angeljört 311 haben. Tie fefteu
Sinien beS tiefevnften SlntlifeeS geigten an, bafe
ber fväftia gewaefefene Htmin fdjon maintjen
©cfeidfnlsfturni übermuubeit hatte. ©äfercnb er
fidjh bem £)errentjanfe näherte, unterhielten fiefe
©irfcfefelb nub Johannes mit ber.©räftn 2 üb«
b e 11011 , weidfee jefet plöfelidfe ben fiieutenant
frag:
„Stellten ©ie mir nidfet 31)«« pfreunb als
einen Ferrit Statbob bor ?" Sluf &irfcfefclö§ He«
jafeung fufer bie junge fd)5ue grau jefet gu 3 ®=
feanues geweubet fort: „Tiejev Slawe ift mir
311 m Ceftern bon einem SJtaune vüfemenb ge«
umint worben, bem id) großen Tauf fcfeulbe,
ja, id) fann wofel fagen, mein 2 eben bevbanfe."
„Unb wie nennt fiefe bev SBaeteve ?" fovfefete
3ofeanneS.
„Seofeolb bon ©belbeef; er ift fotoohl wegen
beS gvofemiitfeigeu ©djufeeS, ben er mir in mei«
item gefeilten 3 nfeve gutfecil werben liefe, als ber
wichtigen Ticufte halber, bie ev bem öfterrcidji«
fcfeeu ftaiferhaufe geteiftet, geabelt worben, ©r
ergüfelte mir biel bou einem Statbob, weidfeer ber
ffrenub feines ©rofebatcvS getoefeit fei —"
„©11113 reefet," fiei3ohanneS lebfeaft ein, „and)
iefe eutfinue mici), bafe mein ©rofebater einen
©belbec! erwähnte." 3°l'i trat bie ©errin beS
Kaufes, Söorouiii ©fdjirege, mit bem fremben
SteiterSmaun ins 3>mmer. „Stifte . . . alter
tfrcuitb!" vief ^>ivfd)felb miffbvingenb nub ftreette
bem ^aiiptmanii bie £>anb mit ben SBorten ent«
gegen: „©eien ©ie feerglid) willfoinmeu!"
Tie ©täfiit Sübbemiu betrachtete beu netten
Sfnfommling fefev aufuievtfam, befjen fdjöneS,
niäimlüfe ebleS Slntlife ifer fofort Vertrauen ein«
flöfetc. ©ie inert e es ben beibeu ehemaligen
Cffigiereit an, bafe fie fiefe gern allein oiiS«
fbreifeen möifeten, 1111 b crl^b fiefe bafeer mit beit
SfÖorten:
„3d) räume ben Herren baS gelb, ©ie haben
fiefe gewife als gute Teutfdje fo SJtmnfeeS 311
fagen. Was eine fjran 301 'in niefet hören tarf.
3 nbeffen eilen ©ie bmnit, beim iefe fefere halb
mit einem wichtigen SBricfc guriid, ber für beu
fierrit ^auptmann bon Satte beftintmt ift."
©ie berueigte fid) leid)t unb ergriff ben Slrni ber
neben iljr ftchcnbcn '-Baronin, in bereu ©efell«
fefeaft fie baS 3<mmcr betliefe.
Ter {vmptmaim waubte fiefe jefet an 3ohau=
neS, bon weldjent ifem bev Sieuteiiaut biel Stüfein«
lidjeS ergäfelt, 1111 b fragte ifen, ob er bon iferetn
Unternehmen wiffc. „fjveunb ©tigen feat mir
SllleS bertrauenSboll mitgctfeeilt," erluiberte 3o=
haniieS in feiner befefecibeuen SBeife. „Sind) mein
ffierg blutet beim Slublicf beS gefucdfeteten SBater«
(anbeS unb iefe würbe gern burefe eine mannhafte
Sfeat meinen Patriotismus begeugeu, boefe fühle
iefe niiefe bei meiner 3 i>gcub itcefe 311 fifewaefe
ba 3 ii."
„©erben ©ie ein ©lieb ber Sette, bie 311
fdjliefeen tui.v im '-Begriffe ftefeen," rietfe ifem
Satte bätevlid), „bann erftarten ©ie burefe baS
leuefeteitbe l'eifpiel 3fe»'cv PtinbeSgenoffen."
Digitized by v^ooQie
üfd)t muff JleZt bleiben.
203
„2foßt ftitl baboit," mahnte ftirfZfelb, „iZ
böre dritte, bie ©rüfin fomnit guriief."
@o mar es nudj. ©ie hielt einen Derfiegelteu
©rief in ber £>unb, beit fie an Watte ftnmrn
überreizte.
,,©on nnferin ^o^en ©önner, bem #ergog
ftriebricb Üöilbtm Don ©rauufZmeig!" rief ber
pauptmanit. „2BaS mag er uns gu ntelben
haben ?"
„©ielleiZt roünfZt er gu loiffen," begann bie
©räfin mit einem lierfiirfjen SüZelit, „roaun
©Zill mit feinem 9tegimente auf Orient tmb
fyuiptmann Watte nub Sieutenant ^irfZfelb
bie gfeftniig ©tagbeburg überrumpeln."
Sie brei ©titulier prallten erfZrotfeit guriidf.
©ie fabelt ihr ©ebeimuiß an eine fyrau Der*
ratbeit, bereit fraitgöfifZe £>ertuuft fie gu einer
tfeiitbin ber SaZe Seulfd)lanbS machen mußte.
GnbliZ las Watte beit ©rief, er lautete:
„#crr Wamerab! —SurZ bie Ueberbringerin
biefeS ©djreibeit», ^ran ©räfin Souifoit Don
Sübbenaii, merbeit ©ie groei miZtige ©tittljei*
limgeii erhalten, bie für unfer gemeinfameS
Unternehmen dou großem ©ortljeil finb. Zubern
iZ ©ie erfiidje, ber ffftau ©räfin ibr üolleS ©er*
trauen gu fZeufeu uub fie als eine eble ©uubeS*
genoffiit ber beutfZen ©aZe gu betrauten, bc=
grüße id) Sie u. f.io."
5t im mehr geigten fiZ bie ftreunbe erft reZt
erftauiit. Sie ©räfin aber fagte jcßt in eruftem
Jone: ,,©or 3b>ten ftebt eine Slnbäitgeriit ber
frangöfifZeit WönigSfamilie, bie niZtS roiifen
mag Don jenen ©olisbegliitfent, jnie fie gur 3eit
ber 'JteDotution in BfraitfreiZ gehäuft, uoZ Don
einem corfiiZeit Gmportöntjnling, beffeit mibe*
grengter Gbrgeig beit ©egriff dou „©aterlanbS*
liebe" faunt bem Söortlaute naZ fennt. 3Z ftelje
baber ftranfreiZ Kilt feiitbliZ gegenüber, uitb
lD'ibe gern meine fZmaZen Wriifte einer Station,
welche, ioie bie beutfZe, auf ben ©turgDtapoleou
©ouaparte’S bebaZt ift. 3Z Ö«be 3bueu mit*
gutbeileit, baß OefterreiZ gum Wriege gegen
tfraitfreiZ feft entfZIoffeit ift tmb Gnglanb bie
Saitbuitg Don Sruppeu fomie eine reiZe Unter*
ftiißuitg an ©elo gugejagt bat."
vtimutcbr brach ber 3fu6e( toS, an bem auZ
Johannes tbeilnabm, ber jeßt Watte förmliZ er*
fuZte, ihn in beu WreiS ber ©mtbeSgenoffen
auijunebiiteit. ©in Iräftiger £>aubfZlag beS
fMuptmannS bilbete bie ©ntroort.
„Sa nufere ©ugelegenfjeit fo gut ftebt," er*
griff jeßt $irfZfeib baS SBort, „fo mage iZ mit
einem fiibueit ©laue berüorjutretcn, ben iZ b<u=
fiZtliZ ber Ueberrumpelmig ©tagbeburgS er*
founeit. Würg gefügt: iZ toifl bie Seftimg doii
Jnneit heraus erobern." „Uub mie beim?"
frug ber Qauptmaiiu Watte. „9luf bie eiufaZfte
SBeife," gab ©irfZfelb gur Wutmort. „3Z be*
mühe miZ/ ben beutfZen Sljeil ber ©efaßungS*
truppen für und gu getoiitnen, DerfZaffe mir bie
©Zlüffel gu bem einen ober aitbent $aupttbore,
feße miZ in ben ©efiß ber ©efZüße, bcmaltige
ben an 3abl geringen ©egner — unb bie fjeftuug
mit ihren reiZen ©orrätben ift unfer. ©elbft*
DerftanbliZ reZne iZ babei auf 3 b« ©fitbilfe,
Sreuub Watte, ©ie tnüffen mit 3Ören ©tarnt*
fZafteit biZt oor ©tagbeburg flehen unb auf ein
gegebene» 3 c 'Z«n burd) bie geöffneten Shore
eingieben. ©lein GntfZlufj ftebt unmaiibelbar
feft, — morgen reife iZ nach ©tagbeburg uub
gebe uuDergiigliZ ait bie WuSfübruug meines
planes."
„Uub iZ folge 3Ö»en öalb nach," rief bie
©räfin lebhaft, ber baS füllte ©JagnifjbeS Sieu*
teiiant» gu gefallen fZien. „Unfer tbcuerer £err
Gommergieiiratb ©erf loirb auZ mir fein
„meid)eS ©erg" offenbaren uub iniZ in bie £fa=
milieii feiner ^reimbe, meiner Sanbsleute, ein*
führen. Sann, ^err Sieutenant, operireit mir
getneinfZaftliZ, ©ie als SeutfZer, unb iZ als
— tjraugöfin."
©ie laZte uub £>irfZfelb fiel luftig ein. Ser
ernfte Watte aber mahnte gur ©or|id)t uub luarnte
namentliZ Dor bem ©oligeiZef ©t o i f e g unb
beffen ©pioneit. „3Z fürchte baSÖcfinbel uid)t,
fo lauge uns 9tont6erg erhalten bleibt," er*
roibertc ^irfZfelb uub fügte, fid) gur ©riifiit
rocnbeiib, erläuternb bingu: ,,©o lautet nämlid)
ber 9tame eines SaiibmanuS, ber ehemals in
Sienften meines ©ater» ftanb. Gr leiftet als
Spion unfernt Unternehmen grofjen. ©orfZub
unb binterbriugt uns alle 9liifd)liigc ber geljci*
men ©oligei." „2ßie ift bieS aber einem fo fd)liZ=
teil ©tanne möglich ?" fragte bie ©räfin erftauiit.
„Saburcb, baß er in Waffel felbft in beu Sienft
ber geheimen ©oligei trat." „SiefeS SBagniß
fanu bem braüen ©tann febr gefabriiZ merbeit,"
Derfeßte bie ©räfin.
„Gr meifj eS; boZ bangt ihm niZt für fein
Sehen, .ba er es für feine ©fliZt erachtet, ben
©turg ber fraugöfifZen ©emaltl)crrfZaft mit
berbeifiibren gu bolfon. Stomberg ift iiberbieS
Dorläufig in fein SörfZen gurüdgefebrt, um für
aöe Sülle feine ©aZen gu orbuen uub für bie
3ufunft feines Diergebufährigen SödjterZeiiä gu
forgen."
,,@o gebe benn ©ott unferm Unternehmen
feinen Dollften ©egen," fagte Watte mit einer
ernfteit f^eierliZfeit, moraiif bie brei ©taillier
fiZ bie ^>änbe reizten. Sann fragte er ^)ir|"Z=
felb, mo berfelbe in ©tagbeburg abgufteigen ge*
beule.
„33ei bem SBeinbänbler ©Zraber, bem
alten ^reiinbe meine» feligen ©aterS," Derfeßte
ber Sieiitenant.
„Uub maS gefZießt mit 3b*cm 3? re mibe 3o»
banneS?"
„Gr begleitet tniZ naZ ©tagbeburg." Unb
Digitized by v^ooQie
204
$rd)t muß Jtedjt bleiben.
wirtlich melbete fchon einige Doge fpäter ber
Diener beS geftrengeu ©tagbeburger ©oligei»
continiffarS ©toifeg gmei Herren, Don benen in»
beffen mir einer bem Eljef ber ©oligei befannt
mar. Der lange, hagere Wann ruugelte bie
©tim, mobnrdj bie tiefliegenben binnen noch
weiter in ihre £)öhlen guriicftraten. „©ante beS
anbern ScfuChS?" ffießber mißtrauifChe ©toifeg,
beffen (auernber ©tief nnb fpiße'Jtafe fortmährenb
©errat!) nnb Worb gu roittern fetjienen, Ijeruor.
„£>err Eugen Don £>irfd)felb," erroiberte ber
Wiener. „Er bittet um bie ©nabe, in ©efell»
fcfiaft beS Cperrn EommergieurathS Eerf bem
£>errn ©eneral * Eommijfär feine ©ufroarhutg
machen gu biirfen."
„Üteinfommen!"
Der Diener entfernte fich nnb gleich nachher
traten bie beiben ©einher herein. „®nten Dag,
mein ©efter," grüßte mit lauter Stimme ber
Santier nnb eilte auf ben ruhig bafteßenben
Woifeg gu, beffen prilfenber ©lief auf £nrfchfclb
ruhte. „Sie beleihen, baß mir Sie fo früh
fchon ftören, hoch mußten mirbiefe geitige Stunbe
Wühlen, um Sie noch gu fjmtfe angutreffen."
,,^d) bin heute allerbingS etwas preffirt," Der*
feßte ©toifeg. ben ftopf nach aufwärts bengenb,
,,bod) bitte ich, ©laß gu nehmen. Söomit faitu
ich bienen ?" Der Sefuch folgte ber Einlabung
mtb Eerf begann mit ©öunermieue:
,,.£>err Don Jfiirfdgfelb ift ber ©effe einer ftreun*
bin ’joii mir nnb hut gegen mich ben SÖuufch
auSgefprodjen, in bie ruhmreiche ?lrmee bei?
großen Napoleon eintreten gu bürfen. ©orerft
gebentt er hier in Wagbehurg gu bleiben, um
burCfj meine ©ermittlung in ben boruehmen
frangöfifchen Greifen eingeführt gu werben nnb
fich in ber frangöfifchen Sprache gu bernofl*
tommneu. ^d) titte für ihn um Ighr 3öof)l*
wollen."
„(Sine fo worme Empfehlung 3f6rerfeit§ ge»
niigt mir," fagte ©toifeg trorfeu. ©ach furger
©aufe fragte er ben fiieutenant plößlich: „Sie
nennen fich fjiirfcßfelb? Der ©ame ift mir nicht
nnbefannt. Dienten Sie nicht als Offner im
preußiftben £eere ?"
fjirfdgfclb bejahte es nnb fam einer Weitern
ffrage beS ©oligei*EommiffürS 3 iwor, inbem er
äußerte: „Die bebeutenbe ©erringerung beS
beutfdjen £>eereS machte hunberte boit Offneren
üherfliiffig."
„ffiarum traten Sie bann nicht gleich in bie
frangöfifche ©rtnee ein ?" fragte ©toifeg, beffen
fcharf beobachtenber ©lief auf £)iri<hfelb ^nftete.
„Darf ich offen fein ?" waubte fiel) ber Lieutenant
lücßelub an ben ©anfier. „So Diel Sie mofleu,"
betljeuerte Eerf, baS £>aupt gur Seite neigenb.
„Der ,£>err ©oligei commiffär ift ein Ehrenmann
unb hat, wie id), ein weiches £>erg."
„©ein benn," äußerte £irf<hfelb im Done
größter Cffenhergigfeit, „fo will ich 3hnen oenn
betennen, &err ©toi feg, baß ich bis üor ft argem
ein ©egner 3 hier fiegreichen Sanbsleute gewefeu
bin, baß bas ©enie ähreö ruhmreichen ftaiferS
aber meine ©efinnung Dodftänbig umgewanbelt
hat. leime feine größere SeßnfuCht, als fei.
neu tfahnen gu folgen."
„©raoo! ©rabiffimo!" tlatfdhte ber entgücfte
©anfier.
„Entfchulbigen Sie!" ertönte inbiefem ©ugen»
bliefe eine etwas heifere, aber ungemein fünfte
Stimme.
£)irfd)fe(b fah fiCh um unb erblicfte an bet
Dhiire einen hohen frangöfifchen Cffigier, beffen
fchneeweißeS &aar nnb gutmülhige ©efiCßtsgüge
ihm etwaö EßrwürbigeS gaben.
,,2BelCh’ glücf lieber !" rief ber ©anfier
nnb fchnellte Don feinem Stuhle auf. „©rollt'
ich boCh Ew. Ejceüeng noch heute früh mit mei*
nein Schüßling hier einen ©efuCh abftatten unb
um 3hr freunblidjeS Wohlwollen für brnfelben
bitten."
„Darf iCh erfuchen, miCh bem jungen £>errn
jeßt gleich Dorguftelleit ?" erwiberte bei: alte ©ti*
litär, worauf ber gefällige Eerf fChmuugelnb be*
ganu:
„Seine Ejrcefleng, £err ©oubemeur Don
W i ch a u b, mein greunb." Sobann beutete er
auf feinen Scßüßling, in Domehmem Done beffen
©amen nennenb. Snbefjen hatte ©toifeg burCh
bie ©locfe feinen Diener herleigerufen, bemfelben
einen geheimen Sluftrag gebenb.
„.C'ierr Don £>ir|cbfeib perweilt fCßon längere
3eit hier in Wagbehurg ?" hüftelte ber alte ©ou=
Dernenr. „Erft feit geftern, Ercellerg." „Sinb‘
im ©afthof abgeftiegen ?" „©ein, fonberit.un*
weit ber ^auptmadje, bei bem Weinhnnbler
Sehr ab er." Woifeg faltete bie Stirn unb
fagte mit ftrenger ©mtSmiene: „DoS ift leine
gute ©breffe, bie Sie fich ba gewählt haben.
Schraber ift als ein ©tann befannt, ber bie 5 ran*
gofen bitter haßt."
„Das habe iCh nicht gewußt," entßhulbigte fich
fiirfchfelb, „ich war iierrit SChrober bie ©iief.
ficht, mein Cuartier bei ihm aufgufChlngen, fchon
infofern fCßulbig, als er ein greunb meines
SaterS gewefen ift."
„|ierr Don ^»irfchfelb gebenfen alfo bei uns in
Wagbehurg gu bleiben?" fragte ber freunblidje
©onuerneur weiter. Der Lieutenant bejahte
unb Eerf ergriff bie giinftige ©elegenljeit, wie»
ber einmal baS ffiort gu führen unb in ge*
fchwäßiger Steife bem ©onuerneur Cie ©bfichten
unb SBünfChe $irfd)felbS funb gu thun. ©tichaub
feßien an bem jungen ©tonne ©efadeit gu fin»
ben, weshalb er ihm auch freunblidj entgegen*
fam unb baS ©erfpredjen gab, naCh Wögjicfjfeit
feine ©tiinfdie gu berncfficheigen. Dann modjte
fich ber Lieutenant wieber auf ben Heimweg.
Digitized by
Google
$td|t muß bleiben.
205
„3$ b«t* beute einen Sieg errungen, of)ne
baß id) bas fd)toere ©eia üb ins Greifen gu führen
notfjig gehabt b all e," vief er bem gremibc unb
©attr »djraber gu, welche in gefpanuter Pr«
Wartung beit Mitteilungen fjivfcbielbs laiifcbteu.
„MeS gang fchöu unb gut," nicfte ber ©ein«
bditbler, „aber-Moifeg ift ein flauer
TOenfd), barum feien Sie uorfübtig, mein lieber
pugett."
Sie ltächfifolgenbeu Sage benußie ber Lieute«
nant bagit, fid) beS ©obiwollenS Moifeg’S unb
MidjaubS oollftünöig gu ueriicberu. 9luf Scbra«
berS ©at& führte er and) 3<>h«nneS bei bem Pbef
ber ©oligei ein, benn es tour bejfer, biefer erfuhr
bureb brn Lieutenant bieMwefeubeit beS jungen
9t a t b ob, als burtb bie geheime ©oligei. Moi«
feg geigte fitb and) gegen ^obauneS gudorfoin«
tommenb, bejfeu Sfugenb bou ootn herein fein
Mißtrauen auftommeu lieft.
$irfcbfelb unb Johannes begleiteten ibn fogar
öfters auf feinen Spagiergängen, bie er gewöhn«
litbam e>pätuacbmittagangutretenpflegte. Md)
beute uitternabmeu fie einen gemeinfcbaftlicben
Ausflug unb ftblugen bie Lanbftraßc ein, welcbe
nach Schönebecf fiii)rt. ©mt bort tarn ein £>au=
firer mit einem jungen Mäbchen, baS feine Sod)»
ter gu fein feßien. 91 iS berfelbe an ben Spagier«
gättgent doriiberfebritt, grüßte er mit lauter
Stimme, bei beren Slang £>irfcbfelb ftufete. Pr
blkfte beu ftrentben genauer an unb fein ©lief
begegnete bem feiuiaeit unb fofort mußte er, baß
er 9tpinberg dor fitb batte.
Ser Lieutenant dennotbte nur ferner feine
innere Unruhe gu berbergeit; er fürchtete, ©om»
•erg tönue, ba er unmöglich ahnte, baß fein ©e«
gleittr ber derfebmißte Moiiej fei, derratfjen, mit
ihm befunnt gu fein. Mein ber ©auer blieb
ruhig unb gab fid) ben Mfcbein, als ob er ben
jungen £>errtt ginn erften Mal in feinem Leben
fdbe, bann fdjob er feinen £>aubfarren weiter.
Moifeg bliefte ©ater unb Sochter gebanfenboll
nach, bamt fagte er gu feinen beibeit ©egleitern:
„Ser Mann bot ein äußerft fd)laueS Mge.
3<b traue all ben Menfcben nicht, welche als
ftaufirernnb berg(eichen im Laube beruingieben.
derartige PJefdjäfte finb in ber Siegel nur ©or=
wanb, um geheime ©bfiebten unb 3>»e<fe gu ber«
bergen. ©Bie gefügt, ber fcßlaue ©lief jenes
Mannes flößt mir Mißtrauen ein — ich »erbe
ihn feßarf beobachten laffen." ©irfchfelb mar
jeßt feft badon iibergengt, baß Moifeg noch in
berfelben e>tunbe ber gelammten ©oiigei ©efebl
ertheilen werbe, ben frembeit £>aufirer anfS ©e«
naueftc gu beobachten. Umfomebr mußte bem
Lieutenant baran liegen, möglicbft halb mit
Äontberg gufamntengutreffen, um benfelben gu
toarneu. Man batte baS Sßor roieber erreicht,
»o foebeit bie ©aeße unters ©emebr trat unb
ber ©blöfuttg ^arrte. Moifeg grüßte ben fatim
dreißig 3aßre gäblenben Offigier febr gudor»
fommeub unb äußerte gu £>irfcbfelb, mäbreub er
fich mit ihm unb 3obanueS bemfelben näherte:
„3<b will Sie 3ßrem fünftigeit ßßef dor«
ftelleit."
Ser frangöfifdje Oberft fam bem ©enerol«
Pommiffär uerbinblich einige Schritte entgegen
unb cröffnete baS ©efpräcß mit ben ©'orten:
„Stach ber ©efebveibung beS ©eneralsMichaub
gu fcßließeii, führen Sie mir in biefem jungen
Manne hier £>erru tum f)irfdbfelb gu."
Ser Lieutenant bejahte, unb Moifeg ftellte
beu frangöfifeben Polonel als Pointe b’&au«
itaigue dor, biefer aber beutete mit einem
©tiefe au, baß er auch bem feitwärts ftebenben
3ohaiiueS dorgefteflt gu werben wiiufche. ©ei
©ennung beS Samens „©atbob" ginf te ber Polo«
nel leicht gufammen, aber auch in ber Seele don
Johannes fdjien etwas dorgugcljem £>irf<bfelb
beobachtete ©eibe unb eS wollte il)u bebiiufen,
baß etwas geinbfeligeS in ber Stimme bcS ©ra«
feit liege, als biefer jeßt au SohanucS bie ffrage
richtete:
„Stammt 3b« Samilie aus bem Plfoß?"
Mf bie bejabenbe Mtmort hin gog fich her
frangöfifdje Offigier febr falt guriief, worauf
Moifeg mit feinen ©egleitern ben ©eg in bie
innere Stabt fortfeßte. 5lu<b ihm war ber üble
Pinbrncf nicht entgangen, ben bie ©orftetlung
beS jungen ©atbob bei bem Polonel berdor»
gebracht. #irfcbfelb ließ baS Mißtrauen beS
©oligeidjefs jeboch nicht auftommeu, inbent et
ihn rafch in ein ©efpräd) berwiefette unb nach
bem ©rafeti frag.
„Pr ift ein großer ©iinftting ©apoleonS," gab
Maifeg etwas nacbbenflich gur Antwort, „allein
mit ©echt, benn einen toflfüljneren unb für ofrauf»
reich begeifterteren Offigier giebt eS faum in ber
9!rmee. Pr bot wie ein Löwe iu ber Schlacht bei
3ena gcliimpft, feine ffameraben neunen ihn
baber auch nur ben „wilden 9taoul." Pr bot
noch einen jüngeren ©ruber, ber gleicbfollS im
Öeere bient, aber ihn bei ©eitern nicht erreicht.
Pr ftammt aus einem uralten ©belSgcfdjlccbte
im Plfaß. ©ielleicht,, baß non bortljcr 91 a o u 1
b’$an itaigue ben ©amen 3b«ö greunbeS
fennt ?"
^jirfcßfelb gücfte bie ©chfeln, Johannes aber
ertoiberte rafcf):
„Unfere ©orfaßren hoben im fechSgebnten
3obrbuubert in Straßburg gelebt, wie benn
überhaupt ber ©ame ©atbob elfäffifcß ift."
Sa man baS ^>auS Moifeg’S erreicht hotte,
trennte man fich. 3fßt erfuhr 4>irfd)felb oon
3obonneS bie dolle ©ahrbeit, nämlich, baß
gmifcbeu ben beiben Familien b’^aunaigue unb
©atbob fchon feit naßegu brei 3ohrhuuberten ein
töbtlicher i>aß beftebe, ber bur$ ein unterfchlage*
neS Seftament herdorgerufen worben fei.
Digitized by v^ooQie
206
Heißt muß Sedjt bleiben.
„3<h ocrmng bir ba? Wifeere nidjt ju ersäufen,"
fcfeioß 3obaune?, „bagegen wirb e? mit ©er«
gnitgen mein ©ater tbun, wenn bu uit? in ©er«
iin ioieber befucfeft." ,,3d) fjiitte jeßt auch jiim
9lubören bev ©efefeidjte Weber bie uötbige 3 e >*
nocß SRuije," geftanb hirftfefelb offen bergig, „benu
id) bin- um SRomberg beforgt, 1111 b flirrftle Woi«
fej’? <&ch(anbeit. 3ebenfa!l? will id) beit brauen
Warnt warnen."
3n ber Sfeat Rettte h’tfdjfetb einfige ÜRach«
forfdjitngen wegen Utomberg au, bocij batten
biefelben nid)t beu gemünfdjten ßrfotg, mtb ob«
wobt hirfcßfelb tagelang burtb bie Straften
Wagbeburg? irrte, ftiefe er Weber auf fRomberg
noch auf beffen 3ocfeter. Schon glaubte er, baß
ber oorficfetige Wann bie Stabt wicber berlaffen
habe, als fuß ibm plößtidj, beim ©iegen um
eine Stroftenede, eine frembe f)attb auf bie
Schulter legte.
ßrftaunt wanbte ficb hirfcßfelb um nnb er«
btidte eineu ältlichen Wann mit langen grauen
paaren nnb einer ©ritte. Sie biirftige ,tf teibung,
fowie ein ©unb mitten, beu ba? ältliche Wänn»
eben unter bem 9(rme trug, ließen hirfcbfelb
baranf fcbliefeeu, baß er e? mit einem ber nieten
Schreiber ju tbun tjnbe, bie in ben jablreidjen
ffliireau? befchäftigt waren. Wedjanifcb langte
nufer greunb in bie Safdje, um bem ftremben
ein 9t(mofeu p oerabreicben, boch biefer fchiittette
ben ifopf nnb fagte: ,,©id)t fo, |)err ßugeti bon
f>irfd)felb." „ha, fRotnberg!" rief hirfchfelb
hocherfreut, bie £>anb be? enblich 9tufgefunbenen
herzlich fchiittetnb. „Sodj fagt, wo habt Sb* fo
lange geftedt?" „St!" ftiefe SRomberg beroor,
„auf ber Strafte borf man foldje Ungelegen«
beiten nicht üerfeonbeln. ffi'ißren Sie mich nach
3ferem Quartier." Safelbft angelangt, brachte
hirfchfelb, nachbem er ben ebvlichen Sanbmaint
mit Johannes näher betanut gemacht, ba? ©e=
fpräd) jimächft auf bie 9lngft, welche er bei feiner
©egegnnug mit fRomberg Por bem Show ber
Stabt auSgeftanben batte.
„^iitet (juch t>or biefein Woifej," rief er fRom«
berg warneub p, „beim er bat ©erbacht gegen
Such nnb fucht Such p umgarnen." „©eife
wobt, Woifej läßt nach mir forfchen, be?ljatb
oerbarg ich mich auch bi« bei einem guten
tf reiiube, bi? ich wir biefe neue ©erfleibung an«
gefchafft. 9lber auch ähnelt mißtraut er."
hirfcfefelb nnb Johannes blidteu ben Sprecher
betroffen au.
„Wein fyreunb b'«>" fuhr fRomberg fort,
„ein grunbebrlicfeer .Wert nnb im fersen gut
beutfcfe, bat, Pon ©otfe getrieben, in bie perbaß«
teu franjöfifdien Sieufte treten mitffen. Snrtfe
feine fd)öne Sdjrift unb Ä^enntnife beS fjranjö«
fifcben bat er ben ©often eine? erften Schrei»
ber? bei Woifej erhalten. Surdj ihn erfuhr
ich’§."
„©erwiinfcfet!" rief hirfchfelb, mit bem ffufse
fiampfenb. „9lber auch gegen mich," fügte ütom«
berg finfter feinp, „bat bie ©olijei ©erbacht ge»
fcfeöpft unb läßt mich überwachen, ohne bafeid)
weife, bon wem. Sa? Schlinimfte aber ift, bafe
mau ahnt, wa? im ©erfe ift, bie fRamen ber
^Parteiführer aber gliidlicher ©eife noch nicht
fennt. 3cb will baber nach ©erlin, um ben
£>errn Wajor Pon Schiß unb feine ©enoffen ju
warnen."
|>ir|<hfelb fchritt in tiefer fRiebergefchlageubeit
burch? 3’nnmer, wäbrenb 3ofeonne? miitblo?
auf einen Stuhl gefunlen war. ßitblich blieb
ber Sieutennnt Por 9toin berg fteßen unb fragte
ihn nach feiner Sochter.
„3ft e?ßuerßrnft, bafe fie fich hier ein Unter«
fommen fuchen fofl ?"
IRomberg fchüttelte ben $opf unb erwiberte
mit einem fdjweren Seufzer: „ß? war bie? nur
eine 9lu?rebe bem neugierigen Woifej gegenüber.
3cb habe fie bie?mal mitgenommen, weil ich mich
nicht Pon ifer p trennen Permochte, ß? ift eine
9lfenimg in mir, al? füllte ich ba? Wäbcheit nicht
mehr oft feben. 9lufeerbem bat fie felbft fobrin»
genb. mich begleiten gu bürfen, bafe ich e? ifer
nicht abjufchtagen permochte. Unb bennocß fann
ich fie nicht weiter mit mir nehmen, benn bie
©efnhren, welche ich bon hi« bi? ©erlin $u be«
ftcben habe, fiub ju grofe unb gu Piele."
,,©o foll ©ertrub hi« in Wagbeburg blei«
ben?" fragte hirfcßfelb tbeitnabmäPoII. „©et
meinem fjfreunbe," erwiberte fRombttg acbfef«
judenb. „ß? bleibt mir feine anbere ©afel."
„ßi ^reuttb," rief £>irfd)felb, bem e? wie ein
Slife über bo? 9lntlife fuhr, „bringt fie hierbei
jnni ©ater Schrober, hier ift fie Pötlig ftchetJRi
aufgehoben." fRomberg brtidte bem ÖWitenant/ *
gerührt bie £>anb unb gab bamit fein ßinuerff^
fiänbnife ju erfentten, bann jog er ein ©latt ©a/^
pier berpor. 9tuf ben fragenben ©lid be? Sieu^r
tenant? fagte er: ,
„ß? ift bie? bie Ülbfdjrift einer geheimen ßa= i
binet?orbre be? ffönig? Pon ©reufecii, in welcher
3?riebrich ©ilbftm offen au3fprid)t, bafe ba? be»
brobte ©aterlanb nur burch bie £>ilfe mib Opfer
bc? beutfdien ©otfcS gerettet werben fönite, unt^
bafe be?batb Unternehmungen, welche fi<h gf«<n
bie franjöfifche ©ewaltberrfchaft richten, Pon ifem
gerne gefcben werben würben."
hocherfreut griff hirfcbfetb nach bem ©apicr.
„Siefe wenigen 3fii fn toerben mir für meine
3wede mehr mißen, at? ber befte ßmpfefelmtg?»
brief, ba bie ©ürger mehr ©ertrauen jn unferm
Unternehmen gewinnen werben, wenn fie er«
fahren, bafe ber Äönig baffelbe gutfeeifet nnb
wiinfcht!" rief er freubig.
911? fech ©ertrub gegen 9lbenb mit ihrem ©ater
einfanb, worb ihr ber gaftlichfte ßmpfang ju
Sfetil- Senitod) blidteba? junge Wäbdjen traurig
Digitized by v^ooQie
üilijflm.
207
bor fuß nieber; ber 91bfdjieb Pont Kater, bie
Sreuniiitg auf unbeftimmte 3 eit, erfüllte ifjre
batigetibe Seele. 9luch fie batte bie biiftere
9fbuung, baß fie be« Kater nicht mieberfeljen
füllte. E§ maren fdjmere 9(iigenblide, al« Kater
uub Pachter boit einauber Kbfchieb nahmen.
„Kfntfj, meine ©ertrub," flüfterte 9tomberg,
all’ leine Äraft jufammennebmenb, „toeube ben
SBIict nach oben, beim ©ott hilft ben Seinen!
3 <h laffe bich hier bei unten Ktenfcheu jnriic!
uub lehre, roeitn e« be« $errn Söiile ift, halb
roieber, tun bich mit mir ja nehmen. Ktutfj,
Kläbdjen, —Kiuth! 9luf KMeberfeljeu!"
„$ort!" fchloß ©ertrub leife, ben Klid jum
£>tmmel richtenb.
5)er Sieutenant mar fRomberg uefolut. 3 >it
bem Korhaufe anuelanut, rannte ihm biefer }it:
„3dj muß fcbleunigft bie Stabt berlaffen, uitb
*roar noch biefe Kocht. 3 ‘h merbe einen Ummeu
über ©arbeleuen nnb Stenbal machen, um bein
{tauptmaitn .Watte 9l(fe« getreulich jn berichten,
ma§ ich hier oernotnmen habe. — Sebett Sie
wohl, €>err Sientenant, nehmen Sie fi<h meines
armen .ftinbe« an uub . . . uub," feßte er mit
bor SBefjmtith ftoclenber Stimme hiujtt, „roenn
ich nicht roieberfehreu füllte, fo Beben Sic ihr
hier bie geringen Erfparitiffe, roelche ich mir im
Saufe ber 3eit juriidgelegt habe, — fie fiitb ber
armen ©ertrub gan*e« Erbffjeil." Somit hält»
bigte er bem oor Schmer* ftuinrn baftehenbeit
fjirfdjfelb ein Keine« Kaddjeu ein. ©ebeuuten
\wiupte#fchritt er ber fjouSthüre ju, maubte fich
bafelbft noch einmal um nnb rief: ,,©ott mit
3hnen, mein ffreunb! — geben Sie mobil —
1 ©rußen Sie mir mein Xtinb, meine ©ertrub!"
Sam» mar er oerfchmunbeit.
* -»-
!8 i I ll c I m.
(Sine ©pifobe au« bem lebten beutf<h=franjößfchen Jlriege.
Kon ®. O«toalb.
\ (M af Sorf beftanb etroa an« einem Sußenb
cv Käufer, ttnb in bem größten berfelbeit laßen
1 mir auf Korpofteit. Äaiim bierfjunbert
Schritt bor un« befaitb fid) fine ftarfe 91bthei«
lunfl 3 r au*ofen in einem bon einem SBaffcr*
graben unb Erbmall umgebenen geräumigen
Schlöffe. Unfere Stellung fpraitg niimlich in
feßarfer Spiße au« ber Korpofteuliuie heran«
unb erforberte be«halb unfere boflfte 9fufinerf=
famfeit, ba mir bei einem plößlidjen 9liigriff
bnreh überlegene Strupßenmod)t leicht überflügelt
merben lotinten. gür biefett ff all hatten mit
Keftßl, un« in ben einige fjunbert Schritte hin«
ter bem Sorfc angelegten Sdjüßeitgrabeit juriid«
jujiehen unb bort Kerftärtung abjumarten.
Sa« boit utt« befeßte ©eljöft, ein anfef)itli(hfr
Kachthof, mar bon einer folibett Steinmauer
umgeben, uub biefe Kleiner hielt un« gleichfant
felbft eingentauert. 9lußer ju bietiftlichen 3medett
burfte feiner beit fftiß au« bem ©eßöft feßeit,
unb mo bie« untimgiiitßliih nothmenbig mar,
mußte e« mit ber größten Korficht gcfcbeheit.
Senn unfere heißblütigen ©egner lugten fcharf
au« uub nahmen e« fdjoit gemaltig übel, memt
fich nur eine Ktiiße au einer ber jat)Ireid)en, in
ber Klauer angebrachten Schießfeharten jeigte,
rächten and) foldjeit Kormiß ftet« burd) einige
herübergefchidte Äugeln, ohne inbeffeit mit ihrem
leichtfiunigen Schießen nuferen Seutett ihre üble
©emohnheit abjugemöhuett.
Kur ein eiujiger unter un§ burfte e§ mögen,
fich gaitj frei unb unbehelligt bon feinblidjeit
Äugeln außerhalb be« ©ehöfte« ju beroegett. S«
mar aber auch ber einzige unter un«, meldjer
fraitgöfifche Uniform trug, obgleich ihm baruuter
ba« §erj gut beittfch fchlug. E« mar KMlljelm,
unfer Saufburfdje, Safelbeder, SOaffentrüger,
für*, toa« mar er nicht, biefer s fkad)ljunge boit
brei*ef)it fahren mit ben rothen Klangen, ben
treuherzigen 9lugen, bem pfiffigen ©efichtlau««
brtid nnb bent fich in allen Sagen ftet« gleich
bleibettbeit ruhigen Sädteln ? 911« mir auf bem
28ege nach bein ÄriegSfdjauplaße Kerliit paffir«
ten, hatte ber Heine Sdjelm, mährenb fich ber
3ug fchon in Kemegung feßte, plößlid) mit faßen«
artiger ©efdjmiubigfeit einen bou nuferen Seu«
ten befeßteu Klagen erflettert, mar bort einem
bärtigen 2 M)rmann in bie 91rme geflogen unb
bon biefem fidjer aufgefangen, auch tVoß ber
nachgefdjidteit Kroteftc be« Kahubeantten ener»
gifch feftgehalten morben.
So mär KMlhelm einer ber Uitfrigen gemor*
ben, hatte alle ©efahreu uub Kefchmerben be«
ffelbjugeö ftanbhaft mit uu§ getbeilt unb mar
in ber ganzen 3 eit ttiemal« berbrofiett unb tniß«
inuthiggefeßenmorben. tfiiribn marba«Ärieg§«
mefen eitel Koefie. Sein elaftifcher uub ftapl«
harter Äörper ließ ihn Entbehrungen, mibrige
Klitterung unb erfdjöpfenbe Klärfdje mit einer
Seid)tigfeit ertragen, um bie ihn mancher KJehr«
mann, ber fdjoit ben britten gielbjug mitmachte,
bcnciben mochte. SKilhelm mar eteit fein ber«
meichlidjte« Klutterföhncheti. 35ie ©efaljr, burdh
ein all*u järtliche« Ktutterfjer,* ber’ärtelt 311 mer«
ben, mar für ihn nicht borhnnben; beim feit
langen fahren machte fein Klutternuge mehr
über ihm, uub ba fein Kater — meint ich mich
recht erinnere, ein Kerliuer $rofd)fenfntfd)er —
burch feine biettfHidje Kefchäftigmtg beit größten
2heil be« Jage« bent ^)aufe fern gehalten mürbe,
fo mar ber 3uttge mehr auf ber Straße nl§ iin
©aufe aufgemadhfett unb hatte fich auf biefe
Digitized by v^ooQie
208
üill)rta.
©Seife ju fernigem unb in feinem ©Iter feltenem
felbftftänbigen ©Sefen eutmidelt. fjrrcilirf) mar I
es. ein große? ©liid ju nennen, boß bei bem
©taugel häuslicher ©rjieljuug in bem roilb auf»
gemacßfcueit .Quabeii ba? £>ei'i nirijt lertoilbert
mar. ©ein, ba? mar e? nicßt! Dieben feiner
bof)en potriotifeßen ©egeifterung befaß ©MKjctm
eine mahrljaft riibrenbe ©utherjigfeit unb Selbft»
lofigteit. ©Senn mir nach langem, anftrengen*
bem ©tarfeße nufer 3icl erreichten unb feber bie
Gelegenheit jmn ©uSruheu midtomnten hieß- I
bann jeigte fich ©Mlßeli» in feiner ganjeii ©röße,
bann fab man ihn, ber feine ©rmiibuug ju feit*
nen ftßien, mie ein ©Siefel behenbe hi» »»b her
laufen unb fich in einer langen Sette Don ©er*
richtungen mißlich ermeifeit, mie ©Saffer holen,
Feuer änjünbeu, hier einem lang ßingeftredten
©k’hnnnnn ben ©toittel überbreiteu, bort einem
bie Stiefeln atiSjieheit. Unb ba? mürbe oft Dan
bumoruoflem ©efeßmäß begleitet unb ging ihm
fo fünf doii ber £>aitb, baß man fich munberte,
ihn an einem beftimmten Orte unb in einer be=
ftimmten Xßätigfeit ju finben, ba man ihn bod)
eben an einem ganj anbereit Orte unb in ganj
anberer Xßotigfeit gefehen hotte, ©tan fonnte
faft mahnen, er fei ein fleiner ©iiom, ber in
imppelter ©effalt helfenb einherfchritt. 3it einer
©ejiehung mar freilich ©Silhelm einem ©noin
ober £)eiujelinünncßen recht unähnlich. ©Säfjrenb
nämlich biefe fleinen, fleißigen ©tarcßcngeftalten
ihre ©Snnbertljätigfeit nur bei Dtachtjeit obliegen,
mar ©Mlßelm bes ©acht? ein abfoluter ©idjtS*
naß. Xcnit fobalö bie Sonne untergegangen
mar, lehrte muh bei ihm ber Sanbinann ein,
unb hatte ihn einmal ber fünfte ©rm be? Sdjlaf*
gölte? umfangen, bann mar e§ ein Sauftftiief,
ihn mieber ju ermuntern, fehr erflärlich, ba als*
bann bie erießöpfte ©atnr be? noch im ©Sad)?*
thum Stehenben ba? ihr in regftcr XageSarbeit
beftrittene Stecht um fo entfhiebener geltenb
machte. Xaß aber bie ©acßtnibe be? guten 3fun=
gen eine möglicßft fanfte unb uugeftörte fei, ba*
für forgteu biejenigen, melcß: am Stage feine
unermüblichen Xienfte roiflig hinnahmeu. ©lehr
al? einmal höbe ich gefehen, mie bie ©3etjrleute
bem auf hortein ©oben erfdjöpft ©ingefcßlofeneit
ein Stroßloger unterbreiteten ober feine uadten
Füße unb feinen unter einer fnbenfcfjeinigen
3ade fröftelnben Sörper mit ihren ©tänteln be-
becflen. ©her auch in anberer ©Seife mürbe für
nuferen fleinen fjreimifligeu treulich geforgt.
Dtamentlich flott eS, bie gar nicht felbmäßige
©liSrüftung be-3 armen ©urfcßeit — er hotte fich
in ber Stljot barfuß unb mit einer biinnen, fabeu*
fcheinigeu fjaefe befleißet, un3 angefchloffen —
in etma? aufjubeffern. Xetnjufolge Derfahen mir
ihn, fobalb e3 anging, mit Schuhen unb Striim*
pfeu, unb nachbem mir in Sanrgemiinb eine
große ©taffe fraiijöfifcßen ©tmeebebarf? erbeutet
hotten, mählten mir barau3 für itnferen San?«
I ciilotten einen neuen fraujöfifchen ©eubarmeric*
fraef nebft eutfprechenbeu ©eiuKeibern unbSopf.
bcbeditug. So fam c3, baß ©Silhelm in fran»
jöfifdjer Uniform eiußerftoljirte. Xaß übrigen?
tem Keinen Snirps bie für einen auSgemacßfei.en
©tcnfdjen berechnete Umhüllung in baufeßigen
galten um ben 2eib fdjlotterte unb bie langem
Fradfcßöße mie bie Schleppe einer Xu me auf bem
©oben fchleiften, tbat ber ftoljeit Freute, mit
| meldicr ber alfo ©cgliidte auf feine neue ©u?=
ftaffirung blidte, feinen ©intrag.
©Sir hatten ©nfongS ©erfuihe gemacht, ben
fleinen ©agabunbeu mieber in bie ^»eiuiatf) ju*
riid ju birigiren. SJÖir miefen ihn barauf hin,
bafi ber ßrieg lein ßinberfpiel fei, baß ein ftiitb
in bie Sdptle unb in ba? £>au? gehöre, unb baß
er feinem ©ater burch feinen ©Seggang fchmere
Sorge bereiten mürbe, aber mir prebigten tau*
ben Ohren. ©r hotte barauf immer mir bie be*
ftimmte ©ntgegnung: „Xct ©aterlanb jeßt bor
©nterii, uu icf mill nich Dor nifd)t ©Sillem getooft
finb." Xer ©ebanfe an eine in Sorgen jiiriid*
gelaffene ©iutter mürbe.— ba? läßt fich nuitel)*
men — ben gutherjigeit 3»»fien mol)! halb auch
ohne nufer 3»th»» nach |mufe jinüdgetrieben
hoben, ©ber um ihn forgte fich fein jnrtlicße?
©tutterherj, unb ber ©ater, bem er auf nufere
©eranlaffuiig mittels ©oflfnrten Dtachricpt über
fein ©crbleibcn geben mußte, reflamirte ißn
nicht. ©IS ©elchruitgen nichts fruchteten, unb
©Silhelm ber Xrchung, ihn jmangcmeflb jurüd*
jufd)iden, nur bie ©Klärung entgegenfeßte, bann
merbe er es bei einem anbereit 2ruppentbeil Der*
fliehen, ließen mir ihn gemähren in ber ©oranS*
feßung, baß ber erfte lange©tarfch ober ba£ erfte
©iroat feine ©egeifteruug erheblich abfiihlen
mürben. ©Sir hotten uns getiiufdjt, unb noch
bem erften langen ©tarfch unb bem erften ©iroaf
hatte ber Einige fd;oit fo innige ßamernbfchaft
mit ben ©Sehrleuten gefd)loffen, baß auch biefe
fid) nur fchmer mieber Don ihm getrennt haben
mürben. So mürbe beim gegen fein ©erbleiben
bei ber 2nippe fein ©infpruöh »lehr erhoben.
©ielleicht mar eS ber fRefpeft Dor bet lanbS*
mämtifchen Uniform, Dielleicht auch baS ©titleib
mit ber nugenfebeinließen ^ugenb be§ Derfappten
©reußen, maS bie fffranjofeu Deranlafjte, biefem
baS auSfchlieftliche ©riDilegiuin eiitjuräumen,
fich bor ihren ©ugeit unb Dor ber ©tiinbuiig
ihrer Öemehre ganj frei ju beloegen. ©nfnngS
bangten mir für bie Sicherheit beS Keinen Söage*
hälfe? unb Dermohnten ihn ju größerer ©orfid)t,
aber ba? mar in ben ©5inb gerebet. Xer 3unge
fonnte einmal feine furcht, unb feine Itner*
fchrodenheit hotte feßon mieberßolt bie Feuerprobe
beftanben.
Uebrigen? mußten mir auch ben Fritjofen ju
ißrent 2obe naeßfagen, baß fie fuß bie möglichfte
Digitized by
Google
ÜKiljtlm.
209
Schonung ihrer Sanbdfeiite gar tßflidht gemocht
batt.'ii. Btenigfteud glaubten wir bie Beob«
achtuug gemailt gu haben, baß fie ed auf» ängft»
liibfte beruiieben. bei ihrem häufigen auf und
gerüsteten freuet bie freufter ber gegenüber»
iiegeub.'u Dorf Säufer gu treffen. Die leßteren
waren nämlich noch gum flehten Dbfile — bie
weiften Dorfbewohner Sutten längft ben un«
heimlichen Boben uerfaffett — tittb gwar aus«
fcplieftlicb von gang alten Renten bewohnt, welche
entweber burch bas Dllter uitb bie gehäufte 9totb
in oöüige Stumpfheit berfuufen waren, ober
bereu £ilflofigfeit unb ©ebrechlichfeit fo groß
war, baft fie bad Berbleibeu in ihrem, wenn«
gleich Don ©efabr für Seih unb Sehen bebvohteit
•Daheim boch noch ber DluStoaitberung ins Unge»
wijfe hinein borgogeit. Dtber bad fotlte nun anberd
werben. D>enn foebett war ber 'Befehl eingetrof«
feit, bad Dorf bon feinen testen Bewohnern uu»
grfäuint gu räumen. Diefe Waftregel erwied fich
mit SKiicffivtt auf bie Sicherheit ber Seute felbft
old uothmeubig. nochbem für ben frall, baft wir
linieren Dorgefcbobenen ©offen jti berlaffeit ge«
gwungen fein tollten, Dlitorbitung getroffen war,
bad Dorf fofort in ©raub gu fchiefeen, um bie
frraitgofeu gu Derhinbern, fich barin feftguniften.
3u biefem 3>oede war hinter bem Dorfe eine
fraitalftange aufgerichtet. Soberte ’aon biefer bad
frlainmengeichen auf, fo hatte bie bor bem näch»
fteit riicfmärtd nuferer ©teüung gelegenen Dorfe
aufgefteltte fchwere Batterie fofort ihr oerheeren«
bed freubr auf unfer Dorf gu richten. Ueber
biefem hing alfo bereitd bad Damofledfchwert.
infolge bed genannten Befehled, welcher fo»
fort bon £>atid gu £>aud befauut gemacht worben
war, entmirfelte fiih nun aldbaib bor nuferen
Singen eine ©reite bed ^nmmerd, welihe, moch«
teil wir auch ähnliched gewohnt fein, uitfere
innigfte Dh*ih'ahwe erregte, ©in halbed Dußenb
Warntet unb frrgueu, bom Filter gebrochen unb
bon 9fngft unb Kummer oergehrt, fammelten
fiih. einige leife flagenb, anbere in buinpfer 9fe«
fignatioii auf ber Dorfftrafte. @ie, bie nid)tS
mehr in biefer SBelt gu hoffen hatten, bie Diel»
leicht nur noch nach einem ftilleu ©hiheben gum
©terheit berlnngten, fotlten — fo forberte ed bad
eiferne ©efeß bed ffrieged — ihren miiben Seih
weiter fchleppeit in eine uitgewiffe, harte unb
imwirthliche frrembe! 2öad mochten fie empfiit«
ben. ald fie jeßt ihrem in ber Bitternift bed
Scheibend hoppelt geliebten Daheim, wetched bad
harthergige Ungeheuer bed ff rieged erbarmtnigd«
lod gu oerfchüngen ftch anfebidte, einen leßten,
gögernben DIbfchiebdgrnft guwarfeit!
Unb nun manfte bad fiänflein mit feiner
biirftigen £>abe, welche einige in einem Biiubel
auf bem Süden trugen, anbere auf einem ffar«
reu bor fich herfnhren. bem 9ln3gange bed Dor.
fed gu. Sflmählich loderte fich bet 3«fl; bfnn
bie Saft bed geretteten ©uted erwied ficdO für bie
gefcbwäcSteu ff reifte einiger faft gu groß. (Silier
aber blieb gang guriid, ein hoetjhetagter ©veid;
feine ftnifte fchieneu fchon jeßt gu beringen. 6r
fejjte fich auf ben Staub- be» ffarrend, welcher
feine geringfügige #abc barg, unb hielt ber«
gweifelub bie ^änbe oord©efid)t. So biel rüflige
ff ruft, fo biel theiluehmeiite ^ergeu waren beut
Unglüdlidjen nahe, aber uon und bnrfte feiner
Stäcijftenpflicht an ihm üben. Unb bod) warb
iSm £>ilfe! ©iuBaar fräftige, jugenbliche&änbe
erfaßten bie weifen £)änbe bed ©reifes unb rieh«
teteu ben ©ebtocSenen empor, hohen bann hurtig
ben ffarren auf uub fchoben ihn riiftig weiter,
währenb ber ©reid mit einem bantbaren Blid
auf feinen Reifer in ber 9fotfj, ber fein anberer
ald unfer brnoer BMIhelm war, ltiiibinm nach«
hiufte. Balb entgog bie BMnbttng ber Saitb«
ftrafte bie bon £>aud unb 4»of Bertriebeuen un«
jeren Bliden.
Dad war am {Radjmittage gefchehen, unb jeßt
lagerten fchon bie ©chatten bed91 benbd über bem
beröbeteu Dorfe. Da grg ed auf berfelbeit ©trafte,
welche bor wenigen ©luuben ber mübe früh ber
fteimatblofcn berührt hatte, wie eine Sßolfe auf
Bergedhängen, buufel, geräufcftlod, langfam
näher. ©d war ein Sruppenfommanbo and bem'
nächften guriidliegenbeu Dorfe. Balb barauf
riidtc ed borfichtig in unfer ©ehöft ein. Wit ihm
mar auch BMlhclm guriidgefehrt, nachbem er
jenen alten Wann bid in eine ber lüichften Crt«
fchaften, wo berfelbe ein Uitlerfommen fanb, be«
gleitet hatte. Dad ffomntanbo hatte bie 9luf=
gäbe, alle in bem berlaffenen Dorfe etwa noch
borfinblichcn Borräthe an &eti, ©troh u. bgl.
oufgufammetn unb fortgufchoffen. Die Warnt«
fchaften Würben bemgufolge bon ihrem friihrer,
einem Sieutenant, gu genauer Durchfudmng ber
©cSöftc bertheilt unb begaben fich »tun aii ihr
©efeftäft, bei beffeit Beforguug ihnen bie größte
©tille gur ©flieh» gemacht war. $cb hatte mich
bem Sieutenant bei feinem Umgänge burch bad
Dorf angefcbloffen, unb nachbem wir balb bi«,
balb bort in ein ©eljöft eingetreten waren, fton«
ben wir jeßt bor einem nicht unanfehnlichett
gweiftödigen £>aufe, unb ich bemerfte, baß in
einem {Raume bed Oberftoded ein mattes Sicht
brannte. Dad lieft ben ©d)fuß gu, baft fich bort
fourngirenbe Seilte befetnben, welche eine ber
mitgebrachten Satcrnen aiigeftedt haben mochten.
Witbin betraten wir bad £>auS, arbeiteten und
im Dunfein eine gebredjlidje Dreppe empor, fan»
ben bie Stbür unb betraten ein matt erleuchtetes,
geräumiges ßimnier, welches burch bie Ueber«
fülle bed barin angehäuften Wobiliard uub in
wüfter Unorbnuug nmhergeftreiiten ftnuSge»
räthed bad Dinge beleibigte. 9luf ber Diele mar
faum noch ein freies ©laßcben gu erfpäheu: alles
war boflgepropft bon Wöbeln, giften, Schachteln,
Digitized by v^ooQie
210
Hiidjeugerätben, Oedeu Oiid)ern, Sefen, fnrj,
was fid) fonft i» einem georbneten £)iiuSWc|en
auf Dcvtdiiebcne Säume smedentiprehenb äev=
tfjeilt, »mir f)ier sufammeugebüuft. Sber war
baS ein ntenfhlicbes SLliefen ober ein fteiuerneS
©ilo, maS bovt brühen au ber entgegeugefeßten
©faub mit tiefbuvdjfurdjtem @elid)i 'unb ftieven
Sagen regungslos auf einer buntbemalten 2abe
faß ?
„ffrau," rief id), als ich mich bon meiner
Ueberrafdjmig erholt batte, „maS foll boS beißen?
3ft ber ©efebl, auc\eitblictlicO baS Oorf
31 t berlaffeu, nicht 3 ugegangeu ?"
,,©faS flimmert mich 3b r ©efcf)l ?" flaug eS
jeßt bon ber 2abe ber mit tiefer, bartet Stimme,
toie bon ©läuueriminb. „ 3 h bin hier auf
meinem ©igeneu unb ftef>e auf meinem nuten
Secbte."
„Sber haben Sie benn niept berftanben, baß
biefem Oorfe ber Untergang brobt ? ©Jollen Sie
fi<b unter feinen Krümmern begraben taffen ?"
„©feint micb’S gelüftet, roerben Sie mich toobl
nid)t baran binöern. Sie haben jiinflereä ©lut
ohne ©rbarmen bernoffen, maS flimmert Sie ber
Stob einer alten, abnelebteu ffrau?"
„Ol)örid)te3 ©efhwäß! ©Mr fcblaneit nur
©hinben, fomeit es baS barte ©ebot beS ihicgeS
forbert, aber mir fdjonen, mo mir föitnen. Öer
©efebl, baß biefer Ort nerättmt merbe, entfbrinnt
Iebiglid) ber humanen Südfiipt auf beffeu fricb«
lidbe Semobner, genen melcbe mir feinen ihnen
führen."
„Unb baS nennen Sie human, eine alte ffrau
ans if)rem £>aufe p treiben, in bem fie geboren
morbett ift, unb in meinem fie fi<b 311 fterbeu
febnt?"
„ 3 h febe, «ie moflen feine ©ernunft anneb«
men; man mirb Sie 311 Ubiern eigenen ©eften
mit ©emalt bon hier entfernen muffen."
„©erfueben Sie’S," rief hier bie fonberbare
3 ?rau mit einer an ©fabnfinn greujenbeit ©)utb.
„©ferfett Sic mich mie einen 0unb au§ meinem
C>atifc; i<b fomme mieber. Sie miiffen mich erft
tobtfcblageu, um midi loS 311 merben!"
3 fd> fdb bie ffrucbtlofigfeit weiterer ©erpanb«
hinnen mit biefer balbwabnfinnigen eilten ein,
batte auch feine 3«it baju übrig. Sie in fiitftc«
rer Saht getualtfam fortfiibreti ju laffen, märe
311 hart gemefen. ©lochte fie alfo borläufig bis
morgen bleiben. So lehrten mir bem #ctufe ben
Süden.
Oie Sequifition mar iupnfcbcn beenbigt; fie
mar, mie 31 t erwarten ftaub, faft fruchtlos atiS=
gefallen. ©SoS an ©orrätben gefunben roorben,
mar nicht beS SufiiebntenS mertb. So hatte
benn baS ßommaitbo auf feinem Siidmarfcbe
nichts 311 tragen außer feinen ©taffen unb einem
©errounbeten. Oenit ich muff noch ermähnen,
baß bie tfraityofeit, melche troß aller bieffeits be«
obadjteten ©orfiept bo<h eine ungeroöbnlicbe Se«
megitng bei uns mabrgeuouimeu buben mochten,
plößlid) ein heftiges feiler auf nufere Stellung
eröffneten, bem leibet ein ©tauu 311 m Opfer fiel.
©tma eine halbe Stunbe niodjte feit bem Sb«
3 iige beS SfommanboS Perfloffen fein, als ©Ml«
beim bie ©fahtftube betrat unb fid) mit halb
oerlegcner, halb Perbroffener ©liene bor mich
biupftanjtc.
„Sun, ©Jilbelm,'' faate ich, „bu fchläfft noch
nicht ? 2SaS ift mit bir ? Ou fiebft ja aus, als
ob bir bie ©eterfilie Perbagelt wäre. ^eranS mit
ber Sprache: SöaS ift loS?"
„Sifcbt iS loS," erwiberte er, „et iS man bloS
Souis ba."
„1'onis?" rief ich erftaunt. „©Me fomntt beim-
ber in fpäter Sbcnbftunbe hierher auf itnferen
gefährlichen ©offen?"
„3a, id perftebe et och uidj," entgegnete ©Ml«
beim. „Oer 3riufhnabel bähe od) lieber bei
©futtern bleiben unb©lild)fiippe päppeln follen.
@r will partout iuS Oorf rin, unb ba bat ihm
ber ©offen falt gefteflt."
Ohne weitere ©rflärungen absuwarten, ließ
ich 2ouiS ins ©fnd)t 3 immer füren.
2ouiS mar ein bübfeher, fhlanfqewodjfeitcr
Jfitabe, sartcr als ©Mlhelm, aber etwas größer
unb ihm elma gleicboltcrig. ©r flammte auS
bem etwa eine ©iertetftuube 3 uriidliegeubeit
Oorfe, mo mir fürs 3 iibor im Ouartier gemefen
waren, ©r mar uns mithin fein ftrember; mir
batten ben aufgemedten, 3 iitraulid;eii ©urfdjen
alle gern; nur SBilbelm mar ihm feinb. 3 h
batte bie beiben jugeublicheu gelben eines SageS
befhäftigt gefunben, ben sroifeben ihren beiber«
feitigen Sationen entbrannten ffrieg cmi minia¬
ture barsufteden, unb bie ficb miitbcnb in ben
paaren fiiegenben nur mit ©liibe 311 trennen
permodjt. ©in politifher Streit füllte nah 3®il*
belmS Eingabe 311 m Sbbruh ber bis babin swifhen
ihnen beftanbenen freunbfhaftlihen ©esiebungen
geführt haben. 3Bic fih übrigens bie beiben
ij>eißfporne, P 011 benen ber eine lein ©fort bcutfh
fonnte, mäbrenb ber anbere nur über ein paar
ftarf ins ©erliuifhe übertragene fransöfifhe
Spradjbrodcu perfügte, überhaupt 311 perftänbi»
gen bermohteu, ift mir bunfel geblieben, ©iel«
icid)t batte ihr Streit gerabe bcSbalb, weil fie
fih nicht oerftänbigen fonnten, einen fo bißiflfit
©barafter angenommen.
„OaS ift ja ein unöerboffteS ©ficberfeben,
SouiS," rebete id) ben mit ucrlcgener, boh eine
gemiffe ©ntfhfoffenbeit uerratbenber ©iieue por
mir Ste,beitben an. ,,©faS roillft bu hier auf fo
gefährlichem ©oben unb 311 einer Stunbe, Wo
anbere beineS SlterS fdjon fhlafeit ?"
„©leine ©rofeniutter holen, bie hier allein im
Oorfe 3 iiriidgeblieben ift." erwiberte ber ffnabe
mit feftem Oone unb treuherzigem Slid.
Digitized by v^ooQie
„Deine ©roftmutter ?" fragte id) erftaimt.
ft baS bie alte Dame, welche bort btiiben in
bem Ctaufe mit ben jroei Sinben bor ber Dpüre
wohnt ?"
„Das ift fie."
„9lber ba Wirft bu Wohl «mfonft gefommen
fein; fie hat mir eben felbft erflärt, baß fie gar
nicht baran benft, üon hier fortsugeljcn."
„9lber fie muftl"
„£>a, ha, ha! ©ehe mir einer einen Keinen
ÄnirpS mit einer graften (Seele! 9lber fage ein»
mal: Sieft bidj beine Shctter fo leichten ^erjen§
311 fo gefährlichem Unternehmen auljiehen ? Du
weijjt boch, baft es hier alle nafenlang blaue
Söhnen regnet ?"
„Weine Wutter weift nichts baboit!"
„Ei ber taufenb, baS nenne ich aber feljr un=
überlegt. Dacpteft bu nicht an bie 9lngft, bie fie
um bi$ haben wirb?"
„Die fffreiibe, wenn ich mit ber ©roftmutter
heimfehre, wirb mit fo gröfter fein."
„2Bie glatt bn baS hiiifpricpft, als ob bu fcpon
gewonnen hätteft. |mft bu auch ein 9fecept mit»
gebracht, ben Eigenfinn ber alten 'Jame 311
brechen ? Sun lieb füll mir’S fein, wenn eS bir
gelingt, fie mit guter Wiene bon hier fortjubriu»
gen. SBJir wollen gleich einmal ber Unholben
einen Sefucp macheii."
Damit machten wir beibe uns auf ben 2Beg.
SSJährcnb wir borficptig bie Dorfftrafte bahin«
fchritteu, erzählte mir SouiS, baft feine ©roft«
mutter eine böcpft wunberliche ffrau fei, was id)
bereits muftte, baft fie feineSmegS in ärmlichen
Serhältni||en lebte — baS hatte mir auch Won
eingelenchtet — imb baft fie feit fahren mit fei»
lter Familie jerf ollen fei, weshalb er fie auch nie
im £)aufe feiner Eltern gefehen habe. Er felbft
fei freilich mit feiner Wutter bisweilen jum Se=
fach 311 ihr hiniibergegangen, fie hätten aber ftetS
einen etwas fühlen Empfang bei ihr gefitnben.
Den ©riiub biefeS SerhaltenS glaubte ber $ nabe
batin 311 finben, baft bie alte ff rau eine itnüber»
wiubliche Sbneiguttg gegen feinen Sater hege.
3 it 3 Wifihen hatten wir baS fiauS erreicht. ^cp
iiberseugte mich, baft oben im 2 Bobn 3 intmer norf)
Sicht brannte. Die £>auStljür ftaub offen. © 0 =
halb wir jebodj bie finftere Dreppe hinauf,iiifteigeu
begannen, hörte ich 0011 oben her baS ©eräüfch
eines im ©chloft herumgebrehten ©chlüffels. Die
9llte hatte 1111 S bie Df)ür bor ber Safe suge»
fchloffen, beeilte fich auch gar nicht, biefelbe auf
meine wieberholte Sufforberung 311 öffnen. Erft
als fie bie ©timme CouiS’ hörte, welcher erflärte,
er fei gefoinnien, ihr eine Sotfchaft bon feiner
Siutter 311 bringen, näherte fich bie 9llte 3 ögernb
ber Digit 1111 b begann fchweigenb an bem ©cplüffel
311 brehen. 9(ber jeftt ereignete fnh baS ©onber»
bare, baft baS ©chloft ben Dienft berfagte. 3dj
war fehr geneigt, bie SBiberfpenftigfeit beS left»
teren mit ber Söibbfpenjtigfeit ber Sewoljnerin
in Serbinbung 311 bringen, unb gab bcShalb
meinem Unwillen gegen biefe lauten, euergifdjen
SuSbrud. ©ie bulbete meine Sorwiirfe ohne
©egenrebe unb fuhr fort, fich mit bem ©cplofje
absumühen, welches benn auch enblidj, imd)bem
meine Ungebitlb ben böchften ©ipfel erreicht hatte,
feine ©chulbigfeit tpeit.
„Söcirum berbarrifabiren ©ie fich benn?" re»
bete ich bie 9llte beim Eintreten an, noch unter
ber SBirfung beS unangenehmen EinbrudeS, ben
baS lauge Sparten -im ^inftern auf mich gemocht
hotte.
„ 2 Beil ich feine ungebetenen ©äfte miinfche,"
lautete bie miirrifdje Entgegnung.
„ 3 u folgen rechnen ©ie natürlich mich," fuhr
ich lädielnb fort, „aber ficher boch nicht meinen
Keinen ^Begleiter."
„Sun, ben gerabe nicht."
„Daun hätten ©ie aber fdjnefter öffnen füllen."
„2BaS fann ich bofür, baS baS ©epoft fo fehlest
funftionirt?"
„3ft bieS ber ffafl, fo füllten ©ie überhaupt
3 l)r 3 >mmer unoerfchloffen laffen. ©laubeit
©ie, baft 3hnen hier jemanb bon 3hreu Sieben»
fadjeit etwas fortholen wirb ? SJcitii uns aber
bie DienftpfMcpt swingt, in biefeS Zimmer ein«
3 ubriugeu, fo wirb auch 3hre bcrfcfjloffene Dpür
uns ben 2 . 1 ? eg nicht beilegen!"
„ 3 <h thue, was mir beliebt," fproeft bie Wa=
tronc, inbem fie mir einen ©lief töbtficpen £>offcS
Siiwarf 1111 b fidh bann au Sljren Enfel wanbte.
Sfeiue Wiene berrietp fyretibe über baS SBieber»
fehen mit biefem — feine freunblidje Segriiftung
hatte fie goii 3 überhört — unb aus bem Done,
in weldjem fie 311 ihm fpradj, Kong nur ein ©e*
mifch uoit Serwunberung mtb Unwillen.
„Du hätteft and) am Doge fomnteii fönnen.
ES ift unberaiitwortlich bon beiuer Wutter, biep
fo fpät noch aus bem fiaufe 311 fchiden. Unb was
helft bn mir beim fo SMcptigeS 311 lagen ?"
„ES ift ihr fo bange um biep, weil bu nicht
mit ben anberen fainefi, bie heute bon hier fort«
gesogen finb."
„Sange! @0 toll wirb’S wohl mit ber San«
gigfeit niept gewefen fein, ©ie hat ja beinen
Sater; ber wirb fie febon tröfteu."
„ffieiftt bu benn nicht, baft Sater nicht mehr
bei uns ift? Er ift eines WorgenS noch Weft
hineingegangen, unb am 9(benb ift er nicht wie«
ber gefommen, weil an biefem Doge gerabe bie
Sreuften hier einrüeften nub einen Siegel bor»
fchoben unb feinen mehr h«anS nub hinein lie«
ften. Unb wir wiffen gar nicht, wie’S ihm geht
unb ob er noch lebt. Das ift es ja eben, was bie
Wutter fo trübe unb franf macht, nnb barnm
fehnt fie fi<h fo nach bir. Sie möchte boch jemanb
haben, mit bem fie fich anSiprecpen fann. Unb
eS ift ipr ein fo fcpredlicper ©ebanfe, baft bu hi«
Digitized by v^ooQie
212
iBityrlm.
fo «dein jitrücfgebliebett bift. Sie fprecßeit ja,
baS Sorf foll eingefcßoffett merbnt. Sa fannft
bu bocß gar liiert länger hier bleibeit. SDon icß
bierbergegangen bin, meiß bie 9Jlutter gar nießt.
?£ 6 er icß tonnte ihre 9lugft nießt länger aufebeit,
unb nun bin icß hier, bieß ^eintau^olcn."
„Plicß beim holen!" fugte bie Ptatroue mit
einem ©emifcß Don Spott unb Ptitleiben. „Unb
beSßalb ßift bu fo meit gelaufen bei nacßtfißla»
fenber 3 «U unb jmifeßen bie feinblicßeu Pajo*
nette hinein? Su bift ein guter 3 unge uttb
tfjuft mir leib. 9lber beitte Plüße mar umfonft;
ich bleibe hier."
„9lber bu roidft bocß nießt abroarteu, bis bie
Preußen ihre fjeuergefcßoffe auf bein £>auS
fchleubern?"
„ 2 Barum nicht? Sie Preußen hoben unfere
£eere gefchlagen; hier fteßt eine alte ffrau, bic
ihnen Stoß bietet. 3<ß laffe mich nicht ajuS
meinem 6 igeittf)um pertreiben. 3 <ß höbe fejnc
fyreube am Safeiu mehr; bie Schrecfeit beS
Krieges hoben ben testen 9teft baboit in mir
aufgejefjrt. 3<ß frage nichts nach bent Stöbe; ich
bleibe hier."
„Sann bleibe ich oueß hier!" fugte ber Knabe
in eutfchloffenem Sone.
„Su?" fagte bie 2llte permunbert, unb ihre
harten 3üge nahmen einen milberen SliiSbruef
an. „SaS geht nicht! Pintin Pevnunft an,
SoniS! Su bift ju jung junt Kanonenfutter;
geh’ heim ju beiner Platter!"
„fftießt ohne bieß!"
„ 3 iß höbe einen 6 ib gefcßmoten, euer £nuS
nicht ju betreten, fo lange bein Pater bariit ift."
„3cß meiß nicht, rnaS bit gegen meinen guten
Pater hoft; aber menn’S bloß baS ift, fo ßoft bu
ja gehört, baß er nießt ju ^>aufe ift."
Sie Sitte lachte unb fagte, inbem fte ben hüb»
feßen Knaben mit einem faft an 3örtlicßfeit
grenjenben ©lief attfah: „Suitge, bu töunteft
einen faft beftßmäßen." Sann foonbte fie fieß
au mieß mit ben PJorten: „Peßmeii Sie ben
Knaben mit."
„Picßt gegen feinen Sßiden! @r mirb bon
felbft geßett, menn Sie geßen!" entgegnete icß.
„3ft es beim maßr, baß baS Sorf in Pranb
gefcßojfen roerben foll ?"
„3eben Slugenblicf tarnt bie Potbmenbigfeit
baju eintreten!"
Sie Sitte roarf tnir einen SSIicf ju, als ob fie
mich für btefe Parbctrei adeitt oerantroortlicb
machen mode, falj bann eine SBeile bebentlicß
unb beforgnißood auf ißrett (Sittel unb ließ fich
juleßt alfb oernehmen:
,,©ut, i<h mid gehen. 316er icß bin heute ju
matt unb gebrochen unb itt ber Pacßt fortjnge*
ljen, mürbe ntieß tobten. 2 Bir rnoden bis ntor»
gen früh märten. Su fannft bir’S hier für bie
Pacßt bequem machen, piaß ift ja genug in
biefem 3immer. Slber mer feßafft mir bieS hier
fort?"
Sautit jeigte fte auf baS müfte Surcßeiuaitber
Don Mobiliar unb ©erätß, mit meinem baS
ganje 3 immer angefüllt mar. 3 <ß mußte Uicßeln.
Sie Platrone, rneldße ttaeß ißrer (Srtläruug ben
lob oevaeßtete unb feine fyreube aut Safein
hatte, oerrietb plößließ ein fefjr lebhaftes 3 nte=
reffe für ihr altes ©eriimpel, melißeS fie moßl
beShalb hi« jtifammengebäuft hotte, unt ißr
Puge baratt ju meiben unb eS fidßever iiberroa*
eßeu ju fönnen. Piedeicßt enthielt auch jette
buntbemalte, feft oerfcßloffette Silbe noch mau»
cßeS Pkrthbolle.
3cß maißte ber Stilen begreiflich, baß icß ißr
leiber feine Sienftleute jtir Perfügung ftedeu
tönne, rieth ißr, baS mirflicße SBcrtßDolle unb
leicßt transportable in einem SÖünbel jufant»
meujitpaefeu, um es ben Schultern ißreS ritfti*
gen ©enoffen aufjuluben, unb fiigle 311 ihrem
trofte bie ©rmartung ßinju, baß und) Peenbi*
gütig beS Krieges für bie ben frieblicßen Piir*
gern jugefügten SSerlnfte bon ben Siegern @r*
faß geleiftet merben mürbe. £>iemit Perließ icß,
naeßbem icß beut milderen SouiS bie £>anb ge*
fcßüttelt unb ißm eiitgefeßärft hatte, auf mög»
ließft frühen Pufbrucß am ttäcßfteit borgen be*
baeßt 31 t fein, baS 3immer, beffeu Stßür fofort
hinter mir feft perfcßloffen mürbe.
3n ber folgenbett Pacßt glaubten mir in bettt
feinblicßen Säger eine ungemöhnlicße Sltifregutig
mahrjuneßnten. Scßott bie laute KriegSmufif,
mit melcßer bie tfranjofeit bie ßcveinbrecßeiibe
Pacßt ju begrüßen pflegten, Hang uns heute
uoeß milber unb pbantaftifeßer als gemöbttließ.
Saju fliegen häufige ätafeten brühen auf; mir
berftanbeu ihre aeßeimnißpode tflammenfchrift
uiißt, aber mir lafett aus ißr fooiel heraus, baß
fifß uns gegenüber etrooS Porbeveitete. 9lncß
fließen unfere Patrouillen mieberßolt auf feittb*
liiße Patrouillen unb fattbett biefe auffadenb
ßißig unb unteriteßmenb. Solcße 91njei<ßen er?
feßieneu uns mie Santpfroolfen, bie einem 93ul*
fatt entfteigen, fießere Porboteu eines balbigeit
ShiSbrudjeS. Socß nerging bie DJacßt oßne Stö*
riing.
91m näißfteit Plorgen bebeefte ein bießter,
feßmeret Siebe! bie fflur, melcßer fieß gegen bie
heftigen Singriffe ber flar am $imme( fteßenben
Sonne einige 3fit ftanbhaft behauptete. Slber
ißre Strahlen trafen ißn gleich fißneibigen
Söoffett bodß ju heftig. @r bäumte fieß moßl
broßettb gegen bicfelhe auf, aber bann fviiinmte
er fieß mie ein Sffiurm unb oerfantt uerjroeifelnb
in bent Poben, bem er entftiegen mar, tuäßretib
bie ^immelSfönigitt baS eroberte ffelb trium*
pßierenb mit ißretn roftgeit Sicßte erfiidte.
Slber ber geräufcßlofe Kampf jmifeßen Sonne
unb 9lebel fodte nur baS Porfpiel eines attberen
Digitized by VcaOO^ie
gHlprlm.
213
ÄampfeS gewefen fein, melier ftd^ jept, freilich
weniger gerdufcploS, abfpielte. 9Jiit lautem,
roieberpoltem Hurraruf begannen bie fjrrangofen
in bicpteu aepareu, meldet ber 'Jtebel bisper uu»
fetem ©liefe uerpüllt patte, gegen uufere Stel»
Iminen oorjuftiirinen. 2rür uns war baS feine
Ueberrafcpung; gu iprein Gmpfange mar bie»*
feitS alles oorbereitet. 2öir ließen fie rupig
palbioegS peiaitfommen unb fanbteu ipucn bann
eine fo woplgegielte aaloe entbleit, baß fie in
iprem Anläufe plöplidp innepielteu uitb fiep in
einen ©raben warfen, um nns boit bovt aus liiit
einem &agel boit Äugeln gu überfepiitten, ber
uns jeboep in unferer rooplgebedien Stellung
fafl gar feinen Scpaben gnfilgte.
©liidlicper war ipr Singriff auf uufere linfe
Sfebeufelbwaepe gemefeu. Diefe, in einem fleinen,
itngeuügeub gefieperteu ©epölge gelegen, fap fiip
naep turger, tapferer ©egeitbwepr gegen weit
überlegene Druppeninaffeit ginn '«Riidguge genö*
tpigt, unb nun begann für uns bie ©efapr ber
Ueberflügeliutg in immer bebenfliepere 9täpe gu
rüden, wiipreub auepber Jeinb bor unferer gfront
fup mepr unb mepr oerftärfte. Da mußte beim
ber ©efepl ginn fRiidgnge gegeben werben. SCßäp»
renb unfer Häuflein, immer feiptenb unb febe
Deduttg benupenb, fiep langfant aus bem Dorfe
heraus entmidelte, wanbte icp miep, oon einem
Unteroffigier begleitet, gu ber pinter bem Dorfe
aufgeprianjten Ofanalftanbe, um biefelbe ber 3fn*
ftruftion gufolge, unmittelbar natpbem baS Dorf
»ollftdnbig oon meinen Seuteit oetlaffen fein
mürbe, in Sranb gu fteden, als SBilpelm pinter
mir pergelaufen fain unb mir gurief, er glaube,
Souis ünb feine ©roßmutter feien notp im
Dorfe. 3dp patte bisper gar feine 3eit gepabt,
biefer beiben -Perfonen gu gebenten, loeicpe iip
übrigens, meiner SBeifintg entfpreipeub, längft
in jttperet 3?erne bon bem Dorfe rnipute.
„So lauf’, was bu fanuft. unb übergeuge bi<p
felbft," rief icp bem guten jungen gu. „Siitb
Fie notp ba, fo jage fte augenblicflitp fort; fonft
futb fie oerloren!"
DaS £>auS ber alten i?rau lag in einer bon
ber öanptftrafee im reepten SBinfel abfpringen*
ben $duferreipe unb mar mit feiner uuS guge*
feprten $rout groifepen ben baS Dorf umfdumen«
ben ©dunteit oon unferer Stellung aus beutliip
gu ernennen. Sluf biefes £>auS jagte SBilpelm
tu wie ein gepepteS SBilb über baS freie fffelb,
meldpeS gum Dpeil fdjon non ben Äugeln beS
allindplidp oon linfs per immer näper rüdenben
J.'iuöeS beftriepen würbe.
3ngwiftpeii begann uufere Sage für ben Sin»
geitblid bebeitflitper gu werben, obgleiip mir
imrep baS ndipfte 9tepli eine geringe ©erftdrfung
erpalten patten unb in unferem Stiiden, freiliep
noep weit entfernt, bie SReferben fieptbar mürben.
3<p blidte, wenn autp bie ©orgäuge bei ben
tJfeinben meine bolle Slufmerffamfeit in Slufprnd)
napmen, uurnpig nad) bem £>aufe piniiber, in
Welcpem ©ilpelm eben berfipwunben war. 3cßt
fain er aus bemfelben wieber perauS, aber —
allein, uub fein ftereotppeS Sätpeln war jept in
bem SluSbrud oon Sing ft unb Siprcden unter»
gegangen, als er, in jäpem Saufe auf uns gu*
ftürgenb, mit geOenber Stimme ausrief: „Sie
tonnen uicp ’rauS! Det Seploß iS berjrodelt!
(Sin ©eiil Gin ©eil!
„(Sin ©eil! (Sin ©eil!" pflongte fi<p ber Stuf
Weiter boit SJluitb gu fötuub. Unb fofort eipob
fiip aus bem Scpüpengraben, weleper ingwifepen
bie mcifteit ber Unferigen niifgenommen patte,
einer ber Äämpfer mit einem Sdjangbeil in ber
0anb, lief bem Äitabeu entgegen unb fdpleubertc
ipm wie ein DisfuSWerfer bie ftpneioige ©affe
ju, um bann fofort feinen ©laß wieber einjiu
nepmen. ^m 91 u patte ber brabe Suiige baS
wutptige 3nftrument ergriffen, unb fepon legte
er in pfeilgefipwinbcm Sauf ben immer ge*
fäprlicper wertenben SBeg jum gweitenmal ju*
tüd, wäprenb feine bunten fytadftpößen luftig
im SBinbe pinter ipm perflatterten unb feine
SBaben bearbeiteten.
„Gile, SBilpelm, eile !" rief itp ipm naep. 3»
jwei ©tinuten muß baS ftniial brennen!"
©lein 3uruf war fiterflüffig ; benn bem gu*
ten Snogfn Potte bie Slngft um bie Gingefcpiof*
fenen, unb wrpl namentlitp um benjenigeu, ge»
gen welcpen er geflcru ncep eine feiitbfelige ©e=
finnuug gu pegen fipien, ben §iiß beflügelt. Gr
leiftete in ber Gilfertigfeit baS Sleußerfte. 9Jtir
aber würbe bange um bie Gingrfdjlofieueit uub
um ben waderen Änaben felbft. SBenn baS
atettuugewert fiip bergögerte, io ping ipr Sebeit
nur noep an einem Saben. Die ftpwere ©atte*
rie bort pinten auf ber ©öpe war nur beS ber*
abrebeten ^cicfjen» gewärtig, um ipre berniep*
tcnfccn ©efipoffe auf bie Käufer be§ Dorfes ju
werfen, welipeS bei feiner bcrpängiiißmüßig ge»
ringen SliiSbepnung ein fepr begreitgtes 3>i’l
abgaü, unb ba opitepin, wie wir wußten, bie
Gtitfernung gwifepen ©atterie unb Dorf fepr ge»
nau nbgemeffen war, fo tonnte gunevficptliip an»
genommen werben, bafi jeber Scpuß bon bortper
ein fidjerer Dreffer fein werbe.
Die ^raujofen patten in beu gnlept eingenont»
menen Stellungen eine ©eile gerupt unb be*
gönnen jept wieber borjuriiden! 9ioip piellen
einige meiner Sente baS lepte, bcreingelt liegenbe
©eljöft beS Dorfes befept; eS war bie pöipfie
3cit, fie bon bort ’iirüdgiirufen, unb als bieS
gefd)epen war, war bamit auep ber Slugenblid
gefommeu, baS Sanal an ju fteden. Unb 2öil*
pelin befanb fid) noep iit jenem unpeilbollen
.iiaufc!
GS war für miep einer jener fureptbaren, im
Äriegc fiip oft genug micberpolenbcn Slugenblidc
Digitized by v^ooQie
214
gefommen, wo fid) bic «Stimme ber Stcnfdjlich*
feit gegen baS ©ebot ber militärifchen ©fließt
mifbäumt. Sieben mir ftanb ber Unteroffizier
mit bem ^euerbranb unb fab ermartuugSuoll
auf mid). 9tod) flögerte ich, ben Sefefjl ju ge*
beu, welcher uiclleicht baS JobeSurtljeil für brei
uufchulDige, iit beu ©ereidj beS Kampfe« nur
Zufällig gezogene ©teufchen einfchloß. Unb uu*
ter biefeii befanb fich einer, ber nnferem tperjeu
fo nabe ftanb! Uub biefer ©raue füllte bielleicbt
in bem 9lugeitblide, roo er baS mit Selbftauf*
Opferung unternommene 9tettungSmerf uollcn*
bete, einem jähen 2obe überliefert merben, roäb*
renb ein nur fetunbeitlangeS 3 ö geru ibn retten
tonnte. 34 jögerte!
„QaS ftaitnlaugenblidlich aitfMen!" rief mir
ber in einiger ©ntferuuug bdrbeifprengenbe
©orpofteitfoiitmanbeur ju.
,,©ott fei ihnen gnäbig!" backte ich unb fchau*
berte.
Uub fdjoit pingelte bie 3?lainme an ber ftrob*
befleibeteu Stange empor, unb faft unmittelbar
barauf entlub fiiß hinter utt» bie ©atterie mit
gewaltigem, mir in bie tieffte Seele fdjneibeuben
ratb-'u. ®ie mächtigen ©cfcßoffe flogen pfdjenb
über unfere Vtcipfe biutoeg uub fielen fehmctleritb
auf bie Qädjer Des inpöifchen fc^on ftart bon
fffcinben gefüllten Qorfe». 3eber Schuß War
ein lieberer Sreffer geraefen, aber baS #ou3, an
welchem jeßt uitfer aller ©liefe hingen, mar uit*
berührt geblieben!
9toch immer fein Sßilbelm jn feben! ©ine
zweite Salue erfolgte mit gleich berheerenber
SÖ.rtung wie bie erfte. ®a3 fJtachbarhanS mar
getroffen, aus bem zerfcf>metterteu Dach flieg
eine 9Bo(t: bon Staub unb Qualm empor;
aber jene Stauern, welche bie brei Sienfchm
bargen, waren auch biefeSmat oerfchont geblieben.
„9Bo bleibt nur Üöilbelm! @r ift berioren!"
flang es unruhig uub theilnahmbotl aus bem
Schiißengrabcu.
„@t ift gerettet 1 ©ott fei QaitU ©rabo,
Söilbelin!"
Unb ba war ber Srabe! ©ben trat er au»
ber £>au3thiir, uub hießt hinter ihm folgten bie
beiben aubereu, Du roß fein oefjerpe» ©ingreifeu
ihrem gefährlichen ©efanguiß ©utriffeuen. ©rft
wenige Schritte lagen po'iicßen ihnen unb bem
berlaffeu.'ii <f).iuie, ba traf auch biefeä baS ber*
berbenfehwere ©efeßoß. HÖilfjelm fah fich ruhig
um unb uiefte befriebigt.
freilich tbar baS fouberhare Kleeblatt noch
feineSroegS außer aller ©efahr, beim Äugeln
pfiffen tiuch über ben fltaum, welchen fie jeßt
burebmoßen. 9lber SBilßelm. obgleich für feine
©erfou gleidjgültig gegen ©efahr, jeigte fich jeßt
ängftlicß bemüht, fifiue Schußbefohlenen mög*
licßft fchnell au» bem Schußbereich pi bringen.
6r bog bon unferer Stellung feßarf pir 'Jted)ten
aus, wo noch bie borliegenben Raufer Des Qor*
fe» unb benmächft ein Keine» ©ehölj leibliche
Qecfuug gewährten. 3ubent er immer mehrere
Schritte ben beiben anbereu borauSlief, fchien
er auch baS Stittel entbedt pi haben, bie hinter*
her feuchenbe, gebrechliche, obwohl bon ihrem
©nfet fräftig unterftiißte 9llte pi möglicßft ge*
fteigerter ©tarfchgefcßmmDigfeit anjutreiben. ©r
trug nämlich ein aufchulicßeS ©üubel auf bem
'Jtiicfen, unb ber Umftanb, baß er biefeS ©ünbel,
auf welches bie ©lide ber 9llten ftarr gerichtet
blieben, bisweilen ber Icßteren mit tomifdjer
©ontominc hinhielt, ließ wohl ben Schluß pi,
baß barin ber mefentlidjfte 3nßalt jener buntbe*
malten 2nbe eingefcblofjcn war. So freien beim
jenes ©ünbel eine ähnliche Stolle pi fpiclen, wie
ber hingehaltene 2ederbifjen, mit welchem je*
manb ein unfolgfameS jßier hinter fich her*
lodt. QaS fah nun ollerbiugS rc<ßt brollig aus.
Unfere 9lufnicrffamfeit würbe jeboch biircß cm*
ftcre Qinge pi fehl' in 9lnfpru<h genommen, als
baß wir bem 9lbmarfd)e beS fouberbaren Älee*
blalteS mehr al» einen flüchtigen ©lid hätten
feßenfen tonnen. 91(3 ia) mich nach längerer
3eit wieber nach bemfelbcn umfaß, faub id) baf*
felbe außer Schußbereich jenem hinter uuS lic*
genbeu Qorfe mit feiner fdjmercn ©attcrie, be*
ren ©efdwfje eben noch ollen breien ©erberben
gebroht hotten, feßou erheblich näher geriidt.
9l(S ich ©Silßelm mehrere Stunbeu fpäter,
lunhbem baS @efed)t für uns gliidlid» beenbigt
war, wicberfah, log auf feinem ©cfictjte wieber
fein gewöhnliches ruhiges fächeln, ater es war
jeßt ta» üertlärte 2äd)e(n beS 2obeS. ©ine
Äugel hotte bie junge ^lelbenbruft mitten im
bicfjteften Äampfgcwiihl burd)bcl)rt. 9cad)bem
er bic bon ihm ©crctteteu heimgeleitet, war er
felbft heimgegangen. 9Bir tonnten ihn nicht
befjer ehren, als inbem wir ihn inmitten meh*
lerer aitberer ©efallencn begruben. Gr hotte
mit feinen älteren Änmeraben ^ait ^elbenmuth
unb Sapfcrteit gewetteifert, er mar mit ihnen
pigleich in ben fichöneit 2ob fürs '©aterlanb ge*
gangen, er hotte eS nun and) berbient, wie ein
wirtlicher Ärieger in einem Äriegergrabc pi ru*
heil. 9llle, bic ihn fannten, trauerten tief um
beu ©erlnft biefe» einjigen Sfnabeit. ©inpg ?
©iitjig bielleicht in feinen wnnberbaren. ihatcu
unb Schidfalen. feine ©efinnung ftanb uiü
fteht ©ott fei ©reis! — nicßt einjig in Der beut*
fchen 3ugeub ba ! (Qaheim.j
Digitized by v^ooQie
$onntagfd)ul=#elttiontn.
215
$onnta$r(||ul -fektionen.
Sonntag, 1. 9tprit. SSpftg. 8,14—25.
©tntott ber tauberer.
I. $le ©abe M heiligen ®ei{le#. (33. 15—17).
®. 14: ©amariat Mit biefem Manien wirb
hiev tebcufallä md)t bl oh bie Stabt, fonberu ba3
8 iub Samaria fcejetdmct. ©er Ueberßattß be3
©ortco©ottc3 ju ben Samariter« unb bie ßläubißc
Annahme bc3 GvanßclimnS von Seiten berietben
bilbet eine wichtißc (Spoche in ber ©efcbid)tc ber
ftirebe, weil bic Samariter, al3 Mifchvolf guä
Israeliten unb ©eiben, bon beit 3üben a 13 Scftircr
tmb Äicfeet anßefchcn waren. 2lu3 bieiem ©runbe
fanbten bie 9 lpoftcl Metrum unb Johanne, bie her-
vorraßenbften aus ihrer Mitte, m ihnen. ©ah
®ctru3 ltub 3|obanne-3 von bem 9lpoftcU6o(lcßiiiin
ßefanbt würben, beweift übrißonS, bah and)
$etru$ fiel) ber ®cfammthcitbe3 9ipoftcl=Sollcßiiim‘3
unterorbnete, woburdj bie römikhe Sehre von bem
Primat be3 9 lpoftclS $etru3 unb iomit auch beä
$abfte£ wibcrlcßt wirb.
®. 15—17: ©ie Samariter, welche burd) be*3
33hilippu3 SSirffamfcit ßläubiß geworben waren
unb fiel) batten talifen taffen, hatten nad) 33. 16
ben b e i (i a e n © c i ft it o d) n i d) t empfang
g en. (Dieicn empfinden fie erft burd) bie guv-
itte u n b ©anba u floßuuß ber 9 lpoftel
(33. 15. 17).
©iegHaflc, warum niefit (ßbiUppuS felbft ihnen
ben heiligen ©eift mitthciltc, ift verfefeieben beant=
wertet worben. SrftcnS würbe angenommen,
baf? ber ©eifteSmittbcilunß erft ein tangerer fate^
djetifdjer, burd) bie ?Cpoftel ju ertbeilcnber Unterricht
habe voranßebeu muffen — eine 9lnfid)t, weld'c
burd) 9 tpftfl. 2 unb 10 wiberleßt wirb; *wei te n3
würbe anaenommeu, bah bie9lpoftel nur ben Sank
alt ben ©iafonen al3 5Mmad)t übertraßcn hätten,
wa3 ieboch jeber biblikhm Siearflnbuna entbehrt
(vßl. Stpßft. 9, 17). ® r i t ten 3 wirb au3 unterer
Stelle bei* richtige Scbtuh aewßen, bah bie
31 p o ft e l allein fgftifch bic ©abe bejahen, 9ltt=
bereu ben heiligen ©eift (burd) ©ebet unb $anb-
auReauna) ju ertheilen, wobei mau bann aber nid)t
an bie ftille befehrenbe Jhätißfcit be3 heiligen ©eU
ftc3, fonbem vielmehr an bie fefeon ff ap. 2,4.43 u. a.
Ö. erwähnten aujicrovbentlidjen ©nabenaaben *u
beuten hat. (®icfc alfo — unb nicht ber (Seift
ber Äinbfchaft — waren e3, wa3 bie 9lpoftel hier
ben b e f e h r t e n Samaritern nachträglich noch er-
theilten. ©ierutit ftimmt bann auch 33. 19 fehr
aut, wo Simon aerabe biefe. ben 91 poftein vorbe¬
haltene Wabe: 91 nbem ben heiligen (Seift ju er=
theilen, um ©elb von ihnen erlaufen will.
©ah aber bie 9lpofte( allein biefe ©ciftcSaabcn
ertheilen tonnten, entfprach ihrem SJerufe al3 ©rfnt-
ber ber Äirdje. 9lpftß. 9, 17, wo ber „^üitßcr"
9lnauia3 bem Saulu3 bie ©änbe auffent unb biefer
febou vor feiner laufe mit bem heiligen ©eifte er¬
füllt wirb, haben wir icbcnfaflä in erfter Sinic an
ben (Seift ber ffinbkhaft m beuten. (Die anftcror=
bentlichen ©enterben finb übrißenS and) in ber
apoftolifdjen ffirdje nidjt allen ©fäubißen nn ©heil
ßeworbeu, wcnußleid) fie batnahS viel häufiger n>a=
renale Deute. (Die ©auptiache ift iebenfalhS, bah
nur ben ©eift ber ffiubfchaft befifeeu. üßefifecn mir
ihn unb erfahren feine heilißenbe unb befcliacnbc
Sßirfjamfcit an unferen ©ev$eit, fo haben wir alle
Urfad)e bantbar m fein, wenn wir au.b bie anher=
orbentlichen ©cifteSßabcn nicht befifeeu. „freuet
eud) nid)t barüber, bah euch bie Teufel unterthan
finb in meinem SRamcn, freuet eud) vielmehr bar=
über, bah eure Hainen im ©immel anaekhrieben
finb!" ( 8 uf. 10 , 20 ).
II. Simon her tauberer. (33. 18 — 25 .) ®. 18 .
19: 9llo Simon bie auherorbentlicfeen 3ä5irfunßcn
ber©anbauflc(uinß ber 3lpoftel fah(nämlict)bic3leu-
hcruiißcn ber bejonberen ©eiftc^ciabcn, namentlich
be$ ^unaenrebeuo), verjuchte er, burd) ©elb fid)
ßleid)falh3 bic ft’raft m erfaufen, 9lubern biefe
©aben mitthcilen sn tonnen. Offenbar hatte er
biefclben gleich ben Abrißen ©etauften felbft em=
pfänden. (Dte‘3 ßeht beutlid) barau^ hervor, bah
er nicht biefe ©ciftc^aben [ich erfaufen will, fonberu
bie apoftolifchc 3Sollmad)t, biefclben 91 it b e r e n
Mi ertheilen. (3?on biefemVorhaben be^3au s
bcrcro Simon hat befanntlid) im Mittelalter jeber
Äauf imbfBcrfauf ßeiftlicher Sßürben ben 9?amen
„Simon ic" erhalten.)
Saht man bicSunbcSimcnS nur al§ 3i*rthnmSs
fünbe, fo bleibt bie harte 9Jebe beo (ßetvu^ unbc=
arciflicf); aber fie war eben nicht bloh 3 rrthum§ s
fünbe, fonberu Sünbe bee ©evsciio, wie ihm jßetruä
ftrafenb nadnveift.
®. 20 : (Die SBovtc: (D a h b u v e r b a m m e t
werbeft mit'beinem Öclbe, bebenten nad)
bem ©runbtext fo viel ivie: „Tein ©elb fahre mit
bir in’3 33erberben i< ober „ßche mit bir ui ©runbe."
(Der 9(uSbruct ift Weber von ber farblichen (vrcom=
muntfationr nod) von ber ewigen S>crbammnifj ui
verftchcm weil ba^u bie folßcnbe 3 ?uf;ermahnunß
nid)t paflen würbe. Tie SSJorte finb vielmehr rela=
tiv ju faffen: „Tein ©elb vetbevbc mit bir, fallo bu
bich nid)t befferft."
©ic ©abe ©otte§ ift bic 33. 18 erwähnte
Macht, 9lttberen ben heiliaen ©eift 311 ertheilen.
313a6 freie ©nabe ift, betrachtete Simon al^ Cuelle
ber 6 hre vor Menkhen unb bcs ßnverbeo. Tiefe
e i ß e n 11 i d) c Simonie: bem 3Vruf mm Tienft am
Reiche ©ottco (b. i. ba*3 fird)Ud)e 9(mt) al3 ivbifche
(vrwevb;3quellc ju hcßchrcn, ift nod) iveit häufißcr,
al3 bie im Mittelalter foßeuanntc Simonie, )oo man
fid) 33 frnnben vom ftaifer cvfauftc. „Tafibu
verbammt WQrbcft" 11 . f. w. Tick 33ovte
fpricht 33etru3 in hcilißcm 9lhfd)cu vor bem @ci|
unb ber ©cuchelei, bic fid) fo fdmobe felbft vevvatheu
hatten, unb in ber (Srinucruuß au bie Mahnuna
be§©cmt: „Umfonft habt ihr’o empfanaeu, umfonft
follt ihr« ßeben." Tie .Machfolßev (ßctvi" haben
nicht immer fo aebacht, ßefprochen unb ßchanbelt.
®. 21 : © u f 011 ft weber D h c i l u.}. w.
Mit biefen ©orten ßiebt 3 ktru 3 bem Simon auf
feine Sitte (33. 19 ) einen abfchläßigen 33 eicheib.
Simon foü feinen Theil haben , ati biefem ©orte"
Digitized by v^ooQie
216
Sonnta$fd|uU|ektioneii.
b. h. ait bet Sache, t>ou welcher bic SRebe ift, näm*
lieh bcr apoftolifchen Sollmaeht, bie ©abeit be3 bei*
(igcit ©ciftc-3 9litbern mitautheilen. ©er fein
ibeit uitb 8oo3 in ben binnen btefer ©eit fiuht
unb fiubetr hat feinen Sheil an ben geiftlicben unb
einigen ©fitem.
De in & er t i ft nicht recht ich aff feit, b.
b. aufrichtig. Simon batte ftchau Ghrifto' belehrt,
aber nicht oon gangem föeraen. Da3 6 hriften=
tiv.im war ihm wertb geworben, aber nur um fei¬
net tiefen 8 :hrinhalt$ willen, nicht al3 ©eg $ur
Seligkeit. Gr glaubte, aber fein ®laitbe ging
nicht oon einem bußfertigen ®er$cn au3. Gr wollte
ba3 Sbnftenthum um ciite3 felbftifc()eu
willen; fein 9lnfehcit, fein 3ch war baä Grfte, wa3
er fuchte, nicht Shriftuä. Darin beftanb feine
Unaufrichtigfeit. Üiücfbalt^lofe Äufrichtigfeit ge=
gen fleh fclbft unb gegen ben Jperrtt ift bie uner=
läßticße Sebmguitg einer echten 'Belehrung; wo fie
fehlt, fommt e3 nur au einer halben Suhe, einem
halben ©tauben —511 einer Srh-inbclchriing, be=
ren Heuchelei unb innere ©altlofigfcit bei ben fpä=
teren ©laubenSproben nur 311 halb offenbar wirb.
@• 22 : Darum thue Sit he. Daß Se=
tru3 an Simon bie Äufforbcrung aur Selehritng
richtet, acigt, bah er ihn noch nicht al3 hoffitititgSlol
aufgegeben hat. Da3 ift bet ©cift bcr Siebe Ghrifti,
bie *alle3 hoffet" unb gerne auch ben oerworfeuften
Siutber noch gerettet fahe.
Sitte ©ott, ob bir oergebeit werben
möchte. s Jficht blo3, weil bie Selehritng be*3
Simon ungewiß ift, fonbevn wegen ber Schwere
ber oon ihm begangenen Sunbe ttcllt SctntS bie
SKöglichfeit einer Vergebung a(3eine uugewiffehin.
Dennoch ermnthigt er ben Simon, um Bcrgctuiiig
au bitten. Der Grfolg biefer Stufforberung muhte
bann aeigen, ob eine Vergebung itod) möglich war
ober nicht.
®. 23: Die Suttbe war bei Simon föerrin be-3
©illen3 geworben; baher erfüllte ihn bie abfchlä=
gige Antwort Sctri mit Sitterfeit, unb in biefer
Stimmung war er fo gebunben, bah er bie ©ahv=
heit be3 oon Setru3 ©efagteu nicht anuicvfennen
oerinochte, ihm oielmehr fchlccbte 'äKotioe (nämlich
äRißguuft) in feinem .speraeit anbichtcte, ihn alfo
ungerecht beurthciltc. Diefe ©ebanfen moch¬
ten fich in höhnifchcn ©eberben wohl auch äußerlich
au3fpre(hen. Daher lagt ber 9tpoftel (nach bem
©runbtest): ,/Bchfehe, bah bu in eine (wahre)
©ade oon Sitterfeit unb in Scrftvifimg ber Ungc-
rechtigfeit hiuciugcrathcu unb nun barin befiitblidi
bift." Die bittere ©alle be3 ©affcS muh bitrch
bittere Suhc, alfo eine Sitterfeit bitrch bie anbere
oertriehen werben; bann eift (äht fichbie Sühigfcit
be3 Goaitgelium3 fehmeefeu.
®. 24. 25: Ohne Giitbrucf blieb bie Stvafvebe
Setri nirl)t. Simoit’3 Srofc war buvcb bie Gut--
laroung wcnigfteiiS für ben SlugcnMuf gebrochen.
Gr, bat bie Äpoftcl um ihre Fürbitte iin ©efühl,
bah fein ffiefcit ©ott uicf>t gefallen fönne. 9 lber
bie Sürbittc Slnbcrer allein thut’3 nicht; wer ©nabe
bei ©ott fiubcu will, muh fclbft beten, unb wenn
er fich auch noch fo unwürbig fühlt, mit bem Bött-
ner rufen : „@ott fei mir Sünbcr gnäbig!" Daß
Simon um bic Fürbitte ber 9lpoftel nacbgcfucht
habe, um fclbft nicht beten au müffen, fteht nicht
im Sexte. Die 9(bficf)t feiner Sitte an bie 3lpo=
ftel war, au Perhüten, bah bie oon Setro angc*
tünbigte Drohung eintrete. Ob er fi(hbann eviift-
licb befehrte, ober ob e3 bloß bei einer augenblicf-
liehen Demütbigungiblieb, ift nicf>t gefügt.
©a3 ^uftinii3 ÜRavtpr eraäblt, baß nämlich
Simon fpäter nach Soitt gefommen fei, unb fich
bort „al3 ©ott" habe oerehren (affen, beruht auf
SRißbcutung ber Bitfdmft einer Säule, welcher ei¬
ner fabinifchcn ©ottheit gcioeiht war. Die fpä^
teren fivcblicßen Srabiti oneu, weldjc Simon bcr
3auberer al3 Gra=öätettler fchilberii, ftiib oollcnbS
unauoerläfftg. ©ir wißen fomit über bie fpätevc
Stellung Simon# au ßbrifto nichts ©cwiffcS.
Saft fcheint e3, bah er fich wirtlich befehrte; bemt
einen abermaligen Abfall aum Söfen würbe 8 ula 8
faum oerfchwiegeu haben.
Sonntag, 8 . 9(pvi(. SÄpftg. 8 , 26—40.
$l)tltwii8 unb ber tämmerer au$ äRofc
tcnlaitb.
r. 2>«8 fitfttt bf« »orte». (5ß. 26 — 33 ). S.
26: Der Gngel be3 Ferrit rebctc mit
Sbilippo. ©ic grofi unb tbcucv ift bie Scfch-
rung einer einigen Seele in ©ottc3 9lugen ! Um
ben ffämmerer aum ©lauben au bringen, fenbet er
einen Gugel an fßhilippuS, unbbicfcvmuhauSbcm
oolfreichen Samarien auf bie wüftc Straße eilen,
loelchc oon ^erufalem nacl) ©aaa führt, um bort
einem befümmerteu Süitber ben ©eg au Ghrifto
au aeigen. ©aaa, eine bcr fünf .s>auptftäbte ber
Shilifter, an berSübgrcnae flnnaan3, eine Stunbe
oom Wittellänbifchen ®cer gelegen, war fchon öf¬
ter in ben Kriegen aerftört unb nachher immer nue-
ber hergeftcllt werben. Bur Beit Mu war bie
Stabt wieber blühenb; bie ©orte, bie ba wüftc ift,
muffen baher auf ben ©eg beaogen werben. 9?tir
geographifch u^eift ber Gngel bem ShilippuS fein
SRcifeaiel an, ohne ihm au fügen, wa3 er bort au
thmt habe, ober loen er bafelbft treßcu werbe. Da 6
war eine Uebung bc3 ©lauheu§. Der SRiffienS?
beruf ift ja überhaupt ooraugoweije ein Arbeiten
im ©lauben unb ©chorfam.
®. 27: Gr ftanb auf unb ging hin
ohne au fragen: warum? Da$ ift © lauben §ge=
horfaut. Unb fie he. 9Rit biefem ©Örtchen
oerfefet un 3 8 ufa 6 lebhaft auf ben Sdjauplafe ber
Scgehenhcit. ißhilippuö ficht ben Sremben auf
feinem SReifewagcn baherfahven, bcr wahrfdieinUch
hinter ihm herfain unb bett Sußgäugcr ein holte.
Der 3Rann war feiner ßerfunftnacl)?(e th i opi er
( 8 uth.: 9 )?ohrentanb), b. h. au3 bem füblicl)
oon Ggopten gelegenen >>ochlantc, U'clche3 ba3
heutige 9?ubien, Gorbofau unb 9lbcffrmien umfaßt,
unb befielt 9Ritte(punft bic ^itfcl 9Reroe war, wo
nach ben Sriefeit be3 StiniuS oiclc ^ahre lang
Sürftimteit regierten, bie beit tarnen anbacc
führten, fl'aitbace fdiciitt bentnad) nidtt Gigcit-
naiite, fonbevn 9lmt3namc au feilt, wie Sharao.
8ufa*3 heacidmet ben 9 tciieitbcn al3 einen „Gunu-
Acn" (Serfchnittcncn). Da bcralcichcn 8 cute an
ben orientaliidten .^öfeit gewöhnlich au Öofbicnftcn
oerwaitbt tourben, hat bcr Sluhbtutf «Gimud)" häu=
Digitized by v^ooQie
äountagfdiul^fkttoiietu
217
fig bie allgemeine Söebeutung: ©ofheamter. ßin alle ßehrcr bic Erinnerung, bie Seelen hauptfäcfilid»
bebet beamtet unb reichet ^Machthaber mar bet in bie EifenntuißShriftibeS®efveu$igtcii unbSlufs
ftäminctet jebenfadS. Ta et uad) Scrufalem ge= erftanbenen einaufübreit. TieS »wirft in bev Siegel
fommen »war, um bort aii 3 iibeten, bürten mir an= nicht alS alle 3)toralprcbigten. „Siehe, baS ift
nehmen, ba§ et ein SJtofelpt in »weiteren Sinn, ein ©otteS ßamni, baS bet Sßelt Sünbe trägt!" TieS
SJrofelpt beS ThorS, peiwefen. Seiner abftam= »war bie $üwtfd)aft, mit »welcher einft and» bic ißätet
»nung nach haben »wir ihn aber iebenfadS nid)t alS beS SDietbobiSmuS bie SDiaffen beS SSwlfcS beiwegteu.
— in Äethiopieu geborenen — Suben, ionbern alS Ter Sinn wen 3$. 33: ^ n fei n er 91 i cb rig=
echten Stetbiopier, iomit alS 91 cg er 311 benfen. feit ift fein ©evidit er h a beit u. f. »w. ift
8 . 28: auf feinem Stdiemagcn fifeenb, laS ber fwlgeuber: Sn feiner tiefften firniebrigung »warb
Säum ben Propheten 3efajaS unb a»war »wahr® baS Strafgericht, baö ©ott über ihn ftatt über uiiS
fäjünlich in ber griecbifchen Ucbcrfcfeung ber Sep= ergehen ließ, wen ©ott aufgehoben, »worauf feine
tnaginta (LXX). SUS hoher »Beamtet einet mach* (Erhöhung aufiug. Tiefe befteht barin, baß fein
tigeu fföuigiu »war er beS ©riedjiKbcn ohne 3u>et* fidjtbarcS ^eben won ber Erbe »wcggcnom=
Ui mächtig. men ift, unb er bafür eiwigeä Scbcn cmpfau=
TaS ißort ©otteS ift bie befte Meifeleftüre, nicht gen hat unb bte SDlacbt, auch unS lebenbig 311 ma=
bloS auf ber »wfiitcn Straße won Serufatcut nach eben.
©aaa, fonbern überhaupt auf bem 2Bege burch bie II. $ie Aufnahme $i®rtr$. SS. 34—38.
3?it jut tSmigfeit: a. 9Jhn wery}ißt babei bie S3e= 8 . 34 unb 35. Ter ftitecht ©otteS, ber gcbulbig
fchmeroeit beS 'IBegeS; b. mau blnft nicht neben fid) leibeube unb herrlich geredrtfertigte, »wie ihn Sefa=
auf werboteue ißfabe; c. mau fnüpft baburch gefeg= iaS 53 fd)ilbcrt, ftanb wer bem Singe beS frommen
trete äteifegefellfchaften an; d. man fomint babei SßilgcrS. 31 ber »wer bao fei, ob ber Prophet felbft
wonwärtS auf ber rechten Straße 31111 t feligcn 3iel. ober irge»ib ^emanb fonft, baS »wollte er gerne »wif*
%\x bem Aammeret aeigt üch ber Segen ber Treue fen. Ta »war beim bem SßhilippuS bie befte ©cfe=
im JKeineu. Taß er feine geringe Erfenutniß won geuheit gegeben, bem »wahrheitfuchcnben, hcilSwcr=
bem ©otte Sftncl^ fo »wohl aniwenbet, um ernftlid) taugenbeu 9)?aune ßhriftum au werfünbigen, ben
Sinn Stnbeteu ben »weiten 28cg nach Jterufalein au Süubeiiheilaub, ber burch feinen Tob ber äBeltbaS
Sieheu unb zweitens auf ber Steife feine 3cit nun ?cbcit gieht. Unb fein Sßort fiel auf feinen un**
Öefeit beS SEBotte^©otteS fo treulich aitSaufaitfeu, fruchtbaren 99oben. Ter fiätmnever glaubte unb
lohnte ihm ©ott bamit, baß er ihm ben Sßhilippu3 fanb in biefeni ©lauben Diuhc für feine Seele,
fanbte, bet ihm ben s 3B.*g beS .$ei(S acigeu mußte. 8 . 36: 6 Swerfteht fid» won felbft, baß SJhitippuS
8 . 29 unb 30: auf äutrieh beS heiligen ®ei= fid) in feinem ©efpräch mit bem Äiämmerer nid)t auf
iteS näherte fich SShilippuS bem 2 B vg:n bc3 Ääuts bie Sluolegung ber worliegenbeu SSrophetcnflellc bc=
meteri unb h* 3 rte, baß bcrfelhe in bem Sßvophcten fchränfte, fonbern halb auf ba3 ©wangelium won
3ßfaia3 (a3. Ohne Sntfchulbigung unb mit freu- ßhrifto überging, »wobei er ihm namentlich auch ben
biger Äühnheit bringt SßhilippitS in ben ©etacn3au- SBeg aum .v>cil burch Siuncoauberutig unb Taufe
ftanb be$ ÜRanue-3 ein, ben ihm ©ott in ben IBeg auf ßhriftuni (2, 38) gezeigt haben »wirb. .CMerauÖ
geführt. Stritte Snoeite ftnb hlwb unb fchüchtern, erflärt fich bie 9?itte bc§fiämnierer@gana natürlid).
unb e^ hält fch»wer, baß eine folehc Seele fich won Ta ift Sßa ffc v. 63 mußte fich alles fo fchitfeu,
felbft hei einem Sehrer »nelben fodtc. Tarmn muß »wie e$ aur 6 k»winnung beS fiämuicrcrS unb aur ra=
mau ihnen nachgehen unb ©ott um SBeiSheit hit= fchen SSoUcnbung be3 ©nabemwerfcS in ihm nothig
ten, einen rechten Singang in ihr $er$ au ftitbeit. »war.
SSerftehft bu auchr »wa-3 bu liefert? Tiefe JB. 37: QHaubft bu won ga 113 cm #er=
t :age beS SJhiliwpuS ift »wichtig für unS ade. 1 . 3 cn. Ter SSotgang mit bem heucblcriichen Si=
ie feßt woraus, baß »wir bie »Sibd leien, ^fft men mwditc beu SShiliPPuS wwrfichtiger mad»cn, unb
biefe SSorauSfcfeimg richtig, ober hefchämt unS bic- ihn wevaulafien, aufs SJeftimintcftc auf ein gau-
fer halbe .^eibe? 2 . Sie betft un-3 auf nufere na= aeS Sera beim ©lauben an bringen. Ta er aber
tätliche Sliubheit. . Tenn »wie oft bleibt un-3 ber fah, baß bev »wahre ©laitbe, »weint auch nicht woll=
tiefe Sinn beffeu, »waS »wir (efen, werfchloffeu? 3.
©ie treibt unS, ben rechten StuSlegcr au fuchen, ben
Seift be-3 ©etrn, ber auch nnS SShilippnS rebete.
8.31: Ter Äämtnerer, »welcher auS ber #ragc
beS SJhilippu^ baS SSertrauen gefihopft hat, baß
biefer nicht nur baS tedjte SSerftaitbniß ber Schrift
befifee, fonbern auch geneigt fei, ihm a(S Rührer au
bienen, enwibert mit chren»wertber Offenheit, er fünnc
freilich beit Sßrophcten niiftt werftehen, »wenn ihm
Siemanb aitleititng baau gehe, erfucht aber augleid)
beu 'Bhilippu-3 bei ihm Sßlafe au nehmen, »waS bie¬
fer auf ber Stelle thit.
8 . 32 33: Tie Stede, »wc(d»c ber ffSm*
merer gelcfen hatte, »war ^ef. 53,7 u.f.»w. 6 r
ift »wie ci n S cha f aur Sd)lachtbanf ge-
führet it.f.»w. ©otteS Singer »war’S, ber gerabe
auf biefe Stelle beutete; beim bie Summe ber gan=
mx chrtrtlicheu SBahrhcil iftßhriftuS, berßruiebrigte
unb Erhöhte (Sßhil. 2, 5—7). hierin liegt für
16
ftänbig cutiwicfelt, fo Wcch bem £eime nad) wovhan=
beu »war, fo werfagte er nid)t baS Saframent. Ter
©taube, »welchem bic S3uße ober bie SoSfaguug won
ber Sünbe worangeht, ift bie «ncrläßlidic 23cbiit=
gung, »wie ber Taufe, fo ber Sliifnahuic in ba-3
SHcidh ßhrifti überhaupt. Ter red)tc ©lauhe ift—
aber nicht eine bloße 3uftiiumung, ein bloßem Sür=
»wahrhalten ber Cehren beS ßhrirtcnthumS, fwnbcru
eine pcrfönlicbc rürfhaltSlofe Selbfthingabe an
ßhriftuni, »welche eine wollige Unterorbnung beS cU
gelten SBidcnS unter ben SEidcu ßhrifti in fid)
fd)(ießt. 3d» glaube, baß 3cfuS ßhriftuS (Lottes
Sohn ift. TaS © l a 11 b e n S b e f e 11 n t n i ß ge=
hört aur Taufe nach uraltem 65ebraud) ber .ftivehe.
SSon unmünbigen Minbern freilid) fann ein folcheS
nicht gefovbert»werben; unb bennod» »weintbie Jtirrfic
ihnen bie Taufe nicht, »weil ßhriftuS felbft ihnen
baS ©immclreid» unb bamit auch WaS 3dchen beS
Eintritts in'S Himmelreich, bie Taufe, aufpvidft.
Digitized by v^ooQie
218
Sonntagfiliul^rktiotim.
ö. 38: Sic ft i egen tun ab. 25ahv?d)ein=
lid) mürbe bie Xattfe in btefem |Jal(c buvd) Unter;
taueben pollgogcn; fcod) liefee e3 ftd) immerhin and)
beuten, bajj Sßbilippu3 beu Äätnmcrcv, im ißaifer
ftcbcnb, befpvengte. Die ankere ftorm ber Xante
ift gemik pou unteracorbncter SJcbeutung, fonft batte
uu3 ber £>err in jeiueui 3Bortc bcftiuuuteve turnet;
fuug hierüber gegeben.
III. 3Da$ ©lud M Erlösen. 93. 39 uub 40.
®. 39. D a f i c b e r a u f ft i e g e n, pevjdppanb
s $hilippu3 plofelid), io bak ber Äammcrer ibn
nid)t mehr su (Sefnbt befaiu. 9ßbi(tppii3 mürbe
nad) 913bob entvfnft unb hm bort erft mieber
311111 SSorfdjein. 913 bob, norbmcftUd) Poit ©aga
gelegen, mar gleichfalls eine ber fünf ©auptftabte
ber Ablüfter. Die muitberbar vafd>e (Siitviitfuug
be3 9Sbilippu3 mürbe Pont Seifte ©ottc3 ge=
mirft, ber ibn, mie bamat3 ben S*lia3 (2 Äon. 18,
12; 2, 16), mit über na tür lieber 9Mad)t bmmegrik
unb entführte.
“Der Ää mm er et aber fefete feine Steife auf ber
Strake nad) ©ata fort, unb gmar Poll ftre 11 =
bin feit. (Sr batte ShriftumflefunbeiMinb in ihm
bie Vergebung feiner Süitbeu. 2Bo aber 93erge=
buna ber Sünbeu ift, ba ift geben unb Seligfett.
Dod) lag ber ©ruitb ber ftreubigfeit be3 9Kanne3
nid)t allein in beul $ei(, ba3 ihm 311 Xhcil gemot;
ben mar, fonbevu and) in ber plolglicben (Sntrücfuna
be3 Suanaeliftcn, meid): ihm gut befonberen ©tau=
beu3ftävfung biente. Denn e3 mar ihm nun, a!3
märe ihm ein Siigel poiii Fimmel sunt 9teifegefcll=
febafter gugefebieft morbeit unb nun mieber per=
fdjmmtbcn. Unb fo mar c3 ia and) in ber SEbat;
beim ma3 anber3 mar für ihn 9M)ilippu3 al3 ein
ftviebeii3eugc(, beu ihm ©ott getankt?
®. 40: 93ou 9l3bob an ber ©re 113c be3 ®()Uificv;
lanbe3 burduog nun 55hilippu3 bie gange Äüfte
®aläftina3 bi3norbmärt3 juutÄarmel, mo Säfa=
rea lag, unb prebigte in allen Stabten
ba3 Spaitflclium. Säfarea ift hier (im Unter;
fdjieb poit Säfarea ^Jbilippi an ben 3orbanqucllen)
bie Oefannte am SMittelmecve gelegene Stabt, welche
ber Sife ber iübifd)eu fßrofuratoren (ganbpflegcv)
mar. Sie mar pon ©erobe3 beut ©rokeit erbaut
unb beut 9luguftu3 gu (Sbren Säfarea, b. b. ffai*
ferftabt, genannt morben. $\\ biefer Stabt blieb
93bilippu3, unb nad) faft breifng fahren finben
mir ihn, 9lpftg. 21, 8, mieber bafcloft mit feinen
Xodjtern.
Sonntag, ben 15. 2lprU. Slpoftelgefd). 9, 1—18.
€>ault ©efeljrnng.
I. Saul ber ©erfolget* (V. 1. 2). Xer Anfang
ber Ergäblung Pon $auli Vefebnmg meift beutlicb auf
Kap. 8, 1.3. gurüd. Saulu3 mütbete („at^mete
^Drohungen unb Vi 0 r b") fo lehr gegen bie <Ef>ri=
fteu, bak er fid) liiert mit ber Verfolgung in Scnifalem
(pgl. Kap. 26, 10) begnügte, fonbern and; bie au*mär»
tigen Gläubigen gu oernichteii ftrebte. X a m a * f u 3,
bie alte ftauptftabt pon SPrien, etma 140 engliiebe SDiei*
len norböftlicb pou >;uiälem gelegen, mir p.iicb ©e=
merbe unb franbel, fomie burd) feine parabieftfehe Vage
meit unb bveit berühmt, Satyre 64 Por Cbrif:t mar
e3 burd) $ompeju3 bem römiftbeit SReicbe untertoorfen
unb gu bei ^rooing Sprten gejcblagen morben. Schon
feit ber ^errfebaft ber Seleucibeit batte Xamaäfuö eine
gablreicbe jitbi)cbv C^imoobnerfcbaft. Xiefe Stabt fafelc
Saulue in e) 9luge, Pielleicbt meil er Pon einer grökcic»
3abl ©Triften bbrte, bie ficb bort aufbielteu, ober meil er
felbft Verbinbuugen bort batte.
©. 2: Um bie § briften in Xama3 1 u3 feft=
nehmen unb gebunben nach S^ufalem abfübren gu tciu
nen, mo fie por öerid)t gefteUt merben foUten — erbittet
er ficb uorn Jpobeupriefter Gmpfeblunge
unb Vo Umaöbtöbriefe an bie Spnagoge in 2“a=
ma3fue. Xer bamalige $0 bepr ieficr mar matr:
fcbeinlicb Xbeopbiluö. Xie auslänbifcben Suten
erfannten bie Autorität be3 öobenprieflerd in Jmnalcm
uub be3 Spncbrium3, beffen Vorfiber er mar, freimütig
al3 bi:d)ften (9evid)t3bof m religioien Dingen an, unb ba
Xama3fu3 bamalö (pgt. 2 ilor. 11, 32) unter einem ben
3uben febr geneigten dürften, bem 9lreta3, ftanb,
fonntc ber öobepriefter leiebt bie Abführung ber Triften
au3 biefer Stabt nach Serufalcm burebieben.
Sauluö mar ein ftrenger ^barifäer, im Oefeb unfträf=
lieb, al>er eben barum Perfolgte er mit Erbitterung bie
P e r m e i n t e n @cfebe3Perrätbrr. Er glaubte @ott ba-
mit einen Xienft gu ermeifeu. 9tber je ber gaua-
ti3m u3 ficb fleigert, befto mastiger mirb ba3 % lei id> unb
ber Vienfcb gum blutbürftigen, morbfcbiiaubenben
^bic^. So ging’3 bei Saulu3. 9lber bie ©nabe tiek
ben perbleubetcn Verfolger nidjt au3 ben 9lugen. ©crabe
je^t, ba e3 auf’3 Veufierfte mit mit ibm gefommeu mar,
griff fie ein, ibn gu retten. Xarum ift Sauluä ein glem
genbe^ Vcifpiel ber auch ben Pergmeifcltften Sünber fu--
cbenben unb rettenten Sünberliebe ©otte3.
II. Seine »rfebrnng (V. 3-9). ®. 3. 4: Erft
in ber Väbe pon Xamaäfuä mirb Saulu3 aufgebalten
unb ermreft. Xie ©efabr für bie Ebriften in Xama3fu3
mar bringettb, bei* geinb mar Por ben Shoren, aber mo
bie 9iot(; am grillen ift ©ott am näebften. 2lm bellen
Viittag (22,6) umleucbtete ben Sauluö plöplicp ein i'idbt,
beller al3 ber ©lang ber Sonne. Ser Verfolger ftürgte
übermältigt gur Erbe nicber, benn ba3 Vid)t mar ein giebt
p 0 m § i tn m e I, ein l'icbtglanj, mie er ©ott umgibt,
unb in bieiem Vicbtglang erfebien ibm ber §err, mie an3
Äap. 9, 17. 27 unb 1 Kor. 15, 8; 9, 1 beutlid) b ero <> ri
gebt. E$ mar nicht ein Sraum, nicht ein blök innerer
SeclenPorgang, fonbern eine mirflicbe Erfcbeinung
b c 3 91 u f e r ft a n b e n e n. — Ein boppeltc3 Vicht ftrablt
aud) b^nte noch bei ber Vefebrung eine« Sünberö Pom
.^immel in’3 öerg: 1) Xer erfebredenbe Strahl be3 aötts
heben ©efebe3; 2) ber tröftlicbe Strahl ber epangelijcben
©nabe.
Saul! Saul! Xer mieberbolte einbringlicbe 91a-'
men$ruf Pom öerru mahnt ben Sauluö 1) an feinet
^ergen3 Verfebrtbeit unb 2) an be3 öerrn ©nabenabfiebt
mit ibm. Saul ^eikt ja „ber pou ©ott Erbetene.“
2(1$ einen oon ©ott Erbetenen, al3 fein Eigcntbum refla^
mirt hier 3*1 u$ ben ipütbenben Verfolger feiner ©e-
meinbe. a 3, P e r f 0 1 g ft b u m i ch ? 2ß a 3 ? b. b.
marurn ? al3 mollte ber feerr fagen: 2Öa3 habe ich bir
getban ? mornit ^abe ic^ bid» belcibigt, bak bu mich in
meinen ©liebem fo burftiglicb Perfotgft ? Sie erfcbrerf=
lieb müffen Saul bieie Sorte gedungen buben? Er
batte für fein Xbun vr>oI?l Vob unb Veifatl Pom ftimntel
ermartet, — unb fiebe fein Sirfen mirb Perflucbt, fein
Eifer für ©ott eine Verfolgung be3 gejalbten ©otte3 unb
formt ©otte3 felbft genannt.
©.5: Ser bift bu, frerr? Xiefe 5 ra 9 e
bak Saulu3 ben öerrn nicht fofort erfannt but, roiemobl
eine ?(bnung, mer ber Erhabene fei, gleich mit bem 3uruf
fein ©emiffen burebgudt buhen mirb. Ser bift bu?
Digitized by-VjOOQlß
So nntagfd) ul»jMtio tun
219
Sauliid mill ben $erm lennen lernen, ber ihm fo blöfc*
lieh in ben 2öeg trat, Gr miberftrebt nicht, fonbern fragt
nach ©ott. ©ielc fielen auf berfelben Stufe bed inneren
hebend. Sie tragen einen Stadel in {ich, ben fie nicht
lod inerben tonnen. Sie ahnen, baß fte nur in Ghrifto
»eil finben fönneu, aber fie füllen fich non ihm noch ge*
[Rieben. D, fragt auch ihr: öerr, ioer bift bu ? gragt
im Gebet, fucht in ber Schrift, unb ber §err mirh fich
euch offenbaren.
3$ bin 3efu3, ben bu nerfolgt. Gin
ichredlühed “i<ht ging bamit bem Saulud auf: Gr«
ftend über ben öerrnSefum, n) baß er lebe
ald ber gen §'unmel Grlöfte; jioeitenS über f i ch
(elbft, a) haß er in fünbiidjer ©erblenbung miber
©ott geftritten, b) baß er eben barum nicht nur bergeb*
lieb gearbeitet, fonbern auch ©otted TOßfallen auf fich
herabgezogeit habe.
3(9 bin 3 *fud. SÖad biefer gefuduame bem be*
teerten Saulus gemefen, banon fehnteefen toir etmad,
toenn auch inir eine Stimbe gehabt haben, ino und
jum eriieu 4)tal mich ein: „ 3 $ bin 3 *!’ud!" fo burchd
firn ging, baß loir unfere Sünbe in ihrer fc^aucrlid)eit
©roße, aber auch bie ©nabe in ihrer über bad größte
Sünbenoerbcrben triumpbirenben Allmacht tennen ge*
lernt haben.
Gd mirb bir fchmermerben loiber ben
Stachel (b. h- ben mit jdjarfem Stachel berfehenen
Steden bed Sreiberd) ju loden ober audzußhlagen.
Ser Sinn biefer ©Sorte tft offenbar: Gd toirb bir fermer
foerben mir zn miberftehen. ©ton hat gefragt, ob biefed
2Öort nicht Darauf hiuroeffe, baß Saulud loirtlich ge*
yo u u g e n mar, bem Stufe bed öerm zu folgen. Sie
»nttoort auf biefe grage giebt berSlpoftel felbft (26,19),
tw> er bor bem König vlgrippa bie ©efchichte feiner ©e*
fehrung erzählt, unb babei bemerft, baß er ber himmlt*
fchen Grfcheinung nicht ungehorfam gemefen
fei, rnomit offenbar bie greihett feiued killend bor*
audgefebt ift. So unumfehräntt auch bie ©nabe mirtt,
fo mirtt fie bod) nur auf eine freie ^erjönlichfcit, mclche
ebeufomohl üermag bie ©nabe anzunehmen, ald fie bon
fuh ju ftoßen.
©. 6 : Gv fbrach mit 3 *ttern unb 3 agen.
Saulud ift iibermunben; aud bem brüllenben Bornen ift
eingebulbiged *tomm geworben. Saulud mirb nun „^Sau*
lud," b. h- „Hein," unb muß befenucn: „Sn bift mir ju
ftartgemefeu unb haft gewonnen," 3* 1 *- 20 , 7. Sad
teru iinbßageu ift bad pichen bußfertiger 3 erfnirfchuug.
3lber bereitd mirb auch fe^ou ber ©laube in Saulud ge*
boren, beim er nennt ben mm ihm verfolgten 3 efum fei*
ueu „hm* li," beffeu ©Sille fortan fein Sieben beherr*
fchen ioU. fcerr, mad milIft bu u. f. m. 3 a
biefer grage muß ed bei jebem SMeußhen fommeii, menn
er nicht auf emig berloren gehen mill. Saß mir uufereu
©litten bebiiifltmgdlod bem Villen Gbrifti uutem>erfen,
bad ift bad Kennzeichen einer mahreu ©etehrung.
Stehe auf unb geh« in bie Stabt. Sad
«Ite ift vergangen. 3 cfu« fprkht jefct ald $err 311
Saulud unb biefer folgt ihm milüg, ald märe er fchon
feit 3ahcen fein S i e u e r gemefeit.
0. 7 : Kap. 22, 9 erjäblt $*mlud felbft, fcheiubar im
Siberfbruch mit nuferer Stelle: „Sie fahen bad Xiicht
unb erfchrafen, bie Stimme aber bed, ber mit mir re*
bete, hörten fie nicht." Sied ift fo ju berfteben: fie fa*
ben bad Üicht, aber feine ^erfon, hörten ben &mt, ber*
fttuiK-n aber leine Söorle.
C. 8 uw* 9 : boriibergebenbe ölinbheit
bed Saulud fotlte ihn bon ber aiißenmelt abfchließen,
bamit er ganj allein märe mit ftch unb feinem ©ott.
fktulud felbft enthielt fich bveiSage lang aller Wahrung.
S 11 biefeu brei Sagen lämpfte er ben ©ebeldfainvf, ben
3 afob ciuft au ber gurth bed 3 abbof gefämfjft hatte
(35. 11 ). g ü h r t e ti i h n n a ch S a m a d f u d. So
hatle er fich feinen Giujug nicht gebacht, ©ebunben
mollte er bieGyrifteu aud Samadfud fuhren, mm führt
ihn ber §errjclbft ald einen ©ebunbenen in bie Stabt.
III. Seine ©ffeßrung (1>. 10—18). ©.10: ©au*
lud fchieu in ben brei Sagen feiner ©linbheit ganj ber*
laffeu, mar ed aber nicht. &er treue $irte ba|äumt
bad miebergefunbene Schaf feinen Stugenblicf, fonbern
hat fchon bad SBerf ju feiner Slufrichttmg bereit. 31 n a*
tiiad mar fein berühmter Lehrer, fonbern ein einfacher
Sniiger. S)er gelehrte ^h al 'if äer ungelehrten
Ghrifteu 311 m Lehrer befommen. SBäre ^eirud ober ein
anberer großer Styoftel gu ihm gefaubt ivorben, fo hätte
Saulud baburch emerfeitd ftol*, anbererfeitd Von menfeh-
Uchem 2 tn|eben abhängig merbeu föuiien.
©. 11: ©ehe hi» in bie©affe, bie bahei*
ßet bie©erabe (Luther: bie Süchtige), ©ott leimt
alle ©afjeu unb meiß, mer barin mohnt unb mad bariu
Oorgeht. Siehe er betet. Samit giebt ber §err
ben ©ntnb an, marum er ben Sltianiad fenbe. „Gr be*
tet," alfo ift er fein ^öfterer 3 ^’fu unb fein Verfolger ber
Ghrifteu mehr, fonbern hat bad Schmert meggemrrfen
unb bie mehrlofen $änbe tu griebeu gefaltet. >Der ^err
blieft mit üiebe herab auf bad ^erbrochene Äevj, bad im
©ebete Dor ihm liegt; barum foll auch bie©emeiitbe ben*
jenigcit nicht mehr ald einen ©erlernten meibeu, hon
bem ed einmal heißt: Siehe er betet! fonbern ihn Diel*
uiebr mit herzlichem Grbarmeit aufnehmen.
©. 12 : 2 i>ie munberhar ift bao 3 »einanbergreifen
ber göttlichen ©nabenmufungen! öier zeigt ber$»err bem
2 lnaiiiad ben betenben ^laulud unb biefati miebetuiu bat
hülfreich ftch ^ahenben Shtaniad, im ©efichtc. Solche
außerorbentliehen Offenbarungen mürben bem Saulud
ju Sheil um feined giifiinftigcti apoftolifrheit ©etufed
mtUeu, bamit er fagen fönnte: „3ch habe'rd hon bem
fjxrrn empfangen "
©. 18 — 16 : 5 u bernGinmanb bed Slnaniad unb
beffeit ©efeittgung burch ben .verrn ftn'icht fich bie fiub*
liehe Stellung ber gläubigen Seele £u ihrem Grlöfer in
riihrenber Steife aud; 2luaiiiad fbrtcht mit bem Jpevrn,
mie ein 9)iann mit feinem gmmbe. ©.16. Sief er
i ft m i r 11 . f. m. Saulud ift zum 21 p 0 ft e l ber föei*
ben beruj^n. SBic bie übrigen 2 tf?oftel, fo ift auch ^äu*
lud hon^fu unmittelbar ermählt, berufen unb ind 2 (mt
geießt morben ; nur berief ber Griöfer jene im Staube
ber Gmiebrigung, biefen aber im Staube tcr Grhöbung.
©.17: >Oie 2 tnff)rache bed Slnaniad ift ein 9)iuftcr
baftoralcr 93?elöl;cit. üieber©rubc r—fanftmütbi^e
Sielte —, borfperrhat mich gefanbt — ein
gingerzeig nach oben, oon mo bem reuigen Siinbev bie
hülfe fomrnen muß —, b e r b ir e r f ch ie 11 e n i ft —
eine ermutbigenbe Mahnung an ben bereitd gemachten
2 lnfang bed ©uabenmerfd—a u f b e m 5&> e g e u. f. m.—
eine fchonenbe Grinncnmg an ben alten Siinbenmeg —,
baß b u mie ber f e h^nb unb mi t bem beit igeu
©eifte erfüllet merbeft — eine tröfilicfce feinmet*
fung auf bad berrliebe 3 tri ber ©imbenarbeit ©rtted.
©.18: Siie 2 Biebererlangung beo ©efichtd uar ©or*
bote unb ^ßfanb ber © e i ft e dt a u f e, uelche Saulud
mahrfcheinlich burch ©ermitteluug ber 5ü ! afci1aufe cm*
^fangen follte. Sie Icßtere fanb termutblich in einem
ber glüffe, 2 lmafta ober ^pbarbhet^ ftatt. melche Slacmau
feiner 3^it fo hoch gerühmt hatte. Stoch ^ er Saufe uabm
Saulud m t e b e r S p e i f e zu f i ch. Sic 3^ ü i er
Sraurigfeit unb bed ©lißfambfed mar nun herüber.
Ghriftud mar in feinem .»erzen eingefebrt unb mit ihm
©ergelutng ber Sünben unb ein neued feliged ©laubend*
leben.
Digitized by
Google
220
&onntagfd)uUJtVhtionM.
Sonntag, ben 22. Sprit. Spftg. 9,19—30.
Saulus öerfuitbigt C^riftunt.
3)ie oorliegenbe Beftion umfaßt einen 3 c itraum Oon
brei Jahren, o:n bern Jahre 37, in Welchem ©aulud be*
fe^rt Wurb:, bid gu bem Jahre 40, in welchem ec badeifte
Wal wieber nad) Jecufalem fam. (Sin großer Zfytii biefer
3eit fonrnt jeöoch na:h ©al. 1, 15—17 auf einen 3luf=
enthalt ^huli in Arabien, weiten Bufad gänglkh uner*
wähnt tä&t.
I. Saud ftüMcit. (35.19-22.) B. 19-20.
©ogieich naij feiner 'Befeurung trat Baulud in ben © 9 *
nagogen oon 3)amadfud auf unb prebigte © h r i ft u m,
baß er ber ©ohn ©otted fei. (Sr oerfünbigte
alw bie Wüliauität Jefu, aber in ber höheren Bebeutung,
wie bad ©hriftenthum ben Wefftad fennen lehrt, unb rote
er ihn felbft in feiner Bete irung fennen gelernt hatte.
3örd ihn bagu trieb, roar einerfeitd bie Biebe gu feinen oer*
blenbeten ©tammedgenoffen, bie in ihrer i^or^eit ben
eri:f}ienenen Wüfiad «ermarfen unb bad öeil oon ftd^
fließen, Wüted ihnen fo nahe roar, anbererfeitd bie ^iebe
gum öeilanb, ber ftcb feiner fo gnäbiglid) erbarmt hatte,
©d bte» nun bei ihm: „Jh glaube, barum rebe ich."
©o ift*d feilte nod) bei neu beehrten ©eeleit. ©ie fön*
nend nic^t für fich bemalten, wad ber §err ©robed an
ihnen getrau hat- 2)ie Biebe brängt jte, ed Anbern mit*
gutheilen, bamit auch biefe burch ©hriftum Qerettet wer*
ben möchten.
B. 21 : ©ie entfetten fich — nehmlii) bie
ungläubigen Juben — unbfprachen: 3 ft biefer
u.f.ro. i)er Verfolger ber jungen ©hriüe tgemeinbe roar
plößlich ^ einen bemüthigen Jünger ^cfu umgetoanbelt
roorben; ber Wann, ber nach Sanudfud gefomtnen roar,
um bie ©giften gefeffelt nach Jerufalem gu fchlebten,
trat nun fiihn unb crfchrocfett auf unb oerfünbigte in ben
©tynagogen ber Jubeit, bab Jefud ber Weffiad unb ber
©ohn ©otted fei. 2)ad war’d, worüber bie Juben f i cb
entfetten, Wörtlich in ©rftaunen gerieten. Auch
heute noch entfett fich bie 3öelt, roenn ein offener geinb
©hrifti, ober auch ein tief gefttnfener ©ünber bürd) bie
Wacht ber ©nabe ©otted belehrt unb in einen 3 e ugeit
feiner rettenben Bicbe mngeroanbelt roirb.
©. 22 : ©au lud Warb je meh r fr äftiger.
3B?r ba hat, bem roirb gegeben. bab er bie ftülle habe.
2 ):e befte 3öiberlegung berer, bie au bem ©rnft unferer
Befehrung gweifeln, tft bad 3öachdtbum im neuen Beben.
Söabrfheinlich ift 35. 22 bie ©teile tn bem Berichte bed
Bufad, Wo ber ©al. 1 , 1 &erwähnte Aufenthalt Bauli in
Arabien eingufchalten ift. 2)ie ftille 3urücfgegogenheit in
Arabien biente bem Apoftel gur 35orbereitung auf feinen
erhabenen Beruf; bort empfing er bie ootte Audrüftung
mit ben mancherlei ©eiftedgaben, Welche ihn gu feiner
roeltberoegenben apoftolifeben 3öirffamfeit befähigten,
©ein erfted 3*ugnib oon ©brifto (35. 20 ), roar nur ber
ftergendergub eined begnabigten ©ottedfinbed, bad, oon
feuriger \?iebc gebrungen, auch Anbern oerfünben ntub,
road ©hrii’tud ihm geworben. 2 )ie eigentlich apofto*
l i f ch e ^hätigfeit begann erft nach feiner Aücffehr aud
Arabien (35. 22).
©r trieb bie 3 uben ein, b.h- er brachte fie in
35erroirrung burch ben Aach w e id aud bem Alten
% e ft am en t, baf; 3 eiud ber Weffiad fei. ßr ftreitet jeßt
nicht mehr mit fleifchlichen, fonbern mit gecftlicben 2l5af*
fen, mit bem 3öorte ©otted, über welche* ihm ber ©eift
©hrifti bad rechte £icht gegeben, ©aburd) brachte er bie
3uben in 35erroirrung unb 35er(egenheit, weil fie feine j
Beweisführung nicht gu «überlegen oermosten unb boit
ben ©chlu&faß nicht gugeben Wollten. Um bie 3Siberfacher
bed ©h r i'’t c wtbamd mit (Srfolg gu roieerlegen, l'ebarf ed
mehr ald bloß natürlichen ©charfftnn unb ©elehrfamfeit;
ed bebarf ber ©rf»ihnmg üom öeil in ©hrifto, baft man
mit ^aulud fagen fann: „^efud lebt in mir."
II. ^ic Wathflellungett «er 3u&en. (35. 23—25.)
©. 23: Anfangs erroeefte bad 3 *uguifj bed Afjofteld nur
©taunen unb 35ecrounberung (35. 21 ), halb aber ging bad
©taunen in ©rbttterung unb ^einbfd^aft über, gumal
I man, burch feine Beweisführung and, bem Alten ieftn*
ment in bie ©nge getrieben, fich befc^ämt fühlte, ©o ift
bad natürliche Wenfchenherg. ©rft hört ed auf bie
Stimm: ber Wahrheit aud Aeugierbe; aber ed fuebt bie*
felbe budb ©^erg unb «eichtfinn ober burch allerlei 3 ?er=
ftanbedgrünbe gu entfräften. ©elingt ed nicht mehr;
j bringt fie mit unroiberftchlicber, richtenber ©noalt i.Vd
l §er 3 tyiwein, bann roanbelt fich Me Aeugierbe in O rbit*
- terung unb öaf;. Unb wer biefen fcaffe Aaum giebt, ber
[ ftöftt bie Akihrheit unb mit ibr bad fteil oou fich unb
I berfinft um fo tiefer in bie tfnechtfchaft ber ©ünbe.
©. 24: ©d Warb ©a ulo tun bgethan. ©au*
lud roar ehebem in bem böfen Aathe ber Juben geWefeu,
bie jünger Jefu gu tobten. 3 eßt 'erfährt er, geroifjgu
feiner recht feligeu Befchämung, bafe bie juben ihm felbft
nach bem &ben trachten, ©r burfte Anbered nicht er*
Warten, foatte ihm hoch ber §err beftimmt ooraudoer*
fünbigt, baß er werbe oiel leiben müffen, um feined Aa*
men Willen. Auch toir bürfen und nicht rounbern, wenn
bie 2 Belt und haßt unb «erfolgt, benn ber Jünger ift nicht
größer ald ber Wcifter (Joh- 15, 20 ).
©ie hüteten aber. Aud 2 ilor. 11, 32 ergiebt
fich, baf* bie Bewachung ber fyovt burch ben Vanbbfleger
bed üönigd Aretad gefchah. Beßlerer War ben Juben
K unb mit bem .'öohenbriefter Sbeopbitnd befreun*
»raud ed fich leicht erflärt, bab fein ©tatthalter in
$amadfud ben juben bie gur Bewachung ber Xbore
nötbigen ©olbaten gur 35erfügung fteüte. ^ie geinbe
Wachen Xag unb Aacht, um ben Aboflel gu fangen; aber
ber )büter Jiraeld ichläft unb fchlummen auch nid>t unb
Wacht noch beffer über bad l'eben ieined Äne^tcd. itönig
Aretad hat feine ©chergen ben JJeinben ©brifti gur 3ter*
fügung geftellt, aber ber ftönig aller Könige h«t feinen
©ngeln befohlen, über feinen Auderwählten gu Wachen,
bab ihm fein fraar gelrümmt Werbe (Orgl. Jef. 8 , 10).
3Benn ©ott Will, fann er bie ©einen Oor ben Aachftel*
luugen ihrer Jyeinbe Wohl beroabren. Alan benfe nur an
bie brei Wänner im feurigen Öfen, an Daniel im Vö*
Wengraben. Unb roenn er nicht Will, bann rnitb ber
£ob feiner heiligen gur 35erherrliWung Ieined Aamend
unb gum öeil ber 3öelt gereichen. Öad Blut ber Warth*
rer War ber ©ame ber Kirche.
©. 25: ©ie lieben ihn in einem .ftovbe
h i n a b. ©aulud, an bem ber frerr febon folcbe Bknber
pethan, oerroirft hoch bad einfältige Wittel nicht, welches
ihm bie Briiber gn feiner Aettung auboten. ' Atan foll
ni^t 3öunber oon ©oü erwarten, wo man natürliche
Wittel anWenben fann.
III. ©aitlttd in ^emfalem. (35. 26—30.) ©. 26:
aber ©aulud gen jerufalcm fam.
Aach ©al- 1,18 War ed brei Jahre nach feiner Befe^
ruug. Sie fürchteten fich &or *^ m. 35on
©eiten ber ©briften em oergeihlifher Argwohn; fie moch*
ten benfen, leine Belehrung fei eine blobe ^vinie, eine Vorf*
foeiic, um fie befto leichter oerberbengu fönnen. Jür Bau*
lud aber war ed eine heilfame Bnifung. öart freilich
Wubte e* für ihn fein, bab er, faum ben $yeinbeu entron*
nen, oon ben Jüngern nicht angenommen Würbe. Aber
feined früheren hebend emaebenf, Wunbert er fi<* nicht,
bab man ihn meibet unb fürchtet, ©r erträgt biefe Be*
banblung gebulbig. S)arin geigt fich *>ie ©ebtbeit feiner
Befehnmg, bab t>er, Wclcber trüber io graufam' Wüthete,
nun 35erfolgung unb Beratung ruhig erträgt.
Digitized by v^ooQie
$onntagrd)ul°j?rlttiontn,
221
8 . 27: 8 a r u a b a S aber (ber als öettemft aus
©ppern nielleicpt jcpo.i früpec mit SauluS befannt gewe=
fen) n a p m i p n 3 u f i cp. (Sr mag mit feinem freimte
liefert fciobeSbienft ber traurigen Seele beS gurüctgeftofee?
iien ÄiuluS mpt als ein B a r n a b a S, b. p. ein „Sopn
be$ XrofteS" erfepienen fein. So Weife ber öerr beit
Seinen auep in ben bitterften ^cibeitStclcp immer einen
Xropfm bei Xroftei 511 fepütten, namentlich burep bie
treue^iiebeeines gleiepgejinitten JreuitbeS. ISr führte
ipn gn ben Slpo|teln (stadial. 1,18 mar nur
$etruS gegenwärtig unb JafobuS, ber trüber beS öerrit)
unb ^erftreute burep ©rgäplung ber BefeprungSgefcpicpte
$auli bie Befürchtungen ber Jünger, Welcpe balb in tyau?
luS ein auäerwäplteS Viiftjeug beS §ecrn eefannteu.
©ut, wenn am ©nbe mrpe an ©mein orfuitben wirb, als
man ipm anfangs jugetraut!
8.28: Gr ging mit ihnen aus unb ein,
mürbe alfo als Bcuter aueifaniit Sie ©eit bleibt
Uartnäcfig an ben früheren Siinben bever hangen, tnolc^e
fxch burep ©ort unb ©anbei als toa^c^aft befehlt erwet?
jen; bie christliche xiiebe aber öergißt, wai ber Belehrte
ehemals gemeieu ober prent oielmehr bie ©nabe, toelcpe
ihn aus eiuem Sünber in ein &iitb ©oiteS umgewaubelt
hat.
8 . 29: ^ßauluS prebigi nicht nur in Jerufalem,
fonbent befpriept fi:p <iu:p bejouberS mit ben © r i e cp e u
(.pettemften), gerabe fo Wie weilaub SteppauiuS, über
teffen Xob er fiep gefreut patte, unb ber nun in ipm
größer wieoer auferftanben ift. SaS fiitb ©otteS ©un*
bertoege in feinem Veicp.
8 . 30: 9ßeue Verfolgung unb neue Rettung. Sie
Bruber, welcpe fiep erft Oor benv befeprten SauluS ge«
füreptet, müpeit ficb nun mit treuer jjiebe um feine Stets
tuug unb füpreii ipu guuäcpft na.p ©afarea, boit wo er
fup naep feiner §.tmaip Xarfeu in ©tUcienbe?
giebt.
IV. Sag fBaipglftttt brr ©emeinbe. 8.31: So
batte btc ©emeinbe grieben. Sluf ben Sturm
fommt immer auep wieber ein Stupeftünblein für bie
Hirepe. Sa gitt’S gu pjlangeit unb ju bauen. Sie
©emeinbe baute fiep. ©aS ift ©rbauung?
Ser ©prift ift burep bie ©ieoergeburt auf ©priftum, ben
©ifteiit beS ^eilS, gegrünbet. Über toie bie ©eburt nur
ber Äufaug beS leiblicpeu Gebens, fo ift bie ©ieberge*
burt mir ber Anfang beS geijtlicpeu Gebens. Ser
©runblegung muß bie fortbauerube ©rba uuug,
bie Heiligung, folgen. ©ie in ber ©iebergeburt, fo m iß
au:p in ber $eiltgung g Ö111 i cp e S unb m e n f cp l i?
cbeS ©irfeu ^anb iu&aub gepeit. SieS beutet auep
2ufaS an, inbem er niept nur oon bem ©anbei ber
©laubigen inbergurcptbeS § e r r n rebet, fonbem
auep oon bem Xrofte beS petltgen ©eifteS.
SeS ©eifteS Xröftung unb Stärluug aber erflept fiep bie
©emeinbe wie ber einzelne ©prift im ©ebet. ©0 baS un*
terbleibt, wo eS überhaupt an ber fortbauemben ©rbau*
ung feplt, ba mufe baS neue &ben Wteber erfterben in
©priftenperjeu, ©priftengemeinben unb ©priftenböltent.
Sonntag, ben 29. SCpril. 3lpftg. 9, 32—43.
$etri SBunbertoetfc.
Stacpbem ^auluS Jerufalem berlaffen patte unb mäp-'
rertb er ficb in XarfuS nufpielt, maepte ^etruS eine Vift-
tatiouSreife ju ben lleugegrün^eten ©emeinben. Bei bie-
fer ©elegeiipeit fam er auep uaep iipbba unb Joppe, Wo er
bie m nuferer Öeftion erjaplteu ©unber berrieptete.
I. fetrut in 29 bbo. 8. 32—35. Spbba liegt
in einer fepönen Wellenförmigen ©bene, Welche einem mit
Del unb geigenbäumen bepflanzen ©arten gleicht. Ser
alte Staute £pbba ift peute ttoep in bem Stnmen beS Stäbt^
cpenS^ubb ober iiibb erfeu nllidj, welcpeS böepftwaprfepeim
Ücp auf ber Stelle beS epemaligen ^pbba fiept.
© r fam g u ben heiligen, ^eilige werben bie
©prifteit im Stcuen Xeftameitt niept feilen genannt, niebt,
Weil fie bereits oollfontmeit vettt unb füttbloS finb, feit-
bevn weil fie ftep ©prifto 311 m ©igentpum geweipt paben
unb oon ber ©eit auogefonbert ftitb,
8 . 33: S a f c l b ft f a tt b c r e i n e n 9)t a n it u f.w.
^ödpft wabifcpetnlicp war SleneaS ein ©lieb ber ©es
metube. 4lucp unter ben „^eiligen" trifft man noep
Äranfe an, auep geiftlicp Mranfe. Sie itirepe bepält im=
mer tiocp etwas üa^aretpmäpigeS, Wo fteio ©iner betn
Slnbern als ÄranfenWärter bienen mu&. ©priftuS aber
ift ber Slrjt, Pon bem Teilung unb l'ebenofrajt auSgept
für 2 lüe.
8-34: SaS ©ort beS^etvuS: 2leneaS, JefuS
©priftuS maepe (naep bem ©runbteyt: „macht")
b i cp g e f u it b, ift ein ©ort apoftolifeper Semutp:'Je*
fuS ©priftuS tput’S, iiicpt ich. Ser erpöpte CprifiuS
Wirft peute nod; iit feiner ©emeinbe fort. ©S ift aler
auep em ©ort ftcgreicbett ©laubenS: ©r in a cp t, niept
er maepe — biep gefuiib! Von bem ©laubeti beS ©eläbm*
ten ift nicptS gejagt. $etntS pat niept uaep ibm'ges
fragt; aber er ift unftremg als Oorpanbcn oovauegefept.
Jft boep ber Jlranfe em ©lieb ber ©emeinbe — ein ©läu*
btger.
Stepe auf unb bette bir jelber. ©0 wir
in btefen geringen Sagen an einem Jtranfenbett um
§üife beten, fo cS ©otteo ©ille Wäre, ten Üranfe» ater
gur ©ebulb ermähnen, ba faitn ein ^etiuS bem 2 lauaö
anfiinbigen: bu Wirft gefuitb", ja „bu bift feten ge^
funb!" — Sa tann ein i'utper in {einem £eibcnglauben
bem tobtfranfen SKelancptpon befeplen: „Su muftt leben,
bu barfft niept fterben !" Utbi tgenS paben auep bie ^l^ofiei,
Wo eS fiep um bie Teilung einer leibl ieben Kranlpeit
panbelte, nur bantt 0011 iprem ©unberglauten ©ebrautp
gemaept, wenn fie bie Xlebeigeugung patten, baß bie
luna gur Verherrlichung beS 9tamenS ©otteS gereicbeu
werbe, fonft niept (tu gl. Vptl.2,27). Veim©etet um geift-
liepe ©enefung, um Teilung ober Heiligung ber Seele,
fommt bieje grnge niept in Vetracpt; ba Wiffen Wir, baft
Wir alkgeit naep ©olteS ©illen beten, unb bafi bie ©rpö^
runa unferer Bitte ftets gu feines Samens ©pre bient/
8 .35: Sie golge ber Teilung beS lapmen ^ieneaS
War eine perrliepe. Viele befeprten fiep gu bem Jperru,
burep welcpen baS ©unber an bem in ber Stabt tfpbba
unb in ber umliegenben ©egettb, ber ©bene Sarou
(Sarona) woplhefannten lapmen gejd^epm War. Jn
biefem gälte alfo erwies fiep baS ©unber als ein ©eg?
Wetfer gu ©priflo für Viele; Wie oft aber bleiben bie
©unber opne ©trfung! Sie pevrliepften Cffenbarun?
gen ©otteS bleiben frucptloS, W<nn man ipnen baS §crg
nicht willig auffcpliefjt.
II. 8 etru« in Jo|i|ie. (V. 36—43.) 8 . 36: 3 u
Joppe war eine Jüngerin. Joppe War
eine alte ppiliftäifcpe Stabt auf ber ©renge beS Stam?
meSSan. Jm Sitten Xeftameut piej fie Jappo (bie
Scpeinenbe). Schon in ben früpeften 3«tten War Soppe
ber wieptigfte feanbelSplap ber gangen paläftiuenfifehen
Hüfte, ber eingifle ^ajenort für baS innere ^aläftina,
befonberS für Jentfalem. Ser öafen ber Siabt ift ge?
geiiWärtig giemlicp bevfanbet unb baper feiept unb nitipt
gang ficbev, fepeint jeboep in friiperen feiten beffer geWe?
fen gu fein. $ieper liefe ber Honig & 1 r a m bie Gebern?
ftämme Dom Libanon trauSportiren, wel^c gum Bau
beS falomomfoben SempelS beftimmt Waren (2©pron.
2,16), benfelben ©eg maepte naep bem ©yil baS Baupott
für ben gweiten Xempel (®fra 3, 7), unb ber ^roppet
Digitized by v^ooQie
222
3u $aufr.
3ona# beftica hier ein bhönigijche# ©chiff, um oor bem
Herrn gu fließen (3cm. I, 3). ©egenwärtig Reifet bie
©t*$t 3 n r f a unb hat eine gum grofeen Sh*il <hriftliche
©eoölferung oon etwa 15,<XX) ©eeleu. Hier wohnte eine
fromme ^iin^erin Warnen# X a b e a ober X a b i1 h a,
b. i. bie ©adelte (Luther: „Weh"). (r# ift ein eblo#
chriftliche# tfrauenbilb biefc Sängerin, welche an oeu
Wrrmften unb ©erlaffeuften, ben 93tttmen, ©utc# getban
hat, fo oiel fie tonnte. 3war mar fie, wie e# icheiut,
felbft mit erheblichem Vermögen au#geftattet; um fo lick
lieh« aber erfchien ft* in ber (Smfigfeit unb ©elbftoer*
(eugnuug, mit welcher fie burch weibliche Arbeiten bie
Woth bec 9lrmen gu linberit unb bie Xbränen ber ©etrüb*
ten gu troefnen fucht. Hierin erweift fie fich al# eine echte
Süugerm beffen, ber ihr felbft unb aller 33elt guerft Irr-
barmen ergeigt hatte. Zweierlei hebt 3ufa# an Sabea
beiouber# hflwor. (Sr nennt fie eine 3ün ge rin—
ba# beutet auf beit ©laüben, ber mit Whria gu 3*fu
ftiifeen fifct unb rühmt oon ihr, bafe fie o o 11 guter
33 e r! e u it b 911 m o i e it gewefen fei — ba# begeich-
net bie 3ie be, bie bem öerrn in feinen ©riibern bient.
0ie War ooll guter 53erfe. tiefer 9tu#brucf
beutet au, bafe bie guten5Berte in i h* waren, gleich-
fam mit ihrer ©eelc oerWachfen. Sa# ift aber eben ba#
9Ccchte, (Shnftlich* an ben guten 53erfen, bafe bie gange
0eele be# Wtenfchen fich htoeinlegt, bafe nicht blofe bie
Haub etwa# giebt, etwa# thut, fonbern bie ©eele felbft,
unb bafe, Wa# mau tbut, oon Hergen geht.
©.37: (Srft al# Sabea ftarb. Würbee# recht offenbar,
Wa# für einen ©ebafe bie ©emeinbe an ihr gehabt hatte.
Ueber ihre Kranlheit unb ihren Sob berichtet ber (Soan*
gelift nur in wenigen 53orten. 9lber gewiß ift ber Herr
auch Än i^rem Uranienlager unb ©terbebette gewefen,
wie er gubor in ihrem ©ebet#fämmerlein, wo fie al# feine
3üugerin gefniet, unb in ihrer Arbeit#ftube, wo fie in
feinem Sieiift ben 9lrmen Wödfe genäht, nicht gefehlt hatte.
3Bie bu lebft, fo ftirbft bu.
©. 38: Sie (Sntfermmg 3bbba’# hon 3obb« beträgt
nur neun englifche ©teilen. • 9luf ein 9Bunber oon ©etro
hofften bie 3ünger Wohl laum, fie oerlangten gunädjft
nur nah feinem SufbntdJ. (S# ift fd?on oiel gewonnen,
wenn in einem Sratierbau# nur hergliche# ©erlangen ba
ift nach Sroft au# ©otte# 5Bort.
©• 39: 3m Xrauerhäufe fanb ©etru# bie beiben
Streife oertreten, mit welchen Sabea im 3eben oerbunbeit
gewefen war: bie (S h r i ft e n g e m e i n b e, ber fie felbft
angehört hatte, unb bie wenigften# theilweife nicht gur
©emeinbe gehörigen 33 i 11 w e n, beren 33ohlthäterin fie
geweien war. Hinterlaffene gute 33erfe finb bie beften
i Weliqiuen ber heiligen. Sabea batte nicht umfonft in
ber 33elt gelebt, baher ber tiefe ©chmerg ber 3iinger unb
bie X h r ä n e n ber 33 i 11 w e it. Sieie X hränen finb
ein fchöne# 3eugnife 1. für bie ©erftorbene unb ihre
( Viebe; 2. für bie Hinterbliebenen unb ihre Sanfbarfcit.
| ©. 40 unb 41: ©etru# wie# erft Sille hinan#, um
I ungeftört fich bem ©ebet gu wibmen. Wach biinftigem
| ©ebet auf ben Jtnicen wenbet er fich fobann gu ber Beteln*
unb ruft ihr gu: 0tehe auf! unb fiebe ba: bie ©erftor-
bene lehrt in’# Veben gurüd. Wun ruft ber Slpoftel bie
9luberen, bie Ghriften unb bie 33ittioen wieber herein,
um bie burch ©otte# Äraft 9luferWecfte ihnen lebenb oor*
gufiellen. Sa# 33einen ber 33ittwen uni bie ©erftorbene
hat 3ufa# erwähnt, ihr 3auchgen über bie 33iebcrer*
Wecfte befchreibt er nicht; ba# war unbeschreiblich.
Sie 9luferwec!ung ber Sabea ift ein ©ilb ber (SvWccfung
eine# 0linber# au# bem geiftlichen Xobe. 33ie ©etru#
follen alle ©rebiger be# (Soangelium# im ®ebete bor Öott
Äraft unb fvreubigfeit haben; mit bem 33orte ©otte# in
bie tobten Hergen bringen; bie 9lufgeWecften burch Hank
reichung aufrichten unb Weiterleiten (© 41) unb an#
tobten 0iinbern lebenbige Heilige jum ©reife ©otte# unb
gum (S^emhel für 3lnbere barfteuen (©.41), — ba# ift
bie Wufgabe eine# Siener# (Shrifti.
©. 42 ttitb 43: ^ie 9lufei weefung ber Xabca Würbe
natürlich in ber gangen 0tabt ruchbar unb
©iele Wurbeiugläubig an ben .Herrn, ©e-
tru# Oerliefe baher 3 og>be nicht gleich lieber, fonbern blieb
längere 3eit bafelbft. (Sr wohnte bei einem ©erber
0 i m o n, welcher ohne 3toeifel ein (Shnft toar. Taber
fonnte ihn ber Wpoftel auch nicht etwa feine# ©ewerbe#
halber für unrein achten, obwohl bie# nach rabbinifcbm
Söcgriffelt ber ^all war. ©ott fiehet ba#Herg an, niclu
ben irbifchen ©ieruf ober bie 0tellung, Welche ein Wenfc b
in ber ©efellfchaft einnimmt. Saber War auch ba# Hau#
be# ©erber# 0imon, ob auch Oon Wtenfchen unangefeben,
hoch im Himmel unb oor ben ©ngelu ©otte# betonut imb
Wohl angefchrieben.
5 m Hauff.
©ott einer
^rgiehnng. (^fortfe^tmg) „3ch loerbe auch iefet ferne
lange Webe halten, noch euch für ba# oergangene ftrafen,
Wir haben jefct blo# mit ber ©egenwart unb 3‘*funft gu
thun. ©iele Singe, in Wellen ihr euch bi# iefct erfreu*
tet, werben anber# Werben. 3"h felbft werbe anber#
Werben, ich werbe nicht biefelbeWtutter fein, al# Oor einer
3öoie gurücf, i h hoffe eine beffere gu werben. 3<h bin
im (Smft, Äinber, unb ihr feib bei^e alt genug, um mich
gu oerftehen. 3Berbet ihr euch nuu gleich mit mir oer-
ftänbigen, fo ft>art e# euch Wtühe unb bereitet mir
$freube"
„SWutter/ 1 fagte SBiHic, tnbem er feine SWutter mit
©erwunberuug anfehaute, „ich bin beinahe froh über ba#,
wa# bu iagft. 3^ üebe biif geuüfe mehr al# bu benlft.
unb bin nicht fo böfe al# bu gtaubft; e# febeint mir oft,
bafe bie Unarten fornmen, weil bu fie erlaubft 3^h fagte
$ait#friti!.
ber Wnna fchon fünfgigmal, bafe ich Wünfchte. bu Wür*
beft uit# gum ©eborfam gwingen."
Wnna fagte nicht#, fchieu aber eine 3*itlang in ©e^an*
fen oertieft. GnH ich fagte fie: „3rf> wünfebte öfter, bafe
iib Wäre wie (Slife 53cfton; ich Weife aber nicht, Wie (cb
e# anfaugen foll, mich gu beffern, ich Weife, ich Werbe böfe
unb ungufrieben fünfgig :»lal ben Sag, ich * ann e# nicht
helfen."
„©# ift einer ba, ber un# allen helfen fann, wenn n>ir
feine Hülfe fuchen. 3afet un# ihn bitten, Äinber." ©ie
fnieten nieber, unb mit thränenbem 9luge erflehte bie
SWutter beit ©eiftaitb ©otte#. Sie flinber Waren fehr
naefebenf mb un^ lernten tbre ^ieftion im ©tillen. Sie
Butter entliefe fie freunblich unb Wünfchte ihnen eine
gute Waht. 9lm nächften Worgen würbe bie neue Orb*
nung im Hau#wefen eingeführt, ^eau Wterwin ftanb
Digitized by v^ooQie
|u Haufe.
223
e h auf, ging ind Bettgimmer bet Kinber, um bagu gu
tit, bafe fte fich orbentlidj wufcbeit ttitD attgogen, unb
OerlangL* 0011 ihnen, auf Die beftimmte Stunbe gum
grühftücf fertig gu fein. Speifen, welche ben Kinbern
nic^t guträglid) waren, WurDen ni4t aufgetragen, bafür
aber eine namhafte Koft eingeführt. Bor ber S4ule
wurde beit Kinbern eine halbe Stunbe gum Spielen er*
laubt, nach bei* 9tacpmittagöfcfyu(e wieber. Sei Stegen*
weticr Würbe ihnen gu biefem 3>oect ein befonbered 3m is
mer eingeräumt. Sie Mutter ecaminirte gehörig bie
Stubieu Der Kinber, taufte fid? biefelbeu Silber unb übte
ftch an gwei Stunbeu, um biefelbeu gu bemeiftem.
Sie Kinber lernten aber au4 ihre Mutier refpeltireu,
ald fte fafyen, bafe fte nicht nur mehr Wufete ald fte, fou*
Dem oftmals mehr-ald ihre Lehrerin.
Soweit gut genug. 2lüed biefed brachte bie Mutter mit
gleife, Saft unb Stufopferung fchon fertig. Gd erforberte
blöd ein gefnubed Urtheil unb etwad mehr Slnftrenguitg.
2lber — mit ber moralifchen Grgiebung, Welche bie Mut*
ter fo ernftlich unternommen. Gd War nicht fo leidet,
richtige Rringipien unb ©runbfähe in bie Jorgen ber Kin*
ber eingupflangeit, weil bie Mutter bid bahin gewöhnlich
naebgegeben hatte. Seit hartuäcfigeit SBiUcn gu brechen,
bielingebulb gu heben, unb iiatt böfer Gewohnheiten gute
gu bewirten, ging fchwer. Unb hoch tonnte ein ftrenger
Seobacbter ben trrfolg nur bewunbern, unb aeigt biejed
Har, Wad loirfliche (sntf.*hicbenheit oermag. Sad frühe
Slufftehen wie bad Slbenbgebet Würben feftgefefet, unb ob*
wohl bie Mutter ihren ftüibcrn oiel 3eit fepenfte, Würben
babei bie häudlicpen Pflichten nicht ocrnachläffigt, fon*
bem noch gewiffenhafter erfüllt
3hee (rnergie that fleh im gangen Haufe funb, unb fte,
bie bid bahtn nur für eine jchwache ‘perfon galt, Würbe
oon ihrer Umgebung unb ihren greunben geachtet unb
bewunbert. Hätte fie aber nicht in ber erften Sßoche ihrer
$robe ihre gattge straft angeioenbet, ihre Pflichten nach
©ewiffendübergeuguitg gu erfüllen, unb Durch’d ©e&et bie
Kraft bagu erlangt, io Wäre fie erlegen, unb ed Wäre
fchlimmer geworben ald guoor. Manchen Kampf hatte fte
mit ben Kinbern gu Kämpfen, aber öfter noch lämpfte fte
mit fich fclbft. Gntfchieben fein ohne Harte, gu güchtigen
währenb bad Herg in iüebe entflammte, ©ebulb gu üben
unb ftch felbft unb anbern gerecht gu werben, erforberte
Diel Kraft.
grau MerWin War bei ihrer neuen öaudorbnung fe^r
einfuhtdoott, unb erlaubte nicht, einen feben fleinen fehler
and Xagedlicht gu giehen. Man4ed Würbe überfehen in
ber Hoffnung, Dag, wenn einmal grünbliche Reform unb
©ebörjam Üöurgel gefaxt in ben bergen ber Kinber, fich
biefe Singe anberd geftalten würben.
Gined »benbd waren bie Kinber fehr unhöflich gegen*
einanber, ald fte ihre Aufgaben lernten. Sie Mutter
artete ed nicht.
Süllie ergriff ohne gtt fragen bie Safet unb ben ©riffei
feiner Schwefter. „34 will bie Safel haben/' fagte Söillte,
„ich Will meine Rechnungen audmaepen, unb ich Werbe
nicht hinaufgehen, bie rnemige gu holen, fo lange ald beute
baliegt unb btt fte nicht bräuchft."
Beibe ergriffen bie Safel. 3lnna, Welche amftärfften
war, ergwang biefelbe, worauf SBillie fie fchlug; 2lnna
fchlug wieoer gurücf. Sie Mutter hatte biefed mit an*
gefehlt.
„Kinber," fagte fte, „legt bie Safel nieber unb lommt
her gu mir."
3hre Stimme hatte einen traurigen Sou. Sie Kinber
Wagten ed nich', ungehorfmu gu fein — fie tarnen, aber
nur um einanber gu befchulbigen.
„Stuhig," fagte bie Mutter. 3hre Stimme War fanft
unb traurig. Sie Kinber gehorchten. „2lnna, fchaue mir
ind ©eftdbt, unb ergählc mir beit gangen Hergang ber
Sache, unb fage mir bie SBahrbeit genau." Slima fühlte,
baft fie bie SBahrheit fagen nmfete, unb ergählte Wie fid)
bie Sache Der hielt. v
„MiUie, jefet lag mich höten, Wad bu m fagen h&fi."
Sluch BKUie geftaub ber Mutter bie gange SBahrhcit.
„Meine Kinber," fagte bie SJtutter, „ihr habt beibe
Scpulb unb betbe Strafe oerbient, aber ich tyoffc auf eine
3ett, Wo ich cuc ^ nicht mehr firafeu brauche, ©efteru
brachte euch eiiue Unart um eine Spagierfabrt, welche ettcb
ber Datei geben Wollte, unb Slbettbd War ich genötigt,
euch gwet oerfchiebene 3immer gu geben, unb ich mufjtc
allein hier fi^en. Siefen Morgen mu^te ich euch ftrafen.
(£*d febmergt mich, euch S u Süd>tigen, aber biedmal inufe
geftraft Werben, ^ier fc^t euch einmal ruhig an ben Sifcb,
unb bentt nach, auf Welche Meife ich ©träfe an euch
OoKgiehen foll."
„^Jiuttcr," fagte Söittie, ich Weijj, Wad bu meinft, aber
ed tft bie fchwerftc Strafe, bie bu au und bollgieheu tannft.
Mug ich 3lnna uig Bergeihung bitten?"
Sie Kinber flauten fich etnanber an. SBilXic War ein
offenhevgiger Knabe, er bemerfte etwad in ben ©efichtd*
3 ugeit ferner SchWefter, bad ilnt bewegte. „Slnna," ftam*
mclte er, „willft bu mir oergeben? 34 War am meiften
im Unrecht"
„34 habe au4 Uure4t gethan," fagte 2lmta.
„Mutter, Willft bu und Oergeben?" riefen beibe wie aud
einem Mitnbe.
„34 Will," fagte fte, „jefct geht unb lernt eure 3luf*
gaben."
Sie Mutter War gegWungen, um ihte ©efüljle gtt oer*
bergen, in ein anbered yintmer gu gehen über biefen erften
Sieg. „§ilf mir! o hilf mir anuil;alten!"
Unb am Slbertb banfte fie tmöcbet für ihre Kinber
bem lieben ©ott, ber bie guten ©ebanfett in ihnen erWccfte,
unb bat, bajj ber ©cift ber üicbe in ihnen Wa4fc, bid alle
4re ^anblungeu baoon burdbbrungen Wären.
Ser uä4fte Sag imbSlbcno würbe auf eine angenehme
2ßcije oerbradjt. Sie Kinber lernten ihre £cftionen.
2öiuie fu4te Ocrgeblic^ eine geraume Seit auf ber Karte
na4 einer Stabt im fub[i4en Guropa. Sie Mutter !am,
geigte ihm bie Stabt, theilte ihm mebrered mit oon ben
GinWohncrn unb nannte ihm beven ^auptfabrifaliond*
gweige. „Sattle, 9}iutter," fagte Millie, „bu Weifet bodj
Oiel."
3luf biefe SSkife fu4te bie Mutter ben Kiubern gu bei*
fen, Wenn fte fdjwicrtge üeftioneu hatten. 2ln biefem
vlbetib fühlten fich bie Kinber mcl;r für Mutter hinge*
gogett, ald ie guoor. 3h r * ®eftänbig!ett unb ft4erc feal*
tung, bie Manuigfaltigfcit ihrer Kenutniffe, bte jefjther*
Oortrat, hob fie bebeutenb in ben Slugen oer Kinber, unb
fte liebten unb a4teten fte um fo mehr. Sie Mutter faf;
oa fo freunbli4, fo Itebeooll, ihre eigene 21 vbeit liefe fic
liegen, ja felbft eine freunbliie Ginlabung fdüug fte aud,
bamit fie einen angenehmen Slbenb bei ihren Kitt rem gu*
brä4te. Gtu Wohlthuenber Ginflufe freien fi4 über alle
gu erftredfen, Welker fie in gemeinfamer i'iebe unb Har¬
monie oerbanb. Sie Kinber f4auten bie Mutter erwar*
tungdooll an, enbli4 fagte 3l'ilüe:
„3lUe lommt ed, liebe Mutter, bafe bu und bed Slbeubd
Oor bem S4lafengehen gar leinen Kufe mehr giebft?
SBillft bu ed nicht heute Slbenb thun?"
3a, meine lieben Kinber! Gd War heute ein febr
gliidlicher Sag für mich." Mit biefen SBorteu lüfete fie
bie Kinber her*li4.
„Mutter," frug Slnna, „Wann lommt ber Bater nach'
Haufe?"
„3n einer 3Bod;e."
folgt.)
Digitized by v^ooQie
224
Jla# $d)t»albt!il)äu»d)tn.
3nntg unb nictyt ju fönett.
as j^cltnralbenhättsrltetf*
Xigtuug #ttl Wttßf Mn Gruß Orbljarbt.
P mf
1. Su net s teä Sctyroalbenfyäuäcfyen, 2öie ftelrft bu fo at = lein ? SGBo fmb fte benn ge*
2. Ser Schnee liegt auf bem öäuekljen, Sie £rau * er toofynt bar * in, Sie X?ie - ber finb oer*
44 «
44f4
5_-3
#*-#“#-
—!-■ —<— n
=*i!5Efc|
«*/■
2ü1^5 =!e^^ . ^e:-^ efe=t1=g= j
i 7 ! I * * !l T ■*■
*—--—-i-^_j-*-*■-#-*-----#-#-
, m f
1 blie * ben/Sie 93i> * ge lein, bie lie * ben, Sieeinft $ter flo = gen aud unb ein, Sie
flun s gen, Sie eimftens ^ier ge * fun * gen; 2lcfy al * le greu * be ift ba * fyin, 2ldj
jit --rin - "" - - 1
■#-•- _ _
44 44
4££=jj—'»~£
• JJ—44 ^-*
=~“ mf f=—
HZ. ——— ad Hb.
•”—#-1
>—y *
—#—
einftenS flo * gen auä unb ein?
al * le ftreu 1 bc ift ba * fyin!
|f - •{ r
az-«-# —» ^ L — -**-*
* j^p I
p at mpo.mf f —< 3 z=S-
Lvfizn—„_ 3 -—j |-j —'ß ~\ dTT—» < * . | dT"f—:j^£d^:±==prfl
*3* -r t ~r * -v *y • •
3. Sie Sögeleiu finb braufeen,
2ton »aus unb fteimatl) fern;
(Sie fangen Söonnelieber
Sabeim oiel lieber loieber
llnb pflegten ba it»r Heftchen gern!
4. JBill’4 ®ott, e§ nabt ber grütyling,
0 ÖäuScpen, riifte bicb!
33alb fommen fic geflogen,
Sie Sänger ^eimge^ogen;
Sann freuen 2tlt’ unb $uugc fiel).
Digitized
by-Gc -g -
Digitized by
Digitized by v^ooQie
*»r
Digitized by
Digitized by v^ooQie
St?« iJt
K tt t tu o r t auf bas „ S rf? n> a I b c n 1 ? ä u s d? e u."
für Ijous unb Derb non lj. £
€Ws rauftet unb finget — fie Fommen!
Das rointerlid? (Hoben oerfjatft,
Durd? tueldjes bu oftmals beFIomtnen,
€in etnfamer pilger, gemaltt.
(Es 3 iel]t hieb, es rufen bie Sieben
§um F}änsd?en am See bort fo traut;
Du fjajt es, ido bu aud? geblieben,
3 m (Eraume fo oftmals geflaut.
Unb halb, bei bem Kbenbrottileud?t«n,
Da 3 ieljejt 3 ur fjeimatl? bu ein;
Kus Kugcn, ben miibcu, ben fernsten,
€rglän 3 et bes IDieberfetyt’s Schein.
Doch taufd?’ —noti bes Rimmels portale
(Ein Sieb raufdjt fo mächtig unb tjefjr,
3 m braufenben 3 ubeIs(Ef?orate
Kuf TDogen bes IHeeres baber:
„Die ruanbernben pilgcr - fie Fommen
Ktts (Eriibfal unb Kämpfen unb (Srausl
XPiUFommcn, mitlFommen, ifjr v frommenl
Beim Dater auf emig 3 U Fjaus."
IT
Digitized by v^oooie
226
Pit Pt. ,3ofepp (£ook Jt’ängftbrkanntes beitätigt.
Pie pr. loffplj GooJt fmtgftMuinnttf befliitigt.
«bitar.
r. ©oof, ber berühmte, roettbefannte ameru
fanifpe SRebnet unb Seftürer, f»at in beit
lebten 3»a^ren bie alte 2öelt burpreift, unb
bafelbft, als gebilbeter Wann unb fparfer 23e=
obad^ter bie ®iitge nipt, luie fo niete ÜReifeube,
mit bem allcroberfläptipftcn 5öiicf bcfpaut, fon«
bern ift etroaS tiefer eingcbrungen ais niete un=
fcrer CanbSleute gu tpuii pflegen, tncnn fie @u=
ropa bereifen, mtb eben beßpalb aup §u anbern
SRefultaten gefommen.
3fn feinen unter bem Stitel “Advanced
Thoughta in England and Gerinany” bcfaitn»
ten Sorlefungen nerneint er, baß ber OarroiitiS»
muS non ben beften kentern ber atten 3öe(t als
baä Non plus ultra aller ißpilofoppie angefepcn
roirb, fagt uns, baß Speitcer’S Üpeorieit burp»
aus niept baä (Snaitgclium ber beften ©eifter
©roßbritanien’S feien, ba| Strauß’ Wptpen»
Pppotpefe in 3)eutfplanb ein nnrüpmtip ©rnb
gefunben, baß roelpc ber iiicbtigften beS beut«
Ipen SolfeS auf ben piftorifpen GpriftuS gu»
rtyctlommen unb ernfte ©priften baran benfen,
eine beutfpe ftreifirpe gu grünbcn.
Elftes bieS unb 9te^n(icf»eS nerfünbigt 3)t.
©oof im 2one einer neuen Offenbarung, unb
atS folpc inerben feine ©ntpüllitngen and) non
nieten piergulanb angeftauut. S3ir motten nicht
in 9tbrebe fteflen, baß ipm biefe ©ntbeduugen
bietleipt roie foeben erfpäpte poffnung§«@itanbe
borfommen, unb miffen, baß fie nieten feiner
Sanbsleute unb auch lnanpcm $eutfp»91mcri=
taner Hingen roie neue OffeubarungSmuftf;
benn gar gu niete Seutc fiitb atlgu fepr geroopnt
brüben tebiglip nichts attberS gu |et)en, als ben
graffeften Unglauben, bie fpmapbollfte 3pran=
nei unb bie gröbftc Skrtpierung, roetpcS Urtpeit
auch bann oft nipt umgeftoßen roirb, wenn fie
felbft brüben geroefen fiitb.
Sie haben Europa nur aufs Cberftäptipfte
gefeheu unb inareu roeit entfernt, fiep Wüpe gu
nehmen, autp ben Seiten beS IklfcS gu tauften.
Sie finb g. S. bem Wanne gleich, wetper nur
bie weltliche, ober gar bie SPanbliteratur Hirne»
rifaS liest, mir iii bie amerifanifpen ©oncerte,
bie Speater ober gar f8arietiesȣ>a(len gept, bie
gräuliche Worbftatiftif unferer Staaten ftubirt,
auf Sötten fiep gierlicp brept, mit ben Serfdjroen«
bern fproelgt unb bie Sanfrotte nacpgäptt; unb
nun aus biefen Seobacptungeu unb ©rfaprun»
gen — opne mit ben ©uten, frommen unb Se=
fien ber Ser. Staaten in Scrüprung gelommen
gu fein, opne bie Wapt, roetepe piergulanbe bas
©priftentpum entfaltet, lennen gelernt gu haben
— fein Urtpeit über bie Ser. Staaten abgiebt.
Saufenbe unb Hlbertaufenbe paben aus bertei
Urfacpeit — weil fie’S eben iticpt beffer roifjen,
Or. ©oof’S Äunbgebungen als eine neugeöffnete
2öett begrüßt. ÜJer aber mit bem SRiitgen ber
©eifter röirflip auf bem Saufeubeit bleibt, wer
bie Literatur ber alten SSett aufmerlfam Der«
folgt, Ptüdgug unb fjortfpritt ber einen unb an»
bern fßartei genau beobachtet unb fiep burp baS
©efeprei ber Wenge niept Dcrblüffen läfet, bem
finb bie bou $r. ©oof bertünbigten Oinge alte,
läugft betannte.
©r pat groar baS ungroeifelpafte Serbienft,
biete fRiptroiffcnben auf biefe ©rfpeinungen in
einer Söeife (auep etwas bombaftifcp) aufmerf»
fant gemaept gu pabeit, bie fo fcpnell niept ber»
geffen werben roirb. Hlber roirttiep fReueS pat
er nipt entrollt, fonbern nur Sites benen frap»
pant bargeftettt, Welpen baS fiängftbefannte neu
ift.
SBetper betefene Wann roiijgte g. S. nipt, baß
bie bon Strauß aufgefteüte Wptpenpppotpefe
fpoit lange per ein Segräbniß erfahren, auf roel«
pc§ ein Stuferftepen Unmögtipfeit ift! ftreunbe
unb fjeinbe ber geoffenbarten SReligiou laptcn
fpon längft über bie Strauß’fpen SPantafieu
unb fRiemanb in ber roiffcnfdjafttipcu 2ße(t pat
fein Sehen 3efu je at» epodjemopenb in bem
Sinne angefepen, als ob bon bemfetben fpöpfe»
rifpe ©ebänfen ausgegangen feien, roclpie 2Bir»
luitg eS aup immerhin auf bie Wenge gepabt
haben mag. ©ine ftrife rief bie Straufe’fpe
Wptpenpppotpefc perbor, bieS ift roapr. Stren»
nungen fanbeit ftatt, $albpeiten unb llnttarpei»
ten Würben übcrttmnben. Wan fap, baß bie
Straujj’fpe Sapit nirgeitbS atiberS pinfiipreit
fönne, als gum atpeiftifpen geuerbap unb gum
matcriatiftifpen Oarroin unb in biefem Sip»
tungSprogef? ging bie Straufj’fpe Wptpenpppo»
tpefe läugft in Stüde. S3enn alfo ^r.
© 00 t ben a11ber Wptpenpppotpefe an«
fiinbigt, fo proftamirt er eine fReuigleit, Welpe
bor 2 5 pr e 11 ftattgepabt uttb Wenn 9tie=
nmnb anberS bie StrauiVfpen Wptpentpeorien
abgefptaptet pätte, fo pat er es in feinem groei»
ten SJerte, in roetpem er fip offen gum San»
tpeiSmuS befennt. felbft getpan.
9tft bieS ift bereits ein Siertetjaprpunbert bor
ber roiffenfpafttipen 5öett unb rourbe aup in
ettglifpen Stättern öfters befpropett, pat atfo
feinen 91nfprup auf fReupeit. 3ubetn Or.
©oof aber bie Sepauptung auffteflt, bafe man
bis gunt 3npt 1858 feine geniigenbe 9lntroort
auf ba§ bon Strauß berfaßte ficben 3fefu ge»
pabt pabe, mapt er fip eines SpnißerS fputbig.
Digitized by v^ooQie
|9ie Pr. 3ofejil) Äooh fängltbehannte« betätigt.
227
ben man bei einem fo weitgereifteu, belcfettett
'Wanne benn boch nicht erwarten füllte. SJaS!
bie gläubige SMffeiifcboft hätte non 1835 bi»
1858, alfo 23 3}al)re lang, nidjts OrbentlicheS
gegen baS Strauß’fche Wachwert berDorgebracbt!
2Bciß benn ber berühmte Dottor nicht, baß be=
reits im ^aljre 1830 fHirleß, Ofianber, fiattge,
Cwffinaiin unb anbert Strauß entgegentraten.
Ober tjat er nicht gelcfeit, was ät)olut unb
Seanber 1837 geschrieben, unb mit welchen
fdharfen Staffen Dhierfd) Stnito 1840 lämpfte!
3m 3>a^re 1842 jebodf) erfchien bie erfte Auflage
Don EbwarbS „Urit'il ber Soangelifchen ©e*
fe^ichte" unb Derfeßte ber Whthenhhpothefe mit
wuchtigen Hritilhiebeit einen töbtlichen streich,
Don bem fie fich nie wieber erholte. 2BaS aber
etwa noch Don Seben in ihr geblieben, baS löfch*
ten Difchenborf, ©eß unb anbere bermaßen aus,
baß bie Wbtheuhhpothefe fd)on löngft in ber
Bumpeltaminer Derroftet ift. 2öaS Dr. Pool
unter einer geititgenben Antwort Derfteht,
wiffen wir nicht, meinen aber mit taufenb atu
bem, baß bie Schriften ber genannten Wäntter
bem Strauß jur ©eitüge geantwortet hoben,
unb fittb griinbtich betannt bamit, baß er fd)on
langeher fo Dötlig erbrüdt ift, baß fein 2 ßerf in
neueren Bearbeitungen beS SebenS 3efu foum
noch Beachtung finbet.
Die “advancod thonglits” in Deutfchtanb
fittb alfo bereits ein Bierteljahrhunbert über bie
WQtbenhbtwtbeff hinaus. Unb ähnlich Derhält
es fich betreffs beS Darwinismus. 2Bie Diel
iaufeitbe berfelbe auch immer aus ber Wenge
gefangen genommen hoben mag, welch’ neue
Offenbarung er auch oberflächlichen ©eifteru ift,
fo haben bie Beften ber Böller fich hoch immer
gegen bie Berthieruitg beS WaterialiSmuS ge*
fträubt, unb jebent, ber fich Übeneugen laffen
will, bemiefeti, baß eS eine SBelt beS ©eiftcS giebt.
Such biefe BerTütibigung ift leine neue Ent*
bedang, fonbern löngft belannte Beuigfeit.
DaS, was auf beS berühmten BaturforfcherS
3foaf BeWtonS ©rabmal in ber Sßeftmiiiftcr»
abtei ju ßonbon gefchriebett ftef)t: „Des afl»
mächtigen SJlajeftät Derl)crrlid|te er itt feiner
Bhilofopfjie; bie Einfachheit beS EDangeliumS
jeigte er itt feinem SBanbel" — baS bewahr»
beiteten fd)ott löngft troß Darwin unb £kicfel
hunberte ber heften 3nnger ber ©iffenfehaft.
DaS, waS Oerfter, ber berühmte Eittbeder beS
EleltromagitetiSmuS, bezeugt: „Eine gefunbe
Baturanfchauung seigt uns baS ganje Dafein
als ein uttenblicheS 2Bert ©otteS. Die Batur»
roirlungeit fittb ©otteSwirtungen; bie Batur*
aefeßc finb ©otteSgebanfeu," — baS ift baS atte
©laubenSbelenntitiß Dieter, bei benett man “ad-
v&nced thouglits" fncht, tutb Dr. Eoot fpielt
mit feiner Bertiinbigung ben binfenben Boten.
Darwin unb feine Nachbeter tonnten ben alten,
guten ©laubctt an ben allmächtigen Schöpfer,
an welchem HopertiiluS, ©alilei, Hehler, #er»
fchel, Sgafij tutb ßnnbert anbere ältere Batur*
forfcher fefthielteu, nie aus ben “advanced
thoughts” ber Stielt herbannett. SBelche ber*
fetben ftanben immer auf Seite ber hl- Schrift.
Der berühmte Slftronom Wäbter (geft. 1874)
3 . B. ergriff bei feinem leßtctt £>nuSunt 3 ug in
^antioher bie Bibel mit beit '-Worten: „Bor
| allem anbern foll biefeS Buch juerft in unfer
t auS lontmcn. 3d) tniü es felbft hintragen."
ttb auf feinem toterbelager fdfrieb er noch bie
SBorte:
„<£s ift nur lTlenfchentrciben, toeten man ben
Hutjm anfdiaut;
Dod; cti'iij ift unb blcibeub, was (Sott felbft
aufgebaut."
Bohner, welcher in feinem HosntoS ben Dar»
WiniSmuS in populärer SBeife bloßftelit, fagt:
„Bur eiufeitige Hopfe, bie nicht Baturforfcher,
fonbern Buturjcvbuxflcr fittb, Dermeffett fich, bie
Spuren beS bettfeubeti ©eiftcS in ber Statur 3 U
| täugnen."
Slußerbcm hoben — Don Englänbern abgefehen
— Waper, Höttiter, Boltman, BJigattb, Bfctff,
£>elmljolß unb Diele anbere Baturforfdjer baS
Unfinnige ber Darwitt’fdien Dheorien lättgft
nad)getoiefen uttb ftanben fdjott lange welche hon
ben Befteit beS Botts auf ihrer Seite; fo baß
hon einer neuen Offenbarung biefer Dljotfache
burdßtuS nicht bie Bebe fein lattn.
Stuf einem attbent ©ebiete, auf bem beS
praltifchen lirchlichen ScbettS hätte
Dr. Pool allerbittgS weniger belannte Dl)ot»
fadjen anfiihreit lötuteit. tStber bieS ift nicht feilt
ftaef), unb fo hört er nur auf einigen Stubier«
ftuben, baß gläubige Ehriften in Deutfchlanb an
bie ©ritubung einer fyreifirdjc bettfen, was aber
ebenfalls früher fchott 3 tun öfteren berichtet
warb. £nitte er gerabe in biefen H reifen ein
wenig geforfdjt, fo wäre er auf baSSslerl ber
i tt 11 e r c tt W i f f i 0 n geftoßeit, bie fi^ itt iteufter
3eit in Deutfchtanb, geräufdhioS jwar unb ohne
SlufhebettS 311 machen, aber fetjr bebeutettb ent«
widolt hat, unb hätte, wetttt and) nicht über ad-
vunced thoughts, fo bod) über neue, er*
freu 1 irf)e Dhntfachen berieten lönnett.
Der Deutfche wirb feinem Staturcll gemäß int*
mer ein forfcher bleiben, uttb nach wchts uttb
littlS einige advancod tliouglito 311 Jage för*
bem. 3 m ©011301 aber hoben bie gläubigen
Dhcotogen DeutfchlanbS, fowie chriftlid) gefiitute
Saien, in beit Icßtett 3 ahvjchntcii eine entfliehen
praltifdje Bichtung eingcfd)tageu. DaS 3 u «fl =
beutfehtanb hot lief) mit ber Bibel in ber einen
unb mit miffenfchoftlicher StuSriiftung in ber
anbern £)atib — unb Ehtiftuin im —
auf ben Bobett beS realen BotlSlebenS gefteüt.
Digitized by v^ooQie
228
Stifter aus btt eoangelifdjrn Petoecjung.
unb hier Sßerfe, Anftalten, Unternehmungen
linb ©efdlfdjaften aller Art geraffen, bie beim
©efchanen und) ben in ©rftaunen fetien, loeldjcr
bie unb ba mitielft befcheiben gehaltener ©erießte
(Sinbiicfe in biefe Arbeit erhielt. SBeitn ber be»
rühmte ©r. ©oof bolb mieber noch ©eutfcßlanb
wanbert, fo ift ihm gcrabe biefer — ber ©oben
beS praftifchen, lirc^lidtjen SebenS — ju empfeb»
len, unb er wirb bei fleißigem ©efchaueu nicht
foroohl Advanced Thoughts, al§ Advanced, Fade
borführen fönnen.
Silber mis ber etmiigelifdjen Pe=
roeguiig.
Jfür #an« mb #erb non 6. SBeft in ©erlitt.
II.
$<mntng0l)eiligung.
rfreulid) ift’S, baß eS auch auf bie»
fern ©ebiet [ich 311 regen beginnt.
Schon lange befteljt eine ©erbin»
bung junger ßaufleute hier, melihe
bie Schließung ber öffentlichen ©e=
fchäfte 311 m 3 >el fich gefteeft haben,
©iefelben haben auch biete ihrer
©rincipale bafitr gewonnen unb an ben ©eichS»
tag ergeht eine ©etition bebeeft mit 6000 Unter»
fcfjriften nnb folgenben SfufjaltS:
„ 3 n ©rwägung, bah es für bie in faufmän*
rtifd^en unb gewerblichen ©efehiiften thätigen
©erfonen, gleich allen übrigen ,(Haffen ber ©e=
bölferung bon ©otfjwenbigfeit ift, gur Hebung
ihre§ StanbeS. gur fVörberung ihres fittlichen
nnb förperlichen SBohleS, 31 er Srfüttung religiöfer
©flirten, foroie 3 iir SBeiterbilbung einen gefeß»
lieh normirten ©nhetag 31 t haben," bitten bie
Unterjeichneten: „'©er hohe ©eichstag möge ein
©efeß erlaffen, welches bie Schließung berjfauf*
mclitnifchen nnb gewerblichen ©efhäfte an Sonn»
unb Feiertagen anorbnet. Ausgenommen bon
ber ©eftimmung bleiben bie für Seben, ©efunb»
heit, ©ilbung unb (Srßolung ber ©ebölferung
heftehenben Anftalten unb ^nflitutionen."
©iefe letztgenannten Ausnahmen öffnen aller»
bingS eine Wenge .friuterthiiren; boch ift erft
eins erreicht, fo fann man fpiiter noch weiter
gehen. Schwerlich aber wirb bie ©etition @r=
folg haben, benn fic faßt einfeitig nur eine
(Haffe in’S Auge, wäßrenb Sccfer, Weßger, ©ro=
biantläbenbefißer, (Miter, Seßrer unb eine
Wenge anberer Stänbe, welche bem Sehen, ber
©efunbbeit, ©ilbung unb ©rholung bienen, im»
mer noch fonntagSloS bleiben. So 3 . ©. haben
bie ©ifenbahnfdjaffiter nur je ben fiebenten
Sonntag frei unb oft wirb ihnen auch biefer
burch (Sjtrajüge u. f. w. genommen.
Per Pagabunben=Potlj,
welche eine gang bebrohliche £>ölje erreicht hat,
fuchte ©aftor Dom ©obelfchwiugh entgegen gu
arbeiten, inbem er bie Kolonie ©JilljelmSborf
begriiubete, wofelbft Gebern (Gelegenheit ju ehr»
lieber Arbeit, namentlich auf bem Sonbe, gunächft
ohne Sohn geboten wirb. $n ber Hoffnung,
baß noch anbere Derartige” Oolonien begrünbet
werben, übernahm S. tönigl. Roheit ber ,0\rou*
pring bon ©reufeen baS ©rotectorat über baS
Unternehmen. Auch ©aftor Don ©obelfchwingh’S
©iafoniffen*Anftalt ift befannt.
Per ,Japke7d|e lall''.
3war gehört biefe Sache eher bem fojialen, als
bem chriftlichen ©ebiet an. ©och hat bie Sache
genug Staub nufgemirbett unb barum fei fie
auch hier fürs erwähnt, ©er reformirte ©rebi»
ger &apfe ift einer ber eifrigfteu (fanipcn ber
chriftlich fojialen nnb nnfijübifchen ©artei. 3 um
©rogramm berfelbeit gehört es auch S« erftreben,
bah 3 l, ben nicht ©ichter fein folleit über baS
beutfehe Solf. ©hotfache ift es, bafe fie fich.
Dielleicht nicht ohne ©lau, in ©taffe 311 m ©ich*
ter» unb AbDofateiuStanb brängen, fobaß bie
Gßriften fich mehr «ab mehr jurücfjieljeu. ©odj
“what is the matter”, ©rebiger .ftapfe foüte
in einem 3c>tungSftreit als 3eiigc fungiren unb
ben 6 ib oblegen. 6 r aber fragte ben ©ichter,
er möge erft ihm fügen, ob er auch deutlicher
Gonfeffion fei. Seine Weiming war —er wolle
ben alten djriftlichen @ib, mit bem 3 nfoß „burch
3 fefum ßhriftum u.f.w." ablegeit unbbaStöitne
er nur Dor einem Gljriften thun. ©er ©ichter
Derweigerte bie AuSlunft unb ba ©rebiger £apfe
fich 3 « fchwören weigerte, würbe er jn einer
©elbftrafe Don 300 W. — 311111 hßd)fteu Straf*
maß, unb gu ben (foften ber ©erlegung beS
©erminS Derurtheilt.
„Aber fonnte ^>err £)apfe nicht, ba er bodj
einmal Dor einem ©ichter ftanb, oer nicht im ei*
gelten, fonbern in beS Königs ©amen ben @ib
Don ihm Derlangte, benfelben leiften?" Uitfere
Weinung ift, baß er baS aderbingS hätte thun fol*
leit, gumal er auch ben chr i ft li che n ©ichtern nicht
in’S .fterg feheit fann, unb matidjer babei ift, ber
nicht einmal an einen lebenbigeit ©ott glaubt,
gefchweigc benn an feinen Sohn. ©S lag hier
mehr ein politifdjer Sdjacljgug bor, ber, fo lange
bie ©leichberechtigung aller beiitfd)en ©eichsbiir*
ger wahr bleibt, was wir boch hoffen, total Der*
fehlt ift. ©och biefe ©leidjberechtigung hat bei
oielem Sicht, auch <h« Schattenfeiten, bie man
in’S Auge faffeit muß, wenn man ben bicfgelä*
fterten Wann begreifen will, ©ie neue ©efeß*
gebung hat, um alles unter einen $ut gu
Digitized by v^ooQie
gilbet aus bet eoangelifdjen gttoegung.
229
bringen, bie alte GibeSformel, welche djriftlidjeit
Gharafter trug, abgefCßafft. ©tan fchmört icgt
nur, noch bei (Statt, bem 9(Umäd)ttßeit. ©011 ba
an fam bie gluth jübifc^er DtedjtSgelehrter über
uns, unb baS Semußtfein, Don 3 u b e n gericß»
tet gu merben, bie |icfj in toerOrtltnifetnäBig großer
9Iugahl in biefen Staub brängen, Derleßte baS
cbriftlidje ©emußtfein tief, um fo mehr, ba in
©erlin 45,000 3üben moljnen, meldje baS ©rä=
fibium bes ©tagiftratS, bie ©reffe, bie ©örfe,
bie größten ©efdßifte, bie fdjöttfteu Käufer in
Mnben haben. Die djriftlid) = fociale ©artei
faßte batjer unter bem ©orfiß Don fterrn £>of»
prebiger 3 toder folgenbeu ©efchluß:
„Die Steigerung unfereS ©arteigenoffen, beS
£etrn ©vebiger $äpfe, Dor einem jiibifchen ütidj»
ter einen Gib gu fchmören, ift, obmohl fie bem
gelteitben Stecht nicht entfpr'tcfjt, boc^ für baS
d)tifHid)=beutici)e ©emußtfein ber berechtigte 9luS»
brud einer ©emijjenSnoth, melche gegen bie
obrigfeitlicßen «Stellungen ber gilben proteftirt
uub' gugleidh ben erroiinfcbten 9lulaß gu einem
bringeubeit Grfuchen an bie ^Regierung unb ©e»
feßgebting flieht, ben djviftlidjen Deutfdjeu ba§
Stecht mieber 511 oerfdjaffeu, ihren cßriftlichen Gib
nur oor Gpriften fdjmöreu gu biiifen."
$ated)ismnsftrtit im Sabifdjrn.
Saben ift noctj eine ftarfe Sing bes Stationa»
li§muS. 3®er fennt nicht ben fluten .freibelberger
Äate<hi§muS? Derfelbe mar ber ®t)itobe gu
fromm, unb fie befchloß einen neuen eiitgufüh*
ren, au§ toelchein MeS auSgemergt fein foll, maS
entfchieben rechtgläubig ift. Gine 9lngal)l babi*
f«her ©emeinben bat an ben Oberfirdjenratl)
eine ©etition um ©eibebaltmifl beS alten pofiti»
Den Äatecbiämuä fleriditct. Diefelbe mürbe nicht
nur abgefchlagen, fonberu bie ©farrer, meldje
fie mit untergeiebnet batten, erhielten auch noch
einen giemlich fdjarfeit ©ermeiS unb mürben be»
fbulbiflt, ,,ib« ©flicht nicht richtig erfaßt unb
geübt ju hoben," mährenb fie hoch nur ben Der*
fajfungSmäßig erlaubten ©öeg ber Sitte betraten.
5 )ie Äirchenbebörbe ertlärte fogar, bie betreffen»
ben ©eiftlicben hätten ihre ©emeinben belehren
fotlen, baß ber neue Katechismus fliit unb „aus
bem GntroidluugSgnng ber SanbeSfircße feit ber
Union gu ertlären" fei. Das „Sabenfche Kirchen»
blatt" bemerft hierzu: „'Damit ift nichts©nbereS
berlanflt, als baß bie betreffeuben ©eiftlicben
ihre - eigene Uebergeugung guin Cpfer bringen
unb gegen biefelbe hanbelu follen. 3aS ift ein
©erfahren uon «eiten einer liberalen Rird)en=
behörbe, melcbeS menifl liberal erfebeint. 3 cm ft
rebet man in ben proteftantenDereiuliihen Rrei«
fen fo Diel Dom ©enieinbebenmßtfein, bem Stech»
nung getragen roerben muffe. ©Jarum läßt
man biefen ©emeinben nicht ben alten RatecßiS»
muS, in roelchem fie allein ihres $ergenS Ueber»
geuguug finben ? 3«« heißt eS, bie fircßliche Gin»
heit muß gemährt merben. ©her bie ©efennt»
niffe fdjafft mau ab, baß in ©egug auf bie £>eils=
thatfachen ©JorgenS ©ein unb ©tittagS 3® auf
ben Rangeln gu hören ift. Damit ift unb bleibt
bie Ginbeit gerftört, unb auch ein neuer KatedjiS»
muS ftellt fie nicht mieber her."
git (Soangelifdge ^Uian}.
3;n Serlin fanben in ber erften Dollen ©ßoehe
be§ neuen Jahres höchft gefegnete ©erfamm»
lungen ftatt. 3ü>ar feine © e b e t § Derfamm*
lungen — beim fo meit finb mir noch nicht —
aber hoch rebeten unb beteten je gmei Derfchiebene
©rebiger an febem ©Lbeitb über bie Don ber
Mittag Dorgefchlagenen ©egcuftäiibe in ermed»
lidher ©Seife. GS mürben in einer ©Joche 18 ©er»
faminluugen doii 36 ©ebnem gehalten, unb eS
fei ’ ginn ©ahnt ber ©erliner ©titglieber ber
GDaiigelifdjen Miang gefügt, baß fie auch an
unferm fleincit Häuflein hier nicht Doriiber»
gingen, fonberu bem ©lllianggebanten burdj ©luf»
nähme beS ©rebigerS in’S Gomite unb burd)
Uebcrtrngung einer ©Infpracße ©luSbrud gaben,
©lud) ber ©aptiftenprebiger mar ginn Gintritt
in’S G 0111 ite * aufgeforbert roorben, hot es jeboch
abgelehnt.
gtetl)obi|tifd)es.
©SaS thiin aber bie ©tethobifteu ? fo beiden
©taudje. ©ottlob, eS laufen gut? ©erießte ein
Don Dielen Segirten. 5;aS SofungSmort, roomit
bie Dcreinigte ©rebigerDerfainmlung ber brei
metbobiftifchen ©emeiiifchafteu auSeinanbergiiig:
„9luf jebem ©cgirf eiiicGrmedimg!" geht in Gr»
füllung. ©ud) in ©erlin finb mir nicht müßig-
9Senn mau aber irgenbroo einer ©eineiitbe Un=
recht tf)ut, ihre ©rbeit nad) bem 3 'imachS an
©liebergoßl gu beurtheilen, fo märe es hier.
3 mar hat fid) nufere 3 «hl Derboppelt, unb mir
haben jeßt 100 ©titglieber, hoch ber SBeggug
ältancßer in entlegene ©tabttljeile ober nach ouS*
märtS, ber ftete iffiechfel in ber 3ohl ber jungen
fieute, bie mir für eine 3 eit fi<h hier aufhalten,
macht eine ftete Grmedung bei 1111 S gur ©oth»
menbigfeit, um nufere 3 .ohl botlgu halten. $a»
her mrrb ©erlin ftetS ein Sorgenfinb bleiben,
menn eS nicht an mehreren Guben befeßt mirb,
fo baß ein 2heil beit anbent fließt. ‘Den ©nfaitg
bamit haben mir gemacht. Gine moljlmollenbe
jübifdje ^ame überließ uns einen Saal in einem
©eßöfte Don 1400 Seelen auf ein ©ierteljaßr
gratis, ©tit 2 bm>erfaiiimlungeii lodten mir an
Derfcßiebenen 91 ben ben 1000 Derfchiebene ©er»
fonen, eilte uub junge herbei unb prebigten unb
fangen ihnen baS Goangclium. 'Daraus ent»
fprang möchentlichc ©rebigt, eine Sonntagfdjule,
bie jeßt im ©Sinter üon 150—200 Rinbern be»
fucht mirb, eine 3?lidfchu(e mit 90—100 ©täbdjen
Digitized by v^ooQie
230
Umrrikattiftye Juguögel
unb im 9l4kbecein bon grauen, ©otteS Obern
roeljt jefct Uber bas arme botn Unglauben <ie=
bienbete SSolt unb eine fd)öne (Srmeduug unter
ben älteren Äinberu ift im ©äuge. 'Eie S3ctebv=
ten beten täglich miteinanber. (Sine ©cbwefter
befugt als ©ibelfrau bie i?eute non £)auS ju
£>auS. Oocb gebt baS ©emeinbebilben bei ber
fcbredlichen Unmiffcnbeit unb Skrtouimenbeit
ber fieute nur langfam unb mir treiben Diel mehr
SJtiffionSarbeit bi« im Storben. Oer ©aal toar
unS-getünbigt roorben — ber Oeufel wollte uns
einen ©treicb fpielett. SBir ipielten ibm bann
jroei — mir einigten uns im 'fkeiS mit bein
£)au3f)t'rrn unb bleiben mieber unb mietben im
Vertrauen auf ©otteS gnäbige .fiiilfe noch einen
aubern ©aal im ©üben ber ©tabt, an ber
©renje ooit Stirborf.
(fine Icuct)t bes öhumenifd)en |itett|ot>i(ten=
(foncils.
Sine liebliche Jrucbt beSfelben finb bie fcbon
öfter in SBürttemburg beranftalteten 3ufantmen*
fünfte ber ißrebiger ber brei metbobiftif<ben ©e»
meinfdbafteu. (SS b?«f<kt kolbe (Sintradjt, nicht
nur auf bein Rapier — icb meine in bereit brei
SMättern, fonbern amb in ber ibat. Stuf ben
11. 3?ebruar mar ein gemeinfamer 33uj}tagau8=
gefcbricben. „(Srnfte 3eikn," büßt eS n. 91. im
9tufruf, „finb bie über uns gefommene fjngel,
©eroitter, SRegengüffe, große UnglüdSfälle, Ue«
berfcbmeinmungeu. Stiir molleil baS Xanten
nicht üergeffen — bie gute fjanb ©otteS mar mit
uitS, beim er bat uns ©ieg unb ©egctt gegeben
unb unfere ßircbengemeinfcbaften nehmen eine
91cbtung gebietenbe, nieücictjt nodj incbr93eforgniß
erregenbe ©tellung ein, aber es fehlt uns an ber
rechten, angreifenben, erobernben unb bann auch
beroabrenben Südjtigfeit. Oiefe ©aben tonnen
mir nur burcb eine reiche SluSgicfsung beS beili*
gen ©eifteS erhalten. SBir hoben ju trauern
über unfere ßerföulicbe uuboUfommene 9lmtS«
auSrüftung unb unfer noch fo mangelhaftes
geiftlidjeS ilebeu. SBir haben gemeiufame ©ün«
ben §u betennen, gemeiufame ©cbäben ju befei«
tigen unb um eine gemeiufame SluSgiefeung beS
heiligen ©eifteS ju flehen." 3n einem folgen
Söinbesfäufeln ift ber fjetr.
Jlmmkanifdj* Jugtfogel.
gier $auS uub £erto bon Xr. ß. g. $autnS.
T*r amerifttnifdbc SWobin. (9lotl>brufi.)
Digitized by v^ooQie
^tnmhanifdjt JugoögtL
231
„Sine Schroalhe madjt feinen Sommer", unb j
bod) freuen mir uns ftct», roenn mir bie crfte :
Schroalhe mit ihren fchlanfeti Flügeln bie Suff
burcheileu unb in ben fühnfteit äiknbungeu balb
hier» halb bortfjin, balb auf* balb abroärtS fchie*
Ben fehen, als jubelte fie öoü 2uft unb Selig*
feit bem roiebergefehtlen Frühling ju. „Sine
Schmalbe macht feinen Sommer", auch fiele I
Schmalben; aber roenn ber Frühling in’S S2anb
gezogen ift, roenn bie männeren Soiinenftraljlen
baS ©ras unb bie lieblichen SrühüngSblüinchen
feen Schleier oerhüllt — blöfclich fiub fte ba, bie
munteren Frühlingsboten unb erfüllen f^elb unb
Söalb mit Siuft unb Sieben. Unb roer, ber einen
Sinn hot für baS Höchen unb Sieben in ber Ufa»
tur, freut fich nicht beS munteren ©ru|eS, mit
meinem biefe ffinber beS ©efangeS roieber in
ihrer alten .fceiinath eiitjiehen !
SS bebarf baher rooljl feiner Sutfchulbigung,
roenn mir bem geneigten Siefer bieSmal einige
ber befannteften unb beliebteren 3ngoögel nnfe*
rcS SanbeS in ißort unb SBilb oor Hingen führen.
Gteffofte Uioffel. (Mottled Tlirusli, Brown Thrnaher.) — SEBalbbroffel. (Wood Tlirusli.)
roacbgefiifgt haben unb an Saum unb Straud)
bieilnoSpen fproffen, bann lehren bie Sdjroalben
mieber unb mit ihnen unb gum 2()ei( fd)on lange
öor ihnen bie übrigen geflügelten SBanberer, bie
fi<b bor ber Söiuterfälte nad) bem roarmen Sii=
ben geflüchtet fjatten. $ort Ijflben fie bie 5öin=
termonate gugebrad)t; aberfaum beginnt in un=
feren mittleren unb nörb(id)en Staaten ber
ftrenge SBinter bem $rüf)ling gu meinen, fo er=
madjt ein gebeimnißuolleS Stegen unb drängen
in ber fleineu Sruft unb eine gewaltige Seim*
fudjt nad) ber Stätte, ba fie guerft ba* Siebt ber
SBelt begrüßt, ergreift ba§ muntere Sölfcben,
baß fie nid)t länger ferne bleiben .fönnen. • Unb
ob ber grimme ffiinter auch nur langfam meiebt
unb oielleidjt ein oerfpäteter öibneefaH ba£ frifd)
aufgefpro&te ®rün noch einmal mit einem mew
SMr beginnen mit bem Ciebling unferer Sfiiu
berroelt, bem amerifanifeben 9t o b i n, ber
meift fd)on mit ben erften Frühlingstagen bei
un§ cintrifft. 9tad) 9lrt ber iroffeln, beren
Familie er angebört, febeu mir bann ben großen
grauen Sogei mit rotfjer Sruft auf bem Soben
umberbüpfen, unb gmar gewöhnlich in Slbfäßen.
Semerft er etwa* 9luffallenbe§, fo febneüt er ben
Sibtoang nach oben unbgurft gleichzeitig mit ben
klügeln nad) unten, mie e§ untere 91bbilbung
geigt. SBirb er aufgefd)eud)t, fo flattert er in
anfdjeineub täppifeber SBcifc über ben Soben
bal)in, mo mögl’nb non einem Sufd) gu anbern,
bat er fid) aber einmal gu einer gemiffeu £)öbe
erhoben, fo ftreidjt er mit aufterorbentlicber
Scbnelligfeit bureb bie fiuft. Seine ^ Währung
beftebt in ^rüebten, Sämereien, Büfetten unb
Digitized by v^ooQie
232
Umtrihantf^e 3iigoögel.
SBütmern. fDtit Vorliebe halt fid^ ber 'Jtobiit in
ber 9 tiif)e nteufc^lic^cv Söohnungcn auf, .faft
fifjeint eS, als fucf)te er gefliffentlidj bie ©cfell*
fdjaft ber fDienfdjen. $)afür genießt er aber auch
gemößulith bereit ©unft uitb ©chufc, imb rno bies
ber gall ift, wirb er außerorbentlich gähnt. 2>aS
SBcibdjcn legt 4—5 Hier üon hellblauer Jarbe.
3n 9—10 SLagett fchlübfen bie jungen ÜÜögeU
(heu aus imb roerbeit bann Don ben ©Ilern mit
göttlicher Sorgfalt gepflegt, bis fie groß genug
finb, felbji für fid( gu formen, morauf bas (Slterit*
' ©taaten an, unb bann Dernehmen mir oft, be=
fonbers in früher DJtorgenftunbe, feinen ntelo*
j bifchen ©efang. 3 nt '-Benehmen unb ber Sehens*
; meife hat bie rothe $rofjel oiele ülehnlichteit mit
bem 'Jtobin, nur ift fie oiel furihtfamer als bie*
fer unb berbirgt fi<h baljer gerne in niebrigem
iBufchmert. Sluffallcnb ift, baß nufer SBogel
mährenb feines SöinteraufenthaltS im ©üben
niemals fingt. (Sr fcheint in biefer 3«it an einem
brüctenben fteimroeh gu leiben, roelcheS ihn erft
bann mieber oerlaßt, menn er bie fyrühlingslufl
Staltimorcbogtt (Baltimore Oriole). — JlafcentHtytt (Cat-Bird).
paar nid)t feiten noch ein gmeite» 9Jtal brütet.
3öie bie ineiften 2)roffeln, fo ift auch ber 9tobin
ein angenehmer Sänger, obroobl er in biefer
£>infidjt bon Dielen feiner begabteren SSertoanbten
toeit übertroffen toirb.
3Die größte $rojfelart in ben bereinigten
Staaten ift bie gef iedte ober rot^e3)rof=
fei. Sie mißt Don ber Spiße beS Schnabels
bis -juin Schmante napejit einen 3 mß- ^b* ©e*
fieöer ift oben rötblicb grau, unten gelblid) weiß;
über bie fjlü^et Rieben fi<b ^roei roeiße Streifen,
bie burd) einen fibroar^en 9tanb beroorgeboben
toerben, unb bie Sruft ift mit Dielen bunflen
gierten befäet. 6 rft Anfangs 9Jtai tommt-biefer
ftattlidje, aber fdbeue S3ogel in unferen nörblicbeu
ber nörblicfjcn Staaten atbmet. 9teben ber rotben
2)roffeI jeigt unfer 33ilb noch Die Dcrmanbte
Sßalbbröffel, meldjegleichfalls 31 tben heften
Sängern unfereS SanbeS ftäblt. 2>ie s ^alnie in
ber Äunfi beS ©efangeS aber gebührt Dor allen
amerifanifeben SingDögeln bem gleichfalls ber
©roffclfamilie gugebörigen S p o 11 o o g e 1,
beffen Sang an SReinfjeit unb gülle beS ioneS
nur roenig hinter beit glötentönen ber euro*
päifcben 9iad)tigall gurürtftebt, roäbrenb er in
ber 9Jtannigfaltigfeit ber SangeSmeifeit Don fei*
nem anberen SSogel erreidjt roivb. 2 >ennjn ber
9 lacbabntung’ frember Söeifen befißt ber ^>pott=
Dogel eine uubeftrittene 9Jteifterfcbaft.
feiner ber fd^önften 3Jögel 31merifaS tjl ber
Digitized by LjOOQle
Umerihanifd)' Jugoögel.
233
7£ 3oH Innige oraugegelb, fcbarladjrotb unb
fchwarj gefärbte Saltimoreöogel (Balti¬
more Oriole). Diefer prachtbolle Sogei zeigt
eine ganz befonbere ©cfdpdlühteit in ber Sin«
fertigung feines Steftes. Daffelbe bilbet einen
8 — 10 3»ll langen Sad, welcher meift in be=
beutenber £>öbe iii ber ©abel eines 3weiges auf«
gebangt ift. 3»* Uebrigen ift ber Sau oevfd)ie=
ben je nach bein Saitbe, in meinem ber Söget
roobut. 3» beit fiiblichen Staaten befteljt bctS
Steft aus fogenanntem „fpanifchem SJtoofe" unb
Staupen unb Jtafern, toelcbe fie bon ben 3mcigen
unb ©tattern ablefen ober fliegenb oerfolgen
unb mit großer ©cfd)idlichteit crbufchcn. Schon
frühzeitig iiu 3 ah« treten fie il)re SJanberung
nach Dein Silben an. Dann fiebt man fie oft in
bober Suft, meift einzeln, unter lautem, tönen«
bent (Sefcbrei unb mit großer 8ile babinfliegen.
6rft gegen Sonnenuntergang feilten fie fid} nach
l geeigneten Säumen bernieber, fmben boftig etwas
I fcblafcn, friibftüden unb feiert bann
I ihre Steife fort. 3b* ©efang ift einfach, ober
(Wurbler). - «Solbfmt (Coldüi.ch, Yellow-Bird).
ift fo loder gebaut, baf? bie Saft überall leicht
binburcbbringeu fann; baS 3nncre enthalt auch
teinerlei wärmeitbe Stoffe, ja ber Sau toirb fo«
gar auf ber Storbfeite ber Säume angebracht,
ffn ben nörblidjen Staateit bagegen toirb es an
Sroeigen aufgebängt, toelcbe ben Strahlen ber
Sonne atisgefeßt finb, unb innen mit ben toärnt«
ften Stoffen auSgetleibet. DaS 3;hier richtet ficb
alfo ganz nach beut .Oliiua ein. Das SBeibdjen
legt 4 — 6 Gier. Stad) 14tägiger Sriitung ent«
fblüpfen bie 3ungen, unb brei SJochen fpäter
fmb fie flügge. Seoor fie auSfliegen, hängen fie
ficb oft an bie Slußeufeite bcS SteftcS au, unb
fhliipfen aus unb ein wie bie Spechte. Die
Slabruitg ber Saltimoreoßgel beftetjt in Saum«
fruchten aller Slrt, unb wenn biefe fehlen iit
äußerft angenehm wegen ber f^ülle unb beS
JOohliautS ber wenigen Däne. Der hefannte
ft et ß e n 0 o g e t (Catbird) gehört ber Familie
ber Droffeln an unb berleugnet bereit Slrt in fei«
ner SebenSweife feiiteSwegS. SluS feiner Stube
aufgefcbrecft, floßt er einen Sdirei aus, welcher
an baS 'DJiaucn einer jungen ftaße erinnert —
baher ber Staute „ftoßenoogel".
Si'enige unferer gefieberten Sieblinge finb fo
allgemein befannt unb gefcfläßt wie ber ame«
r i f a n i f d) e © o l b f i n f, ber fid) burch ffiröfle,
©eftalt unb fjarbe als ein „naher Serwanbter"
bcS ftannrieimogelS erweift, unb baher auch bau«
fig als „toilber ftanarieiwogd" bezeichnet wirb.
Das öefieber beS ©olbfititen ift fd)ön citronen«
gelb, Schwanz unb Schwungfebern finb glänzenb
Digitized by v^ooQie
234
jtmtrihnnifd)' 3ugoögel.
f^tnarj. Dies ift jcboc^ nur bas Sontmcrfleib
bes männlichen Sßofletö, bie Sarbe bes 'J^eibdjenä
unb mährenb ber £>erbft» uitb SBintermonate
auch beS Wänncheuä, ift ein fd)lichte3 0lioeit=
braun. 5rüh, meift fchoit im Wärj, crfrfjeint
ber ©olbfint in größeren ober tleineren Sdjioär»
men wieber in feiner nörblicjhen £>eimath. 3in
3lpril legt baS SL'eihchen fünf loeifsliehe gier,
toeldje am ftumpfen Silbe braun punttirt fiitb.
$er fjflug beS ©olbjtuleu ift wellenförmig, aber
leicht unb jiemlich fcjhuell. Seine ^iahviuiji he»
fteht oorjüglidj in Heineren Samen. Sein ©e=
burchfriechen fie auch bie bidjteften öedeit mit
unnachahmlicher ©emanbtheit. 3hr §lug ift in
ber Siegel fdjwerfällig unb toanfenb, woraus es
fiel) erflärt, baß fie außerhalb ihres fchüfcenben
©ebiifd)eS äufierft fdjeu finb. 4Ule Slrten ohne
Ausnahme finb oorjiigliche Sänger, unb etliche
finb wahre Weiftet im ©efang. 3« ben fchön»
ften Wirten biefer fjamilie gehört bie ©olb«
©raSmÜcfe (Golden Warbler), weldjt ftd)
bei ofehgrauer ©runbfarbe burch bie rothgolbene
Färbung beS Scheitels unb ber erften unb jwei«
teit ÜReihe ber glügelbectfebern auSjeidjuet.
ßolibvt (Htimining-BIrd). — Vlautoogel (BHie-Bird).
fanc; ift fdjmad), nber angenehm unb Don be=
beutenbeni Umfang. 3n ber ©efangenfdjaft
er fid) eben fo gut, mie ber Slauarienbogel,
auch geminnt ber ©efang gefangener Sögel halb
aufcerorbentlid) au Starte unb 2Hannigfaitigtcit.
Sieben bem ©olbfinfeu erbliden mir auf unterem
£)o(gfcf)nitt eine © r a § in ii cf e in hängenber
Stellung. $i* ©raSmiirfen bilben eine ^aI)U
reiche Familie, beren einzelne 9irten einanber
oft fo ähnlid) finb, baß fie nur ferner unters
fcf)ieben merben tonnen. fiebhaftc Srärbun^ ift
feiten, menn aud) nicht (ländlich auSgefdjloffen.
91uf bem Soben finb bie ©raSmiidcu cbenfo un=
beholfen unb fremb mie bie ®roffcln auf ihm
beimifch finb. 3>m ©ebiifch bagegen bemeifen fie
ihre Sleifterfdjaft. Siunter unb bemegungSluftig
90?it menigen SJorteu ermähnen mir fchließlid)
noch ben 93 i a u u o g e l unb ben fi o l i b r i,
meld)e unfer lehter ©olguhnitt barftetlt.
®er aumuthige Slaubogel, ber fchon in
ben erften marinen Frühlingstagen auf ben
höchften 3meigen ber Säume ober auf 3äunen
unb freiftehenben Sfoften fitjenb, bie 2 öne feines
herrlichen ©efangeS in bie laue FrühliugSluft
hinausjubelt, gehört au ben befannteften unb
beliebteften Sögeln unfereS SanbeS. ®ie Ffflrö*
; beS Slaimogels ift auf bem Süden unb auf ber
Oberfeite ber Flügel unb beS Schmants ein tie*
feS himmelblau, unten ift bie ©runbfarbe ein
i fchmftrulichcs Sraun, nur bei bem Siänndhen ijt
bie Sruft lebhaft *iegelrotf) gefärbt. 3)ic@d)ön*
heit feine« ©efieberS, bie Snmuth feiner Se-
Digitized by v^ooQie
3m alten $d|loft ?u Stuttgart.
235
wegungen unb bie Sieblidrfeit feines ÖefougeS
machen ben '-Blauoogel jurn Liebling aller Autitr*
freuiibe. 9tod) ühöner aber an ©eftalt unb f?fär=
innig ift bev S\ o l i b r i. tiefer tleine IBogel ift
ein wahres 'Alieiftrrftiid ber Utatur. Seichtigteit,
Schnelle, ©emanbtheit, Aumutb unb reicher
Schmud — alles ift biefent Keinen Siebling ber
Aatur ju 3l^eit geworben. 3Ber bliebe nicht be=
ttmnbernb ftetjen, wenn er eines biefer lieblichen
©efchöpfe erblicft, wie es fchwirrenb burch bie
Suft fließt, fich in ihr wie burch 3a«ber f^ft-
bält unb noit SJluine ju IMitme gleitet, glänjenb,
als märe es ein Stiirf beS IRegenbogenS, welches
fo lieblich ift, wie bas Sicht fclbft ? Sange glaubte
man, baß ber Jttolibri nur non bem iponig lebe,
welchen er nad) Art ber Schmetterlinge aus ben
IBIumen fauge. Tiefe Anfidjt hat fich jebodj als
irrig erwiefen. Stießt ber £>onig, foubern bie
Keinen Snfeften, bie fich in beit ©lumentelchen
befinben, hüben bie £>auptnabrung biefeS wun*
berbaten ©efchöpfes. (Ss giebt Derfcßiebene Wirten
ftolibriS, beten ©röße in weiten ©rennen
fdjwanft; benn einjelne tommeu ben Keinften
Sienenfreffern an SeibeSgewicht gleich, anbere
finb tauut größer als eine fjummel. 3» ben
größeren Wirten gehört ber bei uns (ebeube no rb«
amerifanifehe Kolibri, beffen ©efieber
auf ber Cberfeite grün mit ©olbfchimmer, an
SBruft unb £>alS tarminpurpurfarbig ift, unb
beffen Schwung* unb Steuerfebern purpurbraun
gefärbt finb. Tie 35erfuche, ffolibris in ber ©e«
fangeitfchaft ju erholten, finb bis jeßt alle fehl*
gefcßlagen. TaS äHjerifche Seben biefer freien
iffinber ber Suft uub beS SonueitfcheinS faitn in
bem bumpfeit ßäfig ber ©efaugenfchaft nicht
geheißen. Ter Äolibri tnufj frei unter freiem
j£>immel leben ober — fterben.
4c>iemit fei’S genug filr bieSmal. 2Bir wollen
uns freuen ber munteren itinber beS ©efangeS,
bie nun mieber bei uns eingepgen finb, unb bie
2ßeiSßeit unb Siebe beffen preifen, ber fie unS
jur Saft unb greube erfcßaffen hat. Ter SSater
im £>imntel gewährt feinen Stinbern nicht nur,
was ju ihres Sehens Stotßburft gehört; er er*
quicft auch Auge, Cßr unb £>erj burch bie 2Bun*
ber ber Siatur unb werft baburch ben Sinn für
baS Schöne in beS Wenfcßen ©ruft. Tie @rbe
ift Doll ber @fjre beS fjerrn, unb wer mit offenem
9luge um fiel) febout, erfennt auf allen Schritten
baS SEBolten beS Allmächtigen, in bem wir alle
leben, weben unb finb.
|m ulten ?ti Stuttgart.
Sa« ©ujtau Strittig.
S mar im Igah« 1849. Ter bobifdje
Slufftanb war eben mühfam unter»
briirft worben, aber ber gehoffte
fRüdfdflag auf bie ©emiither ber !
Stebellen unb ihre (Sinfchüchternng burch
ben ftegreießen (Sinjng beS 'Urinjen 2Bil=
heim oon ipreufeeit ließ fich in SBürttem*
berg noch tauut oerfpüren. Iler ftönig
Don SBürttemberg lebte feit einiger 3*ü
in ftiller 3nriirfgejogenheit auf feinem
Schlöffe in SubwigSburg. Unter ben fö«
niglicßen Gruppen ßerrfeßte noch ba unb
bort ein Don ben fReuolutionäreu eifrigft
genährter ©eift ber SBiberfpenftigfeit unb '
Sferbroffeuheit. Ten Sicherßeitsbienft Dor '
ben föniglichen Schlöffern in Stuttgart, ;
fomie Dor ben bortigen StaatSgebäuben hatte
bie Sürgermeßr übernommen. Auch ich war in
biefelbe eingereiht. Wit Kingenbem Spiele
waren wir an einem SantStag Nachmittag auf
ber Scßloßwache aufgejogen. Wirf) traf als
einem ber Süugften, obwohl ich fdjon feit brei
fahren mofjlbeftallter (Shemanit war, bie Auf*
gäbe, im innetn .f>of beS alten SchloffeS bei bem
finftem gewölbten ©ang, welcher Dom £ofraum
jur Silbertammer führt, in ben Wittern ad) tS*
ftunbeu Don jwölf bis jmei Uhr ben SBachtpoften
ju bejiehen. Khirje 3eit üorher wollte gleichfalls
in ber Witternachteftunbe ein Äamerab eben
bort bie „weiße grau" gefeheu haben. 3cß ge*
hörte Don früher gugenb nicht ju benen, bie
man „giirehtepuße" ju nennen pflegt. Allein an
jenem Abenb gab es fich ganj Don felber, bajj
nufere ©efpräcße in ber Skcbtftube auf baS
Kapitel ber aufgetlärten unb unaufgeflärten
©efpenftcrgefchidrfen fich teuften. 2öir faßen
unfere 3wö(f, weift gute ©efannte, ini großen
Söadjtlotal, linb fuchten uns bnrd) allerlei 'f. ! lan=
berei bie 3eit ju Dertreiben, bis uns um jwölf
Uhr bie 'fktrouiUe jum Tienfte abholcn füllte.
„Ah bah," rief einer ber ©enoffen, als baS
Wärdjen Don ber „weißen grau" Don einem ber
Aitmeienben im Tone großen ©rnfteS unb tieffter
Ueberjeuguug jur Sprache gebracht worben war,
„niemals werbe ich folcbeu Gingen irgenbwelcheu
©tauben bei weifen. Tenn noch nie in meinem
Seben, unb ich Jdble heuer ben fünf jigften Som*
mer, iftmirbaSminbefteOorgetommen, was fich
nicht, wenn es auch Anfangs unheimlich unb ge*
fpenfterbaft fd)ien, fpäter auf bie natürlidjfte
Digitized by v^ooQie
236
3m allen Sdjloß ju Stuttgart.
Weife aufgeflärt hätte. 34 war ein Dierzehn»
jähriger Äiuilic uub tollte in einem ölten hoben
unb geräumigen '-Pfarrhaus bie Serien ju»
bringen. Oas £>aus mor ehemals eine -Probftei,
nnb manche unheimliche WföuchSgefcbicbte, bie
fidb bafelbft obgefpielt, batte ans einem grauen
9lftenftoß ber ^kobfteiregiftratnr ifjreii Weg
unter bn§ tßublitum gefunben.’Oie Wtöucbe mit
flirrenbeii Jtctteu au Firmen unb deinen, follten
nach allgemeiner Woltsfoge am hellen liebten
Sage bie Jreppeu heruntergefchliirft fommen
unb hinten in bein fogenonnten /Jolterfäinmer»
(ben berfchwinbeit. 9luch wollte man öfter« ein
berjjerreifeenbeS 9le<hzen unb Schluchzen Don
bortfjer Dernoinmen haben. Oer in meinem
9llter ftebenbe Sohn be« ebrwiirbigen Jtforr»
berrn ging nun mit muthroilliger Schobenfreube
barauf aus, meinen jüngeren '-Brubcr unb mich
baS ©rufein -tu lehren. (Sr fdjlief mit un§ in
berfelben Stube, welche ber ftolterfammer be»
naebbart war. Schon ben Sag über batte er
uns auSerlefene ©efpenftergefchiihten erzählt, bie
ihm nächtlicher Weile wiberfahren fein follten,
uub mit einigem Sangen febon betraten wir baS
fragliche Schlafzimmer. ©ben als wir, mit
9Jiiibe bie ©rinnermig an baS ©chörte itieber»
fämpfeub, eiufchlafen wollten, begann ber
SfarrerSfobn au« feinem Sette heraus behaglich
aufs neue: mir follten ja nicht erfchrerfen. wenn
gegen zwölf Uhr ein ungewöhnliches ©eräufdj
iin 3immet fich Dernebmcii loffe; um biefe 3eit
pflege ber unter ben Scttftelleu fich anfbaltcnbe
©eift fich aufzurichten, bie Settftelle auf feinem
Würfen in bie .frohe zu beben, nnb bafelbft mit
unheimlicher ©efebminbigfeit im ffreife tanzen
zu laffeu. Wenn er bicS ffimftftiirf an allen
Sewobnern beS Schlafzimmers oollfiihrt habe,
pflege er mit einem bonneräbnlicben ftracb bie
Stube zu oerlaffcn, unb ber ©efpenfterfpiil habe
für bie Wacht fein 8nbe gefmibcn. Sag ber
jüngere Sruber unb ich in jener Wacht im 9(ngft»
fdjweiß gebabet unb eng aneinanber gefcfjmiegt
ber Singe harrten, bie ba fommen follten, wirb
euch erflärlidj erfcheinen. Unb wenn je einmal,
fo hätten wir in jener Wacht ©efpenfter feljen
uub hüten müffen, benn unfere Shantafie war
erljit)t genug, unb Wagen unb Ohren waren
aufs äußerfte gefpannt, als bie Sljurmgtocfc um
bie Wlitteruachfsftnnbe aushob unb ber zwölfte
©locfcnfchlag ertönte. Ooch alles blieb ftuinni
jeßt wie znDor, unb ber ©eift fchieu in jener
Wacht feinen Würfen fchonen zu wollen." —
Stein Webeufißer ergriff barauf baS Wort unb
fügte: „Unb ich bin ganz berfelben Wnfidjt unb
überzeugt, baß in hunbert fallen bon angeblichen
©eiftererfcheinungen neununbneunzig Stal eine
ganz natürliche ©rflärung beS Sorgefatlcnen
fich ergeben würbe, wenn bem ©eßeimniß ernft»
lid) z« Seite gegangen unb baffelbe auf feinen
©runb erforfcht mürbe. 34 war' oft in ber
! gliirflithen Sage, burch meinen Seruf in Raufer
geführt zu werben, bie in Seziehung auf @e=
fpeufterfput übel berüchtigt waren. 34 habe
auch in ben unheimlichfteu Stuben manchesmal
eine Wacht burebmadjt, uub niemals etwas ge»
fehen ober gehört, was entfernt einer ©eifter»
erfcheinung ober einem ©efpenftergeräufctj ahn«
lieh gefehen hätte. Sagegen hat zur Seftcitigung
meiner öorhin auSgefprochenen Wuficht meine
Shitter manchmal folgenbeS ©rlebniß erzählt.
Sie faß in bem erften 3aßre ihres ©ßeftunbeS
beS WbeubS einmal allein zu fraufe. 3hr ©atte
war in ©efeflfchaft gegangen, unb bie Ijanbfeften
©efellen, welche ihm in feinem ©erbereigefchäfte
Oienfte leifteteu, waren gleichfalls zu einem ©lafe
Sier über ben nahen Wheiit gezogen. Sie Wtutter
faß fpinnenb in ber Weihe ber Shiire am Ofen;
nur ihr fitrrenbe« Weibchen unterbrach bie un«
heimliche Stille. Oa war’« ihr plößlnh, als ob
bebäChtige Wtännerfchritte Don ber ireppe her
Zu hören wären. 3mmer beutlicher Dernahm fie,
wie’S bie obere Jreppe herabfani, unb jeßt ber
Shiire fich näherte. 3ugleich nahm fie wahr,
baß bem erften Stanne auf bem ffnße ein zwei«
ter folgte, unb bem zweiten ein britter, unb fo
fort, bis fie Don entfeßlicßer 9lngft ergriffen Dom
Stuhle auffprang, ba« ftenfter öffnete unb noch
frilfe in bie fctjwarze Wacht hinausfpähte. Sange,
hange Wtimiten harrte fie fo unb wagte es nicht,
fich limzubrefjen unb in baS 3immer zuriirfzu»
Mirfen. ©üblich fah fie ben Wachtmächter bie
Straße ßerabfommen, unb war fcßoit burch fei»
nen Wnblirf nicht wenig erleichtert. 91IS er in
ihre Wnhe tarn, rief fie ihn unb bat ihn, für
einen Wugenblirf heraufzufommen, ba e« ihr im
fraufe nicht ganz getjeuer erfcheine. Sie warf
ihm zugleich ben frauSfchlüffel hinab unb hörte
ihn gleich barauf mit feinem berben knotenftod
bie Jreppe herauf fommen. Sie ging ihm jeßt
mutßig entgegen unb erzählte ihm in ffiirze ihre
Wahrnehmung. Woch in biefem Wugeitblirfe
holperten bie unheimlichen Schritte bie obere
jreppe herunter. 9tlS aber bie beiben mit bem
Sicht bewaffnet unb in begreiflicher töeflommen«
heit näher traten, —welch’ eine Uebcrrafchung
warb ihnen bereitet! Oa lagen etwa zwanzig
Sohfäfe unten an ber Jreppe unb jebeit 91 ugen»
blid tarn ein neuer nachgeroflt. Oenn oben auf
ber Wihne, wo fie aufgefchichtet lagen, war eine
biefer Schichten zufammengeftürzt, unb einer um
ben anbern ber runbliChen Oiebe fuchte bie Jreppe
hinunter baS Weite. Oie Stutter ftanb erft
fpracßloS, bann ober brach fie mit bem Wacht»
Wächter in ein munteres Sachen aus, baS fich noch
lange fortfeßte, als eben jeßt ihr treuer frauS»
wirth heimfehrte, unb zu feiner nicht geringen
Ueberrafchung‘Wachtmächter unb ©attin um bie
Sohfäfe Derfammelt fanb."
Digitized by v^ooQie
3m alten $d)loß ;u Stuttgart.
2 37
„©ang ähnlich," fiel ber loftor, unfer £>err
Lieutenant ein, „ift’S uns oor einem halben
gafjre in unfetem neu erworbenen Spitale er»
gangen, ©leid) in ben erften ©ochen mertte ich
je unb je berftörte ©efid)ter, wenn ich flacht»
elf Uhr ginn oorgefchricbcuen ©unbgang in bas
©arteg immer bei: Sfranfeupflegerinuen trat. geh
fragte enblich nach bem ©runbe ihrer furcht.
Ia theilten fie mir mit, baß ein feltfameS @e»
räufch in ber ©rt boit ©täunerfchritten in ber
©titternaehtsftunbe auf ber oberen Ireppe fid)
bernehmen (affe, unb fo oft fie aud) fchon nach»
gefeheii hoben, fie hotten nichts finben tonnen,
mas baS unheimliche ©eräufdj ertlarte. geh holte
mir hierauf meine Flinte bon $aufe unb be=
fchloß, mit ben ©ärterinnenju machen unb um
jebeit ©reis ber Urfache beS Spilles auf bie ©pur
gu tommen. Sturg bor ©titternacht oernahmen
mit bentlich burch bie offen gelaifene Spalte ber
Iljüre, mie fehr langfame, aber gewaltig auf»
tretenbe 'Uta mtertritte bon ber oberen ireppe
her fich hören ließen. geh fit)li<h, mit ber Flinte
bewaffnet, an bie Ireppe, welche burch boS Sam»
penlicht beS ©orriborS mäßig erhellt mar, unb
fiepe ba: ein mächtiger fdjmarger ftater bog in
bentfelben ©ugenbliet um bie @cfe ber Ireppe
unb plumpfte öon einem Iritt jum anbern, bis
er plößlidh meiner unb meiner Qftinte anfichtig
Würbe unb eilettben SaufS ju feinem oberit ©er»
fied juriicttehrte. ©un nahm ich ben Oranten»
Pflegerinnen felbft nicht übel, baß fie oon bem
nächtlichen ©epolter in großen Schrecfen berfeßt
worben waren; benn nie hotte ich gebacht, baß
eine ffaße einen bem ©tännertritt fo ähnlichen
©ang aunehmen tönne, wenn ich & nicht mit
meinen eigenen klugen unb Ohren beobachtet
hätte. Oer $ater war bom früheren £auSeigen»
thümer, ber in bie gerne gezogen mar, guriict*
gelaffen worben unb ift halb barauf ber wohl»
gepflegte greuitb unb SiJjüßling unferer Äran*
tenfchweftern geworben. Seiber Währte ihre
greube an ihm nicht lange; benn eines lageS
fanb man ihn tobt auf ben Schienen ber in ber
©affe oorbeifüfjreitben ©ifenbahit. (Sr hatte fich
eines ©benbS auf bie Schienen gefeßt unb mar
oon bem borbeifaljrenben überfahren mor»
ben."
®er Oottor fdjlof} feine (Srgählmtg mit ben
©orten: „OaS eine ©Ja! ift’S ein fiter, baS
anbere ©tal finb’S Sohtäfe, welche einen gang
natürlichen GtrflärungSgrnnb für ben bermeint»
liehen ©eipeufterfpu! abgeben. Unb wenn ein»
mal -in ber Unterhaltung etwas auf’s lapet
tommt, baS einer mirtlidjien ©efpenftergefchichte
ähnlich fleht, fo ift mir merfmürbig, baß man
immer nur non britten ergäfjlt. bie folche un«
heimliche Oinge erlebt haben, ©fir ift noch feine
,(Überfällige unb glaubmiirbige ©erfon begegnet,
bie mir fagen tonnte: ich höbe biefe unb jene
, linge gefeßen unb erhört, bie ich mir nur er»
Hären tanu, wenn id) an bie Gfiftenj unb baS
Treiben oon ©eiftern ober ©efpenfterit glaube,
in ber ©eife, mie fich baS Shntefpeare benft,
welcher befanittlid) |>amlets ©ater als ©eift auf*
treten unb fagen läßt:
3<h bin beines Paters
Peröammt auf eine gcitlang ZTa<hts 3 u toanbern,
Unb (Tags gebannt in eru'gc K feiicrgliit,
Bis bie tjerbrcdjcu meiner §eitli<hfeit
bjinmeg geläutert finb."
„loch, hoch, lieber loftor," meinte nnfer
©achtmeifter, „ich felbft habe fo etwas erlebt,
baS ich in baS Stipitel unheimlicher ©eifter»
erfcheinung einreihen möchte, wenn ich gleich
nicht leugne, baß fich bielleicht eine natürliche
(Srllürung finben läßt, gm fflofter O., wo
meine ©ermanbteu wohnen, würbe iibereitifiim«
menb bon bieleit Dljrcngeugen, bie länger ober
türger im £aufe aus» unb eingingen, allnächtlich
um bie ©eifterftuube ein fchliirfenbeS ©eräufch
Wahrgenommen, baS oon einer läugft uerftorbe»
nen ©ebtiffin ober ©omie, bie feine SHulje im
©rabe gefunben, herrühren foflte. äBieberßolt
Wollte ein lienftnuibchen fie felbft bei läge ge»
fehen hoben, mie fie in ©onuentracht unb mit
bent Srebier in ber £ianb bie Ireppe tjrrabtam
unb burch Öen langen ©ang gtir Slloftertirche in
ihren allgu langen ©antoffeln oormärtS rutfehte.
©ei meinem nächften ©efueß bat ich mir als
eine befonbere ©efälligteit aus, in bem an ben
©ang anftoßenben 3>mmer, wo fich baS ©e»
räufd), ber Sage nach, am beutlichften bernehmen
ließ, fdjfafen gu biirfen. geh nahm in jener
©acht ein intereffanteS ©ud) mit mir in baS
Schlafjiinmer unb achtete, ballig angefleibet, mit
Spannung auf jebeS ©eräufch, baS fid) etwa bor
ber Ihiire bernehmen ließe, ©or jmölf Uhr
blieb alles ruhig, ©ber gleich bornach ließ fich
bentlich erfennen, Wie jemmtb in ©antoffeln ober *
©anbfdwhen bebächtigait meiner Ihiirborüher*
ging unb bie Iljür öffnete, welche bom ©ang
bireft in bie ifirdje führte, geh eilte alsbalb mit
bem Sicht an bie Ifjür, tonnte aber lebiglich
nichts mahrnehmen. gd) unterfuchte bie in bie
bie .ßirrfje fiifjrcube Ifjiir, bfe ich deutlich in ben
©ngeln fich hotte brehen hören; aber ich fonb fie
gefcßloffen unb ben ©iegel borgefchoben. larnuf
gog ich mich auf mein giutmer gurüct unb horchte
abermals gefponnt, boch ohne bie minbefte gureßt
gu empfinben unb bei gang normalem ©uls» unb
fjergfcßlng. ©ach einer halben Stunbe hörte ich
abermals bentlich bie ftireßenthür gehen, gm
©u mar ich an meiner Ihür. ©ber mieberum
mar aüeS mie gubor in Drbnung unb ich tonnte
mit ben ©ugen nichts ©erbäeßtiges entbeefen.
loch mar es mir, als ob ich heit rutfehenben
©ang fchon bon ber Ireppe her oernähme, unb
Digitized by v^ooQie
238
3m alten Sdjloß ju Stuttgart.
als ob baS fpufenbe SBefen icbon roieber ben
Müdjug angetreten batte, 3 n ber nadifton Macht
hörte id) jur felben Minute baS oerbäcßtige ©e*
rüufd) uitb jroar, ba id) bieSmal früher auf ben
©ang getreten roar, fo beutlicß au mir ooriiber
tommen, bafe jebe Täitfihiing meinerfeits aus*
gcfchloffen ift; and) bie Üfird)eutbür ädjjte roieber
in ihren oerrofteteu 'Mügeln. Mud) bieSmal aber
fahen meine Magen amh nicht bie ©pur einer
©tenfchengeftalt, nur roar eS mir in bemMugen*
blid, als ber rutfdjenbe Tritt an mir ooriiber
tarn, al§ ob ich oon einem falten fiuftjug ange*
haucht roiirbe." —
3<h felbft follte übrigens in ber nämlichen
Macht noch erfahren, roeicheti ©eljörS* unb Gm*
pfinbungStäufchungen man in nnbefaitnten Dtäiu
men auSgeießt ift, unb roie leicht fich auch folc^e
Eilige, roenn man ihnen auf beit ©runb geht,
auf natürliche Stßeife fpäter auftlären. 3<h bin
überzeugt, bafe auch baS eben oom SBaefjtmeifter
©rjählte, roenn man näher nacßgcforfcht hätte,
ju etroaS ganj Matiirlichein geroorbeit roäre.
©littlerroeilc roar es halb jroölf Uhr geroor*
ben. Tie 2Bad)e trat in’S ©eroefer unb eS ftanb
nicht lange an, fo befanb ich mich auf meinem
©often im £>of beS alten ©d)loffeS. Ter 'iBiitb
blies falt boit Morben her, unb machte bie ©i=
tuation noch unangenehmer. MlS bie ©otrouille,
bie mich auf meinen Soften geftctlt hatte, außer
Hörweite roar, begann ich meine Sinie rafch auf»
unb abjufchreiten, um gegen bie junehmenbe
Sfälte anjufämpfen. Steine ©chritte hallten laut
roieber in beut oon hohen ©lauern umgebenen
£>ofraunt. ©lößlidj roar es mir, als hörte ich
ein ©efliifter hinter bem höljernen Thor am
©ingang beS unterirbifchen ©eroölbeS. 3d)
horchte aufmerlfain am ©chliiifellocfe unb fanb
meine '-Wahrnehmung nur ju fefer bestätigt.
roar überzeugt, bafe id) es hier jroar nicht mit
einer ©efpenftererfcheinuug, etroa ber roeifeen
8?rau, ju thuii hohe, roofel aber mit einer freole*
rifeben ©erfchroörung, fa roohl gar mit einem
©inbruchSoerfud) in bie Silberfammer, unb blieb
beShalb ftrainin an ber Thür feftgcroitrjelt, ohne
mich ju roeiterem $in* unb £>erroanbeln ent*
fchlicfeen ju fönneu. 3d) mochte roohl eine ©ier*
telftunbe lautlos fo geftanben haben, als ber
bifitirenbe Offizier erfchien, unb auf fein ©e=
fragen, ob nichts ©erbadjtigeS oorgefallen fei,
über meine '-Wahrnehmungen furjeii Bericht er*
hielt. Much er briiefte jeßt fein Cfer in gefpann*
ter ©rroartung an’S ©chliiffelloch unb fanb
meine ^Beobachtung burchauS beftätigt. 3a- mir
hörten jeßt beibe mehrmals beutlid) bas Jöort
„6oup" in ber hinter bem £oljtbor fliifternb ge*
führten Unterrebung. Mafd) entfchloffen allar*
mirte ber Offijier ben greifen ©cfelofefaftellan
unb beorberte bie nächftftehenben SWacben auf
beit ©laß. Ter alte ©lann roar faft nicht ja er*
roeefen. ©nblich erfchien er, begleitet oon jroei
Tienern, mit bem ©cßlüffelbunb unb einigen
JBiublicbtern. ©r öffnete bie Pforte, inbeffen
roir uns im fjalbfreiS um ihn [teilten, ©onber«
bar! ©S roar nirgenbS eine ©pur oon Serbach*
tigern ju finben. 3Bir gingen in alle ©efen
leudjtenb burd) ben ©ang unb faitben ant ©nbe
beffelben bie eiferne Thür, welche in baS eigent*
liehe ©ilberfammergeroöibe führt, unb bereu
©cfelofe üöllig uiiberfeljrt unb in ©rbnuiig. HL'ir
lehrten jurüef in ben ^ofraum, fchloffen bie
^oljthüre abermals ab, hatten aber faum ben
echlüffel umgebrebt, als baS ©eflüfter aufs neue
unb fo beutlid) fid) oernehmen liefe, bafe felbft
ber etroaS fchtoerhörige Äaftellan es hörte unb
ganj betroffen unb angftooll in unferer ©litte
ftanb. 3Bir öffneten bie Tljitr roieber unb traten
abermals in ben finftern ©ang. Teutlidj oer*
nahmen roir nun auch hier ein 3miegefprä<h,
baS jroifchen jroei ganj in ber Mähe befittblicfeeii
©erfoneu geführt roerben rnufete. Tod) in biefem
Mugenblicfe lachte auch fdion ber fontrollirenbe
Offijier laut auf unb beutete auf ein bon uns
bisher nicht bemerftcS genfter, faft an ber Tede
beS ©eroölbeS, burd) welches ein fcßiirfer Suftjug
ftrid), welcher bas ftenfter ftoferoeife auf* unb
jumachte. SÖar baS genfter gefchloffen, fo hör*
teu roir baS ©eflüfter nicht mehr, ©obalb eS
aber ber SÜiub roieber aufftiefe. War es ganj
bentlich ju oernehnten. Ta roanbte fich einer ber
herbeigerufenen SBochtpoften, bej jnoor am
©chloffc in ber Mäße beS Theaters poftirt war,
an ben Offijier unb fagte: „©chon feit einer
halben ©tunbe flehen jtoei ©lanner im eifrigften
©efpräche unten am Theater. ©S ftnb roohl
©chaufpieler, beim ich höbe fie mehrmalcn oon
Theatercoups unb Mehitlicfeeiit reben hören."
Ter Offijier beftätigte biefe ©eobad)tung, eilte
aber boefe mit rafcheu ©»ßritten hinaus, um ju
febeit, ob bie ©eiben noch jeßt ihr ©efpräch fort*
feßteu. Mach furjer ©ntfernung tarn er, bies be*
ftätigenb, jurüd, unb roir alle iiberjeugteu uns,
bafe roir nichts, als biefe Unterrebung gehört
hatten, unb bafe Oon einem ©iitbrud)SOerfud) in
bem ©ilbergeroölbe roeit unb breit feine Diebe
roar." —
Tiefem ©puf*©rlebnife beS ©ürgerroefermau*
neS füge ich J»r ©erubigung für äugftliche ©e=
miither noch baS folgenbe launige ©tiiefeben aus
ber MintSprayiS eines gefcheiten CberamtSrichterS
bei. Terfelbe hofft öernominen, bafe in einer
feiner richterlichen ©eroatt unterfteflten 2anb*
gemeinbe eine ©efpenftergefchichte baS Tages*
gefprüd) bilbe, unb alt unb jung in ©chrecfen
unb Dlngft oerfeße. ©eim nächften Muggerichte
behielt er bie ©emeinberäthe beshalb nodh länger
auf bem Matfehoufe, als bie ©eridjtSgefchäftc
fchon alle erlebigt waren. 6r fragte, woher eS
benu fomme, bafe fie heute fo berlegen bagefeffen
Digitized by v^ooQie
Pie ttrganifation brr Sifdj. Peil). Birdje.
239
feien, unb fid) fo eigentbümlidj }ugewintt unb
jngeflüfiert (jabeit. Öange wollten fie nicht mit
ber Sprache berauSrüden. 511 § aber ber Ober»
amt3rid)ter non bem älteftcn ©emeinberatb auf’s
entfd)iebenfte Wushmft über ba§ ©ebeimniß Der»
langte, begann berfelbe enblid) fc^iidjiern fol»
genbe Siebe: „SBenn Sie e§ bcnn eben Riffen
wollen, £>err OberanitSrid)ter, fo will id) 3l^nen
eben bie feacbe turj unb gut offeriren. Unfer
alter £>err Pfarrer, ©ott bab’ ihn felig! — er
ift ein b«rjenäguter Wann gewefeit! lauft im
Äircbenrocf unb mit ben weißen Säffd)en am
bellen läge oben am 2i5albe§fauiu, wo er fo oft
im Sehen feine ^rebigt ftnbirt bat, große unb
deine haben ibttgefeben." Oie anbern ©emeinbe«
rätbe ftimmten nun eifrigft ein, unb felbft einige
ber 5lnwefenben ließen es fid) uid)t nebmen, fie
wollten ben ©cift felbft unb leibhaftig gefeben
haben. Oer Oberamt§rid)ter erfunbigte fid) hier»
auf genauer über Ort unb Stelle ber ©rfcbei»
nung, unb meinte enblicb, baß ber '-ßlaß in ber
Ohat i» feinen ©erid)tsfprengel gehöre, ©r rieb»
tete fid) jcßt am Oifcpe auf, feßte fid) grabitätifch
in spofitur, fcblng gewaltig mit ber Sauft auf
ben Sifd) unb ertlärte mit weithin oernebmlicber
Stimme: „Oer erfte, ber ben ©eift wieber fie()t,
ergreift ihn im fWameu be§ Orüvfteit unb liefert
ihn mir Dor ba§OberamtSgerid)t ein." Spracb’3
311 ben uerblüfften Säuern, unb alles ©efpenfter»
gerebe batte nun ein ©nbe im Oorfe.
-•&>--'
Pie Orgaiiifation ber Pifdj. Ißetl). iirdje.
(Itoitor.
II. gtAmfrf «OT Me ©xiftenj.
» ie Anfänge jur ffircbengrünbung waren bie 'Jteifeprebiger antamen, ba§ ©bangelium in
gemacht worben, unb wie bie erften | alle ©egenben beS fianbes, foweit es banialS 311 »
Saienprebiger in 9tew $ort uub Warp» gänglid) war. Sn feiner 'Jlnorbnung bat fid)
lanb baSSolf mit ben Sehren unb ©in» j bie äikiebeit uub £>eUfid)tigfeit ÜBeSleps beffer
ricbtungen beS Wetbobismus befannt bewahrheitet al» in ber Seniißung beS Saien»
machten, fo trugen aubere tiacf) ihnen U 011 ©tig» ©(erneutes jur Saftoralarbeit, unb bie ©efd)id)te
lanb unb Srlanb eingewanberte Saien, noch ehe 1 ber ffircpe weift in biefer Se§iebung Seftionen
Srfte 3Wet&obiftett*Confcr<:uj.
Digitized by v^ooQie
240
Pie ®rganifation bet ?ifd). Utetf). Pirdje.
nad), welche nid)t fo fdptell oergeffen loerben atnerifanifdjen 9Jtetljobi§mu§, toeld^e äljatfadje
fotlten. bie Arbeiter au» bem üaienftanbe fo flar er«
©o Ijodj jeborf) bie SBirffamfeit biefer Opfer«
frettbigen Sofalprebiger audj ju fcpa&eu ift, fo
mären bie imfiingtidien (Srfolge bocf) eigentlich
meljr oorbereitenbe Sd)ritte jur ©riiubung be§
fannteit, baf, fie fetbft — $auptmann SBebb
bornn — um tjkcbiger aus ©«glaub baten.
„2öir bebiirfen," fdjtieb bereits im !3aljre 17(58
Stljomag Sfcaplor, einer ber erften ff irdjenüorfteljer
JHf ©rganifation ber lifd). Peil). $ird)t.
241
in 9teu> $ort, an 2Be§Ioi),
„einen fähigen unb erfahre*
neu Ißrebiger, luclcfjev fo=
roofjl bie nötigen Salente
al§ ©nabe für bie Ausübung
feinet 9lmte§ Ijat. 2öenn
öa» notlftuejibige IReifegelb
liiert befdjafft röcrben fann,
fo werben mir tinfere Siede
unb ^entbett »erlaufen, um
au» beut @rlö» bie lieber»
faljrtSfofteu ju bejahen.
(i» finb fo Wiele fkrfonen
mid) beut UBorte ©otte» be=
gierig, baff unfer SBerfamm*
iuugsort — SRiggin Soft —
bie iettten fed)» 2Bod)eu nid)t
bie iialfte ber herbei ge*
flrömten fieute ja taffen
oermodjtc." Später gingen
äljnlidje ®efiuf)e und) 6ng=
laubab, mofelbft biefeftilfe*
rufe in beu ®rebiger»@ou*
ferenjen üielfadje Grroagung Pcranlajften unb
2Be»let) baja beftimmien, orbinirte '-ßrebiger
nad) 2tmerifa ju fenbeit, ioeld)eu jeboef) ber fiaieti*
prebiger SBilliam» worouäeilte, ber unter faft
iibermenfd)lid)en 'ilnftrenguugeu beu ©ruub jur
,<tird)e in 35irginien legte.
3u ber 26. oon 3iol)n 2Be§(cp ja 2eeb§ in
Gnglaub gehaltenen ©onfcreuj unb 25 Jjabre
nad) ©vüubuug be§ englifdjen f)Jiet()obi»mu»,
alfo im ^nljre 17(59, fagte 2Be»(ep ,ui beu 35er*
fammetteu: „3n einem briugeubeu ©efud) unfe*
inneres ber ßapeUc au StraiubeiTt? ©affe.
rer trüber in 9?em ?)orf bitten biefelben um
3 ufenbung einiger 9)fiffionäre. 2 Ber ift bereit
in jenes roeftlicbe 91rbeitsfelb 311 treten?''
damals aber bot bie Steife nad) 91merifa Diel
größere ©efabrett als jept, and) mar es feine
ftleinigfeit für bie im ©anjen 311 folrf;cn 9Jtif=
fionSuuteruefjmungeit mettig borbereiteten me*=
ietjanifeben $rebiger in ber fernen meftlidjeu
SSMlbnife eine ffirdje 311 pflanjen. 9(u» biefen
©riinben antmortete Dorerft Stiemanb auf 2Be§=
lep’y $rage. 911» er aber beit mid)ften SJtorgeu
um 5 Ufjr über
beu 2 ert prebigie:
„ 3 (b l)abe ftinber
auferjogeu unb
erhöbet unb fie
finb oon mir ab*
gefallen;" — ba
jebmaub bie Sau*
gigfeit be» £>er=
3 eit§ unb mehrere
«Stimmen aut*
morteteu itt glatt*
6 en§ ' mutbiger
(Sntfcbloffenbeit:
„#ier bin ich." —
Stidjarb 93oarb*
man unb 3 ofepb
^Jilmoor mürben
auSerlefeti unb fie
3 ogenüber»Weer.
Sie finb bie erften
orbinirten Steife*
prebiger be» ante*
rifaniftben 2 Jie=
jpavtltty im OhfäiiflniB tljOöiSmuS.
18
Digitized by v^ooQie
n
mcfl§ ju ben
9i e i d) e n
imb 5litue=
fefjcncn. 2 )ad SBieflenfieb bed Steidjcd
ßilt and) f)iev: „Sa* Unebele oor ber SBelt imb
ba§ $evad)tete bat er ermäßet, imb ba§ ba
nid)tö ift, bafi er jn nickte mad)t, ioa$ etroa* ift."
Wud) erfuhren bie erften Wctbobiften, mie alle
ft inber ffiotted, baft fteinbfdjaft ift aroifdjen be*
ÜÖeibed ©ame imb ber ©djlanße ©ame, imb
bafi ©ieberaeburt imb imerneuerted Wenfcben»
roefen im SBiberfprud) ju eiuanber flehen. Sa$u
tarn, baft innerhalb ber Keinen unb meit 3 er*
f)err mar mit ben Seinen. Ratten MeWctfjo*
biflcn fein Tod), unter bem fiebrebigen fonnten,
ober Derfdjloft man ihnen 2 bür unb Jbor, io
berfünbiflten fie bad Söort unter freiem fcimmd,
in ben Straften ber Stabt ober in ber ffiilbnift
bed Urroafhft; leate man fie in’o ©efdnßnifi, fo
riefen fie bie fieute tum bort an# j|ir SBufce;
fehlte bie 3kiide über ben glufc, fo fchtnamni ber
Weibobi ftenbrebiejer bureb bie Stellen; imb fanb
er fein Cbbacb, fo leiste er fein ^aupt tnie 3 afo 6
auf einen ©teilt.
„25>a§ mifl und biefer Lotterbube fachen ? 33er*
fd)lie[;t ifint eure Käufer!" rief ein cinflefcbener
©iirner Baltimore*, a(§ !^obn $infl, einer ber
Saienprebnier, fid) nach einem Serfammlunftd*
(ofal in ieuer ©tabt nmfah. Wber !^obn $inft
prebißte bod). Wn ber @de ber ftrenrfiftrafte
fanb er einen ©tfunicb, ber fid) „ben ©baft an»
Digitized b>
Hit ©rganifotion brr 15ird|. fHetlj. Birdjf.
243
feljen mollte" unb feinen 9lntbb3 al» Mangel be=
mißen ließ. s ?llfo mürbe bie evfte Sßrebigt in bie=
fein „£>erb" be» WethobiSniuS gehalten. Die
gmeite Don einem an Gcfe ber Galbert= unb SaU
timore=Straße aufgeftellten Difcpe au§, mobei
b-:r Wutt) bce ^rebigerS burcf) betrunfene Wilig=
folb.iten auf feine geringe s ^robe geftellt mürbe.
— 3u fünf 3>af)rcn bon biefer 3^’it fjntte ber
WethobiSmu» iit jener Stabt fo feften guß ge= 1
faßt, baß bie jährliche Gonfereng in Baltimore
gepalten werben tonnte. £)cute aber erficht fiefi
gang in ber s 3tiific jenes ^lafce», mo bie Sd)miebe
egeftanben, einer ber priiefiti^fteu Stempel in beit
$ereinigteu Staaten — bie Womit fernen Wc=
tfiobiftenf irefie.
Die erfte amerifanifdje Gonfereng ber Wetbo=
biftenpreDiger trat Diittmocl), ben 14. 3uli 1773 i
gufammen unb mäprte'gmei Dage. 9lSbuTp unb
Stanfin maren bereits in 9imcrifa. Der 33er=
fammlungSort, bie bamalige St. ©eorg§fapelle,
beftaub ans 4 SBänben unb bem Dach unb er=
mangelte jeglicher innerer Ginrichtung. Die ba=
matS gefammelte Statiftif ergab eine ©cfammU
fiimine uoit 1160 Witglieberu, bon melden bci=
nafte bie Hälfte in Warplanb mof)nten. feilte
gäfjlt man fünf Millionen 9Jietfiobiften in ben
bereinigten Staaten unb Ganaba. Da§ bamalige
Gonfereng = ^ßrototoll ift für fientic^e Gonfereng=
oefretare eine mafirfiafte Cafe febnfitd)tiger Gr»
frifchung. G* umfaßt mit Ginfcpluß ber Sta=
tiftifeu eine cg an ge Citabfeite!
Die erfte in Baltimore an ber Stramberri)=
©affe (1773) erbaute Wethobiftenfapelle mar
bamal» bie befteimgeridjtcte ber entftcfienbcu
Üircfic — unb bie mar fiöcfift einfach.
Slber bie el ften Wetpobiften fdjajgtcit fiefi gfiid=
liefi. folcf)c .Qircpeit gu befitjen. G3 maren ihre
ftatbeövalen unb Gentralpunfte be» überafl fiiu
auägebepnten iffionSnepeS. 2B»e mir bereits
igeleben, mußten fie fiefi inciftenS mit noch biel
befcficiöencren v }kebigtpläßen begnügen. 3a —
felbft ba» Glefancgniß biente al» Mangel unb
mürbe bornehmlid) bon bem eifrigen, oft heftigen
Cvirtlct) bagu benußt. 3m Slrei»gcfämguiß gu
Dalbot, birginien, megen feiner SluSfäUe gegen
bie Sftaberei gefangen gehalten, prebigte er
burefi ba» ©efeingnißfenfter. Oft famen feine
3u mrer gehn bi» fünfgebn Weilen meit, um ihn
gu hören. Da» SSort be» £>errn bemie» feine
straft. 3?iele belehrten fich gu ©ott, unb bie
gange Unngegenb marb bermaßen erregt, baß
feine fteinbe enblicf) froh maren, ihm nicht nur
feine Freiheit gu geben, fonbern auch bieGrfaub*
niß gu ertpeilen, auch fernerhin gu prebigen.
„Seßtere ©nabe/' meinte £>artlet), „hatten fie fiefi
erfpareu fönnen, beim e» ift ja mein Stuf bon
©ott, bie fievrlid)e Grlöfung fuub gu machen, unb
ba fönnen biefe Wenfchen meber etroa» babon
noch bagu tfiiiu."
91ucfi bie jeßt bielfad) fo gar fein eiugeridjtcten
fiagerberfanun(ungen maren anfänglich fepr prU
mitib. Der in feinen Wanieren rauhe, aber
außerorbentlicp erfolgreiche Saienprebiger Slbbott
ift ber 33ater berfelbeit. Gr prebigte in 9tem
3erfet) mit fo munberbarein Segen, baß Daiu
fenbe ihm guftrömten. Oft mar fein Cofal groß
genug, bie Wenge gu faffeit. Da gog man bei
gutem Setter einfad) fiiuanS in ben näcfiften
£>ain unb hielt ©ottesbienft. 9licfit feiten maren
bie Scute bermaßen begierig itubcrmcrft, baß fie
and) nad) tagelangem faft unauSgefeßtem ®otteS=
bienft niefit nach öaufc gehen mollten. Abbott
mußte Statt). „©ept in bie nocfiflen Raufer gu
21rretinuig eine« SHetbobiften.
Verberge unb fommt morgen früh mieber," fagte
er. SolcficS maren bie gang einfachen unb ebenfo
natürlichen Anfänge ber Sagerberfammluugeu.
Stebft mancherlei Stampfen bereitete ber au»=
gebrochene UnabhäugigteitSfrieg ber jungen
Kirche biele unb große Scfimierigteiteu. Gr
bradjte ihr aber and), mie bem gangen Sanbe,
bie Gntfd)eibung, bie Uuabpüngigfeit. Seglet)
erfanute, baß iiachbem fich *>ie 9lmerifaner bie
Freiheit erfämpft, e» unmöglich fei, ben Wetpo--
bi»muS boin Wutterlanbe au» gu leiten unb gu
regieren, unb tfiat Schritte gur Organifatiou.
Die 3Jifd). Wett). Äirdje mar bie erfte, meld)e in
ihrem ßirchengefeß bie Unabhängigfeit ber 3?er*
einigten Staaten anerfannte. Sie tierlor gmar
burcf) bie Steoolution alle non SBe»lct) gefaubten
^rebiger — mit 9lu»nahme Slöburi)’» — unb
Digitized by v^ooQie
244
(Bin Hon aus ber $jeimatlj.
erlitt babuvcp großen Vcrluft, tourbc aber auch
oon frcntber 'Jiuffidjt befreit. ‘Sa fo Diele 9Ke*
tpobiftenprebiger fiep als gute Gnglätiber erwie*
fen, gerietpeu alle 'JJlctpobiftcn in Verbacpt, eS
mit beit Jciubeu beS BattbeS 3 U batten, tonrben
aber eben baburcp }ur (Sntfrfjeibung getrieben
nnb toarfen bas 2ooS mit ihren 2anbSleutett.
Vit Cppofition, Vnflageit uub Verfolgungen
fehlte es tüdhrenb beS VefreiiinqSfqmpfeS niept.
Vlancpe Vletpobiftcu tourben tiiit gewöhnlichen
Verbrechern in’S ©efängitijj geworfen ober mit
Knüppeln, Stiemen unb Veiifd)en beinahe tobt
gcfchlagen, fo baß fie bie ©puren ihrer VI iß*
paitblung mit ins ©rab nahmen. Vubere
würben uon Hau» unb 3 ?ainilie Dertriebeu unb
mußten fiep in Vlälbern 1111 b Kopien Derborgen
palten.
WlleS bieS aber war Vorbereitung jur ©elbft*
ftänbigleit, 3111 - Organifation ber Vifcpöflicpeit
VietpobifteiuKircpe, welche 1784, wäprenb ber
fogeiiannten Gpri ft tagS*Gonfereii 3 , in Valti*
more ftattfaiib, wodou mir baS niicpftemal
pöreit werben.
(friit ton nu$ brr Jcimntl).
/hin 3»lünber, DiamenS Vlarmier, faiti nach
Jtp Gnglaub. 9tacp einigen ^apren patte er
T beit ©cpiners beS Heimwehs iiberwunben.
9)lan hörte ipit niipl ntepr fein ^an» unb feine
Verge bebauern; er rebetc eine anbere ©praepe
unb lebte ein anbereS Seben. GineS Soges
als er fiep in bollfommener ©eclenrupe befaitb,
hörte er in feiner 9täpe ein iSlänbiftpeS Vlort.
Sa mürbe plößliip eine gtinje «Kette Don Gritt*
nerungen in iput rege, er braep in Spränen aus,
erfraufte unb mußte uaep ^Slanb jurüefgebrlidjt
werben.
Siefer Alarmier, ber bon feinem peimatp*
liepen Voben in ein frembeS £aub berfeßt mor*
beit, erinnert uns an tnanepe Jünglinge uttb
Vläuner, bie ihrem peitnatplicpen Voben, näin*
liep ber cpriftlicpen Vlaprpeit, in welker fie auf*
getoaepfen, entfrembct finb. ©ie pabett — fo
fcpeint’S weitigftettS — baS GDangelium mit fei» j
lien Höpen unb Siefen, mit feinen grünen mitten !
nnb perrlicpen fjernfiepten Dergcfjett. Sen Stuf
ber ©loclen hören fie niept ntepr. ,,©ie reben
eine anbere ©praepe unb leben ein anbereS
Sehen." Sie Weiteren unter ihnen reben and)
am ©onntag nur oont Saufen unb Verlaufen,
Dont ©elb unb roieber Dom ©elb. Sie jüngeren
fragen nur baitacp, mo ber befte Söeitt auSge * 1
fepenft werbe, unb mo man bie luftigfteit Same » 1
raben treffe. ,,©ic leben ein anbereS Cebett."
9tacp oem Vraucpe ber Vielt fepen fie alles für
erlaubt an, roaS* niept birelt in’S
fiiprt.
Wber fepien niept jener 2>Slänber auch feiner
Heimatp gäitslicp entfrembet 3 U fein ? Unb
boep, als ein Soit aus ber ^eiinatp an fein Cpr
fiplttg, üennoepte er fiep beS £)eimroepS niept 311
erwepren. — ©0 giebt es auep peiinatplicpe
Söne, welcpe in jenen fepeittbar gaii 3 bem ©lau*
ben Gntfrembeteu uitDermerlt eine Vleubung
311111 Vefjern perüorrufen. 3*oei Veifpiele mö=
gen bies jeigeit.
Gin Jüngling ber Dorpiit erwähnten 9(rt gept
am ©onntag Vtorgen an ber Kirche Dorbei bem
VlirtpspauS 311 . WuS bem ©otteSpauS fcpallt
] ipm ber ©efang ber ©emeinbe entgegen: „ 3 >cp
1 habe nun ben ©ruitb gefunbeit, ber meinen
Vnter ewig piilt." UnwilUiirlicp ftept ttnfer
1 Jüngling einen Vugettblid ftiH, um 31 t laufcpen.
| Sie wopibefaitnten Sötte bringen in feine ©eele
hinein. Uub nudjbein ber ©efang Derfinnnnt
ift, flittgt’S noch in feinem Innern fort: «'Sem
allemal baS ^»erje bricht, wir foinmen ober loitt*
men nicht." Siefe Vierte wirb er nicht mepr
loS ; er fpiirt’S, baß baS Grbarmrn ©otteS auch
ipit fiept unb felig ittacpen möchte. Sie Vielt
erfepeint ipm fo öbe, ipr Sagen fo tpöriept, ipre
Unrupe qualDoll, unb elelpaft ipr ©cpniitß.
Ser wilbe ©cpwarnt feiner ©encffeit wartet
heute unb für immer Dergeblidp auf ipit. Stt’S
ftille Kämmerlein lentt er feine ©epritte, uub
pier briept er aus itt’s ©eftäubniß beS Derlorenen
©optteS: „Vater, icp habe gefünbigt!" fetter
peiinatplicpe Sott, ber fein Cpr getroffen, pat
baS üjeimwep nach bem pimmlifcpcn Ülatcr mit
Vc'acpt in ipm erregt, uub für ben Heimweh*
franfen giebt eS lein anbereS Heilmittel als
Heimfepr. Gnblicp erfährt er eS au fiep:
IPir follen nietjt rcrlorcu werben,
(Sott will, uns foll geholfen fein,
Deswegen Fant ber Sohn auf (Erben
Uub nahm hernach ben Ejimmcl ein,
Deswegen Flopft er fiir nnb fiir
So ftarF an uttfers l^e^eus <Epnr.
3n Gprifto finbet er beit 3ufr'tt itim Sproit
ber ©nabe; in ber ©emißpeit, baß ipm Dergebeu
fei, wirb er froh unb gliidfelig unb lebt er ft jeßt
reept auf, wie Vtartnier, als er bie Verge feiner
Heimatp wieber fap. —
Gin anberer, bem Gpriftentpum entfrembeter
Wann Derliert einen feiner Verwaubten. 9(u*
ftanbS halber map er an ber Vcgräbnißfeier
tpeilnepmen. Ser fieiepentept ift aus 1. Simo*
tpeuS 6 : „Kämpfe ben guten «Kampf beS ©lau*
benS, ergreife baS ewige fieben, 311 welchem bu
auch berufen bift 1111 b belaitnt paft ein gutes
Velenntniß Dor Dielen Uiiferm 3 U=
pörer mirb’S bei biefen Vierten feltfam äu
Digitized by
Google
(Ein Spiegel für SonntagfdjtiUeljtcr.
245
Kiutbe. Um brdßig Sabre eilen feine ©ebaii*
Jen suriid; er fiebtjicb als jungen ßljriflen am
'Mar fteben in ber «taube feiner Konfirmation,
er hört bie Stimme feiltet Pfarrers, mie fie
gerabe ibtn ben ^enffprucb jurnft: „Kampfe
beit guten Kampf beS ©laubenS !" „2öie roobl
roar’S mir," fagt er 311 fidj felbft, „fo lang’ icb
im ©tauben ftanb; eS mar fo fcböu, als ein
'äbrabnnt, ein $auib unb ^etruS meine 'JJfit*
fiimpfer mareu im geiftlicben Kampf, bie fjreunbe
©otteS and) meine fjreunbe, ber £>err felbft aber
mein Schirm unb ^djilb. 916er icb ireulofer!
3>u ©laubeit bube icb preiSgegcbeit, meine Sei-
benfcbaften babeit gefiegt, beS emigeu Sehens
bal>e icb mich unroertb gemacbt." — 2 Bir roollen
feine Selbftauflageit unb ben meiteren Sauf
feiner ©ebanfen nicht ausführlich berichten,
©einig, jener SBibelfprucb ift für ihn ber bei»
matblicbe Son geroefeit, ber ein unroiberfteb*
liebes fteimmef) in ihm meefte. (Sr ift freilich
besbalb nicht fdjon babeim. 'Diarmiev mußte
erft burd) bie toilbe Kraiibuiig unb ftürmifebe
See b'Hburch, bebor er jur £>eimatb gelangte,
cn gebt'S auch bureb fReuetbränen unb innere
Kampfe hindurch für ben, ber 311 m Leiter im
tpiinmel juriicftebren möd>te. 3lber GbriftuS
ftreeft ihm bie rettenbe .f)anb entgegen unb
jief)t ihn empor auf ben fjeimatblicbeu Straub,
©eiche ©lildfcligteit nunmebr geborgen 311 fein
in ©otteS ©nabe unb jeberjeit 311 roiffen: $er
Kater ift bei mir; nichts tarnt mehr ttoit ihm
mich trennen. Selbft ber SEob reifst mich nicht
los doh ihm, fonbern berfeßt mich in eine nod)
engere ©emeiufebaft mit ihm. Oenn baS 6 vb=
tbeil ber Kinber ©otteS ift ja ein uuoevroelf*
liebes ©rbe!
Stebft bu, lieber Sefer, biefleicht felber ttod)
fern beut SReicbe ©otteS, beiner roaljren .frei*
matb? O, fo üerfcbliefee boeb beitt .$et 3 nicht,
roenn einer jener Söne ans ber £>eimatb. ein
©otteSioort, bein Ohr trifft, ©ehre nicht ab
baS ©eimmeb, baS alsbaun erttmdjt unb in biv
fpriept: „Sch mifl mich aufmacben unb 31 t mei«
nein Kater geben!"
Ober, roenn bu beS beimatblicben ©efi'iblS
bicb freuft, bureb ©btiftmn beim Kater 311 fein
unb für ben Kater arbeiten 311 bürten — fo halte
auch feinen beiner Kritber für febon oerloren
für bie #eimatb. KuS eigener (Erfahrung re*
benb, permagft bu Den 5ou au 3 ufcblagen, ber
auch in fdjeinbar gottentfrembeten Ktcnfcbenber*
3 en baS fieimroeb bwöorruft nad) bem leben*
bigen ©ott. (Machbar.)
Pr. (Üljriftlicb über bnt Pueril ber
3oimta0fd)uleii.
feiner Schrift „ 3 ut Wethobiftifchen $rarte"
JL fpricht fich ®r. foIßenbermaBcn
~ aitS:
„eobann fragt fitf), ob mir bom !D?et^obi^=
mu§ nid^t mancfjc^ lernen fönnten, ohne im
geringften unfere beutfdje ßißenart 31t öerleug*
nen?— 2Bel<h’ ‘ein gefiel gur fyöiberung be»
Wethobi§mu§ fiitb bie ® 0 n n t a ß f <h u 1 e n !
9 htn finb mir ja bei ßeorbnetem 3 teIigion^* unb
Äoitfirinanbenunterrichte berfelbeit nicht in flleu
eher Söeife mie 3*. $. 9 linerifa mit feiner reli*
flionStofen Staatöfchulc bebürftig. 216 er je mehr
beute ber (Staat Wiene macht ben 9 tcligion^=r
unterricht fo biel mie mö^fid) 311 bedürfen, je
näher bie 9 J?öglid)feit riidt, bafj er biefleicht in
turjem al» reiigion^lo^ auch bei un» bie relU
gion^lofe Schule einguführen berfucht ma* ja
bie gortfehrittepartei (äugft begehrt, beftonötfji*
ger mirb bie Verbreitung biefer Einrichtung fei
cy gur Srflänjunfl be» noch in ber ^aßfchule
©eftatteten, fei a(§ 9 tiicfjiifl§poften, meitn bie
Sdjnle fich ber fiirche f<hlieBen follte. — Unb,
abgefeften bon ben Äinbern, mie fegenereie^ er=
meift fid) biefc Sitte für bie Schrei* unb Sehre*
rinnen felbft, mie biel tlarer unb fefter merbeit
fie in ihrer religiofen Slnföauung, mie biel
brauchbarer 511 allerlei ©ehülfenbienft für beit
Seelforger, in chriftlidjen 3 üngliim§* unb^itnfl*
frauenbereinen u. f. m. Unfere ftirdje follte fich
biefe Stüpe noch meit mehr al£ feither 311 mipc
machen lernen."
®iefe§ 3^ft»iß biirfen mir tin§ auch in 2lme*
rifa 311 ^)er3eu nehmen. ®ie ©laubigen in
®cutfchlanb ertenneu in ber Sonntaflfchule mehr
unb mehr eine ©rofuua^t be» 9 teid;e^ (F^rifti.
Worte ©ott un§ Reifen, biefe ©rojnnacht 31t
bcnüpeit.
-> +-
®iii Spir0(l für $oiinta0|it)til-
Icljrcr.
1 . fiat bet Superintenbent nidbt
ba§ ^eebt 3 n oerlangen:
1 ) 2 >afc, falls ich nicht in bie Sonntagfcbufe
geben fantt, ich mich bureb einen 9lnbern, ber
fich auf bie Sectiou gut üorbereitet bot, erfcRen
taffe ?
2 ) Stofe, roemt icb oft abroefenb bin, fei es
Kraufbeit ober ©leicbgiiltigteitS bolber, ober aus
irgenb einem anbern ©rtinb, ich bie (Sntlaffnng
einrei^e, bainit mein Kloß bureb einen rcgel*
mäßigeren Selber auSgefüllt roetben fann ?
Digitized by
Google
246
Pater unb Ptutirr.
B"! SDajjidjber Sonntiigi<fyulleIjver=33erfamm=
hing fo oft al» möglicf) bciruof)ne unb tätigen
^(ut^eil am ©eöeiljeu bcr Sdjnle ncfjmc?
4) 2)ajj icf) mir e§ angelegen fein taffe, 5Jotij
bauoit ju nehmen, memt ctmaö ^utereffaiite»
fid) in meiner Ätaffe juträijt, unb baff id) bie
'-ik'ricfjte, roeldje man oon mir uertantjt, ftut au§»
fertige ?
2. -dürfen bie Spüler it idj t er«
märten:
1) $ajj id) pünftlidj fei?
2) S)aß id) aemiffentjaft fei?
3) 2>a| icf) gut oorbereitet fei?
4) 3)ajj id) alle» ba§, ma» id) bie Sdjülev
tef)re ju t|un, fetber befolge?.
3. £)a t b e r g r o j$ e 3J? e i ft e r, 3 e f u §
©IjriftuS, iticf)t baS 9led)t, ju for«
b e r u :
1) ®afe id} mid) bnrd) ^ox-fc^cn in bcr Sdjrift
uubSebet forgfdltig oorbereite, um meine ,Utaffe
onjiel}en unb gut unterrichten ju fönncu?
2) 2)uj} ich tm Canfe ber 58od}e meine Sf taffe
jum ©egenftanb befoitberen ©eliet» mache?
3) ®afe ich ntit meinen Schülern pevföitlid)
unb birett über ba§ £>eil ihrer Seele rede?
4) Dafs mein betragen unb '-öeifpiel mit mei*
neu Untermeifungeu ftct-3 iibereinftimine?
-- *-
Puter unb Uliittfr.
Jfür #nu3 itub £frto non $. graitj.
Du follft bctncii Pater unb bcine ITtut-
ter cFjrcu, auf ba^ bu lange lebeft im
iaube, bas bir bcr £)crr, bem (Sott, giebt.
2. IHof. 2, 12.
$roßbembiefe3®ebotbemjenigen. ber e3ljält
einen großen ©egen oerheißt, mie bem Uebci>
tretet* einen ftlurf), fo mirb c3 bod) fefjr menig
beachtet. 35er liebeoolle (Sott forbevt in biefent
©ebot, bau wir Bater unb Biutter ehrerbietig
bienen unb freubig ©djorfam leifieit foflen in
allen Singen, bie uid)t feinem hefigen BJorte
miberiprechen. Uebertreten rnirb baffelbe burd)
Uitgehorfaiti ober ©eriugfdjäßuug, melcfje ba3
JJii'tb ben 6 ltern gegenüber 3 eigt.
63 fiitb uu3 heute jmar uod) einige recht trau*
rige- unb betritbenbe Beifpiele, roo biefe ernfte
Bibelmahrfjeit unbeachtet blieb, au3 bem alten
Baterlanb befannt, hoch fc^eint gerabe iinfere
gefegnete Union, ba3 £anb ber Freiheit, ben
fruchtbaren Boben in fid) 311 bergen, too biefe3
©ebot unbeachtet bleibt.
$aum h^t ber ermadjfene Sohn unb bie er=
mach fette Tochter fich ben ©taub an3 ben ef>e=
maligen ©chultleibern au3gebürftet, fo beginnen
bie fogenaunten fjrleßeljahre, mo fid) bie Sugenb
felbftftänbig fühlt unb jeßl nicht nicht mehr 311
gehonhen braucht. $a3 liebliche ^Papa unb
Btama, ober Bater unb Btutter, Hingt ihnen
jeßt 31 t (inbifd), unb in ©efellfdhaft bebient matt
fid) nur noch be3 s 2lu3brutf3 mein 9(lter unb
meine 9üte. Bkhe bem Bater, ber Biutter, bie
ihre Einher, ai3 fie noch Hein mareit, oernach=
läffigten, bie fie oetyirtelten, bie bie Unarten nie
beftraften, bie taub mareit gegen bie Klagen be3
9iad)bant, be3 ©onntagfchullchrer3, be3 BrebU
gev3, bie bem unge 3 ogeiten Buben mehr ©lau»
beit fdjenfeit, al3 ihren beften greunben, unb fo
ihr fiiub 311 m Sägen oerleiten. Bkße, fage ich,
beim fie muffen einft bie bittere grucht efjett ooit
bem ©amen, ben fie felber fäeten.
3eboch biefc3©ebot ift lein Bienfchen*, foiu
berit ©otte3 ©ebot unb 9lmen, unb mo3 er 311 »
fagt, bas hält er gemiß. 63 lann foldjett nicht
mohl gehen, bie biefes ©ebot übertreten, junger
Btauii unb Jungfrau, bie ihr mit bollett Segeln
f)inau 33 ufteuern gebeult in bö3 2ebeit3tneer, bie
ihr euch bie 3 ufimft fo glattgenb auStnalt mellt
i()r itid)t gan 3 id)mählid) getiinfeht merbeit, fo
beachtet nur jene ernfte ©ottesmahrljeit; foll e3
euch einmal mol)l ergehen, ®otte3 ©egen auf
bem 2 Bert eurer £änbe ruhett, fo befolgt biefeS
©ebot.
$ann legt 311 biefetn fpäteren ©egen bett
©ruttb im elterlichen ftauö, achtet unb ehret
eure lieben 6 ltern fo lange il)t fie habt, unb e3
mirb aud) ferner, meitn fie lange im ©rabe
ruhen, für euch ein befriebigettbe» ©efiil)l fein,
311 miffen, ihr habt Oerfucht il)rent BJnnfch unb
B3iflen nad) 3 ufomtnen, fie 311 ad)teit unb 311
ehren. Unb bie guten 61tern mollen ja bo^
immer ba3 Befte für ihre ffinber, unb fie ftitb
ja and) an 6 vfaf)rung reicher. B?ie oicle Un-
glüd3falle mürben nicht oorgefommeit fein, memt
bie treuen 9tathfd)läge bcr 6 Item befolgt movben
mären. Biie manchtr Btamt unb manche grau
befätibeit fich feilte nid)t in folgern 6 lenb, hüt=
teu fie bei ihrer ehelichen Berbiubung ben lieben
6 ltern gefolgt. 3öir treffen beut 3 utage manche
61)eleute an, bie man, ma3 BJoral anbetrifft,
achten nitb ehren mufj, bie fleijug unb fpavfam
fiitb unb bie fid) Don BiorgcnS früh t>i3 fpüt
9(benb3 miihen oorait 311 fommen, benett aber
leiber alle§ mas fie beginnen mißlingt, unb bie
nie auf einen grünen fommen merbeit.
2Bu3 mag mohl bie Urfadje fein ? fo hört man
bann auch mohl oon ebleit B?eufd)enfreunben
fragen, baß jene braoen Ceute trop aller Btiihe
nicht ooranfommeit? 21 d), menn folcheSeute fid)
blo§ 3 iirüdoerfepeu molltcu in jene 3 e *t im
elterliihen ^)ati3 unb baran beulen, mie grob fie
ben betagten Bater unb bie betagte BHitter be*
banbeit haben, mie geringfehäßenb fie oon beut
eilten unb ber eilten gefprochen hnben, — 0 fie
mürben bie Urfache bälb errathen. 63 fann nach
Digitized by v^ooQie
Jlotrr unb Puiirr.
247
©otteS Mort folgen 2euten nicht toobl ergeben.
Um biefeS noch beifer 311 beteuerten, roill id) als
Slluftratiou eine roabre ©efebiebte au» meinem
Miftoralleben 311 m SÖefien geben. Sie gelben
nuferer Gablung finb fcf)on feit einigen fahren
0011 bein ®c^aut>laj^ beS 2ebenS abgetreten, unb
auf ben ©räbent ift längft ©raS gemachten, je»
bo<b ihre ®ef<bid(te lebt unb prebigt in bev febretf»
licbfteu Meife jebem uitgeborfamen ifinbe: Su
foüft beineu SBater uitb beiite Mutter effren.
fjolgt mir, geliebte Sefer, im ©eift nach ber
ftiifte beS MeerbufenS bon DJlerifo, nach bem
fiiblidjeit Sf)eil oon Sera» unb mir tommen
nach ber 0 leauber=©tabt. .frier lebte oor mefive=
reu fahren eine gotteSfiirdjtige alte Mittroe mit
ifjrern eittsi^en ©obn. ©ie mar ©lieb ber Me»
tbobiffenfirebe unb berfuebte in aller ©infalt ibr
©eelenbeil 31 t fcbaffeit. Unbemittelt, alt unb
febroad), mar fie (\a 113 auf ben SUcrbienft ihres
einten ertvaebfenen SobneS angeroiefen.
2 e&terer mar in einer großen Miumrooflen»
fnbrit befdjäftigt, roo er als fleißiger unb ge»
fbirfter Arbeiter einen fluten 2 obn erhielt, roel»
ber ibm unb feiner betaflten Mutter ein anftän»
bigeS 2luSfonimen fieberte. Milbclm, fo molleu
tuir ibn n.eunen, mar foroeit amb ein recht or»
bcntlicber junfler Mann, er mar mie fiijoit be=
niertt fleißig, gefdjidt unb fparfam, ber anftatt
mie manche feiner Sfamevaben beit eriibriflteu
Dollar 311 berjeeben, ibü febön auf bie Sparbanf
tnifl, um einft etroaS ©igentbum bainit 31 t er»
merben. 9iur auf bem häuslichen 2 ebeu nufere»
Miibclui lieflf ein bunfler ©chatten; batte bie
Mutter auch fo latifle fie bei ihm mobnte feine
irbifdje ©orflen, fo ücvEürjte boeb baS rohe unb
grobe Mefen ihres Milbelm ihr baS 2eben, fo
baß fie oft ba» ßopffiffen mit ihren Sbranen
nebte. SaS liebe Mort Mutter tonnte Milbelm
flar nicht mehr, er batt{ bloS noch eine 2llte.
Siefe SHobbeiten erregten ihren fröbepunft, als
Milbelm Schritte 311 einer ©be tbat. Sie Mut»
ter batte aus fluten ©riinbeit eine 2 (bneigung
gegen bie tperfoit, bie ihr eiijjifler ©obn als ?frau
in» $auS nehmen mollte, roeSbalb fie ihn bar»
über 31 U 9?ebe fteüte, jebodj ba fam fie feböu an.
Milbelm beanfpruibte bas frauSrecbt unb fugte,
baß ihm fRicmanb 31 t befehlen habe; um» ereilt»
mal molle, müffe gefebeben. Menu eS ihr nicht
fo flefiele, falle fie macbeit, baß fie fortfomme.
2US Milbelm fpäter benannte tperfon als $rau
beimfiibrte, fling ba§ ©lenb ber armen alten
5rau erft recht an; je$t febiett fie überall im Mege
311 fein. 3u bem großen, flcrituntiflen Caan» mär
fein tpiaft mehr für bie betagte Mutter, benn
ber bortgersifle ©obn jaflte fie fort. ©0 mar fie
als Stnbtarme in ihren alten Sachen auf bie
Milbtbätiflfeit ebler Meufdjenfmmbe augetoie»
fen. Cft mußte fie fauin, roo fie ben Sßiffen
Sßrot für ben niicbften Sag benehmen foflte,
mäbrenb ihr einiger ©obn mit feiner junflett
fjfrau im Ueberfluß fdjroelgte.
©inmal, als mabrfcbeinlicb bie 9fotb ben £>öbe=
! punft erreicht batte, faßte ficb bie alte grau ein
£>er 3 unb flinfl 311 ihrem ©ohne. 2 e^ferer be»
j fanb ficb flerabe in einer gereiften, ©timmunfl,
melcbe ficb nod) burd) bie ©rfcbeinuufl beS uitge»
beteiten ©elfte» fteiflerte. 21 IS jebod) bie Mutter
unter Simonen an bie $?inbeSpflid)ten appellirte,
ba flerietb ber ©obn in Mutb, bie feine ©reugeit
batte, ©r erpriff feine alte Mutter unb ftieß fie
oon ber ©allerie. Miibfam erhob fie fid), maubte
ficb noch einmal an ihren brutalen ©obn, erhob
bie rechte |?aiib unb fugte: „Milbelm, ©ott mirb
bicb für biefe ^anblnng ftrafen." Sann febrte
fie ber alten lieben |)eimatb für immer beit
iJfiicfen. „$rret euch nicht, ©ott läßt ficb nidit
fpotteu, maS brr Menfcb feiet, baS mirb er ernten."
©eit jener 3 ,eü fc^ien ihn fein irbifeber ©liicfs=
ftern, melcber ihm fonft immer fleleucbtet, oer»
»affen 311 haben. 2l(leS, roaS er unternahm, miß»
glücfte, er mochte beginnen, roaS er mollte, auf
allem ruhte ber Mutierflndj. 2 ?ad) mehreren oer=
geblidjen 9?erfud)eu, in jener ©tabt mieber
empor 311 fontmen, entfebfoß er ficb enblicb fort»
3 ii 3 iebeu. ©efagt, getban! 2 Bir fiubeit ihn meb»
rere Sabre fpäter nach jener fcbauerlidjen 23e»
gebeubeit mit feiner Familie mehrere Meilen
meit oon jenem 0rtbeS©cbrecfenSnuf bem 2anbe.
©r bat baS 3iel- melcbeS er fid) einft als junger
2 J?ann fteefte, erreicht unb roobnt auf feiner eige»
neu (Varin; and) bie fleine ißauniroollenfabrif
mit bem fjofjen ©djornfteiit ift fein. S p bodj
Porangeben mill’S and) nid)t red)t, er fühlt, baf;
ihm etmaS im 2Öege ftel)t, unb biefeS etmaS mar
nichts anbereS, als roaS ihm bamals feine Mut»
ter 3 iirief: „Milbelm, ©ott mirb bicb fiir beine
^anblungSroeife ftrafen!" Unb bie ©träfe, fie
folgte ihm auf bem 3 fuß.
©S ift beute ein heißer Sag, biete ffarmer
halten bor ber ffahrit mit ihrer 3?oumrool(e unb
märten, bi» au fie bie 9teibe beS 2(b(abenS fommt.
Milbelm ift beute febr aufgeregt, eS gebt ihm
nicht» nach Muiifd). ©0 gebt er halb oon einem
311 m anbern unb macht feinen ©efiiblen 2 uft,
febimpft, befiehlt, mie eS gerabc tommt. S» fei»
11 er 2 lufregung bemerlt er eine hinter ihm ar=
beiteubc .Qreisfäge nicht, fommt ihr 31 t nabe unb
mirb oon iljr crfajjt. SSemußtloS mirb er in«
^)auS getragen.
©inige Minuten fpäter fprengte ein Ufeiter in
icbneflem ©alopp baoou, um einen 21 r 3 t 311 holen,
beim bie Säge bat Milbelm ben 2lrm abgefebnit»
ten unb berfelbe mußte fofort amputirt merben.
Su frägft, lieber 2 efer, roelber 21 rm ober melcbe
£>anb mar eS benn ? ©S mar berfelbe 21rm, bie«
felbe £>onb, bie einft oor Sabren bie alte Mutter
0011 ber ©allerie fließ. Srret euch nid^t, ©ott
Uifjt ficb nicht fpotteu!
Digitized by v^ooQie
248
Jledjt muß Rfd)t bleiben.
Söomit inan fiiitbiget, bainit roirb man ge«
(traft. — 'iltich in äÖilbeltn’S fjatnilienlebett
jeljlte eS am (Beften. Heilt Elitär mar errietet,
roo man WorgettS mtb 9 IbenbS Sebooab mit ber
gantilie opfert, batjer auch fo Diel 3 onf, 3 ®'P
unb fo man«() Herjeleib. 'Eie Hitiber motten beut
(Batet nift)t gehorchen, finb grob, hoben auch fei«
nen (ßater, fonbent einen 9 llteit. So roie 2 Bit=
beim flehen feine Wutter gebonbelt, fo roirb er
Don feinen eigenen Hillbern betjanbett — baS ift
ber Wutter glucf). $)eStjolb rufen mir, beDor
mir fcbliefeen, noch einmal jebem Sfinbe 311: Gifte
SBater unb Wutter!
- ■ ♦ »
$cdjt muff öod) $cd)t blfibeit.
III. pas wieberflcfunbette ^cßatnrnt.
<£iii <5rfd)id)t*bU& au» brr '»eit bfr bcutfdjcu
$d)tnad) unb Qrrljcbunfl.
giir #an6 uub ^erb tiou $au( (fußen.
9 } i e r t e 3 H o p i f e I.
JJirfeljlte |ttäuf.
J nt Haufe beS SBanfier Gerf befanb ficb 93 e=
fmt), unb jroar ein langer, bogerer Wann,
beifcit «rauer Schnurrbart beit ehemaligen
Wilitär Dertiinbete. ®cr (Rittmeifter © e r (i ng
gehörte, gleich Hatte unb £>irfd)ietb, ju jenen
Offizieren, meiere au» ber prctißifdjcit Olrutce
entlaffeu morben maren; nur erfolgte ber (Hb*
febieb be» (Rittmeifter» au» ©tüiiben, bie bem
©eriieht nach nichts roeniger als ebreuDoft ge«
mefen maren. Me Offiziere, melcf>e mit ©erliug
in Steubal rooljnten, jogen fiel) Don it)m juriirf,
mtb er führte ein jiemlich cinfameS Seben. (Bon
3 eit ju 3 «it reifte er nach Wagbeburg, mofelbft
er meprere ©efanitte ^atte, ju beneu Dor Elftem
audj ber Gommerjienratb jäljlte, in beffen
Haufe er bei fotzen ©efudjen regelmäßig abju«
fteigen pflegte.
2 )a» ©efprädj, meines bie beiben Wänner
beute mit eiuanber führten, mar febr bertrau«
lieber (Hrt, beim Gerf äußerte:
„Sie merbeit mich eitet febetten, lieber 9 ?itt=
tneifter, aber ich geftelje Sftjnen offen, baß id) mich
nun noch nach einem MelSbiplom fehlte. GS
Hingt, toiffen Sie, um DieteS poetifeber, roenn
matt fieb nennen fattn: „boit Gerf". Unbmarutn
auch nicht? ’S (Bermögen ift ja ba."
„(Natürlich." pflichtete ©erltng bei, „Sic fteben
ja bereits bo$ genug in ber ©mtft (Napoleons,
melcber treue Öienfte gern belohnt, — machen
Sic fidj ben Huifct aufs (Neue Derbittblich."
„(Mber mie ? dBoburch ?" feufjte ber abelSlnftige
(Banfier.
„®urih_ irgenb eine toidjtige Wittljeilting."
„©eroiß, getoiß!" rief Gerf unb ftürjte auf
bie tEbüre ju, roelche möbreitb ber (RebcbeS (Ritt*
mcifterS aufgegangen mar, um eine Otnttc bin«
burd) ju (affen. „Welch’ hohe Gfjre für mein
HauS, gnäbigfte ©räfin !" fuhr ber töantier
unter tiefen unb jablreichen (Berbeugungeit fort.
Oabei taufebte er mit feiner grau, mcldje beit
Dornebnten ©aft auf bem (Borfaale empfangen
unb in ben Salon geleitet hotte, (Blide befrie*
bigteu StoljeS aus. Souifon tbeilte bem Gottt*
mcrjienrntb mit, bah fie fich eiitfd)(ojfeit höbe,
ihren (Befud) bei ber (Baronin Gfchroege bis jittn
Srriibjabr auSjubehnen, Don 3 fit J» 3 e 't ober
nach Wagbeburg 511 fontinen, um fich mit ihren
SanbSleuten, ben Siegern Don 3 etta, itt ber
frnujöfifchett Wutterfimicbe ju unterhalten.
„Stau ©räfin merbeit fehen, bafs 3 h r Gittfchluß
in ben hoben frattjöfifchen ,Q reifen basier ben
größten (Beifall finbeu rnirb," rief ber eittjiidte
Gerf. „Weine tJratt," fügte er etmaS Dermirrt
biujtt, „mürbe eS fich Jur größten Gbre f(heißen,
bie ^ra 11 ©räfin mit ben Honoratioren biefer
Stabt näher betaunt ju machen."
Sotiifon nahm bieS Wierbieteit att, fchtug ba«
gegen eine Ginlabuttg beS aufbriitgiidjett Satt«
tierS, bei ihm ipr Quartier aufjnfchlageti, ab,
ba fie eS liebe, auf bem „neutralen (Boben" eines
©aftbaufeS ju bleiben. Gerf hotte redjt gehobt;
bie franjöfifcbeit Familien WagbeburgS maren
über ihre junge, fchöne fiaiibSmätutin entjüdt
unb man machte fich in Ginlabuttgeit ben (Rang
ftreitig. Hmife beS ©encral Widjaub Der*
tebrte bie ©räfin mit befottberer (Borlicbe, ba
ber alte H err l ’iel über (RapoIeonS 9 lbfid)ten
plauberte unb bei biefer ©elcgeubeit gattj tta*
tiirlidj bebeuteub aus ber Schuie fdjmaßte. 9 luch
9 taoul b’Hotmaigue lernte bie ©räfin in bem
Greife WidhaubS teuitett, boch Derbielt er fidh ihr
gegenüber febr fühl, ba fie eS gemagt hotte, iljnt
öffentlich ju miberfprechen. Widjoitb gab näm«
lieh fine große 9 lbenbgefellf<baft, ju melcher ttur
höhere frattjöfifdje Cffijiere unb (Beamte einge«
laben morben marett. (Bährettb beS Sifchge«
fprächeS tarn bie (Rebe muh ouf bie beutfehe
(BeDölferung WagbeburgS uitb fo tarnen beim
auch HirfdjTelb ttttb 3 obmtneS att bie (Reihe.
2 :er Grftere mürbe Don Wichattb ebenfo febr
gelobt als ber Seßtere Don (Raoul getabelt ttttb
berbädbtigt. $ie ©räfin nahm fich beS @e=
fchmähten att, ittbent fie b’Hounaigtte nach ben
©ritttbeit frag, roelche ihm bie (Berechtigung ju
biefem lieblofeu Urtheile Derliehen.
„Sein Saittilientinttte," gab 9 taoul itt h«f s
tiger 9 (ufmallung jttriid, „genügt einem Glfäf*
fer, mie mir, um itt iljnt eilten ^vonjofenfeinb
ju erbliden. S'er JJaifer hot leine erbitterteren
Digitized by v^ooQie
itrdjt muß läedji blrtbeit.
249
Seiner, als biefe IRatbobS." $iefe Sleußeruitg
eines laiferlidjen ©ünftlingS übte auf alle s 2 liu
wefenbeit ihre Sßirtung, unb Woifeg betrachtete
Don biefein s Mugenblide an Johannes mit miß*
trauifcßen SBlideit. Souifon gab fich bie größte
Wüße, ben fcßlitumen Ginbrud raieber gu Der»
loifcßen, allein baS Don ber ©efeüfdjaft gegen
ben Stauben gefaßte tBorurtßeil blieb beftebeu.
3 um ©liid erfuhren fjirfdjfelb unb Johannes
Don ber ©rafin alles roieber unb trafen ihre
Waßuahmeu barnacb. Johannes warb Dorlänfig
nach Stenbal gu Äatte gefdjidt; auf biefe Steife
tarn er bent mißtrauifcheu Woifeg aus ben klugen
unb rourbe gugleicß immer tiefer in bie ®läne
ber grreuube eiugemeiht. 2 )ie Dielen Wuße*
ftiinben, über welche jeßt SohamteS Derfügte,
ftimmten it)u gu einem ruhigen fRachbcntcn. Gr
fühlte, baß er bie Gltern Don Mein unterrichten
müjfe, ohne babei feinen SnnbeSgenoffen ben
Gib ber ®erfchwiegeuheit gu brechen. 2 )ie 3 eit
ber Daterläubifcßen ®egeifteruitg begann in
$euticßlanb gu bammern unb 3 ohanucS gehörte
gu jener uutthigen Schaar, weiße gern Slut
unb Sehen opferte, mit baS geliebte tßaterlanb
Don bein thranuifeben 3 ocße ber 3 ?roujofen gu
befreien.
SBäßrenb Johannes feßnfüdjtig auf bie Mt*
roort ber Gltern wartete, entroicfelte ftirfdjfelb in
Wagbeburg eine außerorbeittliche Sßätigfeit.
5 )ur<ß einen Unteroffizier, 2 ö o l f, hotte er bie
Selanntfchaft beS 3 MirgermeifterS ber 9 teuftabt
gemaßt, bejfen &erg treu fiir baS tßaterlanb
fßlug. $er Ghrenmann, begeiftert Don bent
$lane £)irfcbfelbs, führte ihm alSbalb aitbere gu«
Derläffige Wanner gu. 3m Uörner’fchen ßaufe
tarn mein an beftimmten Menbeii ber Sßocße gu*
fammen, um fich gegenfeitig Wittfjeiluiigen gu
machen. ftin unb wieber nahm auch bie ©rafin
Sübbeitau an biefeit ®erathungen ih?il< unb
bie Schärfe ihres ©eifteS, foroie ihre feine ®e=
obachtungSgabe traten bei biefer ©elegenßeit fo
glängenb gu 2age, baß fich bie Mmefenben gliicf*
lieh fßäßtett, fie gut treuen SunbcSgenoffiit gu
haben. Sie war eS auch, welche ben ®iirger=
meifter Störner überrebete, gut gefilmte SSitrger
ber ffteuftabt gu werben unb im ffefler feiiieS
Kaufes eine heimliche Söaffennieberlage aitgu»
legen.
®ie 9 lbfßrift ber föitiglißen GabinetSorbre,
welche Cbirfchfeib Don SRomberg erhalten, wirtte
über Grwarten unb entflammte bie SDeutfß*
gefilmten in Wagbeburg, bie ßetten ber Sßtan*
nei bei ber erften ©elegenheit gn gerbrechen,
ffurg, 9 llleS ging nach ffiunfß, nur über eine
Schmierigfeit bermochte Sfreunb #irfßfelb nicht
ßinmeggutommeu.
Um feinen ®Iait, Wagbebura Don innen gu
erobern, in SBirflicßfeit auSfüpren gu fönitcn,
beburfte er ber Sßlüffel, welche bie Show ber
fjeftung öffneten. Seinen Mßforfßutigen ge»
laug eS gu erfahren, baß fie mähreitb beS 2 agcS
in ben Derfchiebenen 2 horwachtftuben hingen,
wofelbft man fich ihrer unmöglich bemächtigen
foniite. Sobalb aber bie Shore MenbS ge*
fctjloffcu würben, halte ein Solbat bie Sd)liiffel
ab unb brachte fie gnm ©ouberneur. Ser Crt
jeboch, wo Wißaub fie aufgnbemahreii pflegte,
blieb fjirfßfelb, troß aller ®eiEÜhnngen, mibe»
fannt. Um fo größer mar baßer feiiie ftreube,
als bie ©räfiti Siibbenau ißnt in feiner 9 tatß*
lofigfeit gu £)ilfe fam.
Gs mar einige Sage nach IRombergS Slbreife,
ba erfeßien ©erirub in beS SieutenantS 3 intmer
unb tßeilte ißm mit, baß eine Dornehnte Same
ißn gu fprecheit wünfehe. |>irfchfelb begab fiel)
mit bem Wäbßcn nach ber Schraber’fchen SSoßn*
ftiibe, wo ißm bie ©räfin Sübbeitau entgegen
fam. Sie wußte, baß ber Sieuteuant bor bem
SBciiihänblcr unb bejfen Soßter feiuerlei ©e=
heimniß habe, beSßalb rief fie bem Gintietenben
fofort entgegen: „3ß fenne jeßt ben ®laß, wo
bie Schlüffe! gur ®efreiung Seutfßlanbs ßän*
gen!" fiirfßfelb geigte ein freubigcS Grftauiten.
„GS ift boeß reeßt gut," fußt bie ©räfin lädjclnb
fort, „baß bie tapferen Wänner nießt gang allein
auf fich aitgewiefen fittb, foitbern treue ©eitoffin»
uen an uüs grauen haben. SSeiblidje Scßlan«
ßeit geßt oft über männliche Stärfe."
„Cb, bitte, ginibigfte ©räfin, wie famen Sie
gu biefer Mßrißt ?" unterbrach fie ber ungebul»
bige ^irfcßfelb.
„ 3 cß befaitb mieß geftem ?lbenb in fDlühaubS
^laitfe auf SScfucß. Scr ©oiiberneur, ber fonft
ein feßr häusliches Sehen führt, war oiiSnahmS»
weife fort unb ich befnnb mich baßer mit feinet
©etnofjlin allein. SaS ©efpräcß gab mir ©e*
legenbeit, mich über bie prächtige SSoßnung
WidjaubS gu äußern, unb ba ich biefelbe nur
gum Sheil fannte, mar fie fo gefällig, mich ln
ben SRüumlichfeitcn herumgufiihreii. So ge*
langten wir auch in beS ©ouDerneitrS 3 iwmer.
Sie föuneit fieß benfen, baß icß bafelbft eine ge*
naue Dttitibfcßau hielt, unb richtig entbeefte mein
üluge einen großen ®unb mit Schlüffeln, ber an
ber SSaiib, unweit Don beS Hausherrn Schreib*
tifeße hing. Stuf meine fchergßofte Singe, ob ber
©oiweriietir fo Diele Derfcßließbnre .ftellerräume
befiße. tßeilte mir Wabame SJfidßatib mit, baß
eS bie Schlüffe! gu ben SffiungStßoren feien. —
Sinb Sie jeßt gufrieben, f>err Sieutcnant?"
„3cß bin 3hnen gu großem ®anf Derpflidhtet,"
fagte ^»irf^felb fich Derbengenb. „dennoch würbe
meine $nnfbarfeit noch bebeutenb gimehmen,
wenn 3 ßr Schorfünn mir nun auch bie Wittel
unb üöege angeben wollte, um bie Scßlüffel in
meine ©emalt gn befommen."
„3cß mar auf biefen SBunfdj gefaßt unb habe
baßer feßou im SßorauS meinen ilopf augeftreugt.
Digitized by
Google
250
ftrd|t mufj Redjt bleiben.
Sic follett bnS 9 tefu(tüt fofort erfahren, jm>or |
crfmije id) Sic über, mir mitjutfjeilen, wie lange
Sic bie üerhänguißoollen Scplüffel 311 behalten
gebenleit ?" !
„ 9 tur auf fo lange, als nötpig ift, um ooit ben
Sd)(üifeln bie SBacpSabbrüdc 311 neunten."
„SPortrefflicp," nidte bie Gräfin beifällig, „nur
möchte ich nicht ratheit, einen bev £)iefigeit
Sdjloffer ins (%heimuiß 311 jicljeu."
Wit einem "egeSgemijfeit Säcpeln entgegnete;
ßirfdjfelb: „'Ser Warnt, ber für bicfeS Weifter*
ftiid üuSerfeijett ift, lebt 311 Stenbat, er ift ber
$au 3 wirth meines greunbeS Platte 1111b ein oor*
trefflicher Patriot." „Gut beim," nahm bie
©riifin ihre Diittheitungen mieber auf, „hören
Sie weiter. 21 m heutigen Worten pat eS i»
WicpattbS £>aufe eine heftige Sceiie gegeben, in*
bem ber ©ouüerneur hinter Perfchirbeue tPer*
untreuungen gefontmeit ift, welche fich bas
Stubenmabchen 311 Schulben tommen lief}. Sie
warb fofort aus bem Sieitft gejogt unb au uns,
S c er Lieutenant, ift eS jeßt, für eine neue 9 Jtagb
orge 311 tränen."
£>irfcpfelb wußte biefe SBemerfuttg nicht 311
beuten, er 3iicfte bie Wipfeln unb fah bie Gräfin
frageub au, welche in ihrem luftigen Uebcrmuthe
forifupr: „ 2 Bir miiffeit ein Wübcheti nuSluttb»
fepaften, baS fich hetbeiläßt, 3b»ett bie 3?eftutigS*
fiplüifel auf turje 3 ei 1 311 oerfchnffen. Sie ©011=
Oerneurin bebarf eines neuen totubeumäbcheiiS
unb wirb eine'Berfon um fo lieber nehmen, wenn
biefelbe mm mir empfohlen wirb."
„3jdj werbe ben Soften übernehmen, meine
guäbtge ©riifin," rief eine begeiftertc Stimme
unb, 311m ©rftnuneit ittller, trat bie bis jeßt fo
fcpweigfame ©ertrub flamnteubcn WntlißeS auS
bem £>intergrunbe ber Stube peroor. „ 3 n ntei*
neu Wbern rollt baS 33 (ut meines '-BaterS unb in
meiner ©ruft fc^Iügt baffelbc treue fters, welches
bor Nichts 3iiriicfbebt, wenn baburd) baS SBopt
beS HaterlaubeS geförbert wirb. . . . oh werbe
bem föerrtt Sieutenant 3U ben Sdjliiffetn per»
helfen."
Sie Witwefettben faheit baS noch nicht fünf*
3ehnjiibric}e Weibchen hacherftannt an nnb&irfcp*
felb warf bie f\rage auf:
„SBie wolitcft bu biefeS Söagftiief beftefjeu ?"
„Wuf bie einfachfte 31 rt unb JBeife," lautete
bie entfehtoffeue Wntwort, „inbem bie 5rau
©riifin mich ber Wabaine Wichanb als Wagb
empfiehlt." „©ertrub, bu mollteft bieS wagen ?"
rief fjirfchfclb. „Sod) nein, bieS geht nicht, ich
barf pich einer folgen ©efahr nidjt auSfcßeit —
3iibem bift bu noch 8u jung." „3cp bin fein fiittb
mehr," entgegnete baS muthige Wübdjcu mit
großer ©ntfcbiebeitfjeit, „ich bin bie Sachter mei*
neS ilaterS, nach beffen Sinn ich hanble. Sie
2 eibenS 8 eit beS beutfepen 33 olfeS muß cnblich ihr
©übe erreichen."
| fjirfchfetb fchwanfte noch immer, fein beob*
ad)tenber iölief haftete auf ©ertrub, welche feit
ber Srennung 00111 Unter fehr ftill geworben
I war, jeßt aber waren bie Sepnfucht unb baS
Heimweh, bie fich bisher auf bem bleichen Wäb*
cpenantliße ausgeprägt hatten, fpurloS Der*
fchtounben unb bochaufgerieptet ftanb WombcrgS
Soipter ba, leucptenben WugeS, eine jugeublidje
£>elbiu.
; Siefer WttSbrud ebelften WutpeS gab bei
Cmfchfelb ben WuSfdjlag, unb eine Stunbe fpä*
ter befanb fich bie ©riifin mit ©ertrub in bent
©mpfangS3immer ber Wabame Wicpaitb. Sie
warme Empfehlung ber ©rfteren genügte, 9tom=
bergS Sod; ter ben Sienft 311 oerfepnffen, and)
lebte fich biefelbe mit großem ©efepid in ihre
neue Stellung ein.
©ine Gelegenheit, ihr 33 orhaben auSguführen,
fanb fich halb. Ser ©oiwerneur hatte nämlich
mit feiner ©cinahlin eine Einlabung Don Woife}
erhalten, ©ertrub theilte bieS fofort £mfcpfelb
mit, ber gleichfalls 311 ben ©ciften gehörte, unb
man fauu fiep bie ©cfi'iple ber bangen ©rwar»
tnng beuten, mit benen fich .£>irfd)felb in bie
glänsenbe ©efellfchnft begab, unb mit benen
©ertrub baS Wubrcchen beS entfcheibuugSooüeu
ülbenbS erwartete.
Sic Sdfliifjel 311 ben Sporen waren non ber
^Patrouille bereits abgeliefert worben unb hingen
in beS ©cuüerneurS 3 'wmer an bem ©ertrub
wohlbcfanuten tpiaße. 9 ?och burfte fich aber baS
junge Weibchen bem Staunte uidjt nähern, ba ber
Sicner barin mit Aufräumen befepaftigt war.
Sie lanfd)te hoher am ©nbe eines Seitenganges,
bis 3 rrnn$oiS baS 3 <Witter oerließ. 2 Bie lapintc
jeboch ein jäher Schied ihre ©lieber, als fic
hörte, baß er bie Spüre beS ©etnadjeS hinter fiep
abfchlofj. 91 II’ ipr hoffen war pernichtet, wenn
er beit Scplüffel mit fiep genommen.
Sangfam fepritt ftraii9oi3 ben ©ang entlang,
bie Sreppe hinab nach feinem 3 <mmcr. ©ertrub
oerweilte in ihrem iPerfted, bis fie in ber £mnS*
flur baS 3 ufchlageit ber Spüre oernommen patte;
erft bann eilte fie tlopfenben |>er3enS nach bem
©ingattge 311 beS ©otiberneurS 3 iinmer. „®ott
fei Sauf," fliifterte fie aufathmenb, „ber Scplüffel
ftedt. Sic Gelegenheit ift jept giiitftig, bev iPa*
ter im ^immchlaffe eS mir gelingen."
Wit oorfieptiger ,£)anb brepte fie ben Scptüffet
im Schlöffe herum unb öffnete bann fo leife als
möglich bie Spür, ginftcruif; hüllte baS 3 itu*
nter ein tutb ©ertrub mußte fiep oorwärtS taften,
was um fo gefährlicher war, als fiep bie Stube
beS SienerS unter bem UtrbeitSpmnier beS ©01t*
oertteurS befanb unb ber geringfte Sarin, baS
9 ?ieberfallen eines ©egenftanbeS, baS fuepenbe
Wäbcpett oerratpen mußte.
9 iach eiittgen bangen Winuteit patte ©ertrub
bie üöanb erreicht, an welcher bie Scplüffel
Digitized by v^ooQie
8rd)t mu| jRfdjt blribru.
251
hingen. Abermals bcflamt fie tiorficßtig 511 taften,
bis fie enblich bie Schliiffel, welche ber ^reifjeit
eine ©alle öfttten füllten, in ifjrert gitternben
{tänben Unter Seobachtnng berfefbeit 3 Sov=
fid)t trat fie ben SRiidmeg an, bie Thiire wie»
btrum hinter fict) leifc fchließeub. 91 11 nmehr
fdjlüpfte ©ertrub nach ihrer Kammer, um bort
bie tlirrenben Sdjlüffel mit einem Städte gu um»
binben, bamit fie beim Straften fein ©erätifd)
üerurfndhten. Tiefelben unter ihren 'Mantel
berftenb, fdjlidj fie unb gmängte fich üor»
fidjtig burd) bie- {tauStljüre. Sowie ©ertrnb
aber bie Straße ftcmnnn, eilte fie geflügelten
Schrittes nach SdjrnberS {taufe.
„{taft bu bie Schlüffel?" rief ber Söeinböub»
ler ihr entftenen, mtb bie atfjemlofe ©ertrub
niefte mit bem $oftfe.
fein fchnelter.Sote brachte alsbalb ben Sieute=
nant {tirfchfelb'herbei, befieu gfreube unb 3ube(
man fich benfen tarnt. „Tu bift bie echte Todj*
# ter beitteS SaterS!" rief er freubift erreftt, aus
©erlrubs {taub bie bebeutunftSüoileu Sdtlüfiel
entpfangenb. „©ebulbe bich nur gehn Minuten,
mein limthigeS Mäbchen, ich nehme fchnell auf
meinem 3 i mmer ^' c AkchSabbrtide. ÜBir ha*
ben beibe Gile; bu, um rechtjeitift mit ben
©dtliiffeln iin {taufe beS ©omierueurS anguluit»
ften, unb ich, um nicht allgulange 0011 Moifeg’S
SJohuung feritgtibleiben, ba mein plößlicheä
Serfchwinben fonft Serbacht errefteit tonnte."
Gr eilte nach feinem 3 immer, brachte fie aber
halb mieber guriid. „Gile nach {taufe, Mäb»
chen, unb hänge fie an ihre alte Stelle," rief er
froh, „üon biefent Abenb an fanu fie ber ®ou=
berneur meittetroefteu unter bctS Jtopffiffen leften;
bie 3?orm befinbet fich in meinem Sefiß unb
balb ioüen neue Schliiffel ba fein, bie biefen
mie ein Gi bem attberit gleichen. Sehre f?eiin,
©ertrub, unb fage heute ber alten ©reellen,}
befoitberS frettnblich gute Aacht, beim burcf) ihre
Abroefetißeit hat fie uns unb bem beutfeheu
Saterlanbe einen roichtiflen Tienft ermiefeit."
{tirfchfelb beftab fich in ntiSgelaffener Suftigfeit
in bie ©efeftfdjnft guriid, wo er ber ©räfin
gugleidj bie ftlücfliehe Aeuigfeit gufliifterte; ©er*
trüb baflegen eilte flopfenbeu {tergeuS bem {taufe
beS ©ottüerneiirS gu. Mit berfelben Sorficßt,
mit ber fie fich ber Schliiffel bemächtiftt, h'Uft fie
biefelben mieber an ihren alten Ort.
Salb barauf überbrad)te Johannes bie neuen
Schliiffel unb würbe üon bem unftebulbift har»
renben {tirfchfelb mit lautem 3ubel empfangen,
welch lc§terer noch gitnahm, als ihm SobanneS
mittheilte, baß bie fjretttibe in Stenbal mit üol»
lern Sertrauen ber midiften 3 utunft entgegen*
fäheit, unb baf; Satte ben Tag taum erwarten
tönne. wo er mit feilten in ber Stille gefanttnel»
ten Truppen üon bem linten ©1 huf er aus fich
ber geftung bemädjtigen bürfe. GS blieb jeßt
{tirfchfelb nur noch iibrift, bie Schliiffel gu beit
thören 311 probiren; paßten unb fehloffen fie,
fo founte bie Uelterrumpelnnft üor fich flehen.
3 nbeffeit war bieS ein gewagtes Unternehmen,
waS er nur unter Seiijilfe beS Unteroffiziers
2 Bolf ausfiihren tonnte. Terfelbe hatte miitt*
lieh einen Solbaten in feiner Gontpagnie ge»
Wonnen, unb man wartete, bis biefeu bie Seihe
beS 2 Bad)tbienfteS traf unb er um Mitternacht
beit Soften bei bem für {tirfchfelb fo ungemein
wichtigen Tljore begog, welches ben Satte’fcheu
Mannfchaften 31t ihrem Giuguge in bie Heftung
nerhelfen füllte.
TaS SBetter geigte fich {tirfdjfelbS Sorhaben
fliinftifl, beim es ftiirmte unb regnete berart, baß
bie 2Bochtpoften ihre nädjtlicheu Streiigüge burd)
bie Stabt in biefer Sacht fo gut mie einftellten
unb Cffigiere unb Solbaten in ben burehmörnt*
ten Siachtftuben blieben, {tirfdifelb erreichte
baber ohne Sdjwierigteit baS Tijor, toofclbft
ihn SBolf erwartete. Tie Schliiffel warben an
üier üerfdtiebenen 2hören probirt unb erwiefen
fid» als pnffeitb. frohen {tergenS tehrie {tirfch»
felb gu Sdjraber unb Johannes guriid, wcldje itt
banger Grmartuug anfgeblieben waren. Ter
fiieutenant feßte jeßt feinen 3meifel mehr in
baS ©elingett feines UnternehmeuS; nur beim»
ruhigte ihn baS überlange Ausbleiben S0111*
bergS. Stibeffen bie {inuptfacbe war erreicht:
bie Schliiffel gur Freiheit TeutfchlanbS befanben
fich i't feinem utib Satte’S Sefiß ...
©S_ war ant nädjften Tage, als {tirfchfelb
eine freubige Ueberrafchung gu ttjeil warb.
I Aontberg langte nämlich wohlbehalten aus Ser»
Iin wieber an, weiinfchon feljr erfchöpft, ba bie
| frangöfifdte Soligei ihm üiel gu fehaffen gemacht.
Sur einmal üertlärte fich fein Angeficht, als er
aus bem Muttbe ber ffreuube bie muthige Tljat
feiner ©ertrub pernahm.
„ 3 a, ja," rief er frettbig bewegt aus, „baS
ift mein Sittb, beut ift bie Siete gum Saterlaube
angeboren. Tod) glauben Sie mir, {terr 2 icu»
tenant, biefeS Mäbdjett fteht mit ihrem Mutlje
1111b ihrer Segeifterung nicht allein ba; Tau*
feitbe leben in unferm Solle, bie üou ber gleidjett
Siebe gum Saterlaube befeelt fiub!" 9 lad) bie»
feu SJorten iiberreidjte er {tirfchfelb unb 3 o=
haitneS gwei Sriefe, Sie tauten üon Schill,
welcher in feiner Uugebulb ben Tag beS SoSfdjltt»
gen» taum gu erwarten üermod)te, unb üon bem
alten Toctor Dlatbob, ber in feinem Sohne bie
Gittwifltfluitg gum Utantpfe fürs Saterlanb, fo»
mie feilten unb ber Mutter Segen fanbte. AIS
Johannes mtb {tirfchfelb ihre Sriefe bcenbigt
hatten, gog Aoitiberg eitt fleitteS Sndchen aus
bem Uuterfutter feines DtodtragenS herüor.
„GS ift eine Sroflamatioit, welche üon ber
preußifchen Regierung anSgeht" fügte er ertlä»
I reub hiugu „unb guiuid)ft für Sie, {terr {tirfdj*
Digitized by v^ooQie
252
ftfdjt muh flrdjt bleiben.
felb imb bfn J)errit £)auptrmntn üon Platte
beftiinmt ift unb im Bugen blief beS RufftanbeS
unter baS Bolf oertheilt werben foll."
Jtirfhfclb erhielt ein tianv ©rcmplare ber
Brotlamatiou, wiihrenb IRomberg bie übrigen
im guttcr feines IRocftrageuS wieber Derbarg.
„©ebenft 3hr jeßt hier in Btagbeburg ju wer»
weilen?" fragte J)irfhfelb.
„borgen will id) weiter," ermiberte SRoinberg.
„Unb ©ertrub, folt fie ©lief) begleiten?"
„'Rein," üerfeßte jener traurig, „fie mürbe mir
nur binberlicb .fein, ba bie Bol^ei mir noch auf
ber gerfe ift." Seufjcnb ftiißte er ben Äopf in
bie £>nitb.
„RJollt 3 br Sucre ©ertrub nicht fehen?"
fragte gohamteS bewegt.
„Ob, gewiß, — boep will ich midj bis peute
Rbenb gebulbeu. 9 licpt w.tbr, Sie werben eS
baS gute $inb wiffeu lagen, bantit eS pierpec
foumt unb uodp einmal mit feinem 95 ater plau»
bert, ebe —"
tRomberg ootleubete ben Saß nidpt. @r er»
hob fiep baftig unb ftürjte, 3esem bie #anb
fcp.ittelnö, rafcp oou bannen.
£>irfhfelb unb 3 ö hmweS rannten ibm nah
uns waren bereits ein paar Stauben in ben
Straßen perumgeftridjen, als fiep ihnen plöpliep
bie ©tafiit Sübbeitau gugefellte, beren erfaßtes
Rutliß mtb oerftörte ©efidjtSjüge nichts ©uteS
weiffagten.
,,'JöaS ift gefhh-m?" tiefen Johannes unb
Öirfcpfelb wie aus einem 'JÄ.utbe. Snbejfcn
blieb bie Rntmort ber ©rüfiu aus. 3 lpre Blicfe
beuteten a:t, baß fie in ber unmittelbaren Reihe
fo oieler Btmfcfan nicht tu fprecheit wage. So
eilte mau beim nah Bater SpraberS $aufe
guritef mtb bort brah bie ©cüftu in bie fingen»
ben SQBorte auS: „3 h fürchte, meine greuitbe,
baß alle ititfere 'jßi.ine gefepeitert fiub!"
3 obaitueS erbleichte, Jlirfhfelb aber fragte
bebenb: „ 3 ft IRoinberg etwas gefipepcit?"
Oie ©cäfiit bejahte unb fuhr fort: „ 3 fcp fiat»
tete am blutigen Nachmittag ber ©emafain oon
fötaifeg einen B.'fuh ab. tpiößlich uernafaneit
wir bie jornige Stimme beS in feinem RrbcitS«
fabinet befiuMicpen ®euera(=6ommiffiirS, er»
fdjtocfen eilte bie beforgte ©attiu 311 ihm unb ich
folgte ihr mtwillfürlih auf bem giiße. Oer
©eneral» ©ommiffur befanb fich in pöcpfter
2Butb; unb wir erfuhren nunmehr, baß er
hinter politifepe Rnfhliige gefommeit fei, weihe,
feiner ^Cnficpt nach, bon Berlin auSgingen. @r
fpraep bon einer Brotlamatiou unb beutete ba»
bei auf bie in feiner #anb befinbücbeit Rapiere.
„©rofeer ©ott! rief $irfhfelb, „fo pat fiel)
unfere bange 9 Ibitung erfüllt unb ber arme
IRoinberg befinbet ftep in ber ©etonlt ber Bolijei.
„ 3 a, leibet gelang eS ihr bor einer Staube, ben
ungtüctlihen IRomberg ju berhafteu. Oer treue
BunbeSgenoffe bat nichts eingeftaitben, inbeffen
ift er biircp bie bei ihm borgcfunbeneit Briefe
unb Rapiere genugfam überführt."
^Oen Ri orten ber ©riifin folgte eine tiefe
StiUe.
Johannes war ber ©rftc, welcher bie Spraye
wieber erhielt, „3h fühle, baß jeßt rofh ge»
hanbelt werben muh," begann er in befcfa'ibe»
nein, aber beftimmten Stcne, „tenn nur auf
biefe Rkife ift bon uns Sillen bie ©efaljr, in
Weiher mir fhwebeu, ab,gumenben, IRoinberg
nicht ausgenommen, ber fih gleichfalls bon fei»
neu gefjelu befreit fepen wirb, fobalb bie Ueber»
rumpelung ber geftimg gelingt."
£>irfhfelb pflicptctc biefer Rnficfa bei unb bie
greunbe famen ülcrein, einen ©ilboten au
Satte abjufeuben unb am Rbcnb fih im Stör*
ucr’fhen £>aufe 311 weiteren Berathungen 31t
berfammetii.
Ocin fonnenheflen gviifaingStage war ein
milber Slbenb gefolgt unb an bem mit Sternen
befäcten $immcl glätte bie Sichel beeSLRoubeS.
RuS einem geöffneten geufier beS ©erf’fhen
Kaufes fah ein langer, pnflcrcv SWamt heraus,
mtb obwohl er ben Blicf auf baS flimmernbe
Firmament richtete, fcpienen feine ©(bauten
boh fehr auf ber ©ibe 311 berweilen, beim er
liihelte pöpnifcp, mährenb er fih behaglih ben
Schnurrbart ftrih- Oer grentbe lag heute
niht 311m elften Real am offenen gcnfUr, baS
für ihn eine Rrt ftillcr Bcoboditiirgcprftcn 3U
fein fhien. 3u icrfcfaibcncn Blalcu hatte er
^»irfcpfelb afleiu rber in Begleitung brn 3flhan»
neS 3ur fpäteit Rbeiibfiunbe ooriilergeljcn fepett,
unb als bie beiben greuube heute Wieber erfhie*
uen, berlicfs ber grembe baS fünfter unb tauchte
in bie bafanter l;errfhcnbe gir.fternife gurßef.
Oh»e Behelligung erreichten ^»irfcpfelb unb
Johannes bie Rcuflabt unb baS Äörner’fhe
.JuauS, wo bie Berbünbeten ihrer bereits harr»
ten. Sie hatten feine Rfaning babon, baß
ihnen eine unheimliche ©cftalt nahgefhlihen
war unb jeßt, gleih ipiien, in ber ijiauSthürc
uerfhwanb. . .
Oer nähfte Oag begann für bie givunbe fehr
trübe, beim fie empfingen bon ber ©riifin 2iib»
benau ein Biflet; fie nahm barin bon ihren
Berbünbeten Rbfhieb, riettj ihnen, Btagbeburg
gleihfaflS 311 berlaffen, unb melbete gulcßt, baß
Ütomberg in ber berwihenen 9 taht unter ftarfer
Bebectuhg nah Baris abgeführt worben fei.
Oamit war baS SEobeSurtpeil über ben treuen
BunbeSgenoffen gefprohen unb Weber Johannes
110h Jtirfhfelb fhäntten fih ber SEpriiuen, bie
reichlid) über ihre 2Öangen floffen. 3hr -Wutp
fhieu gebrocpcit 311 fein, als plößlih ber an
Äatte abgefaubte ©ilbote mit einer Röhricht
guriieftehrte, bie geeignet war, ben in ber Bruft
erlöfcpenben ^offnungSfunten wieber ansufahen.
Digitized by v^ooQie
Ilcdjt muß llrrijt bleiben.
253
benn ben Btittfjeiliingen beS Boten 3iifo(ge war
ffatte unter beni 3itbe( bev Benölferitng früh
um fDlotgeit in etenbal eingesogen unb ließ
©irfchfelb melben, baß er flehen Btitternacht oor
Btagbohurg anlangen werbe.
#irfcbberg traf nunmehr bie testen Borberei*
langen. BJolf mußte es übernehmen, bie für
bie Ueberrmnpelung gewonnenen Solbateit 311
beuachrnhtigeit, fiel) gegen ^Diitternacfjt bereit 311
halten.
Johannes eilte nach ber fJieuftabt, um bem
Bitrgernieifter Konter baS fteraimaben <{?atte’S
311 melben, unb um eine fcßleunigc Berbreitung
biefer fRacßricßt unter alle Bürger unb Arbeiter
311 bitten, welche treu 311 bem Unternehmen
ftanbeu.
SoßattneS war mit SBolf foeben wieber in baS
Scßrabcr’icße fjauS 3iirticfgefel)rt, als fief) bie
Sßitre non Steuern öffnete unb ©ertrub atßemloS
unb bteieß ciuf ber Schwelle erfcßieit.
„Dläbcßen — Was giebt es?" fragte .f)irfcßfelb
erfhrocten. beim er befürchtete, baß ißin Jemanb
in ber fOielbung noit bem traurigen Scßicffale
ißres BatcrS jiiborgetoinmeu fein möihte. S)ocß
wie nahm feine Be’ftürjung 311, als ©ertrub jeßt
herborftieß: „fliehen Sie Me! ... 2)aS gaii3e
Unternehmen ift nerratheu!"
©in fürchterlicher Schrecfeu bemächtigte fich
ber anwefenben Bläniter. frirfißfelös Mtliß
War non einer gcifterßaftcn Blaffe bebeeft. „O,
mein ©ott," fcßluchste jeßt bie arme üßaife auf,
„es ift nur 311 halb ei^ihlt. ©in Offner, unb
3War ein preußifeßer Cffinev, hat bem ©ouoer*
neue alle 3ßre geheimen Blanc ocrratßen."
„Unb ber htame biefeS Schürfen ?" rief £)irfih=
felb.
„Sfittmeifter ffierling erßhien in Begleitung
eines jiibifif>en BanfierS, webher niel non feinem
weiiheu öerjen rebete, gaitjj befonberS ober be=
tonte, baß bie Mflage non ihm auSgehe unb ber
Stittnieifter ©erting nur als 3 ei| ü e erfeßeine.
$er 3»fafl fügte e§ - baß ich im Sieben,gmmer
non beS ©ounerneurS 9(rbeitSfabinet befdßäftigt
war, als baS Baar fich «nmelben ließ. $)er
Banfier erzählte, baß if)n ©efchiifte nach Sten*
bat geführt hätten, baS non ,Quitte genommen
worben fei, ber mit mehreren huubert Btann
auf Bingbeburg loSmarfcßire, um bie ffeftung
biefc fHacßt 311 überrumpeln. Unteroffizier 3Öolf
unbein berliner ©elehrteufohu hätten mit |>irfch=
felb hier in ber Stobt bereits feit 2öod)en für |»
baS Unternehmen gewillt, puffenbe Scbliiifef
npfertigen Iaffen, einen 2heil ber Biirgerfchaft,
fowie eine 9lii3afjl non ehemaligen Solbaien ge*
Wonnen, um mit bereu £>ilfe im entfißeibenben
Slugcublicfe bie Shorwaiheit 311 iiberfaflen itnb
fieß ber ©eichiiße 311 bemächtigen."
„C ©ott im £>immel," flehte £>iri<hfelb, „laß
eSbocß nicht 311, baß fo nichtswiirbige Berriitßer
über unS trinmphireu." SaS Bfäbcheit aber
fuljr fort: „MfangS wollte ber ©oiiPcnieur bem
Banfier nicht glauben, bis ©erling ertlärte,
geftern Menb eine Berathung im Äörnev’fchen
•Öaufe belaufest 311 haben. 3 n berfelben fei ber
Blau 3ur ©innaßme BtagbeburgS ausführlich
befproben worben, unb er hafte für bie Bfafjr*
heit mit feinem Äopfe. — daraufhin warb fo*
fort Btoife3 herbeigeholt unb mit ihm baS BJei*
tere berathen. Sie Bhitß beS Seßtern war ohne
©reifen unb er feßwur hoch unb theuer, nicht
eher ruhen 3U wollen, als bis er fpirfcßfelb unb
Johannes in feine ©ewalt gebracht. Säinmt*
liihe Shore fiub bereits gefchloffeu, bie Brachen
namhaft berftärft unb bie ©efdjiiße feßarf ge*
laben. 3aßlrei(ße Stoppen haben bie etiibt
Perlaffen, um ,{Bitte, wenn er fiiß ber ffefhtitg
näßert, in ben Bilden 311 fallen."
„fWuii ift 91 lies aus," fagte £)irfd)felb in eifig
faltcm Sone. „fitem, nein, nein!" rief ©ertrub
mit glüßenbeu ÜEßangen, „fo bvnoe, helben*
m&tßige Blamier bürfen unb fallen Hießt fterben.
Um 3fßnen ben 2Beg 31a - gflucßt 3113eigen, bin
icß »och im ftanfe beS ©ojwemeurS Perblieben,
als fieß biefer mit bem ßommiffür mtb ben bei*
ben Berräthern bereits entfernt gehabt. 3cß
fennc ben Crt, wo bie Pielfnaenben Scßlüffef
hangen,-— hier haben Sie ben Scßliiffel 311 einer
fleinen MSfallpforte neben bem Sfwr!"
Bewunbernb blieften bie ^remibe auf baS
junge Bläbchen, welches ungeachtet ber großen
©efaßr ben Jftopf nießt Perloren unb an bie 9?et*
hing ber BuiibeSgeiiojjeii gebaeßt hatte. ©S war
ein trauriger Mfcßieb, ber jeßt folgte, .ftirfch*
felb erfeßieu gäi^licß gebrochen; fein £eben galt
ißm nicßtS meßr, 11m fo fernerer bagegen loftete
ber ©ebanfe auf feiner Bruft, baß ffatte mög*
ließet SBeife mit fo Pielen ßunbert Biiinnern bem
Untergänge unb Sobe tu bie 9lrmc eilen fönne.
Bater Scßraber erbot fieß baßer, für einen Boten
folgen 311 woflen, ber pou ber Beuflabt au§ au
,<?atte abgeßen foflte, um biefen 311 warnen unb
Pou bem Borgefallenen 311 berßänbigen, was
auch gefeßaß. Tics richtete ben armen -fSivfcßfetb
wieber einigermaßen auf 1111b er begab fieß mit
3oßanneS, 5Bolf unb ©ertrub unter ben beißen
SegcnSwiiufdheu unb briinßigen ©ebetrn feiner
treuen ffreimbe auf bie ^Incßi. Unb fie gelang,
311111 großen 9(erger Bloifec’S, ber wäßreub ber
näcßftcn Sage gewaltig wiitßete unb tobte.
fünftes Kt a p i t e I.
JSeutfißlanb macht auf.
3n bev fonft fo aemütßlichen Söohtmiig beS
Softor 9tatbob in Berlin fab es feßt folt mtb
öbe aus, beim bie feßwere 9fotb ber 3eit haftet
Digitized by v^ooQie
254
JUdjt muß Jäedjt bleibrn.
an alleh ©egenftäitben bet befdjeibenen HauS*
iMltmuv Tie ftamilie batte unter beut fratigö*
jiidjcn Trude noch mehr gu (eiben, als ihre
9 tad)barn; beim baS glüdlidje ©utloinmen uon
3 obaimeS, beffen 93 etf)eiligung an bent föfagbe*
bürget Unternehmen nicht uubefannt geblieben
war, reigte bie 'löutb bet frangöfifcheu 53 ef)örben.
Sie mürbe oielleicht halb oerraucht gerocfeit fein,
hätte ber frangöfifche Colonel Ütaoul b’Hau*
naigue, ber nach SÖerliit oerfc^t morbeu mar, fie
nicfjt gefchiirt, um fich an jenen fJtatbobS gu rächen,
bie uöit feinem ganjcn ©efchlecßte fogufogeu fd)on
feit Sfahehnnberten gehabt mürben. Ter alte
Toftor mürbe perlt gefänglich eingegogeit, ob*
fcßoit feine 9ticf)ter fefjr gut mußten, bcifj er für
bie HanbluitgSweife feines SoßneS nicht oerant*
mortlich gemacht merbeu tönne. tilllein man sog
bie 93 erbiinblungeit in bie Sänge uub raubte i()m
babürcßbie (Dtöglid)feit ber Crifieng, beim bunt)
bie fortgefeßte Haft ging ihm eine bei ber neu*
gegrünbcteu Uniberfität in 9 luS[id)t geftellte ißro*
feffnr berloren unb burch ben 93 erluft feines
fefteu ©infommenS faf) er fich mit ^rau unb
Tochter tu ein Heer bon ©orgen geftiirgt, beim
©elb uub Scrbienft waren im Sanbe rar ge*
toorben. Ta bie Einnahmequellen beS Toftor
Utatbob infolge ber langen Haft fo giemlidj ber*
fiegt waren, fo hatte bicS bie traurige fjolge für
bie tJantilie, bafj man ihr ein Stiid ©igentljuin
nach bem anbern fortfrf)leppte, unb wer meifs,
meid)’ trauriges ditbe eS mit ihr genommen
haben würbe, hätten nicht opferwillige ^rennbe
ihr redjtgcitig beigeftanben.
3 u ber Sorge um bie ©rifteiig gefeilte fich ber
Stummer um baS «dgdful uon Johannes, ber,
aus ber ^eimath berbannt, in eine ganj anberc
SebenSftellung biueinqebrängt morbeu mar, beim
er mar, bem 93 eifpie(e feiner Staiueroben folgenb,
in britifcße Tienfte getreten. Tie Briefe, welche
er nach ber £>eimatfj fanbte, berfünbeteit bie
Seljnfucbt feines öerjenS nach @ltevn, Schmefter
uub 93 aterlaub. So lange aber ber ftranginnnn
in Preußen herrfchte, mar an eine fRüdfeßr nicht
gu beufeu. fötau mußte auf beffere 3eiten ha»
reit, hoch ließen biefelben noch lange genug auf
fich warten, beim noch einmal entfaltete 9 tapo=
ieon feine gange fötacht unb fterrlichfeit, inbem
er bor feiner 9 lbreife nach htufjlanb einen jener
3 ?ürftentage hielt, bie TeutfchlanbS ^lerrfcher
tief erniebrigten. 9 (ud) tpreufcenS Sfönig unb
CefterreicßS Sfriifcr ^nußteit als 33ofaHeu bor
bem Storfen erfcheinen, beffen gewaltiges #eer
fid) nunmehr unaufhaltfam gen Cfteu mälgte.
Taffelbe brang, ohne auf erheblichen Sßibcrftanb
gu ftoften, weiter uub weiter in Stiplanb bor
unb halb folgte bie 92 ncbrid)t, baß ötapoleon mit
feinem H ccrc in ber alten Stremlftabt fötoSfnu
gu überrointern unb bafelbft bem befiegten ©ga*
reit ben ^rieben gu biftiren gebeute. IßariS
janchgte, baS preufjifche 33 oI! aber begrub bie
ftiüeit Hoffnungen, bie eS in feiner Söruft ge*
hegt. Huf ben fiärm ber SiegeSnachrichten blieb
eS eine geraume ©eile ftill. iUtouate oergingeu,
ohne baß ben harrettben 23 ölfern ©uropaS irgenb
eine .Qimbc bom ShiegSfchauplaße mürbe. Ta
begannen plößlidj eigenthüutliche ©erüdjte burch
bie pveuj5ifd)e Hanptftabt gu fchwirren; biefelben
waren geeignet, ben briidenben 31 Ip uon ber
93 rnft eines jebeit guten Preußen gu nehmen;
aber noch wagte Ötiemanb an bie Wahrheit gu
glauben, bis enblich ber Tag erfchicn. welcher
ber ftaunenbeit 2 l 3 elt baS Unerhörte melbete.
Ter Hauptmaim (flöße hatte taum boit bem amt*
liehen '-Bericht Slenntniß genommen, als er auch
fchon nach bem SJtatbob’fcbeu Haufe ftiirgte unb
mit bem 9 tuSrufe ins 3 immer trat: „®ott fei
Tauf! Ter '-öoiiaparte ift gefchlagen! Halle*
lujalj!"
©S war eine gcrabegu betäubenbe 9 iud)rid)t,
unb eS währte noch eine geraume 3 eit, ehe bie
iiberrafchte Familie fid) fo weit wieber gefaßt
hatte, um bem 93 erid)te beS HanptmannS folgen
gu fönnen, welcher in gebrängter SHirgc ben
Sranb uon fötoSfau unb ben Uebergang über bie
Söerefina ergäf)lte, um bann mit ben Söorten gu
fchließeit: „Ter ©onaparte befinbet fich bereits
auf bem 2 Bege nach 93 ariS, fein Heer aber ift
oodftänbig ocrnichtet."
3 eber Tag brachte neue 3 tad)rid)teu über ben
ruffifeßen tjelbgug. Cbwoljl eS Sebermann
graufte uor ben ((bäuerlichen 33 erid)teii, bie in
iuiSführlichfter Söeife baS ©lenb fchilberten, ba§
Hunger unb Sfälte über bie frangöfifdje 3 (nnee
gebracht, fo freute man fich bcch aus bollftem
Hergen über biefe für Preußen unb Teutfdjlanb
fo bcbeulfame ffiknbung. „Saut barf ber 3 ubel
uuferer Seelen freilich nod) nicht werben," er*
mahnte ber Toftor SRatbob ben nllguoerwegenen'
©öße, „beim noch hält ber [yrniigmnnn linfere
Hauptftabt unb bie Heftungen befeßt unb überall
fdjleidjen Spione umher, benen jeber gute TMir*
ger aus bem 3 ®ege gehen muß. 3 lber wenn ber
3 (ugcnb(icf erfd)eint, wo gchanbelt werben muß,
wirb es auch an mir nicht fehlen."
Tamit wanbte er bem berblüfften Hauptmann
ben SRiiden. ©öße ging gögernb bauon, fehrte
aber am uächften Tage fchon Wieber bei ben
ftreunben ein unb hatte, feiner alten ©emobn*
heit gemäß, allen 3orn oergeffen.
TaS 3 af)r 1813 , meldjeS für Teutfchlanb fo
ruhmreich enbeu follte, war angebrochen unb mit
ihm erfeßienen bie fläglicßen lleberrefte beS gj*
fchlagenen frnugörifcheu Heeres. 93 on jenem
93 runf uub llebermnthe, roie ißn einft bie ftolgeu
Sieger uon 9 Sagrom gnr Schau getragen hatten,
fanb fich nichts mehr uor; bie mit Sumpeit be*
bedten Sdjaaren, welche jeßt auf ben beutfeßen
Sanbftraßen baljmroanften, fanitten hur beit
Digitized by v^ooQie
Kedjt tnulj Jlfdjt bleiben.
255
einen SBttnfip, fiep fatt effen unb in einer roar«
men Stube üerroeilen ju bürfen. So feyiten
bie napoleonifcpen firieger langfant baper; ein
paar punbert rooplberittener preuüifcfjer {mfaren
batten genügt, fie fammt unb fonbcrS nicbcrjn«
bauen, ja, fo maneber .Bauersmann ober Stäbter
oerjpiirte nicht übel üuft, fein HJtütpcpen an bie«
fen Glenben ju fühlen, roelcpe ttoep oor fiurjem
bie Oualgei|ter ber beutfepen Htotion gcroefeu
mareit. Sie Spitäler füllten fiep rafcp mit
ftranfen aller Hirt, fo bafe man fiep halb fleuß«
tpiflt fap, trornepmere Patienten in ben Käufern
ber Bürger unterjubringen. Hlucp bie Familie
Slatbob erpiclt einen jungen, franjofifepen Cffi«
jier Jür Berpflegung, melcper an einem Fieber
ertrnntt war.
Ser {muptmann (Üöfee jaulte unb metterte
barüber, baß bie Familie ben granjofen auf«
nepmen mußte. „Unfiun!" rief ©öfee tut-
roirfep, „mit ber {lerrfepaft ber granjofen ift eS
oorbei! Hiiemanb pätte Giup jmiufleu tonnen,
ben Fratijofcu aufjunepmeu, ttoep baju, ba bie
©efapr nape lieflt, bafe 3pr Hille oon ipmange»
fleeft roerbet!"
6» roar ein etroa fünfunbjroanjifljäprifter,
piibfcper Btanu, mit meicpcit uitb fünften 3ii«
fleu, Sic großen fepönen Hingen ftarrten jejjt
mit einem flläfernen HluSbrucf in» Seere, beim
ber fronte futifle Hftanu lafl im lieber unb nur
oou 3 c 't ju 3eit leprte tlüdptig fein Beroufet«
fein juriief, bann juefte ein matte» fiacpeln um
(einen iütunb' unb bantbar peftete fiel) ber 33lief
auf bie beiben fremben Bflcgeriniten; bas
toeiepe, toarnte Bett fepien feinem tränten Äör*
per iiberau§ roopl ju tpun, beSgleiepeit ber tiip«
leube iranf, roelcper ipnt bon Sora flereiept
rourbe. (Sr roanbte ben Sölicf oon ber polbcn
Grfcpeiuung beS HJiäbcpenS uiept ab, bis er naep
unb naep roieber oerfllafte unb neue Fieberppait«
tafien feine feeele uinnacpteten.
Ser 3uftaub beS trauten OffijierS oerfeplim«
merte fiep unb jene JtrifiS trat ein, roo ber
Batient mit ©eroalt aus bein Bette roill unb
nur fleroaltfam juriiefjupalten ift. Siefe Hin«
fälle roieberpolten fidp nameutliep jur Htacptjeit,
too Bater unb Blatter Htatbob auf ipreu Sepn«
ftüplen einjuniefeit pfleflten. Sora flönnte ben
armen (Sltern aus {lerjeuSgrunbe ben Seplaf
unb jtrenflte lieber olle ipre Prüfte an, als Dafj
fie bie ber 9tupe fo Bebiirftigcn fleroeett pätte.
6» roar fonberbar, ber traute Cffijier flepörte
ja boep ju beit Sobfeinben ipre» BaterlunbeS
unb beitnoep oermedpte fie ipm niept ju jürnen.
Sie 3üfle feines piibfepen ©efiepts bertiinbeten
emen ebelit Sinn unb ein reines {>erj, unb es
tarn ipr fo bor, als ob er alles anbere, nur fein
Franjoie fei. Hlepnlicp roie ipr, erfliufl es auep
ben ©Item, bie inSflepeim an ipreu SoPit 3o»
pannes baepten, ber faft in bem uämlicpen Hilter
ftanb roie ber Frembe unb flleicpfallS ben Stra«
pajen beS Krieges auSgefejjt fleroefen roar, ben
bie britifepe Ütegierung in Spanien unb '^ortu«
flal fiiprte.
Hiaep einem unrupifleit fieberhaften Seplafe
rebete ber Traufe Sora eines BtorgenS mit lei«
fer, aber inniger Stimme an: „3eßt fagen Sie
mir, roo iep miep befinbe. Sie finb fo überaus
gilt gegen miep unb pflegen miep, roie eine
Äeproefter, trofebem Sie feine Feanjöfin finb
unb roopl Uriaepe piitten, mir als einem Feinbe
FpreS BaterlaubeS ju grollen."
„Höir finb Gpriften," erroiberte Sora fanft,
„unb in ber Siebe Gprifti lernt man aüen {>afe,
aud) gegen bie erbittertften Feinbe, iiberroinben.
Sie roaren feproer traut unb beburften ber ge«
roifienpafteften pflege, ^pve Fiebcrppautafien
oerrictpen mir gleichseitig ^pr finbliepeS {ierj,
beim Sie gcbadjten oft 3prer Btutter unb baS
pat miep perjinnigliep geriiprt."
„Hld; ja, meine Biutter," fagte ber junge
bleiepe Btann, bie {niube über ber 33ruft fal«
tenb, „bie Hlermfte roirb meinetpalben biel ge«
meint paben, aber fiep uinfomepr freuen, toenit
fie meine Ütettmig erfäprt, benn, niept roopr,"
fügte er jögernb unb beforgt pinju, ,,iri) roerbe
roopl oon meiner ,(Trautheit roieber genefen?"
Sora bejapte unb liefe es gefdjepen, bofe ipr
Pflegling in feiner iiberftrömenben Sonfbarfcit
ipre 4panb fiifetc. Hluf feine tnieberpolte Srage,
roo er fiep befinbe unb roie ber Htanie feiner
Hüopltpäter laute, antroortete Sora freimiitpig:
„Sie roopueu im -{laufe meiner guten Gltern,
bie jroar arme, aber redjtliepe Seutc finb."
„Hldj, mein Sott," rief ber ffirante bewegt,
„unb roie peifeen alle biefe guten HJIenfepen?"
„Unfer Familienname lautet 9t a t bob . . .
.Quiipft fi^ für Sie an biefen Htamen etroaS
HBiberroärtigeS?" unterbraep fiep Sora, ba eine
fcpmerjlicpe Ueberrafepung fiep in beu 3ügen beS
Patienten luiib gab. Sie badpte an FapanneS
uub feine Hretpeilkping an {lirfepfelbS Unter»
nepmen, beepalb fd)lofe fie mit ber F l ' l Hie: „Sinb
Sie oielleidpt mit meinem 33ruber feinbliep ju«
fammengetroffen ?" Ser junge F*anjofe fcpüt«
telte ben .Uopf unb erroiberte, bafe es nur eine
tioriibergepenbe Seproaepe gerocfeit fei, bie ipn
angeroanbelt pabe; er fiiple fiep iubeffen mübe
uub roünfepe ju |d)laten. Sie aiifmerffame
Pflegerin rüefte ipm bie Sliffcn jureept, unb ging
bann leife ju iprem Htäptifepdpen am Fenftev.
Srofebem ipre Fi'UK 1 ' fleißig bie Htabel füprten,
bemerfte fie boep, bafe ber junge Franjofe niept
fcplief, fonbern fiep nur ermübet ftellte. GS roar
offenbar, bafe ber Htame „Htatbob" beangftigenb
auf ipu geroirft patte, roennfepon Sora fiep oer»
geblid» bemüpte, beiS fonberbare Htätpfel ju löfen.
Ser -firante beobaeptete roäprenb beS ganjeit
SageS ein tiefes Seproeigen unb liefe fiep erft am
Digitized by v^ooQie
256
Jfedjt muß jäfdjt bleiben.
mibertt ©torgen ju einem ©efpräcße ^evbei;
fein offene«, sutraulicßeg ©fcfen war jebod) einer
3 iirüdbaltiing, einer gemiffen fjörmlictjteit ge*
wichen. 'Mit jitlernber Stimme fragte er plöß*
ließ: „£)at man 3 ß> lc|I < alg man mich tränt
ßiertier gebracht, meinen ©amen genannt?"
©ora beeilte fid), biefe gntge mit ©ein 311 be*
antworten, ba ber ©lid beg gvaujofen mit fie=
berßaftec Spannung auf fie gerichtet mar.
„Sie batten gefterit bie ©üte, mich mit 3ßi'er
gamilic befannt 311 macbeit," begann er in rußi*
gereut Jon, „bie tßöflicßfeit forbert eg, bat; id)
3 hreiu ©eifpiele tolge. 34 bin ber ffapitäit
2 ouig, uoit ©eburt 3 war nur ein Slfäßer, aber
boß grattftofe mit 2eib upb Seele."
©iefeg ©eftäiibniß tfjat 'Sora web, fie mußte
fetbft nicht warum; aber fie empfanb bie ffluft,
welche ließ plößlicß jmifcheu ihr unb bent jungen
Kapitän auftbat unb ficb mit bem Sortfe^reitcu
feiner ©euefuug ftetig oergrößerte. ©lg ffapitäit
2 otti« fpäter bureb ©öße bie günjlicße ©ieberlage
örantreiebs erfuhr, mar er nur mit größter
©tiilje Don einer öoreitigeit Steife nach feiner
£>eimatb ab 3 ubatten. ©ie ©orfleönngen ©ora’g,
baß er fein 2 eben aufg Spiet feße, ohne bantit
feinem iöaterlaube 31 t mißen, gaben ben ©ttg*
feßtag, unb er fügte ficb feufsenb in bag Uttoer*
metolicße. 63 währte nicht mehr lange, fo buffte
er bereit» am offenen fünfter flßat, unb bog
Siuathmen ber frifeßen 2 uft wirtte ftärfeub auf
feinen fförper. Sr erholte fid) äußerjf raffb unb
©ont genoß bie greube, ihren Pflegling in ©e=
feUfcßaft ber SJlutter ing greie begleiten 311 bür»
fen; er 3 eigte ficb jeßt wieber {utraulidj, unb nur
hin unb wieber flog ein biiftercr Schatten über
feine Stint. ©alö mar er fräftig genug, au bie
4 ?eiinfebr beufen 31 t föniten, unb noch au bem*
fetbeu © 6 eube, wo ber junge Slfäßer ficb 311 t
Slbreife aufchicfte, taugte Johanne» aug Snglanb
au. iöeibc begegneten ficb nur flüchtig; baß ber
grun 3 ofe aber troßbem bie 3 üü c beg ©nberit ficb
feft eiitgeprägt hatte, ging aug einer ©eußernng
ßeroor, inbent er ©ora beim ©bfdjiebe fügte:
„34 ftehe für immer in 3ß rc e Sdjulb. Sie
haben mir, im herein mit 3 ßrer ©lütter, ge»
geigt, wag ebte beutfeße grauen fiitb. 3unt 35er*
gelten fühle icb mich 3 « fibmacb, bagegen will ich
3huen geloben, 3b l ' ei1 Stüber, beit Sie fo 3 ärt=
lieh lieben, oor jeber ©efaßr 311 fcßüßeu unb 311
febirmen, fall» wir in bem neuaulbrecheuben
ffantpfe uitg feinblicb gegenüberffeljcn foftten."
„©ctg oergette 3 hueu ©ott!" fliifterten ©ora’g
Sippen, maßreitb ber Scheibcube fich auf ihre
£)anb uieberbeugte.-
Unb halb brach auch wirtlich ber ÄYampf auf’g
neue log unb bie preußifche gugenb, big weit ing
©tannegalter hinein, erhob fid) unter bem 3 obel*
geichrei: „ff lieg, ffrieg für Freiheit unb Später*
ianb!" ©ie fjörfäle ber Uuioerfitüten, bie oberu
ff laßen ber ©pmnafieu, bie S4reibfluben,
ffugjt* unb 3©erf flotten teerten ff4, bie ©flüge
ftanben oerlajfeu. Slteru weihten ihre Söhne,
Schweftern ihre ©rüber, ff rauen ihre ©atten
bem heilige« ffriege. 3» ollen Stabten mim*
tuelte eg yon greiwilligett. Sclbft ©reife griffen
mit 3 ugeubfraft 311 ben Söaffeit, ff naben flehten
fchluchsenb, weitigfleitg alg ©romntelf 4 läger mit*
gehen 31 t biirfen.
9tueß 3ohonne§ fchidte fich an, bem Sltern*
häufe oon ©euem wieber 2 cbemoh( 3 U fagen unb
nach Sreglau 31 t giepen, um flöß bort als 2 iißom’*
feßer 3 äger anwerben tu laffeit. ©ie ©lütter
unb ©ora blidteit mit freubigem Stols auf ben
begeifterten 3üuglittg, beffeii Wettergebriinuteg
©efießt oon fo manchen «trapajcn erzählte unb
ber felbft einem fo alten £>oubegen, wie £>aupt*
mann ©öße, imponirtc.
Sr fpraeß bie§ auch in ber Stunbe beg S<bei=
beug gegen 3 oßanneg unüerhohlen au«, fügte
aber, mit einem Seitenblid auf ben ©ottor,
hinju: „ 3 <b hohe immer gefürchtet, baß bu bie
Srbfcßaft beitteg ©aterg cintreten wiirbeft unb
hübfeh baheim bei ©cuttern bliebeft."
©ie ffrauen blidten äugftlicb auf ben £aug*
toter, welcher jeboeß feßr ruhig blieb unb jeßt in
teffbeibenetn, aber feftem ©oue begann; „34
habe Such fdjmt einmal gefogt, baß icß bag bor*
eilige ©rahlcn nid)t liebe unb rußig meine ;§eit
abwarte. ©er ©ttgeitblid beg fjanbelug ift jeßt
gefomnicn. 34 habe ben Sdjuierj um bag ge*
tnedjlete ©aterlanb wahrlich nicht weniger ent*
pfunben, alg jeber ©nbere, wenn icß auch nur
feiten biefett ©efüßleu 9lusbrud perlieh. 3®ag
hätte eg auch gemißt ? 34 allein oerinocßte gegen'
ben gewaltigen ©apoleon waßrlicß ni 4 t§ 011 * 311 »
richten; bod) jeßt ift cg ein anber©iug, jeßt fleht
bag gefammte ©reußenoolf wie e i n* ©caitn 311 *
fammeit unb mit ©ctteS ^>ilfe wirb es fiegreidh
äug bem ffantpfe herporgehem 3 fßt barf fieß
fein ©reußc au«f 4 ließeu, ber gefunbe ©lieber
ßat, unb fo werfe auch i 4 b' e S'fber weg unb er»
greife bie tflinte, fo 3 ifß« aud) i 4 aug, alg ein
3 ünglittg mit weißem |)aar, fo trenne auch i 4
mich Poit 2 Beib unb ©odjter, beim mein 2 ofungg«
wort heißt: gär ffreißeit, ffötiig uub ©ater*
ianb!"
©ie grauett f 4 lu 43 teit Ieife auf, ber alte
©öße aber, bem eg glei 4 fallg feu 4 t im 9 luge
feßimmerte, warf feinen ffriidflod weg unb rief,
ben grettub in feine 9 lrme fdjließenb, begeiflert
au«: „Statbob! alter ©oltor! ©ag war wie ein
©tarnt geiprorfjen unb waßrlicß, eg foll Su4 utt*
pergeffen bleiben!" ©ie ©tutter unb ©ora ßat=
ten eg Poti bem ©ater nicht attberg erwartet; fie
weinten jmar fcßmei^licße ©ßrätten, benno 4
flüflerteu ißre 2 ippeit ißm 311 : „©ott fegne bi 4
uub 3 ohantteg!... ©ott fei mit eu 4 unb bem
beutfeßeu ©atcrlaube!"
Digitized by
»rGoogle-
JJedjt muff Jtedjt biriben.
257
„Unb wo bleib ich?" rief bev fjauptmaitn ©äße,
unb blidte ingrimmig auf fein lahmes Siein.
„3f()r bleibt bei ©tuttern," unb ber Dottor
läcbeliib zuriid, fügte aber gleich barauf in fei*
nein gutmütigen Jone fein*n: „Unfere grauen
unb Jöchter bürfen nic^t berlaffeit fein, wenn
i^re ©täniter unb ©rüber fdheibett. 3hr hobt
ben Sorbeer in beider Schlacht bereite errungen,
mein greuub, jeßt beginnt (Surr Witterbienft bei
eblen grauen. IWicfet wahr," fc^lofe er mit eiit.em
innigen #änbebrud, „ght werbet meiner geben*
ten bi» in ben Job, nnb mein ©eib unb Sfiub
werben an (Sudh eine Stiiße haben?"
gn furjer 3<>t Ratten ©ater unb Sohn fich
mit ben itötfeigfteu ©abfeligleiten berfetjen unb
nunmehr war bie 2tbfchieb3|tunbe ba. ©eittenb
gingen ©tutter unb Jodler am ©alfe ber ge»
liebten ©t.iituer, bis fich ber Dottor mit einem
gemaltfainen 9tud lo3rife unb mit ben ©orten:
„ffiir miijfen fort!" ooit bannen ftürjte.
Die alte S>tabt ©reSlau tonnte in jenen Ja*
gen beS WuffchwuitgS unb ber ©rfeebung mit
jag unb Werbt ba» „£>erz DeutfdhlanbS" beifeen,
benn fte bilbete fojufageit ben ©tittelpuuft ber
nationalen ©rljebung unb bie nach ber alten
gejluugSjtabt fiiferenben Straffen waren mit
jablreicfe-’n ©Banberern belebt, welche bem Wtife
beS ftönigS folgten unb fingenb ber fd^tefifd^en
Cwuptftabt entgegeneilten.
Die Strafeen unb ©läße ber alten, berteferS*
reiche» Stabt boten ein buntbewegteS ©ilb bar.
UeberaQ traf man auf ©tenfcljengemühl, Don
früh bis fpüt ertönte 8ärin unb ©efdjrei. ©e>
jchitße unb ©uloerro.tgen hemmten ben SSerfefjr
nnb ebenfo zahlreiche Jruppen abmarfcfeirenber
Solbaten. ©or ben ffafernen unb auf ben grö*
feeren ©Ictacu ber Stabt würbe fleißig ejercirt,
unb ber Doftor unb Johannes, welche foeben
angefommen waren, ertunbigteu fich bei einem
Unteroffizier, wohin fie fich wohl ju wenben
hatten, tun als greimiüige in» £>eer aufgenom*
men *u werben.
„Der junge £>err ba tann fich in jeber $a*
ferne anwerben laffen," lautete bie gutmütige
Antwort, „mit Such bagegen, alter $err, wirb
wirb es feinen fpittcn haben."
„@i was," rief ber Doftor ungehalten, „bie
©aterlanbSliebe hat mit bem Filter nichts ju
fdjtffen unb bie £auptfache für einen echten
Solbaten beftefet barin, bafe et baS j£>erj auf
bem rechten Sftecf hat. ©agt man eS, mich
wegen meiner 3faferc juriietjumeifen, fo rüde ich
ber alten ©reellen* ©lücljer ins Quartier."
„Dann müfet 3h* aber fchon bie ©eine ein
wenig unter ben arm nehmen, alter £>err," er*
wiberte ber Unteroffizier mit fomifchem ©rnfte,
„benn bie (5 reellen* hat Scfelefien bereits berlaf*
fen unb ifi auf bem ©ege nach DreSben."
„So fagt uns wenigftenS, wohin wir uns
wenben foüen," ergriff Johannes baS ©ort.
„6i nun, geht uor ber #nttb in baS ©irtfeS*
hauS jum Sjepter, bort ift ber Wbolph bon
Süßen, ber wirb ©u^i fchon guten 9tatlj er*
theilen."
Johannes li fe fich bie eiu*uf<hlagenbe Wich*
tung augeben, banftc ihm unb machte fich mit
bem ©ater auf ben ©eg. ©ater unb Sohn
richteten juncichft ihre Schritte nach ber ©aft*
ftube unb es währte nicht lauge, fo nahm
ein graubärtiger #ufareu*©adhtmeiftcr an ber
Seite unfereS alten Herren ©laß. 6r jeigte
fed) äufeerft rebfelig unb oerwidelte ben ©e*
lehrten halb' in ein ©efpräd). Natürlich tarn
audb ber 3®«* Z ur Spraye, welcher ben Doltor
nach ©reSlau geführt. Der ©ad)tmeifter zeigte
fedh über feinen ©luth, troß beS borgerüdten
9llterS fich ben Strapaßen beS ßricgeS aus*
Zufeßen, höflich erftaunt, fagte aber nach einer
©eile: ,,3d) glaube taum, bafe man Sie nelj*
men Wirb."
2l(Ier ©luth unb alle gute Saune beS DoltorS
faulen auf ben ©cfrierpuntt Ijfrab, unb er
fah fich fchon im ©eifte mit Johannes in
bie fcßlimme Sage berfeßt wieber unberriebteter
Sache nach £)anfe jurüdteljren z» miiffen.
Der ©achtnieifter hatte toährenbbem Johannes
mit wachfeubem ©rfiaunen angeblidt unb flanb
eben im ©egriffe, eine grage an ihn zu richten,
als fich plößlich auf bie Schultern bon ©ater
unb Sohn zwei Iräftige £>änbe (egten. Ueber»
rafcht waitbten fee fidh um unb erblidten bor fidh
einen ^mfarenrittmeifter, bor welchem ber Un*
teroffezier feine fwuneurS madhte. „Iq i r f dh*
felb!" lautete ber tiberrafdtite 2lusrtif bon
©ater unb Sohn. „Sffiie er leibt unb lebt," gab
ber SRittmeifter luftig unb wohlgemulh zuriid.
,,©o fommft btt het?" fragte lyobaunes flür*
mifdh, währenb er bem Wittmeiftpr beibe |)änbe
fdhiittelte. „3ch glaubte, bafe bu noch in Spa«
ttien berweilteft."
„Wein, mein beutfdjer ©lagen bermodhte bie
Sübfriichte nicht zu bertrageu," erwiberte ber
Wittmeifter. „$at bir bentt ber © o 1 f ba bon
meiner SlnWefenljeit nichts gefngt?" Dabei beu«
tete er auf ben graubärtigen ©odhtmeifter, wel*
eher jeßt auf beu Sifch fcßlug unb auSrief: „DaS
ift alfo boch $err Watbob,.unfer ©lagbeburger
©unbeSgenoffe? 6r fam mir gleidh fo befannt
bor, allein mein ©ebädhtnife, baS immer fdhwä*
eher wirb, liefe mich im Stich."
Johannes freute fedh, bie ©elanntfchaft beS
biebern ©otf zu erneuern, unb reichte ihm gleidh*
falls bie £>anb. ©3 ber ©ad)tmeifter bernahm,
bafe ber alte £err ber ©ater bott Johannes fei,
erhob er fedh unb ehrte ihn burdh einen militäri»
f<hen ©rufe, beitfelben mit ben ©orten beglei*
tenb: „geßt wirb feßon Watt) für Sie werben.
Digitized by v^ooQie
258
(Sin pild aus ber $>odjflutl) im @ljio=ffil|al.
beim ich fenne meinen £)etrn Utittmeifter, er läßt
feinen greunb int Stiche."
£>ir|d)felb ergriff bitter unb ©opn bei ben
Firmen, i]uitfte ben ^uriiefbletbenben fchmungelu*
ben SÖolf unb führte bie grcunöe au§ bei*
rauchten S'öivtfjsftube in ein hiibfch möblirteö
3immev bei* 9hid)bartchaft, loofeibft ber jepißc
a j o x dü n Sl alte refibirte.
®ie Ueberrafc^nnfl mar auf beiben ©eiten
flrop, unb felbftDer|tänbiicl) lüünfcbte 3eber bie
©rfflcffale be* s 2tnbern gu miflen, jiunal bie brei
gmmbe in ßnfllanb getrennt morben mären,
©irfchfelb hatte, gleich Johanne*, in Spanien
flefämpft, unb mar bann über Dcfterreich nach
ber preußifd&en «fteimatfj jurucfiieteOrt.
„33or einigen 2Bod)en," berichtete er am
©d^tuffe feiner Dtittljeilunflen, „traf ich in
SEBien eine Same, melier bu ficherlich ein sjiläfc»
eben in beiner grinneruncj eingerüumt haben
mirft."
3fohanne£ rieth auf bie ©räfiit 2 fl b b e n a u,
unb ^irfdjfelb fuhr fopfnidenb fort: „Sie ift
noch immer bie erbitterte ©egnerin be3 $ona« j
parie, meldjer fi(h nicht eben gropmüthifl flehen 1
ihre Familie geigte, unb, tro£ Derfchiebencr, ber
©rafin guftehenbet Siechte, bie in unb bei ^Jaris
gelegenen 33efijwnflen nicht herauSgab. ©ie läfet
euch Sille flriiBen unb hofft, bafe biefeö 9)tal
^rennen mit Ocfterreid) flehen merbe. Sie
©rafiit ift feft entfchlofjen, ihrem ©atten inä
gelb gu foU]ett unb ihre Slnfprüche in ^ßari» geU
tenb gu machen."
Srunten auf ber nächtlichen ©trape rollten
noch immer bie ©efdjüpe über ba» ^flafter,
marfchirten bie Sieben muthifler ftrieger, unb
fauflen ncuanlanflenbe SJaterlanbsüertheibifler
allerlei patriotische Sieber. (5$ mar eine füße
SJlufif für ben Softor, meld)cr bei Hatte über«
nachtete, aber oor lauter Segeifierung tein9luge
Schloß. Stoßbein erfchieit er am anbent SHovgen
frifch unb munter. 6* mar bie» aber auch gang
natürlich; Sorgte ja hoch ftatte bafiir, bafe ber
Softor in einer 2anbmehr=ßompaguie, melche
für ben 9?a<hfcbub bestimmt mar, Aufnahme
faub. ßirfdjfelb nahm fid) bagegen feines gfreun«
beS Johannes au, befielt militärifdhe ©vfahnm*
iten feine Einreibung in bie Don ihm felber be»
fchliflte ^ufareufchmabron fleftatteten.
(&\n Pilb am der fjodjflutlj im ®l)io-®ljnl.
Gbitor.
, S fnnn unfete Sbfidjt nicht fein,
bie &luttjen im Sljalbett besCljio
nochmals cingebenb gu befreiten.
Sber es gehört in baS tßereich uu=
' feres StägagiuS, fold) beufwürbige
Ereigitiffe in SBort unb SÖitb feftguljalteu.
deshalb fiitben bie fielet einen gut auSgcfüljt«
ten £>olgfdjnitt, roeicber bie Ueberfluthung beS
Obio » jLJjnleä unterhalb Eincinnati bnrftelit.
ffanit mul) auf einem Silbe bie ©ewalt unb
SuSbeljnung ber Sßaffer, ber burdj biefelbeit au«
fleridfitete ©(haben, bie Sotb unb ber ©Freden
ber Stenfdjen unb 2hieve unmöglich wieber«
gegeben werben, fo beronfdjaulicht nufer Silb
bod) in etwas bie .£>öfje biefer 3?lutljen unb bie
burd) fie berbeigefii|rten ©efabren.
geigt, wie grpße SBampfbonte b a berum*
fahren fonnteit, wo man auch bei hohem SBaffer»
ftanb nur trocfeneS fianb finbet; wie fie au§ge=
fanbt würben unb gwifdjen ben Käufern treusten,
um bie .bon ber ijeteinbredjenben gltith über,
rafchten Sewoljner gu retten; wie gweiftödige
SOBohngebäube alfo überfchwemmt gewefen, bah
ben Snfaffen nur ba§ 5)a<h als lefctcr 3«fl«<ht§=
ort geblieben, wofelbft fie in mannen fällen
ftunbenlang hotte» mußten, bis bie erfeljnte
Rettung gebracht werben fonnte.
©o gewaltig, in foldjet Stenge unb in bielen
fyallen fo fdjnetl (amen bie Siaffer über bie
Stenfdhen unb ihre Söohnungen, baji fowohl ade
Seredmungen wie bie frühere Erfahrung gu
©djanben würben. Stau hoüt fid) ben SSoffer.
ftanb früherer ^pochfluthen gemertt unb barnad)
Sorfehrungen getroffen. 3Iber bie lefcte Jöaffer.
noth überflieg alle Ueberfdjwemmtmgen biefeS
SahrhuubertS nicht allein um 2—6 tjfufj, foiu
berit brach auch wegen ber $ainmbrüd)e über
manche Crtfchaften, wie g. S. fiawrenceburg,
mit folcher ©ewalt unb fo reifeenber Sd)ncnig=
feit herein, ba| alle SorfichtSmafucgelu nichts
niitjtcn, unb bie Setroffcnen fid) oft in einer
SSiertelftunbe in einem unerwarteten Steere ge»
fangen fnlfen, bem fie wenigftenS ihre £>abe
überlaffen mufeten.
Seinahe wunberbar ijt ber geringe Setluft an
Stenfdjenleben. Sur hie unb ba tarn Scmanb
in biefer ungeheuren iJluth um, ein Umftanb
ber nädjft ber Sarmhcrgigfeit ©ottcS beni rafdhen
Eingreifen ber ^»ilfebringenbcn gu bauten ift.
Sicht Obermann ift geeignet in foldjeu SBaffer.
muffen bie rettenbe 6<mb gu bieten; beim bagu
gehört fowohl Stuth als i?raft unb ©eföhid.
diejenigen jeboch, welche bie nöthigen Eigen«
fchaften befaßen, fprangen auch wie ein Stann
Digitized by
Google
diu BUb aus ber Ijodjflutl) im ©hio=@tjoL
259
Die $o*fiuth unterhalb Cincinnatis.
in bie ^Rettungsboote. 2 )ie geuerroebr, ba§ 9 Ri«
litär, Vereine toie ßinjeltte eilten ben 33 ebröng=
ten ju £)ilfe, unb ruhten nidjt efjer, bi» gereitet
toar, roaS gerettet merben tonnte.
Uebertjaupt b«t fid) bei biefer Äataftrophe ber
Cbetmuth fctä f° ®ft als ®iammoubicner Bet»
fehtieenen amerifanifchen SJolfeS roieber einmal
aufs ©länjenbfte bemährt. 63 mar, als ob fid)
baS gonje Sßolt toie auf ein gegebenes 3 c 'd)m
ju etnem f)ilfs* Committee organifirt hätte.
33 on allen totäbten unb ©egenben bcS SanbeS
trafen Slnerbietuiigcit unb ^Beiträge alter 3 lrt
ein. Diainbe ber Sdjroerbetroffenen, roie 3. 33 .
Cincinnati unb 2 oui»oitle, bantten herzlich für
bie innige if)cilnat)ine, miefeit aber bie £>ilfe
noch fernerer 33 ebrangten 311. TaS ©eben unb
Reifen unb bie 33 cihätigung im Cbelmuth fann»
ten fnft feine ©renjen, fclbft bann nicht, als
man bie Cntbecfung machte, baß unuerfrfuimte
$>lenf<hcn fidj ungeredjtcr ÜDeife biefe DZilb»
tfjätigteit ju 91 u^e machten.
Jlomtte unb tann auch nicht atter -Schaben
260
gBapres Äprifteutljum.
erfefet werben, unb müffen and) Siele noch 3 apre
laug für beit ©rfafe ihre* Serlufte* arbeiten, fo
litt bocp Siemanb ^nuiner, mit) für Ä'leibung
unb warme Beeten mürbe in gfüüe geforgt, fo
fchnell nur bie ©ifenbapn unb bie Soote bie
Sachen bringen tonnten.
Wag maii nun uon ber ©elbgier be* ameri»
fttiiifcpen fafclu fo Diel mau will; wirb auch
eingemeubet, baß bie 2eute in Smerifa e* ja
haben, unb befepalb auch geben fönneu: fo ift
bie ^ierjulanb fröhlich geübte großartige gfrei»
gebigteit beim boejh ein uumiberlegbarer Sewei*,
baß ba* 33 olf nicht um ber Änauferei miUen
gerne erwirbt, foubevn baß e* fein ©clb anju«
menbeit Derftept unb unter auberit in Sieden ber
helfenben 2iebe*thätigfeit faft uiterfchöpflich »ft-
Siefer fo reichlich fleh beftätigeubeu Wenfcpen«
freunblicpfeit nun weiter nachforfcpenb, fo fiubet
(ich ber <h r i ft l i ch e Sinn nnfere* Solfe*
alä ©runburfmhe unb gfunbament bevfelben.
Sa* amerifanifepe Solf ehrt 3 )eit, ber ba fagen
läßt — „©eben ift feliger benn Nehmen e§
achtet ba£ Such, welche* ben Wenfcpen ein«
fepärft, mohljuthun unb mitjutpeilen.
Siitb e* nun hirrjulanb ber Gerächter be§
Sßorte* ©otte* auch gar Siele, fo leben fie fo jn
fagen in einer 2uft ber cpriftlichm 2iebe*tpätig«
teit, beren ©inflttfe fie fiep nicht entziehen fön«
neu; benn, fomie allgemeine Änaufcrei an*
fteefeub wirft, fo werben auch bie Unempfäng»
iiepften nach unb noch öon ber ring* um fie
geübten ffveigebigfeit beinflufet. Unb bie* ift
gewiß bie Cmupturfacpe, mefehalb felbft fo Diele
©otte*Derücpter unb ©leicpgültige in ben Ser.
Staaten eine offene fjanb jum ©eben haben.
Siefe Shatfacpe gilt un* audp ol* Sewei* für
ben großen Ginfluß be* ©hriftenthuin*. Sie
Siinbe ift jwar gar mächtig im Solf, unb bie
Schüben aller Sri fiitb bebeutenb, aber bie ©rlö«
fungäthat wirft, ©ott fei Sauf, ebenfalls, unb
ein Sewei* bafür ift bie faft beifpieflofe 2 iebe§»
thätigfeit unfere* Solfe* al* ©anje§: benn ob¬
wohl ber ©laube allein felia macht, fo flehet
boch auch gefchrieben: „Sn ihren g dichten follt
ihr fie erfennen."
JÜa0 id) mit alle tage oorfagen
>1 will.
1 . Saß mir wieber ein ©nabentag, jmölf
©nabenftunben gefchenft finb für bie ©migfeit,
wodou ich Secpenfcpaft oblegen muff, unb bie,
einmal entfcbmuuben, für immer bafjin fmb.
2. Safe mein 2 eben eine Seife, ein S 5 eg jnm
Fimmel ift, mein 2auf nur hinburch geht unb
pieniebeu meine* Sleibeu* nicht ift.
3 . Safe ber SSBeg fefjr enge unb fdjmal ifl.
ber jum 2eben führt, bafe er mit ffreujen befefet
ift unb fich heute noch in ba* buutle Spal be*
Sobe* Derliereit fanit.
4 . Safe aber auch einer mir itir Seite unb
mit mir ift, ber Don fich fetber gefagt hat: 3$
bin ber SJeg, bie SBttprpeit unb ba* 2ebeu;
einer bei unb mit mir ift, ber auch fein Äreuj
nad) ©olgatha getragen unb noch immer tragen
hilft unb e* bort mit bem Sobe oerfiegelt hat,
bafe er auch mein tpeilanb fei.
5 . Safe ich and) heute ben alten Wenfchen in
mir mit all’ feinen Neigungen unb 2üften, mit
all’ feinen böfen ©ebaufeu unb Sinnen burch
bie Ära ft be* heiligen ©eifte*, bie ©ott mir bar«
reicht, tobten unb berleugiten fann unb foll.
6. Sracpteu fobiel ich nur fann, bafe ber Der«
borgene Weufcp be* ftergen* ftiü unb unDerrüdt
Dor ©ott bleibe, in ftiltem ©ebet ohne Unterlaß
311 ihm, unb ba* Suge be* ©eifte* nur immer
gläubig unb finblicp auf Sefunt, ben £eilanb,
fepoue.
7 . 9 Me§, wa* mir fommt, annehmen al*
Dom fjerrn intb beten, e* fei ffreub’ ober 2 eib,
baß c§ mir ginn Scften biene, unb babei Weber
einer ängftlicpen Sorge für ben folgenben Sag
noch für bie ^ufunft Saum geben. Ser mor*
genbe Sag wirb für ba* Seine forgen, unb e*
ift ja genug, bafe ein jebet Sag für fich feine
Singe habe.
8. Saun auch «De Wenf(pen anfepen ol*
Witerlöfete, Witberufene: fie alle lieben al*„
foIcpe, bie mit mir eine* gleichen Siinbenelenb* -
theilhaftig fiitb, aber auch alle mit mir berufen, *7
©nabe, gerieben unb 2ebeu gu empfangen bnrep '
3»efum ©hriftunt.
9 . Wit befonberer 2 iebe unb Sreue aber ben
Äinbern ©otte* auhangen.
Poljrcö (Üljriflciitljum.
Snr $au« uub §erb bau 3r. ftopp.
a§ theuerfte ©nt ber Wenfcpheit ift Seli«
gion. Sie ift ein Sebiirfuife be* Wen»
fcpeu, unb ba* wefentlichfte ©lement, ba*
ihn bom Spiere tuiterfcheibet.
Stle Sölfcr haben Seligion. Siefe* beweift
bie SBeltgefcpicpte. Sie ©efehiepte ber 3 »ben,
DomSbrapam bi* auf ©priftum, ein 3 eitrnum
Don gweitaufenb fahren, ift hauptfäcplich eine
SeligionSgefcpicpte. Sber auch in ben grofeen
alten Seichen, in Spina unb Snbieit, in ©gpp»
ten unb Sabplon, in ©riecpenlanb unb Som,
war ba* Staat*» unb gfamilienlebeit, immer
auf* iunigfte mit ber Seligion Derwobeit. Sa*
Dorgeblicpe Serbrecpen, um befewiüen fo Diele
Wärtprer fterben mufeten, mar ja gerabe ba*.
Digitized by v^ooQie
gHaRres ttljti(tfnil)uin.
261
bofe jte nicht ben ©öttern bed Bolfed opfern
wollten, unter bem fie lebten unb wirtten. So
batten attdj unfere beutfd^en Borfabren iljre
< 5 Jötter unb ^Religion, lange ehe ihnen bas (Scan»
gelimn gcbradjt würbe.
Blutard), ber @rjieber bed Äaiferd {Ktbrian
unb ein berühmter Scbriftfteller, fagt unter
Ruberem: „Su fannft Staaten feheit ohne
Bfauern, ohne ©efepe, ohne Blühen, ohne
Schrift, aber ein Bott ohne (Sott, ohne ©ebet,
ohne retiqiöfe Uebungen unb Opfer t>at noch
fteiner geteben."
^Religion ift ein Bebürfttiß für bie 35 e r=
nun ft bed Blenfcbeii; beim bei Betrachtung
oon {jiininel unb 6rbe unb ihrer ^wertmäßig»
feit fragt fie billig: SBoher tomnit biefe Wim»
berbare SOßelt? 583 er hot biefe» BUeS gefchaffeit
unb fo weidlich georbnet?
Religion ift ein Bebürfitiß für bad £ e r j,
benn ba» Sichtbare tann bie Bebürfniffe befiel»
ben nicht befriebigeu. 2üie trefflich tpricbt ber
dichter bie 6rfabruitgeu ber Bieufcbeu and: —
„3n bem ßerjen ift uod) ein Setjncu,
3mmer fehlet, immer fehlet mir noch toasl"
Unb ein Anbeter:
„3ebes ffer 3 will etioas lieben;
Ciebt’s nicht 3efum, fanns ni< h* ru h’ n "
©enüife, 6h«- fReicbtljum, B?a<bt, fünfte
unb SEBijfenfchaften föimeit biefed Sehnen nicht
Ritten, noch bie Seere bed $erjen§ auSfütlen,
maä burch unzählige Beifpiele bewiefen werben
tdnnte. Sad ® e w i f f e it forbert ben Sroft ber
»eligion, wenn ed fiutbbetaben oor bein Sobe
jittert unb t>or einer Betgeltung juriicf fc^aubert.
3 a, bad ganje tffiefen ber Blenichen ift ohne
@ott unb ohne SReligion wie ein Schiff ohne
«Ruber, bad bon Stürmen hin uno hergeworfen
wirb. Ser Blettfcb ift für (Sott gefchaffen mtb
gehört ind ßimmelreidj. Sarum fagt Baulud:
„6r ift nicht fern bon einem Segtichen unter
und. ®enn in 3hm leben, weben, unb fmb
wir. SEßit ftnb göttlichen ©efchtedjtö." Ober
Wie BtofeS ed audbrütft: „Sott fdjuf ben Bleu»
fchen 3 h m jum Bitbe, Bum Bitbe ©otted fchuf
er ihn." Siefed Bilö ift jwar burch ben Siin»
benfatl gräßlich ent|Mt, aber nicht bernichtet.
6 d finb noöh Spuren oon bem urfprüngtichen
«bet borhanben. Unb ift ber Btenfdj auch mo»
ratifch grunbberborhen, bajj ber Blühet fagen
mufj: „Sad ganje £aupt ift trau!, baö ganje
ften ift matt. Bon ber fjußfohle bid jum
fcaupt ift nichtd gefunbed;" unb ber dichter mit
ihm übereinftimmt, wenn er fragt:
,,Wo ift bes ebetn Sitbcs ( 5 Ian 3 ?
Wo ift ber reinen Unfchutb Kran 3 ?
IDo ift bes Sebensbawnes Saft ?
3ft es nicht KUes roeggerafft ?" — .
fo hat boch ®ott ihn nidjt in biefem elenben 3u*
ftanbe tjoffnungdtod liegen taffen, fonberu burch
bie Bermittlung 3 fefn ©tjrifti ift bie Oeilfmne
©nabe ©otted erfrfjiencit allen Blettfcben, unb
jiichtiget und, baß wir bertäugneu fallen bad un=
göttliche Biej'en." 2Bir bürfett aunehmeu, baft
biefe „heitfame ©nabe", ober ber heilige ©eift,
auch in ben $)erjeu ber alten heibuifchen 5 fi 3 eifen
wirtfam war, wenn fie über göttliche 'Singe
nadjbachten unb rebeten. So flammen auch Vlud»
fpriiche ber neueren dichter nicht bon ^leifd) unb
5 Btut, wenn fie bie tieffteu Bebiitfniffe ber
Btenfchh'it in 2 i 3 orte faffen. 6d ift eine Bit»
reguitg bon Oben, wenn ©ötlje fpricf)t:
„2lct>, ich bin bes (Treibens iniibe!
tüas foll all ber Schmer unb £nft ?
Süßer ^riebe,
Komm, ach fomin in meine Brnftl"
Sie wahre 5 Religioit, wie fie in ber Bibel ge*
lehrt wirb unb wie fie 3rfud 6briftud geftiftet
hat, ift b a s B e b ii r f n i ß b e r Bt e n f d) h e i t.
3 n ihr finbet ber © e i ft bed Btenfchen bie
2 Bahrheit, bad &erj feine Setigfeit
unb bad © e w i f f e it feine 5 R u h e.
Siefcd Bebiirfniß mag eine Qcittang nicht bu
feinem fRedjte tommen; aber ed tommeu auch
wieber aubere Stimbeu. Ser berlorene Sohn
fchien fein folcbed Bebiirfnifc ju rennen, fo lange
er ein tnftiged Beben führte unb int fernen Sanbe
mit leidjtfimticjeit Samerabeit bad ©nt feines
Baterd berpraßte; ald er aber anfntg bu bar*
ben, ald er im fremben fianbe bie Säue hüten
muhte unb man ihm nicht bie Sräber erlaubte,
bie bie Säue aßen, „ba f<h 1 ng et in fich".
ba fam er Bur Befiitnung unb fprach: „SBJie biete
Sagelöhner hat mein Bater, bie Brobd biegiilte
haben, unb id) oerberbe im junger. 3 <h will
nt i <h a u f nt a cb e u, n tt b b u m e i it e m B a»
ter gehen." Sorunt ift oft ein fogenmtnted
Ungliidf bed Btenfchen größted ©Iticf. BJeitn ber
Bteitfch in feiner 3<igenb ober in bem 3agen
unb Sreiben ber 5 BeIt feilten ©ott bergißt, fo
mahnt ihn oft ein Unfall, eine plöfctiehf ©efatjr,
eine Sänfchimg, eine fernere ßrnitfheit, bie ihn
on bie Bforteit ber 6migteit bringt, ein plöh*
lieber Sobedfatl, wenn er an bem Sarge bed
Baterd, ber Btutter, bed ©alten ober .Qinbed
ftetjt unb weint, baß er Sroft tmb -ftilfe oon
Oben nöthig hat. O, wie manch ftotBed .£>erB
ift burch Scibeit unb Sriibfat fchon gebemiitfjigt,
wie tnau^ fteifcd;.Quie fchon gebeugt worben;
unb wie Btamheu hat bie Boit) beten gelehrt!
Heinrich-{teilte, ein begabter beutfeher Siebter,
betennt auf feinem langwierigen Änmfcnlagcr:
„34 habe in meinem Seben mit alten nur tnög»
liehen pbilofopbifchen Spftenteu gebuhlt, bid id)
ettblid) beim Bantheidntud nnlongte unb mir
einrebete, iöh fether fei ©ott. Siefed geht auch
Digitized by v^ooQie
262
Stoferes (öjriftentbum.
ganj gut, fo lange man gefunb ift uitb ©elb
genug in ber Stafdje bat. Aber eines DageS
tarnen mir biefe beibeit ©egenftätibe abbanben.
3 cfe lag ferner Iran! barniebet unb baS ©elb
ging mir au». Da geriet^ meine ©ottfjeit ins
Stocfeit. tonnte mir felber nicht mehr ratben
noch helfen. SBo follte ich mich in biefer SRotb
hinroeuben? 3<h fc^rie jmn ©errti in meiner
SRotb: Ach ©ott Derniinin mein StBeineu! Da
half mein Reifer mir Dom Dob, unb liefe mir
Droft erfcheinen."
So macht fich ber ©err bie „Starten junt
Staube." Selbft ber grofee Napoleon, bet in fei»
nem ©litct fich roeber Dor ©ott fürstete, noch üor
irgenb einem URenfcben fdjeuete, nahm in feiner
Berbannung auf ber eiufainen 3 nfel ©elena
feine 3uflucht ju ©ott, unb fanb Beruhigung
in ber SReligion.
33 aS ift aber baS SBefen ber waf) =
reit SReligion? Das Stubium ber Bibel
unbbaS Sichbefennen jn einem religiöfen Softem
ift nicht ^Religion, fonbent nur eine religiöfe
SiBiffenfdhaft, bie ihren Sife nur im $opf bat;
bie wahre SReligion mufe aber ihren Sife im
©erjen haben. Das Beobachten firchlicher ©e=
brauche unb bie Benufeung ber ©nabenmittel ift
nicht SReligion; benn eS mag ^emanb getauft
fein, bie Bibel lefen, jur Jtiirche gehen, fingen
unb beten, baS Abenbmabl geniefeen, ju wofjI=
thätigen 3*aecfen beitragen unb babei feinen
Junten Don wahrer SReligion hoben. So ift
auch ein ftreng fittlicheS unb moralifdjeS Sehen
noch nicht wahre SReligion. 23 er SReligion be=
fifjt, ber wirb gwar bie Bibel lefen, bie ©naben»
mittel beuiifeeu, fich ju einer djriftlicben Jtirche
halten, bie Ausbreitung beS SReicheS ©otteS unter»
flüfeeit, ein unfträflidjeS unb ftreng fittlicheS
Sehen führen, aber er begnügt fich ba»
mit n i ch t. Denn baS ift nur baS A e u fe e r»
liehe, bie fVorm, bie Sampe, bie Soco»
m o t i D e. — Soll bie Sampe leuchten, mufe Del
hinein unb foll bie Socoinotioe bewegen, mufe
gl euer unter bem HJeffel fein. 2Bahre SReligion
ift ff r a f t unb 8 e b e n, © e i ft unb ff e n e r
Don Oben. Da wirb baS ,©erj erfchiittert,
erweicht, erwärmt, gereinigt, erneuert unb Don
Siebe eittgünbet. Die wahre SReligion ift baher
nuht» aubereS, als eine Berbinbung ber
Seele mit ihrem U r f p r u n g, bem
wahren unb lebenbigen ©ott. Diefe
Berbinbung Innig, aber nicht ftattfinben, fo lange
bie Sünbeufdjulb im Sffiege ift. Diefelbe fatin
aber nur ber © o 11 m e ’n j <h, 3 e f tt S © fj r i»
ftuS, tilgen, ber für bie Siinbermelt gelit»
ten hat. „6t aber ift bie Dotlgiltige Berfiih»
nung für unfere Sünben, Unb ift in feinem
Anbern ©eil." Um Seinetwillen oergibt ©ott
bem Bufefertigen feine S<hulb. Sich üöUicg auf
baS Berbienft ^efn ftiifeen utib an ben Sohn
©otteS unb ©rlöfer glauben unb Sein Blut jur
Bergebung nuferer Sünben ergreifen, ift bie
©auptbebingung, — bie wahre feligmachenbe
SReligion gu betominen, ober mit ©oti bereinigt
ju werben.
AuS biefem ©lauben entfpriugt bie Siebe.
Siebe ift bie ©fjenj ber SReligion. „©ott ift bie
Siebe, uitb wer in ber Siebe bleibet, ber bleibet
in ©ott unb ©ott in ihm." llub wer bie Siebe
©otteS im ©erjen hat, ber „reichet bar briiber«
liehe Siebe, unb in ber briiberlicfeeu Siebe allge»
meine Siebe." Daher ift baS ©brifieutbum ein
Br nb erb unb, in bem SRaum für Alle ift,
für Silben unb ©riechen, für .ftnechte unb greie,
für SBeifee unb Schwarte, fofern bie Siebe @ot«
ieS in ihre ©eigen ouegegoffen ift burch beu hei«
ligen ©eift. Diefe SReligion fteljt eingig ba.
©S fann auch gar feine SRebe fein Don einer
fatfjolifchen, lutherifchen, reformirten SReligion
u. f. w. Das wäre 3 erftücfelung. Die SReli«
gion_ 3 efu ift bie SReligion ber Siebe, unb baher
UnioerfaUSReligion. Die ©off nung
ift baS britte ©leineut in biefer SReligion. Sie
reicht in bie 3ufunft unb oerbinbet uns mit ber
befjern SBelt. Diefe SReligion, bie nicht eine
SßMffenfchaft, nicht eine $onti unb Sfeflem
ift, fonbent ©ergenSerfahruug, ift bie
SIBei 1 )e beS Sehens. SJBaSbie Sonne ber
©rbe, baS ift bie chriftlidie SReligion ber SLRenfch»
heit. Durch ihr Sicht wirb bie Bucht beS ©ei»
beiithumS Dertriebeu: „Denn bie ©öfeentempel
finfen, wo beS Strenges Sterne blinfen." 3 «
ihren wärmenben Strahlen gebeifjt alles ©bie
unb Schöne. BolfS» unb ©ochfchulen entftehen
überall, wo biefe SReligion fich Bahn bricht.
Äultur, ©ioilifation, ©rfinbtiugen, SBiffenfcfeaf«
ten unb fünfte finb ihre Begleiter. Anftalten
für Btinbe, Daubftumme, ^ir finnige, Unglüd»
lic^e, Srante tiitb Berfommene aller Art werben
burch fic geftiftet. Sünbenfnechte werben be»
freite ÖotteSfnechte. Sdjnaubenbe Sanlufemer»
ben treue, begeifterte 3eugen für ©hrijtum.
Druntcnbolbe werben in nüchterne SERenfchen,
unb Flucher unb Säfterer in Beter iimgewan»
beit. Die ftamilienbaube werben burch biefe
SReligion befeftigt unb geheiligt. SReine Siebe
oerbinbet ba bie ©erjen ber ©begatten, ber ©1=
tern unb Äinber niiteinauber. Die ©läubigen
werben in ©emeinben, bie „ein ©erj uitb
ehie Seele" finb, Dereinigt, Don benen gilt:
„Sielje, wie fein unb lieblich ift eS, wenn Brü¬
her einträchtig bei einanber wohnen."
„It?o Bant» tit Igaitb,
Dnrdy’s frtjöne £anb bes tebens Ade gelfn;
Da ift es noch einmal fo fdjön,
tPo mir fie tranbeln fef)’n."
Unb welchen ©influfe wahre SReligion auf ben
Staat anSiibt, baS beweifen uns bie Bereinigten
Digitized by v^ooQie
Plein gutes Plutterle.
263
Staaten. Die Religion ber $ i l g e r * 93 ä t e r
herrfcßte nod) jur 3?il ber fReoolution unb ber
Serfaffung ber Gonftitution. Das ©ebet 311
©ott in bem Flamen 3>efu ©Ijrifti meiste 311
jener 3 ?it bie 93 erfammlungen beS ©ongreffeS
unb ber Staate = ©efeßgebung. Der gute alte
ttaifer 9 Bi(helm unb fein tluger s D(inifter 93 iS=
marrf miffen ebenfafte, mie feßr notßroenbig bem
Staate bie '«Religion ift; bartim (lagen fie über
bereu Verfall, unb ermahnen befoitberS bie 93 re*
biger unb Spießer, berfelben mehr 91 ufmet(fam=
(eit 311 fdjenfen.
9 lber leiber ae(jt gegenmärtig ein leister,
flauer, freier (Seift burd) bie 9 öelt. Der ©eift
ber Uuabljängigfeit non jeber Autorität mirb in
allen Säübern unb in allen Schichten ber 93 e=
uölferung roahrgenomtnen. 93 ou bem ruffifcbeit
fRißiliften, ber feinen Sfaifer ermorbet, bis f)erab
ju bem gehnjäljrigen Sdjulfuaben 2 (merifaS, ber
mit ber Gigarre im 9 )fuub fid^ meifer bünft als
feine Sefjrer, hulbigt man bem 3 e i t g e i ft, ber
alles ©hrroürbige umftoßen unb nur bem 93 er*
gnügen unb ber 9 Jtaterie leben miO.
Doch bürfen mir uns babureß nicht entmutbi*
gen (affen, benn „berer, bie bei uns finb, ift
meßr, als berer, bie bei ihnen finb/' „De*£)err
^ebaotß ift mit unS, ber ©ott 3 : afobS ift unfer
Sd)ufe." (Ss barf uns auct) nicht befremben, bafe
bie Sceligion 9 Bibcrftanb finbet; baS mar ber
Soll, feit ftain feinen 9 Jruber 9 tbel erfdjlug.
Die ginfterniß fjat immer baS 8irf)t gebaut.
Uub baß bie Jfircße bei ihren eigenen üfinbern
oft ben 'iBeltgeift eutbeefen muß/ auch baS barf
uns nicht entmutigen; benn in jebem einzelnen
Weufd)eu entfteßt ein ftampf, ehe er fid) bem
Ferrit ergiebt unb rnaßre {Religion fuebt. Der
Mpoftel fagt: „Das gleifdj gelüftet miber ben
©eift, uub ben Seift miber baS gleifcß; bie*
felbigen finb miber eiitanber." Unb melcßeS ©e*
ftänbniß macht ©ötbe:
„3n>ei Seelen wohnen, ad?l in meiner Bruft,
Die eine will fid? pon ber anberrt trennen;
Die eine hält, in berber liebesluß,
Sieb au bie IPelt, mit Flammernben 0rganen;
Bie anbre bebt getpaltfam fief? pom Duft
§u ben (Seftlbeu bober ^Ißnen."
Sehnliche Erfahrungen macht jeber OTenfd).
Wur fofl er fid) nicht fein Seben lang mie ein
Spielball bin unb her merfen (affen. Gs muß
fid) bei 3 e b e m e n t f cb e i b e it, ob er für
ober miber ©ßriftuS ift, ob er auf ben
©eift ober auf baS gleifdj fäen mifl. 2 Bohl bem,
ber fid) für beit f)errit entfeheibet. Unb je früher
im Sehen bieS gefebiebt, befto beffer. Daß bie
Sugenb erft „ihren milbeu £>afer feien" unb erft
„austoben muff," ift eine Sehre aus bem 91 b*
grunb. Die $inber frommer ©Item befonberS
füllten fief) fchon in früher Sugenb ©ott meißen.
Wäntter, bie oon ftiubljeit auf fich bem £errn,
ihrem ©rlöfcr, junt ©igentßum ergeben hotten,
mie ©raf 3 mfenborf, Speuer unb 2ikSlct), hat*
ten bieS nie 31t bcflagen. ;V früher ein 93 auin
oerpflattjt unb oerebelt mirb, befto beffer gebeiht
er; imb je früher fid) eine Seele oon ber 9 Belt
unb Siiube loSrcißt, befto meniger £)inberniffe
mirb fie fiitben. 9 lur oöllige ©ntfehiebeußeit
trägt ben Sieg baoon. £>alb mit ber SBelt es
halten molleit, ift Dhorßeit; beim „reicht man
ben (leinen ginger her, fo nimmt fie gleich bie
£)anb." 9 luffd)ub ift gefährlich, ©in
etma geßnjähriges TOäbcßen mürbe oon ihrer
betenben Wutter oft erufilict) ermahnt, bie 9 Belt*
Inft 311 meiben, uub 3 e fn Ihr ^erg 311 geben.
Sie mollte nicht, benn fie liebte bie luftigen ©e*
feilfehaften ber 3 ugenb. So (am fie eines 91 benbS
fpät I)eim 001t einem Dangträii3d)en. 3ßr @e=
miffen mar aber unruhig, ©he fie fich fd)lafen
legte, fchrieb fie auf ein Rapier: „feilte über
ein 3 fahr mill ich mein 4)er3 ©ott geben." 9 lber
fie mar noch nid)t 3ufrieben; unb eine 333 eile
fpäter fdjrieb fie barunter: „feilte über fed)S
Wonat mill id) mein ^)er3 ©ott geben." Den
anberu borgen mar oie Sonne längft auf ge*
gangen, aber bie 3 achter (am nicht, ©üblich
fiieg bie Wutter bie Dreppe hinauf, nach ihr 311
feheit. Sie fiebt ein 931 att Rapier auf bem Dif<he
liegen uub lieft: „feilte über ein 3a hr,
— heute über f ed)s 9 H 0nat mill ich
mein er3 ©ott geben." Dief gerührt
tritt bie fDhitter au baS 9)ett, um ihre 3od)ter
311 meden, unb fiehe ba: S i e i ft e i 11 e 8 e i <h e.
6 S mar 3 u fpät! „Sehet, jeßt ift bie an*
genehme 3 *it jeßt ift ber Dag beS £eils!"
Uleiii 0utf0 mntterle.
9luö bem l'eben euie-J jünnft »erftorbenen beutf^en
lenmeifters.
Sun 8. 8t.
war eiiteä (Soiintaii ?Ibeitb§ im ©omniet
S® 185 ., als fief) t>or bem SitletfdjoUer eines
T mittelbeutfcöcn Saf)iif)ofe§ eine tmflrtulbifle
®oIf§menf|e bränflte. ©JiiI)fom fd)o() fid) ein
nrme§ nltc§ Wütterd^en binbitrd) unb fvinite, bn
bie niüben 9 (ugen ben au§fief)änflteu 2avif mobl
nimmer ju lefen bermodjteu, ben Xl'nffirer mi^
bem ffnljvpreife pr inidjfteit Station aufmiirt§.
Wiirrifc^ nannte biefer ben Setraii; fie pii ein
büinie§ Seutetc^en, aber ibr Äleinpelb reichte
nicht mehr ait§: fie leerte ein Sitberftücf — ba§
ein-üge — auf baä ©efimfe unb fnchte ba§ |>er.
auehefommene mit metfer, jitternber .fianb p.
fammenpflauben. „SBortnärts, oormärts!" er=
Digitized by UjOOQie
264
Pein gutes Pufferte.
fdjoll e« oon ben 9 ?od^bränftenbcit, unb ein bter=
fchrötiger Unljolb fließ bie 9 (lte fo heftig jur
©eite, baß fie oon ber Stufe abglitt unb toim»
inertib an bie Wauer taumelte, roährenb fSabr*
farte, SBeutef unb ©elb unter bie fjiiße ber bid)t»
gebräunten Senfe fielen.
Sa pfiff bie Wafdjine; Me« eilte in bie 2 Ba»
gen, unb jeßt fchlich and) bie arme Me toieber
fjerbor, um ifjr bi«cheit |>abe jufammenjufucben.
©« ging mopl nicht leicht; erft wenig hatte fie
miebergefunben, als eine fünfte Wännerftimme
neben ihr fragte: „Sarf ich ©ttd) nicht helfen,
gute« graule? hohe Me« gefehen;" unb
ohne Antwort abjumarteu, hoff ber 3?ragenbe
nun getreulich fachen, mar natürlich auch ge*
toanbter unb glüctlicher, fo baß er bereiten al§»
halb eine fjaitbooH Wütisen toieber in’« Seutel»
<hen leeren tonnte. „3 ft’« nun Me«?" fragte
er toieber. — „ 9 (<h tieiiil" fchltichjte bie Me,
„noch ein halber ©ulben fehlt." — „falben
©nlbeit hab’ ich eben teilten," üerfeßte ber, toie
bie van jeßt erft mahrttahm, junge unb gutge»
fleibete fjerr; „aber nehmt nur biefen gönnen;
toerbet ihn wohl brauchen föuiien." — „3a,
toenit ich nur heute noch heiintäme!" tlagte bie
tfrau toieber; „aber e« geht fein 3ug mehr auf»
märt«! toa« foll ich anfitngeii? 3 U t$ufj gehen
fatttt ich bie jroei Stunben nicht mehr," unb
begann nun bitterlich ju meinen.
“ Eutin,” fagle ber junge Wattn, beffen Siebe
fonft etroa« oberbentfch, faft fchmei^etifch tlang,
„bann fahr ich Such heim; mein SBivth gibt
mir feinen Ginfpätiner, unb meine Siebenfachen
finb fchttell gepadt; jeßt ftiißt (Such nur auf mich
unb fomntet mit; habt 3br noch ©chmerjen,
liebe« fjfvattle?" — „Sich ja!" mar bie Mtmort,
„an Mm unb -fyuft, oom Stojje be« milbett
Wenfchen! — Slber fugt, guter £>err, toie fomntt
3 hv baju, (Such einer armen alten Jfrau fo an»
guttehnten, bie 3h* dar niefjt tennt?" — „'Srtun
hab’ ich," tagte ber junge Wattn mit unterbriid»
ter fRithrung, „weit, meit oon hier felber noch
ein alte« Wutterle, gerab’ fo fleitt unb fcbntäcb»
tig mie 3hß unb hat e« mich erbarmt, toeil
auch ihr fo ct>»a 3 toiberfabren tonnte. Stber
jeßt toinmt, übet ein; macht’« ©itdj nur recht
bequem; futfebiren toerb’ ich felbft."
Sprach’«, brachte fein Keine« ©epäd unter,
bereinigte noch ba« Slötbige mit bem SSirtfj unb
führte nun feinen greifen Schübling burch bie
marine Sommernacht ftromaufmärt« in bie £)ei»
mutf), ein ärmliche« Sörfd&en. Sott half er
il)r noch fättberliih ootn SBagen, unb al« fie
mich heißen Segen«morten bat, ihr auch feinen
Mimen git nennen, fagte et nur: „So lauge ich
hier mobilen toerbe, mögt 3be mich Joachim
beißen," unb lentte hinüber 31t bem einzigen
mehr al« bcfcbeibeiten ©afthaufe be« Orte«.
* *
Sie alte ffrau hatte gnm ©lüd feine fftachroe«
hen oott bem erlittenen Unfälle, aber nicht mübe
mürbe fie, ihrer 2 och ter 3 lqne«, einem jarten,
blaffen ©efehöpfe, bie ben ganzen Sag an ihrer
Mharbeit fuß, Oott bem guten #errn Joachim
311 erjahlcn, ber noch immer brühen im „Sareu"
mohnte. Sltif bie fjrage, loa« er bort.allemeil
treibe, hatte bie 2lürth«tod)ter, eine ^reunbin
ber eignes, nur berichtet, baß er auf grobe
Slätter fünffache Sittien siebe, uttb barattf jahU
lofe ißuntte, Striche unb Reichen eintrage, ohne
irgenb eine tßorlage 311 haben, unb obettbrein
mit fabelhafter ©Cbnelligteit. Souft laufe er
braufsen in ben SBalbbcrgen herum, unb bei
ben Wnblseiten fei er meift fChmeigfam unb
gebanteuooll; höchften« futttme er leife oor
[ich hin.
©beit fpradjen fie toieber bon ihm, al« er,
eine große Schachtel unter bem Sinne, mit ben
SBorten in bie Stube trat: „Sa fel)t einmal:
hat mir mein gute« Mutterle mieber eilten ganj
unbe3toingli<hen Raufen ©htoaareit gefanbt;
3b*-merbet bamit mohl fertig merben!" 6«
roarett allerlei gute Singe barutiter, bie auch
ber Söilheltn bemuttbern unb toften mußte: ba«
mar nämlich ein ljübfcher junger Wettfch in
SJerginaunetracht, ber fid) insmifchen geräufeh»
lg« eiitgefuiiben hatte. (Sr toarb £>errn 3 oa«
chint al« Bräutigam ber Slgne« oorgeftellt, fah
aber heule gar trübe barcitt, ba er, mie allmälia
herau«tam, mieber eilten oergebliChen Mrfttch
311 leibtoeifer ©rluiigutig ber huubert Sfjaler ge»
macht hatte, bie er 31m Kaution flellen füllte, um
einen f)au«ftanb begrünbeu 31t föntten.
©r felbft befafe nicht« al« sroei träftige Slrme
3unt Mbeiten; fein Leiter mar gleichfalls '-Berg»
manu, sttgleich aber, mie 3oad)im mit fteigen»
bem Mtljeil oernahm, ein fo leibeitfchattlicher
©eiger getoefen, bah er, al« er fief), mie oft in
freien Womenten, auch brunten in einem ent»
legeneu ©äuge be« Schachte« mit feiner gelieb»
tett SMoliue unterhielt, einmal ba« SBarnungS*
seichen überhörte, welche« ba« ©inbringen hon
SBaffer anseigle, unb ein Opfer ber unterirbi»
fchett fSlutheu mürbe, „Mir einhuubert Sha»
ler?" murmelte .frerr Joachim noch im fSort»
gehen, uttb ein ^lan fChien in feiner Seele
31t reifen. Mtbertt Sage« erhielt Söilhelm ein
Reifet unb einen '-Brief ber lautete:
„Sieber junger fyreutib! Sebor ich
heule ttjalaufmärt« reife, mu|5 iCh Sie um einen
©efallett bitten; e« liegt mir feljr oiel an biret»
ter perfönlidjer '-Beftellung beifolgeitbett 'Bad»
chen«: bitte beforqen Sie e« felbft nach S. unb
geben Sie e§ perfönlich in bie ^tattb be« Ulbref»
faten; ba« fyabrgelb hin unb suried liegt bei:
leben Sie mohl unb grüßen Sie noch beglich
bie ihrigen mie Sie Slgne« unb ihre Wutter
hoffentlich halb nennen biirfett. Joachim."
Digitized by v^ooQie
Erinnerungen an Paniel itJebffcr.
265
Das Sädd)en war an eine berühmte Stufif*
hanbluitg abreffirt; als es 2Bilbelin bort ab*
gegeben batte tinb fiel) zum Sfortgeben anfdpdte,
rief ihn jeboch bev ©hef no<b iit’s Gontptoir: er
habe ibin auf Orbre bes Sbfenbers bunbevt
ibaler baar auSjiijablen. SMlhelm traute faiim
feinen Gingen unb Ohren; niemals war er non
S. gefcbwiuber beimgefomineit; jeßt war ja alle
9totb ju 6 nbe unb bie Sbenbfonne befreien brei
glüdlicpe 'JDtenfchen mehr auf ber Sielt, ja biel*
leicht auch nod) ein paar weitere; benn ber Stufif*
bänbler trat triinnpljirenb ju [einen GompagnouS
unb zeigte ihnen eine neue brillante Klabierfuite,
bereu Sutor ficb nannte — 3oachint Saff.
ftrtnnmtiigcit an Paiitel Hfcbftrr.
3nr #««$ nub #erti bott ®. Ott.
f u beit Stänuern, welche in nuferem
Sanbe nicht leicht ber Sergeffenheit
aubeimfalleii werben, gehört auch
Daniel Skbfter. Gr war einer ber
größten, wenn nicht ber größte
Ütebner SmerilaS, uitb fein Sehens*
lauf bat beute noch ein 3 utereffe für uns.
Einige turje '-Bewertungen über bcnfelben mögen
hier folgen.
Sein 3Utgenbleben bietet nichts Sufeergewöbu*
liebe». Gr war ber ©ofjn eines SanbinnitneS bei
©alisburp, 9t. £)., wofelbft er im 3a hie 1782
geboren würbe, ©eine Glteru waren rechtßhaffen,
ehrlich, fromm, aber tief in ©chulben, fo bof? es
ihnen faft unmöglich f<hien, biel an bie Gr*
Ziehung ihrer jablreidjen Kinber ju wenben.
Daniel war ein fleißiger, geborfamer Knabe
unb geigte frühe große gfähigteiten 511 m Semen.
3m fünfzehnten 3abre trat er in baS Kollegium
ju Dartmouth unb grabuirte bafelbft im 3 al)re
1801. Gr fuebte bann fich etwas ju berbienen,
baburch. baß er bei einem 3 eitungsbrutfer half,
als Sbfdpreiber tbätig war ober ©djule hielt.
X.inii waitbte er feine Sufmertjamfeit bem ©tu*
bium ber '.Hechte ju unb wurbe im 3 a bre 1805
}iir SJkayiS zugeiaffen.
Salb barauf wurbe ihm eine ©teile mit einem
©ebalt bou zweitaufenb Dollars augeboten, buch
auf ben SHatl) feines alten SebrerS fcplug er bie*
felbe aus, ba fie feilte ©ebanfen bou feiner er*
wählten Sauf bahn oblenten möchten. Salb bar»
auf miethete er fid) ein 3 'ntmer in einer fleinen
©labt unweit feiner £>eimntb. Gr tagt felbft
bon biefer 3 eit: „ 3 <h wohnte bei meinen ©Ilern
unb ging Borgens ju fjuß nach meiner Office
unb lehrte SbenbS auf biefelbe Skife heim. 3<h
hatte mir borgenommen, bie £>eimath nicht zu
berlaffen wiihrenb mein Sater lebte, einerlei,
wie es ihm gehen möge. 3d) Blieb bei ihnen
jwei 3 «hre. ' 3 « biefer 3 ?it berbiente id) nicht
©clb genug meine Stietpe zu bezahlen, aber ich
blieb bis mein Sater ftarb, nub erhielt feinen
©egen. Dann ging ich nach SortSinoulh unb
begann bie Saufbahn, bie ich wir gewählt."
Kaum hatte er fiep in SortSmoiitl) nieber»
gelaffen, fo hatte er großen 3 »lauf unb war
balb als einer ber heften Sboofaten bes ©tanteS
betannt. tjilnf 3 «hre fpäter oertrat er einen
Dpcil feines Staates im ©ongreß unb wurbe im
3ohre 1814 miebergeroäljlt. Dies war eine be=
wegte 3eit. Der Krieg mit Gnglanb, genannt
ber Krieg bon 1812, mar bamalS gerabe im
©äuge, unb ba Skbfter biefen Krieg nicht billigte,
ließ er feine ©tirnnie balb hören, unb zwar fo,
baß bie Sefiirworter beS Krieges halb fühlten,
was für einen mächtigen ©eguer fie an ihm hat»
teil, Gbeufo thätigen Sntljeil nahm er au allen
aubern wichtigen fragen, welche bor jenen Kör*
per gebracht würben.
3tn 3al)ve 1810 berlegte er feinen Slohnort
nad) Softou. 3411 3ah« 1828 wurbe er noch
bem ©enate gefanbt, unb fein Ginfluß bafelbft
war fo groß, baß er ber „Dtiefe beS ©enateS" ge*
uannt wurbe.
SIS fpäter ftorrifon ben Srüfibentenftnhl be=
flieg, würbe Si'ebfter ©taatsfefreteir unb beflei*
bete bieie ©teile bis zum ©nbe ber Sbminiftration
Dplers. 3m 3abie 1844 trat er wieber in ben
(Senat unb im 3ah*'e 1850 warb er abermals
©taatsfelretär, unb betleibete biefe ©teile bis zu
feinem 2obe im 3al)ve 1852.
Skbfter war ein Staun, ber fid) felbft be*
herrfdjen tonnte. 3nmitten ber bißigften De*
batten, mitten unter ben bieten pcrföulidjen Sn*
griffen feiner ©egner blieb er ftets feines StntljeS
tperr, unb zeigte fomit einen £>elbenmutb, wie
er feiten zu fiitbeit ift. Dies War ohne 3weifel
eine Urfadje feiner großen Seliebtheit, beren er
fich erfreute.
Sber er zeigte auch fonft großen Stutfj. Dies
zu ifluftrireu führe id) eine Segebenheit feines
SebenS an. 3m 3‘ih« 1812 waren in Salti*
more Dtuheftörungen borgetomnten, wobei einige
fjföberaliften, barunter ©eueral Singan, getöbtet
würben. Kurz nochbem bieS gefchebeit, fatn
I Daniel Skbfter auf feinem Skge nach Slafh*
: iugton burch jene ©egenb. SIS er etwa fünfzehn
! Steilen nörblid) bon Saltimore war, brach her
Singen, unb guter 91ath war theiier. Skbfter
war in großer Gile, benn er folltc in ©achen,
bie leineit Suffdwb leiben tonnten, oor bem
Obergericht erfcheinen. Deshalb ging er zu ^uß
bis iii baS uädjfte ©täbtehen, fuchte ein ©afthauS
auf unb bej’lellte Sbenbeffen. Slährenb man
baffelbe bereitete, hatte er ©elegenheit, fich wei*
1 ter umzufeheu unb zu erlunbigen. Durch bie
Digitized by v^ooQie
266
(Srinntrungen an ianiel fBebfter.
halboffene Dljür ber ©aftjtube tonnte er in baS
Schcntlofal feljen, toorin eine Slnjafjl Wänner
maren, melche fleißig trmifen unb fich laut imb
lärinenb unterhielten. Unter ihnen gemährte er
einen großen ntuslulöfen Wann, beffeu ©efichtS.
jiige nichts ©uteS berrietljen. ©r fchieit bei ben
Slntoefenben biel ju gelten unb führte baS 2ßort.
9llS man nun baS Slbenbeffen brachte, frug er
bie SJtagb, toer jener Wann fei.
„6i, fennen Sie ben nicht?" fagte biefelbe,
„baS ift >h'i Wumnta, ber Schlächter."
Söebfter erinnerte fich, bon biefem Wanne
gehört ju haben, unb meldjen Dbeil er an ben
Unruhen in Saltimore genommen hatte, mar
ihm auch betannt. SSßar er eS boct) gemefen,
burch beffen $anb (General Singait gefatieu mar.
SBebfter hatte fich bem ffiirtl) ja erfenuen ge=
geben, unb 'ihn erfucht, ihm ein Smhrroerf unb
einen ffutfcljer ju beforgen. Diefer hatte eS oer=
fprochen. BIS ber junger gefüllt mar, fagte er
.bem Söirtfj, er roolle nun meiierreifen, unb halb
barauf hielt bie ffutfdje bor ber BIS er
einfteigen moflte, entbecfte er, baß eben jener
3of)n Wumnta fein Fuhrmann utib einziger
Begleiter fein merbe. ©S fiel ihm ein, baß biefer
Wann ben ©eueral Singait ermorbet hatte, meil
er ein ffoberalift mar, unb eS beSßalb für eine
gute Ihat halten möchte, ihn, ber auch als 3?ö=
beralift betannt mar, ebenfalls aus bem 2Bege
ju räumen. Doch jeßt mar feine 3 e 't jum Be=
fiitnen. „Sich fühlte," fagte er, „jung unb ftarf
unb bachte, Stiemanb mürbe mich fo leicht unter
baS Dt ab bringen."
Die Seilte in ber Sctjenfe hatten unterbeffen
beS ffremben Flamen gehört, unb fie brängten
fich am bie ff utfche herum, ben berühmten Wann
ju fehen. SCßebfter fprang in baS ©efährt, fein
Begleiter ebenfalls, nnb fo ging eS UBafhington
ju. Einige Weilen fuhren bie beibeit ftiflfcßmei.
genb jufammen, bis fie in einen bichten iöalb
tarnen. Bläßlich hielt fein ftuhrmonn ftill unb
manbte fich ju ihm mit ben SJorten:
„Sinb Sie Daniel Sßebfter ?"
„Das ift mein Barne," erroiberte SCßebfter.
„Unb mijfen Sie, mer ich bin?" fuhr fein Se=
gleiter fort.
„3fa, ich meiß eS," mar bie Bntmort, „Sie fiitb
3obn Wumma, ber Schlächter."
„Sie fennen mich alfo," fuhr biefer fort, „unb
Sie fürchten fich nicht, mit mir allein in ber
Stacht biefen ffieg ju machen ?"
„Sticht im ©eringften," fagte SCßebfter, „toeS.
halb foflte ich Sie fürchten ?"
„3<h roeiß nicht," fagte ber Wörber, „aber ich
benfe, es ift fein jroeiter fföberalift im Saitbe,
ber fo fprechen mürbe. 3<h bin froh, ©ie ju
fehen," fuhr er fort, „um mein föerj megen ber
Unruhen in Baltimore ju erleichtern. 2öir, bie
mir baS ©efängniß angriffen, hatten feine böfen
Bbfichten gegen ©eueral Singait, ©eneral See
unb Bnbere, melche bort eingefchloffeu maren;
mir mürben burch aubere berieitet. Wau fagte
uns, baß nufere Stepublif bemühen unb bem
fyeiube überliefert merben follte, unb baß eine
Bnjaßl bon ihnen eine B'efie in Baltimore fjät»
ten unb jebe SSßocße ihre hodjberrät^erifdjen Bläue
brucften unb in bie SBelt hinauSfenbeten."
ffurj, 'Wumma hatte eine lauge ©efctjichte ju
erjähleu, unb als er biefelbe bcenbigt hatte,
maren fie bor BarnumS £mtel in B'afhiiigton.
SCßebfter ftieg mohlbehalteit au§, unb als er fei.
nem fjuhrmaun ben Sohn für bie gohrt anbot,
mollte ihn biefer nicht annehmen, fonbern brehte
um unb fuhr babon.
Dorf) BkbfterS Bühnt grünbete fich haupt«
fädjlich auf feine mächtigen Beben, melche er hei
berfchiebeneu ©elegenheiten hielt.
Die erfte berfelben, melche ich ermähnen will,
mar bor bem BunbeSobergericht im ffafle beS
Dartmouth = Kollegiums. Diefelbe hielt er im
Safjre 1818 im Blter bon fedjSunbbreißig 3ah«
ren. ©S mar feine erfte Bebe bor jenem fförper
unb mährte über bier Stuuben. Der ©inbrud
mar ein foldjer, baß einer ber Bidjter f put er
fagte: „Die erfte Stunbe laufchten mir mit
Staunen, bie jtoeite mit ©ntjüden, bie britte
mit Ueberjeugung." ©r mar berfjältnißniäßig
uubefannt in ben ©crichtsfaal getreten unb bet.
ließ benfetben mit bem Buhm, einer ber größten
Bebner BnierifaS »u fein.
Die jrneite große Bebe, toeldjer ©rmähnung
gefchehen fofl, mürbe in bem fogenannten Dampf,
bootfade gehalten. ©S hanbelte fich barum, ob
ffulton, bem ©rftnber beS Dampfbootes, für
immer baS alleinige Beößt gegeben merben follte,
ben £mbfon=ffluß mit biefen Booten ju befahren.
SCßebfter mar eS, ber in Serbinbung mit SEBirt
opponirte. Shnen gegenüber ftanben bie größten
Bbbotaten jener Sage unb jmar bielebon ihnen.
Bachbem bie ©egenpartei gerebet, nahm SCßebfterS
©ollege, als ber ältere bon'Seiben, baS SBort.
Dann tarn ÜBebfter an bie Beibe. ©igenthüm«
lichermeife faitb er fich genötljigt, nicht nur baS
Brgument feiner ©egner über ben Raufen ju
roerfeit, fonbern auch baSjeitige feines ©ofiegen.
®r that baffelbe auf eine fol^c SBeife, baß bie
©ntfcheibung beS ObergeridhteS nicht nur ju fei«
neu ©unften ausfiel, fonbern baS Urtheil fafl
ganj unb gar eine SBieberljoIung bon SSJebfterS
Slrgumenten mar.
Die (eßte große Bebe, melche ermähnt fei,
mürbe gehalten in ben Rollen beS Senates, jur
Seit ber Debatte jroifchen ihm unb #apne bon
Siib=©arotina. @S hanbelte fich uni biefelben
©runbfäße, melche fpäter ben ff rieg herborriefeit.
Bßebfter oertrat ben SJorben, ^rnpne ben Süben.
Sn jener 3 f ü hielt er bie glänjenbfte Bebe,
| melche jemals in ben fallen beS ©ongreffeS
Digitized by v^ooQie
JHe geiffige Entwickelung lies finites.
267
gehört mürbe. DllS biefelBe 31 t ©nbe mar, fugte
einer feinet jjreunbe 311 ißm: „£>err Pfebfter,
Sie foDten eigentlich jeßt fterben, unb ben 1)1 ul)in
biefer iHebe bemalten." „Dteiii," fugte £>apue,
fern ©egner, ber nahe ftunb, „Sie follten nicht
fterben. ©in DJinnn, ber folcpe Dieben holten
fami, follte niemals fterben."
Difebfter war bei aller feiner ©röße chriftlicp,
wenn man nicht fugen will ein ©brift. 'Oie ©in»
briiefe, welche er in ber 2 |iigenb empfangen, mur»
ben niemals oermifept. Pfo immer er war, ob
in SoScaoo, in Portsmouth, in Pofton ober in
Pfafhington, mar er ein beftänbiger Kirchen*
ganger. Sein ganjer ©paratter mar ein reli*
giöfer, obwohl fjerjenSreligion ihm Dielleicpt
unbefaunt war. ©r war ein Pertpeibiger beS
©briftenthumS unb einer, bet es glaubte unb
fdjnßte. Oie' Pi bei ftanb bei ihm in hohen
©hven unb religiöfe Pücper gehörten 311 feiner
SicblingS»Seftüre. PfattS geiftlicpe Sieber liebte
er, unb burck cpriftlicpen ©efang würbe er oft
3 u ihrünen gerührt.
Um einen beffern ©inbfief in bie religiöfe
Seite feines Sehens 311 gewinnen, laßt mich ein
Peifpiel anführen. ^opu ©olbp war ein wilber,
gottlofer Pfnnit, ber DBebfter’S Schwefter ge»
heiratbet hatte. Piele 3 ab rebarauf mürbe ©olbp
belehrt. Pfebfter hatte ihn f<kou jahrelang niept
mehr gefeken, befmhte ihn aber halb nach biefer
3eit. Pad) ber erften '-Begrüßung begann ©olbp
Don ber großen Periinberung, welche in ihm oor»
gegangen mar, 311 reben unb feploß bamit, baß
er Pfebfter bireft frug, ob er ein 6 prift fei, ob
er ©hriftum liebe.
„3fohu ©olbt)," fagte Pfebfter, „bu hu ft mir
eine wichtige ftrage Dorgelegt, eine 5 rage, bie
nicht leichtfertig beantwortet werben follte. $cp
will bir eine Putwort geben, eine Pntmort, bie
Wahr ift, ober ich gebe bir gar leine. Scp hoffe,
baß ich ein ßprift bin; ich belenite ein ©brift 311
fein. Pber wapreub icp bieS fage, münfepe icp
hin 3 ii 3 nfefcen — unb ich tpue eS mit idhamrotpem
©efiepte — baß ich fein folcpcr ©prift bin, wie
icp gerne fein möchte. ^cp habe in ber Pfelt ge*
lebt, umgeben öon ihrer ©pre ifitb ipren Per*
fuepungen; unb icp fiircpte, icp war fein fo guter
©prift. als icp patte fein folleit. 3 <p fürchte,
nicpt ©lauhen unb jpoffnung wie bu 311 haben,
boep hoffe icp, ein ©prift 311 fein, unb baß bie»
felbe ©nabe, welche .biep befeprt pat, unb bid)
311 m ©rben beS ewigen Sehens geinacpt pat, bei
mir baffelbe tpun wirb. 3»p poffe eS; unb icp
hoffe ferner — unb es wirb nid)t ntepr lange
bauern, bis wir abgerufen Werben — baß wir
uns in ber beffereu Seit treffen werben mit
benen, bie uns uorangeaangen finb, welche mir
fannten, unb welche berfelben freien ©nabe Der»
trauten. ©S wirb nicht mepr lange bauern. Oh
launft bir niept benfen, 3 fopn ©olbp, wie icp mich
gefreut habe, als ich Don beiner Pefeprung
hörte. PJelcp’ ein gottlofer Plenfcp warft bie
früher."
„O Daniel," rief ©olbp aus, „bu weißt niept,
wie böfe, wie unbanfhar icp war; icp flimmerte
miep niemals um ©ott; icp mar fcplimmer, als
ein £>eibe, bis ©otteS ©nabe mir ©iupalt tpat.
Uitb icp wüufcpe, Daniel, bu miirbeft ein mach*
tiger ©prift fein, ich poffe, bu bift es, Oaniel;"
unb ©olbp feßte pin 3 u: „Pfillft bu mit mir
beten ?"
Sie fnieten itieber unb Pfebfter fpraep ein
inniges ©ebet, worauf ©olbp ebenfalls betete.
Pfebfter lebte fieberig Stupre, unb ftarb am
24. Oftober 1852. Sein ©nbe mar ein rußiges.
Cpue gurept, fonbern rupig orbnete er bie Pit*
gelegeuheiten feines irbifcpeii PermögenS. DllS
er fein ©nbe fommen fühlte, betete er für einige
Ptinuteu unb fcploß mit bem npoftoliiepen
SegenSfprucp. DllS Or. ^effrieö ipm bnS Sieb
DorlaS: ,,©S ift ein Pom, gefüllt mit Plut,"
unb er 3 U ber Strophe fam: „©inft Don bem
fepönett ©immelsfaal SRaufcpt bir mein Sob
perab," rief er: „Dirnen! Dirnen! Dirnen!" mor*
auf er halb Derfcpieb.
-
Pie 0eijti0e <Kntit»ithfUni0 öes
PiiikDi.
/uS ift fepmer, bie ©epeimfeprift ber Seele beS
I m ÄinbeS 311 erfeunen unb 311 entjiffern, aber
* ber pppfiolog Profeffor Pf. Prep er in
3lena pat biefe Dlufgabe unternommen unb im
möglichen ©rabe gelöfl, inbem er in ber ßinber*
ftube ein Oagebud) führte doii ber ©eburt feines
SopneS an bis 3 U beffen brittem SebenSjapr.
Oa er fiep täglicp minbeftenS breimal, DJlorgeuS.
PtittagS unb DtbenbS, mit bem Uiitbe befepäf*
tigte unb es Dor ben iiblicpen Oreffuren fcpiißte,
fo fanb er faft täglich irgeiib eine 2 patfadpe 311
notiren, welche auf bie toeelenentmidelung beS
Keinen PfefeuS Pe 3 iig patte. Oer wefentlicpe
Inhalt beS OagebucpeS ift georbnet in ein
pocpintereffauteS Pud) übergegangen, weldjeS
ben Oitel fiiprt: „Oie Seele beS ffinbeS.
Peobacptungen über bie geiftige ©ulwidelung
beS Ptenfcpen in ben erften Sebeiisperiobeii
(Seip 3 ig, Op. ©riebenS Perlag, 1882)."
Oer berühmte Pppfiolog bepanbelt barin bie
©ntmidelung ber Sinne, beS PfillenS unb beS
PcrftanbeS in einer griinblicp wiffenfehaftlicpen,
aber auch bem größeren Publifum Derftanblicpen
Pfeife; für jeben, ber an ber ©ntwicfelung ber
Äinber l^ntereffe nimmt unb ber feine eigenen
serftreuten ©rfaprungen erflärt, beftätigt unb
Digitized by v^ooQie
268
Ju ^aufe.
fpftematifcp georbn.'t fcpeit miß, i(l baS Bucp im
popen ©rabe empft'hlen~roerth.
Scpou fünf Limiten uacp ber ©eburt feines
SopneS begann Breper befielt yicptempfiiiblicp»
feit ju prüfen, inbem er ihn flehen bas freit fie v
hielt; fie ift gering. Vfber ant jioeiten läge
fcplicfteii [ich Sie Vtiu\ni bei 'ilitnäberimg einer
.tterje mtb am neunten wirb ber Stopf uou ber
glamme ettergifcp abgeroenbet, bann tneift baS
St inb bie Gingen ju. ^nuner neue Beobacptim»
gen finb gu conftatiren, bis im jmeiten 'Jßtoiiat
hellgläitjenbc ©egenfiäiibe oft lautes Rubeln
erregen. 9luf beu ffarbeufiitn toirb bas Stiub
’päter geprüft unb erft in ber fiebeiiuiiöacptjig»
teil 2Boipe Derutag' es rotb unb grün ju unter»
epeiben, toemt and) nicht ftets richtig. BkiS
baS fpörett betrifft, fo finb alle neugeborenen
Äinber taub unb jtoar toirb biefe temporäre
Taubheit oerurfaebt bnnpbaS fehlen ber 2nft in
ber '-ßaufenhöhle oor bem Cnftathmen. Schmer
ift es ju conftatiren, mann bie elften Schall»
empftnbnngen auftreten, ba hierfür feine fiepe»
ren 'Jlnjeicfjen borhanben finb. ^Neugeborene, in
beten 'jtiipe eine ©lode angefcplagen mnrbe,
menbeten ben Stopf nadj bet toeite berfelben
unb unterbrachen baS Saugen, 'tim fiiufunb»
jmanjigften läge erfeprieft baS Stinb bei uner»
roartetent ftarfein Scpallreij. „3n ber aepten
2öocpe hörte ber Säugling jum erftenmale
2Kufif unb jmar .Qlaoierfpielen. ©r befunbete
burep eine ungemöhulicpe Spannung im Singe
unb lebhafte Bewegungen ber Brüte unb Beine
hei febeni Sorte, foroie burep fiaepeu unb l'äepelu
feine Befriebigung über bie neue Smpfinbuitg."
3m oierttnbjioanjigften 'JLNonat fepon oerfuepte
baS Stinb ein ifieb iiocpjufingeii. ©in auberes
Stiub, ein Biabcpett, tonnte bereits iui neunten
'JJionat jeben Jon, ber ipm auf bem St laoiei-
angegeben mürbe, richtig naepfingeu unb iepieu
lüfionanjeu unangenehm ju entptiubtn.
Bon allen SinneSmerfjengeu ift aber beim
neugeborenen Stinbe baS beS © e f cp m a cf e s
bei ber ©eburt am heften auSgebilbet. XaS
Siijse mirb fogleicp oon bem Bittern, Sauren.
Saljigen unterfepiebeu. £)ier liegt einer ber
beim iDtenfcpen feltenen Sälle bou angeborenem
UuterfdjeibungSoermögett Por. ©ab mau bem
■Wiubcpeu Gpiiiin, fo berjog es tläglicp baS ©e»
fiept, müprenb eS 3 l| dertt)üffer mit Behagen
laugte.
Bon popem gutereffe ift bie fpftemntifcp unb
genau burcpgefüprte Unterfucpung Brepers über
baS Sprecpenleruen, bie Urlaute unb bie Sprach»
aufäuge. 'iEie Biisbilbuug bes tiublicpen Ber»
ftaubeS erroeift fiep als unabhängig oon ber
Sprache unb ber gefuitbe Säugling oerftept
©efprocpeneS oiel früher als er felbft bie gehör»
ten itaute, Silben unb äßörter nad)apmenb per»
borbringen fann. 55aS Stinb bilbet aber aus
freien Stiideit, epe es anfängt ju fpreepen ober
forrett bie Sptacplaute ju imitiren, alle ober
faft alle in feiner fiinftigen Spracpe oortom»
menben Saute unb ergöpt fiep barau. Xie ©r»
faprungen, melcpe Breper auf bem ©ebiete ber
Spracpeutmidlung maepte, gehören ju ben lepr»
reiepfteu beS BucpeS.
5 « 8 a u f t.
giir §au$ uub £erb tum einer £an$fnm.
ffrgirijtmg. (Scblufj.) „3cb badete , u jagte 2lnna,
„ber Sater müffe Aiinbersucbt üben, ich fche aber
nie, baft er e3 tbut." Stau Wcrwin nahm biefe
©elegcnheit mahr, unb erflärte ben ftinbern, wie
fehrber SBater fie liebe unb beftänbig für ihrffiohU
ergeben bebaebt fei, wie er ihre Siebe unb $(d)tung
berbiene unb fid) \>on £>er*cn freuen mürbe, wenn er
fdbe, baft fie ihm mit Siebe unb BuDorfoinmcnhcit
bebauen mürben.
Die JBodic ging glüeflid) vorüber, bie .ftinber
faben ein, bafe fie nichts burd) JBiberftanb bei ihrer
Wutter aiWriobten tonnten, unb Derfudtten cd nicht
mehr. 25cnit bagegen bie Alinber ihre Sadte aut
madHen, lobte fie bie Wutter, unb bicfcä übte einen
moblthuenben (vinfluü aud.
Stil betn beftimmten Jage fam ber ffiater gerabe
Aunt ^Ibenbeffen. ßintmer mar in fdtonfter
Orbnung, baei Jycuer im Ata min brannte luftig,
mehrere Siebter mürben ange$ünbet, bie Scftioneu
gelernt unb bie Bücher toeggelegt. Butter unb
Jtinber mareu in ihren ScftReibern gefdnnürft
s }?iebcrgefchlageu trat .^err 3Keri)in in$ 3intmer,
ebenfo traurig mie er e£ Dcvlaffen hatte,
i „5)?eiit lieber Wann!" rief ihm feine ftrau mit
freubeftrahlenbeut s 2lntlife entgegen. „Ibcurer 9Sa=
ter!" jubelten ihm bie Atinbcr entgegen unb über-
fdtütteten ihn mit fiüffen. ffiillie bradtte feinen
groften Schnftuhl aim Jycuer unb 51nna legte feinen
Ueberrocf mtb feine .^anbfdtuhe meg unb bann
marteten fie, bi* fid) ber ®ater ermärmt hatte unb
Sinn (5 ff eit fertig mar. 8fiu Sifdte waren fie junor=
fommenb unb artig.
v Ü>ährenb bc* ^ibeub* amüfirteu fid) bie ftinber
mit ber Öanbfarte, mdhrenb $err Wermiit feiner
iVrau feine Oteifeerlebniffe mittheilte. ®or bem
Schlafengehen fameu bie fiinber suv Wutter unb
baten um einen Äuft, melchen fie ihnen aud) freubig
gab. (^tma* fchüchtern unb jogernb fameu fie juin
äSater unb jagten: „%illft bu und nicht aud) einen
Ahi& geben? Die Wutter fagt, ba§ mir heute brau
Digitized by v^ooQie
3u Haufe.
269
waren." ®er Sater füfete bk ffinber, war aber
nicftt im Staube feine ©efühle ju bebcrvfd)cu, beim
Stbränen liefen H>m über bie SBangcn.
?lld bie Älnber fort waren, jagte Merwin mit
'fievmiinberung 311 feiner grau: „©elenc, wie halt
bu bid) vcräitPert! 2 Bie oiel glüdlwher unb jufrie=
bener RehR bu aud ald oor einem Monat! Unb
nidd blo^ biefcd, bie $inbet, mad ift mit ihnen oor=
gegangen? Sd finb uid)t mehr biefelbcn ftiitber, bie
id) bevlaffeu habe. Sie finb ia fo brau, frennblid)
unb gehorjam. SBoher fommt bad?"
$ann oriäbUe grau Gerwin, wäbrenb fie gleich
seitig meinte unb ftd) and) freute, ihm bie ©efcbkbte
bed lebten Mouatd, ihre Unternehmungen, Snt=
fchlüRe, groben u. f. w., unb iefet ben Anfang
ibree Srfolged.
»Unb in einem Monat baft bu biefed aded fertig
gebracht, ©elene? Sd febeiut mir beinahe um
glaublich," erwiberte ©err Merwin.
w3d> batte fveilid) alle meine Kräfte in 9 lnmem
wenoung ßii bringen," entgegnete grau Genuin,
„aber ich befdRoft eine 2lenberung berbeijufubren,
mxb ehe bu gurucffoinmeu wuvbeft, wenn jolrf)ed
menfehenmöglid) unb burd) ©otted ©nabe 311 ooll=
bringen märe. 3d) hoffe einen günftigen Anfang
gemacht $u haben, beim id) habe ©abcu unb ®a=
teilte, ©efuhl unb Sbeilnabme in ben ftinbern
entoeeft, oon beucn ich nie träumte, Mein lieber
Mann, wir wollen und ju biefer Arbeit anbaltenb
bereinigen, unb wer weiß, otcUckht bürfen wir und
hoch noch ber Segnung eined treuen ftnechted er=
freuen?"
»Meine liebe ©elenc," erwiberte ber ©atte, ,,id)
badete auf meiner laugen Ütcije an faft nichtd an-
bered unb waren meine ©ePanfen bamit bcjdjäftigt,
ald ich nach ©auie fam. 3dj batte mir feft borge-
noinmen, in meinem ©ejehäft wie 311 ©au je im
Untere ff e nuferer Äinber mandjed 311 änbcvit, bod)
muft id) befennen, baft meine ©offmnig auf Svfolg
einer burebgreifenben Umänberung febr febwad)
war."
So eilten Stunbeu babin, wäbrenb bie ©atten
ficb über bie 3 u(unft befpvadjen unb SntfdjlüRe
fagten unb ißläne entwarfen, wie fie bie bereitd
fo herrlich angefangeue Deformation ihrer tfiuber
fortfefeen tonnten.
Sd wäre intcreffant, bie Stufen 311 berfolgen,
auf meldjen bied Slternpaar, nacbbcni ed 311m rcd)=
ten Siemufttjeiu feiner ^ßpücht gegen feine ftinbec
erwachte, wirfte unb arbeitete, unb an SinRuft unb
3utrauen gewann unb ficb biefed nicht allein in
ber Sntmitfelung ihred Sbarattevd 3eigte, beim bie
ßinPer juchten and) ben ©ervu unb burften fich ber
©ofjming bed ewigen gebend erfreuen. Unb nicht
weniger intereffant wäre cd, ben ftetigcu gortfehritt
Jii oerfolgen# weld)er in ber äMlbmtg bed eigenen
Bharatterd in allen feinen cbleii 3ügeu erfolgte,
burd) welche cd gefdntft würbe biefe Arbeit 311 oer=
richten. 2Bir wollen ieboch nur auf eine ®hat=
fache, bie fich nach einem Sabre 3Utrug, binmeifen,
unb welched bied illuftrirt.
grau JBefton, bie gute grennbin, welche wir am
Vnfaiifl biefer (Stählung ermähnten, war einige
Monate lang burd) bie ifrantheit ihrer Siebter au
bad ©and getcpclt. 3 br ©atte fam eiued Slbenbd
jpät nach ©aufe unb jagte, er habe bei ©errn Mer=
win gefpeift.
»Unb ioie befanben Re fid)?" fvug gvauSBcfton.
#d ift fd)on lange ber, feit id) ihnen einen äJefuch
abftatten tonnte.
„Uiibjch," fagte ©err SSBcfton, »blieb abfiditlid)
ioeg. Sie batten immer Scbwievigfeitcn mit ben
Miubern unb ihr ©and war ein febr unbehaglicher
Ort."
„3lt cd iefet beRer?"
»Keffer! ®u würbeft bie Äinber unb felbft
tan in bie Slteru mehr erfeimcn. ßrftend fehen bie
Äfiitbcr nid)t mehr fo bleid) unb fcbwäcblich and
wie früher, fonPeru finb fvifd), gefimb, tmll geben
unb bod) recht artig. - 3d) bcobad)tcte fie genau unb
faub t baft fie gegen einanber wie and) gegen mich
febr tteuublid) waren unb ihren ßltevn aufo äBort
folgten. 9 lld id) hinein fvim, lernten fie gevabe ihre
Sdmlaufgaben, wcld)e fie nod) oor bem ?lbciibcjjcn
ooUenben uwlltcn, unb wenn fie auf Sriiwicrigfeiten
Rieften, gingen fie guv Mutter hin, bie ihnen 9lulet=
tung unb ßrmuthiguug gab unb fie 311111 Sclbft-
benfeu oeraulafttc. 8I111 ®ifd)e umven fie jo ans
Ränbig ald itinber mir fein tonnten. Um acht Uhr
tauten mehrere Ringe geilte 311m ^efueb 1111b ioie ich
erfuhr, war ed 3m vegclmäftigen ®onncvftag= 9 lbenb
3ufammenfunft. ®ic ftinber unterhielten fid) auf
eine nüfelidje äBeife unb ©err unb grau Meiwin
nahmen oft felbft regen Slntbeil an bev Unterbau
tung. 9 litna unb ü&illie waren hierüber febr er=
freut 1111b gaii3 bcfotiberd über bie Mutter, weld)e
hin unb wieber auf bie aufgeworfenen gragen int*
111er bie ridnige Antwort 311 geben wuftte. ®ie
Äinber glauben, baft ^tieinanb in ber 2Tl>elt ihrer
Mutter 9lctd)f6mmt. Um 3ebn Uhr oerabfchicbeten
fid) bie inngcti 8eute unb gingen uad) ©aufe, wo^
rauf bie Äiinber 311 ihrer Mutter traten unb um
ihren Ätuft baten. 33 ei ber Umarmung feiner MuU
ter horte id) SBillie leife fragen: „2Bar id) heute
brao, Mutter?" 3 d) tonnte nidu umhin, fie über
bie Urfadjcn ber günftigen ikränbcnmg, welche
fid) in bem Scncbmen ihrer Älinber funtgab, 311
befragen unb oernabm bann, baft Re oor etwa
einem 3nbt anfingen ihre $Rid)tcn ald Crltern
ernftlid) 311 erfüllen, ©clcne fegte mii, baft bu
ihr anfänglich basu bchülRich warft, ben gami=
licngottcdbicnR ciu3uführen, unb feitbem hätte
©err Merwiu folchen regelmäftig gehalten unb
ed burfte feine Ungchorfanifeit ber ftiubcr icmald
imbeftraft überleben werben. 2)ie ?lrt mit Sikije,
wie bie fltnbcr angelcitet würben gegen 3ebcr*
mann freunblich, moorfommenb unb bicuftfcrtig
3U fein, fowie in Per Uebung ber SclbRoerlcug=
nung, wäre ein 9 Sovbilb für alle ßltern. ©err
Merwin geht, nid)t mehr wie früher, nad) bem
^IbeitbeRen ind ®cfd)äftd3immer, fonbern nimmt
regen ^Intheil an ber ßrsiebung feiner ftinber,
unb grau Merwin hat bie grofeen ©cfellfchaften
beinahe gan3 aufgegeben imb unterhält fid) blöd
noch mit folchen greunben, bie ed gut unb reblich
meinen. 3 d) mürbe bir rathen, Re wieber einmal
31t hefuchcn, oergeRe aber ia nid)t and) bie Äiuber
milAiiuehmen.
,, 3 ch loerPe ed fobalb wie möglich thun," erwR
berte grau SBcRon.
»©elene unbbu," fuhr ©err ffieftoit fort, »werbet
einanber oerfteben. Sure Motioe finb biefelbcn,
©err Merwin ift mir aber weit ooraud. Meine
$inbet lieben mich 3*oar, aber Re hängen nicht mit
Digitized by v^ooQie
270
$onntagfd)ul=fehtionen.
ber 3nnigfeit an mir wie bic ©ferminb. 3d) habe
uoar für ihr materielle^ 3niereffe geforgt, aber
Die ©ilouitg beb ©eifteb ocvnadHäffigt; bieie ©Ir*
beit lacx gans auf bir. 3d) habe meine $flid)t in
biefer ©esiehung nicht gethan, id) febdme und) unb
bereue cb."
„llnb id) fioffci" faatc ftratt ©Beftcn in einem
freunblühen 3)on, „eb mirb bid) anregen 311 anten
©Beiden, cb ift ber ©Beg mie 3reunbe lieh anvcgcit
füllten. 3d) freue mid) herzlich über bab ©ejagte
unb merbe felbft eine gehre baraub sieben. 3»v
©efferung ift’b nie 311 fpät!"
©Beim CSltern im Mgcmeincn beut ©^etfpiel beb
Glternpaareb ©Jcroin füllten, menn fie burdt©cbct
unb Siukhiebenbeit ihre Atinbersiuht übten, anftatt
an flageu unb bie ©orfchung 311 befd)ttlbiaen,
mürbe ber Segen beb .vMntmelb auf $aub unb
©evseit ruhen. 3n ber .fteimath fdbe cb tuand)=
mal nid)t fo trübe unb bunfcl aub. Anftatt ber
häufigen Sdnocrmüthigfeif fänbe man bafelbft
©lüd unb JJrciibe/ mtb sulefet mürben fie bab
©Bort beb IDJeiftcre büren: „ftomm ber, btt from¬
mer unb getreuer Unecht, bu bift über tüeuifl getreu
aemefen; ich mill bid) über Diel fefeen."
0pargeh$cet. ©Jan mahle im ftrübiahr einen
marinen fonuigen ©lab im ©arten. £>at man
feften febmeveu gebntboben, fo grabt man eine 4
tiefe ©rube, mirft einige grofje Steine unb
Änod)cn hinein unb füllt mit fetter Svbe unb ocr=
faultctn ©Jift ba* ©eet 8 Soll hoher alb ber Hafens
plafe, bamit eb immer troefeu bleibt. ®ttmt laffe
man fiel) bou einem Satnenbdnblcr mie 3ameb
©id oon 9tod)efter, 9?. 3}., ober einem attbern, eine
Ult^C Connover’s Colossal ober Giant Asparagus
Samen fommen unb pflanse benfelben red)t bünn,
fo mie man Schien 311 bftansen pflegt. Steht ber
Spargel, naebbem er aufgegangen, 311 bid, fo oer=
büitnt man bie ©jlanaeu. £>at man ben ©oben
auf bieie ©Bcife stibereitet, fo braucht man ben
Spargel nicht übersupflaiuen unb man fann fdmn
im smeiten 3ahr einige ©Jal baooit offen. ®er
Spargel hat lauge ©Bursein unb fann nur ge=
bei heu, meint ber ©oben tief unb leder ift. 3ebcb
Jrühiahr lodert man ben ©oben unb bebedt bab
©ect mit 4 3oll feinem oerfaulten ©(ift unb smet
Quart Salt $11 einem ©ect oon 4 Jyufe ©reite uttb
10 ftuji gange. 3m Öerbft bebedt man bab ©eet
toieber mit IVift. (Sin folcbcb ©eet fann man
25 3«hvc lang gebrauchen. Oie Stengel fdmcibet
mau im £>evbft nid)t ab, bib fie gans troden finb.
3mbritten Sommer fann man ben Spargel fdmeU
ben jo gcfdnoiitb, alb er nur immer mdebit. 3»
einem folgen ©eet mäcbft ber Spargel oft itt einer
©Jacht 4 bib 6 3oll hod). ©Jitte 3uni tniift man
aufhören 311 fchneibcit. ®te ©flaitsen evforbern
3cit sunt Saftigen SBadjfcn unb muffen fich beb-
halb itit Sommer erholen ober bab ©eet geht ein.
3n ©egenbeu, too ber ©oben leidtt unb loder ift,
fann man Spargel fo leidd mie tfovn sieben unb
man braucht bie 3nbereitung eineb joldjeit ©eeteb
nid)t.
®ie mnu Spargel fodjt. ©?an nimmt fungen
unb fvifdjen Spargel, brid)t unb sieht ihn ab, bib
bie Stengel anfangeu hart jtt merben, mafdit ihn
itt falteut ©Baffer unb legt ihn bann in einen Sopf
mit fochenbent gefabenen ©Baffer unb leigt ihn
bann fodicit, bib er marnt ift, bann fliegt man bab
©Baffer fort unb halt ben Spargel sugebedt recht
bcife. Oann röfte man einige Srficibcn ©tob
braun, bcftreiche fie bid mit ©utter unb lege fie in
eine ftarf>e Sd)üffel, morauf man ben Spargel
forgfaltig barauf legt unb benfelben micber mit
einer Sage ©utter bebedt, unb jutefet giege man
hinreidjenb fodieubeb ©Baffer hinan# um bab ©aitse
311 bebeden. ©Jan oerfuche, ob allcb recht ge*
mürst ift.
$ onntagfitml --Sektionen.
Sonntag, 6. ©Jai 1883. 3tpftg. 10, 30—44.
$etru$ (jrebigt ben Reiben.
®er Sdiauplafe itnferer ©eftiort ift ßdfarea
(Stratonib), bic ©tefibensftabt ber jübifcheit Canb=
Pfleger, am ©Jittellänbifchen ©Jcere gelegen. ©ach=
bem gufab erzählt hat, mie ber ßitgel beb föerrn
bem Sorncliub erfchien unb ihm ben Auftrag gab,
©etrum holen ju (affen, .ffap. 10, 1—6; ferner,
mie ©etrub burch ein ©efid)t auf bie Sefehrung
ber ©eiben oorbeveitet mürbe (©. 7—16), unb mie
er bann nach Gdfarea reifte unb oon Sorneliub
auf’b hcvslichfle aufgenommen mnrbe (©. 17—29),
berietet er in nuferer Seftion aunächft loeiter, mie
Sorneliub oon ©etto baju aufgeforbert, feine mün-
berbaren Srlebniffe ersdblte.
I. $ie @rf(giigtr M Sontelinb. ($. 30—33.)
30—32: Sorneliub fagte. Sorneliub
mar ein röntifcher ©auptmann (Senturio), meldicr
eine mclfd)e, b. h. italifche Sohorte befehligte.
Stömifcf) oon ffopf bib 311 f?ug, hatte Sorneliub
Doch fein &ers für bic römifchen ©etter; er mar
eineb oon ben 3uPhctbfinbern, me(d)e tu ben ero=
berten öütten Sent’b felber erobert toerben oon bem
©oft Scut’b (3fraelb). Sin ^eibe, ein Sftömer,
ein 5?riegbinann, ein ©auptmarm — lauter ©Jiegel,
füllte man benfeit, für bie göttlid)e ©nabe; aber
fie geht burd) ade burch. Offen unb ohne falfdje
Sd>am ersdhlt Sorneliub bie heiligen ©orgdnge in
feinem ©cbetbfdmmerlein, melche ©. 1—8 au&
führlich beidmieben morben: ®ie Sngelerfd)einmtg
(©. 30), bie ©nabenbotfdjaft beb ßngelb (©. 31)
unb ben ©efehl beb $errtt (©. 32).
Digitized by v^ooQie
Sonntagfdjul^ektionen.
271
8 . 30 . (SorneliuS batte beit ®ott Bbraelb bereit*
feinten gelernt utib alb ein guter ft au* pater auch
bie Seiiugcu wr ©ottebfurdtt flehen. Oer Segen
beb gotteofürehtigen ftaufeb floh and) meiter uu\hcr,
auf bie Ernten — „er gab beut Volf Diele Slltnoien"
(V. 2). Unb obgleich er ein Alriegbmattit mar,
jebämte er ftd> nicht, Die tapferen ftäitbe auiu ©ebet
Au fallen — „er betete immer au ©ott." Sein fters
tnar noch niefit befriebigt. Slber ben Slufricbtigcn
(afit eb ©ott gelingen. ßr fanbte beut betenben
ftauptinaim einen ßmgcl Dom Fimmel, bei* ibnt ben
2 Bcg jciöcn tollte, ben er au gehen hatte. Oie
©ebetbftunben finb bie reefiten ©nabenftunben, ido
bie (vngel ©otteb am liebften fomnten unb ber Ver=
fehr Veilchen ©ott unb ben SRenfchen am lebenbig=
ften ift.
8 . 31 : Dein ©ebet ift erhöret u. f. tv.
Dein Webet, beine Danf= unb Shränen Opfer, bie
bu mir im Atäinmcrlein bargebradit, bie 91 i nt o f en,
bie bu im Verborgenen gegeben, finb nicht Dergeffen;
bein Vater int ftttnntel, ber in’* Verborgene fieht,
hat fie gefeiten unb biv auiu ©nabenlohn angefdtrie=
ben auf ben Saft ber Vergeltung. Slitb biefeti ffior=
ten beb ßitgelb geht beutlid) fieroor, bah bie auten
ffierfe ber Unbefehrten, loeitn fie auch fein Verbienft
oor 0 )ott begrünben, bod) in ben Stuften ©otteb
feiitesmegb toerthlob finb, fonbern Dielmehr Don ibnt
toertb geadttet loerben, toeil fie bab .V>er ( A bein ©ir=
feit beb h. Weiften auffchliehen.
8 . 32 : öenbe ften ^oppe n. f. tv. Dieb ber
göttlidie Vefehl. Vetrub, ein SRenfcb, nidit ber
ßugcl tollte ben Kornelius mit beut fteil in ßbrifto
befanitt machen. ©ir, bie er erlöft hat mit feinem
Vlutc, folleit feine Beugen fein. Vetrub muh A»
ßorneliub fomnten, nicht umgefebrt, Aiun Bcichen,
baß bie Voten beb SDangeliumb bie Reiben in ihren
eigenen ffiohnfifeen auffuchcn jollen.
8 . 33 : Da fanbte idt tt.f. m. Vetrub toar
unterbeiten Durch bab ©eficht auf beut Söller auf
bieSenbintg bebßoriteliub oorbereitet loorbcn, unb
folgte bafier ber Slufforberung ber Voten ohne
SBiberfprud). Sinn finb mir aUbier gegen¬
wärtig u. f. u». Dieb ift bie (Stimmung, in mel=
eher eine ©euieiitbe ftetb um Alantel unb Slltar Der=
fain-melt fein follte. Soldte offenen Serien öffnen
bann audt beut Vrebiger ben SRitnb.
II. Sie^rrbigt (V. 34—43.) Oiefe
Rebe Vctri fahrt baher mie ein gewaltiger Strom.
Oeb ßorneliub Name, aller Leutchen Name, Ruhm
unb ßhre oerlifdtt, unb nur ein einziger Mailte
leuditet in biefer Vrebigt, ber Name beb Aperrit ^eju
Gbrifti.
8 . 34 : 9 ?un erfahre ich. ©ab bein Slpoftel
in bent ©efichte in 3oppe nur bunfel angebeutet
toar, bab toirb ihm nun flar beim Slnhlicf biefer
hedbbegierigen ftaubgemeinbe: ©otttoill, bah allen
3 Kcnfd)en geholfen toerbe. Bu biefeut Slugenfilicf
ierreiht bab lebte Vanb engher.Aigen Bubentbunib,
fcurdi welches Vetrub bisher noch gebunben toar.
Dah®ott Die Verton n i d) t anfieht u.f.tD.
Dies ift ein Sdirecfenbmort für alleöottlofen unter
ben ©rohen unb ein Oroftwort für alle frommen
unter ben ©cringeit.
8 . 35 : Bit allerlei Volt. Die Vforten bc^
©itabenreicpeb fteheit weit offen für SlUe. Sille ohne
Unterfcftieb bet Nationalität, beb Staubet, Sllterb
ober ©efddecbteb, alle fönnett ©otteb Alinber mer=
ben unb in’b ftinnnelrc’ufi fommen, loenit fie nur
barnadt ftreben unb ringen mit reblidiem ftcvAcu.
Nur Dürfen bie je ©orte beo Vctrue nicht in ih braucht
toerben, wie eb oft gejebieht, menn man ihnen ben
Sinn uuterfchiebt, dld toollte Vctvuo jagen, e 3
fomme nicht Darauf an, tuaö ein ®enjch glaube,
wenn er nur ©ott fürchte unb recht thue, Süiibe
meibe unb ehrbar lebe. Solcher ^iibifferentiomu^
(©leichgiiltigfeit) in Vesiehung auf ben UntevjcbieD
ber Religionen liegt Dem Slpoftcl fern. S>atte er
geglaubt, ee> fei einerlei, ob einer ein ^ube, ein
.'Öeibe, ober ein ßlnift fei, märe er bann ttadt ßä-
farea gefommenV 28 ärc ßoritelius, fo mie er mar,
fefion Dor ©ott gerecht gemefeu, hätte er bann noch
eiltet ßngebo, eineo Slpoftelo, eince A>eilanbo, einer
Saufe beburft? — Stein, ber Sinn ber ©orte Vetri
ift offenbar nur ber: mo ein aufrufitigeo ,V>en, ein
reblidte* Jpcil^Derlangett ift, ba fann man au ßhrifto
femmen, ob man Dorher ein 3ubc ober ein Jpeibe
toar.
8 . 36 ttttb 37 : ^hr toiffet. 2 ){itbem Apaufc
beeßorneliub burfte Vetru^ nidit fo loeit Dorne au=
fangen, nüc nachmals VattluS mit anbevn Reiben
(A. V. in gwftra),'bie angetrieben mürben, ©ott auä
ben VeiDcifen feiner ©fite in Regen unb fruchtbaren
Beiten au fühlen unb au fliehen. Den einigen ©ott
fett neu bie i>au 3 genof|en be 3 ßorneliub fchoit,
hanbelt fielt bei ihnen nur um bießrfeuntnihßhrifti.
Diefen Derfünbigt ihnen baher Vdrim alä beit
göttlidien Vtophetcn, ben einigen ^ohepriefter,^ben
etoigen Aiönig. — ©eiche ©unbermege unb Sic*
geäläufe hat ba^ ßDangclium in ber Atraft ©otteö
nun fchon oollbradU feit ieneiii geringen Slnfang i tt
©a li l äa! s Nie, unb rnenii fie cinft bie ganAe ßrbe
fieherrfdtt, foll unb loirb bie Kirche ßhrifti Dergeffeu
biefe ihre geringe Aperfunft, ihre arme Atinbheit,
ihre angeborene Atnedit^geftalt. Unb ebenfo foll ber
einzelne ßhrift ftetä beffeu eingebenf bleiben, ma0
er einft getoefeit, unb toab er burefi bie ©nabe ge=
morbeit.
8 . 38 fdiilbcrt ßhriftum alb Propheten in
feinem Vebcit unb Sehren, ßin folcheb Vilb muh
beit DcrAagten Seelen Dorgehalten^toerben, bamit fie
ein ^ert au ihrem .freilaitb unb Seligmadier faffen.
8 . 39 toirb ßhxiftub alb ftoherpriefter in
feinem Seibeit unb Sterben gefdiilbert. Sie haben
ihn ge tobtet unb an ein ftoU gehängt.
So mürbe er bab Opferlamm ßfotteb, bab ber ©eit
Sünbe trägt. Slber feilt Sob toar ein frcitoilliger.
ßr überlieferte fid> felbft ben ftänbeit feiner f^einbe,
er mollte für unb fterben. Darum ift er Opfer
unb ftoherpriefter Atigleid). ßr hat fid> felbft für
unb geopfert.
8 . 40 — 42 . Nun fcfiilbcrt $etru£ ßhriftum alb
Ä ö tt i g in feinem Regenten^ unb Ridtteramt.
s Rid)t allem Volf, fonbern unb. Die©elt
fieht ßhriftum nidit in feiner ßrhöfiung, toeil fie
ihn im Staube ber Srnicbrigung nidtt erfeitnen
mill. Seinen Jüngern nur offenbart er fid). Sie
folleit ihn berfünbigen alb ben fterrn über alle
üKenfdien, bem alle au gehorchen fduilbig finb. Die
Afroite ber fterrfchertoürbe ßhrifti befteht barin, bah
er Aunt ©eltenrichter beftimmt ift, unb Atoar
Aiim Richter audt ber Sobteit, monadt feine fönig-
liehe ökmalt auch bab Sobtenreicb, bie längft
Derftorbcneit ©efdtleifiter, toie auch bie Aufünftigen
umfaht.
Digitized by VjOOQie
272
SonntögfdjuUfcktionen.
®. 43. ßhrifhtd ift bcr Quell bed ©cild unb bet
©eligfeit für Me, meil mir in ihm Vcrgebuttg
bev © ft üben empfangen; unb mo Vergebung bev
©üitbcit ift, ba ift Beben unb ©eligfeit. —SBad
Vetrud bovt in ßoriteliud ©aud pvebigte, bad ift bic
VvePigt, bie beute noch alle Söelt burdwhallt, unb
in faft zmeihunPert Sprachen allen Golfern gepre-
bittt n'ivb. O baff bic Vvebigev immer Obren fäm
beu für biefe Vrebigt unb ©erzen für biefen gott=
gcialbten Vropheten, ber und beu Vater zeigt buveb
Söort unb £hat, für biefen barmherzigen ©oben?
prieftev, ber und mit bem Vater uerföhnt burch fein
SMut, für biefen emigen tfönig, ber lind zum Vater
führt in fein bimmliiebed Gleich!
III. 2>i t 9Utdgiejjttitö M f). ©eifted. ®. 44:
Oer h. (Seift fiel auf alle, bie bem SB orte
zuh orten. ©efebab bied auch nicht in fichtbaren
Slammen, mie am Vftngftfeft, fo fab utait’d boch
and ben klugen ber Buhörer, unb horte cd and beit
SBorten, mit menten fie bie ©nabe (Sotted brieten.
ÜÖivtn fpürte, baft bcr ©err eingefebrt mar unb fühlte
bad SBchen feine« (Sciftcd burch alle ©erzen geben.
Octd mar ein thatfachlicbed ärugnife ©otted felhft,
bafj biefe Beute ihm moblgefällig feien, unb bah fie
ßbtifto angeboren. Oie (Sähe bed b. (Seiftcd.ift bad
bbchfte ©ut, bad im Reiche ßbrifti zu erlangen ift.
SBeut biefed bbchfte ©ut verliehen ift, bem barf bad
eringere nicht oermcigert merbeit. 9tun batte ©ott
iefen Beuten, obmobl fie .©eiben maren, feinen ©eift
gefdtenft unb fie eben bamit gereinigt unb geheiligt.
9llfo muffen fie nun auch pon Vetro unb pon beut
ftrengften 33raeliten ald rein aitgcfehen merbeit.
Oenn mad ©ott gereinigt hat, bad barf ber SKenfch
nicht ald profan behanbelu. — Von Someliud aber
unb ooit feinem ©attfe galt an jenem Sage bad
Söort bed ©errn: „©eute ift biefem ©aufe ©eil
miberfabren!"
Sonntag, 13. SKai. Slpftg. 11,19—30.
2>ie SluSbretfang be$ ©bangdiumö.
I. $er Urfpruttg ber ©emeiltbc gtt ttntiodjien.
(98.19—21.) ®. 19. Oie Sntftebung biefer ©e=
meinbe erfcheint recht eigentlich ald etu göttlidjed
SBerf, beim fie ging beroor and einer ßhriftenoer-
folgung, bei melcher ed ftatt auf Vermehrung oiel=
mehr auf Vernichtung ber ßhriftenheit abgefeheit
mar^ Bufad beutet noch einmal jurücf auf ben Sob
bed ©tephanud unb bie Verfolgung, mclche bantald
über bie ©emcinbe zu 3etufalem erging. 3ener
©turnt hatte bie ßhrifteit meit über bie©reitzen bed
iübifchen Baitbed binaud zerftretit, unb biefe hatten
beu Samen bed Soangeliutttd hiuaudgetragen in’d
©eibenlanb. (Sinzeine ßhrifteit maren bid nad)
Vbbnizielt unb hinüber ttber’d mittellänbifche
SKeer auf bie grobe, fchöite 3nfel (Supern unb hin¬
auf in bie grobe, meltberubmte ©auptftabt ©priend,
9(ntiod)ia, gefomnten unb hatten bad SBort Pont
kreuze mitgebracht. @o meib ©ott bie bbfen 9lb=
fichteu feiner geinbe zu oereiteln mtb zuttt SBcften
feined Steiched zu meitben. 3m ©rohen mie im
kleinen hei&t’d immer mieber: „3hr gebadüet ed
beje zu machen, ©ott aber gcbachte ed gut zu
machen." — 3unä<hft manbten ftch bie flüchtigen
(Shrifteit nur an bie3ubcit; nun aber machte ber
©err feinem SBort nod) meiterc Vahn, inbent er ed
einigen einfachen Beuten aud ber ©emcinbe eingab,
and) ben ©eiben zu prebigen.
®. 20: Slntiochia mar im 3ahre 300 p. ßhr.
pon ©elctictid Scicanor gegrünbet unb feinem Skater
zu (ihren 9lntiod)ia genannt tporben. OicStabt
liegt am Orontcd, in einer reizcitbcu (Sbcitc. Unter
ben ©eleuciben mar 9(ntiifthia bic ©auptftabt bed
fprifihen 9teichcd bid zum 3«hre 63 p. (ihr., pon ba
an mar ed bie jjtcfibeuz ber romifdien Statthalter
ber Vvopinz ©prien. ©ier alfo hilbetc fid) bie evfte
and 3ubcn= ttnb ©eibendtriften gemiphte ©emcinbe.
Sdmit am Vfingftfcft maren unter ben 3 cm gen ber
^ludgicpung beb h. ©eifted aud) Scanner (3tibcn)
aud (Spreite, b. h. 9?orbafrtfa gemefen, bie mit
griechifdter ©pvadte unb ©itte betanntcr unb mit
ber ©eibcnmclt Pertrauter maren, ald bie paläfti=
neitfifchcn 3ubeit. ©oldte audlänbifdtcit 3üben
(©clleniften) aud ßppent unbCSprcne, mclche
zu ßhrifto befehrt toovben maren, magten cd zuerft
in ^littiodticn, fid) ohne Scheu an bie ©eiben zu
machen mit ber Vrebigt bed (ipattgeliumd.
®. 21: U ttb bic ©anb bed ©errn mar
mit i h it e n , oh fie gleid) tpeber 9lpoflcl nod) ®ta=
fönen mtb ßmangeliftcit, fonbern ciitfad^e Beute
maren, pon beiten und ttidü einmal bie 9camen
aufhcbalten fittb. (Sine grcfie 3ahl Pon .©eiben
mürbe gläubig, ßd bilbete fid) eine ©emeinbe aud
ben ©eiben, mährenb zupor nur einzelne Seelen,
mie ber fiammerer aud SKohrenlanb, ober hediftcnd
einzelne Rnmilteit, mie bie bed Someliud in ßäfa=
rea, für bad ßpattgelium gemennen tpovbcn tparen.
II. ^er gorlgaitg bed Serfed itt Ütttioihta. (V.
22 — 26.) ®. 22. Oer ©err thut nid)td halb;
barmn forgt er fofort aud) für bic Vcfcftigung ber
erftcit ©cibcngcmeiitbe im©lauben. ßd fam Pot
Ohren ber ©cnicine zu 3crufalem tt.f.m.
Oed Vctrud Verantmortung über bnd, mad er in
ßäfavea gethan, hatte gefrudttet. Su'tt engherzigem
iübifdtcm Voruvtheil fiitben mir feine ©pur mehr.
3 ut ©egen(heil, man freut fid) jefet tu 3crufa(em
ber Ätinbe pon bcr Vefchrung bcr ©eiben, unb fett=
bet in thcilnchmcnber Bicbe ben S^arnahad nad)
9lntiod)ia, bamit er fid) bcr 9teubcfehrten annchute
unb fie im ß)laubcn ftärfe.
®. 23. Sarnabad erfemtt mit nctblofer 3;reube
an, ipad ber ©err burch bie Arbeit icuer fd)lid)tcn
9)2änncr aud ber ©emcinbe unter ben ©cibett ge=
tban hat, unb nimmt fid) bcr S^efcbrten an mit
inüttciiid)cr Oveue. Anfängern bie ©attb zu rcidjett,
bie ©d)ioad)en zu ftärfen unb bie Verzagten zu
tröffen, bad fdteint fo red)t bie ©abe bed Varnabad
gernefen zu feilt, ©atte er bod) aud) att beut itcit=
belehrten ©atilud biefed 91mt geübt mtb fid) ald
echter „Sohn bed Oroftcd" emüefcn. ßd ift ettpad
©vofted um einen feurigen Vtifiprcbigev ßliad; aber
nid)t ntinber gro§ unb liehlidjer ift bc\- ßharafter
bed milbeit, troftenben 99arttabad. freilich barf ed
aud) beim Oröften am nöthigeit Stufte ber Svmab-
nung nid)t fehlen, uue ed benn aud) pott S^aritahad
heiftt: er erntahnrte fie tt.f.m. — 6d ift ein
foftlid) Oiitg, bafi bad ©erz feft merbc. Sin ßhrift
ift nie fertig, fonbern immer im ffierben. f?ür ihn
giebt ed feinen ©tillftanb, er tniift beftänbig por*
tuärtd bringen burch ffiampf uitb Sieg, bid ihn fein
Digitized by v^ooQie
2onatagrd)uU£rhtumfn.
273
9Keifter oon ber (Srbe abruft unb mit bcr $iinmct&
frone für feine Sreuc belohnt, „^d) taffe» wa3 ba
hinten ift, unb ftxccfc mich nach bent, baä ba oornc
ift," biefer äBahlfprud) beö Apoftcls fei and) bcr
uniriae.
8 . 24. 9(n iöarnabaS benennen unS alle Gigcm
fcbaften eine3 red)ten Sehrcrä. Gr war 1) ein frotm
mev (eigentlid) ein guter, redtfdaffcncr) 9)lann,
untabelin im SEBanbel. ®a$ ift frcilid nod) nid)t
nenun; beim aud) ein ©übe tonnte biefeä Sob haben.
Aber 9)arnaba3 war 2) ooll ©lau bcn 3. ©aö
ift fd)on mehr» beim c3 geht bcn Ghriften an; bod
reicht e3 auch noch ttid)t aus, beim iebev Gbrift toll
„ooll @latiben3" fein. §8aruaba3 aber war enblid)
3) oo 11 ©eifte-3. Grft baburc6 wirb ber Ghvift
ein vediter Seiner, ein fd)eincnbe3 Sidt, ein §üvtinm
quell De3 ©eil3. fiein §SBunbev, bah ein »older
Seiner wie §Üaritaba3 reidje 3-vüd)te feiner Arbeit
erntete.
18. 25: §Satnaüa3 ^ca au3, Saulttm
wieber gu fliehen. ©a3 9?et$ in Antiochien ift
fo ooll, baft 3Jarnaba3 einen ©efellen iudt, ber e3
ihm liehen helfe. Unb and) ba uüeber fehen wir ben
lauteren Sinn bc3 231aunc*3. SBär'3 ihm tun feine
eigene Serien unb Glue gu thnit gewcfeit: er hatte
beu Saulus toeggclaffeit» oon bent er wußte» bah er
ihn halb in Sdwttcn »‘teilen werbe. 9lber wer nur
ben ©erru unb feine Sade int Auge hat» ber räumt
neiblo3 bettt höher §üeg»tabigten ben Sorrang ein,
unb freut fid», wenn ihm gelingt, wa3 er fei bcr nidit
oenuodite. ©iefeit iteiblofcn Ghriftenfinn brauchen
wir in allen Sagen bc3 gebend unb in iebetn SÖerufc.
Aber leiber befifccu ihn in linieren Sagen nur §EBc-
iiigc. — Sattlu3, ber grobe 9(po»tel be3 ©errn» muh
crit gcfudit werben. Gin 9)liethling brängt fich
iu’3 9lmt, ein treuer Äncd)t wartet in berSBüftc, bi3
ber ©err ihn fud)t unb holt; bann aber Iaht er fid)
and» ünbett.
18.26: Sie blieben bei ber Wcmeiube
ein gange* Jlahr. ©ie3 wirb bcr ©enteinbe nt
Antiochien a 13 ein befonberer Segen attgeredmet,
b.ih fie ihre Seiner ein gan$e3 3ahr behalten burfteu.
9Bir haben bie §JSrcbigt unb ba$ $rebiatarnt iahr=
au?» iahreiti, wir fötmeit ba3 Goaugcliuia hören
oon ftinb att bi3 auf’3 Sterbebett — unb bod) wie
gleichgültig ftttb wir gegen biefe SBohlthaten! 28ie
f,Minen »oir ba*3 oeraittworten! puh oiclleidU bie
§Brebigt titib ba-3 3Sort @otte3 erft wieber rar wer¬
ben bei itu3, bantit wir wieber fchäfeen lernen?
3n Antiochien würben bie jünger werft Ghriften
enattnt. ©emerfewSweitb ift, bah fie nid)t nad)
em Hainen ^efu3, ©eilanb, fonbern ttad bent
tarnen GhviftuS, b. h. ber ©efalbte, benannt
würben. Sie füllen nicht SD?itheitaube, wohl
aber 3)1 itgefalbte fein. §Bi3 bahitt waren bie
Ghriften al3 iübifd)eSefte betraditet unb oon ihren
fteiitben 91a garen er genannt worben; unter fid» »el-
ber hieben fie „jünger" ober „©rüber". 3hm aber,
ba fo oiele ©eiben gläubig uuirben, fah man: ba3
ift nicht blo$ eine iübifde Sefte, ba3 ift eine neue
Religion! Unb weil Ghriftud bcr Stern unb Stern
ihrer Sehre wie ihre3 SebcitS toar, würben fie oon
ben ©eiben G h r i ft e it genannt. Unb biefer Ghriften-
name, anfangs ein Spottname int ©lunbc bcr .©ei¬
ben, ift jefct ber hödntc Ghreuname getoorben. 91 od)
imSobe ift e3 nufer Sroft: id) bin ein Gbrift. 9lber
ftnb wir aud) tu bcr 23afnbcit, wa3 wir heißen?
G3 »oerbett nicht alle, bie ba fagett „©err, ©err!" in
ba» ©imntelrcid) fommen, fonbern nur biejenigen,
»velde feinen' SSillen thun. Sinb wir wahre
Ghriften, fo finb wir gefittnet, »oie er gefinnet war,
ihm cmoerleibt in ©laube, Siebe unb ©eborfam.
III. Sie Sie6c£ü)äÜQfrtt her antiodjruifdru
meiubf. (§8.27—30.) 8 . 27uu*28: ^n bie-
fett Sangen fanteu Propheten. ©ie ©abc
ber §I3eii|agung toar nidt ein bloßcä Spiehocrf $nr
fturgweil in ber ©enteinbe, fonbern fie biente itir
Grmuuterimg in bcr Uebtmg be*©latibe»»3 unb ber
Siebe. So and) bie SBeiifagtmg bc3 Propheten
31 ga bu3 oon einer beoorftehenben Sheurtmg.
®iefe 31'Ciffaguitg erfüllte fid) $ur Beit be3 fiaifero
Glattbiu3, »oelcher oont ^ahre41 — 54 n. Ghr.
regierte. Jofephuö erwähnte eine Shcuruug int
3ahre 45unb46, »oährenb weldier ber^önig 3,iatc§
oon Slbiabene unb feine SDiiittcr ©clena bie (Sün-
wohucr oon ^crufalcut mit ©etreibe unterftüpten.
8 . 29 nab 30. Durd) ihre SJeiftcuer au bie ar¬
men Öemeinbeu in ^nbäa bezeugten bie ©eiben
ihre 5>anf bar feit unb ihre Srtiberlicbe. S)ie geift-
lidte ©abe beö Goaugelium^ hatten fie oon borther
empfangen; mm oergalten fie bie empfangene9Bohl=
that mit leiblidcit ©abeit. ber31oth erfeunt
man ben edlen Jvrcititb. 2Scld)e Srctibc mögen bic
beiben GU'tteomänucr SauluS unb ^arnaba^ in
^cvtifalcm gemadt haben, nidit nur mit bcn Siebet
gaben ber ©eibendriften, fonbern aud) mit ber §8ot=
fdaft, bie fie bradten: ber ©err hat ein groheo §8olf
itt Autiod)icit, e^ geht oorwärtä mit feinem 9lcid».
3tt ber tmeigeurfübigen, treuen Siebe ber erften
Ghriftengcineinben offenbart fiel) bie 9Mad)t bcffcit,
in »oelchem bie Seelen bcr erften Ghriften alle cin3
geworben, be3 ©etTit ^cfu, bcr mit feiner fclbft*
anfepferuben Siebe bcr befclenbe SOhttclpunft ber
ftirde ift. Selbftlofe §8vubcrlicbc ift ein ©aupt-
feni^eichcn 'be^ »oahren Ghriften, wer fie nicht be-
fifet, bcr ift fein wahrer Gbrift.
Sonntag, 20. SDlai. 3(poftcIge)dj. 12,1—17.
$crobc$ unb ^dni«.
I. £mrt>e$her©erfolger. (§8.1—6.) 8.1: Um
b i* f e l b i g e 3 c i t, wo bie Sbcurmtg hervfehte,
legte ©erobe^ bie ©ättbe an etlide
oon bcr © e ttt e i n b e. (Sine traurige §8crübmt=
heit, bic biefer ©crobcSnaute in bcr heiligen ©e-
fdidte erlangt hat! 93o im neuen Scftament eine
blutige Sbat oorfommt, faft immer ift biefer
91ame babei tut Spiel, ©er ©rojwater, ©ero =
be^ bcr @rofce, ridtetc bei ßhrifti ©eburt ba§
93 lutbab unter beit ffitibern in 33ctbleheut an; be^
§8atev^ (Ariftobuhw) Svuber, © e r o b e § 91 n t i *
pa$, läftt ben Säufer Johannes enthaupten unb
oerfpottet ^efum oor ber flretigigung; ber Gnfel
© e r o b e § 91 g r i p p a f beflcrft fid mit 3afobu3
iBlut! Um fid beim §8olf beliebt ju mad)en, fing
biefer ©erobc3 an, bie Ghriften wieber gtt oev=
folgen, inbem er Ginige aw3 ber ©emeinbe „pei =
n i gte", b. h. geiheltt ober fonft utiBhaubeln lieh.
8. 2: Gr töbtetc ^afobum, 3ohanni^
93ruber, mit betn Sdjwert. So »oenig
Digitized by v^ooQie
274
$omitögfdjuUj?ffetioneit.
Sßovtc mnd)t bie ©djrtft übet ben Mcärtprcrtob be?
critca Slpoftel?, unb biefer Rottel war einet bet
brei, welche beut ©evrtt am allcmäd)ftcn ftanbeit.
Saturn, mod)tc man fraßen, liefe c? ©ott ßefd)c=
hm, bafe bet Dprauu ©erobe? biejen 9lpoftci fo
früh an3 feinet ßefeßnetcit SBirffauifeit hcrciuärife?
Uno wenn et ic ftetben mufete, wie ©tepbanu?,
warum mufete er fo ftill unb ruhmio? ftcrbcitV
ißit fönneu barauf mit antworten: 23a? (Sott
timt, ba? ift wohlßethan. 63 ift wahr, feine 6 nt=
hauptuna war bie Sreuclthat eine? blutißeit Diwan?
neu. ^Xbcr war fie nicht auch bie Grfülliutß beffen,
wa? bet ©err ihm fdwtt, Mhtth. 20, 22. 23., in
2 lu?ucht ßeftellt hatte? — ©ein 6 nbe war ftill unb
wir lefen nid)t? oon feinen lebten Slußenblicfcn.
9lbet fönnen wir baratt zweifeln, bafe et im bellen
Dviumph be? ©laubeit? fein ©aupt auf ben Slocf
leate? — ©ein (Snbc war jd)tedlid) unb blutig;
aber war’? nid)t bettnod) ein hcvrlicbcS (Snbc? SBivb
er nicht brohen ben ©ctrn ßepvicfen haben, bafe er
alle? wohl aemad)t? 2Ba3 (Sott thut, ba? ift wohl*
ßethan. Darum foflcn and) wir allezeit fprcchcn:
liefet mein, jonbern beiu SSille ßcfdjchc! SBcnn
ein 3üitgling in bet Slüthc bet 3ußenb bahin-
weift, wenn ein rüftißcr Miaun abßcvufcn wirb am
balboodenbeten Daßewcrf, wenn fonft ein fdtwere?
(Seichicf un? unb bic unfrißcn trifft, folleit wir un?
tröften mit bem ©cbaitfcn: 2Ba? (Sott thut, ba? ift
wohlßethan.
®. 3. Durch ben Seif all bet Mfettße heraufcht,
legt ©erobe? nun feine ©ättbc and) an Settu 3
unb wirft ihn -in3 ©efänßuife. ©3 waten bie
Daße bet füfeen Stöbe, alfo biefelbe 3cit, in
welcher einft fein SKciftcr in ben Job ßcßattßcn
war. Der ©ebanfe an iene Daßc, bic (Srinneruna
an feine üBcvleußiutnß, ba? blutige (Snbe feinet
ÜRitap-jftel? 3afobu3 — wie mufete ba? alle? un¬
fern SetruS mit ernften Dobe3acbanfcn, aber auch
mit he:lißeni©terben?muth, erfüllen! Dabei mufete
et ßewife auch an bie SBeiffaßUiiß be3 ©evrn 3 oh.
21 , 18 benfeit.
®. 4. ©erobe? berfäumt nidjt?, um Sctru? flehet
ui opvwahten. 6 t überantwortete ihn hier
Siertheilen ffrieß?fned)tcu, b. h., hier
einanber rößelmäfeiß ablöfenben 2 lbthcilunacn bon
ie oier ©oibaten. Da wähtenb be? Seite? fein
Slut betßoffen werben burfte, aebachte er, Sc*
trum nad) Öftern bem Solf unn @d>aufpiel
hinAiirichten. „St aebarhte" — aber bet ©err
hatte c? anbet*? befchloffen. Der M?cufcb benft’3
unb ©ott lenft’3. 9 Bie oft bewährt fid) in bet
©efcbichte be? Reiche? ©otte?, im ©rofeen wie im
kleinen, ba? 2Bort De? Propheten: „Sefdjliefeet
einen Math unb e? werbe nicht? barauS!"
®. 5. Sctvu? fchmad)tet im ©efäitßitife unb
fcheint rettmißSlo? betloten, aber bie @ e-
meinbe betet ju ©ott. Diefe? ©ebet macht
alle s Jlnftalten be? blutbürftigeu Dbrauitcn 311
©chanben. 2 Bie ßtoft ift bie SJacht be? ©ebet?!
(Seifpiele au? bet ©dwift: 6lia3, 6 Ufa, Daniel
u. 91.) ©Idubiae ©cbete finb wie eine 6 ttßc(?=
wache für ©tabt unb 8 anb. 2 (i), bafe wir beffer
beten fönnten!
II. $rr Gugel M ©emt. (S. 6—n.) ®. 6:
3n bctfclbcn Macht (bet Madit, welche bem
au feinet ©inriditunß beftimmten Daße bovattßinß)
fdjlicf Setru3 jwifd)cn swei flrieß?*
fncdjten, an wckhe et mit Retten ßefdjloffcu
war (lodhrenb bie anbetn beiben ©oibaten ber tic
23 ad)e habenbeu Slbtheilunß bot bet Shüt aufßc^
ftellt waren). 6in lieblid)e? Silb, ber fdUafcute
Settu? im Äterfcv, ein Silb bc? ©lauben? unb be?
(Sottbcrtvaucn?! SBohl fenut Sctrus bie ©efahr,
bie ihm broht; aber er hat feine ©adw in bie ©anb
be? ©errn gelegt. Datum fann et tuhiß fchlafcn.
(Vr weife, bet Slllmdchtiße fann mid) wohl au? ber
©anb be? Sptannen erretten, unb wo er c§ nicht
Ihun will, fo tiiufe and) mein Sob sur Serben^
lichuiiß feine? Manien? bienen. Stint? fddäft, im
©imntel aber wad)t ein Sluße für ihn, ba? Sluße
(Sötte?, bet ihn 311 retten befdilofieu hat.
®. 7 : Unb fiehc, bet Snßci bc? ©ettn
f am. Dem Sctvu? feubet bet ©ett einen retten=
beit ©iißcl, 311 3 afobu? fam feiner. SfOaruin?
SJat etwa Settu? für ©ott nncntlehvlidi? ©ewife
nidit. Dev 9 lllmdd)tißc ift an feinen üRcnuhcn
ßebunben. 6 t hätte and) ohne Sctni? feine @e-
meinbe grüubcn fönnen; aber et wellte ihn ned)
brauchen. Da haben wir nicht? cin^urcbcu. 6 in
8 id)t fdiicit in bem ©emart. O wie viele
bimflc 8 cibeu?fämmcvlein fiub fdion fo erhellt wor=
ben, balb butch innctlide Strcftungcii, bic bem
©etjen ben ©immcl aufthaten, balb and) bmdi
äufeetlidie ©ülfc! Unb wie oft ift and) um un?
ein Sote bc? ©immcl?, wie et 311 Seite fam. ©c=
wife, wenn un? ba? innere ©cficht eröffnet wäre,
U'it würben ßar manchmal eine 8iddßcftall in nn=
fever Mähe etblirfen unb fo alle ©otße unb furcht
übet btüdenbe 8aftcn weßwctfcit. 9 lbev wenn wir
and) nidit? um un? her fehen, weil wir jefet im
©laubtn wanbcln feilen, nidit im ©chauen, fo
wiffen wir bed), bafe heute tted) bic Grngcl bienft-
bare ©ciftcr ©otte? finb, au?ßcfanbt 3uut Dicnfte
betet, bie ererben feilen bie ©clißfcit. ©tche
behenbe auf u. f. w. Dem SEBerte be? ©cvm
ift fein ©ifen 311 feft, fein ©tein sn hart, fein Mie-
ßel au ftorf.
®. 8 : ©ürte bidi. Dreu beforßt, läfit fuh
bet (Snßcl 311 iebem Sebütfnife be? fddafenben
Schn? herab, ©vft ivedtc er ihn auf, bann fpricht
er mit ihm, wie eine SDiuttcv, bic ihr fdilaftrunfcne?
fiinb anAieht. Mid't? feil Setvu? in bem flevfet
sutüdlaffen, bamit fein Muöaanß nidit bet flucht
eine? Sevbtcrfier? aleidc. 9 Sie mufete ba? bem
©etobe? unb ben ©ütevn 311111 ©dneden ßcteiden,
bafe fie mit all ihrer ©trenne and) nid)t einen Stau¬
pen be? Setru? erbeuten fonnten.
®. 9: 6? bäudite ihn, et }ehe ein @c=
fidit. ?ll? einen Stäunicnben führte bev ©err
ben Sctvu? au? bet ßröfeten Moth. Sludi iefet 11 cd)
ßeht’? oft bett ©einen fo bei fdmeflet ©ülie unb
tounbetbaret Mettunß au? fdweren Möthen. 2Cenn
bet ©en bie ©efaußenen 3i^a? ctlöfen wirb, fo
werben fie fein wie bieDräumenben (Sf. 126,1 ff.).
— 95 Bohl un?, wenn bet ©ett un? einft bicfcSnabe
311 äbeil werben läfet im lefcten Rampfc unb un?
wie bie Sräumenbcn au? be? Dobe? Macht herauf
führt in? 8idtt ber ewißen ©elißfeit.
®. 10 . Sctvu? wirb au? bem ©efäußnife her=
au?, aber bodt wieber in bie ©tabt ßcfühvt, bamit
1. fein ©laubc in Uebuttß bleibe, ttttb 2. bamit
feine 6rvethiiin ber ©ctiteinbe befannt unb fo Sie=
len 30t ®laiibcn 3 ftärfunß werbe. Slöfelidj
fdieb ber 6nßel bon ihm. Da? unmittel-
Digitized by v^ooQie
$0nntagrd)ttU£fkti0neit.
275
bare ©ingreifen ©ottel in nufer geben währt nidjt
länger all nöthig ift.
8. 11. 3efet erft (ommt Bctru! *u fid), erwadjt
wie aus einem Sraum. 2lbet el ift fein Sraum.
Set (Siiflel ift fort, bie fühle 9?ad)tluft webt ibn
an, um ibn bie fülle ©affe, übet ibnt bie fun=
feluben Sterne. Raffen fann cr’l nicht; nur ein!
ift ibm flar: bei* Herr hat’! actbau! — unb ihm
giebt er bic ©hre. So will ©ott all SWothhelfet
erfaunt werben, bantit aller 9Mcnfd>enrubm falle.
III. $*« £**# bet »ari«. (B. 12—17.)
8. 12. Betru! fam an bal Hau! SWariä,
ber SÖtuttcr Johann iS, ber mit bem
3unamen STOarful bic6. 95Bahrfd)cinlid> ift
biefer üMarfit! ibenüfd) mit bem ©oangcliften
SMarful. Sa otele bei ein an ber waren
unb beteten. Sie waren bei 9?ad)t oev=
fammelt, eineltheill aul JJriucbt, weil fie, feit
bie Berfolgung begonnen, e! nicht wagen burften,
bei Sag aufammenaufommen, wie ia auch nachher
bie ßhriften im hetbnifdjcn 9tom in ben ffatafoin;
ben, in ffellern unb untcrirbifcbcn ©rabgewölben
ihre Serfammlungen hicltcu. 91 n bem theill
aber brängte fte bie bniberlid>c Siebe unb bie Sornc
itmBctrul, im ©ebet bcifammenjubleibcn (2?. 5).
Sie brnnftifl werben fie für ihn acbetet haben in
biefer lefcteit 9tad)t oor feiner Hinrichtung, fei’!
mn eine guäbige ütettung, fei’l um ein felige!
Snbe! Unb fürwahr, fie beteten nieftt oergcbltch.
8. 18—15. SKecht lebcnbtg werben wir nun
hineinoerfefet in iene metfwürbige Begebenheit.
Sie Brüber finb oerfammclt hei oerfchloffenen
Slutreu. Sa plöblich flopft’l oorn an ber Haul=
thür. Allgemeiner Sdjrecfen: wer ift’l ? ein
Sreunb ober ein Scinb? 2Rit flopfenbem Heraen
eilt bie 9Äagb an bie Shür. Betrul ruft branden
mit gebämpfter Stimme: 3Had)t auf; id) bin’!,
Simon Bettul! Sie fann’! nidft glauben: ooll
Äreubc einerfeit!., ooll Sdwerf anbcrnfeitl, lauft fte
hinein unb perfünbigt’l beit Brühern. Siefe hal=
tcn fte für imfinnig. ©t ift ia gefangen tut här-
teilen ©ejängniö, er toll morgen hingeridttet toer-
ben, wie tollte er brauhen ftehen? Ad)! ift er oieU
leicht fchon hingemorbet worben mitten in ber
?todjt? 3ft’3 fein ©eift oielleicht, ber brauften er^
fcheint tm Angenblicf bei Sobel, ber fein Schnfc
engel, ber uni ftunbe bringt oon feinem feligen
Heimgang? So fragen He uutcreinanber.
8. 16 uuP 17. Bctrul flopft weiter an. Sie
Saldier f Innen ihm ja auf ben Werfen fein. 6nb=
lieh thuit fte auf in ©ottel bauten; unb wie fie
ihn crblicfeit, en tieften fie fid). Sie haben
um feine (Srrcttung gebeten, aber biefe Art ber
Srrettung war ihnen bod) unerwartet unb un s
glaublich. So geht el ben gläubigen Metern oft.
Unterem ©lauben ift aber meift noch etwa! oon
bem Sauerteig bei Unglauben! beigemifd)t, fo baft
es immer heißen inuft: 3d) glaube, Herr, hilf mei¬
nem Unglauben! ©r min fte ihnen n. f. w.
3*ir Bcrbervtidning ©ottel erzählt nun Betru! ben
Hergang feiner wunberbaren Rettung, unb beauf=
tragte bie 'Berfa mmelten, and) bem 3« fob u!
(bem ©erechteit, bem Berfaffer be!3afobi=®üefd)
unb ben an bereu Brüberit el au oerfünbU
gen, wie ber Herr ihn fo wunberbar errettet hatte.
Sobann »erlieft er ohne Berjug itodt in ber 9kcht
bic Stabt unb begab fid) an einen anberen
Ort. ffiohin, ift unbefannt. 9Bal aber bie
oerjammclten Brüber gethan haben, ehe fie auo-
•eiuanoergingen in jener 9Jad>t t bal wiffen wir,
wenn’l and) nid)t bafteht: gewitt lobten unb pric=
fen fie ©ott mit tiefbewegten Werten, für bie )ouu=
berbare üiettung feine! Ätuechtel Bctru!.
Sonntag, 27. 33?ai. 2lpftg. 13, 1—12.
$auluä unb Satnabö« ia (£ty>crn.
I. Sie lulfenbmig bei $aultti ttitb Bantabai.
(B. 1—3.) 8 . 1 . 2Biv oerlieren nun für eine
SBcile bie ©emeinbe au 3crufalem fammt ben
2lpofteln au! ben Gingen, unb an bie Stelle 3cru=
falein! wirb 9lntiochia ocrhältni§mäfng ein
3)iittelpunft firdtlichcr ©cfd)id)tc. 9?ad) 9lutio=
d)ien, in biefe gewaltige ©anptftcrbt Spvien!, wa=
reu Bavnaba! unb Saulu! poh 3crufalem -urüd-'
gelehrt, nadtbcin fie bie Siebcoftcuer bort abgegc=
ben, unb hatten ben SNarfu* mitgebvadjt 3n
ber antiod)ifd)cn ©emeinbe wirften nun eine fchönc
Schaar Propheten, bie uumittclbaial!Organe
bc! hl. ®eifte! unb in gehobener Stimmung 9lul-
fprüd)c unb 9lnfpvad)en an bie ©emeinbe thaten,
unb 8ehrer, weldte in felbftänbiger Seife unb
überlegt ber Untenoeifung Sluberer fich wibmeten.
Bon ben fünf SKännern, bereu SHamcn genannt
werben, ift uni üto bie brei mittleren, au feer bem,
n»a! hier gefagt ift, nidftl betannt. Bon 9M e n a=
h en berichtet gufa! hier, ba§ er mit bem B i e r*
fürften Aerobe! eraogen worben fei. Siefer
©erobd ift jebenfalll nid>t Aerobe! 9lgrippa I.,
oon welchem in ber oorigen geftion bie Siebe geioe-
fen, fonbern beffeu Oheim Aerobe! 9lntipal,
ber SVbrber bei Säufer!. Saft ein 9Wild)bruber
unb 3uflcnbgefpiele biefe! gottiofen Surften ein
dmftlid>cr gehrcr würbe, ift ein Bewcil ber SBun=
berniadjt bei hl. ©eiftel, ber an Sürftenhöfeu ioie
in* Bettlerhüttcn i>eraen au gewinnen weife. Bei
liefen unglcid)en 93?ilchbvübern erfüllt fid) ba!
2Bort bd .^ervn (gut. 17.): 3weeu werben auf
einem Bette liegen, ber eine wirb angenommen,
ber anbere wirb oerlaffen werben. — U n b S a u=
lul. @aii 5 hefd)eiben fteht Saulul no^h int £>in=
tergvunb all ber gefete. 9lbei bie gelten Jollen bie
©rften toerben. ©1 fam nun an’l gicht, wa! ber
$evr au! biefem Brubev machen wollte.
8. 2. Bei einer gottelbienftliAen Seier, wo
bnreh Snften unb ©ebet bie^evaen befonbevl geoff=
net waren, fpvad) ber hl. ©ci ft: Sonbert
mir au! n. f. w. 3)Jit biefev 9lu!fenbung be=
ginnt bie eigen tlid>e apoftolijd)e B>irf fam feit
bd 9lpoftell. Sie 3u»olfe hat 3eful felbft, ioäh=
renb feind irbifdicn geben!, erwählt, unb nach
feiner Sluferftchung al^ feine Slpoftel beooümäÄ=
tigt unb aulgefanbt. Saulul ift ebenfall! oon
3efu felbft berufen, aber im Staube ber Berflä-
rung nad) ber Himmelfahrt: unb ber Herr felbft
hat ihm eröffnet, ba§ er ihn fenben werbe unter bie
Heiben unb \\\ 3frael. 9lber erft iefet wirb er au!
feiner befcheibeneu ©irfiamfeit heraulgerufen unb
feine große gaufbahn all Hcibenapoftel eröffnet
fid). Unb aioar ift d ber hl. ©eift, wekber —
Digitized by v^ooQie
276
SonntagfdjuUJMtionfn.
wahrfdieinlid) burd) bcn SHunb einem bcr Svopho
ten — ihn unb Saruabam gum Berfe ruft. Unb
bie ©cmcinbc ift em, an u>cld>c biefer Sefchl eracht
unb bie im ©chorfam bem ©laubcns jene Selben
gn ihrem ^Berufe weiht unb fofort abfenbet. 91 uv
bie ©ewifeheit, bafj ber ©err telbft fie. erwählt unb
aU'3flc)anbt, tonnte beit Slpoftelu bic gu ihrem 'Berte
erforberliche freubiafeü unb 3uoerfid)t oerleihen.
8. 3. „Sonbert mir au3 Sarnabam unb Sau=
lunt," hatte ber ©eilt ßciprodjcn unb — „®ott
wiU’m!" biefem ©efühl buvchgudtc Me, bie Prophe¬
ten unb Sehrcr, bie ©cmcinbc unb bie ^Millionäre,
auf bie e3 abßcfehen war. ©ott wiU'm! Oa3 ift ia
überhaupt ber Sobcn, auf welchem man allein einen
entfeheibenben ©d)ritt im Sehen mit rechter f reubiß=
feit thun fann. ®a falteten fie unb bctc =
teil. 3efet pfleat man felbft bei Slnßeleacnbeitcn
be3 'Jleidiem ©ottc$ ftatt mit haften mit ßlangcnbcn
freubeitfeften gu beainnen, Deshalb fommen bic
Sfcrauerfefte fo oft hintennach. 9fid)t mit Sarin unb
Srunf, fonbern in ber ®cmuth unb Stille follcn
wir widitißc Unternehmungen beainnen, unb and)
bei feftlichen Wnläffen, bei ouiberluhen üRabhcitcn,
am ©odvgeitmtaae ober oor bem Antritt einer Blciie
u. bfll. foll bcr (Seift bcr ‘DCWafnafcit unb s Riid)tcm=
heit, bcr Sammlunß unb bem ©ebete3 nid)t fehlen,
fonft ift fein ©eaeu babei unb nicht einmal wahre
freube. Unb Icßteu bie ©änbe auf fie.
$>ie erfte üRiffionmwcihc. 63 ift immer ctwa*3
feierlichem, folche ©anbauflcßiiiiß im Hainen ©ot-
te3, bei bcr (Sinießnuitß einem Sraiitpaar*3, ober bei
ber Orbination einem prebiaerm, ober Pollcitb3 bei
bcr Bei he einem ÜRiiftonarm gum ( Dienft in ber fer¬
nen ©eibenweit. Bic feierlid) maß oollenbm jene
erfte s J)iiffioii3ioeihe aewefen fein!
II. $if erfte Stiffhuljfation. OB. 4 unb 5.) 8.4.
Sou Seleucia, bcr nädiitaeleßcnen ©afenftabt
am niittellänbifdicu SReer, fdiifften bi^ Slooftcl nach
ber Jlnfel 6t)pern, ber ©eiinath bem Sarnaba3.
Kupern ift eine ßro&e, fruchtbare ^nfel etwa gwaugiß
Stunbcn oom Sanbe entfernt, bannim berühmt
bunt feinen SReidithuin an Bein, Oel, Beigen,
Tupfer uub (Sbelfteinen, berühmt überbiem burd) ben
Oienft ber Siebemßöttiu Senn 3, wcldic bort ihre
praditiflcn Stempel hatte, wo ihr allerlei üppiae feite
aefeiert würben. So follte alfo mitten in ben SRofcn*
aarten hcibnifcher Beltluit ba*3 Äveug Khriiti hin-
einaepftangt werben al3 3eifheu bc£ ©crichtem unb
ber ©nabe.
8. 5. ?(m öftlichen Ufer bcr xtnfcl laß bie Stabt
Salantim mit ßeräumiaeut ©afeit. ©ier laubeten
bie beiben ©laubenmboteu, in bereu Seßleituiiß iid)
aim ^Dritter in unteraeorbneter Stelluna (aim „®ie-
ucr") Johannes, mit bem Bunameu 9R a r f u3,
befanb. Sie oerf ü nb ia tcn ba3 Bort ®ot-
tem tu ber 3«ben Schulen. ®a3 ©eil follte
ia oon ben 3«bcn fommen. Ohnehin boten bie
öffentlichen Sdmlen ber 3«bcn bie natürlidnte ©e=
leaenheit, eine ©aftprebißt gu halten. Bo ber Sve=
biacr bem 6oaiißeliumm eine offene Sthür finbet, foll
er nicht oorüberacbeu. 9lucb fpäter noch war e3 bie
Beife be3 arofgen ©eibenapofteim, guerit bei feinen
baniaim fdwn in alle Belt gerftreuten Solfäßenoffcn
anguflopfcn, ehe er fid) gu ben ©eiben waitbte.
III. $er erfte Wifftonlftcß. (S. 6 — 12.) 8. 6.
Son Salamim awS burdireiftcn bie 91pofte( bic aangc
3njcl, weldie barnaim eine 5lngahl oolfreicher wohl=
habenber Stabte aufguweifen hatte, in welchen fte
ohne Zweifel ßleidifaüm Pa3 ©oanaelium prebiaten.
Ivnblid) faulen fie nad) ber Stabt Saphom (etwa
1 100 enalifdie teilen oon Salamim) wo ber ipaupt*
tcmpel ber Senum ftanb. ©ier trafen fie mit einem
3auberev gufammen, ioeld)er ben prächtißen Siamcit
S a r 3 c h u, Sohn 3ehouahm, ober iö a r Sein,
Sohn 3efu, führte. 3n ienen Saacn bem3crfalim
ber heibnifdien Btelißionen ßflfß bam 3aubcnoefcn
überall im Sdimanße; beim n»o ber ©lauhe fdiwin*
bet, gicht ftetm mit bem Uiißlaubcn and) ber Alters
ßlaube iirm Saab. ®aher farn’m, bafe in jenen
Saacn ariediifdie, iübifdie, eßpptifdie 3««bevcr,
Bahrfaaer unb Saufenbfünftler [ich in allen San?
bem uiuhertrieben unb bei ber SWenae ßrofeen 5ln=
flaiiß fanben. Sar3ehu war, wie aue feinem Hainen
hcroorßeht, ein i ü b i f d) e r 3aubcrer. Sufam nennt
ihn begeidmenb einen f a l f di e n Propheten.
^8. 7. tiefer batte Sinfluh auf ben Sroconful
8 c r ß i u m S a u l u m ßeuwnnen, befanb fid> in
beffen Uuißebuiiß, unb aim berfclbe bie ^Ipoftel ein«
ßelabcn hatte, um fiegu hören, befürditete Sar 3ehu
bam Scrtrauen beo hohen Seamten gu oerlieven,
wiberfefete fid) ben Borten bcr Selben unb iudjte
ben SRöincr gu perwirren unb pom ©laubcn abgn=
briußcn. Scrßium Saulum wirb ein o er ft an?
b i a e r ®an n ßcnannt. ®am war er, obßlcid)
er eine 3eitlaiiß bem 3auherer fein Ohr lieh, unb
fcewiem ez baburdt, bafe er aum freien Stüden bie
Sefanntidaft mit Saruabam unb Saulum fudite.
Offenbar fühlte er ficb burd) bie ©aufelffiiiftc bem
3aubererm eben fo wen iß befriebißt, wie burd) bie
alten Sehren be3 ©eibcnthiiuim, unb fo ipcnbct er
fid) an bie redfte Cuelle. Bcr fudjet, ber finbet;
aber freilid) nur bann, wenn er am redften Orte
fud)t. Sud)c3efum unb fein Sicht, allem Hintere
hilft bir nicht! ®am ailt and) ben ©rofeen biefer
Srbc. freilid) haben biete aar oft Seilte um fid),
welche ihnen iebcu ernfteven ©ebanfen unb befferen
Kntfdduft wieber aumgnrcben unb bcn mahneiiben
Unecht ©ottem gu pcrbädtißcn fudjen, wie Sar3ehu
. bei Scrßium Saulum that.
8 . 8. ®er Sauberer ßab fid) felbft, wie cm fdiciut,
ben Manien Klpmam, ein arahifdiem Bort, wcl-
chem »ber 'Beife" ober „ber SMaßicr" bebcutct. tie¬
fer SKenfd) trad)tete, b a fg erben 8 a n b p o ß t
Dom ©lau ben wen bete. Kine furd)tbarc
Siinbe! unb bod), wie oft machen fid) foßenannte
freunbe, ja foßar ©atten, Sltcrn biefer Sünbc
fdjulbiß ßeaen Seelen, auf welche fie Kinftuft haben.
8.9: S a u l u m aber, ber a u ch S a u l u m
heifgt. ©icr taucht gum erften ®al bcr SRame
S a u l u m neben © a u l u 3 auf, unb pon ba an
fomrnt ber lottere 9?amc crar uid)t mehr gum Sor=
f die in. Bahrfcheinlid) führt Sufam ben Manien
Saulum ßerabc barum hier ein, weil ber jlpoftcl
gum '?(nbenfen an bie Scfehruiiß bem Scrßium pau^
(um ben HainenSaulum aiißenommcn hat. Sau?
I um heifgt „ber ©eriitße". 9lber wie pielen Sau?
fenben ift ber 3)?ann, bcr fid) bcn bcjdieibeucn
Manien Saulum bcileate, ein Bcßwcifer gum ©im=
mel ßcworbcu! ®am loill er and) bem ©Ipuiam
werben. c Oarum ftraft er feine Sünbe fo unerbitt-
lidi ftrciiße.
8. 10 unb 11: O b u .(? i n b bem X c u f c (8
u. f. w. Bort für Bort, Schlaa auf Schlau reifgt
ihm Saulum bie s 3Ka3fe pom ©cficht unb bedt ihm
Digitized by v^ooQie
Cljronik ber Cegenroort.
277
jcinc $crzcn3geftalt auf. „&ittb be3 Xeufclo" im
©egcntafe ut „2)ar (Sohn) 3cbu"; „voll Sift unb
Scpalfbeit" im ©egeufafe gu „Slpinaä" (2BeU
fcr); ffSciub aller ©crcchtigfeit" u. f. m., weil
ci iid) einen Propheten ©otteS, einen 2$erfüns
Viger be3 rechten ©cil3mcgc$ nannte. ®ev Strafe
prebigt folgt bic Slnfünbigung bei* göttlidicit Strafe
unb bic Strafe felbft auf bem Jyufec. X5er Sintere
vcrblcnbet (>at f wirb fclbft gebleit bet, bamit
er in feiner jjinfterniß ba3 redete Siebt fiwtocn lerne.
Cb bicä mtrflid) geidjehett, bleibt freilid) un=
genug. " .
8.12: SergiuS 25 a u 1 tt 3 w u r b c gläu¬
big. X)a3 an ©lDiiiad au3gebrod>enc ©evirht be=
freite ibn von ber 25erfühvung3mcicbt fcc3 3aubercr3;
ben eigentlidicn Santen zum ©tauben aber mußte
freilidt bic Sehre be3 ©errn barreicbett. ®ie Seele
be3 geringften Sflaven in 25apbo3 war nid)t mcni=
ger merih, a 13 bic Seele bc3 Sanbpflegcr3; bemtod)
bat e3 bem Sipoftcl etma3 beben tot, baß ber Srftling
ber bnreb feine $rebigt ^berufenen einer von ben
wenigen ©bleu war, bie auf ©ottc3 Stuf bereit
(lftor.l, 26): 2>or bie Könige beit Starnen 3efit
zu tragen, lautete feilt Sluftrag (tf ap. 9, 15) unb
Sergius $aulu3 Der trat bic faijerlidte ©cmalt im
Sauce. Ucberbic3 ift aud) für beit Fortgang bc3
Sfciche3 ©otte3 bie 23cfchrung eine3 ©roßen bicier
2öclt bod) immer ein befonbercr ©eteinn. ®avum
lag für 2$anlu3 gewiß gerate in biejeui Siege eine
befonbere Slufmunterung.
dlljroitik bet Gegenwart.
CI e§ einen Satan gleit? ®iefe ftragc bat 2Job
3ngcrfoll feinen 8anb3leuten, ben Slmerifattern,
mit einem fo entidnebenen Stein, jo farfaftifdj unb
fo mtfeig beantwortet, baß er viele ©laubige gcftm=
ben. ®a3 arme 3Rcufd)enfinb glaubt ja nur gar
m gern an ba3 Stidjtbeftehen ber ©ölle, ber ewigen
Strafe unb be3 Xcufel3.
Stlfo lehrte 2iob 3ugerfoll. Siunmebr aber
beweift er al3 Spifebubcuanmalt in bem Stern*
Volten s 2kozeß fo fcblagcnb, fo unwiberlcgbar unb
t&atfäcblid) bie Stiften* eitte3 böfen, bie SHettjdieit
jti allerlei fing unb Xrug fübrcnbeu 2ßefen3, baß
all’ feine wifeigcit Sieben ob bem von ihm gelieferten
banbgrciflicheu 2)ewei3 weit in ben Schatten gcftellt
werben.
2Bir wollen hoch feben, ob nach biefeut Stern-
poftcnpvozeß, unb nachdem ©ob 3ngerfoll ben gait=
zeit 2Bcg bc3 3pifebubenanmalt3 offen unb gc=
fdiäft^titäßig gegangen, ba3 2Jolf immer noch in
Sdtaareit gelaufen foiiunt, wenn er 2Bil$e barüber
reißt, ob e3 eilten Satan giebt, ber bie SBenfdjeit in
allerlei Sftitbe, fo j. 2). aud) zum ©eis führt, ber
bie SBurjel alle3 Uebel3 ift!
fine Spazierfahrt nler lag fteer nennt man
heutzutage bie Seereije nad) ©uropa. Unb aller*
bing3 fiitb bie ©efahreit unb Unannebmlid)fciteu,
welche eine S0?eere3fahrt mit fidj bringt, heute viel
geringer a 13 früher. Slber — Spazierfahrt? ®ie3
ift hoch ein gar zu leichtfertiger Slu3brucf. ®er
Untergang be3 großen Hamburger Kämpfer 3 „Kim-
bria" hat 23eranlaffung gegeben, bie Statiftif ber
auf bem atlantiichen Oeeait uittergcgaugencu
3)ampf boote zufammen zu ftcllcn. Unb —wie viele
finb beim feit vierzig fahren untergegangcii? (S i ,
h unb er t tt nb vier unb vierzig. X>a3crftcwar
ber „^refibeitt" (1841), auf welchem 9iev. ffoofs
man verfallt, bas leßte bic „©itttbvia", mit toclcher
400 3Hciifd)cnlcben zu ©rtnibe gingen. Xtazwifcftcn
liegen 142 X^ampfboot^Uiiglürfsfälle! freilich hat'
ten ttidit alle fold^ fdirecflidte SSerlufte an SWenfchen^
leben, aber eine Spazierfahrt war bie Steife feiticS
cinjtgen biefer XJampfboote. Sluf bem SKecre giebt
e3 überhaupt feb* feiten eine Spa^ier^
fahrt.
fabelt aber and) ttidd alte untergegangenen
^Dampfer große 9?crlnftc an SÖtenfchciilebcn gehabt,
fo finb e3 bereu bod) viele. Sltißer ben bcibcit bereite
genannten verfdiwanb im 3abre 1854 bie ,,^itt) of
©laägow" mit 450 SJerfonett, aing ber „Slvctic" mit
562 9Henfd)eit unter unb verf^oü „©er iDtajcftp"
mit allem wa3 barauf mar.
9Son 1856—1860 gtitgen bie ®auipfcr „Sc Stwn-
nai3", „SJacific", „Xempeft", „Sluftria" unb „©uns
garian" mit einem ©efammtverluft von 1343 30?ens
fd)cnlebeit unter.
SSon 1860—1883 gingen 13 große Kämpfer zu
©ruitbe, wobei manchmal viele 9)?cnfd)en um’3
Sebett faittcn; fo %. 23. ber „Sltlantic" von ber SBbitc
Star Sine mit 546 2>erfonen (1873) unb füvzlid)
bie „Gimbvia".
Stein — eine Spazierfahrt ift eine Cceanveife
benn bodi nid)t. ©er vielmehr auf ba3 SDceer geht,
ber bcfteöc fein ©au3 unb befehle ©ott bem ©errn
feine Seele.
««critoittfifjc jSotterfurdite. liefen Xitel vers
bienen ohne Bwcifel nidit wenige amerifanifd)e@es
fängnißivärtev, bereit Xhutt unb Xrcibcn fürzlich
btirch eine Gontmifftou im Staate StcwfQort unters
fudit würbe.
©raufamfeiten Tutb babei zu Xage gefommen, bic
man in unfevem allcrdwiftlidiften Sanbe gar uidit
für möglich gehalten hätte. Sittb and) ©cfänguiffe
unb ßudjthäufcr feine Slnftaltcn, in tveidien bie
Unfällen auf befonberä rürffidit3volle i'chanblung
Slnfprmh haben, fo follten bod) Unincntdilidifcitcn
nie gebulbct werben; benn e3 ift ein Untcrfdueb
zwifdien gerechter, bie 25cffertt it^bczwccfenbcr Strafe,
unb einem gvaufamen, unmeufdilidien Verfahren.
So leidet aber ber 2>erbrcd>er vcvhältnißmäßig vor
ben amerifauifd^cn ©criditohöfcn frcifommcit fann,
fo furdttbar ift fein Soo3 in ben meiftcu Budit«
häuferit, wo bie Unterbcamtcn fd>alteit uub walten
wie fie wollen, ^olterfnechte ber fddimmfren ?lrt
treiben bort ihr SBcfctt. ®ie Sirügelftrafe, mit bem
Digitized by v^oooie
278
(S^rontk brr Crgcnroart.
r©abblc" aitgefübrt, einem 20 3oll langen unb 6
3vll breiten Stücf Sohlenleber, fcad an einem böl=
Jemen Stiel bereitst ift, ift überall im Scbmunge.
Dabei mixt» ber Delinquent an ben Firmen fd)me=
beut* aufgebaitgcn, mähvenb feine gftjje in einem
am ©oben befinblicöen sRing beteiligt merben. Die
3ahl ber au ocrabreichcnben J&iebc ftebt gaita im
belieben bei* uicberett Beamten, ber ©efättgiti&=
bireftor mei§ oft gar nichts von ber ©roaebur.
Süitfuiibjmaiijig unb fünfzig Jpiebe finb an ber
Sfcagedorbmmg, ed ift aber auch jd)on vovgefoms
meu, bau bereu 350 ertbeilt, rejp. ber $\\ ©eftra=
fenbe buchftäblid) tobtgefcblagcn mürbe. Den ©e-
fucherit pflegt man mobl at »babble" ein jebr
unfdmlbig ausiebeitbeo 3nftrument voratiaeigcn,
mit beut fein grober 3d)abeu aityirichten märe;
baä mirflid) benubte ift iebod) ba*S hier bcfcbriebenc.
SJaft nod) fddimttter at bie ©vügclftrafe ift bic
Dunfeliclle, ein enge£, jeber Ventilation cittbcb=
tenbeS fiod), morin bie (befangenen auf bein ftei-
iternen ©oben liegen muffen unb au Jßaffcr unb
©rob nur gerabe fo viel erbalten, at jur Stiftung
be$ fiebcita unbebingt erforberlidj ift. 3tt biefer
Belle bat febou ©Jauchet 2Bod)en unb ©Jonate
gefdnuad)tet. Eiuaelite ©efaugeue brachten ad)t
biä aebn Monate barin au — in bev Olegel umrben fie
bann mahufinuig. Eine nidit ininber barbarifche
Strafe ift bie eiueS fo lange fortgefefcteit Dourhe-
babe$, btei ber (befangene nabeiit erftieft. 9113
©eräugniöärate merben mitunter gaita unmiffenbe
SOienidkMi angefteUt bereu ©cvorbnungen gerabeau
unfiunig finb. Manche biefer Herren gerate be*
fümincru fid> überhaupt nicht um bie (befangenen,
fonbern überlaffen bie Sorge für btefelbcn bem
iMpothefer, ber, menn e§ fid> gerabe machen läjft,
am* ber 3&bl ber Sträflinge genommen mirb.
Die xWobbeit ber Sddiefeer unb ?luffeher fenut
feine ©reuten. Sie mijjhanbeln bie (befangenen,
namentlid) Diejenigen, bie feine Jreunbe haben
r.nb fid) ihre ©imit nicht burd) freigebige ©efchenfe
au erfaufen vermögen, fchlageit fie mit Sänften,
treten fie mit Jütten; einer biefer Umiteufdjen
jmaug einen (Gerangenen, ber ihn um ©rob gebe=
teil, um feinen bittern junger au ftillen, oor
feinen Gingen eine lebeube ätatte ju verachten.
2Ba$ ffiunber, ba§ bie graufamfte ©erjtiche atir
Selbftoerftümmelung unb aum Selbftutorb ge=
uiad)t merben, biefen entfe^licüen Martern au ent=
rinnen. 3u Sing=Siitg rtüraen fid) häufig ©es
fangenc von ben hoben ©alerten herab unb riS?
fiten 9(rm= uttb ©einbrüche, um nur iuö $ofpital
au fommen, um fie bod) eine etma3 ntentchltchere
©ehaitblung au gemärtigen haben, ©ielc erhän =
gen fid), um ber ©rügelftrafe au entgehen. Der
fdtlimmfte ©Jifibraud) untere^ ©eiänqniömeieu3 ift
unb bleibt inamifdjeit ba3 .Uontvaftjuftem, monach
bie ©efaugeneit an kontraftoren vermiethet mer-
ben, bie mm übermenfdalidie 9lnfovbertingeu an fie
(teilen unb, fallet fie benfelbett nidit au genügen
vermögen, jene graufameu ©eftrafungen oerali¬
la ff eu.
lieber bie englifdint ftaffeehänfer bringt bie
„2Bej.=3tg. w einige intcreffantc ©Jittheilungen.
Sie betreffen namentlid) bie bebeutfame Jrage ber
^Rentabilität. Dem praftifdien Sinn cntfvrecbcnb,
melchen in Suglaub fclbft bie ©hilajitbropic an ben
Sag legt, bat man von vornherein auf Divibcnbcit
hingearbeitet. E3 tväre aumr für bie erften biefer
gemein nüfeigett Unternehmungen nid)t Schmer gc=
mejeit, bab xHnlagefapital a fbuds perdu gejd>enf=
mcife aufamtnenaubringen. 9lber ma3 märe benu
mit einer ^anbvoll billiger Äaffecjdicnfen, bie fid)
nidit fclbft befahlt gemacht hätten, gemonnett geu»e-
feil? "IBorauf ed vielmehr anfam, mar, ju bemeU
feit, bah SBirtbfchaftcn, melche bioh Äaffec, Dbee
unb (Safao unb im Sommer Sobamaffer u. bergl.
alb ©etränfe feilbieten, ebenfo gut ihren ©cann
ernähren föitnen mie ©ierhallen unb ©ranntmeim
febenfen; beim nur in biefem Jalle lieft fid) eine
rafefc aitnehutenbe ©cvbreirung ber neuen Slvt von
Sdicnfcn ermarten. Die ©erid)te, mcld)c ba^
Organ ber Agitation, bie „(Soffce ©iiblic-J&oufe
^('eum," an$ allen ihm c\*reid)barcn ©cjdmftbbc=
rid)ten von Äaffcebau^gejeüfd)aften über bie Jah=
vebbivtbenben aufammengeftedt bat, ergaben, ba§
int 3abre 1881 n ur 7 von 51 ©efcllfdjaften feinen
vorteilhaften Otcingeminn gehabt haben, einige
bavoti bl oft ihreb aarten 9lltcr3 balkr. Die burch-
fd)iiittlid)cDivibcnbe ber übrigen aahlettben ©cfeü=
jd)afteu betrug 81 ©roaent. Rügt man aum Bmccfe
Ser Durd)fd)nittred)iumg bie bivibeitbenlojen ©c-
ellfcbaften hinan, fo bat ba3 in Ätaffcebati^gefell-
d)aften angelegte Kapital ftch um mehr al^ 7 ©ro=
aeut veraimt. Den bödifteit regelutäftigen 9teittge=
miitu, 10 ©roaent, ervcid)ten bie ©ritifd) äBovfntau
©ublic-J&oufe (Sompanp au Smerpool, bie (5offee=
voufc Gompanv su ©irmingbam unb bie (5effcc-
Xavevu (Sompanv au ©vabforb. 91 n lejjterem
Orte, einer bebeutenben Jabrifftabt, erjdieint ber
focialpolitifd)e©rfolgber s 3ieueriing bmbev aut voü=
ftänbigften. Die bortige ©cjellfd)aft bat itnlängft
ihre eitiunbamanaigfte äßirtbfd)aft eröffnet, ftenft
übrigenb meit mehr Sibee alb Kaffee aiiv(, mtb man
gemiitnt aitb ben ©erid'ten ben ©inbruef, alb botui=
tttre fie bereit itt bem Sd)citfenmefcn ibre^ Ovtc^.
9lber and) ber Grfolg in Liverpool fann fid) feben
taffen. Sd)oti vor 3abr unb $ag murbe gemel=
bet, baft von ben 15,ooo Arbeitern ber ^ivex-pooler
Dodel, bie ber Entfernung halber Sfcittag^ nicht
nad) ^aufe geben föniten, bie gröfteve Hälfte ihre
.^aiiptmablaeit nicht in Sdntapbfneipen eimtebnie,
fonbern in töaffeejdnmfen. 9luf brittfehen ilrieg^
unb Äaiiffabvtcifdüffen fahren bereit taufenbe
von gefdju'x'rnen ©^rattntmeinfeinben. Die ßu*
narblinie hat feit bem 1. Dcacutber für ihreDatn=
pferiuannjcbaftei. bie Spirituoien burd) Kaffee er=
fefet unb auf ben Sifcherfdjmad^, meld>e Sag uitb
©ad)t ba^ ©ruitbttefe über bie ©tere^grfmbe hin-
fdtleppen, ift Äaffee lättgft bie Siegel; beim mit
©ranittmein läjtt fid) fo anbaltenbe jdni'ere Arbeit
nicht verrichten. Da§ e§ auch in Ji>aje*Mtäbtcn
nid)t boffniiiigblo^ ift, bem Sd)enfenleben Sdiran=
fett au aieben, aeigt vor allem ©otbenburg^ glän=
aenbfte^ ©eifpicl, bax^ einft vie(leid)t bie „fcetruns-
fenfte" Stabt bex< Erbbalt mar unbiefet ein ©infter
geivorben ift burd) feine in ben ©efife aller Schein
feit unb Sd)itapx5läben gefontmene gemeinnühige
9luefd)anfgefeUid)aft von 1865.
®t« Äilh ber öeltbame bat füralich bet berühmte
9?eftor Dis von bevSrinitv=fiird)e au 9}em9)orf tu
einem feiner Sreitag-9lbenb ©ovtväge gemalt, ba‘S
atvar etioa'i fette Jarbcn aufmeift, aber ohne 3^'eifcl
Digitized by v^ooQie
(Etponih brr tSrarnnmrt.
279
im Samen wahr ift. föoffentlid) bat eS fid) bic
bebe 3 nhörerfd>aft ju ©ergen genommen.
ßert ®i£ bcfcbulbigte bic amerifanifebe 23elt=
baiuCf baß Re feilt Jntevcffe an $au$ unb Familie
habe, ficb gwar fovfüber in bic (Sbe ftUTfte r aber
bereu Serben unb ©Richten fid> m entstehen fud>e r
Satten unb ftinber vernaddäffige unb burdt folcheS
©etrageu fclbcr au 9(nfd)lägen auf ihre 6 hve beraub
ferbere. ®aS achtaehnjährige SMäbchen, befien Sr=
aiebung für’S geben juft beginnen feilte, werbe een
feiner eitlen SMutter ber ©cbnle entnommen unb in
ben teirbelnben äNälftrom ber Sogenannten ©efell=
fdwift gefddeubert. Statt ihr ©ciipiele beS ©dienen
unb Sblen voraufülnen, fie in Sugenb unb SKoral
ju unterrichten, erftiefe man alle belferen ©efühlc in
tbr, bringe fie in ©erührung mit beit awcifelhaftc=
ften Sharafteren, (affe fie ®inge bereit unb leben,
bic fie nie fcitneit lernen feilte, lebre fie, fid) cequett,
frcdi unb frei au bencbinctt. ©o habe man eS itadt
©erlauf ben etwa awei Jabreit bahiu gebracht, baß
baS junge iDidbdien aur®e}ellfd)aftSbame geworben,
bic über ihre frühere Einfalt unb ©efeheibenheit
ladie, feine ©runbjäfee habe, niditS adtte unb vev-
ehre, unb feinen anbereu JSuttfd) hege, alS 31 t ae=
fallen, 31t glanaen, eine große Stelle m {vielen. ®ic
CShe erjdteiite tbr nur alS Sonvcnienaangclegenheit,
ein ned> größere gefellige Freiheiten gewäbrenber,
alle Feiteln ber (Stiquette lefenber Buftanb. ©on
ben ©Riditcn einer ©attin wi||e fie nichts, teebl
aber beanfvrudie fie beren äußerfte Freiheiten unb
betrachte ben geheiligten Statnen nur alS Jftcivaß,
um fidi allen ©ergnügungen, allen 9ltiSfchweifunacu
überlaffeit 311 büvfcn. ®iefe erfchrecfenbe 3Biß=
adttung ber fteiligfeit beS ehelichen ©evhaltuiffeS
fdjeine ihren teejentlidifteit ©runb au haben in ber
geiditigfcit, mit ber baS ßbcbaitb geleft werben
föitue. ßhefebeibung betrachte man alS etwas gana
Natürlichem unb ©leidigültigeS, Jeber führe baS
SSort im ÜWunbe unb in ber ©cfellfdiaft werbe eS
faft alS eine SBuSgeidmung bctvad)tet, alS gefdiiebene
Ftau auftreten au fennen.
Uf&fr bic im ttnlftarlnt begriffenen „Singel*
tingrl" (Cate chantant) in Berlin enthalt ber sehn*
jährige ©evwaltuugSbcridd beS berliner ©oliaei=
vräfibimuS einige iutereffante®aten. ®iefcTingel¬
tangel Rnb itidit au berwednelit mit ben „ßbantant^
theatcru", wie baS 2Balba(la- f Slutcrtfan.Theater
unb aitbcre, weldie baS Stedjt haben, ®ratncit,
hoffen ic. int ftoftüm aufauführen, waS ienen
unterfagt ift. ®ie Singeltangel haben fidt in ben
vicraigcr bis fecbSaiger Jahren auS ben ©arfeniften*
ftavelleit hcraiwgcbilbet, weldie früher vornehmlich
in SSeißbievlofalen (thcilS ftdnbig, tbeitö umher-
jiebcitb) fich hören ließen. Sltt bie ©teile ber £arfe
ift baS ft lavier getreten. Früher war bei biefen
ttapellen ber ©eiangSfomifer bie auaicbenbe ©erion,
beute finb eS bauptfddilid) bie weiblidien 3)titglieber,
welche bie ©äfte loden unb ba§ gofal füllen follen.
®iefe Singeltangcl vermehrten ftd> namentlich in
ber ©rünberaeit rafd). — ®a^ SJoliaeipräfibiuitt
war längft att ber Ueberaetigung gelangt, baß biefe
Singeltattgel aur ©ewabrung be^ fittlichen gebend
uiiter allen Uutftäubcn nidit weiter au bttlbeit feien.
(SS fmib in biefer Slnfidif Buftimmung and) in ber
öffentlidwit Meinung, welche bWe ©ertrage gcrabeau
ofö öffentltdK^ äergerniß verurtbeilte. ®ie 6 r-
fahrung ergab fehr halb, baß bie anfänglich hatut=
lofcn ©ertrage mehr unb mehr eine fdilüpfrigc Form
angenommen halten, um eine Slnaiehung&rraft für
gewiffe Sbcile be^ ©ublifuntS anbauüben. @ine
allgemeine Gvlaubniß aur ©cranftaltmig foldicr
©orträge würbe baher grunbjäblid) nidit mehr er=
tbeilt, an wcldjem ©vitnbjab nod) iefct feftgebalteit
tvirb. Um aber bem Uitwejen ber beftebenben Sin=
geltangel entgegenautveten, tvurbe im Jahre 1878
vom ©oliaeipräfibitim verfügt, baß bie Jnbaber
foldicr gofalc bie von ihren „ftünftlcrn" vorautra=
genben ©tücfe vorher beut ©oliaeipräftbium aur
©enebmigung vcraulegett haben. Ferner würbe
Slitfattgo 1879 angeorbnet, baß bie in bcu SittgeU
tangein auftvetenben weiblidicn ©evfoneit nad) ©e*
enbtguitg ber Öejan ge vertrage in ben betveffenben
©cbanflofalitäten fiel) nidit mehr aufhalten unb fid)
aud> wäbreitb ber ©ertrage nid)t unter ba§ ©ubli=
furn mifcheit bürfen. ©diließlid) würben bieSin^
geltangcl auf bie ©oliaeiftunbe (11 Uhr Slbenbä)
gefefet, and) tvurbe ben vortragenben ©erfonen ver¬
boten, iit anberer alö in bürgerlicher ftleibting auf
ber©ühne au erfdtciueit, unb fonftigeC^rfdm'erungeit
angeorbnet. ®iefe Maßregeln hauen ba§ Unwefcn
ber Singeltangel faft gang beseitigt. 9Bcihrenb im
Jahre 1874 ned> 1 >9 folcher Siugeltangel beftanben
haben, hatte biefe ijahl 1876 bi^ auf 21 abgenonu
tuen, unb finb bavon jefet nur nod) acht vorhanben.
Xicßtcrö tum “Home, gweet Holne ,, ntb*
li4t Heimfahrt. ®aß ber ©evfaffer von “Home,
sweet Home”, bicfcui fdwnfteu, innigften, tiefge=
fühlteften .^eima thliebe in englifchcr ©pradie, John
ßomavb ©avne,— geboren au ©ofton am 8 .
Juni 1852 unb al$ amerifanifcher ßoitful geftorben
au SuniS am 1 . Slpril 1882 — tvefe biefeS feineS
bie innigfte .€>eimathlicbc auSfpredjenben giebeS,
bod) in frembev, afrifanifcher (Srbe, fern ber £>ei=
mathf ruhen mußte, fd>ien lange eine traurige Shat=
fadte, bie bem ©olfe unb bem ^eimathlanbe bcS
®id)terS wenig ®hrc mad)te.
Jn 3ufmtft aber hat, waS von ber ivbifdieit ©e=
hauftmg ber ®iditerfeele nod) übrig ift, in heimifeber
(Srbe feine Stuheftatt. 9lm 6 . Januar 1883 warb
auf ©etvcibeu cbclgefinnter ©erehver beS ®id)=
tevS baS ©rab beffelben auf bem proteftantifdjen
Fviebhofe in SuniS geöffnet, fein ©ebein in einen
neuen, bleibcbcdten Sarg gelegt unb biefer an ©orb
ciueS ©dnffeS gebvad)t, um über Fvanfreid) nad)
Sliitcrifa gefanbt au uwrben, wo eS nunmehr auf
einem ftirchiwf bei 2Safhii}gton beftattet würbe. —
®em armen, venvefenben ©taubfittcl beS ®idderS
fann cS allevbingS einerlei fein, wo er rubt,. ob in
Slfrifa ober in 3 (mcrifa, aber bem amevifauifdten
©olfe fann eS nid)t glcidgültig fein, ob bei* ©än=
ger feincS füßcu .^eimatbliebeS in frember ober in
heimathlichev (Srbe ruht. Slmerifa ehrt ficb fclber,
inbem eS buvd) ipeimholimg ber Scheine ©avne’S
einen feiner eblen ©ohne ehrt. 9US ©amte’S ©rab
geöffnet würbe, faitb man auf ber ©Javmorplatte,
bie eS bedtc, einen ©exS, ber auf beutfdj etwa lautet:
wffiohl, alS bein eblcr ©cift entfloh
amn hohen, fchönen ÖimmelSbom:
vegrüßten ©otteS Sngel bid)
laut mit bem SRufe: Home, sweet Home!"
(®cutid)cr ©olfSfreunb.)
Digitized by v^oooie
280
(Chronik bet Cegfiinmrt.
lieber Da# mehr ober «inDer hänftil SBorfommnt
ber SonntagSarbeit in oerfd)iebeneu ©egenben De*3
Seutfchen Öicid)^ finbet ftd) im ncueften 3ahve3 r
berichte Der g fl b r i f e n = 3 n fP e f t o re n iitandjeS
intcreffante Uvtheil. 31m feltenften ift Die Sonu=
tagöarbcit in Württemberg; in einem Der beiDen
3nfpeftiüii3besirfe, in welche ba3 SanD jeifällt, ift
fie überhaupt nid)t Sitte; im auDevn hat ei wenig-
fteni nidjt# Dabei au beanftanDcii gegeben. 3lm
uitgüiutigftcu fdjeiitt e# mit Dev Sonittaaäarbeit
in gewiffen Sesirfeit be$ flönigreicb# Sad)|en unD
ber Srooiu} Weftfalen au fteben. Sott Bwicfau
beißt c*5, baß Dort oon Der Gvlaubuiß su imauf=
fdjiebbaren Reparaturen unD Arbeiten fo rcidUich
©ebraud) gentadtf werbe, „baß Die Sonntagsruhe
thatiddjlid) nid)t mehr oorhanben ift." 9tid)t Diel
beffer foll eS in 31rnSbctg in Wcitfaleu fteheit.
Sort rauchen häufig genug Sdjornfteine, um ted)-
ttifebe Rüdiidjten Die gortjebung DeS SetricbcS un=
möglich erheifcbeit tonnen." 3 n £effeip32aifau ift
eS gelungen, minbeftenS Die wollen betriebe am
Sonntag außer Uebmtg au bringen unD Die 9icpa=
xatur= uitD ReinigungSarbcitcn jo einsufJnänfcn,
bafj ein nur geringer Jhcil Der Arbeiter Devfclben in
31nfprud) genommen iwirD. 3lehnlid) wirb e*3 im
gürftenthum W.ilDerf unb Ober= uitD 32icber=
bapern, Schwaben unD fRcuburg gehalten, nur baß
bie ©laSluitten unD Gifettwerfe aur Sonntag^-
arbeit befugt fiuD, unb Daß fie oon Dicfer Seftignifj
Dielfacb ©ebraud) machen. 3« Deut Scsirf Sot3=
baut uitD grauffuvt a. O. arbeiten oon Den obr^
banDeiten 18 12 innerhalb 3 wci 38od)cn einmal
aud) Deo Sonntag#.
SöieDer eiu Saititprtbigtr *n# dngfiwb. 3 n ber
©rafichaft SDJarf in Seu>fd)laiiD hält neucvDingS
Sr. Bemann au# SonDoit religiofe Vorträge.
Scrielbe ift auerft in Der StaDt Sooft aufgetreten
unD foll Dort in einer feiner Scrfammlungeii nid)t
weniger al# 2500 # 3ut)örer gehabt haben. Sr.
Biemann hat 3K:Disin ftubirt, ift auch praftif her
3lrat geiuefeit, hat bereite im beutfdMranaöfijdjcn
Kriege unter benurotben freute gearbeitet unD ftd)
nunmehr eutfd)loffen, al# SaienpreDiger in Seutfd)=
laitD au wirten, Gr hat SeutjcblanD erwählt, weil
fein 58ater ein Seutfcher war unb in GitglanD Da#
Serraiit bereite oon ßaieitprebigerit belebt ift. (Sr
nimmt feinen Sohn, unterhält ficb felbft, ja er
befahlt fogar Die Sofalmicthe. Sie 3(naiehung,
tueldte Sr. Bemann au#übt, befteht nicht Darin,
baß er bebeutenDe ©abcit bev Rebe aufauweifen
hatte, foiiDern in bet 3nnigfeit leitte# ©laubcn#
unD üt Der tut# leiDer neuen Gvfcbeintmg, baftburdi
einen 3lrst einmal Da# Solf au beit Seclenarat
erinnert wirD. Gtwa# mag aud) wohl ber anfaß=
liehen 31 vt ber geiftlichen Scrcbjamfeit in (Snglanb
in Rechnung 311 ftellen jein.
3« fntjdjjtfbcnrn Wufcitftclii gegen bie Jrunf;
fucht haben ftd) auch bie 9cieberlanbc aufgerafft.
GS heißt in bent betreffcitben Gleich: äRit ©cfäng-
tti& Don 1 bi# 21 Jage wirb beftrair cd. mit ©clD=
bu§e Don 50 GtS. 100 gl.; 1. ber 5Bevfäufer dou
geiftijaeut ©ctvänf, ber einem Siitbe unter 16 fah¬
ren toldicö Dcrabrcid)t, 2. bei einem öffentlichen
9Sevfaitf Deut Käufer unentgeltlich geiftigeo ©ctränf
anbietet. 3>orftehenbe Strafen tonnen um eiu
drittel erhöht werben f bei einem tRürffalle in awet
fahren. lVit©cfängniß Don 1 Jag bio 9 äNcua*
teil eo. ©elDftrafeu ddu 50 (St3. bio 300 gl. wirb
beitraft: 1 . tuer ein Äiinb unter 16 3 al)rcn abfiebt-
lid) betrunfen mad)t f 2 . wer iemauben mit ©ewalt
ober Slnbrobung dou ©etualt 311 m ©ebraud) beraus
fdtenber ©ctränfe auüitgt. ©at Die ^anbluug eine
Trautheit aur golge, jo tritt ©efäiignifeitrafc bi^ au
5 3ghrcit eiu, bei nad)folgcitbem JoDe bco 30^iß=
hnuDelten 3nd)tbanoftrafe bou 5—10 fahren. 5Diit
©efäugitiß oon 1 Jag bi3 9 SWoitatcu eo. ©clD-
büße oon 50 (Jt^. Die 300 gl. wirb beftraft, teer
iemauben, Der in erfennbarem 3uftanbe ber Jnm=
fenbeit fid) befinDet, berattfdienbc^ ©etränf oerab;
reicht. W\t ©efängniß oon 1 bi§ 6 Jagen wirb
beftraft, wer, währenb er im 3»ftattDc Der Jruit=
fenheit fid) befinbet, Den öffentlid)ctt SScrfehr bctMii-
bert ober bie Orbnung ftört, bie ©idjerbeit behobt
ober eine Jpaublung begebt, bei ber 3 tir 58cvbfituug
dou ©efahr für feeben unb ©cfunbbcit dritter
befouDcre Sorforge erforbcrlith wirb. 30cit ©clb=
büße oon 50 Gtö. bi$ 15 gl. wirb beftraft, wer fid'
in erfennbarem Buftanbc oott Jvunfcnbcit auf
öffeittlid)cnt* 28ege befinbet. Sei SKicberboluitg
innerhalb 6 9)conaten fattn an Stelle ber ©elD¬
ftrafeu ©efängniß oon 1 bi3 3 Jagen treten, bei Der
aweiten 38icbevbolung binnen einem 3 abr ttacl)
Der erftcit fficrurthcilimg wirb auf ©ejängnift oon
1—14 Jagen erfaunt. Sei Dritter unb folgeiiDcn
®icbcrboluitgen je 6 2 )?onate nad) bereiften 3 >er=
urthciluitg folgt ©efängniß oon 1 bis 21 Jagen
uitD fan 11 bcrSduilbige atißcrbem, weint er arbeite
fähig ift, cincm8anbarbcitöhau$für3— 12 üNonate
übenoiefcit toerbeu.
Xic llnfittc De# CDiumraniljen# hat aud) unter
beit amcrifaiiijdicn Samen (Singaitg gefunben.
Sie Cpiumraud)faloitö (pnrlors) finb iebod) feine
ri)inefijd)cit Cpiumraud'höhlcn, fonbertt pvacbtooll
eingerid)tcte, mit großem Gomfort aubgcftattctc
StäumCf für gröbere unb Heinere Gfefcllfdmfteit
berechnet. SJänncr finb oon biefen Sofa len, weide
atwfchließlid) von Samen*Der höheren Stäube be=
fnd)t werben, ftreng au^gcfchloffen. Sie Dpium--
raud)erimicn evfd)eincn meiftcnS au Sretctt uiib
Sieren; namentlich finb e3 Sdmujpiclevittnen,
weld)e betu Cpiumgcttub hulbigcn. Scravtige
?lnftalten befinben fid) mehrere in Shilabelphia
unb 3Je)o ?}orf. Gilt Gtqbliffemcnt in leßtercr
Stabt würbe oon Der Soliset gcfddojjen, weil eine
Dcrräthevifd)c tunbin einer ÜJeibe oott hod)ange=
fcheiteit ^Männern einen SEBinf gab, bab ihre grauen
Dort Stamntgäfte feien.
»e fonDe re grühgoüe #Dintfle für $rof«bfetifntfd>fr.
Die ia burd) ihren Scruf am Sefnch be§ gewöhnlu
dien ©otteobienjtcS gänaliih oerhinbert finb, halber
SveöDener Stabtocvein für 3- 3K. feit 50?itte Sep=
fern ber 1882 eingcriddet. Sclbftoerftänblid) föntien
aud) atibere an biefen ©ottcSbienften theilnehmcn.
Siefclbcn toerben ieben Sonntag abwed)felnb in
bev Sßaifenhau#' unb in ber Ghrlidjfdjen Stifte-
firche, früh J7—J8 Uhr, burd) Den Screin^geifh
lid)cu ober burd) einen an bereu Stabtgciitlid'cn
gehalten. 3lufänglid) war ber Sefttch fehr gering
unb wirb erft alimählig gelingen, Die Der Kirche
entwöhnten Seute wicberau biefelbeheranattaiehen.
Digitized by v^ooQie
Digitized by v^ooQie
Digitized by v^ooQie
* j$»r :j&r v
r VT • ~ ’
*r > x U
:■ 5Ä fr ^ ■
»_V.vt «ti k n * #- .,.>ia. ‘
;tw '• : ' * f : .- *
Digitized by v^ooQie
Digitized by v^ooQie
<$»«* tttb l«fl.
(Sin illuftrirtes ?nmilienblatt.
fffter siJanb. 3«nt 1883. gefctes ßeft
in biefcn ^rütilingstagen,
IDas ift bas für Saus unb Brausl
Darf man ba es aud? nodj roagen —
2lns bem Fleinen Fjaus heraus?
Heuere lunDgebimgen Des Unglauben, Die $ibel unb
Die CSefdjidjte.
Cbirtr.
G'
v er nie ruhenbe Unglaube macht in
neuerer Seit ben ro i f f e n f cf) a f U
l i cf) e n Serfudj, bie barroinifcf)e
S^forie üon ber aflmäfjligen ©nt*
roicfeluitg alles organifcfjen Sehens
bem gefaminten geiftigen unb
geiftlid)en Sehen ber Wenigen aitgupaffen.
®S roirb nicht bloS, roie früher, behauptet,
fonbern man bemüht [ich. tniffenfctjaftticfje 58 e *
tu e i f e bafür gu liefern, bafe fo roie Der menfd)*
liehe fförper bur<h taufenbjäfjrige SßerroanblungS-
Dorgänge nach unb nach ergeugt roorben, |'o fei
auch alles anbere im unb am fDJetifcpen — fein
SJenfbermögen, feine Sprache, ©ittlidjfeit unb
21
Religion auf bem gleichen SQBege entftonben.
$>ie Anbetung beS einen ©otteS (fUlonotheiS*
muS) fei g. 58. nichts anbereS, als bie Stufe ber
©ottesoerehrung, welche ber fDtenfch aömäljlig
Don ber unterfien ©proffe beS Aberglaubens
(?£etifcf)bienft) erllommen habe. 25aS Ghriften*
tpum roirb „bie ©pijje ber ©ibilifation" genannt,
welche burch anbere ©pifcen erfefct werben würbe.
3)ie Sprache unb baS S)enlen wären biefen
Theorien gernäfe nichts anbereS, als Sntwide*
lungen urfpriinglicher ^hiernnchahmung, inbem
ber fOfenfeh ben Spieren bie Saute abgelaufct»t,
biefelben nachgeahmt unb alfo unterfepeiben,
benlen unb fpreepen gelernt habe.
Digitized by v^,ooQLe
282
Jlrurrr j&nnbgebungcn bee Unglaubens.
©ineS ber ©ebiete, auf welchem roir biefen
Angriffen auf bie biblifche 2Bahrbeit gu be*
gegnen hoben, ift baS, auf welchem man ben
Stenfchen in feiner ©ntroidelung ober ©ntroür*
bigung gu beobachten oermag, nämlich bie ®e»
fdjichte, mit 'ihren 3meigroiffenfchaften — ber
Sölferfunbe, ber oergleichenben Sprachlehre unb
ber oergleichenben KeligionSgefchichte.
Knftatt nun bie uns auf biefem ©fbiete gu
©ebote ftehenben Shotfadjen eingein aufgufith*
ren, giefeen mir oor, biefelbeu in brei ©nippen
gufainmengufaffen.
Ärfte Gruppe.
Ser oorgefchrittene Unglaube fucht Seroeife
bafitr gufainnten, bafe bie Serebrung be§ einen
©otteS aus bem f5?etifchbienft entftanben, melier
auf meiten SBegen gur SöieJaötterei oorgefchrit*
ten, aus roeicher enblich bie einheitliche ©otteSibee
entfprungen fei.
Sie heilige @<h*ift geugt bon einem eroiaen
©ott, ber fidj oon Knfang °n ben Wenigen ge*
offenbart, oon welchem biefe jeboch abgefaüen
unb gur Sielgötterei iiberaeaanaen feien.
Kun fragt eS fich, metdher non biefen beiben
ftrenaen ©egenfäjjen hot ben gefchichtliehen Se*
roeis fiir fich ?
Sie neuefte ber SBiffenfchnften, bie Per=
gleichenbe KeligionSgefchichte, bemeift mit Her*
beigiehuna onberer Hilfsmittel, bafe alle gefehlt*
lieh nachweisbaren Sölfer, ehe fie bem ©öfeen*
bienft anheimgefallen, in ihrer Urreliaion einen
einigen ©ott anbeteten. Ser ©nglünber Karo*
linfon, ber fjrangofe Kougemont, bie Seutfdjen
SB. Pon Hmnbolbt, Sefdjel unb manche anbere
haben fich burch taufenbjähriaen Schutt beS
©öfeenbienfteS burdjgegtaben, umainaen bie
800,000 ©ötter beS SubbljiSmuS unb fanben gu
Knfang ber ©efdpchte bie Setoeife für bie Sin*
betuua beS einen ©ottes. 3n>ar mürbe berfelbe
unter nerfchiebenen Flamen Perehrt, unb eS mar
jene Uranbetung oft fchon bermifcht mit Sitae
unb Sthorheit; aber je roeiter gurüd bie fjorfcher
in bet ©efchidjte gehen, je älter bie Pon ihnen
aufgefundenen Senfmäler unb 3lnfchriften finb,
befto reinere ©otteSerfenntnife ftellt fich bar.
1) SaS uralte Solf ber arifchen 3nber, Pon
roelchem bie heutigen göfeenbienerifefeen H'nbuS
abftainmen, Perehrte etroa 2000 3fahre P. ©hr.,
alfo gu StbrahamS 3fit, in feinem „Seoa" nichts'
anbereS, als „ben einigen, ernigen ©ott, welcher
bie SBelt erfefeaffen, allmiffenb unb aflgiitig ift,
bie Sünbe perabfd>eut, baS ©ute belohnt' nnb
baS 33öfe beftraft, gu bem man aber als gu einem
©rbariner fornmen bürfe."
Saufchen mit einem ber Sieber ber alten 3(n*
hier, mie cs im älteften Sheil ber Seba, ihrem
KeligionSbuch, gu finben ift: „6r ift ber eingige
Herr ber SBelt; ©r erfüllet Himmel unb ©rbe;
©r oerleihet Kraft; 2ob unb Unfterblichfeit fmb
nur feine Schatten. Sie mit 3?roft unb Schnee
bebedten Serge, baS mogenbe SJfeer unb ber
meitauSgefpannte Himmel perlünben feine Siadht.
Son ihm mürben Himmel unb ©rbe, ber Kaum
unb baS Firmament geraffen. @r ift ber ©ott
über alle ©ötter."
2) Seinabe noch reiner als bie Utreligion
biefer arifchen Snbier ift biejenige jener alten
Sölfer, oon welchen bie Serfer unb Kleber ab*
flammen (©rauier, bie fich oon ben Slriern
trennten), inbem in fie ihren Keilfchriften unb
ben älteften Sbcilett ih^eS KeligionSbucheS, ber
„3cnba=Sefta", gemäfe, nicht nur ^ahrhunberte
laug reine ©otteSerfenntnife bewahrten, fonbern
auch bie Stacfet beS Söfen, mit melcher ber per*
fönlicfee ©ott fortroührenb im Kampfe liegt,
oiel mehr herOortreten laffeit, unb es mit ber
Sünbe ernfter nehmen.
3) Son biefen 3apl)etitif<hen Söllern (3nbo*
©ermaiten) flammen bie Kationen ©uropaS ab.
Unb gmar finb eS im Korben unb SBeften jenes
©rbthcilS meber bie ©eiten, noch bie Slaoen,
noch bie Seutfcfeen, welche guerft bafelbft ein*
manberten, fonbern bie SBnSfen, roelche oon ben
Körnern Oberer genannt mürben. @S finb bie
heutigen SaSfen in Spanien, melche man bafelbft
SoScongaboS nennt, unb bie bis auf nufere
Sage ihre Sprache unb manche ihrer alten ©e=
brauche bemahrt haben, «ie inüffeit etroa 2000
3ahre oor ©hrifti ©eburt in ©uropa erfefeienen
fein, unb ber röntifefee Scferiftfteller Strabo be*
richtet über fie, bah fie an feine ©ötter ge»
glaubt hoben, roohl aber im Sollmonb einen
ttamenlofen ©ott oerehrt hätten, roor*
aus — unb aus anberem Seroeismaterial —
SBilhelm oon Humbolbt mit Kecht ben Schluß
gieht, bah fie bie Verehrung beS einen unfid)t*
baren ©ottes bon Slfien nach ©uropa gebracht
haben.
SlnberS berhält eS fich mit ben fpäter naefe
©uropa einbringenben ©eiten, Slaoen unb ©er*
inanen, foroie mit ben japfjetitifefeen IßelaSgern,
melche ©riecfeenlanb unb Italien bebölfern.
Skfe bringen fchon fehr oerberbte ©otteSerfennt*
nife mit, obwohl auch ih« ©rftlingSmpthologie
eine oiel reinere ift, als bie fpätere.
4) Uns gur femitifchen Sölferfamilie roen*
benb, ift eS bebeutungSPoll, ba| gerabe baS
Soll, aus welchem ©ott baS Heil hcruorgehen
liefe, am fchnellften in ben tiefften Slbgruhb beS
©öfeen* unb SünbenbienfteS fiel. SBon ben
Semiten am ©upfetat ging ber abfeheu*
liehe SBoDuft* unb SKolochbienft aus, unb f i e
ftiirgen fich fo plöfelich in baSabfcheulichfte Softer*
leben, bafe einet ihren Slbfnll eine berrudhte
©mpörung gegen ©ott, einen groeiten Sünben*
fall genannt hat. Safe aber and) feto bie fefered*
liehe Saalsreligion nicht bie urfprüngliche ge»
Digitized by v^ooQie
jfeum lunbgebungeu bes Unglaubens.
283
mefett fein fann, gebt fcpon baratiS perüor, baß
bie Araber, meldpe fid) fd^on friitje üon ben
©uppratfemiten trennten, heute nod), mie not
^abrtanfenben, gu bem einen ©ott — Allah,
beten, melcper nid^ts anbereS ift als ber urfemi»
tifcpe 3ftu — Stof)im.
5) Son bein auSgegeicpnetften ber Damitifcpeu
Sölfer, ben ©gßptern, bat man lange 3 e 't ge«
glaubt, baß ihre ältefte 'Jteligion auf ber Sepie
Don einer Söeltfeele, alfo auf bem Santpeis»
muS, beruhe, Aber ba fommt in neuefter 3 e >t
©mattuel be Diougö unb beroeift (1879) in
einem gritnblicpen 2Berfe, baß bie ©gtjpter in
ber Urgeit „einen ©ott, baS in Slaprpeit
lebenbige SJefen, baS Alles gemacht bat unb
allein nicht gemacht roorben ift," Dereprten.
6) Sßopin mir uns nun audb bon biefen ©rfl»
IingS«Sölfern in baS üieloergmeigte Sölferlcben
toenben — fei eS herab bis ginn clenben fjetifcp»
bienft ber Aeger unb gum 3 fl uberglauben ber
robeften ^nbianer, ober hinauf bis gum ©äßen»
fultuS ber ©pinefen — überall finben mir Se=
meife Don einem ©efunfenfein gu biefen 3rr=
tpiimern oon einer Urreligion, meicbe Den Der»
tünbet, ber ba fagt: „3$ bin ber £>ert
bein ©ott."
DaDott, baß biefe ©otteSibee oon unten anf
entjtanben ift, mobei man oom fjetifcpbienft all»
mäplig gurn DAonotpeismuS unb SautheiSmuS
getommen märe, fann bemitacp feine Diebe fein ;
benn bie ©efcpicpte geigt unS ja gerabe ben um»
gefehlten ©ang, nämlich oom perfönlichen ©ott
gum fjetifcp.
Aud) ift_eS unmöglich, baß ber ausmanberitbe
6halbäe»toemite Abraham bie 3bee Oon einem
perfönlichen ©ott erfunbeu haben fonnte, benn
abgefehen baoon, baß fie fcpon Dorper in ben
SBölfern gelebt haben müßte, mirb man bocp
nicht behaupten roollen, baß in einem Solle,
welches furge 3 e >t «ach ber Sünbflutp in
ber Seft beS fchaurigen SaalSbienfteS gefangen
lag, mittelft beS DeitfprogeffeS ber perfönlicpe
©ott entftehen fonnte! Aeitt, ©r hat fiep Oom
Uranfang an geoffenbart, unb bie AeligionS»
gefcpichte meift nach, baß biefer geoffeiibarte
©ott oon allen Sölfer it längere ober fürgere
3eit angebetet mürbe.
JtotUt Sruppr.
Der oorgefcprittene Unglaube nimmt einen
Anlauf gum miffenfdjaftlidpen Setoeis, baß baS
gange ©eifteSleben bet Alenfcpen nichts fei als
eine burch Sfaprpunberte in Derfcpiebeneit Sffielt»
theilen fortgepenbe Sßanblung oom Dpierin»
ftiuft gur Sernunft. Diefer Aufhaltung gemäß
märe bet ©eift beS SAenfcpen fein Denfbermö*
gen, feine Sprache, Siteratur, Äunjt unb 2Bif»
fenfcpaft, fürs — bie gange ftultur nur bas
©tgebniß oon ©rbe, äßaffer, Aaprung unb
£>iße — beS DAenfcpen ©eift bemnacp eigentlich
gar nicht Dorpanben.
Die Sibel fagt: „©ott fcpuf ben Afenfcpen
ipm gum Silbe, beibe, ein Aiännlein unb ein
Fräulein; unb blies ihm ein ben lebenbigen
Obern in feine Aafe._ Unb alfo roarb ber
Ateufcp «ine lebenbige eecle."
SBctS begeugt bie ©efcpicpte in biefer $iuficpt?
1) Die oergleicpenbe DteligionSgefcpi^te meift
nach, mie alle Sölfer, alten Ueberlieferungeit,
fjanbfcprifteu unb ijnfcpriften gufolge, ihren
gemeiufamen, aus ©otteS&anb gefdjaffenen Ur»
fprung, Don einem Dernünftigen, oolltommenen
Saare begeugeit. Stögen biefe Drabitionen oft
mich noch fo oerroorren, noch fo entfteUt unb
fabelpaft Hingen — fie finb bocp Dorpanben, unb
gmar oft in einer Älarpeit unb Scpriftäpnlich»
feit, bie nichts gu münfepen übrig läßt. Sie
rebeit niept nur Don ber gemeiufamen Abftani«
mung, fonbern auch Don ber ©rfepaffung ber
A3elt, bem fjalle, üon ftaiti unb Abel, Don
Aoap unb ber fjlutp, Don bem Dpurm gu
Sabel unb ber Sölfertrennung. Scgeicpnettb
in biefer Segiepung ift bie Dpatfacpe, baß gerabe
ba, roo mir wahrhaft teuflifcpen Abfall gefun»
ben haben, nämlicp im bobplonifcpen Affprieit —
bie Dollftänbigften unb ben Sibeltpatfacpen äpu»
liepften Sericpte aufgefunben morben finb, mie
in Smitp’S cpalbäiicper ©eneftS gu lefeit ift.
2) Sott bem ©ebiete ber DteligionSgefcpicpte
auf baS ber Sölferfunbe unb Äulturgefcpicpte
tretenb, pat man lauge 3 f it Dergeblicp bie mif«
fenfcpaftliipen Selege für bie einheitliche Ab«
ftammung beS StenfcpengefcplecpteSgefucht. Die
SerbinbuitgSbrücfen gmifdpen ben Stenfcpenraf»
fen fepeinen auf Dfimmermieberfepen berfdproiin»
ben gu fein, unb ber ©laube mußte fid) einft»
meilen mit ber inneren Uebergeugung begnügen.
Die neueren fforfepungen haben au cp auf biefeS
©paoS bebeutenbeS fiiept gemorfeit, obgleich >m»
merpin noep ungelöfte Srobleme Dorpanben finb.
Der gefcpicptlicpe AacproeiS über bie gleiche
Abftommung ber europäifepen unb afiatifepen
Sölfer* ift gmar ein bereits älterer, aber bie
©otteSläugner haben bis auf bie neuefte 3e<t
namentlich auf ben Sölfermirrmarr ber Sübfee
unb auf Amerifä pingemiefen unb gefagt: „2öo
ift benn itt biefern Sabprintp ber Don eurem
©ott erfepaffene Sfenfcpeugeift gu finben, ber
fiep Don einem Saar anf alle Stenfcpen fort»
pflangte?"
SÖallace, fforfter, Äenttebp, Aaucp, S e f<h e l
unb manepe anbere antmorten auf ©ruttb nach»
meislicper ffulturgüge: Die Solpnefier flnb gum
großentpeil Sfalaien, baS heißt ^appetiten, —
ioel^e als fühlte, gefepiefte Seefahrer^tm grauen
Alterthum oon Afien auf bie Sübfeeinfeln
famen. Außerbem finben fiep in Solpneften
Slelanefett aus ber §amitifcpen Sölfetfamilte,
Digitized by v^ooQie
284
jleuete Sunbgebungen bts Unglaubens.
mel$e feinesmegs ft<h nur allein in 2lfrifa an«
fäffig gemacht bat, fonbern t^eilmeife auch 2lfien
— SJorberinbien (ÄbolS) — gum SOßobnfiße
wählte.
SQßie nun ber Z u fammeitbang biefer Znfel»
bemobner mit ber ©efammtmenfchbeit nachge»
Wiefeit ift, fo ftebt beute auch bie amerifanifdje
Urbeüölferung nicht mehr in betn abgeriffeneit
gefchidjtlichen 2unfel mie früher, fonbern ift
burrf) bie mübfamen Arbeiten unb 9ta<hmeife
non 3. ®. 9JfülIer, ©idering, ©ridjarb unb an»
beren, meitigftenS bem groben ©angen nad), aus
' biefcm ®unfel beroorgebolt unb ber einheitlichen
Kette beS 9Jtenfchengefcble<htS eingereibt worben.
2Bir wiffen beute, baß bie Urbewohner 9?orb»
unb SübamerifaS aus Elften, ber üöiege beS
9Weuf<ben, ©efchlechtS, aus üerfdjiebenen Zonen
unb in weit auSeiuauber liegenben Zeiträumen
in 2lmerifa loubeten. 23on ben aus ben Sübfee»
infein fommenben Malaien finben wir bie alte»
ften Spuren in Kalifornien unb bem 9Jtiffiffippi»
tbal. Zbnen folgten Kulturoölfer aus Kbina
unb Zapan unb enblidj, Por 600 fahren, famen
bie Stotbbäute aus Sibirien unb malten ber
Kultur ein @ube. Zn ©üb» unb DJittelamerifa
finben fich fogar Spuren norbafrifanifcber unb
afrilanifcber Sßöiter. 2111’ biefe &orben brängten
unb folgten einanber, fo baß eS ermiefen ift, baß
Weber bie 2lgtefen in Bierifo, noch bie ZncaS in
©eru bie Urbeberrfcber jener Sänber waren,
fonbern 23orgänger butten.
grägt man, moburch benn biefe SRefuItate er»
gielt worben, fo lautet bie 2lntwort — abgefeben
00 m Körperbau-— mittelft ber oergleichenben
9teligiouS«Kultur unb Spra<hgef<hid)te.
2Bo immer ein 33olt einwoitbert, ba trägt eS
Sitten, ©ebräucbe, Sprache unb Religion mit.
2luf biefe 2öeife tarn burch bie SöaSfen ber ®e*
treibebau unb bie ©iebgucpt nach Suropa. 2ie
©talaien braibten ben BtaiS unb bie 2lfritaner
ben $mannnch91merifa. 9Jlanche brafiliaitifiben
Znbiaiterftämme begraben ihre lobten genau
fo, mie bie Kongo=9teger in 2(frifa. 2ie fjlutb«
fagen eiitgelner ÜJtalaienrefte in Kalifornien lau»
ten beinahe wörtlich wie biejenigen ber ©oll) 5
nefier, unb bie fogenannten Znbianerbüget im
9Jfiffi|fippigebiet finb in gleicher SBeife angelegt,
mie bie Sobtenbügel auf ben Sübfee»Zfifein unb
int Süben 2lfienS.
Zn Sübamerifa buben Dteifenbe ©olfsftämme
gefunben, welche ben 9Jlongolen in 2lfien ouf’S
|)oar gleichen, unb in mehreren ©egenben Süb»
unb 9torbanierifaS entbedte man fogar Spunen
beS alten 9Mod)bienfteS.
3) 9t och oerwirrter als ba§ ©ölfergemiibl nahm
fi<h früher bie b»"bertfacbe Spradtjttjeiligfeit
au§ unb fpottete beinahe ber Zbee, baß alles
@efd)le<bt aus ©otteS £anb als berniinftige Sin»
beit ausgegangen.
Seitbem jebocb Wlag 9JtüKct unb ©rimm un»
miberlegbar nachgewiefen buben, baß aUe euro«
päifchen Sprachen Pon einem Stamm abguleiten
finb; feitbem 001 t Dtaumer, 2elißfd> unb SbetS
biefe ©ermanbtfchnft aud» auf bie egpptifdje unb
afiatifchen Sprachen auSgebebnt; .feit 2B. Pon
^mmbolbt bie fo oergroeigten Sprachen ber Süb»
fee auf alte afiatifdje SBurgelftämme jurüdfübrte
unb ©ufcßmann lelbft baS Kaubermelfcb unferer
9totbbäute auf’S gefchidjtlicbe Sprachfunbainent
brachte: feitbem ift eS gefd)i<htli<h ermiefen, baß
bie Sprache Ißrobuft beS beufenbeit oon ©ott ein«
gebauchten BtenfdjengeifteS unb gugleidj ein 33or=
gang ber ©efcßicbte ift; nichl aber ein 9tatur«
porgang. Unb bie 2Bau=Wau=2ogif ber ©otteS«
Iäugner, Welche behaupten, ber 95tenfcb bube baS
Sprechen unb 2)enfen pon ben 2l)ieren burch
9ta<habmen ihres Sellens unb SrüUenS gelernt,
wirb gum ©elücbter.
Somit betätigen 9teligionS« unb Kultur»
gefdbidbte, 23ölfer= unb Sprad)funbe ben Sibel«
bericht über bie Srfchaffung beS fDienfchen unb
beSmenf<bli<ben@eifteS.
Jlritte «ruppe.
®er borgefchrittene Unglaube [teilt baS Sbri»
ftentbum als ein Srgebnift ber admäblig ge«
morbenen Sioilifation bar, unb behauptet, baS«
felbe werbe balb burch etwas anbereS erfeßt wer»
ben, baS man jüngftenS mit bem neuerfunbenen
2Bort „fUtenfchentbum" betitelt bat. Worunter
nichts anbereS jti oerfteben ift, als bie allgemeine
öerrfchuft unb Selbftanbetuna beS natürlichen
uJtenfchentinbeS, mit nichts babinter noch baPor.
$ie SÖibel lagt: ®aS Dteicb ©otteS ift nicht
Pon biefer SZDeit; eS ift einem Sauerteig gleich,
welcher bie brei Scheffel 9Jiebl burcbfäuert; eS
ift gleid) einem Senfforn, welches ein ©aum
Werben foD, in beffen Zweigen bie ©ögel unter
bem Fimmel Wohnen; eS ift ein Königreich, baS
nimmermehr gerftöret wirb.
2BaS fagt uns bie ©efcpichte ?
1) Sie geigt, baß baS Sbriftentbum mit fei»
nen ©runbfäßen unb Stbatfacben ber Siebe, beS
©laubenS unb ber SelbftfuchtSlofigfeit uitmög«
lieh ein ©robutt ber tief gefunlenen, in fchänb»
liehe Abgötterei gefallenen IDtenfchbeit fein lann.
Sie tbut bar, baß baS Steidb ©otteS auf eine oon
bem 9Jtenf<henmeg fo total berfchiebeite SBeife
wirft, baß int Sbriftentbum ein neues borher
nicht befannteS ©rincip gu fchauen ift, welches
wir bie freie SrlöfungStbot unfereS ©otteS neu»
nen. 2) a S Königreich i ft oon ©ott.
2) 2ie ©efdjidjte bemeift, baß feit bem ©in«
tritt beS SbriftentbumS bem 9fiebergang bet
SÖfenfchbeit ©inljalt getbait mürbe. 2Bie uns bie
SBeltgefchichte lehrt, baß bie ftcb felbft überlaffene,
burch bie Sünbe jerfeßte 9Jfenfchbeit herab»
gefunfen ift oon retner ©otteSerfenntniß gum
Digitized by v^ooQie
fit l)iSd)fttn fautoerke unb päume btr (frbe.
285
©öjtenbienji ober 3Fctifcf>i§mu§ unb ber Serroil*
berung; fo jeigt fie aud), baß mit bem Eintritt
ber ©rlöfung ein Sauerteig im 5Jienfcf)enge=
fhlecht roirft, ber bab Sinfen unterbricht unb
bie Stenfhheit ju ©ott bebt.
Xue ÜReih ©otteb offenbart eine in ihm rooh*
neiibe straft, welche unmöglich t)on Stenfhen
herrühren tarnt, fonbern göttlichen Urfpruugb
ift. XaS Senfforn ift — ungleich anberen 8t)='
fteineu unb '.Religionen — für alle Sauber unb
SJölter, bie gebilbetften unb bie roilbeften, paf*
fenb, benit eb fommt üon ©ott. Xer grobe
Saum hot fich über bie gange ©rbe aubgebreitet,
unb bie Stenfheit roohnen glücflich in feinem
Schatten.
Xaß bis heute bie Sihtbe noch nicht abgethan
unb baS Saftet nicht oernidjtet, ift tein ©egen*
beroeib. Xiefe Xhatfahe jeugt nur oon ber
£)artnudigteit beb Aietifhenberjenb, bab fiep
niht freiwillig unter ©otteb SBilleit fügen will.
Aber bab ©hriftentbum bot niittelft beb neuen,
burh baS -i^eit in bie Sienfhbc’ifegefhihfe ge*
brahten ^ßrincipö ber Siebe, beb ©laubenS unb
ber oöttigen Eingabe taufenbe t'(jarattere er*
jeugt, bie mit ihrem reinen göttlichen Seben,
burh ihre ©ebulb in Seibeit, ihre an ben ©len*
beften beroiefene aufopfernbe Siebe, ihr Serjih*
tett auf ©enujs unb ihren Äanipf roiber bie
Sünbe bargetpan, baß bab früher nie gefanntc,
in ber Sibel berfünbigte '-ßrincip ber ©rlöfung
in ber ÜJtenfhheit roirtt.
3) Xab ©bviftentpunt hot ferner, inbent ebge*
gen bie Sünbe jeugte, baS ©eroiffen ber SSölfer
geroedt, auch wenn fte fiep bon bem $eil niht
ganj burhbringeit ließen. Xie roiflfürlicpen,
jum Vergnügen beranftalteteu Stenfhenfhlöh=
tereieit ber alten cibilifirten (?) Sollet finb ba=
hin; baS Familienleben ift feftgeftellt; bab tRecpt
ber ßiuber gefhiißt; bie graufamen Xobebftra*
fett finb obgefchafft; bie Frauen gefetlfchaftlih
g leichberechtigt; bie Sflaoerei ift beriiicptet, unb
entjutage ift eb feine männliche Xugenb mehr,
roie bor Alterb, roentt fih ber £>err beb £>aufeb
betrinft. 6b lebt unb roirft eine oerjüngeube
unb erneuernbe Äraft in ber Atenfhpeitbge*
fhihte. roelhe fich otth unter ben rofjeften 23öl=
fern beurfunbet unb bie biblifdje AJahrpeit burh
gefhihtlih« Xhatfacpen beftätigt.
4) Xie Uebel unb bab mannigfache Unrecht
innerhalb ber ©hriftenpeit bürfen uns niht
irre führen. Söeun j. S. fogenanitte ©hriften
fih oft in blutiger Fepbe jerfleifcpen, roie roilbe
Xfjiere, ober hämifh, in tiftiger FucpSmanier,
einattber untergraben, fo fort linS bicb niht ber*
roirreit. Xiefe Xhatfacpfn betätigen nnr ben
gefhihttihen Saß, bafe ber oon ©ott abgetönt*
mene, bab £>eil nicht erfaffettbe Stenfcp — unter
toelhem Samen er auch fegele — in Saht ber*
ftnft unb enblih $ur $päne toirb.
SBenn felbft innerhalb ber ftircpe Untraut
gebeiht unb fie fih mit bent Slutc ber ^eiligen
befledt, fo muß man unterfcpeiben jroifcpen ben
Sti11 eln ber ©nabe unb ihren © r f o t g e tt,
unb immer feftpatten, baß bie Kirche eben nah
allem boh nur ein menfhlicp Söerfjeug ift.
Äurj — wohin man fih atth in ber'öefcpihte
roenbet, überall finb Äennjeicpen bafüt ja fin*
ben, baß bab in ber Sibel berfünbigte Seid)
nicht oon Atenfhett, fonbern bon ©ott ift unb
Seftanb haben wirb.
Xie ©efhicpte ber Atenfcpheit hot jroar feit
ber hrifttih en 3eitre<hnung fhon fo Diele fRüd*
fhritte unb Zugänge gemäht unb' erroeift fo
manherlei berroirrte Äreujroege auf, baß ber
eublicpe Sieg biblifher Wahrheit utanhmal
jroeifelpaft erfcheiiten mag. Statt barf jeboh
nicht bergeffett, baß bie Söffer nur in fo weit
auf bie gcrabe jum ©nbjiel führenbe Sahn
erhoben werben, alb fie bie Sibelroahrpeit an*
nehmen unb roenigftenb tfjeilroeife erfahren,
©efhiept bieb niht, fo geigt bie ©cfhicpfe feine
© tt t roicfeluttg, fonbern Ser loicfelung. Xeß*
halb gewahren wir in berfelben eincrfeitS ben
©irroarr metifhlihtn Xhuttb, anbercrfeitb aber
cttth ben ftetigen, unaufhaltfamen Fortfhritt
biblifher Söcihrheit, — jum ©nbjiel, bem boH*
enbeteti ©ottebreih- Xettn, ob ber ^blont auf
rauhenben irittttmern ein fctnatifheb Spftein
auf richten; ob mittelalterlicher Aberglaube bie
Sölfer mit Xuittel iiberfhüttet; ober mober*
tter Unglaube ein feitteb Sobelbilb aufftellt,
bor welchem fich Stillionen beugen: in ber
Stitte biefer fheiiiboreit Serroirrung fhreitet
bie Sibel unb ihre Söahrheit, getragen oom
heiligen ©eifte, fiegreiep boran, bib bie tReihe
ber 2ßelt unfereb .perrn unb feineb ©priftub
geworben, unb er regieren roirb oon ©roigfeit
ju ©roigfeit.
Pie IjödjJtni Pauiuerke unb Paume
ber (Jrbe.
gür £aub uub fperb nou 3 . Amt.
b giebt biete Steufhcn, bie berart in fih
H felbft oerfhtoffen unb fo böllig in bie
Sorge um ihr irbifhf» Xafeitt oerfun*
fett finb, baß fie webet in ber Sd)ö*
pfung noh fonftroo bab ©rhabene^ju ertennen,
norf) gu roürbigeit bertnögen. «olhe fennett
ttihtb ©rhobenereb alb fie felbft finb, ober, roab
fie befißen. Xab ©hriftettherj hingegen, erfreut
fih an allem ©rhobenen, ob in ber Shöpfung,
glunft ober fonftroo, unb preißt ben Shöpfer
für cilteb, toab eb genießen barf. 3öir wollen
Digitized by v^,ooQLe
286
$tr l)öd)ßen $nuroerke unb JiSume bet dtbe,
Meter.*)
riso
Jif größten IBöume ber drbe unb bie fjodjften IBauwtrlte.
1. ^rainibc bc* tttyco)f>*. — 2. 35a« SWlinflcr in Strnjjburfl. — 8. $*ic $cter«fircbc in 5Rom. ~ 4. 35tc $aulu«firc$c in fionbon. — 5. $5Aftar
gjtammutybaum in Galifornicn. — 6. ffucalbptn« bon Zatmanicn. —7. Galifornifcbc 2ambcrt«ft$tc. — 8. Aurncaria excelsa bcr SHorfolf*
3nfcl. — 9. 2Ba$«balme bcr SInbcn. — 10. 2>cutf$c Gi$c. — li. Seutföc Cbcltanne. — 12. SBaUmifbamn. — 13. ©aobab in Slfiifa. —
14. 35rac$cnb*uun bon Drataba. — 15. (Sine (Straffe. — 16. 3»»ei Giranten.
nun eine furje 9tunbfdE)nu galten unter ben er* |
babenjten Sauroerfen unb ben ^öc^ften Säumen
bcr Grbe.
Unter 9to. 1 auf bem beigegebenen Silbe, Ija*
ben wir bie bö(bfte Sürmilibe ber 6rbe uns bar* I
ctefteUt. ®ief«Ibe bcfinbet fiä) in bem Canbe ber
ehemaligen Sbaraonen unb ftanb, ohne 3*®eifel
föoit, als Wbraljam nach Ggt)pten jog. <Sie
9 ) (StH Bieter = 3 5uj$ 2 yoB.
gltized by
Google
$u Ijödjften Btaumrrhe unb Pituntt bec ®rbe.
287
fleht 6 airo gegenüber, auf ber Wefttichen ©eite
beS RilftromeS unb etwa fieben Weilen Don
bemfelben entfernt, ln biefer ©teile foll JRa»
poleon sü feinen ©olbaten gefagt haben: ,,©oU
baten, Ichtung! Siertaufenb Sabre flauen auf
uns herab." Iber nicht nur wegen ihres Itter»
ober ihrer £>öhe, noch wegen ihres fotoffalen
Umfanges, foitbern hauptfächlich wegen ihrer
genauen Orientirung nach ben £>immelSgegenbeu
ift biefetbe bewiutbernSwerth. Iber auch ihr
Itter (nach Wcincheu 2170, nach Inberen fchou
3300 o. Gbr. erbaut), fowie ihre .frohe (480 fjrufe)
unb ihr Umfang (764 fjufe) fefjein bie !uf=
mertfainfeit beS '-ÖefucherS. '-ßrocfter unb Inbere
glauben, baß biefetbe oon bem Erbauer beftiinmt
mar, währeub feiner ^Regierung aftronomifchen
unb aftrologifchen ^Beobachtungen unb nach fei*
nein 2 obe feinen ©ebeinen als fRuheplap ju bie=
nen. Durch 208 Ibftufungen auf alten oier
Seiten würbe biefetbe ju einer ©pijse aufgeführt.
Huf ber 15. Hbftufung befiubet [ich eine Oeff=
nung. unb Don hier führt ein 3 3?uß breiter,
126’ f$?uß langer, fchräg aufwärts fteigenber
©ang in ben ftöitigSfaat, wo ber ©arlophag be§
^Regenten fteht. ©in anberer ©ang führt in ben
©aal ber '.Regentin, unb noch anbere führen nach
oerfchiebenen '.Richtungen unb jutefct wieber 511111
frauptgatige jurücf.
5Ro. 2 führt uns nach ©traßburg. $ßer hätte
nicht fchou öon bem ©traßburger Wüufter, ber
großen Äathebraltirche gehört ? Der Sau biefer
prächtigen Äirche mürbe fdjon iin S°hre 1015
burch Sifchof SBerner oon frabsburg begonnen,
aber erft im Sah re 1439 würbe ber Dtjarm ootU
enbet. Die ttircf)- ift aus behauenen Ouabern
erbaut, über welche ber Dhurm — bis 511 t $rone
einer burchbroctjeuen 'ßßratnibe ähnlich — hoch
emporragt. Die £>öt)e bcjfetben beträgt 436
Wirifer ober 463 aineritanifdhe SuR, unb war
bis oor einigen fahren ber hödjfte $irchthurm
ber Srbe. Der 'Befucher lanit benfetben bis bei*
nahe jur $rone befteigen, wohin 8 2Beubeltreppeu
führen, lieber ber Shoite erhebt fiih baS .Qreuj
mit achtecfigein Äitopfe. S 1 « Snuern ber Kirche
befiubet fid) bie große aftronomifche Uhr, welche
nebft unferem Sonnenfpftem eine Wenge 7yitiu=
ren enthält. Um 12 Uhr beginnen bie 12 Wpoftel
einen Shutbgang, roähreiib beffen ein auf einem
tRebenthiinnchen ftehenber .frahit Jräht. Diefe
merfmürbige Uhr enthält 270 ©etriebe mit 600
SRäbern.
3ßer immer nach 5Rom eine fReife macht, unb
einen tßradjtbau fehen roift, ber lenfe feine
Schritte nach ber ©t. IjßeterSfirche (fRo. 3.)
Soran fteht ein prächtiger SSorbau, welcher auf
8 ©änlen, 4 tßitaftern unb 6 ftalbpilnftern 0011
forinthifcher Orbnung 93 f?uß hoch ruht, fjäiitf
Ihüren führen in bie ©orhttfle, über welcher fich
bie ©atlerie befiubet, oon ber ber tßapft au jebem
©rünenbonnerftage bem oerfammelten Holte ben
©egcit evtheilt. 93on ber Vorhalte führen meu '
tere fünf D hüten in ben Jlirdjenfaol, wobon
ober eine augemauert ift, ttnb nur bann Dom
Zapfte mit gotbcnem Jammer geöffnet wirb,
wenn er baS füiifuubjwnusigjährige Subiläum
feiner SGßahl jum Zapfte feiert. Dev Äirchen«
faat bilbet ein Jlreuj. Die Sänge bcS fraupt*
fchiffeS beträgt 622 unb bie bes OuerfchiffeS
461 Süß. Die ganje £>öbe bcS Domes ift 436
Safe. Die ihippel erhebt fich über ber Witte beS
ffreujeS unb ruht auf oier großen 'Pfeilern,
Digitized by v^ooQie
288
Pir ßödjften itauiuerke unb piiumr ber (Srße.
über biefer eine Saterne mit Säulen. Wuf bie
Saterne folgt ein fegelförutiger 'llttffaß, auf
meinem eilte oergolbete Singel rußt. Sas ©ange
feßließt mit einem 14 3mß ßoßen oer^olbeten
flreiige. 3m 3 a b re 1680 betam bie große Slup»
pel einige SRiffe, man legte baßer feeßs eiferne
Steife um biefelbe. Wtan gäßlt neungebn Elitäre,
barunter ber Sjocßaltar, oon melcbein aus bet
Sapft, unb biefer nur brei Wal im ^a^re, bie
Weife lieft.
Ser britte Slircbtburm (Stummer 4) begeieß»
net ben Sont ber St. S‘iitluS=$irche in Sonbott.
Schon im 3‘ibve 610 mürbe mit bem Sau bie»
fer fidreße begonnen, erlitt jeboeß mehrmals
imreß ffeuer febr großen Schaben, befoitbcrS im
Sabre 1666. Wach biefem Staube mürbe bie»
felbe bou Sßriftopß SBren bon 1675—1710
nach Slrt ber SeterS»Slircße in 9tom, in ber
3?orm eines SlreugeS, erbaut. 'Sie Slircße ift
510 3?«ß fang unb ber Sburut 365 jyttß hoch-
Sie innere #öße beffelben beträgt 282 f$uß unb
ift 146 3fuß im Suribineffer. Sie große Slup»
pel rubt auf 32 Säulen unb ift mit 23 Senf»
mälern, bielen eroberten flaggen unb fjnßiien
gefibmudt. Untcrbalb btefei- Kuppel befinbet
ließ bie fogenaunte “Whispering Gallery,” fo
benamft, röeil man jebeS auf ber gegenüber lie»
genben Seite gefproeßene SJort beutlich bören
Fann. Wncß hier bilbet eine oergolbete Singel,
über toelcßer ein oergolbetes Slreug ftebt, bie
Spiße beS SburmeS.
2Bir betreten nun ein anbereS ©ebiet. Wo. 5,
baS borftebenbe Silb, geigt uns ben ßöcßften
Saum ber Srbe. Serfelbe roäcbft in Salifor»
nieit, ift 376 (fuß boeb unb 106 ffuß im Um»
fang. Ser größte Saum biefer ©attuitg ftebt
nicht mehr, foll aber bie enorme .große uon 450
ftuß unb einen Umfang oon 120 (fuß gehabt
haben. Ser jeßt noch fteßeube Waminutß»
bäum mürbe, roenn gerfägt, 120,000 laufenbe
(fuß Salten, gu 6 3oH Ouabrat, geben, ober,
in anberen ©orten gefagt, berfelbe mürbe bin»
reießenb fein, um fünfzig geräumige Slodfbütten
u errichten, ober, in £>olg gerfägt, mürbe ber»
elbe 235 Sllafter nach ameritaitifcbem Stuß
geben. Siefe (jicßteinirt ift nur in Kalifornien
gu finben. 3b r £>olg ift bem Sebent ßolg äbn»
ließ.
Wo. 6, SucalpptuS genannt, roäcbft auf ber
Snfel SaSmattia, fübtieß oon tUuftralien. Sie»
fer Saum erreicht eine große oon 300 (fuß unb
bat einen Surdjmeffer bon 13 (fuß, unb ift ber
atlgemeiufte ffialbbaum ber 3fnfet. Sie Sin»
geboruen futhen fteß einen biefer Säume mit
fiarfer Slrümntung aus, febäleu bann bie gäbe
fortäbnliche Winbe oont Stamme los unb be=
nüßen bie Schale als Shtßn. 3ft bie Sieguug
nicht genügenb, um bie beibeu Snbe über bem
2 Baffer gu erhalten, fo machen fie an jebetn
Snbe eine Staub oon naffent 2eßm. SaS Slatt
beS Saumes ift leberartig, 6 3<>ll lang, aber
febr fcßntal, unb meil baffelbe borigontal ftebt,
gemährt ber Saum nur febr roenig Schatten.
Siner ber fünften Säume Ülmerifas ift bie
fdjlaufe SambertSfichte (Wo. 7) Kaliforniens.
Sie größten Säume biefer ©attung erreichen
eine £öße oon 300 (fuß unb einen Surchnteffer
oon 10 (fuß. Sie Stefte magereebt auSgeftredt,
bie unterften lang unb nach her Spißcgu immer
fiirger roerbettb, bot biefelbe ben Wiifcßeiit eines
folofjalen SteibnacßtSbaumeS. SaS giolg biefer
fiepte ift roeieß unb oon rötßlicßer (färbe, mirb
baber auch “California Redwood” genannt.
Obigem Saume in mancher Segiebuitg äbn»
lieh unb auch beinahe oon berfelben flöße, beeß
bebeutenb fleinerem Umfange, ift bie Auracaria
excelsa (Wo. 8) ber Worfolf»3iifeIu. Sie Wefte
umgeben ben Stamm guirlförmig, inbeut mei»
ftenS groölf Wefte in gleicher flöße ben Stamm
umgeben unb itt gerabem SHitfel oom Stamm
ableufen. So ftebt ein Cuirl etma 4 fünf? über
bem attbern, bis gitr Spiße. 9lit ben Silben ber
3toeige fißen (früeßte Oon ber ©jröße eines Wen»
fdjenfopfeS, roelche 2 bis 300 Sameitförner, fo
groß roie eine Wanbelnuß, enthalten. Siefe
Sameitförner bilben ein fiaiipt»WabrungSniittel
ber Siitgeboreiten, inbeut einer biefer Säume
ßinreicßenb ift, acßtgeßn Serfotten gu erhalten.
Sobalb biefe gvüdjte reif finb, öffnet fich bie
äußere Schale unb bie Sameitförner fallen auf
bie Srbc unb roerben bureß bie (Eingeborenen
eingefammelt.
Sie Stecßtpalme ber Wnbeu (Wo. 9) finben
mir auf ben Korbitleren»©ebirgcit int roeftließen
Sßeile Süb=WmerifaS. Siefelbe erßält ihren
Warnen oon einer roacßSnrtigeii Wtaffe, roelcße
bie IRiitbe bebedt. Siefer Saunt roäcbft bis gu
einer .vroße oon 180 fviiß, unb bat bie Sigcit»
tbüntlicbfeit, baß ber Stamm in ber Witte feiner
Sänge am ftäriften ift unb feine gange ^rotte
aus nur 9 —10 Slättern befteßt. Sie auf ber
unteren Seite toeiftfilgig gefieberten Slätter ßa»
beit eine Sättge oon 20 miß unb roerben oon
ben Siitgeboreiten gur Sebedung ißrer Jütten
benußt.
SaS itacßftebenbe Silb begeießnet eine attbere
Salmenart, gur fjramilie “Jubcea inermes” ge»
ßörettb. ©efuitben roerben biefelben auf ber
3ufel WabagaSfar unb iit Sßili. Ser Stamm
ift furg unb bat bie (vorm einer aufred)t fteßen»
ben ioitite. Sie ßrone befteßt aus einigen
großen Slattvippen, roelcße mit fleitten Slätt»
eben, bie ließ bei (eifern SMttbc betoegeit, hießt
beroaeßfen fiub.
Unter Wo. 10 erfennen roir bie beutfeße Sidße,
roelcße einer ber niißtichften Säume ber Srbe ift.
SaS gäbe, fefte ,£>oig roirb auf beinahe allen ©c«
bieten ber Wecßanit Oerroertßet, ntäßreitb bie
Digitized by v^ooQie
JHe t)öd)ftrn pauroethe unb päumc bet (Stbe.
289
SRinbc ein ausgezeichnetes Staterial für bie ©er»
bcrci liefert. Siefe (Siche erreicht eilte £whe »on
180 guß, unb nimmt non 200 — 400 $ahre an
Starte zu, unb erreicht bcmn einen 3)ur<hm«ffer
»oii 8 —lOJgruft. Tie ßönigSeiche im fog.
milben Dtofenthal bei fieipzig ift 20 3iif} im Um*
fang, unb in bem frönen (Sichenwalbe Hälfe bei
Bremen fte(fen (Sichen »on einigen breißig ffitj?
im Umfang. Tiefe @i<he ift burch ganz Gnropa
ju fiitbeit, mächft jeboch nur auf Ebenen unb
niebeven ©ergeu, wo ber
Sobcit fanbig unb mit
Tammerbe unb fiepm »er*
milcht ift. Tie größten bie»
fer Säume erreichen ein
Stlter »on 1000 fahren.
Tie ffrudht (Sichel) mirb
jum Statten »on Schwei*
neu, unb in manchen @e*
genbeit jmn fjabrijiren »on
Sronittmeiit beniifct. (Sin
anberer in Teutichlanb weit
»erbreiteter Saum ift bie
fogenannte (Sbeltattne (9lo.
11). Tiefer Saum roäcbft
bis ju eiuerjjjöhe »on 180
ffuß; ber tetamm erreicht
eine Starte »on 4—12 fyiiß
unb ift mit einer etwas auf*
geriflenen, grautocißlichen
9tinbe beileibet. 3u ben
erften breißig Rubren tüädjft
ber Saum langfain, bann
aber ziemlich fchtieH unb
mirb bi» zu 800 v lahre alt.
TaS |)olj ift weift, fein*
foferig, zähe unb elaftifdf,
babei leicht ju bearbeiten,
äus bein $jarz, welches auS
ber fttinbe fchwißt, tnirb
Terpentin fabvijirt, unb
aus ben Tannenzapfen mirb
Taniienjapfeuöl ober auch Tanneuzapfenbrannt*
»ein geiooitnen. Turdf feinen fdilanfeu, toalzen»
artigen &tamm, feine regelmäßige ffrone unb
bunfelgrünen fabeln macht ber Saum ejnen
angenepmen Gsiitbrucf auf ben Steufdfen.
Tie nüchfte stummer auf bem Silbe bezeichnet
beu fflalliiuBbaum, welcher nicht nur in iMmerita
unb Tcutfchlanb roächft, fonbent beffen £>eimntfj
fiai bis nach Sofien erftreeft. Stauche biefer
Saume hoben eine £>ölfe »on 100'iitib einen
Umfang »ou 14 3uß. TuS buutelbraiine &olz
ift roerthooll, uub mirb allgemein zur Slnferti*
gung »ou allerlei feinen Stöbe ln benii^t. Tie
gruebt ift mit einer grünen, fchwammigen,
fchmarzfärbenben .&iil(e umgeben; entfernt man
biefe, fo bat man eine 9tuß »on ber ©röße eines
Heilten Hühnereis, in melier fich ein loohl*
fehmeefeuber .(fern befiubet. SeriUjmt finb bie
rheinifchen SGßolltiiiffe, welche in ber Sfdz an
ber Sergftraße gebaut werben.
Unter So. 13 feben wir eines ber SJunber ber
Sflanzenwclt, Saobab ober Sffenbrobbaum ge*
nannt. Terfelbe wächft auf einer ber tleiiien
Slagbaleneitiitfelu. Sbatnfon, ber bergleichen
Säume auch an ber Stiinbung beS Senegal ge*
funbeu Unb geineffen hot berichtet, baß bie
größten Stämme bevfelben 305ttß Turcbineffer,
frifanifd>er Tnfmhmmt auf ®Jabafl<iefar.
80 guft £)öf)e itub Die $rone eine ©reite üon
140—160 aeftabt haben. 9lu3 3nf<f)riften,
melcbe 600—400 ^afjre alt unb jc^t iibermaebfen
mären, berechnete er burdb ©eiqleicbunq bes
£tamme§=;Eurcbmef}er§ mit bem Staube biefer
^ufdjriften ba£ 9Uter ber qröBten Säume auf
5150 3abre. 3m ^orfe ©ranb@alerque§ Ijaben
bie 9teqer in einem f)ol)len Saobab ben (Singang
mit Sfulptitren qejiert, melcbe aus bem frifeben
|)olje qef(f)iiitten finb. $er innere Ühuiin bient
ju ben ©emeinbe = ©erfammtunqen, mo bie s 2ln=
qeleqenbeiten unb 3ntereffen ber ©emeiube be=
ratben unb befproeben merben. S)iefe Eingaben
merben beftätiqt burcf) eine Sefcbreibunq beS
©enetianer* 9t(oifiu» ba Oabamofto, meletjei^im
3abre 1454 einen biefer ©dume auf 100 3UB
im Umfanq icbüptc.
Digitized by v^ooQie
290
Pie l)öd)ßtn Paumerhe unb fäutnr ber drbt.
Oeftlic^» bon 3lfrifa, auf ber 3fnfel Senne«
riffn unb unfern ber ©tabt Oratatja, ftef)t ein
anberer foloffalet Saum (So. 14), Sradjen«
bäum genannt. fnnnbolbt fanb biefeu Saum,
1799, mehrere guß über bem Sobeti, 45 gufs
im Umfang. grüijer foll berfelbe bon ben (Sin»
geborneu göttlich üerebrt roorben fein, unb im
Tiinfüebnten Sfabrbunbert foU an einem in bem
bohlen Saume errichteten Elitäre bie Steffe fiele«
fen morben fein, ©egenwärtig ift ber ganje
riefenhaft 3 U nennen. 3 u beiu breitet fid) feine
.(frone über einen glächenraum bon ettoa 40
guß Stircpmeffer aus. tiefer Saum hat feine
|)cimath in (Suropa, hot nabelförmige, jtoei«
jeilige Slättchen unb bläuliche Seeren. Sa§
§olj ift braunroth unb fehr fejl, unb fehroarj
polirt, hot es grobe 3lehulichteit mit (Sbenholj,
unb wirb in ber 9ta<habmung biefeS roerthboüen
$olje§ oermenbet. 3 m 3 lbfub, fomie bie Slät«
ter, »erben in ber Sieben gegen ben Siß
müthenber^ninbe, fo»
wie gegen (Spilepfie
unb Semen trantpei«
ten angemanbt.
Soch jtoei ber bödj«
flen 2 hiere wollen
Wir furj erwähnen.
So. 15 geigt uns baS
Silb einer ©iraffe.
Son friihefter 3 e >t
war biefeS Shiereiite
auffalleitbe ©rfchei«
nung, fo baß fetjon
bie römifChen gelb«
herrn ihre Triumph*
pge bnr<b Sorfüb«
rung berfelben ber«
herrlichten. Sie ©i«
raffe int granffurter
St u f e u m hot eine
&öheöon 22 giißunb
ift babei fehr furcht«
fam unb fchiichtern.
Ser tfopf gleicht bem
eine? SferbeS, eine
furje Stöhne läuft
längs bem t£>alfe her«
ab, bie garbe ift gelb,
mit braunen gleaen.
3lfrifa ift bie £>ei«
math biefeS Spieres,
WiclnUaru« bei bfr Stiel 55#un»<riii*. Ullb mir eilljellte
(Sjemplare werben
bnr<h 9Jtenagerie«Sefifcer jitr ©chauftetlnng in
folteren Sänbern umhergeführt, ober befinben
fich in ben Spiergärten folget Sänber.
Unter So. 16 ertennt man ben (Stephanien.
Son biefen Schirren giebt eS jwei ganj bon
jnni ©tehen gtt gewähren. Sie ganje £)öpe ! einanber oerfchiebene Saffeit, eint Heinere, unb
Saum hohl, unb ift im 3nnern eine SJenbel«
treppe errichtet worben, welche ba münbet, wo
am 21 . 3uli 1819 ein ©türm einen 3lft abge«
brochen hot. Sie ©teile, wo biefer 31 ft abbrach,
ift grofe genug, um 7 Serfoiten genügenb Saum
beträgt 70 Qritfe. (Sinige ber 3 w cige folleit 50
guß in ber Sänge hoben. Sa biefer Saum
fehr langfam wächft, wirb fein 3llter taufenb
3 ahre weit iiberfteigen.
SaS obenftepenbe Silb jeigt uns eine anbere
Saumart, bie, wenn auch füglich ber $öpe,
iin Sergleich mit auberen, nicht riefenpüft ju
nennen wäre, ba feine #öpe 50 gufs nicht über«
fteigt; betrachtet man aber feinen ©tainm, fo
ift ber Umfang beffelben, im Sergleich jur £)öhe,
wie man fagt, gutmütpige afiatifche Suffe, unb
eine größere, für unzähmbar gehaltene afri«
fnitifche Saife. Sie erftere erreicht eine tpöpe
üon 10 , bie lefctere eine oon 16 guff. 'Sie
im Sanbe umhergeführten (Stephanten gehören
fämmtlich ber afiatifcheit Stoffe an. Ser lange
Süffel bient fomohi 311 m £>erbeiholeu beS gut«
terS als 3 m 3lbwehr beS geinbeS. Sie laugen
©toßsäpne wiegen Pon 60 bis 180 Sfunb, aus
benen (Slfenbein fabrigirt wirb. 3 n 3 nbien
Digitized by v^ooQie
Itlopßoili’* PlefftoB unb feine Steta.
291
routbeu bein ©lepljanten flötttid^e ©hrenbegeu«
gungen erroiefen, unb Don einigen aubern 33ö(=
fern rourbe et jutn KriegSbienft Derroanbt.
S«3 Shier roiegt etwa 7000 '{3funb unb Der.
mag Saften bis jum ©eroict)t Don 3000 tpfunb
ju tragen.
-. * --
* '
Slopltodt’s JBeffia« unb frlne
Vtta.
gür #nnl itub fjerb non @eo. @nt|j.
er fidj mit ber ©efdjichte ber beutfchen Site,
ratur unb tßoefie einigermaBen befannt
gemacht hat, roeifs, baß mit Klopftod’s
©rfcheinen in ber Witte beS Dorigen 3 a hr«
fjunbertS ein großer Söeiibepunft eintrat. @S
batte fid) gu ber 3cit ein ©eift ber greifinitig«
feit unb Sufflärung in ber gangen Siteratur
inebr unb mehr eingebrannt, ber fid) fogar in
ber tßrebigt Derrietl). ©otteS Sßort rourbe in’S
Sätberticbe gejogen. ©in ©chriftfteller flagt:
„©S roar in Seutfcßlanb eine 3eit, roo bie Sa.
tpre nicht anberS als auf Unfofteu ber Sibel
roißig fein fonnte. äöenn mau recht fein fd)er=
jen wollte, fo fdjerjte inan aus bett '{Halmen,
unb es gab muntere Köpfe, roelcbe, fo ju lagen,
eine gange fatprifcbe ©oncorbanj in Sereitfcbaft
hatten, um in ihrem IBiße unerfdjöpflid) ju fein."
Sül)mlid)e Ausnahmen bitbeten Wämter roie
©raf Don 3i>ifeiiborf, ©ellert u. a. m.
Ser eigentliche '-Bcgrünber ber neuen beutfd)eu
Sidjttunft aber ift Klopftod. ©ein „WeffiaS",
roie fd)roer berftäitblid) er uns heute auch erfcßei.
nen mag, unb roie wenige bem Sefen beffelben
©efchmäd abjugcroinneit im ©taube fiub, roar
in ber Stjot ein baf)iibrcd)enbeS Söerf, aus chrift.
Ii(h poetifcher Segeiftenutg heronSgeboren, baS
felbft ben Kreis, aus bem eS heroorgegangen,
iiberrafdbte uub erftaunte.
ftriebrich ©ottlieb Klopftod rourbe am 2. 3wli
1724 ju Dueblinbutg am £arj geboren. @r
üerlebte auf bem Doii feinem SBater gepachteten
Slmte gfriebeburg eine frifche, fröhliche Kinbfjeit.
3m -t>of unb gelb umherjufpringen, ben flüd^=
tigen Jpafett gu jagen ober ben roilben Stier ginn i
3orn gu reigeit, bie böcbfteu Säume gu erflettern
ober als fühner ©chroimmer in bie flareu fflutben
ju tauchen, baS waren bie ffreubeit, welche ber
junge Klopftod mit feinen Kamerabeu in wag.
halfiger Kedfjeit täglich genoß. 3” feinem brei.
«bitten 3af)re rourbe er auf baS ©pmnafium
feiner SBaterftabt gebracht, roo er fid) lange noch
aus bem ©chnlgroang unb aus ber ©nge ber
©tabt hinauSfehnte. Srei 3ah re fpater rourbe
ber fluge Knabe in bie altberühmte dürften,
fchule ju Pforte aufgenommen, roo er einer ber
munterften unb ftrebfamften ©cßüler roar. @r
fing an, ben Sichtern beS SlterthumS, befonberS
£>omer unb SBirgil, ©efchmad abjugeroinnen unb
fein eigeneSj3id)terif<beS Talent ju bilbeit. Sie
©title unb Strenge, roelcbe in ben Säumen ber
Pforte walteten, trieben beit lebhaften 3üugling
in fid) felbft jur Sammlung. Sie reigenbe Um.
gebung, foroie ber SBetteifer unter ben ©euoffen
erroedten itt ihm manches gern gehörte unb Don
ben Sehrent gelobte Sieb. Sffienn er bann in
freien ©tunbeit burch baS geheinutißDotle Sunfel
beS ©tlengebiifcheS am bluffe bahingiug ober,
am fottttigett £>ange beS SBergeS (gelagert, nach
ben Srüinmerit ber Sitterburg hiitüberfd)nute,
ober in eittfamer ©rotte, roo bie Quelle ranfetjt,
an ber Kühle fich labte, bann geftaltete fid) ihm
baS fromm Smpfunbene gunt heitern ober ern«
ften ©efang. Surch baS ©tubiunt ber alten
Klaffiter, foroie ber neueren ©cßriftftcller er.
machte ber bid)terifd)e Srieb in ihm mehr unb
mehr., 28ie Wiltou, ber gefeierte eitgliidje Siel),
ter baS Derloreite '{krnbieS unb ben ©ünbcnfall
befungen hatte, fo wollte er ben ©rlöfer ber üßelt
in unfterblichen Siebern feiern. ©S follte baS
SBert feines SebenS werben, unb obwohl er jeßt
fchon ben '{Matt bajn entworfen hatte, f o gebaute
er boeb erft als gereifter Wann ihn gu Dollführen.
Klopftod roar Don biefer 3bce fo burdjbnmgen,
baß er einmal bas tühne 2Bort an bie 3üanb
feines 3>ntmerS feßrieb: „Sie Sachtoeit
f d) r e i b t mich in ihre '-Bücher ein."
Sie anergogeue ffrönmiigteit brotig bei iljin in
bie Siefe beS {terjeuS. lieber Slles theuer roar
ihm bie SBibel. Oft hörte man ihn, wenn er beS
WorgenS erwachte, bie erhehenbfteu ©teilen ber
Propheten unb Sichter beS 'Ulten Seftamcnts in
feierlichem Sone fpredjcit. Sie '-Silber unb '-Bor.
ftellnngen ber heiligen Schrift erroedten in fei.
ner Sruft bie Schauer heiliger Shilling unb baS
©efühl beS ©roigen. ©eine innere 2Be!t rourbe
Don ben feligfteu ©eiftern beS Rimmels erfüllt,
unb im Sraunt glaubte er felbft ben ©rlöfer,
auf beffen Soblieb er fanit, gu feheu unb gu
hören. @o faßte ihn auch heilige '-Begeifterung,
als er guerft baS gewaltige ©ebießt WiltouS Ins.
©in Sugeitjeuge fagt: „'-Bolb rourbe babei fein
Sntliß biifter, bie |)änbe faltenb fchlug er fie
! über bem Kopf gufnmtnen. Seid) langem Schwei,
gen rourbe fein ©eficht roieber heiter. 3d) fal),
roie er imjSeifte iu biefem ^fmibciihimmel lebte,
unb bie »aeligteit bom 3enfeitS flrahlte roieber
,in feilten 3ägen."
3m 3 l 'hee 1745 Derliej? Klopftod bie tßforte,
um in 3ena Sheologie gu ftubiren. 3>t feiner
SbfchiebSrebe „über ben hohen ©ubgroed ber
'{3oefie," fdjilberte er bie Sufgabe eines wahren
Sichters in folgenben SBorten: „.{lediger ^chat.
Digitized by v^ooQie
292
lüopftoik'« ISeffias unb feine JWeto.
ten BtiltonS, in welchem Streife beS Rimmels
bu bid) jeßt freuft, uub was in beinen Siebern
ben Obren ber Engel wertt) ift, bicfcn bir jeßt
oerwanbten (üeifterh oorfingft, jiirne liiert über
meine ßiiijiifjeit, menn ict) bir nicht allein ju fol»
gen, fonbern mich auch an einen größeren, t)crr=
lieberen 'Stoff ju wagen gebeitfe! . . . . Ourch
ein großes, unoergäuglicheS 2öerf miiffen mir
Oeutfcbe jeiflen, was wir fönnen. O, wie
wiinfeht’ ich, eS würbe mit fo gut bieS beu Oidj»
lern Oeutfd)lanbs fugen ju tonnen!-SBerbe
geboren, großer Jag, ber ben Singer betoor»
bringen, uub nahe bicb fd)ueller, Sonne, bie ihn
juerft erbliden foU. 'Biogen ihn Jugcnb unb
SBeiSfjeit auf zärtlichen '/innen wiegen! Btöge
baS ganze Felb ber Statur fich ihm eröffnen unb
bie ganze, Bnberen unzugängliche ©röjjc ber an»
betuitgSmiirbigen Betigion!"
Älopftod blieb nur furze 3eit in Fena; aber
als er im Frühjahr 1740 nach Leipzig über»
fiebelte, trug er bereits bie erften ©cfange feines
„BteffiaS" bei fid). Sie waren ihm faft wiber
feinen Söifleit, wie eine innere Offenbarung für
ihn, gefommen. 2öaS er juerft in uugebuubener
Bebe niebergefchrieben, baS begann er nun in
baS t-pifche BerSmajj beS £>omer umjutleibcn.
So würbe ber £erameter in bie beulfche Litera»
tur eingeführt.
OaSOhema unb ber F»balt beS BteffiaS ift:
O i e (5 r 1 ö f u n g ber Bl e n f ih h e • t b u r ch
6 h r i ft u S, wie ber dichter es fogleich in ber
Einleitung heroorhebt:
„Sing, «nftcrblidje Seele, ber füubigcn ITtenfchen
(Erlöfung,
Die ber UTeffias auf (Erben in feiner ITTcnfchheit
pollenbet,
Unb burch bie er 2lbams <ScftffIed?t 3 u ber Siebe
ber «Sottheit,
Seibenb, getöbtet unb oerherrlid;t, roieber erhöht
hat! -
2IIfo gefdjah bes €a>igeu IDille. Dergebens er»
hub fidj
Satan gegen ben göttlichen Sohn; utnfonji ftanb
3uba
(Segen ihn auf; er that’s unb oollbrachtc
bie große Verföhnuttg.
Btit bent Befcbluß ber brei tflerfonen in ber
©ottfjeit über baS 2Serf bes .fieilanbeS beginnt
bie Erzählung, unb geht bann — halb auf Er»
beu, halb im Fimmel, halb in ber ftölle fpielenb
— fort bis zur Buferfteljung unb zur .fiimmel»
fahrt Ehrifti im ©eleite iobfingenber himrn»*
lifcher .fieerfchaaren, welche feine 2baten oon
Ewigteit zu Ewigfeit Oerherrlichen. Berber fagt: 1
„Oer BteffiaS ift nach ft Luther’S'
Bibel itberfeßung baS erfte tlaffi»;
fcf)e Such unferer Sprache." i
^ Stöbert Stönig lagt: „Oer BteffiaS enthält
Schönheiten, bie ihn noch heute fjöcbft lefenS»
werth machen. 2öer es oerftef)t, bie harte, ge»
zwnngeue, unbeutfehe gönn beS ©ebicfjteS burch
gutes Beriefen ju übetminbeti, ber wirb einen
fonft bichteriichen St reis erfreuen unb erbauen."
Ourct) feinen Setter Schmibt, mit bem Stlop»
ftoct zufammeuwohnte, tarn baS bisher als ©e»
heimniß bewahrte BJerf oor einem ber Btitarbei»
ter ber „Bremer Beitrage" aus Oageslicht, .ber
fich baS Bfanuftript für bie 3eitfd)rift ausbat,
in ber es halb etfcf)ien unb ein ungeheures Buf»
fehen erregte. 3 lim erften Btale feit langen
fahren gab eS in Oeutfchlanb wieber ein We»
bid)t, welches aus tiefimierfter Begeiferung ent»
fprungen, baS ©emütfj beS BolteS traf. OaS
©ebicht erfchien wie eine neue Offenbarung;
man erquidte fich an ihm um fo inniger, je herz»
lidjer baS ©emiitlj ber ©läubigen nach Sd)uß
uub 2ruß wiber bie beäugfligeuben fjortfehritte
ber Freibeuter uub ihrer Benerungen fuchte.
So warb ber „BteffiaS" ein Erbauungsbuch im
wahren Sinne bes ÜBorteS. Seit ben Jagen
CutfjerS hatte feine Schrift ein ähnliches Buf»
fehen erregt. Ein £)clbengebi<ht biefeS Inhalts,
fo ooll reiner, frommer Bnbacbt, famile Oeutfch»
lanb nod) nicht. 21 Ile derzeit jauchzten bem Oich»
ter zu. Oie Stauzein ballten wieber oon Bufiib»
rungen mancher Stellen aus bem „BteffiaS";
Fürften unb Fürftinneu oerlaugten ben oon
l ©ott begnabigteu Propheten zu fehen, ber ihnen
j wiirbige Borftellungen oon ©oft gelehrt habe,
i 21 fle Lebensalter, nicht bloS bie Fugenb waren
Oon biefer heiligen Schwärmerei ergriffen. Eine
alte BerginaunSfrau in Freiburg hatte nur ben
einen Bhinfch unb baS ©ebet, baß ©ott fie nod)
fo lange leben laffe, bis ber „BteffiaS" oollcnbet
wäre. Bobmer jauchzte auf unb fchrieb: „Oer
©eift BtiltonS ruht auf Stlopfiod; ünoerwelf»
lieber Lorbeer gebührt biefem Jüngling." Lauge
3eit war, wenn fid) Freunbe begegneten, bie
erfte Frage: „£)aft bu and) fdjon ben „BteffiaS"
gelefen?" Es war eine poetifche Bcootution,
1 welche bie Erftlinge unfereS OicbterS heroor»
gerufen hatten. Oie ganze Bation fühlte fidh im
iunerften Kerzen ergriffen unb war ftolz auf ben
Sänger ber Erlöfung.
Bus allen Oicbtungeit $ (opftod’S geht heroor,
baß er ben Beim oerfchmähte; er nannte ihn
„einen böfen ©eift mit plumpem BFörtergepolter
uub fchmetternbem 2rommelfd)lag." Statt beS
BeimS wählte er baS flafiifche BerSmaß eines
Binbar unb £)oraz, welches auf bie Länge unb
Stürze ber Silben gebaut ift. Er tänfdjte fid)
jebod) in ber Hoffnung, bie beutfd)e Sprache unb
baS Ohr beS Oeutfcbe'n für biefe Form ber Otch*
tung empfänglich zu machen.
Fm Fahre 1750 würbe St lopftod oon Bobnier
eiugelaben, bie zahlreichen Verehrer in 3ürid)
Digitized by LjOC IC
JUopftodt's Pefftao unb feine Peta.
293
ju befugen unb ihre #ulbigungen entgegen ju
nehmen. mar auch bie 3 e <t gefommen,
roo fid) iljni bie flrofsc Sfflelt auftßun unb feine
fiebenSftellung gefiebert roerben fotlte. Der
bänifcße S.'tinifter, ©raf ©ernftorff, mar einet
bet roärmften ©ereßrer bes „SJleffiaS." Stuf
feine DielDermögenbe ^ürfptadje, oermilligte
König griebricß oon Dänemarf bem Dichter ein
jährliches ©efjalt Don oierhunbert Steicßstfjolern
unb lub ihn ein, an feinen £of, noch Kopen»
ßagen, ju tommen. Sluf (einer Steife nach
Kopenhagen, berührte Klopftod unter anberm
auch ©raunfcßweig, wo er feinen fjreunb ©ifefe
fanb. Diefer jeigte ihm im Öaufe ber Unter»
tung ©tiefe eine» jungen SJtäbchenS in .£)cun=
bürg, SJteta ©toller, über ben „©teffioS," unb
empfahl fhmT'bei feinem Sufentfjalte in $am»
bürg, ihre ©elanntfchaft ju fuchen. SllS nun
Klopftod in Hamburg beim ©efud) beS Dieters
£>ageborn eine freie ©tunbe hatte, ba fiel ihm
ein, bie Slbreffe *u benußen. ©obalb ©tetä,
welche eben mit glätten unb 3 u fammenlegen
ber Söäfche befcßäftigt mar, ben Samen Klop»
ftod hörte, fprang fie auf unb rief bem Diener
}u: „dr falle ben Slugenblid tommen, je eher,
je lieber." Unb Klopftod tarn, unb tarn mieber,
unb mid) nid)t Don bes SJtäbcßenS ©eite; er Der»
gaß fjagebotn unb SllleS, unb gab ihr fein $er^;
ba» ihre hatte er fdjon befeffen, ohne bafe fie ihn
nur je gefeßen. @rft brei 3ahre fpäter fanb
bie ©ermählung ber glüdließ Siebenben ftatt.
©targaretljn ©toller mar für Klopftod wie ge«
fdjaffen. ©ie war fromm, gelehrt unb entßu»
fiaftifdj, fie hatte ein tiefes ©emüth unb einen
häuslichen ©inn. SluS bem fehr lebhaften
©riefroecßfel jroifchen ben ©eiben laffen fol»
genbe SluSjüge tiefe ©lide in baS §erj ©teta’S
tljun:
„3<h muß bir heute SIbenb fchreiben. Du
wirft ben ©rief in Kopenhagen empfangen.
Steine ©eele ftüßt fid) auf bie beinige. Dies
iji ber Slbenb, an welchem wir beine Obe „3u
©ott," lafen. ©rinnerft bu bidj noch beffelben?
Du mnßteft mich Derlaffen, aber ich merbe bid)
mieber empfangen unb jwar als bein ÜEßeib.
Sich! ®S wirb lange währen, bis wir uns wie»
ber treffen, aber idß muß meinen Kummer un=
terbrüden. ©ott wirb mit bir fein; bein ©ott
unb mein ©ott. 3<h Dertraue bem gnäbigen
©ott, baß er bid) mieber ju mir führen unb
mich glüdlidj -machen wirb. @r hat uns bereits
fo fehr beglüdt, baß ich ihm Dertraue, er wirb
unfer ©lüd Dolltommen machen, ©ehe benn,
in ©otteS Samen, aber laß mid) weinen um
bid). 3d) tann eS nicht (affen, ©ott mit bir !"
Sach einer ferneren Krantßeit fdjrieb fie ihm:
„3dj erwartete nicht, je mieber fo fjergefteüt ju
roerben, als ich hin. Dem $errn fei Danf ge»
bracht! Du wirft ihn mit mir preifen ! Sach«
bem ich mich geftern Slbenb Don ber ©efellfchaft
jurüdgejogen hatte, fdjenfte mir ber &err eine
föftlidje ©tunbe ber Slnbocßt. SStir fam ber
©ebgnte: „©ielleicht ift mein Klopftod jeßt
ebenfalls im ©ebet begriffen." ©ei biefem ©e» /
banfen würbe mein ©ebet inbriinftiger. 2öie >
töftlid) ift eS boeß, s u ©ott ju reben iiitb feinen ’
heiligen ©influß über baS ©emütlj ju Derfpiiren. j
©o werben wir in biefer SBelt fchon gliidlich '
unb felig! Du aber hnft Siecht, weint bu fagft:
3ft unfer ©lüd ßienieben fd)ou fo groß, was
wirb eS erft nach biefem Seben fein! Dann wer«
ben wir nimmermehr fcheiben! Seberoofjl, mein
©eliebter ! 3<h werbe morgen beftänbig an bid)
beuten. Die ßeiligften ©ebaufen Dereinbarett
fid) mit meiner ©orftellung Don bir — ber bu
frömmer bift als ich — ber ben ©chöpfer nicht
weniger liebt als ich — mehr als ich fannjt
bu ihn nicht lieben. 2öie gliidlich bin ich, bein
S fein! Durch bich werbe ich beftänbig fort»
reiten in ber grömmigteit unb Dugenb. 3<h
bin nicht oermögenb, ben ©efiiljlen meines £>er=
jenS SluSbrud jü geben, größer befürchtete ich,
mein ßöcßfteS ©rbengliid mürbe mich Don ©ott
obwenbig machen. Darin aber habe ich mich
geirrt. ©S ift wahr, Driibfal führt ju ©ott,
aber mein ©lüd tann mid) nicht Don ©ott ab»
führen, fonbern führt mich ftets näher ju ihm.
Die ©rfeuntlicßfeit, bie Dautbarteit unb greube,
alle ©efüßle meiner ©lüdfeligteit machen meine
Slnbacßt nur um fo briiuftiger."
3m 3aljre 1754 fanb bie ©ermählung ftatt.
3m Sefiße feiner Sleta, beburfte Klopftod nichts
mehr. „3<h preife ben ©ott beS ©immels um
ihren ©efiß!" fagte er einmal. „Die ©lorie
bes irbifdjen DafeinS ift mir geworben ; bie
©iegeSpalme ift in meiner £>anb; ich finge bir
3ubellieber, Sehobah! SetjoDal)!" ©ier Sahre
nach ber ©ermählung feßrieb Sleta: „2Bie
reich bin ich! 3<h bin baS glüdlidjfte S©eib in
ber Söelt. 3<h hin noch fo bernarrt auf Klop»
ftod, als ob er mein ©räutigam wäre." ©elig,
wie bie Kinber, lebte biefeS Dichterpaar. SllleS,
was er arbeitete, ging burdj ihre |)anb; oft
bittirte er ihr feine Sieber; fie fühlte mit ihm
unb bachte mit ihm, unb wenn er an bem JDtef»
fiaS" arbeitete, fo betete unb weinte fie für ben
©tonn, ber ihr ©tolj, ißt SUteS war. Stach
ihrem Dobe fagte Klopftod einmal: „2Bie Diel
habe ich an ißr als ©eßülftn in meiner Slrbeit
Derloren ! 3b* ©efeßmad mar Doüfommen, ißr
©efüßl äußerft jart. ©ie beobachtete bie leifefte
Söenbung eines jeben ©ebanlenS. ©eim blo»
ßen Slnblid lonnte ich oft errathen, ob eine
©ilbe ißr mißfiel ober entfprodj; unb fo oft fie
fid) erflärte in Sejug auf irgenb eine ©emer«
tung über meine Dichtung, fanb icß fie in ihrem
©iubrud unb Urtßeil richtig." Sur Dier 3®hte
foüte biefeS ©rbenglüd währen. SSeta aßnte
Digitized by v^ooQie
294
Huc Iler fUorgenbämmerung ber neuen Jeit.
einige Wonote i^reit frühen Job. Jod) fie mar
gefaßt uttb ergeben in ben SBideit ©otteS. ©ie
fchrieb an ffiopftod um biefe 3eit: ,)3><h bin
eben fo bereit gu fterben, als gu leben; ich bereite
mich für beibeS bor unb bin bolltomiiien gufrie»
( ben, mie ©ott eS mit mir macht — fein 38i(le
gefchelje. 0. roie ergaben ift unfere Religion!
SBaS muß jener eroige 3 u f* an b ber ©eele fein,
non bem mir fo roenig roiffen unb fo bieleS ahnen.
SBaS ©ott mir immer befcheren mag — ein
längeres Seben mit bir, ober ein etoigeS Seben
mit il)in — ich merbe boüiommen glüdlicß fein!
0 beute bir, roo idj biligebe — bu wirft mir
folgen — bort merben mir emig nereint fein in
ber Siebe. 3<h fc^reibe bir biefeS in ber füßeften
©eeleurufje."
3br föube befdjrieb ffiopftod feinem fjfreunbe
©ramer etma mie folgt: „Ss mar mir nergönnt,
eine furge 3eit nor ihrem Snbe au ihrem Vett
gugubrincien. 3fch werbe nie aufhören, ©ott gu
bauten für bie ©nabe, bie er mir in biefer
©djeibeftunbe fcpenfte. fprach gu ihr: '3dj
min mein Verfbrechen halten, meine Weto, unb
bir mittheilen, baß bein Seben in großer ©efahr
fdhroebt/ ©ie nerftanb jebeS 2Bort, unb als ich
bie Rameit ber heiligen J)reieinigfeit auSfprad),
ba antroortete fie: 'Run gefcßehe ber 2Bi(Ie beffen,
ber mir fo mächtig gur feeite fteht, fein 28ille
gefdjehe. Sr wirb 'illleS moljl machen. J)u mirft
mir folgen/ ffurg oor ihrem Snbe fagte fflop»
ftod’S ©djroefter gu ihr: 'Ss ift RfleS mol)l, ©ott
mirb bir halb helfen/ '$a, in beit £>im»
mel/ antwortete Weta. Salb barauf legte fie
ihr .fraupt guriid unb fprach: ' S 3 i ft b o r =
über!' unb ihr ©eift entfloh in’S obere heilig»
thum."
Stuf bem Kirchhofe gu 0ttenfen liegt fie mit
ihrem erftgeborenen ffinbe begraben, ffiopftod
brüdte feinen ©d)tnerg unb feinen ©laubenS»
troft in ber ^nfchrift aus, bie er ihrem ©rab»
mal gab:
„Saat r>on (Sott gefäet, bem (Tage ber cSarbett 311
reifen.
nTargaretpa Klopjiocf
(Erwartet ba, n>o ber (Eob nicht ift,
3hren ^ rennt», ihren (Beliebten, ihren mann,
Den fie fo febr liebt.
Unb non bem fie fo fet)r geliebt warb.
Uber aus biefent (Srabe
JDollen mir miteinanber auferftehen.
Du, mein Klopftocf, unb id?
Unb nnfer Soßn,
Den id; nicht gebären fonnte.
Betet ben an, ber and) gefiorben, begraben unb
auferftanben ift."
Jreiunbbreifjig 3atjre trauerte ffiopftod als
SWittmer um feine Weta. 33iS gum Snbe feines
Sehens liebte er bon ihr gu reben. 3?och üiergehn
3ahre fpäter gebndjte er ihrer in bem 15. ®e»
fange bes „WeffiaS":
„Späte (Etjräne, bie heute nod) flog,
gerrinn mit ben aubern taufenben, welche ich
meinte!"
fflopftod ftarb am 14. Wärg 1803. Jjn feiner
Trautheit faub man ihn oft in Slnbacht berfnn»
teil mit bem „WeffiaS" in ber £>anb. Sr fprach
am liebften oon Job unb Unfterblichfeit. Reiter
unb getroft entfchlief er fetig in bem £errn.
SineS feiner leßten Sßorte mar: „ffann auch ein
28eib ihres ff näbleinS bergeffen, baß fie fid) nicht
erbarme über ben ©ohn ihres Seibes? Unb ob
fie feiner bergäjje, fo will id) bidj beiner nicht
oergeffen." -
Hu0 ber mor0e«bawwenut0 ber neuen Jett.
, ©ine ©rjählung au3 ©nglanb.
gär £onS unb §erb bou 8B. ftüucfe.
Jfii ie ©efchidjte ber ffirche ©otteS aller 3?ton
ntr ift eine Veranfdjaulichung beS ffampfeS
' gmifchen bein ©eroiffen beS Wenfchen unb
menfchlichen ©pftemen — gmifchen bem freien
©eifte ©otteS unb bogmatifdjer Vorfchrift.
©olche ffämpfe mit Wenfcßenfaßungen haben
Diele ©laubenSftreiter burchgumachen gehabt.
S)en #errn ©briftuS felbft nannte man einen
Jeufel, unb als ©otteSläfterer freugigte man
ihn; bie UBalbenfer unb TOigeitfer jagte man
roie baS SBilb; bie Reformatoren that man in
ben Bann unb berfolgte fie mie Verbrecher, unb
bie Soflharben mürben als RebeHen nieberge»
meßelt.
SS hat mohl nie eine harmlofere fflaffe bon
Wenfchen gegeben, als gerabe biefe Sotlljarben.
©chon ihr Ranie geigt ihre £armlofigteit an.
®ie Romen, welche anbere trugen, bie bon bem
biernrd)if(h?ti ©bftein abmidhen, haben einen
mehr ober minber ftreitfüchtigen Sharatter, g. V.
^läretiter, ffeßer ober tßroteftanten; aber biefe
Digitized by v^ooQie
3Uc bet JHorgenDämmerung btt neuen JJeit.
295
Soüßarben Ratten ißren fRamen Don einet ttn»
ftulbigen ©eroohnbeit, religiöfe Saflaben bor
fid) bin ju lallen ober ju fummeit, b. fj., ein»
iönig unb leife ju finden. Seid) unferem jeßi»
gen Spratgebraucß mürbe man fie bie Sallenben
ober Saflharbeit nennen.
Tie Soüßarben entftanben im Dierjehnten
Sahrßunbert, unb waren urfprünglit in Sei*
gieit nnb bent meftlußen Teutftlanb ju £>aufe.
Ginfacb, ftlitt.gutßerjig, bet geringeren Solls»
llafie ungehörig, malten fie wenig Anfprüte,
unb blieben baßer auch ohne befoubere Seat*
tung. Sie pflanjten ihre relifliöfen Anfitten
unb ©ebräucße auf trabitionellem Sßege Don
Familie auf gamilie, Don ©tabt ju ©tobt, Don
Sanb ju Sanb, fort. Tiefe waren nur einige
Jjauptmahrheiten beS ©DangeliumS, bie fid)
burcß bie 3obrßunberte neben ben finßlidbbog»
matiften gaffungeii erbalten batten. Tie ©e=
fdbitbte 3efu. in ihrer eoangeliften Teutlitfeit,
wie er bie ©iinber liebte, unb wie man Durt
ibn unb bie Siebe ju ibm, jum wahren Trieben
unb jur rechten greube beS Sehens gelangen
fönne. TieS genügte biefen fdjlicbten Seuteit,
fie waren in benfelben fo reich unb begliidt, baß
fie Tag unb fRacßt baoon erjäßlten. 3m Ser»
lauf Der Sahrßunberte nahmen biefe SBaßrljei*
teu einen feften Sern an, tßeilS in einfache
@ebi<bte, tßeilS in anfprntölofein SßthmuS ge»
Heibet.
Sei ber Arbeit ober auf ©pajiergängen fagte
man fit biefe Trabitionen in einem leifen fum*
menben Ton Dor, ober gebrauchte fte bei ber
Sinberpflege als SBiegenlieb, auch Heibete man
fte in gegeitfeitige ©rüße bei Begegnung auf
ber ©trape ober in 3ufammenfünften.
Tie 3aßl biefer Treuen unb ©bien mut§,
unb ba fte an ben gewöhnlichen fachlichen @e=
brauchen feinen Antbeil nahmen, lenfte fich bie
Aufmerffanifeit ber Seßörben auf fie. Aflntäß*
lig oerbreitete fich bie Anjußt, baß biefe Seute,
bie augenscheinlich religiös feien unb fich bod)
Don ber Sirene fern hielten, ihre eigene abfon»
berlicbe '.Religion haben muffen. 2BaS nun ober
biefe Religion fei, fonnte Aiemanb genau atige*
btn. Weil fie Weber ©laubenSbefenutniß, Sa»
peflen, Srebiger, ober regelmäßigen ©otteSbienft
hatten. Sott einem war man überjeuett. Tiefe
Seute hatten bie ©ewohnheit, gewiffe religiöfe
Sieber eintönig ju lallen, unb man nannte fie
baßer furjroeg bie Saüenben ober Soflharben.
Tie Stitfiet unb Wönte witterten ©efafjr
für ißte Sache, felbft bei biefen harmlofen Wen»
Rßen, nnb ließen fie nicht unbeläftigt. 3ßnen
waren fie bie tobten Wilden in beS ApotfjeferS
©albe. Tie SRuße ber Soüßarben warb, burcß
biefe geinbe, in ihrem fteimathlanbe ernftluß
aeftört. Siele würben üertrieben. ©ine an»
fehnliche 3ahl auS Srabant ließ fuß in berfeßie»
benen Tßeilen ©nglanbS nteber unb waren halb
Derfcßotlen. Tocß würbe ißr Aaiue in bet ©e»
fhießte erhalten, benn er würbe muß in ©ttglanb
eine beliebte Sejeicßnung Derer, bie mit Dein
hierareßifeßen Spftem unjufriebeit waren unb
baS Seffere fueßten. ©S würben ettblid) aueß
bie Snßanger SBidliffe’S mit biefer Sejeicßnuug
beeßrt.
Diacß bein Tobe Sßidliffe’S brach im 3aßre
1384 eine ernfte Serfolgutig gegen feine ©lau»
benSbrüber aus, unb fie würben wie Säume iut
Sffialbe gelistet. Siele woßlhabenbe einfluß»
reieße Seute, bie auS ben Derfcßiebenften ©rüit«
ben ju SBidliffe nnb feiner ©aeße gehalten hat*
teu, fielen in ber 3eit ber Srüfttng ab, bie
eblen unb frommen Anhänger mußten, wie
eßeinalS ihre ©laubeitSgeiioffen in Selgien, fit
iit bie Serborgenßeit jHrüdjießen. Ta man fie
wie baS SMlb jagte, fo mußten fie oft, beut Siilb
äßitlicß, fid) in .ben SBalberu Derfteden. Sie
famen an geheimen unb entfernten Olten, in
»täflen, in alten SRuinen, auf Sircßhöfen, in
Dem Tunfel ber 9tad)t, jiifanimen. Obwohl
fie feine regelmäßigen Srebiger hatten, gab eS
bot unter ißnen Diele eßrwürbige, erfahrene,
mutßige Wänner, bie ba'S Sctnb bureßreiften,
bie Srüber in ben Käufern befucßteti, 2iitd=
liffe’S ©cßriften bertheilten, bie Sraitfeit tutb
©terbenben ermutigten unb in geheimen Sßiit«
feilt prebigten.
SJeil man biefen immer nacßfpürte, unb fie
fit naeß beS geiitbeS Serßalten rießten mußten,
Dergingeit oft TBocßen, in melcßen feine Srebigt
gehalten würbe. Tot. man wußte fieß ju ßel»
feit. Samen fie nid)t um bie beftimntte 3eit,
fo naßm ein Sruber entweber einen Traftat
ober eine 5fßrebigt unb laS fie ben Serfamntelten
Dor, unb man ging im ©eifte geftärft nach
£aufe.
Auf biefe SBeife würbe es ben Soüßarben
möglich, troß ber ernften Serfolgung, in welcßer
ißrer Siele ben geuertob erlitten, fit ein ganjeS
3aßrßunbert ju erßalteu. Tie Serfölguitg
erreitte ißren ^ößepunft im Anfang ber üte»
gierung ^eitirit beS Stten, als baS Sitt ber
^Reformation bie ginfterniß beS Aberglaubens
unb ber Uuwiffenßeit mättig bewegte.
II..
3n ber fleinen ©tabt Afßforb in Sent, im
3aßre 1517, baffelbe 3nßr, in weitem Sntßer
feine berühmten Tßefen an ber Tßiir ber SBit»
tenbergiften Sirte heftete, ereignete fit ein
SorfaÜ, ber ben Wutß unb bie Treue ber
Sollßarben auf eine fohße SEBeife barftellt, baß
mir Daraus eine lebensgetreue ©tilberuug aus
bamaliger 3«it entwerfen föttnen.
3t füßee ben geneigten Sefer in baS fleine
SßoßnßauS unweit bem giuffe ©tour, bas
Digitized by v^ooQie
Ums brr Porgenbömmerung brr neuen 3eit.
296
Johann Sromit gehörte. Sr gewann feinen
Öcbenöiinter^alt burch Anfertigung oon £>opfen=
Seiden.
An einem Abenb im ©tonat ©Järz beS FubreS
1517 faß er an einem Keinen Difh in ber Sde
feine» 3immcvS. Dies mar fein Stubierplaß;
benn 3obunn ©romu mar — obwohl ein Singe*
lobner — bodj nucb babei ein fleißiger Stubent.
Durch prioateS Stubium batte er eS nicht bloS
jnm fertigen Sefen unb Schreiben gebracht, fon«
bern fich auch einen fcbönen Schah non flennt*
niffen gefamnielt. 3" ber Scßublabe beS tteinen
DifcbeS, bor beut er faß, lagen Diele Schriften,
bereit Inhalt ber @rjbif<hof ©tarbam bon flau*
terburg als rechtgläubig bezeichnet batte. Aber
biefe Sabe batte einen Doppelten ©oben. Aabm
man beit oberen heraus, fo fab ntan anbere
Schriften, welche Johann um feinen ©reis in
biefelben .fjänbe batte (egen mögen. @3 waren
Keine ©üiher tntb Dractate, bie matt als feßerifcb
gebranbmarft batte. Unter biefett befnnben fich
©Mtfliffe’S Ueberfeßuug beS Aeuen DeftameutS
unb auch feine „Saterne beS Sicbts", in welcher
er beit Anticbrift in grellen färben gezeichnet
hatle, unb anbere mehr.
3jn ber ©litte biefe» 3>utmerS, an einem
größeren Stifh, faß Slifabetb, feine ©attiu, uttb
nabte. Aebeit ihr faß Alice, bie fiebzebttjäbrige
ioebter, bie eben bainit befebäftigt war, bett Aod
ibreS Keinen ©rttberS z>< reinigen. Sine ©er*
fatnmlung füllte an biefetn Abenb in bem ivoefeu*
bauS beS Färber» SemiS ©emter, ber etwa zwei
©feilen beit Fluß biuub wobnte, gebalten wer*
beit, unb ber Keine zwölfjährige Johann follte
mit ©ater unb Schmefter berfelben beimobnen.
$)aber reinigte Alice feinen Aod, fonft, meinte
bie ©Kitter fcherzbaft, möchte ber Färber am
@nbe ben jungen mit fainmt bem Aocf in beit
Färbezuber fteefen. Die ©tumma mit ber fünf*
jährigen geleint wollten bie§malbn§#auS hüten.
Johann Srown nahm ein getriebene» £>eft
atiS feiner Sabe mtb fagte: „3d) beitfe, id) nehme
biefeS mit. 3fe öfter ich e§ lefe, befto größer wirb
meine 3?reube baran. Aa<h meiner Anficht trägt
e§ bie ©ctline baoon unter meinen Schriften."
„SöoDon hnubelt eS?" frug (Slifcibetb-
„Siebe z» 3l e f u," mar bie Antwort. „3t
habe," fuhr Sfobnnn fort, „es oor einigen Stagen
Don Aobert £>arrifoit- befommeu. Sr fagt, es
fei bie £>anbf<hrift beS ©Mfliant DpleSWortß, ber,
wie bu weißt, oor elf 3labren zu Amerfcbam in
©lief» als ©ranbopfer beS $errit geftorben ift."
„Der, beffeu eigene Dodjter gezwungen mürbe
ben Scheiterhaufen anzuzünben ?"
„Derfelbe," fagte 3lobuun.
„2öie fchrecflich!" fagte Slifabetb jitternb.
„©ater, ich möchte gerne bie ,£>anbfchrift beS
guten ©tanneS febeit," fagte Alice.
‘Ser ©ater reichte ihr baS Schriftftilcf. ©Kt
großem 3lntereffe betrachtete fie baffelbe, unb
fagte bann eritft: „Alfo baS hat er mit feiner
eigenen &anb gefchrieben, mit feiner eigenen
.ßtanb ?" Sie brüdtte bem ©apicr einen fl u B auf
unb reichte eS bem ©ater mit ber ©etnerfung:
„3eßt ift er bei 3fefuS unb feinen heiligen
Sngeln."
„Da ich beute Abenb zu $aitfe bleiben muß,
unb baburch ©ieleS entbehre, fo fönnteft bu uiel*
leicht, ehe ihr fortgebt, mir ein wenig barauS
oorlefen," bat Slifabetb-
„Da ich’S mir hoch noch einmal erft burchfeben
wollte, ehe ich Jur ©erfantmlung gebe, fo baß
ich eS recht geläufig lefen faitn, wenn DbomaS
beute Abenb nicht tonnnen follte, fo gewähre ich
beine ©itte mit gmiben. $)ocb Alice, riegele erft
bie S£bür, benn man tanit nicht wiffeit, wer fich
ungebeten bei uns melben föimte."
Aachbent bie Sbür berriegelt war, las ber
©ater ben Dradat „Siebe zu 3iefu" ganz burd).
Aach bein ©erlefen ber Schrift fagte Slifa*
betb: „Das ift ein jchöueS, tbeureS ©Jort; bu
tfjuft wohl baran, eS Dorzulefen, wenn ipoinaS
nicht toinnien follte."
DbomaS mar ein ©erwaubter Slifabetb’S. Sr
hieß StbomaS ©lantt. Seine oerftorbene 3frau
war ©efcbmifterfiitb zu Slifabetb- Sr felbft war
einer ber fleißigften unb begabteften Führer ber
Sollbarbeu. ©erabe um biefe 3Kt ftaitb er be*
fonberS in ©efaßr, benn er batte fich nicht allein
bie Uugnabe beS ©ifchofs oon Sincolu zugezogen,
weil er baS Satrament ber leßten Celiing Der*
warf, fonbern auch, weil er aus feiner ©erban»
nung in baS fllofter 3?rebeSmebe enfloben war.
3eßt manberte er als Flüchtling Saub auf uuD
ab, genoß natürlich babei ben Schuß unb bie
©aftfreunbfehaft ber ©rüber, bie ihn, um ber
©erfolguttg willen, befto lieber butten.
Die ©rüber erwarteten, baß er an biefem
Abenb bei bem Färber prebigen meröe; aber
unter ben Umftänben mar eS allerbingS noch un*
gewiß, ©lau wußte, baß Slifabetb mit DbomaS
©faitn oerwaubt fei. Dies brachte 3obuuit ©rown
bei ben ©rieftent in ©erbaut. Auf ©efebl beS
©ifchofs fteflte fich Sbilton, ber ©ericbtsbieiter,
unerwartet bei ihm ein, ben DbomaS ©lantt zu
fucheti unb fich anbermeitig umzufeben. Da er
ihn aber nicht gefunbeu unb Johann feine ©er«
binbung mit ber Kirche bisher aufrecht gehalten,
bann unb wann bie ©teffe befudjte unb z»r
Seihte ging, fo fonnte man ihm nichts anhabeu.
Unb Doch wußte Fobann nur zu gut, baß bamit
ber ©erbadjt nicht gehoben noch Sicherheit ge*
Wonnen fei. Unter biefen Umftänben mußte ba*
her ein ©ang zu einer folgen nädjtlichen 3«*
fammenlunft Don ber größten ©Mdjtigfeit für
biefe Familie fein, ©tan fonnte nicht wiffen,
was bie nächfte Stunbe bringen mürbe, benn ber
Srzbifchof butte feine Spione überall.
Digitized by v^ooQie
P ie Jlftfhen.
297
3m höchften ©rabe ergreifenb tuat e§, als
3ol)ann mit feinen Sieben fic^ beugte nnb ©ot=
te« ©d)uß. iBeiftanb uitb ©egen für fich unb bie
©einen erflehte. Veim Abfdjieb umarmte man
fiep, a!« nur’« auf Aimmerwieberfehn, unb öod)
mit 3i*üerfi(bt, beim man mußte, baß teilt ©mir
Dom £auple füllt, oljue be§ fjerru SÖ3ilIen. Söer=
trauen auf ©ott unb Vorficht muffen ©aitb in
©anb gehen. ©o tarn e«, baß Alice unb ber
Meine 3ohann gur Dorberen 2hür hinau«gingen
unb einen Utmueg malten, ber fie enblid) gum
■ Vater führte, melier fid) burd) bie hintere 2bür
in entgegengefcßter 9tid)tung entfernt hatte. 2ie
J stacht mar bunte!, ber SBeg f(hled)t, ber ©ang
i baher fdper, aber man ging gur ©tärtung be«
©tauben« bem 3> e t entgegen.
j
(3d}lufe folflt.)
13 (fiit Sdjemen nur ifl biefe Hielt. Efc
Äadj Stoma# Stoore für #an# mb §ttb.
B in Schemen nur ift biefc IDelt,
(Ein IDcrF ans Koft unb Schimmel,
^ Des 5rf?icffals lüoge fteigt uub fällt
w 23alb frfjmerjgefurdjt, balb lujtgefdjrocllt
Kein Segen, benn im tjimmell
Unb roas Dom fjelm bes Hu^mes gleißt,
Derfcfyroimtnt rote Schein am tymmel,
IDas Hoffnung, lieb’ unb Sdjöutjcit fjeißt,
Stnb (Srabesblutnen, balb uergreift —
nichts (Ero'ges, benn im Qimmel.
2ldj, arme IDanb’rer frütj uub fpat
Stnb roir im Sturmgetümmel,
Des liebes Stratjl, ber rDcist^eit Hatfy
€rleud?teti fcfyroadj ben irb’fdjen pfab —
Der ^rieben ift im fjimmel.
-Hc Pie ^ftrkcu. 3jK»
fjftr ©au« unb ©erb ttou ®blöiu«.
» ^f« bie ©orbe fpanifc©er Abenteurer
unter ©orteg in Vtegico eiitbrang,
& lebte in biefern fiaitbe ein Volt,
^ bo« fich gu einer bebeutenben ©tufe
ber Jfuttur emporgefchwungen
hatte. G§ toar bie triegerifdje
Aation ber 9t g t e f e n. ©ie waren fanm gweU
hunbert 3obrr int ®«ftfe ihre« Saube« gewcfeit,
hatten fidj aber in biefer Derhältnißmä&ig Mirgen
3eit merfmiubig entmidelt.
3b*e 'Vorgänger waren bie 2oltefen, gleid).
fall» ein giemlicp gebilbete« Sott, ma« bie Dielen
großartigen 2empefruinen, ©Jefäfte u. bgl. be»
toeifen, bie Don ihnen MerriiMren. ©ie hotten
ba« Sanb inne etwa ooin gehn teil bi« gum Dier=
gehnten Sahrljuubert n. ©hr. Aufgerieben Don
©unger«notb, anftedenbett ffranfheiten unb un=
glüdlicpen Kriegen, Derfchwanben fie gänglicp.
Anbere ©tämme brachen Dom Aorbeit her in ba«
Sanb ein unb nahmen e« in Vefiß. Unter ihnen
gewannen bie Agtefen halb bie Oberbnnb unb
unterwarfen fid) ba« gange ©ebiet gmifdjen bem
füllen föleere unb bem ©olf Don Vterico.
Offenbar fiberfamen bie Agtefen biete ©in»
ridjtungen, ©ebrüuehe, religiöfe Anfchauungen
uub einen bebeutenben 2hf<l ihrer flultur Don
ihren Vorgängern, ben Stoltefen, unb bauten
auf bem gegebenen ffunbomente weiter. 2iefe§
geigt fid) befonber« in ihrem religiöfen ffultu«,
in toelchem fie bie einfachen, fdjöneu ©erenionien
ber 2oltefeu mit ihren eigenen abfehredenben
unb graufamen ©ebriiuchen Derniengten.
©iner ©age nach tarnen bie Agtefen einft bei
ihren Söanberungen an bie ©tiitte, Wo je^t bie
©tabt Vteyico fteljt. ®a fahen fie einen riefigen
Abler, ber eine ©djlange in feinen fangen hatte
unb ber VJorgenfotine entgegen feine breiten
©chwingen eutfaltete. 2iefc« fchieit ihnen ein
giinftige« 3 f *4 fn gu fein, unb obfehon bie
©egenb eine fumpfige war, fo griinbeten fie hier
eine Anfieblung uub bauten fich ©litten au«
©chilfrohr auf Vfafjlen, bie fie in ben Sumpf,
hoben trieben. 2)iefe fiiitten machten im Saufe
ber 3?it großartigen ©ebäuben au« ©tein uub
ft'alf Vln^-
$ie ©taatsoerfaffung war eine monorchifdje.
22
Digitized by v^ooQie
298
fir J^tehrn.
SBenn ber £>errfcf)er ftarb, fo imirbc einer feiner
©rüber, ober »nenn feiner feiner ©rüber mefjr
lebte, einer feiner fJteffen ju feinem 9iad)folfler
ertoäffft. 3)er Stljron fling uicf)t öom ©ater auf
ben Sofju über. G» beftanben gewiffe gefefslid^e
©erorbnungeit. S)ie Strafen waren fefjr firenge.
$ie ©ernste mürben öffentlich gehalten.
®ie Utgtefen glaubten an einen tjödjften, un=
fic^tbaren (Sott, ben Schöpfer unb ©eljerrfdjer
beö ©JeItalic, ben fie iaotl nannten, daneben
glaubten fie au eine grofje ©njahl untergeorb»
SCjtcfcn^riegcr.
ncter ©ottheiten, Don.betten <£mißiIoj)ochtli, ber
erfte, ber mericanifche WarS, mar. ©eine Sem»
pel waren bie großartigen, unb in allen be»
beutenberen ©tobten ftanben feine 9Iltäre, auf
beiten man Weitfchenopfer barbrad^te. Wonte^
2 itma, ber steten = Raifer, geftattete ßorteg
unb feinen Begleitern, ben ©ott felbft au fe^en.
($S tuar eine gigur mit breitem ©efidjte, roei»
tein Wunbe unb fürchterlichen 5lu^en. Oer
©ott tuar bebecft mit @olb, perlen unb ©bei»
fteinen. ©einen ©urt bilbeten golbene ©d)lan=
gen, an feinem .ftalfe befattben fiel) menfd)(id)e
©efid)te uttb bergen Don ©über uerfertigt.
9?eben bem ©ößett ftanben etliche 2ßeihrau’(h=
feffel unb auf benfelben lagen bie bergen et»
lid)er Opfer, bie am felbett Sage gefd)lad)tet
Worben waren. Oie Opfer waren meifteiW
Kriegsgefangene. Oie Sentpel waren riefige,
ppramibettähnliche bauten. Oie £)inrid)tung
ber Opfer gefchah oben auf beut flachen Oadje
beS SempelS, angefid)tS ber unten üerfanunel»
ten Wenge. Oer ©efangeue tuurbe auf beit
Elitär gelegt, wo ihm ber ^viefter mit geübter
£)aitb bie ©eite auffepnitt unb baS &erg heraus»
riß unb biefeS er ft ber ©oune entgegen hielt,
unb bann ber ©ottljeit Dor bie §üße warf.
Oabei warfen fich bie 3itfd)auer anbetenb
ttieber. Oer £eib bet? (Geopferten würbe
barauf bem Krieger übergeben, ber il)tt
in ber ©d)ladjt gefangen geuontineit hatte,
welcher ihn nun mit feinen gienitben Der»
»ehrte.
9?ebett biefett ©raufamfeiten gab eS
einen Kultus milberer 9latur, wobei Bin»
men, grüßte unb Si?ohlgeriiche geopfert,
fröhliche Sieber gelungen uttb Säuge auf*
geführt würben.
Oie Kultur ber alten 9(gtefen ^atte große
91ehnlid)feit mit ber ber alten ©gppter.
©ie bebienten fid) einer Bilberfchrift gur
91ufgeid)mtng wichtiger Siege. Oa fie
feilte Bu<hftdbenfd)rift befaßen, malten fie
einfach waS fie fd)reiben wollten. Oie 6r*
jiehuug ber ^ugeub hatten bie Bricfter itt
ihren £)ättbeu, weldje bie weibli$e ebenfo
wie bie männliche Sugenb im Sefett,
Schreiben, 9te<hneit, im ©borgefang uttb
Sangen, unterrichteten. — Oie fähigeren
©d)ii(er würben and) in bie ©eheintttiffe
ber ©ternbeuterei, ber ©ternfuitbe unb ber
©ötterlehre eingeweiht. Oie 9lgtefen hatten
ein eigenes 3 fl hlenfbftem unb eine gient»
lieh genaue Steife ber 3eitbered)tiung. 9ln«
ftatt alle uicr Sahre einen Sag eingu»
fdjalten, wie wir eS thuit, feierten fie alle
aweiuttbfünfaig Sabre einen großartigen
ßarneoal, ber breigebu Sage währte. Oie»
fen breigebu Sagen ber Suftbarfeit gingen
fünf Sage ber „Bergweiflutig" uoran, itt
beneh fie ihre Kleiber gerriffeti, ihre Wobei
gerfdilugen unb ihre £>auSgößen gertriim»
mertett.
3lm 9Icferbau hatten bie 9(gtefen bebeutettbe
fVortfchritte gemad)t. ©ie pflnngten befonbers
WaiS. 3hr Sanb bewäfferteti fie uermittelft
Sanäle. 91uch in Derfchiebeuen ffiewerben geid)*
netett fie fich aus. Befonbereit ©efdnnarf geigten
fie in ihrer ^eberarbeit, inbettt fie eS uerftanben,
bie bunten Gebern ber SropettDögel mofaifartig
in Baumwotlengeug einauweben, ©ie beuteten
ihre Silber», Blei», 3intt» unb Kupfer »Säger
aus. ©olb witfchen fie aus bettt ©attbe ihrer
f^lüffe. ©ifen fcheittt ihnen aber fretttb gemefen git
feitt, obfehon ihre Serge an ©ifeiterg reich waren.
Digitized by v^ooQie
<£itt beutfdjes Äriljeil über Amerika.
299
'Auch in ihrem bäu§*
licken fiebcu mar ein
bebeiittmöer ftiiltur*
grab bemertlid). Die
grauen mürben mrt
nicht geringer 9(c^tung
bebanbelt. Sie f)ieU
ten febt öicl auf -Kein»
liebfeit nnb mufeben
lieb gemiffenbaft nach
altem ©ebraueb tmr
unb nach jeber 'JJlabl*
$eit. jb^e Speifen
maren gut pibereitet
unb in guter Au$=
mabt. Oft bereinig
ten fie fief) 311 gemein*
febaftlicbert j$eftinaf)=
len, bie mit einem
ianje bon ber ^ugenb
befcblbffen mürben,
roäbrenb bie eilten $u*
faljen unb rauchten.
25 or bem fpanifd)en
(froherer fiel bie
-Wadfjt ber ästeten in
irümmer. AKit rau*
ber ©anb mürbe ihre
ftultur aetnicft. M
ber einen ©anb brach*
ten bie ©iubringlinge
ba* ftrupfir, in ber anbern ba» Skruiebtung**
fcbio:rt. So febmaub bie ©errlid)feit bc» fronen
2 lpefeureicf)e» lammt feiner 23 ei)ölferung, bi$
auf bie geringftrn Sparen baf)in.
2$or etma breißig fahren mürbe in (Europa
große» 9 Xuffef)en burd) puci puergbafte Siefen
erregt, melcbc al» 'Abfömmlinge ber alten 2(pe*
fen aiisqegebeu unb pir Schau geftellt mürben.
Der ftuabe fall fie6jel)n unb ba» Mäbcbeu cif
^abre alt geiuefen jeiu. $()re ©ölje mar unter
brei ftuß. Da» Souberbarfte au ibttcit maren
bie eigeiitbümlicbeu ©efid)t»,pige. Die Stirne
unb ba» .stin 11 traten piriicf unb ließen bie s Jtafe
fo beroortreteu, baß mau unmillfürlid) an ba§
©tM’ic^t eine» SJogete erinnert mürbe. Doch ihre 1
fuufelnbeii frfpoarpm 'Außen, bie olidenfarbige 1
©aut, bie langen fdbioargen ©aare unb ihre ©e= |
d'f iTiibcr lUtcfin-fvt '^rieftor
mütblid)feit benahmen
ihnen alles2lbftoßeube.
Sie rebeten eine un=
berftänbliebe Spraye
unb oerftanben einige
29ovteenglifcb. s JJiufif
übte einen befouberen
9teij auf fie aus. Sie
murbeu gewöhnlich
auf einem großen 2i=
febe pir feebau ge*
ftellt, auf bem fie fpie*
ietib umher liefen.
(Ss mürbe eine et*
mas imghuiblid)e @e*
fd)id)te ium i()ren er*
jiil)lt. Die alte Stabt
grmiaga foll bei Crt
ihrer ©erfmijt gerne*
fen fein, mo fie mm
ben ßinmobnern al»
göttlidje 2i?efen ber*
ehrt morben maren.
# (fin getoiffer 4 : elas*
*que^ foll in iVglci*
hing eine» Canadier»
unb eine» 9lmerita*
nerS bi» pi biefer aU
ten Stabt in Zentral*
Slmerifa borgetrim*
gen fein, ©irr mach*
ten fie bie Skfanntfcbaft eines ^riefters, ber
biefe v)UUTg*föötter unter feiner 9luffid)t hatte.
Die Crpü)limgen dou ber 'Außenwelt inad)*
ten einen foleben Ciubrucf auf biefen 'Vriefter
unb mertten feine 'Jteugierbe fo febr, baß er
befebloß, bie fleinen ©ottbeiten pi fleblcn unb
mit ben fyrembcu pi fliehen. 'Auf ber fvlnc©t
tarnen ber Canadier, ber Slmerifauer unb ber
^riefter, Ciner nad) bem Unteren um, mir
Itelasquc* blieb übrig, um bie mimbcrbare ©e*
fd)id)te pi erjäblen, meld)c bie geraubten ft in*
ber beftätigen feilten. Allein mifjcnfdjaitlidie
Wanuer erflärteti bie ©efeböpfe als bloße 9Jiif>
gebürten, bie irgeub einem Siibianeiftamm au*
gehörten, uub fo oerlor fid) bas große ^> 11 *
tereffe, ba§ man anfänglich au ihnen gehabt
batte.
€itt beiitfdjcs ilrtljcil über Jtmrrlko.
Gbitor.
f iu richtiges unparteiifd)e3 Urtbeil über ein 1 eher bie Sachen meber bureh rofenfarbige noch
2aub unb ®o(f pi fällen, bapi gehören 1 fdjmarje ©läfer aufd)aut. Dem 9tid)tnorbau*
nicht bloß allfeitige ftenntniffc unb (frfab= ! beufein biefer (Sigeufehaften ift bie gänzliche
rung, fonbern auch ber ungetrübte 3Mitf/mel* SDertblofigteit fo bieler SReifefcbilberuugen, fo*
Digitized by v^ooQie
300
@in bfutfdjes Krtijril über Amerika.
toie bie ßinfeitigfeit ber gegenfeitigen Beur*
tfjeiluug gugiifdjreiben.
Selten, g. B., ftöfet man auf eine boit ame*
rifauifdjer Seite fommenbe grünblidje
©arftelluug beutfdper Berpältniffe. seltener
iiocb ift eine richtige beutfd^e Beurteilung ame=
rifaitifdjer 3 u ft^ n ^ e - 9)tan fdjeint eS barauf
abgefefjeit gu fyibeu, fid) gegenfeitig auf ber
fd)iüäd)ften Seite gu faffert unb barauf f)iu bie
Nation gu fdjilbern, ober ift in fold)’ grengeu*
lofein s Jiid)t»roi)fertl)uni gefangen, baß „#iebe"
ausgeteilt toerbeit ntüffen, um bie 9lbroefenf)eit
ber Belehrung unb beS gefunbnt Urtfjcil» gu
berbetfen, unb bie ©elbfiDerperrlidjung a(S2orf=
fpeife für befd)ränfte fiefer gu bienen tjat.
9llfo ift eS Ijiiben nnb britben in gar Dielen
Mafien. Um fo erfrifd)enber mutf)ct eS einen
an, roenn guroeiten aud) eine Sd;ilberung er*
fdjeiut, toeldje baS ©ute unb (5be(e anberer Böl*
fer beroorfjebt unb gur 9lad)abmung ’borljült.
3Bir haben jitngftenSbaS Urtpeil eine» befähig*
ten Slmerifaner» über ©eutfdjlanb publigirt, unb
hier toll bie Beurteilung 9Imerifa'§ in einer
im alten Baterlanb publigirten 3 e i*ung folgen.
©S ift bie „Berliner $olfSgeitung," roeldje aus
9(n(aft ber Don 9(merifa au» gcljcnbcn Bitte, feine
©aben in ©eutfdjlanb für bie Ueberfdjtoemmten
im Ohiothal gu fammeln, folgenbeit 9trtifel
Deröffentlicht:
„Die Xpatfacpe, bafc hon Storbamerifa per bie Sluffor*
berung nach Deutfcplanb gelangt ift, man möge pier
feine Sammlungen für bie Ueberfcpwemmtcn in Sinterifa
heranftalten, weil bie Slmerifaner nicht geneigt fiitb,
©efcpeitfe anguuepmen, ift um fo auffalleuber unb über*
rafepenber, als gang furg oorper recht reiche Spenben auS
Slmerifa gu uns für bie Ueberfcpwemmten beutfe^eu
©ebieteS gelangten. (SS giebt uns biefe Xpatfacpe eine
fepr ernfte Beranlaffuitg, einen Bergleicp über bie Ber*
pältuiffe beider Räuber angufiellen unb über bie Urfacpeit
beS UitterfibicbeS näher naepgubenfen.
Der ©runbgebanfe fd)ciut unS in ber nichtigen Xpat*
fache gu liegen: Slmerifa braucht Sflenfcpen unb nicht
(Selber auS CSuropa!
Diefer (Srunbgebanfe berbient eine ernfte Betrachtung.
Bfan nennt Sfotbamertfa bie neue SBelt. (SS ift
eine folcpe. (SS ftebt biefeS Steich Wie in 3ugertbfrifche
unb ^ugenbfraft uns gegenüber ba. (Sine 3cit lang
fchien eS, als ob eS bloS in m a t e r i e 11 e r Begicpung
bom (Slücf begiinftigt fei, aber bie Xpatfacpe ift mehr
unb mehr erfennbar geworben, bajj eS auch mit bem
gehobenen Btoplftaitb in ge i ft i g e v Begicpung in popem
BJacpStpum begriffen ift. Die Slftronomie, bie ebelftc 1
unb felbftlofefte aller BUffeitfepaften, feiert bort herrliche
Xriumppe. Die Ökologie bewegt fiep bort auf einem 1
ergebnisreichen Boben. Sillen wiffenfcbaftlicpen (Sjrpebi*
tionen in fremben SBelttpcilen bringt Slmerifa febr reiche
Opfer. Jn ben SWeereS*Unterfucbungen gebührt ihm j
ein namhafter Borrang. 3« ber SJfebigin hat eS uns
ben Segen beS Chloroforms gelehrt. ?>n ber Sahnbeil*
funbe fteht eS unübertroffen ba. SBie eS unfer tteprs
meifter in ber Xelegrappie, im ^emfpvecpen, in ber <ppo*
nograppie, im Bbotopbon, in ber eleftrifcpen Beleucp*
tung unb in allen Rächern ber Slnwenbung ber Statur*
fräfte im Dienfte ber Sftenfcppeit ift, baS geigt unS bie
(Gegenwart in auffallenber Deutlichfeit.
Die neue Söelt erfreut ftch ^ BorgugeS, bafj fie feines
| Kampfes gegen Peraltcte 3uftänbe beburft hat. Sie hat
i feinen ^eubaliSmuS hütter fich. 0ie miib niipt oom
BtUitärismuS auSgebeutet. Sie hat bie (Srrungcnicbaf*
j ten ber europäifchen Kultur im Porigen Jahrbunbert
I fofort bei ber Begrüubung ihrer Staaten als (Srbjchaft
j aufgenommen, ohne beengt gu fein oon ben Sd)ranfen,
j in melden (Suropa felber ftanb. Slber luahr ift eS, biefe
1 neue BJelt blieb nicht bei ber (Srbfchaft, bie fie auS (Suropa
mitgenommen, ftepen, fonbern hat fich VC 9 C 3i?rüeient*
toicrelung gum Briagip gemacht. Unb tu biefent ^rittgip
bebiente fie fiep eines Banners, baS ben Sieg mit ficb
bringt, beS BaittterS ber S e l b ft ft ä n b i g f e i t unb
ber greipeit, tponach bie europäifchen BöUcr noch
immer gu rtngett haben.
Die Selbftjucht ber SWeufcbennatur Perlcuguet fich in
Storbamerifa freilich niept; aber es befipt niept bie $>ufii=
tute, in toelcpen bte feerrfcbaflogclüfte tes 5Dienfd'en über
ben Sfebenmenfcpen oevförpert fiitb. (SS befipt fein perr*
fd^eubeS ^faffenioefen, baS mit ber Slnlovität einer Be*
b ör ben m'a cp t auSgeftattet ift, unb boep betraprt bie
Beoölferung in Poller einen emften, religiöfen
Sinn. CS pat feinen Slbel, ber fiep gebevbet, als ob er
gut öerrfepaft geboren fei. Die Sflaberei, tpelche ein
trauriges (Srbftücf ber Bergangenbeit h?ar, tourbe burep
einen mächtigen Krieg Pernich-et, tu treldiem bie Freiheit
ipren Pollen Driumpp über bte Selbftfucpt ber Stlaoen*
palter feierte. Storbamerifa pat feine Regierung, toelcpe
pon ooen per befiehlt, tpaS in ben Schulen gelehrt, tn
beit Kircpeti gebetet tperbeu feil, nnb boeb gebeipt bafclbft
ber 3ugenbimtcrricht unb bic (S^tfteng ber ©oiteshäufer.
Bon Biilitär pat Storbamerifa fold) ein SJiinimum, too*
mit fiep felbft bie fleinen Staaten (Suropa’S nidjt bepel.
feit gu föiuteu meinen, unb gleidnrobl toar ber Krieg in
beit iecpgiger 3apreu ein fo grojjärliger, ba& er bte PoUfte
SlufmerffamfeU ber europäiicpeu militäriicheii Slutoritä*
ten in Slnfprucp napm. Die ftättbige SJcarine ift febr
gering an 3apl, unb gleicpmopl ftnb bie DotpeboS unb
bie SNonilorS auS Slmerifa bie Cviginalntnfter ber atro*
pätiepen Staaten. Die StaatSfcbulben fiitb burep ben
Krieg aufjerorbentlicb geftiegett, aber aü jährlich tuet ben
fie tit fo großem Biafcftabe getilgt, hne eS iit feinem
Staate (Suropa’s ber Rail ift, too man bie Schulben
nicht begaplt, fonbern fcftpält, fo gu fagen conjölibii-1
Uno baS Bolf, baS fo ettergifcp im ©elbpiutfte ift, null
auep Pon feinen ©önnertt im Sluslanbe nichts gejepenft
nehmen.
(SS ift leicpt gu fagen, bafj ber gelraltige Vanbbefttt
Sftorbamerifa’S ber ©ruttb beS ÖrbeipeuS bieier neuen
Sßelt fei Slber man ertrüge trobl, bafe in bcmfelbctt
Sßelttpeil auch ebeufo grofie Väitbergebtcte ejiftiren, bie
naep Klima unb Sfaturpi ebuften bei 2l ; citeni mepr be*
günftigt fittb. Weyifo, $ern, Cbtli, Braftlteit bieten
tbren Bölfern reichere ©elegenpeit gur Kulturenttoicfe*
Iung, als Storbamerifa. B>arum ftepen biefe Räuber
tief unter ber Kultur itttb bem SDoplftanb bes Raubes,
toelcheS man als bie neue SEelt begeichttet!
Dte Slntmort bietet bie ©efchichte in febr auSreichett*
bem Örabe. (SS fcplt biefeit Räubern baS eigentliche
Ferment, toelcheS ber Boben ber (Sntmicfelung ift. (SS
fehlt bort bie ftreipeit unb Selbftftänbigfei t
beS BoIfSlebenS.
Unb ift eS noch uötpig, einen Bergleich unfern- euvo*
päifdieu ^uftänhe mit beiten ber neuen B>elt anguflelleu?
SBir föunen bieS tu einem furgen SlttSiprucp bavlegen.
Die Kämpfe, tit welchen (Suropa feit Beginn bcS jepi*
gen ?;abrbunbertS fiep befiubet, finb in B>aln bett burdp
bie norbamerifaniidte ^reipeit angeregt Worben. Diefe
War eS, welche in Sftaufreicp günbete unb gunt SütSbntcp
ber großen BcPolution führte. Slber ber alte Boben ber
alten Bklt war gur 3*it niept geeignet gur Slnpflangung
Digitized by v^ooQie
Qttrhifdje Sufti}.
301
einer neuen Jiultur. Der geubaltömuS Würbe *War in
blutiger ^eibeniipaftUdjfeit oernicptet, aber bie feurjeln
ber öerric^aft blieben in biejem Aben unb fproffeu in
Kriegs^ imt> örobennigSjielüftm auf. DaS europätfdie
geftlanb Würbe in feinem Aftanbe erfd)üttert unb mupte
burJj einen AfretungSfiieg erft Wieberum feine <Selbft=
ftaiwigfeit erobern. Docp bie Wirtlichen üulturfaaten
fielen auf einen empfänglichen Abeu unb nach
jebnten erfolgten bennocp bie Anlegungen, welche bie
Golfer unb bie Staaten wefentücp umgeftaltet haben.
iöährenb s Jtorbamerifa im AUbefifc feiner Freiheit,
im reichen ©egen feiner Arbeit unb feinet raftloien
gUijjcS lebt, ftept ihm öuropa noch immer mitten im
Jtampfe um btefe A&tngungen feiner ©stftenj gegenüber,
ös werben noch 3 rt h r $e l ;ate bahingehen, beoor bie §emm=
niffe befeitigt iem werben, welche 'Jtorbamerifa im oorb
gen Jahrhunbert oon fid) abgefcbüttelt hat. SßaS ihm
öuropa bieten fann, ift in ber Dlrnt nichts anbereS als bte
öinwanberung, welche bereite in grofeem aftafeftabe
vor fich gept unb fich noch Weiter entwicfeln wirb, wenn
geubaliSmuS unb aJtilitariSmuS fich noch S u oerftärfen
fucht. atorbamerifa h<n ein b e n e i b e n S w e r t h e 3
3le<ht barauf, ftch feiner Freiheit unb ©elbftftänbigfeit
gu erfreuen unb — ©efchenfe oon öuropa, felbft bie
Wohlgemeinten, oon fiep abguweifen."
Jer Schreiber biefe^ ArtifelS, welcher bie
Sichtfeiten ber Her. Staaten fo wohl fennt, ift
felbftuerftänblich nicht unbefaitnt mit ben Sehä*
ben berfelbeit, bie wir aber felbft uns recht oft
gu unferer oelbftbefferung borhalten wollen.
3n e i ne m fünfte jeboch ift fich bie berliner
HolfSgeitung nicht recht flar, ober fie ficht be*
treffe beffelben nicht bi» guin lepteu ©runbe.
Anerfeuneiib, baß in Amerila auch ohne
Staatstirche ein ernft*religiöfcr Sinn gewahrt
wirb, unb ohne Sefeljl oon oben herunter bie
ffirche gebeifje, meint ber Artifel, baß biefe unb
Diele anbere ©rrimgenfchaften anfcern Nationen
abgehen, weil ihnen bie Freiheit unb
3e Ib ft ft ä 11 b i g!ei t beS HolfSlebenS
fehle.
©ang richtig geantwortet. Aber — ein wenig
weiter. SÖo ift beun ber lepte ©runb biefer §reU
heit unb Selbftftänbigfeir? SöeSpalb ift beim
ber Amerifaner in freier ^elbftftänbigfeit ernft*
religiös gefinut, obwohl ihn fein Sättel gum
Sitar treibt; warum gebeiht beim fein ftirepen*
wefen in faft üppiger Söeife, obgleich fein eiitgig
StaatSgefep eS einfehärft; wie fomint es beim,
baß hierjulaub alle Staffen unb ff laffen tu 2Bahr*
heit ein S u it b e S 0 0 1 f finb, baS bou feinerlei
ffajte weiß, unb anberit bebräiigten Sölfern als
Srüöern mit einer Segeifterung beifpringt, bie
faum ihresgleichen fennt ?
Jäher tomnit es, weil bei weitem bie Htefjr*
Suhl öeS amerifanifchen HolfeS auf b i b l i f ch e m
©runbe fteht, unb bie ganje SJlenfchheit, als aus j
einerlei Slut unb ffiefchfed)t foinmenb — als ,
Sr über anfieht. ^n biefer ©runbanfehauung ;
ift bie f5reif>eit unb Selbftftänbigfeit beS ameri*
fanifchen SolfslebenS gu fuchen; beSpalb, weil
ber Amerifaner bie Sibel ehrt unb liebt, hat er
einen ernft* religiöfen Sinn; barum blüht fein
ff irdhentbum, unb aus gleicher Duelle entfpringt
feine Philanthropie.
©elänge es ben Umtrieben ber SibelfeiuDe,
bein amerifanifchen Holte feinen Sibelglaubeu,
fein Hertrauen auf ben perfönlid)en ©ott unb
beffen Rührung gu rauben unb an bereu Stelle
Aberglauben ober Affen = ©ibilifatiou gu fepeit,
fo wäre biefeS große Saab halb eine fo große
Safterftätte unb '(Sigeuimpböhle, wie ein ft bie
große romifche Stepublif, unb es möchte in pun*
bert fahren nod) ein wenig fchlintmer bei uns
auSfehen wie in Srafilieu.
SJtit Schamröthe im Angefuht muf$ man fidh
geftehen, baß unter biefeit Hibelfeinben Diele
jeutfehamerifaner Dorneau ftehen, unb in bein
©efdjvei — weg mit ber Hibel unb ihren Sehren
— fich gn überbieten fuchen. Sie haben gwar
noch nirgenbs einen orbentlidjen Staat gegriin*
bet, biefe Herren; jebe ihrer auf 9teligionSlofig=
feit gegriinbeten ©olouien ifi fchniählich gu
©runbe gegangen. Sie haben tu Jeutf^lanb
gefchrieen unb geträumt, unbbaS war alles, unb
treiben ihr £anbwcrf ^icrgulaitb fort — inbent
fie jept oon ber 6 i Di l i f a tion, anftatt wie
brühen Don ber Freiheit fingen. Aber ihre
Gioilifatiou hat — abgeriffen Don ber Hibel —
nur Jörnen gebracht; bie amerifanifche, auf
biblifcher ©runblage ftehenbe, brad)te trop ihrer
Dielen Süden unb Heulen bereits föftlichegriichte,
an welchen bie gange ®lenfd)f)eit fich labt. Hiöge
©ott biefe Gioilifation erhalten unb es ge*
lingen laffen, fie weiter auSgubilben.
türltifdie Juflij.
mW? bcn lafl ein 2lopbfchiff in ber fchö*
'acWlQ neu 1)0,1 s ^° oor ^ u * cr t)aifa,
als ich guitt ©afen herabfam unb auf baS
( o$r SJleer hinauSfchaute. Auf bem Hevbecf
beS JampferS herrfchte große Hcwegimg
unb birfer Jainpf qualmte aus bem hohen ffa*
min be* Schiffes, woraus i<h erfannte, baß ber
Jampfer jebeu Augenblid abfahren fönnte.
JaS mußte ein anierifanifcher Aeifenber auch
benfeit, ber eben Dom gropen ©liaSflofter auf
bem ffarmet herabfam, benn er eilte haftig bem
Ufer gu unb fprang ohne Diel AfforbireuS in
eine» ber baftehenben Hoote, um fich auf ben
Jampfer bringen gu laffen, mit bem er feine
Steife fortfepen wollte. JaS Hillet erfter ff laffe
nach Sniprua hatte er fd)on in ber jafche unb
eilte barum. baS Schiff noch gu erreichen, ehe es
abfubr. „©liidliche Steife" rief ich ih™ noch auf
gut Jeutfch nach, weiß aber ni^t, ob er es ge*
hört unb Derftauben hat, febeitfallS ging ber gut
gemeinte SBimfch nicht in (Erfüllung.
Digitized by v^ooQie
302
BUrhifhe 3ufli}.
Senn !aum ^a(6roefl§ war er mit feinen bei.
ben SRubererit gefommeit, alä baä Soot anbielt
unb bie beiben SBootöfü^rer aufbörten gu rubevn
unb bcifiir in lebhaftem SJortroecbfel mit bem
©merifaner fich beruntganften, fo oiel man feben
fonnte; böten fonnte man ihre eifrigen ©eben
nicht. eä roar gu weit entfernt nnb baä ©rauben
ber 2BeBen an ben Reifen beä Uferä übertönte
ihre ©orte. Gä mar, mie icb' mir gebaut batte,
bie ©ootäfiibrer Ratten p(ö^lid) angebalten nnb
erflärt, baß fie nicht meiter fahren, roenn er nicht
auf ber ©teile febern Don ihnen einen Napoleon
flehe. Saä mar aber bem praftifcben ©merifaner
gu Diel fiir einen 2öeg, ben man in einer ftnrfen
Siertelftunbe guriicflefleit fonnte, roenn man tücb=
tifl guruberte. 'Much ift ber gewöhnliche ©reiä für
bie Ueberfabrt auf ein Sainpffchiff fünf ©iafter
(etroa 20 Gentä). Sie ©ootäleute butten aber
flemerft, baß eä bem ©merifaner febr micbtifl
roar, baä £d)iff noch gu erreichen, unb fo buchten
fie, er roerbe lieber baä ©erlangte fdjnell gablen,
alä riäfiren, baß er nicht mehr auf baä ©chiff
fomme, bas jeben ©ugeublicf abfabren fönnte.
3n ber Sbat rourben roiibrenb beä ©fort,
roecfjfelä bie ©itfer gelichtet unb ber ©merifaner,
ber fich burcbauä nicht betrügen taffen roollte,
beutete auf baä Ufer unb fd)ien bamit'gu per.
langen roieber att baä Sanb gerubert gu roerben.
Snä Sainpffchiff fuhr ab unb fo lehrte baä
©oot mit bem ©merifaner, ben bie ©ootäleute
augefichtä ber 3 u fö^aucr am Sanb nicht inä
©teer gn werfen wagten, nach C>aifa guriicf.
Ser ©merifaner ging fofort gum amerifanifchen
©igefottful unb mit bicfein gum Kabi (Stichler)
bon ©aifa. tiefer aber roieä ben Kläger an
baä böbfte ©eric-bt in ber benachbarten ©tobt
©ffo.
Sort oernahm ber Kabi ben amerifanifcben
Klager unb bie angeflagten ©ootäleute. Tiefe
leugneten einmütig, ben ©merifaner iiberfor.
bert gu habefi, öielinefjr behaupteten fie, ber
©merifaner habe fich geweigert bie gewöhnliche
Saje für bie Ueberfabrt gu begableit, roeßbalb
fie gurücfgefebrt feien. Ser Kläger hatte feine
3eugen, ba Stiemanb ihre Unterrebung gehört
batte, unb auf baä eingige 3fUflniß beä Kiägerä
bin, ber iiberbieä im ©uälanbe unb ©iaitr war,
burfte ber Kabi groei ©tänner, beren ©uäfageit
übereinftimmten unb bie überbieä rechtgläubige
'JJtoälem waren, nicht öerurtbeilen, obwohl er
bie .fjabfucht unb ©eroalttbätigfeit ber ©ootä.
führet fannte unb überzeugt roar, baß ber ©nte=
rifaner, ber fein Sillet borgeigte, baä ©chiff
gerne erreicht unb barum bie Säjre gewiß willig
begablt batte, fflaä fotfte er thun? Gr warf
bie ©ootäfübrer gur Unterfuchungäbaft in ben
Kerfer, um fie mürbe gu machen.
Gin türfifcher Kerfer ift aber nicht wie unfere
3uchtbüufer oon außen einem ©alaft gleich «nb
auch im 3nn ern fief)t eä anberä aüä alä in
unfern ©efängniffen, fo baß eä bort nie oor.
fommt, baß einer, ber im ©efängniffe roar,
gerne roieber babin gurüeffehrt, wenn er einmal
loägelaffen ift. 3m Kerfer hielt er beibe ftreng
getrennt unb ließ bann nach groei Sagen einen
ber ©ootäfüfjrer roieber oorfiibren. Siefer fab
fich befremblid) im ©erichtäfaal um, benn er er.
blidte in einer Gcfe beffelben ben ©erichtäbiener,
ber mit feinem ©ambuärobr gang oergnüglid)
baftanb. ©o rourbe eä ihm febr unheimlich gu
©tutbe, weil er badjte, biefer habe fich nicht um.
fonft mit feinem SR obre eingefunben. ©ber er
erfebraf noch mehr, alä nach furgem ©chroeigen
ihn ber Kabi oerbammte: „©flabu alain! ©ott
ift allroiffeitb, er giebt baä Sunfle anä Sicht unb
eä bleibt niebtä ©öfeä oerborgen oor ihm, bnä
nicht beftraft roiirbe. tffünfgig ^raufen baft bu
bem fjreinben abgeforbert. Sie ©träfe bat bich
ereilt, ©uf, Wiener beä ©erichtä, miß bie fünfgig
^raufen auf bie gußfofjlen beä Ungerechten
auf!" Ser Siener ergreift ihn, unb will eben
anfangen bie ©träfe gu ooügieben. ba ruft ber
©raber, fich nur noch auf bie ©nabe beä Kabi
oerlaffenb: „©ott ift batmhergig, o Kabi, er.
barme auch bu bich mein! ©ott bat bir SBeiä«
beit gegeben, o Kabi, bein ©uge erblidt baä
©öfe. and) roenn eä oon Sunfel bebedt ift. Sei
bem Sart beä ©ropbeten, ich habe nicht fünfgig
^ranfen geforbert. 34 habe roie mein ©euoffe
nur gloangig ^raufen getooflt."
„2öaä ?" rief ber Kabi, „bu baft groaugig ge.
forbert, unb weißt boef), toie oiel baä ©efeß oor.
fchreibt!"
©nn ließ er ben ©nbern auch rufen, ber
jeßt nicht mehr leugnen fonnte. ©ie erhielten
fofort jeber groangig auf bie fffußfoblen. ©o«
bann mußten fie bem ©merifoner ein neueä
SiBet für baä nächfte ©chiff taufen, ihm für
bie oerlorene 3«it< biä nah Oiergebn Sagen ba§
nächfte ©chiff fam, ©chabenerfaß leifteh; unb
ber ©merifaner pflegt ben SEBertb ber 3fit nicht
gering angufchlagen, roeil er weiß, baß baä
Sehen furg iß. ferner mußten fie alle Kofteit
beftreiten, bie bem ©merifaner fein öerlängerter
©ufentbalt in £>aifa oerurfachte, unb eiiblich,
alä baä nächfte ©chiff fam, ihn prompt unb un.
entgeltlich <iuf baffelbe hinüberrubern.
(3ugenbblätter.)
Digitized by v^ooQie
«ute äadjt,
303
Digitized by v^ooQie
304
§9os ift felbftoerflänbUd) ?
Pos Sifd)0rbrt •§*•
§ it ber (Eafcl im (Safthaus 311 m golbeiteu Stern
IPareu beifammeit piel renbe l?errn.
, Dor ihnen (tauben aus Küd?’ unb Keller
(Sar lieblich lotfeub bic ^lafdycn unb (Teller.
Schon faßen fte ba in plaubernben (Sruppeu,
Pie Kellner reichten bie bampfenben Suppen,
Hub mefyr nodi begannen (Semüf mtb Braten
ITlit fiißem irohlgermb 311 laben:
Pa fant 3 itr (Efyiirc (tili herein
<£iit Jfrember mit feinem (Töchterlein,
Hub fegte fidj unten am langen (Eifd?,
Um auch 31 t fofteu ron IPein mtb ^ifd?.
0 beu flirrten bie £öffel unb ITTeffer,
Klangen bie (Släfcr unb fcbei^teu bie <£jfer.
Huf einmal tönt’ gar hell unb feilt
(Eine Stimme in beit £ävm hinein,
IPie tpcitit von fern ein (Slöcflein flingt,
It>ie tpeun im IPalb ein Pogel fingt,
Unb tuie auch ber Strom ber Hebe raufebt,
Still tpirb es rings unb jeber laufdit:
Per Krieger, ber pon ben Schlachten er 3 ählt,
Per Kaufmann, ber über bic gölte gefdjmält,
Pie iPaitbrer, bie ron Hbenteuern
(Sefprocbeit unb pou Ungeheuern,
Pie Stuger, bie pon Pferb unb IPagen
Hub 6 unben unb lUoben fo gar piel fagen.
Uttb tuie fte febauen nach bem 0 rte,
Pou mol^er bringen bie lieblichen lüorte:
ITTit gefalteten ^änbeit ein UTägblein fteht,
Unb fpridjt feilt gelohntes (Eifchgebet.
Unb tpie gebrnngeit pou l^öf^erem (Seift,
galten aud? fte bie öäitbe 3 umeijt,
Hub borgen alle red?t mit Jfleiße
Huf bes ftammclnben Kiitbes IDeife.
Parauf fegt es fi<h nieber mit ftiller ^Jreube,
Unb achtete nicht auf all’ bie £eute.
Pie aber, ergriffen im tiefften Innern,
(Theten ftd> oft nod? barait erinnern;
Uitb mancher hat tpieber gebetet fortan,
tDas er fchon lange ntd?t mehr gethan.
(Ir. *iUI.)
---<£°^ -- —
|0a0 i|t felbflocrftünMidj?
S chreibt mir oor längerer 3 e >t ein gfreunb
bott ber Steife: „Se( 6 ftoerftäitbl ich
• bin ich gefterit früh hier wohlbehalten ein.
getroffen." jfcf) traute erft meinen Stufen nicht
uitb lad nod) einmal. 9tid)tig, fo ftanb’d ba:
„S e (b ft o e r ft ä n b 1 i d)!" Schuttclft bu nicht
ben .ftopf, mein f^reunb, ber bu bie» lieft ? —
Salb barauf befomme id) eine 3‘’itung jur £>anb,
bariit mar ju lefeu: „töaurath St. fonftatirte
in ber Serfammlunfl bed Goinited, bie hhßiei»
nifdjc ((^efuuöl)eit5= )')luc-|telliuig in Serlin merbe
am lti. fUtai abfolut fertig feiii."^ $>ad
mar alfo aud) ein fe^r jimerficbtliched „Selbft.
Derftanblid)". Unb mie farn’S ? $hir$e 3eit nad)=
ber mar bie Slndftellung aflerbingd fertig; aber
m i e ? Sie mürbe 311111 großen ^ifteile ein Staub
ber Slammen. So macht ber föicnfch feine 23e«
rechnungen, unb fagt bann: „55a§ muß nun
f e l b ft b e r ft rt n b l i ch fo toerben; ed fann nicht
anberd fein." 2Bie aber gef)t’d in nieten, Dielen
ftiiflen? Sehen mir mir jeber in feinen eigenen
Keinen Grfafjrungdtreid hinein. 2öir fönnen’d,
meine id), jeben $ag auf’d neue inerten, mie
treffeitb mtfer Schiller — fo fd)icf auch fonft fein
Urtheil in religiöfen fragen oft ift — gefugt: ’
,,U?as fint> tfoffnimcien, was fiiib (Entwürfe,
Die ber ITIenfit, ber oeraäncilirbe fobu ber 5 tiiubc,
n f ge baut auf bctriialicbem ©ruiibe?"
3a, fo ift’d. „Unberhofft lommt oft.“
2Bir roiffeti boch tbatfäcblid) nicht, mad bie nächfte
Stunbe bringt, Grfchütternb hat und bied bad
6 i f e n b a h u u u g l ii cf bei fjreiburg, bie großen
Srcinbe in leßter 3eit, ber Untergang ber ,,Gim.
bria" u. f. m. gezeigt. $n haben geioiß auch bie
meiften ganj jimerfichtlich gebacht, fie müßten
f e l ß ft u e r ft ii n b l i d) mohlbeholten heim*
fetjren.
SIMr hnbeit abfolut nichts in unferer ^)anb.
'Sied „SelbftDerftanblich", bei betn mir und ein.
bilben, ed iniiffe fo tommen, mie mir gebacht, ge.
mollt, gepinnt, ift alfo nichts weiter ald ein
gruublofer 21 b e r g l a u b e. 2Bir föniteit immer
nur fageu: „So ©ott mill unb mir
leben," mie 3acobud und bad ifapitel 4, 35.15
| ernftlicb an’d $erj legt. Gd fomint nicht barauf
an, mie ro i r wollen, foitbern mie © o 11 will.
®on feinem Spillen hängt alled ab, ift alles be=
bingt. (&elbftoerftänblich gefchie^t alfo
nur, mad ©ott mill, unb mie ©ott ed
mill, (internal er alle ^inge wirft
n a ch b e m 9 t a t h e feines 355 i 11 e n § (Gph.
1,11). tiefer 9 lberglaube, in bem ber
fötenfeh fi(h eiubilbet, afled iniiffe fich nach ihm
richten unb nach feinen ©ebanfen gehen, ift uud
aber — ,£>anb auf’d |>erj! — allen noch ge.
1 f ä h r l i ch. Saßt und baruni alle fleißig lernen
Digitized by v^ooQie
(Sine gewiflTe jJuötrfidjt btß, bas man hoffet.
305
an biefem: „So ©ott will." @r ift’S, ber
allein alle tihüren auffchließt ober öerriegelt, je
na^bem eS uns gut ift. @S barf nun einmal
oieles gor nicht fo flehen, roie mir gern wollten,
weil nufere ©ebanten gar oft mit ©otteS ©e=
bauten nicht ftintmen. Se 16 ft o e r ft ä n b I i dj
läßt’S uns bann ber Bater im £imiuel n i cf) t
gelingen. $aju bot er unS öiel ju lieb, als baß
er uns in allem nacpgeben fönnte. 8s bleibt bei
feinem üöorte: „OJieine ©ebanten fiub nicht
eure ©ebanten, eure SBege nicht meine 2 Bege" «.
(3efaiaS 55 , 8 , 9). SDa foU es nun für uns
fötjrifteiileute immer felb ft Der ft an blichet
werben, baß mir boit biefen ©ebanten allein uns
binbett uitb bilbeu laffen, alsbiebn toiffeit: „ 6 s
finb alles ©ebanten beS fJriebeuS, Biege beS
,£>ei(S (herein. 29,11). 3a, Salomo hat Stecht:
„■J)eS SJtenfchen $erj fcplägt feinen BJeg an,
aber ber £>err allein flieht, baß er fortgebe."
(Sprüche 16, 9). (Bachbär.)
diitf gnoiflTr luocrfuijt bcfj, Doö mau Ijoflfrt, unb iiidjt fiel) ft. (Grlir. 11 .)
^ ©ine Cfhrgefihiihte »an $r. Äidjarb gofter.
„3a, hören Sie nur folflenbe mertmiirbifle
Srgüblung," faflte ber BrntSratl), inbem er baS
betannte Buch öon Splittgerber aufüblufl. Unb
er begann ju lefen:
„2Bir roanbten unS nun öon bem Ufer beS
Sees ab unb näherten uns ber UJlitte beS Barts,
wo jiott beS SaubfjoljeS buntle bid)t neben ein»
anber ftehenbe Sbeltauneu ju beiben Seiten beS
3?ußfteifleS ftanben. 3nbem mir ben leßtereit
berfolgten, erreichten mir einen Bloß, bei beffeit
betreten ich iiberrafcht flehen blieb unb im erften
Biigeublicf fein 28ort ju fprechen wagte, Bor
mir lag, öon bimtlen Sannen eingefaßt, bie nur
ein gebainpfteS Sicht auf ihn fallen ließen, —
ein ftiller fjriebhof mit fünf ©räbern, welche
fämintlich eiuanbet gleich auf baS forgfältigfte
gepflegt erfchienen, mit grünem Stufen bebecft
unb mit hohen weißen Btarinorfreujen ge»
fehmiicft, roährenb ber Bloß rings um biefelben
her mit feinem weißen Sanb beftreut roar. 'Jtic
hat mieber ein üfriebhof einen fo eigenthüntlid)
feierlichen Sinbrncf auf mich gemacht als jener
Blaß mit feiner inagifcheu Beleuchtung, feinen
wohlgepflegten ©räbern uitb feinen hohen ©rab»
treujen, bie eine fo ernfte Sprache gu bem £)er=
gen rebeteu! ISIS ich enblid) bie Stille unter»
bredjenb fragte, ment biefer Kirchhof gehöre,
unb wer bie feien, bie unter jenen ©rabhi’tgeln
fchliefen, — erzählte mir Baftor St., baß bieS
baS gfamilienbegräbniß beS Barons öon B. fei,
Welcher fümmtliche Ainber unb guleßt auch noch
bie jugeublich bliiheube ©attiu an einer an»
flecfenben Ainberfranfheif in wenigen Sagen
öerloreu habe. ®a biefe Stelle im Bart nun
nun ber SieblingSplaß ber Baronin gewefen fei,
fo habe ber ©atte fie fammt ben Äinbern hier
beifeßen laffen. 3®ir traten nun näher an bie
©räber, unb ich las mit Bufmerffnmfeit bie 3»=
fcpriften ber Areuge, bie außer ben Barnen unb
ben gewöhnlichen Beigaben beS ©eburts» unb
SobcStageS fehr fchöne tröftlidje Bibelfpriiche
enthielten. Buffaflenb war es mir jeboch, baß
auf bem Areuj ber fo früh hfimgegangenen
Baronin nur bie beiben Blorte ftanben: „3dj
lebe" mit ber BejeiChnung ber Bibelfteüe: 3oh.
14, 19. 3cb fragte beShalb Baftor R., warum
benn nidit ber gonge Spruch auf bem Senfmal
flehe, baberfelbebod), wie mir feßien, hiergerabe
gang befonberS pafjenb gewefen wäre: „3$ lebe
unb ihr follt auch leben!" $a erzählte er mir
bie mertwiirbifle Begebenheit, welche bie Ber.
aulaffuug gn lener furjeit 3 nfchrift geworben
war. BIS ber Baron öon B. bie fämmtlichen
Riuber unb bann auch «och bie innig geliebte
©attin fo fChnefl nach eiuanber öerloreu hatte,
mar er natürlich im höchften Btaße niebergebeugt,
ja, in ben erften Blochen ööllig troftloS. Bus
bem fchönften fjamilienglücf plößlich heraus»
geriffeu, irrte er ruhelos, öon fdpnerglicber Sehn*
fucht nach ben Seiuigen oergehrt. Selbft beS
BachtS faub er bie erwüufchte Buhe nidjt, ba öor
Schmerj unb Bufregung faft fein Schlaf in
feine Bugen tarn, unb höchfteuS nur ein furger
unruhiger Schlummer ihn üoriibergehenb feinen
©ram öergeffcit ließ. — 2 )a lag er nun auch
eines Bacfjis unruhig auf feinem Bett, mährenb
feine ©ebanten mieber ber heißgeliebten ©attin
gugemenbet waren, unb mit bem Annulier über
ihren Berluft gugleich ber 3weifel in ber Seele
aufftieg, ob fie benn auch wirtlich noch lebe unb
er fie in ber (Swigteit eiuft mieberfeheit werbe.
SBährenb aber biefer finftere ©ebanfe ihm bnrdj
bie Seele ging, fah er plößlich baS 3iwmer hell
erleuchtet, unb öor ihm ftonb bie öerflärte ©e»
ftalt ber ©attin im hellen weißen leibe. Sie
fah ihn überaus freunblich au, ein feliger ffriebe
leuchtete aus ihrem Bngeficht, aber fie fprach nur
biefe beiben einzigen Blöde gu ihm: ,,3d) lebe!"
unb war bann feinen Bugen eutfcbmunben."
©ewiß waren in ber ©efellfchaft manche, bie
biefer ©rgähluitg einen mehr fubjettiöen Bierth
beiinaßen, allein fie mar boch fo ergreifenb, baß.
Digitized by v^ooQie
306
(Sitte g muffe jluoerfid)t beff, bas man tjoffrt.
al@ ber SSorlefcr baS Sud) gur ©eite legte, alle
in ©dpeigeu Derbavrteu. Girier ber Slntoe*
fenben naf)in baS Südjlein in bie £>anb unb
blätterte barin.
©d).. ber betannte SanbfchaftSrnaler,
brach guerft bie ©title, inbent er bemertte: „0iefe
SBorte finb einmal einem meiner jüngeren ©e*
troffen lebt bebeutungSDotl geroorben."
„2Beld)e 28orte?"
„ 0 er Spruch: lebe unb ibt foflt auch
leben," fagte er mit ernfter ©timme.
„SBoüen ©ie unsba§ nid^t ergäblen?" bat man.
„0, roenn Sie eS roünfchen. 3<h mnfe in*
beffen babingefteHt fein laffen, ob eS ©ie bin*
reicpenb intereffiren wirb. 0eitn eS ift eine
ßünftlergefchichte mit aller baju gehörigen Öto*
ntantif. 0er eirtgige Sorgng, ben fie Dor ihres*
gleichen bat, ift ihre Wahrheit."
„Sie roirb rtn§ (ebenfalls intereffiren," börte
man Dort allen ©eiten.
„&aben ©ie nicht einmal ben Silbbauerita*
men öan 0 eefen trennen hören? 0 er ihn trug,
ift freilich jefft nicht mehr am Sehen, unb feine
Werfe mürben faft alle nach Gnglanb oerfauft.
3 ttbeffen, man bat bodj feinergeit Don ihm gere«
bet. 3 ch lernte ibn, ben ülieberlänber, in jenem
merlmürbigen SerfammlungSort fo Dieler 91a*
tioireu, in 9tom, tertuen. (Sine jugenbliche
Grfcbeiitung, Doll frifchen SebeuS unb Doü 93c=
geifterung für feine ffrinjt. Gr leiftete auch
etwas, unb jebermann fang fein Sob. Gine
befonbere ffrertigfeit befaß er im .frerftetlen büb*
fcher, finitreicher Steliefs, bie giguren etma in
halber SebenSgröffe gehalten, gart unb anrnir*
tbig beroegt, — nnb mnnberbar, er geigte eine
au Sgefprocpcne Steigung für religiöfe ©toffe.
3d) fage mrinberbtir, benn roenn einmal baS
©efpräd) auf ©egertftänbe biefer 9lrt tarn, (ehrte
er ben auSgefprochenen ©feptifer berDor. Wir
haben utt§ manches Wal gerounbert, roenn er
int 0one falten 3'DeifelS, bölligen Unglaubens
über bie 3bee eines göttlichen GrlöferS, eines
fJortlebenS nach bein 0obe ein Wort binroarf.
0 iefe 9lrt, oon djriftlid)en ©lanbensroabrbeiten
git reben, bie beute fo Dielen rühmlich unb fdjitf*
lieh erfcheiitt, roar bamals, roenigftens in un*
ferem .Vireife, noch recht feiten. Unb babei mei*
ffelte Dart 0eefen religiöfe ©toffe! Wir haben
ihn fo manches Wal genedt unb gefagt: 0u
bift gar nicht fo ungläubig, wie btt ütiS glauben
machen roillft. Allein bös roieS er bann gienr*
lieb beftimmt guriid.
„3ch glaube an baS 0ieSfeitS unb an ben
Job alles Sebcnbigen," fagte er einmal, „aber
nicht an 0 ingc. Don benen roir nichts roiffen
föniren. £>abt 3 br mid) jemals etwas 3 enfei*
tigcS barftelleu febert?"
9täber gugefeben, gingen feine 0 arfte(lungen
Wirtlich nicht über biefen „©lauben an baS 0ieS.
feitS unb feine Sergänglichteit" hinaus. SEroff
aller Slnmutb waren fte faft auSfchliefflid) öon
einer trüben melandjolifchen ©timmung be*
berrfdjt.' fftirgenbS eine tröftlidje Wibeutung
ober £)inroeifung auf ein beffereS Sebett! Was
fie roirften, roirften fie burch bie Wacht beS
©d)inergeS, ben fie unbergleichlich lebenbig gur
Wifcbauuug brachten. GS batte etroaS Grgrei»
fenbeS, beti ßopf beS fterbenben GtlöferS, eine
trauernbe Watia, ben erfdjlagenen 3lbel neben
feinem 9lltar, £>agar in ber Wüfte, ben 9lbfd)ieb
eines ftinbeS Don feinen Glterit, eines SaterS,
einer Wutter aus bem greife ber ihrigen Don
feiner fjattb in ©tein gemeißelt git feffen; bie
©eftalten fo fpredjenb, fo übergeugenb, halb bie
SRube ber Gntfagung auf bem füllen 9lntliff,
halb in leibenfdjaftlicher Seroegung; bereits*
brud ftetS Don erfeffütternber Wahrheit. 0iefe
0arfteüungen trugen ben Stempel beS ©elbft=
erlebten, mit fo überroältigenber Wahrheit fd)il*
berten fie baS Web ber Trennung, baS leßte
matte Säbeln eines ©terbenben, bie ©ebtoere
eines barten ©efchideS. Gr hat mehrere ©rab*
bentmäler biefer ?lrt bergeftellt, beren eines ich
noch bor furgem einmal roieberfab in einer (lei*
nen ©rabfapelle gu ffloreng, unb eS ergriff mich
Don neuem in ber SEiefe meiner Seele. Wan
fiebt bort 0auib unb Jonathan Don einanber
Wbfcbieb nehmen, Jonathan ift roebmütbig,
ftill unb in fiep gelehrt, in ben Don plöfflichem
©cpmerg gerriffenen 3ügeit 0aDibS, in ber baftü
gen ©eberbe beS ficb 91broenbertben fpricht fich
beutlich bie 3lbnurtg' aus, baß er ben ffreunb
nicht roieberfeben roirb. Won foHte eS nicht für
möglich halten, baff ber (alte, harte ©tein eine
fo gu bergen gebenbe Sprache reben tann, aber
es ift einem, roenn man bieS ©rabmal fiept, gu
Wntbe, als hätte man baS 0argeftellte felbff
erlebt. 911S Dan 0cefeitS Weifterfchaft auf
biefem ©ebiete anfing belanuter gu roerbeit,
floffen ipm eittfchlägige Aufträge, Söeftellnngen
Don ©rabbenlmälern unb ähnlichen 0ingert in
großer Wenge gu.
0ocb ich muff fepen, baff ich J» meiner Grgäb*
lung toinme. GineS SEageS, in ber 3fU beS
ebeii erroadjenben frühlings, ging ich mit oan
0 eefen über bie '-fßiagga bei ijßopolo, unb eben
als roir uns bem nahen Share guroanbten, rollte
ein offener SBagen an uns Doriiber, in welchem
eine bloube 0ame, bie Soöbter unfereS englifchen
ffiefanbten, faff. 3 <h tannte ffe febr wohl unb
griiffte. 5?eu roar mir nur, baff audj ber f^reunb
fie tannte, ich batte ipn nie int $)otel beS ©e*
fanbten getroffen. Gr griiffte inbefferr bie 0ame
mit einem 91uSbrtid lebijaftefter Gegebenheit unb
tmirbe Don ihr in ber bulbreidjften SBeife roieber
gegrüfft. GS entging mir burehauS nicht, baff
neben bem feinen mein ©ruff beinahe überfeffen
würbe.
Digitized by
Google
(Sine geroiffe JJuoprftdjt ließ, bas man hoffet.
307
„Sinbeft bu nirf)t and)," fagte i 4 im ©eiter»!
geben, oorfi 4 tig ootfühlenb ju bem greunbe, i
„baft Wift fielen ©ranforb bie liebenSmürbigfte
Same ber hiffigtn ©efetlf4aft ift ?"
„©emift."
„91uu benn," unb ich fonnte einen ® 4 erj nicht
länger unterbrürfen, „ich beneibe bi<b!"
6 r bücfte mich an, unb anftatt ju lächeln, wie
ich erwartet, fab ich feine klugen in bunflem
©ifer brennen. „Wein ft bu, baß eS ein be»
neibenSmertfteS 2oo3 ift für uns beibe, bur<b
ganj unüberfteiglicbe © 4 ranfen, burcb 9Sor»
urteile gefchieben ju fein?"
34 erfchraf. 3in erften 91ugenblirf berftanb
ich ihn nicht böüig, ich meinte, er rebe üon uns
beibeu, oon mir unb ihm. 5113 ich bann begriffen
batte, roa3 er meinte, unb eine weitere fjrage
tbat, fchiittelte et traurig feinen feinen ffopf unb
fagte: „@3 läßt fich nicht Diel barüber fagen, e§
ift einmal - fo."
„9tber," bub ich mieber an, „ber ©tanbeS»
unterftbieb ift in biefem gafle bocf) nicht fo un»
au3füllbar."
„m ©tanbeSunterfchieb. ©tmaS ganj anbereS
fteijt hier binbernb, trennenb im ©ege: meine
religiöfe Stellung. 55er- ©arl of ©ranforb fagt,
ich fei ein 91theift."
„Unb bu bift e§ nicht ?"
„34 roeijj nicht, wa3 ich bin. SBiefleicht bin
ich & *4 bin in jenen 9lnf4auungen groß ge»
worben."
„5lber glaube mir, mein fjreunb, man änbert
im fieben auf ©runb eigener ©rfafjrungen in
taufenb 3?äüen bie überfomntenen 9lnfi4ten."
„3amof)l. 9lber ich bin au4 ni4t ganj ohne
©rfabrung. Sit weißt, wie arm unb allein i4
mein ganjeS Seben bageftauben habe. 34 habe
bie 5ßergängli4feit aller Singe erfahren. 34
glaube an ben lob unb feine unerbittliche ©aftr»
beit. 34 weift ni 4 t, wie man bomit ben ©lau»
ben an aitbere Singe oereinigen lamt."
„9lber baft bu nicht gerabe in beiner Skrlaffen»
beit oft ©otteS £>ülfe erfahren ? ©ie bieleS hat
er bir gegeben .. ."
„3“» aber ni4t3 ©eibenbeS." — ©r fpra4
fi 4 bieSmal nicht weiter aus.
34 «ahm in biefer Sa4e für beibe ©eiten
^Partei. Sa i4 ben Sari of ©ranforb fannte,
unb wußte, wie heilig ihm fein ©laube, ein wie
hohes, unf4äßbareS @ut in feinen 9lugen ein
fefteS, tlareS, entf 4 ieben gläubiges unb thätigeS
©briftenthuni war, begriff i4, baft er eine 33er»
binbung feiner So4ter mit einem jungen Wanne,
ber über biefe Singe fo ganj anberS ba4te, ni4t
Wünf4eu fonute, ja, für unmögli4 halten muftte.
©S mar bieS bo<h nicht fo ganj SSorurtheil. $u
bem weiß man, mit me( 4 em Wift trauen bie ©e»
fellf 4 aft im allgemeinen ben oon ffünftlern oor»
nehmen jungen Samen gejoflteit Tribut ber
Verehrung entgegennimmt, ob mit 9te4t ober
Unrecht, brauche ich ja jefct ntd)t ju entfcheiben.
9luf ber anbern ©eite aber waren meine ©hm»
patljien mit meinem greunbe. ©S mar meine
innigfte Ueberjeugung, baft man ihn ni4t fo
ohne weiteres unter bie ganj irrelftjiöfen Wen»
f 4 en werfen bürfe. — 5tie hatte i 4 ihn mit
Abneigung, nie mit gebaffiger 33era<htung oon
religiöfen Gingen fpre 4 en hören. 3 m ©egen»
tfjeil, er hatte eine entf 4 iebene Üteigung bafiir,
er bef4äftigte fi4 oft mit ber 33ibel, er hatte
feine 9ln(age jum 2ei4tfinit, biefem gröftten
tfleinbe e4ten ©laubenS, er mar aufrichtig unb
wahr. 34 hatte immer ein ©efiihl, als fei in
ihm glei 4 fam üerborgen ber ©laube an bie un«
fi4tbaren Singe borhonben, es gelte nur, ihn ju
werfen, unb i 4 gab mi 4 ber Hoffnung hin, ©ott
werbe jur re 4 ten ©tunbe fein |ierj ju bewegen
roiffen. SSorurtheile halten ihn, ben fjreunb,
juriirf, oor allem baS eine Sßorurtheil, man
fönne fi 4 ohne ben ©laubeit an einen ©rlöfer
bur4 bie ©ngen unb liefen beS menf4li4en
SafeinS ftinbur 4 finbcn, ber ©laube fei ent»
behrlkb-
Siefe meine 9lnfi<ht foUte no4 futjer 3«it eine
merfwürbige SBeftätigung erhalten.
Srei, oier Sage nämlich na4 jener SBegegnung
bur4lief unfere Greife baS ©erii4t, bie Socbter
beS ©arl of ©ranforb fei oon einem plößlid)en
Unfall betroffen worben. Sie ©erbe waren
bur 4 gegangen, fie hatte ben ©agen berlaffen
Wollen, mar gefiiirjt — unb liegt nun infolge»
beffen f 4 toer barnieber. 34 ging foglei 4 in bie
5M)nimg beS ©efanbten, um genauere ©vfun».
bigungen einjujiefjeit unb meine Sheilnahme ju
bezeugen. Sort empfing mi4 bie betrübenbfte
5ta4vi4t, bie eS geben fonnte. Sie junge Same
war im Saufe beS 9lbenb$ an einer inneren 3.1er»
leßung geftorben.
Wein erftcr ©ebanfe mar an meinen greunb.
34 eilte ju ihm unb fanb ihn in ber gröftten
Unruhe. 6 r rebete mi4 felbft auf baS 33or»
gefallene an, i 4 fah ans feinen ©orten, baft er
ben leßtcn 9Iu3gang beS ©veiguiffeS noch »14t
fannte. 34 erwähnte, baft i 4 mich im ©efanbt»
f 4 aft«hoteI erfunbigt habe.
„ 2 öarft bu foeben ba?" fragte er.
@o war eS benn an mir, ihm baS ©rgebnift
meiner ©rfunbigungen, baS 9lllerf4merjli4fte
mitjutheilen. 6 r mar auf baS tieffte betroffen,
©ine 9lrt ftarren Staunens f4ien fi4 feiner ju
bemä 4 tigen, als wenn er nid)t re 4 t gehört hotte,
unb ihn ganj ju überwältigen. „ 3 ft es wahr ?"
ftammelte er, unb als er meine ©orte enbli 4
faßte, mit einer füllen fttaferei beS ©4merje3:
„©6 fann ni 4 t fein."
„Wein lieber ffreunb," antwortete i4, „i4
begreife beinen © 4 merj. 9 ll!ein in biefer ©eit
giebt es uiele ©nttäuf 4 ungen biefer 91rt."
Digitized by v^ooQie
(Sine geroiffe JJuoerfttl)t beß, bas man hoffet.
308
„Giittänf4iingen" — faßte er. „3(4 meinff
bu, baß i4 an mi4 beute ? 3(ber wie ift eS bo4
nur möglich, bies halbe trifte Gelten, in ein
paar ©tuiiben! Sobt? 3lein, i4 glaube eSnicht,
fie erwacht mieber, fie fanit nicht tobt fein."
„ 0 , mein greuitb," rief ich aus, „bu rebeft
uubemußtermeife bie Wahrheit. ©emiß, fie wirb
erwachen ju einem belferen Seben. Was mir
Sob nennen, ift fein Sob. Unfer #err uhd f?ei=
taub fpricht: 34 lebe unb ihr follt au 4 leben!
nub fein 3lpoftel filßt hiuju, baft, wer an feinen
hiameit fllaube, bas ewige Seben habe." llnb i4
f4itifl haS 'Wort bes Grlöfers auf in bem Plenen
Seftamcnte, baS auf bem Sif4e lag. 34wüitf4te
überhaupt feine 3lufinertfamfeit auf biefen Sheil
ber ^eiligen ©4rift ju (eilten. Die lejjtcn
(Reben 3*f«» wie 3ohonneS fie beri4tet, fiub
unter allem, was bie ©4rift enthält, baS 3l(ler*
oertlärteftc.
Sein oerftörteS, fumtnerbofleS 3luge (endjtete.
„SBunberbar," fagte er erf 4 üttert, „faft über*
rebeft bu mich, biefe Dinge ju glauben."
„ 0 ," fagte ich, „bafs i 4 bi<h überrebeu tonnte!"
GS war ihm in ber Sljat unfaßbar, was ge*
f4eheu war. 3 lim erfteumal mag ihm baS Un*
natürliche beS SobeS, ober, wenn man lieber
will, bie 3taturmibrigfeit beffelben entgegen*
getreten fein. Um mich feiner eigenen Söeife ju
reben ju bebienen: fein „©taube an ben Sob"
mar gebrochen; ob er lernen würbe, an baS Seben
ju glauben? 3lur jene gemiffe 3»öerfi4t, bieba
hoffet unb glaubet, was fie nicht fiehet, tarnt und
tröften.
3tuf meinem Heimwege rief i4 mir jene
ftiinmung§rei 4 en iterfe ins ©ebä 4 tniß jurücf,
bon beiten im £>aufe ber Gntf4lofenen einmal
bie (Rebe gemefen war, unb bie ich baroufhin mir
oerf4afft hotte, jene S$erfe (Bianca 3öhiteä, in
beiten er ber Uufterbli4teitShoffnung eineitjb
fctjöneit, jiU)erfid)tli4cn 3luSbrtuf giebt. Sie
fu4en in ber englischen Spra4e ihveS ©lei4en.
..«Seheitnnijjpollc ZZactjt! Wie fctjlug bas ff er J
Dem erfteit lITcufcbcu, aljiiungspoll, poit Sdimcrj,
Don uubeftimmter ^urdjt, pon banger ßjual
«Ergriffen, als jncrft non «Sott er nennen hörte
Did; nnb in trübes Dämmern (ich perfeßrte
Des CEages (Slanj, bas lidjte Blau in jalff-
Doch als oollcnbet war ber Sonne tauf,
Sah er, pon rötblidjcm «Sewölf umgeben,
Den Jlbenbfteru im Duft bes 3lethers fchweben
Unb taiifcnb Sterne jogen mit herauf —
«Er ftannt fie an mit fcligcin €ntjücfen,
Denn eine neue Welt enthüllt ficb feinen Blicfen.
(D fprcdjt, wer hätte bas oom Sonnenlicht gebacht,
Daff feine Strahlen fcbleiergleid; bebeefen
So oiel bes Schönen, Rcrrlicben, bas erft erwacht
Unb unfern Uugcit fichtbar wirb im «Stau ber Hacfatl
Unb wie ? wir fürchten noch ben (Eob iinb beben
Dor ihm ? — Da Sicht fo oiel perhüllt... «Es ift bas
Sebeu N/
Uuch nur ein Schleier. Ja, im (Eobesgrauen ^
Werb’ ich aufftrahlenb neue Welten fdjauen."
311S i4 am folgenbeit Sage nach bem ffreuttbe
feheit wollte, fetub i4 ihn nicht ju £>aufe. 3luf
bem Sif4e lag bie Starte beS etiglif4ett ©e«
fanbteit, eilt geöffnetes (Billet banebett. 34
burftc es wohl lefen. Der Gnrl erfu4te barin
in ieinem unb feiner ©attin (Reimen ben jungen
Äiinftler, ihm bie große Siebe ju erweifen unb
mit beit Öabeit, wel4e ihm berliehnt, ein 3lb*
bilb ber Gntf4lafenen anjufertigeu. Sie ntö4*
ten biefe 3lrbeit itt feine auberen fianbe legen,
als in bie feinen, ©ie mürben für ihn ju jeber
3 eit ju fpre 4 ?n fein.
Welch munberbare gügung! ba4te i4, unb
wel 4 eine ©tunbe für meinen armen greuitb!
wie wirb er eS ertragen, fie jefct ju fehen; mit
welchen ©ebaitfeit wirb er bie ihm aufgetragctie
3lrbeit oollbringeit. Gr hotte Stecht mit feiner
Älage, baß tti4tS SöleibenbeS ihm gegeben fei.
Slber no 4 ein anberer ©egenftaitb feffelte
meine 3(ufmertfamteit, 3luf bettt (leinen Sif4e
neben feinem (Bette ftitnb eilte gänzlich oerjehrte
Slerje, unb lag eine aitfgef4l«gene (Bibel. 3to4
immer 3oh- 14, aber au<h bie (Blätter furj t»or=
her unb na 4 her f 4 ietten oor nicht langer 3 fit
hin unb her gewenbet worben ju fein. £)atte
er ben Sroft beS ©laubenS gefunben ? ober
nicht ? —
34 wollte ihn bo4 fletne fpre4ett, menigftenS
fehen, wie es ihm ginge, unb wartete boher auf
feine (Riicftehr.
31a4 einer holben ©timbe hörte i4 feinen
©4ritt auf ber Sreppe. Gr trat ein. Gr gab
mir ftill bie £>anb. ©ein 3lnge mar feu4t. eS
lag ein iingewohuter ©lanj barin.
„3Reiit Sieber," fagte i«h, „wie hnft bu biefe
(Prüfung überftanbeu?"
„0," fpra4 er, „eS War Wohl eine f4were
©tunbe eben. 314, mein fjreunb! — 3lber i4
toeifj ni4t, was mir ift, i4 tonn ni4t bon £>a*
jeu traurig fein. 34 bin in ber ©enefung, —
unb fie lebt!" 3lit bem 3lnSbrutle, mit bem er
biefe döorte fagte, oerftanb i4 lei4t, wie et fie
meinte.
3lu4 mein £)erj Wallte über. „Wein greunb,
mein (Bruber!" rief i 4 - unb f 4 lof> ihn in meine
3 lnne. 3öir waren uns in biefen Sagen wir!»
lieh fo rc 4 t innig nahe getommen unb bertraut
geworben.
Unb nun begann er feine 3lrbeit. Wan4et
bon uns Williberte fi4, baß er in jenen Sagen
arbeiten tonnte. Das ©crü4t, baS fo lange
gef 4 wiegcit, hotte fi4 nun fchließli4 bo4 ber
©actie bewältigt, unb man wußte alfo bon ber
Steigung, bie ben greunb an bie Gnt(4tafene
Digitized by v^ooQie
Ufas uns bas Pihrofhop erfühlt.
309
gefeffelt hatte. Stan mar in nuferem Greife
fehl' gefpaiint auf biefeS 33?erf, um beffett milleit
er nun alle anberen begonnenen Arbeiten »öllig
ruben liefe. Sber »an $>eefen mar barin eigen:
er liefe nid)t gent^ feine Sachen febett, ehe fie
beenbet roaren. eie miffeit, manche Zünftler,
unb uidbt bie fcbledjteften, haben biefe SBeiie.
3Sit mufeteit alfo nicht einmal, in melier Srt
etmaS geplant mar, eine Säfte, ober maS benn
eigentlich. Sun, eS mar frbliefelicfe boep ein
Selief in fefetteemeifeem Starmor, bie Figuren
faft in SebettSgröfee.
Sie aber mevbe ich ben (Sittbrud bergejfen,
roelchen biefe t J5arftellung auf mich machte, als
ich fee enblid) ju febat betaut. (SitteS SbettbS
fagte er jn mir: „SöiUft $u Stife ^>elen§ ©rab«
mal fefeeit?" unb ging mit mir hinüber in baS
Sltelier. (SS mar nunmehr bis auf ein Stüd
im Staube, bem Stabmen fojtifngen beS ©etnäl*
beS, »olleubet. Sud) biefe utttbfelige Sahnten*
arbeit führte er felbft aus. @r roollte teilte
fvembe Jjjanb an biefetn Süerte hoben. $)ie
bargeftellte Situation mar böcbft einfach unb in
feefe felbft nerftänblid). Statt fah einen hohen,
fd)ön gemölbten Sogen: ein offenes Sortal, unb
unter feiner SBölbuttg, bie £>äube in ber SBeife
etroa, roie ber befaitiite Sbormalbfenidje Kpri*
ftus, auSbreitenb, bie ©eftalt beS Suferftan*
beiten. 3)eS Slnferftanbenen, benn auf ben
erfeett Slicf mufete er als folcher erfanitt mer*
beit. 'Die Roheit feiner Haltung unb ©eberbe,
feiner gangen ©rfd&einmtg, bie leife ©pur ber
SBintben in ben Hänben unb ftüfeen, unb, beut*
lieber rebettb als alles attbere, ber mttnberbar
»erhärte SitSbrud feines SngefedjteS fagten eS,
uitmillfitrlidj marb ber Sefchaner intte: @S ift
ber -ftevr! ber Sluferfeanbette in ber Pforte beS
SarabiefeS. Unb mit meldjer Siebe, melcper
5 remtblid)feit, melchem himmlifeben ©rbnrmen
ruhte fein Singe, tarn feine £nnb ber oor ihm
auf ber Sdjmelle tnieeitbeit ©eftolt entgegen!
@S ift eigentlich nidjt gattj jutreffenb, roenn ich
fage, biefe ©eftalt fiiicte öor ihm. Ss mar eine
jener momentanen ®arfteflungen, melche bie
nettere jhinft fo beborjugt, unb bie unter Um*
ftänben fo mächtig ergreifen. Seibe Hättbe
Hülfe fuchenb bem Heilattb entgegengeftredt,
mit roeit ausgebreiteten, aber fchon ermnttenben
Schmittgen, mit ber lefeteit Snftrengung fcbmiit*
benber Kräfte bie »erheifeuttgsoolle Schmede
erreichenb, fiifeefte Sehnfucht, felige Hoffnung
atbmenb in jeber Stiene, in jeber Semegting,
unb nun eben bie rettenbe H«»b beS entgegen*
fommeiibcit (SrlöfcrS berübrettb, fittft bür bie
ber 6rbe entflohene Seele an ber Schmefle beS
Himmelreiches nieber, unt »ott bem Mererbnr*
ttter an* unb aufgenommen ju rnerben. ttn*
mnhahmlicher SBeife mar eben biefer Stoment,
mo bie eigene ffraft nicht mehr auSreicht, unb
! beS Herrn £>attb hiffieich eittgreifen mttfe, er*
fafet unb »oll jiim SuSbrud gcfoiitmen. 3Die
3 üge ober jener hiufenfenbcn ©eftalt marett bie ’
ber Heimgegangenen, darunter ftauben in y
mächtigen, gvofeett 3üflfi bie SBorte: „3ch lebe \
unb ihr follt auch leben." -_ J>
Sie »orper hot »an 2>eefen etmaS Sehnliches
gefdjaffftt. Sie toieber nach biefent (Sreignife ift
er ju ber troftlofen Schmeviuuth früherer (Sr*
jeugttiffe jnriidgetebrt. $ie mttnberbar fchönett
Arbeiten, bie noch ans feiner £mnb heroorgingen,
tragen einen Hauch beS Ueberirbifchen an fiep,
fprechett eine geroifie 3»bcrfecht aus beS, baS
man hoffet unb nicht feehet."
(Quellmaffer fürs beutfehe HauS.)
JUn0 iitt0 brt0 ißikrofkop eijnljlt.
pr Hans nttb Herb »ott Gpm. «Bert.
J cp üerfpred)e mir baS SL'ohlgefallen beS 2e*
fers, mcitit ich ihn auf ein gonj anbereS
©ebiet führe. SidjtS Schönes noch Sit«
genehmes ift’S, maS er burCp meine Siiifcugläfer
i'ehett mirb, unb hoch (StmaS, maS ihm »ielleicpt
fchon lange ein gragejeiepen im Such ber Statur
geroefen ift. $cp meine bie gefürchteten Sri»
epinen. Sollte id) bem Siebhaber rohen ©chin*
fenSben Slppetit »erberben, fo bitte ich fldjjtitngs*
»oll um Sntfchulbigung! 3Me iBaprpeit ttittfe
jn hoch gefagt merbett. Selber fontni unb be*
obnehte für bich felbft, fo roirft btt mit jenem
grofeen röntifchett fffclbberrn attSrufejt: „3dl
tarn, ich fah, ich" — afe teilten rohen Schütten
mehr.
Siele Stenfchen finb biefett miujigeit 9®iir*
mern erlegen, ehe man fee fanute. 3it 1832
Digitized by v^ooQie
310
jSfdjt muß ftedft bleibtn.
Fi j*
SWuSfelfafern mit ^rric^inen unb tueiMic^e Jvicbtne.
fap fie ^rof. £>iltoit in Sonbon in ben 9)tuSfel=
fafern ber Öruft eines am SJruftfrebS t>erftorbe«
neu allen SJtauueS. Orei 3a(jre fpäter befd)rieb
^rof. Omen ben ffiurrn oollftäubig unb gab
ibm ben bis jept beibebalteiten Hainen Trichina
spimlis. Seit jener 3dt bat man bem ®aft
Diel s 2tufmerffamteit gefdjenft.
©elaugt eine and) nur geringe Quantität
tricbiuenbaltigeS ftleifd) in ben Wagen, fage beS
Weufcbeit, fo merben bie Jfapfeln, in beneu fid)
ber SBurm hefinbet, im Wagenfaft anfgelöft
unb ber 23itrnt in fjreipeit gefept.
ftigitr I. neigt baS Wännchen in biefem Sta*
bium ber ffutmidelung; baffclbe ftirbt halb bar*
nad). Schon am 5. bis 7. Jage fängt baS
SÖeibdjeu an lebenbige fünften auSnufepen, mel«
d)e* 5 bis 8 iBodjeu fortbauert. Oeit Wettfd)ett
überfallt in biefer 3eit Wagen befcpmerben, Auf«
ftopeu, Uebelfeit, Wattigteit, Erbrechen u. f. ra.
Oie jungen Jrid)iueit madjfen mie baS Untraut
unb falteten halb au, fid) bitrdj bie Oarmmanb,
Saudjmanb unb baS SMnbegemebe ju bohren
unb in bie Würfeln eiitjübriugen. Oaper {lagt
ber Patient über rfjeumatifdje Schmerlen in ben
oerfdjiebenen Slörpertfjeileu. OaS ©efidjt fcbmillt
an, fomie bie Augeuliber. Oie Semegungen
merben erfdjmert, bie Würfeln ftarr. Oagu ge=
feilen fid) uod) in ber 3. bis 5. 2Bod)e flatiglofe
Stimme, Sdjinern bei Semegung ber Augen,
ff rfdpoeruitg beS ftaucuS unb SdjludenS, häufig
Atbemuotf) u.f. m. ^o fageit Sacbberftänbige;
unb baS alles ift mehr, als bu burdnumacben
münfd)eft. 9tid)t einmal bie Augenmusfein blei*
ben uerfebont! 3n ben Pusteln legen fie fid)
jur 9tube, baber berfpürt ber Patient ©e«
ru^igung ber WuSfelreinung. Sie minben
ficb fptralförmig auf unb umgeben ficb mit
einer £üüe. fialfablagerung finbet ftatt, fo
bap ber 2ßurm in einem feften ©eljäufe
ftedt, mie Sigur II. Deranfdjaulicpt. Sine
V biefer ftapfeln enthält brei Örid)itten — bie
\ meiften aber nur eine. Alfo feben mir ben
fi reislauf ihrer Gntroicfelung. «f)aben fie fidh
fo in ben WuSteln eines ScbmeineS eilige*
bürgert, fo tonnen fie Sahrjehute liegen
unb bann mieber biefelbe SHunbe machen mie
/ oben.
gigurll. neigt oben eine meiblicbe Oridjine
250 Wal bergröpert unb aus ber Sapfel ge¬
nommen. ffrftauitlid) ift bie 3 a hl ber neuen
©eueration. Äad) fieudart, einem ber beften
tjorfdjer auf biefem ©ebiet, füllen nicht me*
niger als 10,000—15,000 3unge oon einer
2rid)ine auSgefept merben! 3a, nad) anberen
Autoritäten fogar bis 20,000! Allen Ülefpeft
Dor ber Jricb’tnofe ober Jrid)inenfranfbeitl
Äontmt auch ein Wenfd) mit bem Sebeit ba«
t)on, fo ift es feineSmegS ein erfreulid)er ©e«
banfe, bap man Wiliiotten Don Stürmern
im Sörper herumträgt.
ffs föunteu hiev biele gälle angeführt merben
— ja ffpibemien, bie gemifjenorts aufgetreten
finb unb hunberte Don Weitfdjen ins ©rab ge«
rafft hüben. 9tur ein Scbupntittel ift bagegen,
baS guoerläffig ift: £aS ft lei f d) ge bö r ig
f och eit, bap ein jeber Speil einer £>ipe ooii
212 ©rab ftaprenheit auSgefept mirb. Cyu ben
Abbilbungeit ift baS fpipige ffnbe ber ftopf beS
äöurmes.)
Jtedjt mulj bod) bleiben.
III Pas wifbetflffunliene geflammt.
(5in < 5 cfd)id)l 0 bilb äu 6 brr brr brutto»
unb (frlirbnug.
gnr $au$ nnb -j>erb oou $au( ffugru.
(ecbiup.)
SecpfteS Kapitel.
Jeutfdjlanb fdflagt b'rrin.
iefe 9?acbt bedte bie ffrbe, ber Stegen gop in
Jfo Strömen unb in fein plätfcbernbeS Oie*
~ räufcb mifebte fid) ein milbeS Traufen,
ffs rührte oon ben boebgebenben Stellen ber Äap«
bad) her, bereu 23ett burdb bie ffiemitterregen ber
lepten Jage mächtig angefdjmollen mar. ffs mar
ber Abeitb beS benfmiirbigeit OageS, an meld)em
ber ^elbeitgreiS Slüiper bort mit feiner Armee
Digitized by v^ooQie
JUdjt muß Hedjt bleiben.
311
einen fo qeroaltiqen Sieq über bie ^rangofen er«
focf)ten butte. SohonneS ftanb gmar beute nicht
ginn erfteu SJtal bem geinb Gegenüber; troßbem
bermocßte er noch nicht jene Stuße über fieß gu
qeioinnen, melcße ben ^freunben, üor Men ober
bem Söacßtmeifter 9 B o (f eichen mar.
„Stur nicht 311 ßißiq," mahnte berfelbe, „man
qiebt [ich fonft qar 311 leirf)t*eine 931 öfee." Mein
Soßaiined hörte faunt auf ihn; mit Siiefenfräften
bränqte er immer meiter oor, rechte unb linte
qeroaltiqe $)iebe aitetßeilenb, bte er fiiß fcßließ«
iicb einem fraugöfifcßen Offizier qeqeniiber faß,
ber feiner ©emanbtßeit im Rechten qemacßfen
Wien. Welche Ueberrafcßunq malte fich ieboch
in ben 3üqeit non Johanne», ate er bei bem
ßerrfcßentieu 3onelußte feinen erbitterten geinb
Staoul b’Haunaique erfannte, beffen fjalfen«
blict ihn and ber SReuqe ßerau 3 qefunbeu 311 hoben
fehlen, beim er fpreuqte qerobe auf Soßonned 311
unb mußte e» burch ein qefcßidteS SJtaitöoer ein«
Juristen, baß er mit ihm abfeite 311 fämpfeit
tarn, ©leid) Süßen freisten fich bie -ßiebe, bie
fie mit äußerfter Söucßt c^et^eu einanber führten,
ohne baß jebod) feiner beni Mbern etmad 011311«
haben üennoeßte. 2öer meiß, roie lanqe biefer
Stampf qebauert haben mürbe, hätte Staoul b’Hom
naique nicht einige preußifeße ©ufaren nahen
fehen. fer qab baßer feinem Sterbe bic Sporen,
rief aber beim ©Jeqfprenqen bem ßeißerqlüßen«
ben Soßonne* noch broßeub 311: „2Bir treffen
uite mieber, Herr Statbob!"
Seßt fanien eben mehrere Steifer, bereu Uni«
formen fchon non fern hohe Offiziere oerfünbe«
ten, ßerauqefpreußt, unb faum hotte bie Scßroa*
broit in bem oorberften ben ©eneral ©lücßer er«
fanut, ate fie auch in lauten Subei aitebrach.
©lücßer oerleqte nun bete Hauptquartier nach
©außen, maßrenb oie Gruppen in ber nächften
Umqebunq ein £aqer begoqen unb fieß bafelbft
möqlicßft behaqlicß einrießteten. Die Hütte,
melcße €>ir?chfelb^ e>cßmabrou für bie Offiziere
herfteflte, faß qang ^ierlicß aite; fie mar in einen
©erq qeqraben unb bilbete ein Söohngimmer,
an mekßcte fich eine niebriqe Scßlaffammer an«
fcßloß. Dcte Dacß feßte fieß aite ^ficßteuftanqen
jufamnten, bie uaße an einanber qeleqt unb bießt
mit Stufen bebedt toareti. Slußerbem hatte bie
Hütte nicht nur ein genfter unb eine Dbi’tre,
fonbern foqar einen Samin aufgumeifen. Sn
ißr tierlebte Soßanne§ mit Satte unb fmfcßfelb
qaug foftiieße ötunben, unb fo manche ©rinne«
runq marb toieber mach, menn bie greunbe
5 lhenb§ beim ffiacßtfeuer nebeneinanber faßen.
Cbmoßl SoßonneS, feit er iite $elb qeriidt, fich
ftete in ©efellfcßaft ber beiben greunbe befmtben,
hatte er boeß erft jeßt ein Mrecßt barauf, ben«
felben fiaqerplaß mit ihnen 311 theilen. So ftolqe
feiner an ber Saßbacß bemiefenen Dapferfeit
toar er jum Sößnricß oorqerüdtt. Sitrg eße ber
Sefeßl 311m Slbbrucß be§ £aqer§ erfolqte, lanqte
ein Stacßfcßub ber Sanbmeßr bei ©außen au.
Satte hi^t e£ bor Soßantted qeßeini, bte er fieß
übergeuqt hatte, baß ber ©ater feiltet lunqen
3 freunbed fieß mit unter ben Steitaitlanqenben
befaub. 6r ermirtte bem alten Herrn Urlaub
unb nahm ben Doftor mit fieß in bete beßaqlicße
Sagergelt. Die #reube unb Ueberrafcßunq non
©ater unb Soßn mar qroß, unb eine innige
Stüßntnq bemäcßtiqte fieß Soßanned, ate er beim
Scheine’be* Sßacßtfeuerö bie ©riefe la§, melcße
ber ©ater au? ber Heioiotß erhalten hotte.
SRutter unb Scßmefter befanben fid) moßl unb
mußten bem alten Houptmanu ©öße für fein
ritterliches, aufopfernbeS SÖefen nid)t genug £ob
311 fpeitben. ©01t ben qroßen ©trapagen ber
leßten 3^it faß man bem ©ater SRatbob uid)tS
an, bielmeßr hatte er eine frifeße, blüßenbe ©e«
fießtsfarbe. 91 ber lange bauerte bete Sßieberfeßen
mit SoßaitneS nicht. Scßou am näcßfteti Saqe
erfolgte ber meitere ©ormarfcß bes feorps 3U
meld)em ber Doftor Statbob gehörte, unb am
16 . Cttober ftieß man bei ©ibefent auf ben
geinb. ©alb beqann in ben ©affen beS Dorfes
ein eittfeßlicßer Sumpf. Die Tvrangofcn hatten
jebeS HouS 311 einer fleinen fteftunq eingerichtet,
unb aite allen ft-enftern, bie Dahinten nirf)t aite«
G enommen, eröffneten fie ein moßl unterhaltenes
Feuer auf bie auftürmenben ©reußen. Allein
aueß bie fießteren gaben uid)t naeß; oor ©eqierbe
brennenb, naße an ben fyeiub 311 fommeu, unb
fieß moßl bemußt. baß DeutfcßlaubS Sd)idfal fieß
heute entfeßeibeu miiffe, ftürmten fie immer mie«
ber 0011 Steuern über bie £eid)en ihrer ©rüber
auf ben geinb. Das Dobeit unb Scßreieit ber
Solbaten, baS Dänen beS ©efcßiiß« 1111b ©erneßr«
feuerS, bete feinfcßlaqen unb ©laßen ber ©rana»
ten, baS ©emiitfel unb bie Stufe ber ©ermun«
beten, fomie ba» ©eßeul ber fyließenben mar
gvaitfig. SoßanneS eilte, fobalb er auf bem
Scßlachtfelb eiitgetroffen, einem ruffifeßen Sn*
fanteriften 311 Hilfe, ber fieß boit brei gfransofen
gleichzeitig angegriffen faß. Seine ©iftole qeqen
©inen berfelbeit mit ©rfolq abfeuernb, ßieb er
mütßeub auf bie beiben Slnbern ein, fo baß fie
fieß, fcßleuuiqft 3iirüd3oqen. S” benifelben
Sluqenblid fprengte jebod) ein fraii3öfifcßer Cffi«
gier qeqen Soßöone§ heran, ißm ein furges:
„©Uten SJtorqen, H err Statbob!" gurufenb.
Unfer junqer §retinb mufterte feinen ©eqner
unb erfannte in ißm mieberum fltaoul b'Hou«
naigue, mit bem er bereite in ber Schleußt an
ber Saßbacß einen heftigen 3 meifampf beftanben
unb aufte neue freugten fieß jeßt ißre Slinqen.
reqnete eine SRenqe bon Rieben, ohne baß
Tie inbeffen einen ber Rechter fampfunfähig qe«
inacßt hätten, ©ublicß qab Soßanned fieß qang
tutoerhofft eine ©löße, unb feßon mollte fein
©eqiter ben töbtlicßen H^b naeß ißm füßren.
Digitized by c^ooQie
312
itedjt muß $trd}t bleiben.
als fein Sferb bor einem in ber unmittelbaren I
Sübcjtürgenben brennenben Salten gurütffcheute. !
©in Sprühregen non Junten brachte auch baS I
'■fiferb non 3ohunueS ginn Säumen, unb fo I
tonrbe baS teimpfeube Saar Dort einanber ge« ;
trennt. 3m Tdoonfpteugen rief inbeffen ber I
Colonel nnferm 3ahauneS abermals gu: „2öir 1
treffen uns mieber, .fierr 9tatbob!"
©inige Stauben fpater faf) fiep Johannes noch
einmal feinem erbitterten f^ciiibe 'Jtaoul b’&au»
naigue gegenüber. Such biefeS Stal bot baS
Saar olles auf, fich gegenfeitig fampfunfähig gu
machen, ohne baß es inbeffen gelang. 3nbent
faßen fich beibe bitrch l)eraiigiel)cnbe 2 nippen ge»
trennt nnb Ütaoul ließ abermals fein an 3ßhau*
neS gerichtetes: „3ßir treffen nnS mieber, £)err
Dlatbob!" nernehmen. ©r folgte feinen fliehen»
ben Saubsleuten nach, beim fchon mar ber Hampf
entfdjieben, nnb bie övangofen, überall geworfen,
gogen fich eilig nnb nidht ohne Serlufte gurüdt.
Siebentes H a p i t e l.
(Sin gliithli(i)er $d)uh unb ein frieblidjer Sdjlufj.
Salb nach bem ruhmreichen 18. Cttober, bem
Säße ber berühmten Sölterfchlacht bei 2eipgig,
mo Sapoleon Don bem #eere ber Serbiinbeten
böllig aufS-ftaupt gefälligen worben mar, riiefte
biefes nach bem Dtheiue oor, bis in baS babifche
Torf 3Hinflen, nahe bei Straßburg.
Hatte unb ftirfchfelb theilteu ihre Stube mit
einem öfterreichifchen Offigier, beffeu febmuefe
Serfönlicßfeit unb intellißente ©efidjtSgnge feine
Sefanntfchaft miinfeheusmerth erfcheinen ließen.
TaS Sntereffe ber ffveunbe ßinß inbeffen in ein
freubißes ©rftauneit über, als ber freinbe 'Jtitt»
meifter ihnen, nachbem er ihren fßainen erfaß*
ren, ein Sillet ber ©räfin Siibbenau überreichte.
Sie betäub fich im öfterreichifchen &ouptquar»
tier, ba ihr Satte gunt ©eneralftab ßehörte.
3n ihrer fröhlichen Saune faubte fie ben prettßi»
fcheit ftreunben ©riiße gu unb fcßloß mit einem:
„Stuf SBieberfeheu in Saris!" „Tie ©räfin,"
bemertte ber Ütittmeifter, nachbem baS Si.llet
Don Hatte unb ^irfcßfelb ßelefen mar, „hat mir
noch aufßetraßen. Sie in ihrem Samen ein»
gnlaben, es fich nach bem ©iugnge nact) Saris im
SalaiS Srnneöille bequem gu machen." „SJir
werben bie frenubliche ©inlabnng nicht bergef»
fen," erroiberte Hatte Derbiublicb. 3in weitern
Serlaufe beS ©efpräcßeS äußerte ber Cefter»
reicher: „Tie ©räfin tßeilte mir mit, baß 3ßnen
eine Familie Dtatbob betanut fei, ja,'fie glaubt,
baß ber eiugige Sohn am ßeßenroävtißen fjelb»
gußc mit theilßenommen."
„Sater nnb Sohn!" rief f)iifct)fe-lb üerßnüßt.
„Ter Site ift ein tüchtiger Sanbwehrmann unb
ber jmiße fteht als Sieutenant in meiner Schwa»
! brou."
I ,,©r ift ein gar tapferes Herlcßen," fügte Hatte
! hingu, „unb hat baS ©iferne Hreug, welches feine
; Sruft fehmiieft, reblid) uerbient."
I „Cß, bann führen Sie mich gu ihm!" rief ber
gemiithliche SJieuer. „Siir haben uns gwar im
Üeben noch nie gefehen, feuueu uns aber fchon
feit ein paar 3nhi'huuberten."
Tiefe feltfnme Srhauptung Derlor für bie bei»
ben prenßifcßen Cffigiere baS Sätßfelßafte, nach*
bem fie ben SJunfcf) beS öfterreichifchen Harne*
raben erfüllt unb ihn gu 3ohauueS geführt hat*
ten, welcher fich foeben auf Sefucfj bei feinem
Sater befaub.
©S mar ein eigentümlicher 3ufall, baß ln»
gefidjtS beS am fernen fjorigonte auftauchenben
StimfterthurineS abermals ein Dtatbob mit einem
©bclbcd greunbfehaft fcßloß, beim ber öfter*
reid)ifd)e Sittmeifier mar Sietnnnb anberS, als
ber frühere Silbfchnißer Seopolb Göelbed. Seit
bem Sage, mo er ben Straßburger Stünfter*
thurin ginn leßten Stal erblich uiib fid» mit ber
tleiuen Couifow unter ben fechuß ber 3ifleuner
begeben hatte, waren freilid» gmangig lange
3al)rc berftrichen unb ans bem fcßücbternen
Jünglinge ein euergifeßer Staun geworben; bas
£>erg aber hatte fich nicht Deränbeit, mit ber ihm
eigenen 3nnigteit begrüßte er beu Tottor unb
3obnnncS, unb bie brei Slenfchen waren fchon
nach wenigen Stunbeit fo miteinanber befreun*
bet, als wenn fie fich bereits feit3ahren getamti
hätten.
Tie t^rettube fcßmelgtcn noch lange in ber © r»
tnnerung an ferne 3«hrhuuberte, bis ber Sppell
fie au ihreSflid)t erinnerte unb fie in bie ©egen*
wart guriiefführte. ©S erging ber Sefehl, baß
am nächfteu Storgen ber Ütbeiuübcrgang ftatt»
finben follte, welcher gtir beftiinmten Staube
auch in größter Crbnnng fich bollgog. Sach beni*
felben gogen bie Serbünbeten tiefer in bas ©Ifaß
hinein.
Soeben näherte fich bie Sdjmobron GbclbedS,
welche bem jjjauptheer boranging, bem heiligen
Swrfte, wie ber große 2Balb bei ftagenau ge»
nannt gu werben pflegte. Stehreren Seitern mar
es aufgefallen, baß ein giemlicß gerlumpter Staun
Don etlichen fechgig 3al)ren, mit langenrweifKn
Sart» unb Haupthaar, ber ©olonne üuauSgefeßt
folgte, fich aber ftets fd)eu guriidgog, wenn er bie
illufmerffainteit auf fich gerid)tet faf). Tie 2eute
hielten eS für ihre Sflid)t, ben Dtittmeifter baoon
in Heuutniß gu feßen. ©beibeet iibergeugte fich
fehr balb üou ber Dtichtigteit biefer'Jlugabe, beim
er beobachtete, baß bem gerlumpten Staune
außerorbentlich biel baran gu liegen fchien, ber
Schwabron borgufomineit. @r gab fid) alle
Stühe, feine Sbficßt gu erreichen, inbeiu er gum
Cefteru Don ber Sanbftraße abbog unb näher
Digitized by v^ooQie
jltdjt muß Jtedjt bleiben.
313
füfjrenbe f elbmege eiitfcblug; bocb blieb fein $e=
müljen ohne ©rfolg.
„$)er Sönrfdje fcßeint in ber 3 hat fein gute»
©emiffeu jn tja Den," badete bev (Rittmeifter bei
fid) unb gab ber ©chwabrou (Befehl gu einer
riidgängigeit Semegung. infolge bevfelben faß
fid) ber meijjbärtige Sitte plößlid) mitten unter
ber (Reiterfcbaar. (BergebenS formte er und)
einer Süde, meicbe ibm baS ©ntmifcben geftattete,
unb baS 3'^” feines ßörperS Derrietb ein
böfeS ©emiffen. 2)er (Rittmeifter bermidelte itjn
in ein ftrengeS (Berfjör, baS burdjauS nicht gu
feinen ©uuften ausfiel, ba er fid) Derfd)iebencr
©iberfprücbe fd)ulbig machte, bie ifjn bringenb
berüchtigten.
„©eftebe es nur," rief ©belbed ißm gu, „bu
bift ein ftangöfifcber Spion unb mit!ft uns an
ben feinb, ber irgeubmo berftedt liegt, Der«
ratben."
„(Rir SBerratlj, gnäbiger £>err," jammerte er,
„ich bin nur ein armer dRamt, ber fid) elenb
burcb bie ©eit bettelt."
„(RaA beiner eigenen HluSfage bift bu hier im
©Ifafc befannt," forfd^te Gbelbed. „ 2)11 wirft
mir atfo {ebenfalls angeben fönuen. ob fid) in
bem ©albe, ber unroeit boit hiev beginnt, fran«
göfifdje Gruppen aufbalten."
„(Riebt ein einziger ©olbnt," lautete beS Elften
rafdbe 2 tntroort, fo baß es auf ©belbed ben ©in«
brud beS Unwahren machte. „(Rein, gnäbiger
fjerr, ber ©alb ift Diel 31 t grofc uitb eiitfam, als
baß ficb ba im ©iitter ©olbaten anfbnlteu tön«
nen. 3 fn ©traßburg freilich, ba —"
„@enug," rief ibm ©bflbed 311 unb gab fidj
ben Hlnfcbein, als ob er in bie Eingaben beS Hilten
feine 3 weife( feße.
„ßann iöß mich bann mieber entfernen?"
fragte ber gerlumpte ©reis in bemiitbigem Sione.
„©obalb bu uns auf ben rechten ©eg nach
Hagenau gebracht."'
®iefer ©ebingung fchieit ber Hllte fidj gern gu
fügen. @r bebeutete bem Stittineifter, baß er mit
feinen (Reitern ben ©alb rechts liegen (affen unb
bem fchmäleren fabrmeg folgen foKe, ber fich
tneiter oben abgmeige. Stach biefer HluSfunft
fd^ütte(te er jtdj Dor froft, üevlor babei aber ein
bünnes, bielfach gufammengelegteS Rapier aus
ber iafcbe. ©r fließ einen @djrei beS ©chrecfeuS
aus unb ftürgte gur ©rbe, um bas Rapier mieber
in feine ©eronlt gn befontmen; allein bie (Reiter
waren fd)neller, unb nach menigen ©efunben
fchon befanb fich ber fcheinbar fo unbebeutenbe
©egenflanb in ©belbecfS £viuben.
iüfit größter Hlufmerffamfeit überflog ber (Ritt»
meifter baS ©chriftftücf, melcheS ber gu ©troß»
bürg liegenbe frangöfifche ©eneral an einen
Oberft b’$>aunaigue gerietet hotte. 3>erfelbe
gab barin aufs ©enauefte bie ©tellung ber (Ber»
bünbeten an. ©belbed marf, nachbeiit er ba§
Rapier burcbgelefen, einen flammenben SBlid auf
ben heftig gitternbeu ©pion. ©er ©lenbe marf
fich ihm jainmernb gu füßeit unb flehte um
©itabe. ©belbed fdjien inbeffen nicht gewillt,
gegen einen fremben Sarmbergigfeit gn üben,
ber baS&erg hatte, beutfche Sanbsleute an fran»
gofen gu bervathen.
„$enn baß bu ein $eutfd)»@lfäßer bift," rief
ihm ©belbed gornig gu, „bemeift mir bie fertig«
feit, mit melier bu uitfere Sprache rebeft. ®etn
(Berratb ift ein ®d)impf für jcbeit SBaterlanbS»
freunb, baruni fort mit bir an ben nächften heften
(Baum. 3 l| bor aber fage uns noch genau, in
welchem Steile beS heiligen forfteS frangöfifche
©olbaten oerftedt liegen."
„(Rur in bem ßlofter ©aIburg befinbet
fich ber ©oloncl b’£)aunaigue mit feinem Utegi*
mente unb einer Hlbtbeilung Dragoner," ant«
movtete ber ©efongene.
„3)aS ift alfo berfelbe b’fmunaigue, welcher
uitS bei unferent 58ormarfd)e noch 2 traß bürg
in ben (Rüden fallen follte," badjte ©belbed unb
feßte feinen HRarfcf) weiter fort.
®ie f rangofen batten, troßbem fie an eine
Ueberrumpeluug beS f einbeS nicht gebacht, nichts
Dcrabfäuint, um baS ßlofter in einen Dortreff»
liehen SBertbeibigungSguftanb gu feßett, wie bie
gabireichen, in ben (Dfanern angebrachten Schieß»
fdjarten bewiefen. HluS ihnen eröffneteit fie nun
ein wohluntcrbalteueS feuer, welkes bie (Reiben
ber anftürnienben beutidjen ©olbaten bebeutenb
lichtete. ©üblich aber gelang es biefen boch,
mehrere ©raunten in baS ©ebätibe gu werfen,
fomie in bie UmfaffungSmauern (Brefdje gu
fließen. SBalb geigte ein rötlicher Schein, bet
bie ©ipfel ber ©albbüunte beleuchtete, gur ©e=
nüge an, baß bie in baS ßlofter geworfenen
©raunten geplaßt waren unb gegünbet batten.
(Raoul b’$aunaigue fab ein, baß er fid) nicht
länger hinter ben UmfaffungSmauern gu halten
bennöge, unb ovbitete beSbalb einen hoppelten
HluSfnfl an. S)er eine, welchen er fdlbft befehligte,
fnnb buvd) baS ©iugangStbor ftatt unb batte
einen guten ©rfofg: eS gelang (Raoul, fcch mit
feinen URnunfdjaften burtbgufcblageu. ©in um
fo (täglicheres ©nbe nahm bagegen ber anbere
HlnSfall, welcher auf ber entgegeügefeßten ©eite
burd) ein fchmales ‘pförtcheu, baS auf ben Qfrieb«
hof beSßlofterS führte, ftattfanb. Slie grangofeit
bermochten fich bort nidht gu halten unb halb
wimmelte ber ©alb bon fliebenben gfrangofen,
bettit (Raoul b’fwunaigue batte troß feines Gr»
folgeS gefeben, baß gegen bie feinbliche Ueber»
macht nichts auSgurid)tcn fei. ^irfchfelbS (Reiter
fprengten ben fliebenben nach «nb hieben noch
fo mcindjeit frangofeit nieber. 3 obannes gab
fich alle erbenflicbe dRübe, feinen feinb (Raoul
gu erreichen. Welcher an ber ©eite eines jüngeren
CffigierS babinfprengte, bod) fdjien ber junge
Digitized by
Google
314
JJedjt muff jäedjt bleiben.
©raf bieSmal feine Suft gu haben, ftcb mit bem
Teutfchen in einem 3meifampfe gu meffen.
3ngwifcf)en butten bie ©ieger oon bem H (öfter
©Milbtirg ©efiß ergriffen nnb waren gleicßgeitig
bemüht gewefen, baS buvd; eine (Granate ent*
ftanbene gfeuer gu löfeben.
„Gin prächtiges alte» H(öfter!" äußerte gu bem
gnrücfgefehrten Johannes nufer (guter Toftor,
welcher mit gum Söadjtbienft befohlen mar.
„TaS £)erg fleht einem ©efdjichtsforfcher auf bei
einem folajeit Aitblicf! Unb mir fle()t noch bagu
ber ©muß bebot," fügte er mit einem «nahrhaft
feliaen ©eficfjtSauSbrucf hingu, „baß ich bie ©Jache
im ©ücherfaal erhalte!"
Seiber hotte bort baS ©prenggefeßoß gu beS
ToftorS ©efümmerniß großen ©(haben anfle*
richtet. Ter Tpeil ber ©ßanb, burcf) ben bie
©ranate eingebrunflen, lag fammt ben ©iicher*
faßen, welche babor geftanben, gertriiinmert am
©oben, unb unfer ©rofeffor blidfte feuchten
Auges auf baS GljaoS gu feinen ffüßeu, ans wel*
chem berbrannte Rapiere, fchweiuSleberne ©iießer*
riiefen unb anbere fjerrlichfeiten herborlugten.
Aber auch ber übrige Tßeil bes ©aaleS geigte ein
buntes Turcheinanber; überall traf ber ©lief auf
Hohle, Schutt unb gerriffene ©lieber. 'Eie jfen*
fterfreuge waren halb berbrannt, beSgleichen bie(e
Sanbfarteu au ben ©ßänben, unb nur ein ein*
gigeS ©i(b war ber 3 ei 'PrungSfucht beS ber*
heerenben (Elementes entgangen. Ter Toftor
fümmerte fich nicht biel barinn, fonberit gog
manches wertvolle ©tanufeript, manches feltene
©uffj unter bem Schutt herbor unb bertiefte fich
barin berartig, baß er bei« wilben HriegSlärin
gar nicht bernahm, welcher plößlicß in linb bor
bem Hlofter (oSbracb.
©S war ein altes bergilbteS ©ergament, bnS
er foebeit bem Trümmerhaufen entriffen. Toch
welche hohe Ueberrafibuufl malte fich auf feinen
3ügen, als ihm plößlicß ber 9tame ©tichaet
Statbob in berfchnörlelten ©uchftaben ent*
gegenglängte. @r glaubte an eine Täufchung
unb riiefte an feiner ©rille herum, — afleiit ber
91ame blieb unb ebeitfo ber Inhalt beS Tocu*
ments, ben er hoch erftaunt mehr als einmal
überflog.
„©roßer ©ott im ßimmel!" ffiifterten bie Sip*
peit beS greifen ©elebrteu tief bewegt, „es ift baS
Teftament bom ©rben beS ©feiferfönigS, nach
weichein bon unfern ©orfafjven fo bielfach ge*
forfeßt unb gefucht würbe unb bas jeßt ein 3«t*
fall in «neine föänbe geführt hat!"
©Me oft war baS große Siicherbrett, baS an
jenem Tfjeile ber SBanb befeftigt gewefen, bon
Hlofterbrübern gefdubert worben, wie bieter
©liefe hatten barauf geruht, baS in einer ©ferner*
riße fteefenbe Teftament aber war ©den ent*
gangen, bis eine preußifdje ©ranate enblich fich
feiner erbarmte unb es aitS Tageslicht beförbertc!
Ter Toftor ftarrte noch immer halb betäubt
auf baS uralte ©ergament. als ploßlich 3oh«n*
neS mit bem Stufe inS3immer ftürmte: „Schnell
fort, ©ater, ber tjfeiitb ift mit ©erftärfung gu*
riüfgefeljrt unb befinbet fich bereits im Hlofter!"
3u bem an bie ©ibliotljef ftoßenben ©aal
warb es jeßt (ebenbig unb eine bon ©veußen ber*
folgte Abheilung graitgofeu ftürmte herein.
Unter ber feinblidjieu ©chaar befanb fich auch
9faoul b’&aunaigue. Terfelbe hatte SojjanneS
unb beifen ©ater faunt erfannt, als er mit hoch*
gefchmtingenetn ©äbel gegen fie loSftiirgte. 3n
bem nämlichen Augenblide aber, wo er bie 2Baffe
herabfaufeu ließ, fab er fuh bon einem jungen
3?rangofen entwaffnet, in welkem unfere ffreunbe
jenen häufen Ojfigier wiebererfannten, ber in
ihrem £>eint ©flege unb Reifung gefuuben.
Dfaoul wanbte fich ȟthenb gegen ihn, hoch
jener rief unerfeffroefen: „3cb habe mein ©fort
gegeben, Johannes Dfatbob gu fchüßen. Tu bift
©beimann genug, ©ruber, «nidj nicht an ber
Ausführung meines ©erfpredjenS gu hinbem."
Ter finfterblicfeube Staonl wanbte fich bon
feinen beiben ffeinben ab, unb gleich nachher be*
fanb er fich im Hampfe mit ben feiublidjen
Truppen, währenb fein längerer ©ruber S on iS
ben banfbaren |>iinbebvucf bes ToftorS erwiberte.
Ter tobenbe Hampf führte ben jungejt @ra*
fen jebodj rafch mieber bon Dintbobs ©eite, welche
mit £>ilfe ihrer Hameraben aus bem ftürmifchen
©efeeßt gliicflich ßerborgingen. Tie ffrangofen
unterlagen, unb bie ©erbiinbeten blieben als
©ieger in bem jeßt erft recht gerftörten Hl oft er.
©eibe ©rüber b’$atmnigue befanben fich unter
ben ©efangenen. Staoul mar giemlidj ferner
bermuitbet, weshalb fich ber gutmüthige Tottor
für ih«« berwenbete. Turch £>irf(ßfelbS ©er*
mittlung erhielt baS ©rüberpaar, nachbem es
fein ©ßrentoort gegeben, in biefem ffelbguge
nicht mehr gegen bie oerbiinbeteit Truppen gu
fämpfen, bie ©rlaubniß, nach ihrem bätei-licßen
©chloffe guriicfgufehreit. ©on bem wichtigen
ffunbe, ben ©ater Dfatbob gethan, erfuhren fie
inbeffen borläufig noch nichts.
@S war gu Anfang 3 u «i 1814. Tie ©er*
büubeteit hatten ihren ©ingug in ©avis gehalten.
Aapoleon war entthront unb befano fich auf
©Iba, mähreitb bie ©ourbonen mieber gu ihren
alten ©ßven gelangten unb Subwig XVIII. als
Honig proflamirt war.
3n einem ber eleganten ©älc beS ©alais
©ritneoifle befanb fi^ eine fleine ©efeflfchaft,
welche außer ber Tarne beS f&atifeS nur aus
beuttcheu Hriegern beftanb. Hatte unb .£>irfdh*
felb, fomie ber Toftor unb Johannes hatten bie
frcunbliche ©inlabtutg ber ©räfin Sübbenau
nicht bergejfen unb fidh au bem fonnigeu Tage
in bem alten ©alais gufammen gefunben. Täs
Digitized by v^ooQie
Suter unb reeller jlebenoerbienft.
315
arme. fleinc URäbcßen war jcßt ju einer glüd«
lidyen, reichen Grbin geworben, benn möc^tifle
gfreunbe hatten fie, mit Ctilfe ber in ihrem 3)e*
fiß befinblicbeit tjraniilieitpapiete, in if)ve Ulecßte
wieber eingefeßt. Siefelbeit würben felbff burdj
baS fpätere tune ©ieberauftaiicßen UlapoieottS
in feiner 2 Beife beeinträchtigt, unb bie bornehme
©eit fmtb fi<ß halb in bie Shatfacße, baß bie
©rafin 2 übbenatt ben ©inter über in ihrem
Calais ju tßariS, im Sommer bagegett in einem
reijenb gelegenen Schlöffe bei ©ien bermeile,
welches ihr (Satte ihr hatte erbauen laffen. 9lber
auch ber -alte Softor 9t nt hob hatte nicht nötfjig,
gegen bie unrechtmäßigen Geben feines 9liju=
berrn gerichtlich borgehen nt tnüffett, ba mit bem
Sobe Utaou(S, ber feinet JBunbe erlag, bie
eigentliche tfreiubfdjaft gebrochen war unb bie
trüben Grfahruttgen, welche fein SSater im Smtfe
. feines oielbewerten ScbcnS gemacht, auf fein
^terj gleichfalls oerföhnlich getoirlt hatten, fo
baß er eS fogar gerne geftattete, baß halb noch
bem ^rieben uott 1815 itt ber fiattSfüpefle beS
UlhnettfcßloffeS bie Srauuug feines jiingften
Sohnes 2ouiS unb ®ora’S jtattfinben burfte.
Ser 2efer ffeht, baß ber junge fvrnujofe feine
einftige treue Pflegerin nicht Dergeffen hatte.
Vorüber war bie '-öegeifteriutg uon 1813, aus*
gedungen bie Sieber bcS 9?aterlanbeS unb ber
Freiheit, gar mancher beutfeße ^elbenfohu fchlicf
in tJrraufreicßS Grbe, Straßburg unb Glfctß aber,
baS geraubte beutfeße 2anb, befanb fieß noch
immer int Sefiße ber ©elfcßett. Sodj ber Sag,
wo baS geraubte Kinb ber trauernbeit ©ermnnia
juriittgebraeßt würbe, brach enblicß an. Sieben«
unbfüufjig 3 aßre fpäter erfcßieitett im Glfaß
Wieberum beutfeße Krieger, bie biefcS UJlal aber
nießt eßer ruhten, als bis hoch oben aut UJliinfler*
tßurme bie weiße 3?aßtte wehte unb beit Siegern
oerfünbete, baß bie uralte UteicßSftabt fieß ißtien
ergeben habe. 3tt ber nämlichen Staube aber,
wo ein taufenbftimtnigeS £>urrafj bor ber Heftung
ertönte, entfaltete fieß auf bem Shurnte beS alten
SdjloffeS bie fcßwar 3 *meiß*rotbe 3-aßne. Sora
hatte ben Sag beS Sieges iticßt tneßr gefeßett,
fie fcßluntnterte bereits mit 2ottiS in ber UUfnen«
gruft; aber ber ©eift unb baS $erj ber beutfeßeu
tjrati lebten fort itt ihren Kiitbern, welche ben
berwelfcßten Ultimen b’ftaunaigne für alle gelten
ablegten, um fieß fortan wieber ftoßenheg 311
nenite»r UJlit Sandten empfing bie glücflicße
tfraitiilie mehrere Sage nach ber Uebergabe bon
«traßburg einen jungen preußifeßen Krieger,
ber ju ben fiegreießen Kämpfern gehörte. GS
mar ber tapfere Siegfrieb Utätbob, ein
Gnfel bott 3oßanneS, ber mit flingenbent Spiel
unb unter ben Sönen ber „©acht am 91hein"
feinen Ginjug in ber alten fteintath feiner Siiter
hielt. 91nt 9lbenb beS feftlicßen SageS glcinjte
baS UUjnenfchloß itt bunter Selewhtung unb
friebboff ftraßlten über ißm bie leucßtenben
Sterne. Ser jtiitgfte Sproß ber alten fjamilie
aber fcßloß bie ffreiibenfeter mit betn Siebes*
Worte beS oaterlänbifthen Sängers Gmanuet
©eibei:
„Zimt laßt bie (Slocfeit
Don Ißurm 31t Cluirm
Durcfc’s £anb froßlotfcn
3m 3ubetßiirml
Des <jlammcuftoßes
cSeleucbt faeßt’ an,
Der fjerr ßat cSroßcs
2tn uns getßanl
€ßre fei Cßott in ber Ijößel"
©utcr unb reeller ilcbniticriimilt.
a a, Siebfle, baS möißte id) ißuett noch ein»
mal reeßt attS #erj legen — forgett Sie
für 3h r ?Hter, legen Sie jebeS Saßr ein
Sümmcßen ättriief, was ich foge!"
Siefe ©orte meiner alten tfreunbin waren
gewiß gut gemeint, unb wenn ißre treuen Ulttgeit
mich betbei fo forgenboll unb innig attblidteit, fo
hätte icß ein $erj bon Stein hoben muffen, wetttt
icß nießt an mein Ullter hätte beulen unb nicht
ein Sümmchen hätte jurüdlegen wollen, ©ie
gern hätte icß’S gethan! 91 ber ituit lege man
einmal jttrücl, wenn am leßten Sage beS ^aßreS
auch gerabe ber legte Geilt baßingeßt, wie eS bei
mir alljährlich ber fjfall mar.
Unb boeß war id) nießt leichtfutnig, nein —
eS ging gottj natürlich 31 t, baß icß gerabe mir
reichte mit meiner Ginitahme, bie mir als Wol)(=
beftallte Sehreritt 31 tlaut, einer Giunahme, um
bie jüngere Kolleginnen mich moßl beiteiben
mochten.
Slber — biefeS leibige „91 ber!" — ba War eine .
Summe absutragen, bie icß auf mein ehrlich
©efießt hin 3 U meinem Stubiunt geliehen hatte;
ba galt eS bie ratenweife ^aßlung meines $ 11 *
ftrumenteS — neß, icß wußte, baß id) noch lange
^aßre für bie Hergangenljeit 31 t arbeiten hatte.
9ßaS blieb babei für mein 9llter übrig-? 91 i cß t S.
— S)a 3 u war baS 9llter nießt meßr gar fo fern
— aeß, nein. eS winfte mir mit einigen Silber*
fäbett unb 3?ä(tcßeu feßott attS gait 3 bebcnflidjer
Uläße. ©ar icß bod) fdjon 3 km ließ „mittelalter»
ließ" gewefett, als ^amilieuberfjältniffc ntieß ber*
attlaßteti, ben „Schwergeprüften" mich eiii 3 iu
reihen ttnbben Kampf umSStafeiit aufsunehinett.
Sie fegenSrei^en Ginri^tungett, bie meinen
jungen Kolleginnen ein bcßaglicßeS Utlter feßaffett
fallen unb fönnen, waren 31 t ber 3 c *t laum als
glätte belannt.
Digitized by v^ooQie
316
Snttc uub reeller jlebeuoerbienft.
Kein ©ttnber, baß id) nach außerorbentlichen
©egen ju fpähen begann, bie gttr Scrgrößerung
meines GinfontmenS führen möchten;
34 fonn nnb grübelte int ©achett mtb $räu»
men. könnte ich Sribatftnnben geben — nein,
bie Statuten ber Schule, an welcher ich wirfte,
verboten mir folche 3erfplitterung meiner Kraft.
Sollte ich mich an ein Tapifferiegef4äft menben
uub um Arbeit bitten ? 9lch, bie Gingen thaten
mir fchon meh, wenn ich an bie feinen Stiche
nur buchte, bie ich bann machen mußte. Sollte
ich fchriftftellern ? $>er (Bebaute hatte etroaS un»
gemein Serfiihrerif4eS für mich, uub ich wiber»
ftaiib ber Serfu4ung nicht — ich begann gn
fchriftfteKeru. Salb hatte ich bie ftreube, mich
in berfdjiebenen Slättchen gebrueft gu feheit.
91ber baS mar ber eingige Grfölg meiner Schrift»
ftellerei, bergebenS wartete ich in aller Stille auf
weiteres.
Sollte ich einmal bei größeren Slättern mein
|>eil t>erfliehen ? $er ©ebattle berließ mich nicht,
er peinigte mich gerabegu, unb halb befanben fid)
einige Heine Arbeiten auf bent ©ege nach S.
unb nach 2., aber nach fabelhaft fnrjter 3eit
hatte ich bie $reube beS ©ieberfeljenS. Unb hoch
waren fie wirtlich am Orte ihrer Seftimmiing
gewefen, nicht etwa in Vorahnung ihrer Un»
würbigfeit unb flüger als ich auf halbem ©ege
wieber umgefehrt, iieiu — fie brachten ihr 3?ug»
niß mit: „Seiber nicht gu berwenben,"— „lieber»
reichlich berfehen."
So blieb bie Sorge unb tiefer fünf ich in ber
©aßl ber Wittel, mich ihrer gn entlebigen.
,^atte ich nicht manchmal im 3nferatentheile
ber 3eituugen gelefeit: „©uter uub reeller fRebett»
berbienft wirb, gegen Ginfeiibung oon fiiufgig
Gents, Serfonen aller Stäube tiiuhgewiefcu" ?
— Siefe Annonce fchieit mir plößlid) hoch ft be»
achtenSwerth.
Seichtfinuig wagte ich bie fiiufgig Gents unb
boD Hoffnung fab ich beut Kominenbeu ent»
gegen.
Utngehenb traf auch ein Srief ein bott biel»
berfprechenber ®icte, boch ich bejwaug meine
Bteugier bis gum 9lbenb, wo ich teilte Störung
mehr gu fürchten brauchte, um mich bann mit
ungetheilter ©oitne in bie 9(itmeifuitgeu gum
fReichwerbett gu bertiefen.
9lber mit ber Gnoeioppe riß ber fchöne ©ahn
entgwei! ©aSfaitbid)? Gitte Wenge gebrudtter
9lttefte, betten auf ©unfeb noch h«nbert anbere
beigegeben werben tonnten, 9(ttefte, öotl bon
ülnerfennungett für ben „eblett Wenfchenfretinb,"
ber eS fich gttr „heiligen Sflicht" gemacht hatte,
bergagenben tttib bergmeifelnben Wenfdjen eine
Ggifteng gu grilnben. ©ie troftreich für mich!
Wit biefett 9ltteften war mir nun feitteSwegS
fchon geholfen — baS war auch nicht beS 91b»
fenberS Wcittnng, ober gegen Ginfenbuttg oon
fünf Dollar war ber „Gbelfte aller Gblen" —
laut 9ltteft — bereit, auch mir bie mertljboflften
ÜRathfchläge gu ertbeilen.
Urieb mid) bie Bleugier, ober hatte ich mich
berftoeft gegen bie Grfenntuiß beS ScbwinbelS
— genug, ich opferte bie berlangte Summe unb
wartete ber Tinge, bie ba fonimen follten.
Blicht lange währte eS, ba erfebien ein Stichel»
djen unter Kreugbaub, leiste ©aare, bon außen
nuqefehen, nnb fein Inhalt war bent 9(eußereit
entlprcchenb. 34 laS nnb ftaunte. fRegept 1
(lehr gu empfehlen)," enthielt SJitile gttr eigenen
Steinigung ber Cefen.
„fRegept 2 (unübertrefflich)," lehrte bie £>er»
ftellung bon Sdiwefelhölgern gu eigenem Scharf.
„fRegept 3 (äußerft profitabel)," gab 9(ttmei»
fttng gttr Sereitung ber feiuften Tafelbutter aus
Kartoffeln unb Wohnöl. — Solcher fRegepte
braute baS Süchelchen etwa gwangig. 9(ber was
halfen fie mir! ©eichen Blußett hatte ich babon.
Wenn ich wußte, wie inan aus felbftgegogenen
Sfabafspflangen bie feinflett &abanna»Gigarren
herftellen, ober wie man fRafirnteffer fchärfeii
unb fonferbiren formte! Wit einem tiefen Senf»
ger Pachte ich an baS fchöne giinfbollarftüc!, baS
ich fo leichtfinnig bahingegeben hatte: id) war
befchtoinbelt worben.
fRtttt war ich 5 War um bieleS Hiiger geworben,
aber bod) noch einfältig genug geblieben, in ber»
felbett thörichteu ©cife weiter gn forgett, unb
meine alte §reunbin berfehlte auch nicht, fo oft
fie mich fah» mahnenb uub wnritenb immer wie«
ber auf bie trübe 3»funft b'ngumeifcit. Sie
meinte eS fo gut mit mir — ich war baS Kinb
ihrer liebften 3ugeitbfrciinbin — unb Wie gern
hätte fie mich bon meinen Sorgen befreit, wenn
fie nur nicht mittellos unb auf eine Heine Seib«
reute befdjränft gewefen wäre. ®o4 brachte fte
mir nicht feiten Kleinigleiten gum ©efchenle,
Tinge, bie ich beburfte ttnb mir hätte laufen
ntüffen. „Sehen Sie, Siebfte," fagte fie bann
in ihrer freunblichen ©eife, „ba haben Sie ein
Stüdchen 2iße, foftet gwangig GeittS nnb ein
wenig Bläbfeibe, gerabe für fünfgehn Gents,
macht gufammen fftnfunbbreißig Gents, bie
brauchen Sie nun nicht felbft auSgttgebeit, ober
Sie legen fie hübfeh in 3bre Sparbiichfe!"
GitteS Soges aber lant fie freubeftrahlenb gu
mir, ein 3f*HingSblatt in ber #anb. „C,
Siebfte," rief fie, noch ehe ihre Heine ©eftalt
über bie Schwelle gefontmeu war, „ba ift etwas
für Sie!" unb mit triumpbirenbem Slicfe hielt
fie mir baS Statt unter bie 91ugett, wo ihr bor
Bltifregutig gitternber Singer auf eine beftintntte
Stelle wieS: „©ießtig für Tarnen höheren
StanbeS."
„91ch!" rief ich anwillig, „baS ift wieber fo
etrnnS!"
,,©ie beim fo etwas?" fragte bie Heine
Digitized by v^ooQie
flutet unb reeller ^ebenuerbienft.
317
Tarne ärgerlich, weil unbetannt mit meinen
Wimmelt Grfaprungen. „So lefen Sie bo<h
erft!" Unb id) laS: „Tarnen, beiten eS an Unter»
paltung fehlt, tarnt leiste unb einträglich« ©e«
fchäftigung ttacbgemiefcu werben, ber fiep jebe
Tarne uubefhabet ihres ©tanbcS wibmen faitn.
Näheres-u. f. w."
„Ta melben wir uns!" rief bie kleine ganj
entjiicft, „baS ift wie für Sie gefcpaffen! Sie
hatten baS natürlich wieber nicht gefehen —
fcproeben immer in höheren Legionen! Unb nun
füllt ans Serf — eine ©riefmarfe herbe i<h gleich
mitgebracht."
3 h wollte Ginmenbungeit machen, wollte ihr
bon meinen Grfahrunqeu erjühlen. „Nichts ba,
Siebjte! ich geh« nicht eher oou ber Stelle, bis
Sie gefcbriebett haben." Tamit pflangte fie fich
in baS Soppa mit einer Gittfhiebeuheit, bie mir
fagte, baß fie ihr Sort heilten werbe.
3ögernb fuepte ich Rapier unb fjeber, benit
ich mär iiberjeugt. baß es wieber „fo etwas" fei.
Seufjenb tiintte ich ein, fchrieb, couDertirte unb
abreffirte.
„So ift’S recht," fagte bie Heine Tarne 311=
frieben, bie mir mit größter Slufmerffamfeit
unter meinem 9 trme burd) jiigefehen hatte. „'Jtuii
geben Sie mir ben ©rief, Äinbheu, ich fteefe ihn
lieber felbft in ben Äaften, er ift 311 wichtig." —
©tit einer fjreubenthräue im Singe fcpüttelte fie
mir bie &nnb unb trippelte mit iugeublicher ©e=
henbigfeit 311t Thür hinaus.
Ten Grfolg bicfeS ©riefeS erwartete iih mit
ber größten ©ebitlb; nicht fo meine fjreunbiu,
bie fchon ben ltächfteu Tag ihr Heines freunb»
litheS ©efiept in bie Thür fteefie. „Stoch nichts
ba'?" 3 h Derneinte. „fjabeit Sie nur ©ebulb,
fiiebfte, fehen Sic, bie Seute müffen hoch auch
überlegen, 3iehen Dielleicht erft Grfnnbigungeti
ein."
Ter folgenbe Slbenb brachte bie erwartete Slnt*
wort, bocp ließ ich baS Schreiben bis 311m Gin«
treffen meines ©efucheS uneröffnet.
©Me gläii3teit bie Singen meiner alten ftreuii*
bin, als fie ben ©rief erblictte, ber in ihren hoch»
gefpaituten Grmartungen einem „Tifhh«a beef
bidj!" gleich tarn.
TaS Oeffnen 1111b baS Sefen beffelben fepien
ihr ein fo großer Slugenblicf, baft fie feierlich
ernft ihre #änbe faltete.
3 h laS: „P- P- Sluf 3 hr ©efuep beehren
wir uns 3hnen mitjutpeilen, baß wir geneigt
fmb, Sie als ©gentin unfereS ©efcpäfteS 311
acceptiren, unb berfprehen wir 3hnen bei ge»
uügenbem Grfolg hohe ©robifiou. Sobalb Sie
uns burch beglaubigte ©itweifung eine fieper be=
ponirte ftautioitSfumme iiberwiefen haben wer»
ben, empfangen Sie ein Äiftcpeu mit 3Wan3ig
Slafdjen feinftem Siqueur, ben Sie behufs Gr»
Werbung bon Ämiben gelegentlich in 3 prem
werthen ^reunbeStreife empfehlen unb bei 6m»
pfang Don ©efnhen 3iir ©rohe präfentireu. Sir
finb iiberjeugt, baß jeber, ber unfer Sabrifat
getoftet hat, baS ©erlangen haben wirb, eine
größere Quantität 3U bestehen. 3 « bem Solle
würben Sie fich in liebenSwiirbiger 3 ubor«
fommenheit 3U erbieten haben, baS ©ewiinfepte
aus ber 3 h«fit befaunten Quelle fommeit 311
laffen. Sir bewerten noh, bafj 3 haen auch
Gigarretten, 3«huftocher unb anbere in feinen
Sfreifen unentbehrliche Slrtifel für obigen 3>oed
3iir ©erfügung ftehen.
Grgebenft GliaS ©taper & 60.
Tie Sirtung biefeS ShreibenS war eine
burchauS Derfhiebene. 3 h muffte lachen, wie id)
noh nie geiaht hatte, im ©eifte fah ich mid) bie
Stolle fpielen, bie mir 1 )iev Dorgefcpriebeu wor»
ben: 3 h iheutte mit liebensmürbigent Gifer
Siqueur, ich präfeutirte Gigarretten, ich Perbrei»
tete midf in harmlofem ©eplauber über bie ©or»
Süge Don 3 ahnftohern — wie fomifd) muffte baS
alles einer beinahe fdjou alten fieprerin 311 @e»
fichte ftehen!
Unb meine alte gfreunbiit, — jufammenge»
funfeu faß fie ba, mit gefalteten Rauben unb
mit Derftörter ©tiene tniep aufehenb.
,,©h'-" mie ein ScprectenSruf Hong eS Don
ihren jitteruben Sippen — „was giebt eS boh
für fcplechte ©tenfehen! Sie tamt 3 h»e« einer
juntuthen, einen fiigueurhanbet anjufangen, baS
wäre ja beinahe eine ©aftwirthfepaft! Unb
Gigarretten fotlen Sie Pertaufen! unb 3 ahn=
ftocher gar —pfui, wie unappetitlich! @0 etwas
einer anftäubigen Tarne 3itjumuthen!"
©leine ©iiipe, fie 311 befäuftigen, war burep»
aus erfolglos, fie war 311 empört tiub ließ fiep
auch nicht bie ©ieiiiung auSreben, baS ©auje
laufe einjig unb alleilt auf ©eleibigung nnftän»
biger Tarnen hinaus, ©ah biefer Täufcpnug
hoffte fie nun nichts mehr für mih, in tieffter
Setriibniff fchiittelte fie ben Jtopf. „Sie foll eS
werben, wenn Sie alt finb, ßinbepen, unb nicht
mehr arbeiten tonnen! 3h liege bann längft im
©rabe unb fann niht einmal mehr ein ©isheit
für Sie — f orgen. Sie foll eS werben!" Sie
feufjte tief befümmert. ©tir aber tarn plöplicp
ein großer ©ebanfe, boh eh« i<P ihn ouSfprnip,
nahm meine gute Srettnbin wieber baS Sort:
„£ören Sie, Siebfte — ih weiß nun feinen Ütatp
mehr für Sie, ber liebe ©ott muß fepon
felbft jugreifeit, wenn Sie alt unb fepmoep
werben!"
Sar baS nicht gerabe and) mein ©ebanfe
gemefen ? Sie patten wir beibe benu Pergejfeit
töniieu, baß ber pimtnlifcpe ©ater gewißlich
„jitgreift", wenn tinfere £>änbe nicptS mepr Per«
mögen!
Sort nun mit ben tpörihten Sorgen! Sopin
patten fie mih gebracht!
Digitized by v^ooQie
318
Pie pebtngungm ;u einer erfolgreichen (Stjieljung.
Arbeiten unb Raffen, fo lange bie Sfraft
reii^t unb mit ©ottüertraueu in bie 3utunft
blicfen — nach biefem Slegepte lebte ich Don nun
an, unb eS bot fiel) als baS eingig richtige er«
wiefett. (2>at)eint.)
Pie Priiitgitttgtn jti einer erfolg-
reidjen <ft|iei)im$ mit Püdiftdjt
auf unfer beutfdjea JÖcrk,
®« $. 88 tti|er.
(^ßublijirt auf »erlangen ber ©anntagf^uI>GonDentton
t>«8 ©üb=3Minnefot«»2!iftnll8.)
Z um erften ijt notbwenbig, baß unfere Uin»
Cv- ber unb jungen Seute griinblieb gu ©ott
' 1 betebrt werben, benit was mißen uns nn=
belehrte ©lieber berütirebe, in welchen fein chrift*
licheS Sehen ift ?
Stt ber $ainilie, ba wo bie SBiege ftebt, ntiif*
feit bie ©runbfteine gum San eine§ fittlidjeu unb
religiöfen ©b^rafter» beS JtinbeS gefegt ifnb bie
ßinber ergogen werben in ber 3“<ht unb ©r*
ntabnung gunt §errn. $er fDtutter ©emütb
trägt befonberS Diel gur Silbung beS ßittbeS bei,
fowobf in leiblieber, als in geiftiger Segiebuitg.
Slber man ift oft gu geneigt, in uitferer 3eit
baS religiöfe Sehen in ber tffamilie Don ber 5J?ut*
ter abhängig gu machen, ttnb beit Sater gti ent*
febufbigen. 35ieS ift eine irrige 9lnficbt. Söater
unb fDlutter ntüffen in Harmonie gufaiuinen
mirfeit, ibre $inber fiir bett fjerrn in ber ßirebe
gu ergiebeu, unb fiir fie beten, baß fie frühe beit
Ferrit feniteu fernen.
Oft wirb geffoat, bafe bie Sugeitb fo gleich*
gültig fei gegen ©ott unb baS ©ebet; bat man
fie aber auch früh genug barait gewöhnt? Oft
lebt in unterer Sügenb bie wunbcrfic^e 3bee,
baß baS ©briftentbum für baS Elfter, für $ranfe
ober ©terbenbe paffe; ober tragen bie ©Item
nicht itt Dielen fällen bie meifte Schulb ?
©iebt eS feine ©Item, bie baS ©ebet Der*
fäunten, feine gfamilieit in nuferer ,ftird)e, bie
feinen Sramilienaltar haben unb wo ber füße
9tame SefttS nicht einmal baS gange Saßr ge*
uannt wirb ?
$a -faitn man fich bettit leicht benfeit, wie eS
in einer folgen Familie anSfieht. ©otteSfurcht,
SReligion unb Siebe gnr Äirche fehlen; an baS
£eil ber Seele wirb nid^t gebaut, unb ift eS ba
ein SGBunber, wenn bie Äiitber ber Jabelfudjt
anbeintfaOen ?
3uerft werben bie ^ßvebiger getabelt, fobatttt
bie ^fehler ber Stirne gefugt unb gefuttben; fer¬
ner bie ©oflefteit betrittelt, bie gar gu häufig
feien, was in ber guten alten 3*it uidjt fo ge*
wefen.
Sei folcher ©rgiebung wachfen bie ftiuber auf
ohne Sefebrung, ohne Achtung Dor beut Srebiger
unb ber ^rebigt; ohne Achtung üor ©otteS Uiit«
bern unb gotteSbienftlichen Sßerfammlungett; ja
ohne 9lcf)tung Dor ihren eigenen ©Item.
©chrecflidj aber ift bie Serantmortlicbfeit,
welche folcbe ©Iteru auf ficb laben.
ferner ift ber ©influß ber ©onntagfcbule in
ber ©rgiebung unferer ftinber üott großer Sfflicb*
tigfeit.
Unfere ©onntagfchuleit foffeit nicht bloS reli*
giöfe, fonberu fie müffeit f i r dj l i ch * religiöfe
Schulen fein, wenn anberS bie Sugenb in ben*
felben für bie Kirche ergogen werben fofl.
SBeldjer ttlrt ber ©influß ber ©onntagfchuleit
gegenüber ltnferem fird)li<ben Sehen ift, alfo
wirb ficb auch ber ©barafter ber Sttgeub in ben*
felbeit bilben.
jDaber ift eS notbweubig, baß bie ^Beamten
unb Sebrer gute ffUitglieber ber Jfirche fiub, unb
eS ihnen fiergenSfache ift, bie Schüler itt ben
Serbanb ber äirche fowobl, als gu Sefu gu fiib»
ren. Uebernd füllte in ber ©onntagfcbule fireb*
liebe Orbnung gepflegt werben, bamit bie Sugenb
baran gewähnt werbe. SBill man aber in ber
©onntagfcbule öerfebiebette Sebrmeittuitgeit
ttnb Dränungen gutbeißen, ober gar felbft mich*
machen, fo braucht mau fich nicht gu munbern,
wenn unfere jungen Seute bielleicbt Merwelts*
©brifteit, aber feine ©emeiitbeglieber werben.
©ine anbere notbweubige Sebingitug iß bet
fbftentatifche fatecbetifche unterricht' Pott ©eiten
beS S«bigerS. 3 war ifteS bie Aufgabe ber
©onntagföbule, religiöfen Unterricht gu ertbeilett,
aber bie Arbeit in ber ©onntagfchule ift nicht
geniigenb.
Son ber SBicbtigfeit beS fatedbetifdjeit Unter*
ricbtS war bie Stircbe noch nie mehr iibergeugt,
als gegenwärtig.
3fn nuferem firchlicheit JifatecbiSmuS finb bie
fteilsuorfchriften fo furg unb bünbig gufainmctt
gefaßt als möglich, nnb wo ber Unterricht griittb*
lieb ertbeilt wirb, werben fich bie .Qiitbei einen
©d)aß famnteln, ber ihnen für 3f>t nnb ©wig«
feit gunt ©egen fein wirb.
9febft bem $atecbiSmuS=Unterri<bt folleti wir
linferen ffinbern ttttb jungen Seilten wo immer
möglich Unterricht ertbeileu im $)eutfcb*Sefen
unb * ©Freiheit unb in ber beutfehen Sprache.
Sch bin fejt iibergeugt, baß etwas getban werben
muß in biefer Stidjtung, wollen mir unfere jun*
gen Seute bem beutfehen SDÖerf erhalten. SfBenit
bie ©emeinbe int Staube ift, eine ©enteinbe*
Sagfchule gu unterhalten, foflte eS uubebingt ge*
fcheben; aber wo baS night gegeben fatth, ba
füllten bie ^Jrcbiger bie Sebrer fein.
Digitized by v^ooQie
iänufeftüdu ans bem frben $ Snbrls.
319
©elbßberflänbiich erforbert bieS 3 e it, bielc
Stühe Don Seiten beS iftobigerS unb eS wirb
i(jm noch eine anbere Saft auferlegt. Aber eS
lohnt fich bet Stühe. ©ut märe es auch, wenn
für bie ertoachfenen jungen Seute Bbenbfcfeulen
errietet werben tönnten. Die Jfugenb will Se«
fcfeäftigung hoben- befonberS in ben langen
SMitterabenben, unb S^biger unb ©(fern füllten
Hug fein unb 3 eit unb ©eierenheit gut heutigen,
um uufete liebe beutfehe 3 »flenb für bie beutfdje
ftirche )u erhalten.
Dann ift es ferner auch notbtoenbig, bafe Wir
unferer 3 ngenb flute, «hriftlidtie, ben ©eift bil*
benbe unb baS ©erj Derebeinbe Siteratur in bie
©anb flehen — flute 3 eitf<hriftcu unb Sücher,
beren wir in beutfeher Sprache bie $iiße haben.
Die fdbäblidje, fliftige Siteratur beS Dage 5 richtet
fdjred liehe Serheerungen an unfer ber lieben
3 ugenb. Serfcljliefet man anch bie Dfeüre ba»
gegen, fo f(hieben bie Agenten baä 3 cug unter
ber Dljüre ober junt fünfter hinein. 3 ft es un«
ter folgen Umftönbeu &u Derwunbern, wenn bie
3 ugenb ber ffirdje Derloren geht! Saftt uns
liniere Bugen aufthun unb nachfeljen, maS un«
fere ffinber lefen.
ferner follen wir auch unfere Sugenb anlei»
leiten ju einem würbigeu ©ebrauch ber heiligen
©afraniente. 0 wie wenig junge Seute gehen
jum Bbenbmabtetifche! 2Bo ift’wohl bie Ur»
fache ju fucheu ? 3in jugenblichen Sei(htfinn
ober in ber ^ßflichtDerfäuinnife ber Gltent unb
Srebiger ? Son SJeSlet) helfet e§, bafe er als
7jäbriger ftnabe jum heiligen Bbenbmahl ging.
Unfere ftinber int Slter Don 14—16 fahren
foflten angefeitet werben baä heilige Bbenbmahl
ju feiern. Dann fönten wir überall, wo eS fich
tf)itn läfet, nette, bem 3wecf entfprechenbe Äircheit
haben, fo bafe unfere jungen Sente ein nettes
©eint haben unb es in SBahrheit gefugt werben
fann: „2Bie lieblich finb beine SJohuungen,
©err 3ebaotl)." DaS atfo angelegte ©elb trägt
in ber fjfolge grofee 3fntereffeii. Gnblicf) ift noth*
wenbig, beife bie ©emeinben recht „lirchlich" ftnb,
Dor aßem bie SSorfteher, bie füllten ihre eigene
ftirdje aßen anbern borgte ben. ftirchticher Sibe«
raliSmuS ift fchon gut, boch barf er nicht ju weit
gehen. Sifhof ©impfon Tagte einmal: „3f<h
habe lein ßteefet meines ßtadjbarS Familie ebenfo
tu lieben als meine eigene, nein, ich mufe meine
öramilie mehr lieben als aße anberen."
■m
Prudjftädte mi 0 hm Arbeit Ijättbel#.
gut §**$ «ab ©erb Don (£. Ctt.
3 |ebeS @ebiet beS menfdjlidjen SSirlenS hat
(g jg grofee ©eifter aufguweifen, beren fRuhm
auch her Bachtwit belannt ift. So bie
Slufil. 3 Ber fennt nicht bie Flamen ber großen
Stuiiler, ©anbei, ©apbeit, Seethooen unb 9 Jto«
gart? Unb unter biefen ©röfeen fleht ©änbel
als ber ©röfeefte oben an ber ©pifee. Ginige
Srudjftüde attS feinem Seben möchten intereffant
fein.
©ein ©eburtSort war ©aße in ©achfen, wo«
felbft fein Sater ein Brat war. 9 Bie faft aße
Stänner, welche in ihren ©ebieten ©rofeeS ge«
leiftet haben, fchon in frühefter 3 fnqenb ihre Bn«
lagen geigten, fo war es auch bei ©anbei. Der
ffiang mttfifalifcber Snßrumente fchien ihn fchon
als ftiitb auf befoitbere fEBeife gu feffeln.
©änbel’S ©ater bemerfte biefe Sorliebe fiir
TOufil, war aber feineSWegS froh bariiber. Gr
meinte, Stufet fei fchon gut gum ?Jeitoertreib, aber
als ©efdjäft tauge fie .nicht. ©ein ©ohn foßte
lein Slufetant werben. Deshalb erlaubte er ihm
nicht auf irgenb einem 3 nferumente fich au üben,
auch fottk et lein Goncert befuchen. Bber auch
hier aei™ eS fich beutluh, wie fdjmer es ift ben
inenfdhliöhen ©eift git Inerten unb wie man, wenn
man ein 3 i't erreichen wifl, immer Stittel unb
Stege finbet. Oben in ber Dachftube beS ©än*
belfdien ©aufeS ftanb ein altes, unferm heutigen
Siano ähnliches Snftrumeut. 3u biefem fdjlich
unfer junger ffreunb, weitn fein Sater bon ©anfe
abwefenb war, unb übte fich ohne Sehret unb
fonftige ©iilfSqueüen.
GiueS DageS wollte fein Sater einen Sefudj
bei bem ©rafen ©achfen «SßeifeenfelS abftatten.
Der Heine ©eorg bat, bafe er ihn mitnehmen
möchte, unb brefc Sitte Würbe ihm gewährt.
Salb noch ber Bnfunft Seiber auf ber Sarg beS
©rafen hörte man in ber Surglapefle eine mun«
berbare fötnfif. Der ©raf trat in biefelbe unb
fanb einen Keinen itnaben, ber ba fpielte. „Ster
bift btt?" rief ber ©raf aus.
„!ff<h bin ber Heine ©änbel aus ©aße," war
bie Bntwort.
„Sraoo," fagte ber ©raf.
©ünbels Sater ftanb mit gornigem ©eftchte
ba. Der ©raf aber wanbte fich an benfelben
unb fagte: „2fbr Änabe hat ©enie unb ©ie thun
unrecht es ju nnterbrüden. Soffen ©ie ihn ftfhu
filer werben."
Unb fo gefchah e§- ©ein Sater wifligte ein
unb liefe ihn burch bie heften Stufillehrer feiner
3eit unterrichten. 3efet mar et in feinem
Digitized by v^ooQie
Hu» einem irembeubtufye.
320
Elemente itnb ftubirte mit großem Gif ec, unö
toie ju ermarten mar mit großem Grfolge. ©alb
idiiv er im Staube, auf faft allen ^iiftrumentcii
ju fpieleu, unb fein 3'fl mar, fid) jitm ©leifter
aller mufifalifdjen Gompofitionen ju machen unb
wenn möglich, fie ju oerbeffern. SDieS ua()m
feine 3c<t fo in Hnfpruch- baß er oor beit HttS»
fchmeiTungeit fo Dieter feiner juflenblichcn 3fit=
geitoffen beiualjvt blieb.
Hls er einunbjmaujig 3ahre alt toar, ging er
nach Slorettj, Don ba nach ©enebig unb fpiiter
nach '«Born. ©ier fing er art ju componireit, bocp
haben feine Arbeiten aus biefer fi<h nie
einen bieibenben 9tuf ermorben.
2fnt 3abve 1709 lehrte er nach Ocutfdjlanb
jttrüd unb hielt fid) an bett gefeit ber ©errfcher
oon ©raunfdjroeig unb ©anttooer auf. ©ein
9luf toar jeßt fd)on ein großer gemorbeit, unb
beshalb toar man begierig, ihn auch anberStoo
ju hören. ©ott Gitglonb her fönten Ginlabuttgen,
bie fo oerlodenb mären, baß ©anbei befdtjlop,
bortljin ju flehen. ©lit offenen 'linnen empfing
man ihn, unb feine Steife burch biefeS Sanb mar
toie ein Oriumphjug. Huf ben ©haßen rebete
man üott ihm, bie ©lufifbanben fpielteit feine
©tiide, in allen mufifaiifchen ©erfammlungeit
toar fein Harne oben an unb bie ©iidthänbler
unb SÖerleger machten glünjenbe ©efihäftc burch
ben ©ertauf feiner StBerfe. 3mifdjeu ihm unb
einem berfelben fiel folgenbeS ©efpräd) ttor:
„©lein 0retittb," fagte ©äitbel.
„Unb maS ift gefällig ?" mar bie Hntmort.
„OaS uächfte ©lal mögen ©ie bie ©lufit fd)rei»
ben mtb icb merbe fie oerfaufen."
Uitterbeffen hatte Äöitig ©eorg I. aus bem
©aufe ©aitnooer ben Oljeon GnglanbS beftiegen.
Oerfelbe hatte noch nicht oergeffen, baß ©anbei
einft ben ©of feines Kaufes oerlaffett hatte, unb
ttm ihn ju ftrafeit, oerbot er ihm, am ©ofe ju
Sonboit ju fpielen. Giitft jebodj hörte er etliche
©lufifanten ein ©tiid ©äitbel’S aufführen, unb
mürbe baoott fo bejaubert, baff er ihm oerßab,
ihn an feinen ©of fommen ließ unb iljm eine
flroße ©enfioit betoilligte. Oie ©erföhnung beS
ßönigS üon Gnfllanb itnb beS ßönigS ber ©liifif
erfüllte gattj Sonbon mit ffreube, unb man
feierte biefelbe unter ßanoneitboitner uttb Sfflu»
miitation ber Raufer.
©anbei fchrieb Diele Opern, aber befoitberS ift
er befannt als ber Hntor üieler Oratorien, b. b.
Oarftelluugeu biblifcher, heiliger Greigniße burch
©lufif. Huf biefent Selbe leiftete er fo ©ieleS
itnb ©roßeS, baß man ihn ben „©ater ber Ora»
torien" nennt. JÜUe feine ©tiide erfreuten fich
beS Set falls feiner 3eit, aber bie meifteii oon
benen, roeldjc er üor feinem fitnfjigften 3ah«
fchrieb, finb ber 93ergeffen©eit attheinigefallen.
Oreißig 3«h« einer fllünjenben mufifalifchen
Saufbahn toaren üerfchmunben unb er mar ba»
burch für baS größte Sßert feines SebettS Dor»
bereitet. Sm oierunbfiiufjigften Sahre feines
Seitens fchrieb er feinen ,,©äu(". ©alb barauf
„Israel in Ggppten". ©eibe ©tiide haben fich
bis jeßt erhalten, ©ein ©leifterftüd jeboch ift
ber „©leffiaS". Huf folgeube SBeife foü bieS
Oratorium entftanben feilt: Gr hatte eine be*
foubere ©orliebe für Urlaub. Ginifle ©ienfchen»
freuube Oublin’S baten ihn, ein Gonjert ju
flebeu, um mit bem GrlöS babou Unßlüdlicbe,
mclche ©chulbett halber in baS ©efeingniß ge«
ratheu maren, ju befreien. OieS bemofl ihn, ben
„©leffiaS" ju fchreibett. Gs fcheint faft, als ob
eine höhere Sufpiration ihn babei geleitet hatte,
©ott feinem ©erjeuSjuftanbe miihrenb biefer 3eit
fagte er: „Gs freien mir, als fähe id) ben ©im»
mel offen unb fähe ben großen ©ott felbft."
Oer Grfolg biefeS Oratoriums toar großartifl.
GtmaS berartigeS mar noch nie gehört toorbeu.
Oie größten ©ule Onblin’S tonnten bie herbei»
ftrömeube ©leitge nicht faffen. HlS jföuig
©eorg II. baffelbe junt erften ©lale hörte, mar
ber Ginbritd beS „©allelujab »Gborus" auf ihn
fo gemnltig, baß er fich flanj Oergaß unb auf
feine Süße fprattg.
,,©ie haben aber bie ©erfamntlung gut antü*
firt," fagte ein Gbelmann ju ihm am ©chluffe
feiner erften Hufftihrung beS „©leffiaS" in Son»
bott.
„©lein ©err, eS mürbe mir leib thun, menn
ich fie bloS amiifirt hätte, ich mollte fie bejfern,"
mar bie Hntmort beS ©teifterS ber ©lufit.
©ein Seben mar ein reines, red)tf<hnffeneS,
frommes, unb bieS ift mohl eine Urfacpe feines
fllättjenben GrfolgeS. 2öet ba roill ein großes,
gutes 2öerf thutt, baS bleibet, muß fid) loßreißen
boit bem ©iebrigeu unb ©emeiuett.
3n feinem Hlter mürbe er blittb, aber obmobl
er leiblich ohne Sicht mar, blieb er hoch ein ßö»
ttifl ber ©lufil.
©ein äöuttfch mar, am Gharfreitag jn fter»
ben, meil an bem Sage GhriftuS in baS ©ara«
bieS eingegangen fei, uttb berfelbe mürbe erfüllt,
bettit auf feinem ©rabftein ift ju lefett: „©tarb
am Gharfreitag, ben 14. Hpril 1759." Hber
miemohl er geftorben ift, lebt er noch.
JUt$ fiiiftn frfuiöfiiluidjf.
or mir liegt ein ©uch, mit einem nieblichen
ßleibchen angetban, bei beffen Htifertigung
auch baS ©olb nicht gefpart morbett ift.* 3<|
fchlage baS Oitelblatt auf unb lefe recUs oben:
„Svcmbettbuch ber Sami(ie. . .", in ™ ©litte
ben ©pruch ©ebr. 12,2: „©aftfrei jn fein. Der«
geffet nicht, betttt burch baffelbige haben etliche
Bi g itized by
Googk
Hus einem fretubenbudje.
381
ohne ihr Vßiffen ©ngel beherbergt!" unten:
„fmmroöer, Verlag üoit ©eine. geefc^e." 2infS
bagegeu finbe idj eine feine, wohlgeluugene Sh 0e
toflrapljie, rockte beit gaftfrcuubiidjen (iinpfaitfl
lieber ©äfte feitenS beS©auSherru unbber ©aus«
frau borftefit. 5)aS tütchfte SBIott bringt eine
SBibmuna im poetifchen ©ewanbe, aus bev id>
folflenbe feilen heruorhebe, welche beu 3ro«f beS
SucheS beut lieb berratljcn:
„IDer unter biefetn ftillcu Dach
(Beherbergt ohne Ungemach,
Der nehme, roenn er »etter 3iefjt,
Diel Segen uub Diel ^rieben mit!
Dod; etj’ er »ieber gebt biirdj’s lEfjor,
Schreib’ er in biefes Bild? 31100t
Sich ein unb feße andj babei
«Ein gutes Sprüchlein ober 3»ei."
Vun folgen eine flanje Stenge weißer unb
leerer Slätter. ®od) nein! $aS ift nur jjur
©älfte wahr! SEBeife unb leer waren bie Slätter
bor bier fahren- wo ich meiner befjern ©älfte
biefeS Such als Vngebinbe jitin SSßiegenfefte bar«
braute. ©eute aber ift bereits ein drittel beS«
felbeit betrieben mit allerlei wertfeeu Flamen
unb fluten SEBorten in Srofa unb '^oefie. Seit«
bem nämtidb baS ffrembenbuch im ©aitfe ift, ift
ißm fein Ouartier im fofleitannten ffremben«
jimmer anflemiefen worben. Sobalb nun ein
Sreuttb beS ©aufeSSliene macht, feine ©erberge
auch nur eine Stacht unter unferem $a<he auf»
jufcfelagen, wirb ihm baS ffrembenbuch gebracht
mit ber freunblic^ett Sitte, feinen Flamen unb
Womöglich anA ein gutes 2öort gum Vnbenfeu
an ben lieben Sefucf} einjufchreiben. deiner non
ben Dielen ©äften, bie in ben bier Safeven ein«
unb auSflcflanflen fiitb, hat fich flemeiflert, ben
©aftfreuiiben biefen ©efallen ju thun. Unb fo
haben wir eine ftrofte Vnjaljl ©rinnerungSaeichen
erhalten, bie uns lieb unb wertfe bleiben werben
ftir alle fommeuben 3 citen. ©inige babon will
Schreiber biefer 3eil«n hier junt heften geben.
Natürlich ift feiitS babon nieberflefchrieben wor»
ben in ber SorauSfeßung, bafe es einmal juin
Vbbrncf gebracht werben fönnte. $)och glaubt
ber Schreiber, bah ihm feiner ber ehemaligen
©aftfreunbe biefe Veröffentlichung übelnehmen
werbe.
Vn ber St>iße mögen bie finnigen SEßorte
Rehen, welche ein naher Sermanbter beS ©anfeS
eingetragen hat §u einer 3 eit, wo bie göttliche
©nabenfonne für unfer ©aus hinter bunfeln
Sollen oerborgen war. 2luf beu SRatlj beS
VrjteS hatte nämlich ber ©auSfeerr im Sommer
beS Jahres 1879 eine Sabefur gebraucht gegen
ein hartnädigeS ©als« unb ein angehenbeS Stuft«
leiben — ohne jeben ©rfolg. 21IS er nach ber
©ur wieber ju feinem ©auSarjte fam, gab biefer
bie ©rflärung ab: „3h rathe 3h»cn, baß Sie
baS Ifapital, welches Sie burch 3h rc Sfrfon re»
ßräfentireu, 3 hvev'öami(ie womöglich noch eine
3eitlaug gii erhalten fliehen uub — ben Sinter
int Siibeu jubriugeit." 2)aS war ein harter
Schlag! Slit forgenichwerent ©eneu unb ©äugte
ging ber Serurtfjeilte umher. 31 t biefer 3 e >t
fattbte ihnt ber himmlifhe Cbcrarjt als ©ngel
beS ürofleS beit lieben Serwanbteit ins ©aus,
ber folgenben ßoetifchen Sdjeibegrufe jur ©r«
quiefung feiner ©aftfreunbe hiuterließ:
„Unwetter hat mich feftgchaltcn,
Bei euch 311 bleiben über Reicht;
Dod; hat n,is fdjon am anberu Ütorgen
Die Sonne wieber angelacht.
3 ft’s nicht ein Bilb pom Cbrifteii leben,
Das uns aud; führt bureb manches leib.
Bis als £rlöfte wir eiuft fchweben
3 >n ©Ian3e e»’ger Seligfeit?"
©in anbercr tßeurer ©aft, ben ber ©auSherr
bor einer Dteifee bott 3 l 1 h«n in Sab ©ms fen«
neu, fehlen uub lieben lernte, uub ber ihm feit«
beut in treuer fjreunbfchaft berbuitben blieb,
fchrieb bor feiner ©einireife bie Sßorte uieber:
„S3ir haben hier feine bleibenbe Statt, fon«
berit bie jufiiiiftige fliehen wir.
Kommt, laßt uns munter roattbern,
Der U)cg fürst immer ab;
(Ein Sag ber folgt bem aubern,
Balb fällt ber £cib iu’s (Srab.
Rur noch eilt wenig tfluth,
Rur nodj ein wenig treuer,
Don allen Dingen freier,
cSewanbt 511111 ew’gen CButl
Vit irbifchen ©eilquelleit fanbeit wir unS eiitfi,
auS bem einen ©eilsbrunneit fchöpften wir mit
3 ?reuben, ber ©err helfe unb leite uns 311 bem
Iebenbigen 2!ßafferbriinnen! $ieS ber hevjlidhe
SBunfd) 3 hveS fiir alle erjeigte greunbf^ajt unb
Siebe ftetS banfbareit ©elftes . . ."
©in Dritter merther ©aft, bem bie ßoetifche
Vber nicht fehlt, hinterliefe beim S^eiben fol«
genbeu ©ruß unb SBunfd):
„Kus gaftlidjem Ejaus
gieh’ wieber idj aus
Unb winbe (Sliicfwünfcfae 3um Strauße:
IJTag Segen unb fjeil,
UTag „bas gute Che>I"
^ortleuchten bem freunblidjen ^aufel"
®aii 3 anberer Vrt iji bie ©iuterlaffenfAaft
eines aubern ©afteS, bem baS melancholifdhe
Semßerament nicht ftreitig gemacht werben faun,
unb ber feiner fchwennüthigen Stimmung VuS«
bruef gab in beu SBorten:
„Beute febeib’ ich, beute wanbr’ ich.
Keine Seele weint um mich!"
Digitized by v^ooQie
322
Pie gtlUtljqtit be« ßrliquienroefen*.
9lbev mich an humoriftifdj angelegten ©äffen
bat e$ nicht gefehlt. 9US 3«i»Ö«>U bafür mögen
bie folgeubeu launigen 215 orte bienen:
„Unb ybeitös im Dörflern,
I)a fetjrf idj öurjtig ein,
nämlich am 6. 2lpril 1882, cüier mein Surft
würbe gefüllt unb für alle fieibeS* uiib ©eiiteS*
nahrung unb fRotljburft bis jjuni 8. 2lpril ge*
forgt. 9ln bieiem Sage fdjeibe id) aus beiu
freuublid)eu ipaufe mit bem 2öunfd;e:
cSefegnet feijt bu allejeit
Don ber JDurjel bis 311111 IDipfel!"
Sodj genug ber groben! Wöge jebeS gaflliche
ftans beit Saooueileuben eine folche Sleibeftätte
bereiten. (fRacbbar.)
Pie PUitfyqeit öro JUliquieii-
roefeuo.
3 fir $««0 trab £erb bau «. ftlm«««.
Sfr 111 10. Wobember biefeS S^heeS feiert bie
\IL bie proteftantifche Utirche beit ©eburtstag
beS großen SReformatorS S 0 c 1 0 r W a r =
t i n Cutter. Unter ben Dielen Singen, wellte
im Saufe ber 3faljrljunberte fid) in bie Äircfje
einfdjlichen, ihr S um 3ü uc h unb SJerberben ge*
riethen unb eine fReformation ber .(tirche noth=
menbig machten, nimmt ber fReliquienbaitbel
unb bie fReliquicnberehrung einen £>auptplaß
ein, inbem berfelbe in ben erften ^atjr&unberten
ber Äirche entjlanb unb im Saufe ber 3?'t immer
mehr au Umfaitg gewann.
Helena, bie Wutter beS ÄaiferS ©onjtantin
beS ©roßen, begiinftigte bie ©utftehuug beffelben,
inbem bei bem bon ihr betriebenen Sau ber
Jfird)e beS heiligen ©rabeS, im 3af)re 326, an*
geblid) baS ^cilifle Sheuj Gfjrifti aufgefuitbeit
würbe, welkes wäbreub beinahe 300 fahren
unoerfebvt im Sdioße ber Grbe lag.
SBafjrenb nun in ber morgenlänbifchen Jtirdje
bie Silberberehrung borherrfchenb war, würbe
aber bie abenblänbifche Äirche bon ber 3 c it an
in einem berhältni|niäßig furgen Zeitraum ttfat*
tätlich mit ^Reliquien aller 9lrt überfäet, bis eS
guleßt fauin eine Stabt ober einen Ort gab, in
meinem nicht irgenb eine Reliquie git fiitben ge«
Wefen wäre.
SefonberS blühte betfüeliquienhanbel wäbreub
ber 3eit ber Äreuggiige. Sie beimfehrenbeu $rie=
ger brachten gern als Seweife ihres SiferS in
ber heiligen ©acht unb als Sropfjöen ihrer Siege
irgenb etwas mit güriief in ihre .fteimath, was
mit bem allgemeinen ©nthufiaSmuS unb bem
religiöfen ©efühl beS Softes in Serbinbung
ftanb. Unb bei ber Seichtglänbigleit beS ber»
bienbeten SolfeS war cS ja eine geringfügige
Sache, irgenb etwas, was gewännt würbe, her*
beijufthaffen. Safür forgten bie qSriefter unb
Wöndje, bie beit ihnen barauS erwaihfenben Sor*
theil wohl ertannten unb benüßten. SBaS fie
nicht felber fabvigiren tonnten, baS fugten fie
auf irgenb eine Sleife gu erlangen unb eS beit
3lbergläubigcii als echte äilaare für fchwercS
©elb gu bertaijfeu.
3ebe itirdje war begierig, in ben Sefiß fol«
dber $eifigthümer gu gelangen, ba ja felbft ein
Sefdjluß be» jweiten GoncilS gu fRicäa (gehalten
im 3öh« 787) bahin lautete, baß feine Stireife
ohne eine Reliquie eingeweiht werben bnrfte,
unb ba eS um fo bortlfeilhafter war für bie be*
treffenbe Stirche, je mehr unb je erhabenere 9te*
liquien biefelbe befaß, unb aud) qjribatpcrfonen
wetteiferten, mit großen Summen ©elbeS, fi<h
folche gu fichern, würbe eS tpatfächlieb gu einer
allgemeinen Wauie, Reliquien in irgenb welcher
3?orm unb ©eftalt im £>aufe gu haben.
@S ift beinahe unglaublich, welch’ fabelhaft
hohe Summen bereitwillig^ für biefe Singe be«
afjlt würben. 2Sir geben hier nur einige Sei»
piele. Subioig IX. be,white für eine Heine 9tn*
jahl Reliquien 20,000 3Äar! Silber. 3tichqrb
Söweuhev.t johlte eben fo gent für eine Heine
Ulartie 32,000 Sutaten. ^leiitridh her Söwe
brachte unter Dielen anbereu Singen ben atigeb«
liehen Saunten beS ©bnngeliflen ÜRarfuS mit
jurüct aus bem heiligen Sctnbe, wofür ihm bie
Stabt Ißeitebig bergeblich 100,000 Sutaten an*
bot. Submig ber ^eilige taufte unter aubernt
bie angeblich echte Sornenfrone, melche ber 6r*
löfer trug, für 13.134 Sutaten. SßJeitn man
ben hohen 9i?erth beS ©elbeS jur bamaligen 3eit
bebenft, fo muß man ftaunen über bie bereit«
willigteit, mit welcher folche Summen berattS«
gabt würben für biefe Singe.
Natürlich tonnten bie jeweiligen ^äpfte in
fRom cS nur mit Wißgunft unb Üitjufriebeuheit
anfehen, wie biefe grojjen Summen ©elbeS noch
allen anbertt flößen uitb in alle anberit Safcheit,
nur nidht nach Soui unb in bie Safchen beS 5ßap*
fteS flofjen. Wau richtete eS beShalb halb foein,
baß bie heilige Stabt ber £auptmarft beS 9te*
liquienhanbels würbe, inbem bie Reliquien bon
jeßt an mit bem päpftlichen Siegel beglaubigt
fein muhten. SBareit leine menfchli^hen ©ebeinc
Dom heiligen Saube mehr borräthig, fo hieß e§
auch ba: „warum in bie Serne fchweifen, wenn
baS ©ute liegt fo nah?" 3fn ben Äatafomben in
9tom gab eS ja bereit genug. Sei ber 3 l <*
fammenleguug ber ftnochen nahm man es nicht
immer fo genau, fo baß aus SSerfeljen bielleicht
einem Sfelett jroei rechte #änbe ober gwei linfe
Qfüße beigclegt würben, wenn nur ber heilige
Digitized by v^ooQie
Pit piUtfyqrit bes Peliquirnwefens.
323
Soter feine ©anttion gegeben ^atte, fo war alles
iit Crbnung.
Wan weiß in bet SEhat nicht, worüber man
fich mehr wunbern foll, über bie 9lbergläubigteit
ober über bie Ceichtglaubigfeit bes armen be»
tbörten mtb betrogenen '-BolfeS. ©leichbid, was
ber betreffenbe ©egeuftanb and) war ober woher
er tum, fobalb er bon ben gewiffenlofett ißäpften
unb '-fkicfterit als ec^te ^Reliquie begeidpiet wor»
ben war, mürbe er auch als ein wuubermirteitbeS
©eiliglhum Derehrt unb angebetet. Stidjt allein
bertraute man auf biefelben für bie ©rlafftiug
bon Stiitben, fonbern auch für bie (Errettung
aus allerlei geglichen unb leiblichen öebräng»
nijfeit unb Üebeln. Wttiirlich mußten bafiir
immer reichlich« ©elbfpeubenbargebracht werben,
tnoburch baS arme 33olt auSgefogen, bie Koffer
ber Äirdie aber gefüllt Würben.
911S bie mertboollften Steliguien galten natür¬
lich junächft bie, welche in biretter ikrbinbung
mit ber tßerföitlichteit beS ©rlöferS ftanben. 3m
höchften 9tiifehen nach biefen waren $iuge bon
bet heiligen fjamilie, fobann bon ben 9lpo|telu
unb ben im alten unb neuen SEeftameute er¬
wähnten Sßerfoncu unb ^Begebenheiten.
So fanbeit fid) in ©alle unter bielen anbereu
bie folgenbeit Stoftbarteiten bor: 25 Vortitel
bom brenitrnbeit ©ufche, ben WofeS fah; ©tiiete
bon bem 9tltar, worauf ber heilige 3°hanneS
für Warict Wejfe gelefen; SEheile bon Dtinben,
baranf 6^viftuä mit bloßen Stuieen gebetet;
Stiicfe bon ber 91r<he 9todh; 9tefte bon bem ©etc,
baranf baS ©hriftuStiub gelegen; ebenfalls bom
töeihrauch unb Wprrheu ber heiligen brei Kö¬
nige; bon bem SEBein, ben ©hriftuS bei ber ©och»
Seit gu ©attet auS SBaffer gemocht; einer bon ben
breißig Silberlingen, wofür ©^riftuS berfauft
würbe; elf gange 2>ovneu unb mehrere ©titele
bon feinet Konten frone; ©aare bon ber 3wtg=
frau Watia; ber Ringer 3bbaitneS beS SEäuferS,
womit er auf 3efutn gegeigt unb gefprochen:
„Siehe, baS ift ©otteS Sainiii!"; ein Ringer beS
ungläubigen &boma3, welchen er ©hriftö in bie
Seite legte; ein falber Stiunbaden mit hier
3ähneit bom 91pofte( fßauluS u. f. w.
3» ©chaffhaufeit geigte man ben 9lthem beS
heiligen 3ofeph, bon WcobemtiS in feinem ©aub»
fchuh aufgefaßt. 91it einem Crte in Söürttem»
berg befanb fich eine Schmttngfebcr aus einem
tf lüget beS ©rgeugels Wichctel. 3» Wichen tonnte
man ben 3toe! ber Waria, SEBiubelit, Schweiß»
tuet) unb Stiitberljemb ©hrifti unb manches ber*
artige feheu. SBefonberS gliietlich war fiubwig
ber ©eilige, bet biele Willioneii sollte, um in
ben öefiß einiger ©tiide beS heiligen StreugeS,
einiger 9tägel bom Streug, beS Schwammes unb
SßurpurtleibeS ©hrifti git gelangen.
Wan fcheute fich nicht, nach bem 9luSfpru<h
SchiüerS, „baS ©rhab’ne in ben ©taub gu gielj’n."
©S gab ©aare, 3äljne unb Shränen bon ©hriftuS.
2!aS heil'fle SMut war nicht nur tropfen», foit»
bem auch flafchenweiS borfjanbeu. 2)en ©auef)
©hrifti berfaufte man in Dericßloffenen Schach*
teilt. Wau befaß Wibeln, Reiben unb IJtactjS
ber Worin. 3hre ©aare waren in ollen mög»
liehen Schattiruugen, ihre ijJantoffeln in aüen
3?acouS in großer Wenge borhaitben. 3)ie ©ofett
3ofepb’S hingen in Samberg neben bem fchwar»
gen Stocf ber heiligen Shtniguube, in welchen
mau ben .(topf ftedte, wenn man Stopf» ober
3nhnfchmerg hatte. 3>n Stlofter in ©ilbeSljeim
geigt man für ©elb ben Sfabl int ftleiftb, brr
bent 9Ipoftel '-Paulus ein foldjeS ©inberuiß war.
3n SErier würben noch bor wenigen 3af)ren biele
91bergliiubige betrogen burch bie wunberwirleitbe
Straft beS oeruteiutiitheu heiligen SHocfeS. 3>n
J'ont gu Stöln ruhen bie angeblichen ©ebeine
ber heiligen brei Stönige, welche noch iept biel¬
fach bon gläubigen Sewunberent als heilig be<
trachtet unb uereijrt werben.
91n anbereu Stößen tonnte man mit 9tugen
fehen bie Körner WofiS; einen ©trnhl bon bem
©terne, ber ben Steifen aus bem Worgenlattbe
leuchtete; Wanna aus ber Söüfte; ben ©tein,
mit bem ber SEeufel 3efum in ber Sßüfte ber*
fuchte; baS ©cbmintfläfehlem ber Wagbalena;
ehbaS bon bem ©lodenfchall, ba 3 e fuS in 3eru»
falem eingog; ein SüdjSchen mit bem SBort, baS
fyleifch warb; ben ®art fttoah’S; bie Stetten Setri;
Salmgweigc bom ©iuguge ©hrifti in 3 f rufalem;
bie eherne Schlange; fjobel unb Sohrer beS
3ofeph; fognr einige ©eufger, bie berfelhe aus»
ftieß, wenn er aftigeS |)olg gu hobeln hatte; ein
©tiiet bon ber ©cpürge beS Schlächters, ber hei
ber tRiirffehr beS uerlorenen ©ohneS baS Salb
fchlachtete; ben ©chemel, bon bem ber&ohepriefter
@li fiel, als er ben ©als brach; heit ©elbbeutel
beS 3nbaS 3Kb tU 'ioth; heit ©tritt, womit er fich
erhängte tt.f. w.
Sei biefer Segierbe, in ben Sefiß pon 9teli»
guieii gu gelangen, brauchen wir uns nicht bar*
über gu wunbern, baß man fich bemühte, biefem
Sebiirfniffe ttachsnfommeu, inbem man biefelben
beroielfältigte. ®iefe Serbielfältigung hatte
bann gur 3olge, baft mancherlei ©treitigteiten
über bie ©chthfit her betreffenben ©egeitftänbe,
fowohl unter ben Sertäufern als auch unter ben
Sefißern berfelben eutftanben.
Soit beit Dielen perchrteu ®ornen ber Slrone
beS ©eilctnbeS tonnte man mehrere 5aufenb
^ornenfronen gemacht haben. $er ©plitter bom
Strenge 3efu gab es fo Diele, baß baS bagu ge»
hörige ©olg nach Stlaftern berechnet werben
müßte, ©in 9lehulichcS gilt bon ben 9tägelit.
5ie iechS fteineriten SBaffertriige Don ber ©och«
seit gu ©nun eriftirten in Doller 3ahl gu gleicher
3eit in Wagbeburg, 9tom unb Stöln. ©S giebt
fünf heilige nngenähte SRöcte, nämlich gu Slrier,
Digitized by v^ooQie
324
Satt beeilte büß!
Santiago, 9lrgeitteui(, Dom unb iriane, unb
jeher Crt beroeift bitvch eine Sülle bie 9lerf)tbeit
beS betreffenbeit DodeS. So ejiftirt ber Eilige
$ionpfiuS gleichseitig 311 St. SDcui» imb St.
Smeran; baju noch ertra fein Üopf ju Samberg
unb ^ßrafl unb feine |>anb ju Wiituben. Sr be«
faß bemuach jroei Seiber, fünf £>äitbe unb Hier
Äöpfe. 9lbt WarolleS Don 9lmienS rief aus, als
man ihm ein £aupt ^Johannes beS Käufers
Seigte: „©ottlob, bieS ift fein fechfteS £>aupt,
roelche» idj jit oerehren bq3 ©tüd babc!"
Ueber baS 9luffinben ber Deliquien erfann
man allerlei rounberbare Srjahlungeu, rooburd)
biefelben glaubroürbig gemacht mürben. 3)ie
Sugel, fomie 2räume unb Offenbarungen fpiel*
teu babei eine große Dolle. So unglaublich, in
lächerlich unb albern biefe Stählungen and)
'mären, fo mürben fie hoch Don betu betljörten
Solle im allgemeinen geglaubt, obgleich t)ie unb
ba 3 *®eifel barüber ausgebrüdt unb gelegentlich
bagegen gearbeitet mürbe.
Äein Wimber auch, baß Seffergefiunte gegen
biefen groben Setrug in ber Slirdje auftraten,
unb baß befonberS sur 3eit ber Deformation üon
fiuther unb feinen Mitarbeitern biefer Scßroinbel
aufgebedt unb oerbammt mürbe. Wößrenb bas
Deliquienroefen befonberS im Wittelalter blühte,
giebt eS boch leiber auch in nuferer 3 e it »och
Siele, melcbe bei allem Sicht unb aller Stuf»
flärung noch an biefem mittelalterlichen Setrug
fefthalten, unb Dor nichtigen ßieiberfeßen, Sup*
pen unb Silbern anbächtig tuieen, um baburch
Sergebung ber Sünben unb ba» emige Sebcit su
erlangen.
Wöge bie 3fit halb fominen, mo baS helle
Sicht be» Wortes ©otteS unb bie Grfenntniß beS
#errn alle 2 )iiufelheit unb 3 finfteruiß, allen
$rug unb allen ^rrthum Don ben Söllern Der*
treibe, unb fie belehre Don ben unfruchtbaren
Werfen ber ginfterniß, 311 bienen bem lebenbigeit
©ott! .
Satt behüte Md|!
^0 fpridjt Waneber su feinem guten greunbe,
menn er Don ihm 9lbfd)ieb nimmt, unb bie
* Wutter fagt’S 31 t ihrem Äiube, roenn’S ben
Weg 31 m Schule nntritt, unb baS Weib fagt’S
311 ihrem Staune, menn er an fein ©efdjäft geht.
Tenn Diemanb roeiß, Doit roie Dielen ©efaifren
ein armer Wenf$ auf Schritt unb Stritt um*
geben ift, unb mie alle nufere Sorficht nichts ift,
menn nicht ©ott feine fihirmenbe £anb gnäbig
über uns unb unfere Sieben hüll. Silber roeil
biefe treue Saterhanb unfichtbar ift nnb meift
im Serborgenen maltet, ftub mir oft blinb gegen
ihr 2Bohlth«n unb Schirmen unb bergeffeit all*
3 iileicht bie 35aulbarfeii. Sprechen barum mohl
auch: ©ott behüte bich! unb benleit taunt beit
Sinn biefeS Wortes, baS boch ein ©ebet ift.
Uub Staucher fpricht’S auch nimmer unb mürbe
gar fpottenb über ben bie 9ldjfe(u 3 ucfen, ber noch
eines ©otteS 3 U bebiirfeu meint, bamit er ober
feilt Weib ober ftinb behütet merbe. Unfer £>err*
gott im Fimmel aber läßt fid) burch folche Sthor«
heit uub Unglauben nicht irre machen, fonbem
thut, mie treue Sätet unb Wütter thun, bie ihre
Siubet befchirmen, gleichbiet ob biefe ber ©Item
Siebe erlernten ober nicht. Wnncbmal aber ftellt
©ott ein (Stempel auf, um auch beit Uitoerftän*
bigen unb Sliuben 3 U feigen, baß er lebt unb
baß feine Saterhulb eS ift, bie über Sitten unb
Serftefteit uns arme Wenfdbenlinber muitberbar
behütet, llnb folch ein Stempel mill ich hier et*
Söhlen.
9luf ber Sahn, bie boit Hamburg nach Senlo
geht uub bis Saris reicht, ift ein Sahnmärter
ftatiouirt, ben Dielleid)t mancher ber Sefer, ber
etma auf jener Sahn burcß’S &annöDerf<he fuhr,
fchon an feinem WärterhäuSdjen gefchen hat.
$a ftanb er, menn ber 3 ug borüberfuhr, fersen*
gerobe auf feinem Soften unb gab baS Signal,
baß auf ber nächften Strede, bie feiner Sluffidjt
anbertraut ift, 9llle3 in Drbnung fei. 91 ber auf
feinem 9lngeficht mürbe, auch menn ber 3ug nicht
fo fchuell jagte, fd)roerli<h ein Weufcß lefeit fön*
neu, melche munberbare Semahrung biefer Sahn»
marter Dor jhirsent erfahren hat. $er Winter«
froft mar fchon bereingebroeben, maS im borigen
3ahre frühe gefeheben ift, — ich Weiß nicht, oh
eS Snbe Doüember ober in ben elften 2agen beS
üecember mar. 2 )a ging unfer Sahnmärter
9lbenbS feine Sahnftrede ab, 11 m, roie eS feine
Sflicht ift, 311 unterfingen, ob 9lllcS in Crbnung
fei, beim in Uuneni follte ber Sthnellsug biefe
Strede paffireit. unb roie er 311 feinem Wärter*
häuSchen. surüdlehrt, ba mirb er plößlicß Don
sroei Schürfen überfallen, bie in ^einbfebaft
miber ihn ftanben unb ihn bei Seite fchaffen
moflten. $iefe iibermannen ihn, fnebelu ihn,
Derftopfen ihm ben Wnnb, baß er nicht fcfjreien
fann, roerfen ihn quer über bie Sahnfdjieneit
unb binbeit ihn ba an biefelben feft, fo baß ber
nächfte 3 ug, ber in jhirsem fonimen mirb, beu
Ungliidlidjen sermalmen muß. Sr ift ein ftinb
beS iobeS. 91ber ber barmhersige ©ott lebt, ber
treue ©ott, ben beS Ungliidlichen Weib, als er
an fein ©efdjäft ging, mohl mochte angernfen
haben mit bem: ©ott behüte bich!
Sie ift, mähreitb jene Untljat gefdjiebt, allein
in ihrer £iitte. Unb roie eS 9lbenb gemorben,
ergreift fie um ihren Wann eine Seforgniß,
meldhe fie fid) nicht erlläteit fann. Sie mirb nn*
ruhig unb immer unruhiger; fie fann nicht mehr
311 £>aufe bleiben, fonberu muß nach ihrem
Digitized by v^ooQie
Sn 2d)ottrn.
325
SWamte feiert. ntiife ihm.ftmaS SBavmeS
mitnefjmen, beitft |ie, beim er roirb frieren, be«
reitet baber fchitell eine» (jcifecn Ifaffee imb macht
fi<h mit ihrem Stopf eilenbS auf beit 2öeg nach
beut 28ätterljituS$en. Sie geht nicht, fonbent
fie läuft, bott Sangigfeit gejagt. (Snblith ift fie
ba, eilt bcn tBahnbainm hinunter, tritt in’»
ffiärterh«ti§<hen, aber bas ift leer. «Sie erfchridt.
2öo ift er ? Sie ruft nach ihnt tinb fRiemanb
autmortet. Sie läuft nach recht» tutb liiilS; er
ift nidjt ba. 2>er 3«fl fommt; fdjon hört fie baS
flendjen ber nahenbeit Sofomotibe, unb er ift
nicht auf bem Soften! nantenlofer 91ngft
eilt fie, (aut beit Wanten ihres fDtauneS rufenb,
nach beut 2BärterhäuSd|en jpiriid. 2)urdj bie
$unfelheit leuchten ihr bie glttheiiben 91ugen ber
Sofomotibe entgegen. 2>a fährt eS ihr bttrch bie
©ebanfen: Ter ielegrnphennrtn muh jefet ge«
jogen tverbett! ©efdjieljt eS nicht, fo fommt mein
aWunn.iii ©träfe! Unb fie tritt ait bie Signal«
jtange unb jieljt eilten 9lrin. tßlöplidj ftel)t ber
3ug ftill, flanj nahe bor bem SöärterhäuSdjen.
Sie hnt beit falfchen 2elegraphmarm ge«
jogett, ben, welcher baS Signal jttm Rotten giebt!
©ott hat ihre fjctitb gelenft. 35er 3ugfiihrer ift
herabgefprtuigeit, eilt herbei, fragt: 2SaS ift
paffirt ? <5r ftttbet feilten ©ahnmärter, fonbent
eine jammernbe fjrau, bie angftbofl fingt: 3$
finbe meinen Wann nicht! — 9hm toerbeit Setter»
nett geholt, man ruft, man fiuht bie Sahitftrede
entlang. $a finbet man ihn gefttebelt, mit ber«
ftopftein ÜJJunbe, quer über bie Schienen ae»
btiitbeu, mehr tobt als lebenbig. 3n einer 39ii=
nute ift er befreit, gerettet. 3>aS bebenbe 2Beib
hat ihren 99?amt toiebergefnnbeit. 35er 3ug fann
paffiten! — 3^t finb bie Dförber bon ber ©e»
redjtigfcit gefaßt unb harren hinter Schloff unb
ütiegei ihres UrtfjeilS.
So behütet ©ott. 2) a r tt nt i ft e S f e i n
finttloS ffiort, fonbent ein Gtebct, bas
erhört m i r b, lo e tt tt ein 39t e n f dj bie
Seinen bem treuen ©ott befiehlt
mit bem ©rufte: ©ott behüte biefj!
-■*>---*-
|m Sdjattm.
Oildfei ßnb Me ftirdjtn ber SB eit? Sie
grbfiefte Äircfie in ber ©eit ift bie $eteröfirc()e 311
Äom, 311 bereu 2lu$bau im feebäaehnten Jabrbunbcvt
fo Diel (Selb nothig mar, bajj man in SHom befrfdofe,
einen großen 9lblab auSaufdn'eiben, burd) beffen
SBerfauf bann ber 9 M 6 ttd) Martin Luther auf ben
©cbauplafc gerufen umrbe. Sie ^ßeterofirebe bat
Manin fuv 54,000 SMcnfdten. Ser Sein au 3 Hai^
lanb fajt 37,000, ©t. $atili 31t dlom 32.000 , ber
ftölnerSotn 30/000 3 Renfd)en. $U 3 baun folgen bie
$aul3fircbe in fionbou unb bie Sßettoniiiofivcbe in
^bologita, meldje je für 25,000 9 Rcnfcbcn $lab bie¬
ten. Sie „©agia Sophia" in Äonftantinopcl, iefet
in ben ©änfcen ber Surfen al 3 „©ophienmofdiee",
fann 23,000, ©t. 3 obann im Lateran 3U 8tom
22,000, SRotrc^Same 311 ? 5 ari 3 21,000, ber neue
Sem in 9 ceto £)orf 17,500, Der Sont pott $ifa unb
ber ©tephanS = Som in ffiicn ie 12,000, bie ,ftird)e
3tim heiligen SominicuS in Bologna 11,400, bie
grauen fitübe in üRündwt 11,000, bie 9 Marcu$fird)c
tu Seuebig 7000 3 Renjd)cu auf nehmen.
Irfmif * €ffer. Opium wirb bier3ulanbe leiber
Don 3Rcmneru unb Seinen oller ©d)id)ten ber ®e=
Dotierung alS ©timulan3 gebraudrt, bie suerft au*
aenebni anrent, fpäter aflerbingS 311 Dollfommcnem
förperltd)en unb neiftißen Stuhl führt. SOiit ftrfenif
Derhält ftd) anber^. Serfelbe wirb Dor3UßSweife
Don grauen eingenommen, um ber 3)?aaerfeit ab-
3ubelfeu, ber ©aut eine }(böne ©lätte unb ben Jluoen
@(an3 au uevlcihen.
Sr. 3)?ott in 9?ew ?)orf thcilt ben Soll eines
imiften SabenmäbcbenS au5 ber 6. $lDenue bafelbft
mit, ioeld)cr Don ber Sirectrice fleratben toar, ftvfc*
nif in fteioenben Sojen 31» nehmen, „weil fie aar
31t utafler fei, unb baburd) bie Käufer abfdweae/
5luf ''Öcfntflen wibenieth ber 9lr3t ßans entfd)ieben
ben öiemtft bc^ ©tfte^. s Rid)b3beftoweniaer bemevfte
er einige URonate fpäter, bab ba3 iunße 9)?5bd)en
beleibt geworben war unb eine ßlän3enbe ©aut bc-
Taft, lieber einiae 3Ronate fpäter fanb er fie nicht
mehr in bem ©efdjafte. ©atte fie suerft Slrfenif qe^
nommen, um ihre ©teile nid)t 311 Dcrlicvcn, fo mußte
fie itad)hcr bie ©aben übertrieben hoben, benn fie
war entlaffen worben, weil fie einen ©autfcblafl er¬
halten hatte, ber bie ifäufer abfebreefte.
aiebt aber aud> eineIDfenße ?lrfcnifefferinnen,
ioeld)e biefent Safter fröhnen, ohne burd) ben ÜBunfcb,
ihr tätliches 93rot 311 erwerben, ba3u getrieben 311
fein, ftennev behaupten/ bafj Jluimfrauen in fpätc^
reit fahren 3» bicfein 3)?ittel greifen, um fid) ber
SRanncvwelt intereffant au madhen, unb warnen Dot
loci her, aber atifgebunfencr©aut unb ungewöhnlich
glanseubcu Singen.
Äudj fiu Peutf(|er Brief. 6in Seutfd)er, ber
burcbauS nicht mehr beutfd) in biefent 8anbe fein
toollte, fdnicb neulid) Don ßinciunati au§ jjolgenbe^
nad) ber alten ©eirnath: rfSielbcloDcb ©dnuefter!
Go finb nun nahezu fif^ ?|ichr fitt3 ei bin hier in
bi3 Guntvp. Wk\ biehr ©dnoefter, Sn beliefft gar
nid)t, wie gut id)’3 hier leife thu. Gi bin jefet Dier
S^ier gemarriet. ?(ltogethcr haben nur iefet Dier
©dtilbern unb fiep ei unb mci 2Bcif gefunb, bann
friegen wir fuhn ba§fünfte. war unteren*
tenfcbcitr cin^ Don be ©chilbcnt betnen 9!amen su
Digitized by v^ooQie
326
3m Sdjatien.
geben, fcut 6i3 babiit maren ftc alle ffltuS unb bit
mußt und für feil ejcufe. Si morf aflemeil an ©eb=
ter8 mit höbe ©ielä unb mei 3Bcif tfeut ba$ ©titfdien!
Unfer Ment ift ten tafelet ber Mfoitat for bvei
MuhinS. Soffen fjrcb bat itnS laft 2Beef aSifit ge*
paib unb mar for ©age feei nnS; ba3 mar mutfefe
SspeitS für un$ unb morfen fonnten mir nidit unb
menn mau nicht morft, geht man in’3 ©ierbau3.
Si fein noch immer von ber Mofdien £ eueb mal in
©bermaut) au oifiteit, feilt mei 9QBcif itt bagegen; fie
faßt, if ei geh, bann acht ftc tuh, bu fiebft, biebr
©ehmefter, bafe irf> ^icmlicb feft geleit bin, aber neuer
minb, ei geh cS bod) nit auf. 9tcit fubn mieber unb
laß miefe miffen, ob bu nodi ein Mofdien baft, nad)
Slnterifa au fommen. ©er g-reb tahlft viel oon bir
unb faßt, er tbut mdrrien, menn er eine frieren fann.
Sonfiber mal barüfecr, 8i3bcth, ber grob bat SD?onet>
unb maefet icben ©ag ein ©är of feine ©ootS. ©o
motfefe for beute unb loenu ich mieber reit, bann reit
ich mobr.
©ein ©ruber forcoer ©. ©."
©o fcfemäfeen Diele ©cutlcfec, melde 15—20 3abre
im 8anb finb. £ier bat nun einer fein Kaubermelfcfe
Au Rapier geferadit.
2a§ ftrruj not bem Kamen. Sbe König 8ub=
miß XII. pou graufreiefe ben ©bron l'eftieg, batte er
eine Mtcnge geinbe, bie ibm allerlei $cracleib äuge-
tban batten. $113 er König marb, fchrieb er liefe
ifercr aller Manien in ein ©liefe unb machte ein Ktcua
babinter. ©ofealb fie bicS erfuhren, flohen fie, meil
fie baSKreua für ihr ©obeSacidien hielten. ©er
König liefe fie unter ber aJcrficfecrung feiner ©nabe
Aurüarufen. Muit fragten fie: „aßaS foll beim ba3
Kreua feei uuferen Manien feebeuten ?" Der König
antmortete: ,,©a3 ift ba3 Kmu Shrifti. 2Bo mir
bie aSergebung au8 mir felfeer fauer mürbe, feilte
mir ber au ©ilfe tommen, ber am Krcuae für feine
Rciube geftorben ift." — föaft bu fdion baran ge*
Dacht, neben ben Manien bcincS geiubeS in beinern
©eraen auch ba3 Kreua Shrifti au fefeen ? ©hue e3,
unb e3 mirb Aum ©ergeben auch ba$ ©ergeffen unb
noch mehr tommen.
diur neue Spraye. 3n benienigen rf>incfifcf>en
©eeftdbten, meldje bdufia oou Sngläitbern unb
Slineritanem feefuefet narben, hat fiefe feei ben Sin*
geborenen eine neue 2Kif<h* Sprache gebilbet, ba§
“Pidgin-English”. ©ie meiften 2BÖrter bevfelfecn
finb englifcheu UrfprungS, ©raminatif unb ©putaj
finb ber cfeinefifdien Sprache entlehnt. 23ie bie
efeinefifefee fennt auch bie ©ibginfpraefee feine ©efli*
nation unb Koniugation unb bie fprachlicfeen ®e*
Aiebitngen ber Safetbeile merben burefe bie »erjefeiebene
äneinanberfügung ber 3Börter auSgebrüdt. 9Se(cfe
eine aSanblung unb Korruption aber bie englifdien
SEBörter erlitten bafeen, jeißt ber Marne ©ibgin fei feft.
Sr mirb uon bem englifdien “biiBiness" afeßeleitet,
fo bafe fljibßin = Snalifrf) fo Diel t'ebeutet alä©e-
fd)dft^ 5 Snalifcf). ©en Sbinefen bereit et bie Sr-
(ernuna beS ^Sibfliu nsmiß ©dnoierißfeiten, ba fie
nur 28orter au^meubia au lernen haben, unb bie
Europäer leiften ber iluäbrcitunfl beffelfeen allen
möalidien 5}ovfcfeufe, meil fie e6 Diel leichter alö ba§
Sbinefiuhe erlernen, ©aber aeminnt bie a>ibßin=
fpraefee im Oftcn Mfienö allmdblia biefelfee ®ebeu=
tuitß, meldje cinft bie lingua franca im Orient
hatte, ©efeon Acißen Tufe bie Anfänge einer $Bibßin=
Siteratur; ein Siißldnber, 9Kr. 8elanb, oeröffents
lid)t eben einen ä3anb ©efdiiße unb SrAdblunßeit
in ber aSibßinfprad>e, unb ein anberer, Mir. ©imp¬
fen, erfldrt eä für nothmenbiß, au^ bie aiifeel in
bie neue Sprache au übertragen.
Sin finfl glürflirfer^ ^ifb^pünfent nnglufli«!
burcfe’d ©lad:
©ie mar einft fduni — nun ift fie alt,
Miitfe arm unb clenb fterfeen;
©ie ßiufte fo gern in’o ©pießelglaö —
©ie Sitelfeit mar ihr ajerberfeen!
Sind) Sr, ben in ber ^iißenbjeit
Sinft ihre Ciefee feeglücft hat,
Huch er ift elenb, meil er in’S ©laS
3u tief unb lang gcblicft bat.
SifeerAfrigeii. SBeSfealb merben bie ©aare auf
bem Kopfe eher grau, al3 bie im 33artc? — 3SeiI
fiejmanaig ^afere älter finb.
3Beld)C'3 finb bie flemften f^ifc^c ? — ©ic ben
©dimauA Atuiddift am Kopfe bafeen.
3Ba3 tonnen oierfljfcrbe nidit auf einen Scrg
gichcu? — Einen Knäuel 3mirn.
2Kie fann man 3-lcifdj einfalacn, bafi e3 gut bleibt
lmti einem 3abr gum anbern? — Miau fal.;c e3 am
©ptoefterafeenb, bann bleibt c3 gut fei3 aum anbem
Saht.
äßie fann man mit mcificr Kreibe fd)umra }cferei=
feen? — Miau fdjreife ba3 äSort „fdnoara".
Xeufe flfbeii traurigen Saferen. ®a3 ephemere
Königreich aScftpfealen mar aufammengcfevodien, bie
Rransofen maren »erjagt unb bie fleinen beutfdien
gürften feinten in ihre 8änbet anrücf. ©o that c3
auch Kurfürft 28ilbe(m II. »on ©effen im
1814 unb an bet Sanbe^greme mürbe er oon teineii
Uutertbancn empfangen, ©er, ireldier bie Sut=
pfangSrebe halten follte, mar ein efeenfo einfältiger
al3 hod)müthiger ©ut3fecfifeer. „Mach fiefeen traiu
tigen fahren" — hob er feine einftubirtc Mebc an,
aber — ba mar and) ber Sabeit alle, ©er freunb*
lid)e 8anbe3berr mellte ibm helfen unb feufate: „3a,
nach fiefeen traurigen 3ahren!" — „Mad> fiefeen
traurigen 3nbren" — hob ber Mebner mieber an,
tarn aber mieber nidit meiter. ©er Kurfürft frug,
um ben aWaitn nidit gana in aSerlepenheit au ferin=
gen, nach feinem Mamcn. „©ut3be|ifecrg*oddmann
—©mrlilaucfet—nad) fiefeen traurigen 3«hrcn—.*
?lfeer ber 9Sinb batte ben in ber Sile errichteten
Ehrenbogen, ber nidit febr feft ftefeen modde, ing
aSanfen gebracht, ber Kurfürft minfte bem fteefen
gefeliclMmen Mebner au unb rief: „3ufahrcn, Kut=
fdier, fonft feridit ba3 adite traurige3nhr herein!"
Unb fauiu mar er unter bem ©ogen loeg, ba ftürate
berfelfee aufammen.
©erliu mirb uädkflntg einen „Künftler" au fehen
feefoinmcn, beffen ©diäbel nodi umcrferedilid^er au
fein jefeeint, al3 ber unfereS hochgeehrten englifchen
®afte3, be3 ©reiöfämpferS „Sug" äBilfon. Unter
ben „©pcAialitätcu", meldic fidi in ber fommenben
©aifon in einem ber bieje3 ftadj pflegenben ©cr=
liner ©beater probnairen merben, feefinbet flÄ ndm=
liefe ein Künftler, ber mit bem Kopfe „arbeiten"
Digitized by v^ooQie
$u gaufe.
327
wirb» inbcm er bem ©uhlifutn von ber foliben Sau«
art feinet Schäbelt bie ühergeugeubften ©eweife
liefert. Gr fdftägt mit bem $oyfe ohne irgenb welche
Vorbereitung pfiffe auf; er gertrümmevt bavatt einen
bitten 8aib ßäfe, uub wirb mit Seidftigfeit ben
SBiberftanb überwinben, welchen ihm ein auf einem
©eftell befestigtet — Si3vctt entgegenfebt, inbem er
et, mit betn itoyfc barauf lotgchcnb, gevjyUttcrt.
J&offentlicb bereiten biefe erftaunlicheu fiunftftude
bem betreffenben „Glrtiften" niefjt vielffoyfgerbrcdjen.
Vllttmtoorte turn ©itigot, 2ljler« tml Si$«arcf.
Ser vormalige fransöfifa>c SKiniftcr ©uigot hatte
in ein SUhum gefdjriebcn: „3n meinem langen
fieben habe ich gwei ©kithcittregclii gelernt, bie
eine, viel gu vergeben, bie anbeve, niemals gu ver*
aeffcn!" Ser feine Shiert, ©uigott langjähriger
SBtbcrfadjev, hatte baruntcr gefebt: „Sin wenig
©ergefclichfeit fchabet ber Glufridftigfeit ber 33er*
gethung nid)t." Ünb wicbcr baruntcr fteht von ©it*
mareft &änb: *3d) meincrfeitS habe im Sehen ge*
lernt, viel gu vergefieu uub mir viel verleihen gu
taffen!" Siefe brei Gingekhnungeu finb in ber Shat
überaus begeidjnenb.
3itbift^bftttf<r ®jirüd|ttiirtcr. Gin GJabeüodt ift
nicht gu tleiu für stoei greunbe, uitb bie gange SBclt
ift nicht breit genug für gwei geittbe.
©in böfet SBcib ift fdjlimmer alt ber Sob.
©in tugenbfameS 3Bcib ift feiten sit finbeit.
9Ri§ ben 3 üben mit ber groben, unb beuGbriften
mit ber f (einen Glle.
2Bat gu viel ift, madjtt fchlimmer.
3« i
gür Hau# uub Herb
2*8 tiefe Stirnen. So tmmberbar bie ©ehauy*
hmg crfcheint, bab cS nicht viele ‘üSenKheit giebt, bie
richtig su athmen verftchen, fo wahr ift fi: hoch.
23er eS weil, bab ber fünfte Sheil aller GMcnfdjett
an einer Sungenftanfheit ftirbt, unb bab bie gröbere
t älfte ber Snngenfranfheitcn burd) vernachlaffigteS
thcmholeu cntftcht, ber wirb getvib gern lernen,
richtig gu athmen. Unferc Sunge fangt, wenn wir
etnathmen# bie 8uft, wie ein Schwamm baS SSafter,
in fich auf. Ser Sheil bev 8uft, wcldjer sur Sr*
haltung uuferet Sebent nothweitbig ift, ber Sauer*
ftoff, wirb burd) bie Sunge mit bem 2Mutc, )oeld)eS
burch ftc hinbuvdntrbmi, verbnnben; ber anbere
Sheil, ber ÄoMcnftoff, geht burd) bat Gluthauchen
wieber fort. 3* mehr Sauerftoff nufer ©lut auf*
nimmt, befto heuer wirb ct; burefj ben Sauerftoff
werben alle ungefynbcn Seifte, bie etwa in unferent
Äorver finb, gereinigt. 2ßir müffen baber recht viel
8uft einatbmen, bamit tmfere 8unge bemgernäft
eine red)t groftc Portion Sauerftoff an bat ©lut
abliefem fann. uÖemt nur nid)t tief athmen, bann
witb nur ein Sheil nuferer Sunge. in ©ewegung
gefeit; ber anbere Sheil, hauytfädftid) bie Sungcn*
nnfcen, bleibt unbewegt. 3n biefen lagert fid) aber
gcrabe ber Staub, weUhcr mitiebem Glthemguge ein*
Sat ©ehet ohne 2(ufmerf}amfeit ift wie ein Seih
ohne Seele.
Sie ©eränbevung ber ©ewolmhcit ift ber Ginfang
einer ftranfheit.
Glllet ift fd)on, waS su feiner Beit gefdjicht.
2öcnn bie 3tcqc mit bem ©antber frieblid) woh¬
nen wirb, bann wirb aud) bie junge grau mit ber
Schwiegermutter übcrciufommcu.
65eftohlenct ffiaffer ift füfe.
Sd)au nid)t auf bcuÄrug, fonbern auf batienige
wat brin ift.
Ser ©fenuig in einer leeren glafdje giebt einen
groben Älang. (©on einem ©rahlcr.)
Sat üDieffer ift gefährlich in ber Hanb einet ©er*
ftänbigeit, nodj viel mehr in ber ©anb einet Darren.
3* ler öertilguug von gurftnotr! fmb bie ©er.
Staaten, namentlid) beten vornehme grauen, allen
anberen Säubern weit voraus, ba hier mehr alt baS
Soyyelte an Süftigfeiten verfdftucft wirb, alt in ber
gangen übrigen 2t3elt. 3tew?]orf unb©ofton allein
ergeugen jährlid) 30 ^Millionen Butferwevf aller 2lrt
— gmn groben ©ewimt ber Bflbitärgtc uub ber Glergte,
bic gur Heilung ber „Sytyeyfic" gerufen werben.
M gri|**fffr|e*8. Ser Untcrfrfneb
gwifdnm bem Glnfftebcn um 6 Uhr unb um 8 Uhr be*
trägt in.40 3ahvcit 29,200 Stunbeu, ober 3 3ahre,
129 Sage uub 16©tuubcn, ober 8 Stunbcn bet
Saget sehn 3ahre lang, fo bab bat Glufftehcn um
6 Uhr in Hinfidjt ber ©efd)äfte eben fo gut ift, alt
lebte man gehn 3ahre länger. 2Ufo merft’S euch,
ihr Sangfdjläfcr!
a « ft.
von einer gangfran.
gefogen nürb, ab. ©ei ungeftortem Siegen verbin*
bet er fid) mit bem Sungenfpeichel, wirb fiebrig unb
flebt bie eingelneu Sungcnvorcn gufammen, fo ba§
biefer Sheil allmählig bie ffraft berliert, fidi aut*
gubehnen. Siefe fogenannte 8ungcnverbid)tung
fdweitet bann immer weiter vor, bit enblid) nur nod)
ein gang fleiner Sheil ber Sunge im Staube ift gu
athmen. Siet ift bie gewöhnlidjfte gönn ber Sun*
gcnid)winbfud)t. SBerbcn bagejgeit burd) tiefet Glth*
men alle Suugcnthcilc in Shätigfeit gefefet, fo fann
ber Staub nid)t fcftflcbcn, fonbern geht alt Sdftcim
burd) bie Sftafc ober ben 9Kunb (beim Sycicn) wie*
ber ab; bie Sunge bleibt immer rein, unb ber gange
Äbvver babuvd) gefunb.
ttrlrr lot richtigr Sinat|men. Sind) bat Glthmen
ift eine fiunft, bic bei nuferer ber GJatur fo vielfach
eutfrembeten Sebentweife gelernt fein will. — Ser
glfufliehe SRcifcnbc, ben feine gerieugeit an beni
Straub bet GOJecret ober in bie buftigeu Sßälber
führt, geuieftt fchon unaufgeforbert bie helebenbe'
Suft „in vollen Bügen," bie ihn für viele Sage,
gwifdjcn ftauhigen Sitten ober in ber Sdmlftube ver*
bradft, eutichäbigt. Glhcr loelche Srleichterung foll
bie arme SRäberin, ber fleinc Haubwerfer, bie Saht
Digitized by v^ooQie
328
3u 9<uife.
aui, 3 ahr ein in bunu>figcr Stubenluft, über ihre
Arbeit gebeugt fifeen, ihrer in bei Sorten wirtlicher
©ebeutung gepreßten ©ruft bieten? Sinb fie
nicht beinahe rettuugiloi früher ober fpdther ber
Sduoinbfudft oerfallen? — 3 bneu gumcift fei foU
geuber 9tath auf’i Dvinacnbfte empfohlen: 3eben
2Korgeit, nachbem bai 3i>uiuer-gereinigt, gelüftet,
ftaubfrei ift, fftelle man lieft an bai geöffnete genfter
tinb athme fo tief, fo langfam wie möglid) e i n unb
auf biefelbe Seife lieber aiul Diefe^Uebung
wieberhole man minbefteni 6 ü)ial bei Dagei in
guter Suft, um fo häufiger, ic mehr ber Meniberuf
uielei Sifeen ober eine gebeugte Haltung erfovbert.
3 )iit ber Beit wirb ein immer ticfevei'Ginathmcn
gelingen, ber ©ruftfaften ftcfj erweitern, bie ßungen
Sich bchnen. Gi fei biefe Slthmungigpmnaftif aueft
bem piel befchdftigten Arbeiter ali eine ©flidft an
bai fteri gelegt: er beugt mit bem ©cfolgen biciei
fo unfeheinbar flingeitben SRathei oielleidft qual=
oollem Siedfthum ober einem frühen Gnbe oor.
ttfbrr Xranben^mht. Die ßünftißfte Sage ift
bie füböftlicbe. Da febeint bie Sonne; bic Drguben
reifen früh unb gewinnen an ©üfcißfeit; ein c'pügel
ober ein füblieber 9lbhang ift noch heiler. £>at man
harten ßehmboben, fo gräbt man 8od>er wenigfteui
Pier ?fu§ tief. Der Seiuftod treibt feine Surielu
abwdrti unb trifft er ba loderen ©runb, fo mäcbft
er piel fchneller. ©ian fann einige finoeben in bie
Ööcftcr werfen unb füllt fie mit guter frfnoarjer Gom=
pofterbe. Der ©runb unb ©oben muß pou ber
Sonne ßut burdjmdrmt fein, beihalb ocvpflanit
man bic Schlinge im s J?orbeit nicht Por bem elften
bii jum zehnten SWai. Starte Ginidbrige Schlinge
finb bie heften, beim biefe haben bie metften §afer=
rourgeltt unb fefceu fchnell an. üRan holt ficb bie
Schlinge pou einem ©drtner, unb hier möchte id)
einige pou ben oiclcn Sorten ermahnen: Goncorb,
8abp Safbington, Sorben, “Delaware. Diele
Sorten werben im September reif unb man fann
fie leichter liehen, wie manche anbere. Die Scfe=
iinge müffeit forßfdltiß behanbelt werben, bie Sur*
lein auigelcgt, febön eingebettet unb bie loderfte unb
hefte Grbe muß nun ©ebeden genommen werben.
3 m erften Sommer feilte man nur einen ober 3wei
Dricbe wadfteu laffeit unb bic SeitenfchöfUinge ober=
halb bei erften ©lattei abbvedten. Der ©oben
ntufe pou Unfraut frei unb red)t loder gehalten wer¬
ben. un 3uli ©o«ne heift unb brenneub,
fo muß man bie Cbevflddie bebeden (mulchen).
3 Wan nehme bam groben Dünger, Öen oPcr Stroh,
ber ©oben bleibt bann feueftt unb fühl, ©erfteht
man ei nidft felber, bie Stöcfc auiiufdmeiben unb
in Orbnung m halten, fo erfuubige man fich nach
einem ©iann, ber ei perftcht bamit umiugehen.
&at man nur einen flcinen fonnigeu©lab im ©ar¬
ten, fo follte man 311m wenigfteni einen Stod fefeen.
©ian benfe fid) nur bic Sreube ber Äinber, wenn
im eigenen ©arten bie Trauben reifen.
The Coddling Moth. Diefer in ber englifcheu
Spradic fogenannte Sdnuetterling legt feine Gier
im ©erbft auf ben ©Idttern ber ©dume, bie wie
feftgeleimtim3ftühiahrnod)barau hängen. 92 tmmt
man eini pou biefen ©Idttern unb unterfucht bai
92 eft, fo finbet mau unidhlige Gier. Die Sonne
unb $ifcc brütet biefe aui, unb aui biefen entfteht
ber fogenannte „©aumbohrer". Der arbeitet fidj
unter bic 9 tiitbe bei©aumei unb frißt tiefe runbe
8üd)er hinein unb ei gelingt ihm auf heimlube
ungefehene Seife bie feftonften ©dume 31t oerwü-
ften unb 3« serftören. Gi ift gegen biefe 5 Wotte
fchon mandjei ocrfudft worben unb auch fdion pielei
mißlungen. Gin gewiffer Gorrefponbentbei „Frucht
OtecorberS" fdiidt folgenbei fttccept: 1 Quart Äalf
aufgelöft, 1 ©ed aufgelöfte ©oliafihe (leached wood
ashes), 2 ©ed fiuhbünger, 1 Cuart Schntierfeifc,
1 Gülöffel Poll ©arifer ©rün unb 12 Quart Saffcr.
Diefe uWaffe wirb gut burdjeinanber permengt unb
bie ©dume bamit angeftruhen. Sie Perlieren bann
bie alte Otinbe unb ei bilbet ftd) eine neue glatte.
Diefer ©Jann fdireibt: 2lui Grfabrung fann id)
Sagen, baö meine ©dume fdmner auifeheit unb bef=
jer poranfomnten, ali nad) irgenb etwai, wai ith
3UP01* perfud)tc.
Äafntpli^f. D>cr London Garden fagt: 3 Randie
fHafenpldbe finb faft jerftört bm-di Sünder tinb
^nfeften, bie fid) im ©runb unb ©oben befinben.
50 ian nimmt ein halbei ©funb corrosive Sublimate
unb thut ei in 4 ©alloncn Saffer. ©on biefem
nimmt man ein balbcb©int icbcimal 3114 ©alloncn
Saffcr unb mit einer ©iefefanne wirb ber ataien*
plafe einigemal begoffen.
WTttitJtnfnr ©rähtr. Senn ©lumen gewünfdit
werben, Sollten fiepon fold)er 9 lrt fein, bie nidft piel
©flege erforbern unb eher in ber 92 dhe bei ©rabei
ali auf bemfelben gepflamt werben. Gin ©cct
©cranium neben ben ©räbern, ober auch ein ©ect
weihe ©erbenen nimmt fi^ redit nett aui. Diefe
©lumen füllten aber nid>t eher auigepfla 113t werben
ali bii Gube 3 J?ai. Anemone Saponica Älba ift
eine fd)öne ©flanic mit weifeen ©lumen unb blüht
bii tut Spdthcrbft. ©pbrangea ift ebenfalls ein
jdKMier Strand) unb braudft, wenn einmal ge-
pflan3t, feine weitere ©flege. Diefe beiben Strauche
fönneu im Srühiahr ober föerbft auigefefet werben.
3 m .^erbft fann mau Grccui ^wiebeln, 9?ar3ificit
unb oerfdiiebenc 9 lrten pon Öilicn auipflan3cn.
Die hefte Beit immergrüne ©dume 311 pflan3eu ift
im Frühjahr.
Cwngntbe ftdrbe ftelle man in einem Gimer mit
lauwarmem Saffer unb laffe bie Grbe gut buitte
weidieu; uachbem fie pollftdnbig abgetropft, hange
man fie im Schatten wicber auf.
gitbttfr’Gholmi. 2Kait nehme einen Bu&cr ober
fonft ein reinei ga§, tbuc in baffclbe 2 Quart frU
fcheit Äalf unb l ©funb 9 (laun, löfe ei auf mit
fodienbeut Saffer, rühre ei gut burdjeinanber unb
fülle baffclbe bii an bie Oberflddie mit reinem
Srinfwaffer. Sobalb eiftd) gefefet unb flar ge¬
worben, ift ei fertig 311m ©cbmud). 9 San nehme
311 jiebein Gimer reinen Drinfwafferi ein ©int oon
bieiem Äalfwaffer unb ftelle ei beit öühuetn hin.
3 Xan gebe ei ihnen oft wdhrenb berSommer=lWo^
nate. 9 Ulc ©efdfee unb Dröge bei ©iehei unb ber
©eflügel Sollten auBerft rein gehalten werben. Die
Urfadien ber $ühner=Gholera ftnb meifteni bie nafe=
falten Machte unb baiDrinfen pon Saffer aui un¬
reinen ©füfccn oberDcidjen.
Digitized by v^ooQie
SonntogfdjttUlfktionttt.
329
$omtta9fd)ul Petitionen.
©onntag, 3. 3uni. St^oflctß. 13,13-16, 43-52,
3n 9lntiod)ien.
I. ©otteftieitf} am ©abbatlj. (V. 13—16. 43.)
®. 13: f£aulu$ aber uub bie lim ihn toa=
ren. Von hier au erftheiitt fßauluS nicf>t nur al3
bet ©auptrebner unter ben FriebenSboteit (14, 12),
fonbern auch a 13 ber Führer berfelbeit. VaruabaS
tritt entfehieben hinter Vaulu3 surürf. Von ber
. ßiebe ;V'iu getrieben, oerlaffeit bie Apoftel bie lieb-
liebe 3nfel ©Opern wieber, wo ibneu ein fo großer
2)?ijfton3fieg gefcbeitft worben war, uub sieben sur
©ee weiter nach ber tleinafiatifcben Vrooins V a m =
pholien. ‘Dafelbft befuchteit fie sunächft bie etwa
acht englifche 3J?eilen oberhalb ber SMünbung beS
Fluftcs ßeftuS gelegene ©tabt Verge, iefet eine
bloße Quitte, auf bereu Krümmern häufig ©irten
ihre ©ebafe weibeit. ©ier trennte ficb 3 o ban ne3
(3Sarfiw) von Vaitlo uub lehrte ttad) 3etufalem
jurücf. 2öahrfcbeinlid) fühlte er fieb ben Sttt=
behrungett unb Verleugnungen im ‘Dienfte ber
TOiffion nicht gewachten. Unb Vaulu3 bat ihm
bie3, wie wir fpäter, ft'ap. 15,38 lefeit, sunt ftrengen
Sabel angcfchrieben. ®ie @d)rift oerfchweigt un3
bie Fehltritte ber ©eiligen nicht, unb e3 ift für tut3
in unterer ©chwad)heit tröftlich, ba§ auch fie nicht
ohne Sabel waren. ®er ©err aber richtet bie Set=
nen, bie ihm in Aufricbtigfeit be3 ©er$en3 bienen,
wieber auf, wenn fie geftraucbelt haben, ©o auch
ben 3Harlu3; benit fpäter fiitbeit wir ihn iit 9?out,
wo er bem Apoftel V_aulu3 in ber ©efaitgeitfdjaft
treu sur Seite ftaitb (Äol. 4,10).
8 . 14. 15. Von Verge sogen Vnulti3 unb Var=
naba3 lanbeiitwärt3, itörblich nach Antiochien
in ^ifibten, nid)t su oerwecbfelit mit bem 9ln-
tiod)ieu in ©orien, bem Au3gang3pititlt ihrer
9Riffion3rctfe. 2Bie auf ber 3itfel ©Opern, fo trafen
fte auch hier viele 3ttbeu an. s JJach ihrer ®ewohn=
heit gingen fte am ©abbatb in bie ©tmagoge, um
ba oiclleicht einen AnfnüpfungSpunlt su fiitben für
bie Vrcfcigt be3 ©oangelium3. 9?icht al3 Umfturs^
männer treten fte auf gegen ba3@efefe33rael3; wie
3efu3 fclbft wollen fie mit ber neuteftamentlidjen
©cil3ocrlünbigung anlnüpfen an ba3 ©efefe unb
bie Propheten, ©o fommt matt’benn ihrem SBunfcb
auch freunblirfwntgegen. 9?ad) ber üblichen Ver-
lefuitg eine^ Abfdjmtt3 au§ bem ©efefe unb au3 ben
Propheten werben fie oon ben ©onagogenoorftehern
aufbeforbert, ba3 2Bort su ergreifen, fall3 fie etwa3
ju tagen hätten. ©3 war bie3 eine Aufmerlfainleit,
wddte frentbeit SÄabbiiterit gewöhnlich erseigt würbe.
8 . 16: V ci u l u 3 ft a u b a u f unb begann
nadt einer ©title begebrenbett ©anbbewegung feine
©aftprebigt, in welcher er feine 3uhörer suerft an
bie ©nabettwege ©otte3 erinnerte, burch welche
33rael auf ba3 ©eil in Ghrifto oorbereitet werben
tollte (V. 17—25); fobattit barauf htitwieä, bah in
ßhrifto, ben bie 3ubeit oerworfen unb an3 Äreus
geKhlagen, ©ott aber oon ben Sobten auferwedt
habe, ba3 ©eil uub bie Vergebung ber ©üitben
/
ihnen unb Allen, bie ba glauben, attgeboten werbe
(V. 26—39); unb enblid) fie ermahnte, fiel) int ©laiu
ben ßhrifto hiusugeben, batnit fie bem oon ben
Propheten gebrohten ©eriebt entrinnen möchten
(V. 40. 41). — ®er ©rfolg ber Vrebigt wirb V. 42
unb 43 gefdulbert.
8.43: ®a fie hinau8gin gen,baten fie
(bie in ber ©onagoge Verfantmelteit, oielleid)t bie
Vorfteher), ba§ am folgenbeit ©abbath bie
Apoftel ihren Vortrag fortfefeeit möcb =
teit (V. 42); unb eine beträditlidie Ansabl 3uben
unb Vrofelpten begleitete fie in ihre VJohnunp unb
lieh fid) oon ihnen noch weiter belehren unb in ber
©nabe befeftigen. ®er(5rfolg war alfo immerhin
ein erfreulicher. ®a3 ift bie hefte Vrebigt, bie ben
Zuhörern su halb au§ ift, unb oon ber fie heim*
gehen in ftillem 9?ad)benfeit uub 2Beiterfiitnen unb»
mit bem Gittfchlufe: barüber ntufj noch mehr
hören.
II. $ie neibtftheit ^uben. (V. 44—47.) 8. 44:
Am folgenbeit ©abbath fant jufantuien
faft bie ganse©tabt. 2Bie mag ba bem treuen
Apoftel Vuulti§ baö ©ön aufgegangen fein oon
Frcubc uub ©offnuitg. ©in gefegneter ©abbath,
ber fo gefeiert wirb mit Sottet iöort ftatt mit ®elt=
luft! Aber wie oieleßhriftenftäbte müffeit fid) ihrer
©ouutagc febäuten oor biefer ©abbathfeier im t>cib=
nifchen Antiod)ien!
8.45: ®ie 3ubeit würben ooll 9?eib3.
®ie göttliche Äraft be3 CcoangeliuutS seigt fid) nid)t
allein bariit, ba§ e3 beiten, bie ba glauben, sUr Ve=
fehrung unb ©eligfeit bient, fonbern audi bariit,
baft e3 bieieitigen, weld)e e3 oon fid) weifen, nicht
läßt, wie fie fiitb, fonbern su einem ungöttlidien
ßifer, sur Scibenfchaft unb Cäfteruitg reist. ©3 wirb
ben ©inen ein ©eruch be3 8eben8 gum Cebett, beit
Anbertt ein ©crud) be3 Sobe3 stttn Sobe. ®a3
Cebteregefcbahbeibeit^uben. ©ie würben ooll
^2eib3. ©3 ift ber 97eib ieitc3 älteren ©ohue3 im
6 Heid)niß, ber fdieel fieht, baß ber Vater beut oer=
loreneit ©ohit su ©hreit ein Fteubenutahl anriditet;
ber s J?eib ber Vharifäcr, bie e3 3<du sunt Vorwurf
ntad)en, ba§ er mit beit BoUnern unb ©ünberit aß.
Vom 9?eib aber laut e3 bei beit 3ubeit halb sunt
2 Biberfprediett, ttttb al3 fie bamit nichts au3=
richteten suitt Säftern, gunädtft gegen bie Apoftel,
bann aber ohne Bweifel and) gegen gefüllt felbft,
welchen fie einen Vetrüger unb Feiub be3 mofaifdicn
G)efefee3 werben gefcholtcn haben, ©o würbe au$
ber frieblicheit ©abbathfeier ein ärgerlidier Sumult.
8 . 46. 47. Aber mit fiegeitber Sftajeftät unb ge=
bietenber ©obeit erheben Rd) bie Apoftel in biefent
©etüntmel unb fpredien: ©ud) muhte suerft
u. f. w. Sin ernfte3, erfchütternbcS Abfdticbowort!
©ine fdtwere Verantwortung für eine ©eele, für ein
Voll, für ein ©efchlecht, wenn man ihm surufeit
mu§: ba3 ©eil ift eud) aitgeboteit worben, aber ihr
habt nidtt gewollt; wir wenbeit un$ oon euch! 3n
biefem Sinn ruft and) Ctither bent beutfdicn Volle
su: „ftauft, weil ber3)?arft oor ber SEhür ift . . .
beim ba§ foHt ihr wiffen: ©otte3©nabe uub üffiort
Digitized by v^ooQie
SSO
Sonntagfd)ul=jttttioneii.
ift ein fahrenber ißlafereßen, ber itid)t wieberfommt,
wo er ßewefett ift. (fr ift bei ben gilben ßewefett,
aber bin ift bin, fie haben mm ntcbt 3 . 93 aulu 3
brad)te ibn nach ©riedjcnlanb, aber bin ift bin, fie
haben mm ben Surfen. 9 fom unb lateinifcb ßattb
haben ibn auch ßehabt, bin ift bin, fie haben mm
ben 2>vivft. Unb ihr Seutfdje büvft nicht benfen,
baß ihr ba 3 ©Vanadium ewiß haben werbet, barum
areife \\i unb halte su, wer greifen unb halten famt,
faule ©änbe muffen ein böfc 3 3 <thr haben."
III. iic bcßliuften ©eiben. OB. 48.49.) ®. 48:
Sa c3 aber bie ©eiben höre teil, würben
fie froh, ©ottlob! 9l(lßcmein ift alfo bic im
©Vanadium verfünbißte ©nabe! Unb wir wollend
wie jene ©eiben machen, froh, ja rwn ßansctit ©cr=
ten froh wollen wir baran fein, ©ott 311 m $rci3 unb
un3 sunt ©eil! Unb würben ßläubiß. 2Bäh=
renb 3 Srael in feinem fclbftßcrccbtcn 9<cibc ftd) fcl=
ber auöfcfUicßt vom ©nabenmabl bc3 93ater3, froh*
lodt bie ©eibenweit über bic Offenbarung ber er-
bannenben Ciebe ©otte3 unb wirb aufaenommen
iit’3 2>aterhau3 unb betraut mit allen 9?cd)tcit ber
•flinbfebaft. (©(eidmiß vom oerloreneu Sohn,
8 uf. 15.) 23ähretib c3 bei 33racl 9lbcnb wirb,
iaud)seit bie ©eiben über ben SMorßcitßlana, ber
ihnen aufßcht. Sie $riebcu3taube bc3 ©vaitße=
liurn-S, wenn fie an einem Orte vertrieben wirb,
finbet halt» wieber ein ©au3, ba fie Suiifle heefet.
— Soch nicf)t 9llle würben ßläubiß, fonbern fo
viele ihrer verorbnet waren 311 m ewigen
8 cben, bie fiel) barum auch in bie ßöttlitye ©ct(3=
orbnunß bcr93uße unb bc3©laubeit3 [teilen* ließen.
(Sotto* crwählenbe unb bertifenbe ©nabe ift swar
ber alleiniae ©runb aller fflcfchruitß ber £ 0 ?cnfct)cit;
allein aerabe biefe Stelle seißt an 3äracl, ba3 firn
burd) eiaene Berfcbulbtutß be3 ©eil3 beraubt, baß
ber Wcnfchen SSerbamutniß nicht auf einem abfo=
luten 2 )efd)ltiffe 0otte3 beruhe.
IV. $ie anggeftoßenen ttlioftel. (93.50 — 52.)
®. 50: Sie ^uben beweßten bie aitbäd)*
tiaen 2Betber. Sie3 ift ba3 eiitsiße 9Bal, baß
baß wir im ')?. Scftamcnt bie 23 ei ber al3 Scinbe
be3 ©vaiißdiunt3 finben. ©onft finb e3 immer fie,
bie am elften ba3 Svaitßclium auf nehmen. ©0 ift
e3 ja auch heute noch. 2Bo bie 9)?änticr ber ftirdje
trofciß ben dürfen fehreu, ba finbet man nod) sart-
fühlcnbe grauen, bie 3 efuut lieb haben, wie 9Waß=
baletia; bie 311 feinen gü§en fifeeit, wie SKaria; ihm
bienen, wie 3Wartha; unter feinem ffreme weinen,
wie bie Söcbter von 3 erufalem; ihre 9Wänncr vor
©ünben warnen, wie 9$i(attt3 ©emahlin; für fein
Öteid) arbeiten, wie Sabea; feinen ffloten ©au3 unb
©ers aufthun, wie fivbia; ihm ba3 fi'rcus nadj=
traaen, wie jene ^Märtyrerinnen ber heilißeit 93or=
seit. SMeibct bei ihm, ihr grauen ttnb 3 uitßfrauett;
Srominißfeit ift euer fdwnfter ©dmiud; etwa3 Um
natürlid)ere3 unb Uiißlürfidiacre3 al3 ein frcißdftc=
rifd)e3, ßottc3leuancrifd)c3, d)riftu3feinblid)c3 23eib
ßiebt c3 nicht! Sie vornehmen ( 8 uth.: „ehrbaren"),
anbächtiaen 23eiber, b. h. 2>rofetytinuen, waren
nun freilid) nicht freiacifterifd); aber fte hatten trofes
bem bem ©vaitßdiittn ihre ©ersen verfchloffen, unb
ließen fiel) baher leüht wiber baffclbe aufrcUcn. 9lber
nicht nur biefe 2 Beiber, fonbern and) bic ©äuvter
ber © t a b t ließen ftd) bermaßen von ben 3 ubcn
beeinfluffen, baß fie bie Styoftel au$ ber ©tabt
attSwicjen. !
®. 51. Siefc fdmttcln bem Sefehl 3 efu (9Mattb.
10,14) ßentäß ben ©taub von ihren Süßen unb
jiehen weiter uad) 3 fonien. 2 SiU bie 23clt ben
©immel nicht haben, fo behalte fie bie ©rbe unb
ihren ©taub.
®.52: Sie 3üttßcr, b. h. bie Shriftcn in
9lntiod)ien, würben volljjreube unb bei^
l» 3 cu ©eifte3. SerSlbfdiicb von ihren Scbrcrn
mad)t fie nicht muthlo3. ©ie haben fid> nid)t su
9)^nfchen, fonbern 3 um ©errn belehrt, unb an ihn
fd)licf?cit fie fid> nun um fo cnßcr au, baher finb fie
voll fyreube unb heiligen ©cifte3. Ser ©evr ift ja
nod) bei ihnen, unb wtc er bei ihnen war, fo will er
and) bei uu3 unb bei feiner fiirtbc fein alleseit, bi3
an ber 23clt Silbe. 23obl un3, wenn and) bei une
ba3 ffvaußelium fold) feliße R-rud)t träßt, baß wir
and) im Seiten ßctroft unb voll ftreuben unb heilißen
©ciftc3 bleiben fonnen!
©onntaß, 10. 3unt. 9tyoftelß. 14,1—18.
3fonten unb Styftra.
I. ®le Toffel ja (93.1—7.) ®. 1: 68
ßeftyab aber 31 t 3 fvnien. 3 « biefe ©tabt
hatten fid) 93aulu3 unb 93aruaba8 von Slntiodneu
3 urü(fße 30 ßcn weßcit ber bortißeu 93crfolßimß. 3f 0 =
nieit war eine namhafte ©tabt in Svfttonicn. ©ie
laß in einer frud)tbaren ©bene am $uße be^ Sau^
ru3, an ber ßroßen 23erfc(w3ftraßc siviftyen ©vhcfu 8
unb ben mehr öftlich ßeleßeuen ©täbten Sarfu3,
9lntiod)icn unbbemSuvhrat. Unter bem ßriccbiichen
flaiferthuin ivar 3 foitien bie ©aitytftabt ber 23ro^
vina 8 vfaonicn. ©Väter fiel e3 in bie ©änbe ber
Sürfen unb würbe bic ©auvtftabt einc3 9?cid^e3,
beffen 93chcn*ftycr ben Sitcl „©ultan von 3fonien"
führten. Santal3 erreityte bie ©tabt ihre beebfte
ffllüthc. ©eute führt fie bcu bauten fionia unb
sählt etwa nod) 20—30,000 Sinwohner. Sie 2 ?er=
folßiuiß hat bie 9tyoftcl wohl au3 9lutiod)ien ver^
h’iebcn; aber ihre ©efinnuiiß ift biefelbe ßeblieben.
©ie vrebißen. fort in ber 3 ubcn ©duile trofe beiu
©aß, ben fte foeben erft ßecrntet. 3hre Siebe 311
ihrem 9Solf unb ihr 2Kuth finb nod) liiißebrotyeu.
9ludj ber ©eßen ©ottc3 ift nid)t von ihnen ßewtehen;
beim eine ßrofie SD?c 11 ae warb ßläubiß.
310er aud) hier blieb bie 9Scrfolßiiiiß nid)t au 8 .
®. 2. 23ieberum finb e3 3üben, weldie ben Sturm
crrcßcn. 23er ber 953ahrheit nid)t ßehortyen will,
fällt leid)t in bie weitere ©ünbe, and) 9lnbere ab-
fvenftiß 311 machen. 3 n, fclbft an bie fonft verhaßten
©eiben fchlicfteit ftd) bie 3 üben an in ihrer Jyeinb-
felißfeit ßeßen bie Ptyoftcl. ©0 würben einft 2 'tla=
tu3 unb ©crobc3ftrcunbc, al3 c3 bie 9Serurtheiluiiß
Shrifti ßalt. 9(ehnlid)e93unbc3ßenoffcnfd)aftcii fout-
men and) heute ttod) oft ßcituß vor.
®. 8 . Srofe ber fVeinbfclißfcit ber 3ubeit lehr¬
ten bie 9 lvofte( frei unb offentlid) unb ber
©err befannte ficb su ihnen unb licft . 3 c irten unb
SBunber burch fie ßcfd)ehen. Saniit ftovfte er
felbft am befteit ihren Reinbcn ben SD?itub. Saß
aber bie ?tyoftel nid)t auf biefe Beiden ftd) verließen,
fonberu bic Sßrcbißt ihre ©auvtwaffe war unb blieb,
' wie e 8 hrute noch ift, ba3 feheit wir barau3, baß
Digitized by v^ooQie
Sonntagfdju^ffhtionen,
331
nach V. 1 eine grobe äRenge gläubig warb, che
noch 3eid)eit gefdiahen.
®. 4: ‘Sie üWcitge fpaltete f icf>. Ohne
©cheibung fomint’d §u feiner (Sntidicibung im
Seiche ©otteo. 9Bo Sottet SBort entfcliiebcu ge-
prebigt wirb, ba fcheiben fid) bic@eiftcr, ba fonbern
ftrh bie ßaii)cn (Sbriftcu non ben halben. Spal=
mißen fömteit ba nicht nerntieben werben, bebauen
id>e Spaltungen in Santi lie, Öcnteiitbc unb Volf;
aber bieie Spaltungen, bie ein DurdigangSpuuft
ftit ben Siög beS SeidieS Wettet finb, inuffcu _uur
uitS gefallen laffcit. Saßt bod) ber ©err fclbft in
biefem Sinne, er fei nidit ßcfonunen ^rieben §u
bringen auf (*rbcn, fonbern baS Schwert.
®. 5. 6. Stadibeut ber Slpoftel ßcnußfant 3eit
§ut SluSftreuung beS Samens in Jfottien ßehabt,
lieft ©ott ben Stnrin ber Verfolgung auo=
bredien, ohne Rineifel jtt bein Ifnbe, baß nun ber
Same weiter fortßetricben unb and) in anbere
Stabte geineht werbe, ffinnberbare ©otteSwege,
nidit mir im Siegen, fonbern im (Erliegen ber ScU
nigen! Dodi baS Ofrliegeu ber grommett ift fein
Cfrliegen. Die Sad)vid)t non bau $lane ber
geinte, fte §u fteinigen, fehen bie Slpoftel nur alS
einen Vaft )urSSciterrcife an. Sie entflohen
in bie Stabte beS SattbeS Spfaonten,
gen Softra unb Derbe, §wei Keine Stäbt=
dien, etwa bveißig englifche 9)?ei(en non Jfonicn
entfernt, ,,'ißenn fie euch in einer Stabt oerfol-
aen, fo fliehet in eine anbere," hatte ber &err eiuft
feinen Jüngern geboten. s )?ad) biefer SKcgel han=
beiten bie Slpoftel. Sludj heute noch follcn bie
f rebiger beS (SoangeliumS, befonberS unter ben
eiben nicht bartnüaig ba bleiben, wo ihre Vrcbigt
nerfolgt wirb. DaS wäre oft ein ©ott=Vcrf neben.
SBohl aber barf bie Verfolgung fte nidit abfdjredcn,
ftetS neue Verfudie §tt machen. DaS wahte
äRärtprertbunt befteht nicht in ber ©vöfte ber
äußeren Seiten, bie ber STOenfcb um ßhrifti willen
erbulbet, fonbern in bein i02a§ ber Diene, bie er
um ßhrifti willen bewiefen hat. Die Slpoftel war¬
ten ibreS '-Berufes mit SluSbatier unb freubigem
3Ruth. Darin liegt ihre Drette. Sic verlaffeit
bie ihnen lieb geworbene Stätte, fobalb fie inne
werben, bah ber ©err fie hier nicht mehr brauchen,
fanu, unb beginnen ihre Slrbeit an einem auberen
Orte von feuern. Diefe Dreue im Steinen ift
oft fdiwer. Den Slpofteht wäre eS oielleidit leid)ter
gewefen )u fterben alS $it fliehen. Slber baS war
nidit ber SBille beS ©errn. Die Sauf bahn beS
großen ©cibeitapoftelS hatte ia eben erft begonnen.
®. 7: Sic prebigeu bafelbft. Die ge=
rechte Sache fann nicht untergehen, .vier verjagt,
finbet fte anberSwo fRauin; iefet unterbrüdt, erhebt
fie fpäter fidi auf’S s J?eue. So trug bie Verfolgung
tu jfonieit nur batu bei, baß baS (Svangelitim and)
nach Derbe unb Softra getragen würbe.
II. %\t Toffel §it Sßftra. (V. 8—12.) ®. 8:
Jit Softva heilte ber Slpoftel einen SJiann, ber
lahm war von 3Rutt er leibe an. (SS ift
bie britte ©cilung eines Nahmen in ber Slpoftel
gefdnehte Wap. 3 u. Äap. 9, 33 ff.). Die ©ei=
liingeu gerabc folcher Alranfen finb befonberS be=
beutungSvoll. Sie finb ein Reidien bapon, waS
gciftlidi gefdiehen muß. Die (Srwedten muffen
lernen im Sidite wanbeln (1 3oh. 1, 7).
®. 9: Der Sahnte hört Va ul um teben.
Unb beS 9(poftclS SBort cntjftnbete ben ©tauben in
bein &cr§en beS St raufen. (Sr gewann bie 3uver-
ficht, bah ihm würbe geholfen werben.
Dieter ©eelentuftanb bilbet ben SKittelpunft beS
ganjen (SrciguiffeS. SBic hier ber ©laube, baS
yitrauenSvolle hoffen auf leibliche ©ülfe, auS beut
ßören beS SBorteS erwachten ift, fo crwadift jeher
©laube auS ber Vvebigt beS (SvanacliuutS (Otom.
10, 14. 17). Hub wenn auch ber ©laube §unadift
nicht ben 9)iittclpunft ber (Svlöfuug erfaßt, fonbern
mehr an ber Peripherie ober nur an bem Seiblidicn
haftet: grünbet er fich nur auf ben ©eilanb, fo ift
er bodi ein gottgefälliges (Srgrcifcn beS ^leilS. Da
VauluS ben Nahmen anfaii unb tnerfte an bem
ftummen, bittenben ©laubcuSblicf feines hcilSbe^
gierigen SlugeS, bah er glaubte, fpracb er
®. 10. mit la uter S t i nun e: Stehe
aufriditig auf beiite fSüfte. Sah hier ber
Slpoftel fo genau auf baS Süurlein beS ©laubcitS
tu beut ©er§cn beS Sinnen, wie mögen bie allfchcm
beit Singen beS ©errn auf baffelbe in unS fehen!
Der Slpoftel fprad): Stehe aufriditig u. f. w., itnb
ber Sahnte fprang auf tjitb nrattbelte.
Sold)e SBuitbcr gcjchchen freilich heute nidit mehr
buvd) bie finedite ©ottcS. Slbcr wenn fte unter
ihren 3uhörcrit ntauchinal in einem Slug’ auf fo
ein ©laubcnSffmflcitt fehen bürfen, oielleidit eine
Shräne beS ©cilSvcrlangcuS: ad), ba§ mir geholt
feit würbe! ober einen Strahl ber 3uverftdt, and)
mir faitit geholfen werben,, ber £ei(anb fenutc am
(Snbe auch mir ucdi ben fyricben geben — bann bür-
feit auch fie fprechen: 3a, bir fann geholfen wer^
beit, bein ©laube hat bir geholfen! utibbcrföcrr
wirb baS SBuubcr ber geiftlidicn Teilung fo (jewih
vollbringen, wie er hier baS ber leiblidjen Teilung
vollbradite.
®. 11. 12. Die Teilung beS Sahnten ntadite
auf baS blinbe fteibenvolf einen fo übevtväl‘igen=
ben ßinbrud, baft fie bie Slpoftel für ©öt*
ter hielten. Daß fie bicfel beit aber aerobe für
Jupiter, ben Vater ber ©ötter, uttb ?Öierfur,
ben ©ötterboten, erflärten, hot feinen ©rttitb wohl
barin, bah Jupiter (V. 13) einen Stempel Per ber
Stabt hatte unb gerabe in jenen ©egeubett bie
Sage ging, Jupiter unb äWerfur feien einmal in
SDcenfdicugcftalt auf (vrben erfdiicttcn unb von Vhi-
Icmon unb VaticiS beherbergt worben, eine Sage,
welche wahtfdicinlid) jährlich beim Seiupelfcft beS
Jupiter wicbcrfiolt würbe. SBarutn fte ben Var-
nabaS für Jupiter hielten, giebt SufaS nidit an.
Ohne 3weifel hielt er fidi in genteffener Dluhc unb
evfehien beShalb, vielleicht audi alS berSleltere unb
um feines intponirenbeu Sleuhcrcit willen, alS ber
Oornehmcre ©ott.
®. 13. 14. Der Vtieftcr JupiterS bradite eben
Opferthiere uub £rän§e §um SBeihcfdmimf
beS OpferS unb SlltarS vor bie 2horc ber Stabt,
wo ber Stempel JupiterS ftanb, unb war bereite im
Vegnff, ben vermeintlichen ©öttern, welriic bie
Stabt mit ihrer (Srfdieiniiiig beglücft batten, feiere
lidie Opfer bar§ubringen, ba erfuhren ee bie S(po-
ftel, § e r r i f f c u vor S di m e r § über bie Sl b-
götterei beS VolfeS ihre Kleiber, eilten
vor baS Dhor unter bie §u bem Ovfcrafte verfaul
melte ^enge unb jdirieen: J hr 5L\'äniier, waS
madjet ihr? u. f. w. Jn Seiben uub Verfol=
gütigen bulben bie Slpoftel ftill unb ruhig; aber
Digitized by v^ooQie
332
Sonntagfdiul^ektionen.
wo fleifd)lid)er Slberglaube fie mit ungebührlühen
©hren übcrfcf>ütteii null, ba wehren ftc frd) au3
allen Kräften wie gegen oerfänglidje ©atan&
fddingen.
®. 15: ©ir ftnb auch fterb(icf>c 9Äe \u
fcfien. ®cw ©brüten ift mit Sobcäerbebungen
nicht gebient. Gr weiß, baß er alle3, iua3 er ift
unb bat, ber ©nabe Sottet allein oerbanft. ©o
man bariyn etwas au3 ibm machen will, — auä
feinen ©igeufcbafteti, SHmofen, ©baten, Serbien*
ften, — ba fprict>t er: icb bin and) ein ftcrblidjer
9Renfcb! ©ir Dreb igen ettd) ba3 ©Dangc-
linin, baß u. f. w. 9)fit biefer Srebigt traten
bie Slvoftel in beit offen ften ©egcitfafe gegen ba3
©eibcuthum, beffeit ®6feen nidjtö aubereö ititb als
bie Kräfte bev9?atur, bereit Scrgctterung in nuferen
©agcn and) in ber fogenanntcu ©briftenheit immer
unoerbüllter wieber heroortritt. ©ie Siele fefeen
beut tu Jage bie 9?atur an bie ©teile ©otreS!
Soit ibreit Saturgottern locifeit bie 5lboftcl ba3
Solf tu Suftra bin anf ben einen icbcnbigcn
©ott, ben ©dwDfer .ftiinmelä nnb ber ©rbc. So
mnfjen and) in nuferen Jagen bie $ncd)tc Rhrifti
immer mieber Don ben uiiDerioulidjcnSiaturfräftcn
nnb 9faturgefebcn hinweifen anf ben perfönlidteit
Urheber berfelben, bcffcn 9tucrfenuung allein bie
Slätbfel ber ©eit löft.
®. 16. 17. 3n biefeit Scrfen fd)ilbcrt ber 91do-
ftel ben lebenbiaeit Sott alS ben Stegen tcit ber
©eit, ber bie foeibeirin feiner ,t n ch t i g e n b e n
© e r ecb ti g f e i t ihre eiacneit ©ege babc
a e b e n (affen (im ©egenfafe tu ben gilben,
welchen er feine beionbere Offenbaruna tu Jheil
loetbcn ließ). SErofebeitt habe er fic nid)t oerftoßeit,
fonbern fidj Dielmebr mandifad) and) ihnen be-
te u g t, unb fie mit leiblichen unb geiitigcn ©üterit
gefcgnet (S. 17). 3u biefcm wahren ©ott feilten
fie fleh befebren oon ihren falfchen ttnb
nichtigen ©ottern (S. 15).
®. 18: ©ie ftillcten fanm ba$ Sol!,
baß fie ihnen nicf)t opferten. 305ir entfefeen
uu3 über biefe bcibnifrfje 9Mcnfd)cuDcrgöttcrung;
aber fontint benit nicht mitten unter ©brüten noch
9(chnlid)c8 Dor, wenn 9)?eitfcben, Selben, dichter,
Zünftler, ja felbft Sängerinnen unb Sängerinnen,
abgottifch Derebrt unb mit SMuuten unb Lorbeer-
fränten überbeeft werben Don foleben, bie für ben
lebenbiaeit ©ott fein ©ort be3 ®anfe3 unb do(=
leflb‘3 für ben Äönig in ber ©ornenfrone feinen
Slid ber Siebe haben!
Sonntag, 17. 3ttiti. Sfyoftelg. 14,19—28.
@nbc bet erften SJlifftoiräreife.
T. $ie SSicbcrbelebiutg. ('S. 19. 20.) ®. 19. !
9(ucb in Suftra ruft bie ©irffamfeit ber ?lpoftc( i
einen ©turnt ber Sevfolguug hervor. jubelt, bie
au3 s )liiiiocbieit ttub ^fonien gefommen mären, reü ,
ten ba$ Solf auf, Saulum tu fteiniaeit. ^ln ber=
leiben Stabt, too er ttierft Dergöttert warb, will
man ihn nun tobten; wo man ihn mit Slumcn*
franteit beworfen, werben mm Steine auf ihn
gefddeubert; Don einem rafeitben Sobel wirb er
Dor bie Stabt b iuau§ge}d)leDD t, geftei* i
niat unb für tobt ließen getanen. ®a
I mochte er an ©tepbanu§ bettfeu, über beffeit Job er
! fid) eiuft aefreut. S>ie feinem IDieifter, bem Tie
auch am Salmfonntaa Salinen ftreutcu unb ant
©barfreitaa riefen: Äreii 3 iae ihn! fo ergina e^ nun
and) ibut. ®a§ ift ber SBelt ©bre, eine ©eifett=
blafe, bie in nid)t3 serfpriuat.
®. 20: ®a ihn bie 3üuaer umriitaten,
fta nb er auf. ©eine geinbe batten ihn für tobr
liegen laffeit. 9hm fantett weinenb nnb flagettb
bie treuen Srettnbe bertu, um bie Seidje biinuea 5
tutraaeu ttub ehrlich tu bearabeit. ®a erbebt fuh
ber Sobtaealaubte oout Sobeit, bleid) tioar unb
blutig/ aber benitod) lebcitbig. ©er 9l(lmäd)tige
hatte ihn beioabrt, bah bie ©teine ihn nid)t tobten
ten, unb fchenfte ibm nun bie Jhaft, an ber jünger
9(rnt in bie ©tabt bineinjugeheit. ©ort blieb er
bie 92ad)t über, unt ftdi jit erholen. ®e3 anbem
Sagö aber reift er mit SarnabaS nad) ©erbe.
II. $ic »itrffehr. (S. 21-26.) ®. 21. %\
©erbe fdieint bie Scrfünbigung be^ ©oange=
liumS Doit febr erfreitlid)ent ©rfolg begleitet getoefen
tu fein; beim bie ®orte: w ttitb unterwiefen
ihrer Diele," lauten nad) bem©ruubtert: „unb
machten tablreichc jünger." ^ludi trat
hier, wie e3 fdjeint, ihrem Söirfen fein äußeret
SSiberftanb entgegen. Sott ©erbe au§ traten bie
9lpoftet ihre 9iüdreife nad) ©urien an, aber nicht
auf bent näd)ften SBege, fonbern inbent fie ficb tu=
ttächft dou ber Stiftung nad) ©nrieit toieber ent=
fernten nnb über biefelben Stabte turücfreiften,
welche fic auf bem Herwege berührt batten. 3bre
?lbfid)t n*ar, bie ueugegrünbeteit ©euteiuben tu
ftärfeit, weUhc unter ber Serfolguug dou Seiten
ber feiubfeligeit ^ubett unb Seibeit gewiß nid)t
wenig tu leiben batten. 2Beld) ein ©rang ber
Siebe muß baö Sctt beö großen SeibenaDoftetö
erfüllt haben, baß er nach erlittener Steinigung
fofort wieber in biefelbe ©tabt turütffebrt unb ohne
(Erbitterung gegen feine fEcinbe, mit ©auftmutb
unb erbarmenber Siebe bie Srebigt bce^ ©Dange=
liutnS fortfeßt, mit bem Sorfafe, nid)t abtulaffen,
ob e^ ihn gleid) fein Sehen fofte! 9Ruß uiiis biefer
©ruft nicht auf’3 Sieffte befebämen?
®. 22: ©tärften bie ©eeien ber 3ün=
ger burd) ben Sroft be^ ©Dangclium§, unb er=
mahnten fie,,Daß fie im ©laubeit blieben.
„Siel Scinbc’finb tu bäntbfen, Diel Sroben burch=
tugebn, ber ©laube muß in ÄämDfen biö an fein
©ube ftebn." ©aruut bebarf e§ immer uneber ber
Mahnung: fiinbleiu, bleibet bei ibm im@lauben!
ferner erinnerten bie ^Ipoftel baran, baß wir
bureb Diel Srftbfal muffen in ba§ 9?eich
6) o 11 e3 geben, fl'cinc rofigen Sfabe ftellen fie
! ben itmgen Srübern in 9(u^fid)t, fonbern einen
fteilen ©ornenweg. ©^ gebt burd)^ Streut tur
ffrone, bureb Seibcn tur Serrlidifcit. ©c> ift frei-
(ich ein hartes tt ß," baß nur burd) Diele Srfib=
fale müffen in’S 9tcid) ©ottcS geben, unb gar tu
gern wünfebten nur uuS eine loeilere Sforte nnb
einen breiteren ©eg. 9lber eS bleibt bei biefem
göttlichen unb barum u na bä über lieben „®iuß."
©S ift bicfeS „Stuß" begrün bet in ber ^Irt ber
©eit, welche bie ftinfterniß mehr liebt alS baS
Siebt; e« ift mi3 Derorbn et um nufere^ Ä>erten^
.Oärtigfcit willen, ba^ in guten Jagen fo (cid)t be§
©errn Dergißt; e§ gehört tur Sad)folge beä
Digitized by v^ooQie
(Sljronik ber ©egenroart.
333
®crrn, ber felbft burch Veiben jur £>errlid)feit eiit=
ging, unb wirb unS erleidttert burch ben Bor=
gang aller echten ®otteSfned)te bott Dabib unb
BauluS bis auf tiefen Sag.
#.23. And) bie fircbliche Organisation bereit
einen 65emeiubeit liefen fidj bie Apoftel angelegen
ein. Sie orbnctcu ihnen hin unb her
Aclteftc auS bcu würbigften 63cmeinbcgliebern.
Silber fie muhten wohl, bag auch biefe Aeltcftcn nur
Khwadie SRenfcben waren, barutn befahlen fie
tie Brüter beut Ferrit unter 65 e bet unb
Saften. An feinem Segen ift ia am Grube buch
alles gelegen. „SRit mtf’rer ÜRacht ift nichts gethan,
wtr finb gar halb verloren;" wohl unS baher, wenn
wir mit Luther fort fahren föitnen: „6S ftreit’t
für unS ber rechte SRanu, ben ©ott hat felbft er-
forcu."
#. 24. 25: Unb Aogen burch Bifibien
u. f. w. Der 2Beg ber Apoftel geht nun wicber ber
Scefüfte au. Stacbbeut fie bie BrobiiiA Bifibien
btirdtAogeit hatten, fanteit fie wicber nach Berge in
Bainphulien. .spier prebigtett fie baS Kbange-
lium, ohne bah mir erfahren mit welchem (vrfolge.
Jn ber fiiböftlidi boit Berge gelegenen Stabt At =
talia (von SlttaluS BbilabelphuS, beut Ätönig beit
BergamuS, erbaut unb nach ihm benannt), erreich'
teil fie bolleutS tie .Stufte. £>ier fchiffteit fie fich ein
Sitr fröhlichen fteimfehr.
#. 26: 2Jon bannen fchiffteit fie gen
Antiochien (in Sbrien) u. f. n>. BauluS unb
BarnabaS hatten auf tiefer Steife, welche leicht swei
bis brei Jahre gebauert haben mag (etwa Pont
Jahre 46 bis jurn Jahre 48 n.Khr.), auficr ber
Jnfel Kupern eine gute Strecfe bott ftlcinaficn, uub
Awar ten füböftlichen $beil babott, burebreift unb,
abgefchen boit bieleu ein seinen Belehrungen, wenige
ftenS bier Khriften = 63emeinbcit gegrfmbet, welche
gröhteutbeilS auS gewefenen Reiben beftanben unb
AU ben bcfteit Hoffnungen beredttigten. (SS waren
bie ©emeinbeit im Sßiftbifchen Antiochien, in Jfo=
ttien, in öpftra unb tit Derbe. Sie hatten wahrlich
nicht untfonft gearbeitet unb fonnten heiutfehren
mit beut Vobgefang: Oer £>err hat 6)roheS gethan!
III. $er #erid|t. (B. 27. 28.) #. 27: Sie
berfunbigten, wie biel ©ott mit ihnen
gethan hatte. OaS war gewih eine gefegnete
Berfaininlutig. 28ie begierig borfbett bie Äiubcr
auf, wenn ber Bater Aurücffommt boit ber Steife,
bielleicht boit einer lociten Steife über Vanb unb
SOiccr, unb fangt nun an au erzählen! 28ie uicrt=
wurbig ift’S unS, weint wir einen SRiffionär er¬
zählen hören, ber etioa auS Khina ober Oftiubicn,
ober auS bem gefährlichen Afrifa fontiitt uub nun
berichtet, wie eS bovt auSficbt, waS er tort erlebt
unb auSgeriditct hat. Aber waS wirb baS erft für
eine incrfwürbige Sieifebcfdircibung gewefen fein
auS bem SRunbc eine* ApoftelS BauluS uub fcincS
Begleiters BarnabaS! 28 ie niüffcn bie Jünger Atim
Oanf unb Vob ber 6)nabc ÖJottcS geftimmt worben
fein, als fie bon beit Siegen beS (SbaiigcliuuiS in
fernen Vanbeit hörten. Oie Apoftel erzählten mit
froher'Begeiferung, wre ©ott ben 6 eiben
hätte bie Shür beS ®laubcuS a ufgethan.
Bier Dhürcn mufi 63ott aufthuu, wenn etioaS Aiun
fteil ber Seelen auSgeriditet werben feil: 1) bie
Shür beS SRuitbeS beim Vehrer, 2) bie 3;bür beS
OhreS unb 3) bie Dbür beS .^erjcnS (beS ÖMaubenS)
beim £wrer unb 4) alS bie lebte, bie Shür bex^ ^int=
melS. ^ie Apoftel rebeten bon ihren Siegen, baiitit
and) Anbere mit ihnen 65ottcS 65üte unb Allmadjt
preifen möchten. 2Bir follen frei unb offen bcfeti=
tteit, waSber.^err an unS tntbburch uitS gethan hat,
aber uid)t au uttferer eigenen Berhenlidmitg, fon=
bern Aur ßhre ©ottcS unb sur Krtnunterung bet
Brüber.
®. 28: Sie hatten ihr 28cfen (ihren Auf=
enthalt) bafelbft. 2Sie wohl wirb ben Apoftelit
bie Stube gethan haben itadi fo langer mühfeliger
Sahrt, unb tuie gefegnet wirb nun ihre ftitle Arbeit
gewefen fein in ber SMuttergemeinbe; benit bie Stube
treuer ßnedite ©otteS ift nur gleichfam eine 33er=
änberuitg ihrer Arbeit.
Chronik Der (hegenwart
®er fdjöne, phantaficreiche, boit manchen
geträumte Xraum, ba§ halb auf vielen ftauAcln
eble, fromme, rcidibegabte Stauen alS regelrcdit ins
ftaüirte Bnftoreit liehen, unb einen ungeheuren
ßinftuf* auf bie Befchrung unb Befferung berJQelt
attSüben werben, fdieint fo halb nidit in Krfüllung
gehen au wollen.
ftin-m um ben anbern biefer weiblichen fßaftoren
madit /^iaSfo. Aidit etwa weil fie nidit fromm, ober
nid>t begabt, ober energielos finb, foubern loeil ihr
Stiditerfolg in ber Statur ber Sache liegt.
Knthufiaften mögen Aioar bieSdmlb bent thöriditen
9?orurtheil ber Btenfcbeu Aufchreiben, werben aber
bamit famn auSreichen, beim geraOe bie lebten Awei
SiaSfo fanben in folcheu ©emeinben ftatt, wo fidi
grofje ©egeifterung für baS weiblidie Baftorat funb
gab. 'Da ift Auni B^eifpiel gräulein Anna Oliber,
welche Baftor ber 2ßilloughbp Abenue ffirche in
Brooflpit, S2. ?}-r war. 28enn cS irgenb eine ©e=
uteiiibe giebt, bie enthuRaftifd) für baS 3ufunftS=
paftorat ber Stau eintrat, fo war eS jene; wenn
trgenbwo 6Srunb unb ©oben für bie neue Btafc
regel gefunben werben fann — fo ift eS Brooflwn.
Sräulein Cliber mangelt eS weber an Sähigfeit,
nodi Stöuunigfcit, nod) Knergic. Unb bod> muhte
fie baS Unternehmen aufgeben, beim eS muhte ber
Statur ber Sadie nadi mihlingcn.
Untere Seit will fein weiblidieS Baftorat. Ob
baS S>erhältnih ein anbercS fein wirb, wenn einmal
bie Btorgenröthe beS taufenbiährigen SteicheS uii-
Aweibeutig angebrochen, baS laffen nur bahingeftellt
fein, machen aber einftweileu ein grofieS StagcAeicbeu
bahinter mtb halten unS am ffiortc ber ©eiligen
Schrift.
Digitized by v^ooQie
334
(Sljronih ber (Segenmoti
$eter ©oopcr, bet im Slpril im 92. Ccbenojabre
SU Sfew ©orf geftorben, ift ein ©eifpiel bev groß*
artigen amerifanifdieii Philanthropie. SBobl feine
aubere Station weift fo»iele©hilautbropen auf, al3
bie amcrifanijdie, eine Dbatjadie, für weldie man
im 9tcid)tbum be? £aube3, in ber ©rsiebung uitb in
bet ©eranlagung be? Sluierifaner? Urfadjen fiitbcn
fann. Der Icfete ©vunb jebod) bürfte wohl in beut
dniftlidicn Sinne be? amcvifanifdicit ©olfe?, batin
$u fud)en fein f baß biersulaub bie ©ibcl nod) etwa?
gilt unb ©ott nidit »eraditet wirb.
90?ag and) bet Unglaube fid) gegen biefe SBabr*
beit aufbäumeit/ fo ift fie tiicbt3bcftowenigcr wahr.
9D?ag c? and) aittcrifanifcbe ©bilanthropeit neben,
bie ftrenggeuommen feine ©ibclgläubigen finb, fo
bat bod) bie 8uft, in wcldjcr fie ersogen finb, ibre
SBirfung au?geübt. ©Senn bem ametifanifeben
©olfe einmal bie djviftlidie ©ntnblage abbanben
fänte, nnb bie »on jo »ielen gepriefene 9(ffcni>btlo-
fophie bie Oberbanb crbieltc, fo fänbcit mit in beit
©ereinigten Staaten ba3 fclbftfücbtigfte ffrämer*
»olf, ba3 ficb benfeit labt; eine Nation, bie nidjt?
fennete, al? beit ©tammoii3bienft.
©eter 6ooper3 große? 9Bcrf ift ba? „6ooper=3n*
ftitut" in bet Stabt Stew ?)ovi bet SDtitte »er
ffitifaifiet Safere erriditete et biefe große tcd)itif(be unb
attiftiidje ©olfofdwle mit einet evftcit Äapital*
febenfung »on $630,000, welche feitbem, in icbcr
SBetje unb unter Slufwenbung immer neuet ^mtbett-
taufenbe erweitert, su einet Sehr* Slnftalt für bie
mittellose ^tigenb betanaebieben ift, wie fie in biefet
Slrt feine zweite ©voßftabt bet ©Seit befifet. ©Selche
Sdiäfce ooit ©ilbimg, ©cfittung unb ßrlüjuitg au3
ben tauben bet Slrmurb unb Unwiffenbcit haben
fid) feit bem ©efteben biefet 3nftitut3 au? feilten
©raunftein * ©Jauern übet ba? ganse ©emeinwefen
»eit Stern ©orf ergoffen! ©Jeldie weiteren Sdjäfce
biefet Slrt werben bafclbft in bet 3ufunft gehoben
werben! Sreilidi, bantit ba3 Stile? gefdiehen foitnte,
uttb and) für alle 3uftmft gefiebert würbe, bat ein
ganse? Stabob? ©ermogen aufgeopfert werben müf*
feit,—nämlid) 2 SOiiUtoiten unb fünfbunberttaufenb
Dollar?.
Äaifer ttttb ©Sir babeit »on icbet bebau))*
tet, baß weber ©i?marcf nod) Äaifcr ©Silbclin nadj
ßanoffa neben, ba3 beißt bem ©apft in ben £>aupt=
pituftcn be? Streite? swifdjeit Staat unb 9tom rtadi*
neben werben. ©Ser anbeter Slitfidit war, foitnte bie
Sachlage unmoglidj richtig anfnefafit babeit.
63 muß jwar bem Äaifcr »on Deutfdjlaitb unb
©i3manf batait gelegen fein, womöglich ben ftrie*
ben bcrsuftellen unb feinen Sanfapfet }ttt SRcidj su
babeit. Sie föiinctt aber, wollen fie beit ©eftanb
be3 Staate? itid)t ncfäbrben, nur bi3 su einet ne*
wiffeit ©rensc bet ©crcinbarung neben unb bürfeit
nidtt batübet binau3fd)teiten.
Um foldte SSerciubarunn bcrsuftelleit, bat®cutfd)*
lanb bie nötbineit SSerbanblunncn neoflent, woran?
al3bamt ba? ©erüd)t entftanbeit ift, e? habe ber
UMiiifdteit Ätirie nadtncnebeit.
Die? ift ein ^rrtbuni, unb bie neueften ©reinuifje
beioeifeu, t'aß bet Streit nod) (annc itid)tau?nefod)=
ten ift, nnb Deutfdtlanb fid) nod) lanne nid)t iit bie
.ftänbe 9Kun? beniebt.
(v? mußten oict oolle ^abte Unterbanbluuncn
nepflonen werben, beoor bie SJefefeuitn erlebinter
SMfd)of3fifee in preitßifdKit Diöcefeit tnönlid) newor=
ben war. ffaum aber waren biefe Oberbirten eiit=
nefefet, fo madtteit fie fid) S^erftöße neaen bie Staat?-
nefefee fdmlbia, bie fein Staat bulben faitn. Sie
erhärten s.$Ö. alle bon ffatbolifen einenaitnenen
©ben, bie uid)t bon fatbolifdjen ^rieftern einnefen*
net waren, für ti it a ü 11 i n.
2 Benn nun auch biefe Slnntaßilnn etwa? nentilbert
unb am 6itbe nans surüdncnoiitmeii würbe, fo batte
fid) bod) eine bebeutenbe üKißftimmuun cntwidelt,
weldte bie SJerbanblunneu smifdieit Äaifer unb
fßapft erfd)werte. Der preußifdie Speualnefanbte
in 9tout, ^err bon Sdtlöser, bem übte ficb swar auf?
©ifrinfte, eine SSerftänbiauita über bie ftrieben?=
bebinaunaeit berbeisufübren, aber alle? war ocraebs
lid). ßnblid) fdtrieb $apft SeoXIII. lefeten SSintet
einen eiaenbänbiaen SJrief au bcu bcutidteit Äaifer,
in weldtent al? SBebiiifliutfl für ben Stieben bie
tbeilweife Slufbebuita ber ^aißefefee genannt wirb.
Die Slntwort be? Äaifer3 ftcllte al? s 3ebinaunfl
be? päpftlidjeit SBuufdte?, baß ber $apft bie ^fließt
anerfenne, ber pretißifdteit ategieruna bie fßerunen
ttambaft su ntadten, tocldte sur SDcfcfeuuo erlebiflter
geiftlidjer Stellen berufen werben follcit.
Sluf biefe? Sdtrciben erwiberte ber Stapft, baß er
eine pollftänbifle 9temfion ber SÖJaißefcfee nidjtab*
warten wolle, beoor er bie aSerfoncn ber SKeflierung
bcseidjitete, weldie &\x SDefebung erlebigtcr $fan*
ämtcr in 2(u3fid)t genommen wären; er müffe iebotb
»erlangen, baß gleid)seitig bie ßinfdnänfting ber
SKaßregcln beginne, weldie beute bic 9lu?übung ber
geiftlidien 90fadit unb be? geiftlidjen Slmt?, Sowie
beit Unterricht uub bie 9lu3bilbung bc3Äleru3ben
Scbten unb bem ©eift ber Äfirdje entfpredjcnb »er*
binberten.
Die 93cbeutung biefe? lebten Sd)reibcn? be?
Zapfte? läßt fid) au? ber SBirfung ermeffen, U'elcbe
baffelbe auf ba3 Scntrum beroorgebradit bat. Die
Sübrer biefer Partei, Sßinbtborft unb ». Sdior*
lemer*9(lft, gaben bie bi? babin nod) beobad)tete
^urfufbaltung gegen bie SHegierung »eilig auf unb
führten wicber biefclbe Spradie ioie sur 3eit be?
beftigften Äam»fc3. 3u?befonbcre ertbeilte SSinbt*
borft bem Sürftbifd)of »on 5ßre3lau ba? 3eugniß,
baß er in ber 90cifd)ebeufrage burd)au3 eorrcct ge*
baubeit habe, unb baß bicienigen, weldie ibm au?
feinem Sluftreten einen SSomuu-f maditcn, bamit
lebiglid) ibre Unfenntniß fird)lid)cr Dinge »er*
rietben.
Sluberfeit? wirb berichtet, baß Äaifer SBilbclm,
naebbem er ben ©rief be? ©apfte? gelcfen, fopf*
fdjüttelnb gefagt habe; „Da?gebtnidit." Dennodj
bat ber ©apft auch auf biefen ©rief wieber eine
Slntwort erbalten; aber e3 läßt fid) faum annebmen,
baß babtircb eine wefcntlidK Slcnberung ber Sacb*
tage berbeigefübrt loerben loirb; basu ift bie päpft*
lid)e Sotberung su beftiuimt gcftellt unb cImmiJo un*
annehmbar. SBeim bie fatbolifdie ©eiftlidifeit für
ihren ©eruf nur in firdilkbeu Scbranftaltcn »or^
bereitet wirb, bann fann fie bem Staat nidit bie
©ürgfdiaft leifteit, baß fie ba? nöthige ©erftänbniß
für feine ©inriebtungen unb ©ebürfniffe befifet.
©erabe biefe ©ebingung erfdieint nnerläßlid), unb
bureb fie erhält bie Slnjcigepflidit ber Äurie über*
baupt erft ihren 2Bcvth. j\ft ba? ganse ©erfonal,
welche? für bie ©efeßung ber ©farrämter sur ©er*
füguug ftebt, im ©eift unb nad) ben Sebreii ber
!
Digitized by v^ooQie
335
$um Ifriebensport.
flirrfjc auSßebilbet, bann lieat fauut noch etwas
baran, ob bie 2 Sab( fiel) auf biefe ober icne ißerjen*
liebfeit lenft; fic werben alle il>r 9lmt nur nad) beit
^Befehlen ihrer firdüidjen 9>oröefebten ohne s Jiücf=
ftd)t auf bic 9lnforberiutfleit auSüben, weldie ber
Staat an fie (teilen iitufj. £)ier ift ber Sife ber
Öuelle für fortbauevnbe Streitißfeitcn swifd)en beit
Dienern ber Jtird)e uitb ben Organen ber Staate
oerwaltuitfl.
Der Verlauf ber 93erhanbluitßen, weldjc u>ä(>=
reub eiltet beinahe fünfjährigen 3 eitra umS swiidten
Staat uub Äirche, swifd)eit ifaifer uitb hausier auf
ber einen unb 9Sai>ft uitb Garbinalftaatbfefretär
auf ber anberen Seite flopf[ov\eii loorbeit fittb, hat
aclehrt, baß ein 9lu?ßleid), ioeld)er einen baucrnbcit
tfrieben ber beiben (Gewalten acwäbrleiftet, wohl
nid)t aefutiben werben fanit, ba§ ber SSiberftreit
ber beiberfeitigen Sntereffen $u ßrojj i(t, al£ ba& er
aätulirf) 51 t beiettificn wäre. 9(1« ber Afauibf nad)
SBiebcraufrichtung beS Deutfdjcit dteidrä beßanit,
als bie biplomatijdjen ‘Bcsiehuiißen swifdjcit 93erliit
uitb beut s i>atifan abacbrodieit würben, flab ftürft
SbiSmavcf ber .poffnuiia 9 (uSbritcf, ba& unter einem
frieblidtcrit ^ßapft ber 'Bet f ehr wieber auiflenomiiteit
toerben föttite. Diele Borau3fid)t hat fid) jwar
alS riibtiß bewährt, aber bie baran flefnftpften wcU
terit ührwartuiiflcn fi^b bisher noch unerfüllt ßeblie=
ben, unb bie 9lu*fid)ten, ba& hierin für bie tfdfle
eine Sleuberuna eiittrcten werbe, fiub and) fo ae=
rinn, bajj fie faft fdwn als ßcidnounben ansujeheit
ftnb.
DaS Deutfdje 9feid) faitn bie 9>ebinßiinßeit fei=
neS Bcfteheno unb feiner SBohlfahrt niriit von
einer auswärtigen Ü)cad)t abhäitßiß inanen, cS
fann mit beut i'aoftthum in feiner aeßenwärtigeit
(Mcftalt nur in einem SJerhältnif? ftcheu, helfen
(^rutibsüße nad) beiben Seiten hin ßcitau feft=
ßeftellt unb wohlerwogen finb. So wenia bie
Staatsgewalt in Dcutfchlattb, bcüelumßoweife in
^reuften, bie 9lbfid)t unb ben 'Beruf hat, ben
relißiöfen Uebcrseuauiißcit bcS Bolfs irftenbwelche
©diraufcu su sieben, fo wenia fann fie bavauf
Berskbt leiften, bie ©rense ansiißebcn, bis ju wel-
d)cr bic romijdte Curie ihre SWadit unb ihren (9itt-
flu& auf bie ftattlkhen 6 iitrid)iunßett ausbebnen
barf.
9 Scr weiß, wie biefer 5?ampf 11 cd) eubcu toirb;
manche wollen behaupten, bafi baS 'Bünbnift swU
fdteit Deutjddaiib, Italien uub Oefterreid) fidj
aud) auf biefeit Streit besiehe — !
' Mnm £fcfafan&paxt*
Andante . ©orte unb SRnfft oott fl. Sauer.
Digitized by v^ooQie
telt toorn
©tut >
' me,
Dom
SBet
be bie
5ü ..
fc
nac$
fdjtoe
2 >e 3 Xxm = fteS ftd?
Sopr. min Alto Solo.
jen mid) ba tyin
qcm, fo bltcf’ id) bin
p ? *+ -+ -£ *+
i auS, 0o fefyn’ idj oon iber
« auf, 3)eS 2>ien * fteS ficb taei
ba l;m 5 auS
bltcf’ icfy fyiit - auf
3um fc * « li = gen, fe 5 * li s gen grie * * ben$:port.
l’Mi i i W:: '-- sM
0 0 0 ########
SÜSS
0 el’ger, fefger, fcl’ger gviebenSport, D Joeimatfy im Fimmel, 0 feiger Ort, D§ehnat& im$immel, 0
•#> - 1 , 1 1 4-* _ -!**■ * ■#• iS»- «*v -f- .
-5 fc-r-®—® 1 P-d—!—d—1 — 1—rtr —s§—P r®—. —* r®—I—1 fc—*—* r®—
9Jacfy lftem — 3ten $er3.
1
9Jadi 4tem 3$er$.
Digitized by
Digitized by v^ooQie
:r
i • » »i ... _ _~... n IVUIIIUV V 7 / *****
«wgmnrju (türmen — ben SeI6|'tmorb. „9)iacf)e nid)t§fciflenbe 9tu3flfldjte fitib, unb fontmt ju
bem elenbeu Unfein ein Silbe, bu baft ja ein 1 ber S<bluj} * Solflerung, baß man biefe 6t»
26
Digitized by v^ooQie
Digitized by v^ooQie
grfter
3ht(i 1883.
§iti«nte* «Äeft.
M Den liiidjtrii trimmt mau
öcii Poum.
Ifliitor.
$ief)t ein finfterer
feinb burcf) bie SBelt, ber
flegenmärtig namentlich
gan^ Europa in Schretfeit
feßt, aber and) nuferem
Sanbe nicpt fremb ift.
„33erni<htung be* Seftefjenben," ba§ ift feine
£oftmg; Reiter, Worb, ^tjnamit finb feine
Söaffeii.
3 >n Stußlanb finb bie Stifjiliften ber Schrecfen
ber ©efellfchaft; in Spanien ber ©unb, ber fich
„fchroarje £aub" nennt; in $eutfchlanb, franf=
reich unb Cefterreich miihleit bie Sojialiftcn; in
(Großbritannien morben nnb fprengen bie SBer=
feftmorenen 3 r(anb 3 unb ^ierjulanb prebigen
©efiunungsgenoffen ähnliche ©runbfäße beS 91 b*
grunb§.
Stebftbem gebraust Satan in unferer 3 eit
mitten anbertt Wetifchenberberöer, um Seelen
in’äSlenb ju Bürgen — beit Selbftmorb. ,,Wadje
bem elenbeit Unfein ein 6ube, bu hnft ja ein
Stecht über bein Seben,"
fo flüftert ber Strebe ben
Sinnen 311 ; unb Jlugel,
©ift Strirf ober SBaffer
fchließen bie jammerDoüe
irbifepe Saufbapn. ftaupt*
fachlich aber finb e$ bie Dielen itberhanbnehmeit*
ben Selbftmorbe unter ben $eutf<hen, melche in
jitngfier 3eit bie öffentliche Slufmerffamteit in
Slnfpriuh genommen haben.
Xa ^erbricht man fich alSbann ben $opf, um
bie Urfache „biefer fönnlid) fepretfenerregenben
Selbftmorb^roportiou" 311 finben. Wan rebet
Dom ffantpf um ’3 Tafein, ber gar manchem 311
ferner mirb, fafelt bauoit, baß ber ®eutfcbe eben
ein großer ^ßhilofopp fei, unb ber Saufbahn ein
Sttbe mache, fobalb biefelbe nicht mehr orbent*
lieh fortgeführt merbeu föune; man fieht auch
bann mib mann, baß folcpe ©riinbe (?) nur
nieptsfagenbe SluSflüdjte finb, unb fonimt 3U
ber Schlußfolgerung, baß mau biefe 6r*
Digitized by c^ooQie
338
Hn tan $rüd)ten erkennt man tan $aum.
Mjeinunaen bod) nicpt fo recpt ju ertlären im
©taube fei.
Unb bod) giebt eS eine feßr triftifle, flare
Urjadje bafür. Wenn in ^rlanb unfchulbige
Wänner non feigen Wörbern uiebergeftoßen, in
ftnjÜanb ber Sprengftoff jum Wajfen»Worb
perroeubet mirb, im übrigen Europa eine un=
heimliche Woct)t alles ©eftehenbe nt untergraben
fud»t, in unterem Sanbe bie gleichen Sehren frei
oerfünbigt merben, unb ^ninberte fictj baS Sieben
felbft nehmen; ba muß, — fo öiel auch bie
Schaben, bau ©lenb unb bie Sdfitlb ber ©e=
fellfchaft foldhe 2hatfad)en Perurfacht haben
mögen — eine fchiißenbe Sdjranfe, ein ©oll»
roerf gegen biefen pöllifchen geiitb abhaitben
gefomnten fein.
l!iefe in Saufenben gefchmuitbeite ©urg ift
ber ©laube an baS ©migc, baS ©ertrauen^auf
ben lebenbigen, perfönlicbeu ©ott, baS $eft=
halten an ber ©riftens beS ©eifteS unb beffen
3?ortbeftanb nach bein iobe.
SDiait hat fo lange über bie „Dummheit* beS
©laubenS gefpöttelt, fo feft bie ©ntmicfelung
beS Wen üben aus Staub behauptet, fo frech bie
©jriftenj beS Wenfchen nach bem Stöbe, fomie
baS SDafein ©otteS geläugnet, baß Wifiionen
biefem — bem fleifcplichen Sinne fo feljr su=
fagenben ©paitgelium gugefallen finb. ©ie
mürben in tieffter Sebeutung beS Wortes
„gfleifch," unb mollen nun auch alles ihrem
fleifchlidjen, thierifchen Sinn gemäß ummait»
bcln unb jerftören — unb märe es auch, menn
eS barauf anfömmt, baS eigene Sehen.
$>aß in Urlaub unb Spanien, mofelbft fich
biefer SchrecfenSfeiub auch äußert, baS ©olf in
ben ©anben beS Aberglaubens gefangen liegt,
thut unferer ©ofition feinen ©intrag, beim aber»
gläubifche Verehrung äußerer Eilige ift ja nicht
lebenbiger ©laube an ben lebenbigen ©ott;
mecban’ifch mitgeinachte Zeremonien tonnen feine
^nfpiration bafür fein, ben Wetlichen berank
roortlich ju machen. Solch religiöfer fjrohn»
bienft ift im ©egentßeil baju angethan, ben
Seilten ihre ©erantroortlichfeit ju eutrücfen, fo
baß fie bei allem, ober troß allem äußeren bienft,
hoch nicht mehr im innerften £erjen auf bem
eroigen ©runbe flehen.
Auch barf nicht öergeffen merben, baß ba,
roo baS ©olf bem Aberglauben anheimgefallen,
bie Seiter beffelben, bie fogenannte gebilbete
St (affe nteiftenS allen ©tauben an ©ott nnb
bas emige Sehen roeggemorfen haben, mie bieS
allgemein in Spanien unb jurn 2beil aud) in
3>rlanb ber 5a(l ift.
Unglaube mtb Aberglaube bieten fich bie
Ha nb, bem SPolte ©runb unb ©oben unter ben
gilßen roegjuftoßen. Alfo mar eS oor bem
Ausbruch ber frotijöfifchen Dteoolution im leß»
ten ^ahrhnubert. ©oltoire unb feine literari» 1
fchen ©enoffett übergoffen ben ©ibelglauben mit
ber fauche ihrer erbitterten Herren unb bie
fogenannten gebilbeten granjofeii beteten nach,
unb baS ©olf trat entroeber in ihre 0rnßftnpfen,
ober faß in ben Stetten beS Aberglaubens ge»
fangen. Unb maS mar bie golge ? ©in ©lut»
hob, mie eS bie Welt faum Oorfjer gefehen; eine
©djrecfenSberrfchaft, melche ©ntfeßeu unter allen
©ölfern berbreitete; eine Willtür, melche bie
Stprannei ber Slönige um’S £mnbertfnche über»
traf. $a mürben Weiber unb Sfinbet mirflid)
ju #t)änen unb trieben mit ©ntfeßen ©d)erj.
„Aber fo meit mirb eS bei ber heutigen Zioi»
tifotion nicht tommen, bajn ift bie Wenfchhcit
boch ju meit Porgerücft," fagt Seinanb.
Unb maS, roer bürgt benn bafür, baß eS
nicht fomeit fommen fann? ©tma bie oom
©louben an baS ©roige mie ben ©roigen abge»
riffene Zioilifation? Wir haben feinerlci ®e»
bulb mehr mit biefer hohlen ©prüfe, unb niei»
nen, bie religionSlofe Sittlichfeit (?) habe oor
unfern Augen bereits fo biel geleiftet, baß man
einmal für allemal ben ffirlefanj ooit ber Zioi»
lifation, bie nicht auf göttlicher ©riinblage be»
ruht, in bie Aumpelfammer merfen follte.
Wenn eS gelingt, ber Weprjahl eines ©olfeS
bie Weinnng beijubringeit, eS fei nichts als eine
entroicfelte Sthierart, ber ©eift unb bas 35enf»
Permögen eines jeben ©injelnen nur baS ©ro=
buft beS ©ehirnS, unb ber Wenfch oerfinte nach
bem 3£obe in AidjtS: menn auf ©runb folcper
Aitfchauung eine ©djranfe nach ber anbern um»
ftürjt unb ein einiges ©ut nach bem anbern
berloren ginge; meun^bie ©ibel allgemein mit
©pott begrüßt, bie Sonntagsheiligung überall
abgefepafft mürbe unb ber ©enuß geiftiger ©e=
tränfe ein gnnj unb gar unbefchräufter mirb,
fo mirb baS ©olf im allgemeinen auch öertpie»
reit unb bie fffurie h?rauSfcbren, bie aisbann —
mie taute fthon in ©uropa — nur bur^ baS
©ajonet niebergehalteu merben fann.
3(ene Herren, melche Winb in mtferem Sanbe
fäen, mögen ito^ auf amerifanifchem ©runb
unb ©oben Stunnroinb ernten, menn ihre 2!ra»
chenfaat aufgegangen unb ber bcjfere Sheil beS
©olfeS nicht madhfam ift.
Wan täufche fich bariiber nicht. Wenn ein
Wann, mie ber Wütheridj Woft, taufenbe bei»
fallSflatfchenbe 3“P rer finbeit fann }u einer
Siebe, in meiner er bie ©arifer Zommune uon
1871 berherrlicpt, fo muß baS Sleiinen ber Saat
jugeftanben merben.
„®ie Zommune," fagte ^err Woft, „hätte
baS Himmelreich auf ©rben gebracht, menn eS
ihr gelungen märe. Aber fie hatte ben einen
großen ffchl«, baß fie ju Diel Humanität gegen
bie geinbe übte, ©ie bemachte bie ©aitfen, in
melcheit WiDionen aufgefpeiepert lagen. Sie
fchoitte ihre fjeinbe. ©ie erlaubte ber ©reffe
Digitized by v^ooQie
3m Hont.
339
bie Stritif. — TaS nüdjfte ©tal werben wir ben ©teufchen öbflejireift haben; «in mutßiger
es beffer machen. ©ir nehmen bie Santen mit; Tiger, melier ben weniger mutßigen üorbriillt;
all ihrem Gelb. ©ir fliehen einen Carbon um j ein bonbem Gtoigen, Göttlichen uubaeht ©ieiifcb»
bie ffeinbe unferer Sache unb blaien fie , liehenganjlich Hbgefomniener, welcher©tidioneit
i n S 9t i ch 1©ir werben bie Schurfenpreffe ©rüber hat.
flum Schweigen bringen." Solches fiitb bie krähte: ©teuchelmorb, Tp»
Unb ju folch’ tigerartigem ©rüden h^ittten namitfprengung, '«Raub, aügemeine Schlächterei,
taufenbe beuliehe Stimmen in 9tew ?)ort ©ei» Umfturj, Tprannei unb Selbftmorb.
fall. ©ie faul muß ber ©aum fein, an welchem
Siegt hierin nicht ein gar ernfteS Reichen un* folch« feuchte gebeihen? Ter ©aum ber Gottes»
ferer 3eit? Mann man iolcpe ©orfalle mit ber beraeßtung, ber Säugnung beS Gwigeit, ber ©er*
oberflächlichen Semertung — „baS ift eben ein i fpottung ber ©ibelwahrheiten unb jener eraf»
tffanatiter" — hinwegbeuten? ten (!) ©iffenfdjaft, welche auch baS Gbelfte
3a wohl, ein fjanatifer, hinter welchem tau» unb fjödjfte im 9Renf<henleben nur auf Staub,
fenb anbere feinesgleichen flehen, bie ebenfalls ©affer, 'Jtahrung unb &iße jurüdfüßrt!
üö )m Horn, m
©in ©ommerbilb.
ftiir ^attl unb #erb Mn X. 9. 3.
J n golbenem Glanje leuchtet bie Sommer» ber feine ntilbe §anb aufthut unb fättiget
fonne bom woltenloS flaren, tiefblauen HdeS mit ©ohlgefaden, ber fröhlich macht,
£>immel hernieber, unb gießt einen fluthen» was ba lebet unb webet auf (Srben! —
ben Strom oou Sicht unb ftrahlenbem Schim» Hber burch baS lebenbige ©tenfehenherfl, baS
mer über bie gelber — unb in golbener giide feines Gottes fid) freut in ber Güte feiner Ga»
fchmüdt fid) fröhlich bie fruchtbare Grbe mit ben, unb im frohen Httblid ber Schönheit fei»
manneshohen, bichtgebrängten, tornfehweren ner Schöpfung, bcS Schöpfers felbft gebeult,
Hehren. '.Reich gefättigt bon Oben her weit baS in ben ©unberwerfen feiner £anb fdjmeden
frifchem Thau unb warmem Stegen, unb pon unb fehen gelernt hat, wie freunblid) ber £err
unten burch beS ©obeitS Saft unb Straft ge» ift, jieht’S wie ein Subelpfalm, unb es jauchst
nährt unb gefeuchtet, nährt fie nun felber, frei» mit bem fchmetternben Soblieb ber Sercbe um
aebig unb fteubig, wie eine gütige ©tutter, baS bie ©Jette, in fiißcm Sang unb lautem Älaitg
Gefdflecht ihrer Stinber mit ben Gaben, bie ber in bie weite ©eit hinaus, über bie erntege»
©tenfeh im Schweiß feines HngefidjtS in fau» fchmiirfte Grbe hin unb sum heüeit, lachenben
rer Hrbeit unb harter ©tüfje mit unerntüblich ßinuuel empor: „Taufet bem |>ertn, benn er ift
fleißiger, forgfamer |)anb befteüt, unb ber freunblidj, feine Güte währet ewiglich! Sobe
Hrm beS fjimmlifchen ©aterS allmächtig unb bett .£)errn, meine Seele, unb bergiß nicht, was
gnäbig »or Sturinminb unb Sjagelfdflag, bor er bir Gutes gethan hat!" —
©iiß iinb Uugewitter gewinnt unb gefcf)üßt Tort finb es bieHlten, bie in langfam behag«
hat, an beffen Segen allein HfleS gelegen licßem Schritt am bämmernben ^eierabenb ober
ift! — am ftiflen Sonntag ©acbmittag burch bie rei»
3efct ift baS Selb reif sur Grnte, unb bie chen, üppig prangenbett Gefilbe wanbeln, bon
©tillionen fchlanfer, fchwanfenber ,palme, bie alten Tagen plaubernb unb ber begangenen
halb im leifenfjauch eines leichten SüftleinS git«= feiten gebenfenb mit ihrem ©echfel bon ©obl
tern unb beben, lifpeln unb rauften, halb im unb 2Beh, bon Sufi unb Seib, aber auch bon
iraftbolleren ©eben beS ©inbeS, wie ebenfo ber immer neuen unb immer treuen Siebe ihres
biele ©tillionen mächtig mogenber ©teereSweflen Gottes rebenb unb riihmenb, bie ihnen ad ihre
fich neigen unb beugen, feitfen ftid in ftummem bangen Sorgen boch immer wieber in lauter
Tanlgebet bie frueßtfebmeren Häupter mit ben lichten Segen gemanbelt unb in ben langgesoge«
golbenen St tonen, gleich als wollte felbft bie nen Hderfurdjen ihrer SebenSjahre, aus man»
tobte Statur, in fdjweigenbem Sinnbilb wenig» eher Tbränenfaat eine felige ^reubenernte wad)»
flenS, bem hohen -£)errn beS Rimmels bie Gbre fen ließ! — ©ier fiub’S bie jungen, benen noch
geben, bie ihm gebührt, auf ben ©der Hugen ber Sfinbljeit golbener ©torgen gehört unb bie
warten, baß er ihnen Speife gebe su feiner 3eit, berßeißungSbode, bielberfprechenbe unb boch fo
Digitized by v^ooQie
340
3m JRom.
3m Äorn.
ungemiffe ftufunft, aber Dor benen auch nod) ber
heifte Arbeitstag liegt unb bie brütfenbe Som=
merfchmiüe bes Sehens, ber eine, baß i()re Äraft
gemerft unb gemerthet, geprüft unb geprobt, ge=
ftärtt unb geftäplt merbe, bie anbere, baß in
ipm bie Saat ber 3eit auSreife gur ßrnte ber
(Smigfeit!
3a, — jept frängt ihr euch mohl nod) mit bem
teilten forglofen Sinn ber fro^^igen, marin*
blutigen, glütfftrahleuben 3ugenb baS utige*
beugte £mupt unb bie ungebleichten Sorten über
ber frifd^en faltenlofen Stirne mit all ber bun*
ten buftigen Slütpenpracht ber farbenfchim*
meruben Slumeufinber, bie ber Sommer als
flüchtigen Schmud jmijchen bie gebiegene goU
bene Jvüüe feines Segens ftreut, meil ©otteS
33atergüte ja nicht mit farger £>aitb nur baS
9Jötf)ige fchafft. nur baS 9tüplid)e fd^entt. 3epl
pflücft ihr fie mohl noch, bie uergänglichen 3Mü»
then gu finbifchet* Suft; aber bebenfet ee« mohl,
nicht um ber .Kornblumen milleu, ift baS Korn*
felb ba, unb baS Seben nicht bloS ginn hei*
tern Spiel, gu müfeig tönbelnbem ^eitüertreib.
9iein! 2Ber in ber 3ugenb SengcStag nur gier*
liehe Sommerpflatigen fäen mollte, bem mürbe
bie ßrnte ob unb eienb im Alter! ^arum for*
get fchon jept mit ©ruft, baß euch eitift bie
unbermelfliche bleibetibe 3toubenfrone unb beS
emigen SebenS unDergünglid) grüner Kräng
nicht fehle, menn ber große entfdjeibeube ßrnte*
tag fonimt, mo fich unfehlbar, gemiß unb un*
abänberlid) fidjer herauSftellen muft, mas ihr,
unb auf maS ihr gefät habt, fo lange noch bic
Saatzeit eurer Kinberjahre gebauert! —
— Digitizeehby
Goog !
Jes 3uben Sodjter.
341
P(0 luiuti todjter.
diu ®trfuif| uou X. SS.
CvJ^Ävor bem ftaufe beS ftopepriefterS in
s Cw4^)J/ 3 eri| f ülem tS W r ^eroeflt, ein
prächtiger gweiräbriger 2öagen ift
■^ßX v>-C angefpannt, er fließt aber mepr
)^_3) einem itriegswogen als einem ein»
** facpen Steifemagen; ungebulbig
fc^arren bie feurigen Stoppen unb Jnirfcpen in
baS filberne ©ebiß; fnum tarnt ber hinten im
2Bagen ftebenbe fEßagenlenfer bie ungebulbigen
SJferbe palten. StingSum ftepen Wiener unb 33e=
waffnete, tpeilS an ipre '-ßferbe gelepnt, tpeilS
fcpon auf benfelben. ©ie fcpeineit nur ipreS
fterrn gu warten, um abgureiten.
„SBopin gept bie Steife, StojfelenJcr ?" ruft
einer ber ^Bewaffneten.
„Stacp ©prien," ift bie Antwort.
„2BnS bat benn bein fterr bort gu fdpaffen ?
3cp glaube, eS gebt ber neuen ©eite, bie fiep in
ffeaniaSfuS gang befonberS breit maept, in ber
näcpften 3eit fepledpt."
„2Barum finb fie auep niept im ©lauben ihrer
SBäter geblieben ?"
„Sap! ©tauben ber Sitter!" ift bie Slntmort
beS StoffelenterS. „3fcp bin gmar Don ftaufe aus
auep 3fube, aber bei uns in ©riecpenlanb briiben
lernt man weitpergiger beitfen. Ob ^epoua ober
3enS ober Jupiter, bleibt fi(p am ©nbe gleich,
wenn man nur fepön unb angenepm leben tann.
— Stupig, ©aftor!" rief er bann einem fcplanfen
ftunbe gii, ber nngebulbig an ben Serben pin«
auffprang, „mitterft bu SBeute? balb giebt’S
eine luftige 3fagb." 6t tnaDte fröplicp mit ber
langen Seitfcpe am Jürgen Stiel, als ging’S
mirfliep einer 3agb entgegen unb niept gu einer
fteße auf untepulbige unb fromme Stagarener.
Sepen wir uns nun im tßalaft beS ftope«
priefterS felbft um. $erfelbe ift noep JfaippaS,
benn eS finb erft wenig 3apre feit ©prifti 2ob
Dergaitgen. @r trägt einen langen weißen Sart,
pat tiefe gurepen im ©efiept unb oerfepmißte
graue Singen. Sor ipm fiept eine jugenblicpe
©eftalt, mittelgroß; Jraufe fcpwarge ftnare be=
beeten fein ftaupt; über bnntlen feurigen Slugen
wölbt fiep eine fiipne tömifdpe ©time, Safe unb
Staub geigen jübifepen 2ppuS; er ift fepr ein«
faep gefieibet.
„3tp lobe beinen ©ifer, mein ©opn," fagte
ber ftopepriefter, „aber treibe eS niept gu Weit."
„'JiaS peißt," fiel ber Slnbere ein, „püte biep,
baß bu niept mit ben ©efepen ber Stömer — ©ott
oemiepte fie! — in 3toiefpnlt fommft. ftabt ipr
übrigens etwa bei ©tefonuS gefeplicp gepanbeit?"
fragte er bann pöpitifep.
©in fteepenber, böfer ©lief aus ben Slugen
beS SJaippaS traf ipn. „SöaS wollteft bu fagen,
©aufuS?"
„$>aß ipr bei bem Sagarener gu ©ilatu§ unb
fterobeS gelaufen feib, weil ipr felbft fo Diel 21er«
ftanb unb ©ewijfen hattet, baß ipr naep eurem
©efep ipn niept riepten lonntet; Don ©tefanuS
aber fagt man —"
„2BaS fagt man ?"
,,©r pabe bem berfammelten ©pnebrium bie
SSaprpeit gefagt, unb fei als Opfer gemeiner
Stacpe gefallen."
„Söer fagt baS?" fupr ber ftopepriefter auf.
©auluS antwortete niipt, fonbern fupr fort:
,,©S ift wapr, icp patte SBoplgefallen an bem
2obe beS ©tefanuS — möge jeber fo enbigen,
ber ben fterrn ber fteerfepaaren Derläßt unb
einen ©etreugigten an betet! Slber bie 91 rt, wie
ipr ipn gum 2obe feplepptet, rafenb, fcpnaubenb
unb gäpnetnirfepenb ipn umfreifenb, er felbft
rupig, ein Snmm unter SBölfen —"
©auluS bra^ ab. Sadp einer Soufc fupr er
fort: „Simmer will mir jener Slbenb aus bem
©ebädptniß. 3,cp ftanb braußeii unb fap, wie
bie ©onne hinter bem Stempel pittabging, Triebe
unb 9tupe in ber gangen Satur — ba auf ein«
mal tarnet ipr, warft eure Cberfleiber üor meine
ffiiße, unb icp fap, wie ein 93erä<pter unfereS
©otteS enbigte. Unb ba pabe icp ben ©ntfepluß
gefaßt, folcpe ©ott wohlgefälligen SSerfe fünftig
felbft gu tpun unb für bie ©pre beS 4)errn ber
^eerfepaaren gu eifern. Unb boep, wenn icp baran
bente, Wie er niebertniete, bie fünften Singen
gen Fimmel pob unb betete: &err bepalte ipnen
biefe ©ünbe niept! als fäpe er broben ben ©e=
Ireugigten in pimmlifeper SJiajcffät — ,'öope«
priefter, wenn an ber neuen ©ette boep etwas
SSapreS wäre ?"
„3mmer bon bem einen gum anbern," ipvaep
.IJaippaS Dor fiep pin. „2)er unermiiblicpfte Ser»
folget ber Stagarener unb bariiber griibelnb, ob
fie niept bie UBaprpeit fagen!" Saut fagte er
bann: „3ep glaubte, bu wofleft naep TamaStuS."
„greiliep ja," fiel ©auluS ein, fiep mit ber
ftanb über bie ©time faprenb, als ob er fiep
befänne. „@ieb mir bie ©riefe!"
ÄaippaS gab ipm biefelbeit. ©S waren Soll«
machten Dom ©pnebrium unb ©mpfeplungS«
fdpreiben an ben ©tpnarepen (©tattpalter) Don
®nmaSfuS.
„Sebe wopl, balb bin icp mieber mit reieper
Sente ba."
ffaippaS fap ipm naep, trat bann ans ^en=
fter, fap, wie eaulnS fiep in ben SBageit fdiwang,
unb fort raffelte ber SBagen, bie Steiter folgten.
Digitized by v^ooQie
342
9t» Buben ®odjtet.
„Gin gemaltiger (Seift!" fprad) er Dar fiep bin.
„Gr flebt entroeber an feinem oergebrenbett Gifer
»u ©runbe, ober i(b febe ibn eines äageS als
Slnbänger ber neuen ©ette."
GS jinb einige Stage feit bem Grgäblten ber»
gangen. einem Keinen 3'mmer, baS fi(b in
einem Sturme ber Stabtmauer bon 2)amaSfuS
befiubet, finben mir um bie SJtittagSgeit gmei
Sierfonen. $)ie eine ift ber alte Stuben ben 3f<b=
mael, bor ibtn fißt feine junge Sto^ter unb lieft
ibm aus ber Stolle bor, bie fie auf ihrem ©<hoße
auSgebreitet bat.
„2ieS etroaS anbercS, ©arab, einen 3tad)e=
pfalin ober etmaS bergleicben."
„SBarum bas, SSater ?"
„©eit mann fragt meine Tochter nad) ©riin»
ben ?"
©eborfam nahm ©arab eine anbere StoKe
unb begann gu lefen. GS mar ber 83. SMalm.
SlnfangS rnertte Stuben nur menig auf, als aber
earab laS: ©ott mache fie roie einen SlMrbel,
wie ©toppein bor bem SBinbe! ba glühten feine
Singen, unb als fie deenbet batte, mieberbolteer:
„3u ©cbanbeit miiffeii fie merben unb umfonu
men! Grteunen milffett fie," fuhr er fort unb
faltete bie Haube mie jutn ©ebet, „baff bu, $ett,
ber fjödjfte bift in ber Söelt!"
„Sfon mein rebeft bu?" fragte ©arob, bie
ihren Slater noch feiten in fo(d)er Grregung ge»
feben batte, bermttnbert.
freilich mar el ihr auch nicht unermartet, als
er antmortete: „Sion mern anberS, als bon ber
neuen öefte! ©ie taften bie Gljre unfereS ©ot=
teS an —"
„SÖomit, Sinter ?" fragte ©arob-
„2>amit, baß fie fageit, ein ©ott, ber ©obn
eines ©otteS fei berabgetommen."
„Unb meitn bem fo märe ?"
Stuben marf ihr einen burctibobrenben SÖIirf
u unb fuhr fort: „©ie fagen, er fei ber 2)tcf=
iaS gemefen — baba! unb bat am fireuge ge»
enbet, unb nach mie bor fchreitet ber Stömer
eherner gfitfe über baS heilige Snitb unb römifetje
üittoren binben Stutben für baS Soll ©otteS!"
„Slber," marf ©arab ein, „untere Ißropbcten
berfiinben ja einen SJteffiaS, ber biel leiben muß
Mb —"
„Stichts, nichts bon aKebem! Grmirbfommen
ein .<?rieger unb £>elb bon SJtitternacbt, ber l)3ur=
pur ummallt feine Schultern, bie ffrone leuchtet
auf feinem Haupt, baS ©dimert blitet in feinen
Hauben, unb er roirb bie ffeinbe fcblagen, unb
mir merben mit eifernem ©cepter bie Reiben
regieren, mir mit nnferem SJteffiaS in ber be=
freiten ©tabt ©otteS."
Stuben batte mit Segeifterung gefproeben unb
©arab ihm ergriffen jugebört. 3 e ßt fuhr er
im alten Stone fort. „Unb mie ber falfdje fDtef»
fiaS ans ßreuj geßhlagen mürbe, fo merben nun
feine Slnbänger auSgerottet, alle mit einanber,
auf baß im Slolfe ^Srael fein Slbgöttißher er»
funben merbe. Slucb in unferer ©tabt haben fie
fi<b eingebrängt unb breiten fief) unter Rührung
beS fmnanja immer mehr auS: unb mübrenb
fich ©re ©etbäufer füllen, leeren (ich unfre ©pna»
gogen. Slber," — fein Ston fanf gutn glüftern
herab, — „ich habe Stachridft, baß ein junger
Giferer mit Siameit ©auluS auSgebebnte S3oK«
macht bat, bie ©emeinbe gu gerftören. Ha, mie
merben fte auffdjreden, menn er in ihre Käufer
bringt, fie bei ihren SSerfaimnlungen überrafebt
unb fie gebunben nach Serufalem führt* 3reue
bid), ©arab, mir triumpbiren!"
©arab batte erfebreeft bie Sttittbeilungen ihres
SBaterS bernommen, bie Slngft malte fWß auf
ihrem ©efiebt beutlid), unb StubenS Singe ficht
berfinfterte fich-
„SBarum freut fich meineÜodjter nicht? Haft
bu etma auch Hinneigung gu jenen ©cbmär.
mern ?"
©arab fdjmieg, Stuben aber fuhr fort: „®ir
habe ich eine befonbere StoKe gugetbeilt; bu fennjt
bie meiften Häufet, in melden Gbrifteit finb,
fchreibe mir fie auf, bamit—"
„Stimmermebr, SSater!" unterbrach ihn @a*
rab. ,,©oK ich meine ©laubenSgenoffen ber»
ratben ?"
„Sllfo hoch!" fnirfdjte Stuben. „2)aS Glenb
ift auch über mein HauS gefommen. Sprich,
fearab, gebörft bu gu ber ©efteber Stagarener?"
Gr batte fie mit eifernem ©riff am Slrme gefaßt
unb emporgeriffen.
©arab antmortete mit fefter ©timme: „3a."
$a fdjlenberte er fie guriief. „SJtein ffluch —"
„Stießt, Sinter, um beS Himmels miKcn nicht!"
bat ©arab flehentlich.
Stuben batte fich mieber gefaßt unb fanf auf
ben 2)iban nieber. Gr fiiißte ben ffopf in bie
Hanbe nnb feufgte: „D baß ich baS erlebte, baß
über meine grauen Haare biefe ©cßanbe fommen
muß —"
„Schaube, Slater?" fagte ©arab.
„3a, ©djanbe. O baß ich märe in bie ©ruhe
gefahren, ehe ich biefe bittere Grfabrung machen
mußte. Slber," fuhr er fort, ftanb mieber auf
unb trat auf feine Stodjter gu, „ich bin bein
SSater, ich habe bie ©eroalt übet bidj, ich befehle
bir gu Iaffen bon biefer Stotte."
„SBie fann ich ?"
„®u mußt unb — fo maßr ber Herr lebt, fo»
gleich febmöre beinen falfdjen ÜDieffinS ab unb
fluche mit mir breimal bem 3«f» bon Stagaretb!
3efu bon Stogaretb, ber fiügenpropbet —"
©arab mar auf ibn gugefprungen unb faßte
feine erhobene St echte. „SSater!" rief fie bebenb,
Digitized by v^ooQie
Pes Buben Sadjtrc.
343
„bringe bie Säfterung ntc^t über bie Sippen, icß
werbe fie nie iiadjipreipen. in ff biefe ©ruft mit
bem 2)olcpe, bu paft bie ©tadjt über tnicß, aber
nimmermehr berleugne ich meinen fterrn, beti
Sopn beS £>ocßge(obten."
Stuben faß fie einen Augenblief ftarr an.
„JoS in meinem &aufe! jjort, ungeratßene
^irne, in welcher tein Jropfen fließt Don beiner
©fiter ©lut, fleh« bin ju beinen ©laubenSgenof»
fen, bie bir mehr finb als bein alter ©ater, unb
nimm beffen ly lncß mit. 3?ort, Schlange!" Gr
fcpleuberte fie weit Don fiep.
„©ater, Erbarmen!" fiepte fie.
„ftort, hinauf! Unb toie bu beinen ©ott Der=
leuflnet paft, fo Derleuflne er biep; beiite ©ebeine
follen Derborren, bein ©lut Dertroefnen in beinen
Aberit!"
Gr fah fiep um; bie Jßilre hotte fiep hinter
feiner Jocpter flefcploffen; er roar allein.
S>araß eilte in bie Stabt hinein, juetjl ju
S ananja, um ipm bie ftuube ju bringen, baß
aul fomme, um bie ©eineinbe ju jerftören.
#ananja, ein treuer jünger beS $errn, aber
etroaS fureßtfamen ©euüitßs, erfeßraf unb be=
feßloß fogleicß, bie AbenbDerfantmlung niept ju
palten unb erft objumarten, was bie Jage brin»
gen werben. Sarah patte fein |>auS wieber oer»
ioffen unb ftanb auf ber Straße, ungewiß, wohin
fie fiep wcuDeu follte. $a fiel ipr ein ©laubenS»
bruber ein, jugleicp ein entfernter ©erwanbter,
mit Slawen jiuba, ber in einer fepönen Straße, |
übetbieS uiept ju weit Don iprem Däterlicpen j
£>nufe, eine große ©Jopnung inne patte. Sie
burepfepritt bie Altftabt mit iprcit engen, wint»
ligten ©affen, bis fie an eine fepöne, gerabe
Straße tarn, bie jum fiiblicpen 2por ber Stabt
führte, fjier trat fie ein unb würbe nach Gr» j
jäplung iprer Umftänbe liebreich aufgenommen.
$>ie ftinber beS Kaufes fummelten fiep um fie,
unb halb patte fie unter bem .Rinberpäufleiu,
bem fie Don bem großen ffinberfreunbe erjäplte,
wenigftenS für Augenblide, ihres SepmerjeS Der»
geffen.
Unterbeffen ftanb Stuben an bem ftenfter
feines fjaufeS, gen 3ierufalem gewenbet, unb fap
hinaus in bie parabiefifepe Gbene, bie mit ipren
Sßeinftöcfen unb Celbäumen frieblicp in ber
©tittagSfoune balag. ©lößließ fap er ©Jaffen
büßen, fap einen ©Jagen unb Steiler, unb er»
faunte, als ber 3ug iiäper Jam, nun auch ben
©tonn im ©Jogen; berfelbe foß finnenb auf bem
©orberfiß unb bliefte ju ben ©lauern ber Stabt
auf, über beren unfcpulbige Ginwopner er 3eiten
beS «cprecfenS bringen wollte.
Stuben triumppirte. „®a tommt er," fpraep
er, „fcpön gerüftet, beS £>errn Gpre ju Wahren.
Seßoba inacpe feinen Arm ftart unb feine Qfüße
feßnell, bie 'Abtrünnigen ju fangeu!"
®ocß was war baS ? JaS war niept beS ©tit«
tags £eüe. Sinb plbßlicp am Fimmel jmei
Sonnen ? Stuben feploß geblenbet einen Augen»
blief baS Auge. AIS er eS wieber öffnete, fap er,
wie brunten fidß bie ©ferbe poep aufbäumten,
wie ber ©tann im ©Jagen naep ben 3iige(n flriff,
bie bem Stoffelenfer entfaüeu waren, aber Der»
geblicp; itocp ein StucJ, unb ber ©Jagen lag um»
geftiirjt am ©oben unb fein ^nfaffe tniete im
I Staube. Gr fap, wie feine Wiener juerft erftarrt
ftifle hielten, bann aber, als ber Sicptglanj Der»
ging, auf ipren £>errn jueilten, erfeßroden unb
jitternb.
Stuben wanbte fiep ab. „Unglitd auf Ungliief
am heutigen Jag," jammerte er unb fanf er»
fepöpft nieber. —
„Siep einmal, men fie bort bie Straße her¬
auf führen," fagte bie tleine ©tirjam in 3»bn’3
fpaufe ju Sarap. „ Jer arme ©tann, wie niüp»
fam er geht!"
Sarap fap pin. $ie Jruppe mar por Suba’S
£aufe angelangt, SauluS hielt fiep miipfam
aufrecht; fie patten ipn in bie Stabt geführt,
beim ba fein ©Jagen jerbroepen war, tonnte er
niept gefahren werben.
„©Jopin befieplft bu, £>err ?" fragte ein
Wiener.
„3<P fepe ja niept«," war bie Antwort. „3n
bas näcpfte befte £>auS, icp bin tobtmiibe."
Jie Scpaar fcßmenlte in 3uba’S £)nu3 ein.
Sarap ftanb unter ber Jpiire.
„©Jen bringt ipr?"
„Uitfer «fterr pat Ungliic! gepabt, er ift mit
bem ©Jagen geftiirjt unb muß fiep bie Augen
oerleßt pnben. Stepint ipn für iurje 3sit ouf.
Gr ift auep ein $ube."
„Unb wie peißt er ?" fragte Sarap.
„Saulus," war bie Antwort.
Sarap faltete bie £)äitbe. „©ott ift gerecht,"
fagte fie leife. „friiprt ipn perein!" —
Gütige Jage finb oergangen. Aus bem ©er¬
folget ift ein begeifterter ©erfiinbiger feines
StameuS geworben. ©Jie? brauchen mir niept
ju erjäplen. ©on Saun ©linbpeit unb Teilung
burep ftananja weiß ja jebeS Äiub. ©iS jeßt pat
er baS GDangelium nur im engfteit ,<treife, im
.fjaufe 3uba’S Devtiiubet, unb Sarap ift aufmert»
fam ju feinen fräßen gefeffen. Unter ben feurigen
©Jorten beS belehrten S.VanucS Dcrgaß fie ben
Scpmerj, einen ©ater oerloreu ja haben. Stuben
j wollte nichts mepr Don feiner joeßter pören, fie
mar für ipn niept mepr, unb Sarap trug es ftifl
um Gprifti willen, 3n JamasfuS war bie ©e»
feprung beS Saulus notp niept befannt, nur
buntle ©eriießte gingen um, welcpe bie gilben
immer noch mit Hoffnung, bie Gpriften mit
Scßredeit erfüllten.
Digitized by v^ooQie
344
J)m Subrn ®od)ter.
Stun aber wollte Saulus fi<h ber ©emeinbe
geigen.
Schon war bie fl an ge ©emeinbe beifammeit,
als er eiutrat unb Don fjauanja als SauluS
begrüfet würbe. Stun entftanb Unruhe in ber
©erfammlung, man (glaubte feinen Singen
!aum, ben tjicr gu (eben, Don Welchem man baS
©djUnunfte befürchtet batte; manche trauten
auch nicht recht unb oermutbeten eine Sift, unb
Wieber anbere, bie noch fchmacb im ©tauben
waren, Juchten fich babon gu machen, um nicht
Don ihm erfannt gu werben.
Saulus aber liefe baS bunfle grofee Stuge
über bie ©erfammlung fchmeifen unb als er
nun begann; „3fb* ©tänner, lieben ©rüber!"
Jnnb eine Siebe hielt, marfig unb ternig, guerft
langfam unb bebächtig, bann immer fchlagenber
unb treffenber, immer feuriger im SluSbrud,
mechfcluber in ber Siebe, nur ben einen ©unft
feftfealtenb, bie ©röfee beS Sohnes ©otteS unb
feine Unmürbigteit,- unb enblich fdjlofe: ,,©iir ift
©armbergigfeit miberfatjren; ©ott bent ewigen
Könige, beut UuDergÖnglidjen unb UnfiCfetbaren
unb allein ©kifeit fei ©bre unb ©reis in ©wig=
feit! Simen!" — ba bemächtigte fidj eine grofee
Stüferung unb ©ewegung ber ©erfammlung.
SlUeS ©i'ifetraiten mar gefcbmuitbeit, man fuchte
feine fmnb gu brüefen, eingelne Süeiber lüfeten
fogar fein ,<tleib, unb nur eine Stimmung
befreite bie ©erfammlung : ber Danf gegen
©ott, ber aus einem ©erfolget unb fiäfterer ein
folcheS Stüftgeug gemacht hotte.
©lieber ift eine Steilje Don Sagen Dergangen;
©auluS prebigt nicht nur ben ß^rificit, fonbern
auCh ben gilben. ©S ift Slbenb; bie Sonne
hat eben ben lefeten Strahl in baS fünfter beS
Rauschens geworfen, in welchem nun im Dun«
fei Stuben fitet, ben ®opf auf bie fjaub geftiipt
unb Dor fich bin mnnnelnb: „Unerträglich! ©r
befiegt uns alle mit ber ©Jacht feiner Stebe, fein
©iuitb inufe üerftummen!" Dann lachte er furg
auf: „Den Segen beS .frobcpriefterS hoben mir
ja gu unfrem ©Jcrfe!" Unb er Dertieftc, fiefe in
ben Inhalt eines ©riefeS, ber Dor ihm lag.
Stad) einer ©eile fuhr er, wie mit fich felbft
rebenb, fort: „3[fl, ja, baS ift ein Statb, wie ihn
nur $aipljaS geben fonnte, nieberträchtig, bin»
terliftig unb gemein! föätte ihn fehen mögen,
als er bie Stacbricbt erhielt, bafe fein eifrigfteS
©lerfgeug gu ber neuen Sette hinüber gegangen
ift. ©tufe ihm freilich unangenehm fein, biefer
Saulus, beffen ©eifteStiefe unb feurige ©ereb«
famteit er fennt. Sinn, eS gefchelje, was gefebe«
heu feil, nicht bem &obepriefter, fonbern ©ott
jur ©bre!"
©ährenb befe flopfte eS an feiner Sbüre;
nach unb nach fonben fiefe anbere fanatifefee 3u«
ben ein, unb halb war baS fleitie 3immer Doll.
Stuben begann: „3b* mifet wohl, warum ich
euch entboten höbe, — wegen beS neuen Siaga«
renerS. Stiefel genug, bafe er bur<h feine ©er»
fünbiguitg beS ©etreugigten immer mehr ©in«
fältige Don bem ©lauben ihrer ©äter abtrünnig
macht, nein, er bringt in itnfere Spnagoge eiii
unb beweift uns, ben Schriftfunbigem bafe alle
bie ©erbeifeungen Don ©Jofe bis guni lefeteu ber
©ropfeeten auf feinen SJagarener, genannt ^eftiS
©feriftuS, gehen. Unb wenn wir ehrlich fein
Wollen, fo mitffen mir gefteben, bafe mir ihm
nicht gu miberfteben Dermocfeten. Selbft bu,
Stabbi" — er manbte fich *u einem finfter brein«
bliefenben Sllten — „felbft bu inufeteft Derftnm«
men; er gwanp uns, bie £ogif feiner Schlüffe
anguertennen; wir fonnten ber ehernen fiette
feiner Folgerungen nicht otiSmeiChen. ©ebt
acht, Iafet ihn boDenbS erftarfen, unb er macht
ben ©rbtreis ber neuen £efere unterthan, unb
bem ©ebäube, welches ber Siigenpropfeet aus
Stagaretfe errichtet bat, — ©oit ftiirge eS gu«
fammen! — wirb er bie Sliifeen, ben ©nuib
unb ben SluSbau geben. SJuu frage id) euch:
2ßaS foll bem gefd;efeen, welcher feinen ©ott
berleugnet hot, ber unfer ©efefe gu Schauben
macht Dor ben Reiben, ber falfdie SJteffiaSDer«
fiinbiflungen unter fein ©olf bringt?"
©in bumpfeS ©emurmel erhob fich. ©nblich
rief ber Stabbi: „Seine Seele foü auegerottet
werben aus bem ©ölte!"
,,©r fterbe!" fielen bie Slnbern ein.
Stuben fuhr fort: „6r foll fterben, aber wie?
©Sollen wir ihn beim Statthalter Devtlagcn,
bafe biefer ihm ben ©rogefe mad)t —"
„Stein," fiel ber Stabbi ein; „bie Statthalter
finb weiCbmiithig unb furChtfom; bentt an ©i=
latuS, welchen feines ©leibeS Drau in beinahe
auberer ©efiunuitg gemalt hätte."
„|>ört, was JfaipfeaS uns räth," nahm Stu«
ben wieber bäs ©lort, unb laS ihnen beS £)ofee=
priefterS ©rief Dor.
„Unb nun," fchlofe ber Stabbi, „hätte alfo
FoIgenbcS gu gefefeehen: ©3ir fefewärgen ben
Saulus beim Statthalter an, reben Don Sluf«
ftänben, Don Staatsgefäferlicbfeit unb berglei«
efeen, bitten ihn, er möge bie Shore burCh feine
Solbaten bewachen lafjeit, wir felbft bürfen’S ja
nicht; unb wiffen Wir einmal fiefeer, bafe er un§
nidjt aus ber Stabt entfonnnt, bann — bah, c§
ift fefeon ©JanCher ftumm geworben, ber lange
laut gerebet hot. Du, Stuben, aber forge, bafe
er nicht burd) bein gfenfter entrinnt, bas ift eine
gefährliche SluSgangSpforte!"
„.fiat Saulus einmal biefeS 3>mmer betre«
ten," rief Stuben betheuernb, „©ott thue mir
bies unb baS, wenn er bie 3büre lebeitb Der«
läßt!"
— tized — —
Pt» 3ufeen fEodjter.
345
„Unb nun," nahm bet SRabbi wieber bas
2Bort, bet plöjjlidj bet Seiter ber 93erfchwörung
geworben mar, „mer fod iljn treffen?"
Kdgemeine Stille folgte; fo groß ihr £afe
toar, eS wollte borf) feiner frifdjioeg ein Diörber
werben.
,,'Jtun, laßt unä lofen! Klifelingt ber Stofe
beS ©rften, fo trifft ber beS 3 roe *l en ; einmal
mnfe er bod) treffen!"
Tie Soofe mürben in eine Schale gelegt unb
biefelbe gefdpittelt; baS erfte, welches herausfiel,
jeigte ben '.Warnen Stuben, baS »weite ben bes
Kcibbt.
„Sie Stritte beim Gtfjnardjen werbe id)
tfeun," fagte ber SRabbi. „$er fjerr mache
beinen &ol<h fdjarf, Stuben! Seb wohl!"
2)ie Serfommlung trennte fid); Stuben blieb
allein priicf. Sluf bie ßlittge bes ®olcbeS, ben
er prüfenb burcfe bie Finger gleiten liefe, fielen
bie Strahlen beS aufgefeenben KtonbeS.
2Bie fie oerabrebet hatten, fo gefdjah eS; ber
Statthalter liefe fich leicht bewegen, bie Sthore
genauer überwachen p laffen, um einen gewif-
|en Saulus p oerhinbern, fid> batwn p ma¬
chen. @r tfeat es theilS aus ©efädigteit, theilS
aus Furcht oor ben allezeit ju Slufftänben ge¬
neigten 3 üben.
SaulnS unb bie ßhriften ahnten bon ade
beut nichts; er prebigte nach toi« bor in ben
Schulen frei unb öffentlich-
Sarah hotte oergeblidje Serfudje gemacht,
fid) ihrem Sßater wieber p nähern; bie einjige
Siebingung, unter welcher er fie wieber aufneh¬
men woflte, war, bafe fie pm alten ©lauben
juriieftehre. Stun liefe er ihr plöfelidj fagen,
er fei bereit, fie wieber p fehen, unb fie bitten,
ben SJtann mitpbringen, ber fo Siele belehre,
oiedeicht lönne er auch ihm Sicht geben. 3u-
gleich bejeidpete er 2ag unb — feltfamermeife
fpäte Stachtftunbe.
frod) auf jubelte Sarah; bon ber Ucberpu-
guitgSfraft beS Saulus hoffte fie ödes, frei¬
lich hotte fie^eS noch lieber gefehett, wenn ihr
93ater ben Saulus am tjeden 5£age angenom¬
men hätte. Stber mar benn nicht auch Kito-
bemnS bei Stacht ju 3 e fu§ gefommen unb
nachher öo<h einer feiner freiften Setenner ge¬
worben?
Saulus gab gern ben Sitten ber Sarah
nach; in fieberhafter Aufregung erwartete Sa¬
rah bie Stacht. Saulus war ausgegangen, um
in ber Serfammlung p fprecheti. @r tonnte
jeben Slugenblicf fommen, unb bann — baS
fteq fchlug ihr höher, wenn fie bachte, bafe fie
fte ihren innig geliebten Sater halb als Fitnger
fehen werbe.
Sie Stunbe nahte. Sa tarn ein Sote oon
Saulus unb melbete, bafe er an biefem Slbenbe
üerhinbert fei, fie möge ihren Sefuch auffchieben.
Slber baS war ihrem ÄinbeStjerpn nicht mög¬
lich; fie machte fid> auf, um allein, nur oon
einem Siener begleitet, p ihrem Sater p gehen.
3n nicht geringerer Stufregung als Sarah
War ihr Sinter.
„Unb es ift bodj SWeud)elmorb!" fproch eine
Stimme in ihm, „feiger, binterliftiaer SJtorb!"
Umfonft rief er fiefe bie Sfeot einer iyoel, einer
Subith ins ©ebädhtnife, umfonft rebete er fid)
ein, bafe es nur pr @h« feines ©ottes gcfchehe.
Söar nicht auch &afe, einfad) meufchlicher £>nfe
mit im Spiele? war eS nicht gefränfte Statio-
naleitelleit? hotte er nicht fein |>erj ber belferen
©iuficht berfchloffen, ber Stimme fein ©ebör
gegeben, bie fogte: SaulnS hot Stecht, ber ©eift
©ottes rebet aus ihm? Unb bod), eS nuifete fein,
er hotte fein Slerfprechen gegeben unb fogar
gefchworen, bafe Saulus feine Spüre nicht le*
benb oerlafjen fode. Unb bann rebete er fi<h
ein, eS fei ein ©ott wohlgefälliges SBerf, unb
fteigerte fich fo admählig wieber in ben alten
Fanatismus hinein; unb bie Stimme bes ©e-
wiffenS oerhallte uugehört.
^umpf briitenb fafe er nun ba, ben Tolrf) in
ber ■i'ianb. Sie Sampe rüdte er Oon iich weg,
baS Sicht thflt ihm Weh, « ftctlte einen Fächer
baoor, es war bunfel im 3'ntmer, feine Sochter
füllte bie Sltorbthat nicht mit anfehon.
$)a horch! eS tarnen Schritte bie Sreppe her¬
auf; trampfhaft oorgebeugt laufchte er, er hörte
bie Stimme feines fiinbeS, pm erftenmal wie¬
ber nach langer 3«it; ff in £>erj pg fich in-
fammen unb mit bem Stuf: ,,3d) tarnt nicht!"
fcfeleuberte er ben Sold) Oon fich, unglüctlicber-
weife gerabe in ber Stiftung ber 2 hure.
Siefe hotte fich im felben Slugenblide geöff¬
net, unb ber fehneibigfehorfe Sold) ftat in ber
Schulter feiner eigenen Socpter.
Ser Stuf ber ®egrüfeung erftarb ihr ouf ben
Sippen; mit bem Schrei: „Unt ©ott, 9?atcr,
was haft bu gethan ?" brach fi f pfammen.
Ser Wiener, Welcher fte begleitet hotte, entfloh-
Kuben ftanb ftarr Oor Sdjretfen, als er
fein ftinb, fchwer getroffen, bor fich liegen faf).
SBie irr beugte er fich über fie: „Stehe ouf,
Sarah, warum liegft bu fo bleid)? • 2Bidft bu
beinen alten 31ater nicht begrüfeen?"
21IS fich ober nichts regte, ba tarn ihm plötz¬
lich feine Sage pm Sewufetfeiu; er fprang ouf,
jerrife feine ftleiöer unb heulte in bie Kocht
hinaus: „DJtörber!" gräfelicbe Slerwünfchungen
auf fid) felbft, bie Fubett unb bie Knprctter
ausftofeenb. Sa hört er ben fdbmocben Knf:
„fetter!" unb bie Stimme feiner Joditcr bringt
ihn wieber p fid) felbft. ©r hob fie fanft auf,
legte fie auf baS Sett, unb war mit .{tiffe einer
herbeigerufenen alten Wienerin befchäftigt, bie
Digitized by v^ooQie
346
ßtt Silben ®od)trr.
Stiuitbe gu öerbinben. Salb fanf Sn ruf) in
einen unrufjiaen Schlaf, an ifcrem Sette aber
faß bie (gange 'Jfotfjt tjinburd» ber alte Staun unb
betete um ifjr l'ebcii.
* *
*
©S mar gegen Worten, als ©arah aus ihrem
©chlummer emporfuhr. 3hre Sfugeit ftarr auf
ihren Haler gerichtet, fragte fie: „Haler, für
men hatteft bu ben $olch in Hereitfchaft?"
„Jyrage nicpt, mein ffinb, fcplafe ruhig weiter."
„Slutioorte mir, Später]" bat ©arah flehent=
lid). „©alt bcr Stoß mir ?"
„Stein!"
©in mattes Säbeln glitt über ihr ©eficht, als
ob fie erleichtert märe, bap ihr eigener Später
hoch nicht fo rneit gegangen. $ann aber fuhr fie
fort: „2öen mollteft bu treffen, faß’ an?"
„$en Herleuguer unfrei ©ottcS, ben neu*
betehrten Stagarener, euren ©ctuluS."
„Unb brohen ihm noch meitere ©efahren V
„3waugig haben [ich baS SBort gegeben, ihn
gu ermorbeu."
„O ©ott!" ftöhnte ©arah, »unb er ahnt nichts.
Hater, rette ihn!"
„3$ fann nicht felbft wenn i<h Wollte, beim
bie 2höre finb bemalt ©S flieht für ihn fein
Entrinnen."
„Hater, ich befchmöre bich, rette ihn! 0 ©ott,
bu fannft nicht gulajfen, bafc biefeS Stiiftgeug
fterbe!" Ermattet fanf fie gurücf.-
®ie Söuube mar nicht lebensgefährlich; aber
bie Slufreguug gufamnien mit ber SBunbe marfeit
Ssarah in eine Ä rauf heit, bereu SlnSgancj fehr
gweffelljaft mar. ©ineS Slbenbs machte «arah
aus ihren Sieberträumen etwas auf, fab wie
ihr Später auf ben ftnieen lafl, unb horte fein
©elübbe, wenn ©ott ihm fein Siinb laffe, ein
Sünger gu werben.
„Hater," rief fie, „ich hübe bein ©elübbe ge=
hört; aber nicht um einen HreiS, ben bu beinern
©otte oorfchreibft flieht er bir ©rleuchtnng ins
4)erg unb führt bid) ben rechten 2Beg; bebiiu
guugsloS, gang unb ohne Stiirfbalt mufet bu bich
feinem ©ohne in bie Sinne werfen. SBiüft bu?"
„Söirb er mich annehmen ?"
„©ewip, wenn bu aufrichtig Willft, unb baf, bu
wiüft, tannft bu geiflen, inbem bu ©aul retteft."
„©aa mir wie? unb ich thue es. Slber es flieht
feinen 2Beg, ihn aus ber ©tabt gu entfernen!"
$och ©arah geigte nach bem Softer: „$)ort
hinaus!"
©inen Slugeublid fchieu Stuben biefen @eban=
feit gu erweiflen, bann aber oerfinfterte fich feine
©tirne unb er rief: „SJtein ©elübbe! ich fann
nicht!"
„SBelcheS ©eliibbe ?"
„3ch habe beim £errn ber £>eerfchaaren ge*
fchmoren, bafe ©auf, wenn er biefeS 3imnter be*
tritt, bie Stfjüre nicht lebenb oerlaffeu fofl."
©arah jammerte. „Unb baS wäre ber eingifle
Stettu nflSwefl flewefen ?"
„©emiB."
Stach einer Söeile faflte fie lächelub: „Hater,
wenn ©auluS nicht bie 2hüre, aber bas fjenfier
lebenb derliefee ?"
„Sliub, Stinb, bu beutelft! Slber," fuhr er
fort, wie mit fich felbft rebenb, „foü ein ©eliibbe
gelten, baS ich im 3om unb in ber Herblenbuitg
abflelegt? $ch will nicht mehr ber alte fein; im
neuen Sehen gelten neue ©efepe. 3ch habe noch
nie ein ©elübbe flebrochen, ©ott wirb mir biefeS
erlaffen. £eb wohl, ©arah, ich eile, ihn gu ret=
ten." —
_ ©chon bänimerte ber SJlorgett, ba betrat
©auluS, bon Stuben geführt, baS 3immer an
ber SJtauer. Stuben hatte alles in Hereitfchaft
gefept. drunten harrte ein Hferb, ©aulus felbft
füllte in einem ftorb pinabgelaffeu werben.
Vorher aber ging er auf^Hitteu bes Katers an
©at*al)S Hett, legte ber ©cplafeiibeu bie £)änbe
auf bie ©tirne unb betete lauge, lange.
Slls ber SJtorgen bellev würbe, fprengte burch
bie ©bene ein Steiler unb oerfchmanb halb ben
Hlicfeu StubenS, ber am Stifter ihm iiachlah.
Irinnen im 3iuimer aber rief ©arah feinen
Stamen. ©r trat gu ihr. ©ie tagte: „Hater, mir
ift fo leicht, baS Sieber ift gemieden; mir roar’S
im bräunt, als ob ber |)eilaitb gu mir träte unb
mid) heilte."
„0er £)eilanb nicht, aber fein treufter Wiener!"
rief Stuben jubelnb. „2Ber fo gu feinem SJteifler
beten fann, wie ©auluS, ber bient feinem He*
triiger, fonberu einem ©otte. ©arah, mein
Sfinb, ergähle mir bon bem ©efreugigten, bafe
ich glaube unb felig werbe!"
Digitized by c^ooQie
Digitized by
Google
Pit ©rganifation bet Pifdj. fHrtl). I&irdje. 347
Pie ^rgunifntion btt Pifd). |Kett|. Birdie.
föittor.
III. glie <£Ijr iftta 0 o=oitfercn? in iJaltimore 1784.
Jg| ie Porbereitenben ©dritte jur Organifntion in Gottesfurcht erlogen unb blieb cor ben Saftern
ber Äirdje maren gefebeben, Mnb es galt ber 3ugenb bemabrt. 3n einer einfachen ©djpile
nun, berfelben eine beftimmie ©eftalt, eine lernte er, was ju lernen mar, tarn in feinem
ausgeprägte firdjlicbe Uferfaffnng jn geben. 13. ^aljre pi einem fjanbmerfer in bie Sebre,
3roei Ülänner batte fid) ©ott ju biefem 3roede j mürbe bnrd) bie Dieben eines frommen s JJletbo=
erfeben — ffranciS DtSburp unb 3)r. SlbomoS biften, ben bie DJlutter in’S fjauS geloben batte,
©ofe. i tief ermeeft unb begann fd)on bamalS baS ©e*
grand« 9l#buvh in jlin^cieit 3aQmi.
©rfterer roarb fdbon oor 1784, nämlicb 1771, betrieben, baS er bis an fein felig ©nbe fort»
nach ^tmerita gefanbt unb maebte bie fd)roereit | fepte.
Klampfe ber Äirdje roäbrenb bes Unabhängig« ©r hörte bie englifcben DJtetbobiften prebigen,
feitsfriegeS bureb unb ift ber einzige euglifdbe, mürbe mit metbobiftifeber Siteratur betanut, be=
Dßvebiger, roelcber bei ben amerifaniftben DJtc« flrebte ficb ernftlicb, baS £)eil in ©beif© *u fin«
tbobiften auSgebalten bat. ben unb faub es enblich, als er in feines SaterS
9tfS 2obn eines ttanbroirtbs in Stafforbfbire, ©cbenue ernftlicb um ©nabe flehte.
©ngiaub, mürbe er oou feiner frommen DJtutter 'i3alb barauf prebigte Dlsburp in einem uon
Bit Wrganifation bet Btfd). Petl). $irdjf.
ben 2öe§Iei)onern gu ©otteSbienften benüfcten
£aufe, morüber jtcb bie Öeute nicht roeniß ber=
umnberten, beim er mar bama(3 tiod) nicht acht*
gehn 3abre alt. 3m eimmbgroangißften 3ahre
trat er in’ö 'Jteifebrebißtaint, inbem er, obroohl
noch fein 9JJitßlieb ber ©onfereng, an bie ©teile
eines abmefenben ^ßrebißer* trat. 9US 26iährißer
3iüißlinß mürbe er gum WiffionSbienft in 9lme=
rifa beftimnit, unb mie ßlücflicf) biefe SBahl ße*
mefen, bieS lebrt bie ©efchichte. 33oü ©laubettS
unb beS heißen ©eifteS, bemühte fitf) 9l§burti
burch unauSßefebten'SfleiB feine ßenntniffe nach
aflen Siichtuußen bin gu Dermebreit. @in llarer
^rebißer, ßeftremger $anbhaber ber firc^lir^en
Orbniniß, tüc^tit^er Wenfchenfenner, unermüb*
lidb tbiitiß, ernft uub ftrcitß mit fidf) felbft unb
$auä, in ÄÄburv feine Sugenb erlebte.
anberen, furchtlos, geifteSgegenroärtig unb mit
ungewöhnlicher UöeiSljeit begabt, mar UlSburp
mie uon ©ott gefdjoffen, ber Äircbe in ber roeft«
lieben Uöilbniß £alt unb ausgeprägte ©e(talt gu
geben.
Sabei imponirte feine ©ejlalt. Uluf bem am
meiften berbreiteten Portrait — baS groeite, baS
mir üon ihm in biefen ^Irtitel einfctjalten — fieljt
er groar einem fefjr triegSmiiben Solbaten gleich,
obwohl er in feinen jüngeren 3abren biet törper.
liebe Ära ft unb ein üolleS, frifcbeS ©efid)t mit
eblen 3iigeu aufroieS.
©tit S')0 Uteifegelb unb guten Äleibern au$«
geftattet, jag ber junge Wann nadj fdjinerjlidjem
ftbfcbieb bon Gltern uub /vreunbeu mit feinem
Steiiegcfäbrten Dtidjarb UBrigbt iiber’S ©teer
unb (anbete am 7. Ottober 1771 in ©b'labelpbia,
mofelbft er boit ben bärtigen 1>tetfjobiften mit
3 übel auf genommen rourbe. 3«bocb niept hier,
fonbern in’Utero ©ort unb Umgegenb füllte UlS=
bnrt) feine UlMrtfamteit beginnen. Ulm 13. Uto.
bentber 1771 hielt er feine erfte ©rebigt in
Utero $orf (fiebe erfteS ©ilb), war aber nicht
barnit gufrieben, feine |)auptroirtfamfeit bloS
auf bie stabte gu befebränteu, roie bie ©rebiger
bor ihm, bornehmlich im Uöinter gu tpun ge«
roobnt waren. „2öir muffen über’S Sanb bin,"
febreibt er, „bas Dteifefbftem bnt in biefen Go*
lonien gur ©eltung gu tomnten, unb ich bin ent.
fcblofien, für bie Sertbeibigung einer fo fegen»,
reichen (Sinrid)tung gu leiben unb gu fterben."
Cljne 3«)eifel bat er ben richtigen Ginblid ge.
habt, benn ber Uteifeplan war für jene Sage
gewiß unumgängliche Utothroenbigteit.
• 3m Spät jahr 1772 rourbe UlSbitrp bon SBeSlep
gu beffen ©f|iftenten ober ©uperintenbeuten ber
ameritanifchen ©tiffionen ernannt, unb über,
nahm fofort unter beS „grofscit ©rünberS" Sei.
tung bie Ulufficbt über bie ©e*
meinben unb bie Serfejjung ber
©rebiger, in Welcher baS ijteife»
fpftem mabrhaftiglicb auSgefübrt
rourbe.
Ser anbere bon ©ott gur ©r«
ganifation ber ©ifd). ©tetfj. flirre
erlorene ©tann ift Sr. ShomaS
Gote.
Gin Äinb reicher Gltern, hatte
er auf beu englifdjen &o<hf<bulen
ftubirt unb ficb ber tird)licben
Saufbahn geroibmet, rourbe aber,
roie fo bicle anbere, bom fpetula.
tibeu Unglauben angeftedt, unb
batte, butcb einfache, roeSlepanifcbe
Saien auf baS £>eil in Gljrifto
bingeroiefen, einen gar ferneren
Äatnpf mit ber 3*®eifelfud^t gu
befteljen. Gr fanb jeboeb al» ar.
mer ©ünber roahrenb be§ ©ebets
eines armen SagelöhnerS Triebe mit ©ott uub
roibmeje ficb halb barauf, alS er Ulnno 1776 mit
SöeSlet) betannt unb ihm ber ©oben in feiner —
ber GpiScopaKirche — gu heiß geworben, mit
feiner gangen Äraft berUluSbreitung beS UJtetho.
biSmuS. ©ott hatte bem alternben SBeSlep gu
rechter 3rit einen UJtitarbeiter erroedt. Qlletfcher,
ber Sljeologe beS ©teifjobiSmuS, war tobt,
SBbitefielb war tobt, ber UlethobiSmuS aber
hatte fid) nach fernen Sänbern berbreitet unb be«
bnrfte gu feinerGrftartung einer träftigenöanb.
SbomaS Gote War biefe £>anb. UBie SBeSlep
unermüblicb reifeitb, hat er ficb bei ben SßeSlep.
anern ben Sitel beS UJtinifterS beS UluSroärtigen
erworben. Gr freugte 18mal ben Oceatt, um in
SBeftitibien, in Ulfrifa unb Ulfien bie ©tiffionS.
ftationen gu befueben unb gu befeftigen. Stuf
bem ©teere ift er als 70jäbriger ©eteran am
j 3. ©toi 1814 geftorben, unb fein ©tab ift ber
1 inbifebe Ocean.
Siefen ©tann fanbte SBeSlep als Super«
intenbeut. als ©ifchof nach ben Ser. Staaten,
Digttrzed by - L€-
Pie Wrganifation ber 8ifd). Pletl). pirdie.
349
um ^ier unter Mithilfe onberer orbinirter $re*
bitger bie Crbination ber ^rebifltamtSs 6anbU
baten gu Derroalten unb bem Siethobtemu» bie
tirc^li^e SBerfaffuitfl gu nerieiben.
9E)a* hiergu non SBe^let) au»flefertiflte ®e=
(ilaubiftuiifls * Schreiben ift batirt: Sriftol, ben
2. September 1784 unb enthält unter «nberm
bie 9tad)rid)t, baß SBecdet) an bemfelbeit ®afle
unb mit .ftilfe anberer orbinirter ^Jrebifler 2()o=
nta* ßofe burch Jjjanbauflegunci unb @ebet guni
Superintenbenten inftallirt ifabt, bamit er an*
bere s $rebißer in ben Ser. Staaten orbinire,
toofelbft manche ©emeinben roeflen 9ti<htoeru)aU
ffirche gu flriiuben, Srcbißer gu orbiniren unb
bie Saframente gu bemalten? 3ft e» beim mit
biefer Orbiuatiou apoftolifd) giifleflaiugen, barf
mau benit im eigentlichen Sinne be» Siiorte» non
einer S\ i r d) e rebeu ?
SüöeShalb beim nicht ?
Syenit e§ mit ber methobiftifdjcn Crbination
nicht» ift, bann ift e» auch nidjts mit ber aitfllU
fanifdjen, lutherifdjen unb reformirten. ®enn
hier toie bort cieben orbinirte ©otte»männer non
einer Kirche au* unb orbiniren anbere gum
Cienft im Steife 6f)rifti. £)ier mie bort treten
bie StuSfletretenen gufammen, um eine Jtircheu*
Slatuuoob $au$, ^Anbetuorty, Stnfforbfijire, Giiglanb. $ier hielt Jlälmru feine afte '^rebiflt.
tung ber ©alramente großen Staben gelitten
batten.
93on biefem gefcbicbtlicb merfnmrbigen $)olu=
ment bat ,fterr 6. ®. SOBabbt) aus Sonbon jebem
URitglieb ber öhitneuifcben ftöletbobiftenconferenz
(1881) einen febr gut auSgefüljrten litl)o=
grapbifdjen 9l6bruct jugefteDt, ben aueb mir im
'-Beiifc [jaben. $a§ $olument ift in ber febönen,
großen .fjaubfebrift ©ofe’S gefebrieben, unb bon
Üöeslep unterzeichnet. 9luf ber nädjften ©eite
finben bie Sefer biefe Urlaube in berfleinertem
fDtaßftab.
3ebod) — bitten benn bie armen, bon ber
Äirdbe getrennten, bon ber englifdjen Regierung
nicht anerlannten, bon ben SBeltmeifen ber=
fpotteten unb bon bem 93oI! beradjteten s Diet()o=
bijten, botte benn biefe ©eite baö SRecbt, eine
gemeinfebaft zu grüuben. hier mie bort fpriait
ihnen bie Sebörbe, bon ber fie fiib getrennt, baS
9ted)t zur Trennung ab unb nennt fie Sutbera«
iter, jteformirte unb Wetbobiften— fiep er.
Unb Ijier mie bort bemeift ficb bie ed)t apoftolifcbe
©ucceffion bureb bicle taufeube mit ©otteS (Seift
getaufter IRänuer, roeldjc ibr 9lmt als bom
herrn empfangen berroalten.
®er fDletbobismuS beanfprudjt auf beftem
©runbe ©leiebbereebtigung mit allen anbern
proteftantifeben Selenntuifjen, unb mer bieS nicht
Zugeben will, mitb — auf feinem fteifbeinernen
©teefenpferbdben fiftenb — auf baS gefcbicbtlicbe
3eugni§ bin brab auSgelacbt.
®ie ©inriebtungen, bie 93ermaltung, ba§
.Qirdicnregiment ber Sßifcb. Wietb. ffirdje mögen
in 93ieler 9lugen burcbauS uiioolltommen unb
Digitized by v^ooQie
350 $ir «rganifation ber £ifd). Petlj. Jirdje.
Digitized by v^ooQie
Pie ©rganifation bet Pifd). Petlj. Pirdje.
351
burdjauä nicpt nniitfcheit&oertp fein. SJlatt mag
ob bent Sifcpof*antt, beit gtoei ©vaben ber Or*
biitation, bem ©rebigermecpfel uitb manchen an«
bent Gingen fluten uitb ben ifopf fcpiitteln.
Slber bie SBetpobiftenfirche Satte ein t>oiltomme=
ite§ 3lecpt, all biefe Slitorbtiutigeit gu treffen unb
fie ift beStoegeit bocS mit aitberett ^roteftanten
gleichberechtigt; gerabe fo toie ba§ fiutpertpum
unb bie reförmirte ilirche ein Stecht gu ihren
@inrict)tmtgen haben, unb habet hoch gum $ro*
teftauti»mu3 gehören.
2)ie 2eprfrageit gehören nicht gur Organi*
falioit, ut:b fei nur Dorübergepeitb benierft, bafe
ba£ ©laubenSbefenntnifr be§ SJlctpobi§mu§, fo
mie es in beit ©laubeneartifeln ber
Sifcp. SJtetp. Äirche StuSbrud fin®
bet, fo intenfit) proteftantifep ift,
bafe fiep auch bie Oerbiffeitfte Streit*
theologie noch nicht boran getoagt
hat, unb in ber Wetpobiftenfircpe
feibft nie SBiberfpntcp bariiber ent*
ftauben ift, roespalb bie 2eprtpefen
bei ber Organifation auch gar ttid)t
gltr Seratpung fatneit. Uttb gtonr
nicht etroa toegett ©leicpgültigfeit,
fonbern toeil man bereite auf un*
erfcpütterlicper proteftautifjher Safiö
ftatib, toobei ^>aarfpatterei, an ttteU
eher manche Seute „fett'' toerbett,
aüerbitig» toegfiel.
Situ 3. Slooentber 1784 lanbeteit
Gofe unb feilte '-Begleiter in Stern
Sorf uitb reiften nod) in berfelben
SJocpe füblicp, utn fiep mit Slsburp,
©arretfon, SEBpatcoat uttb anberett
gu beratpeit. Sie trafen biefelben
in ber Umgegettb ber Sarrett§*$a*
pelle, mitten im Urtoalb 9)larp*
laitbs. ©arretfon biente al§ reiten*
ber Sote, um bie Steifeprebiger, fo*
roeit fie nur erreicht toerbett fotinten,
gur benftoitrbigen Gprifttag»*Gott*
fereng — ber erften ©eiteral = Gonfereng ber
Sifcp. OTetp. Jfircjpe — gufammettgurufen.
Sltn 17. SJegetnber tarnen bie tneiften in ber
Derut ©ougp gehörigen, in ber Släpe Salti*
ntore’3 gelegenen tyexxt} $aü an, ba3 Gofe ba3
elegantere |)au§ im Staate nennt, unb trafen
Sorbereitungen für bie Gonfereng, inbetn bie
bisher gültigen Siegeln, foroie bie Gonfereng*
©efepäfteorbnung reoibirt tourben.
Slm 24. Segember ritt bie fleitte ©efeflfepaft
naep Saltimore, unb um 10 Upr SJtorgenS be»=
felben StaaeS roarb bie erfte Sipung ber Gprift*
tag§*Gonfereng unter Sorfifc oon 5)r. Gote er*
öffnet, melcper fogleicp jetten benftoürbigen Srief
SÜeslepS, batirtben 10. September 1784, bie Un*
nbpüngigfeitöurfutibe be§ amerifanifepen SJletpo*
bi§mtt§ Dorlegte, melcper iiberfeftt alfo lautet:
1) Turvp aufgergemöpnlidje (rceigniffe finb bie ttorb=
amerifanifepen $rooingen oon bem britifmeit fteiepe ge*
trennt merben, unb haben einen felbftftänbigeu Staaten*
Sterbanb gegrünbet, fo bafj@nglanb barüber ebenfomenig
bürgerliche noep fircplupe Slutoutät auäguüben oermag,
loie über öollattb. Tie bürgerliche Sermaltutig liegt
in tauben beä amerifanifepen (Songreffee uitb ber Staats*
gefebgebungen; aber 9iiemanb übt noep beaitfprudjt irgeub
melcpe fircplicpe Autorität. Unter biefen eigentpümlicpen
Verhältutffen oerlangen etliche taufenb (Jinmopner biefer
Staaten meinen SRatp, unb gufoige biefes 0efucbs habe
icp eine furge Sfigge nicbergeidirieben. Vorb iiittgs !öe*
riept über bie Jiircpe ber erften gaprpuitberte pat miep
fepon oor mepreren gapren überzeugt, bafe ^Bifcböfc unb
^Sreöbpter in ein unb bemfelben Crbttuiigsrange fteben,
unb folglich baS gleicpe SHedtt paben, bie Cibination aus*
guüben. Seit oielen fahren bin icp bringenb erjuebt
Zi. Itjonrns ^ofe.
toorben, bie-5 9tecpt gu gebrauchen unb etliche unferer
Steifeprebtger gu orbiniren. s llber immer toeigerte ich nt icp,
uiept aUeitt um beö grieben^ miüen, fonbern toeil icp ent-
fcploffen mar, bie feftgefepte Crbnung ber engltfdten
92ationalfircpe, gu meüper ich gepöre, fo.menig alö ntög=
liep gu übertreten. Slber bie ikrpältniffe in Slmerifa finb
oon betten in (Snglanb fepr oerfepieben. gn Wrohbritatiien
futtgiren Söifcpöfe, melcpe mit gefeplicper Jumbiction auö=
gerüftet finb. Jn SlmerÜa finb feine ober nur fepr toettige
orbinirte ^rebiger, fo bafc auf punbert teilen fiep ferner
finbet, melcper bie iaufe unb ba$ s Jlbenbtttapl oermaltat
fann. 9JJeine Sfritpel finb beispalb begüglicp ber ameris
fattifepen Staaten gu (£ttbe, unb icp glaubte in oollfotm
mener greipeit pattbeln gu fönneu — ba icp feine Crbnung
übertrete, noep in getnanbe^ iHecpte greife — inbetn icp
Arbeiter in bie ßrntc fettbe. $emgufolge pabe tep Tr. (Sofe
unb grancie 2leiburp atö gemeinfcpaftlidte Superititen-
benten in ^torbamerifa ernannt. Teägleicpen Slicparb
2ßpatcoat unb Tpoma^ SSafep atö Sleltefte, um unter
erfteren Taufe unb 9lbenbmapl gu oermalten. SBenn einer
Digitized by v^ooQie
352
Pie ©rganifation ber $ifd). Petlj. $ird)e.
$ic flapeüc am £omieb=OJä&cben, Baltimore, Si$ ber erften ©cneralsöonferenj 1784.
einen perniinftigeren, fcbviftmäfugeren 2ßcg angeigt, jene
armen Schafe in ber ©iifte 31t weihen, fo Will ich ihn
gerne einfddagen. ©egenwärtig fann ich feine befere
ÄWetbobe finben, alä bie eingetragene. Gd ift fretlich
Porgeiddagcit werben, bie engltichen ©ifeböfe 311 erfuchen,
einen Ibeil unierer ©rebiger für Amerifa 31t orbiniren.
Aber 31t biefem Anfmnen fann ich mich nicht nerftefjen:
1) ©eil id) ben ©ifdwf non Bonbon erfudde, aber nirijt
bewegen formte, and? nur einen unierer ^rebiger 311 orbi*
ntren. 2 ) ©enn fie wirflicb einwiüigeu, fo wiffen Wir
beftimmt, baf* fie 31t langfam 311 ©erfe gelten, Wäf>renb
unfere Angelegenheit feinen Auffdmb erleiben barf.
3 ) ©iirben bie englifcben ©iieböfe unfere ^rebiger orbi--
niren, fo Würben fie ebenfalls erwarten, Autorität über
fie aueguiiben, uub in welche Scbwierigfeiteu würbe uns
bie£ oerwicfeln! 4 ) 2a unfere amerifanncfyen ©rüber
jefct gän^lid) vom englifcben Staate unb Pon ber englifcben
$ierard>ie befreit finb, fo bürfen wir fie nicht wieber,
Weber mit bem einen noch mit ber anberen Pevftricfen.
Sie haben böllige Freiheit, einfach
ber Schrift unb ber brimitiPen
Äirdre 311 folgen; unb wir halten
e$ für ba 3 ©efte, bafe fie nun he¬
fteten in ber Freiheit, womit ©ott
fie io wunberbar befreiet hat."
91 nf Aeburi)* Antrag faßte
bie Gonfcreng ben eiuftimmU
gen Scfdjluß, bie SBifd). 9 Jte«
tbobiften = .Vfircbe 31t griinben,
in melier Superintenbenten,
9 Ieltcfte unb Xiatone baö 9 lmt
permalten tollten.
darauf mürben $r. Pole
unb A*burp — unb gmar
mieberuni cinftimmig — 311
Superintenbenten ermäblt,
unb naebbem festerer am
eamftag unb Sonntag, ben
25 . unb 26 . $egember, 311m
'Eiafon unb Welteften orbinirt
rnorben, mürbe er am
9Jtontag, ben 27. $e=
3 entber 1784 in fe[er=
lieber Söeibe al» £;u=
periulenbent eilige*
foßt, mobei ber Gbrrn.
Ctterbein, ©riinber
ber bereinigten 93rü=
bertird)e, affiftirte.
Cbmoljl biefe Gon*
fereng blo§ gehn 2age
mäbrte, fo mürbe
miibrenb biefer 3 e *t
boeb ber ©ruub einer
ber mäcbtigftcn ftxtu
fireben gelegt, bom
Gonfereng = ^rototott
ift wenig ober nicht»
aufbemabrt; aber ba§
Stefultat ber ber=
banblungen erfebien
in ber ,,$ird)en=Crb=
nung für bie ^rebiger
unb anbere bJitglieber ber $ifd). btetb. Kirche."
bb^nbelpbia 1785 . babin maren 2 öe*lep ’3
fogenannte “Large Minutes”, meld)e gugleicb
bie fpegieflen berorbnungen ber amerifanifeben
Gonferengen enthielten, ctl§ autorifirte Kirchen*
orbnung anerfannt rnorben.
©0 oiel ©(bmierigfeiten biefe§ Häuflein
TOiffionare auch Por ficb fab; fo febr fie er*
fannten, baß ihr erfter unb bauptfacblicbfter
beruf in ber ©eelenrettung beftanb; fo arm fie
auch maren: fo befaßten fie fi$fdjon
b a m a l S , mäb^enb biefer G 0 n f e «
reng, mit bem ©ebanfen, eine tjö*
bere Se^ranftalt 311 grün ben, unb e»
fam ein Gntmurf gur 2(mial)me, ba§ Slbbington
GoHegium 311 errichten.
Tae alte Warvbau« an ber ßig^tftrafre in Baltimore.
— Digitized by
Google
Hus Werften.
353
©S mar nur ein
feljr befcheibeucS
©ottesbauS, bie
Äapelle am 2 o*
Delep * ©iißd)en in
^Baltimore, —jeßt
©erman Street —
wo bie fogenannte
©brifttagS = 6 on*
ferenj gehalten unb
bie Sfifd). EUtetb.
flirre organifirt
Yourbe; aber jene
©runbleguug bot
für baS tReicb ©ot=
teS unb fpejiell fiir
3lmerifa eine fo
bobe ®ebeutung,
baß fie noch Don
ÜRiemanb in?lbrebe
geftellt roorben ift.
©3 ift bie erfte
amerifanifch = pro*
teftantifcbe <$rei=
firdje, Die bi f * in
orgauifcber ©inbeit
gepjlauftt roirb; e3
ift ber ©runbftein eines 33aueS, melcber in einem
3fabrbunbert ju einem ntüffioen, großen SEBerf
gebieben, unb beffen 93oüenbung noch lange nicht
beporftebt.
®ie Äapeüe am 2 ooelep=@äf 3 cben ift jtoar per*
fcbrounben, unb fclbft ber Warne be3 ©dRcbenS
ejiftirt nicht mehr. 31 ber fo raie jenes befcbeibene,
ja annfelige ©ottesbauS burdj bie fpater erri(b*
teten flirren an 2 igbt* unb ©barlesftraßen er*
Äiburty im toorgerilcftcn alter.
feßt mürbe, fo ging
Don jenem Per*
geffeneit Süinfel ein
bon ©ott gemirfter
Impuls aus, burdj
melcben bas ganje
2anb mit pnicbti*
gen Äircbeii unb
biibfdjeu Äapellen
förmlicb iiberfäet
morb.
©3 mar ein 3 fu*
belfeft beS EDietbo*
bismiis, bießbrift*
tng 5 =©onferenj im
;Vib« 1784. Unb
ein Subelfeft mol*
len bie Söhne unb
Tochter jener ©rft*
lingSmiffionare im
Sabre 1884 feiern,
iyiir bie beutfdjen
EDietbobiften mirb
eS ein $oppelfeft
merben, inbem fie
uigleid) auch faS
fiinhigjäbrigeSu»
beutfajen WetbobiS*
biläum ber ©rünbuitg beS
mu§ begeben.
$en autorifirten 3Inorbnungcn gemäß follen
mäbreitb ber nöcbften ©onfereitjfißungen bie
erften Schritte jur SluSfübrung biefeS 2)oppel=
jubiläumS gefdjeben.
SJtögen bie Maßregeln meiSlich unb umfaffenb
fein, unb ein 3?eft Peranftaltet merben, melcbeS
für 3eit unb ©roigfeit reiche Früchte bringt.
JlU0 JJ t t f i t XL. ^
tfräulein Sfemett, eine ameritanifche ®tif«
X fionSarbeiterin in SEebriS, erjäblt folgenbe
romantifcbe, aber mabre ©efd&icbte:
„ 3 ?riiulein ©lart unb icb befucbten neulich eine
fjfamilie, roo Wann unb 3 ?neu, beibe, ©briften
unb EOlitglieber nuferer ©emeinbe finb. fjol»
genbeS ift ihre ©efcbidjte: fütufa mar ein jübi*
fd)er 3 trjt, ber in SdjiraS lebte unb als from*
mer Sfraelit alle ©ebräuche unb Seremonien
feines SolteS ftreng beobachtete, ©eine 3 ©au,
ebenfalls eine Sübin, ftarb; ebenfo alle ihre
ffiitber. 9tun nahm ftöhifa ®ienjte bei einem
perfifetjen dürften als beffen ©efretär unb fiebelte
mit ihm »och Sfpaban über, mo feine mubom*
mebanifchen Srteunbe fi<h eifrig bemühten, ihn
ium 3lSlam ju belehren. Me ihre SSerfucbe
?R
blieben jeboeb fruchtlos, ©nblid) befcßloffen fie,
ihm eine mubainmebanifche 3 ©au 311 geben.
tBelln ©anum mar ein bübfdjeS Stäbchen in
2ebriS. '©er Storni, an ben fie Derbeiratbet
mürbe, batte noch eine groeite Stau in Sfpaban,
mobin beim auch fie, nadjbem fie brei ifinber,
einen Sohn unb jroei iöcbter, geboren, ihn
begleiten mußte. 3 » Sfpaban aber ftarb ihr
©emabl unb SÖeüa ©anum, fremb im fremben
fianbe, meinte unb meinte, bis fie faft erblinbet
mar. ©ine Stebijin, bie fie braudjte, hätte bei*
nabe ihr Mgenlidjt polienbs jerftört. 9tun
hörte fie Don einem ausgezeichneten 3lrjt, ber
Por furjem nach Sfpaban getommen mar unb
unfehlbar ihre 3lugen mürbe b*ü«» tonnen.
Sie ließ ihn fommen. ©S mar fOtufa, ber
Digitized by v^ooQie
354
g&inhr für (SItern unb febrer.
3froelit. $)ie SJur gelang. Mber noch mehr:
ber SBittroer gewann bie Sßittroe, in welcher er
eine feine unb oerftänbige fjrau erfannt butte,
beglich lieb unb fugte ju ficb felbft: „ 2 öenn ich
benn eine ©tnbammebanerin heiraten muß, fo
ift biefe bie befte." ©eine Siebe rourbe ernti»
bert, unb bie ©b« gefdjloffen. OaS butte aber
feinen ©influß auf'OTufoS religiöfe Uebergeu»
gung. ©ur fürstete er fid), fie miffen ober
merfen 311 laffen, bat? er fein ©htbantmebaner
fei, fcßloß ficb in fein 3 >mmer ein, laS hier feine
Sibel unb fugte feine ©ebete ber — fo heimlich
als möglich- Mm ©abbatb ober fchlich et fi<h
bubon unb blieb oon £taufe fort, um nicht
irgenb roelcbe Mrbeit tbun gu müffen. ©nblich
ober erflörte feine 3?rau, bet baS alles nicht
oerborgen bleiben fonnte: „SBorum tbuft bu fo
beitnlid) gegen mich? 3 <h bin bodj nicht bein
öfeinb! 3 $ liebe bi<h, beine Steligion foll meine
Steligion fein.'' ©0 cntbedte er fid) ihr, unb fie
bewies, baß fie feines ©ertrauenS mürbig mar.
®o ftorb ihr ©obn, unb toie nad) bem Stöbe
ihres erften ©tattneS, meinte unb meinte fie, bis
ihre Mugen — bieSmal für immer — bobin
rooren.
©ineS SEageS gefdjab eS, bnß ber englifdje
©tiffionär ©ruce ben ©tufa rufen lieb, um eine
fdjriftlicbe Mrbeit oon ibm machen 3 U laffen.
©alb hotte er berauSgefunben, baß biefer ein
3ube unb in ber heiligen ©cbrift Mlten SEefta»
mentS mobl beroanbert mor. ©r bisputirte mit
ihm, unb aflmäblig gingen bem Sftoeliten bie
Mugeti auf, fo baß er in 3efuS ben ©teffiaS er»
fonnte. OaS mar junächft aber nur ein Stopf»,
noch fein #er 3 enSglaube. Snsmifcben mar fein
&err, ber perfifdje fjürft, geftorben, unb bamit
fein ©erbienft in Sfpaijan 3 U ©nbe. 3 uglei<b
febme ficb ©ella £)anum3 §er 3 nach ber £>ei=
motb unb nach all ihren 3 -reunben unb ©er»
manbten in SEebriS. @0 30 g benn ©tufa, ber
immer ein gefälliger, freunblicher ©atte geroefen
mar, mit ihr noch SEebriS. £>ier fucbte er fofort
ben ©tiffionär auf, mürbe aber auf fo energifcbe
©Seife bon biefem gemarnt, baß er’S bei 3 toei
ober brei ©efucben bemenben unb ficb fpäter
nicht mehr im ©tiffionSbauS bliefen ließ. @i«
nige 3 e 't barauf, oor jeßt etnja brei Sabtett,
traf ihn ein befebrter Mrntenier ©tottbiaS, ein
ernfter ©brift unb Meltefter in ber ©tiffionS»
gemeinbe, auf ber ©traße, ließ fich in ein ©e«
fpräch mit ihm ein unb erfuhr 3 U feiner Ueber=
rafdjung, bub ©tufa fich als einen ©briftett
befunnte. „©Sarum fommft bu aber nie itt
unfre ©erfammlungen?" fragte©latthiaS; mor»
auf ©tufa ermiberte: ,, 3 d) bete unb lefebaheint,
ift bas nicht genug?" ©tattbiaS meinte, bieS
fei aüerbingS nicht genug, überrebete ihn, ihre
©otteSbicnfte 3 U befugten, unb hier erfanute nun
©lufo halb, baß er eben bodj noch fein ©brift
fei. Mber er fuchte unb fanb ben ^>errn, ließ
fich taufen unb mürbe in bie ©emeiitbe auf»
genommen, Seßa 4>anum folgte feinem Sei'
fpiel unb fo finb fie benn beibe ©haften, fie
3 mar leiblich blinb, im Cteqen aber febenb burch
ben ©lauben an ißn, ben unfichtbaren £>ei»
lanb." (©ibelblätter.)
Pinhf für dUern unb ffljrer.
O r b it u tt g.
bringe auf Orbnung, unb ruhe nicht, bis
bu fie ha ft. fierne Orbnung 311 mürbigen, unb
bu mir ft fie böcbft roabrfcbeinlidj auch erhalten.
Orbnung ift nicht alles, aber eS ift ein febr
beträchtlicher 2 beil in ber Rührung einer ©chule.
Orbnung ift ein ©orbote eines guten Unter»
richtS. ®u magft Orbnung ohne Unterricht
haben, aber toie roirft bu einen orbenttidjen Un»
terricht ohne Orbnung haben, ©ine in 3 u( hl
unb Orbnung gehaltene ©chule bietet beiben,
fiebrern unb ©djülern, bie ©elegenbeit, fid) 3 um
gegenfeitigen Mußen unb ©egen 3 U metben.
Sorbereitung 311m Unterricht.
©8 erforbert nicht üiele Siegeln. $er Mn»
fana bagu ift auch nicht febroierig. ©S be*
barf feinet großen ©eifteSgaben, um fich auf
ben Unterricht oorsubereiten. MlleS, roaS man
3 U tbun bat, ift: 311 lefen, 3 U beten, 3 U benfett;
3 U lefen, 3 U beten unb 3 ubenfen; bann 3 U beten,
3 u lefen unb nachgubenfen; bann 31 t benfett, 31 t
lefen unb 3 U beten. Unb bann — lefe, bete unb
benfe. Unb enblich: lefe, bete unb benfe.
3 uleßt aber: lefe, bete uttb benfe.
Sonnenlicht im Mngeficht.
©onnenlicht im Mngeficht ift ein fräftig mir»
fenbet ©influß, ben irgenb 3cmaiib ctuSüben
fann auf irgenb einen, ben er 30 m ©utett regelt
mifl. ©in foldjeS Sonnenlicht ift befonberS
münfchenSroertb für Ceßrer, g a n 3 b e f 0 n»
ber 8 aber für ©onntagfdjullebter. ©inn faitn
bei einem unartigen ©müler nidhtS in Mnroeit»
bttng bringen, bas fo fräftig mirft, als gerabe
biefeS ©iittel.
2Ba§ ift Sonnenlicht im Mngefi^t, fragft
bu? ©i, eS ift baS Sicht beiner ©eele, bitS, toie
bie ©onne, aus beinen Mugen berborleud)tet, es
11---
Digitized by v^ooQie
Heber btt jßtbrutung ber affprifdjen Ausgrabungen.
355
ijl bie Siebe, bie fid) auf beinern ©ngeftdjt fpie=
gelt. 9tur feiten finbet fid) eine £)ärte beS
menfdjlicbeti fterjetiS. bie fid) fold) fcpmeljenbem
©influfj ju miberfefcen oermag. ©u braud)ft
nicht ju rebeit unb zurecptzuroeifen, bu borfft
nur ben ScpiUer aitbliden, wenn bu es oerfteljft,
recht ju blideit. Unb ber rechte ©lief ift ber
SiebeSblicf. Siebe baher beine Schüler, unb
leuchte fie an mit einem SiebeSblicf.
Sinb fie unartig, fo (afj feinen Unmillen in
beinen ©liefen inerten, fonbern fcheine fie an in
Siebe unb gutem ©Mllen. Unb roenn felbff
©oSljeit unb .frafj ber Unart ju ©runbe liegt, fo
roirb bein SiebeSblicf biefe .f»inberniffe befiegen.
©er Schreiber biefer Worte erinnert fid» feljr
Wohl, mie er als Sehrer eS einft mit einem Jtna«
ben su thun hatte, ber mit ben roiberfprechenb.
ffen ©orurtheileit gegen feinen Sehrer angefiiflt
mar. ©ine Seit lang feftte fich Wille gegen
Wille, unb beS Knaben £>arther}igfeit mürbe
immer härter, bis eine» ©ageS ber Sehrer jenes
ff naben buchte, mie thöricht unb fünbhaft es für
ihn fei, in einem folgen ©erbältnift mit feinem
Schüler ju flehen. ©ugenblicflid) enticplojs er
fich, ba§ bade fjerz jenes ffnaben, baS er nicht
SU brechen oermochte, s» ff^meljen. Sofort
fing er an, jenen ffnaben su lieben, unb nicht
ohne guten ©rfolg. ©er ff nabe mar fehr über,
rafcht, ju finben, bafe ihm nicht länger rniber.
ftanben mürbe, unb bie Wirfung mar eine roun.
berbare, benn in furser 3 e 't mar ber Schiller
befiegt, ja bötlig befiegt, unb einsig nur burch
baS oben angegebene Wittel.
©er Sehrer feböpfte Sicht auS ber Sichtqueüe
©otteS unb überfchiittete bamit feinen Spüler
burch bie {freunblicpfeit feines ©ngefichtS. ©S
mar ein Sieg, in melchem ber £>err Sieger
marb, inbem er beibe, Sehrer unb Schüler, be«
fiegte.
©erfucht eS, Sehrer. Seudjtet eure fflaffen
an. ©ber es mufs echtes unb rechtes Sicht fein,
baS fich aus eurem ©ngeficht ergiefet. ©her
biefeS Sicht muf$ auch ©lärme enthalten.
Unb Schüler, macht auch ihr biefen ©erfuch
mit euren Sehrern. ©urd) Sonnenlicht auf
bem ©ngeficht fönnt ihr euren falten Sehrer
edoärmen. Saffet uns einer ben anberen an.
leuchten mit bem Sicht auS ber Sichtquelle unfe.
res fteilanbeS, ber baS Sicht ber Welt ijl, unb
baS Sehen mirb füfeer unb angenehmer.
©in beflügeltes ©oangelium.
©ine Sonntagfchule ohne ©efang ijl mie ein
ffäfig mit einem ftummen ©ogel. galtet bie
ffanarienoögel in eurer Stfule in ©bätigfeit.
Sie lieben ©efang, unb baS ift eine grofje fjiilfe.
©ergeht auch nicht, bah biefe Sänger einen
©influB auherhalb ber Schule auSüben.
3ebeS Sieb ift, ober follte meuigftenS, ein be.
flügelteS ©bangelium fein, 'tiefe Sonntag,
fchulgcfänge fliegen hinaus, unb mie? ©ie
ffiuber fingen fie nicht nur ju £aufe, fonbern
auch in ber ffferne.
Wan hört biefelben auf ben ©ifenbabnen,
auf ©ampffchiffen, in ffaufläben unb an bielen
anberen Crten, bie bem ©rebiger beS @oan=
geliumS unb Sonntagfchullehrer unzugänglich
finb. Silber haltet ben ffinbergefana aufrecht,
benn berfelbe ift ber ffliigelfchlag beS beflügelten
©oangeliumS.
«*-
Krber Me IMeutmtg ber afltjrifdjen Ausgrabungen für bie
biblifdje
gür §«n8 unb §erb koit Sr. V. ®u(j&trger in grtutfnrt«. 81.
ieber Sefer, erfchrecfe nicht über bie ©Borte
„affprifebe Ausgrabungen," als ob ich bi<h
in unterirbifdje Kammern unb ©emölbe
führen moflte, mo man feine Suft unb fein Sicht
hat; ich möchte bielmehr beine ©Ufmerffamfeit
auf einiges burch bie affprifdjen Ausgrabungen
ju Sage geförberteS lenfen unb zeigen, meines
3eugnih biefe Altertbümer für bie Wahrheit
ber biblifdjen ©efchichte oblegen.
Wie einem jeben ^abrljunbert bie Söfung
einer befonberen Aufgabe jugemiefen ift, fo
febeint baS neunzehnte ^ahrbunbert fich bor
aflern burch feine grohartigen ©rfinbungen unb
©rforfebungen auSjujeichnen, fo namentlich auf
bem ©ebiete ber ©ntbeefung egpptifcher unb
afjprifchet Altertfjümer.
©er ffortfepritt auf bem ©ebiet ber ©ntjif.
ferung ber affprifchen Keilinfdjriften ijl jmar
ein äuherft mühfamer unb Iangfamer, aber
nidjtSbeftomeniger ein grober unb erfreulicher.
Seit mehr als 250 fahren hat ber Occibent
burch bie Eingaben oon Orientreifenben Kennt.
ni| bon bem ©orhanbenfein gemijfer Snfdjrif.
ten. ©och maren noch bor 100 fahren bie
Keilinfcpriften AffprienS unb SabpIonienS, bis
auf einige bürftige Wittheilungen, fo zu faaen,
unbefonnt. ©ie erften genauen Abfdjriften
oeröffentlidjte ber ältere fRiebufjr. 3n ben bier.
Digitized by v^ooQie
356
Heber bie Pebeutung bet afftjrird)en Husgrabiingrn.
giger fahren machte ber frangöfifcße ©onful
6tnil 33otta, bei ffßorSabab, reiche ^ltnbe,
roelcße er in ben Sottore, nach ©aris, fanbte.
Seine Slrbeit trnirbe etma gehn ^abre fpäter
Don 8a ©lace fortgefeßt uitb ergängt. ©leid)*
geitig gelang eS bem englifdjen fyorfcßer, £eiith
Satjarb, bei Ritirub, a|ft)rifiße ffönigSpaläfte
bloßplegeit; unter feinen fpateren fjunben ift
bei nuberS ber fefibroeftpataft Soitberibs pon
großer 33ebeutung, ba biefer bie ©ibliotßef beS
affprifcßen ffönigS Stffurbanipal enthielt. Tie
hier aufbemaßrten SSerfe nnirben nicht auf
©appruSrollen, fonbern auf toeidje Ttjontafeln
gefcßrieben, bie hernach gebrannt unb mit beton»
bern Stummem oerfeßen mürben. Stach einer
gefunbenen Rotig fittb biefe Tafeln (Jopien
älterer Originale aus 33abt)lon, aus ber 3fit
UrufS, eines ffönigS oott Ur unb eines
genoffen SlbraßaniS. Turch SanljeribS ©robe«
rung tarn bie ©ibliotßef nach Slffprien, roo
Stffurbanipal bie auSerroäblteit Schöße, barun»
ter auch bie Tßontafeln, fammelte, uttb fie nadl
ihrem ^n^alt forgfältig auffcßichten ließ. Tie
afft)rifd)»babplonifche ffeilinfcßrift blieb aber
unentgiffert, bis £>enrp Rarolittfon aus ©erfien
ein Sllpßabet mitbracßte, meines er aus bort
entgifferten ^nfcbriften gufammenfeßte. Tie
burch roeitere ©jpebitionen geroonnenen Schüße
affhrifcß.babplonifcher SUterthümer füllen nun
fünf große Säle beS britifcßen SRufeumS gtt
Soiibon. 2öem eS nergönnt mar, nur einige
Stunben in biefen Räumen gugubringett, mirb
ben ©inbrucf nie oergeffen, ben biefe ebrmiirbi»
en 3*ugen früherer ^ntjrtaufenbe gemacht
aben,' unb melchen feltfamen Q ontraft man
fühlt beim £>inauStreten auf bie belebten Stra«
ßen ber mobernen SBeltftabt.
Ter ro e f e n 11 i cß« Inhalt ber afft)«
tifcb«babt)lonif4en ffeilinfcßriften
begießt fich auf bie Schöpfung, bie Sünbflutß
unb auf bie ©efcßidßte ber ffönige; Pom ©ara«
bieS, Pom Sünbenfad unb Pon bem Tßurmbau
befinben fich ffoar auch, aber eine geringere
Slngaßt Pon ^nfcßriften mit birelter Segie«
hung.
Um ihres außerotbentlicßen 3ntereffeS roillen
möchten mir nur beifpielsmeife einige berfelben
anführen. Stuf einer ber ermähnten Tßonta«
fein fteßt oopt ffönig Stffurbanipal: „Tie ©ott»
beiten haben geoffenbart ben ffönigen por mit
biefe ffeilfcßrift, bie Offenbarung beS ©otteS
Stebro, beS ©otteS ber ßödjften SCBeiSßeit. 34
fchrieb fie auf Ttjontafeln; ich begeidpete unb
orbnete fie; ich legte fie nieber in meinem ©a«
laft pr ©elcßrung meiner Tiener." SJtan
Permuthet, baß jeber Schöpfungsatt auf eine
befoitbere Thontafel pergeichnet mar, unb gmar
in ber gleichen Reihenfolge roie bei SJiofeS.
Stuf ber erften Tafel heißt eS: SUS broben ber
l ftimmel nicht aufgerichtet, unb brunten auf
Arbeit eine ^iflanje nicht oufgelproßt mar, auch
bie Tiefe ber SBaffer nicht burd)brochcn hotte
if)re Scßranfen: Mumu Tiamat (baS ©tjaoS)
mar bie ©ebärerin ihrer aller. 3ene SBaffer
mürben im Stnbeginn georbnet; aber ein ©aum
mar nicht gemachten, eine ©turne hatte fich nicht
i entfaltet. ... — Stuf ber fünften Tafel ift baS
| oierte Togeroerf betrieben, mo e§ u. Sl. heißt:
©räcßtig mar Stiles, maS hfrqeridötet mar Pon
ben großen ©öttern ... er orbnete grnölf S9to«
nate Pon Sternen in brei Reihen, oon bem
Tage, ba baS 3oßr beginnt bis put Schluß.
6r grengte ab bie Stellungen ber SBanbelfterne,
gu fcheinen in ihren ©aßnen ... ben ©ott Uru
(ben Rtonb) ließ er herauSfommen, ber be«
fdjirmte bie Rocht . . . baß ber SJtonot feinen
Slbbruch erleibe unb feine Tauer regelmäßig fei
beim ©eginn beS SRonotS, beim Slnbruch ber
Rächt brechen feine Körner burch, P fcheinen
am l£>immel, am fiebenten Tage fängt er an
p einem Greife p feßroeflen unb erftreeft fich
meiter nach ber Rtorgenbammeriing gu. — Stuf
ber fiebten Tafel ift bie ©vfcßnfiung ber Tljiere
Pergeichnet. Ter fiebente Tag ift, nach einem
gefunbenen Jfalenber, als eine 3eit begeichnet,
an bem fein SBerf gethan roerben fotl. Telißfch
iiberfeßt baS SBort sabbatuo mit Tag ber Ruße
beS ftergenS, Ruhetag. Stuf Pötlig befeften
33rud)ftücfeu fommt ber Rame Admi unb Adami
als ©attungSriame Pot. Stuf einem biefer
Thonbruchftücfe fteßt u. 31.: 3>eben Tag fotlit
bu beinern ©ott tfid) näßen . . . Opfer fofljt
bu beinern ©ott in @bvfnr<bt bringen. Tie
ffureßt ©otteS fotlft bu nicht taffen, in ber
öureßt ber ©ngei foüft bu leben. — 3ro 6riti*
feßen Rtufeum befinbet fich ein altbabplonifcher,
gefdjliffener Stein, auf bem gmei menfcßlicße
Figuren bargeftellt fittb, melcße gttr Seite beS
©aunteS fißen unb bie #ättbe naeß feinen tfrücß»
ten aitSftreden, hinter ber gfrau befinbet fieß
eine Schlange. Taß es fieß hier um eine
Tarftetlung beS SiinbettfalleS ßanbelt, ift offen,
bar. — Ter ftluthbericßt gehört gu bem älteften
SagenfreiS beS babplonifcß.affprifchen Sllter.
tßumS, unb ift feßr ausführlich unb bem mofai.
fcfcen ©erießte in bett ßauptniomenten auffatlenb
ähnlich. — StitS ber 3,eit ber ffönige bieten jene
3nfcßriften ein fo reiches SStaterial, baß man
jeßt feßon, auf ©runb berfelben, bie ©efeßießte
eingelner ffönige feßreiben fönnte.
Söie forgfältig bie 3nfcßriften biefer Thron«
fragmente copirt mürben, beroeift ber Umftanb,
baß auf ben Tafeln, befonbers an leergelaffenen
Steden, baS Söörtcßen hibi fteßt, b. ß. auSge«
töfdßt, unteferlicß. 3nr 3eit ber Slbfaffttng ber
meiften unb mießtigften ^nfeßriften mürbe gmar
neben bem affprifeßen auch baS aramäiföße ge.
fproeßen, boeß mar baS erjtere oorßerrfeßenb, fo
Digitized by v^ooQie
Heber bie Pebeutung btt afTijriliben JUwgrabungen.
357
bafc bie affprifcbe ©pracbe bieienige ber ©Trei¬
ber mar.
$ie ©ebeutung biefet aff^rtfd&ett
Stltertbümer, befonberS ber 3fn =
fdpriften, für bie biblifcbe ©efdncbte.
3n ber ©rbaltung biefer benfmürbigen ©tonu»
mente, in beren Sluffinbung unb ©ntgifferung
erfenneit mir bie #anb ber gütigen ©orfebung.
@S ift in ber Stbat ein munberbareS 3ufammen.
treffen Don ©erbältniffen, toenn in einer 3eit,
toie bie nnferige, in melier ber moberne 3eit=
geift bnS SBort ber Offenbarung unb bie bar.
auf gegrünbete ^Religion mit atfer ©tacht gu be»
tämbfen flicht, bie in bie 3iefe grabenbe SSßiffen.
fcbaft eine folcbe ©tenge Don ®enfmälern finbet,
baß ficb bie Don ©eiten ber ungläubigen SSßiffen.
fdhaft gegen bie Offenbarung erhobenen Se=
benten Don Jag gu 2ag minbern unb firf) in
Seroeife für bie Sßabrbeit oertoanbein.
$>ie ©efebicbtlidjfeit unb innere
95ß a b r b e i t b e S alten* $eftamenteS
überhaupt wirb burd) biefe Jfabvtaufenbe alten
2>enftnäler beftätigt; benn jene mitben afftjrifd>=
babplonifcben ^ufcbriften oerroanbten biblifcben
©ef<bicbten unb ©rgäblungen fteben mit bem
gangen alten ieftainent in engem 3nfammen.
bang. Slucb merben babürdj bie majjlofen %i=
griffe gegen bie SSßabrbeit beS ©entateucb inS.
befotibere mit einmal abgefdjlagen.
© o m religionS»gef<bi<btli<ben
©tanbpunft aus ift es intereffant gu be=
merfen, bah ficb in jenen 3nfd)riften beutlictje
©puren oon einem ©tonotbeiSmuS (Anbetung
©iueS ©otteS) finben, melier wie ein 2id)t=
fcbimnter burd) bie polbtbeiftifdje ftinfterniß bin*
burebbricbt; mit ber gunebmenben ©ottentfrem.
bung aber muffte jener bem ©olptbeiSmuS (95tel=
götterei) immer mehr weichen, eo ftimmen
biefe 3«ugniffe mit anbern gefcbicbtlicben SSßabr.
nebmungen barin überein, baß bei ben ©ölfern
ber alten Sßelt fein fyortfdjritt, fonbern oielmebr
Stücffcbritt, feine geiftigere, fonbern eine ftnn«
liebere Sluffaffung beS religiöfen ©ebanfenS nad>
gumeifen ift.
2)iefe wichtige Stbotfadje wiber.
legt bie rationaliftifdje £>ppotbefe,
welche mit ©orliebe gegen bie Urfpriinglicbfeit
ber biblifcben Offenbarung angemanbt wirb,
baß nämlich bie gilben, als ein befonberS reli-
giöS angelegtes ©o(f, ficb gu einer geiftigeren
©ottcSoerebruug emporgefCbmungen hoben foI=
len. stiebt bie ijeibnifeben irabitionen finb bie
Ouelle beS 2icf)tS, aus ber 3frael feine wahre
©otteSerfenntnib gefeböpft, fonbern biefe ftainmte
fammt jenen 2i<btfpuren aus bem Urquell ber
ewigen ©ottcSoffenbarung; aufjerbem war 3frael
immer bereit, ben Irrweg gu geben, fo baff feine
monotbeiftifeb« Religion burcbnuS feine ans bem
^eibenthum entlehnte, oerooüfommnete, fonbern
eine bon jenem unabhängige, felbftftänbige, auf
birefter göttlicher Offenbarung beruhende mar.
©a<b biefer Sluffaffung einer früheren, oor.
mofaifeben, allgemeinen Ur«Offenbarung läfjt es
ficb benn auch erflären, wie eS möglich ift, bafc,
obwohl bei biefen • beibnifeben Snfcbriften bie
©ntftebung, bie ©orauSfejjungen, bie feitenben
©efiebtspunfte oon bem bebräifdjen b- Schriften,
tbum oerfebieben finb, bennoeb grobe ©artbieen
ber Urgefdjicbte oon einem einheitlichen ©ebanfen
beberrfebt unb beftätigt merben. SBäbrenb bort
in ber beibnifeben Jrabition bie urfprünglicbe
SSßabrbeit ficb je länger je mehr in nebelhafte ©e»
ftalten unb 3errbilber oerlor, fommt fie hier in
ber pofitioen Offenbarung ber b- ©ebrift wieber
gu ihrer Dollen ©rfepeinung unb ©eltung.
$iefe ^nfeprif ten finb ferner für
bie biblifdje ©bronologie oon gro«
feem SSßertb- ®ur<b bie ©ntbedung ber affb*
rifeben ©ponptnenlifie (©eamtenbergeichnij}) mit
«bronifartigen Seifdjriften erhielt man eine gu»
oerläffige cbronologifdje ©runblage bis gum
3abr 900 o. ©br. ©S ftetfen ficb oDerbingS ba
unb bort gmifeben ber bebräifdjen unb affprifeben
©bronologie Öifferengen heraus, bie ficb ober
bis auf ein ©tinimum rebuciren laffen, fo be.
fouberS bei ber 3 e 'i ber ifraelitifcpen Könige
©tenabem, ©et«b unb £ofea. Slucb ftinunen
bie Sericbte beS cbolbäifcben ©efcbidjtfcbveiberS
©eroffuS mit ben ft'eil=3fnfcbriftcn überein. So
ermeifen ficb oueb Oom cbronologifcben Stanb.
punfte aus bie parallelen biblifcben ©eriebte als
burcbauS guoerläffig.
$er hohe SSßertb ber bisherigen ©rrungen»
febaften auf bem ©ebiete ber ©ntgifferung ber
affprifdj«babplonifcben ifeil.^nfcbriften mürbe
Oor einigen fahren Don ©utfdhmib einer fd)ar=
fen fi'ritif untergogen unb oieleS angefoebten
unb beftritten. ©S läfjt fiep nicht leugnen, baß
burdj fortgefcbritteneS Stubium unb neuere ©nt.
bedungen manches früher Unrid)tige berichtigt
unb ergängt würbe; auch bleibt nach bem eigenen
Urtbeii ber Slffpriologen noch ein tüchtiges etiid
Slrbeit gu tbun übrig binfichtliCh ber ©rammatit
unb befonberS binfid)U'<h beS CeyitonS, ehe man
am 3'fl biefeS auSgebebnten SforfcbungSgebieteS
anqelangt ift. ®te ©ebauptung ©utfChmib’S,
bah nicht ein eingiger babplonif^er Saß ooll.
ftänbig erhalten fei, ift bagegen griinbliCh wiber.
legt worben burd) ben SeweiS, bah fine bebeu.
tehbe Slngabl unbefebäbigter, ooflftonbiger unb
grammatifcb oerftänblicher ©ätce oorbanben unb
bie richtige Sefung einer fReibe befonberS oon
bifiorifChen Werten gefiebert ift.
©in bebeutenber ffenner ber affprifd)=bnbplo=
nifhen 3fnfcbriften fagt baber über jene fteplifebe
£>bperfritit nicht obne©rnnb: „©tan möge bod)
nicht gar gu f^arf unb febnell aburtbeilen, unb
nic^t auf ©ingelbeiten bin, unb auf ©runb Oon
Digitized by v^ooQie
358
Pit rotidjrn Jlugtn ein ttskimo (furopa betrachtet.
fcpeinbaren ober aud) wirtlichen SiScrepanjen |
(©erfdjiebenheiten) mit fonftigen Ueberlieferun»
gen ohne weiteres beit ©tob brechen, welche in i
ihren ©runblagen tnof)t uitb feft gegrünbet ift."
9toch ift baS ,leßte 2Bort auf biefent großen
fforfcbungSgebiet nicpt gefprocpen, fo biel gebt
aber mit ©eftimmtpeit aus bem bisher ©emon*
nenen perDor, baß baS leßte Söort eine ©eftäti*
gung ber biblifcpen ©efdjicpte fein roirb.
Saßt überhaupt bie SBiffenfcpaft auf ihren
oerfcpiebenen ©ebieten ihr DoüeS SSßer! ungepin*
beit thun, bie '-öibet wirb fich nie Dor ihren ©nt*
bedungen ju fürchten, mopl aber je länger je
mehr beffen ju rühmen haben, baß alles jur
©erberrlidjung ihres Inhaltes bienen muß.
inmitten ad’ biefer ftummen unb hoch fo ge*
waltigen 3 eu fl en ber |>infcilligfeit alles 3 C '* S
liehen fiept baS Sffiort beS £>errit in feiner un*
Derroelflicpen unb unbeftegbaren Straft ba, unb
weifet uns ben fidleren 2Beg aus ber SDßelt ber
©ergängliepfeit jum unüergänglichen, ewigen
fReich unfereS ©otteS. SGßopl bem, ber barauf
achtet unb bon £erjen baran glaubt!
Hit töfldjcit Jlugen ein Ultimo
Europa betradftet
t m 3«hre 1880 hatte befanntlich £)err #agen*
bed eine ©Sfimogefeüfc^aft aus Sabrabor
ju einer ©cpauftellung in ben europäifcpen
fmuptftäbten engagirt. Unter jenen Seuten be»
fanb fiep auch eine ehr ift liehe ©Stimofamilie
bon ber $errenhutif<hen WiffionSftatiotr£ebron.
— SBie man fiep erinnern wirb, finb fämmtliche
Sheilnepmer biefer etpnologifcpen SRunbreife in
Strefelb unb ©ariS geftorben. SaS Oberhaupt
ber djriftlichcn Familie nun, 5lbraham, hat
Sagebuch»9?otijen hiaterloffen, bie uitS einen
intereffanten ©lief in baS Seelenleben beS Dian*
neS eröffnen. —
©ie mögen barum unferen Sefern hier mit»
getheilt werben.
ibraham fepreibt: 9tIS wir mit Sampf reiften,
waren wir fcpneller als fjliegenbe; wir hatten
biefelben ©läße wie große Herren (2. klaffe?),
unb ber 3*<g war fo lang, baß beibe ©üben fehr
entfernt uon einanber waren. 2ßir fuhren in
ber Witte in einem fepöneu |)auS (Söaggon),
bie jjenfter tonnten wir nicht jumocheit; unb
boch wegen beS SLMnbeS tonnten wir nicht hin»
auSfehen; als ich ein wenig ben $opf hinaus*
geftedt hatte, fchwotlen mir meine 5lugett.
5lm ©onnabenb ben 16. Oftober 1880 tarnen
mir mit bem mertwürbigen Sampf in ©erlin
an unb wohnten in einem fchönen ©retterbnuS,
baS wir uns felbft bauten jmifepen ben Säumen
(im joologifcpen ©arten). SaS innere unfreS
Kaufes ju lehren, war faft unmöglich, wegen ber
(jubrängenben) Wenfdjen, benn, wenn bie einen
bon unfren Herren hinausgejagt mürben, fo
tarnen anbere h^ein. 3n unfrer 9täpe ift ein
WufifpauS, auch wunberbar. Sie Seute in ©er»
lin münfehten fehr, unfer $auS ju fepen. aber
nur einige tonnten baS thun, allen märe eS nicht
möglich gemefen. 51ucp uitfre Seprer (©eiftliche
ber ©rübergemeinbe), als fie gum erftenmal
tarnen, mußten warten, weil fie oor bem 3«lauf
ber Wenfcpen nicht hineintonnten. Sie Um*
jäunung unfreS Kaufes würbe oft oon bem
Wenfcpengcbränge »erbrochen, ©inmal idurften
meine Herren, ba fie felbft nichts auSrichteten,
mich hinaus, um bie ©inbringeuben ju Der*
treiben. Sa habe ich getpan, was ich tonnte.
^<h nahm meine ©eitfdjie unb ben grönlänbifc^en
tjpeebunbsftecber unb machte mich fürchterlich.
Sa fprangen einige über ben 3oun, anbere
gaben mir fcpnell bie £>anb, einer ber ©erreu
mar wie ein Söeinenber. Unfer £>auS hatte bie
Ulrife (ÜlbrahamS ffrau) auch bon innen Der*
fchloffen unb ben ©ingang Derftopft unb bie,
welche jum ffenfter pereinfepen wollten, würben
mit einem ©tücf &olj juritdgejloßen.
3n ©erlin ift eS nicht fdjön, baS machen bie
Dielen Wenfcpen unb ©äutne unb Äittber, bie
auch fontmen. Sie Suft brauft beftänbig Dom
©eräufcp ber ©epenben unb tfaijrenben.
5lm 22. Cftober tarnen jmei Sefannte Don
©r. ftlamatfcpef (Wiffionar), freuten fich, unS
ju fepen, nannten uns mit 91amen unb forberten
unS jum ©ingen auf; unb weil wir in allerlei
nicht unmiffenb waren, fo freuten fie fich fließ
(fehr), banften uns fogar unb luben uns ein, in
ihr £)auS unb $ircpe ju tommen. Slber auSju*
gehen am Sag ift unmöglich, weil wir Döllig
bon Wenfdjen umgeben finb, oon fehr berfehie*
benen ©cfichtern.
Sen 23. Dttobcr fepneite eS fortwährenb. Sie
$ablunat(©uropäer) frieren fepr, unb auch Wir
frieren gleichfalls.
51m 25. Cftober haben wir ben fieprer fiern
gefepen unb einen Don ben großen Sehvern,
welche Scprer unterrichten.
51m 26. Oftober finb wir in ber (©rüber*)
Äircpe gemefen unb haben gemeinfchaftlich mit*
gefungen unb gebetet; mir finb alle großoergniigt
igefegnet) unb auch unfre .OaPlumit alle finb er»
baut gemefen. 5Sir ©ienfepen (©sfimo) haben
in ber Witte ber S?ir<he mit einanber (in ©Sfimo*
fpradje) gefangen: „3c|u geh Doran" unb baS
©aterunfer gebetet. Sie ©erfammelten waren
burd) untere Stimmen fehr erbaut, unb mir
würben fürbittenb (bem £>errn) empfohlen.
| Sann folgte ein ©tjorgefang: „fjrohlodt, wir
ftep’n getroft DoH 3»Derfiept auf ©ott in 3ion
Digitized by v^ooQie
Pit melden tilgen ein Eskimo Europa betrachtet.
359
feß" u. f. w. Sa mußten mir uns bor ©egen
leinen fRatp, roir alle, unb auch fogar bie Äa»
bluitat. 3llS ber Epor aufpörte, rief ber Ser»
famnilungSpalter nach oben — ba finden bie
Sofaunen an gu blafen: „Stommft bu nun, 3cfu,
Dom £>immel herunter auf Erben" u. f. tu. unb
noch anbere Welobieu. 311S wir fertig waren,
würben wir fef)r pergli(p begrüßt uni» uns bie
£>änbe gebrücft. 2öir Rotten bor bem Sifcp ge«
feffen.
Später finb bie fieprer nocp oft in unfrer
ÜBopnung erfcpierten unb haben gefunden, fogar
ffrouen, in untre glitte tommenb, hoben mit«
gefungen unb itnS fehr auf 3efum hingewiefen.
Eines 31benbS gingen wir in großen Wänteln
unb ©cpapen in ein großes £>auS (baS San«
optitum), um uns ©cpaufa<hen angufepen. ffißir
fuhren, in einem £»auS (2Bagen) fißenb, hin.
3lls wir anfamen, fahen wir biele Wenfcpen
berfammelt — aber eS waren nur menfcpen«
ähnliche Serfonen, fo ähnlich, bah nichts gu
merten war; ja gewiß! Einige fogar holten
31tpem, ja einige bewegten fiep burcp allerlei (eine
Einrichtung) im 3uiiern; ja, adeS gu nennen
ift unmöglich. Such ben SISagen fRapoleonS hoben
wir gefepen, ebenfo allerlei Stinten. 3a, men» ■
ßpenähnlicpe, fehr berfcpiebene (Serfonen), 5Ru»
hier, 3lfritaner, Epinefen, 3nben, Smeritaner,
Äalifornier, ja gewiß fehr biele Semopner ber
Erbe haben mir in Serlin gefehen. 3Me ©onn»
tage war Wufit in einem großen £»auS in unfrer
fRäpe.
Unfre Witmenfcpen (WiteSfimo), bie Familie
Serrianiaf (f$?ucpS), hört auf bergnügt gu fein,
weil fie ber fieute mübe finb. Unb mir im an«
bren £)auS finb gebulbig, obgleich roir auch ber
©a<be fehr miibe finb. 3lüe 31benb beten wir,
baß uns geholfen werben möge, unb bieS (Seten)
fcheint bei uns etwas auSguricpten.
Surcp einige Äablunat würben mir gmar ber«
lacht, aber bäs tiimmert uns nicht; mit einigen
haben wir gefprochen, weil fie englifch berftan«
ben. Wampe haben fiep über unfre ÜRorblän*
ber (bie peibnifcpe Familie) entfeßt. 3<P habe
täglich Arbeit unb geichne Wenfcpen, Sabrabor
unb fRaitt.
3lm 7. fRobember hoben Wir SetriibenbeS
gehabt. Unfer ©efäprte, ber lebige Tobias,
würbe bom #errn feines UngehorfamS wegen
mit ber fjunbepeitfcpe gefcplagen. Wenn bieS
noch einmal gefchicht, werbe ich nach Englanb
fchreiben, wie man eS mir geheißen hat. (?)
IRachher mar ber .frerr fehr freunblid) gegen
mich, unb unferen grauen würben feibene Sän»
ber getauft. Wenn SobiaS öfters miberfpenftig
iß, wirb er feine Segaplung berlieren. 2Benrt
er aber hrab ift, wirb er einen guten 8opn
haben. fRacpper war SobiaS fehr tränt.
Ser Seich, auf welchem wir ffajat fahren, iß
fehr talt. 2Bir mäßen ftets baS EiS entfernen,
ehe mir fahren tonnen. 3 utt *eileu iß es fogar
fehr talt.
Sie Spiere ber ^Berliner (wohl im 3lquarium
ober im goologifcpen ©arkn) haben wir auch
gefehen, ffifepe unb faß aüe Waßertpiere, auch
einen fReßef (tleiuen ©eehuub).
Sleifd» (©eepunbsfleifcp) bermißeit wir gar
fehr, aber mag'S fein. WancpeS ift wohl grabe
nicht fehr gut; wir effen meiftenS in ber Weife:
ffrüp ßaffee unb ©epißsbrob, Wittags Sorfcpe,
ßartoßeln, Sier unb ©epißsbrob. Um oier
Uhr Äaßee unb ©epißsbrob, nm fecpS Upt Spee,
£>äring, Sier unb ©epißsbrob.
Sie (befuepenben) fiablunat bringen immer
©utfcpmectenbeS mit, was fie uns fepenten; große
fjrrücpte, bie fogar ©aft hoben (frifcpeS Cbft).
3ln manchen Sagen habe ich auch im freien
gegeigt, weil eS bie ßablunat fo fef)r wiinfepten.
Wag’S fein, baß i<p eS auch niept böllig gut Der«
ftepe; baS machte ihnen nichts aus.
Wan hieß ntidp beftänbig meinen fRamen
fepreiben, guweilen berlangten eS fepr biele;
einer napm bie ©d)rift bem anberen weg; allen
gu genügen war unmöglich, eS waren ihrer gu
Diele.
31m 10. fRoDember fepneite eS fepr, fogar in
Serlin. Säglich hörten wir bie Stimmen ber
flanonen fepr laut. 2Ran wirb aber hier leicht
traut an ftartem Schnupfen. Sei biefem Un«
moplfein wirb uns bie tägliche Arbeit fcpwer,
bagu ift ©arap, unfer Stinb, tränt unb iß gu
bebauern, baß fie oft allein bleiben muß. Sie
ift aber niept unwillig, weil ße eS fepon Derßept,
baß eS niept anberS fein fann. 3 ll b>eilen er«
palten wir ©elb, gwei ßknee, gwangig, fünfgig
Sence, mandpmal eine 3Rart, auch Eigarren. —
2öie lange iß’S boep bis gum näcpften 3apr, wir
möchten fo gern halb Wieber in unfer £anb gu«
rüctfepren, weil Wir eS niept auSpalten tönnen,
immer hier gu fein; ja gewiß, baS ift unmög«
ließ. Sie Suft brauft unb bröpnt Sag unb
fRacpt Dom ©eraßel ber ©cplitten (fflogen) unb
ben beßänbig tlingenben Stimmen ber Sampf«
pfeifen.
31m 12. fRobember habe icp Sr. ElSner wie»
bergefepen, weldper mit (fiaifer) SBilpelmS fiep»
rer (bem £>ofprebiger ©tödfer) unb noep einem
Wann gu uns tarn. Sie beteten für uns, baß
mir niept Dom £»errit abfatlen unb ßerloren
gepen möchten. 31ncp einige gläubige grauen
tarnen in unfere glitte unb fangen (ober bete*
ten) perglicp. 3 a wirflicp, bie ©laubigen hier
in Seutfcplanb finb unfere ©efepwifter, fie pie*
ßen uns fogar Srüber unb ©cpweftem; ße
weinten fogar, baß wir nicht Derloren gepen
möchten unb ßärtten uns. ©ie brachten uns
wohlfdpmectenbeS Effen unb wollten gugleicp auch
unferen Seelen ©tärtung mittpeilen.
Digitized by v^ooQie
360
Pas uns bas Pikrofkop er}äljlt
©Sbroige (Oefterreicß). 9(m 26. Stooember
fcßreibe id) ^ier in Ißrag, einer großen ©tobt in
ber tJerne, iin Saitb ber Sfatfjoliten. 5öir finb
Zwei Stöodjen bi« im Innern eines großen,
langen Kaufes ; mir hoben in beinfelbeit unfer
£>auS unb werben roertb gehalten. SluSzugeßen
iß unmöglich, bo uns fonft leicht etroaS gefcße*
ben fönnte. SiS jeßt bobe icb noch wenige
©laubige gefefjen, bie aber nicht ju uns (ben
©rübern) gehören. @ie hoben mit fcbwocber
©timme gef ungen, ans 3?urcf)t oor ben $atßo*
lifen. 9tucß wir bürfen nur leife fingen, unb
bitten ben fterrn, baff er uns bewahre unb helfe.
SBeil fie uns beftänbig fragen, ob wir ©läubige
finb, fo tonnen mir eS nicht leugnen unb bejeu»
gen es beftänbig. 3fa gewiß, wir fühlen bie
C>ülfe beS .fj^Trn bei unfrer furcht.
©ineSjlngeB tarnen am Stachmittag fo an*
jäfjlige ©olbaten; bie großen 2*3ege (Straffen)
waren ganz gefüllt; fie trugen Tveuer (fffadfeln)
unb Saternen mit einem ©riff oerfeljen, auch
bie H5ferbe trugen Sichter. (?) 9(IIe machten
allerliebft fcböite SJtufit mit Srompeten.
9lm 27. Stooember höbe ich einen fließet (©ee*
hunb), ben mau aus fpoflanb ju unfrer ©peife
hat fominen (offen, in einem Seich mit bem-
©eehunbsftecher gefchoffen, benn nur fo bnrfte
er getöbtet werben. ©8 faßen feßr biele Wen*
fdjen, fo unzählige zu, unb als ich ihn hör*
punirte, Katfdjten alle feßr in bie ,£)änbe, wie
bie @ibergöufe(mit ben fjtiigeln fcßlagen). 9118
id) ihn fertig (gefchlacßtet) hatte, machten bie
Wufiter eine fo laute SJtnfif mit ©eigen unb
3?löten, 1 vom mein unb Srompeten (woljl einen
Snfcß), baß eS wirtlich ber Diel ©timnten wegen
unmöglich war, mit einanber p reben.
®on tßrag finb mir fortgegangen nach ffvant*
furt (a. SJtain), wo amh Diele Wenfcßen finb.
Siort hatten mir jmei Raufer im freien in
einer Umzäunung. 9öäßrenb unferer bortigen
9lnwefenßeit mürben mir 2ag unb fitacht ftets
Don ©olbaten bemacht, bie fiel) ablöften. fKucß
bort finb mir oft auf bem Seid) Äajaf gefahren.
93on ba fuhren mir in einem Schlitten auf
Stöbern, mit ißferben (hefpannt), mir ade, in
ber Utocßt nach Sarmftabt.
3fn Sann ft abt hatten mir ein fchöneS |)auS
in einem fcßöiien großen runben &ou§, welcßeS
ber ©pielploß ifi jum Sd)(ittfcßublaufen auf
Staben?. Sort finb wir oft im Innern beS
4?aufeS im ffreiS ©cßlitten gefahren.
£ier hörte eines bon uns, Serrianiats Socß«
ter, Stachafat, auf, ju leben, nie ftarb) feßr
fd)tiell unb fißmerleibenb (an ben ©lattern).
3« einem aubern 0rt, ©refelb, ftarb aueß ißre
Wutter, 93oingu, unter fcßwereit Seibeit.
Sann entfcßlief (ebenbafelbft) im Trieben
and) unfer ffinb, bie tleine fearaß, an fcßlim*
mem 9luSfchlag unb ©efcßmulft beS ganzen Ztör«
perS naeß zweitägiger Ärantßeit. ©ie war in
baS ihaiifenhauS gebracht worben, wohin icß fie
begleitet hatte. 9Bäßreub icß bei ißr mar, mar
fie bei Semußtfein unb betete bas Sieb: 3<ß
bin ein Keines Äinbelein u. f. m. 9118 icß fort*
ging, ließ fie ißre fDtutter unb Keine ©eßwefter
grüßen. 9118 id) fie berließ, fcßlief fie unb ift
nießt mieber erwacht, was uns große Urfacße
juin San! (gegen ben $errn) war. fltocß oor
ihrem Sob mußten wir nach tßariS abreifen unb
finb bie ganze Stacht unb ben ganzen Sag unter»
wegS gemefen.
* *
*
Soweit 9lbraßamS Sagebuch, Wie es jüngft
bnreß baS fötiffionSblatt ber 93rübergemeine per»
öffentücßt Würbe. —
3$n0 uii0 bo0 Uliltrofhop cijäljlt.
Sur £au$ nn \i #crb uou g. Iflrrt.
S eute füt)re id) ben £efer in ein moblbefantu
te§ Soncert. $?er bat nicht fdjon ben ein=
tönigen Welobiett ber Würfen gelaunt?
2öer bat nicht f^on bie ©ebulb»probe beffanben,
toenn nach ermübenber Parteiarbeit man bas 8a*
rter aiiffm^te, unb ber ©cblafeugel einen eiumie*
rten mollte, aber nicht tonnte, oor bem Sieblein:
roerb’ bid^ fdjon ftnben, 3$ toerb’ bid>
fdjon finben !" — toelche» gewöhnlich oom lauf*
ten Slito bi§ in§ fcbviüfte Piicant" oorgetragen
wirb? 9tun, ba§ ©iugen liefee man fid) fd)orr
gefallen, aber bie 9Mrfe fllei^t bem itaiieuifeben
Cr^elbre()er an ber (Srfe — fie toill Selobnuni}!
9l(fo bie» bringt foaieid) gum ^unft. 3l>er bie
ßntmirflun^öefcbicbte ber Würfe fennen lernen
toill, oermeife \ä) auf ^abtt^ann 7, ©eite 426
biefei 9Jiaita3in§. ^ier toollen mir nur befon*
bere Organe berüctficbtiflen. 9Xuf bem bei^e*
^ebenen Silbe fie^t man bei 9Jo. 1 ben ftopf
18 93tal oergröfeert, mit ben äaftern unb güb®
lern. 2)ie grofeen sufammengefej^ten 9lugen be*
berfen beinahe bie Hälfte bee Äopfei. ^er
©augriiffel ift in ber Witte abgeriffen, um bie
in bemfelben firf) befiitbenben ©teebmerheuge ju
geigen. S^iefe fiiefertbeile befteben au» borften*
artigen 8an?\etteu, oon benen jmei ficb megen
ihrer befonberu Sefcbaffeitbeit Oon ben aubern
uuterfebeiben. nach ber ©pecie ber 9Jioetito»,
finb biefe mit Keinen Jfnollen befept, ober finb
jägenartig mit ^übnnt oerfeben, ober and) mit
Sjiberbafen, mie9to. 2, eine ©pipe einer folcbett
San jette, 475 Wal oergröpevt, barfiellt. SJiefe
fiept mirfliib gefiibrlicb au«. 3)ie 3«den unb
pateu bienen mobl baju, ba§ unter ber Cberbaut
liegenbe Öiemebe ju jerreipen, mn ein freiere^
Digitized by v^ooQie
Pie amerihanifdje
361
$ie TOoMite.
fließen bc§ Slutc§ §u oerutfacpeu. 5li$äprenb
bem Saugen ift ber Scplaudj bogenförmig ße*
hoben; bie in bie ©aut ßcbränßten ffiorfien
ftnb burc^ eine, auf ber Unterfeite be$ 9tü|fel§
fiep befinbenbe, ooin 6nbe bi» 311m SJopf laufenbe
Spalte perauȧetreten, ltnb roevben nach ber
<öättißunß roieber in benfelbeu aufßenommen.
©efoitberS mannigfaltig finben mir bie güfee
biefer Buletten. 4)ei 9to. 3 roerben nur gtoei
bar^eftellt. 9Jiit biefen fönnen fie fidj an ©e«
flenftüuben feftpaften.
Cben, Wo. 4, fteflt einige ©puppen, tnomit
Seine, Waffel, Flügel unb 2eib bebeeft finb,
bar. 3pre $orm ift oevfepieben, je nach bem
ifjeil, ben fie beefen.
SÖenn nun biefe Whififanten bir einen Sefuch
abftatten, fo mirft bu befonber^ bas, roaS auf
bem ©ilbe fiept, bir *u Oerßeßenroärtißen roiffen,
bettn ba3 tomnit bir am näcpften.
Pie mnmhntiifrijf Sdjtwif.
Sott CtnWnttnm.
(§ietju ber ©tablfticp.)
ie fWiagarafälle ausgenommen, jiefjen bie ®e»
birgsianbfebaften im Staate 9Jew=£amp=»
ffjire wegen ber Wonnigfaltigfeit unb
©rofeartigleit ihrer Sceitericn bie meiften Ser=
gnügungSreifenben in 9!orbamerifa an. Tie
2B^ite WountainS ober 'Beißen Serge betjnen
fictj freilidi mir 15—20 Weiten weit ane, fie
finb aber bie hödjften Grhebnitgen in 9letu@ng=
lonb nnb — tunt) ben Stad WountainS in fJlorb«
Garolina — in ben Staaten oft lieb Dom Wiffif»
fippi überhaupt. Sie entfielen mit ungefähr
jwanjig uerfihiebeiten ©ipfetn einem Tafel»
Ianbe, befjen WeereSljöhe beiläufig 1,550 gnjj
beträgt unb welches Bott mehreren tiefen, engen
Spätem burebfnrebt tnirb. Tie Oiipfel foitbent
fitb in jroei ©nippen, beren öftlichc als bie
eigentlichen SBeißett Serge befannt finb, wäb»
rettb bie toe ft liebe bett fRatnett tJrnnconiogebirge
trägt; jtoifdhen beiben breitet ficb baS ermähnte
sptiiteau aus. Tie Wichtigkeit ©ipfet ber Cft»
gruppe finb Womit SJafbington, ber böchfte Bon
allen 6,285 gufj, bann bie ißevgc 9lbum», ^ef=
ferfon k .; jene ber öramoniagruppe: Wonitt
Safapette 5,508 guß, Sibertp, 6 berrt) Woutt»
taiit unb Woofehitlod 4,636 tvttp. 91 n bem
Sübranbe beS Sßlateau ragen SBb'teface Wotitu
tain, Ghocorua ipit, 3,385 fjfufc, IKeb £>ill unb
Cffipee, enblich im Süboft ber Rearfatge Serg
empor.
SSier große T holet geftatten ju biefetn ©e=
biraSlanbe 3 u * r *tt: jenes beS Gounecticiit, beS
großen ©renjft votneS, welcher 9tcw=£inmplbire
Bon bem meftlichenftlachbarftaate Setmont fd)eU
bet; baS Ttjal beS Sttbroscoggiu, ber im 91or=
ben 9tew*£>ampfbireS entfpvingt unb in jubetn
Sogen bem Renttebec in Waiiic jufließt; baS
hier beginttenbe Thal beS Saeo, ber gleichfalls
in Wallte ben Ceeatt erreicht, enblidt ba* 'b'cmi=
gett>affet=Tbal, eine Wbjmciguug bee Werritnac.
£efcterer Strom, welcher aus jwei Cuellflüffen
entfpringt uitb bett gattjeu {üblichen 2()eü'J?ew«
£ampfbireS bewäffert, erhält, wie bie übrigen,
bie Seifteuer Bieter Sache unb fflüiVbeu, bat
aber auch jWblrenhe Ratarafteit, welche im ©e=
biete ber SYipeu Serge and) bett anberen ffie=
wäffern eigenthümlich finb. •
SBir wählen baS Thal bei Saeo, beffen
Turcbbrucb burch bie Serge bett berühmten
„fRotih," eine 2 Weilen lauge uitb fteUeuweife
blo§ 24—25 fpiß breite Schlucht bilbet, als
eines ber malerifdifteit, um itt bie SOhite Wottn«
tniiiS eiujubringeu. Slir befiubett uns hiev am
'Jlorbenbe bei großen See IBiuuiptjiogee, welcher
Digitized by v^ooQie
362
Hus btt JHtrgtnbünmetnng btt titutn 3tit.
giemliep bie Witte beS Staates einnimmt, unb ausgebepnt, ftcf) bis an bie SRattlefnale = Äette
umgeben Don beit Sanbroitp» unb Dffipeepiigeln unb Womit Äearfatge erftrecft, bie Meine ©bette
mit bem Süpiteface» unb ©pocorua«©if als i bilbenb, wo baS Stäbtepen 9tortp « ©ontoap am
pöcpfte Spißen. ©on ©entre £>arbor, einer be« ©ergeSpange flebt. 3lm $uße beS planes breitet
liebten Sommerrefibeng am Storbpaupte beS fiel), baS 3;pal meit aufwärts, ber grüne fRafen«
Sees, bringt ein regelmäßiger Ißoftbienft bie fammet bon SEÖiefen aus, welche bie perrlicpftcn
Steiienbeu und) ©onwap unb burd) böbereS Ulmen, gruppen« ober reibentoeife beifammen
£>iigellanb auf ein ftoepplnteau, bon Wo man ' ftebenb, befepatten. £)ier unb bort glißert ber
baS gange |)öpen »?lmppitpeater überfepaut, bis 1 Saco im Worgenfepcine, mäbrenb an anberen
enbticb gu ©aton ber (Gipfel beS Wount Söafp« Stellen er fi<b hinter benbutifelnSlporngepölgen
iitgton beutlicp fidjtbar tuirb. ®ie intereffantefte I berbirgt. 3lm nörblid)en ©ube beS $paleS finit
ftigur in ber Sanbfcpaft ift inbeß ber ©pocorua, Wote Wountaiu im fogenannten „ÜeufelS Cepn»
beffen erfter ©inbruef gerabeju überrafepenb ftubl" (Devils Arm-chair) ju einem niebriaen
mirlt. Unb wenn nun ber @iIntagen im näept« £mpenguge perab unb ber ©artlett f(prägt fiep
licpen IDunfel babinrollt, fo ift eS immer »ieber ab, um einer weiten Oeffnung Sßlaß gu maepeu,
baS ftolge, feparf gefepnittene profil beS ©poco«. aus roelcper Wount SBafpington unb bie anberen
rua, welcpeS felbft auS ber ginfterniß auftauept, ©tipfei ber weiften Serge, ieber beutlieb bom
unb tritt man naep langer ©Jalbfaprt wieber ins anbern getrennt, in ihrer boflen ©reite empor«
t^veie, fo fällt ber ©litt guerft auf jenen ein» lampen. Sßäprenb ber 3lnbli<f beS ©ebirgcS
famen ©ipfel. $aS Stäbtepen ©onwap, Wo bom Dtorben aus mepr ober minber feproff unb
man gu übernaipten pflegt, liegt feport im Stpale großartig fiep geftaltet, ift Ciebliepleit ber paupt«
be§ Saco. SBenige Weilen weiter unb ber lang fäepliepfte ©paraltergug im SanbfepaftSbilbe bon
geftpwuugene Wote Wountaiu unb bie aebroepe« ©onwap. 3lber niept bloS bie £>ügel, fonbern
neu Umriffe ber Stattlefnafe Stange (Klapper« auep baS S)orf felbft unb bie faftigen Sßiefen
feplangen=,Qette) nepmen bie wieptigften Stellun« 1 am Saco erhöben ben milben Steig biefeS Wapren
gen im '-Panorama ein, mäprenb bie Offipeepügel 3Irfabien ber SBpite WountainS.
immer mepr unb inepr am fiiblupen ^torijonte Solch liebliepe später giebt eS in Stern £tamp«
bem ©liefe eutfepminben. ©S mag um neun Uhr fpite noep eine gange 31ngapl. 31 ber eS fcplt auep
WorgenS fein, wenn bie ©oftfutfepe in bie Straße niept an milber, großartiger ©ebirgSfcenerie,
am Staube DeS ebenen ©eftabeS einbiegt, baS fiep g. ©. bie ber ©>afpington= unb Kearfarge»©erge,
32 — 38 8fuß über bem Saco erhebt unb, 2 bis j fo baß bie weißen ©ebirgt mit Steept bie ameri«
4 Weilen lang bis gum fjuße beS Sartlett=©ergeS I fanifepc Scptttcig genannt Werben.
JUt0 btt IHorgeubömtnerung brr unten Jett
Sine (Srjäfylung auS (Suglattb.
gär §*it8 mtb #crb tum SB. ftöttrfe.
(ecbiuß.)
gen gegogen Würben. $iefe Waren ungefüfer t)ier
frufe Dom ©oben unb gwei gufe öon einoitber.
2öenn fte bem grärbet bienten, fo batte er fein
3etig baran geheftet, bis eS troetnete; über in
ber ©erfammlung bienten fie als ©tüfee für bie
ftefeenben 3ufeörer, bie fidfe barauf lehnten. SDurd)
eine eigene ©orfeferung fonnte man biefe Seile
afle auf einmal auf ben ©oben feermtterlaffen,
fo bafe man mit ©cfenelligfeit feinanSfommen
tonnte. $)er Färber ^otte oft nadfe einer folgen
3ufammenfnnft feine ©eile gu reinigen, aber er
liefe ficb biefe ©Jüfee niefet oerbriefeeti, benit ber
getyenbete ©egen ber 3ufammenfünfte biente
als reicher Sofern
tiefer grärber, fiemiS ©erntet, batte gtoei
©öfene, Stöbert unb Sticfearb, ber eine groangig,
ber anbere gweiunbgwangig Safere alt. %\n ©e*
fcfeäfte beS ©aterS waren fie ifem feine reefete unb
i w JTJ #aS 2rodenfeauS beS SfärberS ftanb
an bem Eingang eines 2fealS.
toar ein grofeeS, UieredigeS ©e«
^ bäube ofene 3 m iW enn) änbe. 8inen ge*
eigneteren Staum für ©erfamtnlungen
•te unter bermaligen ©erfeiiltniffen fonnte
' man fiefe niefet benfen. StingSum waren
©erge, bie mit Söalb unb $itfi(fet bebedt
! waren, wo man leidfet einen ©erfted unb
Sibufe finben fonnte. Sw $aufe felbft
war weber Mangel noefe Sifdfe; aber in
einer 6de war ein grofeer fteinerner ffeffel
angebracht, ber als ©tanb für ben ©or*
lefenben ober Stebner biente, ©tüfele ober
Sänfe fefelten aticfe, aber bafiir featte man
als ßrfafe bie Irodertfeile, welcfee bon einer
Söanb gur anbern in aleicfemäfeiaen ßntfernun*
Digitized by
Google
Hus bet Sforgenbümmerung btt neuen Jlrit.
363
linfe ftaub; aber fo waren fie auch fein rechtes
unb liufeS 2luge für bie Sicherheit ber beerbe,
wenn fie im DrocfetihauS ©erfamntluttg hielt.
Belehrung flohen fie nicht bor, aber fie waren
ben 3)tönchen unb ©rieftern nicht holb, unb ftan»
ben jebergeit bereit, für bie berfolflten Sollhorben
eingutreten. ©eit unb breit war feiner gu fin»
ben, ber fich erbreiftet hätte, mit beS „gcirberS
jungen" ongubinben.
So befannt nun auch Johann ©rown mit
biefer ©egenb war, fo hotte ihm hoch bie bunfle
5tocht e§ fdjmierig gemacht, ben fchmalen ©eg
gum DrocfenfjauS gu finben, aber hoch flelanfl eS
ihm enblidj. Gr bog ein, mar aber lount einige
Schritte gegangen, fo tönte eS ihm entgegen:
„Die Sofung!"
„©rot unb ©ein," fagte Johann.
„2llleS wohl!" war bie Grmiberung.
„©ift bu baS, Stöbert ?" frng Johann.
„3<h bin’S," mar bie Mtroort, unb eS raffelte
fogleich in ben ©üfchen.
„3 ft DhomaS ©amt angefommen?" frug
3ofjann.
,,©on biefer Seite nicht, aber eS fann fein,
bafs er oon ber anberen Seite gcfommen ift. Gr
hielt fich lefcte Stacht bei Sieter ©apleS in ©eab»
ftone auf. Dtidjorb hot bie ©adje nach jener
Seite unb wirb uns halb barüber berichten tön»
neu," war bie 'Antwort.
©alb mar man bei bem SErocfenhauS ange»
fommen; man ftopfte, bie Sthtir öffnete fich »ob
fte traten ein. Cbgmar eS noch früh war, fo
hotte fich fdjon fine nicht.unbebeutenbe Mgabl
eingefuitben.
9flS Johann ©rown gemelbet Würbe, trat ber
fjcirber herbor, fc^üttelte ihm fräftig bie £atib
unb fagte: ,,©ie bin ich boch fo froh, bafjbu
gefontmen bift. DfjomaS ©ann wirb heote
Menb fchwerlich fommen. 34 hörte geftern, baß
ber ©mtmnnn Gljilton fein ©erfiecf entbecft unb
fich ouf ben ©eg gemacht höbe, ihn einguholen.
Sogleich hohe ich StogerS gu ©ferb nach ©eab»
ftone gefanbt, eS ihn miffen gu laffen. Schon
eine gute ©eile warte ich auf feine Stiicffehr, unb
immer DergebenS."
„^öffentlich wirb Weber ihm noch bem StbomaS
etwas Schlimmes gugeftoßen fein. 34 will es
ben ©erfammelten mittheilen unb fie gum ge»
meinfdjnftlicheu ©ebet für unfere ©rüber auf»
forbern," fagte 3ohann.
©om Seither nnterftiißt mar er halb auf ben
fteinernen Jleffel geftiegen unb rebete bie ©er»
famnielteu folgenberinajjen an: „©eliebte in bem
fjerrn! Da biefeS böfe Stage finb, in welchen,
unter ber fiangmutb ©otteS, ber ©itidjrift bie
©eroalt befißt, bie Sfnechte ©otteS gn oerfolgen,
fo ift eS nngemeffen, baß mir unfere fjergen unb
$chibe gu unferem großen ftönig emporbeben,
baß unfere leibenben ©rüber unter bem Schatten
feiner fjliigel ficher Wohnen mögen. Sollte
3einanb hier fein, in beffen ©erg ber ©eift ©ot=
teS baS ©erlangen gelegt hat, für StbomaS ©ann
ein ©ebet gu fprechen, ber nehme fich i e ßt bie
Freiheit."
„34 höbe eine ©itte bem großen ©ohenpriefter
bargubringen," fagte Sthurfton fiittlegoge oon
©udinghamfhire. Gr hob feine ©ätibe empor.
MeS fönt ouf bie ftniee. ©an fonnte balb aus
ben Scufgern unb bem Stöhnen inerten, mit
welchem Grnft bie Fürbitte für ben ©ruber, ber
fie fo oft getröftet hotte, bon Men unterftüßt
gum ©nabenthron getragen würbe. 2llS baS
„Mien" oon ©unb gu ©unb erfcholl unb alle
fidh aufgerichtet hatten, ftimmte man ein Sieb
an, baS bem ©efühl ber Ströftung, baS im ©e«
bet gewonnen würbe, Msbrucf gab.
hierauf nahm Sthurfton fiittlegoge baS ©ort
unb fagte: „©eliebte in bem £errn! 3h* tbut
wohl barati, bem £ierru ein fiieb gu fingen, beim
wir müffen bie Siebe Gbrifti anerfennen, welche
im Gbangelium gu uuS fpricht: „Selig feib ihr,
wenn euch bie ©enfcpen uni meinetwillen
fchmähen unb berfolgen, unb reben allerlei
UebelS mieber eu4, fo fie baran lügen; feib fröh¬
lich unb getroft, eS wirb euch ini £>imme( wohl
belohnet werben!" 3efuS hot bie Mefidü auf
biefe ©rfahrungen feinen 3üngern gegeben unb
ben Stroft einer enblid^en gnäbigen Grlöfung
nicht oorentholten."
©an fang einige fiieber. Sobann nahm 3o*
bann ©roinn feinen mitgebrachten Dractat her¬
aus unb (aS ben ©erfammelten oor. ftaum
hotte er recht angefangen, ba mürbe bie Stfjür
fchnell geöffnet, unb ütidjorb fchrie burch’S ©e»
Bciube: „3<h wittere Unheil üon 9iorbcn! Gilt!
eilt!"
Die Seile fielen auf ben ©oben, bie Dljüren
nach Siib, Oft unb ©eft flanben offen, bie ©er»
fammelten gerftreuten fici) unb ffinben ihr ©er»
ftecf, ber Gine hier, ber Mbere ba. Die Sichter
waren eben fo fcbnell gelöfcht unb bie Stljüren
wieber oerfcfjloffen. 3u einer unglaublich Jürgen
^eit War beS gfärberS StrocJenhouS fo leer unb
einfain, als ob feine 3ufammentunft bafelbft
gewefen fei. Der ffiirber felbft hotte 3of)fl»n
©rown unb beffen «flinber in einem Dicficpt
neben einem Reifen unweit beS StrocfenhonfeS
oerftecft. ©alb hörte man oon 9torben her baS
©iehern eines ©ferbeS.
„Gi, baS ift ja mein ©ferb," fagte ber ftcir»
ber. „SRogerS fehrt jeßt heim unb 9ti<harb hat
ihn für einen fteinb gehalten."
©an hörte balb Stimmen unb ©eladjter unb
eine mohlbefannte ©elobie warb gepfiffen.
„MeS in Crbiiung; Diicborb giebt foeben baS
3eichen. heroor gu fommen," fagte ber gfärber.
3obann ©rown unb feine Sfinber eilten aus
bem ©erftecf. Die Stpür beS StrocfenbaufeS ftanb
Digitized by v^ooQie
364
Hus bet fttorgenbämmerung bet neuen Jett
mieber offen, unb Stöbert günbete bie Steter wie«
ber an. Den .'peveintvetenben melbete er fogleid):
„SogerS ift »ieber ba, unb einige greunbe finb
mitgetommen, »er benft ihr wobt?"
„SBie fönnen »ir baS wiffen ?"
„DbomoS Staun unb feine Üodjter Clara,"
fagte Stöbert freubig.
„SBie! 2BaS!" rief ^fo^antt ©ro»n unb eilte,
fie fdjnell gu be»iflfommnen.
„fjalt, l)ci(t!" rief ber gärber, „hierher, ich
will bid) binfiibren."
Der gärber jiinbete eine gadel an unb ging
ooraus, bie SInberen folgten. Sn ber Sorbfeite
angefommen, fab man in bent unftöten Siebt ber
gadel brei ©erfouett gu ©ferbe: Clara Stann,
ein Stäbchen oon acbtgefin fahren, DbomaS
Stann, ibr 3Sater, unb SogerS.
„DbomaS!" rief Johann.
„Johann!" roar bie Sntmort, unb DbomaS
batte ficb oom ©ferb gezwungen unb lag in
feineä greunbeS Firmen.
3lnbeff batte fid) bie oerfdjeuchte ©efeflffhaft
mieber im Drodenbanfe eingefteflt. lieber eilte
man, benn Sitte »aren aut bie SuSeinanber*
feffung gefpnnnt. ©o gab benn DbomaS Staun
üorerft ©eriebt, »ie er bon ber ©efabr in ffeitnt»
niff gefept »orben fei unb fid) ohne ©äumen gur
glud)t angefdjidt habe, unb »ie fie bie £>aupt=
ftraffe gemieben unb auf Ummegen gereift feien.
Weshalb fie fo fpät anfämen u. f.».
Sad)bem bet '-Bericht bernommen »ar, fagte
bev Färber gu Sobann ©romit: „2Bo foH jefft
ber DhomaS bleiben ?"
„£ier »erbe id) gemifflich nic^t bleiben," fiel
DbomaS ein, „Cbilton mürbe mich halb ent»
beefen. gef) muß morgen fdjon in oder grübe
fort. ©eter Staples fagte mir, baff id) »abr=
febeiulieb äburfton Sittlegage hier treffen roürbe."
„Sichtig, er ift hier," fagte ber gärber. „Cr
bleibt bie Sacht bei mir unb »id morgen mieber
beim, giir bid) ift auch nod) ©laff."
,,©o ift’S gut. Da id) glaube in Sudingbam»
fbire fieberet gu fein als b»t, fo werbe id) mit
ipm reifen." ©id) an gobann »enbenb, fuhr er
fort: „Sber bie Clara fann icb nicht mitnebmen.
geh habe fie mit bierber gebracht, bamit fie bei
bir bleibt."
„Cb, »ie freut mich baS," fagte Slice, bie
Clara umfoffenb.
,,grf) hoffe, fie »irb bir unb Coufine Clifabetb
nicht lange gur Saft fallen," fagte Stornos.
,,gd) hoffe unb bitte ©ott, baff halb beffere 3 e *=
ten eintreten."
„Studie bir beSbalb leine ©orgen," fagte go»
bann, „fie foll uns eine rechte Docbter fein.
Dein ©ott ift mein ©ott, unb mein $aus ift
bein tpauS."
©iele SB orte ber Siebe unb SEröftuug »urben
hierauf geroecbfelt. Cnblicb tarn bie ©tunbe beS
SufbrudjS. ©ie beugten {ich äße oor ©ott, unb
DbomaS Stann betete mit groffer gnbrunft unb
empfahl Sfle bem ©d)u| beS aflgnäbigen ©otteS
unb £eilanbe§. ©ein Sbfd)ieb oon Clara »ar
rübrenb, benn er febien eine Sbnung gu haben,
baff er fie auf Crben nie mieber an feine ©ruft
briiden »erbe. Stitternadjt »ar eingetreten, als
man ficb trennte. SBie man Oorfidjtig gufammen«
gefommen »ar, fo ging man auSeirtanber.
Johann ©roron orbnete an, baff Slice unb
Clara borauSgingen, unb er felbft mit bem tlei»
nen Johann in einiger ©ntfernung folgte. Der
gar ber fliifterte feinem ©offn Stöbert ins Ctjr:
„gb* werbet woffltbun, borauf gu feben, baff
Johann ©roron mit ben ©einen fidjer heim
tommt."
3br jeffiger 2öeg führte fie burd) einen bid)»
ten üöalb, ber baS Dunfel ber Sacht noch erhöhte,
fo baff bie oorauSgeffenben Stäbchen manchmal
Stühe batten, ihn recht eingubalten. SIS fie
enblid) ben üöalb hinter ficb batten unb ins greie
traten, ging ber Stonb auf, fo baff fie in ber
gerne ben ffirchthurm oon Sfcbforb feben tonn»
ten. ©<bon batten fie eine gientlid)e ©trede beS
SöegeS guriidgelegt, als fie plöfflid) burd) brei
Seiter in ©djreden oerfept würben, bie gerabe
auf fie gnfanten. Offene gelber lagen rechts unb
linfS unb lein ©erfted geigte fi<h ihnen, ©ie
lehren um unb eilen nach bem Sßalbgurüd; aber
oergebenS—bie Steiler batten fie halb eingebolt.
„Sch, fdföite gräulein," fagte jept einer ber
Seiter, „fürchtet euch nid)t bor uns. 2öir tbun
euch nidhtS gu Seibe."
„Sßir freuen unS auf bie angenehme ©efeß»
fchaft," fagte ein anberer.
„©itte, gräulein, »er feib ihr?" fügte ber
britte, ein Stann im mittleren SebenSalfer, ber
bur<h bie breite ©chärpe um feine ftleibung halb
als ein Diener beS ©rgbifd)of6 erlannt »erben
tonnte.
„SBir finb Oon Sfchforb," fagte-Slice mit git»
ternber ©timme.
„Unb »ie beifeen ©ie?" fragte er weiter.
„SBir ftnb oon Sfchforb," fagte Clara aus»
»eidfenb.
„Ci, fo gebt ihr ia Oertehrt, ber SBeg nach
Sfcbforb gebt b^r b>aauS," fagte einer ber
Herren.
„Unb fo fpät!" fagte ber anbere, inbem er
oom ©ferb abftieg. „3cb bente, biefe fd)önen
©ringeffinnen ber Sacht »erben uns bauten,
wenn »ir ihnen bie ©bre ermeifen, fie gu ©ferbe
gu feffen unb fie nach 2Bpe bringen."
©ein ©efäbrte folgte feinem ©eifpiel unb fie
ergriffen bie Stäbchen, um ihr ©ortfaben aus»
gufübren. Diefe a6er »ehrten fiep nach ffräften
unb fchrieen um 4>ilfe. Jjefft eilte Johann
©ro»n, ber feinen tleinen ©obn gurüdgelaffen
batte, b«rbei unb »arf {ich mitten unter fie.
Digitized by v^ooQie
jus bei Slorgenbämmerung bei neuen Jett.
365
„(je, meine Herren, rnaS habt ißr hier Dor ?"
tief er.
„©ater, ©ater, hilf!" f4*<e ©lice.
„2Bie!" |'4rie jefit ber Wann mit ber langen
Schärpe, ber ju ©ferbe geblieben mar, „menn
i4 nießt irre, fo finb Sie Johann ©romn bon
51f4forb."
„&o Reifee i<ß, ©mtmann Eßilton," fagte 3o*
bann. „©tuß i4 eS erleben, baß meine SLöd)ter
auf eine iolcß’ unsiemlidje 333eife Don ©tännern
mie ©Jalter unb SBiüiam ©tote boit ©raoeSenb
beßanbelt merben ?"
„Sie fcblecfjter £unb!" fcfjrie ©(alter ©tore,
„melcße ©eßanblung oerbienen ©täb4en, bie in
fo fpiiter Stunbe auf öffentlicher Straße fid)
berumtreiben ?"
„2Bir roaren bei fjreunben in Elmfteab auf
©efueß, unb febren jeßt frieblidj beim. Unf4id«
lieb mirb baS roobl mißt fein. Saßt uns nur mit
Trieben," fagte 3<>hmin.
„2öie beißen bie gfreunbe ?" frug Eßilton.
3oßann ©romn gab feine ©ntmort.
„34 befehle, baß Sie ben Warnen nennen,"
feßrie ber Vorige mit bonnernber Stimme.
„©tarunt follte i4 baS moßl tbun ?" frug 3o«
bann rußig. „3b* gebt eure ©kge, mir geben
bie unfrigen."
„Wi4t boeß!" tief Eßilton, ibn bom ©ferbe
aus paefenb, „Sie finb mein (Befangener; gemiß
haben Sie an einer ©erfammlung ber (jaretifer
tbeilgenommen. 2öir haben Sie feßon längft in
IBerbacßt, unb jeftt mirb moßl bie $eit gefommen
fein. Sie ins Sßerßör ju nehmen. Sie geßen
mit nadß 2öße; biefe Herren merben bie ö?räu=
lein fißon in Wufficßt nehmen."
„2Bo ift 3br ©erßaftsbefeßl ? Sie ßaben
fein Weißt, mich gefangen }u nehmen," fagte
©romn unb riß jt(ß bon ißm loS.
„2BaS, Sie rnollen fieß einem Seamten miber«
feßen? (jier, meine Herren," rief er, „neßmt
biefen Wiemen unb fcßnaOt ißn um feinen £>alS.
2Bir roofleit feßon mit ißm fertig merben."
Wuf.biefeS SBort ließen bie beiben ©rüber bie
SDtäbcßen loS, unb roarfen fieß auf ben ©ater,
ber jicß aber mit aßet ©taeßt miberfeßte, mäß»
renb bie Wtcibcßen bor 3?ur<ßt feßrieen. 2öer
fann aber 3bßann Sromn’S Ueberrafcßung be«
feßreiben, als er faß, mie auf einmal feine ©n»
^reifer naeß littfS unb redßtö }u ©oben ftürjten.
„Wobert! Wicßatbl" feßrie ber überrafeßte
HJtann.
„3mei gegen Einen, ift bodß ju toll," fagte
tHobert ju ©(alter ©tore, ber fieß eben aufraffte.
„0ß! beS Färbers 3ungen!" rief Eßilton
itberrafeßt, gab feinem ©ferbe bie Sporen unb
jagte baoon.
„So, jeßt paeft euch," fagte Wobett ju ben
tDtore’S, „ünb laßt eueß hier nießt mieber feßen."
SBalter unb ©Mfliatn ©tore ließen fieß baS
unter ben Umftänben nießt jmeimal fagen, fon»
bern fliegen eilenbS auf ißre ©ferbe unb jagten
Eßilton naeß.
Wobert unb Wießarb gaben nun ben ffreunben
offenes (Beleite in ißr ©eim naiß Wjcßforb.
IY.
Einige Sßocßen maren üerftridßen. Elifabetß
faß als eine ©enefenbe gunt erftemnale mieber
am 3?omitientifcß. ©lice mar in ber .(hieße unb
traf befonbere ©orbereituitgen für biefe ©elegen«
heit. Elara befeßäftigte fieß mit bem jüngften
©ntömmling. 3oßann ©romn, ber ©ater, mar
in ©efcßäften naeß Sonbon gereift, mürbe aber
jeben ©ugenblicf ermartet. 3?ßt braeßte ©lice
einen großen (fließen unb feßte ihn bor ber
©tamma auf ben Slifeß mit ber Jrage: „3ft baS
nießt ein präeßtiger (tu4«n ?"
„34 füreßte, baß bu ein rnenig gu Diel £efe
ßineingctßun ßaft," fagte bie ©tutter.
„9lcß, menn ber ©ater nur feimc! 34 meiß,
er mag ben fhußen am liebften, toenn er ßeiß
ift," fagte Elara. Sie nannte 3°h<mn unb
Elifabetß jeßt immer ©ater unb ©tutter.
©tan ßörte fefte Stritte.
„®a ift ber ©ater!" rief ber Heine 3oßann
unb eilte jur Stßür. 3m nä4ften'91ugenblide
ßatte bie ©tutter einige fitiffe erhalten, unb 3o=
ßamt ©romn fagte: „34 münfeße ©liicf, gute
©tutter, gur SBieberteßr in ben gfomilientreis.
®em fjerrn fei ®anl, baß er bi4 no4malS mie«
ber aufgeri4tet ßat." 2)ann naßnt er Elara
baS Äiitb ab unb ßob es freubig in bie ^)öße.
„Ein prä4tigeS (finb," fagte er, „eS ift in ben
leßten Pier jagen gemiß um einige ge«
ma4fen."
„3eßt aber ben (tu4en!" rief ber Heine 3o«
ßann.
Sie ©tutter f4idte ft4 an, ben (fu4en *u
jerfßneiben, unb mäßrenb Stille fi4 um bie 2afel
fammelten, frug fie ben ©ater bebä4tig: „3fl
auf ber Weife etmaS ©efoitbereS oorgefaKen?
34 mar beforgt, bu mürbeft mit ben ©tore’S in
©rabcSenb jufammenftoßen."
„Wein," fagte S^honm „i4 habe fie roeber auf
bem ^)in« noöß auf bem (jerroege getroffen; aber
auf bem ©oot hatte i4 eine Unterrebung mit
einem ©riefler. ES traf ft4, baß mir neben»
einanber faßen, unb ba baS ©ktter etmaS rauß
mar unb baS ©oot bon ben ©Men ßin unb her
gemorfen mürbe, gef4nß baß mir mnn4mal
aneinanberftießen. $er ©riefter frug mieß barfeß:
„StBeißt bu au4, roer i4 bin ? ®n fißeft mir
ju naße unb auf meinen (fleibern!"
34 antmortete: „34 leune Sie ni4t, mein
? )err." 3n einem heftigen 2on fagte er: „34
in ein ©riefter!"
„So," fagte i4, „maS finb Sie benn, ein be«
flaöter ©riefter, ©icdr ober ^muScaplan ?"
Digitized by v^ooQie
366
Hu» ber PorgtnbSmmtrung brr neuen 3ett.
„(Rein, id) bin ein Wefepriefter," tDör bie 9Crtt=
wort.
„S3o3 ift benn ein Wefepriefter ?" frug ber
f(eine Sohoitn feine Wutter.
„©in Krieftcr, ber Weffen lieft, um Seelen
au» bem Segfcuer gu befreien," faßte fie.
„©8 fliebt bod) fein gegfeuer, Wutter ?" frug
er wieber.
Sie fugte: „3Bir lefen borüber nichts in ©ot»
teS 2Bort." 3u ihrem Wunne: „2BaS paft bu
ihm beim gefugt ?"
„(Run," fagte Johann, „ich frug: Sitte, mein
fjerr, roo befinben fidj bie Seelen, roenn Sie gur
Weife geben ?"
„Sas funn ich nic^t fugen," war bie 9(ntroort.
„Sitte, roo (affen Sie bie Seelen, toenn bie
Weife aus ift ?" frug id).
„Sud) baS funn ici) nicht fugen," untroortete er.
„KJie tonnen Sie roiffen, ob bie Seele errettet
ift ober nicht ?" frug ich-
Ser ^Briefter fchrie mich heftig un: ,,©eh’ roeg
Bon mir, bu bift ein Äefeer! 3d) roill bir’S fd)on
weifen."
©liidlicberroeife fnmen roir bulb noch ©rabeS.
enb unb roir trennten uns. 91IS roir lonbeten,
eigte er mir noch bie Sauft, unb ich fab- wie er
ich hei ben Umftebenben nach mir ertunbigte.
„@ott oerhüte, buff uns aus biefem KorfatI
etwas KöfeS erroochfe," feufgte ©lifabeth.
Seiber roor bie (Befürchtung ber Wutter nicht
unbegriinbet.
^iei Sage fpciter feierte mon ein Samilien»
feft, gu welchem einige Sreunbe eingelaben
rooren. Won hotte fid) gur Wohtjeit freubig
unb guten WutheS gefefet, hotte fich fcfeön unter,
hotten unb bie 3jeit flog auf’s 9(ngenehmfte b«.
hin. $o ging plöfelidj bie Sf)ür auf, unb herein
trot Smtmonn ©bilton mit einigen onberen
Wienern beS ©rgbifdjofS.
Ser tßriefter hotte bei feinen (Racfeforfcfeungen
in ©raoeSenb bulb ermittelt, bafe Siönlter unb
William Wore ihm behilflich fein fönnten, eine
ernfte Snfloge gegen Sofjann Kroron gu erheben.
Sie freuten fich über bie bnrgebotene ©eiegen*
heit, (Rache gu üben, unb gingen mit bem (ßriefter
gum ©rgbifdjof Bon ©anterburt), ber fogleidj
einen KerhaftSbefeljl gegen Johann Kroron aus«
fertigen tiefe, unb ©ijilton befühl, ihn gu Bot!«
finden. 3<h taid nicht nerfuchen, bie entfefelicfee
eceite gu fefeilbern, bie Johann Kroron’S Santi»
lieufeft in ein Srauerfeft oerroonbette, ober bod)
in Umriffen baS Kitb zeichnen.
3)ie orme ©tifabetb fanf in Ohnmacht, als
bie rauhen Keamten ihren ffiatten fortfd)(eppten.
Wan hotte ihn auf ©bilton’S Sferb feftgebun»
ben. ©tara war h«heigefDrungen, hatte feine
,f>dnbe erfofet unb fchrie: „Wein Kater, mein
Kater!" © ; n rauher Wiener gab ihr einen Stofe,
bafe fte auf bie Sbürfchroene gurüdfiet. 91(8 fie
fich wieber aufgerichtet hotte, waren fie fcfeoii mit
ihrem ©efongeneu oufeer Sicht. Sie lehrte
troftloS in’S £)auS guriid, aber fie rourbe halb
gur Shcitigfeit gerufen, bem» bie ©äfte roaren
in 9lngft geflohen, bie S)ienftboten liefen entfefet
unb jammernb im ©arten umher, 91lice fafe in
i einer ©de beS 3'mmerS bleich unb regungslos
| Bor Schreden unb bie Wutter lag im Cfjn.
ntcid)tstrampf, roährenb bas ftinb in ber Wiege
weinte.
„Siebe 9l!ice," fagte ©lara, fie bei ber £>anb
faffenb, „fchoue auf IJefum unb faffe Wutlj.
Sotten roir ben ffelch nicht trinlen, ben er uns
reicht? jtoinm, lomm, faffe bich unb hilf bie
Wutter tröften."
$iefe feften Worte brachten 9l(ice gur Keftro
nung — Shrcinen rollten üter ihre Klangen,
aber fie richtete fich auf, ber Wutter beiguftehen.
Wit Bieter Wühe unb 9lrbeit gelang es ihnen
enblidj, bie Wutter gur Kefinnung gurüdgubrin«
gen. $ie (finber. Welche merften, bafe es ruhiger
warb, lamen aus ihrem Kerfted unb warfen fich
ber Wutter in bie 91rme.
2luS Snrdjt Bor ben Sriefiern hielten fich bie
Ceute fern, unb fie roaren baljer in ihrem ©lenb
allein, ©rfi nach einigen Sagen ftetlte fich ber
Sorber mit feinen groei roaderen Söhnen ein,
Sroft unb nötfeige £>ilfe gu bringen. fjluffdjlufe
über Johann Kroron’S Kerbleiben lonnten fie
nicht geben. Sie hotten nur gehört, bafe er ge»
fangen genommen fei, aber wo man ihn hin»
gebracht hotte, lonnten fte nicht ermitteln.
„Wirb man ihn wohl umbringen?" frug
©lifabeth.
„3<h benfe nicht; fte werben ihn Wohl ent.
Weber in Wpe ober in ©anterburh in £mft
haben," fagte ber Sörber.
„Um fo bebentlicher für ihn," fagte ©lifabeth.
„Sie werben ihn foltern. Stärle bod) ber £err
fein f>erg, bafe er getreu bleibe bis in ben Sob."
„$)ie Sdiurlen!" fagte (Robert, „wenn ich nur
rotifete, roo er fifet, er müfete halb feine Sreiheit
roieber hoben."
„Kitte, feib nicht gegen bie Seinbe erbittert,"
fagte ©lara, „unfer ^>err ©hriftuS hot für feine
Seinbe gebeten."
„3cfe habe meinen ©atten in beS ßerrn ^änbe
befohlen," fagte ©lifabeth. ,,©r fou es mit ihm
machen nach feinem Sßoljlgefallen. Cb roir
leben ober fterben, roir ftnb beS |>errn."
Siergig Sage Bergingen, ehe bie armeSomilie
etwas Bom Kater inne roarb. 9lm Sreitag Bor
bem Kolmfonntag lam baS S)ienftmäbchen, baS
in ber Stabt getoefen war, ins 3immer geftürgt,
bleich unb entfefet. „Oh." ftammelte fte enblid),
„ich höbe gefchen, roie man ©ernt Kroron, mit
jfetten belaben, ins ©efängnife gefcfeleppt hot."
So fchlimm biefe Kotfcfeaft auch lautete, fo
1 war fie bod) ber Ungeroifeheit Borgugieljen. 3e|t
Digitized by
- ^ le
Pa» djinefifdje #eujal)r.
367
!
wußte bo4 Elifabeth. wo er ficb befanb. Ohne Elifabetb, Slice, ©lata unb bie übrigen $in*
ju iäumen, machte fie fiep auf, um ihn in feinem : ber mit einigen 3?reunben, bie ben ©lull) batten,
flerter aufgufucben. Suf ihre ernften anbalten* ibr (Witleib öffentlich an ben Stag zu legen. Der*
ben Sitten lief; man fie enblicb bei ihm ein. fammelten fict> in unmittelbarer (Wöbe um ben
Silier meid)' ein ©egegneit! Ta lag er im Stoct Scheiterhaufen, mäbrenb eine große (Wenge auS
mit betten belabcn, bleich, abgezehrt unb ent* weiterer Entfernung zu(4aute.
(teilt. Sie umarmte ihn, unb tonnte lange Dor Wacpbem man ben ©erurtbeilten mit einer
Schmerz nicht reben. Sie blieb bie (Wacht über | eifernen .ftette an ben ©fahl befeftigt batte, zün»
bei ihm unb ließ ficb nach unb nach alles auS ben | bete man ben £>oljftojj an. Tic flammen griffen
Dierjig Stagen ber Trennung erzählen. Unter i fchuell um (ich, unb je ^ö^ev fie fliegen, befto
anberem erzählte er, bafj er im ©efängniß ju ftiüer warb eS. Ta mirb bie Stille burch baS
Eanterburp gefeffen, aus welchem er jum Ser* ©ebet be« (WartprerS unterbrochen: „3n beiite
hör oorgefiibrt würbe, bei bem bie Sifcpofe £änbe befehle ich meinen ©eift! Tu, o \ierr ber
SBabSpam unb Sifcper als Dti^ter fungirten. 5öaprl)eit, baft mich erlöft!" Stic flammen
Sie (teUten allerlei fragen über religiöfe ©unfte. feblugen höher, büüten ihn enblicb ein unb —
3uleßtDerlangtenfie,bäßi4bie©otteSläfterung, Johann ©romn war halb erlöft. Ein Sdjauber
baß ein (Weßpriefter eine Seele nicht auS bem aber burchlief bie 9J?enge — Sbfdpeu gegen bie
Segfeuer erretten tönne, wiberrufe. 34 fagte: genfer erfüüte manche ©ruft. Elifabetb unb
„EpriftuS fei einmal geopfert, bie Siinben Weg*, ihre ftinber tonnten ihren tiefen Schmerz nicht
junehmen, unb baß burch fein Opfer bie Seelen berbergen, unb laute ©kpflagen entftrömten
gerettet werben, unb nicht burch bie eitlen Hßie* ihren Sippen.
berbolungen ber (Weßpriefter." „UBaS foü baS jammern ba ?" rief Ebilton.
fiautn batte ich ba» ©)ort gefprochen, fo gaben „Sfornmt, laßt uns bie Äiuber auch inS fjfeuer
bie ©ifeböfe ben anwefenben ©ericptSbienern ein werfen, fo wirb beS ©efcplecbts ein Enbe." Er
Reichen. Tarauf zog einer mir bie Schube unb ergriff mit biefen SBorten auch Slice; biefe riß
Strümpfe auS; ein änberer brachte eine Pfanne ficb aber mit einem Schrei beS Entfettens Don
mit glübenben Stöhlen. Suf biefe würben meine ihm loS. (Wie in ihrem Sehen bat fie biefen
tJiiße gefteHt. Sugenblicf bergeffeit tönnen, unb nach Dielen
„Seht fage, bafi bie (Weffe retten tann," fchtie fahren, auf ihrem Sterbebette bat fie feiner
ber ©ifcpof grimmig. noch Erwähnung getpan. Tiefer Slice Der*
34 fagte: „SBenn i4 meinen $>erm EpriftuS banfen wir au4 bie Einzelheiten biefer ©ef4i4te.
Dor 2Weuf4en Derleugite, fo wirb er mi4 Dor So enbete 3ohann ©romn, ber (Wärtprer bon
meinem himmlif4en ©ater berleugnen." Sfchforb. 3m näcbften 3apr, 1518, würbe bei
Elifabetb zitterte uitb berpüllte.ibr ©eftept mit Smitbfielb, Sonbon, ein anberer (Wann geri4=
ben £>änben, als er bieS erzählte. 6nbU4 faßte ‘
fie fich, bef4aute feine &üße unb fah, wie baS
ganze fjteif4 Don ben Sohlen megaebrannt mar.
„Siel habe ich ausgepalten," fagte 3opann,
„aber lange ni4t fo Diel, wie SefuS für mich er*
bulbet hat. Sr hat mi4 geftärtt, fobaßüpeS
ertragen tonnte. SIS bie Sif4öfe faben, baß fie
mich nicht zum ©Mberruf bewegen tonnten, über*
gaben fie ini4 ber bürgerli4«n ©ewalt, unb ba*
mit jtttb wir am Enbe angetommen. Siebe 3?rau,
bieS ift bie lebte (Wacht auf Erben. 2öir werben
für immer gef4ieben."
Elifabetb fagte ni4ts. Sie wollte ihren ©at«
ten iröften, unb nun mußte fie no4 Don ihm
lernen, ihr £>erz faffen unb auf ©ott bertrauen.
„(Weine Siebe," fagte enblüp 3opann, „bleibe in
3efu Siebe, erziehe bie SJinber in ber fjurdjt beS
#errn; (flott mirb bein ©erforger unb ©ater gmölf ober breizepn (Wonate, je naepbem es ein
fein." S4altiabr ift ober nidjt, unb ba bie jäbrli4en
(Wit Tagesanbruch erfchieit f4on Ebilton unb ffefte meiftenS bur4 bie Sonnentoenbe unb baS
feine (Betreuen. Tie leßten ©orbereitungen mur* Sequinoctium beftimmf werben, fallen biefelben
ben getroffen, fomobl Don ben ffeinben, als Don auf oerfebiebene Tata.
ben ’fjrennben. Tie Stunbe mar gefommen, SBäprenb beS leßten dWonatS im alten 3ahe
unb man trug ben feften, treuen Epriftenmann, Werben bon allen ©ebölferuhgSflaffen große Sn*
3obann ©rown, hinaus zum Scheiterhaufen. | (trengungrn gema4t, um bie nötbigen ©or*
xei. ^mei ’jucaoajen panoen tn oer ’Jtape, uno
mit breepenben aber mutbigen Kerzen nahmen
fie Tpeil an bem Sdjicffal beS (WärtprerS. Tie
(Wäbcpen hießen Slice unb Elara, unb ber ©e*
opferte war Thomas (Wann.
Pap djiiteftfd)* Itnijaljr.
{für §»»8 trab $erb non C. Änpfer, Btifffrmar
hi China.
f nter ben berf4iebenen öffentli4en ©ebräu4en
ber Ebinefen ift baS (WeujabrS*3?eft, welkes
bieSmal auf ben 8. gfebruar pel, Don be*
fonberem Sntereffe. TaS 4ineflf4e 3abf hat
Digitized by v^ooQie
368
$as djineftfdie Jteujat)r.
tc^runcteii jur freier beS SeujaljrS * 3eßr3 ju
treffen! 5» Solge befjen fteigt baS (Selb im
Söertpe unb alle ©enbüfte gehen flott. Sanb»
leute bringen if)ve Srobufte jur Stabt unb feh= 1
reit juriid beloben mit bent ju biefer 3 f ü nn* i
entbehrlichen Skihtandj, Sd)ieß * Waterial,
SBachSferjeu, odjweinejleifdh, Sermicelli, auf
Rapier gemalten ft'üdjen* unb Jljür»©öttern,
Wodmonei) (Spottgelb) unb öerfdjiebenen anbe*
reu Äleinigfeiten. J)ie fonft trägen Settier forn*
men fcljaarenwcife in bie Stiibte, eilen boit
Sieben jn Silben, um ©elb jn fammeln, bnrnit
fic an ben üblichen tfeftlichleiten Jheil nehmen
föniien. 3ebermaitn ift um bicfe 3cit bemüht,
feine Schulben ju bejahten unb feine '.Rechnungen
ju begleichen. ©S ift hier unter ben fttugen
unferer Diiffionäre borgefomtnen, baß fDtännes,
bie ihre Schn Iben nidfjt bejahten tonnten, fich
baS Sebeit nahmen, um nicht bie SdhanDe ju
tragen, am Gnbe beS 3 l, hreS Schuldner ju fein.
5l<ht Sage bor bein j}cjl toerben bie ,H liehen*
götter abgelöft unb gen ftiinmel gefonbt, um
ihre Dfechuuug ju bent ©otte beS Rimmels ju
bringen. SBähreitb beS 3aljreS hoben fie ihr
5(mt, über bem Ofen an ber 2ßnnb hängenb,
benoaltet unb boit ben £>auSbemoljiiern wenig
Dichtung genoffen; bod) ehe fie ftdh auf bie Steife
begeben, wirb ihnen boit ihrer Familie ein
Opfer bon berfchiebenen ©emiifen, ^leifdf) unb
flüchten gebracht, bantit er ben [vamilienaltar
mit einem guten (Sinbnid berlaffe unb fein Se*
ridjt utt £>immel über baS Setragen ber fyamilie
günftig laute. 51 nt 5lbettb bor Steujahr finbet
er bei feiner Südfeßr baS 6auS feiner ffamilie
nach dhinefifchem ©efebmaef feftlidh gefebmiidt.
2BadjSferjen brennen unb SOßeihraudj buftet bie
gattje Stacht; auf jebem 3mmilien*Jifdjdhen liegt
ein Opfer ooit tochweineflcifdj, Hühnern, Sitten,
3?ifcheu unb tjdidjten; außen bor ber Jljür wirb
eine gabuitg „^firecraderS" nach ber anberen ab*
gefdjofjen, währenb ber £>anSoater fid) mehrere
fötale mit bem £)aupt jur ©rbe beugt, für bie
Segnungen beS nun halb berfloffenen 3aljreS
banit unb bie patuonifirenben ©ötter um ein
fegenSveicheS neues 3oh r bittet.
Um Witternadjjt giebt ein $anonenf<hnß baS
3eid)en, baff baS neue 3aljr begonnen hot. 3eßt
wetteifert alles im ©ratuliren, unb fobalb ber
Worgeit graut, legen bie Wänner ihre heften
fileiber an (manche borgen fogar ffleiber für
biefen 3>oed), gehen ju ihren gfreunben unb
Serroanbten, um fie burdh ©lüdwünfjhe ju er«
freuen, geben ben fidttbern auch Wohl ein Heines
©eichen! unb eilen bann wieber nadh £>nufe, wo
ber Steft beS JngeS mit Jrinfen unb Spielen
verbracht wirb. (Sin merfwürbiger (Eontraft tritt
hier ju Jage. 51 m 5lbenb jubor ruht ein ljöthft
feierliajeS ©epräge auf ber ganjen Stabt. Wenn
es bie lefcte Stacht wäre, unb baS jiingfte ©eridjt
uttjweifelhaft bor ber Jljür ftänbe, fönnte man
nicht ernfter geftimint fefitt, als bieS Solf ju bie«
fer 3eit- 5llte ©cfdhäftSläben uttb Ärämerbuben
i fittb gefdhloffeit; bie Straßen fiub leer; Schiffe,
i 5>i<bunteu unb Soote liegen ruhig bor 5lnfer.
Segegneit fidh am frühen Worgen höher geftellte
Serfoiten unb gewöhnliches Soll, fo werben bie
erfteren bon bem leßtereu faft angebetet. 5lber
fie he, ehe bie SBachSferjen berbrannt fiub unb
ber Weihrauch berbuftet ift, wirb fchott ange*
fangen ju fchwelgett, unb bieS bauert bei ben
Weiften mehrere Jage. WohHjnbenbe fangen
ihr ©efdjäft erft wieber in ber britten Wocße an,
unb wer biefeS bermag, wirb glüdlidh gefepäßt
unb hochgeachtet.
5lu<h werben am lebten Jage beS SahreS neue
Jhürgötter angeheftet. ©S ftitb bieS jwei Srü*
ber, bie als Jljürpäthter bergöttert unb ange»
betet werben. Sie finb in bunten ^färben auf
Rapier gemalt; ber jüngere, „Wen (Epen", wirb
an ben rechten 3?liiael, ber ältere, „Wu $)ii", an
ben linfen tfliigel ber Jljür gefleht. JiefeS
Srüberpaar erfdjeint in berfdhiebenen ©eftalten.
5ln manchen Jhiiren ftehen fie mit gejüdtem
Sdhwert unb fehen hödhft grimmig auS, an an*
beren hoben fie einen ganj freiinbliehen Slid
unb eine Sdhoat Heiner fiinber um fidh. Sott
trouernben Familien werben fie nicht angebetet,
auch bürfett ihre Silber nicht an beren Jijiir er»
fdheinen, ftatt beffen wirb ein Stüd blaues
Sapier mit berfdhiebenen Sdhriftjeidhen über bie
Jljür geliebt.
Sier Jage bor bem fteft würbe eine ®ro«
jeffion ju (Sfjwt beS ffrühlittgS berauftaltet.
Oiefer 5lufjug begann im ?)amun beS Jau* Jai,
wo fidh e <ne große Schaar ©hinefen berfantmelt
hotte, um ben Uebungen jujufdjouen. 3m Sor.
hof beS |)amun ftanb ein Ochfe in SebenSgröße,
aus Sapier gemadhf, neben bentfelben ftanb ein
etwa jwei 3?uß hoher ©öbe. Sor biefem Jljiere
unb ©otte beteten jwei Wanbarinett; aber ber
©otteSbienft, obwohl bon hohen Wanbarinen
auSgeübt, fdhien ßöchft gleichgültig. @S ließ fidh
Har erfennen, baß eS ein aejwnngener ©otteS»
bienft war, wie ich oudh nachher erfuhr. Sei ber
Uebung war eS ben 5lnwefenben berboten, auf*
jitfchauen, beffenunaeadhtet erfdhiett ihnen aber
Die ganje Srocebur lädherlich. 9tach bem ©otteS«
bienft festen fidh bie ^errett an eine mit allerlei
^dichten reich befefcte Jafel, berließett biefelbe
jebodh wieber, ohne ju effen, beim es war ein
Opfer. ®aS Jhier unb ber ©öße würben nun
im Umjug burdh bie Stabt getragen; ihnen folgte
ein Heines Wäbdhen mit einem Slumenftraüß,
bie Wanbarinen unb eine große 3ofjl Sanier*
Jräger unb Wufifonten. 5llS ??rühlingSjeidhen
wirb ber Sucbftabe “chun”, Frühling, blühenber
ftanbel unb 5iderbau, SanbeSwohlfahrt, bebett*
tenb, auf rotljeS Sopier über jebe Jljür gefleht.
Digitized by v^ooQie
•uAijaoa« qtm J40ß ai»iß lufcJiai« uaitf ÜU© uaq j*jb >pm<taöu#$ »gorf
Sie grüßte $jätigrbrttdie.
369
IE3Pi? größte iititgrbriidte.
«bttor.
jfach 3aljre langen
^|I Arbeiten ift bie
^ gröfete £äitqe=
briicfe in ber ©eit ber
Seuufcuitg übergeben
morben.
Ueber bie am 24.
33?ai abgeba(tenen 6r=
öffmmgefeierlichfeiten
unb bie babei geholte*
neu im ©angeit recht
langmeiligen 9?eben
mallen mir hinmeg*
geben, bagegen aber
biefe* Stiefenmcrf in
33ilb unb ©ort imfe*
reit Seferri in Jtürge
barftellen.
©g ift bieg eine
Sriicfe, mie bie ©eit
teilte gmeite aufgumei*
fen bat. ©ic hat aber
aud) Summen ner*
föhnigen, melche ge*
rabegu fabelhaft ge*
nannt merben bürfett,
unb mobl nur in me*
nigen Siinbern für ei*
neu berartigen 3^
hätten gufatnmenqe*
bracht merben tönueii.
$er non bem qenia*
len ©ücfenbauer 9töb*
Iing berechnete 2}or*
91nfchlag non gehn
Millionen $ollarg ifi
mit ber 3^t nuf über
fünf gehn Millionen
angclaufen, unb ftatt
ber fünf ^ahre, mäh=
renb roelcber ber Sau
nolleitbet merben follte,
hat berfelbe nolle brei*
gebn^abreinSlnftmub
genommen. ®iefe Un*
terfchiebe mürben tbeil*
meife biirchbieim^Jlan
norgenomntenen 2>er*
äitberungen, theilmeife
burch anbere Umftänbe
nerurfacht.
3cfct fteht ba§ 9iie*
fenmert noüenbet ba
unb übergeugt 3eber*
mann, bafe f)kx eine
Digitized by v^ooQie
370
faßt fie einanber unterrichten.
Arbeit ausgeführt fei, meiere ißreS ©leidjen auf
bem Grbenrunbe fließt. ©o großartig aber wie,
ber 21nblid ift, fo groß tonten and) bie gu über«
toinbenben ©djmierigfeiten, oon benen mofjl nur
bie ©enigften einen Haren Segriff haben.
Sie unter bem ©affer gu oerrid&tenben
Arbeiten roaren bie fdjmierigfteti unb gefä^rtid»»
ften. Um weit unter bem Flußbett ein fefteS
ffrunbament gu gewinnen, tourben ferner ge»
arbeitete £>o(gfäften, foqenannte GaiffonS, in bie
Siefe beS Stromes oerfentt. 2luS bicfen Säften
fdjaffteit Suntproerfe baS ©affer beraub unb
ftif<he 2uft hinein, unb fo gelang eS unter un«
gepeilten 2lnftrengungen ein fefteS ©teinfunba«
ment gu legen, inbem man burd) 2lit§grabungeit
bas Gaiffon na<h unb nact) fo tief nerfenfte, bis
man auf foiiben fjels fließ. 3 e tfl begannen bie
Maurerarbeiten, welche berart auSgefithrt rour«
ben, baß man bie GaiffouS mit einmauerte unb
baS ©ange mittelft Gement Oerbanb.
2ße(d)er 21rt biefe ©runblegitng mar, baoon
tann fid) auch ber 2aie eine annähernbe Sor»
fteüung machen, roeun er hört, baß ber unter
bem 9tem porter Srüdeupfeiler berfenfte haften
7000 Sonnen ober über oiergeßn Millionen
Sfunb toiegt. Sie beiben Pfeiler enthalten
85,159 $ubit«f|)arb Mauertoerl unb finb 276§
3?ub hoch.
Sie Srabtlabel flnb in gewaltigen, 130 ffmß
bon ben Pfeilern liegenbeii ©teintoloffcn ber«
anfert, beren jeber ein ©emicht bon 60,000 Son«
nen hot.
3ebeS ber bier Sraljtfabel befteht auS 5296
galoanifirten, geölten @tahl«Sräl)ten bon ber
Side eines 2ld)telgollS. 3 l « Verarbeitung biefer
Sraljtniaffe mürben guerft biermal 19 Heinere
Sünbel gebilbet, bon benen jebeS auS einem
200 Meilen langen Sraljt beftaitb, ber bon Ser«
anlerung gu Sevanternng 278 Mal hin» unb
hergegogen mürbe. Siefe 19 Heineren Sünbel
mürben aisbann, inbem man fie umeinanber«
fdjlang unb mieber mit Sraljt umfdjloß, gu einem
ft'abel bereinigt.
3m ^ uni i877 begann baS Segen, ober biel«
mehr 3uhen ber Stabte, eine namentHch an«
fänglid) fehr befchmetlidje Arbeit, welche außer«
bem noch oft wegen ungünftiger ©itterung aus«
aefeßt werben mußte, unb beSljalb auch erft im
Cttober 1878 beenbigt warb.
Such Sollenbuiig ber bier ifabel mürbe bie
eigentliche Srüde in Eingriff genommen, bie mit
2liiSnahme beS SlonfenmegeS gang auS Stahl
befteht, unb in 9tem $ort an Ghatham Square
beginnt unb in Srootltjn an Gcte bon ©anbS
unb ©afhington ©treetS enbet. ©tationS«
gebäube mit ©artefälen k. finb an beiben Gnb«
bunlten angebracht. Sie gewöhnlichen Sferbe«
Gifenbahnen werben ben Verlebt nicht öermit»
teilt, wohl aber eine bur<h ein Srabtfeil in
Bewegung gefeßte, befonberS bagu erbaute
i Sriidenbaljn. Ser 15 8fuß breite ©eg für f$uß«
ganger ift in ber Mitte ber Srüde angebracht,
unb bebeutenb höh«/ olS bie übrigen Speile, fo
baß berfelbe eine auSgegeidjnete 2luSfid)t geftattet. •
Sie gmei für Sfuhrwerfe beftimmten ©ege haben
eine SBreite oon je 19 ffuß.
Sie Spannung gmi fdjen ben beiben V fei lern
beträgt 1595£ fjuß, bie gange Sriidenldnge —
bon Auffahrt gu Auffahrt — 5989 3fuß; mäh«
renb bie beiben Seranferungen 3460 f$uß aus«
einanber liegen. 2ln ben beiben Pfeilern erhebt
fich bie ©rüde 118 fffuß über $joehwaffer, in ber
Mitte beS 1:35 fyitfi. SaS ©emicht ber
bier ffabel beträgt 6,928,346 Sfmtb, baS beS
gangen höngenben SpeileS ber Srüde 6740
Sonnen.
£>err 3of)tt ©• SRoebling, welcher bie Srüde
über ben Niagara, fomie bie über ben Chio bei
Gincinnati unb anbere #ängebrüden erbaut,
fertigte auch ben Slan für biefe an, befcßäbigte
ft<h jebodj währenb beS 23aueS fchwer am jyiiß«
gelenf unb flarb halb barauf an ber Munbfperre.
©ein in alle Vläne eingemeißter ©oßn, ©afß«
ington 21. Dtoebling, übernahm fofort bie Cber«
leitung unb führte ben Sau mit £)ilfe tüchtiger
3ngeiiieure auch gfücflich aus, obwohl auch er
feine ©efunbhcit burdj ben 2lufenthalt in ben
GaiffonS eiugebiißt hotte, unb feit 1871 nicht
perfönlidj beim Sau erfCßeinen tonnte. 2lußcr«
bem toftete bieS Siefenroerf etwa 20 Meufchen«
leben, währenb oiele anbere, hauptfächlidj in ben
uitgefunben GaiffonS, fich mancherlei fieiben gu«
gogen.
Sie Srüde würbe als Srioat« unb ftäbtifcheS
(9tew Sort unb Srootlpn) Unternehmen begoit«
nen, aber im 3ofjre 1875 burd) bie ©efeßgebung
beS Staates 2tem $ort gu einem öffentlichen
©erfe gemacht, unb auch bom Gongreß für eine
öffentliche Sßoflflraße ertlärt. Fußgänger paffi«
ren frei, Gifenbafjn=Soffaqiere bagegen begahlen
3 GentS per S«fon.
fte einander iinterrtdjteii.
ffür $attS «»b §erb non 3* 8.
iefeS war bie lancafterifche Methobe. 3ofeph
Sancaftcr entlehnte mahrfcßeinliCh feine
3bee oon Sr. Seil, welcher fie aus MabvaS
in 3nbien mitbrochte. ßancafter war ein Gng«
länber, welcher im 3ofjre 1818 in biefes 2aitb
tarn, in bem er fich, olS erfolglofer 9)titbewerber
beS einflußreicheft unb mehrbegiinftigten Sr. Seil
Dom SehrfaCh gurüdgog.
Sie Unterrichtsmethobe, welche als bie lau»
Digitized by v^,ooQLe
Per ben Hob aus brr P»lt (djaffen hönnte.
371
cafterifc^e begegnet wirb, ijl bie, baß bie Schüler
angeregt roerben, ficf) untereinanber gu unter»
rieten. $iefeS mit Erfolß gu t^un, erforbert
große ©efchiCfliChfeit beS 2ei)rerS. SBßo ober bie»
j'er Sßlan glücflich burcbßeführt roirb, ertoeift er
fi<h im Unterricht als unenblid) Dortljeilhaft.
Sonntagfchullehrer tonnten gur Sbroccbfelunß
biefe UnterrichtSroeife febr oortheilhaft nnroen»
ben. Serl'ucfte eS guerft mit einem einfachen
©egenftaub, ber beinen Schülern befannt ift unb
burrf) roicberholteS SaChfagen ihnen reiht ge*
läufig mirb. ©ehe ben ©egenftaub mit beiner
Slltffe einige Wale burch, bann lege bie Settion
in ihre eigenen £änbe, bamit fie biefelbe unter
beiner Sufficbt auf nachftehenbe Weife oor«
nehmen. 3 um ®eifpiel, ber ©egenftanb märe:
bie Samen ber Sücber ber Sibel in ihrer Seihen*
folge. 55aS märe freilich ein fehr einfacher
©egenftanb. Sber feine Einfachheit ift fein
£inberniß im Snroenben oerfchiebener Unter*
richtämethoben, unb groar immer in Ueberein*
ftimmung mit ber fancafterifchen 3bee.
3nbem bu bie fieftion mit ben stiitbern einiße
Wale burchßebft, ift guerft öon Wicßtigfeit, baß
ihnen bie tarnen ber Sucher ber heiligen Schrift
recht ßeläufiß merben; groeitenS, baß fte irßenb
ein Such, roelcheS genannt mirb, leicht unb fChnell
finben fönnen. „®eorg," faße bu, „mo fleht baS
Such 3ubä ? 3fm alten ober im neuen iefta*
ment?" SEDir nehmen an, ©eorß miffe eS nicht;
unb bu faßft gu ihm: „9lun benn, ©eorß, jielle
bu biefelbe [frage an irßenb einen ber anbeten
Slnaben." rt biefem Sugenblid mirft bu mahr»
nehmen, mie ftch neues 3fntereffe in ber gangen
SHaffe reßt. lieber benft, bie [frage möchte an
ihn gerichtet merben. ©eorß ftcflt bie [frage an
Wilhelm, melcher antmortet: „3nt neuen 2tefta=
ment." „3ft baS richtig, 3ofeph ?" fprichft bn.
3ofeph antmortet oielleicht mit etroaS 3ögerit:
„3a!" „3ft roaS richtiß, 3 p febh?" fprichft bu
freunblidj. „Wilhelms Sutroort," entßeßiiet 3o=
feph mit Sicherheit. „Wie lautet Wilhelms
Sntroort, ©eorß?" ©eorß antmortet: „3nt
neuen SLeftament." „9luf roeiche [frage hot Wil*
heim biefe Sntroort gegeben ?" fräßfi bu, inbem
bu bie Spüler ber Seihe nach anhlidfi. SJeiner
in ber Sflaffe roeiß, toer Don ihnen aufßeforbert
roirb, biefe [frage gu beantmorten, unb baburch
mirb bie Sufmerffamfeit aller angeregt. „SJarl,
antroorte," faßft bu enblich. Starl antmortet.
,,©ut. Sun (teile bu eine anbere 3tafle, Start.
Sber nenne feinen, ber bie fyrage beantmorten
foQ, bis bu fie ßeftellt haft. Unb ihr Stnoben
alle, befinne jeber ftch auf eine [frage, bie er
ftellen mag, roenn bie Seihe an ihn fomrnt.
Seib bereit, menn bie Seihe an euch fomrnt.
derjenige, roeldjen Sfarl aufforbert, gu antmor*
ten, maß ber Säcbfte fein, eine [frage gu [teilen,
menn er bie an ihn ßefteüte [frage richtig beant«
roortet. Seantmortet er bie [frage nicht, fo mag
er einen anbern nennen."
3eßt hat Start eine [frage bereit. „Üllbert,"
fängt et an. „Sein, nein," fällft bu ein, „ftefle
bie [frage guerft. Unb nun richte beitte [frage
an irgenb einen anberen, meil bu Slbert auf»
merffam machteft, unb baburCb ben anbern fo
Diel mie ßefagt, fie brauchen nicht aufmerffam gu
fein." „Welches Such fomrnt guerft, ftiob ober
bie Sfalmen ?" fraßt Slarl, unb in feinem
SCharffinn forbert er gang unerroartet Slbert
auf, bie [fräße gu beantmorten, meil biefer nun
ber Eingige ift, ber nicht erroartet, aufßerufen gu
merben. Säcftelnb miQigft bu ein. Slbert ant«
roortet unb fteQt eine ähnliche [frage an einen
anbern. Wenn bu beiner Sache geroiß,bift, fo
mögen bie Stinber auch an bi<h [fraßen ftellen.
Slfo mirb baS 3*rtereffe an ber Uebung Der*
mehrt, roetche, menn ber Sehret einen 3rrthum
machen follte, nicht menißer intereffant fein mirb.
Wachft bu aber einen 3rrthutn, fo geftehe es
offen ein. Wache aber nicht gu Diele 3rrthümer.
©inb beine Schüler noch gang jung, fo magft
bu hie unb ba abftCßtliCb einen3rrthum machen..
Ermuthifle beine Schüler hie unb ba, baß einer
beS anbern Sufmerffamleit anrege, inbem fie
nach obigem Seifpiel über irgenb eine Sntroort
eine Seihe Don fragen an einanber richten.
SBechfele je nach Sebürfniß beine Unterrichts*
mettjoben. 2>aS_ nur ift ein rechter Unterricht,
ber baS 3ntere||e beftänbig mecft unb machhält.
®aher laß beine Schüler häufig einen ben anbe»
ren unterrichten.
Hier Den fob aus Der Hielt
fdj affen honnte!
or 700 3ahren Hopfte an baS Eiftergienfer»
flofter Soccum eines UageS ein 3üngling
auS fönigliChem ©efdjlecbt unb begehrte
Einlaß. Walbemar mar fein Same; er mär ber
Sohn beS SfönigS Don 2)änemarf. Wie eS ba*
malS ritterliche Srt mar, hatte er bie 2anbe auf
Sbenteuer burcftgogen, manches Sturmer mit«
ßemacht, manchem Sanfett beigeroohnt unb im
Kriege feine Ehre gefacht. Er hatte auch in bem
gangen roeltlichen Spiel fein ©enttße unb feine
(freube ßefunben. 9lbet plößliCh fam es ihm in
ben Sinn, roaS benn aus ihm merben falle,
menn er hi« auS biefer Welt in bie Emigfeit •
hinein miiffe. ®amalS faßte ihm niemaitb baS
einfache Eoangelium, roie eS St. SanluS bem
SEerfermeifter, mie eS unfere SJircfje ben armen,
betrübten bergen guruft: ©laube an ben
•Öerrn 3«fumEhtiftum, fo mirft bu
f e 1 i g. Sielmehr fchien ihm nach ben ©ebanfen
Digitized by v^ooQie
372
IBanim fällten kirdjtidje Jfijceen errietet rnerben?
ber bamaligen 3t‘\i lein anberer 2öeg sur Selig*
feit su bleiben, alg bafe er ber 9öelt entfache, in
ein Klofier gehe, bort in 2lnbact)t, ffiachert, 2lr*
beiten nnb Saften lebe unb alfo feine Seele t)er=
fovge. So !am er benn alg ®ittenber an bie
Kloftevpforte su Soccum. ßr fanbßinlafe, legte
fein Ütitter^eroanb ab nnb bie Kleibung ber
ftlofterbriiber an, ergriff Schaufel unb Kelle,
um arbeiten su helfen unb füllte fid) toidi^ in
alle Siegeln unb Orbuungcn beg £>aufeg. — Sa
hielt eine» Sageg ein Srofe Leiter bor bem
Ktoftertlmr. 2Ug man fragte, mer ber fei, ber
ßinlaß begehrte, mar bieSlntmort: „Ser König
Don Sänemarf begehrt feinen Sohn suriid unb
berlangt, eingelaffen su rnerben." Sie ßrroibe*
rung lautete: „ßinlaß fann ber König nicht fin=
beu, unb ben Brtiber Sßalbemar bir s'urüdgeben
ober gar gingen, baß er suritdfehre, fteht nicht
in unferer ®tad)t. Sa aber bein Sohn noch
nicht bag binbenbe ©eliibbe gethan hat, ift er
frei; ejc fann su bir bor bag Klofter fomuten
unb mit bir reben." äSalbetnar erfchien unb trat
bem Könige, feinem 93ater gegenüber. Ser
Sönig bat ihn: „Utein Sohn, Deriaß bie 9Jiauern
beg Klofterg, sieh’ mit mir, ich bespreche bir in
meinem 9teid)e alte ßpre nnb ,£>errlichfeit." 2Bal*
bcmar aber antmortete: „Sag fann id) nicht."
Ser 2>ater brang in ihn: „Komm, folge mir,
Dertaufche ben Ort ber ßinfantfeit mit beu (Bittern*
ber ßrbe!" Sa ermiberte ber Sohn: „Sater, id)
mifl mit bir sieben, menn bu aug beinern fJteidje
Säuemarf e i n e § megfthaffen fannft, mag mich
fdjredt." „3$ »UI es thun," fprach ber König,
„fo ich eg fann*." „SBoljlan," ermiberte SBalbe*
mar, „f amt ft bu ben Sob -megfd)affen
aug beinern ateidje Sänemarf, fo roill id) mit bir
Sieben !" Ser König rief boH Schmers: „Sag
fann i$ nicht." „So siehe i<h nicht mit," er*
miberte ber Sohn; „benn fo lange ber Sob in
ber 2Belt herrfcht, fann ich nn ber 335elt feine
2uft höben, ober meitn ich fie genoffen hatte,
folgte ein emig Sterben." — Sa sog ber König
ab, unb Söaibemar blieb im Klofier, betete, ar*
beitete, faftete, fitchte feine Seligfeit su fdjaffen,
fo gut er eg berftanb, unb hoi nod) ein 3ahr
ober mehr im Klafter gebient. Sa crfdhoüei#im
Kreusgange bie bekannten £)antmerfd)läge an bie
bort aufgeftellten Sretter, bag 3eid)en, baß ein
33ruber im Sterben liege. Sille Öriiber eilten
S\i ber 3eße beg öruberg SBalbemar. Sein
lepteg Stiinblein mar gefommen. Unb ber ßpor
ber SRönche ftimmte benöl.spfalm au: @ott fei
mir gitäbig! Unter bem Klange biefeg Sufe*
pfalmeg mit ber ^erheifeung: „Su eutfünbigft
ntid) mit $fop v entfchlief er.
3a, mer ben 2ob aug ber 2Belt fchaffen fönnte!
Sann mären bie flug, bie ihr Sehen genießen
unb ben Siecher ber Suft big auf ben ©runb aug*
foften. 5Kun aber ber Sob meber aug bem Steife
Sänemarf, nod) fonft aug einem Steife Ijinmeg*
jufdjaffen ift, fo thun bie red)t, rnelche smar nid^t
mie ber Königgfopu im Klofter, aber in recht*
fchaffener SMijse unb im ©lauöen an 3efuin
©hnflHm ben Slitferftanbenen, meiner bem
Sobe bie 3)?ad)t genommen, SRuhe fmhen für
ihre Seelen.
Parum fällten mir in nuferen (Bemetirikn Itirdjltdje ftjeeeu errieten?
3tir #att8 nnb §trb tum Sr* ftoW*
3[|ie crfte ffrage wäre: ÜEßaS ift ein 8t) =
ceum? ®er 9tome flammt aus bem
' ©riechifchen, unb gmar oon ben be.
becften ©iingen in ber 5tä^e beS Stempels 8t).
teioS, in benen 9lriftoteteS einft teerte. 9Jtan
fann irgenb eine &ochf<hute alfo nennen, befon.
berS ober ein ©hmnafiutn. ®aS „tirdjlidje £p=
ceum" ift biejenifle 6inri(^tung in einer ©e=
meiitbe, worin juuflen ^ßerfonen, bie ber €>d)ule
entwarfen finb, ©elepenbeit peboten wirb, in
ben üeifrfjiebenert ©ebieten beS SBiffeuS ficb fort,
jubilben unb fotc^e Äenntniffe ju erwerben, bie
fie webet in ber Sonntaiifi^ute no(^ in ber $re=
biflt erlangen, unb oucf) ohne ?lnleitunfl fi^ ni(^t
feibft erwerben tonnen.
@S ift baper auf ©eite 162 unferer Äirdjen.
orbnung ben Sßorft. lelteften jur ^Sftid)t ge.
macht, bie ©rjiebungSfatbe in ben einjetnen
Äirdben bor bie bierte SSiertetjaljrS.ßonferens ju
bringen, unb befagte ©onferenj foü ein ©omite
ernennen, beffen l'orfipenber ber 9ltifficf)t§.^rc.
biger ift; unb biefeS ©omite foü, wo immer
möglich, ein fird)licbeS Cpceum für fiterarifcbe
Uebungen errichten, boS zugleich ©etegenheit gu
gefeflf^haftticher Unterhaltung barbieten fod.
S)afe bie Kirche güte ©riinbe für biefe 9ln.
orbnung hat, biirfen mir ohne Weiteres an.
nehmen. $iefe ©rünbe genauer ju unterfuchen,
unb fie befonberS unfern jungen Seuten an.
fchaulid) gu machen, foB bie Aufgabe biefeS 9luf.
fapeS fein.
©in fotdjeS ßpceum in ben ©emeinben foB
nicht bie eigentlichen ßochfch'iien entbehrlich
machen, foitbetn bielmehr begabte junge 8eute
für nufere ©oBegiett borbereiten. @S foBen ba.
butd) bie in ber ©emeinbe fchlummernbeit ©oben
Digitized by v^ooQie
Parum folitra hirdilidjt ft)ceen errid)tet werben?
373
ge tue dt, unb folgen ©erfotien, bie entweber
nicht bie bittet ober aud) nicht ben ©eruf haben,
eine .£wd)fd>ule gu befucßen, gu ber wünfdjenS«
wertßen 9luSbilbung Derbolfen werben. 2öir
oerfucben baßer bie folgenben brei ©ebanten
weiter auSgufüfjren, unb geigen:
1) Daß in einem fircpcben 2ßceum Jüng«
linge unb Jungfrauen angeleitet werben foflen,
bie fcßöne, föftIie Jugenbgeit weis»
licß gu »üben unb auS'gufaufen.
2) Daß burch ein foldjeS 2hceunt ber gange
©teufd), nad) 2eib unb ©eele gebil«
bet unb cu(tibirt werben fann.
3) Daß au« bemfelbigen fonfi noch diel ©egen
unb Witwen entfpringt für ©emeinben, ©onntag«
fdjulen unb einzelne ©erfonett.
Die Jugenbgeit — ober baS Jünglingsalter
— ift bie wichtigfte Jeit beS 2ebenS. @S ift ber
2ebenSfrübling, bie ©aatgeit für
b i e f e §, unb meiftenS bie © n t f <h e i b u n g S«
jeit für baS ewige 2eben. Unb, o wie
fcßnell eilt biefe 3eit biibin unb lehrt nie wieber!
„3öie ©olb ift beine ffrüßlingSgeit, brum lerne
SBeisßeit taufen!" Jn biefer 3eit werben bie
ffreunbe unb ©efeflfchaften gewählt, beren ©in«
fluß und entwebcr gum ©egen ober gum fflud)
wirb. Jeßt wirb ber ©harafter gebilbet unb
werben bie ©emohnljeiten angenommen, bie
unfere lieben jungen fjreunbe entwebcr gu niiß«
lirften ober fd>äblid)cn ©titgliebern ber menfth»
ließen ©efelifcbuft machen.
^oben fie eine d)riftlid)e fjeimatlj, werben fie
oon ©ater unb ©tutter, bon ©rübern unb
©djweftern geliebt, geleitet tmb auf betenbem
ftergen getragen, bann wirb für fie baS 2t)ceurn
Dielleicßt nicht fo wichtig fein, als für biejenigen,
welche biefeS f)ertlid)e ©orrecßt entbehren. 3lber
wie oiele Jünglinge unb Jungfrauen giebt es
in ben größeren ©täbten, bie feinen chriftliehen
tfremtb, feine ©eimatf» unb feinen treuen 5Ratb=
geber haben ? ©efellfdjoft wollen fie haben, ©e=
feüfchaft werben fie finben. ©ieten wir fie ihnen
nicht in ber Stirdje, fo bietet fte ihnen bie ffielt
gang gewiß. Die ©aloonS, ©pielljäufer unb
Dheater finb weit geöffnet — ©onntagS unb
SBerftagS — bis tief in bie ©acht hinein, ©on
biefer ©eite wirb SllleS aufgeboten, bie Jugenb
anguloden. Dreffenb fapft baßer ber Dichter:
„£>iet ruft bie SBelt: ffomm, ßiet iffS gut, auf
lauter 2uft gu geß’n! Ja, folge nur, fbricht
ffleifcb unb ©lut, es wirb bir wohl ergeh’n."
2ßas finb aber bie folgen ? „Dräume, ©d)äume,
©tich’ im bergen, ftöllenfdjmergen, ew’geS Ouä«
len, ift bie 2uft betrog’ner Seelen."
DaS firchlicbe 2t)ceum bietet jungen 2euten
gute ©efellf^aft, — angießenbe —
Äobf unb £e*rg befdjöftigenbe 9tr»
beit für ihre freien ©tunben. Da.
burch wirb ihnen bie rohe ©efedfdjaft ber Sßelt
entbehrlich, unb bie bergänglidjen ©rgößlidjfeiten
; ber ©ünbe guwiber. ©S ift in jebein ntenfch»
liehen bergen eine garte ©aite, bie nur berührt
gu werben braucht; unb in febem jungen bergen
finbet fich ein ©erlangen nach ©lüd, nad) etwas
©efferent; aber biefem ©erlangen muß burd)
J Teilnahme entgegengefommen werben. Die
$irdje ©hrifti ift berufen, biefeS gu thun. ©}ie
jener Silbhauer in einem ©tarmorblod einen
6 n g e l fab, ben ber Zünftler auch Wirtlich 1)«=
borbrachte; fo fotlten bie ©ßrifteu in ben fie um«
gebenben Jünglingen unb Jungfrauen ©ngel
fehen, bie fie burch ihre Scinübung, unter bem
©eiftanbe beS hl- ©eifteS, ber SBelt unb bem
©atan entreißen.
3Iuch mag burch bie gefunbe unb mißliche 2i=
teratur, bie burch baS 2ßceum unter ber Jugenb
tierbreitet wirb, bie leichte unb fdjäbliche fttoman«
unb ©obetIen=2iteratur Derbrängt, nnb auf bie«
fern 2Bege aus manchem träunienben ©täbeßen
eine berftänbige, einfichtSbolle fjrau herangebil«
bet werben, ßbettfo mag aus manchem jungen
©denfteher, ber mit leerem ftopf bie ©orüber«
gehetiben angafft, ein tüdjtiger ©tubent werben,
ber feine 9lbenbe fünftig mit nüßlid)cn Siicßern
ober in einer (häßlichen ©efeflfcßüft gubringt.
@S ift Wirtlid) an ber 3eit, baß Wir ber unS
anbertrauten Jugenb mehr Slufmerffamfeit
fchenfen, unb ihr etwas gu benfen geben. Je
beffer ber ©oben, befto feßlimmer bnS Untraut.
Darum finb auch bie begabteften ©tenfeßen, wenn
fie nicht bie rechte ©ahn eingefeßlagen hüben, bie
fchlimmften in bummen ©treießen. DiefeS hat
auch ber große ©taatSmann ©iSmard in feinen
©tubentenjahren tjnnbgreiflid) gegeigt. 3Bie in
einem fetten ©arten im Jfriißliitg eine mächtige
Driebtraft ift, fo in ben .fiergen begabter junger
2eute. Darum, foK baS ©öfe braußen bleiben,
fo muß baS ©ute hinein, ©treue bie ©aat nüß»
lieber ©ebanten, großer Jbeen unb ebler ©runb«
füße hinein, fo wirb baS ©emeine weichen. Die«
fe« fann oermittelft eines firchlichen 2hceumS
gefchehen.
Daß ein folcheS Unternehmen, wenn eS ge*
beiden fod, Arbeit unb ülusbauer Don betten er»
forbert, bie eS gu (eiten haben, ift felbftoerftänb«
lieh- Doch ift eS loljnenbe Slrbeit. Die älteren
©emeinbeglieber bürfen fie aber nid)t gänglidj
ber Jugenb überlaffen. Die meifeften, begab«
i teften unb erfahrenden ©titglifber beiberlei ©e*
| fchlechtS müffett biefe eble ©ache fräftig unter«
ftiißen. 3lber bie jungen 2eute müffett. bie weifte
Arbeit thun, fonft machen fie feine Jortfdjritte;
j benn „Uebung macht ben ©teifter."
DaS tirdhli^e 2t)ceum ift für ©tauchen ein
I ©rfaß ber Cwchfdjule, bie er Umftänbe halber
i nicht befudjen fann.
| Durch ben ©ebraudj einer guten, auSgcmähl*
I ten ©ibliothef fönnen .Qenntniffe erworben unb
Digitized by v^ooQie
874
Parum tollten kirdjlidje fijceen erridjtet werben?
gefiebert »erben, bie mehr mertb finb, als ©olb
iinb Silber.
3)ur<h bie fcpriftlicbe SluSarbeitung non Bor«
trägen unb Sluffäjjen mirb ber Stpl gebilbet, bie
Sprache oerebelt unb ber Schreiber geübt, fid)
furg unb bünbig unb in logifchem 3 ufammen=
bange auSgubrürfen.
®uvcb freie Sieben mirb bie Berebtfamfeit ent«
»idelt, bie Schüchternheit unb Slengftlicbfeit be«
nommen, bie ^ß^outafie unb baS ©ebdcptnib gur
Stpätigfeit angeregt, unb bie Seele erwärmt unb
begeiftert.
3ii ben Debatten mirb baS Urtbeil ber Stebner
aefdjärft, bie Selbftbeberrfcpiing gelernt, ber
feine, f(blagenbe SBip cultioirt unb bie fjunft ge«
pflegt, aucb bie anbere Seite gebulbig angupören,
unb erft bann ein Urtbeil abjugeben, wenn man
beibe Seiten gebärt unb betrachtet pat.
®ur<b bie ®eflamationen mirb baS ©ebäcpt«
nib geftärtt, bas paffenbe ber förperlicpcn Be«
»egungen, bie Sticptigfeit ber Betonung unb bie
reihe SiuSfpracpe fi<b angeeignet.
®ie Beantwortung ber aufgeworfenen fragen
übt ben Scpnrffinn, unb regt gu fcpitellem ünb
Harem Renten an.
S)ic ffritif, wenn fie äcpt, linpartbeiifdj unb
griinblicb ift — fcparf in Begug auf bie Sache,
trfjouenb in Begug auf bie Berfon — oerebelt
ben ©efcbmnc! unb förbert bie SluSbilbung aller
Einlagen.
3n ben ©efcpäftS=Berfantmlungen lernen bie
Btitglieber bie ©efcpäftS=C>rbnung unb bie bar«
lamentarifcpen Siegeln fenneu; lernen Sieben unb
Schweigen gu rechter 3fit; werben bon Siecht«
paberei unb ©igeufinn geheilt — ba bie Btajori«
tät entfcbeibet, welcher fiep ein febeS unbebingt
311 fügen bat.
Unb biefe Bortbeile finb bobpelt merthboD für
uns 2 >eutfcbe, bie wir fonft fo wenig ©elegenbeit
haben, uns in ber lieben Btutterfpracpe 311 üben;
bntum foflte in bem ßpceum einer beutfcpen ©e*
nteinbe unferer Sprache gang befonbere
Slufmerffamfeit gefchentt werben. 2 ßie freubig
fodten nufere beutfcp«amerifanifcpen jungen
Sente fiep in ber fcpönen, reichen, melobifdjen
Sprache ihrer Gltern üben. 2)iefeS ift um fo
notbwenbiger, ba bie Weiften in ihrer Wutter«
fpvacbe eine Diel unDoüfommenere SluSbilbung
empfangen haben, als in ber englifcben.
2)ie Bibliotpet mag ebenfomobl englifche als
beutfche Bücher enthalten, aber gugieid) auch
gute SBörterbücher, bamit aller Stoff leicht in
bie beutfche Sprache übertragen werben tann.
SBelcpe .fnilfe märe biefeS für unfere Sonntag«
fchulen! 3)enn unfere fünftigen Superintenbeit«
ten, Beamten unb ßeprer müffen gröRtentbeilS
aus unfern gegenwärtigen Sonntagfcpitlern foin«
men. SBo tönnten fie aber leichter bie uotp«
wenbige Borbereitung empfangen, als in einem
ßpceum ? 3« Berbinbuug mit bemfelbett föimte
auch eine beutfche Bbenbfcpule organifirt werben,
wo Don fähigen tperfonen, für eine angemeffene
Bergütung, grünblicher ©lententar«Unterricht
ertbeilt würbe.
©S ift auch nicht unmaprfcpeinlicb, bab burcp
biefe ©elegenbeit in manchem Jüngling, ber ben
Beruf für’S Brebigtamt in feinem Innern fühlt,
bie fcplumnternbe ©abe geweift Wirb. 2)iefeS
mürbe bann halb in ber ©emeinbe bemerft wer«
ben unb fo fönnte et aus bem ßpceum in ein
©oflegium beförbert unb bort gu einem tüchtigen
Brebiger oorbereitet werben.
$ie 3eit ift nabegu oorüber. Wo uns SJeutfcp«
lanb unfere Brebiger ergiebt. Btänner wie Baft,
Safobi, Siebhart, ffocp, BauIuS unb ©ebharbt,
bie in 5)eutf<blanb auSgebilbet, aber in unferer
ffircpe betehrt — burcp ©otteS ©nabe mit ben
©aben beS hl- ©eifteS auSgerüftet — auSermählte
Stüftgeuge mürben, — Werben immer feltener.
2 öir müffen unfere fünftigen Arbeiter für bie
uns anoertraute grobe, herrliche Btiffion, nach«
bem fie ber fjerr oermittelft unferer ffircpe er«
werft, befebrt unb berufen hat- meiftenS felber
auSbilben unb Dorbereiten, Wogu wir auch unfere
Sinftalten haben.
SBenn wir bie grobe beutfche ©inmanberung
betrauten, bie in ben Borbmeften pereinftrömt,
fo erinnern mir uns an bas SBort beS £>errn:
„$)ie ©rnte ift grob, ber Arbeiter wenige; barum
bittet ben #errn, bab er Arbeiter in feine ©rnte
fenbe."
Söiffen ift Blacht. BlofeS, BauluS,
ßutper, SBeSlep hätten ohne mijfenfchaftliche
SluSbilbung nie baS tpun fönnen, was fie tbaten.
3 m £>inblirf auf bie Bebürfniffe ber ©egen«
wart finb baber ßpceen in unferen ©emeinben
notpmenbig.
Slber nicht nur für Brebiger unb Sonntag«
fdjularbeiter finb ftenntniffe Don grobem SBertp.
Sebent ©lieb finb fie Don Buben. 2Bie biel leid)»
ter tann ein fenntnibreidjer Jüngling unb eine
gebilbete Jungfrau burcp bie SBelt tommen, als
bie Unmijfenben! 2Bie biel beffer tann eine wobt«
unterrichtete Blutter ihre ffinber gum ©uten
anleiten unb djriftlidj ergiepen, als eine, bie nichts
gelernt bat! 2Bie biel gröberen unb mopltbätige«
ren ©influb übt ber gebilbete ©efcpäftSmann
aus, als ber ungebilbete.
SlflerbingS tann baS fipceum nur bie ©oben
auSbilben, nicht geben; benit man bat ben 2ricb«
ter noch nicht erfunben, womit mau Berftanb in
einen leeren ffopf eingieben tann.
Sluch fittlich unb moralifd) wirft ein ßpceum
beilfam auf feine Btitglieber. Silles Stope, freche
unb ©emeine mirb hier abgefdjliffen. BüeS rnaS
lieblich ift, was wahrhaftig,» was ehrbar, roaS
feufch, waS wopl lautet, wirb genährt, höflich*
feit, Befdjeibeubeit, Steblicpfeit, Bnftaitb unb
Digitized by v^ooQie
Warum füllten bicd|lid|e fpceen errichtet werben?
375
SJtäßigfeit wirb gelehrt unb empfohlen. Shicß
bie Äunft muß boju Reifen, bicfe Berfamm»
lungen reißt anjießenb ju machen. BefonberS
wirb ber ©efang gepflegt, moju jo auch hinläng»
ließ Talente borßanben ftnb.
Siber auch baS ©efellfcßaftlicße finbet
in bem fircßlichen Spceum feine Berechtigung.
3unge Seute beiberlei ©efd)ted^t§ treffen fid^ hier
in ber ©egettmart non älteren ^erlernen. Sille
belehren, erbauen unb erheitern fidj gegenfeitig,
unb bient eins bem aitbern mit feiner befonberen
©abe. 3n ber ^3oufe, bie gewöhnlich 10 bis 15
SJtinuten bauert, tonnen Befucßer eingeführt unb
Betanntfcßaften angefnüpft merben. fjreunb unb
fjreunb hoben ba ©elegenbeit, ihre ©ebanten
• auSptaufcßen. Sind) fehe ich feine ©efaßr, roenn
hier oerroanbte Seelen einen QfreunbfchaftSbunb
für’S ganje Sehen fd^liefeen, ba ein ftreunb ober
eine ffreunbin in bem fird)lichen Spceum gefun»
ben, mahrfcßeinlicß biel beffer unb pbetläffiger
ift, als bie man auf bem Tanj(boben unb in bem
Theater finbet. Sin einem folgen 0rt mag man
toohl fagen: „£>ier ift’S gut fein. Saffet uns
Jütten bauen!"
23ie weit man es in einem fircßlicßen Spceum
in bem Stubium ber 95Mffenfcßaften bringen
tann, baS hängt größtenteils oon bem Bil»
bungSgrab ber SJtitglieber ab. Tocß follten bie
©Wartungen nicht p hoch gefpannt werben.
SBenn ber herein geheißen foU, bann muß oon
unten angefangen merben. So muß aud) baS
geringfte Talent gefdjäßt unb benüßt Werben.
Tie „3|ungfern=9teben" fodte man mit ber groß»
len Tßeilnafjme anhören. Bifcßof Simpfon
fagt: ,,'JBer unten an ber Seiler anfängt p ftei»
gen, ber fommt oben an; wer aber oben anfängt,
hört gewöhnlich unten auf." Tiefes ift ber 3fafl[
bei Vereinen wie bei einzelnen Berfoneit.
Unter ben ßauptfäcßlichften Stubien eines Sp=
ceumS follten fein: Tie fifireßengefeßiehte, bie
SBeltgefcßicßte, bie ©efeßießte ber 93er. Staaten,
fomie Biographien berühmter üJtänner unb
grauen aus Kirche unb Staat.
Bon ben SBiffenfdjaften follte befonberS SIftro»
nomie, Botanif unb ©eologie getrieben merben.
Tie Seelenlehre ift ebenfalls ein wichtiges
<S>tubium.
Tie beutfehen ßlaffifcr, hauptfäcßlicß bie Ti<h=
ter, follten gelefen unb aus ben feßönften Stüden
UDeflamationen borgetragen werben.
2lucß biivfen bie 3 e 'tfragen befprochen wer»
ben; oor 9lllem, was fieß auf Staatsangelegen»
beiten. Tagfcßulen, $od)fchuIen, itireße, Btoral
unb Steligion beließt.
2öer tann cS ermeffen, welch’ weitreidjenber i
Uiußen einem folgen Unternehmen entfpringen ;
matt ?
@S eröffnet ben jungen Bfrionen einen Blicf i
über baS große ©ebiet beS SEBiffenS, unb ermedt
in ihnen ein Berlangen, fo biel als möglich ba»
bon in Befiß p betommen. ©S jeigt ihnen, wie
fie bie Stunben unb Biinuten, welche fie früher
berloren unb berfchwenbet haben, mißen tonnen,
fo baß ihnen bon nun an bie unfruchtbaren SJto»
mente bes Sehens blühen wie eine Stofe, unb
bie fouft wüften Tage lieblich erfcheinen wie ein
Sufigarten.
©S leitet fie auf bie grünen 9luen ber Boefie
unb ju ben frifchen Söaffern ber ©rfenntniß
©otteS, feiner SBeiSßeit, ©üte unb Siebe.
©S bereichert ihr ©ebäcßtniß mit tjjfactaS aus
ber ©efeßießte, ben berfchiebenen 9Bifjenfcßaften
unb ftenntniffen aller Slrt.
©S giert ihre Sieben mit ben ©racien ber Stße»
torif, unb macht biefelben gewichtig bnreh bie
Klarheit ber Sogit.
©S medt in ihnen einen Turft nach wehr ©r»
fenntniß, ben fie auch berfueßen p ftillen; unb
biefer gortfeßritt bon Sicht p Sicht, bon ftlar»
heit p Klarheit berfchafft ihnen einen ©enuß
unb ein Bergnügen, bon bem ber Uneingeweihte
feine Slßnung hat. 2BaS aber bie |)auptfache ift,
fo mögen biefe Uebungen unb biefeS Stubium
bie Stufe merben, bon ber fte emporfteigen bon
ber ©rfenntniß ber Schöpfung p bem Schöpfer,
unb oon ber Siebe pr 9Biffenfcßaft pr Religion.
Tenn ächte 9Biffenf<ßaft mar bon jeher eine 93er»
büubete ber Steiigion.
Tie ftireße bebatf in unferer 3cit eine befon«
bere SlnphungSfraft für bie ßeranmaeßfenbe
^ugcnb, ba bie SBelt alles auf bietet, fie in ihre
Steße p loden. 93iele unferer früheren Sonn»
tagfcßiiler finb gegenwärtig in ber SBelt, ober
fühlen fieß wenigftenS nießt meßr p fpaufe in
ber ft i r <h e, welche fie boeß non ftinbßeit auf
gepflegt unb unterrichtet hat. Sie haben feßein«
bar bergeffen, wie biel fie einer cßriftlicßen ©r«
jießung unb bem religiöfen Unterricht p ber»
bauten haben. @S foflte nießt alfo fein. Sie
follten feinen Blaß auf (Srben lieber haben, als
bie .ffireße ihrer (filtern unb Seljrer. Sinb B^e»
biger unb ©emeinben ganj unfdhulbig an biefem
Uebelftanbe? .f)aben bie älteren ©lieber ber
ifireße, bie Borfteßer, ©Item unb Seßrer aueß
bie Borrecßte ber Sfircße immer muß ©ebiißr ge»
fcßäßt? Reiben fieß aueß unfere jüngeren ®e»
meinbeglieber gegenfeitig gereift unb angqogen,
unb bie ffiteße ihrer 9Baßl fo angeneßtn gemacht,
baß es in 2önßrßeit hieß: „9Bie fein unb lieb»
li(ß, wenn unter Brübern, wenn unter Scßmeftern
bie ©intradht woßnt!" ßaben unfere eigenen
jungen Seute bie jugenblidjen Befucßer ber .(iiretje
unb Sonntagfcßule auch ftetS freutiblicß auf»
genommen unb in ißrer ©efeUfcßaft willfommen
geheißen ? TaS Spceum fofl aueß baju bienen,
baß junge Seute. bie frifcß oon Teutfcßlanb tont»
I men, einen Crt finben, wo fie mit offenen Sinnen
empfangen merben.
Digitized by v^ooQie
376
Pit ber gültig non Sdjtoebrn beftrgt mürbe.
O ©eliebte, roehn eS unS auch nic^t möglich
tft, baS Berfäumte nacbguholen, unb baS, roaS
roir oerborben buben, roieber gut gu machen, fo
fönnen roir bocb ein neues ©latt in unferer
SebenSgefd)iihte beginnen, unb non nun an
treuer fein, als guoor. Soll biefeS gefcheljen ?
Der {»err gebe ©nabe bagu!
'Die älteren ©titglieber eines folcben St)ceuinS
foflteu ihre gange Seele in biefer Sache haben,
unb brunftige Siebe gu bet theuren Sugenb in
ihren .jjergen emfjfinben. SebeS ©titglieb muff,
roeitn baS Shceum erfolgreich fein fofl, wenn
immer möglich, auf beut ©often fein, unb b i e
©l t b e i t liefern, für bie eS ©aben unb Dalent
hat.
Diefe Arbeit erforbert, roie jebe anbere im
Seiche ©otteS, grofje Selbftberläug*
n u n g. 9Bir tniiffen baher jene herglofe ©lujl*
rebe Kain’S: „Soll ich meines ©ruberS {>üter
fein?!" bis bahin oerroeifen — „roo ber©fef*
fer mach ft."
©Her thätigeu ©Intljeit nimmt an biefem ebeln
©Herte, roirb nicht nur felber 3rortfdjritte machen
in allerlei ©Weisheit, ©rfenntitiß unb Erfahrung,
fottbern auch manche fonft nie emjjfunbene fjreube
genießen, unb zugleich ein gutes, ©ott gefälliges
©Bert thun, inbem er ©Inbere anleitet unb an*
fpornt, höhere SebenSgiele in’S ©luge gu faffen
uttb gu oerfolgeu.
■Den Sreunbeit ber Sonntagfdjule foflte biefe
©elegeuheit gang befonberS roiütommen fein, ba
eS leiber betanut ift, baß biele junge Seute ben
Schulen entroachfen, unb ftatt fi<h ber Kirche
angufchließen, in bie ©Belt hineingeratljen, roo
in roettigen fahren ber in ihr {»erg geftreute
Samen beS ©Hortes erftieft unb feine fjfrudjt
bringt für bie (Sroigfeit. ©Beldj ein ©lücf wäre
eS, wenn für foldjc (Seelen baS Shceum bie ©rüde
toürt>e in’S Seiet) ©otteS.
(&o füllten auch chriftlidje ©Item, bie ben ©in*
fluB auf ihre erroachfenen Söhne faft gang oer*
ioren haben, eine foiche ©elegenheit roiütommen
heißen, unb mit allen ihnen gu ©ebote flefjenben
©tittein unterftiifccn. ©ine fo herrliche ©eiegen*
heit, roo ber gewaltigen ©nergie beS jugenblidjen
©emütheS bie geeignete Dljätigfeit angeroiefen,
ber braufenbe ©eift unferer Jünglinge in bie
rechte ©ahn geleitet, ihre unbänbigen Seiben*
fchaften gegiigelt unb ihr noch fchmanfenber
©haratter befeftigt unb gebitbet roerben fann,
ift ein bringenbeS ©ebürfuiß unferer 3eit.
Den größten Sujjen unb Segen tton bem
St)ceum roerben jebenfaüS beffen thätige ©tit«
glieber felber haben. ©Iber ba bie Uebuitgen
öffentlich »orgenommen roerben, unb Sebermann
bas ©echt hat, benfelben beiguroohnen, fo roirb
eS auch nach anberen Sichtungen unb in weiteren
greifen Segen ftiften. Die Kirche roill burdj
biefe, roie burch alle ihre ©tnftalten miffio*
niren. ©tanchem roirb hier über bie roichtigften
fragen ©luffchlujj gegeben, ©tanchem geht ein
neues Sicht auf in ©egug auf baS unermeßliche
©ebiet bfS ©HiffenS, unb er roirb angeregt gum
Renten unb Dörfchen. ©Jtancher roirb in bem
Shceum einen angenehmen unb genußüollen
©Ibenb erleben, ber ihm fonft langweilig geroefen
wäre, ober ben er in einer groeifelljafteu ©efeü*
fchaft gugebracht hätte.
©efonberS ift noch gu erwähnen, baß ein fol*
<heS Shceum gu geroifien feine ©rhibitio»
iten unb $eftlid)feiten hat, roo beffen ©Jtitglieber
in ©egug auf ©Hiffenfchaft, ©erebtfamfeit, ®e»
fang unb ©tufif baS ©efte gu bieten Der)liehen
roerben; unb eS ift gu hoffen, bafebaburch auch
bie angegogen roerben, welche immer gerne etwas
SeueS hören, unb häufig bahin laufen, roo ir*
genb ein ©hör, eine Sängerin ober ein Seier*
faften gu hören ift. ©lud) mögen ju feiten fähige
©ertönen oon anberroärtS berufen roerben, um
Borträge über wichtige ©egenftänbe- gu halten.
SDBir foüten ©lüeS in ©eroegung fefcen, um unfere
Kirchen fo intereffant, nülilidj nub angieheub gu
machen, als eS nur einen Crt bieffeits beS {»im«
melS geben fann. ©lüe unfere ©erfammlungen
foüten ein ©orhof beS Rimmels unb ein Such*
gefchmad beS ©arabiefeS fein.
Das 3>el ift ein hohes, ©ebenfen roir aber,
roie biele eble Kräfte unb ©funbe ber {»err unfe*
ren ©emeiuben berliehen hat, unb roie biele gute
©Iningen nur für baS geitlictje unb nicht für baS
etnige, nur für baS perfönliche unb nicht für baS
aügemeine ©Bohl angcroenbet werben, fo brängt
fid) mit ©Jtacht bie fjrage in unferer Seele auf:
„{»err, rooS roiüft bu, baS ich thun foü ?" ©e*
trachten roir aber bie grofce Schaar ber un§ an*
bertrauten fräftigen Säuglinge unb blübenben
Sitngfrouen, unb überbiideit roir bie fihönen
Klaffen in unferen herrlichen Sonntagfchulen,
fo niufe uns bie Seele fchroeüeit, bei- ©tu©
roachfen unb baS {»erg warm roerben. Schauen
roir aber and) nach oben gu bem, ber biefe
theuren Seelen mit feinem ©lute erlauft hat, fo
faffen roir ©ertrauen, gehen aetroft an bie ©Ir*
beit mit ber ©itte: O {»err hilf, o {»err, laß
wohl gelingen! ©tmen.
*
---
HKe ber Honig tum SdfitJeöm
befugt würbe.
gür $ait8 unb #trto non <£. Wagaret.
t m Sahre 1659 fah eS im Sanbe Da nana rf
traurig aus. Der ©Hinter war mit unge*
rooljnter Strenge aufgetreten, unb {»anbei
unb Bertehr lagen banieber. Die Jpäfen waren
Digitrzed by— '
J8it brr Bönig oon Sdjtoeben befugt mürbe.
377
öom Gife öerfperrt unb eine feinbfidje Slrtnee
berbeerte ba§ Sanb oon Illeer gu Steer. — SctS
Gis toar an Sänemarf gum Sßerrätber gemor»
ben. GS batte eine Srücfe gebilbet, fo fidjer unb
feft, baj? Gart ©uftab, ber König oon ©cbweben,
feine Srttppen über ben großen Seit führen
tonnte, beffen fonft fo unruhige unb ftürmifcbe
fvlntb nun einer ftarren weiften Stäche glich- —
Sets mar in ber Spat ein fü|neS Süagftücf, unb
bie Scitgen gitterten bei bent ©ebanfen, toelcb’
ein Staun biefer fdjmebifche König fein tniiffe.
©o unrecht batten fie barin nicht, Garl ©ul'tab
befafe einen milben, ungeftümen Gljarafter. „Gin
Sürft foflte beftänbig Krieg führen," batte man
ihn einmal fagen hören, „benn bamit amüfirt
er feine Untertbanen, unb jagt feine pfeinbe in
©chrecten." — Gr hatte Solen berroüftet, mit
Srennen gefochten unb toar nun in Sänemarf
eiitgefaüen.
SBoht hatten bie Sänen ihrem friegerifchen
UJadjbar gegenüber jeben Slnlafj gum ©treit mit
peinlicher Sorgfalt bermieben, aber wenn man
ben Krieg nur um beS Krieges toiüen liebt, fo
ift eine Ürfnche halb gefunbett.
„Grft motten mir Sänemarf erobern, unb
bann bic ©erechtigfeit unferer Sache beroeifen,"
fagte Gart ©uftab, als er feine Gruppen mufterte.
Sie Fällen oermochten nur geringen SBiber»
ftanb gu leiften, ihre 3?einbe Waren gu gabtreidj
unb ein Ort nach bem anbern fiel in bie ©änbe
ber ©chmeben.
Sie fteine ©tabt Spföping gehörte gu ben
lebten, bie erobert tourben. ©elbenmütbig hatte
fie für ihre fjrei^eit gefochten, mufjte fid) aber
fdjliejjlich bocb ergeben, unb Gart ©uftab forberte
eine fchroere ©elbfnntme als Gntfchübigung für
bie Stühe, welche ihm bie Groberung gefoftet
hatte. Slber Spföping roar arm, unb gegen»
toärtig, in Solge ber harten feiten unb ber 93e=
lagerüng, fomie beS Slnfaufs oon Stunition,
roelche nun boch nußloS oergeubet mar, noch
ärmer; — eS tonnte bie auferlegte Gontribution
nicht gabten.
„Sonn mufe fie brennen," entfcfpeb ber fcbwe»
bifdhe Äönig furg. „Unfere Sruppeit foflen fid)
einige Sage barin einquartiren, unb bann giebf S
ein S«nbfnfeuet, an bem gang Sänemarf fich
Wärmen fann."
Ser nächfte Sag war ein ©onntag. — Sun
war Gart ©uftab ein (utherifcher Sürft unb ein
eifriger ©efentter beS GbriftenthumS. ©oft er
ja auf bem Sljrone beS groben chriftlidjen ©ei»
ben ©uftab Sbolpfj; fein Sott roar ein religiöfeS
Sott, unb feit feinem ^Regierungsantritte hatte
er bie Stolle eines chriftlidjen Königs gefpiett.
Saß eS eine bloße Stolle toar, betoiefen fein fieben
unb feine ©anblungen nur gu beutlich.
Sfn biefem ©onntagmorgen jeboch wohnte er
mit Dielen feiner Cffigiere in einer ber bänifdjen
Kirchen bem ©otteSbienfie bei. Gr trug eine ein»
fache Uniform, welche in feiner Söeife feinen
hoben Slang offenbarte, unb Stiemanb erfannte
ihn, als er feinen ©ijj in ber Serfammlung ein»
nahm. Iber bie Seute mußten, bafe bie an»
roefenben ffremblinge ©chtoeben waren, unb in
ber Srauer unb Sroftlofigfeit ihres ©ergenS
mufften fie in ©emcinfchaft mit ben Stänitern
bor ©ott fnieen, welche ihnen bitteres Unrecht
gugefiigt unb ihre Siebften unb Sbeuerften er»
fchlagen hatten, ©clbft beS ^ßrebigerS ©erg bebte
bor Gntrüftung bei biefem Slnblitf. Caut er»
tönten feine berebten SBorte, als er bon ber
©raufamteit ber Stenfchen gegen einanber rebete,
bon ber unerfättlidjen ©ier, welche 3?euer unb
©chroert in ein frieblicheS Sanb gebraut, bon
ber Slbfdjeulichfeit nußlotcn Slutoergiefeens, unb
bon ©ewalt unb Staub, bie häufig fogar im
Samen beS 3?riebenSfürften betübt werben.
„SBettn ber nächfte ©onntagmorgeu graut,"
fuhr er fort, „wirb unfere ©tabt in Sfcbe liegen,
unb wir werben bciwatblofe SBanbercr auf Gr»
ben fein. 916er beffer fo! Seffer oerarmt unb
frierenb unb hungrig, als in Stuhm unb Ucppig»
feit mit einem foldjen ©ranbmal im ©ewigen.
Ser Statut, ben ich auf ber gangen Sielt am
menigften beneibe, ift unfer erb.armuugslofer
Gröberer."
Socb weit mehr rebete er, unb battn würben
feine SBorte fanfter unb fein Sluge ftrahlte boH
himmlifdhen ÖidjtS, als er gu feiner weinenben
beerbe bon bem Srofte rebete, ber ihnen auch i<fet
noch geblieben fei. ©efeblt hätten fie unb feien
irre gegangen; in ben Sagen beS ©liicfS hätten
fie ihres ©otteS bergeffen, unb jeßt fei biefe barte
Prüfung gefontmen, fiegtt ihm gurüefgubringen;
biefe ferneren Seibett feien bon bem gefanbt, ber
fich wie ein 33ater über feine Kinber erbarmet.
fieifeS ©chluchgen tönte burch bie Kirche, als
bie ©rebigt gu Gilbe war, bann berttahnt man
baS ©eräufch bieler f?ufetritte, bagwiicheit ein
leifeS Klirren bon ©taljl, unb bie Serfammlung
ging attSeinanber.
Such ber ©rebiger eilte nach ©aufe, unb troß
alles beffen, was er gerebet hotte, war fein eige»
neS ©erg büfter unb traurig. Stit einem fchwe»
ren ©eufger warf .er fich in feinen weiten leber»
nen ©orgenjitthl, roäbrettb bie alte Sin f Wärterin,
bie für feine geringen ©ebiirfniffe forgte, mit
Siebe unb Sichtung auf ihn bliefte.
„3P feib übermübet," hob fie an, „ich will
baS Stittageffen auftragen; hernach tötint 3br
ruhen, bis gum SlbenbgotteSbienft."
„SieS ift feine 3’eit gum ©chlafen," er»
wiberte er, währenb er au baS Glenb bachte,
welches auf Stpfoping ruhte, unb welches er
linbern follte, foweit eS feine armen SBorte Der»
mochten.
Gin lautes Klopfen an ber Sbüre roeefte ihn
Digitized by
Google
378
JBit lier $ömg non Sdpoeben beftrgt umrbe.
aus feinem Sinnen. Die alte Söärterin öffnete
eilig. Sßier fc^roeöifcfje Solbaten ftanben bor ihr.
„Sagt bem ©aftor SenöuS, bafe ber ifönig
beute mit ifjm gu Wittag fpeifeit wirb!"
„Der Jtöitig ?" ftanimelte bie alte grau er«
f4rocfeu.
„$u bienen! Der Äönig bon Schweben, —
unb au4 bon Dänemarf, wenn eS ihm fo ge«
fallen follte," Derfcßteu bie Solbaten furg.
Der ©rebiger batte fidj erhoben, unb mar un«
bemerft näher getreten: „Sagt bem Könige,"
bob er mit rnilber Söürbe an, „bafe mir baS
©lenb meines ©aterlanbeS ©i4t8 übrig gelaffen
bat, als eine £>aitboolI ©rbfen unb ein Stücfdjen
Specf. ©S märe ©ermeffenbeit, ibn mit folcfeer
Speife gu beroirtben. Das fagt ibnt!"
©lieber fefete er fid) in feinen Sebnftubl, ber»
brieflich unb aufgeregt. Gart ©uftab, obwohl
ein Äönig, fonnte niemals ein roiflfommener
©aft unter feinem Dacbe fein. Unb benuodb follte
er ibn bieSmal beroirtben. — ©S Hopfte mieber,
unb ein Dffigier trat ein, ben ber prebiger beS
Borgens in ber $irdje unter ben Scbmcben ge«
fepen batte. ©eroife mar er mit einer ©otf4aft
bon feinem fjerrti gefommen. 916er er legte ben
4)clm ab unb lieg fich fcbroeigenb iticber.
„34 habe ben $önig 6ena4ri4tigt. bafe er
unmöglich unter meinem geringen Dacbe fpeifen
faun," begann ber prebiger enblid), mäbrenb er
feinen ungebetenen ©oft mit unruhigen ©liefen
betrachtete.
„Srbfeti unb Spedf, fo lautete, benfe i<b, ber
XJücbeujettel," oerfefete ber Sdjroebe, „ein gutes
Wittagejfen. 9lb, ich lebe, ba ift es! Safet uns
gugreifen, mein fjreunb! 34 bin ber SJönig, —
ein einfacher Wann, mie 3fer febt, aber hungrig,
nehmt mein 2öort bafür."
Sprach» unb gog feinen Stuhl an ben Difcb,
mäbrenb bem ©rebiger nach ben Siegeln ber £>öf=
liebfeit nichts onbercS übrig blieb, als feinen
©aft gu beroirtben. ©rbfen unb Specf unb bar»
teS, braunes ©rot mürben bem Äönig borgefefet,
ber es [ich oortrefflidj febmeefen liefe.
„öeßt ©lieb, fflreiinb," fpraefe ©arl ©uftab,
„ich bin gefommen, um mit 6u4 über ©nre
©rebigt bon beute Worgen gu reben. Sefet Gud),
fage ich unb efet. Wit einem hungrigen Wanne
läßt fief) fihlecbt bisputiren."
Konnte nun auch ber ©rebiger nicht effen, fo
tonnte er boch reben; baS follte ber König halb
erfahren, Kühn unb uncrfdjrocfen legte er fei«
nein ©efueber bie Dinge an baS £>erg, roeldje er
in feiner ©rebigt berührt batte, ©r fragte ihn,
melchen Slufecn ober ©ortbeil Sdbmeben bon bem
©raube ©ptöpiugS haben mürbe, einer Stabt,
bereu alleinige Sdjulb in ©arl ©uftnriS Singen
ihr Wutb unb ihre Slrmutb fein tönnte. 6r hob
herbor, bafe bie ©efchichte graufame Siege ber«
bammt, ben bannbergigen Sieger bagegen mit
©eifall unb ©bre frönt: er bat ben König, beS
eblen ©aufeS eingebenf gu fein, bem er ent«
fproffen, eines &aufeS, als beffen beüften Stern
man ©uftab Slbolph betraute, ben barmbergigen
Sieger. So offen unb einöringlicfe rebete er, bafe
beS Königs halb fpöttifdje, halb neugierige
Stimmung in Seite unb Scham überging. Die
©inroenbungen, bie er ma^en mollte, über baS
KriegSgliicf, über bie ©eute, welche er feinen
Solbaten berfprodjen batte, erftarben auf feinen
Sippen. Gr ftarrte SenöuS ein paar Winuten
mit offenen Slugen an, unb brach bann in ein
lautes ©elädjter aus.
„Dänemarf follte @u<h gu feinem Rangier
machen," fprach er, „3br feib ein DonnerSiobn.
34 buchte, 34t folltet ©ure erfte ©rebigt roiber»
rufen, unb jefet habt 3h* mir eine aubere ge«
halten!"
„34 habe ©uch geprebigt, Wajeftät," mar bie
©rmiberung, „aber ©ott allein fanu Glich ein
milbeS fter’g geben."
Wit einem leichten Sädjeln unb etlidien halb
fpöttifchen ©einenungen uerabfdjiiebete fich ber
Jffönig, unb ber ©rebiger öffnete bie ©ibel, um
fein ©emütb für ben ©benbgotteSbienft gu faiu»
mein.
„34 fürchte, ich bin ein unroürbiger Unecht
beS grofeen Königs ba broben, roenu mich bie
©egenmart beS Königs bon Sdjroeöcn fo auf«
regen fann," feufgte er mieber bei fich felbft.
„Sehre mich, C>err, beine ©emeiiifchaft immer
inniger gu fühlen, unb bir gu pertrauen in Slüem,
roaS ba fommen mag."
9llS fich an jenem Slbenbe bie trauernbe @e«
meinbe gum lefeten Wale, mie fie meinten, in
ber fleinen lutberifchen Kir4e Perfammelt batte,
mürbe bem ©rebiger ein gufammengefalteteS
©apier überreicht. ©§ enthielt SiichtS, als bie
folgenben Söorte:
„34 befiegte Dänemarf. — SenöuS befiegte
mich- — fRpföping ift gerettet!"
4)erginniger Danf ftieg an jenem Stbenbe aus
bem fleinen Kir4lein gu ©ott empor. — Der
©rebiger batte als Seftion einen 9lbf4nitt auS
bem erften Kapitel ber erfieit ©piftei ©aitli an
bie Gorintljer gewählt, unb feine Stimme git»
terte, als er bie Söorte laS:
„Die göttliche S4ma4b<it ift ftärfer, beim
bie Wenfcben finb.2BaS f4ma4 ift oor
ber Sßelt, baS bat ©ott erwählet, bafe er gu
S4ouben ma4e, roaS ftarf ift, auf bafe, roer
fi4 rühmet, ber rühme fi4 beS £errn!"
Digitized by v^ooQie
3u Häuft.
379
5« Sauft.
gfir äatt* ttttto 6ert» tum einer gnngfran.
(Sin ©ärtner aebt im ©arten,
2Bo taufenb ©turnen blüb’n;
Sie aüe treu au märten,
3ft einsiß {ein ©ernübn.
Der flönnt et {anften fließen,
Unb jener ©onnenfcbein;
Dad nenn’ ich treuem ©fleßen,
Da muffen fie ßebeib’u.
3uni ift ber fdjonfte üRonat im ^abt, in ©rächt
uno föerrlicbfeit traitßt bie aefcbmudte 9?atur, bab
felbft ein Siebter entjüdt über biefen Stnblid aud=
tief:
Die 8ilien unb bie Dulipan,
'Die feben ficb rnel feböner an,
Slld ©alomonid ©eibe.
SBatum bat ber’arobe ©djöfcfer bie Dielen ffl(u=
men erfebaffen ? £>aoen fie eine uRiffion ?
©in fleinet flnabe febaute bureb bad ©itter eined
fdmnen ©artend; bie Dofbter bed föaufed, bie eben
in bemfelbett auf unb ab ßinß, bemerfte ihn.
„9Röchteft bu ßerne einiße ©linnen haben ?" 6r
beiabte ed. ©ie ßinß, unb bolte ibm einen nieb=
lieben ©traufj. Der flnabe banfte bem SRäbdjen,
unb eitte batoon. Died mar ber SßenbeDunft in fei¬
nem Vcbcn. ©r febämte ficb feiner Stunden, fudjte
fub ©efcbäftißunß, lernte fleibifl unb mürbe ein nüfe=
iicbed ©lieb ber menfcbticben ©efellfcbaft.
9?ad) ©erlauf oon fahren ftanb ein ßutßcfteibeter
.©err an bemfetbeu ©arteuthor. ©ine Dame am
9lrm ibred Wannet ßinß im ©arten feieren. Der
£>err am ©artentbor fraate bie Dame, ob fie ibn
fenne? ©ie erinnerte ficb nicht, ibn jeaefebeuAU
haben. Der ©err fraßte fie, ob fie ficb noch erinnere,
ald fleinet 9Räbcben einem AerlumDten flnaben eine
©anbooll Blumen ßeßebeu au haben? ©ie bejahte
ed. 3rner flnabe bin ich, unb bie ©turnen, bie fie
mir aabeu, unb^bre freunbticbeu 2Borte halfen mir
bad au merben, mad icb bin.
?tm 30. 9Rai ift Deforationd^Daß. _ Da merben
bie ©räber ber Sieben mit ©turnen ßefcbmüdt; acT>
— ed ßeht mir ba, mie 3utiud Sturm faßt:
Da finß mein #ers au floDfeu an,
©o fcbmerAticb unb fo banae;
©in ©trom oon bittern Dhrätien rann
£eib über meine SBanße.
Der Sieben bab’ ich ftilt ßebaebt,
Die ßrüne öüßel beden,
Unb bie ber Sem mit feiner 9Racbt
fRicbt !ann Dom ©ddaf ermeden.
ttitfrr $efttd). ©or beinahe Amölf fahren ent=
fStoffen mir und — meinet 9Ranned ©cbmefter unb
ich — bei einer ftreunbin, metebe etma fieben Weilen
entfernt mobnte, einen ©efueb au machen; unb mir
beeilten und, am Dane oor ber äbreife bie nothißen
< D>crfebrunßen au treuen. 2Bir fochten unb badten,
t>amit bie Dante, bie mäbreub nuferer Stbmefenbeit
frie ©audbattunß führte, nicht oiel su beforßen hätte.
Drei flitiber mollten mir au ©aufe (affen, unb nur
bad fteine, anbertbatb 3abre alte Sabn mit und
nehmen, fid mar ein beiher Slußufttaß, aber mir
maren nicht lanafam; um acht Uhr mar bad &aud
in Orbuuuß unb mir bereit, bie SReife an au treten.
Untere ^ferbe maren jeboeb meßen ber ßrofeen §ifee
in feiner fiite, fo bab cd Aebn Uhr mürbe, ehe mir
bei nuferer efreuubin eintvafen. ©ie unb ihr Wann
bemillfommuetcu und berat ich.
„fRicharb," faßte unjere Sreunbin ©ufanna au
ihrem Wann, „miltft bu fo ßut fein unb etliche Don
ben beften Kartoffeln audßraben, unb einen ?lrm
Doll €>oIa baden ?"
„{Recht ßerne," faßte er unb ßinß.
„Wein Wann," faßte fie und, „beabfiebtißt nach
bem ©täbteben au flehen, um einiße ©efebäfte au be=
forßen, unb ich motlte ibm feine Sieblinßdfoeife —
S(e^fet=.fUdbe — fodten; fie fiiib jefet beinahe fevtiß,
fo bab er effen fann; mir effen bann f^äter.
2Bir maren natürlich Aufrieben; meit aber Küche
unb ©efucbd=3immer eind maren, fo meeften, mir
müffen’d ßeftehen, bie frifcbßefodden, bampfenben
fl tobe unferen Stppetit merfmürbiß.
Die ©tunbeu flohen fdjnelt babin; ed mürbe ein,
Amei, brei, ja beinahe vier Uhr. ©in fetted ©ubn
mar ßefdjiacbtet unb Aiibereitet morben, baau oer=
fd)iebenertei ©emüfe, ©afteten unb fluchen. ?lber
— mie huiißriß mar i^! Die Srcunbin batte in ber
3mifd'emeit bem flinbe etmad flud)en ßeßeben, unb
ich hätte bie „©rofamtein", melche oon bed flinbed
Öänbe fielen, mit fteibhuußer oevfchtinßen fönnen.
ßnblid) mar bad ßffen fevtiß, ber Difcb ßebedt unb
mir marteten auf bie 3urüdfunft bed ©audherm.
Unfere ^reunbiu fefete ficb einiße Slttßenblicfe hin.
Den aaiuen Daß hatte fie baau oermenbet, um und
Amei grauen eine ©JablAeit au bereiten. Um fünf
Uhr fam ber Wann nad) $aufe, unb mir fetten
und, um au effen.
Um feebd Uhr befanben mir und auf bem &cim=
meae. 9?och eine ßute ©trede uon au ©aufe hatten
mir bad 9Rihaefcbicf, bab ber eiferne 9?eif oon einem
ber Söaßenväber fpvaitß, unb mir nicht meiter fonn=
ten. Die ©ounc ßinß unter, unb bad flinb mar au
febmer, um ed au traßon, unb mir fetoft maren fo
Sehr mübe. 55ir borßten einen leichten 2Baßen unb
famen eublid) um neun Uhr mohlbehalten Aurüd.
Der Dante mar ed anßft unb baiiße ßemorben, unb
fie befürditete mit ben flinbern, bab und auf bem
©eßc ein Uußlüd Attßcftoben fein müffe. Der ©ater
mar ahmefenb. Die fl'übe mürben an jenem 9lbenb
natürlich nidat mehr aemolfen. 9(ld mir ber Dante
tnn unferm fpäten TOittaßeffen erAäblten, faßte fie,
bab felbft meine 9lußeu ein bunßrißcd fHuofeben
hätten.
Die Sehre, meldfe mir and biefer ©efchubte sieben,
1 ift biefe:
2Benn 5Sreunbe und befudjen, labt und mehr bar=
; auf fehen, mie mir ed benfelbcn anßenebm unb
i behaßlüh mad>en, unb menißerbarauf, miemirßrob
I erfdjeincu.
Digitized by v^ooQie
380
SonntagfdiuUfektionen.
Katarrh, Srfältuna im Kopf unb in bcr 9?afe,
tann im $nfanß3 = ©tabium fehr flemübert unb
öfter burdj folflenbeS einfache bittet »oöfommen
qchctlt werben: iDiau nimmt einen Sheelöffel »otl
Kochfals, tbut cS in ein ©laS lauwarmen ©afferS,
fließt etwas ba»on in bie ©anb unb siebt eS burdj
bte Pafe in ben Kopf hinein; man fährt bamit fort,
bis ber Inhalt beS ©lafeS aufflebraudjt ift. ®ie
Perfc&leimunß ber 9?afenhohlen unb Suftröhren wirb
alSbalb flemilbert. $f?ait wieberholt biefeS einfache
Mittel läßlich breimal: 9Korflen8 nach bem 3luf=
fteheiir 3)cittafl§ unb JlbenbS »or bem Schlafen^
flehen. 9lben»S reihe man fid) bie SRafe mit uns
flefaljcner Putter, ©änfefett ober ©chmals ein. ©at
man fid) ftarf erteiltet, fo fann man noch ein heißet
gußbab bam nehmen. CDiefeS 9tesept ftammt »on
einem erfahrenen 9lrst, unb hat Won ^Manchen fle=
helfen.
gemottete. 3Wan nehme eine Sitrone (Lemon)
unb reibe bie 9lußenfeite ber©chale (nur baS©elbe,
baS ©eiße bcr ©d)ale ift bitter), unb bann brüefe
man ben ©aft in eine Saffe. darnach nimmt man
eine ßroße halbe SLaffe weihen 3uder, einen Sßlöffel
ßcfiebtcS iDtebl, baS ©elbe oon einem Gi, einen Shee=
loffel »oll Putter unb fed)S Sßlöffel »oll fuße 2Bilch,
rühre eS flut burdwnanber unb fliehe eS in einen
mit Seift beleflten Heller (Pie crust); man bade ben
pte in einem siemlicb heißen Ofen. £)ann nehme
man ba$ ©eiße bom Gi unb eine halbe Saffe pul=
berifirten i^der, »erflopfe eS flut burcheinanber bi$
eS recht letdjt wirb, ftreiche eS mit einem bünnen
SKeffer über ben Pie unb ftelle ihn bann eine 9Bi=
nute in ben Ofen. $ft baS geuer su heiß, fo läßt
man ben Sadofen offen fteßen. (®ie$ nennt man
frosting.)
Hubeln. 3Ban nehme 4 Sier, 4 Sßlöffel »oll fuße
3flil<h unb flefiebteS üWehl flenufl, um einen fteifen
Seiß gu machen. 3)?an thue Sier unb ÜRilch su*
fammen in eine ©cbüffel, rühre baS ÜBehl nach unb
nach hinein, lese ben Seiaauf einen mit 9Rehl be=
ftreuten Sifd) ober auf ein 9?ubelbrett, unb »erarbeite
ben Seift flehbriß mit ber ©alse, währenb man be=
ftänbiflSKehl unterftreut. 3e länfler unb fteifer ber
Seift »erarbeitet wirb, befto beffer werben bie Rubeln,
^achbem ber Seift bünn (jenufl gerollt ift, fchneibe
man ihn in fdjmale ©tretfen unb hänge biefelben
am Ofen ober in ber Sonne sum Sroaiten auf.
PiS man baS lefete ©tiid auSßerolU hat, ift ba$
erfte bereite troden flenitß. S)ann beftreue man
baffelbe nochmals mitSBehl, rolle eSsufamnien unb
fchneibe eS mit einem bünnen Keffer in SRubcln »on
ber ßewünfdjten geinheit. ®iefe Rubeln föunen
foftleich flefoeßt werben, ober man fann fie trodnen
unb für fpäteren ©ebtauch auf bewahren, ©ill man
bie Slubeln nicht sur Suppe ßebrauchen, fo foche
man biefelben eine halbe ©tunbe in ©affer, bem ein
wenia ©als sugefefet ift unb fdjütte bann baS ©affer
ab. xiefet fließe man wieber fodjenbeS ©affer bar=
über, unb nad)bem aud) biefeS abaefloffen ift, ftelle
man bie Rubeln einen Shtßenblia auf ben Ofen,
©enn man fie bann in einer Pfanne mit etwas
Butter badt unb mit flcfocbten 3u»etfchen unb
Kalbsbraten auftifdjt, fo hat man ein herrliches
Gffen. ^
^Toofieö. lJSaffe weißen 3«der, 1 Saffe Sutter,
1 Si, 1 Sheelöffel ©aleratuS, ein wenifl 2)iu3fatnuß,
i Saffe fü|e 5Kilch unb flefiebteS ®iehl fo»iel alS
ber Seift halt. Si, 3uder unb ^Butter werben flut
burcheinanber gerührt, darnach rifhrt man ben
©aleratuS in bie 3HiW unb fließt bieS in ben Seift.
3ulefet fefet man bie aeriebene ©uSfatnuß hinsu.
Unter fortwährenbem Bufeßen »on flefiebtem 3Behl
»erarbeitet man ben Seia fo lanfle, bis er fteif ses
miß sum ffluSroüen ift. SHachbem er bann mit einer
©alse recht bünn auSflerollt ift, ftid)t man mittelft
einer 5}leihform ober eines Srinf^lafeS fleine ©Äeis
ben auS. ®iefe leflt man in eine lanfle Pfanne,
wel(he ein wenia mitSutter ober ©chntals ßefchmiert
fein muß, unb [teilt fie in einen heißen Öfen; wäh=
renb fie baden, lept man eine anbere Pfanne »oll,
unb fo fort biS fein Seia mehr ba ift. Sie müffen
fchneU baden, bürfen aber nidjt anbrennen. 9Man
nimmt fie forßfältifl mit einem bünnen SKeffer auS
ber Pfanne, unb leflt fie sum Slbfühlen auf ein um*
flebrehteS ÜRehlfieh.
$onnta0r<t)u( Sektionen.
©onittafl, 1. 3ufi. Sofua 1,1—9.
3ofua, 9Rofed S^a^folgcr.
1. ^laß: 5)aS ©efilbe ÜBoab, fleflenüber »on
Jericho» öftlich »om ^orban.
2. 3fit: ^lm ©diluß ber ©anberunß SfraelS
burd) bie ffiüfte, fürs nad) 3WofeS Sob, etwa 1450
»or Ghrifti ©eburt.
3. Harne»» unb SBortrrfförmtß: ^ofua, mit
feinem nrf»rüitfllid)en tarnen: ©ofua = ©Ufe, ber
©phn beS 9?un, auS bem Stamme Sphraim, in
Sflhbten fleboren, bamalS etwa 90 ?fahre alt. ®er
hebräifche sftame ^ofua heißt: ,,^eho»a ift ©ilfe w
ober „©eilanb", alfo aansbaffelbe wieber ßrie<hif<he
5Wame 3ejuS. Sr heißt hier 2HofeS ®tener,
b. ß. fein ©ehitlfe unb fpäter fein auSbrüdli(h hiesu
berufener ©teöoertreter in ber Seituna beS SolfS.
3Reiit Kne^t STOofe, bie böcofte Shre auf
Srben ift bie, nidjt ein ©err, fonbern »ielmehr ein
Knecht beS höchften ©enn su fein. Unb aeudj
über biefen (»or bir lieflenben) 3orban, waS
ben 3fraeliten »or SMofeS Sob nicht erlaubt war,
iefet aber war eS 3eit, baß 3ofua in SBofeS ^mt
eintrete. ®a$ ich ihnen fleaeben, b. h; fchon
»or 400 fahren burch bie ben Patriarchen fteflebes
nen ©rheißunßen su fleben »erfproihen unb nun
audj uürflich einfleräumt habe. Soweit eure
Digitized by v^ooQie
$onntagfdjul=ffbtionen,
381
gufcfoblen traten, alfo feinen ftufebreit auS=
genommen, fonbern baS gange 8anb, foweit fie
eS einuehmen, füllen fie eS auch befifcen.
2Bie ich 3Äofe gerebet habe. SS werben nun
bie (3 re tuen angegeben: 3tn Sübeu: bie
23 ü ft e 3 i n , »gl. 4 äRof. 34,3, alS Scheibewanb
gegen© Dom; im Serben: ber ßibanon, ben
man »on bein gegenwärtigen Stanbort 3fa*elS gang
mit jehen fonnte, baber: „biefer" Libanon; im
Olten: baS grofje Gaffer ©brat, b. b. ber
Strom ßuyhrat; im2Beften: baS 2Rittellän =
bifefte SWeer. ®aS 8anb ber©ethiter, b. b.
ber 9iad)fommen beS ©etb> beS gweiten SobnS »on
Sanaan, bie ben gangen inneren ober mittleren SEbeil
ftaitaanS bewohnten unb baher alS Diepräfentantcn
aller fananitifeben ©tämrne genannt finb. fWic=
manb miberftehen, nämlich »on ben iektgen
Sewohneru. 23 ie id) mit 50?ofe gewefen bin.
2lud) fchon biejer »erbanftc feine SBciSbeit, feinen
Sinfluh auf baS 25olf unb feine Uebermacht über
beffen Seüibe nur ©ott allein, unb ebenfo foll eS
nun auch bem 3ofua geben. ®aS fianb auS=
theiUn, in gwölf Sbcilc, nach ber 3abl ber
Stämme. 3 breit Tätern, b. h- Abraham, 3faaf
unb 3afob, unb gwar fchon »on l9Mof. 15,18 att.
81 ad) bem ©efefe, gemeint ift baS gaitge ©efefe
2MofeS, wie eS in ben »ier lefeten Büchern 2RofeS
ausführlich gefchrieben ift, baS burch $)fofe, als ben
Änedit ©otteS, alfo in ©otteS Auftrag uttb fraft
göttlicher ©ollmadjt, wie allem 25olf, jo and) für
ben fünftigen Öeiter beffelben, 3ofua, gilt alS un=
»erbrücblicher ©efehl: auch er barf alfo nidjt nach
eigenem ©utbünfen hanbeln. ©erabe für ihn war
namentlich ber bie dürften unb Rührer 3ftaelS au-
gebenOe Xheil beffelben gang befotiberS widitig.
2Beber gut Rechten u.f.w., weil baS ©efefe
felbft ber gerabe richtige 23eg ift. sticht »on bei=
wem 2Wu ttb fomtnen, b. b. tbeilS um eS ftill gu
leien, tbeilS um eS laut bem 25olf gu »erfünbigeit
unb ciugufchärfen. 23irb bir’S gelingen, baS
©ebeitniiife unb bie ©ebingung alles göttlichen
SeaeiiS ift ber@ehorfam gegen fein 23ort. 2BeiS =
Heb haubeln, alfo tikbt »loS ber ©lan, fottbern
and) bie 2luSführitug wirb reiht werben. 3^ habe
bir geboten, eben in ben gunädjft »orangehenben
üBorten.
4. ÄllgtmtintS: Stuf bie 5 ©ücher 2Rofe folgt
baS 23ud) 3ofua, fo genannt, weil eS bauptfädjlidj
»ott ihm banbeit, »ielleicht auch »on ihm felbft ge=
fdjrieben ift, mit 2luSnahme »on 15,13 —19 unb
19,40—47, waS erft nach feinem Sobe eintraf (»gl.
»ichterl, 10—15. 18,1 ff. 27—29) unb £ap. 24,
wo biefer felbft ergählt ift. Srft hier in biefem Bufafe
»on freinber ©anb (SamuelS ?) fcefommt auch 3ofua
ben hediften Shreutitel, ben baS 91. S. rennt:
„Unecht beS ©enn" (24,29). Sr felbft nennt nur
ben 3Wofe3 fo, fich felbft aber immer nur „3BofeS
'X)ieticr ii . ®er © r u n b g e b a n f e beS gangen
©udieS ift: 3eho»ahS ©olf in 3ebo»abS 8anb.
3)icfe3 8anb foll gerabe biefem ©olf alS ein
freies ©nabengefdjenf ber göttlichen Siebe gu Sheil
werben unb iebem feiner ©lieber baburth »or 9lugen
treten, wie ©ott allein fein fReidj auf Srben gu
Staub bringt, unb gu wefdjer großen ©errlichfeit
fein föniglicheS ©riefter»olf auSerforen fei.
5. 3ttr @rflärtmg uttb Srbauuug:
a) 3ofuaS Berufung. ©.Iunb2. Sßerim
Reiche ©otteS etwaS auSrichten will, mu§ bagu »on
©ott berufen fein, »or allem innerlich, oft auch bureb
anberc 2)ienfihen, CebenSfübrungett u. f. w., bann
aber auch biefem Dhtfe treu uttb toillig folgen, fiel)
»on ©ott leiten laffen bureb fein ©ewiffett, burch
©otteS ©eift, burd) baS ftille Singreijeit feiner
&anb, burih frommer Jtreuiibe Oiatb u.f.w. Sigene
23ege git gehen, bringt mcift gu feinem guten 3iel
unb Silbe, niemals wahres ©lüd unb inneren
fid)eren Trieben, berufen »on ©ott war 3ofua
fdion 4®of. 27,22 — 34 (lefen!) unb gwar nad)
l\'ofeS 2Mtte nad) 25. 18 aIS ein 8)?ann, in bem ber
©eift (©otteS) ift. 2US einen folcbcn bat er fiel) bes
wiefen fchon imfiampf gegen 2lmalcf (2 SO?of. 17,
8—16) unb bei ben Ät'unbfchaftcrn (4 2)('of. 14,8. 9).
2)urdh9)?ofeS©anbauflcgung wirb nun abcr3ofua
uoä weiter alS befonbere 9luSrüftung für feinen
fünftigen fcbwicrigen 2.^eruf mitbemfclben ©eift ber
23eiSheit unb berÄhaft wie9)iofeS felbft auSgerüftet
(5 9)?of. 34,9), beim wo ©ott »icl »erlangt, ba giebt
er auch »iel. 3n bem fchönen Bcugnife, baS SOcofeS
über 3ofua au»fprid)t (5 2)?of. 31, 3—6), geigt fich
2KofeS neiblofe ®emuth, ber gerne gurüdtritt unb
3»fua 25lafe mad)t.
parallelen gwifd)en 2)?ofeS unb 3ofua:
23ei 23eiben gleicher Brned (Leitung unb Rührung
bcS 25olfeS), aber »erfebiebene 23cife unb 23crfgeuge:
2)?ofeS ein Prophet, 3»fua ein ÄtiegSmann; beim
Bug burch bie 23üfte galt eS heiliges ®ulbeit, beim
(Eintritt in ftanaau heiliges Sümpfen, ©ott braucht
»erfAiebene SBcrfgeuge unb wählt fie fich, ergicht
unb bilbet fie fid) heran nad) freier 23ahl feines
23illenS unb nach feiner eigenen SBeiShcit: waS fie
felber babei gu thun haben, ift immer nur StneS:
treue Snechte unb ©auShälter über ©otteS ©eheim=
niffe gu fein. So treu bat auch 3»fua ©ott gebient,
bah in feiner gangen ©cfehkbte fein eingiger 8ebl=
tritt »on ihm berichtet wirb; baher aud) nur er a 11 =
ein mit 9)Jofe gewürbigt wirb, ben heiligen ©erg
Stnai gu befteigen.
Schon bisher bat 3ofiia fid) alfo alS ein äRaitn
»on 2)htth, ©laubeit unb Sinficht beioährt, er ift
feine »ergagte, fchwache 8Jatur, fonbern ein cnt=
fchloffener ©elb. 9lber, bisher »on 232ofcS mächtig
getragen unb uuterftüfet, füll er iefet allein bie gange
fd)were Saft auf fid) nehmen, bie felbft jenem gc=
waltigen 8){anit manchmal faft gu »iel werben wollte
(4 2Rof. 11,11 ff.); ba mag fid) wohl aud) in ihm
einige Baghaftigf eit regen, wie fie aud fpäter
fidj, g.©. 3»f. 6, geigt; baher ihm auch iDcofeS
felbft unb nachher baS gange ©olf SRuth ciufpridtt.
®er befte 2Rutb foinntt ihm aber auS bem feften
©lauben au ©otteS Breite unb ©erbeihuug. ® iefer
äroft treibt alle Smrdjt auS, baher fommt eS auch
bei ihm fo wenig, alS beim 2lpoftcl, gum ©er=
gageit.
®iefer äAtc 9J?utb batgurSBurgelbie ® emuth:
er erfenut neben ber ©röjge feiner Aufgabe bie eigene
Äleinbeit uub Obnmadit, bie eigene Sd)wad)bcit,
in ber ©otteS Straft befto herrlicher fidt offenbart
(2 Sor. 12,9). 2Bie gang anberS bie mciften anbe=
ren ÄtiegSbelben itub ©eerfübrer, bie ^jleifd) für
ihren 5lrm halten! 9lber ©ott wiberftehet ben ©of=
fährtigen, nur ben ©emütbigen giebt er ©nabe unb
ben 2lufridjtigen läfjt er’S gelingen! 9luch 3ofua
muh warten, bis ©otteS Stunbe für ihn fduägt,
er brängt fidj nicht eigenmächtig auf unb »or, fon=
Digitized by v^ooQie
382
$onntagfd)uU£ektionrn.
bern tritt mir ein in bie ihm fchon nach (Sottet Orb-
nung bestimmte Stellung nach ©JoieS 2ob.
^lud) ©otteS Kned)te mühen fterben# feiner ift für
©ott unentbehrlich, unb reiner unerfeßlicb; er fclbft
füllt bie dürfen lieber auS, aber nur nach feinem
31a tb unb JBittcn.
b) 3ofuaS Aufgabe, $. 3—6, ift eine bop-
Oelte: Srobcrung unb Pertbeiluitp beS 8anbeS.
©eibcS marfebmer: bie Kanaaniter, ein Qro§c^ 95olf
in feiten Stabten, friegerifeb unb mit bem Sanbe
mohl oertraut (4 ©Jof. 13, 29 ff. 5 ©Jof. 9,1. 2).
Unb mcnji eS fdmn bei ©ertbeilung Don ein oaar
liefern SanbeS oft unter Srübern nid)t ohne ©otb
unb Streit abacht, mie oiel fdnoieriget mar bann
bie eines flanken CanbeS unter ein gnngeS Polf, baS
nie jufrieben mar! Unb mm nod) mie oiel mehr bie
ihm gleichfalls ($. 8) befohlene Stfülluitg unb 9luf=
red)terbaltung beS ©efeßeS bei biefem ungläu=
bigen, ungeborfamen unb balSftarrigen SJolfe ooll
Unbanf!
2)aS Öcunb felbft gehörte faftifcb allerbingS
ben Kanaanitern alS beseitigen Söemohncrn, red)t=
lieb aber 3frael, alS bem 2räger ber Perbeißitng,
ober oielmebr bem ©ott 3f*aclS, beffeit Sigentbum
bie gange Srbe ift, unb ber über feinen ©efiß oer=
füaen fanu unb barf nach unbefdjränfter föniglicber
©Jachtoollfommcnbcit. Uitbfür3ftael mar gerabe
biefeS fiaitb baS eingig rechte: irt ber ©Jitte
gmifdien ©Jorgen- unb 3(benb(anb gelegen unb boch
gitgleid) faft infclartig abgeichloffen, biente eS gleich
trefflich ber ^Ibfchließttng beS PolfS oon bem oer*
berblidjen Umgang mit ben benad)barten heibnifchen
Nationen (ogl. 3of. 5, 2. 5) unb boch auch bem
freien 95erfehr nach allen Seiten, fofern eS im ©?it=
tclounft ber alten SBelt lag, ohne bod), mieg. ffl.
anbere föauotlänber, mie Sgooten ober Serien, ein
bloßeS i)urdygugSlanb ober baS unliebere Schlacht*
felb ber 2Bclteroberer gu fein, 3 n ber ©Jitte ber
am früheften äoilifirtcn Kitlturoölrer (Sgooter, 93a*
bolonier unb 9lfforer, fomie ©Jeber unb Werfer,
Phöuigicr, (Griechen unb 9tömer, fomie ber Araber)
gelegen, unb mitten unter bie Pölfer gefeßt (föefef.
5, 5), unb bod) nicht unmittelbar oon ben großen
©anbclS=, Kriegs* unb PerfebrSftirrßen berührt, ift
Kanaan gleicbfam eine ffricbcnS^nfcl mitten im
Pölfcrocean berSBclt, abgcfchloftcn nad) innen, nadj
außen frei unb offen. JBunberoare 9ßeiShcit ©ot*
teS in ber JBahl and) febou beS OrteS für iebeS
93 o l f CJlpoftclgcfd). 17, 26), unb nicht minber auch
für ieben Singeinen, ben er gerabe babin ftcllte,
mo er ihn braneben mill, unb mo ber ©Jeitfdj feine
Kräfte unb ©abeit am beften entfalten unb be*
mißen fann.
3n Saopten mar 3frael mm 93otf betangemadjfcn,
m ber 2Büfte erlogen unb gegüdjtigt, geprüft unb
geläutert morben, batte am Sinai fein ©efeß unb
feine Serfaffung erbalten, ießt befommt eS nocbbaS
ießte, maS ihm gu einer felbftftänbigcn nationalen
Sjifteng fehlte: ein feinem Sharafter, feiner Stellung
unb Aufgabe angemeffcneS 8aub; baSSanb fei*
ner Sä ter, reich an heiligen (Erinnerungen, ©?ab=
nungen unb 2Barnungen, morauf fic gmar fein
mcnjcblicbeS Specht batten, ba§ fie aber a(S
oerheißenen Segen ibreS SrbtbeilS, alS göttliche*
Scbenfung unb ©nabengabe, um fo höher fdjäfeen
follten. ®er fflröße biefer ®abe entfpritbt mm
aber ambbie ber Aufgabe feiner Sroberung unb
mieberum bcr®röße biefer göttlichen 5orberung
bie feiner Serbeißung. ®aS oft mieberbolte
Scrfprecben göttlicher ©ilfe fott ihn tröften, ogl. S.
5 —6. 7. 9, ebenfo f^äter 6,2. 8,1. 10,8. 11,6;
benn in ©otteS ©Junbe ftnb baS aüeS nicht bloS
leere SBorte, fo menig alS bie Serbeißungen,
bie er unS im ©. J. in noch meit größerem ©iaße
giebt, j. S. Sbil. 4, 6 (gang ähnlich 3*>h.7, 6) unb
bie ftcb in ber ©abe bcS heiligen ©eifteS, alS beS
red)ten 2: r ö ft e r 3 Qob. 14,26) jufammenfaffen.
3lber and) bei unS ift, mie bei 3ofua ber (Erfolg ge=
fnüpft an bie (Erfüllung einer Sebingung,
nämlich ber beS ©laubeuS geborfams.
c) 3ofuaS 9tichtfchnur, S.7—9, fotlbaS
„Such bcS ©efcßeS" fein; ©ott oerlangt babei ein
®reifad)eS oon ihm: Sr fod barüber nachfinnen
(ogl. Sf. 1, 2. 5 ©Jof. 6, 6—9. $f. 119,9), b. h.
eS in feinen ©ebanfen, im ©ergen unb ©eioiffen be-
megen, unb gmar unabläffig; er foll eS bemabren,
nicht alS einen tobten Schaß, fonbern als eine
lebenbige Kraft; unb er foll eS befolgen, barnacb
tbun, inbem er feinen eigenen SBiflen bem SBillen
©otteS unterorbnet.
SS foll ebenfo auch bei unS oom ©ören beS SBortS
um ©orchen (genauen SHufmerfen) unb ©ebord)en
ommen, nicht bloS SSirfenlaffen auf’S ©efübl unb
ben Serftanb, nicht bloS eS behalten im ©cbädttniß
ober ©aebforedjen mitSBorten, fonbern eS herrfdien
laffen über ben SBillen, in unferem gangen 2bun
unb Saften# SBerf unb SBanbcl. ®ann mirb auch
bei unS alles mobl geben, benn mer nach
©otteS SBort ftch richtet, banbeit meiSlich unb glücf-
lich, loer feinen eigenen Koof burchfeßt, tböridit unb
oergeblidj. 9Ber ridjtig manbeln loill, ber untere
merfe feinen eigenen Serftanb unb 9Bil(en im ©e=
borfam bem Süort unb SBillen ©otteS, fo hat er
auch ben Segen feiner ©emeinfdjaft, feines ^riebcnS
unb feiner ©nabe gu genießen. SS ift, befonberS in
fd)mierigen Umftänben, ein großer 2roft, gu miffen:
hier bat mein ©ott mich biugefteflt, unb fo hat er
mich geheißen gu banbcln; alfo fällt audi bie Ser=
antmortung nicht auf mich/ fonbern auf ihn, ber
Srfolg ftebt in feiner ©anb, ich felbft habe nicht auf
biefeu, fonbern nur auf ©otteS SBort, nicht auf
meine SBünfche, fonbern nur auf ©otteS SBtllen gu
feben. ®aS giebt ©Jutb unb Stärfe, nicht in un¬
ter er, fonbern in ©otteS Kraft (Sob. 6,10).
9lud) mir im ©. 2. haben am SBort ©otteS einen
noch oiel beüeren unb berrlidieren Seitftcrn für all
unfer2bun, ogl. 2 2im.3,16 ff., gerabe mie mir
ein noch oiel höheres Biel haben, a(S bloS baS it*
bifche Kanaan, ogl. ©cbr. 11, 40. 3n bieS bimm-
lifd)e Kanaan führt aber nur 3efuS als bet
mabre 3ofua.
parallelen: ©idjt ©JofeS, ber ©?ann
beS © e f e fe e S, baS bem Süitber nur Sluch bringt
(©al. 3,10) unb barum nid)t gur ©uhe führen fann,
fonbern 3 o f u a, ein ©Jann milb ttnb meich, unb
boch ein ©elb beS ©laubeuS, ftarf in Krieg unb
Sieg, leitet 3frael über ben 3orban: nicht ©efeb
unb ©efeßeSmerf macht fefig, fonbern SiotteS freie
oolle ©nabe in Shrifto 3*fu, aber nicht ohne
Kamof gegen innere unb äußere fteinbe. SBie 3efue
ohne Stmbe mar, fo hat auch oon 3ofua bie Sdmifl
feinen einzigen Fehltritt gu melben. 3«>fua ift bei
S o 11 e n b e r oon ©JofeS SBerf (3of. 11,15), aueb
3efuS bat baS ©efeß oodenbet, nicht bloS felbft
Digitized by v^ooQie
Sonntagfd)ui=|ektionfn.
383
ooüftdnbig erfüllt, fonbern ihm alS bloS dufteten
Buchftaben eiitßnbe gemad)t. 3ubeffen war auch
jene Bollenbuitg burd) 3ofua n o cb feine gang
o o 11 ft£ n b i g e (ogl. 3of. 17,12. 23,5), baher
fonnte er auch n o cl) n i ch t bie w a h r e b l e i =
benbe St u h e unb Stuheftatt fleben (©ebr. 4, 8.
9). ®iefe bringt nur3duS: er allein fchafft in =
nere Stube (SJtatth. ll,28), b. b. ^rieben mit
(Sott (Stöm. 5,1), unb gwar burch baS Sine oöllig
genügiame Opfer (©ebr. 10, 14); wie Sofua eiig
Heerführer ift, fo ift audj (Sr ber „©ergog unferer
©eligfeit" (©ebr. 2, 10), alS Anfänger unb §8oU=
enber uitfereS ©laubenS.
Sonntag, 8. 3uli. Sofua 3,5—17.
$et 2)urd)$ug burdj beit 3orbart.
1. Seit: Stiua 1450 »ot (Sftrifto; 3 Sage Qoj.
1,11) tiadj bet ©ejebiebte ber lebte« Ccftion (ußt.
St a». 3, 2).
2. «tu*: 9lm Vorbau, in ber Stäbe feiner SKün=
bunfl iit’S tobte SKeer.
3. 3ttfammeitftanfl: 9(uf bie ©efchichte ber lebten
Seftion folflt gunächft 3ofuaS Stnorbnung gum
Uebergang über ben Sorbait (fiap. 1, 10 — 18),
namentlich mitBegug auf bie Bcrprooiantirung beS
BolfS unb bie ©altung ber Stämme Stuben, ©ab
unb halb SKanaffe (1,12jf.), bie bereits baS Oft*
jorbanlanb, baS frühere ©ebiet ber Slmoriterfönige
©ibon unb Ofl au Bafan alS ihr ©tammeSerbe
empfangen hatten (4 SKof. 34), nun aber bodfaudj
feem übrigen Bolfe bei Eroberung beS 2Beftiorban=
lanbeS helfen Sollten (4 SKof. 32,16ff. 5 SKof. 3,
löff.); fowie baS ©elöbitift beS gangen BolfeS gu
gleicher Xreue gegen 3*>fua wie gegen SKofeS. fer¬
ner, 3of. 2, bie ®efcbitf)te bon ber SluSfenbung unb
Stettung ber beiben £unbfd)after nach 3eridjo burch
feie Stahab; unb enblich ber Slufbruch beS BolfeS
oon ©ittim (3of. 2,1) biS an bie UebergangSftelle
am tfluft unb Staft bafelbft ($ap.3,1—4) nebft
beiläufigen Beftimmungen für ben Durdigug.
4. Hamern uufe 2ßorterf lärung : 3ofua fpradj
guin Bolf unb lieft ihm feurch bie ©auptleute ($ap.
1, 10. 2, 2) fagen: ©eiliget euch u. f. n>. theilS
dufterlich: burch ffiafchungen, Äleiberwechfel k.,
pgl. 1 SKof. 35, 2. 2 SKof. 19,14, theilS unb gang
befonberS i n n e r l i cb burd) Bubereitung ber ©er=
gen für bie gu erwartenbe Shat ©otteS, bie auS^
brüdlicb alS ein 2B u n b e r angefünbigt wirb, unb
als foldjeS offenbar baS ©eitenftüd gum SJurchgug
3fraclS burch baS rothe SKeer (2 SKof. 14, 21 ff.)
bilfeeu feil, womit bie Berheiftung 1, 5 auSbrüdlid)
beftdtigt unb erfüllt wirb, unb nicht minber ein Bor=
Bilb ju 2 Aiönige 2, 8. 3nS SBaffer beS 3or=
banS. ©ieher einiges ©eographifdje: OerStame
Sorfeau bebeutet im ©ebräifchen: „®er ©erab=
flieftenfee" (wie unfer beutfeher „Stbein" oom SBort
„rinnen"); er ift ber einzige ©auptfluft B«=
läftinaS, feaher immer ber 3orban genannt. Ur-
fprung: Slm ©übahhang feeS ßibanon (5 SKof.
27,3), am Sufte beS groften ©ermon (5 SKof. 3, 9)
auS mehreren fleinen Ouellbächen. ^auf: feon
>>torb nach Süfe, etioa 8 SKeilen öftlid) oom ©eftabe
beS SKittelmeereS unb mit biefent giemlid) parallel,
guerft burch bie Pom ßihanon auSgehenben ©ebirgS=
güge, loo er bereits mehrere Buflüffe aufnimmt, bann
burch bie(Sbeite bis in ben 2J ©tunbeu langen unb
1 ©tunbe breiten ©ee S)terom (3of. 11, 5. 7),
oon hier in frdftigem unb fchnellem 8auf gioei
Bteilen abwärts in ben reigenben, fpicgelflaren,
etioa 3 9)?eileu langen unb 1 i Steilen breiten 9llpen=
fee oon ©enegareth (3^f. 12,3. 13, 27), auch
©ee Liberias ober Äapernaum, ober galiläijdieS
Steer genannt, wo er feinen ©djlanun abfefet, unb
bann in ungdhligcnfftümmungen unbSBinbungen
mit 27 grbfteven unb über 80 fieincren SBaffevfdllen
gwifdien fteilen, uadten Sdfenwdnben hiuburch mehr
alS 13 SKeilcn weit fübiodrtS flieftt, wo er eine
3Äenge gröberer ober fleinerer ©eitenbdebe anf=
nimmt unb enblich mit grofter ©cfdiioinbigfeit in’S
tobte SK e e r (©algfee) münbet, beffen Bett 1230
Ruft unter bem SKeereSfpiegel liegt. ®ie 3orban=
ebene felbft bilbet ein ©efilfee ober Blachfelb, oft
mit ®ornen unb filippen, guioeilen aber auA mit
Bäumen unb ©chilfrohr bejeftt; baS SBaffer ift
fifchreidi, aber ni<ht fehr falt, baher gum Printen
nicht fonberlich geeignet# wicioohl es lange aufbe=
wahrt werben fann unb frifdi bleibt; bie reiftenbe
Strömung ift füt bie Schifffahrt fehr gefährlich. —
25aS bie B. 10 genannten eingelueu BolfSftämme
betrifft, fo waren bie ©ethiter bie ÜKadtfommen
oon ©eth/ bem gweiten ©ohne £anaanS, unb wohn=
ten etwa tn ber SKitteoon Boläftina, bie ©eoiter,
gleichfalls oon ffanaan ftammenb, im Siorbweften,
bie Bherefiter (beutfeh: Dörfler) burd^’S gange
8anb gerftreut in fleinen Dörfern ober ©ehöften
auf bem platten Canbe, bie ©irgafiter wahr=
fcheinlich im ©üboften oom ©ee ©enegareth; bie
9lmoriter (Bergoölfer), oon forifdjer Slbfunft,
gehörten gu ben Urbewohnern BuläftinaS unb hat=
ten baS gange ©ebiet gwifchen 3abbof unb Slrnou
inne, würben aber theilweife fchon unter S)2ofcS
unterworfen, wdhrenb bie 3ebufiter bie©egeub
um 3erufalem inne hatten unb bis gur (Srobcrung
unter ©aoib fcfthieltcn (ogl. 2 ©am. 5, 6. 8).
5. 3«r drflänmfl unb Erbauung: a) ® i c B or=
Bereitung beS BolfeS (B. 5—7). 9Bo immer
ber ©en etwaS ©rofteS mit unS oorhat, gilt eS, gu=
oor fich ihm willig gu weihen unb gu heU
ligen, bamit ihm fein ©inbernift im Sßegc ftehe.
©erabe an bem SBunber, baS er bort au 3lrael ge^
thau, fonnte unb follte man ein gang befonbereS
heiliges unb hcrrlidieS 9Balten © o tteS über 3ofu«
unb bem Bolfe erfennen, baher fold)e 9Bunber=
thaten fi(h amh gerabe in biefem Buch fo oft wieber=
holen, ogl. fiap. 2,9. 6,6. 5,13. 10.12ff. Bon
©eiten 3ofua$ gilt eS BloS, biefen Berheiftungen
©otteS gu glauben (wie fchon 1,11 geigt), unb
in biefem ©lauben ©otteS SBeifungen folgen.
®aS Bolf felber aber foll fich heiligen burch
©ebete unb Opfer für ben „©eiligen in 3f™el", ber
fich unter ihm offenbart, beim eS ift fein Bg cr f,
baS iefet gefchieht, nicht baS ihrige. ®ie Brie ft er,
alS S?ad)fommen 9laronS, hatten mit ben B. 3 ge-
nannten fieoiten, nicht bloS bie genannten Opfer
unb ffiafchungen gu oerrichten, fonbern auch ino=
befonbere bie heiligen ©eräthe ber ©tiftShütte gu
beforgen, oornehmlich bie BunbeSlabe mit ben
©efefteStafeln unb bem ©nabenftuhl ober ©übu-
bedel, wo 3chooah unter ben (Sherubim in ber
Digitized by v^ooQie
384
$onntagfd)ul=£ektiotifii.
SBolfe mohnte, bie alfo bie fid)tbare Stätte feiner
unfkbtbaren Segenmart, foaufagen feinen Shrott
unter feinem 3>olfe bilbete. Sonft mar bad Sra =
gen bcifelbeu basScfchäft ber Äiahathiter (42)?of.
3,31), bicdmal follen bie fßviefter felbft ed thuit,
31111 t Reichen, bah (Sott ctmad 3Monbered borbat.
Sehet oor bciu 3>olf her, noch nicht über
beit ;V'vban felbft, fonbern junacfjft nur bid an
beufelbeit, aber an ber Spifee bed 3uged. SBenn
bie 3MtnbeslabeM’td) erhob uub poranaog (49D?of. 10,
33 ff.), feilte bas übrige 3>olf ihr naritfolgen, tote
früher ber 93 olfen faule, bte fonft bas ©ccr aitfübrte
(2IVoj. 13,21 ff.) unb fich, toenn baffclbe ftillftanb,
auf bie Stiftsl'ütte nictciliefc (2 SVof. 40, 43 ff.
4 ®of. 9, lüff.), tefet aber feit bem Sin 3 tig tu Ka=
naan nicht mehr erfebeint, ba ^ifrael jebt biefed
au Heren Reichend nid)t mehr beburftc. 3mifchcn ber
Siuubcslabc unb bem Soll mar nad) 3>.4 ein
^mijehenrauut bon 2000 Ellen, bie Sänge eitted
toabbathmeged, theild tum Reichen ber Unnahbar^
feit Sottes für bad füitbige 9>olf, theild bamit bad
Isolf beit munberbaren ben Sott ihm fefet
bahnte, genau anfeheit unb fid) aum SBemuhtfein
bringen fonnte, mad uninöglidi toar, mettn ed felbft
bidtt hinter ber 93uitbedlabe einhergcaogeit märe.
Der ©err fprad) ju ^ofuu, bitrcb inneren
3ufbruch feiltet Seiftet. Did) gtoh au machen,
eben meil er felbft feine eigene Ehre nicht fuchte,
giebt fie ihm Sott befto reichlidter, atigleid) itt ber
Ülbficht, ihm Otefocft unb Sehorfant bei bem 9Solf
ju oerfchaffen. So ftehet ftill, fobalb ihregufc
fbifeen bas JBaffcr bed feine Ufer itbcrfticftcnben
3orbans betraten, follteit fie ftchen bleiben, bid bad
gante 9>olf brühen mar, bamit biefed aud feiner
Entfernung, 9?. 4, gehörig beobachten fonnte, mie
in biejeut fclben 9litgcnblid badSBaffcr fid) oor ihm
theile unb ihm freien, trodenen Durchtug geftatte.
b) Die 35erheihuttg bed ©errtt (9>.7—13).
Dabei follt ihr nterfen, nämlich eben an
biejeut JSunber, befielt 3mecf and) hier barin be=
fteht, bas 9>olf tum Slauben tu bemegen an
ihren Sott, aId beit (ebenbi^en, gegenüber ben
tobten Sötten ber Reiben; als biefen Sebettbigen
3eigt er fid) eben in feinem Shun.
35or ettd) audtreiben mirb je. 9ln ftfrael
$eigt Sott feine fegnenbe Süte, an ben ©eiben feine
ftrafeubc ©credjtigfcit. Schott 5 üMef.7,16 ift aud-
brüdlich geboten, bah biefe, bereit Sefammtitante
Kanaaniter ooranftebt, ald 3ufammeitfaffung
ber übrigen burch bie meiteren Eititelnamen noch
befonberd beaeichneten Stämme, nicht gefchont mer=
ben follteit, moran fid) auch 3ofua, Kap. 6, 21, in
oollcm Sehorfant hält. Dad gefebah nid)t unge-
rechter unb graufanter 2Beife, fonbern nad) 5 30^of.
9,4, um ihred gottlofen SBefeitd mitten, bad gerabe
bei ihnen eine furdttbare ©öhe ber Rohheit unb
Uitreinigfeit erreichte. Sott aber ift ald ber heilige,
and) ein eifriger Sott, 5 9D?of. 4,24, unb ein oet=
aehrenbed Setter, ©ebr. 12,29. Er hatte bad bereite
begonnene Strafgericht über biefe 95ölfer (1 3Nof.
lü, 16) in Sangmuth unb Sebulb ttochmald oer=
feboben, ihnen in Sobomd Untergang ben heiligen
Ernft feiner Scredttigfeit, burch 9lbrahamd, DlfaafS
unb 3afobd JBohneit unter ihnen, ben Segen fei¬
ner 65cmeinfchaft unb Siebe fo reichlich ptebigen
laffeit, unb bod) oerfanfen fie immer tiefer in ben
entartetften, fittenlofeften ©öfeenbienft; iefct fomntt
bie oolle Strafe: mo geuer unb Sdtmefel oom
©immel nid)t mehr audreidtett, bebient er fich bed
Sdnuerted ber geiitbe. 3 frael ift ein SBerfjeug fei¬
ner aüchtigenbeit ©anb, mie fchon fo maitdted anbere
9>olf, ohne ed au miffen; feited aber fott fidt’d be=
muht merbett, unb baraud lernen, fid) bor Sott 511
fürchten unb fiel) marneit au laffcn (5 9)?of. 8,19ff.)
früher hatte Sott bad Sanb ben Kanaanitern
gegeben, nicht auitt unbebingteu Eigenthum, fonbern
nur bebiitguitgsmeife aur Sermaltung, fie (mb beffen
unmürbig gemorbeu, nun bertreibt er fie unb fefet
Rubere an ihre Stelle, mad in ^eaug auf iettc ein
5lft göttlidier Scred)tigfeit ift, ift in ^eaitg auf
3frael ein Plft göttlidterSnabe: Sott hat badüteebt
bed SJefehld uub fie haben bie Pflicht bed Schor=
fatttd. BmölfJlßänner, bereu Aufgabe Kap.4,
1 ff. berichtet mtrb.
D i e S u h f 0 h l e tt ber ^riefter rnareit itadt, benn
fie hatten bie SJunbedlabe barfuß au tragen. 91 b-
reihen, mie ein gaben, b. h. bott unfiditbarer
©aitb fo attfgehalten merbeit, bah ed mie auf (Gittern
©aufeti fteheu bleibt, gerabe ald märe ein Damm
quer über ben glüh geaoqen, an bem fich bie 2‘Sellcn
aufftaucit, mährenb bad ununterbrochene Slbfliehett
bed unteren Sßafferd bad Strombett troden legte
unb einen freien Durchgang lieh.
c) Der Verlauf bed 3 » 0 ed (9S. 14—17).
Dieganae3eit ber Ernte, gemeint ift bie
erfte, früheftc (Scrfteit-) Ernte, im 9Vära unb 9 lpril,
mo ber glüh in golge ber SWegengftffe unb Schnee
fchmelae tut Sibanon gerabe feinen hödtften 93affer^
ftaitb erreichte# unb in ber 9iähe ber nad) Jericho
hiitüberfübrenbcu gurt (Ka». 2,7), etma 10—12
Suh ^tefe bei 80—100 guh Breite hat; bei Ueber-
fchmemmungeit mar aber nicht blöd bad gluhbett
felbft mit 33affer erfüllt, fonbern bie ganae um-
liegettbe Ebene bed 3orbaitgefilbed überfluthet, bie
oberhalb Jericho etma 2, unterhalb fogar 3—4
Stunben breit ift. Die2Borte: fehr ferne non
u. f. m. follten mörtlicb überfefet heißen: fehr
ferne (nämlich oon ber Uebergangdftclle) bei ber
Stabt (9lbam), bie aur Seite, b. h. öftlichoon
3arthan am 3orban liegt, etma 9 ÜReilen
nörblich oon ber obengenannten gurt. Unb oer¬
floh/ floh ab, fo bah bad Strombett nun ganj
troden balag.
9(lfo ging bad 3?olf hinüber, an ber bie
23affet gleid)famaurüdhaltenben 9?unbedlabe (Ka)>.
4,18) vorüber. 2ßad eiitft 3Kofed (2 9D?of. 14,16 ff.)
burch feinen Stab beim rotheu 9Meer bemirfte, bad
bemirft hier 3 ofua burd) bie 93itnbedlabe am 3 or*
ban, benn biefe mar tefet nach Srünbung bes Weicbed
3frael im fiattbe Kanaan bad fiebtbare Siitnbilb
unb ber Ort für bie ©nabengegenmart unb ©err-
lid)feit Sotted; au^ hier mirfte alfo Sott nidtt
atther, fonbern gerabe in ben ©nabenmittein unb
burch fie.’ Erft ald bad 93olf gatta in Sicherheit mar,
ging auch bie ©unbedlabe imttettbd hinüber (Kap.
4,10); fchon bedhalb alfo, um bie fte trageuben
3 Jriefter nicht allaulang im SBaffer fteheu au laffcn,
muhte bad SSolf beim Durchmarfch eilen ( 4 , 10 ),
moau ohnehin bie 9lngft oor bem broheitbett SBaner-
berg trieb, fomie bie gurcht, oott ber ginfternih über¬
fallen au merben. 9lber auch bei aller Eile nahm ber
3 ug einer fo groben i 0 ?enge, ooratt fÄubett, ©ab unb
halb 9)?anaffe (4,12ff.), mittbeftend i Sag in 9ln=
fprttd), auch bei noch fo bidjter 9(ufftettung.
Digitized by v^ooQie
Sonntagfd)ul=#fhtionm.
385
Der gehrer mag bei btefer ®efchi<hte noch gut > berfelben. ©erhältniß ber beibeit ©aframente bc$
8fnwenbung berfelben unb 311 weiterer 81. S. 311 cinanber unt> 311 benen bee 8t. S.
©rbauung beifügen, baß biefe^be eine hoppelte 4. 8Bort* itnb ^amenerf lärnng : © i l g a l, ber
©ebeutung bat: ») aU ©orbilb für bie gnä= ; SWainc bedeutet: „Slbmäljung", nämlichber,,©cbanbe
bige Leitung ©otteS überhaupt, ber alle ©inberniffe Sgnpteus" (©. 9) b. b- ber natürlichen Unveiuigfeit
am bem ©ege räumt, auf beut er bie ©einigen 1 ber .s>eiben burch bie ©efchneibung; bie Stabt, bie
fübrt (nicht aber bei felbftermäblten ©egen, wo er 1 auch fpäter noch fo beißt (2 ©am. *19,15. 40. 93?icb.
im ©egentbetl bie ©chwierigfeiten febr oft noch 1 6,7), lag in ber 3orbanebenc, fein* nabe fchoit bei
häuft, unt oor ihnen 3urücf3ufchrecfen unb au3 ihnen Scricbo fclbft, unb war ba3 erftc befeftigte ©tanb-
wieber auf ben rechten ©eg beS ©ehorjamS aurücfc quartier ($ager) 3fracl3 im ©cftiorbanlanb.
iuleiten). ©er aber auf leinen ©faben unb an DaS ©affab war geftiftet jur (Erinnerung an
feiner £anb wanbelt, bem gilt auch ber Sr oft ben 8(uS3ug3fraelS auä (Eguptcn, 2 üWof.12,3—11.
feiner ©erheißung in 3ef. 43, 2. ©j. 91,11 u.f.w. SHerfwürbig trifft and) ber $eit nach ber Uebcrgang
b) alS Sinnbilb, ittSbefonbere für ben lebten über ben3orban mit bemDurdsug burchbaerothe
febweren ©ang über ben SobeSjorban unb burch fDieer unb bem ihm unmittelbar ooraugehenbeit
baS bunfle Sbal, wo uu$ oor allem ber ©rnft ber ©affab sufammen. Der elftere gefchah nach 3of.
Mahnung gilt, auch uit3 äußerlich unb innerlich 4,19 am 10. Sage be3 erften 9)?onat$ (im ifraeli-
bereit 311 halten, biS ®ott um gu fich ruft. 8113 tifchen ftirdienjahr, nämlich beö Monate 8lbib ober
Mittel baju ift unS fein ©ort gegeben, baS un$ 9Jifan), alfo an bentfelben Sag, an bem 40 3ahre
nach ©f. 23,4 and) bei biefent ©ege ©tab unb 311 oor bie 8lu3fonberung ■ be§ ©affablammeS ge=
©teefen, unb nad) ©f. 119, 105 unfer 8id)t unb fchehen war (2 2Mof. 12, lff.). Die hier erzählte
Feuchte auf allen ©egen ift, unb auf baS hier ©affahfeier war im ©amen bie britte: bie erfte
aud) fdiou ;\ofua, ©.9, ba3 ©olf hinweift. Die 2©Jof. 12,28, bie zweite 4 9)fof. 9,5, unb fanb ganj
93unbe*labe freilid) bramhen wir nid)t mehr, genau nach ben ©eftimmungen beS ©efebeS am
weil ber föerr felbft oor un$ bezieht unb unä 14. IWifan 8lbenb3 (23Rof. 12,18. 3'Dcoi.23,
©ahn bricht, aud) burch fRotb unb Sob, bis er uit3 5. 4 8}?oj. 28,16. 5 9)iof.l6, 6) ftatt; biefer 81 ben b
als ber rechte 3ofua in baS red)te ftanaan ge=
führt bat. ©eim ©anbern burch bie ©üfte biefer
©eit aber gilt’3 fäntpfeit unb leiben, eilen unb war*
ten, gehörten unb beten, wadjen unb arbeiten —
bis feine Stunbe ber ©rlöfung fchlägt.
©onntag, 15. 3uü. 3ofua 5,10—6, 5.
3frael jiefit bot ^erid^o.
1. Seit: ©twa 1450 oor Gbrifti ®eburt, nach
5,10 im 3J?onat Slpril.
2. Ort: Die3orbanebene in ber Umgegenb oon
3^richo.
3. ^nfammen^iiito : Die Denfieichen be$ wnn=
berbaren DurcbjugS burch ben 3orban: a) 3ofua
richtet im ©ett be3 auSgetrocfncten 3orban3 felbft,
ba ioo bie ©riefter mit ber ©iinbeSlabe geftanben
hatten, 12 Denffteine auf unb b) ebenfo 12 anbere,
bie glekbfallS mitten auS bemfelben genommen mors
ben waren, jenfcitS am red)ten Ufer beffelben (fiap.
4,1—24). 8fad) ber gagerung beS ©olfes in ©iU
gal (4,19), auf bem ©efilbe Jericho, wirb burch
eine allgemeine ©efchneibung, bie währenb be3
©üftemugeS unterblieben war, weil ber ©unb
©otteS mit 3frael, beffen äußeret ftdftbare^ 3cuhen
fie bilbete, burch 3ftael8 ©ünbe aufgehort hatte,
wenn auch nid)t bem tarnen, hoch ber Sache nach,
ba£ ©olf felbft wieber in feiner ©efammtbeit in
ben ©unb aufgenommen, benn nur ba§ Sunbe§=
volt fann ba^Sunbeölanb erben (ff ab. 5,1— 9).
Dcmjelben 3wect bient bann auch bie fofort be=
riefttete 3eier be^ ©affab, al^ be^ ©unbe^inahle^
(f> f 10 ff 7 ), ba§ nur ber burch bie ©efchneibung fdwn
im äußeren ©erbältniß gu ©ott al§ Same 8lbras
ham^ (1 9Rof. 17,14) ©tebenbe genießen barf. 3ft
Die ©efchneibung ber ©intritt in feine ©emeinfrfmft,
fo ift baö ©affab bie (Erhaltung unb ©tärfung in
ift ber bem ©auotfeft ber ganzen ©affahiooche, ba^
auf ben 15. 9lbib fiel, oorangebenbe 8 lhenb,
benn bie 3 fraeliten wählen 00111 9lbenb, nid)t 00 m
^Morgen an, ba^3 S*cft bex' 15. begann alfo jehon am
Slbenb be^ 14. mit ber ©affabmabUeit. 81 m an =
bern (jweiten) Sag beo ©affab ift alfo ber
16., an beffen ^Morgen nad) 3 2Moi. 23, 9 ff. bie
©rftlingSgabe ber neuen (©erften-) (Ernte bargebracht
würbe; oor biefer ©eihe burfte nur U n ge j ä uer =
te^ oon ben aue bem Oftjorbanlanb mitcicbrachten
©onäthen (.(tap. 1 , 11 ), alfo oon altem ©fehl ge= *
geffen werben, erft iefet genoffen fie 311111 erfteumal
al3 bie fünftigen Herren be3 8anbe3. 0011 feinem
©etreibe, b. b. ber neuen (Ernte. Sangen =
am f?euer gebörrte ober gcröftete sichren, 3 9Rof.
2, 14.
Da3 3Ranna, ihre bisherige wunberbare
©peife währenb ber 40 3abre in ber ©üfte (2 8 Mof.
16,14) hörte auf, oieüeicht naebbem eS fdwn in.
ber lebten 3 dt, je mehr fie fid) bem fruchtbaren
Vanbe näherten, immer fpärlidier gefallen war, jefet
aber ift eS plößlich unb für immer auS, 311 m Bcidien,
baß bie ©üftenwanberung felbft enbgültig unb
oöllig abgefchloffen ift, unb eine neue ober oielmebr
wieber bie alte natürliche Orbnung ber Dinge be=
ginnt, benn ©ott tbut feine ©unber mehr, wo man
bie natürlichen Mittel unb ben orbentlidien Sl>eg
gebrauchen fann unb barum auch foll, nänilid) Oen
ber 8 lrbeit, bie er fegnen will.
©ei 3 erid)owar, oieüeicht unter ben ^Kauern
ber wohlbefeftigten ©tabt ( 6 , 1 ) umberging, um 311
erfpäben, wo fie am leichteften gu eroberii 'wäre, hob
er feine 8 (ugen auf, 00 m Srbbobcu, wohin er
| in ©ebanfen mit feiner fdiwierigen Aufgabe be=
| fchäftigt, bliefte. ©in ©?ann, b. h. eine men=
I toenähnliche ©eftalt, gegen ihm ft unb = ihm
I gerabe gegenüber in ben ©eg trat. Da3 bloße
Schwert in feiner £anb, alfo in friegerifcher @e=
ftalt, alS Sieger über ©otteS SEeinbe, al3 ©erzeug
feiner Strafgerichte, ©ie 3chooab fclbft ber 1111 =
fichtbare fl’önig 3ftael3 ift, fo ift er aud) fein (un=
28
Digitized by v^ooQie
386
äonntflgfdjuUJ’ehtionen.
fichtbaver) Oberftc, Sdbherr unb töviegdfühver, bei*
aber iet$t au bicicm bcHitScrcn 3wetf unb bei bieiem j
wichtigen 9lnla& aueb in fichtbarer ©cftalt erjebeint.
©ing (näber) au ihm, weil er il)n für einen wirf*
lieben Äivieler hielt.
Der Surft über bad ©eer bei? .fterrn.
3m gaitaeu 91. D. heijjt ©ott: £>err 3cbaoth,
b. b. \>err ber .s>eerfd)aarcn, worunter nicht blöd
bie Sterne, ionbern aiu*b bie Gugel bed .©im meid :
gemeint Hub, ald bad bimntlijcbe ©eer ©otted
(ogl. 1 S)fof. 32,1 ff. ©f. 148, 2); aber ebenfo hat
er auch ein irbifrhed ©eer unter fiel), nämlich eben
3frael ald fein ©olf (2 9JJof. 7,4. 12), über bad
er gcrabe iefet beit Oberbefehl auautreten gefommen
ift. 3 c ud) bei ne Schuhe aud k. ald 3 eid)eu
ber Ghifuvcbt im SKorgeitlaub gebräuchlich, gana
bicfelbe 9Seifung tote 2 S)Joj. 3, 5, toomit er fid) alfo
ald be tt fe l ben ©ott bezeichnet, ber bort mit SMofe
aud beut brennenben ©ujd) gerebet. Dhat alfo,
neben ber dufteren Gbrerbietung aber aud) analeich
innerlich fein ©era bercitenb für bie toeitere Offene
barung ©ottco (Atap. 6 , 2 ff.).
3ericbo, bamald bie bebeutenbfte Stabt bed
gattacn .Vrbanthald, tntb ber ©chlüffcl 311 m heiligen
Sanbe, lag in ber Stäbe ber Scorbfpifee bed tobten
SJiecved, am Sübenbe bed Jiorbanlaufd, gegen
93eftcn hin, ba too bie Gbette ihre gröfde Breite
hat, in einer fruchtbaren, 3 ©tunben langen unb
1 Stuube breiten Oaje mit reichlich flieüenben
frijeben Oucllcn, ogl. 2 Alött. 2,19 ff. 1 fi’on. 17,3.
9'Scgcn ber tiefen unb abgefchloffcncn Sage gebeihen
bort bie hcrrlichften DropcupjIan$en: fflalfambäumc,
©citteln, Stofen, hefonberd and) Valuten» baher bie
©tabt and) bie „©almenftabt" hieb (5 $tof. 34,3.
Stichler 1,16. 3,13); fie hatte bid in fpätere 3citcn
eine ftarfe Sltiofubr oon ©anbeldartifcln (nament*
* lieh ©alfam), unb baher unter ben Stömem ein
Obcraollamt (8uf. 19,2). 3 tt bei ne ©anb ge =
geben, ©ott ift ber ©öcbfte, bem alle 3Kad)t ge=
bührt; in Sohle biefer Eingabe foll nun auch bie
Stabt trofc ©. I ohne alle 9lnftrcngung in 3fvaeld
©änbe fallen. 9lllc Äriegdtnännet = Waffen*
fähige SJtanujcbaft unb awar unter Begleitung ber
Frieder mit ber Bunbcdlabe, 3, 6. 4.11, unb unter
Sluführung ber Stämme Stuben, ©ab unb halb
SJianaffe, toie fchott beim Uebcrgattg über ben 3or=
bau; ber Untätig erfolgte 6 Sage hinter einattber
iebeu Dag einmal, am 7. Dag bagegett fiebcnmal;
bei jebeiii einaelnen Utnaug bliefeit bie ©riefter bie
7 $.oiaunen bed ©altiabrd, grobe, einen
ftarfeit, mcitbin bröbnenbeit Don oon fiel) gebettbe
©övner, bie jonft nur bei Groffnung bed ©alliabrd,
b. h. bed alle 49 3 übte mieberfehrenben Grlafc.
iahrd(3S)tof. 25,8ff.)geblafen tmtrbcn. ©ie©ie =
be n aa h l alo heilige *öunbedaahl, mar hier 3frael
gana befonberd bebeutfam. Släft ttttb tönet,
b. h. jefct beim lefeteit Utnaug noch länger unb latt=
tev, alo oovher, fo bah biefer burcbbringeitbe, (ang=
hingcaogene Don weithin au hören ift(2S)?of. 19,
3». ©ad ©olf (©eer) f.oll hineinfallen,
über bie eingeftüraten SBauern weg, ftracfd 00 r
jich, b. h. jeher getabe ba, too er fid) eben befinbet,
ohne Stücfücht.
5. 3ur Grfläruug mtb Erbauung: a)3fraeld
Buubedfeier, 5, 10 — 12 : 9lucb aum Gingang
ins hiutntlijche Kanaan gehört eine Befehlt ei*
b u n g, aber nicht bie mit ber ©anb am Sleijd) ge* 1
jdnebt, fonbevn bie bed ©eraettd burd) ben heiligen
(Seift. Gbcitfo haben aud) mir Gbriften im 9?. D.
ein itocboiel berrlicbcred ©aff ab, ald Sfrael im
91. D., ogl. lGor. 5, 7.
© c r g l e i d) tt n g d p 11 n f t e: ©eibemal ein
Opferlamm, beibemal Blutbefprengung, bort nur
ber Käufer, hier ber©eraen unb ©emiffett, beibemal
eine Grrettung, bort and ber Äned)tfd)aft Ggoptene,
j hier aud ber ©ttitbe; ©affab unb Slbenbtnabl finb
beibe ein SMabl ber Grinnermtg, ber ©emeinfdtaft,
ber ©tärfung auf tntb für bie Steife, bort bttreh bie
©>üfte, hier burdt’d Sebcn; ttttb toie 3 frael cinft
bort ein S)tan 11 a hatte, fo haben wirGbriftum ald
bad toabrhaftige Brob bed Sebcttd, bad 00 m ©im*
mel fomrnt, ogl. 3oh. 6,32. 35.
b) 3ebooahd Bef.ticb, 5,13—15. Stact Äap.
6 , 2 ift biefer Surft über bad &eer bes ^errn Stie=
mattb attberd alo ^ehobah felbft, ber aud) jonft
fchon oft ald ber ©tmbedengcl ober ber Gugel bed
9lngefid)td, in betn 3ehobad Stame, b. h. fein per-
fönlidM>d 2Scfen felbft mohtit, ben ©atriardteit ober
bem SBofcd erfd)ieitett tiKtr, gana flcmaü ber mietet*
holten göttlichen ©erhcifjuitg, ba§ er ihn bor feinem
©olf herfenbeit toerbe, bgl.2S)tof. 14,19. 23,21.
30; unb amar richtete fid) babei bie 9lrt unb iUeiie
feiner ©egentoart, feine leiblid)e ©eftalt unb Gr-
febeinungdform immer genau nad) ben betreftenben
Umftänben: ©ent Stomabeu 9lbrahant evfehemt et
ald pilgernbet Sveutbling ttttb ©aft feines JOauicd,
bem 9)iofed auf ßoreb unb ©inai alo ©efebgebet
tntb ©uubedgott, bem ^riegdtnattn 3ofua als Selb*
berr unb firiegedfürft. 3 ^fua, obwohl er ihn nicht
gleich bon 9lnfang an fennt, ift hoch nachher fofort
bereit, auf fein erfted Söort hin ttid)t blöd ihm au
glauben, fottberit fid) aud) ttt ehrerbietigem ©et*
hauen ihm untcrauorbncn unb au ©ienftcit au fiel*
len. 9(tt feinem SBott alfo erfentit er feine göttliche
©ollmacbt unb ,^errlid)feit, aud) für und ift fein
©dort feine höcbfte, wirffantttc tntb untvüglicbfte
Offenbarung, baraitd wir ihn unb fein göttlichcd
93efett, wie feinen göttlicher. SBillen atn betten ttttb
eiuaig ficher erfeittteit föniteit, aber bies ®ort for=
bert aud) bon uttd bor allem ©etititth tntb ©ehot*
fam. ©ott erfdteint bett ©einen aud) l>ettte nod) in
allerlei SScifc, oft and) ttt SMenfdjengeftalt, a- ©.
in ber bon treuen Glteru, fiebrern unb Steunben,
bie und warnen, mahnen uitb tröftett, ba gilt’d bie
Singen öffnen, ba§ man ihn erfenne; ttttb toie bort
au 3 oftia, fomiitt er auch au und am liebften in ber
ftillen Giitfamfeit, ttt ©tunben äu§erer ober innerer
Sc'oth, unb itid)t, toettit wir ntü§ig unb träge finb,
fonbern bei ber treuen Slrbeit tntb ©Nichterfüllung
in unferem ©eruf. 9Bo ©ott au uttd rebet, muh ed
um und ttttb % in und ftille njerben. ©icie GricbeU
ttung 3 ehobahd toar für 3 ofua bie ©ürgfdKift unb
ber fichtbarc ©eweid ber Jöahrheit bed SBovtcd in
,Qap. 1,9. 3« beachten ift, ba§ biefe fichtbaren
©eibftoffcnbannigen ©otted nur nodt bei 3 ®fua
unb ben Stichtern oorfommen, fchott ©atttuel hört
nur noch feine ©tirnme (l@ant.3), ttttb fo auch
alle ©ropheten, ©aoib unb ©alomo ic.
c) 3ertchod ©etagetu ng, fiap. 6,1—5:
Gd evfolgt nun ber erfte ffriegdoefchl bed himm-
lifd)en .^>eerführcrd burdt ben SKunb bed irbifdten
an bad ©olt. ©afe gleich bie erfte feftefte ©tabt
©aläftinad fo gana ohncSWtthe unb Slutpergicpcn,
1 ohne einen eitrigen ©d)wertftreich in 3 ftaeld
Digittzed by W.OOQLC
$onntagfd)ul=|efttümfu.
387
fiel burch ein acuta eigenthümliche«, einaigartigeS,
faft abfonberliche« SBuüber, mar lebt mid)tig für
bä»? Bolf al« Bürgfchaft für ba« Selingen auch
feiner ferneren friegerifcbeu Unternehmungen, bie
eben jcfet erft redtt begannen, alfoal« Stauben«*
ftärfung, anDercrfett^ aber auch alt? Mittel aur
Beugung ttnb ©emuth, um allem fallcben, fleifd)=
lidien Vertrauen auf eigene Äiraft unb SBeiShcit,
allem liuhmen ihre« Bhithe«, ihrer (Eut ficht, üMacht
unb 3lu«bauer gleid) von Anfang an grünbiid) vor=
aubeugeit. Jyüv bie geringen menfd)lid)en iDfittcl,
bie ;V'fua bamal« au (Gebote ftanben, mar ein foU
dter (Erfolg gerabeau eine Unmogliddeit. ?lber bie
(Eroberung gejdtah auch nidtt burch irgenb melche
natürlidten Kräfte (etma (Erb beben,-ober gar fturebt
unb Sdtrerfcn ber (Einmohner), fonbern burch un-
mittelbare« (Eingreifen Sötte«. Sie feilen erfeitnen,
bah e« nid)t ihre eigene Seredttigfeit unb Starte ift,
ber fie ben Sieg verbauten (öi)?of. 9,4—6), fon=
bern Sötte« Dfad)t unb Sitabe allein (2 50?of. 15,
3j, baher bie Bunbcolabe al« Simtbilb feiner
Segcutoart, bie Bofauitcn in Brieftcrbanb al«
Simtbilb be« ©crabrufcn« ber göttlichen $üfe.
©er Bltd auf ba«, ma« Sott fdmn gethan hat unb
ned) heute thut, foli ihnen 9Kuth unb tf'raft geben
auch für bie Bufuuft, unb fo auch unb, vgl. Bf. 44/
1—3, mörtlicb hier erfüllt. Bon Seiten Sötte« tvar
bie (Eroberung ^richo« bie (Erfüllung feiner Ber*
heigung, B. 5, von Seiten ^frael« aber eine 2hat
be« Stauben« (.Oebr. 11, 30). Unb amar tvar
bieier Slaubc gebunben an ben ftrcngftcn Schorfam
gegen alle einzelnen Bcrorbmutgen, bie gerab# im
Segeniafe gegen bie Srojjthatcn anberer SBelt*
eroberet unb ihre gläitaenbcn Siege lieh auf lauter
Eilige bezogen, an beiten fid) gar nichts von ben
fonft fo gerühmten menfddichcn ©ugenben ber
©apferfeit, bc« BJiith«, ber Baterlanb«* unb JyreU
beit«ltebe, be« ©cltcnfinn« unb ber Sclbberrnfimft
aeigen tonnte. Meine inciijddtdte ^ift, Mraft, ftlug*
heit ober Berechnung feilte ben Sieg hier eraivingeu,
fonbern Sottet ©reue gegen 3frael unb 3frael«
Streue gegen Sott allein.
Sonntag, 22. ^uli. 3ofua 7,10—26.
,3frael$ Wicberlage bet 3lt.
1. Seit: 1450 vor ßhrifto, furae 3eifc nach ber
(Eroberung 3erid)o«.
2. Ort: ©a« ßaget Sfrael« bei Silgal (5, 9) in
ber liähe von ^eridjo.
3. ^nfamuicuhang: ©ie (Eroberung unb 3ev=
ftbrung Jericho« (6, 6 — 27), ivobei nur ba« £>au«
bei :)(ahab verfchout mürbe (6,25); meint 3ofua
vom Weift Sötte« ergriffen unb gaita im (Einflatig
mit tan Scbot Sötte«, 5 3Bof. 13,17, um mit allem
(vruft ben über 3crid)o verhängten Bann aur vollen
iMuefübrung au bringen, fchmört, bah biefe Stabt
nie ivieber aufgebauct merbeit foll (3vf. 6, 26), fo
ift btc« nidit fo gemeint, bah überhaupt ba« SBieber^
aufrid)tett von Käufern verboten fein joll, beim
er felbft theilt nachher 3ericho gleid) anbereit be¬
wohnten Stabten bem Stamm Benjamin au
ertap. 18, 21), unb and) 9fcid)ter 3,13 unb 2 Sam.
10,5 erfdieint e« mieber al« bemohnt, fonbern nur,
bah e« feine befeftigte Stabt mehr merben bürfe:
bie fo muuberbar niebergefallenen Brauern feilen
fich nte mieber erheben, fonbern ihre Strammer für
alle Beiten ein ©eitfmal ber göttlichen 9Mad>t unb
Serechtigfeit bleiben; baher beim auch jpäter ba«
angebrohte Strafgcridit bei llebertretimg bieje« Se=
bot« and) mirflid) erfolgt (1 Mön. 16, 34).
(Erft ^ciu« brachte beut vermüfteteu Jericho miev
ber ben rechten Segen, 8uf. 19,1—10. ^of. 7, 1
bis? 9 berichtet 3irael« ^iieberlage vor 9(t in fti'lge
ber Bcrjünbigitng 8ldjan«. 21 i, biefclbe Stabt ivie
2lia ( s 3ceh. ll,3lj unb 2liath (Bef. 10,28), aber eine
anbere, als? bas? jeufeit be« Vorbau« gelegene 2li
(3er. 49,3), lag 5 — 6 Stuitben von Jericho bei
Bcth=2lvcn (18, 21), fübbftlid) von Bethel (1 üMoj.
12», 8. 13, 3), unb märe, mettit e« and) nicht eine jo
gaita unbebcutenbe Stabt mar, boch mit 2 — 3000
fWaitn leidit au erobern gemefen, meint nidit auf
3frael eilt Bann gelegen hätte, ©ie Süube Dichau«
beftanb bariit, bah er tvofe ber au«brüdlicheit SBar-
nmtg 3vfmv3 (Äiap. 6,17. 18), fiel) an bem ver^
bannten Sitte 3crid)o3 vergriff, vgl. 3 SRof. 27,
28 ff. ©iefe3 follte uitmiberritflid) beut Ferrit al«
ßigcnthnm verfallen fein, b. h. allc3 Vebcnbige ver¬
nichtet, alle$ llcbrigc aber al« Beute in beit Schafe
beS .s>errit abgelicfert merben (3of. 6,19), mit aur
Unterhaltung ber Stift«hütte unb aur Beftreitung
bc« Sotte«bienfte3 au bienen; bie miberrcditlidte
?(neignung unb 9(ittaftung beffelbcn tvar au«briuf=
lith als verberblich für gati 3 3ftael beaeidinet mor=
ben (vgl. 5 s Dk'f. 13,17), nicht blo« für ben 2häter
felbft, baher fant nun auch megen ^ld)an« ©ieb=
ftahl, in beffeit Bafon fiel) gana 3ftael aut Ber-
baititten vergriffen hatte (3vf. 7,1), ber 3vrn Set-
teS auch über gatt 3 3frael; feine ^icberlage, felbft
einem fchmadjeren 3*einb gegenüber, tvar um ber
(Ehre Sottes? toillen itothivenbig, aber auch, bamit
baS Bolf bcS BanneS imte merbe, ber um be« eiti-
aelnen BcrbrecherS tvilleit auf ber ganacn Semcinbe
laftet. ©alter thut auch ^ofua im kanten bc« gam
acit Bolfe« 'Buhe CVtap. 7, 6ff.).
4. 3Bort< mrt» Saifeerfläruitg : ©a fprach ber
föerr, mahrfdieinlich vom Snabeitftuhl ber baS
Bolf bcgleitenben B*uitbeSlabe herab (2 3Mof. 24,
12. 25, 22), fo bah c£ auch bie anbereit ^lelteften
hören tonnten, bie alS Stamme«-, Sefdileditfe- unb
Aamilieuhäupter, b. h. al« fWepräjeittauten bcS
ganaen BolfeS babei mareit (B. 6). Stehe auf
aus? bem Staub (B. 6), umhin er fid) von tiefem
Schmera ergriffen mit aerriffenen Kleibern al^
3eichen ber ©rauer unb Buhe (5 3)iof. 14,2) ge=
morfeit hatte, ©sfrael hat fich verfünbigt,
bie Schulb be« Uitglüd« liegt an euchr nicht an mir,
al« märe meine ©reue gegen mein Bolf maitfenb
gemorben. Berläuguct, b. h. ba« fdioit Se=
ftohlcne aud) nod) verheimlicht unb unter ihr
Seräthc gelegt, b. h. au eigenem Brandt unb
Iciifeen vermenbet, obivohl e« Sott unb feinem ©ienft
gehörte.
©eitit fie fiitb im Bann, burch bie miber=
red)tliehe ^Incignuiig be« Berbannten, b. h. ber Ber=
nichtung geiveihten, finb fie felbft unb alle ihre frabe
bem Bcrberben gemeiht, ftehen unter Sötte« Born
unb ftrafenber Serechtigfeit, fo bah fie feinem Se=
rieht unterworfen unb vrei«gegeben finb; bie Sünbe
fällt bem Sünber auf ba« .fcaupt unb bem Fächer
Digitized by v^ooQie
388
Sonntagfd)ul=fektionfiL
anheim, X)en Sann aub euch oertilget#
burch Vertilgung unb 9lubrottung beffeti# ber bie
gange ©emeinbe beflccft hat (V. 15). & eilt ge
bas Volt, bah es oor mir erfd)eiuen fönne(V.14),
[teile eb burch ^Ibfonberunq Don ber Sünbe wieber
aufs neue alb ein gereinigtes in bab red)te Verhält*
nifc gu mir, ogl. ftap. 3, 5. Sollt ihr eud) früh
her au machen# gum gpeiligthum, bamit fich her*
ausftelle, mer ber Sdnilbige ift. (Sin Stamm
nach bem anbern# natürlich nid)t ber gange Stamm#
fonbern nur bie Slcltcftcn. X)er &err treffen
luirb# ndmJid) Durch’«Soob# unb fo alb benienigen
bezeichnen loirb# bem ber Ucoelthäter augehört; bab
Soob beftanb 100 hl aub fleiucn mit ben hetreffenben
Hainen bejehriebenen Xäfelcbcn ober Scherben# bie
aub einer Urne gezogen würben, ©ier würbe bab
Soo« oievmal geworfen: über bie Stamme# bie ©e=
jcblcihter# bie Jamilicit unb bie einzelnen @aub*
unter bcrfelbcn. "Vfitjeuer oerbrennen# nach
3 9)taf. 20,2. 14 war bie Verbrennung ber Seiche
beb außerhalb beb Sagerb ©efteinigten# 5$Dtaj. 17,
5 , eine Verschärfung ber Strafe. ®cn 93unb
beb Jperrn überfahren = gebrochen# alfo am
iperrn felbft fiel) oerjüubigt hat, aber auch am galt*
gen Volf# fofern er eine Xhorhcit in 55fraet
begangen (1 3)jof. 34# 7), b. h. eine Sduilb auf
baffelbe gewälgt hat; iebe Sünbe ift gugleich Xhor*
heit, weil fie in einer ©mpörung gegen ben all*
wifjenbeu unb allmächtigen Sott felbft befteht, oor
ihm bleibt nichtb oerborgen# 4 2)taf. 32, 23, unb
niditb ungeftraft. Unb warb getroffen u.f.io.
Sllfo eine 9frt ©ottebuvtheil# vielleicht auch baburch
vermittelt r bah bie .spohepriefter nach befonberer
göttlicher ©rleuchtung burch bab Sicht unb SRecht
einfach ben betreffenden Statuen aufriefen. X)er
Stamm 3uba, alfo gerabe ber heroorragenbfte#
au« beiü fpäterbic%iupHtünige‘3fraelb flammten.
SOiein Sohn, )o rebet ^ofua alb ältererSRaitn
unb Vater feineb VolfS# ber mit bem (Srnft feineb
richterlichen 3lmteb bie SJJilbe eineb oriefterlichen
Öergens oerbiubet. X)ie (Shre# bie ihm alb aü=
noifienbent unb uutrüglirficm ©ott gebührt# giebt er
ihm baburch, bah er burch offeitcb ©eftänbnih an-
evfeunt, bah ©ott wirflid) ben Schulbigen an*b
Sid)t gebracht habe. X>ab 8ob# bab er ihm alb
gerechtem dichter fdnilbig ift, aber baburch# bah er
fid) willig unter feinen Uvthcilbfprudj beugt. Sage
mir, alb Stelloertreter ©otteb, unb läng ne
nid)t# beim bamit loiirbeft bu nur ©ott felbft Aum
Sügner mad)eit. $n bem Vefenntnih oor bem gan=
gen Volf liegt gugleich ein 91 ft ber SelbftbemüthU
gung# wenn es auch aüerbingb alb ein oerfoäteteb
unb ergioungencb, nachbcm bie SBahrheit fchon be=
fannt war, feinen 3lnfpruch mehr auf Schonung
unb (Srlah ber Strafe begrünbete. 2Bahrlich =
ja, co ift wahr, wab bab So ob an ben Xag brachte#
fchon wäbrent» iencb Vorgangb, V. 16ff.# war ihm
allmählig immer mehr bie anfängliche £>ergenb=
härtigfeit bei Verübung beb ©iebftahlb gebrochen#
jefct oollenb« wirb er weid) burd) Jlofuab milbeb unb
Doch ern fte« Jßort. Der b a b u l o n i f ch e 3R a n t e l
war ein aub foftbaren Stoffen mitSolbfaben burch 5
wobeneb ©ewanb, wie man fie namentlich in 93a=
bolon, ber reichften unb lujuriöfeften Stabt ber
alten JBclt, trug unb oerfertigte, oon bort wahr-
jcheinlich burch .Sfarawaneu nach Jericho gebracht
unb etwa einem rer bortigen dürften gehörig.
©ülbeite *Junge = Spange# in gönn einer
Vunge, 200 £>efel (ungemüngteb) Silber, etwa
= #175. 3ur £>ütte 8lcban’b, feinem tfriegb=
gelt.
Stile ßittber 3frael waren natürlich nicht
einsein ba# aber oertreten burch ihre immer noch feit
V. 16 anwejenben SRepräfentanten. Vor ben
©errn# b. h. oor bie Vunbeslabc# unt gu be=
geugen, wem fie rechtmäßig gehören (ffap. 6, 19).
91 d)a n # ben S o h n (hier *= Stachfotnme, Urenfel)
Serabb x. X)icjeb erfte Vcrbredxn ^egen ©ott#
alb bem ©eerführer Sfraelb unb bem Sperren sia=
naaitb, muhte mit befonberer Strenge gum ab=
fchredenbeit Vcifpiel für Slnbere beftraft werben.
Santtnt bemSilber x., bie alb entweihte« ©ut
nicht mehr für ben ©ottebfehafe taugten (SDtatth.
27,6). Seine Söhne unb Xöditerx. 3war
ift 5 9)?of, 24,16 oerboten# bie Strafe eineb Vers
brecherb amh auf feine Familie aubgubehnen# aber
hier hatte 8ld>an ben Äap. 6# 17 auf alle (Sin=
wohner 3erid)ob gelegten Sann, auf fich gelaben,
fo bah berfelbe nun and) ihn unb alle bie Seinen
in glcühem Umfang treffen muhte (6,21), möglicher*
weife hatten fich 3ene aber auch wenigftenb alb
fehler babei betheiligt. SUleb# wab er batte#
gemäh bem aubbrüctlichen Sefehl V. 15. hinauf#
oor bem Säger bei ©ilpal lag im ©üben eine burd)
bieSbene oon Jjeridio fid) hingiehenbe Anhöhe, bann
erft ging eb in bab unterhalb berfelben befinblicbe
X h a l # weftwärtb oom tobten 9Reere unb nach
biefem fich hiitgieheitb. 9lchor (= Setrübitih), bie=
fen tarnen empfing eb frft nad)her gum ?lnbenfen
an biefen traurigen Vorfall, ogl. V. 26. fiap. 15,
7. Sctrübt haft# fo betrübe bid), alfo gu
gan? geredeter Vergeltung, 2 SDJof. 21,23 ff. ©ine n
groben Steinhaufen# um auch ihre 91fche oom
(Srbbobcn gu oertilgen, unb gugleid) alb beftänOigeb
Schanbmal beb gefdiehenen Verbrcdienb unb 9Bar=
nungbgeichen für 8lnbere. 9ldior würbe jpäter
fogar ber^ame beb 9ld>an felbft, l@hron.2, 7,
mit leichter 9lenberung ber Suchftaben.
5. V«** ©rfläriing unb <$rbaii!titg: a) ^cr
Se h l f di la g o or 51 i, V. 10—15. Vor allem
wichtig ift hier ber biblifdie ©runbfafe über
Sünbe unb Strafe: bah bie Sünbe beb ©in =
ge ln eil ber gangen ©emeinbe gur Saft fällt,
erflärt fich e i n e r f e i t b aub bem jßefen ber ©e =
m e i n b e, alb eineb einheitlid) geglieberten, in fich
felbft feft gufammenhängenbeu ©angen, anberer=
feitb aber aud) aub bem SBefcn ber Sünbe
felbft# um bie fid)’b hier hanbelt. ®ab gegebene
©ebot, 6, 17—19, hatte bie gange ©emcinbe be=
troffen# barum war auch fie alb ein gcfchloffeneb
©augeb für pünftlichc Sefolgung beffelben oeranh
wortlid). ®ah ein (Singeiner in ihr eb hoch übers
treten fonntc, war ein 93eweib baoon, bah ber (Seift
ber gangen ©emeinbe nid)t mehr fo war, wie er
fein feilte, baber feine © i n g e l f ch u l b guglei6
auch eine © e m e i n f d) ti l b, bie bab gange Volf
fo lange bebrüefte unb im ©rfolg hemmte, bi« bab
aubgeartete ©lieb oom Seihe ber Station auogeftohen
unb entfernt loar. '
X)ie gute ober böfe Xbat beb ©ingelnen ift wegen
ber innigen unb unlösbaren Verbinbung, in ber er
felbft mit bem ©angen fteht, gugleid! auch bie Xbat
ber ©emeinfehaft, bie ihr gum Segen ober Verberben
gereicht, wie umgefebrt auch wieber ber ©ingelne an
Digitized by
Google
$onntagfd|ul4’fhtionen.
389
bem *ylud) ober ©egen, ber auf bem ©angeu liegt,
Slntheil nimmt, felbft bann, n>enn er oerfönudj frei
00 n Sd)ulb märe (ogl. Sreb. 9,2). jn SBabrheit
mar ja aber gerabe hier be* Seftrafte auch ber
©chulbige, unb grnar in bem ©rabe, baß feine
©ünbe bem galten Solf ben Gharafter ber ©eilige
feit nahm, ben eg alg Sunbegoolf ©otteg fiel) batte
bemahreit follen. ®aher mußte aud) bagSilffo
lauge für ben Uebelthäter einfteben unb mit ilun bie
©träfe feiner ©djulb tragen, big er ermittelt unb
beftraft mar, ogl. 5 SMof. 21,1—9. 5Bo ein oer=
borgener Saun ift, ba ift fein ©egen, bag geigt
fiel) im ßeben ber Sölfer, ber gamilien, ber
Gingelnen.
3ugleid) mar aber bie SWieberlage oor 9li aud)
eine ®emüthigung für ben ©folg Sfraelg,
bag biefen geinb im boebmütbigen Vertrauen auf
bie eigene ©tärfe oeradjtet, unb megen feiner
©d)mäd)e gering gefdwßt, unb in biefer fleifd)lid)en
Sicherheit eigenmächtig unb obneSefehl 3ehooabg,
alg feineg oberften ftrieggberrn (Käß. 5,13ff.) an=
gegriffen batte.
tiefer Ungeborfam mirb nun geftraft,
unb grnar um fo entpfinblicber, alg fte gleich am 9lit=
fang ber (Eroberung beg 8anbeg befiegt merben, unb
babureb ben ohnehin furditbaren geinben noch ber
Siutb mäcbft (ogl. S. 7—9). Grft menn ber Sann
meiebt, fann ber ©ieg lieber fommen, aber ohne
(Sott ift alleg anbere eitel. ®arum gehört gu allem
Sornebmen bie Sitte Sf. 139,23; unb nad) jeber
aud) tinmiffenllid)en Serfdjulbung, gilt eg immer
mieber, neu ficb gu reinigen unb gu heiligen unb
burd) täglidie Süße Sergcbung fiteben unb finben
bureb Gbriftum, ber ©otte» 3orn gefübnt unb
uitfere ©ebulb gebüßt bat, fo baß er ung mieber
gnäbig fein fann (Otöm.5,8); er ift ber red)te3ofua,
ber für ung bittet.
bj 3)er ®iebftabl beg Sfdjan, S.16—23.
SBenn ber oerborgene Sann meicbcn foll, fo muß
man oor allem ber S&abrbeit bie Gbre geben,
nid)t ©ünbe unb ©d)ulb läugnen, ober menigfteng
oerfteden, ocrfleinern, befebbnigen unb entfd)ulbigen,
b. b. auf 9lnbere abmälgcn mollen, foitbern fte offen
auf fid) nebmen, rciunütbig oor ©ott, nbtbigenfallg
aud) oor iNenfcbeit geftebeu, unb aufrichtig fein,
beim nur ben 9lufricbtigen fann eg gelingen (©ßr.
2 , 7). 2Rit ber äußeren Gntbedung beg ©dnilbigen
mar bie ©acbe nod) nicht abgetban, eg gehörte bagu
auch fein eigeneg freimilligeg Sefenntniß,
unb grnar alg einer Serfebluitg gegen ©oft
j e l b ft, ogl. Sf. 51, 6. Apiegtt gehört aber oor
allem eine genaue Grfenntniß berfelben alg
ber eigenen % b a t, heroorgehenb aug ber b ö f e n
8 u ft, ogl. 1 a»of. 3, 6. 3af. l, 14ff. SKattb. 15,
19, ba ber and) fd)on bie 10 (Schote gerabe mit bent
Sabot ber leßteren, alg ber ißtirgel unb Ottelle
alicg Unrecht# Schließen. Semerfengmertb ift ber
©tufengang beg Söfen, S. 21: ©eben—
gelüften — nebmen — oerheim lieben. ®er erfte
©dmitt gur Sühnung beg Unred)tg ift neben ber
9 lnerfennung ber böjen ©efiunung unb ©unblutig,
bie SJiebererftattung ber ©ebulb, S. 23, ogl. 8uf.
19, 8 unb bieJIBarnuug beg ©errn gegen ©eig,
©elbgier unb ©abfuebt, 8uf. 12,15.
c) i)ag ©trafgerid)t oott Sld)or, S. 24bi»
26: 9Jid)t immer fann, auch bei ernfter Süße, bte
äußere ©träfe ber ©ünbe erlaffen merben, hier am
allermenigften, mo eg fieb um eine bag gange Seif
betreffenbe ©ebulb banbeit, bie bureb ein beroor=
ftecbenbeg, marnenbeg Seifoiel g611 =
lieber ©trafgered)tigfeit gefübnt unb
gebüßt merben muß. ©erabe in einer fo mohG
georbneten ©emeinbe, mie 3frael noeb unter 3ofua
mar, muß bie ft r e n g ft e ft i r d) e tt g u d) t berr-
fd)en, gang ähnlich mie nachher in ber erften aßofto=
lifehen Gbriftenheit (Slpoftelgcfdj. 5). 2Bo nur eine
einzige tfnfrautßflange ben Schotten ©arten ©otteg
oermüftet, fann unb foll fie barunt and) noch aug=
geriffen merben, ehe fie fieb oermehrt. 2ßo aber, mie
auf bem Slcfer ber 28elt, fd)oit beg Unfrautg fo oiel
ift, baß eg nicht ausgerauft merben fann, ohne ben
bainit noch oermifd)ten guten ©amen mit gu ger=
ftören, gilt bag SBort Scatth. 13, 24ff., aber bie
©traß folgt bann in ber Gmigfeit nach, l Gor. 6,10.
Sonntag, 29. 3uli. 3ofua 8,30—35.
$ie SBorlefuttg be$ (SefefceS.
1. 3rtt: 1450 oor Ghrifto, furge3eit nach ber
Groberung 5li’g.
2. Ort: ®ag 2:bal©id)emgmifcbcn ben Sergen
Gbal unb ©arigint, auf ber ©öhe bc» ©ebirgeg
Gbhraim gelegen, ungefähr in ber SDJitte beg heili=
gen Canbeg.
3. 3»föntmetthaitg: ®ie Selagerung unb Gr=
oberttng IHi’g, iiao. 8,1—29. ®iefe fann nun, nad)=
bem ^frael mieber im rechten Scrhältniß gu ©ott
fteht, gelingen, aber im ©egenfaß gegen bie frühere
dcifchliche ©idferbeit unb ftolge Serad)tung beg
^•einbeg, muß jeßt bag gange ©eer fid) rüften.
iel foll gmar aitdj hier nur burd) ben ©errn fie=
gen, aber ohne baß ficb feine Jßunbcrbilfe toie bei
3 crid )0 micberholt; ftatt folcher außerortentlicher
Mittel muß eg ießt and) feine eigene Straft braudtcit
lernen. 3a eg muß nun fogar git einer erlaubten
unb Oon ©ott augbrüdlid) befohlenen 5irieg»lift
feine 3uflud)t nehmen: 3ofuag fdteiubare frludtt
Oerleitet bie Semohncr ihm nachgufeßen, unb in=
beffen rftdt ein oerborgencr ©intcrhalt in bie ©tabt
ein unb oerbreunt fie; auch bie Semohncr merben
oemid)tet, Sieb unb Scute aber unter 3fvael oer=
thcilt. ®iefeg gieht bann mit 3ofua norbioärtg big
in’g 2hal Sichern, .20 3)feilen meit, ohne oon ben
erfdmodenett Kanaanitern aufgehaltcn ,gu toerben.
4. ©adj* ttiib äßorterflörung: ®a, nämlich
nach glüdlid) erlangtem ©ieg über 91 i, unb ohne
3meifel and) bag benad)barte Sethel, mo fie nun
im ©ergen beg gangen Sanbeo ftanben, toag fie eincr=
feitg gu befonberem ®auf, anbererfeitg gu beito
größerer Sunbegtreue verpflichten mußte.
Saute einen 9lltar nad) bem Sefehl ©ot=
teg, 5S?of. 11,29ff. 27,2ff., mehhe 9lnorbuungcn
hier genau befolgt merben; e» ift ber erfte 9lltar in
bem neueroberten Öanbe, an bemfelbeit Ort erridnet,
mo febott 9lbraham bei feinem Gintritt in .Siaua'.n,
ba moGJott.ihm gum erftentnal mit feiner Ser=
heißung entgegen gefommen mar, einen jolchen er=
richtet hatte, 1 ffliof. 12, 6. 7.
91 u f bem Serge G b a l, ber nach 1 3Kof.
33,18, nörblich oon ©icheut lag, alfober (Sarigim
Digitized by v^ooQie
390
Sonntagfdiul^lektiotiftt.
füblicb. ©bal, ber ©erß beS glucheS, ift nacft uub
fahh ©arigim, ber '£erß beS SegenS, ßrün unb
friid>tbar. Saß jener ßerabe eö ift, wo baS ©efefe
auf ben Elitär eingegraben nnb baS Opfer bar-
gebracht wirb, bat Seinen bebeutungSooüen ©runb
eben barin, baß ©efefe nnb Opfer in näd)fter
^egiehung stirn <5(ucf)e fteben: jenes bringt unb
Schärft ben ftlud), bieieS heilt unb tilgt ihn weg.
3m ©ejefebuch, nämlich 5 üRof. 27,4ff. 3efua
wollte, bem äSort beS ©errn (3of. 1,17) ßeborfam,
mit ber Ausführung jenes befehle nun nicht mehr
länßer gcgeni, bettn Seine äSollgiehung Sollte ßcScbeben
oor ©roberung beS (ganzen) CaubeS. ©inen
Elitär ooit gangen Steinen, ßenau nachher
bort gegebenen ®orjchrift, bßl. 2 3Bof. 20,25. 9lb-
ficbtlid) blieben bie Steine roh unb unbehauen, ba=
mit nicht burch baS 9ln bringen oon ^ißitrgt bem
beibnijeben $Bilberbienft 33orfd)ub ßeleiftet unb baS
*©erg oont Opfer auf ben 9lltar, alfo bon ber ©aupt-
fad)e auf Aebeubinge abgegogen werbe.
Unb opferte, nach 5 2Rof. 27, 6ff. 3m gan=
seit 9llterthum war baS Opfer ein ©auptbcftanbtheil
beS ©otteSbienfteS: einerseits alS ©ingabe irßeitb
eines wevthooüen ©uteS an ©ott, ein Reichen ber
oölligen 23eibe unb ©ingabe ber gangen $erfon
nnb ©abe in ben Sienft@otteS, anbererfeitS, wenig*
fteuS bei ben blutigen Opfern, ein Sinnbüb beS
ftelloertretenben OpfertobS ber Opferthiere für ben
fdwlbigen äRenfdveit gur SJerföbntmg ber gürnenben
©ottbeit. ^eibe Seiten treten fcejonbcrS heroor in
ben beiben hier ßenannten ©auptarten ber Opfer:
Sbranb* unb Sanfopfer. $8ei jenen war bie
Spveußunß beS OpferblutS an ben Elitär unb bie
Verbrenn miß beS gangen ShiereS bie ©atiptjache,
jenes alS Sühnemittel, btefeS als9ßeibeaft, bei ben
anbereu würbe ein $heil beS Opferfici fdicS bei ber
nad)l\er folßenben Opfcrmabljett theilS ooit ben
Opfernben felbft, theilS oon ben Sprieftem alS
Stelloertreter ©ottes oergehrt, worin bie burch baS
Opfer wieber hcvgeftellte SriebcuS* unb 8iebeS=
ßemeinjehaft mit ©ott barßeftellt ift. 9(uch hier fanb
ein jolches Opfermahl Statt, beim wie bcr ©err nach
. 23,3 Den Seinen jelbft im 9lnßcficbt ihrer Seinbe
einen Sifd) bereitet, fo bürfen auch fic foßar mitten
tu fteinbeSlanb feine Viebc unb ©nabe genießen,
unb (ich alS fein SunbcSoolf gu ihm bcfcitnen unb
an ihm erfreuen. 9(uch bie Opfcrmahlgcit ift alfo,
wie bie 'SunbcS.mahlgeit, 1 2Jiof. 26, 30. 31,46. 54
unb 2 9Kof. 24,11, eine SunbeSbefiegelung. SaS
SSolf erfdieint baburch als bie fjamilie unb ©auS*
ßenoffenSchaft ©otteS.
91 u f b i e S te i n e, bie entfpredienb ber SBeifunß
5 9Mof. 27,2 neben bem Altar aufßerichtet unb mit
ft alt ßetüncht worben waren. SaS©efefe9Mofe,
bamit fann hier fchwetlid) baS gange 65eSefe ge¬
meint fein, oielmehr war eS wohl nur ein 9litS*
g u ß beffclben, vielleicht nur bie 10 ©ebote, alS bie
©runblaßc beS gangen SunbeSgefebcS, ober wahr*
Schein lieber, bie SBorte beS SeßenS unb f?lud)S
(5 9)foj. 27. 28), welche nachher oorßclefen würben,
©ben bamit bieS 9Sorlefen nkbt bloS einen flüchtigen
©inbruef ntadie, Sollen fie nun audj, wie bie 10 ©e=
bote Selbft, in Stein ßebaucn werben, gum ewißen
Angebenfen. Sie 91 e 11 e ft e n finb auch hier, wie
Schon ftap. 7, 6, bie einseinen ftamilienbäupter, bie
Oi i d) t e r baßeßen bie höheren Beamten beS gangen
95olfS, pßl. 2 3Rof. 18,13—27, alle mit einanber,
alfo oie ^Repräsentanten ber 12 Stämme; ihnen
ßeßenübet bilben bieSCriefter auS bem Stamm
| 8eoi, bie and) hier,.wie Schon 3,3 unb bei anberen
befonbcrS feierlidien ©eleßenbeiten Statt ber gewöhn*
i liehen 8eoiteit jelbft bie $3unbeSlabe tnißen, bie
i ^Repräsentanten 3^hooab’S.
! ‘Sie ftremblinge finb ßeßenüber ben ©in-
| heimifchen, b. h. ben ßeborenen 3S^aclitcn, An*
I gehöriße anberer 3Jölfer, bie entweber fdwn oon
, ©gopten auS, ober erft in ber fPJüftc Sich an 3ftacl
I angefddoffen batten, oieüeidit6iriegSgefangene. Sie
! Aufstellung war bie, SunbeSlabe mit ben ^vieftern
unb Seoiten mitten gwifchen ben beiben bergen im
Shale, ju beiben Seiten aber an ben ©oben hin=
auf je fed)S Stämme: Simeon, Cevi, 3uba,
3fafchar, 3^fepb, ©enjaiitin am ©argim, uub
Stuben, ©ab, Slffer, Sebulon, San unb Otapbtbali
am ©bal.
SaS 9Solf tu feßiten, barnach aber attdj
ben ^luch über bie Unaeborfamen auSjufprecben,
Oßl. 5 0)ioj. 27,11 ff. Sodi ftebt bebeutmißsooll
baS Seßnen ooran, weil ©ott lieber Segnet, alS
Straft, unb burch Die Siebe gur Sanfbarfeit oer=
pflid)ten will. 8 i e § er a u S r u f e n, b. h. laut
unb betulich bitreb bie ^Jriefter oerfünbißen; auf bie
Seßiiunßen autnwrteten bie Stämme am ©arigim,
auf ben ftlucb bie am ©bal mit lautem Otiueu, vgl.
I 5 9Moj. 27,11 ff. 3>or ber ßangen ©enteinbe
3 f t a e l S, b. h. ber fie repräfentirenben OR ä n =
ner, aber aud) SBeiber uub 61 in ber fehlen
nicht, bagu bann noch bie unter ihnen w an¬
bei ten, b. h. fid) bem ©emeiitbeoerbanb burch
SSefdmeibunß anßcSdhloffcn hatten.
SaS Simen beS SolfS bient wie beim Schwur gur
Seftätißunß, U'ie man bort ben 6ib auf fich nimmt, '
nnb fich jum ©alten beffclben, aber au^ su allen
feinen ßuten ober fchlimmcn Solgcit oerpflichtet, fo
nimmt hier baS 3$olf baS gange ©efefe auf fich, unb
oerpflichtet fich sum ©ehorfam, aber auch gu feinen
ßuten ober fdjlechten fyolgen, je nadibem eS baS ©ine
ober Slnbere wählt. $>or bem Svltich ift eS aber nur
fo lange fidjer, alS eS in ber ©emeinfehaft mit ©ott
bleibt; baruui ift ßerabe auf bem 53erß beS Slucheö
ber Opferaltar errichtet. So wirb 3f^nel Segen
unb glud) oorgelegt, ba§ eS ben Segen erwähle, unb
guglcid) ift burch biefe ^orlefuitß beS ©ScfefeeS baS
eroberte 8anb geweiht alS ein folchcS, in bem ©ot=
teS ©efefe unb Otedit allein unb ausschließlich gelten
foü.
5. 3m ©rflämng nnb ©rbannug ift hier nur
noch weniges beigufügen:
a) Ser 9lltar, 9S. 30. 31. 5Bo ©ott bir
©uteS erwiefen, ba oergiß beS SanteS nicht, ber
befteSanf ift aber bie-38eihe gu feinem Sienft.
3eber 9lltar mit feinem Opfer ift eine Srinnermtg
an baS große Opfer oon ©olgatha, 1 ißetri 3, 18,
looburch unfere Schulb gebüßt ift. Unfer rediteS
Opfer ift baS Opfer unfereS ©ergenS unb SebenS,
Ütom. 12,1.
b) S a S © e f e fe, 93. 32. 9ßit follen eS nicht
mehr in Steinernen Safeln, fonbern oom C^eift ©ot¬
teS in bie flcifcherncn tafeln beS ©ergen^ geidwie-
ben haben, ogl. ^falnt 119, 11. 9htr biefer Oäeift
giebt bann auch ftraft gum ©alten, eS ift für unS
Digitized by
Google
(Sljronih ber (Segennmrt.
391
fein tobtcr 5ßud)ftabe mehr, fottbern lebenbißcS ®e-
miffcnSgcfefe.
c) Die © e r 1 e f u n g, SS. 33—35: DaS ®e-
fefe foll nicht bloS auf bcn fteincrnen tafeln in
ber ©ttnbeSlabe ruhen (1 fton. 8, 9), fottbern in
lautem, lebenbigem 23ort in bie Herseit bringen,
namentlich auch ber ftinber, 1 3Rof. 18,19.
Sein Hauptinhalt ift nach 5 2Rof. 6, 5: Siebe
®otteS unb beS Siächften. GS ließt an nuferer
eigenen freien V I3 a h l, ob mit beit ©egen
i'^er bcn Jylucb empfangen; an geboten ift unS
b:ibes, fl c j tu u n ft e n finb mir au nichts.
filironilt brr ©rgcuioorl.
Sin fiirfHidjrr Soll. 2Bir gehören nicht au betten,
meldte förmlich ;fagb mad)en auf jebe, meitn auch
nur geringfte, ©illigung ober ©eaeugung beS
(SluiftentbumS oott Seiten ber ©rohen biejer 23elt.
SBir ftlaubett unb miffeit, bah baS Gbriftentbum
auch ohne alle Alaifer, ftönige, Dichter unb ftünft=
ler beiteben fann ttttb fieften toirb, unb haben beS-
halb nie an ber Sucht ftelitten, eiitiftc ffirofamen
ootn Difd) ber ©emaltiften für baS (Shriftenthum
aufammeit au lefeit.
Jöeitn aber auttt Seifpicl ein Surft dmftlich ftirbt,
fo bavf unb foll baS meitigftenS ebenfomohl berid)tei
toerben, alS baS ftottfelifte (Snbc eines HolahauerS.
Da ift füralich Sriebrich Sraua n. r regterettber
Hcraoft oon üJtaflenburft-Sdnoerin, ber^effe beS
beutfcfaeti ftaiferS, au feinen Tätern oerfammelt
morbett. Unb fo iitttift ttttb feierlid) finb feine $ln=
orbmiiiftcn für fein lebtet Stünblein gemefen, bah
fein £ob ein mahrhaft fürftlidjer genannt merben
barf.
„Um 3 Uhr SKorgenS," faßt ber ^Bericht, „nahm
er mit feiner ©etnablin unb ber ©roftheraogin
^Mutter baS Slbeitbmahl ttttb fdflief, fchmächer unb
fdnoädter toerbenb, ßeftett 10 Uhr unter ben ft längen
ber Orgel unb beut ©efattg beS SchlohdmrS ein,
melcher auf feilten SBtntfd) bie Choräle: „SBenn idt
einmal foU fcheiben" ttttb „O Herr, laß bein lieb’
Sng’lein" anftimmte."
ftaifer, Äattalcr nnb Soaialrcform. Ueber bie
©evbcffevuitg ber Sage ber arbeiteitben ftlaffcn in
Deutjchlanb toirb oiel gerebet, unb and) oiel Staub
aufgemicbelt. Die SHothen fchreieit fich beinahe Rei¬
fer unb toerfen ber ^Regierung fortmdhrenb oor, bah
fie nidttS in biefer Sache thue.
Da& ber beutfehe ftaifer fantmt feinem föcidtS-
faitaler ernftlich bemüht finb, etmaS aur Sinberung
ber s ^oth au thuit, toirb nicht nur nicht auerfannt,
fonbern fie toerben in ihrem ©eftreben nidjt einmal
oom beutfcheit ^Reichstag uuterftübt. So meniß
beiifen bie Herren Slbgeorbncten an bieSürforge für
bie arbeiteitben ftlaffctt, bah ber ftaifer itt feiner
lebten ©otfdmft barait mahnen muhte. (Sr hat
CSile — ber Reichstag nicht. 3n letzterem fommt
bie ©arteipolitif in erfter Sinie, ttttb bann erft ber
Arbeiter.
(Sb foll oor allem eine Uttfallocrficherung für
bie Arbeiter au Staube fontmen, moait felbft-
oerftänblid) bie ftabrifbefifeer beiautrageu hatten.
Das aber toolleit fie nid)t. Sluch über baS ftratt-
fenfaffenmefen ift nichts au Staube ge-
foututett.
So fdtreit man benn bin unb her unb befdmlbigt
bie Regierung; mdbrenb ber alte ftaifer boeb in fei¬
ner ©otfehaft faßt:
„Unfere faiferlidteit ©Ruhten gebieten UnS, fein
in Uttferer SWacht fteheubcS Mittel au oerjäumen,
um bie ©efferung ber Cage ber Arbeiter ttttb ben
ffriebett ber ©eriifsflaffen unter einauber au ferbern,
fo lange ®ott Uns fjvift giebt au mirfen."
9Wait foll Hermann, unb gemih einem ftaifer
©erechtigfcit miberfahreit laffen. DaS ruhige Ur-
tbeit ber SSelt toirb bahin gehen, bah obigeb ein
mahrhaft faiferlich SBort ift, unb folche ©efinmtug
oom fReidmtag bie milligfte Unterftüfeung finben
Tollte.
^erhrörfrlnuft GnftlaitbS. 3obn ©right, ber be-
fanitteengliiche s 3?ebiter unbStaatSmann, propheaeit
feinem ©aterlanbe nichts @uteS, unb meint tttait
fein ©orherfagen ruhig betrachtet, muh man fidt
geftehen, bah er fo unrecht nicht hat. 3tt einer fürs'
lieh gehaltenen Ütebe fagte er ettoa foIgeitbeS:
Slugenblidlich herrfchen bie 35 Millionen (Sin-
mohner ©rohbritamtienS über ungefähr 250 30?iU
liotten auf bem gattaen Srbettrunbe. Dicfer 3u=
ftaitb ift unnatürlich unb auf bie Dauer unhaltbar.
3unädtft merbe ßattaba einen Slittheil an ber üie-
gieruttg oerlangen. Dann machfe Sluftralien an
(Sittmohüeraahl unb Dkichthum fo fehrau, bah eS
faft bem ÜKuttcrlanbe glciddomme, unb halb baS
©cbürfnih ber Selbftftänbigfeit oerfpürcn titüffc,
trofe aller Slnhäitglidtfeit an baS äaufetibe oon
teilen entfernte ßnglanb.
9?od) gefährlicher für ©rohbritannien fei baS in-
bifche ©roblcm. Die (Eroberung ttttb Gvhaltuug
oon Jittbicn habe (Sitglaitb uneublicheS ©clb gc=
foftet, habe eS geitbthigt, bie ©eühungeit am Gap
eiuaunehtnen unb mtaählige ftriege in Sübafvifa,
China, ©elften, Slfghaniftan ttttb anberen Orten
att B führen; felbft ber ftrintfrieg fei theilmeiS mit
9tüdficht auf baS inbifcüe t)Jeicl> entftanben, unb fo-
eben habe feittehoegen noch ber egoptifche äfrieg
ftattgefunben. Sille biefe ftriege hätten aur Hinten-
aufefeung ber gehn ©ebote geführt unb auneitblicf-
lich noch herrfche in (Sttglanb ber ©ruttbfah, bah
3nbien attSfd)liehlich burdtS SAtoert behauptet
merben müffe.
Unb bod) beute ber natürliche ©erlauf ber Dinge
barattf hin, bah Jtnbien felbft über fura ober lang
feine Selbftftänbigfeit begehrett müffe, bah feine
200 ^Millionen (Sinmohner nidtt mehr länger oott
ben 35 ^Millionen behervfeht fein mollten. Jöeitn
einmal bovt engüfebe Sprache, Literatur unb SBifjen-
Digitized by v^ooQie
392
filjconik brr (Stgtitnrnri
fdurft überall sum Durdibrucb gefonttnen Jet, wür¬
ben and) in ben jo gebilbeteit ©eiftern ber Untier
feine Sovbcvungeu erwachen, welche von bev Vitera=
tur umertieunlich feien; bie Sorberuitgen ber 3*rei'
beit unb Sclbftftäiibigfcit.
&err ©right giiifl bann auf baS fociale Gleitb in
feinem iDutterlanbe über, wies nad), baft in bem
wegen feiner Svarfanitcit unb feinet ©JohlftaitbeS
gerühmten Schottlanb ein drittel ber ©evolferung
in elenbeu eiiiämntcrigcn Käufern wohne, unb be=
fchwor fd)liefuid> bie Ditwefenben, bie Dational-
Volitif in ^ufunft men jdUicher su geftalteit. 28 ie
bem gefclljcbaftlichcn Glenb abgeb olfen werten
tonnte, tafiir weift ber ©btlofovb unb Staatsmann
©right fein Mittel; bieS binbert aber itid)t, ihm,
u>eil er ben üMuth batte, ben eitgltfden Wvofjett bie
2 Babrbeit 511 fageit, Dncrfennung su sollen.
Unvrrfrijäntt, wie immer, benehmen fid) bie ver=
biffenften Dömliitge auch bei bem .Hierannaben beS
fiutherjubiläumS, unb wollen ben beutfcbcn ©ro=
teftanten vorfcbreiben, wie baffelbe gehalten werben
folle. SBürbeit bie „Scbvanfen" übcvfebvittcn, fo
tonnte, meint einer von ihnen, fid) fogar ber breifng=
jährige Ärieg wieberholcnü
DaS fliitgt ia wie eine ffriegSerfläruitg. 3)?an
fürchtet fid) jebod) beutsutage vor fo Ident ©efchret
nicht mehr, ja gaits unb gar nicht mehr unb lad)t
barüber. Die beutfcbe treffe leuchtet biefen Un¬
verschämten gehörig heim. So $. ©. faat „Der
bentfd)e Dcicbsbote" aus Berlin: „2Eenii wir ©ro=
teftanten crft foweit wären, bah wir auS Düdficbt
auf Dom Luther auS ber Deibe unferer groften
beutfcbcn Männer ftreichen mühten, bann würben
wir auch halb bahin fommen, mit ber Deformation
unb ber eoanaelifchen Kirche in bie verborgenen
ffiintel su flüd>ten — unb Dom würbe breit mitten
in Dcutfchlanb hintreten, unb fid) alS bie foerritt
©ermantcnS geberben. Sollte bieS baS Defultat
beSÄulturfamvfesfein? —2Bir bauten! Sowenig
wir 1852 ben ftatbolifen wehrten, ihr ©onifaciuS-
feft su feiern, fo wenig Jollen fie unS baS Sutberfeft
wehren. Die Rarität beS Staate^ werben wir ba=
bei nid)t antaften; eS wirbDiemanb einfallen, vom
Staate bie Dnorbiuutg ober materielle Unterftüfeung
einer ßutberfeier su verlangen; v a ber wir Sutberaner,
wir evaitgelifdte Gbrifteit unb evaitgelifde ©emcin=
ben werben eS unS nicht nehmen laffis tut Kren
8 uther nicht bloS alS Deformator, foitbn auch a!S
gro&en beutfchen Diann unb ^örberer beut« her Kul¬
tur su feiern. 28aS wir ba anjhm feiern, finb
teilte fubieftiven Ditfidden, fonbcvK finb biftorijehe
Dhatfadeu, bie vor aller 9(ugen liefen, weide auch
bie ehrlichen Äatbolifen nid)t leugnen tonnen."
3Babr neflirod^m hat ber „Strafjburger ©olfS-
freu 11 b\ inbem er in einem Slrtifel, in welchem von
ber „amerifanifeben Goncurrens" gefvtoden wirb,
Jagt:
„können untere Bauern mit ihren grüdjten ®me=
rifa bie Stange halten? — Antwort —Dein. Unb
warum Dein ? 2Bcil burd) bie ©auf bie 3lmerifaner
thätiger, gewanbter, fvarfamer finb als untere ^aitb=
teilte; weil fie beinahe teilte Steuern zahlen, unb
einen nidtt ausgcnubtcit hobelt haben; weil entlieh
fie ihre ftrüdite auf jehr grofteit glätten mit vor-
trefflichen SOiafdtinen bauen, jcbueibeit, brefchen unb
weiter itt bie DNeerbäfett befbvbevu. 28eldte ©or=
tbeile unS gegenüber! Um welchen ©reis liefern fie
beit DowcUentner iöciscn erfter Otialität? Dach
Dow Dorf geliefert 10,25 DJarf; nad) SOcannheim
geliefert nebft 3oll 2l,lü 3)2arf; alfo ber 3cntner
10,55 3)?art.
28ic tonnen nun tmfere ©altern mit ihrem vor-
iährigcit naffen SBcigett, ben Diemattb begehrt, auf-
fommen? Unb wäre er auch troefen unb gut, ber
amevifattifche ift heller, tauberer, beffer. Die £age
unferer Dtferleute ift alfo eine fo bcbcufiidie, baft eS
nicht 28unber nimmt, wenn fie von 3ahr su Jiaht
gurücfgehen. Selbft and), wenn ber 3oll auf fretn-
ben SEeigen erhöhet würbe, fo tonnte e$ bie 3tu
ftänbe nicht viel beffern, beim 9lmerifa treibt teilten
^rud)tbau immer ftävfer, verbeffert immer feine
Dranc'portmittel, fo baf; jährlich mehr SEeisen nach
Gurova eingeführt werben tarnt, unb bertelbc ftetS
wohlfeilerwerben miifc. 3Eie helfen? 3iadt Drne?
rifa gehen? DaS thun manche, recht viele; baS
beffert (vitvopa nidtt. Dur folgettber Dath ift in
geben: £icbe ^attbleute—fpielt bie Herren nidtt,
laftt bie 9Bitihohäufer in Dube, legt ben Staat ab,
lehnt fein htelb auf 3infen unb tretet sufattttttett,
um^ilfStaffcit gtt bilbett. Unb buDegierung, feine
neue Steuern mehr, aber bie alten herabgejefct unb
bie alleS verfdlingenbe Drtttee verminbevt. Sonft
fommt ber atncrtfanifdte Sßolf unb verjchltngt euch
mit .s^aitt unb paaren. Dixi!
Äaltfontien, weldieS fdtott fo reich an Schäden
ift, unb wo bie lanbwirthfcbaftlidie ©robuftion
bereits bebeutenb ben D^ineralrcidtbum überragt,
gewinnt burd) bie Ginfübrititg beo O c l b a u tu S
in feinen füblidteit SDhcilen eine neue ergiebigeÄul-
turvflame. Gin gewiffer Goovcr hat beufelben jeit
einiger 3ed im groben Dcafiftabe in Santa ©ar-
bara aitgevflanst unb bamit fehr günftige Defultate
erhielt. Die brei ?lahre alten ©äiittie finb fdwit er¬
giebig; im fünften !3abre werfen fie bereits einen
Gewinn ab, im fedtflett ^abre finb alle früheren
DuSlagcn befahlt, bie Dntortifation ift vollftänbig.
©on ^ahr su 3ahr fteigert fid) ber Gvtrag beS ©att=
meS, unb baS fattn ein^ahrhuubert anhalten.
3 tt ftleinafieti fenttt man Oelbäume, bie ein Dltcr
von 1200 fahren haben, itttb fie tragen noch. Die
beften ©ättme GooverS, weid)e acht 3ubre alt finb,
trugen ver Drfer 2000 ©allonett Oliven. Da nun
ad)t ©allonett Oliven eine ©allone Oel liefern, fo
erhält man vom $lder 250 ©alloiteit Olivenöl.
■i^iefeS Oel wirb su fünf Dollar ver ©allone ver¬
lauft; mithin trägt ber Slder Oelbaumvflatisuitg
1250 Dollar iäbrltcb.
Digitized by v^ooQie
Digitized by v^ooQie
Digitized by v^ooQie
Digitized by v^ooQie
Digitizeel by
Google -
(fin illuftrirteß Jamilienblatt.
Elfter 3foub. jlttgitß 1883.
J \$Us <&eft.
(rbitor.
^er hätte nidjt fd)on bai briicfenbe ©ernicht ber Strbeitö*
0 Wuthlofigfrit enipfunben ?
$er Störper ift diellcidjt nicht in ber richtigen ©er*
faffung, ober bie ©chmungfraft bei ©eiftei auf irgeitb eine SBeife
gelähmt; $inberniffe utib röiberroärtigfeiten fiiib ringiumfjer
aufgethürmt; ber mit Stecht erwartete ßrfolg ift auigeblieben,
ober am 6nbe ift ei gar bie ©ünbe, fo uni anftebt, meiere trä^e
mad)t.
s Jlui biefen nnb anberen Urfa^en überfommt uni oft eine
f$merm&thige SRattigteit, eine entnerdenbe Jraurigfeit, roeldje
nicht jum rechten freubigen 2bnn tommen taffen, mib allen 3ln*
ftrengungen bai ©epräge ber Schlaffheit aufbrttefen. @i ergebt
uni rnie ben 3fraeliten, meldje unter ©erubabet unb 3}ofua
Sferufalem unb bai £>aui bei £>errn bauen fotlen; aber mäbe
dom dielen SBanbern, erbriieft don manchertei ffämpfen nnb —
mai bai SdUinunfte — unfid)er gemacht burcf) ^roiefpalt im
eigenen .freien, befaßen fie eben fo menig ftraft ali Citftgur dor*
liegenben »ufgabe. „Sie fdeten diel, unb ei braute menig ein;
fie ahen, unb mürben bod) nicht fatt; fie Neibeten fich, unb tonn*
ten hoch nid)t mann merben."
®a lieh ihnen ©ott ber .fterr burd) ben Propheten |)agg«i
fagen: „Unb nun, ©erubabel, fei getroft; fei getroft 3fofua; fei
getroft alle* Soll im Sanbe unb arbeite; benn idh bin mit
euch, fpricht ber £err 3*baoth. 9la<h bem SBorte, ba ich mit euch
einen ©unb machte, ba ihr aui ©gppten joget, fod mein ©eift
unter euch bleiben. tfürchtet euch nicht."
29
Digitized by c^ooQie
394
JSoljer kommt ber redjte Urbritsmuttj?
$er ©lief beS ^Srop^eten fdjout über bie bor= biget nicht. 35ie innere Disharmonie ift ber*
liegenben Sümpfe unD Sdjroieriqteiten hinweg, nietet; baS gegenfeitige ©erflogen unb fönt«
jurücf nach ben 2eigen, in melden ©ott fein fdgilbigen ber ©ebanfen hot aufgehört; ber
©olt erroählte unb einen ©unb mit ihm machte, ©tenfef) wirb fogufagen tnie aus einem ©ufe;
gemäfe beffen fie in gliihenber Siebe, roie2lbra* fennt nur ein Sehens »fölement, unb baS ift
harn auf baS Söort ber ©erheifeuna, muthig bor* ©ott, nur einen Sebensroeg, unb ber ift ©ott,
roärts pilgerten zur Stabt, bie ©ott jum ©au* unb nur einen SebenSzwedf — ©ott.
meifter h«t, unb bie Schmach föhrifti hö^er 3fe nun biefeS föinSroerben mit göttlichem
achteten, als alles anbere. Sehen feineSroegS ein troftlofeS föinertei, fo ift
Diefer innigfte ©unb beS ^erjenS mit ©ott, es auch nicht eine bloS befdjauliche Stube. Der
biefeS Slufgehen in ihm, biefeS gänjliöhe förfüQt* errtfte, fefte ©laubenSbunb beS ©eroiffenS mit
fein Don feinem ©eift, ift auch für onS bie redete ©ott erzeugt zwar im tiefinnerften ©tenfehen*
Quelle beS SlrbeitSmutbeS, aus ber rotr immer toefen ben ungeftörten, böfligen Trieben. Das*
roieber neue Ärnft fchöpfen, Wenn ©tübigfeit unb felbe ©otteSleben aber mirb zu gleicher 3cit ber
©lattigteit uns befchleichen moüen. innere FmpuIS ju folch’ beflänbigem SBirfen
Ülüeanberen Ih iadjen unb Antriebe jurSEhätig* fein, toie eS bom Urquell biefeS SebenS ge«
feit tragen ben Seim ber Fäulnife unb ber ©er* Wollt ift.
gänglichteit in fi<h. Die ©elbftfucht mag in ©efunbeS ©otteSleben im $erjen wirb fich
feeberifepen Slnfereitgungen fich ergehen, ober mit beShalb nicht bloS in innerer ©efdjaulichteit unb
ber größten fönergie anfaffen; mirb aber ge* Anbetung funb thun, fonbern muß fich — wie
wöhnlich gar fdjneU nachlaffen, fobalb fie fich ©ott felbft — in richtiger Söirffamfeit äußern,
nicht in Erreichung ihres 3> e ^ belohnt fieht. föS entfaltet feine Driebfraft im befepeibenften
DaS rein menfehlicbe, bon ©btt abgetrennte irbifdjen ©eruf; eS weiht bie geringfte Arbeit,
©flichtgefühl tann tjöchftenS eine mechanifche ©e* benn biefelbe liegt auf bem Söege jum großen
wegung erzeugen, unb loirb, roenn eS barauf 3>ele; eS berwanbelt fojufagen baS Unfdbein*
antommt, bie Feuerprobe faum beftehen. DaS bnrfte in einen €»ebel zur förreidjung beS föub*
©tufe ber ©othwenbigfeit ift bie aflerjämmer* jtoecfS, burchjieht unfer ganzes Dafein, fo ber*
lichfte Driebfraft zur Arbeit: ein löcherichter borgen unb unfeheinbar eS auch fein mag, mit
©runnen, ber niemals Sßaffer hot. Unb im bem Obern ©otteS, unb weeft auf biefe Sßeife
biofeen ©ewohntfein jur Slrbeit. roenn nicht mannigfachen, reichen, bom belebten ©eroijfen
auch ber innere, lebenbige 3 in puls hinjufommt, aus geroirlten SlrbeitSmuth — felbft in ben tlein«
begrabirt fich baS ©tenfehentinb ju einem Saft* ften Dingen.
thier, baS nur mit SBiberftreben bie Sürbe föin bon ©otteS Seben gänzlich erfülltes fjerj
trägt. wirb ferner bem Stöbe ber Sünbe gegenüber.
Die lebenbige, nie berfiegenbe Quelle beS wie fich berfelbe in bet Söelt barftellt, nie«
frifchen 2lrbeitSinuthS ift ba ju finben, bon wo malS raflen fönnen. Diefe ©aftlofigfeit barf
alle lebenSboden Antriebe ansgehen — bei bem roeber mit peinlicher Unruhe, noch mit FonatiS*
breieinigen ©ott. ©ein SBefen ift Seben, Sicht muS bezeichnet werben, benn fie ift nur bie natür«
unb Siebe. Söer ihn in feiner ganzen Füll« — Höhe ©eufeernng beS baS ganze SOßefen erfüllen*
foroeit bieS ©tenfehen ermöglicht ift — in baS ben lebenbigen ©otteS. Solches ©tenfehentinb
£>erz aufgenommen; wer fich ihm ergeben hot Wü n f cf) t nicht allein bie ©ernieptung ber Sünbe
mit Seih, Seele unb ©eift; roer ihn in fich fein in ber Söelt, b e n 11 nicht bloS an bie ©efeprung
ganzes grofeeS SBert im finblidpen ©lauben thun ber Söelt, fonbern mirb notljwenbigerroeife fort*
läfet: ber roirb für feinen irbifepen unb geiftlicpen roährenb oon 3nnen heraus angetrieben, £anb*
©eruf, in göttlichem Seben unb Sicht unb in reiepung zu thun, bamit in ber Söelt ber ©tober*
göttlicher Siebe einen immer fprubelnben ©orn geruep beS SEobeS bem Seben roeiche. Da braucht
in fich hoben, woraus ber rechte SlrbeitSmutp eS nicht immer unb immer roieber beS ©orrourfs,
fliefet. ber ©tahnung unb beS SlufraffenS bom FoQ in
1) Sine ber brücfenbften ^Feffelrt frifeper, an« bie Unthätigfeit. ©ein — ber rechte Sßecfer zur
baltenber, gottgeroollter SEhätigfeit ift ber burcf) unaufhörlichen SBirffamfeit, ©ottber&err felbft,
Sünbe berutfaepte £>erzenS = 3wiefpalt; biefer lebt im boUften Sinn beS SBorteS in ber Seele,
Söunn, ber nicht ftirbt, wenn roir nicht bereit berbannt bie Trägheit unb führt zur Slrbeit.
fiub, ihn burd) bie ©nabe töbten zu laffen, unb ©oll biefelbe im SBinfel ober auf ber fiocbroahe
ber in unfere beften Slnftrengungen irgenbroelche ber SBelt gethan werben; ift eS ein fcbwacpeS
Zevfefeenbe Fäulnife hineinträgt. I Äiitblein ober ein ©rofeer in jffrael, ber fie tput;
Söenn jeboch göttliches Seben in £>tttle! werben bie ©tenfehen etroaS babon erfahren ober
unb Fülle ein ©tenfehentinb erfüllt, ba mufe ber j nicht, baS bleibt *fidh gleich- 3ur borliegenben
©tobergeruep beS DobeS— bie Sünbe, berbannt Arbeit ift ber ©tutf) borhonben; fee roirb, fo
fein; benn roer in ihm ift unb bleibet, ber fün* I weit bie fträfte reichen, auch gethan, benn baS
Digi — by
Google-
lUoper kommt ber redjte Jtrbeitsmutp ?
395
inwendige Seben äußert fiep in fol»
cper SB i r t f a m f e i t.
freilich f)cit der 2ob ber ©ünbe Uebel in bic
Seit gebracht, unter beiten au cp ber non gött»
liebem Seben erfüllte ©tenfep gu leiben bat, uub
um betemniflen er oft in feiner Dpätigfeit ge»
binbert roirb. flranfpeit läpmt bie Kräfte; baS
Filter fcproäcpt bie Unternehmungsluft, uub
mancherlei anbere läbmeube Sinfliiffe liefen
gleicpfant in ber Suft, über roelcpe mir oft fei»
nerlei Sontrofle haben, bie aber unferem ©tutp,
uuferer SBirffamfeit entgegen treten.
3öirb fi<b auch unter biefen Umftänben baS
göttliche Seben im £ergen als Duelle erroeifen,
aus roeldjer ber re<bte SlrbeitSinuth fließt?
©ewißliep— unb groar bis gu foldjen ©epran»
Jen, too ©ott felbft fpriept: ©iS- hierher unb
nicht weiter.
einmal »erben manche förderliche, ben Sir»
beitsmuth lähmenbe Umftänbe non einem mit
©otteS Seben erfüllten SJtenfcpen nermieben »er»
ben. Sr roirb nicht tränt ober unroobl fein be§»
»egen, roeil er feinen Saunen ober Süften ober
Gapricen nadjgegeben hat. ©ein in ©ott leben»
ber ©eift roirb gleicpfam über ben flörper SBacpe
halten, unb denselben auf biefe SBeife manches
©efcproäcptroerbeu erfparen, welches leichtfertigere
Shriftenmenfchen gur '-Beeinträchtigung ihres Sir»
beitSiuuthS erfahren inüffen.
Aoinmen aber bie läge, bie uns niept gefallen,
fo roirb in einem SWenfcpen, Doll non göttlichem
Seben, ber SlrbeitSmuth noep lange nicht fcpwin»
ben. 3(i bie flraft für große SBanberungen uidjt
mehr binreiepenb, fo reicht biefelbe boch noch bis
gum Machbar. SBitb bie ©timme niept mehr in
ber großen ©emeinbe gehört, fo oerfünbigt fie
baS |>eil im tleinften flreife; finb ©thronten
gefeßt, welche nicht roeggeräumt tnerben fönnen,
fo äußert fidp ber rechte SlrbeitSmuth innerhalb
berfelben, unb roirb nie in entneroenbe Draurig»
feit nerfehret, felbft bann nicht, wenn man nur
ftiUe halten unb fpredjen fahn: Dein SDßiüe ge»
fepepe. 9tie hat Slbolpp ©tonob inniger unb er»
folgreicper gerebet, als in ben furgen, auf feinem
Dobteubett gehaltenen Slnfpracpen. 9tie hat
©unt)an mehr geroirtt, als bann, ba er in baS
©efänguiß gu ©ebforb eingefperrt Würbe, benn
hier in ber Sefepräntung tarier flerfermauern
fchrieb er größtentheilS Äie Pilger reife.
2) Siebft bem göttlichen Sehen ift bem ©ott
gänglicp geweihten ©teufepen auch biel 2 i cp t
bejepeert, welches ebenfalls gur ©tärfung beS Sir»
beitSinuipeS bient. *
2 i d) t, fräftigeS Sicht — bor allem betreffs
ber ©erpeißungen ©otteS. „Emmanuel, ©ott
mit uns!" Das ift ber große ©unb, ben ©ott
mit unS gemacht hat. „©iepe, ich bin bei euch
äße Dage bis an ber SüBelt Snbe;" alfo erfrifept
ber £err unfern ©laubenSmuth, unb feßt pingu:
„®?ein ©eilt fofl unter euch bleiben." ©3er aber
fönnte biefe unb anbere ©erpeißungen beffer
faffeu unb gur Slnfeuerung feines ©laubenS«
mutpeS bemißen, als ber, welchem baS Sicpt
©otteS ungetrübt bon ftergenSunreinigfeit in bie
©ee(e fepaut ? ©erpfäubet fiep ja boep ber, roel»
eper unumfepränft baS gange SBefen burcpwohnt,
beftänbig bagu, baß nach beS ©aterS SBiHeu baS
Dteicp befepieben »erben fofl. SBeSpalb bann
bangen unb einer unfruchtbaren Draurigfeit
Staunt geben ? Stein — „fei getroft, heißt eS ba,
fei getroft unb arbeite." Arbeite, gerade mit bem
Sßorte, baS ich bie gebe, bem ber ©erpeißung.
Sille anbern ©tüßen |inb tein nüße. Der ©laube
ift ber ©ieg, ber bie ©Belt überroinbet. — eol»
cpeS ift baS ©otteSlicpt, baS in eine ©ott gänglicp
ergebene ©eele pefler fepeinet, als in irgenb einem
anderen bergen, unb ben StrbeitSmutp aufrecht
erpält.
Diefe ungetrübte, burep niepts im bergen ge»
ftörte göttliche Srieucptung oerpilft auep gur
richtigen SBeltanfcpauung, unb biefe wiederum
gu frifeper Suft am ©Birten.
SS giebt naep recptS unb tintS eine ©Bett»
anfepauung, bie notproenbigerroeife unferen Sir»
beitsmutp fcproäcpen muß.
SBer fiep bie ©Belt oberflächlich mit fangui»
nifdpen Slugen betrachtet unb leicptpiu fagt: fo
gar fcplimin fiept eS niept, unb bie SJtenfcpeit
»erben fepon nach unb naep beffer »erben, roirb
pöcpft roaprfcpeinlid) feine Sufi gum gottgewollten
©Birten haben, auep wenn er ben |)ertn ^efum
Spriftum befennt.
Siuer anbern SBeltanfcpauung gemäß hätten
©ünbe unb Safter in bem ©taße überhand ge»
nommen, baß eigentlich nur wenig für bie ©Belt
tu hoffen wäre, eS wäre bie ©efepiepte beS ©ten«
fcpengefcplecpts eine fo unentwirrbare ©etwitfe»
iung, ein folcper SBirrwar Don 2;rr-= unb flreug»
wegen, baß bie gegebenen ©tittel unmöglich gur
Söfung beS fünblicpen flnotenS auSgureicpen Der»
möchten.- Slucp biefe SBeltanfcpauung muß uu»
widtürlicp ben SlrbeitSinutp abfcproäepen.
Cbroopl wir nun weit entfernt finb, 3eman«
beS ©nabenftanb abmeffen gu wollen, glauben
wir boep, baß eine Döflig in ©ott (ebeube ©ten»
fcpenfeele burep ©otteS Sicpt eine Don ben ange»
führten üerfepiebene SBeltanfcpauung gewinnt,
welche anftatt läpmenb einguwirfen, freubigen
©laubenS» unb SlrbeitSinutp eiuflößt. ©ie er»
tennt bie ©röße ber ©ünbe unb beS SofterS; fie
ift ben wirren ©ängen ber ©älter gegenüber
niept blinb unb weiß, baß fie Dielfatp Don ©ott
abfommen; fie tlngt über bie ©cpäben ber flirepe,
©ott geigt ipr aber auep bie Siege ber ©nabe —
in Dielen taufenben reinen Sparafteren, in ber
Verbreitung beS SDangeliumS über bie gange
Srbe; in ber SBedung beS ©eroiffenS unter ben
©ölfern, felbft wenn fie noep niept gang bem
Digitized by v^ooQie
396
Pie Pfahlbauten.
Sorte untertßan geworben finb u. f. w. (Sin
Don ©ott gönjlicß gefuttb gemachtes £>erj
wirb fich and) ju einer g e f u n b e n 2ebettS» unb
Seltanfcßauunq hiuburcßwinben, unb int Sichte
ber ©wigfeit wifjett, baß bie Arbeit jebenfaßS
nicht bergeblicß ift, unb eben beS^olb öou ge»
ßeiligtem SlrbeitSmutß angefa<ßt unb getrogen
fein.
3)$ie2iebe©otteS, bie Döflipe, in
ein geheiligt $erj auSgegoffeue 2iebe, ift ber
bvitte göttliche 3 u fl l, B J ur Ouefle beS regten
2lrbeitSmutheS.
Sie höret nimmer auf. Senn bie Hoffnung
Wonfen miß unb ber ©taube jagt, fo faßt bie
2tebe, bie reine 2iebe ju ©ott unb ben Weufdjen
ju, unb läßt nimmer ob. Sie tarnt nicht miith»
los werben; fie muß lieben ntib arbeiten.
Sie tröget alles, glaubet alles, hoffet alles
unb bulbet alles. Unb wo hot bettn ba bie Utt=
luft jur Arbeit nocß^loß? So ift beitti noch
Staunt ju matter ©ntnerbung unb jagenbem
DticßtStbiin ?
eie ift ftärfer wie ber Tob, ttnb geht in ber
Wacht ihrer himmlifcßen Störte Don Kraft ju
Kraft, non einer Arbeit jur anbertt, non 2iebeS=
that ju 2iebcSttjat, unb fcßöpft fellift aus bem
ermiibenbften Sirfett Wutß ju neuer Tßätig»
feit.
löffigen, arbeitSmuthigen Streben bor ber 3eit
aufreibe. Sie weiß, baß bieS nicht, ober nur
feßr feiten gefcßießt. Unb wenn auch. Säre eS
bettn im ©onjett ein fo fcßrecflicß Uttglücf? Sie
hat ja feilte gurcßt nor betn Stöbe unb geht burcß
benfelben nur jur ewigen Siebe.
T>ie nödige Siebe weiß nidjtS bon bem Urfeinb
beS cßriftlidjen 2lrbeitSmutheS — ber Wenfcßen»
furcht, furchtlos unb treu, aber immer liebenb
thut fie, waS fie nicht laffett fattn. ©ott ber #err
ift bei ihr brinuett; was fönnen ißr ba bie Wett,
fcßen thun? ®em Urquell ber ewigen 2iebe
gegenüber ftnb fie hoch nur gattj fletne, arm.
felige 2öefen. „deshalb borwärtS," fo heißt bie
2ofung — mit betn 9lrbeitSnuith ber Siebe.
Sirb fie gehört, fo freut fie fich; fcßmäßt man,
fo läßt fie fich nicht erbittern; bleiben bie töten,
l'djen gleichgültig, fo wirb fie befto inniger; muß
fie bttrch böfe ©eriicßte, fo bergiebt fie. Sie geht
itt ber 2öwen Stöhle; fie bulbet ben ßeftigften
Siberfßrttch; fie fürchtet fich nicht bor Königen
unb hui feine SÖangigfeit bor ben Seifen biefer
Seit. $ie böllige Siebe treibet bie gurcßt ans,
unb mit biefer fcßwinbet ein großer geinb beS
9lrbeitSmutheS.
Unb ntin,‘ mein lieber 2efer, wollen wir uns
prüfen, wo bie Urfacße uttferer öfteren 9lrbeit§=
muthlofigfeit jn fließen ift, unb aisbann jtitn
2ebenSborn gehen, wo wir in Süße feßöpfen
föttnen — ben rechten 2IrbeitSmutß.
Tie böfliae 2iebe treibet bie {furcht aus. Tie
gurdßt, baß man fich am (Silbe in biefem uttab»
- -■ »-
Pie
gftr §nns ttnb #erb bon $r. ©. 9Uemenf<hneiber.
{an feßrieb ben 31. Tee ein ber 1870.
©in überaus ereignißoolleS gctßr
feßirfte fich an, bon ber S3aßn ber
©efeßießte abjutreten, um feinem
Stacßfolger bie jaßllofen gäben
beS bunten ©etoebeS, ju welchem
fid) bie ©efeßiefe ber einjelttett TOenfcßen, ber
Stationen unb 2änber bereinigten, in bie 4)nnb
ju geben. Sich, wie Diel Scßmerjen, welch’ un»
föglicßeS Seß hatte atteß biefeS 3afjr wieber
neben ben greubett, ben ©rfolgen ber Wenfdjßeit
auf ben Slöttern ber ©efeßießte buchen miiffen!
Sie manche Hoffnung mußte eS ju ©rabe tra»
gen, wie mancher frettbigen ©rwartiing bie er»
feßnte ©rfüfinng berfagen! 3n wie manche
$)eimftätte ber Trauer fonnte auch bie Sonne
beS neitnnbrecbenben goßreS ttießt baS Sicßt beS
TrofteS hineinleuchten laffen!
22er fennt nicht bie feßöne Sitte, welche na=
metttlicß betn beutfeßen 93olfe eigen ift, bie leßten
Stuttben bor bem beborfteßenben ^aßreSmecßfel
in trauter SJereiitigutig mit greunben jujubrin»
gett ? So finbett wir benn auch gerabe att biefem
Slbenbe jenes Kränjcßen, in beffen Kreis wir uns
bei einer früheren 3»fainmentunft eingefüßrt
faßen, wieber nerfnmmelt, unb jwar itt bem
£oufe beS würbigen IßorfißerS, beS Pfarrers
3immertnann. Tod) bie 3aßl ber Slttwefenben
ift eine weit größere, inbent bie eiitjelnen 21er»
einSmitglieber, jttfolge beS befoitberen SlnlafieS
unb einer frettnblicßen ©inlabting bott Seiten
ber grau Sjßfarrerin, itt ^Begleitung ihrer ©e»
maßlinnen, fowie ißrjr älteren Sößite unb
Töchter fi<ß eingefteßt hatten. 2?or greube
ftraßltc baS tnilbe Slntliß beS ©eifllidjen unb fei»
tter liebensmiirbiqen ©nttin, welche ißm fo lange
fdjott eine treue ©eßiilfin gewefen war, als fie
baS muntere Treiben ber guqeitb überfcßatiten,
unb unwiflfitrlicß feßweiften ißre ©ebnitfen in
bie gerne, gebauten fie eines geliebten SoßtteS,
Digitized by v^ooQie
Pit Pfahlbauten.
397
ttietd^er, bem Stufe feines STteifterS getreu, bor
2jaf)«it in ferne Reibenlättber hinausgezogen,
ber bliihenben SEoctjtev, welche bem geliebten
©alten über ba3 Seitmeer in bie neue £>eimath
gefolgt war, beS jiingften Sohnes, melden ber
Stuf beS PaterlanbeS aus beit portalen ber Uni«
»erfität in baS ©etiimmel beS Krieges himutS«
getrieben batte, uitb ber jeßt »ielleicht auf ein«
famer Sad)t im ^eittbeSlanbe beS lieben Pater«
ijaufeä, ber theurett 6(fern gebeuten mochte.
Sa eS bereits ju fpat war, nach gewohnter
Seife beit Stbeub bttreh ein gefefligeS Salti ju
eröffnen, fo begnügte fich bie Sirtljin beS £>au«
feS baniit, trefflichen ftaffee mit ©ebäd unter
beit Perfammelten umherreichen ju taffen.
„SBerthe Herren unb Samen," fo begann ber
Pfarrer, itad)bem bie Anmefenben eine Seittang
ber gefettigen Unterhattung fich hingegeben hat*
ten, „ich brauche Sie nicht erft ju oerfichern,
meldjeS Pergniigen eS meiner theuren ©attin
unb mir bereitet, Sie an biefem lebten Stbenbe
beS Jahres in unferm $eim zu begrüßen. Siefe
an fich fd)on feierlich eruften Stunben finbburdj
bie befonbereu Pcrljültniffe, unter welchen wir
leben, noch erufter geworben. Sunfle, trübe
Schatten fuchen fich auch in unfern reis herein«
jiibrängen, hoch iajzt uns fie bannen! begegnen
mir ben £)eiutfuchungen, welche unter 2aub be«
troffen haben, mit uertrauensooll gläubigem
Plide auf ben allmächtigen. SBeltenteufer, ber
Alles jum Peften hinausführen wirb! Es ift
unfer Sunfch, baß biefe Abenboereittigung, un¬
ter fo ernften Scittäuften fie auch flattfinbet, bo<h
atleit unfern fjrretinben, ben alten wie ben iun»
gen, ftets in freubiger Erinnerung »erbleiben
möge. Sir werben nunmehr baju febreiten, bie
gewohnten Uebungen itnfereS SränjcttenS ju er«
öffnen, unb eS freut uns, jur iheifnahine an
benfelbeit auch bie merttjen Samen, fomie mtfere
jungen Sfrentibe eiitlabeit *u bürfen. Als ©egen«
jtaitb ber geineinfamen Pefprcchung würbe bei
ber Snfaminentunft beS »origen SanatS „Sie
Pfahlbauten" aufgeftettt. Sir hotten — es fei
mir biefe Pemerfuug geftattet — bamatS teilte
Ahnung ba»on, baß wir uns gerabe au biefem
Abenbe ober in fo liebensmiirbiger ffiefeflfctjaft
wieber jiifainmenfinben würben. Soch unfer
weither £>err Profeffor, ber Steferent beS AbenbS,
wirb eS fidjerlich oerfteijen, auch biefem fcheiubar
fo höljenten unb mit bem befonbereu Anlaffe,
bem wir biefe fchöne Pereinigung guuächft »er«
bauten, in feinem 3ufantineuhatige ftehenben
Sbenia, Seiten ahuigeminnen, weiche auch baS
^ntereffe unterer Manien, unferer ^ngenb in
lebhafter PJeife wachrufen werben."
So eiugefiihrt, erhob fich ber Profeffor unb
begann nach ber üblichen Anrebe fofort auf baS
itjiii zitgemiefeue Steina einzugeben.
„Sir finb naturgemäß baju geneigt, an
Abeiiben, wie ber heutige eS ift, Püdblide an«
juftetlen auf biePergangenheit. 3» faum irgenb
einer anbern Seit taucht baS Erlebte in folch’
fcharfen Umriffett, in fold)’ feierlichem Erttfie
»or bem ©eifteSauge nuferer Erinnerung auf.
Siefe bem Seufzen eigeuthümtiche Steigitrrg,
beim ^abreSfcbluife Ereigniffe oft läiigft »er«
ftoffener^ahre wie im bunten $aleiboffop fich
»orjuführen, benuße ich nun, um Sie, mertpe
Herren unb tarnen, einmal über eilten 3eit«
raifm »on Stahrtaufenben b'nweg in bie Per«
gangenheit jturiicfjtiöerfeßen, unb ich hege gar
feinen Sroe'M« baß in uns Allen bttreh eine
benfenbe Petrachtung jener altersgrauen fernen
manch’ anregenber ©ebanfe auch für bie untnit«
telbare ©egenmart machgerufett werben föntte.
Sie eS jtt jener 3eit, auf welche mir Pepg
ju nehmen gebenfen, in Europa attSfah, welche
3uftatibe bamalS in betnfelben berrfditen, wer
»ermöchte eS ju fngett ? Sie ©efeßiehte läßt uns
hierüber »ollfomnien int Sttnfel, unb einzig ber
AltertbumSforfcher fanit uns bis zu einem ge«
miffen ©rabe über Sehen, Sitten unb Präucße
ber älteften Pemoljner unfereS EontiuenteS Aus*
fünft geben bttreh Sittbeilungen, bie er aus auf«
gefundenen Pfeilen uttb Seffern, aus Scherbett
unb ©eräthfdftafteu erfchließen muß. Pur biefe
mit Aufbietung beS größten ScharffittneS, ber
beharrlichften AitSbauer auSgefiihrte ^orfchung
»ertnag eS, Sicbtftroblen in bie biente ftinfterniß
biiieittzumerfen, in baS ®unfel, baS uns ent«
gegenftarrt, fobalb wir in bie 3eiten einjttbriu»
gert »erftichen, welche weiter jurüctreicheti, als bie
Erjeugniffe beS lttettfchlicheu ©eifteS, bie wir in
Pilber« unb Piichftabenfchrift, etwa bis itt’S
%4br 2200 ». Ehr., »erfolgen föttnen. Sie
©roßeS burch biefe uietfach belächelte „Saul«
wurfsarbeit" jtt Sage geförbert werben faitit,
bezeugen auf’S Schtogenbfte bie zahlreichen Ent«
bedungen, welche neuerbingS bie Energie eines
Schlientann aus bem bunfeln Erbenichoße an
baS Sageslicht heroorgejaubert hat.
Unter ollen fjutiben nun, welche uns, ftiifj»
tapfen gleich, ben Seg in baS Pachtgebiet beS in
ber Urzeit herrfdjenben EitlturlebenS anbeuteit,
hoben zweifelsohne bie fogenantiten Pfahlbauten
bie gröfite Aufmerffantfeit auf fich gezogen.
Perfudjen wir, ehe mir auf eine nähere Pe«
fdjreibung berfelben eittgehen, ober bie Ergeb«
niffe feftftellen, welche aus ber Erforfchttttg ber*
felbeu hf r »orgegangen finb, bie Eulturperiobe
näher ju beftimnten, ber fie angehört haben
ntüffen, fo ift eS bie ber fogenannte» Steinzeit.
S)ie Eis* ober ©letfeherperiobe mar jutn Abfchlufe
gefontitten. Sie älteften in Europa »aebzuwei*
fenben Einmohtter, bie .^öhlenmenfchen, hatten
währenb berfelben ihr ärmliches Sctfein unter
fteten Kämpfen mit ben gefräßigen unb gefüljr*
lidhen Ungeheuern ber Samnmthzeit fümntcr«
Digitized by v^ooQie
398
Pie Pfahlbauten,
lid» ju friften ftefudjt. ©un trat fine neue ©e»
üölferung mit höbe«* Gulturfäbigteit in ihre
(Srbfcbaft ein.
Son weither £erfunft nnb ©affe jene Urein»
Wobner auf europäiftbem ©oben gewefen fein
mögen, ift felbft ber ©ermutbung entriieft. 3»
ben ©fahlbauern bagegen loofien ©inige bie
©prößlinge ber großen ariftljen ober inbogermo»
nifrfjen ffamilie ertennen. wäbrenb ©nbere bie
4?t)polbefe al§ bie roahrftbeinlitbere »erfechten,
es feien ©tenftben finniger ©bftammuug ge»
ftbiebene tobe ©erätbe aus $bon, £>orn, £)olj
unb flnoeben lagen unb bi(fe tSiibenpfäble ein»
gerammt waren, welche ©eiben bilbeten. Oer
©(fjnlmeifter beS OorfeS, bem biefeS bö<bft auf»
fafieitb erfebien, berief fofort ben ©ItertbumS»
forfdber Or. gerbinanb iteder an Ort unb ©teile.
Oa alle jene aufgefunbeiien ©egenftänbe unter
bem ©ioeau beS mittleren SBajferjtnnbeS be»
graben lagen, fo folgerte biefer ©elebrte borauS,
bafe an biefer ©teile, wo bie ©fable eingerammt
finb, in bas ÜBaffer bineingebaut worben war.
Pfahlbauten.
toefen, welche wenigftenS bie älteren ber ©fal)l=
bauten errichteten, unb biefe feien bann fpäter
tooit bem erften ©orftoße ber gewaltigen iubo»
germaniftben ©ölferwanberung tia<b ©nropa,
ben fielten, oertrieben unb aümälig in ihre
jeßigen 9BobnfiJte, baS heutige 3?innlanb juriiet»
gebrängt worben.
©o oiel in Jfürje über bie 3eit ber ©fabl=
bauten unb bie ©bftantiuung ihrer Setoobuer.
©S war nun im ©Jinter 1854, als ju ©teilen
am 3üe>tber ©ee gewiffe Uferbanten oorgenom»
men würben, ©ei bem ungewöhnlich niebrigeit
SBafferftanbe ftiejj man beim ©rabeit auf eine
jwei unb einen halben fjufe biete ©toberfcbicht
unter bem ©cblamme, in ber ©teiubeile, oer»
unb baß bie ©auten als 3ufIwbtSjiätten für
©tenftben unb Spiere unb als ©rfenale unb
©tagajine für bie ©orrätbe oou ©teinwaffen
©teiugerätbe beniißt würben. Oie nabeju bret
•guß bitte ©ebiebte ber Gulturrefte beutete ferner
barauf b<n, bah es ficb nitbt nur um ein turjcS,
ooriibergebenbeS ©erweilen an bem betreffenben
Orte, fonbent um einen bleibenbeu ©ufeutbalt
j bafelbft gebaubelt butte, ©eitber fiubbieie Uebev»
! refte menfcblicber SBobnungeu unter bem ihnen
Oott Heller gegebenen ©amen ber ©fablbauten
in ber ganjen SEßelt betannt geworben. ©päter»
bin würben bann juerft in ben ©ee’it nnb Oorf»
mooren ber ebenen Schweif fobann in Italien,
JJrantreicb, Oeutftbloub (©apern unb ©tettlen»
Digifeed by v^.ooQLe
Pie Pfahlbauten.
399
bürg), Gnglanb unb 3frlanb, Oefter*
reich unb Ungarn ä^ulid^e ©fahl»
bauten nachgemiefen, was gu bem
Schluffe berechtigt, baß biefe eigen»
tbüntli^e ©eife, ©oßnungen unb
©tagagine auf bem ©affet gu bauen,
in grauer Urgeit faft überall in Europa
gebräuchlich war, eine ©ermuthung,
welche burch ba§ gewichtige 3eugniß
beS griechifchen ©efchichtSfdjreiberS .
Qerobot beträftigt roirb. 9to»h im $.m>>mü*u.
fünften ^ahrhunbert o. Gljr., berich*
tet er, hätten bie SSölfer ihracienS biefelbe Sitte „Oie einzelnen Jütten oon länglich üierediger
getannt. „3ufammengefiigte ©retter," fo fagt Sonn maßen gewöhnlich iiebenunbgmangig Suß
er an ber betreffenben Steile, „ftehen auf hohen in ber Sänge unb gmölf Suß in ber Breite,
pfählen mitten im See, unb haben »out Sanbe ©an nimmt an, baß oft nicht weniger als brei»
nur eineu fdpnalen 3ugang burch eine eingige hunbert folcßer häljerner bauten in einer 9tn*
©rüde. Sie mohueit aber auf folgenbe 9lrt. fiebelnng bereinigt mären, unb fomit ein Oorf
3eher hat auf bem ©eriifte feine eigene £>iitte, bon etroa eintattfenb Ginmohnern unb bariiber
in ber er lebt, unb eine Säflthiir, bie burch bie bitbeten. 3äfjlte man bodj an manchen Steüen
©retter in bie See hinabführt. Oie flehten Sfin» mehrere |)unberttanfenbe bon pfählen, welche
ber bitiben fie an einem Süße mit einem Stride in ber angeführten ©eife in ben ©oben einge*
an, aus Sorge, baß fie hinunterfaüen tonnten." rammt worben waren.
3<b hotte mir, merthe Herren unb Oa men, Oie fehr bicht neben einanber ftehenben pfähle
gut Seroeutlichung beS über bie ©faljlbouten waren burch eingegapfte 9lofte berbunben. Oie
©efagten einige Sfluftrationen aus meiner Jütten felbft beftauben aus leichteren ©alten,
Sammlung auSgemählt, welche ich 3h«eu gur mit Sachwert bon Üleften, beren Swifchenräumc
9Inficht borjulegen gebachte; aber, wie ich lebe, mit Sebm unb ©iooS auSgefiillt mürben. Sie
fehlt mir leiber gerabe bie Oarftellung ber ©fahl» hotten mahrfiheinlicb Strobbacßer unb jebenfaUS
börfer, fo wie wir fie uns etwa oorguftellen ©allerien umher, welche burch «ine fchmale unb
haben. 3<h tann mir biefeS nur fo erfläreit, baß gumeilen fehr lange ©rüde mit bem Sonbe oer»
mein tleineS Söbncben, ber bilberfücßtige llbert, buuben waren.
fid) in meiner 91bmefenbeit, wie er eS oft thut, 3eh febe, meinen jungen Sreunben fchmebt bie
in meine Stubirftube bineinfdjlicb unb bie be» Senge auf ben Sippen, weshalb wohl biefe Sau»
treffenbe 3Buftration an einen anbern Ott ber* ten mit unfäglicber 'Jlnftrenguug im ©affer auf*
legte." geführt mürben. Oie Antwort märe wohl bie,
„(Urlauben Sie, £>err ©rofeffor," fagte hier baß jene ©fahlbauern fich auf biefe ©eife gu
ber ©orfißer, „mich bäucht, in einer ©iiffionS* fchiißen fuctjten, weniger oor ben reißenben if)ie=
fchrift einft gelefen gu hoben, baß auch bie ©e= ren, benn ©är, SuchS unb ©olf, bie bamatS
mohuer mehrerer Unfein beS StiUen OceanS bei häufig waren, greifen ben ©tenfchen nur feiten
ber Sltilage ihrer £>eimftätten in ähnlicher ©eife unb nur oereingelt, nicht aber in feinen ©oh»
gu oerfahren pflegen, unb ich glaube, jene 3eit» nungen an, als oieimehr Oor ben Utacbbarn, in*
fchrift hatte ber ©efchreibung gugleidj eine bilb* bem mabrfdjeinlich, wie jeßt noch bei ben ©ilben
liehe Oarftellung ber ©faljlbauten, wenn ich mid} ouf ähnlicher ßiuilifationSftufe, fteter Urieg
beS üluSbrudS begiiglich biefer ©ohnuitgen be» 9(fler gegen 91fle müthete. Ood) mögen auch noch
bienen barf, beigegebeit. ©enn es 3hnen an» anbere ffiriinbe, wie g. ©. bie Grleichterung beS
genehm ift, fo werbe id) baS betreffenbe £>eft aus j SifcbfnugS mit eingewirft hoben. Oen ©erfebr
meiner ©ibliotljet berbeifdjaffen, unb eS möchte bemerfftelligteu fie öermittelft großer aus ©aum*
bie bort gegebene ^lluftration oielleicht als Gr*
faß für bie 3b"fn
fehlenbe gebraucht
werben tönneu."
Oer Referent
nnhmbaS9Inejbie*
xtongtfafe. ten mit Onnt an,
reichte bann bie
2$otigefägc.
mit einigen erfiarenbeit Semerfinuicit
unb 3 l, fäßen gur ©nficht umher unb fuhr hier»
auf in feinem Sortrage weiter fort.
ftäminen gugehanener unb gehöhlter Ääljne.
©eben wir nun, uacbbein wir in möglichfter
$ürge eine ©efchreibung ber ©auten gegeben
haben, gu ben ©ewohuern berfelben unb ihrer
SebenSmeife über.
Um hier mit einiger ©enauigfeit Oorgehen gu
tönnen, bürfeit mir uidßt unbeachtet laffeit, baß
ber 3eitramn, in welchem ©fahlbauten errichtet
unb bewohnt würben, fich burch miubeftenS gmei
3ahrtaufenbe biugieljt, baß olfo in bem Scben
unb ben Gulturleiftungen ber ©emobner fich im
Digitized by v^ooQie
400
Pie yfaljlbautm.
Verlaufe biefer langen 5|3eriobe gar mannig»
faltige Slenberungen unb (SntividelungSftufen
IjerauSgebilbet Ijaben müffen."
(Geglättete '-öeilbämmer.
„£>err profeffor," tnarf hier bie ©attin bed
Pfarrerd ein, „ed moflte mir fdjon oft [feinen,
ald ob bie Herren ©eologen unb ©eognoften,
menn ed fid) bavum hanbelt bad 9llter ber Grbe
ober and) einzelner Gultitrepod)en 31 t beftimmeit,
[ehr häufig beu SJunb nUjuDott nähmen, ja ein*
*anber in flau} ungeheuerlichen 3 aI)Ieii 31 t über«
bieten fudjten. Söiirben ^ie Diellcidjt bie ©die
haben und mitjutheilen, auf melche SOBeife bie
©eiehrten jur ^Berechnung ber 3^'it be 3 iiglich ber
Pfahlbauten gelangt fiitb?"
„Ptit bem größten Sergniigen. 2)odj fei tfkx
gleich gum Soraud bemertt, bah ed fict) bei allen
biefen 3 eitaugabcn nur um bad Ungefähr hau*
be(u fann, unb bah ein Unterfd)ieb oon hunbert
ober ainh mehr fahren babei nicht in’» ©emicht
fallen barf. JBad nun bie Pfahlbauten anbe*
trifft, fo hat man in erfter Sinie bie 3 eitbeied)«
nuitg auf bie Jhatfache gegriinbet, baß unter
ben Sfunben an oerfchiebenen ©teilen ©egen*
ftänbe 3 iir Grfcheinung tarnen, melche besürtti^
ihrer Gntftehungjidj bur<h bie brei frohen Gul*
turperioben ber ^teiu*, ber Sronce* unb theiU
rneife and) ber ©ifeitgeit fjinjiehen. ©obann
glaubt man in ber jorfbilbmtg, mcldje nach unb
nach bie Sauten biefer ©attuug in ben Derfchie*
benen IRooren iibermucherte, einen menigftend
annähernb richtigen OTaßftab 3111 * ^Berechnung
bed 9llterd ber früheften Pfafjlbörfer
qefunten 311 haben. 2 llled biefed in
SBetradjt gezogen, fcheiut ed mir buvch*
and nicht übertrieben, bie erften 9ln*
fänge biefer eigentümlichen SBohu*
ftätien auf etma gtueitaufenb 3 lal)re
jnvüdjubatiren. # *
©leich Don beu älteften Pfahlbauern | a
läßt ruh mit Seftimmtheit itadjmeifen,
bah fie bereitd and bem 3 «ftanbe ber
Sarbarei fich emporgearbeitet hatten,
infofern fie febon mit grifchfang,
Siebsucht unb bid 311 einem gemiffen
©rabe arnh mit 9ldferbau fich befaßt haben
müffen. 9luf ben gif<bfang mied fie ja bad Gle*
ment hin, auf bem fie fich heimatlich einsuricb*
ten Derftanben. 2)ah fie ferner ber ^a^b unb
ber Sieh 3 ud)t nacbgiitgen, beseugen bie überaud
zahlreichen Stno<ben*Üeberre[tc hon 3»agb* unb
Landtieren. 5Racb ben eingebeitben Unter*
ducbuugen SRütimeper’d, melche berfelbe in feinem
überaud lehrreichen 2öerte „$ie §fauna ber
Pfahlbauten in ber ©d)mei 3 " niebergelegt hat,
[ollen fed)dunbfed)d 3 ii 3 Wirten oon 2öirbeltf)ieren
in biefen grunben repräfentirt fein, nämlich feebd*
unbstnansig ©äiuzethiere, fiebsebu Sögel, brei
'«Reptilien unb zehn gifebe. 21 m reichlichften fan*
ben fich bie SRefte Don £)irfcb unb Äuh Dor.
kleben biefen beiben Stbiergattungen muh auch
allen Grfcbeinungen ntd) bad ©cbmein überaud
Zahlreich Dertretcn gemefeit fein. Söeit fpärlicber
mar bad s «Rel), bie 3iege, bad ©d)af, fomie ber
5ud)d unb ber Sfarber, noch fpärlicher bad Pferb
unb ber ©fei. 3 U ben Sü)iereu, auf melche ber
Pfahlbauer auch mof)l 3agb 311 machen pflegte,
gehören ber Sär, 2öolf, Ur, Sifon, bad Gien,
bie ©emfe, ber ©teiuboef. $ie jluodjen bed
|)irfched mürben ihrer fiävte megeu imrnehmlich
3 ur ^erftellung Don SBerfseiigen für ftechenbe
unb fdmeibenbe 3nftrmnente benußt.
• 2 lud) in ber Sebauung bed 9lcferd, fügten mir,
feien bie pfahlbaueru nicht ungeübt gemefen.
Siefed fönuen mir barand erfehen, baß fie Der*
fdjiebene ©etreibearten, mie beu SBeijen, bie
©erfte unb bie £)irfe faunten unb and biefen
burd) 3 fvreiben 3 mifchen eteineu unb bermit*
telft ^aubniühlen, Don benen ich 3huen hier eine
2 lbbilbung oorlege, bad Stehl gemanueu, melche»
fie 3 ur Sereitung ihred Sroted beburften. Siel*
fach fiuben fi(h fobann auch bie Ueberrefte Don
getrodnetem Dbfte Dor, mad und, ba bie Slepfel
an ©röhe entfliehen bie Suchte bed milben
2 lpfelbauined übertreffen, barauf fchließen läßt,
bah f<hon 311 jenen 3 eiten bie Obftcultur eifrig
betrieben morbeu fei.
Gd bliebe und noch fdjlicßlid) bie 2 lufgabe,
nach 3 umeifen, bid 311 meinem ©rabe bie niedja»
nifd)e gertigteit bei jenen alten Semohuevn
Guropad fich entmidelt hatte, ba gerade biefe*
gijil/ imb üeuubcter 'öulvt*; Zet«tiutugcii auf (Gcmct^ftiidc.
(SCutange ba tmbcubtu Miiuft.)
jiti. cTby
Google
Pie Pfahlbauten.
401
einen £auptfactor in bem Kulturleben eines
PolfeS bilben muß, über beffeit geiftiger Pe=
fäfjigung unb geiftigen Seiftungen mir fonft
gänglid} im Sunfeln gelafien finb. Unb hier
oor Mein haben mir in nuferem Pachroeife ben
oerfcbiebeueii 3e'tperioben SRethnung ju tragen,
in melden bie überaus jaljlreidjen Pfahlbauten
erftanben finb. ©enaue Unterfuchungeit haben
bargetpan, baß in ben älteften 3 e iten berfelben
bie Pietalle noch gänglich unbetannt mären, baß
man es aber tvoßbem berftanb, felbft bie härteften
©teine gu fthleifen unb gu bohren. Sie ©erätp»
fchaften unb SBaffen biefer periobe finb bemnacf)
größtenteils aus biefem fpröben Material, roie
bem {feuerftein, ber mahrfcheinlich aus bem heu*
tigen {franlreidj importirt mürbe, bem ©riin*
Sürth ben Pebarf beS täglidjen SebenS an*
geleitet, mürben au<h fthon in ben früljeften 3«i*
ten rohe ©efchirre aus ungefchlämmtem Shon
hergeftellt; ja mir finben beit ff ortfehritt in ber
Sntroicfelung gu einer folcben .f)öhe gebieten,
baß man auf hölgcrnen SBebftühlen eigene ©e*
mebe aus ff lad)S bereitete. SaS Pilb, meines
ich Shnen icßt gur Pefithtigung überreiche, mirb
ohne 3meifel baS befonbere ^ntereffe ber Samen
erregen, inbem eS ©cflechte unb ©emebe aus
berfcpiebenen 3 e i* e « ber Pfahlbauten gut 9tit*
fchauuug bringt.
3m meitcren Serlaufe ber Pfaljlbautenperiobe,
in ber immer neue Dlnfiebelungen biefer 91rt er*
ftanben, traten bie Pemobner in baS 3f'lalter
ber Pronce ein, unb in {folge ber ftenntniß beS
ftein, ©erpentin, Ouarge hergeftellt roorben.
2Bir ermähnen hier nur ber Pfeiifpißen, Pieffer,
Peile, bie in überaus großer Pngahl in benjeni*
gen Sdjithten aufgefunben mürben, meldje aus
biefer älteften Gnlturepoche ber Pfahlbauten her*
guleiten finb. 9luf ber 3üuftration hier, roelche
ich in meiner £>anb halte, finben Sie bie getreue
Sarftellung gmeiev geglätteter Peilhämmer, bie
einft Don ber £ninö eines jener Pfahlbauern
hergeftellt morben finb.
Slußerbein finben fith gar mannigfaltige ©e=
rätlje, bie aus $uotf)en, 3öhneu, |)olg unb be*
fonberS £)irfchhoni angefertigt mürben. 3u
fpäterer 3<ü< ba ber fhinftfinn unb bie ftunft*
fertigfeit in hohem ©rabe fith auSgebilbet hat*
ten, pflegte man roof)l, mie mir aus biefer^flu*
jtration erfehen, bann unb mann biefe £>orn*
geräthe mit Sf'^nuitgen, etroa eines £mfcheS
ober eines ffiftheS gu fthmiicfen.
PtetallS hob fith auch ber Kulturguftanb ber*
felben ungemein. Sie 3nftrumente, nunmehr
aus Pronce beftebeitb, mürben, mie aufgefunbene
©ußforinen bemeifeu, an Ort unb ©teile ge»
fertigt, unb bie Pearbeitung berfelben gu einem
hohen ©rabe fiinftlerifcher Pollenbung geführt.
Kublith giebt es einige Stationen, roelthe noch
in ber Kifengeit fortbeftanben;. ja, an einer
Stelle beS PeuenburgerfeeS hat man nur Griten*
geräthe gefunben, bereu {form auf bie ällefte
gnflifdje 3^1 hinbeutet, ttnb mit ben P'affen
ibeiitifch ift, melthe bie ©allier in ihren Kämpfen
gegen bie Ütörner benußten. Hub fo mären mir
in' ber ©efchithte ber Pfahlbauten bei ber 3 c *t
ber leßten KntmicfelnngSftufe angelangt."
„P3ie ift eS gu ertlären, £>crr Profeffor, baf$
biefe Pauten, bie einft, mie Sie fugten, über
gang Cruropa hin berbreitet roaren, fo fpurloS
bcrfthroinben formten, baß man nicht einmal bie
Digitized by v^ooQie
402
Pie Pfahlbauten.
geriitgfte Sfttnbe mehr Don benfelben befaß, uttb
baß nur tuie Dan ungefähr eine Eullurperiobe
Don jroei Sahüaufeitben toieber jur jfenntnife
ber fpäten 9lad)melt tommen mußte?" Wit bie=
fer grafte manbte ficf) eine ber 2>amen ber ©e«
jellicfeaft an beit ^Referenten.
„Weine Herren unb tarnen, um biefe gemife
fetjr facf)bienticf)e grage unferer gefdfeißten
greuttbin 511 beantmorten, Dertoeife ich Sie auf
bem ©ege ber Analogie auf baS ©efcfeid jener
ungti'tdlichen Stabte £)erculanutn, Pompeji unb
Stabiä, bereu einftige Eyiflenj gänjlich au» bem
©ebächtnife ber Weufcbbeit gefcfemunben mar, bi»
auch fie burdj baS blinbe Ungefähr auf’s 9teue
an bie Oberfläche traten unb unfern ftaunenben
©tiefen bie ©ultur längft entfchmunbeiter 3 c * ten
enthüllten.
Sn ähntidher SBeife, meitn auch in meit lauft*
famerem ©rojeffe finb roobl and) bie Santen,
melche als Jßema unferer Sefprechung bienten,
Don ber ©ilbfläche gefdjichttichfn Seitens Der*
fchmunben. Siete bei: Sfahlburgett ber Stein*
üeit mürben jutn $feei( freiroiflift Dertafjen, mabr*
fcheinlich infolfte ber Uebermucherting beS Dorfes,
tneifteuS aber mürben fte burd) generSbriiiifle
erftört. ©eitauS bie große Wehrjßtbl jeboefe
anb mot)l ihren Untergang jur 3?it jenes fte*
roottiflen SölferuubraiigS, ber, einem entfeffelten
föteere gleich, fid) oon Cften her ergofe, unb in
feinem ©ölterfd»matl bie gattje bisherige Se*
Dölferung Europas Derfdjlang. — ®ie SfafeE
bauern roaren flehte, in bem allju harten SJampfe
nm baS $afein Dertiimmerte, guriidgebliebcite
©eftalten, mie bie für unfere föänbe Diel ju tur*
seit ©riffe ber ©affen unb ©eräthe barlhttn.
Sor ben übermächtigen Sielten miefeen fie faft
ohne Stampf jurücf, Derbrannten jebodj Dor
ihrem fRiidjuge ihre bisherigen Sebaufungen,
bie Sfahlbttrflen, um ben Verfolgern baS 9tach*
bringen unb baS geftfeßen int fiattbe jpt er*
fchroeren. 3“ ber Annahme, bafe bie Sauten
Don ben Semohnern felbft uttb nicht in ober nach
bem Stampf eiugeäfdjert mürben, berechtigt unS
ber Umftanb, beiß nirgenbs baS Sfelett mich nur
eines Wcnfdjen gefuttben morben ift, ma§ ttn*
möglich märe, meitn bie Derjehrettbe©luth in ber
Ctiße ber mörberifchen «Schlaft ihr jerftörenbeS
©erf begonnen tinb DolJeitbet hatte. So hotte
bie TOenfchhfit bergeffen, bafe e§ einft Sfatjl*
börfer gab. „9tur bie glüfterftimine ber Sage,"
fefereibt ein J&iftorifer fcljött, „muffte noch gu er*
fühlen Don bem ©ölflein fchetter 3merge, melche
int ©aff er ober in £>öfefen mohnen ober in bie
Serge flüchten Dor bem Snbrang ber überlegenen
Wenfcheit."
Uttb nun, meine Herren unb tarnen, haben
mir ben fRiidtblid in bie altersgraue Soweit ge*
than. Steigen mir nun aus ber Wobergruft
ber ©rflorbenen mieber üur ©egenmart empor,
bereit Solä noch Doll SebettSfraft fdjlägt, in
bereit großem SebcnSorgnitiSimtS auch mir einen
2heil bilbett, eine ©teile gefunbeit haben! Vier
Safjrtaufenbe mögen Derraufcht fein, feit ber
erfte ©fahl ant ftillen ©clättbe beS SeeS in ben
Sobett eingeraimtit mürbe. Sölfer erftanben
feither, Sölfer Derfchmnnben. ®ie Sbßfiognomie
ber gefnininten ciüiiifirten SGßelt ift ju oerfchie*
betten Walen eine attbere gemorbenj aber ber
alte ©ott lebt noch, ja noch mehr, er tfiberfelbe;
benn taufenb Safere finb Dor ihm mie eilt 2ag.
Wit biefem ©ebanfett laffet uns, meitn auch
unfere £erjen DOn banger Sorge befchroert fein
mögen, in baS neue S a fer hhieintreten, unb
möge baS Worgenrotfe beS erften Sonnen*9litf»
gangS unS ein Spmbol beS fJriebettS fein, ber
©ofelfafert, beS Segens, ben ©otteS ©nabe uns
im neuen Sabre reichlich fchettfen mode!"
9)1 it ber Seenbigttng beS SReferalS maren, mie*
gemöfenlich, fo auch jeßt bie Uebungen beS Stränj«
djenS gttm 9fbfd)lufe gefontmen. 3>ie lebte Stuttbe
beS fcheibenben Saferes brachten bie ©lieber ber
©efeüfchaft in ber ihnen am meiflen jttfagenben
Unterhaltung ju: bie Suflfib in fröhlichem
Scherben unb heiteren UnterbnltungSfpielen, bie
Ermacfefetien theilS in fortgefeßter Sefprechung
beS ©efeörten, theilS auch in erufter Unterrebung
über bie 3 ei<hen ber 3 e*t, über bie Erfahrungen
beS beinahe Derflojfenen, bie ©rmartungen auf
baS halb hereinbrechenbe Safer.
So nahte bie feierliche WitternachtSfhinbe
heran. Slttrj ehe bie Stanbuhr jitttt }roölftcn
Sfttttbenfchlage ausholte, rief ber ftausmirth
alle 9lnmefettbett jttfointiien. S'< eruftein ©ebete
beugten fich 9111er ©ciupter. Semegteit ^terjenS
liefe ber ©eiftlicfee bie Stimme beS Kaufes gegen
©ott laut roerbett; ÜBorteberQfürbitteeutfeoffen
feinem berebten Wttttbe für bie Don fo fefemeren
Seibett heimgefnehte ©Jettfehheil; hfißfö flehen
brach ruh bei Sahn, baß ©ott in ©naben baS
neu beginnettbe Safjr mit bem fo fefer erfehnten
Qfriebett, ber fRiidfehr ber ©eliebteu frönen
möchte. — ©S fchlägt gmölf, unb in tntmillfür*
lichem Schroeigeu Derharrt bie ganje ©efeüfchaft,
bis ber leßte Schlag öerflttngen ift, morouf fie
aüe mie attS einem Wittibe ben tfeetiren, bem
beutfehen ^terjen fo lieb gemorbenen Eh oral an*
ftimmen: „fRtttt bautet 9ifle ©ott." ®attn fegnet
ber ©eiftlidje mit aufgehobenen £>ciiiben uttb
lemhtenben ©liefen baS neue Saht ein in beo
©Orten beS altteftamentlichen SegenSfprucheS:
„®er £>err fegne bich unb behüte bich; ber ^err
laffe fein 9lngefid)t leuchten über bir unb fei bir
gnäbig; ber £>err hebe fein 9lngeftd)t über bich
itnb gebe bir ^rieben!"
Sich gegenfeitig ein fröhliches 9tenjal)r roiin*
fcheub, gehen bie Serfamtnelten nun auseinanbet.
Digitized by v^ooQie
$eflette bein Haus.
£31UfttlU bcin
Sou $. 8.
403
fd^rieb ftc^ eic^cntfid) S e b a ft i a n
|)üfner, mettn er fich nämlich
überhaupt fdjrieb, toaS aber, feit=
r biefen feinen Hamen unter feine
BifitationSfchrift in ber Schule —
dpie 2lnftrengung — gefeßt hatte,
im jungen fefjr feiten bei ißm Dorfam.
3m Dorfe nannten fie ibn „Säfiele",
1 mie man feinen ©rofeoater auch gebeifeen
batte. 8t mar nämlich tlein non tßetfon,
f mie 3a<häuS ber 3äöner. Huf ben Maul«
w beerbauin aber mar er noch nicht gefliegen,
X uin 3efunt gu feben, eS nab freilich im
r Dorf aud) feinen Maulbeerbaum; Sä fiele
f follte baS erft fpäter lernen. ©in 3olIeiu*
nehmet mar er aud) nicht, rnobl aber ein 3oll»
auSgeber. 2(ufeer ben jährlichen 9lbgaben uitb
«Steuern, bie er nie fcbulbig geblieben ift, begafft te
er jebeit Samftag Morgen flehen 7 Uhr feine
jtoei Sfreuger Sflaftergelb an bie alte f?rau in
bem Keinen fjäuSlein mit ber lticbrigen Seranba.
DiefeS Keine |)äuSlein ftanb ani 2 höre ber
arofeen Stabt, unb in bie grofee Stabt fuhr
Säftele piiitKUcb jebe 9Socbe auf ben tfornmarft.
Schräg gegenüber non bem fjänSlein, bnrrf» bie
breite, ftaubige fianbftrafee, ben ©rabett mit fei=
nem grünen ©raS unb einen angenehmen 3mfe=
pfctb getrennt, lag ein ummauerter tjMüß. Süffele
erinnerte fid) nicht, baS Dfjor in biefer Mauer
jemals offen gefefjen gu hüben, unb ba über«
mäßige Heugierbe fein ftefjler nicht mar, fragte
et nicht biei Darnach, maS hinter ber Mauer
liege; er richtete fich auch auf feinem Hktgen
nicht auf, um über bie Mauer gu flauen, fo oft
er fdjon Dorbeigefahren mar. 2ltt ben Dhor»
pfoften rechts unb linfs ftanb eine SoKbrift; bie
auf bem rechten Dborpfoften toar für Sä ft de
eben fo unleferlich, mie baS „Mene, mene, Defel,
Upbarfin" für bie ©fjolbäer in Sabplon; bie
aber auf bem linfen Dfjorpfofteu bnchftabirte fich
Saftete im Sauf ber 3eit gufautmen. Die 3n*
fchrift lautete: „Seftel le beiu£attS!" Uub
gegenüber auf beut anberu Stoffen ftanb baffelbe
in h«tmäifcher Sprache. Hmt merbe ich meinen
lieben Sefertt fattm ttod) gu fageu brauchen, baß
baS Jfjor nirgenbS attberS hin führte als in beit
3ubenfird)bof.
Saftete aber mußte baS immer noch nicht, ttnb
bicroeil er mit ber beutfcheit Hccbtfcfereibung geit*
lebettS auf gefpanittem fjufe ftanb, fo las er bie
brei SBorte nach feiner Manier, nämlich
nicht: „Seftelle," fonbent „Säftele beiit fjanS."
DaS mar nun freilich meber lautrichtig, noch
tonrichtig, noch fiuurichtig, hätte ber Sfyuluieifter
gefagt, menn ihn Säftele um bie Sache gefragt
hätte. 9lber gum Sinnirett brachte bie ^nfchrift
ben Säftele hoch; ja er fob, feitbem er bie 3n=
fchrift heraus hatte, bie alten bermitterten Such«
ftaben anbäd)tiger an, als baS mooSüberroadhfent
Steinfreug, baS oben an ber fjalbeitftaige ftanb,
unb bon bem bie Seute fagten, es begeichne ben
Ort, mo in uralter 3eit ein 2Banberer fei er«
fchlagen roorben. DaS ßuriofefte mar nämlich
bem Säftele baS, baß gerabe fein Hamen auf
bem tßfoflen flehen foUte; unb mantm nicht eben
fo gut baftchen tönnte: „#anSjörg beiit £>anS!"
ober „Michel bein £auS!" mar ihm ein fdhroer
gu ergrüttbenbeS Hätbfel. Schliefend) beruhigte
er fich bei bem ©ebanten: ,,©S gielt eben auf
b i d>."
„6S gielt fchon mieber auf bich," fügte er an
einem Samftag Morgen, inbem er einen halb«
fcheuen Slicf bem Sfoften gumarf unb in ber
Skfientafche bie ,<treuger gufammenfuchte, um
fie ber am DborbäuSlein barrenben alten grau
eiitguhättbigen. ,,©S gielt fdjon mieber auf bich,
unb Säftele, bieSntal meifjt unb merfft, roaS eS
gu bebeuten hot, unb bein ^>auS bebältft btt; ba
fteht’S ja, bafe es bein £>auS fein uub bleiben
fall, mie es beiueS SaterS uttb beineS ©rofeoaterS
ftauS gemefen ift."
6S lag an jenem Morgen eine fernere uttb
forgeuOolle SSocbe hinter unferm Säftele. 91m
Dienftag mar ibnt plößlid) eine alte Schttlb ge«
Kinbigt morbett, Don ber er gemeint hotte, eS
höbe mit ihrer £>eimgahlung noch gute 2Beile;
am Mittwoch hotte er, mie er bie iftipferfreuger
in ber Meftentafche gufammenfuchte, bie ©uiben
unb bie Jholerfcheiue in feiner Schublabe gu*
fammengetlaubt; aut ®outierftag fagte er fich,
bafe aü fein baareS ©elb nicht hinreiche, um
auch nur bie Hälfte ber Sthnlb gu beden, unb
hatte mit feiner fffrau eine längere Unterrebuitg
gehabt, tt a d) ber er aber eben fo Kug mar mie
tiorher. Unb aut Freitag mgr ein |)evr aus ber
Stabt augefommen mit fchmcirgetn £ut, f^hmarg*
feibener .fcalsbiitbe, fchroargem Sart unb gelocf«
tent Haupthaar unb bot ihm ©elb an, fo Diel
er nur haben toolle, gegen gute Sicherheit Der*
ftebt fic|. 3nm Schluß hotte er fafleu taffen,
er miirbe auch ouf einen imtiSDerfauf eingehen,
unb er rotifete für ben ,,.£>errn Hüfner" ein Diel
tauglicheres 9lnroefen, baS mehr iu ber Höhe
ber Stabt gelegen märe unb bem „fterrn 4>iif*
ner" überhaupt beffer anftiinbe, als baS alt»
mobifche ®ing in bem lumpigen Dorfe. Säftele
griff fich gnerft an ben ffopf unb fragte fich, ob
beim eigentlich er ber |>err £>üfuer fei, bet in
Digitized by v^ooQie
404
$efUUt bein $jatu.
ber Häuften 3«it fo graufam oiet ©etb braune,
um eine Scbulb jii bejahen; bann batte er bem
Serfudter einen Sirtfler gereicht, ober bieweil
fein SBeib, baS aud) bobei ftanb, ibm jublinjette
roie eine ©ute, wenn fie ins Sonnenlicht fchauen
muß, butt« er fcbtiefcticb uic^t 3a ltnb nicht Stein
getagt, fonbern bie £>anb unb mit ibt ben 3fin=
ger jurüdgejogen. CuS aber batte er Derfprod)en,
.er rooüe am näcbften SRartttag bei bem £)errn
'felbft in ber Stabt oorfprechen unb »eitet mit
ibm in ber Sache reben.
Oem Befer »irb nun baS Setbftgefpräch
SäfteleS fein 9tätbfel mehr fein. ©r brauste
übrigens feinen befoitbcren ©ang ju tbnn, um
fein Serfpredjeu ju balteu. Oenn als er in ben
„Stern", baS SJirtbSbauS, »o er gewöhnlich
eiufteflte, fam, faß ber Scbwarjgelodte fd)on feft
am Oifd), batte eine tJtafdje Stotben bor fid)
fteben, ein PoßeS ©taS unb ein leeres, unb warf
bem &errn ©iifner griißetib einen berftcinbniß*
innigen Slia ju. „3ft 3b« e « «6er Stacht ein
guter ©ebanfe gefommen, £err ^iifner ?"
fliifterte ber Scbmarjgelodte, nadjbem Stiftete
bebäd)tig neben ibm ©lafc genommen tjatte.
„C'ieute 3tadjt nid)t; ober bafür beute SJtorgen,"
fugte Saftete, inbcm er baS teere ©las, baS fein
©cgeniiber eben auch bofl fcfjcnfen wollte, mit
bem gebogenen 3eigfinger ibm jurüdfcbob unb
einen Schoppen Sier bor fi<h auf ben Oifdj
pftanjte. „Unb?" fragte ber Schwarjgelocfte,
bie geneigte SBeinftafcbe noch in ber ftanb bat*
teub. „Stein ftauS bebatt ich; beun mein ftauS
ift mein," fagte Stiftete ruhig, aber mit einer
fotcb feierlidjen Seftimmtbeit, baf} ber Scbwarj*
gelotfte uuwifHiirlicb fragte: „2Bo ftcbt baS ge*
fd) viebcit ?" — „SBo eS gefebrieben fteljt ? braunen
am Steigert bor, febräg gegenüber bon bem
ftiiuStein, roo man baS Sftaftergetb bejablt."
Oer Schwarjgdodte fab ihn berbtüfft an, benn
er famtte ben Crt, unb wufite fogar, was hinter
ber Stauer tag. „Slber, »ie fo, fterr Hüfner ?"
— „Stein ftauS bebatt id)," fagte ber Saftete
noch einmal, trotnmette an bie ^enfterfdjeiben
unb fab auf bie ©affe hinaus, »o bie Schwat*
ben über baS Sftafter bufdjten. (Sv badjte im
(Stiften an bie Schwalben, bie in feinem ftauS
it)r Steft gebaut batten. „So erftaren Sie mir
bod), fterr Hüfner!" — „3d) muß auf ben ,<Jorn=
mnrft," fagte Stiftete, „fonft berpaffe itbbie befte
3eit," tranf feinen Schoppen aus unb ging.
,,©S ift boeb nicht» umfonft," fagte er, a(S er auf
bem Heimweg StacbmittagS an ber fonberbaren
Snfcbrift uorbeifubr. —
Oie «cbulb »ar befahlt, eine alte Safe, bie
Stiftete ungern unb nad) langem Sefinnen an»
gefproeben batte, war ihm behilflich gewefen.
Oie 3nf‘hrift toS Stiftete noth tieffinniger a(S j
jubor, fo oft er boriiber fuhr. ,,3d) weiß nicht, j
warum mir’S beute fo gar arg beim preffirt," I
fagte er ju einem ihm befannten SReifegefdbrten,
ber am SJtefcgertbor bei ihm aufgefejfen war.
„Saftete, bein ftauS, ja eS jiett wieber auf bi<h,"
fefcte er halblaut binju, fo baß eS ber ffamerab
nicht beachtete. „SMrft beinen neuen Cfen pro*
biren wollen, man taun beute Slbenb gerabe baS
©inbeijen leiben," fagte ber Jfamerab. „Sin
nicht jufrieben mit bem neumobifchen Oing,
Wollt’, id) hätte meinen alten beutfd)en Ofen
noch." — „ittber ber neue berfperrt weniger ©iah
unb frißt nicht fo biet ftolj." — „grißt mehr,
fag ich bir; eS ift mit ben atten großen Cefen,
wie mit ben ftunbeit." — „2Bie baS ?" — „SBenn
bu einem ftuitb einmal tüchtig ju freffen giebft,
fo ift er jufrieben unb lauft nicht jebe Stiuute
an bicb b^r, um einen Srocfen aufjufchnappen.
So ift’S mit ben alten Oefen gewefen. Stan
bat fie einmal ober jweimal am Stage tüchtig
gefüttert, bann bat’S gehalten; bie neumobifchen
Kanonen fommen mir bor wie bie ftunbe, bie
jeben Slugenblicf einen Srocfen motten." Oer
ffamerab lachte; fie roßten weiter, ©in ÜZBirtbS*
hauS ftaub am SSege, an bem Stiftete fonft nicht
borbeigetommen mar, ohne einen Keinen Stufent*
halt ju machen. Unb bie Sferbe, bie ihres £>errn
©emobnbeit beffer tonnten, als er felbft, bogen
fchon rcihtS in ben $»of ein. Oer ffamerab ftanb
bereits auf, um ouSjnfteigen. „Sch tebre heute
nicht ein," fagte Saftete unb jog bie Sferbe nach
linfS. 3ui SiirtbSbauS öffneten fich bie fjenfter:
„Äonim nur herein in bie warme Stube, fannft
noch tauge genug erfrieren, wenn bu bie Staige
hinauf fommft," riefen woblbefannte Stimmen
bon brinnen heraus, „unb ’S ift eben frifd) an«
geftodjen."
Oer ffamerab war bom SBagen herab ge*
fprungen. „Sur einen Schoppen," fagte er, „ich
hole bid) noch ein, wenn bu beute ben Sefonbern
machen willft. fjabre langfant ben Serg bin*
auf." „Säftete bein •ÖauS!" fagte ber auf bem
SBagen bor fid) bin, unb fort ging’S. Oa lag
fein £>anS. Oie ©affen waren tneufchenleer,
feine ffinber waren noch in ber Schute; feine
ftrau war in ein StacbbarbauS gegangen, ben
jfnedjt hörte er in ber Scheune Qfutter fchneiben.
©r beforgte felbft rafcb bie Sferbe unb trat, um
fich JU miirmen, in bie Stube. 3a bie War auch
warm, ©in ©lutbauch unb biefer Cualin föblug
ihm auS ber geöffneten SLbiire entgegen. Oer
neumobifebe Ofen war etwas ju gut gebeijt
worben, unb ber StachS, ben feine 5rau am
Cfen batte börren woßen, ftanb in beßen ^tnm*
men; fd)on glimmte baS ©etäfet in ber Siäbe
beS CfenS. Saftete raffte bie balböerfoblten
gtimmeuben Stengel auf einen Raufen jufani*
inen, warf ihn in bie Stitte beS 3immerS unb
j ftiir.de ben Oifdb boriiber, bafe Scejfer, ©abel
j unb Büffel in ber Sibublabe jufammenflirrten.
I Oauu batte er aus ber Äiicbe einen ßiibel unb
Digitized by v^ooQie
Peftelle lein $aus.
405
Wmf ben äßoiferfdjmoll über baS fohlenbe @e» erften Tagen nach bem Unfall bei ifjm gewefen;
täfel. 3fßt rife er bie Sfenfter auf. Stit ge* er wufete nichts mehr baoon. „@S ift ein flutet
freisten 'ilrnien ftanb ber Wann bor bem um» &err," backte er bei fich fetbft; „er fommt mir
geftürgten Tifch- „Saftete bein ftatts!" faßte er: im ftlugenblicf in’S #auS, unb id) bab’S oft ein
„hätte mich baS nicht heimgetrieben, fo ftanb’ ich halbes 3ahr anfteheit laffen, bis ich 'hm in bie
heute ftlbenb oieUeidjt auf einem Sranbplaß." .ffiretje flegannen bin." — Ter Saftete ftanb alfo
©eganft hat er an biefem 5lbenb mit fttiemaub, noch fo, bafe er meinte, man gehe „bem fpernt
unb baS mar feiner ff rau, als fie heimfam unb Pfarrer" in bie ßirche, ein Stanbpuntt, ben
über ber fcferecflidien fReuigfeit bie £änbe gufam» mehr Seute theilen, als man glaubt,
menfchlng, baS wunberbarße. — Ter Pfarrer fam, er griff, nad)bem baS Ueb*
i'tan roch in ber «Stube SäßeleS längft nichts lieh« gefprochen unb Siebe unb ©egenrebe ein
mehr bom Sranbe, burch bie offenen fjeufter gog wenig tn’S Stocfen geratheit war, nach ber Sibel,
bie milbe ÖrriifelingSluft; eS war wieber «in bie auf bem Srett über bem breiten fjenfter lag.
Samftag unb Säftele mar auf bem Äormnarft. SeiS blies er ben Staub bom Tecfel unb fchlufl
2US er bieSmal an ber 3nfcferift borbei unb ber auf — ben Propheten 3rfaia, baS aefetunbbrei»
£>eintath gufuhr, ftanb baS Thor offen; brintten feigfte ffapitel. ©r fing an gu lefen: „3" ber
in bem ummauerten Slaß ftanb eine anfefjn» 3 e 't tnarb £>isfia tobtfranf." Säftele feufgte
liehe Serfantmlung, feltfame freniblänbifche fcpmerglich auf. Ter Pfarrer fuhr fort: „Unb
Saute, aus bem Staube eines lebhaft geftifuli» ber Prophet Sefafa, ber Sohn 2lmog, fam gu
rer.ben WanneS, brangen über bie Wauer. Sä» ihm unb fprncb gu ihm: So fpricht ber $err:
ftele oerftanb feine Silbe babon, fo biel aber Scftcfle bein £>auS; benn bu wirft fterben unb
berftanb er, baß eS fich hier barunt feanble, bie nicht lebeubig bleiben." 35er Pfarrer wollte
fterblicfee £>ülle eines ©rbettpilgerS in bie ©ruft fcbuefl weiter (efen, aber Säftele rief: „3eßt ber»
gu fenfen. fleh ich’S, £err Pfarrer. 3a, ja, fo heißt» bei
„2öen begräbt man ba ?" fragte er einen Sor» mir, unb beSmegcn hot eS breimal auf mich ge«
übergehenben. „Ten f>errn Saruch Söwen» gielt." Ter Pfarrer bliefte ben ifranfen ber»
fteiner," lautete bie Antwort. SSäftele faunte munbert an, er glaubte nicht anberS, als er
ben 9 tarnen; eS war ber Scfewarggelocfte. 3" fpreefee noch einigermaßen im lieber. 2Beil nun
tiefe ©eöanfen berfunfen fuhr er weiter, baS aber SSäftele wie ber iföttig #istia gu ber 2Banb
aüirthShauS an ber etrnfee mar glücflich bor» fein 9lngeficf)t wanbte, fo las ber Pfarrer Weiter,
über; es ging bie ^albenftaige hinauf. Sang» baS ©ebet f)isfiä. ftllS eS int breigel)itten SerS
fam trabten bie -ßferbe. Tie blüfeettben ©e» lautete: ,,9lber er geibrach mir alle meine ©e»
biifche am Stege nieften im warmen frühlings» beine, wie ein 8öwe," feufgte Sei ftele noch «in»
winbe unb ftreuten ihren gelben Staub bem mal. Grft bei ben Söorten beS fiebgehnten Ser»
fftthrinaun auf Etappe unb Schulter; ber fchiit» feS: „Tu wirfft alle meine Siinbe hinter bid}
telte ihn nicht ab; er niefte gleichfalls, er war guritef," wanbte ber $ raufe baS Slngeficht wieber
eingefchlafen. TaS war ihm noch nie begegnet, langfam um unb fab bent Sforrer getroft unb
fo lange er in bie Stabt fuhr. Ta, oben am guoerfichtlich in’S Suge. TaS ifapitel wttr gu
Steintreug, febeuten bie ^ßferbe, Säftele würbe ©nbe gelefen. ©in 2Öort gab baS anberr, Sä»
burch einen heftigen Stofe t»om Sagen gefchleu» ftele erzählte bem Sforrer üoit ber 3nfcfjrift am
bert, baS Sorberrab ging ihm über ben fjfufe, 3ubf"tirdjhof, unb wie er fie fo folfch gelefen
er wollte fich aufraffen unb nach bem Seitfeil unb boch eigentlich richtig oerftanben habe,
greifen, er oermochte eS nimmer, ober feilt ffrtife SäfteleS Sein War halb wieber geheilt; wer
War ittS Seitfeil oermicfelt, unb fo würbe er Pott ihn nicht gerabe barunt anfatj, merfte eS nicht
ben gang rafenb geworbenen Tfeieren fammt einmal, bafe er beim ©eben ein wenig h'nfe.
bem Sßagen gefchleift, bis eS einigen ans bem 3" bie Stabt auf ben ßornmarft fuhr er am
nächften Torf herbeigeeilten Wännern gelang, Samfiag nach wie oor; aber eben fo pünftlich
fiejuim Stehen gu bringen. ging er am Sonntag fDtorgen in bie $ir<he,
Wan hob ben übel 3"fleri<hteten auf feinen wäferenb er fonft ben Sonntag Sormitlag bogu
SBagen unb fuhr ihn langfam nach £>aufe. benüfet hotte, mit ben ©efcfeüften unb ©efchäft»
„Toppelter Seinbruch unb bebenfliche Jluochcn» cfeeit ooflettbS fertig gu werben, bie über ben
gerfplitterung; einett Jürgen ffrtife wirb er be= fl'ornmarfttag liegen geblieben waren. 2öir
halten," fagte ber Toftor, als er fpät in ber föitnen nicht fagen, Säftele fei beSwegen in fei»
Stacht aus 35äjleIeS £auS ging. ttent SermögenSftanb gurüctgefommen, aber baS
Säftele fchwebte geraunte 3 e, t gwifhett Tob föitnen wir fagen, bafe er in anberem, waS föft»
ttnb Seben. TaS erfte, was er nach langen, lieber iß als ©olb unb biel feines ©olb, Doran
bangen Tagen auSbrittflid) berlangte, war, man fam.
foüe ben Sforrer holen, ©r Williberte fich, ols ?(m Sonntag Nachmittag fragte er oon jeßt
matt ihm fagte, ber Sforrer fei gleich in ben an barnach, toaS feine ffiuber bie Stoche über
Digitized by v^ooQie
406
ftleine JJöubet unb iljre Burgen.
in ber Schule gelernt hatten. Uitb als ihm ein»
mal fein jüngfteS Söchterlein bie ©efdjidjte oon
ber töbtlichen Jtranfheit beS Königs #istia er«
siählte, ftanben bem Sater Sl^ranen in beit
vlugen; baS ffinb mufste nicht warum.
lillS nad) einigen fahren im 5)orfe bie Sirdj«
hofmauer tjcr^eridjlet mürbe, meinte Söäftele,
man follte am SLljor eine 2>ntcf)rift anbringen
laffen, man mijfe nid)t, mogu baS gut fein tonne.
6r burfte jefct in folche Sachen wolfl brein
reben; er mar uuterbeffen JSirrfjenültefter ge»
Worben. „Unb roa» wollen mir binfchreiben ?"
fragte ber Pfarrer. „HBcnnS auf mich antommt,"
fagte Säftele lächelnb, „fdjreibeit mir auf ben
iinten tßfoften mit fdhwarjen Suchftabeu: ,,93e«
[teile bein $auS, benn bu wirft fterben unb nicht
lebenbig bleiben." „Jlrtb auf ben rechten?" frug
ber Pfarrer, „etwas £ebräifd)eS wollen mir
nicht Ijinfchreiben laffen, benn baS oerfteljen bei
uns bie 2eute nicht." „Stuf ben rechten tßfoften,"
fagte SBäftele, „fe&eit Wir mit golbeiten s -öucf)=
ftabeu bie ^nfchrift: „Selig finb bie lobten,
hierin bem Jperrn fterben."
So gefchah’S. Seit fünfzehn fahren faitn
jeber, ber am Äirdfhofe öoriiber geht, biefe bei«
ben Suföriften l«f*n. Unb feit fünf fahren
tonn man briuneit im Kirchhof auf einem ein«
fachen Äreuje lefen: „£>ier ruht Sebaftialt £>üf«
uer, Sauer." 2)ie erfte 3nfchrift ift an ihm wahr
geworben, unb wir glauben, bie jmeite auch.
ültine jSäuber unb itjre gurgen.
407
SDte Spinnt unb 9le|.
nett, baß wir eS gu glauben oerfttögen. Unb beS
3ntereffanten bietet uns biefe Irdjitettengunft
in Jförperbau, Jfunftfertigleit, SebenSroeife jc.
nicht wenig.
©pinnen finb in mancherlei Aborten über bie
(lange ©Belt gu finben, aber ain ljäufigften in
tropifd^en Säubern, wo fie auch am größten finb.
3n ihrem Körperbau finb fie alle einanber
febr ähnlich. Söäßrenb bei ben 3nfelten Äopf
unb ©ruft burd) einen ©infchnitt getrennt finb,
finb fie bei ben ©pinnen gu einem eingigen ©tiid
Pereint, ©pinnen haben alfo leinen |)alS. ®ie=
fer auS ftopf unb ©ruft befteßenbe ©orberleib
ift mit einem hornartigen ©chilbe oon gewöhn*
lieh ooaler gorni bebeeft. ©orberleib unb hinter»
leib finb burch einen büniten ©tengel mit ein*
anber oerbunben.
2>er Hinterleib ift
gewöhnlieh Weid)
unb fehwülftig.
3ebeS ber acht
©eine befteßt aus
fieben ©elenlen,
wobon bie lebten
mit Halen Per*
wieber tammartige
«Der ftufc einer ©pinne, berßröfrrt.
fehen finb, an benen fid)
3nßne befinben.
®er greß = Apparat ber ©pinnen ift ein febr
complejer. ®ie Seißgangen finb mit bemeglieheit
£alen Perfehen, burdj weldße beim Seißen eine
mehr ober weniger giftige gUiffigleit fließt.
©pinnen ^abert meiftenS acht lugen, beren
Sage jeboeß bei perfehiebenen Irten eine febr Per*
feßiebene ift. 6Hiebe ©attungen haben bloS feehs
lugen unb einige Irten nur gwei.
©pinnapparat
Im ^interleibe befinbet fid) ber ©pinn*
apparat, Welcher aus einer Ingabi Pon
®rü(eit befteht, bie eine tlebrige ©laterie
abfonbent, welche in ber Saft alsbulb trod*
net. 3cber gaben befteht aus mehreren
biinneren gäben, welche fid), fo wie fie oon
ben ©pinnbrüfen auSgefcßieben werben, gu
einem eingigen perbinben. Ille echten
©pinnen haben ©pinnbrüfen unb (pinnen
©eße, aber nicht alle gu bemfelbeit 3wcde.
©lunche (pinnen ©eße, um ihre ©eilte barin
gu fangen, wäßrenb anbere 2Öof)nungen
für (ich felbft uitb ihre jungen weben»
®ie ffuuftfertigteit
ber ©pinnen im
Sau ihrer gang*
neße unb Süoßnun*
gen ift bewunbe*
rungSwürbig. @S
ift getabegu rät!)*
felhaft, wie fie ihre
leichten ©ufpenfion«
©rüden bauen tön*
uen. ©ie wiffen fich
gewöhnlich gu helfen. Neulich wollten wir ein
wenig ejperintentiren. ©Mr fingen eine ©pinne
unb festen fie auf ein fenlredjt ftehenbeS ©tüd
Holg in ber ©litte eines mit SOßaffer (gefüllten
3uberS. ©alb faub fie au§, baß fie fich auf einer
gnfel befanb. Illein fie mar in feiner ©erlegen*
heit, ©ie machte fich einfach an’S ©pinnen unb
betiußte ben Suftgug, um beit gaben an’S jen*
feitige Ufer fliegen gu laffen. Sobalb wie es
ihr (djien, ber gaben müffe lang genug fein, gog
fie ihn ftramrn unb berfud^te feine ©tärfe. @s
mar gelungen unb fie berließ ihren unwirklichen
lufenthaltSort.
®ie weiften ©pinnen hüllen ihre <5ier in
einen runben ©ad, ben fie aufreißen, fobalb bie
jungen auSgetrochen finb. ©tauche tragen bie»
fen ©ierfad beftäubig mit fich. ©tan hat nahegu
2000 ©ier in. einem eingigen ©ad gefuuben.
Gtitiige ©attungen geigen fogar einen bebeutenben
©rab oon ©lutterliebe ihren gungeit gegenüber.
®aS ÜBeibcßen ift oft bebeutenb größer als
baS Wännchen, unb eS ift
nicht feiten ber gall, baß baS
©lättmhen bom ©Beibdjen
aufgefreffen roirb. ®ie ©pin*
nen finb überhaupt (ehr
tampfiuftig unb in ihren
3weiiä mpfen oerlieren fie
öfters welche boit ihren ©lie*
bern, bie aber wieber wach*
(en. ©ie häuten fich auch
etliche ©lale, ehe fie oöHig
auSgewachfen finb.
3fjre ©eute tobten bie
©pinnen mit ihren giftigen s«n einer swcwim«.
Digitized by
Google
408
ftleine JJituber und itjre Purgen.
tJfrefeänngen. $)er Siß ber Größeren ©nttungen
toirb auch Don Wtenfcßen fleftird>tet, bo er fcßmers*
ßaft ift unbSntjünbung, ©efcßmulft imb lieber
Derurfacßt. 3u e3 finb gfö Ile borgefomnten, rno
felbft ber Stob bie fjolge roor.
©ine ©attung Don ©pinnen lebt im SBaffer
unb triebt it)r Weft 3 mifd)en ben 3 weigeu unb
SBtättern ber Sßaffcrpflanjen. &ie fleineine
Söafferfpinne ©uropa’S, ein ßöcßft intereffanteS
üßiercßen, ift Don brauner fjarbe unb mit bid)«
tem fjaarmudjS iiberfleibet. 3 mifd)en b*u £> 0 «=
ren faminelt ficß 2 uft in Stoßen, um ber
©pinne beim jauchen 311 m 9 ltßmen ju bienen.
®er Siß biefer ©pinne wirb mit 9tecßt ge«
fürchtet.
$a§ Weft, roeldjeS biefe ©pinne baut unb be*
moßnt, ift ßöcßft fuuftfertig unb intereffant. ©s
beftebt aus einem länglichen 2 ocße im Soben,
melcßeS mit einem feibenartiflen ©eroebe aus»
tapejnrt ift. Ueber bem ©ingang bänflt ein tun»
ber ®edel, ber mit einer 9 lvt 9lugel befeftigt i(t.
tiefer $edel befteßt aus jmei Saften feibenarti.
flen Materials, jtoifchen melcßen fich eine Sage
©rbe befinbet, um bem ©aujen ©emicßt 3 U geben.
5)er ®edel paßt flanj genau in bie Ceffnung.
S)a geroößnlicß etwa» WfooS barauf mäcßft, jo
25<i ftiiirifenUttve uitb feine ftalle.
®aS Weft ift ein bomförmigeS ©emebe unter
bem SBaffer, mit ber Oeffnung nach unten, unb
ift immer mit 2 ujt gefüllt.
Sielleicßt bie größte ©pinne ift bie Sögel»
fpiitne üon ©urinam, bie ifjren Hainen baßer
hat, weil fie felbft auf Sögel 3iagb mad)t, unb
fic Derjeßrt. ©S hoben jmar manche ^Beobachter
biefeS geleugnet, allein cs ift 31 t tlar ermiefen,
baß es ißatfacbe ift. $ie Sogelfpinne ift jmei
3 oK lang, feßr ^aarit) unb faft ganj fcbroarj.
Siit auSgeftredtcn früßeu nimmt fie einen SRaum
Don einem 3?uß im $urcßmeffer ein. Sie befißt
feßr ftarfe ^reßjangen, bie Don manchen 'Ber*
tonen als 3 <ihuftocßer gebraucht mcrben, in bem
©tauben, baß fie 3 uhufchmcr)en heilen tönuen.
ift bo§ Weft fcßroer 311 entbeden. Slancße ©pin«
neu berfertigen nebft ber äußeren 2 ßiire noch
eilte jtneite innere, meldje fie sußalteu, loenn
irgenb ein fjeinb einbringen loill. ®ie echte
Soqelfpinne baut fein Weß, um ihre Wahrung
311 taugen, fonberu fie fpringt auf ihre '-Beute,
©ie ift überhaupt feßr fcßneü unb befißt bebeu»
tenbe Sprnngfraft.
©inige Don ben tropifdjen ©pinnen bauen
feßr ftarfe Weße, bie felbft Heine Sögel feftßalten.
©ir 3 - ©• kennent fcßrcibt, baß, mäßrenb er
311 Sferbe in ©eßlon reifte, oft ein einiger
©pinnen foben ißm ben ftut Dom Hopfe riß.
©fje mir für biefeS TOal Don unterem lieben
2efer fcßeiben, moflen mir ißn noch mit einem
-Digitized by
Google-
Steine Iftiittber nnb itjc« jButgen.
409
onberen f(einen SRaubgefedeu t>e=
tonnt nnidjcn, beffen ©efchitflidj*
teit, gleiß uub ©uSbauer uiifcre
©emuuberuug Derbieneit. QrS ift
ber ©meifeulöme. 3>aS häßlidie,
hiilflofe ©efdjöpf, mie eS auf
unterem ©ilbe gu fdjeit ift, bat
gmar nichts SömennrtigcS an fitb.
OaS Griechen allein fdjeint il)in
fcboit eine Saft gu fein, uub eS
bemegt fid) gemöhulid) nur riid*
märtS. ©Inn fällte nicht meinen,
baß bie 9lmeifen biel Don biefem
„ S ö m e n " gu fünften haben,
uub bod) toevben fie iljm feljr ®« «mtifntiäw« »moaiibeit.
oft gur Söeiite. ©eine öchmer*
fätligfeit tuivb burd) feine jfunftfertigfeit Dödig nehmen auf^iebt uub eine neue ©rube an einer
aufgemogen. ' giinftigeren stelle anfängt.
3uuächft toollen mir uns beu foitberbaren 3ft bie ©rube bollenbet, fo oerfried)t er fid)
Äaug etmaS näher betrachten, (fr ift etmaS über im ©anbe am ©oben berfelbeit, uub läßt bloS
einen halben 3od lauft, Oer Seib ift oerhält* feine greßgaugen hfrborbliden. Dier lauert er
uißmäßig fehr groß uub ber «(topf (lein uub nun ftebulbift auf feine ©eute. @r hat auch nicht
find). (fr hat ied)S ©eine, bie aber nur fd)led)te lange gu märten, benn fiehe, ba fommt fchon
Oienfte gu leiften fdjeiucn. Oagegen befißt er eine neugierige 9fmeife, bie gern miffen möchte,
nnfebnlid)e greßgangen. ’ tooS beim baS alles gu bebeuten hat. ©ie blidt
6r ift gcmöhnlid) in fanbigem, loderem ©oben über ben SRanb in bie ©rube hinein uub mögt
im mittleren unb fiiblid)cu Europa boheiin. Um fich ein meitig meiter, aber ber lofe ©anb meieijt
fich bie nöthige ©aljruug gu oerfdjaffen, gräbt unter ihr, uub fie ftiirgt hinab, um Don beu be=
er eine trichterförmige ©rube, in ber er fid) auf* reit gehaltenen greßgangen aufgefangen gu mer*
hält, um 9lmeifen uub anbere gufeften, bie etma ben. .f)öd)ft intereffant ift eS, menn bie 9lnteife
hiueinfaden, aufgufangen uub gu oergefjreu. nicht gang hinunter gefallen ift, unb 9(nftren*
3ucrft macht er eine treisförmige furche, inbein gtingeu macht, mieber heraus gu fommen, maS
er feinen ßörper in ben ©anb briieft unb bann il)r aber fdjmerlid) gelingt, benn ber hungrige
mit einem ©orberfnße ©nnb auf feinen flachen „Söme" fchaufelt fchned ©anb auf feinen
ftopf fchaufelt, unb biefen mit einem plößlichen «ftopf uub mirft ihn ber armen 9lmeife nach, bis
91 ud beS Kopfes etliche 3ad weit fortfdfuellt. fie eublid) hccabrollt uub ergriffen mirb. Oanit
9luf biefe SSßeife arbeitet er im Greife immer tobtet er fie unb fangt fie auS. @r ift jebodj
meiter, bis er enblich eine ©rube gu feiner 3«= nicht fehr mäljlerifch, unb ift auch gufrieben,
friebenheit nuSgegrabeu hat. Oaburch, baß er menn er irgenb ein nubereS 3>nfeft in feiner
nur mit einem guße arbeitet, gemiunt baS Soch galle fangen foun. 9tad) beeubeter ©tnljlgeit
bie trichterförmige ©eftalt. 2öiirbe er mit bei* [dgiedt er bie Daut beS auSgefogenen gnfefteS
ben ©orberfiißen graben, bann mürbe er eine fo meit als möglich aus feiner Döhle hinaus uub
eplinbrifche ©rube betommen, bie aber gar nicht befieht fich mit feinen fechS klugen ben ©(haben,
gmedentfprecheub toäre. beu fein ©d^lofj im Kampfe erlitten hat unb
fiomrnt ihm ein Stein in ben ©eg, fo macht beffert eS aitS. Oanu berfriedft er fid) mieber
er mertmiirbige 9luftrenguugeu, ihn auf feinen unb lauert auf beu nächften ©efud).
Äopf gu bringen uub ihn fortgufchneden. gft l ©adjbem er gmei gahre feines Sehens auf
ber ©tein gu groß, fo fucht er ihn auf feinen biefe ©Jeife gefriftet hat, bertriecht er fid) gäng*
Dtiiden gu bringen uub ihn fortgutragen. Oft lieh im ©anbe, fpinut fich »in unb oerpuppt fich.
rollt ber ©tein toieber uou feinem Siiicfeu, allein Oa bleibt er bann etma gmei ©tonnte laug ruhig
er uerfucht eS uuermiiblich immer ouf’S ffteue. liegen, bis er enblich oermanbelt als eine fchöne
Öodj eS gefchieht auch, menn er beu ©tein nicht große gliege ^erüorfviecht unb ein neues Sehen
begmiugen tauu, baß er enblich fein Unter* aufäugt.
410
Jfriigel unb ©ferfeigm.
jJrürjd ttnb (Dljrfciijeiu ^
®o« $ftfhnr ©. Sanft. *
f ^29c£)on mehr als einmal fitib mit auf*
ficforbcrt Worben, auch einmal etwas
^yjj übet ©trafen 311 jcbreibcu, unb jtoar
^2/ in foleber ©lanier, baß ßleiit unb
©rofe 9tußen bauon Ijabe.
Süemeil aber bicS ein etwas beite»
ligeS ffapitel ift, unb baju gar nicht fo Icictjt,
wie eS ficb auf beit erftcit ©tid anfiebt, ift eS
immer bei ©eite gefd)obcn worben.
$a fanbeit wir ^cute ein ©tiid barübet im
„jDeutfdjcu SHnberfreuub" auS ©aftor 8 ?iinfe’S
ftcber unb bauten beim Scfcn — baS tbut für
3 ung unb aud) für 9Ht.
4?ier ift baS ©tiid, baS gemife mit grofeein
3ntereffe gelefen Werben Wirb, obwohl eS flauj
einfach gefebrieben unb gar liicfjt pbilofopbifd)
auf Urfadje unb SOirtimg eingebt, fonberu frifd)»
Weg bie ©acbe er.^ötjlt, ju Welcher ficb jeber feine
Dtaiibgloffcn fclbji nuid;en tann. „ 9 lber, ibr
Herren," bat mein ©rofeffor öfters gefügt,
„ © ä b a g o g i t ift bod) ba b’rin."
2>ie alieruiciftcn ftiubcr meinen, cS fei ein
Uugliid, wenn man ©djlöge betommt. 91 tut,
ein Uugliid ift’S, wenn man Welche befotnmen
mufe, aber ein ©tiid ift’S, wenn man fie beim
auch mirflicb betommt. $aS ift gar ein
btimmeS ßinb, was bariiber beult unb mault.
®u follft bietmebr ©ater unb ©tutter bie $)aub
liiffen, bafe fie bir foldje Siebe erweifen unbbir
fo fein eingebaut buben, bafe „bie ©iinbe ter
Seute ©erberben" ift. $u follft omb babei ge»
beuten, bafe bie ©cblage, bie bu befommft, ben
(Eltern Diel Weber tbaten als bir, bet bariiber
weinte. 9lu8 biefen unb oielen anbetn ttrfadjen
folljtbualfo bauten für bie 3 üd)tigung. 3 d)
weuigftenS muß beute noch tagen,'bafe alter
ftudjcu, ©tarjipan, ©fefferniiffe unb Siebes»
tüffe mir liidjt fo mißlich gewefen fiub wie bie
©erlöge. $ocfe nun will übend)erbten! 9lifo:
©tein Haler befam einmal ©cfnd) bon einem
Dortrefflicbeit |>erru, einem ©mbbänbler auS
Glberfelb, 9tamenS 9JtebuS. £>crr 9)tebuS war
ein Heiner 9Jtann, batte aber einen groben Sudel
ober £>öder. Uiigliidlicfeermeife batten wir Stint»
genS nun in ber ©ecgrapbieftunbe gerabe bon
bem Serge ©telibocuS, ber im Cbenwolb
liegt, gehört. ©liefe batte ber Seferer gefügt, bafe
man biefeit ©erg fdjergoeife #ocnS ©teli»
bocuS nenne. 20aS ©3unber nun, meint tui§
ber 9tame ©tebuS an ©letibocuS unb ber $>öder
beS £>mn ©tebuS au £>ocuS erinnerte? 91(8 tun
ber liebe ©tann tnieber ba§ £>auS berließ, riefen
wir nicfetSnußigen 3ungenS ihm und): „£)ou:S
©telibocuS! £)ocu§ ©leliboctiS!" grabe fo wie
bor 2500 3aferen bie flegelhaften ©nrfefeen in
Sethe! bem ebrmiirbigeu Glifa nat^fc^ricen:
„ftabltopf, lomin herauf!" ®afiir timt mürben
ihrer 42 üoit beit ©arett aufgefrejfen. ©im, fo
fdjlintm erging eS uns gerabe nicht, ©ber bie
©träfe blieb auch uns nicht aus. 2 *mt tainn
batten Wir unfer „£>ocuS ©telibocuS" gerufen,
gerufen, fo ertönteein fcbriller ©fiff. $ett ti.nn»
teit wir. Gr tarn bom ©ater, ber am offenen
tfenfter geftanbeit unb alles gehört batte. ©Ifo*
balb Wanbelte ficb bie böfe Jreube in bitteres
Selb. Slenn als wir gefällten Hauptes in beS
©aterS ©tubirftube traten, ber altefte twrait unb
bann icb unb fo weiter, — ba ftaub er fefeott ba
mit bet ©eitpeitfefee, unb eS gab ©eblüge, „bie
batten ficb gewafeben," bie ©triemen aber, bie
fie madjten, tonnte man nad) ad^t Stagen noch
nicht wcgmofcfecu.
©iS wir alle untere ©ortion betommett batten,
fragte er: „©ißt ihr, warum ihr geprügelt
feib?" 2 Sir antworteten, allebnrcfeeiiinnter feeu»
lettb: „3a, ©ater, ja!" Unfer ©emiffeu fagte
eS uns. 3fee aber, lieben ftinber, febt, baff ieb’S
auch beute noch Weib.
9 tad)bcm alfo ber ©ater fein © t r a f a m t
üermatlct batte, trat bie ©tntter ihr 8 e b r a m t
au. ©ie nahm uns in bie fülle ffammer uttb
geigte uns, wie bdfiticb wir uns benommen
hätten.
3 a, ich weife mofel. bafe e§ fdwer ift, wenn
einem ein ©.'iß einfällt, ihn berunter^ufcblucffn.
Unb wir meinten ja, auch einen brillanten 2Biß
ju machen, als wir „#ocuS ©icltbocuS" febrieen.
Ülber matt follte ftöb boeb lieber bie 3 ur.ge ab»
beißen, als mit feinem 3Biß einem ©tenfeben
welje tf)uu. ©erabeju teufitfeb aber ift e5, wenn
man Seute berfpottet um ihrer © e b r e cb e it
Willen, ©elbft wenn wir einen ©tenfeben febeu,
ber fein Glenb berfcb ulbet bat, j S. einen
©erbrechet - , ber in itetten über bie ©trafee ge»
führt wirb, ober einen ©etrunfenen, ber ooit
einer ©eite ber ©affe jur anbern Wauft — auch
ba fofleu .Oinber niemals biuterber laufen unb
lachen, ©ber nun DoüenbS, Wenn ein ©tenfd)
u i cb t an feinen ©ebreeben febulb ift 3 * beute
an ©iinbe ober Staubftumme, ober au fotete, bie
©äbelbeine haben ober einen ©udel, ober bie
aiiSnebmenb bäfelicb ober febr bumni finb. Äennt
ihr folcbe ©tenfeben ? &abt ihr auch ©titfcbilter,
bei benen baS eine ober baS aitbere ober etwas
©efettlicbeS jutrifft ? — 3bv all« ruft jeßt: ,3c!
ja! freilich! freilich!" Unb ber eine beuft an ben
©. 9 t. unb ber anbere an bie 9t. 9t. — 9tuu
beim, wenn wir folibeu ©tenfeben begegnen, fo
Digitized by v^ooQie
JlrUgel unt» dürftigen.
411
füllen wir gu aßererft ©ott banfen, baß er unS
uic^t fo ein Reiben gegeben hot. Sliic füllen uns
fragen: 2BaS mollteft bn beim machen, lueitnbu
fo einen Sudel hätteft? 2!u bift boch nicht beffer
als ber ba! O, lieber (Batet im Fimmel, ich bin
gu gering beim (Barinhergigfeit unb Streue! —
©obanu aber foflft bu gebeuten, raie ber liebe
#eilanb gerabe mit folgen Uugliidlidjen am
freunblichfteu war. 2l'ill|t bu aber ben fpcrvu
liebljabeu, mußt bu’S auch fo machen mie er.
©erabegu in’S©cficht aber fchlägftbu ißm, menu
bu ben Ungliidlidjeu fpotteft. dagegen fagt er:
„2QaS ißr ©uteS getljait habt einem unter biefeit
meinen ©eriugften, baS habt ißt mir gelßan."
Simm bir älfo heute ernftlich bor, alle leiben*
ben Sienfdjeu mit doppelter Siebe unb 3ortheit
gu behanbeln, ißnen immer ein freuublicheS ©e=
ficht gu madjeii unb gu helfen, mie unb mo eS
möglich ift. 3)aS mirb beinern SBater im £>im*
mei unb allen brauen S?enfd)en auf Grbeit mußl*
gefallen. ÜBarte nicht barauf, bis auch bu erft
|)iebe mit ber Seitpeitfdje betommft, foubern Inf;
bir bie £>iebe, bie v -Boflor fyunte bor 37 fuhren
befommeu bot. gur Sei)re bienen. SlSbann (amt
i<b mich um fo beffer über bie ineinigen berußU
gen, unb fie fiub nicht nur mir, foubern auch
bir gefunb gemefen.
SJocb nun bie anbere (Brügelqefdjidjte. $ie
mar nicht fo fdjtimm mie bie elfte; es gab auch
(eine mit ber Seilpeitfdje, foubern nur eine
Ohrfeig«; eS mar auch nicht, weil mir etmas
tBöfcS getliau hotten, foubern meil mir etmas
@ute$, raaS mir hätten tbuu füllen, it i ch t ge*
than hotten. Stein Sruber unb ich raaitberteu
mit meinem (Batet bnreb einen fchöneu 2öalb.
Unterbeß ergählte er ttuS eine feßr frf;one @e=
fchichte, baß mir gang begeiftert baboit raareu.
SIS mir nun fo auf feine ©efd)id)te lanfdjten,
als märe es ein £>immelSgefang, (anteit mir au
einer alten grau borbei, bie mar häßlich unb
rungelig, unb ihre Kleiber gerlumj.it. Sie hotte
altes £>olg gefummelt, unb quälte fich gerabe ba*
mit ab, ihr Siinbel auf ben Hopf gu heben. Cb
fie nun gu fdjmad) ober bas Siiubel gu ftarf mar,
genug, es ging nicht. SIS mein lieber (Pater
turn faß, baß mir baS fnben, gab er: (patfdj!
Satfch! erft bem Sruber Sernljorb, bann mir
eine faftige Ohrfeige, darauf ging er hin
unb holf ber alten fjrau ihr £>olg auf ben Hopf
bringen. 21'ir fchauten ihn unter SUjräueit ber*
Willibert an. Gr aber faßte: „Höiffet ihr
nicht, wofür ihr in berSöeltfeib?
$ie Stenfcheu finb ba, um fich unter einanbet
gu bienen, unb wenn fie baS nicht thun, fo
iffS gar nicht bariit auSguhalteu." Sun, meint
ihr nicht, baß mein (Pater recht hotte? freilich,
bie Ohrfeige üerbarb uns bnmalS bie fchöne
Säubergefchidjte, aber fie (ehrte uns eine anbere
©efchichte, bie noch biel fchöuer ift. 3oIjanncS
flap. 13 fleht gefchricben, mie 3efuS GhriftuS
feinen Jüngern bie ft ii j; e müfeht, gerabe als
ob er ihr gevingfter Wiener märe, tiefes ftttß*
mafd)eu (aßt etich einmal orbeutlich iu’S $eutfcße
iiberfeßtn, bamit ihr lernt, toaS baS ben (leinen
unb großen Leuten, bie im 10. 3abrl)unbert
(eben, fugen will. Unfer £)err GhriftuS ift ein
Wiener ber Slenfdjen gemefen, ein Wiener ber
ftreunbe unb ber fteinbe bis gu feinem leßteu
Cbemgug. er fagte, baß er nur bagu ge*
(ommeu märe, um gu bienen. Gr hot aber auch
gefagt: „2Bie ber Steiftet, fo ber jünger!"
2Ber gur fterrlicßfeit 3efu (ommeu roill, ber
muß auch ben Stenfdjen bienen molleu.
„3la, mit maS beim ? mo beim ? mie beim ?
mann beim?" höre ich fragen. Sun barüber
lönnte man eine lauge Sebe holten, aber man
(auu’S auch turg machen, unb baS miß ich tbuu.
Sßem’S Gruft ift, ber greift gu, mo er (nun unb
tljut, mie er fanu, um hier uub ba ein Hörnlein
Glenb in ein Hörnlein ftretibe gu Devmaubeln.
25?er fleißig betet für feine Stitmenfchen, tljut
feboit maS, unb ber mirb auch immer ein freuub*
lidbeS ©eficht unb einen freunblichen ©ruß für
fie haben. Ghriftenmenfchcn aber foßten immer
freiutblidj auSfehen unb nicht mie alte llljuS
uub Guleii breiufihauen. 9lber nicht nur'freunb*
lieh a n S f e h e n, foubern auch fmmblidj fein,
bienftfertig uub gefällig, ©ich olfo gu bemeifen,
fehlt’S nimmer unb uirgetibs an ©elegenßeit.
Salb ift’s, baß man ber (leinen © e f ch m i ft e r
fich annimmt (ftatt fie gu thrannifiren), halb
baß man ber oielgejilagten Stutter beiipriugt,
halb baß mau einen (raufen freuub be*
fucht, ober einem unbegabten Stitfchiiler hilft,
jeßt baß man für bie Sfiffiou elmaS bon feinem
Safeßengelb opfert, jeßt baß man armen Leuten
im Suftrag ber Gltern etmaS bringt; halb—
bodj holt! fonft gerathe ich Mt noch i» eine
lange Sebe.
SÖittet mir ben $ei(aitb um ein b e m ii t h i = /
geS $>erg, baS nicht gu ftolg ift, um gu bienen. ^
©tolg ift immer etmas feßr dummes, unb Ijel*
fen ift immer etroaS GßreiibofleS, gleichviel ob
man einer alten, häßlichen ftrau ober einer hol*
ben SJutter hilft. — (Bitte bu ben lieben ©ott
ferner um ein liebeoolleS, erbarmungS*
reiches .£>erg, um ein £>erg, baS nicht immer
finnt, wie eS miß fjrenbe hoben, foubern
t^reube m a ch e n. — ©laube mir, auf biefem
®ege mirft bu baS gliidlichfte, fröljlichfte Steu*
fcheufinb bon ber 2öelt, mirft iiberafl ein ©tiief
©onnenfehein uub Slumenbuft mit hinhringeu
unb nid)t nur anbere beglüden, foubern auch
gliidlich fein, mehr beim eine (ßriitgeffin, bie
etma baS ®ieiten nicht verfielt.
Digitized by v^ooQie
412
MuljffHinbdjnt
Jtuljcltttnbdjnt.
?für §aitg null £crt uott $aul ditgett.
oriibcr ift bes (Tages £aft,
Die Hrbeit ift gctfyan,
€s bridit mit feiner fügen Haß
Der ^eierabenb an;
(Seorbnet fjaft bas Stübchen bu,
Die £ampe angebrannt,
Unb nimmfl mm, dj’ bu gelfß 3m Hnlj,
Dein liebes Hucb 3ur l]anb.
Die tjanb, bie treu bemaltet tyit,
3 m [dimeren Dienft ber Pflicht,
IDie f|ält fte frofj bas leidjte HIatt
(Empor 311m Hngefidjt;
Das Hnge, bas fld? triel gemüht
XTTit angeftrengtem Hlicf,
JDte feijrt’s, poh ^reiibenglaiis burdiglülß,
ginn alten jreniib 3uriicfl —
— Digitiz —
®ljätige gödjflenliebe.
413
IJctg irrt's r>ou geil’ ju geile fort,
Don Seit’ 511 Seite tyri,
3 eftt nifjt es ljier, jetjt raftefs boxt
mit ftiUocrgnüijtem Sinn,
33al& eilt's mit rafcfjbefcfjipingtcin Sdjritt
gum blüttjcitreirf^eu 6 aiu,
Balb fammclt’s mit bebädjt’gem (Eritt
Per IDeisljett Sdjätje ein.
3 cijt laufest in ftiller £uft bas CDt^r
Per Pidjtuiuj füfjem Sang,
3 e^t töiit’s bnrdfs f^erj n?ie (En^eldjor
€iu ernfter (Slotfeuflaitg —
Per töne fort burd? beine Huljl —
llub ipadjft bu morgen auf,
^3eginuft mit neuer (Ereue bu
Pen faureu (Eageslaiif! —
fl)äti0e UädjlttuUfbt.
©fijje auS bent amerifanifcbeit ißfavvfebeit.
Sfür £»u$ »Nb gerb toou 8. Staunt.
ie oft unb tüie Diel tjöit man 3 ?0111 frühen ^Morgen bi» Juni fpäten Slbenb
’yiylHAfle im meufchlicheu Seben bie buvdjimiljlte er ber Grbe Schooff nad) metallenen
3?rage, wer ift beim mein SJtiich* Schöffen, mib fchoit freien eS, als wollte er lief)
” ff ev ^ onftoevfen uiib in nllen nad) 3»h l> e langem, fchwerem SRingeu fjortunas
+£>%C' Schnttiruugen einer fvioolen ©uuftbauernb erwerben, 1111b ben horten Stumpf
ober feiitimeutalen Sffielt« 9 ln« iim’S „Sein" fiegreid) beffeheit, als ein beim»
fcffouuug beantworten. iiidifr^er 03 aft fid) bei ifjm eiuffellte, unb un*
$)oS ©efiil)( reiner, ttiitf)rcr Humanität wirb geftümen Giulaff begehrte. Gs wnr bie 9 (ttS-
aber nicht immer nur burd) lofe 2Bortc, foitbent jebrung. Schon läng ft hotte ber arme fötnnn
muh bureb bie Ijerjlofe 21)at gehöhnt, inbem ben unheimlichen Schleicher in feinen ©liebem
Spiele falt unb erbarmungslos an bem Unglück uerfptirt, allein ber ftarle GrhaltungStrieb unb
liehen, ihrem SRächffeu, boriiberfdjreiteil unb ihn | ber eiferne SBJifle hielt ihn barnieber, 1111b bie
hilflos feinem Scffidfale überlaffen, ja fogar, (iebenbe Seele oerbarg ben Seinigeu bie ©röffe
mie bie Grfahrung lehrt, bie ju feiner {Rettung ber brohenben ©efohr. 3 Dod) fchließlich erlag baS
getroffenen SHnftalten 31t hintertreiben fndjeit- Sßollen bem 3 ?ofl(>ringen.
$ein 9 iiichfter, mein 3 ?reunb, ift berjenige 3 in £>erbft 1871 muffte fich ber 91 ermfte auf’S
SDlenfdj, ber beiiter £)ilfe, beineS SÖeiftaubeS be= Siechbett legen, auf welches ihm fd)on nach
biirftig ift, mib löffelt bu ihm biefe angebeihen, wenigen SNonaten fein treues 3 l 3 eib, baS Oon
fo hoff bu baS ()öd)fte ©ebot erfüllt 1111b mit ber berfelbeit gerflörenbeit ßranfheit ergriffen würbe,
2 hot unb Söatjrheit bewiefen, bafi bu beineS folgen muffte.
GhviffenuamenS unb beineS göttlichen SDleifferS 9 tuu feierte baS Gleub feinen Garuebal, W0311
lotirbig bift. 2 od) W03U üiele SIBorte über biefen bie 9 totl) unb ber 3 ommer ihre fraffenhoften
©egeuftanb; hier ein SBeifpiel, wie fd)lid]te unb SDtaStenimb bie Sorge ihre herjäerreiffeubeilhifit
einfache Söergbemohner biefe §rage auffaffteu lieferien.
unb beantworteten. Sföoljl fudjteit bie Jfinber, fo gut eS ging, ihr
Gonrab ffeller, ein braber, fleiffiger SJlibeiter, trauriges Unfein 311 frifleu unb für bie Unglück
ber fatholifd)eu flirdje angehörenb, lebte mit fei» liehen Gltevu baS 3 lilernothwcubigfte herbeisu»
tter fjrau »ob 6 Sinberit mehrere 3 offre inuiit* fchaffen, jeboch für bie Stauer waren fie biefem
teu meiner giliolgemeinbe 311 SBuena SUifla, fit)., ungleichen Kampfe nicht gewachten, ihre 311
als Grsgräber. Uuermiiblich war ber f lautliche fdjwachen flräfte mufften unterliegen 1111b bem
Stimm beftrebt, burch feiner fjeinbe 5 (eiff feilten SDlaugel bie abfolute £)errfchaft einräumen.
SebenSiuiterholt 311 erwerben, allein bctS ©liid Sßon Seiten ber feineSwegS mit irbiffheu 9 teidj=
floh feine Sdjwefle, weshalb er enblich miff* thümern gefegueten Nachbarn gefeffoh manches
niuthig 3?eierabenb machte unb fich int 3»hre J»r Ciuberung ber hartgeimifteii Familie, aber
18 C 8 einem benad)barten Hochofen 3iiWaubte, in Oiefe fiiebeSfoeubeit waren eben boch nur einzelne
ter Hoffnung, bort ein beffereS 3 (uSfommen 31t 2 ropfeit ber SOtilbthätigfeit, welche auf bem
finbeit. Gin 3erfafleneS 3 Moc!häuSd)en an ber ©liiijffeine ber SWotl) fpurloS oerbampften.
Snflcree! nahm bie chriftlidje SRomabeufainilie £>öl)er unb höher ftieg bie ffluth beS GlenbS
in feinem luftigen SKaiim auf, unb bilbete ben in bem {leinen .£mttd)en an ber SQuKcrcet, unb
Geiitralpuuft ber neuen £>ehnat(). ^riffheit bie 28 etter ber 2 riibfal branffeu Unheil m=
Luthes ging ber wactere SDlamt au feine Vlrbcit. tüubcnb um feinen ©iebel.
Digitized by v^ooQie
414
Pit fübriitung brs Spiele.
Serloren! Serloren! ©er rettet midf?
(Sin lichter &offniiitgSf<bimmer bünimert in
ber Seele beS SaterS oiif: Oer ©ebante an feine
proteftantifchen fjreunbe ift fein leßter 3uflitcf)tS=
ort. Wit gitternber Stimme giebt er feinem
älteften ÄTiube, einem gmölfjührigen Wäbcheu,
beit Auftrag, nach ©nenn Sifla gu geben tmb
bem Onfel ©aftor (fo nannten bie Hittber ben
'•Pfarrer), mcnn fie if)ti treffe, gn ergäben, mie
eS ihnen ergehe. Hittb, fenfgte ber Hratife, ber*
läfet er uns, fo fiub mir berlaffett, unb mir
nüiffen ftungerS fterben.
©oblbehnlteu erreichte baS gunt Sfefett ab*
gemagerte Hinb bie Warfe, an ber ber (Sltern
©lief mit bertraueuber 3uberficbt hi»‘V @ott
ber #err teufte feinen Schritt, unb es traf gur
rechten 3eit, nm Sorabenb beS Sonntags, ein,
unb fanb ben Onfel ©afior. Wit thräuenerfticf*
ter Stimme ergiihlte bas bejammeruSmerthe
Hinb bie troftloje Saue ber 3heiflett unb bat um
meinen bolbigen ©efuch.
Sofort mürbe ein reitenber ©ote mit ben
uötljiflen SebenSinitteln nnb bem freubig erreg*
ten Hiitbe nach ber 3ommerftätte nbgefchicft.
91 m nächften Worgen nach beenbigter ©rebigt
trug ich meiner ©emeinbe in fchinucflofer grarbe
bie Notfflage ber HeQer’fchen Familie oor, unb
forbcrle gu einer thatfräftigen Unterftüfcting auf.
— Heller ift gmar, mie ihr alle rnijjt, Hatfjolif,
aber ma§ hiubert uns baS, er ift in Noih unb
in ftolge beffeu unfer Näcbfter, toir muffen f)el=
fen. Wit biefett ©orten uerliejj ich ben Sitar*
raum unb ging collectireub burch bie Leihen.
SIS ich guriieffehrte, hotte ich 72 OotlarS in
Uuterfchriften gefanimelt, meldje Summe bon
ber „(Soul unb 3ron (So." bei geller unb ©fennig
auSbegahlt, unb iiberbieS itod) burd) eine fdjöne
SiebcSgnbe au CebeuSutitteln bergrößert mürbe.
Oie obfermiü ge ©efiniiung meiner ©emeinbe
hatte ficb auf» Neue erprobt, unb fefcte mich in
Staub, ©nlfaiit in ben SeibenSfelch ber bebräng*
teil Sfamilie träufeln gu fönuen, unb ba§ grauen*
hafte ©efpenft, bie Sorge um baS tägliche ©rot,
bon ihnen ferne gu hallen.
3n menigeu ©orten baufte ich beit fröhlid;c:i
©ebern, allen ©otteS reichen ©aterfegeu müu*
fdjeitb unb bittenb, auch ferner ber ©ebrängten
gcbenfeit gu moUcit.
©eilige Wonate nach biefem (Sreigniffe, baS
im Wni ftnttfaub, begruben mir baS Heller’fcbe
CSljepaar, unb gmar gvöfjtentbeilS auf ©emeinbe»
foften, auf nuferem §!riebbofe gu ©nenn ©ifta.
Sagt, mar ba§ feine thätige Nächfteitliebe ?
©ehet hin unb tf)ut beSgleichen.
Pie Pefcrututtg bca ^pirlö tittb ber |(nterl)nltuiig im Pittbep- uub
|u0eiiblebem uub mie ftub btefelbeu ;u leiten?
ebiloritU.
I.
efpielt ift toorben unb mirb merben,
feit unb fo lange es Hi über giebt,
baS ift eine liiimiberfprechlich ge*
miffe Ohotfache ber alltäglichen 6r=
fahrung in Sergangenbeit unb
©egenmart, uub baS fiebere (Srgeb*
itiB eines mohlbered)tigten unb allgemein giftigen
Schluffes auS berfelbeü auf unb für alle 3»=
fuuft. Sud) bie ftrengfte (Srgiefjung mirb baS*
felbc roeber aus ber ©eit fdjaffen fönneit noch
rooflett, wenn anberS fie überhaupt uodh Sinn
unb £>erg für baS HiubeSleben fich bemahrt hot,
offene Gingen uub richtiges ©erfiäiibitif} für bie
mähren ©ebiirfniffe uub bie natiirgenäfien Wit¬
tel feiner (Sntmidelung befijjt nnb fich burch feine
falfchen ©orauSfepiingeii über 3iel unb 3roecf
ber festeren, unb feine einfeitigen unb über*
triebeneu ©efiirchtungen theilS roirflicher, theilS
auch nur eingebilbeter ©efaffren beS Spiels für
bie unbefangene ©iirbigung uub ©ehanblung
biefeS ©egenftaubeS im Serhältitijf gur 2fng^nb*
ergiehiing überhaupt, begieljungSroeife feines
©ertheS unb feiner ©ebeuttiug für biefelbe bon
bornhereiu Ohr unb Wunb bcrfcbließnt tmb für
feine praftifche Siimenbung bie £änbe biiiben
iaffen roill.
Siibeffen mirb eine (Srgieljung rechter 9(rt fich
nicht bamit begnügen, baS Spiel als eine 9lrt
liothmeubigeS Uebel, baS fie hoch nicht gang ber*
hiuberit ober tinterbriicfeu fann, einfach nur ftiü*
fdjmeigenb gu geftatten uub gemähreit gu Iaffen,
meil es auf einem nun einmal borhaubenen
Naturtrieb beS HinbeS beruht, ber fich boch nie*
malS pöflig auSrotten unb felbft mit adelt Ser*
boten uub Strafen nicht gleichfam mit ber ©nr*
gel aiiSreißeu läßt, fonbern immer mieber fich
irgenbmo 2uft tmb irgenbmie ©efriebigung ber*
fchafft, fonbern fie mirb, ftatt hloS beibei flehen
gu bleiben, ihn menigftenS möglidhft iinfdhäblich
gu machen- unb ihm nur ben ungefährlichften
unb eingefchränttefteu Saum gu gönnen, fich
Digitized by v^ooQie
fit ftrbeutung btt Spirit.
415
bielinehr übet fein ffiefen felbft unb feine 23 e=
rechtigiing, fowie über bie ©reitgen berfelben unb
über Umfang, 91 rt unb SBeife feinet Berweit*
billig fiit eine gef unbe unb fjarmonifche (Srgiehuitg
felbft Stechenfcßaft 511 geben fliehen. (Sie wirb
alfo fi<h beftreben, ben fei beit nicht mir nötigen»
falls gu befeßneibeu, wenn er nllgit üppig fort*
wuchern will, fonbern und) gu pßangen unb gu
pflegen, wo er gar nicht geniigeub borhauben,
berfümmert ober berwilbert ift, ihn einerfeitS
eingubämnten, wo er baS gute 2aub gu über*
fdljmeminen brof)t, aber auch anbererfeitS als ein
befruchteubeS (Slement einem horten Boben gu*
gufiihren, ihn nicht bloS gu überwachen, fonbern
gu leiten unb gu lenfen, gu weden unb gu ovbneit,
gu nähren unb gu befdjäftigen, furg ihn auf allen
Bunften fo gu bi Iben, baß et in ben t:ienft ber
(Srgiehnng felbft als färbernbe unb belebenbe
ffraft hcreingegogen unb für fie mögtichft ge=
winnbringenb benüßt werben fauu.
21n bie erfte 3rage: 2) a r f gefpielt werben ?
reiht fich alfo fofort bie gweite an: ©oll ge*
fpielt werben ? unb falls bieS bejaht Wirb, bie
britte, warum. Womit unb wie bieS gu
gefaben hat. 91 it unb für ßdj ift ja fogar auf
bie erfte ginge bie Stntwort noch nicht bon felbft
gegeben, beim barauS, baß bet ©pieltrieb bor*
haitben ift, folgt ja noch lange nicht, baßer
auch nothwenbig befriebigt Werben maß.
®ieS wäre bielmehr nur bann bet galt, wenn
alle in ber Statur beS ÄinbeS fiegenbeu Stei*
guitgen unb Einlagen noch boflfomnieit rein unb
gut unb unoerborben burch bie ©iinbe geblieben
wären, aber baS ift ja leiber nicht ber gafl, unb
eben barum ift gernbe bon ©eiten einer ernften
unb entfehieben djriftliehen ßrgieljuug jene ginge,
ob baS ©piel überhaupt für baS winb heilfant
unb ihm auch nur im bcfißeibenften Blaß gu ge*
ftatten fei, fchon bielfad) berneint worben.
ÜJtan hat, unb gewiß in ben weiften gäflen
mit ber befielt fNbficßt unb in ber feften lieber*
jeugung, baburch nur für baS Wahre SÖoßl ber
ßiuber gu forgen, auf fo BieleS hingewiefen,
was gum niinbeften gefagt, baS ©pieleu als
etwas höchft BebenftichcS erfd)eiuen taffe: wie eS
trag unb arbeitsfeheu, leichtfinnig unb gerftrent,
genußfiiehtig, (eibenfchaftlich ii. f. w. inacrje, wie
fo biel eble 3 e *t, bie gu 2 Bid)tigerem unb StötßU
gerem angewanbt werben föuute, fei’S gum 2er*
neu ober gu einer niißlidieu Arbeit, nußloS ber*
täubelt werbe, wie baS Äinb baburch friiljgeitig
fchon an eine Bieuge wedjfelnber fReige gewöhnt,
unb fo bem gufriebenen, einfachen ©inn, bem
ftitlen gleiß nnb ber häuslichen ©itte unb Orb*
nuug, furg gefagt: bem ßrnft beS 2 ebenS, gu*
mal eines 6hr>ft?ntebenS, eutfrembet werbe.
3fn bem allem liegt gerabe für gewiffenhafte
Eltern aflerbingS nicht bloS eine gewiffe, fonbern
fogar feßr biel SBahrßeit; aber boch noch nicht
bie gange ©afjrheit. Sicherlich, wenn baS ©piel
bloS „bie Seit bertieiben" foll, bie ohnehin fo
fchneU enteilt, fo ift es entfehieben 00111 liebet,
unb eS giebt bann Weit SÖefjereS unb GblereS,
um fie äuSgufüllen, aber gerabe baS fragt fich
noch, ob baS ©piel nicht auch noch gu gar mau*
ehern anberen bient, als gum Seitbertreib. Oaß
baS Slrbeiten unb 2 erneu bie beiben $auptauf*
gaben beS SugeubnIterS finb, ift gang gewiß,
nur folgt barauS Weber, baß nur fie allein fich
in bie gange 3 eit beS $iubeS theilen bürfeu, noch
auch büß bie nötigen 3 1D if^> c npaufeu wieber
nur mit faft ebenfo anftrengenber üfjätigfeit
befeßt unb bamit ihrer mohlthatigeu BMrfung
wieber beraubt werben foflen unb nicht oielmeßr
einer leichteren Gr(;oIuug Staiuu gegeben werben
fann unb muß, bie, wie eben baS ©pteleit, gwar
bie Jfrnft nicht gang in Stuhe feßt, fonbern 110$
immer in Slufpruch nimmt, ißr aber freiere Be*
Wegung gönnt, fie übt 1111b nach anbereu ©eiten
unb Stichtiingeu hin beßhäftigt unb eben bamit
weuigftenS mittelbar bem 2 ernen unb Arbeiten
felbft wieber gu gut fonimt, theilweife fogar un=
mittelbar boffelbe förbert unb baraiif borbereitet,
wie g. B. burch fo bieleS, was Äiuber gunächft
nur gu ihrer Unterhaltung aus allerlei Stoßen
unb mit ben mnnnigfncbfteu Bkrfgeugen ber*
fertigen, unb fich babei „fpielenb" oft recht
hiibfche gertigfeiteu unb praftifcheS ©efehief,
©efdjmad, 'l'iinftlicbteit unbSlnSbauer erwerben.
SBenn ferner aflerbingS nicht gu läugueu ift,
baß bon m a 11 ch e n ©pieleu bie oben genannten
SliiSfteflungen gelten, fo müffeii aflerbingS biefe
gang entfehieben unterlaßen werben, aber barum
boch noch nicht alle ©piele überhaupt. 2>enn
nicht im ©pielen felbft an unb für fich, fonbern
hauptfächlid) nur in feiner falfdjen Slnweubiing,
in feinem Mißbrauch unb Ueberiuaß, im Blau«
gel an Sluffidjt, 3 >nht nnb Orbnuug beim ©pie*
ieu unb an richtiger Uebermadning uub 2 eituug
beßeiben liegt ber gehler. Buch möchte fich bod)
nod) fefjr fragen, ob bei böfliger Unterlaffuug
beffclbeu, falls biefelbe überhaupt burchgefiihrt
werben fönnte, nidjt nod) weit fd)liuiiuere Hebel*
fiiinbe gu 2age träten, ©inb beim bie unbe*
fcßäftigten Äiuber, bie entweber bor 2angeweile
gar nicht wißen waS fie anfangen foflen, unb in
bumpfem, ftiimpfeni StidjtStljuii ihren 2ag ber*
bringen, ober bie nicht wißen, waS für Unfug
fie aiiridjten foflen, unb in nichtSuußiger 9 toh=
heit ober tollen ©treiehen berwilberu, biefleicht
fittlich beßer als bie, bie bei einem fonft unfchul*
bigen ©piel fich erfreuen unb erfrifcheit ?
2 BnS bie ernfte unb mißliche Slrbeit anbelnngt,
fo iß aflerbingS gang richtig, baß fie fchon auf
ben elften Blättern ber Bibel ben Bteufcheu nicht
bloS als eine ©träfe, fonbern gerabe als $eii*
mittel unb ©egen berorbnet wirb, nnb bie oft
fcharfe, aber gleichwohl febv gef unbe BMirge beS
Digitized by
Google
416
Pie Prbrntung brs Spiels.
Sehens uitb and) fdjoii beS ÄinbcrlebeuS bilbet,
ol>ite iucld>e felbft buS ©piel auf bie üauer »Debet
fd)mcdt nod) gut befommt, — ober matt wirb
darum bod) nid)t im ©rnft iit bicfer f»avteu 9 lr»
beit „im ©cb»oei| beS 9 lngefid)t 3 " «nb i£)ver fau=
reu 9 )?übe baS eiugige 3 >el eines tiienfchcn.
Wiirbigeit üafeinS feljen Wollen; mein wirb, felbft
»Denn inan bieg Dom bielgcplagten fötanne am
< 5 nbe nod) erloarteit gu lönneit glaubt, eS bod)
nic^t in flau} pleitem v)faß aud) fd)on Dom Äinbe
bedangen, bafj itjin fd)on bieSlrbeit an fict>, nnb
war nur fie allein unb augfcbließlid) Dolle SBe*
riebigung, ©ennß unb ©einige fieiüäljre.
©eine (»anje 3 f it unb Äraft toirb man ja
bod) in jebem fjall nicht für bie Arbeit in 91n.
fprud) gu nehmen oerinögen; eg beiarfja aerabe
gur neuen ©ammluug unb ©panuung berfelben,
unb gtoar je jünger eg noch ift, beftomebr, i^cilS
ber Stube, IbeilS ber Grbotuiig bureb eine wcib=
felnbe übätigfeit; unb gerabe bagu ift baS ©pie=
icn baS befte unb guträglidjfle Wittel, als ein
mittleres gwifdjcn Stube unb Arbeit, »do bie Äraft
toeber gang brad) liegt, nod) iiberanftrengt wird,
wo()l aber in Skiocgnng bleibt, unb jwar in
iwanglofcr, freier, feibfirtctoäöIter, moriit fie
eben am beften jiebeifjcit unb fid) (jnrmonifd) auS.
bilbcu faun. 2öiibrenb bie eigentliche Arbeit
immer nur getoiffe cinjelue unb «im Übeil febr
bcfdjräulte Ärafte, Einladen unb ^apittfeiteir ber
Äinber, unb and) biefe nur gwanggiocife unb oft
ofjnb alle Stiidfid)! auf baS ridjtige SJtaß unb
eine billige ©cbouung in Slnfprud) nimmt,
bringt baS ©piel eine anteiligere Gntfaltung
berfelben, unb namentlich and) fold)cr ©abeh
ober ©efd)iiilid)feiten unb fterliglciten, bie bort
oft gang unbeniijjt unb ungeübt bleiben.
6 3 »uedt unb bebt überhaupt bie gefammte
freie ©elbfttbütigfeit bcs ÄinbeS unb
förbert unb fiebert baburdj eine Don außen Döflig
ungebemmte (Sntwidelung einer gangen Uteuge
Don Äeimeit gefunbeu SebeuS, bie hier, in ber
Saft ber freien ©elbftbeftimmung, aber auch
©elbflbcftbränfung, gang anberg wadjfen, alg
unter ürang unb ®rud einer anbefobleneit
Seiflang. Stießt a(g ob beg ÄinbeS äBillen gang
ohne 3«um unb 3ügel, obue 3't>aiig unb 3uü)t
bleiben follle, aber allerbingg foö er unb muß er
irgenbwo ein ©ebiet ber Freiheit buben, too er
fid) felber 3»el unb Aufgabe fteefen, ©aben unb
Ärafte brauchen unb üben lernen fofl unb fann,
wenn auberg eg einmal gur rechten tüchtigen unb
felbftftiinbigen ©liirfe unb ^leftigfeit beg @ba.
rafterg fornmen fall. SBeif? hoch jeber Sebrer
unb ßrgieber, toie frifd) unb froh alles „ftrei.
willige" gefd)ie()t, biefe Sufi barf man alfo bem
Äinbe, wenn anberg nur fonft bafiir geforgt ift,
baß eg bei feinem ©piel feinen ©ebaben an' Seih
unb ©eele nehme, nicht berfümmeru ober rau.
ben; baranf rubt gum großen Übeil ber üuft
unb ©lang ber ffreube, ber über bein »ßarabiefe
feiner ftinberfpiele fcbioebt. 3» ihnen, bie feine
eigene (leine SEBelt bilbcu, fühlt unb bat aud)
ba3 Äinb fchoit etwas Don einer SBonne jehöpfe.
rifeben SBaltenS unb ©eftalteuS, wie eS jene»
befaunte SÖort ber ©ebrift (©prücbe 8, 31) ber
»Deltbilbenbeu ÜBeiSbeit ©otteS gufebreibt, bie
„auf bem ©rbboben fpielt, unb ihre 2uft bat
an ben fDtenfcbenfinberit," ober auch etwas boit
jenem felig in fid) befriedigten Sehen unb SBeben
in ben ©e|d)öpfen feiner deinen £>aub, womit
ber #crr felbft eiuft rubte Don allen feinen 2Ber.
feil, unb er fab fie an — „unb ficbe ba War alle»
fepr gut!" ©old)e Suft unb ffreube beS „®e.
lingeuS" fteigert nicht bloS feine Ära ft unb
übätigfeit, fonbern flieht gum großen übeil auiß
bie faft auguabtnSlog getoifje SBiirgfcbaft, bajj
ein ftinb, bas fein ©piel mitförnftbe.
treibt, einft and) feine Slrbeit mit ©ruft be.
treiben wirb.
3 ?iir feine fpiitere üüdjtigfeit ift alfo burd) bie
auf’S ©piel Derwanbte 3 eit unb Ära ft nicht nur
uidjtS Dcrloren, fonbern uneublid) Diel gewonnen.
Seprt eS baS ©piel, baS eS nod) gang feiner Ära ft
unb feiner Neigung nach ^Belieben anpofjeu faun,
ohne jener guüiel gumutben, ober biefe burd) eine
frentbe Autorität befdjräufcu laffen gu müffen,
überhaupt einmal feine eigene Ära ft tennen,
fdjäßen, nieffen unb brauchen, fo wirb eS auch
ba, wo eS einmal »oirflicbe 9 liiftreugung berfelben
gilt, unb »oäre eS nur bie 91 nftreiiguug beg @e«
borfamS, b. t). ber freiwilligen Uuterorbunng
beS eigenen ÜBillenS unter einen berechtigten
fremben, eben bunb jene ihm fd)on befaunte
greube beS „©elingenS" felbft baS ©cbwere leid),
ter Dollbringen, unb baS augenblidlid) Unan=
genehme »DenigftenS erträglich unb auf bie
üauer fogar als einen ©egen empfiuben lernen.
9(u unb mit bent ©piei erwacht unb ermädlft
fDlulb unb Saft beS Ül)uu§, preubigfeit unb
©elbftDertrauen gu ber eigenen fich frei be.
wegeubeu, aber au<b bewährten, erprobten unb
geübten Ära ft. Saßt man aber biefem ürieb
nach ©elbfttijätigleit biefen freien ©pielraum
ber »Bewegung unb ©ntfaltuug nicht, fo Der.
roftet entweber bie Ära ft im ^Müßiggang, ber be.
tanutlid) aller Softer 2(nfang ift imb in jener
tbatenlofen Cangeweile, bie bie giftigfte ©chlange
unter ben bunten SMutnen beS ÄinberlebenS ift,
bie töbtlichfte ffeinbin alles echten ÄinberglüdS
unb bie frudjtbare 9)?utter ber fchlimmften 3er*
ftörerimten feiner unfihulbigften ^reuben, ober
fie oerjebrt unb gerfplittert fich unb Derpufft in
Äinbereien unb Übarbeiteit ober gar toirllichen
©d)led)tigleiten, wäbrenb • fie bort Dcrfumpft,
ftnmpft fie hier fich bor ber 3eit ab, »oirb Der.
geubet unb berlottert in Unfug, fchtimmeii
©treiiben ober leerem Üanb.
3 eue allgtt nüchterne 9 lnficht, Welche bei»
Digitized by v^ooQie
Pie jSebeutung bt» Spiels.
417
Sdjroerpunft bcr ©rgiehung überhaupt nur in
bie 9tiißlid)feit nab ©raudjbarteit fitr’S Seben
feßt, wirb übrigens bcr Sfinbernutur eben io
wenig Oöllig gerecht, als g. 33. eine eintjeitlirtje
SJerfiaubeScultur, bie, Wie jene auf praftifdje
Fertigfeiteu, auf bloße tpeoretifclje ßeuntuiffe
beu Hauptnadjbrud legt. Söeibe bertenneu unb
oernad)läffigeu gleidjerweife bie ebenfo roevt0=
ooQeu Strafte, 9iulagen unb ^nterejjen be» ©e«
mütljS unb beS HergenS, unb bürfen fomil feinen
9(ufpru<h barauf nuid)cn, eine allfeitige unb
oöllig Ijarmoiiifd;e 9(uSbilbiing ber qefnntititeu
griffigen iyaljigtciten beS St inbeS bewirten ju
tonnen. ©eben fie nach biefer fRidjtung hin git
loenig, fo forbevu fie in einer anberu gu oiel,
fofern fie fdjon bom Stiube oerlangen, Wal ljöd)=
ftenS bein gereiften Wonne giitommt, fonbern
bort febon eine oötlige, nöttjigenfallS gewaltfame
Uuterbriidung and) ber fonft beteiligten Striche,
bie boef) erft hier auf wahrhaft fittiidjem Wege
bur<b freiwillige Selbfloerlängnting unb Welt«
entfagunq gu ©taube fomuien faun unb fofl.
31 m elften noch föunte bie Sorge ber ,,33cr«
Weftliebung" bureb baS Spielen ober bod) bie
etwaige ©emeinfebaft ber Witfpicler einen ernft«
lieben ©inwanb gegen baffelbe fticbbaltig begrün«
beit tonnen, unb wo eine berartige ©efnbr wirf«
lieb üörbaitben ift, ober bodj gu befürchten fleht,
ba wirb meniqftcitS bie ebriftliebe ©rgieljung eine
boppelt forgfältig überwacbeube 9(uffi<ht über
Spiet unb Spielgefeflfebaft gu führen haben,
aber anbererfeitS wirb bodj auch ber oft fo fatfeb
unb äußerlich gefaßte begriff ber Welt unb
Weltflu^bt in oiel gu fdjroffer, bcfdjränfter unb
einfeitiqer Weife unb bagu uodj praftifdj gang
unooflgieljbar uttb unhaltbar auf bas Spiel an«
gewenbet.
3n Wahrheit banbeit eS fieb ja für ben
©bviflen gar nidjt etwa bloS um ein Ieiblid)eS,
fonbern oielmebr um ein inneres, geiftigeS gern«
batten ber Welt unb Fernbleiben Ooit ihr, unb
bei alter, im täglichen Seben unb 33erfeljr aueb
außerhalb beS Spiels für bie Stinber bod) nie«
utals gang gu bermeibenbeu Berührung mit ber«
felben, um bie Söerpfliebtung, felbft mitten in
ber Welt, boeb nidjt ooit ber Welt gu fein, fon*
bern über ihr gu fteben. ©ine bloße flöfterlid)e
9lbfperruuq erfiiüt biefe 9(ufqabe um fo weniger,
als bie „Welt" befnuntlidj nidjt bloS außer unb
neben unS, fonbern leiber auch in uns ift; b>er
helfen alfo wieber nur 33ilbungSmittel höherer
fittlicher 9lrt Ooit ©runb aus, bie ber ©rgieljung
helfend unb büteub gur Seite flehen mtiffen:
bie 3ud)t unb Orbnung beS HaufeS, bie Schär«
fung beS ©ewiffenS, bie bebütenbe Fürbitte unb
anbere ©(erneute eines cbriftlitben Familien«
lebettS. Wähnt aber bie ©rgiehung auch ohne
biefe prüfte unb Wittel febon bureb ba§ bloße 33er«
fagen beS Spiels bie ©runblage für bie 33i (billig
eines dniftlidjen ©IjarnlterS legen gu tönnen, fo
überfd;äßt fie bie Wirfung eine» bloßen 33erbotS
ui.b unterfdjäßt ben ©egner, mit beut fie gu
fampfeu hat, ber taufeuö anbere 3uqänqe gum
Stinberljergeii unb hunbert Oerborgene Schlupf«
Wiutet in ihm felber hat; nid)t tninber aber aueb
bie Tragweite ber im Spiel felbft liegenben bil«
benbeit iutb ergiebenbeit Strafte.
Wan brauebt noeb tauge nicht ben irrigen
2raum einer uuoerfebrt gebliebenen „Unfdjulb"
ber StinbcSnatur gu tbeilen unb tanu bod) in
bein bon ©ott felbft jebein uiioertiiufielt unb
unberbilbet gebliebenen Stiube ttjatfüchlidj ein«
gepflangten Spieltrieb etwas an fid) berechtigtes,
unb barunt aueb für eine fold;e ©rgiehung,
welche bie natürlichen Willigen, Strafte unb
Hilfsmittel fciiteswegS einfeitig überfpannen
Will, bö<bft SeaebtenStoertheS uiib Fruchtbares
fiubeit, tiämlieb baS 33erlaugeu, bie Suft unb
Siebe gur eigenen St bä ti gleit, bie im
Spiel ja bie Hauptfad)e ift, gang abgefebeit oon
bein, was bureb biefclbe etwa gefdjaffen ober
bargeftellt Wirb.
Wie wenig bein fpieleifrigen Stiube ait ben
©egeuftäuben unb £>erOorbriiigungcii feines
SthunS liegt, geigt bie tägliche ©rfobrnng: eS
Wirft nach turger Suft beS 3kfd)aueu5 feine Star«
tenhäuScben felbft wieber ein, um mit gang
gleidjer ungefd;mäd)ter F«nbe mit ihrem bau
auf’S neue gu beginnen. $aS beweift fd)lagenb
genug, baßbaSSntercffebeim Spiel nicht außer«
halb ber 2ljätigteit liegt, in ihren ©rgebniffen.
Wie g. 33. bei ber 9lrbeit, ober and) beim Semen,
fonbern innerhalb berfclbcn. $arin liegt aber
auch unoerteunbar ein nicht leid)t mißguoer»
ftehenber Win!, baß unb wie fid) bie ©rgiehung
biefeS Spieltriebs gu bemächtigen hat, nämlich
fo, baß fie ihn gwar Wot)l in qeorbnete Sahnen
Weift, aber nicht erflideit unb tobten barf, um
feine Straft gwar Wohl gu gähnten, aber nicht gu
lähmen.
Sticht ber Spieltrieb ober ba§ Spiet an fiefj
felbft, nicht einmal baS Spiclgeuq, fo gefährlich
eS oft Werben tann, ift baS Siiubige, fonbern
bie falfche 9lnmetibuitg beS Seßteren, unb bie
Oerfehrte Utichtung, bie ber ©rflere einfehlägt unb
ba& Uebermaß ober ber Wißbrauch, bie mit bem
3weiten getrieben werben.
©ine ftiH unb georbnet fpielenbe muntere
Sliuberfdjaar bietet hoch wahrlich fein geringeres,
fonbern ein fittlich eblereS 33ilb bar, als ber
faule Stagebieb, ber über allerlei lofeit unb
loderen Ißlänen brütet, ober ber frech fid) h m un=
treibenbe, lärmenbe ©offen.junge, ber fidj nur
an Unorbnung, oft fogar Unanftänbigfeit er«
freut. Wan forge nur bei 3 f iten bafiir, baß
jener $rong und) freier unb bariiin freudiger
eigener Shätigteit fein richtiges Strombett fiitbe,
fo wirb er Weber ginn ftiirgenben ©ießbach wer»
Digitized by v^ooQie
418
llankgrbtt btt Sffyntttrr.
ben, ber alle ©djranfen ber 3ud)t iiberbrauft,
noch jum fieljenben 2Baffer, auö bcm fiel) bie
bumpfe 2uft berpefteter fünfte entiuidelt, fon*
bevn mau mirb (Seiüinn mib ftörbeumg genug
barauS $ief)en, nidjt bli>3 für beu augenblidli<$eh
nnb öligeren 9iupeu, fofern ja fepr uiele Spiele
burdö Uebuug in allerlei gäpigfeiten unb $uuft*
griffen eine’ anägejeidjiiete 5$orfd)ule für ba§
fpätere Sieben unb eine SBorbereitung für feine
iiiaiinigfaltigfleu Stufgabeii unb ^5flid^ien bar*
bieten, fonbern aud) einen bleibenbeu ©egen
buvd) Sntroidelung einer ffllenge ber berfdjieben=
artigften gäljigteiten, ft'rafte, Einlagen, ftennt*
nifje unb iugenben.
(3$lu| folgt.)
Dankgcbct der ^ek«ltter.
-ofo-
^anfet bcm ßerrrt, bentt er tft freunblicfy unb feine (Bitte
mätjret etmglid?. Pf. 106,
<P*c
Digitized by v^ooQie
Maximilian Julius fPropolb.
419
3Ka*troiliau $ultu* £eoyoU, $er;o0 von ^muufdjuidj uuD
, fünelmrtj, ai» $^r;og uub (Cljrilt.
/x
, \r-> g«r 6a«i null ©erb ttou gBilljelm tyfäffte.
S ift ein uralter, WoblDerbienter
(Ruhm beS (Braunfcbroeigifcheu
| SiirftenbaufeS, baß eS fid) burch
warme, wirtfame ©övifteuliebe,
,rf 4 vas burdj gemeimiüßige Wobltbatig*
' feit, biebermünuifchen ©um uub
wahren fcelbenmuth immer borjüglich auSge«
geid)uet bot.
$iefe lugeuben ^attc auch Scopotb geerbt.
Sein ChriftliChcS Seben, fo furj eS auch War, ift
mit ben bcrrltchften Sl^atbeiueifeit baDon erfüllt.
(Darum Derbient eS in bet ©cfdjichte ebelmiitbi*
Vier, nii&liCher, DerebruitgSmiirbiger Wenfchen
einen '-Blafj.
Wajinulian ^iiliuS Seopolb trmrbe fdjott
frühe bunt) ben Unterricht in ber (Religion ju
gütigen, tugcnbbnften ©efinnmtgen geleitet. ©r
eiflfcfing biefeit Unterricht tum einem ber erflett
Chriftlichen, weifen uub firnnblidjftcu (RcligionS*
lehret — non bein gelehrten 3erufalem.
2fn feinem fiebjebnten 3fabre legte er fein
©laubenSbefenntniB mit einer Ueberjeuguug uub
3?reubigteit ab, welche olle 3al)örer erbaute.
©r ift nicht gewichen Don ben ©runbfäßeu be3
©briftcntbumS, bie er in ber Smjenb als bie
(einigen feierlich erflarte, er ift ihnen im reiferen
2llter als einer heilige» Siegel gefolgt unb treu
geblieben, bis er in ©hrifti Sinn fiurb.
6r bejeugte mit fjfreubigfeit uub feine Worte
waren wie Seifen. @r bejeugte gn mehreren
fötalen feinem älteften, geliebtcften Sebrer, bajj
er uon ber Wahrheit ber Chriftlichen (Religion
gewiß iiberjeugt fei, bajj er fie für baS größte
©efchenf ©otteS, für baS größte ©nt ber Wenfch»
heit achte, uub baß er fie für alles in ber Welt
nicht hingeben Wolle. (Sin anbereS Wal ber»
icfjerte er, er würbe baS ©briftentljunt hoch»
ehäfcen, wenn eS auch »idjt folche ©riinbe für
eine SBaljvheit hatte, weil er fiel) bobei beffer
lefänbe, als bei ben Subtilitäteii ber ©hriffuS«
üerächter. (Sr erfannte ben Werth ber Religion
auS bem rechten ©efichtspunft uub fuChte fie ju
bem rechten 3n>«f J» nntjen.
deshalb aber achtete er bennoCh jeben 3fort»
fdjritt ber SSMffcnfcfjaft. ©r hörte gern Wannet,
bie üerfchiebeite Weinuugen in SR’eligion3fad)en
hatten, mit eiuanber rebeit.
Sebhafte Ueberjeuguug hatte er inSbefonbere
turn bet (Borfebung uub UnfterMichfeit, biefe,
faate er mehrmals, muh mit nur (Riemanb weg»
rüfoniren, beun bie fanu ich nicht miffen.
©r baChte bähet auch oft uub ernfllich an bie
(Borfebung uub Uufterblichleit. Wit feinen (Ber*
trauten untervebele er fiCh gern barüber, mit
Würbe unb mit Scuer fprncher baoon; gewöhn»
lieh tiffen ihn biefe ©egenftänbe fo hin, baß fein
eiujig auberer neben ihnen feine (Hufmerffamfeit
u Derbienen fchien. Sleißig unb feljr anbcichtig
eierte er ben öffentlichen ©ottcSbieuft; mit tie»
fer ©fjrfurcht genoß er baS heilige Slbenbntabl
unb hielt auch forgfaltig barauf, baß feine Sol»
baten ben ©otteöbienft nicht oerfeiumteu. ©r that
bieS im Srieben unb im flrieg.
(Bon feinem thätigen ©ifer, biejenigen, bie ben
Iroft ber (Religion in Seiben nid)t tonnten unb
fnChten, auf beufelbeu oufmertfam unb barnad)
begierig ju machen, ift folgenbeS Seifpiel mit»
getheilt. ’*
(Der Sieutenaut ©. Dom tjfrjoglich braun»
fchweigifchen Seibrcgiment, welchem ber 'Bring
Seopolb bamalS als Oberfter oorftaub, war aus
Waugel hi»teicf)enben OteligiouSunterrichtS in
ber^ugenb uub burch Sefen Dieter Sdjriftcn Don
Voltaire, Spiuoja u. f. m. ein (ReligionSoerüchter
geworben, ©r fiel in eine töbtlidje Ärautijeit.
©r hatte grofje f^urCht Dor bem "lobe, nnb tonnte
(ich mit feinen freigeifterifdjeu Weinungen nicht
beruhigen, ©r tlagte feine 2lngft, forberte 2toft
unb fchien jeben Strahl ber (Beruhigung freubig
anjunehmen; aber nur ton feinem ©eiftlichen,
ber ihm jtärfer biefe Iroftgriiube fagen tonnte.
Wollte er etwas hören.
(Der gute spring erfuhr ben 3»ftanb beS an
itörper uub Seele leibenben jungen WanueS,
trug bem ©arnifonSprebiger $. auf, benfelbcn
als 3?reunb gu beftichen unb ließ ben Giranten
bitten, ihn als einen folcheu anjunehmen. ©e»
rührt Don beS üortrefflichen dürften ffiirforge,
nahm er ihn gütig auf, unb eutbedte ihm feine
3weifel gegen bie Üteligion. ler ^Jrebiger über»
jeugte ihn Don 3^'t ju 3 e 't immer mehr Don
ber Wahrheit ber Chriftlichen (Religion, ©r er»
tannte fie guleßt mit folcher ©emilbeit, baß er
jum (Beweis feiner feften lleberjeugung ba§ hfi=
lige 9lbenbmahl genofj — unb nuii erwartete er
fein ©nbe mit ajriftlicber ©ebulb unb Döüiger
©rgebung in ben Willen ©otteS.
9lnf feinem Sterbebette fegnete er ben from»
men jungen giiefteu, als ben (Retter feiner
Seele, uub erbaute burch fein SJeifpiel bie Um*
ftehenbeu.
©r folgte aber nicht bloS für ©injelne, fon»
beru für bie Wohlfahrt feines gangen (Regiments,
©r that eS mit einer ©efchiiftigteit, Weiterleit
Digitized by v^ooQie
420
^azimiliott Sulius JVopolb.
unb mancher Aufopferung, bie allen SefeljlS» Gr beftellte einen Sekret für biefe Shule,
labern gum DJtufter gu empfehlen l'iub. Sot'güg» unb formte für beffen recht aiijehnlihen ©ehalt.
lidj ließ er fid) bie Serforgung ber ^noahbcn Sie Gompagnie«Ghef3 gaben beinfelben monat»
beffelben mit einer außerorbejitlihenSßärme unb lief) jiuölf Stjaler, ennniitert burh ihres SefefjlS»
Setriebfamfeit angelegen fein. habet'3 Seifpiel, ber ihm arfjt Spaler gab, auh
3u i|tem Seften unterhielt er einen fcljt aus* immer aüe nötigen Siiher unb Schreib*
gebreiteten Sriefwechfel. 63 tonnte faum eine materialien fünfte.
©teile für fie lebig werben, fo erfuhr er eS fdjon, SoS ©djulhauS mürbe ben 26. Januar 1778
unb bann beeiferte er fih uuermüblidj, ibuen öffentlich eingemeitjt. Siebt wie fünfhundert
biefelbe gu berfhaffeit. Gvhielt einer ein Amt in Solbatenfiubcr, bie bisher ohne allen Unterricht
ber Sinanjberwaltung unb tonnte bie erforbcr* gewefeit waren, erhielten beufelben nun gäiiglidj
liebe Sicherheit nicht [teilen, fo Ieiftete ber £er« frei. Sie immer Wad)fenbe Angohl ber Schüler
gog bie Sürgfdjaft für beufelben, ober lieb unb —beim auch attbere Sinne burften ihre Sinber
fdjenfte ihm oft bie Summe bagu. in bie Shule febiden— machte einen gweiten
Sielen anberen gab er gu bem fönigliheit Sebver notbwenbig.
©nabengebalt und) monatliche 3uläge. Gr forgte bei ber Stiftung biefer S<hul«Aii*
Aud) bie Sronfen bcS bergoglidj braunfdjwei« ftalt für ben beften Unterricht in berfelben. Gr
gifeben Seibregimcuts, beffen Somntanbeur er hatte felbft biele Schriften über bie Grgicbuiig
ehemals war, behielt er immer im liebreidjcn gelefen; am weiften gefiel ihm bie Stctljobe be$
Anbeuten. Als er in preufeifhe Sicnfte trat, eblen Ferrit bon 3tocbow, unb barum wählte er
fdjtieb er bem Argt beffelbeit: 3 ft Sbnen mein biefelbe.
Anbeuten lieb, fo will ich es äbncit baburh Gr fanbte feinen bamaligen fjelbprebige:., ben
empfehlen, baß Sie ferner fortfahren, für bie $errn 6. 9t. frohen, nach 9tetabn, nahm alles
armen Sraufeu bes bisher bon mir lominanbir» in Augenfdjein, forfdjte iebem tleinen Uiuflattb
ten [Regiments als Argt gu fovgeit. ber bortrefftichen Dtodjom’fhen 2eljrart nach, ließ
Sobalb ber fjerjog gum [Regiment getommen, {ich über alle Sanfte berfelben unterrichten, unb
beforgte er für bie jüngeren Offigiere unb 3un» führte alles für feine hlegimentsfhuff 3 roc( f-
fer, Sehrftnnben in ber Orthographie, ©efhidjte, mäßige unb AnWenbbare barin ein.
Geographie, Slatbematif unb fraugöfifhen AIS am 6. Januar 1783 bei einer öffentlichen
Sprache. Sie gnm $leife bei biefem Unterricht Prüfung ber gute Fortgang biefer Sd)utanftalt
gn ermuntern, war er felbft babei gugegen, unb recht fihtbar geworben war, fdjrieb et gleich on
bamit fih feiner fhämen möhte, gut uiib rihtig biefem Sage einen ©rief an einen feiner alten
fhrcibeit gu lernen, fehle er fih mitten unter fie, geliebten Vehret in Srauufhweig, boll ftarfer
fchrieb alles mit, was ihnen bom Sehrer bictirt 3eugniffe, wie eine wichtige Angelegenheit bie»
warb, unb war ber erfte, ber bcmfelben fein felbe feinem bergen fei, weihe große Selofjnung
Sapier gut Sorreftur gab. SicS hatte nun bie er in ber guten §?rud)t feiner foftbaren unb müh»
bortrefftichfte AMrfiing auf beit gleiß biefer famen Arbeit finbe.
jungen Krieger. Siefer Unterricht bauerte bis Aud) außerhalb beS großen SCßirfungSfreifeS
ginn gelbgug im gatjre 1778. Gr änderte bon feiner Shulanftalten War er tbätig, gute Gr»
3eit git 3eit, baß er benfelbcit wieber beranftal» giehung gu beförbern. So unterftiifete er manche
ten wolle; aber unbefannte $inbernifje hielten fähigen Jünglinge, bie fih ben fhöiten SÖiffeit»
ihn boh bon ber Ausführung ab. fdjaften unb fünften gewibmet batten, auf
gnbeffeu hatte er ben meufhenfreunblihen SdjulenrAfabemieit unb [Reifen. Gr tiefe biele
Gntfdjlufe gefaßt ein Serforgnng5»£)aii3gu ftif» arme berwaifte Sinber auf feine Soften f>anb*
ten, barin ber ewlbaten [Bittwen unb Sinber, werfe lernen unb gu guten, brauchbaren AJen»
um fie gugleih gu ernähren unb nüfelicfj gu be» fheu ergieljen. Ginft fanb er in graiiffurt gwei
fhäftigen, ftetS Arbeit für guten £oh» finben Sinber, bie gang berlaffen umherirrten unb bet«
foHteit. Grft war er willens, eine SBittwenfaffe leiten. Gr nahm fih ihrer an, unb fdjidte fie
für bie armen £>iiiterlaffeucu ber berftorbeneit an bie braunfhtoeigifheit Armenauftalten. Sei
Solbateu gu errihten, aber nahbem er in einer ihrer Abreife ging er AlorgenS um fünf Uhr
3ufammenfunft mit ben Sorfteberu ber Amten« träfe ber fetjr rauben [Bitterung felbft gum fjuhr»
Anftalten fih bariiber berathfhlagt, Würbe er mann, um gu feben, ob fie aud? gut gegen baS
übergeugt, bafe bureb ein folcbeS SerforgungS» SOetter Perwahrt Wären. AIS er bieS nicht fanb,
£»anS mehreren Sevfonen unb auf eine gemein» gog er feinen eigenen Ueberrocf auS, Wiaelte fie
nüfeigere Art geholfen werben fönne. nt* beufelben, fab fte erft abfahren unb ging
®aS unbergeßtiche Senfmal ber fruhtbarften bann im [Regen ohne Ueberrocf nah 4>aufe. Sei
[Bohlthätigfeit — wir föunen fageit gegen bie feiner lefetenAuwefenheit in Sraunfhtoeig ging
9)fenfhh«it — ift jeboh bie p r e i S w ü r b i g e er felbft nah bem Söaifenbaufe, liefe bie Sitiber,
Sdjulanftalt, bie er geftiftet bat. beren [Rainen er genau behalten hotte, rufen.
Digitized by v^ooQie
421
erfunbigte fid) nach ihrem Setragen unb er» traulichen ©riefwedjfcl, unb ftniner fprad) er
mahnte fie, fleißig gu fein, unb fich in allen bon iEjncu mit ©krtljfcbäfeuug unb 8?reube.
©tüden gut aufgujiibren, bann wolle er weitet SEÖenn er mid) ©rannfehmeig fam, befudjte et
für fie forgeit. ' liebreich alle feine alten Sefannten; unb bie=
3fm 2Bo()ltf)un fannte et feine (Snnübung. jetiigen, welche itjin in feinet ßinbffeit nnb
3n ©raunfdjweig unb an aitberen Orten haben fugend Oieufte geleiftet — waren fie auch fefjr
biele fJtotljleibenben ©Jofeltbaten Don itjnt em» weit unter ihm — liefe et gn fiefe foinmen ober
pfangen, auch gab er gerne bnrdjreifenben Oiirf» ging fetbft gu ihnen unb unterhielt fid) mit ihnen
tigen, fo bafe gewife ber gröfete Stfjcil feinet (Sin» feljr leutfetig.
nähmen gu Söerfen ber Siebe angewenbet Wor» fjiit feine ©ebienten folgte er wie ein ©ater,
ben ift. (Sr gab ihnen ein bcftünbigcS gute» ©eifpiel; er
Um fid) Don bem (Slenbe ber Scibenben befto antwortete einem ©tarnte, ber ilpn feine ©er»
nahet gu übergeugen, unb baffelbe befto gewiffet ehrung wegen feiner guten ©efinuungSart auf»
bölüg heben ober bodj erleichtern gu fönneu, er» richtig begeugte: 3dj barf nid)t unredjt tlpin—
forfmte et eS felbft. (Sr befugte bie Uugliidtidjen es Ware für mich hoppelte» Unrecht, beim ich
in ihrer Hütte, ging felbft an ihr anufcligeS höbe fo gute rebtiche Sente um mich; idj würbe
Äranfcnlager unb Deranftaltete für fie bann mit fie betrüben ober berfdjlimnieru.
Dielem <5ifer nach ihren Uinftünbcn gtoedmäfeige ©ngelegeittlid) befümmerte er fich um bie Ser»
Hilfsmittel unb erforberliche ©flcge. forguiig berfelben nach ihrem Sobe, unb bat oft
• ©Bie oft ging er nicht auf ©oben unb Sam» bie ©einen um biefe ©Joijltljat.
S ern Diele Oreppen hinauf, um (Slenbe unb ©ein ganges Sehen war bie wiirbigfte ©or»
ranfe, beren 9toth er erfahren h«tte, aufgu» bereitung gum Stöbe, beim fein ©erg war Don
fueben, nie gufrieben, als bis ihnen geholfen war. (Sljrfurcfet für bie Dteligion erfüllt, unb in feinen
Steicb war auch fein Sehen an ben Ougenben, Handlungen folgte er ihren Slnweifimgen, auf
bie bie gkiidjte unumfeferänfter tljütiger HergenS» Ghrifium gu trauen, djriftlid) unb gut, recht»
güte find. (Sr begegnete einem jeden’ and) benen, fehaffen unb menfdjenf reimblich ju fein,
bie weit unter ihm waren, mit Höflichfeit, Herab» 31m Stage Dor feinem Stöbe war nodj bei ber
laffung unb Seutfeligteit. ©iit ben ärmfteit unb Oafel feine lefete Unterhaltung Don ber Unfterb»
geringfteit Seuten fprach er freundlich. lidjfeit unb bem 3 ll ftanb ber ©eele nach bem
©einem Hergen war eS nicht möglich, mit Oobe, babon er fo oft unb fo gern fprach.
©orfafe einem ©leiifcfeen eine mifeüergniigte 31m ©iorgen feines StobeStageS geigte er ftatt
©tuiibe gu machen. (Sr hatte Diel Sebhnftigleit feiner fonft gewöhnlichen Sebhaftigfeit eine
unb ©übe beS SÖifeeS, aber nie mifebrauchte er aufeerorbenttiche 9hilje beS ©eifteS. (SS befrent»
biefelbe gum fleinften ©pott über feinen Stehen» bete bieS feine ©ebienten, ba bie ©efaljr ber
meufdjen. ©Bafferflutp fich immer Dergtöfeerte, unb Diele
(Sine ebelbenfeitbe Jilrflin gab ihm unter (Sinwohner ber ©orftabt fefjon in hoher fJtotlj
Ohränen, bie fie bei ber Stachricfet feines StobeS waren. 9llS einer berfelben beSWegen fagte: ©o
Dergofe, baS laute 3eugttife: 31ch ber gute ©ring! ruhig hohe ich Gw. Onrdjlnuöfet noch nie gefehen,
9tie höbe ich aus feinem Wunde ein ©Bort gum antwortete er: OaS ift gut, mau ntitfe oft ruhig
©djabeit ober bitteren Oabel anberer Seute ge» fein; üorgüglich mufe man bedacht fein, unb alles
hört. OaS Steifte, was id) Don ihm gehört höbe, wohl überlegen, wenn ©efaljr ba ift. $afe er
War, bafe et 3litbere bertljeibigte, alles gum heften nach feinen ©Borten auch hier gehandelt, bafe er
lehrte unb für Seute, bie Hülfe nötljig hatten, bie ©efaljr, welche ber ©tabt brofete, bedacht.
Bat unb fprach. - alle dabei gu bemerfenbeit Umftänbe wohl über»
3)afe er nidf)t auS eitler SRuhmfucht, ober um legt, bie wirlfamfteu StettungSinittel gewählt,
9tuffeljen gu machen, grofee unb gute Handlungen unb ©erfügung getroffen, bafe fie au bem Orte
Derridjtete, dies geigte er auch, als man über bie gebraucht werben foüten, wo fie am nötfeigften
Üfeüre beS auf feine Stoffen erbauten ©chul» waren. $>ieS beweift ber ©rief, ben er an ben
haufeS bie Sluffdjrift gefefet: „Seopolb’fche ®ar» Herrn Oberft Don fjranfenberg lurg por feinem
nifonSfdjule". (Sr befahl, bafe fie wieber weg» Hingang ginn ©ettertobe gefchtieben, und ben
genommen werbe, unb liefe das HauS mit bein man auf feinem ©chreibpuite fanb.
eingigen ©Borte „©atnifouSfchule" begeidjiten. Oiefe hefonbere ruhige ©emütljSDerfaffung an
@r Uberliefe flöh teiuer ftrafbaren herrfdjenben feinem lefeteu Wovgeit liefert bie Utfnche über
Seibenfd&aft, fonbern lebte beftänbig in wahrer ben ©tunbfnfe unb baS ©efüljl, weshalb er fid)
Stäfeigleit unb ©trenge gegen fich felbft. in StobeSgefafjr wagte. ©Jährlich nicht au§
©egen feine ©Item empfanb er bie^ärtlidjfie rafeher Unbebachtfamleit. Vilich waren fchon
finblidje Siebe, ©einen (Srgiefjern itib Seljrern einige Seute ficher über ben ausgetretenen ©trom
bewies er unDeränberte Oaiitbarfeit. ©iit einigen gelommen, und er befahl ben ©efeiffern, gerabe
berfelben unterhielt er uitiinterbrochen einen Der» benfelben 2öeg eingufchlagen. (Sr brauchte alfo
Digitized by v^ooQie
422
Papa ©berli«'* |fafloralbefud) beim $rßlrrtoni.
alle bebachlfame Sorgfalt. ©tarfeS ©«trauen
auf ©olt, baS er immer in ber ©efaßr empfanb,
mtb eine gewifje Erwartung, bind) fein leuchten»
beS Seifpid ©nbere jti bereiftem, brachten i()it
u bem Entfchluß, beu ©otlileibeubeu mit ©ei*
eitefepung aller eigenen ©efaßr 311 ftilfe ju
eilen. — ^mmer ftiirfer ttmrbe fein ©titleibs*
gefußl, fo »uic mit ber 3 ?lutf) bie 9totfj ber Un*
gliidlichen flieg. Unb — länger wiberfleßen
tonnte er bemfelben nicht, als eine ©tutter bor
ißm nicberfiel unb ißct tjänberingenb anfle^te,
er möge ihre hinter retten Iaffen. Er riß fich
aus bcn £>änben feiner toeinenbeit Qfamilie, bie
ihn nicht bon fich Iaffen wollte, unb eilte an’S
Ufer jur SRettung. SaS ©olf fleht ihn an, fich
nicht in ©efaljr 311 begeben. ©ber er antwortet:
„©SaS bin ich mehr, wie ihr ? 3cb bin ein ©tenfch
wie ihr, unb hier fommt eS auf ©tenfchenrettung
an!" ©ad) bicfcn ©Sorten, bie Wertb finb mit
golbenen Suchftaben in ben Zimmern aller
©rofeen 3 ur beftänbigen Erinnerung angefchrie*
ben }ii flehen, fteigt er in ben ©acheu. unb will
bie fyreube empfinben, bie er fi<b immer als bie
größte aller gfreubeu gebacht, unb bon ©ott als
eine ©Sohltßat erfleht hatte — will ©teil«
fcheu boin Sobe erretten. Entfchloffeu
unb herähaft wagt fich ber ©tenfdßenretter in bie
teißenöe Qflutb, inbem er juleßt noch Reiter unb
freunblich bie ©teitge grüßt, welche am Ufer ihm
jitternb nocbfieht. —
©ott! ^eiliges Sunfel berbirgt uns jeßt noch
beine weifen fRatßfchlüffe! 3 n feinem menfchen*
freunblichen £>elbengef<hitft finit er in bie Siefe,
unb ftirbt in bem ©ugenblid beS ©intens —
ftirbt im ©inn unb ©orfaß, im wirtlichen ebeU
milthigen ©ejtreben, fRetter unglüdlicher ©Jen*
fcfjeit 31t werben. Er ftirbt aus mächtigem, un*
tilgbarem ©efüßl beS ©titleibenS.
3n jenen glutben berfinft er unb ftirbt ben
IRettertob. ©ein Scben hatte er gewibmet bem
ÜtuJjm ber ©Jenfchhcit, fein Sehen läßt er im
Sienfte ber ©tenfchheit.
papa ®berliit '0 JJaftoröUBJejudj beim Pe^lertaul
gär §an$ unb §erb bearbeitet bau «. 9t.
7
\tn lieblicher ©ommerabenb ruhte
auf ben ©liefen unb ©arten beS
SorfcS ©SalbcrSbadj. Sie ©Salbet
jCt r prangten im fdjünften ©riin, ber
ff[ muntere 8?oreüenbach, felbft einer fjorefte
I ln gleidh, plutfcherte baßer, als freue er fich
' * feines SafeinS; furj baS iin ©Muter fo
rauhe ©teintßal war gefeßmiidt, wie eine
©raut, als ©berliit, an ber ©eite feinet
’ jungen 3 ?rau, bon einem ©uSfltige nach
©elinout heimfefjrte. ©eine ©eele War
mit ernfteit, aber jugleicß freubigen ©e*
bauten erfüllt. Er hatte am Sage 3tibor
über ben lebten Sßeil beS 25 . jfapitelS
im Ebangeluim ©tattßäi geprebigt, in
welchem 3 efuS in großartigen ©ilbcrit
bon bem jüugften ©erießte unb ber enblidjeit
©cßeibitng ber ©erecßteit unb ber ©ottlofeu rebet.
©tit gewaltigen, eruften ©Sorten hatte er ben
Untergang berer gefcpilbert, bie in ihrem ©iin»
beutauinei baßinfterbeu, er hatte bmgewiefeit
auf ben ©Siirm, ber nicht ftirbt, unb ba§ freuet,
baS nicht erlöfcht, unb mit befonberem ©achbrud
betont, baß wohl taufenb ©forten in bie fiölle
hinein, aber nicht eine eimige hinausführt. Eine
jener berberblicßeu Sanjbößlen, welche bamals
in SeHefoffe eröffnet worben unb bem eifrigen
jungen ©rebiger als fförberiit ber hertfehenben
©ittenberberbniß ein Sotn im ©ugeJoar, hatte
ihn beranlaßt, feinen ©farrfinbern nicht ben
©ater ber Siebe unb beS Erbarmens, wie baS
feinem fünften Eßaratter fo nahe lag, foubern
bcn sitrnenbeu ©ott ber 9 tache 31t 3eigeu, ber bie
©iinbeit ber ©ater heimfuebt an ben Stinbern
bis in baS britte unb bierte ©lieb, ©eine ©orte
hatten einen tiefen Einbrud auf bie 3 uhörer ge*
macht, unb auf feinem ©efuche hatte er aus bem
©tunbe ©ieler etwas bon ber wuuberbaren Straft
beS göttlichen ©SorteS bernommen, welche fie in
ihren liefen berfpiirt hatten, — eine herrliche
Ermunterung für einen Seelforger, beim 9 tücf*
blid auf beu harten ©oben, ben nach mühebollem
liefern unb ©fliigen eublicß ein wogenbeS ©teer
bon grünen |>almen fdjmüdte.
„Siebe ?>ran," rief er plößlicß, ü«h ju feinet
©attin wenbenb, bie ein ©träufechen frühlings«
blumeu in ber £>aub finnig neben ihm einher*
feßritt, „fichft bu jene ©fette am äußerften Staube
bcSSorfeS? ©Sie eSfcßeint, ift ber Steßlertoni
wieber bon feiner ©Sanberfaßrt heimgetchrt. 3 <h
wiinfehte, er wäre geftern in ber Stirche gewefen.
Ser arme ©tenfeh geht feiten ins ©otteShanS,
tommt er aber einmal, bann nimmt er ben ©re*
biger genau auf’s Storu, unb hat mir hie unb
ba fchon ein paar ©emertuugeu h'ugeworfen,
bie ich toahrli^ nicht an ben ©piegel gefteeft
habe!"
„Ser Iteßlertoni," berfepte bie ©attin, „war
Digitized by v^ooQie
ftapa ©berlin'« ^aftoralbcfmt) beim Sehlertoui.
423
gefteru onwefeitb; gerabe als Wir bie Jtircbe be*
traten, tjintte er mit feinen fdjiefen Seinen bie
Jrcppe gur ©mporbiibne hinauf; eS ift fettfam,
baß bit ifjn nicht bemevtteft."
„ 5 üer 'Anblitf biefeS Stengen," fuhr Oberlin
fort, „gwingt mir ftctS ein Säbeln ab. Sei mei*
nem 'Amtsantritt bi« gehörte er gu meinen ent»
fcbiebenen ©egnern, ber feine ©elegcnbeit 311 nt
Spott unbenußt öoriibergeben ließ. 9 l(S icb ibnt
einft nebft einigen feiner gleicbgefinnten ffante*
raben, bie ein red)t ungültiges Sieb mit einqnbcr
fangen, einen berben SerweiS gegeben unb tauin
ben 9 tiiden gemanbt batte, fo rief er mit und):
“Que veutdonc ec Jean Foudrc d’Oberl in V”
( 2 BaS toifl bocb biefcr $anS Starr Oberlin?)
3 etj aber Wanbte mich rubig nm unb ertoiberte,
ib« fdjarf ins Auge faffcnb: “Mon nmi, je ne
m’apelle pns Jc:in Fondro, jo m’apello Jean
Frederic Obcrlin I” (Stein fjreunb, ief» beiße
nidjt £>an 3 9 tarr, fonbern 3obnnn 3? rieb rieb
Oberlin)!" ©eit jener 3 eit bot er fich beviinbert.
6r fommt mir äußerlich mit allem Ütefpeft ent*
gegen, bat er aber an meinen Srcbiqten etwas
auSgnfeßeit, fo bin i<b gewiß, baß er’S au ben
regten Staun bringt. 2 öie mär* eS, wenn bu
boit hier ben S 3 eg nach $jaufe unb 311 ben . JtleU
nen allein fortfeßteft. 3<h toiD noch fdpiett 311m
fteßlertoui hinab; idj muß wiffen, was er boit
meiner geftrigen Srebigt beuft — ber närrifeße
ffaug. Öer fagt, was er meint, unb Wenn er
mich lobt, ftblafe icb heute noch einmal fo gut!"
Stit biefeit ÜBorten eilte ber Heine Wann rofcbeit
©drittes ins Oorf binunter, wäbrcnb bie garte
©eftalt ber ©attin fid) bem frcnnblicben bon
Säumen befebatteten Sfarrbaufe guwanbte, auf
beffen Schwelle swei Keine Äinber fie jtibelnb
begrüßten.
Untcrbeffen batte Oberlin bie Quitte be§ Äeß*
lertoni erreicht, aus bereu SEl)iir ber beifere SEon
eines melancbolifdjen SolfSliebdjenS Hang. Oer
Äeßlertoni ftaub mit bem 'Jtiiden ber Sbüre 311»
gemanbt am rußigen Äamiit, in welchem ein
luftiges freuet brannte. Oberlin bachte unWifl*
fürlid) an bie 3eit, Wo er als armer ©tubent
fich fein Sßafferfiippcben über feiner Campe ge*
focht batte. So batte ibn bor fahren fein Sor*
gänger, ber eble Starrer ©tuber, getroffen unb
beim Anblitf bet fo 3uberciteten Stafjlgeit aus*
gerufen: ,,©ie finb meinStann! ©ie finb ber
rechte Starrer fiiv’S Steintbal!" Oodj Oberlin
mar nicht ber Staun, auf biefe Steife feinen @e*
banfen lange naebgubängen. „@uten Abenb,
mein ^teunb!" rief er bem fteßtertoni 3U, ber
fein bärtiges unb rußiges ©efießt langfam bem
Srebiger guwanbte. „Sur einen Aug»blid ©e*
bulb," rief er, „bann ftebe ich gu Oienften!"
©pracb’S unb nahm bebutfam ben ffeffel bom
fjfeuer, fchüttete bie bampfenbe ©uppe in eine
gerbroefjene irbene ©cßfiffel, rieb fich bie £änbe
gewiffenbaft an feinen Seiutleibern ab, welche
unmöglich bunller unb befledter werben tonnten,
als fie febou waren, unb fteflte fich mit feinen
fichelförmigen Seinen unb einem berfebmißteu
Säcbeln im ©efidjte bor bem Starrer bin, als
wollte er fagen: „@o, jeßt fann baS ©jamen
loSgebeu!"
Oberlin batte fich unterließ ein wenig in ber
£>iilte uingefeben, bie nur fpärlid) bom Abcnb*
rotb erleuchtet War. 3 tecf)tS au ber Staub ftaub
baS ©djlcifrab. Welches ben $eßlertoni ftetS auf
feinen Säuberungen begleitete; an ben Salten
ber Oecfe hingen gablreidje Siifdgel getroefneter
Sf(an3en, 1111b über ber Settfteüe, bie fchöner
war, als man es in biefer raudjerfüflten £ütte
hätte erwarten mögen, hing fine SEafel auf ber
in großer grafturfihrift mit taufenb feltfamen
©chttörfeln bie Störte ftanbeu: „Stit meinem
©ott fann ich über bie Stauer fpringen." ®o<h
berrfchte in biefem engen, bumpfen ©ernad) eine
yteinlicßfeit, bie mit ben Seinlleibcrn beS Jteßler*
toni im enifd/cebenften Stiberfprudje ftaub. ©ine
Steile blidten fiel) bie beiben Stänner fchweigenb
an, eS fd)ien, als wollte feiner baS ©efprädj be*
ginnen.
„|)err Starrer, mit Serlaub!" plaßte enblich
ber «eßlertoni heraus, „ntad)en ©ie’S furg, ich
weiß, Worum ©ie gefommen finb. ©ie Wollen
eine ©teuer fammetn, aber bei mir wirb nichts
abfallcn!"
„©ine ©teuer?“ rief Oberlin erftaunt. ©r
fplirte, baß eine Schelmerei unterwegs fei, aber
Wo bie ©cfcbid)te eigentlich hinaus Wolle, wußte
er noch nicht.
„&a! bie ©teuer, welche ©ie beute in Selmont
gefammelt haben. 3‘h faß gang hinten in ber
öuntlen ©de bon Stichel Starfcball’S ©tube, als
fte bon £>au 3 gu £>nu 3 wanberten. §ätte ich
mich meiner febmußigen Jtleiber nicht gefdjämt,
ich hätte ber fyrau Sfarrerin bie £anb fiitfeit
mögen. Stie ber3li(h empfing pe mich, als ich
ibr an einem rauben Stcirgabeube einen Äorb
brachte, wie freunblich rebete fie mit mir, wäb*
renb ich ntidh halberfrorenen Stenfcben ein wenig
wärmte! O bie ift ein ©ugel. Wie eS fonft fei*
nen in unterem tauben SEbate flieht! ©ott fegne
fie!"
Sei biefen üßorten flimmerte eS feucht unter
ben langen üöimpcrn beS Jteßlertoni. ©r aber
fchludte bie berborbrechenben SEbränen gleichfam
hinunter, unb madjte babei eine abfcheuliche
©rimaffe, als wollte er bamit feine eben gerebe*
ten Sßorte berhöhnen.
Oberlin fühlte ficb feltfam bewegt bei biefem
Cobe, welches ber Äeßlertoni feiner 0!rau gollte.
S atte er boch noch auf bem Heimwege au ihrer
eite eine fo innige Siebe gu iljr empfuuben,
wie faum in ben erften Sagen ihres ehelichen
©Kids. ®ie fchön war fein Sehen burdf fie
Digitized by
Google
424
}fnpa Wberlin’s ^aftoralbefud) beim Hefjlrrtoni.
geworben! welche liebliche £>äuS(id)feit hatte’ fie
ißm bereitet! Sod) faßte er fiel) frfjiied mit) faßte:
„JÖeld) närrifcheS ©efcbmüß; ul) habe beute mit
(einem ©ebauten au eine Steuer gebucht. 9(it=
ftatt eingujuminelii, bat meine grau manche
©abe ber Siebe aiiSgeftreut!"
„9tur fachte, nicht fo lußig." fief if)ut ber
ef;lertoni ins ©Jort, ,,id) habe bie dinberfäpp«
lein unb dinberftrümpfleiu ioof)I lieferen, welche
bie grau tßforrcriit ber armen diubbettnerin
im testen £>äuSd)en beS SorfeS gebracht bat.
9tber id) bleibe babei, Sie £>err Pfarrer haben
eine dollefte gehoben, eine Steuer bon guten
©.'orten, bon Sobfpriicben, bon Sanlfagungeit
für 30« ge finge ißrebigt. Sie Steuer ift gut
ausgefallen, nicht wahr ? glätte ich fo ferner gu
fd)leppcn gefjabt tbie Sie, id) wäre nicbtfo fibnetl
beit ©erg wieber berabgeloininen, unb meine
9lbenbfuppe wäre noeb nicht getod)t. 91 ber noch«
malS mit ©ergunft, $err Pfarrer! bei mir fällt
9tidjtS ab, SÖenn 3hnen ber Wuiib nach San!
wäffert, fo fd) luden Sie’S nur gang Ijcrjhaft
hinunter!"
Somit nahm ber deßlertoni beit Sedel bon
feiner 9lbeiibfuppe, rodj hinein unb fdjualgte mit
ber 3uuge.
Cberlin faß wie erftnrrt auf feinem Stuhle.
Gr hafte im iöortfampf mit ©eguern mandjen
Sieg gefeiert, unb jeßt fottte biefer raube
Sd)cerenfd)leifer if}n berböbnen, er batte ibn
beim dragen nehmen unb Serbe fchiitteln tön*
nen! Unb bodj, hatte nicht biefer SeufclSbraten
feine innerften ©ebanten erlaufest, hatte fiib
nicht beim Sobe feiner ©farrfinber ber ©eift beS
£)o<binutf)S in fein &erg gefd)lid)cn, unb tonnte
er gu feinem ©egner in ©ßaljrbfit fagen: Su
liigft!"
©inen 91ugeitblid fämpfte er mit biefer iune*
ren Grregung; halb aber gewann feine belfere
9tatnr bie Cberljanb, unb er begegnete mit
ruhigem 9(uge beit ©lideu beS deßiertoni, ber
ficb wieber mit feinem 3wittergeficbt bot \^ n
bingefteflt batte.
„|>ört, greitnb!" bot Cberlin mit rubrer
Stimme an, „3br habt mir foeben eine Seftiou
ertbeilt, für bie ich Glich Diel baute, aber jeßt
laßt mich beim!"
„9tein," rief ber deßlertoni gaug fleinlaut,
„nein, föerr Pfarrer, fo laffe id) Sie nicht fort;
ich bin freilich ein rauher, wiiftcr ©efelle; aber
meinen Sie beim, baß ich Sie nicht auch lieb
habe? — ©3ie gliidlid) war ich, als ©farrer
Stüber nun erften Wale gu uns inS Steinthal
tarn. Wir war’S, als fiibe ich eines Gugels 9(n»
gefiebt. 3db hätte ihn auf Rauben tragen mögen.
91 (S er uns aber verliefe, unb fein Ütacbfolger,
Pfarrer Stöber, ©ott fei’S gelingt, mit.rohen
giißeit niebertrat, toaS fein Vorgänger gefäet
unb gepflangt batte, bamalS bin ich an meinem
©ott irre geworben, ber ©liß bat in mein Seben
geichlagen, unb ich trage bie SobeSwunbe in mir.
9115 £)err Stüber wieberfam, bat er fie nicht
mehr heilen tonnen, unb auch Sie, £>err ©far«
rer, werben’S fcbweilich fertig bringen. Saß ich
Sie aber lieb habe, nicht wahr, baS glauben Sie
mir? ©leiben Sie uod), id) will ghueit mein
£>erg auSfcbütten, Sie folleu hören, wie eS mir
ergangen. ©ielleidjt gelingt es 3hnen mit ©ot«
teS C>i*fe, mid) wieber gureebt gu bringen.
Sabei riidte er Cberlin ben Stuhl bin, beit
jener terlaffen batte, feßte ficb bor ihm auf beit
ted)emel unb hob an: „Wein ©eburtSort ift
nicht ©JalberSbacb, fonbern briibeu Strfbad),
wofclbft meine Glterit gu ben ©egütertflen im
Sorfe gehörten. 3« meinem gebnten Sehens«
jal)re brachen Seib unb .dummer über uns her«
ein. Srei meiner ©efdjwifter fanten in turger
91ufeiuanberfo(ge inS©rab, unb meine Wutter,
eine herzensgute, Ireugbnme grau, überlebte ben
Sdjlag nicht tauge, teilt Säbeln tarn mehr auf
ihre Sippen, unb eines WorgciiS fanbeit wir fie
tobt int 93ette. ©oit ba an folgte ein Ungliid
auf baS aitbere, ber ©ater War eiitinuthigt unb
ließ 9lllcS gehen, Wie eS gehen wollte, 'meine
©rüber liefen oft Sage lang in gerriffenen Jf lei*
berit mit ben ©aiShirten auf ben ©ergeu umher.
Sie einzige Schwcfter, felbft an ber 91uSgebrung
leibenb, war nicht int Staube, beut ^auSiuefen
orbentlicb borzufteljeu, ttub gmei 3abre fpäter
mußten wir fie auch noch beut ©otteSader oon
Soubat) tragen. Söähreub beS folgenbeit barten
SöintcrS, wo eS uns an allen Gefeit fehlte, nahm
uns ber ©ater mit in beit Söalb, um einen um«
gefallenen biirren ©attnt beimgubolen. Sie
Sonne fcf)ien hell auf ben hartgefrorenen Schnee,
ber eijige ©Mnb btieS uns febneibenb um bie
Chreit unb in ber gerne heulten bie Sßölfe.
9115 wir nnS bemühten, ben ©aum mit bieler .
91nftrenguug auf ben Schlitten gu fchaffen, brach
bie Stange, bie mein ©ater in ber $anb hielt.
Gr fiel gu ©oben, ber ©aum über ihn; wir hör«
ten einen furchtbaren Schrei, unb bann nichts
mehr, ©fein ältefter ©ruber, ber mit utiauS«
fpred)licher Siebe ant ©ater hing, warf ficb über
if)it mit taufenb diiffett; allein ber ©ater mar
löbtlich getroffen, er regte ficb nicht mehr. Ginlge
©adjbarit, bie ich C>iilfe geholt, führten bie
Seiche auf' bem Schlitten ins Sorf. ©ßenige
Sage fpäter war and) mein ältefter ©ruber eine
Seiche; ber 3ommer um beit ©ater hatte ihn
getöbtet. Wein eingiger noch lebenber ©ruber
tarn gu einer Sante nach goubap, aber auch er
würbe halb hin weggerafft. 9115 ich in fein ©rab
Ijinuuterfdjaute, mußten fie mich mit ©ewalt
fortführen, ich wäre fouft hinuntergefpruugen,
ich wollte nicht mehr leben. Wein Oheim aber
ooit üöalberSbadj faßte mich in feinen 91rm unb
weinte fo herglid) mit mir, baß ich wich befänf«
Digitized by v^ooQie
flnpa ©berlin’s Jfoftoralbefitd) briiu Hr^lerioni.
425
tigen ließ, unb in fein ftau3 guriidfehrte. Cft
aber brannte ich burd) unb lief nach meiner
Mutter (Stab, um mich recht fatt gu meinen.
Sanfte bauerte e3, bi3 bie Stauben öernarb«
ten, ein tiefe3 $eimroeh erfüllte mein £>e.'g unb
ein fjritnlicher ©roll fteflen ©ott, ber mir 2lUe3
flenommen bitte. 3a, £>err '-Pfarrer, roer’S nicht
erfahren hat, ber roeip nicht roie e3 thut, allein
gu flehen. Meine Caute, eine fülle, befonneue
grau, forflte für mich 'nie eine Mutter, aber bie
gange, bolle, reiche Mutterliebe hatte fie hoch
nicht für mich. $iefe befafj ihr eingigeg Jtinb,
ein Miibcbeit bon fechä^ahten, mit hellen Saaten
unb blauen Sagen unb einem fröhlichen S)efen,
bag mir ftetg mie ein berfleibeteä ÄöitigSliub
borfam. 3113 ich ba3 erfte Mal meinend unb
heuleub mit gerlumpten Äleiberu in bie Stube
trat, flüchtete fie fich fdjeu hinter bie Mutter,
unb mollte mir um feinen ißreig bie £>anb flehen.
SZachbem fich her erfte iBibermille fleleflt, ftinfl
fie öoch fcheu au mir boriiber. S3ie gerne hätte
ich fie oft ftetraften, meint mir 2lbenb3 bum gelbe
heimfehrten unb fie iniibe mar, aber idj burfte
fie nicht anriihren, unb nach nnb nach fchien e3
faft, al3 ob etroaS bon ihrem SMberroillen fteften
mich auch ber Mutter £>erg erfüllen mollte. 3d)
berfuchte alleg Mögliche, ihre ©uiift gu crtoerben;
ich brachte ihr bie fdjöuften ©rbbeereit, bie föft-
Ikhfteu Srombeer - ©träupdjen, bie lieblichften
fflalbblumen, bie gläugenbften ©teind)eu; ich
pfiff bie Sieber, bie fie gerne hörte, ich mad)te ihr
Äärifle für fleiue Sögel im SHnter, unb ihr
Sümmchen nahm ich in meine befonbere Sftege.
SlUein nichts mollte helfen, fie mar unb blieb
fremb gegen mich. 3d> grämte mich boriiber fo
fehr, bap ich befcjhlofe, mich ou8 bem ©taube gu
machen unb mein ©liicf ’anbergroo gu probiren.
©chon mar alleg gut glucht bereit; bie ©egenb
% lag bom Sbeubroth übergoffen, 'faft mie heute.
* Slug goubctb Hang bie ©lode herüber; mir mar
e3 mie ber Stuf meiner Mutter, ihr ©rab mollte
ich »och einmal feben, ehe ich auf immer bie
$eiuiath berliejj. 3<h hatte mich bor bie Shiir
gefept unb ermattete tljränenbeii Slugeg bie Stüd»
fehr ber gatnilie bom gelbe. Ca ertönten eilige
Schritte hinter mir. @3 mar mein Cheint. ©o
entfteflt hatte ich 'hn noch nie gefeljen. ©ein ©e=
l'icht mar berftört unb fein Sltheiu feuchenb.
„2Ba3 ift gefchehen, Setter?" rief ich entfett.
— „Ca3 8ie3chen," ermiberte er athemlos, „ba§
Siegten ift im SBalbe berloten; mir fuchen’3
fchon feit groei ©tunben, ich rufe bie Sladjbarn,
un3 fucheu gu helfen." — „Unb roo? roo?" frug
ich ha ft ift. — „3"' gelsmalb hinter Solbad), ant
Särenitein!" 3<h hatte genug gehört. Mit einem
Sprunge mar ich beim £>unbe, ben ich bon ber
ftette löfte, unb bann ging’3 fchuefleu Saufe»
über ©toef unb ©tein bem genannten Stape gu.
3 n biefem Slugenblide ftedte ein munterer.
fdjlanfgemachfener Stnabe feinen Sodenfopf gur
ähüee herein; e3 mar Cberlin’3 ältefter ©opn',
ber fpciter al3 einer ber 6rftcu ben £ielbentob
fiir’3 Sciterlanb ftarb.
„Stur herein! mein lieber grip!" rief Cberlin
freunblich. „Glicht maljr, bie Mutter fd)idt bid).
3 ft etma3 gu £>üiife borgefallen?"
,,3d) foll bir fageu, bap ein lieber ©aft auS
©trapburg angetommen ift, ben tarnen aber
barf ich nicht neunen; e3 mirb bir eine frohe
Ueberrafchung fein!"
,,©nt," ermiberte Cberlin, „ich toerbe fommen.
Cer ©aft mag fich ein rcenig gebulben, meine
Spfarrtinbcr haben ftet3 ben Sorrang. guerft
inup ich mein ©efchäft mit meinem lieben
greunbe itcplertoni abmachen! gahrt fort,"
fepte er hi"}", al3 fich ber Ihtabe mit freund¬
lichem ©rüge bcrahfd)iebet hatte, „ich bin ge«
fpannt gu hören, ob 3he ba3 ,Qiub gefunben
habt!" 'Mein bem jteplertoni ging e3 mie ben
Säumen, bie, meint fie im elften frifcheit ©aft
btirdj eine Steifnacht gehört toerbeu, nicht fo halb
toieber gutn fröhlichen ©rüiten tmb Slitheu fom¬
men föuiten. 63 mollte ihnt nicht mehr fo redbt
non ©tatten gehen, unb nur burch eine Steige
eingefchalteter gragen gelang e3 Cberlin, ben
meiteren gortgang ber Scgebenljeit gu ber-
nehmen.
Cer Uefflertoni hatte nämlich früher in ben
Sergen hinter ©olba<h eine liebliche £>öl)le ge¬
funben, mit einem fo fchmolen 6ingaiige, bap
fich ein ermad)fener Menfd) nicht hindurch gmän-
gen founte. 3nmenbig aber bilbeten bie gelfen
Saufe, bie er mit fd)önem Moofe bebedt hatte,
unb bon oben blidte ber fjimmel freunblich hin¬
ein. Sin biefe ^löhle hatte er beim elften SBorte
bon 8ie3d)enS Serfchminben beiden müffen.
Cort muffte fie fein! Unb mirflich, bort lag fie.
Man fab, fie hatle gemeint, unb mar über bem
Steinen eingefchlafen. Cer jtnabe brachte ba§
ermachenbe Stäbchen, ba3 feine beiben Sermchen
um ben &al3 feines 9tetter3 legte, ben 6ltern
im Criumph gurüd. Son ba an toarbeSft’inbeS
9tatur mie umgeroanbelt; es hing mit auper-
orbentlid)cr Siebe an bem Sfnaben, fo bap bie
Mutter hätte faft über ben Steffen eifersüchtig
merben föunen.
Stach feiner .ffonfirmation lernte ber fl'efiler-
toni in Stothau ba3 ©chlofferhanbmerf unb
pfufchte nebenher in mancherlei ifiinfte. Stiemanb
oerftanb e3 beffer roie er, Meffer unb ©cheeren
gu fdjleifcn unb niebliche Störbe gu flechten. 2ln
ben ©onntug Stachmitiagen aber trieb er fich am
liebften in ben Sergen umher, unb fudjte ber«
fchiebene Cieilfräuter, bie groifchen ben gelfen
machten. VlbenbS führte ihn bann fein 2Beg nach
2Balber3bach ginn Cnfel, mo ba3 Heine Sie3d)en
gnr lieblichen gungfrau h«anrouch3. 9ln bie
©teile be3 freuitbli^en Serfehi'3 mar fcheinbar
Digitized by v^ooQie
426
Papa töbrrlin’s JJnfforalbefucij beim Be^Ietfani.
freilieb toieber bie frühere Slöbipfeit petreten,
wenn auch einjelite 23orte unb 33lide in feinem
.frerjen toieber frohe £>offnunpen oufteimeit
ließen. SaS eine 9Sörtlein, ba§ beibe int tperjen
irupen, blieb unanSpefprochen, unb fo jop ber
Siiiipliup im eiuuubiioanjipften Sah« in bie
Srembe hinaus mit tiefem Seib in ber Seele.
<5rft uncb fed)3 Sahren lehrte er jurütf, um feine
frühere ©efpieliu SieSdjett als bie ©attin eine?
illnberen mieberjufiubeu. 23ater unb Wutter
touren fdjnell hiniereinattber peftorbeu, unb fie
hatte in ihrer SBerlaffenljeit einem älteren Wanne
ihre #anb fleiieben; ja bie £tattb, aber nicht baS
4£>erj. Witrj liach ber ©eburt ihre? erften ©ohne»
toar ihr Wann peftorbeu, unb fie felbft fühlte
fich friinfer unb friinfer. Weßlertoni, betn ihr
panjeS |>erj gehörte, Jam perabe noch seitift pe»
nup, ihr bie 91upen gujubritdcn. ©terbcub
empfahl fie ihm ihren ©ol)». Wit ihm nop er
nach ihrem 2obe als uiichfler drbe in baS leer»
petoorbene .frans, unb toanbte feine ponje Siebe
bent oertoaiflen Wittbe ju, ba» unter feiner ipftepe
fröhlich hrranrouchS.
„Unb mos ift attS biefem Wiube petoorben?"
frapte Cberlin, als ber Wef’.lcrtoni einen 9lupen»
blict toie erfd)öpft in feiner {Rebe innehielt.
„SaS ift eS eben," rief biefer, inbeiit er bott
feinem ©d)etuel auffproitp. „©eben ©ie, &err
Pfarrer, ba biefe ^cuerntale auf meinem 9lrm!"
dr ftreifte ben 9lermel auf. „911» ber 93(ijj in
unfer £>au3 fchlup, ba habe id) baS Wiub au»
ben Stammen periffeit! Unb nochmals," fejtteer
mit erflorbener ©tintme hinju, „mollt’ ich in bie
flammen hineinpreifeu, föunt’ ich ihn reifen.
9(ber baju bin ich ju fchtoad)." (Ir perietl) in
ein JrampfhafteS ©d)(tnh : ,cn. dvfdjiittert ftanb
Cberlin neben ihm. „O, roie hatte idjbcn Wtta»
ben fo lieb," hob ber Wefjlertoni eublid) toieber
an, „nur par ju lieb, fjerr Pfarrer! S<h mollte
ihm bie fehlenbe Wutterliebe erfefcen. 2BaS er
that, fanb ich bortrefflich, olle feine Unarten lieft
ich ihm burchpebeu, unb bnbiird) höbe ich ihn
bon ©runb au» berborben. 3'nölf S fl hre alt,
machte er fchon bie tollften ©treiche. din bilb»
fchöner 33urfd)e aber toar es, fchlan! pemaebfen,
toie eine Saune. Weilt 99aum mar ihm jti hoch,
(eine Walter gu (teil. Sn bie ©chule jeboch toar
er nur feiten jn brinpett, unb ber arme Schul»
ineifter unb unfer puter ^Pfarrer hatten ihre
liebe 9Jot() mit ihm. dr mollte einmal feine
Crbre pnrireit, unb hüufip muhte ich Sürbitte
für ihn eittlepen, bantit er uid)t aus ber 3°hl
ber Woitfirmonben auSpffd)(offen mürbe!"
„Sem mollte ich ben ©tarrfopf pebrochen
haben, bem ©chlinpel!" brach Cberlin ’auS, betn
eS fchon eine SBeiie in afleu ©liebem ^uefte.
„Sen mollte ich peperbt haben, bah er meid) pe»
morben märe mie ©affiauleber! 9(uf einen pro»
ben Wloß pehört ein fcfjavfer Weil!"
„C, £>err Pfarrer!" berfeßte pelaffen ber
Wejtlertoni, „es hatte auch fehle» fötiueu. §art
difen mirb nicht burch £ammerfd)lape toeich,
foubern burdj’S geuer. 9113 £err Pfarrer ©tu»
ber ins ©teintfjal tarn, toaS mar ba» für eine
fdjöite Seit. diu JleiueS, büntteS Wännchen,
aber bie Siebe ©otteS im £erjeu. Ser brachte
„ben ©tab ©aitft" mit. S<h muh immer baran
beulen, mie er baS &erj meine» SöilbfattpS pe»
mann. Ser ftiirmte einmal an ber ©piße feiner
93anbe einem armen Silben nach, ber fetidjenb
feinen ©ad burch’S Sorf fchlcppte. Saft hotte
er babei ben Pfarrer ©tuber untperonnt, ber
eben aus bem #anfe eines Wranfeu tarn. „Wein
©ot)n," rebete ihn biefer mit ber freunblidjfteit
Wieue att, „toiflft btt mir einen ©efalleit tpim ?
S(h fehe, btt bift ein ftarfer S»npe, ber feft auf
feinen Seinen fleht. Wich aber hat eben mein
altes Hebel, ber ©ctjmiubel, überfallen; pieb mir
beiue ftanb unb führe mich ins Pfarrhaus, tittb
fape beiiteit Wauterabett, fie folleit ben armen
Suben in Stieben jiehett loffett. ds Jap eine
fold;e 9(nmuth in ben Sßorten beS juttpen 'Ufar»
rerS, baf? mein ©ol)tt aus einem toilöeu ©teilt»
bod in ein Sammlein bermaubelt lourbe. „9Ji<ht
mahr," fehle Pfarrer ©tuber hi»äu, als ©eorp
ihn behutfant an bie 21)iire beS ißfarrhaufeS
peleitet hatte, miihrenb bie Schaar ber Wnaben
pinterbrein folpte, „eS ift boct) biel fchöner einem
©ruber einen Sienft gu leifteu, als einen armen
Wenfdjen ju quälen!" 93oit biefem 9lupeublide
an mar mein ©ohn mie umpemaubeit. Sa,
©farrer ©tuber hat ihn hfnunpefriept, unb ich
habe Sreubentape erlebt, als manbelte ich int
©arabiefe. SaS rauhe ©teiuthal ift mir burch
Pfarrer ©tuber in einen ©arten ©otteS oer»
manbelt morben.* O, märe er bei uns pebliebett.
9113 mir feine junpe Stau auf ben Wirdjhof tru»
pett, unb er jertnirfcht unb boch potterpebeu am
©rabe ftanb, hätte ich bor £>erjeleib pleich fter»
ben möpen, ttttb als er bann tranf oott uit3 fort»
ÜOp, ba erlofd) ber ©lanj ©otteS, ber eine furje
3eit unfer Sf)a( erleuchtet hatte, unb eS marb
toieber 9Jacht. 91(3 i^ unter 2brünett oott ihm
fchieb, hat er bon ber Söattb über feinem Schreib»
tifdje jette Safel abpenommeit, auf ber bie 23orte
ftehen: „Wit meinem ©ott mill ich über bie
Wauer fpriitpen," unb mich brinpettb pebeteit,
recht über meinen ©ohn jtt machen. „dS mirb
einen harten Wantpf peben," feßte er hinjn. S»
meinen ©o()n aber mar ein böfer ©eift pefahren.
dr mollte nicht plaubett, baf? Pfarrer ©tuber
un§ berlaffen töunte. 911S er aber toir(lid) fchieb.
ba padte ihn ein primmiper 3orn. „Unb nun,"
rief er aus, „nun mill er uns fijten laffen!" Ser
alte Sroß jop roieber in feine Seele ein, unb
mit biefem einen Seufel lieben attbere, mie uns
baS doanpelittm berichtet. Wan mußte fapeu:
„dS marb ärper mit ihm." Sie Siifte ber S»peitb
Digitized by v^ooQie
|fapa ©berlin’s paftoralbrfud) beim Befjlertoni.
427
fameii, eS fameii ©piel uub Caitj. $ecr 'Pfnv- Gugeln fißen tinb Hallelujah fingen, mäljrenb
rer, ich habe mit meinem eoßn einen harten brunten in ber Oual baS ©eben! ber 93erbann=
Jhuupf gefcimpft, auf Seben unb Cob. 3dj tann ten ertönte? Unb ich, tuenn mid) ©ott in ©na«
faiieu, id) bin mie 3 atob, ber bie gange ßtadjt ben annähme, foüte mich freuen tönnen, unb
mit bem Gngel rang, aber ein 3(frael bin id) mein ©eorg, baS $inb, baS einzige meiner ©e»
nicht atroorben. 3 n meine ßlacht ift ber ©lang liebten, füllte rettungslos in ber Höllenaluth
berWorgenrötlje nicht hiiteingebrungen. Wein brennen? O neinl OaS hat uns Pfarrer ©tu*
©eorg ift noch immer „ber ttertorene toohn." — ber nie geprebigt. fJteiit, ba fage ich nicht Simen.
3 <h bin ihm nachgegangen auf allen feinen Ca will ich biSgum lefttcn 9(themjug proteftiren!
Wegen, ich b«&e in alle Oornen hineingegriffen, O, wenn mein ©ohn jeßt antlopfte..."
in beiten fich fein Sehen oerftricft, id)_babe mei« 5)1 it fteigenber Srregung hatte ber Sleßlertom
nen lebten Bieter oertauft, um feine ^chiilben gu biefe Worte gefproeßen, unb Cberlin’S eben noch
bejahten, fo baß mir juleßt außer ben ffleibern fo ftreitge 3 *ig p toaren milb unb milber geroor»
auf meinem Seihe nichts geblieben ift, als biefe beit, ©eine Wangen toaren feud)t, unb ber
Safel unb biefeS 23ett, in bem feine Wutter ge» ftarfe Wann fchaute bittenb ju bem Äeßlertoni,
ftorben ift. 9l(S id) ihn einß auf ©ünbeitmegen als mailte er ihm fageit: „Sieber 23ruber, ich
antraf, habe ich mit ihm gerungen; er hat mich berftche bid)."
an einen Seifen gefchleubert, baß mein 93ein ge« „O, meitn er jeßt antlopfte!" fdjludjgte ber
brocheu, unb hat mich liegen laffen, unb ift mit Jteßlertoui. Hub horch! es tlopfte in ber Stljat.
Iachenbem Wunbe fortgegangen, fort! fort! Unb auf ber ©djmede erfdjien ein Wann in
©ott weiß loohiu! Unbbod)!-Unbboch!" — fdjroargem XIleibe unb toeißer HalSbiitbe. Wit
6 r ftanb auf unb jiinbete mit einem ©tilcflein freubigem ©taunen begrüßten Oberlin unb Heß-
Äieuholj bie Cellantpe an. 53ei ihrem ©chein lertoni ben eintretenben Pfarrer ©tuber.
faß mau, baß fein ganjeS ©efidjt mit 9lngß» „Sllfo ©ie," rief Oberlin, „finb ber bei mir
feßmeiß bebeeft toar. Sangfamen Schrittes trat gemelbete ©aß. Gntßhufbigen ©ie."
er auf Cberlin ju, bem eS mar, als ßänbe er „Siebe Sreimbe," unterbrach ihn Pfarrer
einem Wahnfinnigen gegenüber. ©tuber, „oerjeiht mir! ich habe oielleicht in ben
„Unb bodj," hoi* «ach einer Weile ber Äeßler« paar Winuteu, in beneu id) jögernb bor ber
toui roieber an, „menn heute mein ©eorg an äfjüre ftanb, bieS unb jenes ju hören betommen,
meine SEljüre pochte, unb märe er mit Sumpen baS nicht für meine Ohren beftimmt mar. Wich
bebccft, unb fprädje nur baS eine Wörtlein: hat ein doppeltes hierher getrieben: Wich ber«
„23ater!" ober menn er auch gar nichts fprädje langte, ©ie ju grüßen, £>err Pfarrer! 9ludj
unb mich nur anfeßaute, als'wollte er fagen: bringe ich 3hnen, nebft ben beften Segens*
„SSergieb mir." O, Herr Pfarrer, ©ie tennen roiiufdjen bon ©traßburg, manch’ liebe ©aoe für
ja beffer als ich baS ©leidjniß boin bertorenen 3hre 93farrlinber. Unb auch für ©tief), mein
©ohn. D golbeiteS 15. ßapitcl bcS SufaS! lieber Äeßlertoni, habe ich gnl p 33otfcßaft. 3d)
meine Cljräneit haben bid) in meiner 93ibel aus» habe einen ©rief bon ©urem ©eorg erhalten,
jjelöfdjt, aber mit golbenen 93uchftaben ßeßß bu 6 r hat biel ©chmereS burchgemacht, nnb feine
tn meinem .f)erjeu. „Ca er noch ferne bon ban« Seele iß miirbe gemorben. ©ott hat ihn geret»
nen mar, faße ihn fein 33ater, unb jammerte tet, unb ich fofl Such fagen, nod) ehe er jurücf«
ihn, lief unb ßel ihn um ben #alS unb lüffete lehrt, mie eS ihn Iränlt, baß er Such fo bitteres
ipn." Uub meinen ©ie nicht, £>crr Pfarrer, baß Seib bereitet hat!"
nicht auch ich meinem einjigen ©ohne-entgegen« Cer ßeßlertoni Iniete nieber. ©eine Sippen
liefe unb ihn lüftete, baß nidjt auch ich riefe: bemegten fich- SS mar ein ftifleS 23uß» unb
„Wein ©oßit mar tobt unb ift mieber lebeitbig Cantgebet. Pfarrer ©tuber aber fuhr mit freu»
S emorbeu!" Unb menn ich, ber Jleßlcrtoni, mit bigem Wunbe fort: „Unfer treuer 93ater im
em tropigen unb bon jahrelangem Harm ber« ^immel, ihr lieben Sreunbe, hat unfern 9(ugeit
bitterten ^erjeit, menn ich meinem noch fdjledj» bieleS berborgett, unb unfer ©efchiift iß eS nidjt,
teren ©oßne berjeihen roiirbe, mie? Herr 93far= baS 93erborgene ju burdjbriugen, fouberu in
ter, füllte unfer Herrgott im Himmel, beßen Cemutfj, ©ianben unb Siebe feine ©trafen unb
$erj bie einige Siebe felber iß, füllte ber nicht feine Segnungen hinjunehmen.
einem ©iinber üergeben, ber auS ber Cual ber 93emnijren mir itnSben griinblichßen ©chrecfen
311 ihm riefe? S»r ben miire lein Grbar» bor feinen ©trafen, bie fchmerer finb als Wen«
men mehr? Wie, leine Himmelsleiter füllte aus fdjen eS ahnen mögen; aber halten mir auch feß
biefen fchaueroollen Stiefeu führen? SS follte an feiner Siebe, bie uns jn fich jieljt aus lauter
ein Klößchen in ber großen ©otteSmelt geben, ©rbarmen, uub bemahreu mir ßetS in nuferen
baS nicht boin Strahl ber einigen Siebe erleuchtet bie jmei fchöuen «priiehe: „©ott mill,
Ware, mo nur Oual unb 23erjmeiflung mohnt? baß allen Weufcßen geholfen toerbe,"
Unb ©ie, Herr Pfarrer, moflten broben bei ben unb maS er mill, baS mill er nicht bloS
Digitized by v^ooQie
428
Per erjte Püd)en}ettel.
heute unb morgen, fonbern baSWill er in alle
©wi gleit; unb ber anbere Spruch (nutet:
„ 2B n § bei b e u 9 Ji e n i d) e n u u in ö fl I i d)
i ft, b n § i ft nt ö fl (i cf) bei © o 11." fiommt
morgen 311 mir ins ©farrtjauS, lieber Jleßler*
toni, bn font 3 bv ben ©rief Ijöveii; wir ober,
lieber Cberliu, wollen bie fyvan ©farrerin nicl)t
liittfler ouf uns Worten lofjen. ©ute Dacht!"
DllS bie beiben Dtänner beim floren Dlonb*
ließt 311m ©farrbaufe ^inoufftiegen, beibe mit
tiefbewegter Seele, hielten fie einen Dliigenblid
üor ber fo freunblich erleuchteten Siircße. Öberlin
faltete feine £nmbe unb rief: „Herr mache meine
Seele ftide! 2 )u, ber bu bie Siebe bift, üergieb
mir Wo icb gefehlt, wo ich 3 » ft*enge gewefen
bin, wo ich mit Uiiüerftanb geeifert hübe; Der*
Höre mich 311 beinern ©ilbe!"*unb feierlich, wie
eine Stimme üon Oben, Hong Stuber’S Dirnen
burch bie ftille, monbbeglänjte Dacht,
* < -aS Cg i —
per erfle lüdjeiijcttel am eigenen gerb.
HuS bent ,,2>«heim“ bearbeitet.
ir lauten toott ber £w<hjeit§reife.
fröhlich waren wir üor toier
Wochen beit Dljein hinunter*
gefahren, hatten Belgien bur<h=
reift unb waren fcßließlicb nach
©ariS gefommen, wo Wir uns
für ben Deft nuferer freien 3cit feftgefc^t hot=
teil. D, eS war gar 311 fdjön gewefen! — Sießt
mar’S üoriiber. — Söir faßen im ©ifenbaßn*
foupee erftcr Ulaffe, unb nifteten uns jurecht
3ur langen ununterbrochenen Düdfabrt nach ber
Heimat - !).
©eßaglich fchmiegte fith mein junger ©atte
ins Gcfpläßcßcn, währenb ich, plaibumbiillt unb
Woljlqefcbüßt not ßugluft, an feiner Seite faß.
„So," fugte er freunblich, — „nun geht’S
heimwärts, liebes H er 3< aber eS ift eine lange
ftahrt burch eine meiftentheilS recht langweilige
©egenb, ba ift’S am heften, man üerfcßläft baS
©läfir! — Uomnt, mach bir*S recht bequem an
meiner grünen Seite; wirft wohl miibe genug
fein üou all bem ©cljcß beS DlbreifcttS. — So —
unb nun ftfjlaf Wohl!"
Schlafen ? ©S war ja heller Sag unb ich mar
fo munter wie lutr je. 2 f<h hätte für mein Seben
gern nufere ©arifer ©inbrüde in Duße mit ihm
bitrcbgeplaubert, aber mein ©eter fcljien mübe 311
fein, unb ich Wollte als gute fjrau feine Daße
nicht ftören. So fchmiegte ich mich beim gehör*
fam an feilte Seite unb fd)loß bie Dingen. —
Dlber ber Schlaf wollte nicht fommen. Seife üer*
ließ ich meinen ©laß unb feßte mich meinem be*
reitS eingefchlummerten ©bebetrn gegenüber unb
träumte üon ber iftulunft.
Dich, wie hübfq würbe es fein, mit ihm ein*
3U3iehen ins neue Hau§! ©igentlicß war eS ein
altes. 311t ©rbgefdwß waren bie ©efchäftslofale
unb oben unfere fiiuftige DBoljnung, bie faum
ein paar ©üchfenfcbiiffc üoin heimatlichen Hal=
benhof entfernt lag. ®ie liebe Scßwefter Diartßa
hatte gewiß in unferer Dlbwefenheit unfer ^>eim
redjt Wohnlich eingeräumt. „Sie wirb hoch baS
geftiefte ©dbrettcßeu üon meiner HewnSfreunbin
ba feft gemacht haben, wo mein ©pljcufiod am
heften gebeiheit lann ? Unb bie ©Über aus mei*
nein Dtäbchcnftübchen werben fie hoffentlich alle
mit hinüber genommen haben?" — DIMe würbe
eS nett fein, mein ’Jteich 311 burehforfchen unb
immer neue ©utbedfungen 311 machen, — benn
eS mußten iit3Wif<heit üon ©ettern unb ©afen,
3?reunbinnen unb ©ermanbten allerlei hübfehe
|>o<hseitSqcfcbenfe eingelaufen fein!
Dluf mein neues planier freute ich mich gaii|
befonberS. Süß wollte recht fleißig üben, ©eter
hatte mir währenb ber SDrant^eit oft gefugt, ich
hätte Salent 3ur Diufil. DBie würbe er ließ nun
freuen. Wenn ich nicht, wie anbere junge grauen,
mein ©elernteS mieber üergeffeii, fonbern im
©egentheil recht fleißig fortftubireu würbe. O,
eS füllte mir feßon gelingen, eine gute Hausfrau
311 fein, unb boeß nicht 311 üerfiufen in ber ©rofa!
Sieben Diorgeit wollte ich fflauier fpiclen unb
fingen unb b«'itad) mit ber Däßarbeit in bem
©arten fißcu. Senn einen ©arten hatten wir
auch. — ©r bettaub aus ein paar ©linnen*
gruppen üon Dafciigrunb umgeben, einigen net.
ten Sißplüßdjen im ©ebüfcß unb einem großen
Stücf ©emüfelanb. SaS |>auS hatte früher
lauge unbewohnt geftanben unb ber ©arten war
arg üernacßläffigt worben. $aS hatte unfere
Haushälterin, bie Srine, mit fcßarfeni Dluge fo*
fort erfannt unb hatte fieß, 311 Duß unb grotn*
men unfereS fiinftigen Haushalts, ber Sache bei
3 eiten angenommen. Sie hatte einen ©ärtner
ßingefcßidt, ber unter ihrer Seitung ben ©oben
mieber urbar machen mußte. Dun war er fcßßn
bepflanst mit allerlei ©emiife; — ich hatte mich
felber bafiir intereffirt unb ©ater hatte eine
lange Dehnung für meine Iaubmirthfcbaftlicßen
Seftrebiingen bejaßlt. Uur3 üor unjeter H«b*
3eit war icß einmal an ©eterS Dlrme all ben jun*
gen ©flaumigen uachgegangen. damals waren
Digitized by
Google
Per ftftf BüdjenjetteL
429
bie ©eete mit ben grünen Grbfeii grabe in Doller
meifeer ©lütlje geftauben. — £>alt! 3 ( bt binnen
bie Stauben gemife Doll grüner Schoten! Sa?
mar ja berrlidj! — S5a toar ja gleich für ben
Sifdj geforgt. Grbfeii, ledere grüne Grbfcn mür¬
ben unfer erfteä ©einüfe fein, bie fdjmedteü mir
3 u öaufe immer fo gut. „Cb ©eter fie wobt
and) gerne mag ?" — Uub cfje ich mich Derfutj,
batte ich meinen Schläfer bereit? am kennet ge»
Siipft unb jtoar fo ernergifeb, bafe er erfdjrodett
auffubr.
„Sieber Bieter, ifet bu gerne grüne Grbfeit ?"
„Gi, roarum benn nicht?" brummte er etma?
mifemutfeig, „aber ma? ift benn Io?, bafebu mich
medft, unb toie fommft bu überhaupt auf bie
Grbfen ?"
Gr mar aber fo fdjlafbefaugen, baß er halb
mieber in ©torpheu? Sinne jnriidgefuuten mar.
3n ©torpheu? Sinne! Uub fein junge? ©Jeib
fafe neben iljm unb langmeiite fid)! ©ein, fie
langmeilte fich nicht. ©Jcuit man lieben unb
frennblichen ©ebanfen itadjbängeit faitn, ift man
in guter ©efellfchaft.
Sllfo bie Grbfen, ba? ftanb nun feft, bie muh«
ten fecrbalteit pm elften ©tittagSmaljl am eige»
nen ©erb. ©Ja? mürbe ich ober baju fodjen
taffen ? Giuen ©raten ? Saun hatte ich ober
leine Suppe uub mahrfdjeiulich mürbe man für
bie Grbfen auch etmaSfrieifchbrühe haben ntüffen.
Sllfo Sleifdjbriibe, gleifchbrülje, ba? mufete bie
©runblage fein, auf bie fiefe bann meiter bauen
liefe. —türmet ©eter, bu fdjläfft fo ruhig unb
meifet nicht ma? bich bebroht, meifet nidjt, bafe
bu ein gefottene? Stüd Odjfenfleifch borgefefet
befommen foflft, als erfte ©taljljeit im eigenen
£eiin.
Sa ich nun im Steinen mar über meinen erften
Speifejettel unb t>oß 3ufriebenheit mit mir felbft
uub mit ber fdjönen, fdjönen SBelt, fo fetjte idj
mich fachte mieber an feine Seite, legte meinen
ftopi an feine Schulter unb fdjlief ebenfall? ein.
©Jir fdjliefen aber nicht, bi? mir bafeeim an«
laugten. Stein, foldj ein Derfchlafeue?, lang»
meilige? Gfeepaar mareu mir benn bodj nicht.
2 Bir uerlebten im ©egentheil nach beenbigter
Siefla noch ein paar gute, frohe Stnnben im
Jtoupee, —bie lefeten Stuuben ber fdjönen £ocfe=
geitSreife! Slber fie oerranuen, eine um bie an»
bete, unb ehe mir’? uu? oerfafeen, maren mir au
ber unferem ©Joljnorte gunachftliegenbeu ©ahn»
ftntion angelaugt.
„SBißlommen bafeeim!"— „©riife ©ott, griife
©ott!" — ©un gab’? ein Jtitffcu uub Umarmen!
Ser ©ater mar felbft getommeu mit Sdjmefter
©tartlja, un? im ©Jagen abjnhofen. SUäferenb
ber furjen fjafjrt ging’? an ein überftiirjte? f?ra=
gen unb G^äfelen, mobei natürlich Dom ©ering»
fiigigften juerft unb Dom ©MffenSroertljeften 311 »
lejjt gefproefeen mürbe.
„Sn, — beine ©abette ift ttoih nidjt ange»
langt!" — ©tit biefer ScbredenStunbe fuhr auf
einmal ©iartljo gmifchen alt ba? Sieben hinein.
©abette mar meine tiiuftige £>au?» unb
Äitcfeenmagb. „Giue perfefte jtödjin, auch in
allen übrigen £)auSgefd)äfteit moljlbemanbert,"
hatte in ber 3eitung geftanben. Sarauf fein
hatte ich fie engagirt unb ben erften 3 nli al?
Gintritt?tag feftgefefet. Ser mar üorüber, aber
meine ©abette hätte er nicht gebraut.
„ 3 a, ma? fange ich benn nun an ?" fragte ich
Siemlich fleiulaut.
„Gi, ich fefeide bir morgen früh bie Srine, um
Staffee 3 U Jochen. 3 U feeutSlbenb aber unb utor»
gen 311 m ©tittag feib ihr natürlich unfere lieben
©afte!" — 3<h othmete auf, obmoljl ba? ©Jort
„©afte" mir mie ein Stich in? &er 3 gebruugeu
mar. ©alb barauf hielt ber ©Jagen Dor bem
heimathlichen, mit milben Stehen umrauften
£oftljor. G? mar mit bunten Campen erleuchtet,
meine ©rüber, ber ©rimaner unb ber Sertianer
fanunt ben Sienftleuten ftanbeu barunter unb
riefen uu? ihr „SJibot" entgegen.
Sie hatten ein orbeittlidje? gfefi beranjialtet
3 U unferm ©Jiüfommeu. Sich, toie mittljefe mich
aße? mieber an, fo lieb, fo traut. — G? mar gor
fcfeön gemefeti in ©ariS, aber über bie fteimatf)
ging eben boch nicht?. £>eimatlj, £>eimatlj über
alle?!
Slber nun mar es fpiit gemorben unb mir foß»
ten ja im eigenen £aufe fchlafen. Sie ©rüber
3 ünbeten unter Cachen unb Schemen ffadeln an,
um uu? feeint 3 U geleiten. 3 <b hotte mitgelacht
bi? jejjt, nun aber fuhr mir’? plöfelicfe mie ein
heifee? ©Jelj burch’S iper 3 : ©ute ©acht, ©ater«
hau?. — 3 <b mar ja nur 311 ©afte gemefeu!
3 cf) hotte mir bie ©eföhi^te eigentlich «0113
anbei? gebucht. — Sie bumme ©abette mar an
allem fdjulb. — 3 » mein eigen Jpeim hatte ich
3 iierft ben gufe fepen mollen; — ich hotte e? ja
mit ©tartfea fo abgerebet, ehe ich abreifle. Sie
hätten un? bort ermarteu unb in ben fefttidj er»
leuchteten ©numen mit un? 311 Sifche fifeen folleu.
— ©uu 3 ogen mir ein in? bunfle, leere £>auS;
beim bie ©rüber 3 ogen la^enb unb fingenb mit
ihren Radeln Don bannen, ol? fie 1111 ? faunt
nothbürftig Cidjt angeftedt hatten.
„Stonim, fiers, jefet fe^en mir un§ fchneft
noch unfere Stuben an!"— ,,©ei einem ein»
3 igen iterseulicht! ©ein, ©eter, — jefet mill ich
nicht? al? fchlafen, fchlafen! ©?orgeit ift auch
ein Sag!"-,,©ch, gottlob, bafe bu ba bift,
Srine!" rief ich erleichterten fieiyn? unferem
alten ^oftotum bom ^albenhof am frühen
©torgeit entgegen, Sie Jam mir 3 um erftenmal
im Ceben mie ein Gugel Dor, trofe iljre? breiten,
blatternarbigen ©efidjte?.
Sie bautirte eine fitrje 3eit in ber fliidje
unter all bem nagelneuen ©erätfje, bann brachte
Digitized by v^ooQie
430
30fr erfte $Ud)en;rttrl.
fic uni ben bufteuben Kaffee iuS niebliche, reich
behängte Gßgimmer. Oie Sonne feigen fo
frcuublir^ hinein unb mein ©atte ftmljlte orbeut«
lieh oor 33ergnügen. 2 ld) ja, hier mar mich gut
fein; — man mußte fid) nur cvft an bie neue
Umgebung gemöhnen. Qfiir einftmeiten lam fie
mir freilich noch ein 25iScheu fvemb oor.
„ 3 rf) iiberlaffe meine fleine fjausfran mm
ihren ©efchäften," fagte Ißeter, uadjbem mir aller
Orten Untfchau gehalten hatten. — „3mar tljut
niirs leib, bich am erften Wlorgeu fci)on allein
laffeu gu nuifieu, allein ich habe fo Diele 23od;cit
Derbummelt, unb muß nun eilcnbS nach bem
Wechten feheu, bruntcu im Kontor. Ou meißt,
Kinb: baS ©efdjäft oor allem!"
9ld), jeßt fpraef) er fchoit bon ©efchäften! 3 <h
mußte mich woljl ober übel brein ftpiden, id) mar
nun eben eine KaufmaunSfraii! 2f>ir nahmen
gärtlicpeu 9lbfd)ieb, als gälte ei eine lange 2 reu»
uung; bann blieb ich allein, gaugallein; beim
bie Oriue toar nach getaner 2 lrbeit in aller
Stille micber fortgegangeit.
3d) fing an, unfern 9ieifefeffer auSgupaden,
aber — ich wußte ja gar nicht tool)in mit all
meinen Siebenfachen, unb nicmanb marba, mir
gu rathen. 3 l 'ber Sdjranl, jebcS Schubfach mar
mir eine frembe 23elt. 3<h fc&te mich betrübt
auf ben Koffer.
•£)atte '-ßeter mich nicht borl/m mieber feine
„£>nuSfrau" genannt! Wein, maprpaftig, er
füllte fich in mir nicht täufchen! 3 d> fpraitg auf
unb ging nochmals aus 2 Berl mit neuem Whitpe
unb fiepe ba, eS gelang. Gublicp mar alles
untergebracht unb pöchft proltifcp in bie Der*
fchiebeneu Spinbeit unb güeper Dcrtljeilt. Oabei
mar mir ber frifdfe, Iccfe i?cbcuSmuth mieber ge*
fornmen unb bie greube am eigenen traulichen
Oopeim. Oie greube mollte aber ginn WuSbrud
fornmen, unb ba mar uiemanb, bent ich mein
DolleS öerj auSfchüttcu fonnte. Ginein plößlidjen
3mpulfe folgenb, flog ich au mein Klaoier.
„€s bredjen tn fhatlcuöem Reigen
Die jrü(|liugsftimmeu los,
Sie Fönnen’s nidjt länger oerfhtoeigen,
Die lüoime ift gar fo groß- "
WtenbelSfopnS friiblingSbuftigeS Sieb fchallte
frifdj unb tiefempfunben burch ben ftilleu Wauin.
3h hatte eS noch nie fo fd)ön gefangen! Cb
roobl tpeter mich hören fonnte? Gbett mar ich
an ber SÖieberpoInng ber „SJoitne, bie gar git
groß ift", als ich bie 2 ()iire hinter mir leife gehen
hörte. 2L'ie fchmoll mir baS £)erg in ber jungen
©ruft! — Oie Klänge meines gubelliebeS hat«
ten ben lieben, guten ©eter nlfo mirflich hinter
feinem Schreibtifch hrroorgelorft unb er fam
jeßt hinauf, um ihnen gu laufrfjen, um mir 311
banfen! So recht pergeitSfroh manbte ich ben
Kopf nach i()m, mährenb ich gum giueiten 2!erS
prälubirte. — Oer ©eter ftaub in ber Ohüre,
bie geber hinterm Cpr. 3h btiefte in ein Der*
legen UichelnbeS ©efiept. — Wteiue £>änbe faulen
Don ben Saften.
„Siebes Kinb, nicht mapr, bu bift fo gut unb
berfparft beine ©efüiigiibungcn auf fpäter. Oit
ftörft uuS. Wfon hört unten jeben 2on unb —
baS geuirt inid) bor meinem 35crfonal!— 25oit
gmölf Uhr au ift baS Kontor gcfhloffcgi bis gmei
Uhr, bann mogft bu fingen unb fpielcu naCh
£>ergeuSlnft!"
Gr biief te fich noch feiner gebet, bie fo gefällig
gemefen mar, gur Grte gu foUen; bann ging er.
Unbich? — meinen Kinberjabrcit hatte ich
ein eingigeSntal Dom ©ater eine tüchtige Ohr*
feige erhallen, bie mar mir in lebenbiger Gr«
inueruug geblieben; —ich hatte baöföefüpl, als
hatte ich foeben bie gmeite befommen. 3 h fchloß
baS Klabier unb blieb lange ftill baDor fißeii,
— enblich ftaub id) auf unb griff medjaiiifh und)
meinem Stvohhnt. ©cfeitften Raupte» fepritt
ich btird)S 3immer, ben Korribor entlang unb
bie Oreppe hinunter in ben ©arten. — Gs mar
ein munberfchöuer Sommermorgen, unb er übte
feine Wiacpt auf mein ©emiitb. ©ottlob, ba
ftaub ich ja im greien, ba mar Wotut, ba mären
SMifche unb Söäuine, ©hin unb 2 Mnmcn. ba mar
frifdje 2 uft, mie baheint — ach, mie baheim! —
Unb über bem allen mölbte fith ein ftrahlenb
blauer Fimmel.
3<h fihritt bie fauberen KieSmege entlang.
WJcin 9luge, baS guerft achtlos über alles pin*
geblicft, blieb ba unb bort hängen, — ich begann
mein fleiucS Webier mit prüfenbem ©lief gu
mufferu. Sie hatten mir baheim immer nach«
gefugt, baß ich mich im ©arten eiugig unb allein
für bie Wofengrnppen unb Wcfcbenbecte, unb
hödjftcnS etma noch für bie Grbbeerpflangungen,
bie £)imbeer* unb Stachelbeerbiifche iutercjfire.
t£)ier in unferm ©arten — idj nannte ihn
febon unfern ©orten, gum Unterfehiebe Don
25 a te rS ©arten — mar mir auf einmal alles
intereffant, fogar baS ©emiifelanb, ja, biefcS
fogar^ gang befonbcrS. ©riifcnb betrachtete ich
bie Salattöpfe, bie jungen ifoljlpflangcn, bie
2 iohnen, bie gu blühen begannen. £alt, — ba
maren ja bie Grbfenbeete! Wichtig, fie hingen
Doll grüner Sdjoten! geh öffnete eine, „gm
richtigften Stabium," fagte ich mit Kennermiene,
„feilte 9lbenb, mährenb ©eter auf bem ©änf*
d)en feine 3 filnng lieft, holft bu bir ein nieb*
licheS Körbchen unb pfliictft bie Schoten. Oer
rnirb 9lugen machen, meun er bid> fo häuslich
mirfen fiept! — 3a ©eter, ich mifl feuriege Kohlen
auf beinern Ciaupte fammeln, als Wache fiirbeiu
©etragen üon Dovhiu. — Unb mie mirb baS ber
35abette imponireit, loenn fiemahniimiut, baß bie
grau bereits mit eigener ffninbben ©emiifebebarf
gur erften Wlaplgeit in bie Küche gerafft hat!"
Digitized by v^ooQie
8« erfte liidjenjettel.
43t
9118 ^3cter fam, mict> sunt Ntittogeffen nad)
bein Hulbenbof gu geleiten, war id) wieber in
befter, frobefter Saune.
Ntit neuem 3ubel beßrüfete mau uns bort. 68
lunr nugeufcbeinlicb, baß fie mid) red)t febr tier«
mißt butten. ©eter follte e8 nur auch bemerfen,
ba8 mar ihm gang gefunb.
„So Sfiub, unb nun laß bir’8 recht gut
id)ineden im alten Neft," faßte bet 93ater, inbcin
er oergniiqlicb bie mieber bollgäblige Safclrunbe
iiberblidte. — SaS ^atte ich and) im Sinn —
id) b‘dte einen Waijren ©SolfSbunger mitge«
bracht.
„SaS ift aber be8 ©uteit unb tJeftlidjcu faft
atlgubiel," rief id) au8, als nad) ber Suppe buf«
teube 3?leifd)paftetd)eu aufmarfdjirten.
„6i, ba8 tbun mir nicht aitfcerS, toenn nufer
jtiub ijeimfommt," lächelte ber ©ater.
„9lber roaS bringt bie Srine beim ba noch
@ute8?" fragte icb beim jmeiteu ©aug unb lüf«
tete mit bem ©orred)t beS SlinbeS üom Haufe
ben Sedel ber eben uor mid) bingeftctlteu ®e»
müfefcbüffel. ©klcher Street! — eS maren grüne
6rbfeu!-
Um bie SSßelt hätte icb teinc effeu tönnen!
Ntein 9lppetit war berfchmuubcu, weggewifebt!
— Sefto beffer fdjmedteu bie (Srbfeu unb ber
tobe Scbiulenauffctjnitt, ben eS bagu gab, mei«
nein ©eter. ^d) hätte ihn fcfjlagen mögen, ihn
unb Nlartba, bie bie (Srbfen beftellt unb St atbrine,
bie fie aufgetragen unb bie Slödjin, bie fie gelocht
batte!
Set gange Nachmittag war mir berborben, —
ich mußte mir bie größte ©ewalt antbun, um
nichts merfen gu laffeu. 9lber fie mertten eS
feoch unb fabelt mich ängltlid) unb fragenb an.
Ntit ber 9lbenbpoft tarn bie ©abette an mit
einem grasgrünen Sloffer. ^d) empfing fie mei«
ner neuen HnuSfrauenmürbe gemäß uub gab il)r
meine erfteu Befehle.
@S warb 9(benb unb Nacht. Sich betete ba§
©aterunfer. „Unfer täglich ©rot gicb uns beute!"
3(h hatte baS früher immer fo gebanfcnloS ge«
fagt, — ach, ich lebte ja bis jeßt wie bie ©ögel
unter bem Fimmel, bie nicht fäen noch ernten,
uub bie bet bimmlifche SBater boeb nähret, aber
jefct, — feßt mußte ich felber für baS tägliche
©rot fotgeu. 2öie fd) redlich!— 9lcb, was gab
eS benu noch für täglich ©rot anfeer grünen
drbfen? 3<h gerquälte mein ©ebirn, aber eS
fiel mir nichts auch nur balbroegS ©affenbeS ober
'Ausführbares ein, unb erft in bier Sagen war
'Dtartttag!
„Su boft beule einen bernagelten Stopf! Sie
grünen (Srbfen buben bir bie Stimmung ber«
borbeit, morgen wirft bu ficher Natb wiffeit."
Siefer tröftlidje ©ebanfe Wiegte mich enbliih in
Sdj(uininer.
©eter mar am frühen Ntorgen ins Stontor
gegangen, in biefeS abfdjeulicbe Stontor, baS icb
bereits bon Hergen gu buffen begann. 3idj fuß
noch am Staffeetifdj in tiefen ©ebanfen, — ba
trat gagbafteu SdjritteS bie neue ©abette herein.
,,3d) mödjte mir erlauben gu fragen, WaS ich
gu Sifcb guriebten fofl?"
9l<h, id) quälte inidj ja eben mit ber Söfung
biefer 3?rage.
„3d; fage eS 3bnen fpäter; räumen Sie nur
erft ben Sifd) ab." — Sa tarn ber ©riefträger.
(Sincn, gmei, brei ©riefe für mich! ©3ie nett,
baß @inmb,.©nuline unb9lnno, meine intimften
©enfionSfreunbinnen baron gebadjt butten, mich
fdjriftlid) im neuen £>eini gu begrüßen, 3dj las
unb laS._
„Siirfte ich biclleid)t nodj einmal ans Nlittag«
effen erinnern?" flötete eS in ber geöffneten
Sbürf!
Nein, baS war unauSftebli<bt
„9(cb Was! 3<b bube im 9tugenblid feine 3*it.
— Sd) muß butd)auS fdjneü ausgeben. — 3fn
einer halben Stunöe fomme ich wieber unb werbe
$bnen bann bie nötfjißen Befehle geben."
„9(ber-"
„©itte, fein 'aber'! ßolen Sie mir meinen
Hut!"
3ib rannte baoon! Unterwegs mußte mir ja
etwas einfallen! 9lber eS fiel mir nichts ein.
2Bie ein 9llp lag mir’S auf ber ©ruft. Untier»
febettS ftanb ich bor bem Hinterpförtchen beS
HalbenguteS. Sollte ich wirllich biueingebeu
unb Ntnrtba fragen, ober bie Srine, Weis ich
focbeit laffen fofle ? Sie werben mid) auSlacbeu
unb ©eter wirb eS erfahren, unb id) werbe mich
gu Sobe febümenj
Sa War eine {[eine San! im ©ebüfdj. 3n
wenigen Schritten war fie erreicht. Um meine
miibfam behauptete tJaffnug war eSgefchebeit;
— bitterlich meineub fanf ich auf baS ©äitfleiit
nieber uub barg mein ©cfidjt in beibeu Hauben.
„Ntariecbeu, WaS ift bir gefdjeben ?" flang eS
plößlidj angftöoll bid)t neben mir. 3dj hob er«
fdjrodeit baS tbräneniibcrftrömte ©eficht unb
blidte in Ntartf)a§ treue blaue 9lugen. ^d) butte
öor Schindern ihr SJommeit nidit gehört.
„O Nfartba, Niartba! üöarum bube ich bo<h
gebeiratbet!" fcblud)gte ich uit ihrem Hülfe.
„9lber fo fprid) boch, bu armes, armes Nlarie«
chen! 3d) bah’ bir’S gefteru fcboit angemertt,
baß etwas nicht ift, wie eS follte!"
„9(dj, eS ift ein Uugliid! 3ä) hätte eS nie tbun
füllen, niemals! Ser ©eler —"
„3ft ein abfcheulicher Ntenfch, wenn er bich
quält unb beleibigt, bidj, unfern Souitenfthein,
unfer 9lflerliebfte8," braufteNJartba in febweftev--
Iicber ©ntrüftung auf! „9lber wir werben bich
Hbüßen, wir werben nicht bulben, baß er bich ins
Uugliid bringt."
„9l<h nein," — braute ich enblich beröor.
Digitized by v^ooQie
432
Pinke für ((Item unb feljrer.
„nid)t er ini(^, aber id), id) bringe ihn ins
Uitgtiid!"
„Su baft beitt £>crg iiid)t gelaunt, Du liebjt
ilpt nicht!" — 3n ScarthaS ÄTopf fpufte Der*
mutklich bereits ein ganger 9toman, ein ©ke»
ftanbsbramal
„©ewiß liebe id) ihn. Ser ißeter ift ja and)
gang unfdjulbig," fiicfi id) ^evDcr, „aber bu,
SHartka, o, bu ÜJtnrtka, b;|t an adem fd)ulb!"
,,3d) ? — ÜKarie, für was kültft bu mid) ? —
Su bift eiferfüd)tig ?"
„Sich was! — 9lbcr was braudjtejt bu iljnt
and) g!eid) grüne ©rbfen Dorgufeßctt, ba idj’S ja
felber ttjun wollte. $d) taan ihn fcoc^ ntd^t ba»
mit gu Sobe füttern! Unb jeßt fraßt mich bie
Sabette beit gangen fDtorgen, WaS id) torfjen foü
— unb idf) tineifi eS ja nicht — unb id) bin eben
gar feine $auSfrau — unb ber Seter erwartet
eä bod) Don mir — unb er wirb Ijerauf fommen
unb effen wollen — unb eS wirb nicht gefodjt
fein — unb er wirb fid) unglüdlid) fiibien, baß
er feine gute Hausfrau bat — unb — unb"
Sßeiter fam id) nidjt. ©in ketglid)eS ©eläd)ter
unterbrach meinen SRcbeftrom. —
SDicine Skränen berfiegten. fDJartfja batte fie
rafd) getrodnet unb als ick mit 5peter an jenem
SRittog im lieben, alten SaterkauS abermals
mit gu 2ifd)e faß, ba ladjte id) fd)on Wicber ketg»
lid) mit.
3<k bin troß all unb aflebent fckliefjlid) bod^
noch eine leibliche Hausfrau geworben. Ser
Scter bat eS mir tjunbertmal wicberbolt, bafi er
fick nie eine belfere gewüitfckt bube. — Siel liebe
©cifte buben feitber an unferm Sifd) ßefeffen
unb eS ift ihnen wobt geworben bei uns. SaS
gröfjte fteftmabl über bat mir fein foldjeS $opf*
gerbred)en mehr geinadjt, wie mein erfter $üd)en«
gettel am eigenen £>erb.
Pinke fiir (fiter« und fcljrer.
33etet für einanber.
fiebrer, betet für einanber. 9tid)t nur bie
Slrbeit fofl eine gemeinfcbaftlicbe fein, fonbent
au<b gemeinfcbaftlicbeS ©ebet foll Dor betn gött»
lieben ©nabentbron gepflegt werben. Surd) Der»
einigte Stjütigfeit wirb eine ©d)ule ftarf unb
feft, wie ein maffiDer Sau; aber bann Derbinbet
biefen Sau mit ber eifernen ©tätige beS glatt«
bigeit ©ebetS.
©tärfet eure £>änbe gegenfeitig bttrd) Ser»
binbung berfelben Dor ©otteS ©nabentbron.
91 ur ©iner.
©in Genfer fattn einen fo föftlidjen ©e»
banfen berDorbringen, aus mel<kem felbft eine
grofee Stenge $id)t fd)öpft. ©ine ©timme fann
einen großen ©aal Doll anbäebtiger 3ubörer mit
glorreichen Sßorteu ber Sieisfjeit unb Shaft er*
füllen, ©in entfebiebener 2ß i 11 e fatnt einen
Statt entwerfen, einen Crt bereiten, 3wecf unb
2lbfid)t erfintten, woraus ein b^ilid)^ Stert
unb ein glorreicher ©itifluß entfteljen mag. ©ine
Serfon fattn eine ©onutagfcbule einen'gangen
jßinter b'nburdb Unterbalten. 6r fattn baS
©djulbauS öffnen, ein ffeuer augitttben, jebes
Älinb freunblicb empfangen, eS nötbigen, wieber
gu fommen ttttb aitbere mit gu bringen, ©o
fann eine Setfon attberett bienen unb fie gum
©uten begeiftern.
Scfcr, bift bu eS, ber baS föitnte, uttb ber eS
unterläßt ?
3IIufttatiottett, wie ntau biefeIbett
gewinn t.
©rgettge fie felbft. ©djöpfe nicht fogleid) aus
Süd)ern, obwohl bu auch ba fd)öpfen magft, nach*
bem bu bid) felbft erfefjopft baft. Sie lebenbig»
ften SHuftrationen wachten in beinern eigenen
©eelengarteu. Sod) föniten fie nicht fpielenb
gcfammelt werben, wie Slunten auf 8?rül)liugS*
matten, ©oitbent bu mußt fie ergeugeit.
Sber Wie? Sintnt bie Seftion unb bemeiftere
fie. S*üge alle barin enthaltenen Sbatfacben
beinern ©emiitbe ein, unb halte fie bann feft.
SuS biefen Sbatfacben giebe alle baritt enthalte*
tten Sehren. 9tad)bem bu bid) fo recht in bie
Seftion hinein gelebt baft, fo giebe aul berfelben
eine ober gwei ftauptiebren. Santi mache bid)
an irgenb einen ©d)üler, utn ihm bie Seftion gu
erlldren, unb bie barattS gegogeneu Sehren ein*
E igen. S9eobad)te ihn genau wäbreitb bu ihm
rrid)t ertheitft, unb wenn er fein 3ntereffe
geigt, fo ruhe nicht, bis bu feine 9lufntertfoniteit
helft. Sann mache ihm bie Seftion recht ftar.
Unb wenn er irgenb einen Sbeil nicht Derftebt,
fo erflcire ihm benfelben, inbem bu einen Ser«
gleich uiachft mit etwas, baS er Derftebt. 9Racf)e
ihm bie ©eiche ftar auf eine ihm fafelicbe SBeife,
in einer ihm Derftünblicben ©praebweife, in
einem Sott unb in Sßorten, bie er berfteben
m tt fj.
Sei folcb ernften Serfudben wirft bu SBujtra*
tioneit aus bir herauSpreffeit. ©ie werben oft
plößticb in bir auftaueben. Unb wenn bu beS
©oitittagS aitbere jtinber in biefer Seftioit unter«
richteft, fo toerben bie alfo gewoiittenen Süuftra«
tionen bir gu ©ehote flehen.
Serfucbe baber ben Sßlan, beine eigenen 31*
luftratioitett gu ergeugeit.
Sie ÜJtutter unb ihre ©ohne.
f$fo(genbeS inhaltsreiche ©ebreiheu enthält
eine gange Srebigt itt einigen wenigen ©eißen.
©S ift eine Srebigt au bie ©ohne, bie alfo lau«
Digitized by v^ooQie
(Situ Banjgefdjidjte.
433
tet: „Unter allen SiebeSüerfjältnifjen bev 5De(t
ift feines, baS bie aufrichtige Siebe eines etmai)*
feuen Sohnes gu feiner Mutter libertrifft. _ 6s
ift 'reine nub cble Siebe nub gereicht beibcn,
Mutter unb ©olju im bödjfteu ©rab gur 6b«.
3cb meine nicht bloS pflichtgemäße 3uneigung;
fonbern eine fo(d)e Siebe, bie alle £)öflid)feit,
fMrtigfeit nnb Hochachtung gegen feine Mutter
gur ©d)a u trägt, aus roelther jebet erfenncn
faitn, baß ber ©ol)n förmlich in feine Mutter
oerliebt ift. fJtächft ber Siebe bc§ Mannes ift
nichts, tuoburch baS Seben einer grau fo gegiert
nnb mit Spreu gefrönt loirb, als burcb bie Siebe
nnb Eingabe eines ©opneS gtt feiner Mutier.
Unb icf> lernte nodj nie einen jungen Mann fen=
neu, ber fiep in feine Mutter oerliebte nnb bann
fcplecbt anSfiel. 3irgenb ein Mann mag fid) in
eine bliibenbe Jungfrau oerliebeit nnb mag
burcb bie ihr ermiefene Höflichfeit baS befiim.
merte, tiefgefränfte 9©eib fdjänblidj Oernad).
läffigeu. 9lber ber ©opit, ber in feine Mutter
in ihrem Mittelalter berliebt ift, ift ein mapter
£elb, ber fpäter fein eigenes SBeib im Hcrbft
ihres Sehens, roo fie anfängt Ijinguroelfen, eben
fo getreulich lieben wirb, als er es im Frühling
ihres Sehens that."
©ebt i.bnen ettoaS gu thun.
„3<h will auch etmaS thun," fpracfj ein Heines
Mäbcpeu, inbent es feilt Srüberdjeit beobachtete,
toie es Sehmfngeln fabrigirte. Sagt eines Äin«
beS Sitte nicht unbeachtet, wenn es fpridit: „3ich
toifl auch ettoaS thun." 3" beS SfinbeS ßopfcpeit
ift ein großes 9tab, baS breht fich um, um unb
um. 6S ift baS raftloS tpcitige ©ehirtt. Sege
eitt Sanb an biefeS 9tab, nub Inf) eS eine
Mafcbiue in Semegung fejjeu, lag eS ettoaS tpim,
nnb baS raftlofe ©epiru ift gnfriebeit. Segeidpie
nicht jebe Unruhe beS .ftinbeS mit Unart unb
SoSbeit. Tenn bie ©äbmng beS ©eifteS ntufj
fich irgenbmie 8uft machen. Tie ©eifteSthätig»
feit beS ÄiubeS fiubet Stoff gum fltndjbenfen in
irgenb einer ©efchichte, bie bu ihm ergäblen
tiiagft, ober oielleicht auch bariit, einen Mit.
fchiiler am Haar git gupfeit, ohne babei ettoaS
SöfeS gu beabfichtigen.
(fine paii|0cfd)id)te.
Sßat pöltft bu bnn’t Tanken?
Te Suer Meger hur beit Herrn Sefuin
6hriftum üon garten leeb, utt barum tottll he
in fin £)uS bon nicfS toeten, bat na be ÜDelt
fcbmecten beh, benn fo fä he: SBeitn man bott
en Minfthen beel hölt, benn labt man boch ni<h
beit fjienb mit in, fonnertt toeutt man fielt ©aft
ehrt, beim labt man fielt Sriinu in. ©ien Snt
loeer ot en gang chriftlicpe Sru, aoer ehr Ghrijteu«
boiu meer fepr Ulla, tut aS tut ehr Todjter Rieten
berattrouß, ba leet fe bann unb mann fo mit
fallen: Te ntult bod» of to Tang, fünft fliegt fe
ja feen orbentlicpeit Mann. Te ole Suer brnfte
geroaltig up tut fä: fo’n Mann, aS fe ouu’n
Tnngfaal halen beh, tonll he in fie £n§ nid) heb.
beit. H e hör bör be fRumlungererS fielt ©elb
rtich fpart. Suer be fjfru leet noch nid) na un
bleb barbi, bat loeer nu mgl fo. Si beit Tang
lehr fe be jungen Süb am heften feint, un en
Mann muß 8?iefen boch of pebben. 6u Gljvift
tuiijj fo beet in be SBelt mitmafen, mat nid) recht
meer, tont ein bod) tiicp fchabeit beh- Ta fä be
ole Suer: „Mttbber, bu meeft boch, mntupben
Tangfaaf bör en ©iftluft iS. 21'alt bn benn bin
eegen Tochter bergiften?" Ta fä be Clfch:
„labber, be $err 3efuS bett ja fiilbcu,fcggt, be
Shriften fchuUit ©ift nehmen, un barfunu ehr
nidj fchaben." „So, Mubber, flentft bu ut bat
Socf? SBenn be Tiioel irft mit Sibelfpriicp
fiimmt, benn iS be ©af gefäljrlid)." „3a," fä
be Clfd), „bu heft man ben rechten ©loben nid),
benn uns $aflor hett feggt: SBaS aus bem ©lau.
ben fommt, ift nicht ©iinbe." „Mubber, tannft
bu benn iit’n ©loben ©ift eten ?" „Sin, Sabber,"
anttoort be Clfch. be ntarf, bat be Manu tocef
loeer, „bat fann icf, benn menn uns Herrgott
bat roili, fann bot nti nicb fchaben!" „Ul'öllt ao.
toben!" fä be CI un breifj ehr ben fRiid) to. Te
Clfch aber grien: „Ti frieg icf mol!" —
Soer bitmal freeg pe ehr. ©iinitdbeitb loör
Uliimp un Melf eten. Ta feggt be Clfch, aS fe
bi be Melf feeten: „3, mat iS bat hüt mit bat
Gteit ? 3fef heo bot boch fütdft torecht malt, un
bat fdjmccft boch fo narrfch." ffiefeu feggt: „9le,
Mubber, icf fann bat nid) eten." „Tern," feggte
fe, „et man to, toi fönitt botp be gonge ffuntm
Poll ttich meggeten." 9(S fe noch en ha tuen Tel.
Irr ooü ut har, fä be Clfch: „ne, icf tueet ttich
mat bat iS, bar mutt ©ott rittfufln fielt. 3cf
fann bat ot nid) eten." „3ia," fä Sieten, „mi
rnarb gang fchfed)t to Mob. Tat iS man gob, bat
Sabber nicfS eten’mag." „9Je," feggt be ole
Metjer, „icf fchull mi moll mahrn, icf fann feen
©ift oerbregen." „Söat," feggt be Snt, w p lt heft
mi boch mol nicfS in be Melf ftegen!" „Seteit
fdharpeit Itram hen icf barem ftegen, icf muH mal
probiren, ob bu fo’n ftorfen ©loben heft. bat bu
©ift oerbregen faunft." Ta fmect be ben
fiepet hin utt fd)reeg: ,,^>e hftt uns oergift,
Siefen, et nicfS mehr, t)f bftt uns oergift!"
„Mubber," feggt be CI, „bu fäft ja, bu fiiitnft
©ift oerbregen." „9lch," feggt be Clfch, „girret
endh nicht, ©ott lägt fich nicht fpotten. Sop boch
flinf na ben Tottor hin, he (dp© fünf her.
tarnen." Ter Sauer aber fagte: „Tar will icf
Digitized by v^ooQie
334
(fhrifHidjt <Slrid)i)ri&
mi rool för mahnt, irft mill id fehlt, ob bu ©ift
Oerbregen fannft." „UMift bu mit Winfcheiibut
öoertroden ? ÜBult bu uns ftnruen Inten ?" Sa*
bei rannte fie jur SEfjiir hinaus tiub fcbrie: „-]3c»
ter, lop glief na ben holtet be mutt fofovt
berfamen." 9lS be ftitedj mcg toeer, fd^imp fe
ebm Wann, aoer be bleco barbi, fe toeer ja
fd)ttlb, fe fünn ja ©ift berbregeu.
91» be Softer fönt, feef be ben tönern an uit
fd: „Weber, mat bcpt Se an be Dielt fregen ?"
„@ift! £err Softer." „Weber, bat iS nid) tttög*
lieb!" „föerr Softer, id »utl bloS oerföfen, ob
min gm bat Oerbrägeu fiutn." Se grtt fchreeg
tut up uit fä, be Softer fd)uK ebr boef) loat in«
geben. Se Sern uit be ifitecb meerit nt be ff öf
famett, bat toeer eit greulichen Upftaub. „Weber,"
fä be Softer, „toat bept ©e ebr beim för ©ift
geben?" „Seeteit SabafSfaft, ^>err Softer."
Ser Softor fadste laut nitb fagte: „9ia, loeitn
bat toieber nid» iS, bann beruhigen ©e fif. gd
Witt Se eit paar dßfeffermünsbrüppeit i'evfdjrie»
ben." „3kt, gru," fagte Weber, „bu (»eft lool
tut nog. Wit bat ©iftprobireit gefallt bi bat
toot ttidf»!" Un bat gefull be fjvu nid), beim fe
ftheitn fif. 93on bat Sanjett bett fie nid) toerrer
fprafeu, erft niubl fe noch eit 2ieb lang mit ebnt
Wann, naher tniiß fe ffitbft baröber fachen un
fä immer: „2öer bar bat bed) bad)t, bat uns ol
Sabber foit ©rappen in’it ffopp bar."
Schall nu en oon be 2efcrS en gru beb bett,
be of gföbett beit, bat fe ©ift berbriigeit fattit,
benn fäunft bu bat Wittef iooll pvobiren. 9loer
fegg ja nid), bat id bi bat feggt beb, fünft futtn
-mi bat of gaf)it a» en Hafter iit’t ScfjleStoigfcbe,
be för fin ißudel bang toör.
(Jiropper fird^f. Slnjeiger.)
--
ilumeufvradje,
f ie ber «ffaifer bie ff ornbluine, fo fod
ber Ü rottprittj bie W a i b f tt nt e febr
lieb hoben, todbrenb bie Königin 2uife
bie mattrofa „ Wäbcbeitrötbe", eine jejjt
faft ctuS ber Wöbe gefommene 9tofe liebte.
33on Schiller toirb erjüblt, bafj er bie 2 i l i e
allen attbern 331 h men oorjog, bie Silie, bie fd)oit
WofeS jur döerjierttng ber 2eud)ter int heilig»
tbitm be» £>errtt ermähnt, bie Salomo als Sfroiie
ber Säulen in feinem Stempel attgab, bie einige
dölume, bie bem Manien nach eng mit bent 9ln»
benfen an unferen ©eilanb oerbtmben ift.
Sntber mahlte bie b n n f e l r o t b e 9t o f e,
ungleich baS döilb ber Siebe, beS Schmerzes, ber
Schönheit, beS 2eibenS, be» SebtoeigcnS, als
feine SieblingSblume unb als fein Söappenfchilb,
oerbunbett mit einem £erjeit unb bent Spruch:
Des £brifteit Serj auf ^lofen geht,
IDenu’s mitten unter’ m Kreuje fiept.
Ublaitb liebte bie 91 p f e l b l ii t b e, Jtlopftod
bie 2 i tt be tt b l it t b e mit ihrem Söoijlgerttcb,
mäbrenb greiligratfj an ber beicbeibeuen ioeifieit
döliitbe be» 9Ö a l b in e i ft e r § baS größte dBoljl*
gefallen fanb. Sie berühmte grau oon Stael
trug faft immer ein Sorbeersmeigleiit in
ber fjanb unb fpiclte mit bemfelbett. ^
äöeld) eine berebte Sprache fprechen bod) biefe
dölumen, meint toir nach ihnen bie ©igenfehafteit
ihrer Söcrounberer abiiieffen moflteit; ob mir mopl
allju meit baS Oerfeblteu? 9lbcr meint
Sentaitb bich itad) beiner 2ieblingSblunie fragen
mürbe, bie jugleid) ben inneren ^uftaitb beiite»
fjersenS feituyichnen foflte, toeldje miirbeft bu
mahlen ? döefiitue bich recht, unb meitn bu eine
gemablt b«ft, bann gieb fie itt bie dftflege be»
bintmlifchen ©artuerS. ©r mirb fchon bofür
forgett, baß fie maebfe unb gebrifje, unb bich eiuft
noch mit ftißein Uöoblgeruch erfreue int fchönen
©arten beS 'fiarabiefeä.
«I)ri|tlid)t «Iridjljeit.
f aS bie Socialbemotraten modelt, hat baS
6f)rifteitll)itm Iangft. 9tur baß bort ein
Sagen und) einem oergeblicften Schein bie
£>er$eu bet()ört, hiev aber emige ©üter gettoffeu
merbett.
ffointn unb fiebe, lieber 2efer!
©S ift ber jmeite Wittmoöh im fergangenen
9tooember. 6iue eoangelifihe Saubgeiiteinbe
Sd)lefiett§ feiert ba§ heilige ©aframent in ihrem
einfachen ©otte§baufe. ©ö gebt bei ber freier p
roie fönft, nur bafj heut aitSttahummeife bie
heften ftnietiffen auf ber 9lltarflufe aufgelegt
fittb. Söer fniet bort? ©iufache Saubleute,
Wantter unb grauen, äßerljeirotbete unb Uit»
oerl)eiratf)ete, 9teicb unb 9lrm, 9llt unb Stttig:
im greife umgeben bie geiernben ben 9lltar
Pont, rechts unb linfS. Iffien erblidt bas 9tuge
be» Söefchatterö aber rechts auf ber einfachen
Seberpolfteruug, mie fie rechts unb linfs an bett
9lltarfeiten befeftigt ift? 6ine ©eftult, einfach
mie bie attbern alle — eS ift ber ©cneralfelb«
marfchafl ©raf bott Woltfe. ©in fleißiger
93efucher beS unter feinem ©ompatronat als öc=
fißer ber |)errfchaft ©reifau ftehenben ©ottes»
baitfeS sh ©riibiß, feiert er heut — mie in ber
9fegel s>i gttfl ben fiirchmeg gemanbert, unb
smar beut ganj einfam — am Sifcb feines |)im»
ntelSföitigS bie greibeit, ©leichbeit unb Söriiber»
lidjfeit ber if iuber ©otteS.
Digitized by v^ooQie
; 3m Sdjotttn.
435
3 »«
Ser Äiimc „SojaS.“ Ueber ben Urfpruna be3
tarnend 3;ej;a3 erzählt eine Dame tu einem ^hila?
belphier Platte folßenbe Seßenbe, wie fie ein ft oejn
1 ©eneral Sam &oufton mitßetheilt würbe, ber fie
mteberum einem alten Subiancrhäuptlinae gu bau?
!en batte: „3ur 3eit, al3 bie Spanier ÜJJesifo in?
pabirteu unb plünberten, oerliefjen oielc 9tothhäute
gemein taut ba3 Sanb ihrer 3>äter unb goßcu bem
Sounenaufßaiiße gu. Sie überfd)ritten ben 9tio
©raube unb/ ohne ffenntnif* Pen bem Sanbe, ba3
por ihnen laß, betraten fie bießro&cn, falgißenSDiar?
fd)eu. 3Siele Säße goßen fie fo tranviaen 2Huthc3
hin, ohne hinreidjenbe3 ÄBaffer unb 2öilb gu fin?
ben. Die $ifce nahm gu; bie Keinen SSaffcrläufe
trotfneten em; ba3©ra3 perborrte unb Ptele alte
8eute unb Jfrnbcr erlaßen ben Dualen bc3Durfte3.
9?acb pielen 3Bod)en mühfclißcn 2Sanbcrn3 fam
eine3 2aße3 eine Schaar imißcr SBänner, bie oor?
au3 ßeritten war, eiliß gurücf mit bem Diufc: „9Sor=
wärt3, Porwärt3! wir haben Sikffer ßcfuuben."—
9?cuer 9Kuth befeelte bie pergaßten £>crgcn unb ob?
gwar9Kd)t3 gu feben war, alö eine febeinbar enblofe
©bene, fo eilte bod) 9lllc3 auf bie in einer ßcrinßcu
©ntfernuna harrenben s DJänncr gu, bie auf alle er?
benflicbe 2Beifc bie ©erauuahenbeu anfpovnten,
ihre Schritt gu befchleunißen. ©nblid) war bie
Stelle erreicht, wo bie Soften ftauben —unb gu
ihren Süjjen raufdjten bie Karen SBaffcr be3 Solo?
rabo unb erKanßeu in himmlifd)er 9Jtelobie. — 9(m
ienfeitißen Ufer aber, fo weit ber 9lblerblicf ber 3u-
biancr nur immer reichen forute, ftredte fich eine
ßritne ©beite au3, auf ber gartet $Maitßra3, pom
äBinbe leicht beweßt, in üppißer Fracht unter ber
tropii.beu Sonne woßte. 9Öie Unfein erhoben fich
in biefem ßrünen 9Öiefemueft hie unb ba biebte
©ruppen huubertiäbrißer 93äume, unb frieblid)
weibeten bagwifdjen beerben Pon Büffeln unb ©bei?
wilb, unbefümmert um ben ihnen nahenben 9)Jcn?
fd)cn, ben fie wohl gutn erfteu 2)iale fahen unb al3
ihren fteinb noch nicht fentien ßelcrnt hatten. 9llle
äNübißfeit, ©uußer, Dürft, bie überftaubencu
Dranafale — 9llle3, felbft bie lobten waren per?
ßeffenf Die SBauberer laufen beim 9lnblicfe bc3
henlicheu Sanbe3, ba3 por ihnen Jaß, auf bie iluie
unb riefen bauferffdlt: „Sd)a3, £cba3," bad tnbi?
antfdie 9GBort für 9Jarabie3, worauf fich $exa3 ße=
bilbet hat."
Sie Sitte toe$ Sränttßamg. Der brape Steter
hatte ber gierlidien Katharina bie ©he besprochen.
Katharina inbejj geißle fid) fd)on al3 SBraut trofe
ihrer 3ierlichfcit al3 überrafdjenb ßrob unb herrfd)?
füditiß. — So farn’3, bah ber brape $eter mit rcd)t
leibiuüthißem 9lu3bru<f bem Iraualtare fid) nahte.
9lnbäd)tiß horte er gu, wie ber ißfarrer ber ffatha?
ritta bie ehelid)cu Pflichten flar leßte, unb als bie
9iebe mit ben SBorten fdjlofj: „Denn er foll
Dein föerr fein," ba prefite ber brape ißeter polt
wehmüthißer sBorahnuuß bie Söortc herauf: ,,9ld).
wenn ber ©err Pfarrer ba3 meiner Katharina noch
einmal faßen wollte!"
Xljtttrfd 9tadjbtnfat. 3» ber 9?ed)iiuuß eine3
9lboofaten für einen feiner Klienten fanb fid) ber
folßenbe $oilcn: „3n ber 9iad)t aufßewactot unb
über 3hreu ^rogeü nad)ßebad)t.10 SWarf."
©etmmpft. — Srember: „£ier febeinen piefe
Sd)afc gu fein; ba foinint wohl auf iebe3 &au3 ein
SlJaar?" — ^Bauer: „ S -Bci uiiS fiitb bie Schaf in
ben Ställen unb net, wic’3 bei 3hncn fd)eint, in
ben Käufern!"
fintier alö 3^0er. Um fid) ttad) laitßcm Sifeen
unb ftrenßcr 9lrbcit eine SJcweßuuß gu madjeu, be?
fud)te Snther 1533 ben ©rbutavjd)all ©errn pon
Sbfdier, auf beffen ©ut gu ^retfeb. Diefer nahm
ihn mit auf bie 3aßb. 2lllein währenb bie Zubern
beut 23ilb nad)ßinßen, blieb Suther auf feinem
SBaßeu fifecn, nahm bie ^Bibel herpor unb leßte ben
147. ijjfalm au3. 9113 er wicbcr nach Jöittenberß
jiiriufßefoiumcn war, fanbte er bem £>errn pon So?
|d>er bie Sliioleßitnß mit folßcnber 3»fd)rift: „9lld
id) neulich bei ©ud) war unb 3hr mir ßrofie ©hre
unb 3reunbfchaft pevgeißtet, mich and) mit auf bie
3aßb führtet, hielt id) gußleid) auf bem SBaßcn
meine ßeiftliche 3aßb, unb leßte ben 147. $falm
au3, weither mir bie allcrluftißfte 3aßb unb ba3
ebclfte 2I>ilD ift. So id) nun ba3 heimbvachte, habe
id) c3 ©ud) wollen ängeißen, auf bajg ich nid)t mit
bofem ©ewiffen folch’©ut, auf ©iivem 93oben ße?
Wonnen, hcimlid) bei nir behielt unb nid)t allein
unbanfbar, fonbern and) fd)äblid) erfunbeu U'ürbe.
3ch fd)icfe©w. ©naben baefelbe ßang unb ßar unb
behalte bod) auch ba3 meine ßang unb ßar. Denn
folcb’ SSilb la§t fid) wunberlicl) unter 3reunbcn
thcilen, baß e3 3eberßang frießt unb bem 9lnbern
nid)t3 abßeht."
ffliber bie ©tifette. fföniß 3riebridj SBilhelm 1IL
hat fid) ba3 nicht ßcmiß gu fdmfcenbe iterbienft
enuorben, ba& er iene fteife, bi3 in3 Unnatürlidje
aehenbe ©tifette, in weldjer gu feiner 3>‘K bie beut?
fcheu $6fe ai3 treue 9hd)ahmer frangofijeher Shor?
beiten fid) gu überbieteu fud)ten, bio aufba3ße=
viußfte 9)?a& gurüdführte, unb febon al3 iironpring
ßab er gahlreid>e ^eweife, wie perhafet ihm biefe,
ein herglidjeb Samilienleben ftörenben fteifeu Sonn?
lichfeitcu waren. 9113 einft bie Oberhofmeiftcrin
pon 95o6 ihm barüber Sorwürfe machte, ba er feine
©emablin Suife lieber „feine Srau" al3 „3hre
Ätoniflüche Roheit, bie Srau ftroupringeffin" nannte,
faßte er: „9iun aut, liebe 9Joü. 9i>ill ßehordicn.
Selben Sie mich 3hrcr ÄCmißlidien ©oheit,ber Srau
Äronpringeffiu unb fraßen Sic an, ob id) bie ©hre
haben bürfte, ^od)biejelbe gu fprcdien." Die ob
folcher ^tefebruuß ßlüdlid)e Obcrhofmeifterin ßcht
laiißjam, fteif, feierlidi, ßang uüe e3 bie ©tifette
poruhrieb, um ben Befehl gu erfüllen ; al3 fie aber
bei ber Üronpringeffin cintiat, fafe Sriebrid) 5BiU
heim febon 9lrm in 9lrm neben „feiner Suife" unb
rief ber entjefeten Dame entßeßen: „3a, liebe
3hre itonißliche Roheit bie Swu ilronprin?
Digitized by v^ooQie
436
3nt Sdjatien,
geffin fiub cvft in einer Stunbe gu fpredten, unb biefe
3cit benfe id) bei „meiner lieben «Jran" gu vermeid
len." Bei einer proieftirten „Auffahrt" febrieb ba$
©ofgeremoniell vor, baß ber ihoitpring mit feiner
©emahlin in einem fcdjsfpännißen Staatomaßen
mit ber Oberhofmeifterin, gmei fiutfdjevn unb
brei fieibjdaern in ©ala auffahren mußte. !
JJran von Boß batte ben fttonpringen baran er=
innert unb mar überßlüdlid), bafe biefer gu al=
lern 3a faßte. 3ur feftßefebten 3eit fuhr ber
Söaßeit vor — bie Oberhofmeifterin beftieß nach
Bonchrift baä ßeräuutiße 3*ahrgeuß — ba ßab
Sriebrid) JBilhelnt ben Äutfdtern einen SSinf, mit
ber Dante allein bavon gu fahren, er felbft aber fehle
fid) mit „feiner 8 ui je" in einen einfachen 3u>eifpän=
ner, melcher auf feinen Befehl hinter bcutöala-
maßen hielt.
Gute brollißsfompligirte flehte Slra&wfgeitc be=
richten 'ISiener 'Blätter. Die Bcrmideluiiß beßantt
bamit, baß in ber Jaborftraßc eine Bcaßb einen
©unb im Spiel ginn Senfter hiitairnfticß. Der
©unb fiel auf ben Xfchafo eines eben vorüber*
ßehcnbeit 3ufanteriften» moburd) bein Btarsfohne
bie Sfopfbebedmtß io tief über’S ©efiebt ßcbrüdt
mnrbe, baß von biefem nur baS bl tun gu fehen mar.
Der .ytinb mar febon länßft mit heilen Änodten
mieber in bie BJohnuitß feinet ©errit binaufßeeilt,
alS .Stopf unb Slntlifc be$ BaterlanbSvcrtheibiaerS
burch einen ßuthcrgißcn Baffanten vom $kbafo
enblid) befreit umrben, morauf ber Solbat feinem
humanen ©elfer eine Obrfciße appligirte. Der
freunblidte Baifant mar natürlich ob fold)cn Dan*
feS für jeine Blühe ßang perplex. Der Solbat aber,
alb er imn bertnittlermeileanßefaninteltenBleufd)en=
' tnenße belehrt mürbe, bafj nicht berBaffant, foitbern
ein herabßeftürgter ©unb ihm ben ifevafo inS ®e*
ficht ßcbrücft habe, verlor auch iefet nidtt feine
Schlaßfertißfeit, inbent er betn mit jo üblem Danfe
belohnten BJann gurief: „$Sann habend ©ttttbel
fallen fehen auf ßaiferlidje üfdtafo, marum habend
nit liebe ©mtbel auffaiißte mit ©änb." SBanbte
fid) um unb ßinß ftolgfeiner SBcße.
ftnmeelf tu flmerifa. 3efet ift enbticb ber ein ft
fd)ott unter Bräfibent Bterce vom bamalißeit .SirießS*
miitiiter 3efferfon DaviS ßemachte unb Seither mte*
berholte Beriud), baS bi anteel alS öaftthier auf meit*
liefen (Ebenen ber Ber. Staaten gu acclimatifiren,
ßelmißen. Jluf einer ,,9iand)" am CarfonfIu§ in
^evaba befinben fidtßcßenmärtiß 26fiameelc,tvelche
alle, mit 3luSnabme von gtveicit, an Ort unb Stelle
aufßegoßen tvorbeit fiub. Bor 3ahvcn tvar eine
.ftanteelherbe auf Soften ber Ber. Staaten nach
9i'evaba ßebracht tvorbeit, aber alle ^hiere, init^lutf*
nähme von gtveien, ftarben mea. Die tefcißc ©eerbc
ift bie s 3cad)fommenfd)aft biefe3 B^reb. 3hre
(Sißenthümer fiub ftrangofen, bie in 3llßier etmaS
von ber Sameelgucbt ßelernt haben. Sie finbeit
biefe nicht jebmierißer als bie Sucht anberer ©au3= ,
thiere. 35Ba3 bie 9lahruitß betrifft, beanüßen fid)
bie Santeele befanntlid) mit SBüftenpflangeu, bie
fein an ber eb Xhier anrührt. Die Samcele merben
guin Transport von Saig aus ben 'Dörfchen nach
beit fechgiß teilen entfernten Slitfiebluiiaen ße*
braucht, unb einiße von ihnen fiub im Stanbe,
eine Öaft von tauienb Bfuub gu traßen.
Hcßfusliurpfr ÄatfjljauS. Dicfer intcreftajite
büftcre unb munberiidj guiammeiißeicfetc Bau, bcffeit
älterer Sbeil auS beut 14. 3abrbunbert ftaiumt,
enthält in einem ber mittfelißcn Borfäle gu ieiteu
©auptfäleit, in beneu von 1663 bis 1806 ber beut=
jehe :)ieichstaß fid) verfatnmelte, folacnbe lateinifch
unb beutfeh abßcfafetc (Sruiabnuiiß (admonitio) an
bie 'Jtathsherru:
(Sin ieber 9tatb$berr berbo ßath
Bon feines amth* tveßett in Dtath
Soll fein oit alle boß '^Iffcft
Daburch fein ©erbe tvirb betveßt,
5lh3 Jyeinbfchaft, 3orn unb ©cuchelct),
9ieibt, ©unft, ßemalbt unb tprannei)
Unb fein burdtauS ein ßleich perfon
Dem armen unb bent rcidteu 'JO^ait,
5lud) formen für bie ßanb ßcmeiit,
Derselben nuß betraditeit rain,
Dann tvic er richten tvirbt auf erben
So tvirb in ©ott and) ridtten merben
31 m 3uußften Staß nach feinem vatbr
Den er etviß bejd)loffen hat.
3Ratth. Glaubinö über beu Job. ’S foll ?eute
ßcben, heißen ftarfc ©eifter, bie fid) itt ihrem 8eben
ben ©ain nichtb anfechten laffett, unb hinter feinem
bMücfett mohl ßar über ihn unb feilte bünnen 'Beine
fvotten. Bin nicht ftarfer ©eift; ’b läuft utir, bie
Wahrheit gu faßen, iebeb 9Mal falt über’n :)iuden,
tveitit tch Sie anfehe. Unb bod) tvill ich ßlauben,
baß Sie’it ßiiter IVanit fiub, meint man Sie ßcnuß
fcimt; unb bodt ift’ä mir, al^ hätt’ idt eine '?lrt
©eimtveh unb 'JÜiuth gu bir, bu alter Diuprecht Pfört¬
ner! Dafi bu auch einmal foititnen tvirft, meinen
Schmachtriemen aufgulöfeit, unb tnid) auf bcfi’re
Seiten ficber an Ort unb Stelle gur fHuhe gu leßen.
Die 3Utcn foll’n ihn abßebilbet haben alb ’n 3ä=
ßer int 'DL)cantcl ber ^ad)t, unb bie ©riechen ale ’n
3üitßliitß, ber in ruhißer Stelliutß, mit ßefenftem
trüben Blide bie jjadel bebßebenb neben beut ^eid)-
itame aublojcht 3ft’n fdmneb Bilb, unb erinnert
(5iiteit fo troftlid) an ©ain, ferne Familie unb na=
mentlid) an jeineit Bruber: tvenn man fid) ba So
ben Saß über ittübe unb matt ßelaufeit hat unb
fontmt nun ben 3lbenb enblid) io meit, baß ntaito
ßidtt aublöfdten tvill —hat man bod) nun bie s Jiad)t
vor fid), tvo man aubruhen fattn! unb tvenn’obcnu
ßar ben attbern Biorßen ^eiertaß ift!! ’S ift bas
mirflich ein ßuteb Bilb von ©ain; bin aber bodv
lieber beim .Stnoebenmann ßcblieben. So ftcht er
in unfrer fiird)’, unb fo hab’ idj’n mir immer von
fleinauf vorßeftellt, baß er aitf’in Äirdthof über bie
©räber hinkhreite, tvenn eiitb von unb Atinbern o
3lbenbi5 gujamitienidtauern that, unb bie Btutter
bann faßte: ber Sob fei über’b ©rab ßcßaitßen.
(Sr ift auch, fo bünft mir, redtt fd)ön, unb tvenn
man ihn laiiße anfieht, tvirb er gulebt 'ßang freunb'
lid) aubfehen.
SBun bie ©anb, lieber ©ain! unb meitn 3hr
’nntal fonimt, fallt mir unb meinen Jfreuuben
nicht hart.
$er ©ättiefricß. (Sine fulturhiftorifd)c 2Rerf=
mürbißfeit ift ber beinahe fiebeniähvtße foßenannte
©ätifefricß in ber tvürttemberßifdteu Stabt Bad-
naitß. Uiiib 3ahr 1607 verbot ©ericht unb Sath
bajelbft jämmtlichen (Sintvohncrn bao ©äitfchalten,
Bigitized VjOOQlC
3u Hauff.
437
meil bic ©einte au? ben Seibern ßrofeen ©djabeu
anrid)teten. vaten bie Sßeiber fcer©tabt im
3abve 1610 ben ßerabe anmefenben fcer 30 ß Johann
griebrid) um 2lufbcbunß beS Verbots, meil burd)
batfelbe „ihre babenbe 33ett=©cmaub feinblid) {je-
fdjmädjt merben, inbem ftc bicfelben mcfctr jäbrlid)
mit neuen Sehern erfrifdjen, ßcfdjmciße jemals neue
Setten rnadjeu tonnten." ©ie erlangten smar
einen ßünftißen ©efd)eib, allein ber SOtaßiftrat ßab
nidjt foaleicb nad) unb liefe von ben burd) baS er=
baltene Öfeffript fühncr geworbenen SBeibern bie
SRäbelSfübrerinneit iu Serbaft nehmen; bis julefet
auf micbevbotte Sorftclliingcn ber SOBeiber beim
&craoß bie gefangenen Stauen in Stcibcit gefefet
umrbeii; unb bie ©tabt im Sebruar 1612 eine
©änfeorbnung befam.
$oftor: ,,3d) fann aber nid)t finben, bafe ©ie
traut finb f mein Sieber!"
©cbubmad)crmeifter: „$)a§ bin id) and) nidtt,
ßerr 'Doftor; ©ie laffen aber baS ganse Cabrio
©ielcS bei mir anfertigen unb ba bad)te id) mir:
jefet mufet bu ben &errn doftor bod) aud) einmal
SU bir rufen, bamit er auch bei bir etmaS verbient."
3 » 1
pr #«n§ «üb §trt
tauben auf 3oljattuj8beereu«®frätt*er. SBcil
in inelcu ©egenben unjeveS IJaubcS hie 3 ü haiinib=
beeven (vente i'ou sicmlicbctVcbeutuug iit, erlauben
wir uni (io fdweibt bev ©ermantown Hclegvaph)
wicber auf ein einfaches fDiittcl aufnierffain ju nia=
eben, wobunh bie jRaupcn leidit entfernt werben
tonnen. ®ian bcgiche bie Stväucher einfad) mit
SBaffer, hiS biefclbcn red)t burdmäfit finb,«unb mau
laffe bann geliebte flohlcnafd>c birf barauf fallen,
biefc-3 wieberliole mau ein ober swei mal wenn noth=
wenbig, jctcSmal am frühen fDiorgcn. SSäre bie
Quelle bieje3 einfachen SDc'ittel3 nicht fo juverläffig,
fo hätten wir wohl wenig barauf Gerechnet; fo aber—
moditen wir fclbft bie Vrohe bamit. ®ic 'Diaupen
waren unS bereits einen Sag »ovauS; bod) fahen
wir ein, baß bicfeS am Gnbe noch beifer ift, weit eS
bie QSirffamfeit bcS 9)?ittel3 am frhncUftcn entjd)ci=
ben loürbe. .
9inn — nufere Sträudicr würben gehörig burch=
nä§t, gefiebte üohlenofdie barüber geftreut, unb baS
SReiultat lieh niditS ju wünfdicn übrig. ©ie 3tau=
neu verliefen ftd) fofort, unb unjere 3ohanniöbcerciw
©rntc war eine »cllfommcnc unb reidie. ©ie
Stachelbeeren = Stväud)et würben babei überfehcit
unb waren felbitoerftänblid) ganj jerfreffen unb
tonnten beShalb nicht jur SSollfommenbcit fomn.cn.
£uer nun ift ein cinfadjcS iDtittel gegen bie je Veit;
eS ift leidtt ju haben unb toftet nichts alS ein wenig
Arbeit; wer eS nicht anwenbet,' verbient eS, wenn
er feine gute (Suite biefer cblcn Leeren erhält.
Sirljmht. fDfan halte ba3 Vieh mehr unter
©ach. ©ie europäijdieu Farmer ftnb feit lauge
gejwungen, ihr Sßieh hanptjächlich ber ®üngerge=
winnung wegen, ju füttern unb babei hat eS lieh
herauSgcftellt, bah bebedtc^öfeam «ortheilhafteften
llnb. ©ie kanten finb mcht fo foitipielig, alS eS
beim erften 9lnbticf fdieincn mag. Wüte Sduippen
groh genug, um lOOStücf Sftinbvieh unterjubringen,
tonnen für $1000 bis $1500 erbaut werben, ie nad)
ber ©egenb unb ben $reiien für 3J?aterial unb 91r=
beit, ipinreubenbe Vorfchrungen für Ventilation
unb bie Ableitung beS auf baS ©ad) fatlenben ))ic-
geuS follten getroffen werben, ©ie Suttererjparnih
ber ©htete in Solge bet warmen Stallung im2Bin=
a«fn.
Imhi einer
tcr, ift forßfättia veranfdjlaßt morbett, unb beträgt
uiinbcftenS ein Selmtelber flanjen verehrten Ouan=
titat. ®ie Sereituitfl unb baS ^lufbemabven beS
®iingerS uebbvtau ben u;icbtiflftcn Arbeiten beo Sat=
merS. ®ie verluftbrin^entite (vinvid)tunu ift;
loemt ber jDünßcv in einem ßvofecn $of umberließt;
U'O er ßefvievt unb von_ ben Sbicven in ben fictb
etveten K'irb. 3n biefer P'vipvivuife allein ßeben
ie bebcdtcu ©öfe einen ßuten Cvvfafe für baS anße=
leßte Kapital.
3n (Europa, bortu»o man feine Sufcb= ober 9Balb=
ßeaenben bat, uuvb baS SSicb im ©ommer früh
SlcorßeuS auf bie SScibc ßetrieben unb nach neun
Uhr in bie Schuppen ; um jmei Uhr 9?ad)inittaß3
uürb eS U'icbcr nach ber SBcibe ßetrieben.
Sieh ift bann ßcidmfet; unb ber bvenueuben SDiits
taßobifee nid)t au^ßcfefet; unb ber ©ißcntbümer er-
sielt noch ein gut Sbeil ®ütißer. ®ic meiften
©runbeißentbümer in (Suvcpa haben nur meniß
Canb; & ift aber veid) unb fett; nnb ßiit bearbeitet
unb e3 liefert ben Gißcntbümern beobalb einen net*
ten Gvtvaß.
@arteu« ttnb $ü|nrrsud|t für Snutrn. (So
mandie Stauen ober &öd)ter ber Sarmer möditen
aern einiße ®oltav^ oevbieuen unb für biefe u>irb ein
Silatt au3 meiner Grfabrunß von 9hifeen fein. 3m
vorißen Stüblinß loaren e3 vier 3abte; bafe mir bie
Seuubiuiß eineö fleinen Selbes für ben ©arten
überlaffen mürbe. Untere Sfliuilie mar flein unb
id) beforßte alle Arbeiten felbft; fo bafe ich vou früh
^orßcnS biS fpat 3lbenbS su tluin batte. j)ie
^aareinnabmen ivaren ßevinß; abermbt millfoms
men unb feit fahren mar bie iiüd)e jum evftenmale
mit frifcbcu ©emüfen verforßt. 2lufeer bem obißen
bcßaun id) im Sniblinß mit neun Hübnern unb
tonnte fie mit $16 für verfaufte Gier unbjunße
©übner fvebitiren; nebenbei butten nur ßenua für
ben eißeucn Sijd). GS ift vorteilhaft, einiße frühe
Äüfcii, bic im September unb 3lußiift ßefd)lad)tet
ivei'ben tonnen, aufsusieben. SÖeffere 9?efuttate er=
ßaben fid) im näduten 3abre. 3cad) 2lbmß ber
Diethe, Äoften für ©amen unb 2luShülfe betniß
ber ^cinßcminn vom fleinen ©arten $20, aufeevben
©emüfen, bie mir im ©ommer unb SBintcr felbft
Digitized by v^ooQie
438
3u Ijouff.
ebraudften. ©er ©ewinn an flraft unb ©ejunb-
eit läßt ficb nid>t in ©ollarS unb GentS auSbrüden.
©iele icheineit ein 9>ernrthei( gegen eine berartige
jhätigfeit ber grauen au haben, al3 ob bicfclbc in
irgenb einer JBeife erniebrigenb wäre. 3n meinem
eigenen Salle u>ivfte ba$ ©adibeufcn, weldieS für
bie Sicherung be3 GrfolgeS nothwenbig würbe, be=
lehrenb unb niad)fe ben SBunfch nad) Grlangunß
anberer braftifd)er flenntniffe rege.
(9(m. 3lgr.)
Sljätigfeit brr Jrancn. SSenn man auf bem
Sanbe herum fahrt unb eine Sarin autiifft, wo ber
©lab vor bem &aufe fchön unb in gefcbmadoollcr
SBeiie aufgelegt ift, ober aud) in ©täbte, io fanu
man oft ba3 ©erbienft ben Sraucn sufebreibeu.
SBenn bie Svau eutfchloffen ift, bah ber $1 ah oer=
fdjoncrt werben foll, gefrinchtcSmciftenS. 3n©tabt
unb 8aub plant unb müht fid) ein mancher ©Jan«
ah, um fid) unb ben ©einen ba3 Sehen au fviften,
m&hrenb Svau unb Mochtet „au &aufc" manche freie
©tunbe haben. 316er —mar e3 nid>t immerhin
unter ben anterifanifchcn Svauen eine ^crabmurbi-
ung, wenn fie ßefeben mürben mit einem ©efen in
er .fyanb, ©unten ober ©echen. G3 freut mid) au
fehen, bah biefc grofjartige 3bee fo nad) unb nach
aufängt au meicbcn.
9Ba3 für einen prachtootleu ©arten ©ie haben,
faßte bie ©achbarin : 3 a ” «her ^ cr ©arten muh
gepflegt fein. ©er ©ajenplafc ift foßrün, fo frei
oon Untraut. 3lher fie faßte ber 92arf)barin, bah
fie mandnnal in ©arten ßeht, naebbem e3 ßcrcßnct
bat, unb aicht baS Unfraut herauf, bamit e3 nid)t
wuchert unb überhanb nimmt, unb in biefer 3(rbcit
erntübet fie nid)t. S\a, faßte bie Nachbarin, aber ich
fühle fo fdiwadu 3lber bie 8uft ftärft, fie fode nur
©JorgcnS eine ©tunbe hinauSgeheit unb im ©arten
arbeiten. Sie mirb bcmoßcn, ihre ©efunbheit oer=
beffert fid) unb ihr ©arten oerfdwnert fid). ©iefer
Ginfliih ber Srauen befchiänft fid) nicht aufbaS
eißenc ©ehöft, fonbern in oielcn Ovtjchaften haben
bie Stauen baS ©erfdwnern ber öffentlichen ©läbe
unb ©trahen bewirft. ©Jit Saitbbäumen beichte
©trahen unb jdmttige ©arfS finb entftanben burch
ben Ginfluh einiger unternehmenber Stauen, welche
Vereine ßrünbeten unb hier eine jhätigfeit fanbeit,
ßeßen weldje fein ernftlichcr Ginwanb erhoben mer=
ben tonnte. ©Jan benfe fid) bie febattißen Meen
im alten ©atcrlanb, ber ©cifenbe unb Jöauberer
• ift gefchüfct oor ber brennenben ©onnenhifee. Unb
hier auf unfern ©ifeS unb Sanbftrahen tonnten )oir
nid)t ähnliche Ginvicbtung haben?
3m e*re. 3 Gier, 1 jaffe feinen meihen
urfer, 1 jaffe gefiebteS ©Jehl, 2 (Sßloffel ooll fühe
iild), l Sheeloffel ooll Gremortartari, i jbcelöffel
Poll ©oba.
©Jan rührt Gier unb Bildet gut burcheinanber,
bi^ eo leicht mirb, rührt bie ©oba in bie ©Jild) unb
ben Gremortartari in baS ©Jehl, fiebtcS mit cinanber
burch ein ©ieb, unb rührt e3 in ben jeig; man
baeft e3 in einer langen flachen fßfanne unb ueftteidht
ben buchen, uad)bcm man ihn heih au3 ber ©faijne
ßenontmen, mit 3cllt) unb rollt ihn auf.
Silier Gaff. 2 jaffen feinen weihen Butter,
} jaffc ©utter, 2J jajfe ©Jehl, ijaffe fühe ©JUd),
i ^Iheelöffel ooll ©oba, 1 Shceleffel ooll Grcmor-
tartari, ba^ meiheoon 8 Giern unb } Sheelöffel voll
s ^anil(a.
©Jan rührt Bieter unb ©utter gut btird)einanbcr,
bie ©oba rührt man in bie ©Jild), Gremortartari
unb ©Jehl mirb burch ein ©ieb geliebt, unb ba£
SScibc oon ben Giern mirb auf einer fladicn ©dn’ijfcl
au einem Schaum ßefddagen ; nad)bem man ©Jild)
unb ©oba in ben jeig ßetbau, thut man ctioaö
©Jehl unb hernach etmaä Ootn Gierfchaum hinein,
bann mieber etma§ ©Jehl unb hernach mieber etmai
vom Gierfchaum, aulcfet bie 9>anilla; man geht bc=
henbe unb forafaltiß bamit um unb läfet ben&ud>en
eine ©tunbe baden.
®a*S Selbe oon ben 8 Giern gebraucht man für
©olbtucbcn, ben man auf n&mlicbe 3Beife bereitet,
nur nimmt man noch ein frifche^ Gi. ffia^CSjclbc
oon ben Giern ift nid)t foreidjhaltiß rnieba^ SBeihc.
Safoline Cefen. ©ie entfefeliche ^ifee! ©Jit
biefem 3lin3ruf tommt©Jann unbÄinbet iuo©anö;
ba3 ^au3 ift ein mahrer ^öadofen. ®cm mill id)
abhelfen unb ob bie „©aubfrau" millig ift ober nicht,
fie muh fid) fügen unb mit bem ©Jann hingchen
unb fiel) einen Safoliue Ofen anfehen. 9Jun mic
ßcfdllt bir biefer Ofen? ©o möchte mancher fra¬
gen — ich fann fagcit, er cntforicht gana unb gar
feinem Bmed; fein fchmaracr SRtih, feine ©ifee, ein
gut gcfochtc3 Gffcn unb bie ?lrbcit geht natürlich
leichter oon ©tatten; ich fonntc faum glauben, ba§
ich fo gut baden unb braten fönnte in biefem Ofen
loie in einem anbern, imb fo holte id) mir bie Ja¬
nuar ©ummer 1883 ©. u. ©. unb oerfudite e3 mit
Guo Gafe unb loirflid) ber fluchen hätte nid)t beRet
gebaden merben fönnen ut einem SJadofcn, ebenfo
ein flalböbraten. ©ann mafchcn unb bügeln,
man benfe fid)bic©ibe im ©Jonat3uli unb 3(uguft.
biefen Defen fühlt man bie ©ifce nid)t unb
toafdjen unb bügeln ift eine 8eid)tigfcit. ©inb bie
Oefcn fid)cr ? 36 glaube, fie finb. ®a3 hei§t
toer bie ©ebraud)3=3(moeifung befolgt. ©ic ©Joer3
©Jfg. Go. be3 3eme( ©afoline 35apor ©tooe GbU
cago giebt un3 bie SJerfidierung, unb id) hörte un=
längft ©erfoneu fagen: JSir möd)tcn nid)t ohne
biefen Ofen fein, unb ebenfo Svaucn, bie ßeamungen
finb ten ganaeit ®ag in berflüdic au ftehen, unb
bie biefen Ofen ein ganaeS 3«hr hinburch ßebraud)t
haben.
Son maiuherlci Sommerhlttinni. G3 giebt eine
große Bahl fold>cr ©(innen, u>e(d)e am heften ba
gejäet toerben, )oo fie auf wachten feilen; e3 finb
be3 biejenigen, locldie ba3 ©erpflanacn nid)t gut
oertragen ; mau fäet fie au6 gerne aicmlicb fpät im
3ahre, bamit fie, bie in ben erften jagen ihres 8e=
ben3 aicntlid) cm&ftnblich finb, nidjt oon einem plöfer
lid) cintrcffenben yJadjtfroft für immer bahingcraftt
werben.
hierher gehört oor allen anberen eine nnfercr
fdwnftcn ©ddingoflanaen, bie jrid)terwinbe, Ip«»-
maea purpurea L. oon ©übamerifa, mit winben*
bem ©tcngel unb trid)terförmigen ober röhrigeu
©(innen, bie in ben oerfchiebenften Sarbcn oorfom*
men, wie SBeiß, Otofa, 3ufarnat, ©iolctt, ©lau in
allen 3(bftufuußcn, breifarbig u. f. w. ©ie erfchcp
neu au fonniger Stelle oom 3»di bis ©eotember
unb länger, halten fiel) aber nur bei jage offen ; im
©Jonat 3nni gejäet, blühen bie ©flanaen aud) fclbft
noch im ©Joint Oftober.
Digitized by v^ooQie
/
439
äonntagfdiulzj’rhtionrn.
Sonntagrdiut Rektionen.
Sonntafl, 5. Hufl. ?|ofua 20,1—9.
c greiftäbte.
1. 6tma 1445 vor ßhvifti ©ebuvt, liadj
ber Eroberung von gang Kanaan.
2. Ort: Siloh (Oeutjcb: Ort ber 9?ube, ftvie=
bcnSftabt), 17 teilen növblid) von 3evufalem,
SU>ifct>eii Bethel imb Sid)em gelegen. Oortbin
' mürbe baS Lager 3fvaclS mit bei* £iunbeSlabe ver=
legt, bort and) bie StiftSbütte evvkbtet, bie bis gur
SBeguahme ber SuitbeSlabe burd) bic ^bilifter
(1 Sam. 4) bafclbft blieb. OaS bisherige Lager in
©ilgal wirb abgebrochen, hoch ift baS Kap. 9, 6
genannte ©ilpal febmerlid) baS in ber 3orbanSaue
nabe bei 3*rtd)o gelegene ©ilgal (4, 19), bie evfte
JBeifeftation beS SSolfcS nad) bem Uebevgang über
ben 3ovban, fonbern mabvjebein lieber eine 3 biS 4
SHeilen jüblid) Don Sichern auf einer 9lnböhe ge¬
legene Stabt gleidien 9?amenS, mit meiter 9(iiSfidit
nad) allen Seiten unb Jo siemlid) im 9Wittelpunft
beS gangen LanbeS gelegen, al|V Sehr geeignet gum
befeftigten 9luSgangS= unb 9tücfgugSpunft 3fvaelS
bei ber Eroberung. SSon hier auS mar jpeint and)
bie Verlegung beS gangen LagcrS unb ©eiligtbumS
nad) bem nicht mehr alijufernen Silo!) nicht mehr
jo fdjmievig.
8. Siifftfimenhatig: 3miid)cn biejer unb ber
vorigen Lcftion liegt eine Olcibe bebentenber (Sreig=
niffe unb midrtiger Vorgänge: 3 ucr ft bie ©efd)id)te
beS Vertrags mit ben ©ibeotutern, bie heimlich
mit fiift fiel) in ben ©unb mit 3frael einfd)lid)en,
um uid)t glcid) ben übrigen Kanaanitern vernichtet
gu merben, Jomie ihre 33eftrafung für biefen ^Betrug
(Kap. 9); ferner bie Eroberung ber f üb lieben
.©älfte $a(äitina3 burd) bie Scblad)t von 93 e t b =
©oron gegen bie Slmoritev unb ihre dürften
unter ber Rührung beS Königs 91boni^cbef von
3erufalem (Kap. 10), Jomie ber norblid)en ©älfte
bitvdj bie Sd)lad)t am See SBcrom gegen ben
König ?labin von ©agor (Kap. 11). ©nblicb
nad) einem Hcrgcichniß fämmtlicber befiegteu 35olfcr
unb dürften (Kap. 12) bie ausführliche ©cjchicbtc
von ber 25ei*tbei 1 nug beS gangen LanbeS
(Kap. 13 — 19), baS nad) ficbenjähvigein Kampf,
meint and) noch nicht vollftänbig, hoch mcnigftcnS
ben ©auptpläfeen nach; lieh in 3fraelS ©ätibc bc=
finbet. SSaren aud) nod) nid>t alle Stämme über-
mu üben unb auSgcrottet, namentlid) niddbie 9>bi-
lifter im Süben, unb nod) mand)c Heftung von
ihnen bejeßt, Jo mar bedj bie Arbeit im groben ©an=
gen gethan, unb baS nod) übrige Jollte von ben ein=
gellten Stämmen SfvaelS ja in bem ihnen buvd)S
LooS gufallenbeii ©ebictSthcil vollenbS uadigebolt
loerben. Oie SScrthcilung gefdjtebt nad) ©ottcS
Scfebl (4 SWof. 34,17) burd) ben nunmebr etma
bunbert 3abrc alten xi o j ua Jelbft (Kap. 13,1)
unb ben © o b epr i e ft er 61e a f a r (Sohn SlavcnS),
Jomie bie einzelnen StammeSälteftcn (Kap. 14,1),
mobei befonbcrS bic 9tebe KalebS (25. 6—12) hcr=
oorgubeben ift, megen ihreS ftarfen ©ottvcvtrauenS
unb fräftigen ©faubciiSimitheS. 3efet, mo baS
gange Laub auf biefe STöeife in ben fcfteit 23cfi^
JjfvaclS übergegangen ift, joll nun aud) bie Jehon
4 9Mof. 35,6. 9—34 unb 5 ü)lof. 19,1—13 gegebene
9}erorbnung über bie greiftäbte auSgeführt mer-
ben (oal. aud) 2 9)?oJ. 21,13).
4. Borh unto ^adjerfläruiig : 9?cbcte mit
3ofua, nad) 93eenbigung ber i>crlooJnng ber
StgmmeSgebiete unb ber isertbeilung beo 8aubeS
por ber StiftSbütte (Kap. 19,51), co gefeliab ent-
meber unmittelbar, fei’S burd) eine innere Stimme
ober äufjerlid) hörbar auS betn Slllcrbciligften her¬
aus, ober aut einfachfteu unb itatürlidjften burd)
ben 9Muub beS ©obepriefterS (S leafar, bem ©ott
eS burd) baS „8id)t unb 9ied)t" geoffenbart batte,
©ebet unter eudt u.f.m., b. b. beftimmet bie
nachher genannten Stabte für biefen fdjon burd)
9)?oJeS eud) oon mir befannt gemadUen 3u'ed.
UiiperfcbcnS unb uitmijfenb, alfo auS 3rr=
tbum unb ohne böSmilligeu ffiorjafe, etma burd)
einen unoorbergejebenen Bufall, burd) Ungefdjirfi
lichfeit, in ftolgc eines ScifmerHänbniffeS.u. J. m.
5Bor bem (ihm liadifolgenben) 23 l n tr ä d) e v.
Siaebbcin ©ott, 1 9)iof. 9, G, auf ben iüiorb Jelbft
bic OobeSftraJe gefefet batte, loar, fo lange noch fein
gcorbneteSStaatsieben beftanb,biei'ollgiebung
berfelben Sache ber ftaui U ie, unb fiel als heiliges
9tccht, unb batuut auch cbeufo heilige Pflicht gunäd)ft
ben ©lutSpcnoanbten beS ©rmorbeten gu, mie nod)
beut gu Stage bei ben meiften 2>olfern beS Orients,
namentlich and) ben Arabern. Oer begriff per^
Jönlid)er 9tad)e ift alfo oon ber Sad)e völlig
fern gu halten, fic ift vielmehr eine freilich nod) febr
unoollfominene ©efebeSform, monad)ber3Mut*
räd)cr(©ebr. ©oel, ©iob 19,25 mit „©rlöfer" über=
fefet, alfo Joviel alS: ber mir nach bem Stöbe mein
s J?ed)t verjehafft) nad) ©ottcS 9Billen unb in fei=
nein Manien (vgl. 9M. 9,13. 2 Öbron. 24, 22) unb
mit eigener Lebensgefahr an bem 9)iörbcr bie 2Bie=
bervergeltung übt. 3mar finben fid) im ?l. St. and)
Spuren ungered)tcr ffilutrad)?, aber fie merben
immer cntjdiicbcn mißbilligt (l2)?oj. 34. 2 Sam.
3,27—39. 14, 7, bagegen 2Kon. 14, 6). Oie ge =
rechte 9Mutrad)e aber mad)te tcbenfallS bie bei
anbern 35ölfcrn oft fo häufigen, 3nbrbunberte lang
anbaueruben Samilicnfeinbjdjaften k. unmöglich.
Oev vorfäfelidie s Morb fiel, meiln er nicht auS
9totbmebr gefdmb; unbebingt ber ^Mutradie an¬
heim. Um aber einem SMifibraud) ber leptcren
and) bei unvorfäfelidjem Oobtfdilag vovgu=
beugen, ivinben bie Sreiftäbte cvvicbtet. 21>cil
jene alte Sitte, auf einem an fid) ridjtigen ®eban=
fen rubenb, )oeber gang auSgerottet merben füllte
nod) fonnte, follte fie bod) ivenigftenS jo gemilbevt
merben, baß feine graufaine 2i5illfür babei mit
unterlaufen fonnte; gmav mar bev abfid)tlid)e 9Möv=
bev für völlig vogelfvei erficht unb fonnte, aud) ohne
9fod)tSfvrud), von bem ba 3 ti bcvolliiiäd)tigtcii 33lut=
racher evfd)lagen loerben, mo er ihn aud) traf, aber
bem unabfichtlichen lobtfddägcr ivenigftenS follte
Sdmfe vor bloßer Ceibenfchaft, 3orn unb ©aß fo
Digitized by v^ooQie
440
3onntagfd)ul=|ehtionfii.
911 t alS möglid) gemährt merbeu. ®ie hiegit be-
stimmten greiftäbte, nad) 4 9)?of. 35 ,6 unb 13,
fed)S an ber3abl, non benen aber bic 3 hiergulebt
genannten nnb im Oftiorbanlanb gelegenen fd)on
non 9)?ofe felbft auSgclefen morben maren (vgl.
5 SDiof. 4,41—43), mären an ben bevvorvagenbften
ftauptpunften beS 8 anbcS bcrart verthcilt, baft fie
non allen Seiten beffelben leid)t gugänglid) unb in
hödiftcuS fcd)S Stitnbcn gu erreichen maren. 2)ie
Straften führten in geraberßiuie auf fie hin, bamit
ber 93litträd)er bent Verfolgten nicht norlaufcn, burd)
abfürgenbe Aebeitmege guoorfomnten ober einen
ftintcrltolt leaen fonnte; and) muftten bieje Straften
ftetS aut erhalten unb mit 9)Jerfgcid)cn uevfehen fein,
fo baft fid) ber glücbtling nidit nerirren fonnte; beim
anf bem VSege bahin (5ÜRof. 19,6), ober and) bei
gu frühem 35cr(affen ber Tyreiftabt (49)?of. 35,25ff.)
burfte iener ihn tobten. Oamit aber bie greiftäbte
nid)t a 15 Sdmborte für Scbulbiae miftbraud)t mer-
ben fonnten, muftte fid) ber glüdjtling fofort nad)
feiner Anfunft einem©cridjt untergiehen, not bev
Stabt £ hör, alS bem gemöhnlicben Bufamincns
funftSort für berartige Sibungeit unb bort feine
Sache anfagen, b. h. bie Art nnbSSeifc mieeS
babei gugegangen melbeit, bamit man barnach bc-
urtheilen fonnte, ob ein vorfäblicbcr SDforb, ober
nur ein unvorfäftlicftcr Sobtfdilag vorliegc. Unb
gmar gefebah bieS Verhör burd) bic recfttSfunbigcn
priefter unb Aelteften ber Stabt, mar aber
gunächft nur ein vorläufiges, moburd) bem glücht=
ling, menn er unfdwlbig befunben mürbe, erft ein
geitmeiliger Sdmb gegen ben ihm nadnagenben unb
nun vor ber greiftabt mit ihm gufamincntreffenben
'Bluträdier auf folauge gemährt mürbe, bis bie G)c-
meinbe feiiteS fteimathortS, mo bie Shat gefcbehcit
mar (4iWof. 35,24ff.), mieber burd) ihre Aelteften
(5 93?oj. 19,12ff.) bie Sache näher unb enbgiltig
uuterfucht hatte. 9ßar ein abfkhtlicber 3Rorb er=
miefen, fo mürbe er jefetbem 93luträd)ev unnachfidiU
lieh auSgeliefert, unb felbft ber Elitär fchüftte ihn
nicht vor ber gered)ten Strafe (2 9)tof. 21,14), viel
meniger ein ööfegelb (4 üHof. 35, 31); lag feine
Scbulb vor, fo muftte ber Verfolgte bis gunt
Üob beS ft ohepriefterS, ber gur 3cit berähat
baS ^(uit vermaltete, in ber greiftabt bleiben, and)
biefer BwangSaufenthalt, getrennt von feiner ga=
milie, leinem ©efebäft, Vefife k. fonnte nicht
burd) ©clb abgefauft merben (4 93? oj. 35,25), eS
mar eine Art Strafe auch für ben unfreimilligen
Xobtfdjlag. Erft mit bem Stob beS ftohepriefterS
unb bem Amtsantritt feineS 9?ad)folgerS erlofd) baS
Sedjt beS VluträdjerS völlig; er burfte fid) iefet an
bem Iobtfd)läger and) bann nicht mehr vergreifen,
menn biefer mieber in feine 23aterftabt ober ben Ort
ber ihat gurüeffehrte (V. 26ff.), mährenb er vorher
aufterhalb ber greiftabt, bereu fchüfcenbc SWauern er
bloS biS auf eine gemifie fitrge Entfernung vcrlaffen
burfte, feiner ftanb verfallen )var. heiligten
f ie, b. h. fouberten fie auS unb meihten fie gu bie=
fern von ©ott verorbneten 3wecf, unb gmar bieS-
feitS beS 3»rbanS (93. 14). ftebeS (fonft
.stabcS) in ber nörblidjftcn ganbfdjaft 6 )aliläa
gelegen, vgl. ftap. 12,22. 19,37; ber SHame be=
beutet: fteiligthum. ©echem, fonft Sichern, liegt
34 teilen nörblid) von ^erufalem gmifchen Ebal
unb ©arigim, eine ber ältefren Stäbtc beS £anbeS,
fd)on von ‘^afobS Beiten her bemebut. ft iriath 5
Arba, b. h. Stabt beS Arba, früherer fflame beS
' von Arba (^of. 14,15) erbauten ft ebr 0 n, gmaugig
^Dceileu füblid) von ^erufalem (ftap. 10,3) gelegen,
gleid)fallS eine fehr alte Stabt, Vegräbniftplaft ber
Patriarchen; ber 91ame ftebron bebeutet: grcunb=
}d)aft. ©a ?(erid)o liegt, gegen ben Auf*
gang = von Jericho auS gegen borgen, in ber
23üfte auf bev Ebene — in berbürren Steppe
ber amoritifdjen ftochebeue, Sieger, 20 teilen
nörblid) von fteSbon, öftlid) vom ^orban.
Dtamoth in ©ileab,b. h. bie ftöhen von 6 H-
(eab, urfprünglid) ben Amoritcrn gehörig, fpäterbie
SobeSftätte beS ftönigS Ahab (1 ftön. 22 ), 13 9) t 'ei=
len füblid) von Sabbof. 6 * 0 tan im Serben, bem
alten Vafan gelegen, 12teilen nörblid) vom See
©enegareth, ber 9tame (beutfd): ftreiS) umrbe fpäter
bie Pegeidmung ber gangen 8 anbfd)aft 6 )aulauitiS;
alfo and) ienfeitS beS 3orbaitS lagen bie bortigen
brei greiftäbte giemlid) gleid)mäftig verthcilt im
©üben, in ber 9Hitte unb tin 9iorbcn nnb fämmt=
lieh lcid)t gugänglid).
5. $\\r vrflänutg unb Erbauung ift hier nur
noch menig beigufügen:
a) ®er 3Bluträd)er, 93. 1—6: fein Amt ift
nid)t baS ber incnfddicbcn 9tad)e, fonbern ber gött=
lid)cn Strafe nad) bem gerediten 2)?aftftab ber 2Bie=
bcrvergeltung, unb in Ucbereinftimmung mit bem
von ©ott felbft über baS 93lutvcrgieften verhängten
©eriebt, 1 93?of. 9, 6 . 23ir Ehriften freilid) feilen
unb bürfcit niemals unS felber rächen, fonbern haben
baS ©eriebt bem gerechten 63ott, aber and) ber von
ihm verorbneten unbeingefefeten menfchlichenObrig*
feit gu überlaffcn, vgl. 9töm. 13, 4. 6)ott felbft
macht hier aber aud) einen Unterfchieb gunfdjen ab-
fichtlid)er unb unabficbtlicber Sünbe, unb bemge=
mäft auch ber Strafe (2 9)tof. 21,13). Er mill, baft
eS bei allem ehrlich unb orbentlich gugehc, baher bie
Einfefeung ber gerichtlidjen 53ehörbe gur Unter-
fuchnng beS galleS, bamit feine 23illfür unb Seiben?
fdjaft, 3vrn, 9tcib unb ftaft, ftaber, geinbfd)aft
unb bavauS entftehenbe Pavteilichfeit ben &hat=
beftanb venoirrc unb baS Urtheil beftedie.
b) ®ie greiftäbte, 93.7—9: ftier ift haupt-
fächlid) bie finnbi(bliehe Anmenbung auf
EhriftuS hervorguheben, nad) ftebr. 6,18. ©ein
ftveug ift bie rechte greiftabt für ben Sitnber. ®ie
Sünbe bie mahve llvfache nuferer 9toth unb Ver¬
legenheit, 9 töm. 5, 12 . ®er Satan ber Anfläger,
ber itnS verfolgt. EhviftuS ber tvahre ftohepriefter,
ftebr. 9, 11 . 12 , ber gugleid) baS heilige Opfer felbft
ift, unb beffen Sob unS volle greiheit bringt. Aufter
ihm ftnb mir aber nirgenbS uchcr, Apoftelg. 4, 12 .
Aber man muft gtt ihm fliehen in Vufte, 6 )lau-
ben unb ©ebet; fein ©nabenthron ift unS immer
nah, fteht offen unb ift leid)t gugänglich, ben 2 Beg
tviffen unb feuuen mir mohl, aber man muft ihn
aud) mirflid) gehen. ®ort haben mir volle unb
blcibenbe greiheit unb (Sicherheit. 3eigt bic V l u u
rache unS mohl einerfeitS, baft baS üKenfcbculeben
in ©otteS Angeficht etmaS ©erthvolleS ift, aber aud)
anbererfeitS, baft baS iDtenfdjenherg von 9latnr
araufam unb hart ift, fo geigt unS bie greiftabt,
baft ©otteS fteig bem Unfchulbigen eine offene 3u=
f lucht bietet, unb baft er felbft ben ©dmlbigen lieber
rei läftt, alS ftraft» mww er nur ®ufte thwn mill.
Oatnit ift feine ©ercchtigfeit feineSmegS ver¬
lebt, beim ihr ift burd) baS vollgiltige Opfer Shvifti
Digitized by v^ooQie
Sonntogfdjnl^fhtionen.
441
unb fein ftelloertretenbeS geibeit unb©terbeu genug
gethan, mm fann er feine ©nabe uralten taffen.
35er biefe peradffet, für beit bleibt nur ba3 ©cr iet) t
übrigtmb bie etuiße ©träfe, bie ihn bann mit ool=
lern SJedtte trifft, beim ber SBeitfd) ift für fein £hun
unb gaffen oerantwortlidj.
©ottntag, 12. 2ltig. 3ofua 24,14—29.
3ofun ? $ Ic$tc Sage.
1. .Seit: 14. r >o por Ghrifto.
2. ©rt: ©icf)em, swifdtcit ©bat unb ©arisim
(pal. 35.1 unb Kap. 8,30ff.).
3. ^ufammen^aitß: Kap. 21: ©ic 25crorbmut-
ßctt über bie 48 geuitenftabte (4äNof. 35, 7),
welche bttrd) ba3 gaiiac ganb Perthcilt beut ©tainme
gepi, ber ab3 Briefterftautm fein eigenes ©tamm=
erbe erhielt, alS 2Bohnfibe innerhalb ber übrißen
©tamnißebiete bienen füllten, unb gwar perthcilt
nach bem goofe unb mit SRücffidjt auf bie fpätere
3unahnte ber Bcpölfcruitg. 21m ©chlufj bcS Ka=
pitelS ift jtt bemerfen bie 35.45 bcffatigteGrfüllmig
ber göttlichen ©eaenSperheifiung. Kap. 22: Gnt=
(affuitß unb Siüafehr ber ©lamme Stuben, ©ab
unb halb üftattaffe in ihre febon pon 2KofeS ihnen
ienieitS beS 3otbaitS angewicfeite ©eimath. 2[üfita
loht ffc (35. 3) tueßeit ihrer Srctie ßeaenüber ihren
Stübern unb ibre3 ©ehovfaiitS gegen ©ott (pßl.
4 3Rof. 32, 17ff.), er ermahnt fte (25.5), aan$
ähnlid) wie fdjon SKofeS, 5 3)Jof. 13,4, unb feg =
net fte. 2lit ber ©reitje ercidttcn fie (25. 26) einen
2l(tar, ttidff, wie bie übrigen ©tämnte meinen, sitm
3wed eiue-3 eißeneit falfcben ©otteSbicnfte^ fon=
bern nach 25. 34 alS 3cußeit beS geuteiiifamen
tpahrett ©ottcSbienffeS, b. h. alS®enfmal unb
3cichett, ba§ fte ber3o*ban toeber in retißiöfer noch
in politifcher Beziehung Poit ihren Brübern sit tren=
nett permöge. Kap. 23,1 — 24,13: 3ofua3 tefeter
gattbtag: 25ou feinem fdjioereit nunmehr mit Gr=
oberuttß tmb 25erthei(tmß beS ganbeS beenbeten
©agewerf sieht [ich 3tfua in fein Grbtheil (Kap.
19,10), bie ©tabt £bimnatb=3arab auf beut ©e=
fctrgeGphraiut sttrücf, um nad)bem er beit aottlidjeu
23eruf unb Sluftrag erfüllt, iit Stube unb Stieben
feinen gebettSabenb ju feiern; beim heranitaheitbcn
Gnbe perfammelt er aber sunt 2lbfd)ieb nochmals bie
Slelteften (StamuteShäupter), tmb bann aud) baS
ßait3e35olf bei ber SunbcSlabc, um eS nach bem
ßottlid)eit 'Befehl bei feinem 9tmt3antritt (Kap. 1,
1—9)/ ju ermahnen tmb ähnlich/ wieeS auch fdjoit
2Bofe3 int ©efilbe 3Woa6 por feinem ©obe gethan
(5üKof. 1,6 — 30,20), nur in gebräitgterer gorm,
feitt SunbeSoethaititijj mit ©ott m befeftiaen burch
©riuitcruitß an feilte bisherigen ©nabeuführititgcit
tmb 28aritunacit por Slhfall bttrd) 35crmifd)uitß mit
beit Kanaanitern.
4. unb ffiorterflormtg : ©ie ©öfter,
benett eure 25ater (25orfahreit) gebient
haben jeitfeitS bcS 2Baffer$, b. h. bcS
Gttphrat tmb $igri3, ßenteiitt finb alfo bie ©oben,
Sheraphint (1SDtof. 11/ 29. 31,19), bie neben bent
©icitft bcS toahreit ©otteS fclbft in ber gautilie
JharalfS, fo lange»fte tud) in ihrem alten ©tainin-
i Janbe 3)tefopütamien lebte, perehrt würben. Unb
I tu Ggppten, U'o3)tael and)ben eßpptifdten®üt=
j terbienft fid> altgewohnt hatte r Pßl. 3 S)tof. 17, 7
! unb bie ©efdudite mit bem „golbeneit Kalb" in ber
2öüfte. U u b b i e n e t b e nt & e r r it, 3cbooab,
allein unb anSjcblicfjlicb. ©cfctllt eS eud)
aber nicht, bemt fte füllen basu nicht gezwungen
fein, eS fleht in ihrer eigenen freien 25abl, aber fie
felbft muffen ftch iefet entfd)eibcn, welches pon beiben
fte oor$ichen. ©o erwählet euch heute,
noch ehe ihr euch btirch ein fcierlid)c3 25ort bcS 25er-
fpred)eit3 für immer binbet; tu e l d) e nt ©ott,
genauer: tucldteit ©ettern, tucil eS fiel) gegenüber
bem Gineit lebenbigeit ©ott 3frael3 bei ben
Reiben um ihre piclcn tobten falfchcit ©eben
hanbelt, 3ofna meint natürlich nicht, baöbic21>abl
bcr t lehteven ba3 Siidttige tucivc, ftellt fie aber frei.
© t e 91 nt o r i t e r (=“ Bevgbetuohncr), bie frühc=
reit Betuohtter ©pricn3 unb früheften Befifeer be3
hl. ganbeS, Poit ben Kanaanitern abftammenb, unb
al3 einer ihrer älteften unb bcbcutcubftcu ©tantme
oft alS ©efammtbejeidmuna aller Kanaaniter ge=
braucht, tpohnten lettfcitS be3 3prbait3 im Offen,
Stuifcheit bent Slrnott unb 3abbof, tmb tuaren fchon
poit S)fo)c3 befiegt tuorbcit. 3d) aber tmb mein
©attS k.: tu ir tuollcn in icbem Sali, tuie tttttt and)
eure 2l5ahl auSfallctt mag, ©ott bent ©erru treu
bleiben. ®a antwortete baS 35olf, baS in
feinen ©tammeobäuptern tmb -35cvtretcrtt per 3 p s
fua Perfammelt toar. 2ltt3 beut ©ienffhattS,
ber harten KnedtteSarbcit unb bem Srohnstpaitß,
pßl. 2 3)?of. 20, 2. 5 S)^of. 5,6. @ro6e3ci-
d) e n, 35 u tt b er u. f. to. in ber 23üftcntpanbe^
rmtg unb beiGrobcrung be3 ganbeS. 21 uf bem
aattgeit 215eg, 40 3ahre lang; unter allen
Bölfern, alfo namentlich ben 2lmalefitern, Gbo^
miterit, SOioabitcnt, SDübianitcrn, Bhiliffcnt unb
2lmoritern, mit betten fie bisher sn fäntpfen gehabt
hatten. 9(u3geffo§eu Por ttnö, fo bap toir iefet
beit Bobeiv beS hl- gaitbeS betreten, ja in Beffb
nehmen burften. 25 ir auch, tuie btt tmb beitt
©auS, 35. 15. © e it n er t ft tt tt f e r © o 11,
ber ©ott ber Patriarchen, ber BunbcSgott 3iraelS,
ttitb toohl toerth,.ba§ wir ihm treu bleiben (B. 14).
3 o f tt a f p r a d) s u nt 25 o 1 f, er freut fid> uoar
Pott ©erien biefeS GntfdjliiffcS, weih aber toohl, toie
berSMenjcb in augenblidlidtcr Stührung unb ober-
fläd)lid)er Begeiffertmg stoar toohl gerne unb willig
ettoaS perfpricht, nachher aber bodt toieber oft genug
ber 3?erfud)tmg erliegt, felbft bann, wenn er eo ait=
fangS attfridffig tmb gut gemeint hat, weil er ohne
grünbliche tmb pöllige Belehrung sunt galten beS
©utcit su fdttoach iff. 3hr fönitet betn ©errtt
tt i d) t b i e it e it, atiS bloS menfchlidtem 3>orfafe uttb
mit eurer eigenen Kraft, e3 fei beim, baft ihr ettefi
ernftlich unb gaitj eittfchicbett bcfchrct, tmb allem
abgöttifchcn 25efeit ein für allemal gänslidt ben 9lb=
fd)icb gebet, beut $errn allein weihet unb überaebet,
unb er felbft eudt mit ber Kraft feiiteS hl. ©cifteS
basit hilft tmb heifteht mit feiner ©nabe. Gin
eifriger (eiferfüdffiger) 0 o 11, ber nicht mit fid)
bloS fpieleit la§t (®al. 6, 7), nicht fchon eit
to i r b, b. h. fic nid)t eittfad) überfehen unb nur fo
hingeheit laffeit wirb, fo baß ihr alfo nidffetwa
meinen bürfet, mit feinem ©ienft einen 2öaubel int
Sleifd) tmb nad) bett ©ebanfeit unb güffeit eure3
eigenen .^ersettS perbittben ju fönncit. 25ctut ihr
Digitized by
Google
442
SonntagfdjuMVhtionfn.
aber ben ©ernt vcrlaffet, tvaS bet bloS hal=
ber Pefehrung mit» halbem ©latibcn unfehlbar fehr
fcbnell gcjdtehcn tuivb, tueil fiel) bann alobalo ber
ganac Unglaube feftjefct. 23irb er Heb tuen ben,
eine anbeve Stellung alS bisher cudt gegenüber eiu=
nehmen. DJadtbcin er ettdt feitber fo Diel ©u teS
getban hat, tute ihr ielbft, 2>.17ff., uun ihm
gerühmt habt. Darum bebenft eS lieber ttodt ein=
mal, tuaS ihr iefet verfpradtet, ttub nehmet baS ©e=
löbnift euttueber gaita uttb ernft, ober beffer tuicber
gana aurücf, tuen« ihr e3 nidtt uett jianaem ©eraett
uttb mit allen Straften a» halten teft entfdtloffen
feib. Df i dt t a l f o: tuir nehmen nufere Grflärung
(2>. 18) nid)t aurürf, fottbern x., b. h. eS ift
bicS nufere fette, tuohlertuogene Slbficht, tiitb tuir
tuiffen redtt gut, tuuau tuir un3 bamit verpflidtten.
3 h r feib beugen über e tt d) (ielbft) = bei
etiuaigcm ?lbfall uott ©ott unb ben üblen folgen
bcffelben tuerbet ihr tuibet ettd) felbft aeugen muffen,
baft ettd) mit ben Strafen, bie eud) bann bafür uit=
fehlbar treffen müffen, uidttS alS nur euer Dtcdtt ge-
fdtieht, unb ihr euch alfo* in biefem SfaU bie Sdmlb
nur felber juaufdtreiben habet. Die frentben
©utter finb nid>t uott toirflidteit ©öbenbifbern
u uerftehen, bie fie ettua bamalS nod) heimlidt bei
ich geführt hätten, tuie ihre Päter in bei* 2Süftc
(SlutoS 5,25. 2(poftelg. 7,42 ff.), fonft hätte 3otua
fiel) bicfelben firfterlicto hcrauSgcbcn laffeit unb fie
verbrannt, tuie eiitft DHofeS baS golbene Alalb, ober
vergraben, tuie ^afob, 1 DKof. 35,4, vgl. lSaut.
7,4; fonbern eS hanbelt fidt hier bei bem 2>olfe, baS
bamalS im ©roften unb ©aitacit tucnigftcnS ttod)
frei von äufterem grobem ©öbenbienft tuar, tuen«
auch viclleidtt fchon Giuaelite angefangen hatten,
fiel) mit ben ©öttern ber umliegenben ©eiben an
fdtarfeu au machen, tuie eS fpäter baS gai^e 2Solf
that, vielmehr aunädjft um völlige innere 8oS^
fagung von allem hcibnifchcn unb abgöttifchcn
2Berf unb SBefcn, bamit bie ©crseit fielt gaita unb
unbebingt beut Dienfte ©ottcS ergeben. Die 23orte
finb aber abftdttlich fo gewählt, tueil eS gerabe bort
in Sidtem, 3ofep()3 Pcgräbniftplab (vgl. 23.32
unb 2D)?of. 13,19), getoefen tuar, tuo J|afob fchoit
ieneSicinigung feiltet ©aufeS vom ©öbenbienft vor=
genommen hatte, tuo ©ott mit ihm unb fchon mit
Slbraham gerebet unb fidt ben Patriarchen geoffett-
hart hatte, tuo fdton nach bem Giitaug in flanaan
baS ©efeb aufgcridjtet tuorben tuar (Stab- 8, 30ff.),
tuohin iefet von bem nur tueitige Pfeilen füblidt ge=
legeitcn Siloh, ber heiligen Stätte ber StiftShütte,
bie PitnbeSlabe hergcholt tuorben tuar (vgl. au 2?.
26), gerabe au biefem Ort mußte biefe Omnah s
nung hoppelt groben Ginbrucf machen, tueitn fie mit
bcnfelben 2Borten au bcrfclbeu Sadte verpflirfitete,
bie fdton in grauer 25oraeit ber Stammvater beS
©cfdtledtteS hier vollbradtt hatte. Unb b a S 25 o lf
fpradt, jefet auut brittenmal, vgl. SB. 16 unb 21,
toirb baS ©elöbnift feicrlidt tuieberholt. Pfa dt te
einen 2}unb = erneuerte b aß PuubeSverhältitift
3ftael3 mit 3ehovahf unb legte ihnen ©efebe
unb Dl echte vor, mad)te fie aitfS neue au treuer
(Erfüllung ihrer heiligen PunbeSpflichten ver=
binblirft, fidterte jihneit aber auch attf3 neue bie
pünftlidte Grfüllung aller PunbeS re dt te von SeU
ten ©ottcS au, vgl. 2pfof. 15, 25. S dt rieb bie§
a lieb, baS bisher nur münblidt Pcrhanbcltc, inS
©efebbuch ©otteb, b. h. in eine befoubere Ur¬
laube, bie er bem bereits abgefchloffcncn unb in ber
PimbeSlabe vertuahvten ©efebbudte Pfofc3 (5 Pfoj.
31,9. 24ff.) ttod) beifügte. Unter einer Gidtc
ober Sterebiuthe, vielleicht biefelbe, bie fdton 2lbra=
bam33elt einft befdtattet hatte, unb tuo biejer einen’
Elitär erridttete (lPfoj. 12,6ff.). Sdton bebhalb
tuar bieb eine getueihte Stätte (1 Pfof. 35,4), bähet
ift beigefügt: bei bem ©eiligthum beS ©crrit
= im Pereid) beffelbcit. Doch beutet biefer gatij
beftimmtc Slubbunf nod) auf ettuaS mehr hin, nänt=
lidt auf bie ?lntoefenheit, tuenn nidtt ber ganaeit
StiftShütte, bod) minbcftenS ihreS heiligften StütfS
ber PimbeSlabe* bie (nad) 25.1 „vor ©ott getreten")
borthiu gefdtafft tuorben unb eben au biefem gattaen
befonbcrS feierlidtctt Porgaitg hier aufgeftellt tvor=
ben tuar. Soll Beuge fein amifchcn unS,
b. h. tuibcrunS, tuetttt tuir nidtt halten, tuaS tuir
verfprochen. Denn er hat gehöret, neben ihm
tuar ia baS ©efefe verlefeit tuorben; ber Stein ift
alfo alS lebenbiger 3 c,, gc ber SB orte ©ottcS,
2>. 2ff., gebadtt, vgl. ©abaf. 2,11. ^uf. 19,40, er
ift alfo ein beftäubiger DÄahner an baS ©elübbe
tiitb forttuährcnbpr 23aritcr vor feiner Ucbertretung.
9llfo (ent-) lieft 3ofua jc., itarhbeut er feinerfeitS
alles gethan hatte, tuaS in feinem 25ermögcn, 2lint
unb Peruf ftanb, um 3ßuel in ber Drcue gegen
©ott au befeftigen; bie eigene freie SBahl unb ©nt=
fdteibttng ntuft er ihm freilidt eben fo gut, tuie einft
fdton Plofe (5 SRof. 30,15ff.), felbft überladen.
C5*ine förmliche Diicberlegung feincS SlmteS bebttrfte
eS für 3ofua nicht, tueil für ihn nidtt, tuie einft für
PlofcS, ein eigentlicher befonberer SlmtSnadtfolger
von ©ott berufen tuorben tuar; für baS Ginaiehen
in baS ihnen fdton bttrdt’S i^ooS augethcilte Grbe
brauchte Sfvacl feinen Sührer mehr, tuie einft aut
Grobemng beS SanbeS, baS fonnte burch bie ge=
tvöhnlidte StammeSobrigfeit gefdtehen. Dt ad) bie¬
fer ©efdtid)te, iebenfallS nidtt mehr fehr lange
ltadthcr. 1 10 3ahre alt, nadtgetuöhnlidterD?ech'
nuug 10 3uhve nad) Grobem ng beS CanbeS (ftap.
11,18), alfo ettua im 3aftr 1435 vor Ghrifto, nach
ungefähr 18jähriger Dfegierung.
5. 3»r Grflärnng ttttb Grhannitg: a) Die
23ahl, 25.14:15: Die ^orberung bcrSreuc
gegen Sehovah grünbet fidt auf bie Grinncrung
an feine Breite gegen baS 25olf, vgl. SB. 2—13, tvo
3ofua bemfelben bie gante Aictte göttlidter 2Schl-
thaten in feiner bisherigen ©efdtiatte vorhält, alle
bie vielen unuerbienten ©nabencrtueifuugen, bic eS
von DllterS her biS iejjt im Ceiblidteit unb ©cift-
lidteit burch bie ©anb |eineS©otteS empfangen hatte
(ähnlich 5 DMof. 30,15ff. 5, 32). Sind) für unS ift
bie befte, rcinfte uttb ftärffte Iriebfeber beS ©ehe r-
fantS bie Danfbarfeit. Der ©runbge =
b a n f e ift alfo: Streue um Streue! 6)ott tuar euch
treu, fo feib tiitb bleibet nun audt ihr treu gegen
Gk'tt. Grft bieS madtt beit ©ehorfam au einem
freiwilligen; ein bloS äufterlidtatifgeatoungeucr
unb abgenöthigter Dicnft mit tvibcrtuilligcm tint
getheiltcin ©cracit gefällt ©ott nicht unb bringt bent
Wcitfdtcn feilten Segen. 25. 2—13 hat 3oftta ©ott
reben laffeit btirdt feine Sthaten, jeftt rebet er felber:
DaS ©anptgetoidtt legt er auf bic 23 orte ge¬
treu l i dt u nb redtt fdtaf fen, b. h. ohnc©cuche=
lei unb Sdteinfrömmigfeit, in Ginfalt unb 23ahr-
heit beS ©evaeitS unb mit lauterem Sinn. Slcufter-
lidt verehrte ia 3frael ben ©errü fdton iefet, grober
Digitized by v^ooQie
SonntagfdjuUjPrktionett«
443
©öfeenbienft !am nur auSnahmSwcife nod) oor,
aber baS ©era mar bod) ned> nicbt gait 3 unb tutge=
thcilt bcm &crrn übergeben. Sie in bev Sicfe Ser
©eelc jefct nod) im 25cvborgeneit jchlummcrnbe 9?ei=
guna au „fremben ©öttern", ooit ber cv buvd) Rr=
leuchtung beS heil. ©cifteS fehr wohl umfetc, bafe fie
nur au halb aufmachcn unb 3 irael aurSbeilnahme
am ©eibenthum ber 9Jad)baroölfer perführen werbe,
null er womöglid) iefet fdjon im ficimeu erftiefen
unb tobten, barum treibt er ba325olf 31 t einer fönn^
lieben unb feicrlidjcit Rntfdjeibung: entwe-
ber bem öerrn ßau 3 unb Pöllig, ober iefet fdjon
gleich unb beftimmt beit fremben ©öttern ficb au
ergeben. Unb aum 3eidjcit, me lebe 2öah£eroon
ihnen erwartet, acht er ihnen mit feinem eigenen
fluten 33eifpiele ermunternb oovait. ^ijoweg
mit aller ©albheit be3 fletheilten £>ev=
aenS! ©ott ad)tet bie Freiheit an 3 eber=
mann, lägt aud) Gebern bie Freiheit aunt 2 lbfal(
unb Unglauben, freilieb fo, bafe er bann and) bie
©trafen feinet Ungehorfam3 tragen rnufe(93. 19ff
23er baS w i 1t, ber thue eS auf feine ciflenc ©cfahr,
fpare fid) babei aber bie oöllip peracblicbc 9)iühe,
ba n eben and) nod) mm @d)eiu fiel) frommftcllen
unb ©ott unb ber 23clt a n fl l e i d) bienen au mol«
len! 23er aber ein ftinb ©ottcS fein will, ber fei e3
aticb fla n a unb mit ber 9Cbat unb 2 Bahrhcit! 3 d)
unb mein &au3 fprid)t 3ojua alS ber ächte
©auSprieftcr unb&au3oater, ber wo c3 bie RutfcheU
bung fürS höcbfte gilt, für bie ©einen eiutritt unb
mit ihnen Rin untrennbare^ ©anac3 bilbet; auS
biefem frommen $au3rcgimcnt fam bann auch fein
gefegncteS 25olf3regiinent. ©oll’S mit einem 25 o l f e
wohl flehen, muß e3 bei ben fjamilicn unbGmi?
seinen mit bem ©uten anfangen. fürchtet
©ott unb bienet ihm! mit ber ©ottcSfurdjt fangt
aller wahre ©cgcit an; auS ber red)tcn ©eraen3=
riefetung folflt bie rechte ©anblung3weife
gans Pon felber, c3 geht im 9leidj ©ottcS o o n 3 w-
neu nad) 31 n feen, nicht nmaefehrt: ber wahre
©otteSbienft ift eine Slnbetung ©otteS int © ei fte
(pgl. 3oh. 4 » 24 )-
b) Sie Rntfcheibnufl, 25.16 — 18: Sie
muthifle ©prad)e beS ©laubcnS : b a 3 fei ferne
oott uns! Rr befpricht fid) nicht lange mit ftlcifd)
unb 23lut; aber feine SButh barf fein ©trohfeuer
bleiben ! Sen ©errn »erlaffcn fann bloS ber,
ber ihn fchon gehabt hat; SBarmmg oor bem
Stbfall. 2BerSottbcrläßt, ben Pcrläßt©ott auch,
unb wer berrfefet bann über ihn ? 23aS bleibt ihm
bann allein übrig ? Sind) mitten in ber R h r i ft c n=
beit flieht eS ein feineS öcibenthum, wo man
„anberen" ©öttern ftatt bcm red)ten ©ott allein
bient, mögen jene nun kanten haben, wcldje fie
wollen. (93eifpielc:) SennRr iftunfer
©ott, barum hat er ein wohlerworbenes 9techt
auf ttnfcre ©eele: fdwu burd) bic©d)öpfc
ung finb wir fein, noch mehr burd) bie Rr*
löfttna.
c) S t e 23a r n u n g, 25.19 unb 20, ift n 61b ifl;
benn 3ofua weife wohl, wie fchr baS SDtenfchenhera
»on Statur aum 2Banfelntuth geneigt ift, ein
fefteS ©cra fann nur bie ©nabe fd)affen, pgl.
©ebr.13, 9. Um ihnen bie @ad)e ia recht ernft
unb widrtig au mad)en, erinnert er fie an b r e i
23ahrhcitcn: ©ott ift heilig, eifrig (meint unb
nimmt c3 ernft) unb geregt. 9i i d) t g c f d) o n t
wirb bie ©ünbe, wenn unb fo lange fie uidjt in
aufrichtiger 23ufee bereut unb ©ottcS ©nabe in
wahrem unb lebenbigem ©lauben bemüthig unb
heilSbegierig gcfud)t wirb, foubern ber 9Benfch gana
ober halb in ber ©ünbe nod) beharren will; int
anbern Sraüe bagegen ift volle 2>ergcbung möglich
unb anfleboten (Rphcf. 1, 7), ähnlid>e 23arnung
por Dtfuffall unb Soppelheraigfcit. SJtatth. 6, 24.
d) Ser 5Ö u n b, 25. 21—29 : 3cber 2Mmb be¬
ruht auf gegenfeitiger Siebe unb fchliefet 25 f l icfc
ten unb 9tech te in fid) (ausführlich imRinaelnen:
Rhebmtb, 5 rcu obfd)aftSbtinb, 25unbeSgenoffen u.
f. w.) Uufer SunbeSmi ttlcr ift 6 h riftu S;
alS ber ©ottmcnfdj, in bcffcit 25crfou ©ott unS
9Ütenfchen nahe tritt, bafe wir 50tenjd)en ©ott nad)=
fommen fönnen. 3uut ©chlufe wäre hier feht
paffenb ein Dtüdblid auf 3ofuaS Seben unb
Rharaf ter. 3n wiefern perbient er ben Rhren*
namen (25.. 29): „ftned)t beS^errn?" Rr ift wie
faum eiitanberer $clb ber heiligen ©efchid)te frei
pon Rigemoillen, Poll bcmüthigen ©ehorfamS,
flläubigen 25ertraitenS unb gewiffenhaftefter Breite
unb 2>üuftlid)feit in ©ottcS Sienft. 25orfichtig
unb bebäd)tig uw er felbft hanbeln tnufe, benn er
führt beS ©err n Kriege fürbaS 25olf beS £>errn#
ift er raid) unb eutfchloffen, wo ber ©en ihn fchidt.
©ein 93cuth ift Semuthf feine ©tärfe ©lauben,
feine 23ciSheit ©ehorfant unb gurd)t beS «t>errn.
Rin weicbeS, aber hoch nicht weidüicbeS unb fchwäcfc
licheS ©emüth unb ein milbeS .^era pereinigt ftchin
ihm munberbar mit unerbittlicher ©trenße unb
helbenhafter ftühnheit, felbft ©chärfc unb ©ärte
gegenüber ben fteinben ©ottcS, unb bie lauterfte
Rinfalt mit Klugheit unb ©eioaubthcit, wo eS ©ot=
teS ©adje gilt. 3m 9?eichc ©ottcS ift nur ber groß,
ber ba weife, bafe er in fid) felbft nid)tS ift unb b ief e
©rüge hatte 3ofita, wie vielleicht fein ^weiter in
3fraelS ganaer ©ejd)id)te.
©onntag, ben 19. Sluguft. 9iid)tcr 2, 6—16.
gratis 5U)fatt.
1. Einleitung: Sicfe Seftion giebt eine alt
gemeine Uebcrficht über ben 3uftanb 3fra«
elS feit 3ofuaS Sob (etwa 1435 por Rhrifto) wäk
renb ber gaitaen 9Hcbteraeit ungefähr 330
3ahre lang, nicht 450, wie cS itad)9lpoftelgefd). 13,
20fd)einen fönnte. Siefe a» hod) gegriffene 3afel
entfteht nur bann, wenn man eiitfad) alle 3eitan«
abeu im 23ud)e ber 9tid)ter aufammeiuählt, alS ob
ic baburch beaeidmeteuRrcigniffc nach ei na nbet
perliefen, währenb fie bod) in 2Bahrheit vielfach
neben e inan ber herpehen, fo finb a. S. bie
23ebrütfungen beS OftiorbanlanbeS burch
Slmoriter unb bie gelben thaten 3cphthaS unb
feiner 3citgenoffen gleichacitig mit ber 23ebrüct
ung beS 23eftiorbanlanbcS burd) bie
Sßhilifter unb ben Rreigniffen unter ©imfon.
Safe biefe ber ioirflid)e 25erlauf ift,aeigt baS genaue
unb fixere Saturn 1 Äon. 6,1 , hiernach awifd>cn
bem 2luSaug auS Rgpptcn unb bem Scmpelbau
©atomoS 480 3ahre liegen, bapon fönnen aber
Digitized by v^ooQie
444
SonntngfdjuUffktionet!*
auetj bie SMidjtcrscit allein unmöglich 450 fallen, fon?
Vorn nach ben oefrf>ic6tlid) nothwenbigen ^IB^ügcit
für bie 3cit bev SKüftenwanberung, ber Srobevung
KanaanS, bei* 2l>irffamfeit ©amuelo unb bev 9ic=
gicrung ©aul3 unb ©avibS l>od>ften§ nod) 330—
320 Bahre. — 3u 3 ofuaS Sebgetten war 3frae(
im groften ©äugen noch von berfelben ©efinnung
wie fein ftührcr buwbbrungen; feine gange fpätere
©cfcbichte bietet feinen Zeitraum mehr bar, wo e3
turdnoeg von fokbern Sifet fürBehovab, bon fo ge?
wiffeuhafter £reuc gegen ba3 ©efefe, bon fokbein
©laubeiwmutb unb fo ernfter ©ettebfuvdjt bcfcclt
gewefen wären, wie in iener „3cit ber cvften Siebe."
Salb aber würbe c$ anberS, nicht burd) ©ot?
tee, jonbern butdj feine eineue ©chulb.
Son ©ott aub waren ibm alle Sebingungen gu
einem gcbciblidjen 9Solf3? unb (Staatlichen gege?
ben: ein frudftbarcS, herrliche^ 8anb, bie wahre
{Religion, ba3 aöttlid)e ©efefe unb eine Sevfaffung,
bereu unmittelbare^ unfichtbareS föaupt ber &err
felbft unb bereu Seele be3 SolfeS ©ehorfam neuen
ihn mar. ©ie .dufteren Seinbe waren befient,
aber bic inneren nicht: bie Sünbe. Bofug hatte
nod) bor feinem Silbe barauf nebrunnen, baft nach
©otteä auobrücflichcm Scfcbl alle Kanaaniter
auogcrottct werben follten. ?lber ^ifracl folgte nid)t
unb bähet tarn fein gangcS Unglücf: ba3
gange Sud) ber DJichtcr geigt iinSbic Ohnmacht unb
ben ©vuef 3frael3 unb bie S?ad)t feiner ^einbe.
So fdmcll erfüllten fid) in einer gangen 9teibe bon
Unglücf unbSRoth aller 9lrt bie fchon bitrch 3ofua
□c|. 23, 13ff) nebrohten Strafgerichte ©otte3. Sin
ben nod) übrin flclaffcncn Kanaanitern hätte3frael
feine Svene neuen ©ott seinen unb üben follcn, tobt
werben fie ftatt bcffcit ©otteS 3ud)truthcn für fein
ungchorfamcS Solf, (Jtidfter 2, 3. 22. 3,1. 4.),
weil e3 gerabc ba3 wa3 ©ott 5 2)?of. 7, 2—4 aus?
bviicflich bcrboteu hatte, beitnoch that. ©lichter 3,
5—7.) Sticht nur vertrieben fie Die Kanaaniter
nicht, (1, 27ff.), fonbern benünftinten fte ftatt völ=
liner Slubrottiing berfelben vielmehr bamit) fie im
Sanbe auch ferner ungeftört wohnen su lafien unb
blob jinSpftichttg su machen, fonbern fie wohnten
aud) iclbft unter ihnen, traten mit ihnen in Scrfehv
unb ®cmcinfd)aft, ia fie verheira theten fiel)
mit ihnen, ftatt jebe Scrübrung mit biefem entarte^
ten gottlofen unb vcrRudrten ©cfdilccbt gu meiben,
lebten mit ihnen unb ncfellten fid) su ihnen in ber
ennften Scrbinbung al8 Slutofrcuube unb bicii?
ten ihren ©oben, gaben alfo ba3 gtofte SSor?
recht Sfraelo nnb feinen herrlichen Sorgug vor allen
anbern {Rationen, ba$ Solf göttlichen SigenthumS
gu fein, Schmählich bahiit! Sin Bebet that nur noch
ma3 thnt red)t bäudjte, b. h. er hanbclte nur nad)
feinem cineneu Sclicbeu tinb Sortheil (21, 25),
baher hatte ©ott einen ©räuel an feinem Srbe
(Sfalnt 106, 40 ) unb fein Born ernvimmte über
ihn. föatte Sfracl bie Kanaaniter nicht vertreiben
wollen, fo will nun and) ©ott gur Strafe für
Bfrael fte nicht vertreiben (Sidjter 2, 3). Shat
bas 23oif Suftc, fo eimccfte ihm ©ott allerbingS
immer wicber 9t i ch tc r (2,18) ober „fteilanbe" (3,
9. 15), b. h. &etlbringcr, Svlöfer, ßclfcr, aber ihr
Seif taub bauerte immer nur furge Seit, benn Bfvacl
fiel ginn ©auf für bic erfahrene {Rettung immer
U'icber auf$ neue ab (2,19), baher muftte er immer
u'icbcr neue SRotb tommen lajfcn, tote er ia überall,
wo ber SMenfdVfich nicht burd)@üte giehen läftt,ben
Srnft braucht. ©ie Sufte war nicht emft unb
nad)haltin, nicht aufrichtin unb bemüthin nenug,
nur bie fchlimmeit fjolncn ihrer Sftube l'emiten
fie, nicht aber ihre Sd)ttlb(wie 3uba3 iin Uit=
tcrfd)ieb von S e tr uS), ihr © l a u be war nid)t feft
unb beftänbin nemtn unb geinte fid) nicht im Öe=
h o rf a m, barum bauerte auch bae ® l ücf nie lang,
fonbern utad)te bem U it n l ü & immer mieber9tauin.
Slber trofe be3 Selten Untreue bleibt ©ott felbft
ihm immer treu nnb e3 iammerte ihn feiticö 9Jolfe3
(10,16. 2,18) unb er erwerfte ihm immer wieber
neue Reifer. S)ie fHichter hatten alo fein fte?
he nbe8 Slm t, e3 nab feinen eigentlichen Stichler?
ft a n b, fonbern fie wnvbeit nur in au&erorbentlnhen
fallen ber Stoth unb ©efahr icbe^mal neu von
©ott felbft unmittelbar berufen, burd) feinen
Seift vnl. 3, 10. 6, 34. 11, 29. 14, 6. 19. 15,14.
unb au$nerüftet mit feiner Kraft(6,14. 16), oft
nang wiber ihren SBillcn (wie g. S. © ibe o n); ihr
SSerf war alfo gang unb nar ein 2Serf be3 @chor=
fam3 unb be8 ©laubenö, vnl. £cbr. ll,32ff.
Sie waren vor allem Krien^helben unb babei
oft 8eute mit manchfaltiacn Schiern unb ©ünben
(wieg. S. ©im f oit), bie aber bem Stufe ©otte3
tutweinerlicb folnten, felbft mit Scvleunminn be3
eiflenen 8ebett8 (vnl. Kav. 12, 3); man fann fte
neben ben (eigentlichen) fßropheten be3 SBort§,
bie Propheten ber Shat nennen ; wenn fie ihre
Slufaabe n^loft unb ben ©iea crfod)tcn batten, blie?
ben fie auch in Sricbenögci ten meiftnochan
ber ©vifee bt§ 2Solfc3 al3 eine Slrt Obrigfeit bio an
ihren Stob, vgl. 4, 5. Sou ihnen hat ba3 Such
ber Stichter feinen bauten, weil e3 von ihren
^Ehaten berichtet, nid)t aber weil e§ von ihnen felbft
ncfchrieben ifi. ®ie& n^fchah vielmehr erft fpäter,
icboch nach 1, 21 vgl. mit 2 ©am. 5, 6. 7 itocb vor
CDavtbS 3?it, nach iübtfd)er Ueberliefcrung viel?
lcid)t burch Samuel; auch bie ©teile 18,30 weift
nicht nothwenbig auf eine fvätere Slbfaffungetwa
erft nach ber affvrifchen ©efaitgenfchaft gur B^it be8
3efa{a8. ®a§ Such ftcllt hativtfäd)lid) bie
göttliche Sergeltung ino 8icht: wie glücflich
war 3frae! immer, wenn eß bem ©errn folgte uub
wie uitglürflid), wenn e8 ihm nid)t folgte! 93ie
gnäbig war ©ott and) nod) gegen bas ungehorsame
cleube Soll, aber auch wie heilig unb gerecht! ©8
beginnt al3 unmittelbare Sortierung bc3 Suchet
3ofita mit 3ofua§SEob unb ben fogleich barauf fol?
genben Sreigniffen, nämlich bem Krieg ben ber
©tamm 3uba an ber Svifee bev übrigen ©tämme
gegen bie Kanaaniter unter bem KCmig 91 b o n i b c?
3 c t fühtten, ben fie mit fcilfe be3 Stammee © i?
meon befiegteu unb fein 8anb eroberten. Sen?
ja in in bagegeu iftfäumigcv, verbannt gwar Se=
thel, fann aber bie 3cbufiter in 3erufa?
lern unb auf bem Serg 3wn nicht überwinben;
bie anberen ©tämme vollenb3, namentlid) San,
laffen ftch von ben Kanaanitern thcil3 gang ver?
brängen, theilS bulben fie fie wenigftenö in ihrem
©ebiet (Kap. 1). ©arauf folgt Kap. 2 eine furge
3nhalt$angabe be3 gangen Sud)3 unb ein propbe?
tifd)e3 Silb vom fünftigen Buftanb be8
Solfe8 al3 Snid)t feinet gegenwärtige n S er?
haltend. 9luf bie ©trafprebigt be3 auch hier
gleich ju Anfang wie fdwn 3of. ü, 13ff. erfchcinen?
ben Sn ge U be3 ©errn erfolgt gwar bie 3te ue
Digitized by
Google
SonntogfdjttUffktiottcn.
445
beS 9S o 1!@, aber bodi nicT>t über bie ©üttbe fetbft,
fonbern nur über bie gebrohte © t v a f e, baher bleibt
biefe Stifte auch ebne Grfolg, cd wirb nachher mit
noch fdlinttncr (S. 19).
2 . ®ort uitb ©adjcrfläntitg: ©ab 33 elf wort
firf> «eia ffen batte, von beut in ©idem ab*
gehaltenen 8 anbtag, Dgl. bie lefetc Scftion nnb ben
Seridjt 3of. 24, 28 fr. © ie ft ittber 3fra el,
ftebeitber Name beb g a n 3 e n Volfd in allen fei*,
nen 12 ©teintmen alb Nadifommen ber 12 ©ebne
beb einen Safobd. ©ab 8 a 11 b eituutteb'
men, bab fie fcboit feit ettea 15 Rainen erebert
batten, je nach bem ihnen gefallenen 8 oeb sti be*
fefcen. ©e lang ?|ofna lebte, etwa neeb 20
3abre lang, mechte fein pcrfbnlidjer ©infXnfe unter
ben 91 p lteften 3 fraelb fortgebauert haben, bie
beim Gitwtg in ftattaan noct) jungen SBänttcr nnb
Slngcnscugcn aller ©roftthaten ©etteb an feinem
Volf geteefen waren, wie 3 . S. beb Uebergangb über
ben Sorban, ber Groberuttg 3cridwd, ber Unter*
joebuttg ber ftanaaniter x. (ftnr^e Nepetition !)
©er Gbreitnatne „fttted)t beb $crrtt" ift
abfiditlicb beigefügt, um an 3ofuab grobe Streue im
©ienftc ©otted 311 erinnern. 3 n ben ©ren 3 en
jc. ber 33lafe ifl iticf>t genau angegeben nnb üttbe*
fannt. Sti mnatb föered fowiel wie Stimit a tb
©erab (3wf. 19, 50. 24, 30), eine ©tabt in
Gpbraint, 14 teilen Won 3erufalem, Sofuab ®c*
burtbort. ©er Nantc ift beibemal berfelbe, nur
initUmftellungberSucbftaben nnb bebcutet: © 01 t'
ne nft ab t (wgl. Nidder 1, 35: Serg £ercd =
©onnenburg), wabrfdjeinlid) mit bem alten @e*
ftirnbienft ber urfprünglidteit Sewohncr, ber beib*
liijehcn ftanaaniter, 3 ufammenbangcnb. Nad) ben
alten jübifeben ©cbriftaudlegern würbe er aber bei*
behalten ald Grinncruttg an ben ©onnenftillftanb
ald iV'fuct'o ftauptwunber (3oh. 10,12 ff.). © a d
Gebirge Gp braun ift nidtt ein einzelner©c-
birg§ 3 ug, fonbent bofd gante ©ebirgdlaub, wen wel*
(beut bann ber eine Gipfel ©aad befouberd ge*
naitnt ift, weil norblid) wen ihm bad ©rab lag.
©in anbered ®cfd)led)t; bieftinber ttttb
Gnfel won 3ofua§ Beitgenoffen, baft fie aber nicht
fcloft äufterlid), fonbern and) ittncrlidj „anberc" wa*
ren unb swar fdton wiel fddimmere, 3 eigt eben bic
worangehenbe ©trafrebe bed Gugeln ©otted. © a S
bett&errn n i cf) t fa tut te, nämlich and eigener
Grfabruttg wie jene, unb ihn nicht mehr fürdjtetc;
aber nid)t blöd and nnwerfdntlbeter Unteitntnift, fon*
bertt ttad) 3, 7 weil fie feiner wer gef fett, alfo bad
SBcttige, wad fie etwa noch won ihm wufttcit burdj
©örenfagett, wollenbd gatta in ben 3Binb fd)lit=
gen. Semerfcudwertb für ben fcblcdtcn rcli-
S iöfett Buftanb ter Nicbterscit ift, baft ficb wäbvcnb
iefer mehr ald 300 3<tbrc fein Sricfter bereit läftt,
won Sunbedlabc unb fteiligtbunt gar nie bie 'Diebe
ift unb bad Solf böddtend gclegetttlid) einmal
Opfer unb ©ottedbienft hielt, ©ie tbaten in
biefer ftoljeit Verachtung bed $cmt (wgl. 5. 9Moj.
8 , 17) je langer, je mehr übel au bem föerrn,
fielen in allerlei ©üttbe unb ©dtattbe, namentlid)
beit gräulidtften beibnifchcn ©öpenbienft, unb
bienten (ben) Saalitn, b. b. beit werfebtebenen
„fretttben ©öttern" (NJcbr 3 abO ber ftanaaniter, in
bereu 8 anb fie wohnten, obwohl ©ott ihnen bieft
8 attb 311 m Grbe gefebenft batte, unb berer bie um
fie ber wohnten, 3 . 33. ber©prer, ©ibottier,
93?oabiter, Amutonitet unb Vbiliftcr (10, 6). 3e
unb je, b. b. immer aufd neue wieber. Saat
u tt b 31 ft b a r 0 tb (-5 SDJoi. 16, 21), bie ©auptgett*
beiten ber Vhenisicr unb ftanaaniter, fowie ber
©prer, bereu ©ienft mit fdtänblichcr Uugurfd wer*
bunbett war. Namentlich bie Stämme bed Nor*
bend fielen bemfelben anheim; wenn and) ber 3e=
bowabbienft nie gatt3 aufbortc ober formlid) abge=
febafft würbe, erfanntc matt hoch in falfdter Stole=
raus ben ber beibnifdtett Nationalgotter ttebett ihm
nnb alä mit ihm gleidtberecbtigt an unb wermifebte
beibe mit eittanber, wgl. 3 . 33. bie ©efcbichten in
ftap. 17 unb 18. ©er 3wrn be^ ©errtt ift
nid>t ffcifcülicüc 8eibenfd)aft, fonbern heiliger Gifer
gegen bie ©üttbe, alfo wollig geredjt unb wer*
bunbett mit ebenfo heiliger 8 iebe, bie be£ Solfed
twabrcS Sefted fncf)te. ©ab fie bab in, alo wobt
werbiente ©träfe, ©ie fie (be)raubten, b. b.
audplünberten ttttb überhaupt ab3 übermütbige
©ieger, al3 Gröberer bc3 8anbc3 unb ltnteibrütfcr
be3 Solf3 gatt3 ttad) ihrer £>enidier(aiiite bebanbel=
tcn. Serfaufte fie, gab fie in ihre Stadt ttttb
©ewalt, ba er fie bod) ltrjprünglid) 31 t feinem
Gigentbum fiel) erforett nnb erworben batte. Nicht
mehr, wie einft unter 3ofua. 3btten (woraus)
gefagt unb gefdjworett, wenn and) nicht je*
be3mal mit einem befonbertt Gib. (Sgl. 3 3)2of.
26.17. 5 3)?of. 28, 20. 25). 3cbettfall3 waren fie
al|o gewarnt unb©ottc3 ©robtmgen fiitb auch
ohne ©d)wttr al3 9Bortc be3 SBabrbaftigcn fo ge=
wiö unb fiefter wie ber feftefte Gib. N i dt te r au f=
u>edte, ttad) feiner ©ttabe# uin fie nicht gatt3 31 t
©ruttbe geben 311 laffett, fonbern ihnen immer wie*
ber Gelegenheit 3 ur Sufje unb Seffenttta 31 t geben
unb burd) Grweifutta feiltet allmächtigen Seiftaubo
fie 311 banfbarcr uttb gebovfatncv Gegenliebe 311 bc*
wegen. 9Man gdblt ittt gangen 14 foldtc Nicbter,
basu bic Nichtcriit uttb Sropbetin ©e b 0 ra b; boep
regierten fie itid)t ununterbrochen nadteinanber, fott*
bern in längeren ober fütteren 3wifcbcnräumcn,
twic ja and) ttid)t ber gaii 3 e Beitraum al3 burdtatid
nur mit Slbfall uttb ©ottlofigfcit erfüllt 31 t bettfett
ift. Btwifdjen beit Beiten ber Verwirrung unb
Notb gab e3 immer auch twicber Vcriobcn ber Nube,
bc3 ©lücf3 unb ^riebeitd, two fein Nidder ttotbifl
war, ein anbcrcStttal gab c3 twicber tuebrere Nidtter
31 t gleicher Beit in ben werfdtiebenen St Geilen bc3
8anbe3. GS war alfo ein beftänbiger Söedtfcl
wott Abgötterei unb Untcriodtung 3fvacl3, bann
wieber Nücffcbr be3 gesücbtigteu SSolfed 30 feinem
©ott unb Grrettung, bi3 twicber neuer Ungeborfatti
neue Notb unb ©träfe brachte; fo offenbarte ftdj
hier ebenfo ©ottco ©crecbtigfeit im ©cricht
gegen bic Abtrünnigen, ah? feine Samt her*
3 igfcit in ber Segttabigiutg ber Sunfertigen.
3. ^rflärttttg ituW Grbatittng : a)3fracld
© l ü cf, S. 6—10: G3 bauert nur fo lang al3 3fvacl
treu gegen 3^bowab blieb, beim nur att3 beut ©e=
boriatti blüht ber wahre ©egen, wgl. ba*3 fdwnc
Silb be§ frommen in Sf- 1 , 3 ; Sprüche 4 , 18 . ©ie
blieben im Sunb, fo lang fie GotteS gebaebten,
mit ber ©0 ttwergeffe nbeit aber fängt ber Itn*
geborfatn unb ba3 lluglücf an ; bad redtte SOJittel
twiber bie ©ottedwcrgcfienbeit ift bad Attbenfen an
feine © ttabe 11 er wc i f u tt gett unb 8tcbed=
tw 0 b 11 b a te tt, Sf. 78, 4. ©ureb flcifngevcd Gr*
imtertt an bicjelbcn unb beffered Schalten bcrfclbctt
Digitized by v^ooQie
446
SotintagfdjuUfcktioiien.
in einem baut baren ©evjen batte and) bieS
neue ©efcblecbt mehr non beut alten SümtbcS«
ßott toiffen ii ub ihm treuer aithaufleu fonneu: Uu=
baut bic 23ur$el beS 2lbfalleS.
b) 3fvaclS II n ö l ii cf , 23. 11—16. @3 ftainmt
aitS bem 3lbfall, ber tu 23. 12 nad) feinen 3 Stufen
Qc^eidinct iit: Merlanen beS Ferrit, 21 ubeten ber
©open, Grumten ©otteS. ©ie Sborbcit beS ®öpen=
bieufte^r 93). 115, 4 ff. ?tber biefe Uebertrctmifl
fl 1cid) beS elften unb ßrunblcflcnben unter beu Acbn
©eboten fommt and) jept nod) unter beit Ghriftcir,
meint and) nicOt mebr in grober, bodt in feiner
^orut oor (2kifpiele); ift aber and) fo oor ©ott
fl(eid) ftrafbar. Sür Sfrael folgte bie Strafe für
biefeS „Uebelthun nor bem ©errn" (flan. 3, 7), nor
bem er fie bod) fd)oit 5 3)?of. 6,14 ßcmarnt batte,
unmittelbar unb foflleid) ber Sünbe auf beut Stifte
nad); manchmal fann fie and) lanfl auf fid) ivarten
laffeit, fommt aber bann enblid) bod) unb nana
emifj, bemt bie Sünbe ift unb bleibt ber
eitte Sßerbcrbeit, beim ©ott labt feiner nicht
fpotten, unb nur bem ©eborfam ift Seflett
oerheifieu, 5 2Bof. 28, l, beut Slbfall ber Syluch
ßebroht, Sof. 23,16. ©otteS Strafe feil 23u6e
mirfen, Ofll. Wichtcr 10,10—15, bann erbarmt er
fid) auch ioieber oerne, 23. 16 unb ftlaflelicber 3,
31. 32.
Sonittafl, 26. 2ltiß. SKidjtcr 7,1—8.
©tbeoit'S er.
1. -Seit: Gtma 1445 nor ßbrifti ©eburt.
2. Crt: ©er fimael SDi ore b / ober ber „Heine
$ermon", in ber SOiitte gmifchen beut 33crß Sabor
um korben) unb ben 23erflen © i l b o a ’ 3, fotnie ber
Gbene ^eSreel (imSüben) auf beut 2i3cftufer beS
3orbattS im fnätereit ©alilda neleflcn.
8. Bufammeithaitp: GS achen oorber: ©ie Uit*
terbrfufung burd> bie 9)2efopotautier unb bie
Grretttinß bureb 2lthniel (3,1—11), bie Unter-
brütfuitß bureb bic ^Moabiter unb bie ©rrettung
burd) 6 b u b (2$. 12—30),*bie Unterbrütfmifl burd)
bie 93 h i l i ft e r unb bie Grrettuuß burd) S a nt fl a r
(23. 31), biellntcrbrücfuuflburd) bie Sanaan iter
unb bic Srrettunfl burd) ©ebora mit ©ilfe beS
23 a r a f unb ber ^ a c ( (4,1—5,31) nehft bem
hcrrlidjcn SEriuinphlieb ber ociben Grftctt. Sobamt
non Äap. 6,1 an © i b e o n 3 23orflcfd)id>te, ndm*
lieb 23. 1—10 bie Unterbrüefuufl burd) bie 902ibia =
ititer unb bie Gnoctfuitß ^fraelS aur23ufje burd)
Senbuttfl eineS Propheten; 23.11—24bie23e=
vitfiuifl © i b e o n 3 auut Midder burd) bie GrfcbeU
nunß,beS „GitflclS beS £>errn J< (toie ßap. 2,1 ff.)
unter berGicbe (icrcbintbe) an Opbra im ®e«
birfle Gphraint, im Stamme 2)2aitaffe, bei ber
©refebtenne feineS 23aterS 3 oa 3. Gr forbert ein
Beicben ber flöttlidicn Senbuitfl, unb eS mivb ibm
Äit Sbeil bureb baS auS bem Seifen flammenbe
Setter, baS fein Opfer neraebrt auut 2kmetS, bafj eS
ber frerr felbft ift, ber mit ibm rebet unb ihn alS
fein SBerfaeufl beruft unb annimmt; 23.25 — 32:
2US 23orfpiel feines MidderamtS beflinnt ©ibcott
auerft mit Bcrftormtß beS 2kalStentpelS (2lltar unb
fi>aiit) itt Ophva unb Grriddunfl einer ©pferftatte
für ^ebonab, trofe ber bannt oerbuubenen ©efabr
(25. 30), loobei er ftatt feineS ohnehin febon betaut*
lauten MarnenS ©ibeon (ber Süllenbe, SMdbeitta),
beit nod) heacichnenbcrcii ^cvubbaal (2öitar*
ftreitev 25aalS) erbalt aur Gnnuthißunfl unb Stär;
fuitfl feiucS nach 25. 27 anfditßlid) nod) febmadben
©laubeuS; 25. 33—40: ©ibeon fnmmclt ein £ccr
.auS ben norblidjcn Stammen Ziffer, äMaitaffc, Se*
bttloit unb Mapbtbali; aber oor bem 2lnßrifr auf
ben iibcrmächtißen Seiub oerficbcrt er fid) nochmals
beS flöttlichen ©ciftanbS, um feiner ßöttlidjen 2te
rufmifl oollftdnbifl fidicr au fein, burd) baS hoppelte
Bcidjeit au feinem 2Bibberfell. ©iefcS loirb ibm,
obioohl auS einer 2lmoanblunfl beS 5HeinfllaiibenS
fleforbert, beim och nad) ber liebevoll craicbcnbcn unb
aud) auut fcbmadieit ©lattbett ftd) fliuibifl herab«
laffeuben 2BeiSbeit ©ottcS fleioäbrt. 2lbcr toie er
hier ©ott flleichfam ocrfud)t bat, fo Perfud)t mm
auch ©ott ihn ioieber unb ftellt feinen ©lauben unb
©eborfam auf bie 23robe, um bie ßauterfeit feineS
23ertraueitS unb bie Scftiflfeit feiner Sreue au pnt«
feit, ©amit beflinnt bie £eftion.
4. uub 0mhtrf(äruitfl: 9Bit ©ibeon,
auS bem auut Stamm 202 a n a f f e fleböriflett @e=
fcblecbt ber GSritev (vfll.43)2of. 26,30fr. 3of.
17,2) ftammeub, beflinnt bie aioeite 2Seviobe
ber SHichlcncit. ßaflctt in ber erften au'ifd)cit
ben 3citen ber 92oth unb beS firiefleS immer mietet
füracre Seiten ber 22ube unb beS SriebenS a. 58.
ß'ap. 3,30 oon 80, ßap. 5, 51 ooit 40 fahren, fo
bietet bi-: aioeite baS 23ilb cineS fnft ununterbrochen
neu forhodhtcnbeii ßautpfcS. ©enn SXfrael hatte
eS iefet mit einem feiner fddimmften Scinbe, ben
Sliibianitern, au thuu, locflen ihrer furchtbaren
Streitmacht (ftap. 8,10) unb ocrheereitben 3laub-
aüfle(6,2—6), bie fie oon ihrem Stamutlanb im
Süboften oon ßanaan, amifchen bem ©efilbe202oab
unb bem ©olf Ooit 2lfaba attSniber baS flanae öattb
auSbchitten, itt 2,MittbcSflenoffcnfchaft mit anberett
flefdhrlid)cu 22 ach bavoöl fern, beit 21 ut a l c f i t e r tt
unb beit väitbcrtfchen loilben 23ebuincnfthiodruten
beS 232orflen(anbeS (6,3). So loar bie ficbcn-
i d h r t a e U n t e r b r ü <f u tt fl burd) biefelbe (6,
1) eine ber bdrtcften 22othaciten, bie 3fraei jemals
burdjflemächt, unb bie barunt att^ eines ©latilMütSn
hclbeit mie ©ibeon aum SRettcr unb 92id)ter bc=
burfte. Gr macht fid), burd) baS 2ßunbcr am
2Sibbcvfell int ©lauben fleftdrft, oon beut Crt, too
bicfeS fid) creiflnet hatte, frühe auf, alfo ohne
Zaubern mtb Bbflent im ©chorfam, unb lauerte
fid) am 23rtinncn ßarob, b. h. einer Cuclle
bei ber fllcidjnaiitißcn Stabt (2 Sam. 23,25) aut
norbioeftlidicn Slbhaitfl ber 25erflc ©ilboa’S flclefleu#
am Sufte beS SclfenS, auf bem bie Stabt 3eSrcel
mar (1 Sani. 29,1 unb 1 ßbu. 21,1). ©aS feinte
lid)e .^cer baflcflen ftanb ttorblich Pon ihm hinter
ben .’oüfleln ber 28arte im ©rtinbe, beffer:
hinter bem föüflel 9Äovch (i. oben), biS hinunter in
bie loeftlich baooit fid) auSbehnenbc Gbette 3eSrcet
(1 Sam. 28,4). © er &err aber fprach» burch
innere Ginflebiuifl feineS heilifleit ©eiftcS, au ®t =
beon, bem fein &ecr oon 32,000 2)2ann (23.3)
fleflenüber bem ber 9)2ibianiter oon 135,000 ( 8 , 10 ),
oicl au flctn oorfam: ©cS 23olfeS ift mit
nid)ten au locnifl, fonbern im ©eflentheil noch au
o i e l, beim Siracl nt ö d) t c f i d) f o n ft r ü h 5
Digitized by v^ooQie
SönntagfdjuUfektionen.
447
men wiber mic(), wenn feine eigene £eere3*
mad)t beit ©icß erfechten mürbe, währenb hoch alle3
barauf aufommt, bafj tiefer auf eine jo aufjcrorbciit*
ltd)e, wmtberbare unb überutcnfddidje 33eife ße=
Wonnen wirb, bafj aitßeficht3 ber völlißeit natüv£id>cn
Uitmößlicbfeit beffclbcit ein folche3 9iübmcn ßar
nid)t auffoinmen fann, fonbevn 3fvacl Hat unb
beutlid) erfennen mng r bafj bie Grlojuitß nur buvd)
©otte3 &anb ßefdReht Oßf. 44,2 ff.) © o ta 6 it ti n
au3f ehr eien, uaef) Sorfdwift be3 ©cfcbe3,
5 5Ülof. 20,8. ©o werben ßleid) von vornherein auf
bie einfachste, natürlidjfte unb uiißeswuiißcnfte
33eije, b. h. burd) frciwillißcu 5(u3tritt, bie uns
taußlidjeu Elemente au3 bem föccr au3ßefd)icben,
aUe ÜRuthlofcn unb Reißen (wer hlobe unb
veraaßt tft). 93 om ©ebirße ©iteab,
bie3 (amt hier unmoßlidj ba3 int Oftiorbanlanb
ßelepeite unb fonft ßcwöhnlidj mit biefent 9lameit
bcseidmete S3erß(anb awifchcn bem Sanbe Safan
unb bent Rluffe 3al)Gof fein, e3 ift am wahrfchcin*
lichften aitsunchntcn, bafj ein ßewiffer ©heil bc3
©cbirßcS © i l b o a ßcutcint ift (vßl. au 3>. 1), ber
and) beit 9?amcn ©ebirße ©ileab führte, vielleicht
berieitiße, ber im ©cbietc 9Ranaffe*3 laß, au weitem
aud) ba3 ®cfdjlcd)t ©ileab ßchertc, 4 9)fef. 36,4,
unb beffeit anbere ©tammcshalftc ia jcnfcit3 be3
3orbau3 wohnte. Slbct and) jetat, nad) Gntlaffuitß
von mehr a!3 awei Srittcln, wirb )^cn ©ott eine
weitere tro(f)maliße 9(u3jcbcibutiß berer, bie amu bc-
oorftchenben Kampfe nid)t nana tiichtiß waren, am
ßcorbnet, weichet au3fd)licfjlid) nur im Vertrauen
auf ©otte3 £>ilfe allein ßc führt werben feilte (;Vr.
17,5). Rühre fie, biesurüdßeblicbcncn 10,000
(33. 3), a it 3 33 a f f er, an bie am Rufj ber 9ln=
höhe cntfvrinßcntt Duelle (33.1). prüfen, b. h.
bie 9tu3fd)eibunß vornehmen, will bic3inat ©ott
felbft, bamit ©ibeon nid)t ehoa burch cißcuc 33ahl
fchlßreife, er thut c3 aber fo, bafj bie Söctrcffcnbcn
felbft bie 33robe befteheit müffcit. Unb er führte
b a 3 33 o l f h i n a b, ba ber Brunnen .ftarob al3*
halb einen Seid) von 40—50 Ruft ©urchmcffer biU
bet, au3 betn fid) fofort ein aicmlid) ßrojjcr 33ad) er*
ßiefjt, fo hatte ba3 ,s>er wohl Steife basu, bafj fich
alle außleid) auut ©rinfen tticberlicfeen. 33 ie ein
£unt> ledet, b. 1). nicht erft viel Umftünbe
inad)t, fottbern nur ein weniß SSaffct mit ber hohlen
föanb fchövft, nur foviel er aut höd)ftcit 9loti)biirft
brauche uni beit arßften ©urft für beit 9lußeitblid
au ftillen, unb int Stehen fehlürfeu fann, nur bamit
bie am ©aitmen flebenbc 3mtße wieber etwa3 att=
efeuchtet wirb. 33cld)er auf feinet nie
dllt, b. h. ftdj ßana bajtt einrichtet, um recht
bequem unb viel trinfeu au (önitcn, fo baß bev ©uvft
arünblidj ßclöfdjt wirb, auch wenn er babei viel
Beit verliert, Scfetcren ift e3 alfo mehr uin’3 ©riu=
feil, al3 um ben ffamvf au thun, beit Grftcrcn ba=
ßeqen unißefehrt; fie bleiben in voller 33affen=
rüitmiß fteheit unb ßeniefjcn biefärßlicheGrfrifdmnß
nur vorüberqebettb unb in bem fürba3äufjerftc33es
bürfnijj nöthißen fpärlichftcit 50?aße, tutb beweifeit
fid) baburch al3 red)tc, alleseit auttt Jfantvf bereite
unb tüehtiße Streiter (1 Gor. 9, 25 ff.). 51 tt fei*
neu Ort, wo ieber hinßehört, in bie&eintath.
Unb fie, biefe 300 9(u3erwählten, nehmen von
bem nrfvrfntßlid) für ba3 aaitse £>cer beftimmten
fproviant nur fo viel mit fid), al3 fie fclber traqcit
tonnten unb für fid) ßebraud)ten, um fid) nid)t itod)
mehr aufsubalten unb unnöthiß an bcfcbwcrcit.
© i e o f a u n e it finb bie tfricßohörncr, bereit
wohl im ßanacn ©ccr fo viel vorhaitben waren, bafj
ieber ber 300 ein3 befatu (53.16). © t ä r f t e fid)
m i t (ben) 300 3M a n it, b. 1). verfah fid) ßenait
mit fo viel ©olbaten, al3 er itad) be3 £>errn eißenem
Sefd)cib brauchte (S. 7), um 3frael au crimen, ©ie
olle waren, ßleichviel ob fie fonft au ben SMuthißcn
ober Reißen, ben ©tarten ober ©d)wad)cn ßchörtcn,
von e r n ft e m 33 i 11 e it unb a a it a c tu G i f e r
für bie ©ad)e ©otte3 tutb bc3 3>olfe3 bejeclt, unb
bar um ßelaitß ihnen aud) mit bem ^e^lbens
w o r t b e 3 © l a it b e it 3 (93. 20) ber vollftcinbißc
©ieß, wie ber 9?eft be3 ilapitel3 vollenb3 berichtet.
5. f $\\v Grflfirtwß mitw GrDaumiß: a) ®ie
Sielen, 3?. 1—3: 23eaeid)itenb fteht ßleid) au
Slnfaitß hei ©ibeon aud) fein auberer 9}amc:
^erttbbaal mit Sesuji auf fiav. 6, 32, mit
welcher ©hat er fich ßänsltd) unb entfdieben tont
©öfeenbienft abßewanbt unb völliß lobßcfaßt hatte,
©affclbe muß aud) bei un3 voraiiößehen, ehe wir
fahiß unb tüdjtiß finb be3 ©errn liricqe au führen,
unb al3 ©ottc3ftreiter ben ©icß feineo 9ieid)3 au er=
fünivfcn: ©erßerraber fvrach, amh hier
tritt wieber vor allenf eißcneit 33illcit be3 5Dicnichcn
©otte3©huu unb Seiten in ben Sovberflrunb; bie
Sache ift fein, barum will unb muß aud) er
allein Re lenfcit, unb swar ßerabc mit ben 33iit-
teilt unb auf ben S3cßeit, bie aller nienfdlichcn
ftliißhcit, Scrnuuft tiub 33ered)uunß fdmurjtracf3
auwiber finb, abcrßcrabeiu ber jcheinbarcn ©hor=
heit ©otte3 33ei3heit, unb in ber menfchlidien
©chwachhcit feine firaft um fo herrlicher offenbaren.
93^ ö ch t e f i d) v ü h m e it: ©ott uubcrftchct ben
©offdhrtißcn, aber ben ©einüthißcn ßiebt erGnabe.
©urd) einen allau leicht unb nur mit cißcncr SDJacht
ßcwonnencn ©ieß waren fie nur ftola, hodjmüthißr
eitel uttb fichcr ßeworben, aber fie feilen vielmehr
lernen, bafj ©ott für fie ftreitet, al3 ber red)te
^ricßoinann, unb ba§ feine Rechte allein beit ©ieß
ßewinut unb behalt, Vßl. 3?!• B3,19, unb awar nur
nach bem in feine nt gleiche ßcltcnbcn ©runbfafe,
1 ©am. 14, 6. ©adjar. 4, 6 unb 2 Gbron. 14, llff.
3) l ö b e unb v e r a a ß t ift ba3 natürliche 93(cn=
fchenhera nieift in Uitßlüd unb ©efahr, baher ©otr
hier c3 burd) feine wicbcrholtcn 33unberthateu au
ftdrfen unb au ermuthißeit fud)t (vßl. Äiap. 6,36ff.
7,9ff.), um fo unverantwortlider war e3 aber auch,
ba§ troßbeut fo Siele noch feiß unb muthlo3 blie=
ben. 33ie oft ßefchieht ba3 aud) heute nod) burch
unfern filciitßlaubcn unb Unbanf, ber ber „vovißcn
375uüber 11 nicht ßebenft. 9lber ba3 ^)era ift außleid)
auch ein ,,trobiß ©iiiß", übermüthiß unb ruhm=
füchtiß bei ©lüd unb 33o()lcrßehen, barum muß
©ott c3 beitßcn.
b) ©ie 33cnißen, S.4—8: Rum 3Bcrfe
©otte3 braucht e3 allcrbiiißS 3)(iith, hoch häiißt ba3
©eliiißcn von biefem allein ebenfo weniß, al3 von
ber ßrojjcn Bald ab, fonbern von @ottc3 ©naben*
ßeßenwart unb ©eßeit, tutb von be3 9)lenfdjeit felbft=‘
verlcußitcnber vöflißer ©laubcn3l)inßabe an ben
Ferrit, ©ilt e3 be3 ©errit Sache, fo muffen bie
vielen ßalbberaiqen, ©Wißen unb Seraaßten, bie ihr
nur khabett unb bie 5lraft unb Gntfchloffenhcit ber
SOluthißcn fdwcichcu, hemmen unb hinberu würben,
erft entfernt werben, bcfonbcv3 ba, wo e3 einen ent-
Digitized by v^oooie
448
(fljrouik bet ©egenroart.
fcfticbcncn Schritt unb ffautpf für ihn gilt; tu
gricbe nS 3 ci teit maß man ancf> 3ene um bet
Siebe nullen noch trauen, aber für bie &a utpfcä*
taße beS DteicbcS ©otteS taitflcn fie ntcf>t^. 3ene
300 finb ein Porbilb berer, bie alS rcd)te ©otteS*
ftveitcr unb ©immelSpilger frei unb loS Dom
bifebetr ihr Antliß richten naci) ber oberen ©ciinath
11110 ber „flehten ©erbe", für bie cS beißt: „gürchte
bicb nicht!"-— 2Ba3 beS ßbriften ©tärfe in
©d)mad)beit ift, geiflt Phil. 4,13.
(Ül)ronilt ber Gegenwart.
©u$ bie ©irtljc Wolfen. SKcnn bie 3:cmveren3=
leute in ben Per. ©taqfen ©ebvitte jur llnterbrfu&
tutfl beS .battbel3 in beraufebenben ©etränfen tbun,
bann fcbreieit ficb bie SBirthc beider barüber, baß
bie Freiheit bccinträcbtiflt werbe, {eben aber binju:
„3>ie Steflulirunß beS §attbel3 unb Peftcuerung
beSfclbcn taffen mir unS gefallen."
SBill man nun ben &anbcl beftcuern unb regvts
lirett, io febreien fiel) bie SBirtbe wicber bctßer unb
brüllen, baß cS eine unerhörte Ungcredrtigfeit fei#
äcmanbcn beftcuern ju mellen, beut man nicht and)
jußlcirf) (Srlautmiß, nämlicb Siscn 3 , flebe.
SBirb aber gijetu mit bober ©ebübr crtbeilt, mie
3 . 33. tüvilicl) in 3llinoiS, fo fleht baS ©ebrüü erft
recht loS, wie ficb 3cbcrinan überzeugen fann, ob*
wohl viele beutjdje Pürgct beS Staates Illinois
von Fersen für biefe hohe CizcnSgebübr einftebeu.
PJaS mellen bemt bie SBirtbe eigentlich? Offen¬
bar nichts anbevcS alS 8 i 3 c n h für melche fte einen
verfduvinbenb fleineit Petrag oberaut liebften nichts
entrhhten möchten, ober mit auberit 28orten : ©ie
beanjprudten ben vollen ©d)t:ß beS Staates; fie
mollcit nicht bloß bie Pemhtigung ihr ©emerbe 31 t
treiben, fonberit auch, bah baS ©cieß baSfelbc gut=
beißt. ®a3 oerftebett fie iiämlid) unter 8 i$en$,
unb bafür mollett fie eine lächerliche Pagatelle jab-
len. ©ie möchten unter ihre £ büren fteben unb
fid) alS ©oblthäter beSPatcrlanbeSanftaunen laf-
fen, Dem Arbeiter bie (ientS, unb ben Familien baS
Prot ent 3 iebcn, tutfere 3 ugenb vuiniren, bie Armen*
hättfer unb Strafauftalten füllen, unb bafür atiS
rcinftem Patriotismus — einige meitige ®ollarS
bejableit.
2)a3 mollett bie SBirtbe.
3ft eS ba ein SBunber, mctin bunberte unb tan-
fenbe, bie bisher mahnten, man fönne ben&anbel
mit beraitfdienben ©etränfen einfdjränfen, baSPa*
tiier ber Prohibition aufjieben !
Solcher PJaebt, jolcher Unverfcbämtbeit, fold) iiu-
mer gefteiflerten Anumtdjeii, biefem cinßefteifchteit
Sigeitnuß gegenüber fliebt eS im lebten ©runbe
hoch nur ein Mittel, unb baS beißt Prohibition,
Ausrottung beS .panbelS mit beraufebenben ©e*
tränten. Unb bastt mirb cS unter ©otteS Peiftanb
and) früher ober fpäter int ganscit 8 anb norf) fein*
men, iclhft bann, mentt bie politischenParteien nicht
£>aub anleßcn mollett.
Hinr ante ©clfßcnbctt für bie $emofraleu in
Ohio. SÖJan faßt immer unb immer mieber, baß
viele, viele SMänncr in ber bcmofvatifchcn Par*
tei fid) befättben, bie für Diube unb Orbnuttfl atu
Sonntag unb — meniflftenS—tuößlid)fte Pefdjrän*
ftutfl beS föattbelS mit heranfdjenbeit ©etränfen eins
ftünbeit.
28ir mollett foldieS attd) ßertt glauben, betttt bie
Pebauptung fomttit von fllattbmürbißer ©eite,
©eben aber ließen fid) biefe erhabenen ©rutibfäße
in betn bcmofvatifdjen ©ebiete bis beute nur ver¬
einzelt unb feiten.
Seßt haben bie (Deutofraten ©eleflenbeit in 2 )?af}e
bafür aitSutrüdcn. ®cr Panncrträner ber bentos
fratifcbcit Partei ©err^oablv ift ber große 3(bvotat
ber 2öivtbc, melche baS ©cottgefeß, baS fie nur bes
ftcucrt, ummerfen tvolltcn, unb auf ihr Panier ge=
fcbriebcu haben: „freier ©onntaa, unb freier
©rfjnappS?" ®ie Plattform ber Ohio = ©eittos
fratcu ift von Anfang bis 311 (Silbe eine 28ifd)e —
SSafd) voll von SSiberfvrüdteu unb faßt mit ber
Sltiemvfeblttitß cincS 8 in 3 eti 3 ßöfeßeS auch betreff beS
„ftarfen ©ctränfo" bltitmcnig.
S 3 eßt ihr maderett Obinofraten heraus!
(fiue junge $iuVittttiNti>e ÄameuS panbita »a*
mabai bereift gcgciimärtifl alle großem ©täbte Pris
tifcbsOftinbicnS, um Povlefungen 311 ballen über
bie 8 age ber grauen in 3 nVien fomie über bie gc=
cignctften SOiittcl, biefeibe 311 veroeffern. Siefe
äußerft unterridjtele Oattte ift bie 2 :od>ter eines
gelehrten Prahnrinen unb mar einige 3 abre mit
beut Or. Patu vermählt, einem ebenfalls bod)be=
gabtcit Piautt, ber feine ©tubien an ber Univerfität
von Äalfutta ßctttadd batte unb voriges 3 obr von
ber Gbolcra meggerafft timrbe. grau Paubita, bie
bereits burd) ibvett Pater mit allen ©d)äfccit ber
SanSfritliteratur vertraut gemacht morbett toar,
erwarb fid) mit Jpülfe ibreS ©atten auch bie auSges
bebnteften ftenutniffe in ber iitbifd)en ©efchichte
unb lernte barattS, baß vor alten Beiten bie grauen
in Snfcicn fiel) burd)attS nicht bannt begnügten, ihre
Stutiben nur mit ben Angelegenheiten beS ©atiSs
baltS, mit puß ober atlerbanb eiteltt, nichtSfagcnbiit
Älcinigfeitcn auSaufüÜeu, tvie eS jeßt 31 t gefd)ebett
pflegt, fonberit baß fie au ber allgemeinen ©ciftcS*
ftiltur thcilnabmcn unb viele von ihnen fidi einen
SBatncn alS ©elebrte ttnb in ben ©iffeitfcbaftcu
Pemanbevtc 311 ermerben mußten. Paubita 91a*
mabai befißt eine binreißettbc Pcrebtfamfeit, unb fo
viele Anhänger fie einerfeitS für ihr Unternehmen
311 begeiftern verftanben bat, fo viele grimmige unb
erbitterte geiitbfcbafteu finb ihr anbrerfeitS babttreh
entftanben, baß matt fie für eine Aitfmieglerin gegen
bie burd) bie ©emobnbeitett geheiligten ©ebrättchc
beS CanbeS hält. 3)rerfmürbigermeife fiitbet fte
tveit mehr Parteigänger unter beut männlichen @e=
fehlest alS unter ben grauen, für bereit Piibuttß
ttttb geiftige ©rbebung \k fo tvaaer fämvft.
Digitized by v^ooQie
Digitized by
WALDE SKEHL.
Digitized by v^ooQie
)
~ 5ITtbo§m"baS'9riifie1!€ßr*ÜiA Toni ba§ SSefte
bornn ift, c§ ift jene folibe, bauerbafte Sd)ön*
beit, bie nid)t b(o§ fliicblifl für ben erften Stiften»
blidf beftirtjt unb cui$ ber fjerne mit buntem
83
Digitized by v^ooQie
Digitized by v^ooQie
din illuftrirtes Jamilienblntt.
gffter 3$aitb. §eptmbet 1883. Neuntes <&eft.
WaldöAyttkö.
Jlon JUargarete ®rew.
IDalbesrufye, IDalbesf rieben,
IHein £?er3 unb Sinn erqnicfe bu,
£afc träumenb midj bie IDelt pergeffen
3n beiner roeifjepollen Hufy!
Diel Ijeüe Sidjter tanjenb funfein
3 m Sotinenftrafjl pon 21 ft 3U 21 ft,
£id?tgrün bie grnetge mir ftd? neigen,
IDie um 311 formen meine Haft.
Hings ift’s fo tpunberfam, fo jtiüe,
2Tur Häuften leis ben IDalb burd^ieljt,
Die %erbenglocfen ferne Hingen,
€in Döglein fingt fein frofyes £ieb —
<D fd?öner IDalbl So la§ mid? trdumen
Bis mir bas £jer3 poll Sonnenfdjein,
Unb letfr miefy beinen ^rieben tragen
3 n meines Gebens Kampf fjtneinl
JUi$ km SdjmakitlaiibU.
San V.
a, fchön ift e£, baS Scproabenlänble, fo flein
PI eS auch ift neben ben „©röjjen" be§ ®eut»
T fepen 9teirf)eä, fo fcf)öu, baff man es, ohne
fiep gerabe einer groben Uebertreibung fcpulbig
gu machen, fetjon gar manches liebe Wal einen
©arten ©otteS auf Grben genannt pot, unb
einem echten Schmabenfinbe barf eS wohl recht
heimelich ums .frerg werben, wenn eS in ber
fremben gerne feiner gebentt. Schön ift ’S,
munberbar fchön nicht bloS „brnnten im Unter«
lonb", mo ber 9tetfar raufcht unb feine tlaren
Wellen burd) reiebgefegnete gluren, an bid)t=
beoölferten Dörfern unb freunblichen Stöbt eben
ooriiber, gmifepen Wölbern oon Obftbäumen,
fruchtbaren ©etreibefelberu unb meinbepflaugten
fJtebenbngeln ^iitflleiten läjjt, and) nicht bloS
brobeit am ©obeufee mit feinen plätfeberuben
Wogen, feinen bliihenben ©eftaben unb feinem
gewerblichen £>anbels* unb ^afenplafc mit ber
herrlichen gernfiept hinüber m bie Wpenlanb«
fchaft auf bem Schweige rufer, fonbent nicht min«
ber fchön aud) in ber bunflen iannennndjt beS
ScpwargmalbS, wo bie tlaren, frifchen ©ebirgS«
bäcpe rinnen, jefct in tofenbem Strubel über bie
gelfengaden fpringenb, jept ftifl burch faftig
grüne ©ergmiefen unb üppiges Weibelanb fiep
fcplängelnb, iefct laut unb gefdjäftig bie faufen«
ben Sftäber ber Sägemüblen treibenb, ja fchön
fogar broben auf ber „rauhen Wb", beren ©ipfel
pod) aufragen jum fdjmeigeitben 5lbenbpimmel
unb gleich einer iReipe oon Stiefengeftalten oom
£>openftaufen bis ginn ©opengotlern oor uns
flehen, bie ftummeti 3eugen einer glängenben
©ergangenpeit, einer großen ©egentoart unb
mifTS ©ott! noch auf lange 3eit hinaus auch
einer gefegneten 3»fnnft.
3a, fd)öu ift’S im Schmähen(änble, faft über«
all wohin baS ©tige fiept, unb was baS ©efte
baran ift, eS ift jene folibe, bauerhafte Schön«
heit, bie nicht bioS flüchtig für ben erften 9Ingen=
blief befticht unb aus ber gerne mit buntem
83
Digitized by v^oooie
450
Hub bem Sdjmabenlänble.
fjarbenglanje bienbet, fonbetn bie immer aufs
Weue mieber, ohne burch grellen Sfteij flu er»
tnüben, ben Sinn feffelt uub bie Seele erquidt,
weil fie burd) tunftlofe Wmnutfj uub fülle uu<
gefchmintte fiieblicpteit jum £>erjen fprit^t, uub
ohne fidj ungefucht aufflubrängen, bod) immer
wieber in lebeuSbollem Wechfel bei jebem neuen
©lid eine ungeahnte 5Eicfe ihrer oerborgenen
fcerrlichteit offenbart — betreiben uub au.
fpruchSloS wie ein frifcher Walbftraufe aus ein»
fachen fjelbblumen, mit würfligem $>uft unb bem
tühlenben 3Lhau beS WorgenS.
mohnern ift. ©ar lieblich liegt fte eingebettet
jwifchen ben fanft anfteigenben bügeln ber fie
rings in fd)ön gcfcpmungeuen fiinien umfebließeiu
ben IRebenberge, wenn man Don ber „neuen
Weinfteige" auS, bie in tühnen bogenförmigen
Winbungen bon ben „3?itbern", ber berühmten
föeimath beS berühmten fdjwäbifchen Sauer«
IrautS, in ben mulbenartigen $halteffel Stutt«
garts herabfü^rt, auf fie hernieberfcijaut, mit
ihren ragenben SUjimuen unb ihren rauchenbeu
Kaminen, ihrem «ranj bon blüheuben ©ärten
uub fruchtbaren Obfibäumen, bem ©ewirr bon
l. Stuttgart mit ber Stiftdfir$e unb bem alten ©<§lo|.
Qfttr eine furje Schilberung bon „Canb uub
Seuten" in Württemberg empfiehlt e§ fiep wohl
am beften, eine rafche Wanberung bureh feine
©aue flu machen, mit ein paar Streifflügen über
feine flöhen, bureb feine $häler uub einer flüch«
tigen iRaft uub Umfcpau an ben bebeutenbften
©unlten. Wir beginnen wie billig mit ber gegen,
wärtigen „ütefibenfl" Stuttgart, baS, Wie
febon fein Warne unb Stabtwappen, ein ©ferb
mit feinem munteren füllen, befagt, urfpriing«
lidb nichts als ein Stutengarten, b. h. ein ©eftüt
mit ben nötbigen ©ferbeweiben, Stallungen unb
©ehöften war, unb jept bie fchöne fmuptftabt
beS fchönen 2anbeS mit naheju 130,000 <5in«
engen unb bucfeligen ©affen unb ©äBeben im
ffern ber Slltftabt, wo noch ber „alte ©raben"
unb bie bunflen Durchgänge ber „Stabtmauer"
an bie früheren ©efeftigungen erinnern, unb
mit ben breiten, geraben, pellen Straßen unb
geräumigen ©läßen ber neuen Stabttpeile, bie
fiep rings umher öor ben Sporen im greife ge«
lagert unb angefiebelt hüben, hier mit fdjim«
mernben reicpauägcftntteten Säben unb Sauf«
gewölben, ©larlthallen unb f>anbelspäufern,
bort mit herrlich gelegenen ©illen unb proept*
boüen fianbfißen in reijenbem ©efehmaef gebaut,
bie fich bon ber Spalfople ouS an ben $iigeltetten
emporjiehen.
- gitized by
Hus bem 2d)roabenlünbU.
451
Hein SBunber, bafc man Stuttgart feiner eine ©tunbe entfernten, Don Hurgöften nu§ aHer
lieblichen Sage unb herrlichen Umgebung »egen Herren Sauber, namentlich auch 2lmerifanern,
fchon oft, wenn auch öieUeichl etwas liihn, mit ftorf befu<hteit ©abeort Ganuftatt führt,
bem ftoljen tJloreng berglidheu h«t: tuet bon bem unb mit feinen berfchluugenen 28egen, laufchigen
rauheren Worben lornrnt, ben mag eS mohl h»er Wuhcplafechen, herrlichen ©aumgruppeu, fainmt-
gnm erftenmal roie eine ©orahnung uoit bem | grünen 9tafenf(ci<hen, fiirftlich auSgeftatteten ©e«
fonnigen ©üben anmuthen, (neun er in lauer j mächShäufern unb ©lumenbeeten, Seichen, ©ta«
Sommernacht au bem grofeen Scpmanenteich I tuen, ©aDillonS u. f. m. febem ©pajiergünger
hinter bem Wefibeujfchloj; fleht, beffen inannS. i offen fteht.
biefer, h«h emporgefcpleubeter SCBafjerftrahl im j $on bem fepönen „neuen Schloß", ber
milben Wonblicht wie ©ilber glcinjt, unb ihn löiiiglicheit Wefibeiu, in reiitftein unb reichftem
ans ben buntlen buftigen Haftauien, jwifepen | Sicnnaifanceftljl erbaut, bie Huppel beS Wittel«
2. Stuttgart, bie neue QkxrnifonÄfircte.
blühenben Gitronen« unb Orangenbäumen oei«
theilt, bie weißen Warmorbilber wie ftumine
©eifter ber ©orjeit grüßen. 9iur eines fehlt —
©tuttgart hot leiber feinen 9lrtto, fein Wecfar
fliefet erft eine jlarfe hnlbe ©tunbe entfernt bei
ber Sorftabt ©erg an ihm ooriiber, bie aber
burdj eine ©ferbebaljn eigentlich fepon gan;) mit
ber fwuptftabt felbft oerroachfeu ift. 28er bie
ftaubige 6^mtffee oermeibeu unb fiep einen 9ia=
tur= unb zugleich Hunftgeuuß gönnen miß, wie
ihn Dielleicht nur wenige beutfehe £>anptftäbte
barbieten, ber maubert ?u burch bie fcpattU
gen „Anlagen", einem pracptooll angelegten tmb
wohigepflegteu föniglictjen ©arf, ber nach bem
baueS gefchinücft mit einer großen Dergolbeten
3?ür|tenfrone, jmifepen ben beiben ftattliehen
Seitenflügeln mit ihrer faft derfcbmeuberifihen
ffiille unb 3'erbe Don Silbmerfeit aller 2lrt in
©tein unb Sronje, bem geräumigen, founen«
befepienenen £>of unb booor ben „Scplofiplnß"
mit feinen beiben raufcpenbeit ©pringbruitnen
unb ber hohe», fcplanfen „^ubilciumSfäule" in
ber Witte, einem Wonolitp Don febwäbifepem
Scpmarjmalbgranit, beffen ©eiten bie Dtelief«
bilber ber fiämpfe unb Siege ber 2Bürttemberget
unter ihrem tapferen Hroupriiueu unb fpciteren
.Honig 28 i I h e (in gegen ben franjofifepen Grb«
feiub in wohlgelungenen, lebenSDofleu ©ruppcu
Digitized by v^ooQie
462
Hut btm 3d)wabrnlänMe.
unb ptadjtöoller 3lu8fütjrunß in 8rjfltife jeiflen,
gewaljrt man (eiberauf unferem ®ilbe (1) nichts.
Unb bodb ift biefe mit bunten Ölumenparcjuetö
unb $eppid)flärtnerei im feinften OJcfetjmacf au§=
flelejite (vlä^e ihrer flanjeit Sänfte nacf) begrenzt
bon ber ftploollen Jacobe be§ „Äöniggbaui" mit
feiner im ebelften ÜJtafc unb f(affifcfjem formen,
finn gehaltenen Säulenhalle mit ihren fünft«
reichen .»Kapitalen oou ooüeubeter Schönheit,
unftreitig ber fchönfte öffentliche '-ßlajj ber ftaupt«
ftabt, ber beit ftremben faft unmittelbar an ber
Pforte be§ nahegelegenen reidjflefdjmiidten Saljn=
hofö mit feinen hohen, »eitgefpannten, gla§-
bebedten eifernen fallen empfängt unb fofort
8. „©irfclma" bei Ganftatt
auf eine ber derfebrSreicbften unb glangenbften
Cmuptftrafeeu flirrt. ♦
dagegen fiebt man linte ben biden Sdtburm
be§ „alten Schlöffet", tm3 fidb gwar an
Fracht unb ©röfee mit bem neuen nid)t meffen
lann, aber bod) mit feinen 3i nncn / portalen
unb Quabermauern einen ftattlid^en 9Inblid ge*
mäbrt unb jebem Württemberger al§ einftiger
Stanunfip unb Wohnort feiner alten erlaubten
©rafen unb £ergöge lieb unb tbeuer ift, beren
einem, Gberbarb im Sart, im engen Sdjlofebof
mit feiner breiten, gewaltigen Freitreppe, auf
ber man früher felbft gu 'Pferde bi§ auf bie
ringsum laufenbe ©aflerie gelangen tonnte, ein
SDeiifmal errichtet ift. innerhalb be§ £)aupt*
gebaube» felbft befinbet fi<h bie „Scblofetapefle",
ein wahres S<hmudfäftd)en ebelfter Saufunft im
firengften gotbifchen Stpl, mit praebtooflen ©la§*
gemülben in ben boebgewölbten Sogenfenftern
unb Sofetten, mit golb* unb farbenreichem
Schmud ber ßreugbögen unb 3)edenroölbungen,
funftooüen £olgfchnipe*eien an flanjel, Sitar
unb @borftül)len, mo ber berebte Wunb ©erofS,
des Sängers ber „palinblätter", Sonntag um
Sonntag eine dichtgedrängte Schaar um bie
Predigt be§ ©dangeliumS faminelt. 3n ber
Witte be§ Silben erbebt ficb bie altebrtoürbige
Stiftöfirche mir ber ©ruft ber töniglidben
Familie unb ber dergolbeten Mangel, auf ber
eiuft Sreug, ber Reformator Württembergs, da*
lautere ©otteSwort derfiinbigte unb bis oor ßur--
gern ber eble, fromme, auch in weiteren Greifen
tooblbefannte Prälat flapff fein lebenswarmes
3eugnife erfchallen liefe, »o dom ffrange des
runbeit SEburmeS noch jebeit
Worgen unb Sbenb ein Gbo=
ral wie ein FriedenSgrufe don
Oben an baS unruhige Wen*
fchengemübl ba drunten in ben
ftaubigen Strafeen unb auf
ben lärmenden pläpen in bei»
lern pofaunenfcball hernieder*
tönt, roäbrenb nicht weit baoon
in einer anberen 4>auptfircfee,
gu St. 2eonbarbt, 3abr*
gebnte lang in großem Segen
ber geiftgefalbte dichter Ulbert
JJuapp mirfte, an berfelben
Stätte, wo dor ihm unb tbeil*
meife noch mit ihm bie beiden
£>ofader, bie beiden Sieger
unb fo mancher andere au* ber
Schaar ber württembevger
„Pietiften" dom guten alten
Schlag unb don echtem itorn
unb Schrot, bie in ben Wegen
beS fcferiftfunbigeu Bengel,
beS tieffinnigen Oetinger, beS
lieberreichen filier, beS origi*
tielleu Ffottid) u. f. w. einbergingen, unb gemäß
bem 2oofungSwort beS fcbwäbifchen Fünften*
häufet „furchtlos unb treu", bie göttliche Wahr*
beit beS lebendigen ©bnftenglaubenS mitten nn*
ter bem Unglauben unb ber 2iige einer geiftig
tobten Welt aus perfönlicher £)ergenSerfabrnng
predigten. Roch beute blüht unb reift ber don
ihnen auSgeftreute fruchtbare Same in den ftillen
Greifen der fogenannten „Stunbenleute", bie
faft im gangen 2anbe, felbft im fleinften ab*
gelegenen $örflein fidb fammeln unb ohne diel
2ärm als 2id)t unb Saig gu wirten noch nicht
aufgebört haben.
Unb man gehrt in Württemberg nicht bloS
don ben Schapen ber Vergangen beit aus ber
3eit ber frommen SSäter, man gebeult auch diel*
fach in liebewarmem und glaubeuSftarfem Sinn
ber geistlichen Roth der ©egenwart mit ihren
tbeilweife fo gang anberS geworbenen Sebiirf*
niffeit unb neuen SBerbältniffen. So wuchö mit
DigTElzed by c^ooQie
Hu« bem Sd)ttiabrnl8nbU.
453
bet }iinef)utenben SBebölferungSjiffer (Stuttgarts,
wenn auch noch lange nid^t in oöllig geitügenbem
©iafeftab mit ihr, bie 3afjl feinet ©otteSfjäufer
nicht bloS um bie grofje, prädjtige © a nt i f o n S=
t i r d) e (33ilb 2), einer perjüngten 9ta<hbilbung
beS berühmten ©peperer 2)oittS im ebelfiett roma«
nifcfjen SRunbbogen» ober Safilitafitjl aus buntem
©anbftein erbaut, fonbern auch um bie uod) weit
tfjönere rein gotl)if<he 3 o h « n n e S t i r dj e am
ogeitannten „geuerfee", in bent fie fich mit ihren
cbfanleu, bintmelanftrebenben Pfeifern, ©au«
en, ©pijbögen unb ber funfiboll bur<hbrod)enen
S-burmnabel mit ihrer $reujeSblmue fpiegelt,
Fracht im mautifchen ©tpl erbautes, bereit*
hambra nachgeahmtes Sab mit fürftlich aus«
aeftattetem 2uftfd)loj} boü ber foftbarfteti 3?reSfen,
Statuen, Silbwerfen, 3Saffenfamntlungen unb
anberen Äunftmerfeit aller s ilrt. 9liiS ber ffetne
Winft ber „ r o t h e 33 e r g " herüber mit feiner
Heilten gried)if<h*fntholifchen ßirdje, ber 9tuhe«
ftätte ber ebleit Königin ß a t h a r i n a, ber
„Stutter beS 2aitbeS" unb feiner hohen 3SßohI»
thäterin, einer 3ßrhijeffin beS ruffifcbeit ßaifer»
haufeS. $ann brängt fid) in biefem bichtbeoöt«
tertften unb frudjtbarften SanbeStheil $örfd)en
an Dörfchen unb ©tabt an ©tabt, aüe fauber
4. $eilbronn, 3Rarltpla& unb 9tatWauS.
Wo?u noch manche aitbere fchmudlofere S rf bigt«
pläke unb Kapellen, ber ©aal ber eonngelifdfen
©efeflfdjaft u. f. w. fommen.
Stuttgarts niirfjfte Umgebung gehört un»
ftreitig }u beit reisenbften ©egenbett 323ürttem=
bergS. Sor nitS öffnet fich baS liebliche Stedar»
tljbi, bort fteht ber 9t o f e n ft e i n mit feinem
Juititel unb ber fich unmittelbar baran an«
fchlieftettben Häitgebrüde für bie (Sifettbaljn,
bann bie Jöniglidje Silin mit ihren auSge«
behüten ©ärten unb ^erraffen, unb bitrdj einen
Surf mit ihr oerbunben, ber fich theilweife un»
mittelbar am Stedar h'njieht, bie fogenannte
SBilhelma (Silb3), ein Pom ßöitig SBilhelm
mit oerfchwenberifdjem StirtiS unb orientalifctjcr
unb reinlich, gemerbreich unb oerfehrSreid), meift
in ©ärten unb Obftwälberu Derftedt, burch’S
immer mehr fich erroeiternbe Stedartljal malerifch
hingeftreui, halb an bie Stebenhiigel fich an«
lehnenb, halb jroifcheit Saubioälber ober 3rud)t=
felber hingefchmiegt, ein Sanorania, toie eS fich
taum fonftwo auf fo bef^ranftem Stimme bieten
wirb.
Stad) einer anbereu ©eite hin ragt über bem
nahen SubwigSburg, bem fchwäbifchett
Sotsbam, früher ber glängenben Hofhaltung
Pon ©tafen unb Herzogen, jefct einer langweilt«
gen, einförmigen W i (i tärft ab t mit ihren ßafer»
tten unb (S.rfwcrpläjjen, p n § ^ctgbfdjloß © o l i«
tube auf walbbewadjfeiter Höhe empor, eiuft
Digitized by v^ooQie
464
Hus hm $d)roabrnlSitblc.
6. <S($lüäl'iid)e $ocffteii.
ber Sdjauplafc üppiger ^>offefte im ©efd)macfe
2ubmig XIV., aber and) ber „Salon" mit fei=
ner ®rgiehung»anftult uiib baö ftifle $ornttjal
mit feiner non aller 33erbinbung mit ber 2anbeS=
tirdje unabhängigen, unter feinem Sdmtt, aber
and) feinem 3mang beS Staatsfird)entbum»
ftefjenben blübenben freien ©emeiitbe unb ihren
„Suftituten" unbenb'
lid) etmaS meiter eut=
feint bic
$ o f) e u a S b e r fl,
mo ber füpne Oid)ter
S d) u b e r t, ber
Sänger ber „dürften 2
gruft", in £>aft lafl,
unb bereit prad)U
bolle, meitreidjeube
Dhinbiid)^ fid)erlid)
für bie Staat» = ©es
faitgeneit eine gang
bcfoitbere SBerfchär*
fiutfl ihrer Freiheit»«
ftrafe mar.
SBieber nach einer
anberen 9tid)tung I)iit
lieflt baS reigenbe
$) o f) e it f) e i m , bie
jeUifle s 2üabemie für
Sanbmirthfdiaft, frii=
her ber berühmte
Saitbjtfc beS &ergogS
$ a r l unb feinet
//SrangeleS", jenes e. $«* „aöin>imb'
geiftboflen aber eigenfinni¬
gen unb launifchen fürfttidp
^chultneifterS, ber Schil*
tcr’S glängenbeS ©euic in
feiner Öreffur = 2litftalt, ber
„ÄarlSfchule", gunt ®iebigi*
iter auSbilbeit moflte; nicht
allgttfern baboit 2 e o it b e r cj,
bie £)eimath Sdjef lingS,
beS $hilofopheit, unb meiter*
hin SB e i l e r ft a b t, ber
©eburtSort be» 9(ftronomeit
Äeppler. Ood) mir fön*
nen fie hier nicht ade auf*
gähleit, bie mehr ober nttnbcr
berühmten Orte beS ^djma*
beitlänbleS; meber Watb*
fing eit im ftiflen 9iemS*
thal, bie einftige „SPfafa"
ßarls beS ©rohen, ttod) bie
geräufdjDotle Qfabrifftabt g h=
litt gen, nid)t einmal
Wiirttemberg’S ßleinob, baS
Sd)iüerftäbtchen a r b a dj,
föitnett mir eitigeheitbcr fdjiU
bent, mo noch’baS fleine be=
fd;cibene „Sd)i(lerhäuS(e" ftcht, mährenb eS ba»
riefige grgftanbbilb feine» groben Sohnes an
bie äiefibeng abtreten muhte, nur gmet fünfte
am Dtedar mollcit mir noch befuchett, an feinem
Unterlauf $ e i 1 b r o n it, an feinem Oberlauf
bie 2anbeSuniocrfität % ü b i n g e tt.
3n Q e i l b r o tt n, beffen SlathhauS mit
im
Digittzed b yV^ooQle .
Uns brat BdjroobentänMe.
455
feiner fäulengefdjmüdten ©alle unb kreppe unb
ber großen aftronomifdjen Upr (®ilb 4) am
lötarftpluß bei ber alten .Qilianäfirdje ftefjt, boit
ber ein naioes ©eilbronner flinb üoU ®ewun»
berung einem frentben ©afte rühmte: „Sie ift
»oit Stein, unb ift pier gemadjt," erinnert ber
fdjon tjalbjerfaflene „©öiientfjurm", fomie baS
nabe, an beut »on hier an für tleine $ampfboote
fdjiffbaren jjrluß gelegene, malerifdje Soolbab
3 a r t f e I b an ben gelben be» ®auernhiegS,
ben ©oft »on ®erlidjingen „mit ber eiferneit
©anb." 64 ift ein gar munteres, leidjtlebigeS
nnb luftiges ®öltleiii, fdjon mit bem tufdjeren
fräntifdjeh ®lut »erfeßt, baS bort auf bem
Saljbergwert SßilhelmSglüd. $ort fieljt
man noch manche originelle SSolfötradjten ber
alten „Sieber", toie fie ber ©ochjeitSgug auf
»ilb 5 geigt, bie ®raut mit ber fogeminnten
„Sdjappel", einer Jhone aus Jlitlergolb, unb
bie grauen in ben großen, bopen „Ühibhaupen"
»on fdjwargem Sammet mit Silberfdjniiren unb
einem fdjleierartigen Seibenflor. Sftodj näher
gegen bie mürttembergifdje ©renge bin liegt baS
fonnige Saubertfjal mit bem ®abe e r g e n t»
1) e i tu, bem früheren SeutfdjorbenSftift.
SBrniger milb unb marm als in biefen an»
muttjigen 9?ieberungeit ift es auf bem Schworg»
toalb. Seine fdjönften ®artljien unb büdjften
„Sßartberg" mit feiner herrlidjen Qrerufidjt um
große Sencr tanjenb, unter munterem Sang uitb
Älang feine berühmten ©erbftfejle feiert.
3n lurjer ©ntfernung ift 2Ö e i n § b e r g mit
feiner „Sßeibertreue" unb bent traulidjen Siebter»
beim beS gemüthootleu „©eifterfeljerS" 3 u ft i»
nuS ferner, baljinter bie Dhiiuen »on
fiötueitftein unb ain f^uße berfelbeit boS alte
Jtlofter 2 i dj t e tt ft e r n, jeßt eine StettungS»
anftalt für »erroabrlofte Äinber, unb ein Sinnen»
fcfjullebrerfeminar nadj bem SJiufter »on „®ater
geller" in ®cuggen bei ®afel, and) einem „roürt»
temberger fDtagifter", eingerichtet.
SBieber ttidjt aUjuroeit entfernt ift ba§ „©oben»
lobifcbe", bauptiadilidj »ber bie frühere fReidjS»
ftabt ©all mit ihrer fdjönen IDtidjaeliSfircbe,
ihren wohleingeridjteten Salinen unb bem nahen
©ipfel finben fi<h aüerbingS nur im füblidjen
Sljeil, im „babifdjen Oberlanb", aber muh ber
nörblichen fdhtoä&ifc^cn ©älfte fehlt es nicht an
2anbfdjaften »on eigentfjüntliebem üteij unb
tfjeilmeife wilbromantifdjer Schönheit, ©ier
hören bie fünften ©iigeljiige mit ihren meinen
SBellenlinien auf unb machen fdjrofferen ©oben
unb ftcileren Reifen ®laß, alle bebedt mit ben
buntlen immergrünen Sonnenwalbnngen, bie
»on tiefen ©iufdjuitten, enggerounbenen Sh»lern
unb fdjmalen Dlinnfalen burcfjgogen, in benen
bie 2öilbbä<be »oin ©ebirge hemieberfihäumen,
meilenroeit, oft itumnbfebbnren flächen, SBipfel
an SCßipfel unb Etamin an Stamm, barunter
gewaltige ütiefeit, bie fogeminnten „©ollänber",
bie in ungeheuren flößen beu dibein hinab nad)
©ollanb auf bie Schiffswerften gehen, fid) aus-
Digitized by v^ooQie
456
Hub brat SdptmbralSnble.
beljnen, mit ihren bitten ©Ratten, ihrem fdbwel«
lettben '©tooSteppidß, ihren nabelglatten tjuß«
pfaben, ihren taudhenben Kohlenmeilern, ihren
Üppig roucßernbeii fjeibelbeerbüfdhen unb ihrem
erquidenben fjargbuft. ^rifcpe 8uft unb frifdjeS
SBaffer giebts h' er in £>ütle unb ffülle, unb roer
ein roeltfrembeS unb ftaubfreieSSluSrubepläßchen
für heile ©ommertage, ein ftilleS Slfpl aus öärm
unb Unruhe heraus fudßt, ber finbet eS ftcßerlich
hier hei bem einfachen armen fleißigen ©ölflein
ber ©dhwargmälber, bie freilich, wie ihre £>ei*
moth, auch mamhntal etwas Rauhes, Hartes
8. 8i<$t«nfletn.
unb ©dßroffeS haben fönnen, unb biel ber»
fdjtoffener, faft unzugänglicher finb, als fonft bie
„gemüthlidhen" ©chroabeit im fröhlichen, freuitb«
ließen Unterlanb ober audh im lebensluftigen
Oberlanb mit feinem frifdjen, freien, genuß«
jiihigen Rtenfcßenfchlag.
freilich barf er bann nicht gerabe nadh bem
belebten unb berühmten SB i 1 b b a b gehen
(Silb 6), baS einft bem ftreitbaren (Sberfjarb
bem ©reiner mit feinem mannen Ouell bie
SBunben heilte, bie ihm manch erbitterter Kampf
feines fehbereichen fiebenS fcßlug, jeßt aber ein
großartiges ©tobe« unb SujuSbab geworben ift,
wenn er bie echte unb unoerfälfcßte ©cßwarg«
roalbnatur genießen will, foitbern in eines ber
Heineren unb bodfj fo ungemein lieblichen unb
heimelidben ©abeörtlein wie Üeinad) mit ber
©urg 3 a o e l ft e i n, Siebengell, Herrenalb,
aüe nicht weit entfernt bon 6 a l m, wo ber
„©tiffionSbater" $r. S a r t ß wohnte, wirlte
unb fiarb, unb nom Klofter & i r f a u mit feiner
berühmten Ulme, bie aus bem gefallenen ©e=
mäuer heroorgemadhfen, bie gange Ruine male«
rifdh überfdßattet, ober er muß beim frönen
©tabtlein Qf r e u b e n ft a b t ben hohen Knie«
bis mit feinem RuSblid auf ben Rhein beftei«
gen, ber wie ein ©ilberbanb am fernen Hori«
jonte fich hingießt.
©alb nachbem baS fdem liefe
©cßwargwalbfinb, ber Stedar,
feine ©ergeSheimath oerlaffen hat,
fließt er, noch felbft ein feder,
„flotter ©urfeße", am alten SE ü =
hingen oorbei, beffen ©cbloß
„Hoßentübingen" unS©ilb7geigt.
©on bem hinter bemfelben ge«
legenen „©cßängle" fdhmeift baS
Sluge hinüber gu ben blauen Ser¬
gen ber ©chwäbifdhen Sllb, wo
gang befonberS freunblidh bie oieü
befudßte unb auch bielbefungene
„SBurmlinger Kapelle" herüber«
fieht, währenb fict) oom „Oefter=
berg" aus ber ©lief ins ftille, ro»
mantifdheSlmmcrthal öffnet. Un«
ter ben „alten Käufern" oon Sü=
hingen, bie faft unmittelbar am
ftlußufer in ber „Stedarhalbe"
liegen, ift unftreitig baS berüßm«
tefte baS „theologifcße ©tift", aus
Welchem feßon fo manche „©röße"
herborgegangen ift, nicht etwa
bloS ein Hegel, ein ©trauß
unb ©aur, fonbern auch ber ori¬
ginelle ©dhriftforfdher 3oß. $ob.
©ed, ber grunbgeleßrte ’&or«
ner, ein Köftlin, ©ßriftlieb unb
Wie fie alle heißen mögen, bie ©er»
treter ber tßeologifcßen Söiffen«
fdßaft, bie faft jebe ber bebeutenberen beutfdhen
Unioerfitäten fich aus bem ©cßmabenlanbe ge¬
holt hat, unb bie ihren Seßrftüßlen fäinmtlidh
gur 3ierbe gereichten unb in ihrer perfönlidhen
Söirtfamfeit wie in ihren Schriften ben SemeiS
liefern, baß, wenn eS eßebent gum Rußm unb
gur @ßre ber ©eßmaben gehörte, im Kriege baS
Reichsbanner borantragen gu bürfen, jenes
graue, ehrmürbige „©tipenbium", baS ber
fromme fjergog ©priftof aus einem Sluguftiner«
flofter in eine ©flangftätte afabemifd)er ©tubien
umgefeijaffen, noch heutgutage bafiir forgt, baß
ihre Racßtoinmen auch auf ben ©dßlacbtfelbern
geiftiger Kämpfe nnb ©ewegungen noch nicht in
ben ießten Reihen unb im Hintertreffen fteßen.
Digitized by v^ooQie
Hus brat SdpoabralSnble.
457
Stuf bem „©öbrb", baS mit einer mehrfachen male beS SJtittelalterS, teiber mit noch unbolU
fcbattenreidben Saumreibe eingefaßt ift, erbebt enbetem 2burm, aber mit einem SJtitteUScbiff,
jtdb baS $enfmal beS Patrioten unb Sinters baS höher als baS irgenb einer anberen Äirche
Subroig Ubtanb, unfern ber langjährigen 2)eut(<hlanbS ift, felbft ben Kölner 2)ont nicht
Stätte feines ©irfenS, fein ©rab liegt nicht weit ausgenommen, unb einer ©runbfläcbe, bie einen
bon bem be§ 2oitfeßerS unb 2)ireftorS ber ,,2ü» Sißraum für 15—18,000 ©erfonen barbietet,
binger Siebertafel", Sriebridb Silcher, Stur ein Heines Oenfmal ber Slcbitettur inner»
be§ gemütbbollen Sängers ber „Soreleb" unb halb beS fcbroäbifdben SanbeS, bodb fdfjon bicbt
ber „Sdbmäbifcben ©olfsiieber" unb in ber Stäbe an ber bnbifdjen ©renje gelegen, ift ihm noch
rubt audb bie eble unb finnige ©rjäblerin 0 t» ähnlich, ja ebenbürtig: bie alte Gifterjienfer»
tilie SBilbermutb, berengaftlicbeS©oljn» Slbtei ©taulbronn bei ©retten, bem ©e»
bauS manch fröblicbem (freis junger £erjen jum burtSort ©fjilippSltelandjtbonS, beS praecoptor
anregenben SJtittelpunft biente. Germaniae, beffen geiftige ^eimatfj Tübingen
Slußerorbentlieb lieblich unb anjieljenb ift bie unb ©ittenberg mürben, mit bem fagenberübm*
Umgebung oon Tübingen mit ihren fteunblicben ten „3?aufttburm" an feinem See.
Dörfchen unb Stäbtdjen, mit 3to tie n bürg, 35 on Ulm aus öffnet ficb bie flache aber außer»
bem Sife beS Sifdjofs unb bem Iatpolifcf>en orbentlicb fruchtbare „Oberfdjmäbifche £o<h»
©riefterfeminar, meiterbin bie ©über Stiebemau ebene", bie allmählich bis nach bem ©obenfee bin
unb 2fmnau, bon roo aus man leicht nach C>orb ftch fenft; nicht aÜ 3 u ferne bon feinen ©eftaben
unb Storbftetten gelangenfann,ber^eimatb ragt ber einfame |>obentroiel empor, mo
8ertbolb9luerba<bSunbbemS<bauplabber Sdbeffel'S „Gdebarbt" fpielt, aus ber ©orjeit
meijten feinet „SdhroarjroälberOotfgefcbichten". berühmt burch feinen „itommanbanten" G on»
2)o<b mir lönnen uns bi« nicht mebraflju rab SBiebetbolb unb ben frommen unb
lange auf halten, roenn mir noch einen ©treifjug eblen 3 ob- $ a f. SJt o f e r, ber bort gefangen
nach ber rauben Sllb unb einen ©aftbefuch in faß unb manches gottinnige Sieb an bie SBänbe
Cberfdbroaben machen tooHen. 3[ene berbient feiner JJerferjeKe fcbrieb. ©in ganj befonberS
aflerbingS ihren Stamen „fteüenmeiS" reichlich, liebliches Stüdlein beS SBürttemberger SanbeS
entfchäbigt aber bafür auch mieber burch bie ift enblich auch bie fog. ,,©aar" bei 2 u 11 =
eigenartige Schönheit ber Sanbfchaft. £ier giebt lingen, gegen baS „Sigmaringifche" bin, mo
eS nicht bloS meitgeftredteS SBeibelanb, fonbern baS obere 2)onautbal mit ben $(ofterruinen bon
aud) am tJfuße ber b°hen Serge prachtbolle ©euren liegt. Oodjbamit genug! ©ottfeguebaS
©iefentljäler, bie mie g. S. baS Senninger 2bal. Schmabenool! unb fein ganjeS fcböneS „Säuble",
in ber Äirfdhenblütbe ein ©artberjiel bieler baß es bon ipm auch fernerhin immerbar beißen
heiterer SfrüblingSgäfte bilbet, unb auf ihren möge, mie eSborSllterS hieß: „£ie gut SBürttem»
|)öben herrliche ©albungeit, mie biejenigen bon berg allewege!"
Urach, bem alten Stammfcbloß beS ßaufeS --^_
©ürttemberg, mit feiner „Surg", feinem
„©ajferfafl" unb feinem „SJtäbelcSfelfen". Sin» fflßo feljtt’S? ©ineS 2ageS blieb ein Schnett»
bete cntereffante ©unfte finbbie 2 ed bei Äirdfj* jug bei einer {(einen Station fteben; als ber
beim unb in ber Stöbe ©ab Soll, roo ber ttlufenthult fich berlängerte, fragte einer ber
fromme.©farrer Slumbarbt feine weithin be. SReifenben ben Sortier: ©aSgiebt’S? 3ft fein
fannte fegenSreicfje Siebes», ©laubenS» unb ©e» SBaffer mehr ba ? — SBajfer genug, antwortete
betSarbeit tbat, ber Steuffen bei Stürtingen, biefer, aber eS focht nicht!
bie Sldjalm bei Steutlingen unb oor allem baS 2Bir haben auch ©affer genug in unferem
Schlößlein „Sichtenftein" (Silb 8), um welches Sanbe, wir haben baS lebenbige ©affer, bie SU
ffiilbelm £auff’S gleichnamige reijenbe b e l; eS giebt auch biele gläubige ©farrer unb
Sichtung einen unoergänglichen poetifdhen eine fchöne Slnjaljl gläubiger Sriien; aber alles
Schimmer gewoben, unb bie benachbarte Sie» bieS fod)t nicht! ©ir finb oft lau. Saßt uns eins
b e 1 b ö b l e, baS Serfted beS £>erjogS Ulrich. werben unb bitten, ber £>etr möge uns ein neues
Stach einer anberen Stidhtung bin liegt ©lau» Seben fdhenfen burch feinen b- <&eijt. Oenn ein
beuten mit feinem „Slautopf", einem füllen furchtbar fchredenerregenbeS©ort ruft auch uns
See bon rounberbarer tiefblauer t?arbe, unb ber^errju: „2nS fugt ber Simen, ber treue unb
Weiterhin bie alte freie SteidßSftabt Ulm, jeßt wahrhaftige 3 ei *ge, ber Slnfang ber ©reahtr
SunbeSfeftung, an ber bon hier an auf größeren ©otteS: $<h weiß beine ©erfe,'baß bu Weber
Ääbnen, ben fog. „Ulmer Schachteln", fchiff« falt noch warm bift. Sich, baß bu fall ober warm
baren ®onau, bauptfädblidb berühmt burdj fein wäreft! So aber, weil bu lau bift, unb roeber
„SJtiinfter" *), eines ber großartigen Saubenf. falt noch warm, Werbe ich bich auSfpeien aus
-- meinem SJtunbe_SBer Obren bat, ber höre,
•) grüner in §au8 unb öerb abgebitbet waS ber ©eift ben ©emeineit lagt."
Digitized by v^ooQie
458
Pit Ptjnatmtortfdjniiiruiujfn.
IS Pie Ptjttamitflerfd)W0nui0e!i. Bl
»on grong tun öoltftnborff.
f r ur feiten gefdjiefet eS, bafe 3Ser=
bredjer, bie fief) gur Söenc^itttfl
t großer Kliffe timten berfdjrooven
*» gilben, ihr Opfer borper njornett
unb auf baS Oafein ihrer 3Scr=
fchmörung aufmerlfant machen.
3(lS ein befannter fyii^rer ber triften genier
auf amerifanifchem ©oben ben ©nglänbern ben
Otynamitfrieg erftitrtc unb mit ber planmäfeigen
©ernidjtung ettglifcher gabrifen unb ©eefdjiffe
öffentlich brotjte, tnaren nur toenige geneigt, in
biefen fttnfünbigungen etwas anbereS gu er«
blicten, als einen prahlerifdjen, auf äugfttidje
©emütfeer berechneten ©infchiichterungsoerfuch.
©ur gu ba(b haben fidj jette Drohungen wenig«
ftenS fo toeit berwirflicht, baß an ber 6rnftli<h=
teit beS geplanten ©ernichtungSfriegeS nicht mehr
gegmeifelt »erben fann. OaS englifche ©arla»
ment hanbelte angefidjtS ber fo unnermuthet ent«
hüllten ©achlage mit ber entfdjloffenen SRuhe
unb ©eifteSgegenmart eines ©tanneS, tttbem
eS ohne alle drörternngeit unb ohne parlanten«
tarifdje ©erentonicen binnen wenigen ©tiniben
ein neues ©traf = ©efeß gegen ©tifebranch ber
©preitgftoffe burch alle ©tabien ber ©erathung
in beibett Raufern hinbttrd)eilen liefe.
©iS bor wenigen ©Jonatcn war man faft
überall in Europa geneigt, baS ©orlommen po=
litifcher Opnamitberfchmöruitgen als ein ©rioi«
legiutn ruffifcher ©taatSgerriittung gu betrauten
unb bagegen bie Slnmenbuttg einer freien, re«
präfentatioen StaatSregierungSmeife als ©eil«
lniltel gu empfehlen. ©nglänber ttornehntlid)
glaubten bis bor furgem mit unerfihütterter
UebergeugungStreue barmt, bafe politifcher ©torb
unb ©erfepmörung als ©terfgeicheu ber Opraitnei
unb M uedjtfdjnft angufeben feien, ooit betten fjeie
©taaten oerfchont bleiben. Unb fie butten in
ber 2h«t bamit oollfontincn baS Nichtige ge«
troffen, infofern fie gunächft ftetS nur att ©rofe»
briiattnien, an ©nglanb unb ©chottlanb bachteit,
glcichgeitig aber and) bergafeen, bie ©rohe ihres
SebrfaßeS an grlanb gu machen, um gu erten«
nen, bafe bortbie Kehrfeite herbortrat. ©tobeme
politifche ©erfaffuttgSformen tonnten in grlanb
jene wirthfchaftlicheu Sermüftungen, lird)li<hf
Unterbriicfungett, gefellfchaftliche Knechtungen
nicht heilen, bie unjertrennliche ©rfcheinunaen
ber englifchen Groberttttg in früheren gapr«
hunberten geWefen unb bis gu ber Kutholiten»
emancipation unb ber neueren ©dergefeßgebung
geblieben waren.
Oie neuefte Opnamitberfchwörung ber gren
entbehrt trofe fcheinbarer ©eufeeit in ben Gingen
aufinerffanter ^Beobachter ber ©uffälligfeit. ©eit
gaferhunberten unaufhörlich fortfchleichenb, un«
berföhnlid) gegen ©nglanb anliimpfenb, mar
biefelbe lebiglith baranf bebacht, eilten burch #f«
formgefeße ber ßnglättber borbereiteten grie*
benSfchluß burch gufammenraffting aller Sei»
benfehaften beS irtf<hen ©oltShafieSju einer ge»
maltigen Sluftrengung unb burch ©ermenbung
ber neuefteu ©erfchmörungStechnil gu
berhinbern.
Oiefe neuejte Oechnif beS ©erfchwörungS«
WefettS mar burch ben rttffifchen ©ihiliSmuS
uugweifelhaft erheblich berbollfommnet worben.
Hin ©teile beS OolcheS unb ber ©iftole war als
©erbvecbeuSmerfgetig Opuamit, ©itrogltjcerin
unb Schießbaumwolle getreten, an ©teile ber
©euttrtthigung bott ©attSbemohnern unb ©pa«
giergeiugern burch ben mörberifchen ©ebraudj
berciugelter ©chiefemaffen ber planmäfeig unter«
haltene OerroriStnnS ganger ©iäbte unb Sänber«
ftreefen bttrd) bie 'ilttfünbigung Seben bernichten«
ber generwerte, burch ©yplöfion bon ©preng«
ftoffeu; an ©teile ber ©inopferiing einzelner bem
Oobe geweihter ©arieifeittbe bie rüdfichtSlofe
Oöbtung unb ©erftiiminelung gttfällig an öffent»
liehen ©laßen berfainmelter ©oltsgruppen in ber
Hoffnung, gleichzeitig einen anmefenben geinb
in ber ©ieitge ntitgutreffen.
Oie einzelnen ©eftanbtheile aus benen fict)
berartige ©erbredbenSunternehmungen gufam«
menfeßen, finb oielleiifet ebenfo alt, wie bie ©er«
wenbung beS ©chiefepulberS felber. geber gort.
—DigitizecHoy
Google
Pie Pnn#Bntofrfrf)B)8njn§m.
459
fcbritt menfdjlicher ©rfenntniß, jebe neue tecß.
nifcßc ©rfinbung muß es fid) gefallen laffen,
and) für berbrecherifdje 3wede auSgenfißt gu
werben. CaS ift fo uiioermeiblicb, baß eS nart)
einiger 3 f it telepfjonirte Injurien ebenfo gut
geben wirft, wie ©eleibigungeu auf offenen $lor»
refpoubengfarten ber '43oft.
2BaS man auffällig finben fanu, ift nicht
fowopl bie ©enüßung ber Sprengftoffe gu ben
©erfchmörungSgmecfen ber feilte fämpfenben
3erftörungöparteien, wie gerabe ningefebrt baS
früßgeitige ©uftaucben ähnlicher Unternehmun*
gen. 34 felbft habe Por langen 3abren nadj
mehr als gweibunbertjäbriger ©olfspraris in
ben Straßen fton Sottbon beit alten Dteim Wie*
berboleit hören, ber an bie ©ulDerPerfchwöruitg
beS ©utjJJawleS erinnerte: ßemember,
ßemember llie fifth of Novemberl
©S ift unnötbig, ber pöflenmafchine, ber fiep
ffieSchi gegen ben ßönig Subwig ©hilipp be*
biente unb ber ©ombe gu gebeuten, bie in ber
©ue Cepeiletier gu ©ariS gegen ben SBagen ©a»
poleoitS III. gefdjleubert Würbe. Äein Sanb
SuropaS ift Pon ber ©eniißung ber Sprengftoffe
gu politischen ober gemeinen ©erbrechenSgweden
oerfebont geblieben, ©ur barin tritt eine ©er»
änberung ßccbot, baß in neuefier 3«>t bie ej=
plofioe ©ernicbtuiigSprafiS fich Weiter ausbebnt,
in fcbnellcrer SDieberljolung geübt unb als ©lit»
tel bürgerlicher Kriegführung perwertbet Wirb,
Halbem bie internationale Kriegführung ber
Staatsgewalten beit Sprengftoff als ©littet ber
maffenbafteit Sebensoernicbtung für patriotifeße
3wecfe längft gerechtfertigt hotte.
3nfoweit feßiilte fich ber unrechtmäßige Sür*
gerfriea unb bas ©erbrechen gleichfant an ben
teeßnif egen fjortfebritten auf ben KriegSWerften
unb in ben phrotedpiifdjeu Saboratorien. Sein
OerooQfommueteu 2orpebo, ber feiner ©erweu*
bung im ©cefriege ber 3ufunft harrt, feßt fich
bie leicht tragbare $pnainit*©atrone ober bie
Sprengbombe fiir ©erbredjeitSgmede gur Seite.
©tiffalleuber als bie Sbatfacße, baß Spreng*
ftoffe immer häufiger oerbreeberifebem ©tißbraud)
unterliegen, ift bie ©kibrnehmung, baß geheime
politifche ©erfchwörungen feincSwegS nur in
befpotifch regierten Staaten öorfommen. 68 ift
wahr: ©erratß, Siige unb ©erfchwörung haben
ihre fteimatb in bem ©aeßebebitrfniß freöelßaft
gefneeßteter ©tenfeßen, ihren Einlaß in ber £eim«
iiepteit ber KabiitetSregierungen, bie bem Seifte
noltstbitinlicher ^Freiheit wiberfirebeit, ihre
SebeuSluft in bem Kerferbunft ber SBifltürßerr*
fchaft. Sie gebeiben feiten in bem Sicht ber
Ceffentlichfeit. ©ber eS läßt fich nicht leugnen,
baß fich auch in freien Staaten gelegentlich folche,
bie baS Sertrouen auf ben ruhigen Fortgang
ftaatlicher ©eformgefeßgebung oerloren haben,
gu öergroeifelten Unternehmungen öerfdjwören.
©iS in bie ©litte beS Porigen 3ahrbunbertS per*
fchtoor man [ich in Schottlanb unb ©nglanb gu
©fünften ber Pertriebenen Stuarts. $roß re*
publifauifcher ©egierungSformeit beftauben gur
3eit ber frangöfifdjen ©eöolution unb befteben
gegenwärtig fogialiftifcbe ©erfchwörungen in
©ariS. Unb felbft in ©orbamerifa fiub politifche
©eßeimbüitbe nicht fo feiten gewefen, wie man
meinen foflte.
Cer Unterfdjieb gwifchen ben einzelnen ©taa*
ten im ©erbältniß gu bem ©ortommen Pon
©erfchwörungen offenbart ftch bagegen in bem
© r a b e ber © e f ä b r l i.cß! e i t, ber im um*
gelehrten ©erbältniß fleht gu ber Ceffentlichfeit,
©eblicßfeit unb ffreibeit beS ©olfSlebeuS, gu bem
©ntmicfelungSftanbe ber politifcßen ©loral. 3 n
biefent Siebte betrachtet, muß eine ©erfchwörung,
bie fich beftimmter 3erfförungSwerfgeuge bebient,
in ©ußlanb, in ber Cürfei unb in Spanien piel
gefährlicher erfeßeinen, als in Ceutfcßlanb ober
©elgien.
Kaum gu begweifeln ift auch, baß gewijfe ©öl«
fer auf ibret gefcbicßtlicben ©ntmiefeluiigsboßn
eine ßeröorragenbe Qlnlage gu politifcßen ©er*
fchwörungen offenbart haben, eine fie anSgeich«
nenbe ©orliebe für Konfpirationeit alS6igenart
ihres ©ßarafterS aufweifen. Oft genng ift auf
bie befonbere £äufigfeit ber ©erfchwörungen in
ber ©efeßiebte ber italienifcheu Stäbte unb beS
italicnifd)en 3?ürftentbumS hingewiefen worben,
©och heute befteben in einer bem ©entstehen
unb ber öffentlichen Orbiiung Pielfach binber*
liehen ©eftalt bie 6 a in o r r a unb bie ©l a f f i a
als weitftergmeigte ©cbeimbiinbe auf bem ©oben
beS ehemaligen neapolitanifdjen Königreichs, als
©erbiubungen, in benen fich gelegentlich polt**
tifche 3wede mit ben niebrigfteii 3ntereffeu eines
rohen unb gemeinen ©igennußeS niifchen.
S5)aS man an bem Siibitnfieuer feit langet
3eit mabriieitommen, gilt auch Pon beut 3 r en»
wobei eS Pöllig babingeftellt bleiben mag, ob bie
©orliebe unb baS ©efehief beS 3 re n für ©er»
fchwörungen als urfpningliche ©litgift ber
©olfSiiatur, ober als ein langfam beraiugereif*
teS ©robuft ber SeiftenSgefd)id)te aufgufaffen ift.
Welche mit ber englifchen ßrobcruug ber 3nfel
beginnt. Schon gu 6 r om me 11S feiten geigte
fich biefe ©eigitng in PerhängnißPoUer ©Jei'fe.
3m borigen 3abibn>'bert War bie ©erfeßwö*
tungSprariS ber „2öeißen Surften"
(white boys) unb „©anbmänner" hoch
entwicfelt. ®ie ©efepgebung blieb unter Jtönig
©eotgUI. erfolglos bemüht, ber ©iufcbmö«
rtmg fotdjer ©unbeSbriiber mit harten Straf»
beftimmungen entgegenguwirfen. ©och beute
gilt in ©nglanb ber ©runbfafe, baß jebe ©er*
einigung Pon gmei ober mehr ©erfonen gur ©er»
folgung unerlaubter 3wede ohne weiteres als
fträfbar gu perfolgen ift.
Digitized by v^ooQie
460
Jiir jhjnamitDrrfd)roörungm.
gn ein neues ©tabium trat bie trifte 23er* ebenfo fcpnell toieber oerfChminben, in ben fei«
fchmörungSprajiS, als, oornehmlid) nad^ 1848, teuften galten baffer t>or ©eric^t ibentifijirt wer.
bie ZuSmanberung nach ben Pereinigten Staaten ben tonnen, forgfältige Porbereitung beS Slibi*
Ptillionen racheburftiger gren ein für (Stiglaub PemeifeS für bie Don ber 3nftij ergriffenen
unerreichbares Sfpl oerfCpaffte. flurjfichtige er* Ptifjethäter.
blidten in biefem Vorgänge nur eine mobltpätige Selbft ber geigling gewinnt im fRiidhqlte
©ntoölferung ber berarmenben gnfel. 3 U 23ir!« folcper Organifation ein Piachtgefühl, baS ipn
lichfeit entftanb auf biefe 28eife eine 23erbinbuug befähigt, baS SQJagnifj tobeSmiirbiger Perbredjcn
ber national*irifd)en 23eriehwörung mit einem ju befteben. 3eber ©egner beS ©eheimbunbeS
auswärts ljaufeuben geiitbe, ber über eine jügel* muß auf bie 3ufenbung eines fog. SargjettelS
lofe Preffe, ein ungepinberteS 23erfammlungS* mit ber iobeSbroijung unb bie gelegentliche 2lu§*
reiht unb anfehnliche ©elbmittel öerfügte. £>atte füljrung biefeS ÜobeSurtpeilS gefaßt fein. Poli*
fiep grlanb im oorigen gaprpiinbert auf fran* jeibeamte, (RiCpter, ©efcpmorene unb 3<ugen
jöfifCpe C>ilfe berlaffen, fo öerläßt eS fid) heute genügen ihrer amtliehen Pflidjt nur unter be*
auf ben nationalen ätüdpaltamerifanifChergren, ftänbiger SebenSgefapr für fid) felber unb ihre
unb man tann wohl behaupten, baß troß beS Slngepötigen, unb bie ©erechtigteit forbert bie
2ltlantii<hen OceanS bi» geinbfeligfeit biefer ben Snerfennung, baß getreue Pflichterfüllung gegen»
©nglänbern gefährlicher ift, als ehemalige 23e* übet bem geheimnißbotl im $>utifeln fdhleiCpen*
bropung burd) franjöfifche Sanbungen. §rifcpe t)en Plörber nod) größeren Plutp erforbert, als
2lu8manbeter hoben bie alten gepeimnißöolien Pflichtübung beS Soibaten in einer unglüdlid)
Organifationen in bie neue 21'elt oerpflanjt. berlanfenben Schlacht.
UeberaH geheißt h' e f ber i b e r n i f <h e Cr* Sapraepnte pinburcp hat biefeS audh in Italien
ben, in beffen weiteren 3tapmen fich bie focialifti* geübte ©pftem beS SerroriSmnS bie guftij lahm
ftpen Perfcpmörer bet Pi o 11 p Pi a g u i r e S gelegt, nachbem ber Aanipf gegen füilianifthe
einfügten. tRäuberbanben unb bie mit ihnen berfCproifterte
©S ijt laum ju bezweifeln, baß bie Otgani« geheime ©efeüfdpaft ber Piaffia Oonberita*
fation ber Plollp PiaguireS, bie als große lienifchen ©taatäregiernng aufgenommen mor«
meitoerjmeigte Piörberbanbe Währenb beS 3eit* ben war. 3fn biefem Aampfe bewährte |'ich, was
raumes oon 1854—1878 einige pennfqloanifche auch bie ©nglänber gegenüber ben 3ren erfahren
©raffCpaften terrorifirte, alt - irif<hen Pluftern mußten, baß eS weniger auf bie |>ärte ber
naCpgebilbet war unb au<h h ei >te noch in ben ©trafgefeße, als auf bie 3uberläffigfeit ber Po«
t auptpunften in grlanb fcftgehalten Wirb; lijei unb bie Pflichttreue ber ©trafprojeßorgane
aub, ©emnltthat, Pebrohung, piünberung, antomme. 3>n§befonbere hat fiCh in entfCheiben*
©igenthumSjerftörung unb Piorb, Pieineib unb ben 2lugenbliden baS Sfnftitut ber englifchen
Peftecpung gelten ben Piitgliebern irifcher ©e» fl ton je ugen bewährt. ®aS Perfpredheit ber
heimbünbniffe als burChauS juläffige, ja als ber* ©traflofigteit an foldje, bie als Piitfdjulbige an
bienftDoUe Piittel beS PanbenfriegeS gegen Perfdjmörungen betheiligt waren, hat feiten
©nglanb, gegen welches alle SeibenfCpaften ge» feine SBirfung berfeplt mtb meiftentheiis ,pi einet
fd)ichtliCh überlieferten fRaCpeburfteS, rcligiöfer lleberführung ber Ptorbgefellen berholfen. Such
3ntoleranj, nationaler ©elbftftänbigfeitsträume in ben leßten Projeßoerpanblungen gegen bie
unb agrar * focialiftifCher ©rbitterung fich ber* irifcpen PerfChwörer, bie im Plai 1882 Sorb
einigt haben, um ber grünen 3nfeT ju ihrer ©abenbifh unb feinen ©etretär Pourfe
politifchen Unabhängigfeit ju Perpelfen. ermorbet hatten, mürbe eine Perurtheilung ber
3n ber Organifation biefer geheimen „Sogen" Perbächtigen fdjwerliCh oor bem Schwurgericht
ober ©efeüfchoften, bie mancherlei (Ritual aus ju ermöglichen gemefen fein, wenn eS nicht ge«
bemgreintaurerorben entlehnt ju haben fcpeinen, lungen märe, burCh 3 l *iiih e rung ber ©trafloftg*
treten bisher folgenbe ©runbjüge heroor: Un* feit,Aronjeugen *u gewinnen unb oon biefen bie
bebingte burCß beit SunbeSfChwur übernommene ©nthiiflung beS flomplottS ju erlangen.
PerpfliChtunq jur ©ebeimfjaltung, bereu Per» SÜaS bie neuefte SBenbung ber Dpnamit*Ser»
leßuna burCp iobeSftrafe ober Perfehmung an fchwörung gegen ©nglanb anbelangt, fo läßt
ben Piitgliebern gerächt wirb, IjiernrCbifdje Unter* fich fnum erwarten, baß ber ©rfolg, politifCh ge*
orbnung ber nieberen Stufen unter bie höheren, nommen, ein größerer fein werbe als berfenige
Pc.pflichtung, ben Pefcljlen unbefannt bleiben* ber agraren Ptorbthaten. ©nglanb läßt fich uidpt
ber güfjrer blinbeu ©efjotfnm jn leifteu, Pil* einfchiichtern, weil bie Pation ber Ueberjeuguitg
bung Heiner Ortsgruppen, bereit Zugehörige ift, baß biegefthaltung bon Srlanb eine SebenS*
fich überall burch geheime 3?i(hfn fchnell erfen* frage für baS Pereinigte flönigreid) bebeutet.
nen unb oerftänbigeit, SuSführung ber Plorbe 3cöc gelungene ©jplofion mürbe nur baju bei*
unb ©cwaltthaten burCh Oelegirte entfernter tragen, ben 3orn ber Sebrohten ju fteigern, bie
Sogen, bie plößlich am Spatorte erfcheinen unb 29ciChfamfeit einer in ihren höchften 3nt<reffen
Digitized by v^ooQie
Jtorbereihmgrn ;um Poppelfeß.
461
gefränften Nation ju Derfchärfen, bie Neigung
ju einer aflmäblicben Silgung irifdjer 9iotb=
jufiänbe gu tninbern unb ben SebenSunterbalt
lener fmnberttaufenbe Don 2fren, bie in eng«
Itfdjen 3fa6rilen Arbeit fanben. ernftlid) ju ge«
fäbrben. 3wmerbin bleibt bie irifche $>pnamit=
berfchwörung ein für Knglanb gefährlicher Sor«
gang. 3e fc^neller es einer einfidjtigen Staats«
regierung gelingt, in 3tlanb «ne ^inreidjenb
breite SeDölferungSfdjieht aus jufriebengefteflten
Sanbbewobnern burd) weife unb gleichzeitig ent«
fcbloffene Reformen ju fdjaffen, befto eher roirb
fiel) Knglanb Don Der alten Singe ber Ser«
fcbwötungen unb ber neuen ©efaßr ber KrplofiD«
attentate befreien.
•Mt Parlimitttngfn jum jßopptlftft.
<r yT «btt«.
er ein 3?eft, fei eS auch nur ein
|}JL ganj geringes, feiern Witt, barf
jla bie Sorbereitnngen baju nicht
Dergeffen; benn fo groß auch
v bie fjeftbegeifterung fein mag,
»irb biefelbe ben gewiinfdjten
©rfolg nicht erjielen, falls nicht auch jugleicher
3eit bie ganze Snorbnung uitb Susfübrung
grünblid) burcgbac^t uitb Dorbereitet ift.
3)ie beutfdjen Stetbobiften wollen im 3obte
1884 bis 1885 ein großes 3)oppelfeft feiern, Don
toelcbem man bofft, baß eS fornobl bebeutenbe
geiftlidje Segnungen bringen als $um äußer»
liehen ©ebeiben beitragen fod.
®S ift unfere fefte Ueberjeugttng, baß biefe
3iele erreicht werben tonnen. Sn Urfadjen ju
innigfter $)anfbarteit fehlt eS wabrlicb nidjt; bie
jur Susfübrung eines folgen fteftcS nötbigen
Äräfte, Stittel unb ©elegenbeiten finb reichlich
borfjanben; baS fjefttbema ift ein febr reich»
haltiges unb DielfeitigeS, benn eS foD ja b i e
CrganifationberSifch. Stetbobiften»
lirdje unb ber fünfzigjährige Se»
ftanb beS beutfchen StetbobismuS
Zugleich gefeiert werben.
ftolgt nun biefeit gewiß gänftigen Sorbebin«
aungen gebetoolles, bebautes unb einheitliches
»norbneit, fo ift ber erfolg beS 2)oppelfefieS
wenigftenS ju breiDiertbeileit feftgeftellt.
8lber welches finb benn bie ju treffenben 9ln=
orbnungen ?
1) 3m Auftrag ber ©eneraUKonferenj hoben
bie Sifdjöfe bie Seftimmung getroffen, baß bie
im 3ob« 1883 abjubaltenben Konferenzen 3 fs
manben ernennen, um als eingang jur 3»bi=
läumSfeier wäbrenb ber Sißnng beS 3obrS1884
, eine 3«biläumSprebigt ju holten.
2i Soll in ben ’83et Konferenjfißungen ein
aus l^ebigern unb Saien beftebenbeS Komite
jur Snorbuuug ber 3 ll biläumSfeftlichfeiten er»
nannt werben. — ®ie Kindheiten ber freier,
fugen bie Sifchöfe, fönne bie 1884er ©eneral«
©bnferenj näher beftimmen.
Soweit geht ber offizielle Seridjt ber Sifchöfe
betreffs ber Slnorbnungen.
2)a nun bie beutfchen Stetbobiften baS Sor«
recht hoben, baS$oppelfeft Don 1884 bis 1885
ju feiern (oon Spätjabr ju Spätjabr ber ge«
nannten 3obre), fo tonnte ein folcheS Komite in
ben beutfchen Konferenzen Snno 1884 ernannt
werben.
Sicherer, umfaffenber unb gebeiblichet wirb
jeboch bie Sorbereitung getroffen werben, wenn
jebe beutfche Konferenz int 3«bte 1883 baS 3u»
biläumS=Komite ernennt, benn aisbann bot baS»
felbe binreichenb 3e<t, einen grünblichen Sion
auSjuarbeiten.
$a nun mancherlei Anfragen an mich gefteHt
worben finb betreffs ber 3ofjl, ber 3ufammen>
feßung unb Der Srbcit biefer KomiteS, fo erlaube
ich wir, meine perfönliehe, unb eSbarf hinju ge«
feßt werben, burchbachte Sufid)t barüber auSju»
fprechen, welche felbftDerftänblich für Wiemanben
ntaßgebenb ift.
2)a bie 2)iftrifte beS beutfchen SßerteS geo«
grapbifcb f<bt jerftreut liegen, fo fommt eS bar»
auf an, baS 3ubiläumS=Komite mit fRütfficht
auf bie 25iftrifte ju ernennen, fo baß Dor
adern jeber$)iftrift baju fiebt, baß in jeber
©emeinbe eine 3ubiläumSfeier abgebalten wirb.
3u biefem Knbzwed mürbe ber Sorft. Seltefte
mit einem Stebiger unb einem Saien, ober jwei
Srebigem unb jWei Saien Don jebem 5)iftrift
ein paffenbeS Komite bilben.
®aS ©efantmt = Komite mancher Konferenzen
würbe zwar burch folebe Snorbttungen etwas
jaljlrei^ werben, fjür ben praftifdjen 3we{f
wäre biefe Kinridjtung jeboch bie paffenbfte.
2Scnn nun bie 3ubiläumSfefte ber einzelnen
©emeinben nicht ade um biefelbe 3«>t geholten
werben, was auch gor nicht nötbig, ba ja ein
ganzes 3oßr 3eit gegeben ift, fo fann jebe ©e«
meinbe — unb wenn nötbig auch Don anberen
2)iftriften — bie münfchenSmertben Kräfte jur
Sbbaltung ihres 3ubiläumSfefteS erhalten. 9lu«h
ift eS eben fo wünfchenSwertb als möglich, baß
Digitized by v^ooQie
462
Pie Irrten Soge btt PrbeUion.
in großen Stäbten unb onbern Gentralpunlten
UntonSbetfammlungen gehalten werben, g. V.
am Sonntag Rahmittag, wobei jebocb baran
fejlguholten ift, baß in jebet ©emeinbe ein $u»
biläum gefeiert wirb.
Me biefe ©inrihtungen gmedmäßig unb talt*
Doll gu treffen, bieS ift bie Aufgabe ber 2fu6i*
läumS»GomiteS, unb jtoar ift biefelbe leine ge«
ringe.
Sobarnt gehört jur gehörigen Vorbereitung
baS Sammeln beS ^iftorifcOfn SJlaterialS. ©8
foll ein aefd)id)tli(f)e8 Greigttiß gefeiert »erben.
Die beutfehen 'Dtethobiften foltert auf ©runb
ihrer ©efd)i<hte barauf aufmerffain gemacht
»erben, wie große Urfache fie gur innigften
Danlbarleit gegen ©ott hoben, unb »ie feßr fte
berpflihtet finb, fih in gebetSüoHer uno gäng*
liehet SBeilje ihm ijinjugebcn.
3u biefem ©nbgmed follte bie in lofen VIät»
tern unb ©riniterungen gerftreute ©efdjidjte jebcS
DiftriltS gufammengefteUt werben, »oburch auch
gugleich bie ©runbiage gu einer ©cfdjichte be8
beutfehen RlethobiSmiis hergefteüt wäre.
©nblieh bebarf es noch einet Vorbereitung.
©3 »itb nämlich erwartet, baß bie Danlbarleit
gegen ©ott ben £errn ftch nebft anberm auch in
Darbringung ber Danlopfcr Beweife, gu Welkem
3»ecfe bie Vifhöfe Dornehmlid) bie ©rgieljungs.
fache benamt haben.
Obwohl nun bie beutfehen fDletljobiften ein
freigebiges ©efdjlecfjt finb, fo muß bo<h barauf
gefeßen werben, baß in nädjfier 3e;t außer
ben gewöhnlichen ©olfeltionen
leine neuen Bebeutenben Samm.
lungen borBereitet werben. Die Vifdjöfe
bitten g. V. bie flirre, Womöglich noch bor bem
3ubiläum>:-jahre bie ftirdjenfhulben abgutragen
unb auch in anberer StBeife finb bie ginang»
angelcgenheiten fogu leiten, baß bie Jubiläums»
gaben leine atlgufhwere Vürbe werben.
Der beutfch»ameri(anif<he VteifjobiSmuS hat
in ben leßten fahren nach allen Seiten unb in
alle SOßeltgegenben fo Bebeutenbe Summen ge»
geben, baß Viüigbenlenbe gewiß leinen Vorwurf
barauS machen töitnen, wenn jeßt, ba es fih
barum honbelt, unabweislidje Ve»
bürfniffe inSlmerila tu erfüllen,
bie beutfehen Vtetljobiften fi<h als
Iluge £>au5l)alter auch auf iljre3fu»
BiläumSgaben borbereiten.
--
Pi# lebten ®a0e 5 er PcbeUiou.
Bearbeitet Mn $rof. g. *ih*rt.
/Ceneral V-1>. Sberiban giebt in ber 3juli*
Stummer ber „Storth American Reoiem"
1 folgeuben intereffanten Vericht in Vegug
auf bie Uebergabe ber See’ßheu Slrmee:
. . . 3fn ber 3wifhfngeit blieb mein Streif»
corpS nicht müßig; eS marfchirte ber ©ifenbahn
entlang in ber ©rmartung, bie 3*>ge mit ben
30,000 Stationen gu treffen, um welche ber geinb
in ber Stahl boin bierteii telegraphirt hatte,
©rabe ehe baffelbe Slppomatoj Station erreichte,
fließ eS auf fünf ©ifenbahngiige, weihe langfam
in ber Richtung Don VurleSbille Munition fih
fortbewegten, unb beren Vemannung nicht recht
wußte, wo ©eneral See war. SJteine Seute be=
wogen ben fffüfjrer burch eine Vefhreibung beS
traurigen 3'>ftanbe3 ber lonföberirten Slrmee
borwärtS gu fahren. Unfer Slbmarfh am SJtor»
gen beS achten fanb bor Sonnenaufgang ftatt;
nahbem wir nur wenige SJSeilen gurüdgelegt
hatten, holte unS SWajor SBhite bom Streifcorps
ein mit ber Stahridjt/ baß bie V r obiantgiige fich
öftlih bon Slppomator Station befäuben, unb
baß eS ihm gelungen fei, fie eine Heine Diftang
weiter gu bringen; er fürchte aber, baß fie wieber
jur Station guriidfabren würben. Diefe Stad}»
rieht würbe fogleih Grool, SJierritt unb Gufter
mitgetheilt, unb bet Seßtere, ber bie Vbantgarbe
führte, würbe beauftragt, eine Rüdfaljrt ber
3üge unter allen Umftänben gu berhinbern, in»
beffen ih boranbrängte, um mich mit ihm gu
bereinigen, ©he Gufter bie Station erreichte,
fhidte er gwei Regimenter auf einem Umwege
an bie Vahn jenfeitS ber Station, mit bem Ve»
fehle, baS ©eleife gu gerftören, unb ftd) bie 3üge
gu fihern. Dies würbe auSgefiihrt; aber als ber
^Hiupttörper unfereS VortrabS auf ber Station
aitfam, geigte eS fih, baß aud} bie Slbantgarbe
ber See’fhen Slrmee eilig h«raurüdte. ©s ent*
fpanit fih ein hißwS ©efeht. Der fjeinb würbe
gurüdgetrieben, oiergig ©efhüße erobert unb
bierhunbert ©epädmagen berbrannt. Die ©ifen*
bahngüge, beren wir uns gleih im Slnfange be*
mahtigt hntten, würben bon Sofomotibführern,
bie mir unter unferen Solbateit hotten, befeßt;
ihre f^reitbe, eine ©elegenßeit gu hoben, ihren
früheren Veruf auSguiiben, mar fo groß, baß fie
bie größte Goitfufion ß«rbei führten, inbeut fie
bie 3iige baS ©eleife auf unb ab laufen ließen,
unb babei einen foid)eu Särm mit ben Dampf*
Vfeifen mähten, baß ih im Vegriffe mar, ben
Vefeßl gum Slbbrennen ber 3üge gn geben,
©nblih jebodj brahten Wir fte bom Vlaße gu
Digitized by
Google
Per JHenfü) lebt nidjt oom Prob allein.
463
Digitized by v^ooQie
464
Jltt Idjtro (Sagt btt Htbtttion.
unferem Siachtrab, bet etroa gefen bis fünfgeljn
SReilen rüdmärt» lag unb mit ber Infanterie
unter Orb unb ©ibimn ber Eaoallerie folgte.
Oie Eauallerie fefete bei 3 ©efecfjt bie gange Stacht
hinburd) fort, unb brangte ben geinb gurüd in
bie ©egenb Don Slppomatoj; EourthauS, eine
Entfernung bon ca. 4 SReilen. ©ie liefe ihm auf
biefe Söeife feine 9fufee unb becfte gugleid) bie
©chmäche ber Angreifer.
3h erinnere mich nod) lebhaft beS fleinen
HaufeS grabe [üblich bon ber Station, too baS
Hauptquartier ber Eaoallerie raftete, ober beffer,
Halt machte, benn bon 9iaft mar in ber Stacht
beS achten feine (Rebe. Oepefdjen gingen gurüd
gu unferem oerehrten Rührer ©en. ©rant, unb
Orb mürbe aufgeforbert, mit feinet ermiibeten
Infanterie boraii 3 umarf<hiren. SRorgen fam in
aller SBaferfcheinlichfeit ba§ Enbe unferer 23e=
fdjroerben; aber bie Slnfunft ber Infanterie mar
nötfeig, um un£ ben Erfolg hoppelt gu ficfeern.
SJterritt, Sroof unb Euftcr maren abmed;felnb
gur ©teile, ©liicffcligfeit ^errfdjte in febem £«=
gen. Unfere langen unb ermiibenben Arbeiten
nahten fi<b bem ©d)luf)e: unfere ©e fahren maren
überflanben. Es gab feinen ©djfaf; nur fefjr
meitig hatten mir in ben borljergefeenben acht
ober neun Sagen geruht. ©or ©omtenaufgang
fam ©en. Orb unb geigte ba§ H era nnahen fei«
uer Sruppe an. Stach einer eiligen ©erathung
über bie bon ben Slnfommeuben gu nehmenbe
©teflung maren mir im ©attel, unb babon ging
eS an bte gront in bcv Sleuhbarfcfeaft bon Slp»
pomatoj EourthauS. SllS mir uns bem Oorfe
näherten, fahen mir eine jtarfe Sinie fonföberir»
ter Infanterie heranfomnten, bie fogleich gu
feuern anfing. 3h ritt auf eine fleine Sluhölje,
bon melcher ich eine gute StuSfiht auf ben aüanci«
renben geinb hatte, unb fdjidte fogleich ©en.
SRerritt ©efeljl, Eufter’S unb Oeüin’S Oioifio«
nen guriicffallen gu Iaffen,'junb babei gugleich
unfere rechte plante guriicfgugiehen, um auf biefe
Seife Crb’S unb ©ibbou’S Infanterie frei gu
ftetlen. Eroof unb SRadengie auf ber äufeerften
Sinfen mürben aufgeforbert, Stellung gu beljaU
ten. Oann gnloppirte ich gurücf unb theilte
©en. Orb meine Beobachtungen mit. ifaum
hatte bie ©cplachtlinie beS geinbcS ben .£>üqel
erreicht, auf melchem ich meine StecognoScirung
gemalt hatte, unb bon melchem aus Orb’S
iruppen in ber Entfernung gu fepen maren, fo
hielt berfelbe plöplih an imb machte eine ®e«
roegung rücfroärtS auf einen ungefähr eine ©teile
entfernten $öhengug. ©alb barauf fam ich bon
©en. Orb her roieber an bie gront unb ritt auf
©en. SRerritfS gafene au f p e r rechten plante
ber Sinie gu. SllS ich fie erreichte, gab ich ©efepl
gum Sloanciren, unb gebe ©tanbarte richtete fich
nach ber gront. SllS mir gur Sinfen ber feinb«
liehen ©cfelachtlinie borbeijagten, öffnete er ein
fhmereS Strti (leriefeuer. Ooch mir fchenften ben
töbtlichen ©efchoffen feine Slufnierffamfeit unb
erreichten unter milbem ©efchrei einen ©unft in
einiger Entfernung bon feiner ©echten unb bei«
nahe gegenüber non Slppomatoj EourthauS.
©or uns in einer Sbalnieberung lag ©en. See
mit bem 9tefte feines &eereS. ©ute Crganifatiou
fd)ien nicht norhanben gu fein, mit SluSnahme
ber ©orhut unter ©en. ©orbon, bie fd>on am
©efechte betheiligt geroefeit mar, unb ber Stach«
hut beS ©en. Soiigftreet, melcfee meiter oben im
Shale lag. Sir maren eben bereit, einen füp=
nen unb fräftigen Singriff ben grafigen Slbfeang
hinab gu machen, als ein Slbiutant beS ©en.
Eufter, bofler Slufregung, ben Hut in ber £>anb,
auf mich loSftürgte mit ber ©otfdjaft feines ©or«
gefefeten: „fiee hat fidf ergeben! feuert nicht;
bie meifee glagge ift aufgehifet."
Sefehl mürbe ertljeilt, bie ©orbereitungen
gum Singriff gu beenbigen, aber nicht gu feuern.
3ur Sinfen nach Slppomatoj EourthauS blidenb,
fah ich eine grofee 0 nippe in ber Stahe ber ton«
föberirten Sinie, bie fich auf jenen ©unft gurüd«
gegogen hatte, ©en. Eufter mar noch nicht gu«
rüd unb oermuthenb, bafe er fich bei jener Oruppe
am Eourthaufe befiube, galopbirte ich, gefolgt
bon meinem ©tabe, ben engen Sergtüden hinab.
OaS EourthauS lag in einer Entfernung oon
ungefähr breioiertei SReilen. Oie höheren Cffi*
giere, meldje mir bort trafen, maren ©en. 3- S.
©orbon unb ©en. EabniuS SR. .SBilcoj, ber
Sefetere ein alter Slrmeeoffigier. Staunt hatten
mir uns qegriifet, als ein heftiges geuern in ber
gront unferer eigenen Eaoallerie begann, melcpe
mir üor menigen SRinuten üerlafjen hatten,
©en. ©orbon fd)ien barüber beunruhigt gu fein,
3h bemerfte: „©eneral ©orbon, 3h re Seute
haben auf mich gefhoffen, als mir hierher ritten
unb haben ungmeifelhaft baffelbe mit Eufter’S
unb SRerritfS SJtannfchaft gethan. ES ift gerabe
fo gut, mir festen bie ©efcpichte aus." Sluf bie«
fen ©orfchlag ging ©en. ©orbon nicht ein. 3h
frug bann: „Saruin fehiden ©ie nicht einen
Slbjutanten hinüber, bamitbaS geuern aufhört?
©ie oeriefeen bie meifee gähne!" Er fagte: „3h
habe feinen Slbjutanten gur ©erfügung." 3h
ermiberte: ,,©ie fönnen einen meiner ©tabs«
offigiere haben," unb rief Sieutenant ©anberbilt
Sillen, um fich 6ei ©en. ©orbon gu melben unb
feine Sefehle gu überbringen. Oie Sefehle lau«
teten, fich gu ©en. ©earp gu begeben, melcher
eine fleine ©rigabe ber @üb«Earolina=Eat>aflevie
foinmanbirte, unb ihn aufguforbern, baS geuern
gu unterlaffen. Sieutenant Sillen ritt mit feinem
Sluftrage baoon, mürbe aber, als er benfelben
bem ©en. ©earp auSricfetete, gum ©efangeuen ge*
macht, mit ber ©emertung, bafe er fid) nicht um
bie meifee gähne fümmete, unb bafe feine Seute
Oon ©iib Earolina fich niemals ergeben mürben.
Digitized by v^ooQie
Pie Irrten Sogt brr jäebellion.
465
9ta4bereiften Segrüftung fugte ©en. ©orbon :
,,©en. See bittet um einen Sißaffenftillftanb mäh«
renb bet Serbanblungen, bie er feit gefteru mit
©en. ©rant führt."
34 ermiberte: „34 war bon biefen Set»
fjanblungen unterrichtet unb fanb e» fonberbar,
baß, währenb biefe Verhandlungen bor fi4 geben,
©en. See biefen Vtorgcn beu Verfließ machte,
meine Siuieit gu bur4bre4en, um gu entfliehen.
34 faitit mi4 auf nichts 9ludereS einlnffen, als
baß ©en. See fi4 bein ©en. ©rant bei feiner
9lutuitft auSIiefert. 34 habe na4 ib»t gefdjidt.
SQöettn biefe Vebingung ni4t angenommen wirb,
feßen wir bie 3?eiubfeligfeiteit fort."
©en. ©orbon fagte: „©eit. See’S 91vince ift
erf4öpft. Seine Uebergabe ijt außer Zweifel."
©en. SBilcoj, ben i4 gut Jannte, ba er al»
£>anptntann bie Gompagnie führte, we!4er i4
als Stabett auf ber &rieg*i4nle angehörte, ging
auf fein Vferb gu unb fagte, indem er feinen
Sattelranjen ergriff, f4ergeub: „£>:er, Sheridan,
nimm biefen Stangen; ein altes £>einb unb ein
Saar fjofen finb barin. $u haft alle» 91nbere
berbraunt, roaS i4 in ber 9BeIt befaß, unb bu
fannft bieS au4 no4 haben." Gr fpielte auf
bie 3erftörung ber ©epäetwagen an, bie fcßoii
feit einigen Sagen bor fi4 ging. 9111 bie obigen
Sebingttugen angenommen waren, tarn jcbe9lr»
ntee überein, gu bleiben, wo fie war, bis ©en.
©rant tarn, na4 welchem i4 meinen 91biutauteit,
Cberft 9temhall, gefehlt hatte, ©en. ©orbon
unb 2Öilco£ begaben [ich barauf gitriicf gu ©en.
See unb oerfjmi4en binnen breißig Vtinuten
toieber an Ort unb ©teile gu fein. SBiißrenb
ihrer 91bwefenheit ftieft @cn. Orb gu mir am
GourtbauS. 9ta4 Verlauf bon breißig ober
biergig Viinuten tarn ©en. ©orbon in Veglei»
tung boit ©en. Songftreet gntüd. 2ter Scßtere,
welcher See’S 9ta4h»t auf ber fffarinui Ile Straße
befehligte, war beunruhigt, baß ©eit. Vteabe,
welcher bon ffarmbille auS folgte unb nidft
wußte, wa» in ber fjfront borging, einen Angriff
auf feine Gruppe macheu töunte. Um bieS gu
berhiuberit, f4Iug i4 bor, baß ber Gßef meine»
Stabes, ©eit. tforiptß, begleitet bon einem ton*
fdberirten Offigier, fuß bur4 baS feinbli4e £>eer
gu ©en. l'teabe begebe, unb ihn bon ber Sa4*
läge 6eiin4ri4tige- @r ging fogleüß ab in Sie*
gleitung bon Oberft fjfairfaj, bon ©en. Song»
ftreet’S Stab, ftieft auf bie 9loantgarbe ber
tßotomacannee unb unterri4tete fie bon ben ge»
gettfeitigen Vebingungen.
3n ber 3 ro| f4engeit begab ft4 ©en. See in
baS SHcSean’fcße |>anS in bem t£orfe 9lppomatoj
GourtßauS. 34 bin ui4t .gewiß, ob ©en.
Sabcocf bon ©rants Stab, ber bor ©rant an*
fam, ßhiübergegaugeit war, um ihn gu feljcn
ober nicht. SBir hatten einige Stauben gewartet
unb id> glaube, ungefähr gegen )w5(f ober ein
Uhr lam ©en. ©rant. ©en. Orb, i4 unb biele
anbere Cffijiere befanben fi4 auf ber ftaupt*
ftrafte an einem tßunfte, bon welchem au» See’S
iftrmee fiißtbar war. ©enerat ©rant ritt heran
unb grüßte mich mit: „Sheriban, wie geht eS
3hnen?"
34 antwortete: „9te4t gut, i4 baute 3bncn."
Gr frag bann : „23o ift See ?"
34 erwiberte: „3tort unten im Stßale ift
feine 9trmee; er ift in feuern £>aufe, bereit, fi4
3hnen gu ergeben."
©en. ©rant, ber no4 gu Sferbe faft, fagte:
„kommen Sie, laffeit Sie uns hinübergehen."
Gr ridjtete an ©en. Orb biefelbe 9lujforberuug
unb Wir alle gingen mit na4 bem 93tc Scau’f4cu
£>au5. 93tit ©en. ©rant traten in baffelbe,
}o bicl i4 muß erinnere, bie ©cneräle Orb,
SJtawtin», Seth SBilliatnS, 3ngnll», Vabcoct,
parier unb meine Söcnigtcit; nufere ^Begleitung
unb bie Stabsoffiziere blieben bor ber $hüre
unb auf ber Scranbaß. 9(1» Wir beu Sarlor
beiraten, ftaubÖen. See mit feinem 91bjutanten,
Cberft fDtarihall, bor uns. 2tcr erfte ©ruft
galt ©eit. Seth SBilliam», weldjer See» 9föju»
taut gewefeit war, al» er ber flriegefdjule bor»
ftanb. ©eit. See würbe hierauf bem @eu. ©rant
borgeftellt.unb bann ben übrigen bon uns. ©en.
See War mit einer nagelneuen, grauen Uniform
befleibet unb trug einen fdjönen Regelt. 91uf
feinem ©cfidjte rußte ber 9luSbruct bei: Grlöfung
bon einer fdpocreit Viirbe. ©cn. ©raut» Uni»
form War beftaubt; er trug teilt Sdjwert. 9ta4=
bein einige 9öorte gewcchfclt würben gwifdjcn
benen, bie 6cu. See p:rfonlid) fanuteit, jogen
fi4 alle Offiziere juriief, mit 91u»itahme eines
Stab»offij:erS be» ©eit. ©raut tmb be» Cberft
9Jtarff)atl, ber mit See fam. ifauni waren wir
fünf 2(tmitten au» bent 3imnier, al» ©eit. 9Bab*
cod an ber 5Ef)üve erfchien unb fagte: „®ie
Uebcrgnbe hat ftattgefunben. — Sie töitnen
Wieber hereinfomincn."
911s wir eintraten, f4rieb ©en. ©rant an
einem Keinen, häljcrneit, läitglid)=runöcn 2if4
bie Sebingungeit ber Uebergabe. (34 taufte
fpäter ben 2if4 bon £>errn 93ic Scan unb fcf>enlte
ihn ber grau ©. 91. Gufter.) ©cn. See faft,
feine £>änbe auf ben Segen geftüßt, jur Sinten
beS ©en. ©rant, feinen Utüdeu an einen Keinen
mit Sü4erit bebeeften Sif4 lehuenb. SÖährenb
©en. ©rant fdjrieb, unterhielt fid)@en. See unb
fein 9lbjutaut mit ben anwefenben Offijieren ;
er nahm aus feiner 30rufttaf4e jwei Sepef4en,
weI4e i4 ihm wafjrcnb beS Vormittags gefanbt
batte unb bie ihn bena4ri4tigten, baft ein Sheil
feinet Gctballerie bie getroffenen Seftimmunacn
berleßte, inbem fte ft4 langfain gurüefgogen. 34
hatte leine 3eit, Gopiett baboit gu machen, als
i4 fte abf4icfte, unb bat ihn, mir fie guriief gu
geben. Gr hünbigte mir fte ein mit ber Sc»
Digitized by v^ooQie
466
(Sin Abenteuer.
inerfung: „©3 tbut mir leib. @3 ift ntöglid), mnlS mit bem #nte griißenb, jutn Shore hinaus
bof> meine ©aballerie bie Scftimnmngcu uie^t feinem .freere ju. Sei feiner Slnfnnft bort hör«
»öllift öerftanb." teil mir wilbeS £>nrral)rufeü, baS fid) non Jruppe
©3 luitjin uiuiefä^r eine ©tunbe in Sitfprucf), 1 ju Sruppe fortjupflanjen fdjien unb baS ent«
bieSebinguugen feftjufe&en unb 311 tmter ( iei<bnen; meber if)nt felbft nult ober ber Susbrud bet Sr«
als bie» gefdjeben mar, Dernbfci)iebete fid) ©eil. friebiguug mar, welche feine lefcte $aubluug
See mit einem £)äubebrud t»on (Sen. (Sinnt, als ©olbat jur golge tjatte.
beftieg fein deines, graues Sferb unb ritt, noch«
«iu 3U>
©fijje ans bem amevi
Sau «.
/ffjfC*xin fdjwiiler Sugufttag beS 3of)teS 1869
Tjyp Q Ijatte feinen Kreislauf boücnbet unb
mar in bemSlbgrnub bev Sergangenbeit
6~0 auf ewig fcblafeu gegangen. Sie 91ad)t
breitete ihre buntlen ftittige über bie nach Steilen
unb ©rfriidjung Ic^jenbe (5rbe. Sie leife Srife,
bie mit ©inbrucb ber Sunlelbeit fid) erhoben,
mirtte mobltljneub auf bie abgematteten Sten«
fdjen, unb loche fie in bellen Raufen in’S QFrcie.
2 lm fternenbefäteii Firmament tauchten graue
SBöltcbeu auf, welche mehr unb mehr fid) »er«
biebteten, bis fie enblid) einen Siefenfdjleier bil»
beten, rooburd) nicht nur bie SfiujteriiiB bebeiu
tenb oerftörtl, fonbern and) bie s lluSfid)t auf
balbigeu Stegen gehoben würbe.
©emiitblid) plaubernb lag ich mit einem
3 ?reunbe unter einem ber großen SpfelbaumebcS
SfarrgarlenS, als unerwartet bie ©urtentbür
aufgerifjen wnrbe, unb einStann in eiliger 4 >aft
auf uuS jufebritt.
„Ser bat’S eilig," murmelte mein blattbeut«
fd^er 3eitregulirungScontroIeur; „gewiß noch
eine frodneit, ach wenn ich bod) auch nur ein
Starrer wäre."
„Sbwarten, grennbdjeu!"
„@uten Slbenb, ift hier ber £>ert Starrer ? "
fragte ber Snföinntling.
„ 3 orool)l, b'te liegt er," ertoiberte ich etwas
fleinlaut, beim ich traute bereits bem Sanbfrie»
beit nicht.
„ 2 Bo beim?"
„ftier im ©raS, Was ifl beim loS?"
„£>err Sfatrer, einen fcböueii ©ruß boit fjran
©berSberger unb ©ie möchten fo gut fein unb
atigeublidlicb ju ihr tommeu."
,,©ebt uid)t, halb ift’S neun Uhr, am Fimmel
fteij.t ?iit ©’witter unb itad) ber Soßlid fiub es
jroölf gefd)(agene Steilen."
„Slber .v>err Starrer, fie treibt’S nimmer fang
unb wiinfd)t Sie nod) einmal jn fpre^eu."
i ii t e tt e r.
fanifeben SfarrleBen.
Sannt.
„SBirllidj ? Saun muß ich 3 nlefct bodj noch
meine Starb fälteln. tJrcunb |>ero, willjt Su
mich begleiten, Su möcbteft fa bod) fo gern fterrn
Sfarrer fpieleu ? "
„Sellen Sauf für bie ©Ijre, glüdlidje Seife,
ich fd)lage uiid) fcitmärtS in bie Siifdfe unb
träume, mcnti’S gebt, bou beffereu feilen, wo
bie Starrer nod) vuljig fd)lafen burften nnb nid)t
nötbig batten, bei Stächt unb Siebet irrlid)terub
burch bie weite ©otteSwclt ja Wanbern."
©ine halbe Stunbe fpater faß ich in boHer
gfelbauSrüftung im Sattel unb eilte mutterfeelen«
allein int rafetjen Srabe über Serg unb Sbal
bem fernen 3 iele ju. Sie Stacht War raben«
fdjroar.t unb ließ mit jebem Slomente ben 3luS»
brud) eines fdjmcren ©cw.tterfturmeS ermatten.
91m moltenbegrenjten ^»orijoute fprübte eine
eleftrifd)e Satterie feurige Stiße, welche in
fd)aucrlid)em 3idjad baS bichte ©emölb burch«
furd)teit unb il)v ftammenbcS Spiel mit ben
erregten Säften trieben. SaS Sraufen beS
SßinbeS uub baS 9tanfd)en beS 28albeS bin unb
wieber mit £uubegebell bermifcht, bilbete baS
Srio, baS bie öbe Stille ber fiufletu 9la<bt
belebte.
©If Uhr War liiugft boriiber, als «h ben
j£)öbenjug ber SMIliamScrcef iiberfchritten unb
in baS mafierreidje $bal ber Srufbcreef einbog.
Sorfichtig ritt ich bem Sache entlang, ber burch
fein gebeimnißüoflcS Siurmclu fonberbare ©in«
pfinbungeu in mir Wach rief unb mich uumid«
lürlich an ber £ianb feliger ©riunerung in mei«
ner Hinbbeit frübefte Sage jurüdfübrte, wo ich
oft ©tunben lang füßen ©ranenS ben ©eijter»
gefcbicbleit einer betagten Slagb unfereS l£)aüfcS
laufebte. ©in geiftlicher ©rllönig jog icp meine
©traße, bie mir halb ettbloS bortam. Sie SJclt
fhien auSgeftorben, benit nid)tS Sebenbe» ließ
ficb hier in bicfeS SpaleS ©rünbeit hören; hoch
— horch, was ift baS? Jpunbegctldff! ©ottlob!
Dt^itized b y-'
Googk
(Sin Hbrnteuer.
467
©ehutfant folgte id) bet Ütichtung bei Sd)afleS,
bii eine 0 * 11 } iljr ftummeS £)alt gebot.
Sofort fepidte id) ein trüftigeS £)afloh auf’s
©cratijewohl in bie biiftere 9laci)t hinaus. (Sin
jlueiteä nnb britteS folgte, ©üblich ©erdufd); ein
Sid)t mürbe fühlbar nnb eine ©eftalt in primi«
liuftem Dtachtaiyuge machte il)r (Svfdjeineu unb
fragte und) meinem ©egefjr.
„@uten s }lbenb! 33 iu id) auf bem regten SBege
nach ber Sojjlirf ?"
„Sowohl, batten Sie fidj rechts, in einer bat»
beu Stuube haben Sie fie erreicht."
„(Dante, flute 9tadjt!" nnb fort ging’S.
©ine h‘>ibe Stuube mo<bte etwa berftoffen
fein, als ich plößlich an meiner Seite £>unbe=
gebeil bernahm. Sßofl fjteube bari'tber, baß ich
mit'@otteS £>ilfe meinen ©eftiinmungSort er=
reicht unb eitblich au» bem Unwetter erliift werbe,
richtete ich mich hoch auf im Sattel, lüftete
ben triefciibeu Sßafjerrod unb rief baS übliche
^prtfloh-
©in Stnarren ber SjuuStljüre belehrte mich,
baf; mein 9luf beruommen würbe, unb weuifle
Setnuben fpetter tönte mir bn§ ftereotppe:
“Wlmt is tlio matter, Sir?” entgegen.
„Sft baS bie Sofditf ?"
„9teiu, bie Sofdid liegt jwei Weilen bon hier;
alten Sie fi<b red)tS, bann fontmen Sie ficher
in."
SturioS, — habe ich bie Stimme nicht früher
fchon flehört ? (Doch — gute 9to<ht! unb wieber
ging eS uerineiittlidj bem 3 iele ju. Spcibcnbcn
Sluges beugte ich mich oorwürts. um ja ficher
beu angewiefeneu GurS eiiijiihalteu, unb hopp!
hopp! fliug’S über Stodf unb Stein ber alten
©benSberger 311 , unb — Sicht! Sicht! jubelte eS
in mir auf, als ich nadj einiger 3eit Sid)tfdjint»
mer in ber Seme erblicfte. 9tofd)er trieb id)
mein mtibeS©ferb an, um fo fchnell als möglich
aus bem öattel unb ber unfreiiublichen 9tad)t
311 fomiiteit.
ffreubig fchmetterte ich mein £)atlol)! bem
4 >aufe 311 unb erwartete ©inlajj. ffaft geräufd)«
loS öffnete fich bie Sljür, unter ber — ©ott fei
bei uns! ich halte 311 m britten Wale bor ein unb
bemfelben C>aufe — ein Wann mit bem Sichte
in ber fjanb erfcheiut. Sangfain hob er fein
fladernbeS Sampenlid)t in bie £)öfje, fo baß eS
feinen bolleu Sdjein auf mich warf; aber laum
mürbe ber Wann meiner anfichtig, als er boller
Schied fich ummaubte, bie Sljür mit aller Wacht
in'S Schloß warf unb berriegelte.
®aS Sicht berlofch unb alles war füll wie baS
©rab. S<h hatte, ©ott weif; wie oft, ein unb
baffelbe fpauS unilreift, unb breimal an bem»
felbeit ©unft gehalten unb um 9luStuuft gebeten.
$er Wann glaubte ohne 3meifel jebt ein einen
©eifterfpuf, bielleicht an beu Wifben Seiger, ber
in biefer ftürmifdjeit 9tad)t feine lofeu 9tedereieu
mit ihm 31 t treiben fich erlaube, ober gar als
UngliidSbote für fein £>auS fich nnmelbe.
©Ja» feilte ich th«n ? Saugfam ritt ich bor«
wärt», ©in Uhr war Boriiber. 2>aS Sturm«
©oncert war in feiner hödhften ©utwidluug be«
griffen. Ser Utegen floh in Strömen, ber $ 011 «
ner rollte unb unheimlich 3 iidteu bie (cuchtenbcu
Streifen beS 93li^cS biird) bie Saft.
©eint grellen geuetfehein eines ©lißftrahlS
gewahrte ich einen £>eufd)ober. Schnell ent»
fchloffen flieg ich ab, baub mein ©ferb au einen
©aum, fchwang mich über bie 8*113 unb fud)te
hinter bem Heuhaufen $eduitg Bor Den ent«
feffelten ©lementeu. ©in eigentümliches ©e«
fühl befdjlidj midi, als ich b*« fo berlaffen unb
allein in finftcrer Reicht 3euge beS grauenhaften
WiturfchaufpielS mar.
Scingere 3eit lehnte id) an bem biiftenben f?eu,
bis bie hJalitr ihre ©eebte geltenb machte, ©r»
mattet faul id) in bie .©nie unb entfd)lief unter
bem ©raufen Der empörten 9taturhcifte. 9(lS ich
wieber erwachte, 3 eigte fich im Ofteu ein blaffer
Sichtftreifen, unb üerfiinbigte ber noch fchlum«
mernben Wenfchheit ben 9litbriidj eines neuen
2ageS. Steif unb uafe bis auf bie £aut erhob
ich mich 001 t meinem unfreiwilligen Säger, fprad)
mein Worgengebet unb fuchte bann mein Stoß
auf, welches aber feitteSwegS feinem Dteiter ent»
gegenwieherte. Sriibfelig wie fein #err ftaub
baS treue Spierba, unb feufte gebanfenfehwer
ben ßopf 3 itr naffeu ©rbe. SSMebe'r ging es Bor«
loiirtS, ober bieSmal mit einem befjerii ©rfofg.
Wein rcitfjfelljofter 3Beg miinbete ichoit nach
wenigen 9lderlängeu in ein wahres Sobprinth,
beffen einer Strang, ben ich beljarrliri) uerfolgt
hatte, in langen Schlniigenwinbuugen in ben
feeg, ben ich gefommen, auSlief.
©egen Bier Uhr erreichte ich baS ©benSberger«
fche £)aitS, wo man höchft erftaunt war, baf; ich
fdjon 311 folch früher Stuube an Ort 1111 b stelle
eintraf. SöoljlweiSlidj behielt ich mein inid)t«
lidjeS9(bcutetier für mid), erfuhr aber fpciter auf
einer f?od) 3 eit, bafe eS in ber ©rufhereef nid)t
geheuer fei. So habe 3 . ©. ber lange Stöhlen»
Ijeinridj Bor Sahv unb Sag in einer graufigeu
Sturmnacht einen fd)Wiir;eu iHeiter gefehen, ber
breimal Bor feinem ,f)aufe gehalten, unb bann
plößlidh fpurloS oerfchwuubeii fei.
2)ie alte ©benSbergeriit würbe halb nachher
heimgerufeu; fanft, unb wie id) hoffe, als ein
Stinb ©otteS, fdjlummerte fie hinüber in eine
onbere, beffere SBelt, wo es feine Smoege mehr
4 jief»t.
Digitized by v^ooQie
468
Jlus bem #fbeu tiurr (frfieljrriit.
Dm Arbeit filier Cfrjidjmii.
Ueberfebi an« bem geiüfcbeit.
9Bie, Tu nC'tr CinfamWt f —
|£ itlen im ©ommer, auf bem
fjriebljof felbft, feiert in
£ i u I et n b ber evaitgelifche
©eiftlicbe „Stobtenfeft" mit
feiner ©enteinbe. 3Da fiiieen
fie ring« um ihn t)er in
ftillem ©ebet an beu grünen
©iigelu, weiten rauftet bei
SBaib fein urewige« Sieb
— beim mit ©orliebe fiub alle
Qfriebböfe in Sivlanb tief in bie
2 Palbe«ftille bineingebettet, Wo ir=
gntb bie« gebt — nnb gewaltig
bringen bie '-Worte vom „ewigen
Scbeit" in bie tobtbetriibteu See»
len. ©efonber« ift e« ein ©ajtor,
ber in weiten Äreifen al« fegen«
briitgenb befannt nnb geliebt wirb,
nnb unty beffer glauben bie Setten
ibn ebren 31 t lötiuen, al« baß fie
in ihrer bilberreicben Sprache von
ibni fagen: ,,©r ift ein Mann wie eine (Siehe, er
bat eine Stimme wie ein Söme, nnb er ftreut
ba« SBort ©ölte« an« wie ©ünger." 3 bueit —
ben Saubbewobnern — ift bamit am heften bie
frudjtbriugenbe ftraft feiner Söorte be;eiit)net.
So feierte man an einem fonnigen 3uni»
morgen „2 ob teufe ft" in Marieubnrg. Söeit über
bie tfriebf)ofs« 6 iugänge hinan« ftanb nnb fniete
bicbtgebniugt bie (iubäcbtige 'Menge, nnb fcbmet«
ternber Serben fang mifcbte ficb mit ben feier»
lieben ©boräleu. ©ier, wo ber fcbnttenbe 2 BaIb
ficb ben fogenannten „©obtenberg" binanfjiebt,
batten einft Schweben uitb fJtuffen fo hart um
livlaubifcbeit ©efiß gejtritteu, bafi unjöblige ©e«
fafleue ber ftreitenben ©eere bem Serge beu
fliameu gegeben für afle feiten, nnb frieblict)
rubeit gfreunb nnb ffeinb tief unter ben füllen
Schläfern, bereu ©ebeufeit mau beut feierte.
9ln einen ©rabbiigel gelehnt ftanb mit gefal«
teteu ©äuben eine eiufame weibliche ©eftalt.
Otacb ihrer Weihung gehörte fie 31 t ben gebilbeten
Waffen, nnb ihr fchwaqe« ©ewanb, wie ba«
noch faum fpriejjeube ©riin be« ©rabbiigel«
liefen fcbließen, baß hiev ber ©ob fein Opfer erft
türjlidb geförbert hotte. Hub fo war e« auch.
$ie einfaut ©rauerube hotte feit fiebeu fahren
im ©aufe be« verwittmetcn 9(rjte« 31 t Marien»
bürg beffeu einjige« ftiub, ein ©öchtercben er»
Sogen. nnb gerabe al« bie bolbe 61 f e faft er»
wachfeit bem ©ater ba« ©au« verfchönern füllte.
ttu noch Gtnfnmrv’ii ;
Uiib hg 11 fen fi.’ £ii* je,
Milanen »1111 nidit iiif^i’
S'aim tränt fidp G i 11 f a m t c i t nicht j^ptver
2>u tutymft tyr all’ ilpr SBe^p.
rief ein höherer SDBiHe fie borthiit, wohin bie
Mutter ihr fchon lange VorauSgegaitgeu. ©er
uameulofe Schmers be« ©ater« ließ ficb In um
burch bie augeftreuglefte ©bätigteit übertauben;
auch beut war er 311 einem Schioertrauteii, über
vier Stauben entfernt, geeilt, nnb 9t 0 f a 1 i e
ßönig, bie treue (Pflegerin ber früh ©eint»
gegangenen, ftanb allein am ©rabe ihre« Sieb»
ling«. ©ief bewegt nahm fie nicht allein noch
einmal 9(bf<hieb von bem geliebten Wabe, ba«
ihr viel mehr ungehörig gewefeu, al« fouft ein
Siub feiner ©rjieberiu; fie nahm auch 91 bfebieb
von bem Sanbe, in bem fie nach ihre« ©ater«
©ob eine zweite ©eimatl) geftmben.
Seit jebn fahren war 9tofalie ©rjieherin im
9(u«laube gewefeu; ihre Weifte fingen au ju er»
lahmen, nnb nur in ber ©eimatl), in ihrem fie«
ben ©eutfchlanb, glaubte 'Jiofalie wieber genefeu
311 löuueu, förperlicb wie geiftig, beim bei« 2Beb
um (flfe’3 ©ob hotte fie fchwer getroffen. 911«
mit tröftenbem SBort ber ©eiftiiehe ihr beim
Schluß be« ©ottefbienfte« bie ©anb reichte,
wiiufchte er ihr 3 ugleich eine glücfliche Steife,
beim noch an betufelbcu 9lbenb follte 9tofalie
ihren weiten ©eimweg bou mehr al« jweihunbert
Meilen antreteu. ^ijr ©ers fchlug höher bei
bem ©ebanfeu, wieber beuticben ©oben betreten
311 biirfeu — fie meinte, e§ muffe 9(fle« Diel
feböuer geworben fein feit bamal«, wo Tie fort*
e eiogeu, benn iitswifchen hotte ja ©eutfcblmib
feine glorreichen Wimpje gefämpft, benen mau
Wie eigenen ©riumpheu in ben Cftfeeproviujen
3 iigejiibelt hotte, mabriieb, e« war 9tofalie in
ber fyrembe oft eilt begliicfenber ©ebante ge»
wefen, baß auch fie voll frohen St 0 ( 30 « ficb eine
©eu t f che nennen burfte — wie herrlich buchte
fie e« fiel), ihr Itibne« (Polt mm wieber 311 febeit.
6 « war ihr eigentlich nicht galt} dar, wen
fie fiel) bei biefem „Mieberfebeit" beulen follte.
Ohne (Sltern uub ©efchwifter, ja felbjt ohne
fouft ©erwanbte wiebersufiuben, buchte fie au
jenen unbeftimmten weiten Wei« von Sefaiiu»
ten,. bie einft fo gern ba« ga ft liehe ©au« ihre«
©Jäter« aufgefucht, mit benen Re ba« ©janicn
gemacht ober coufirinirt war. 9tur mit einigen
batte fie immer felteuere ©riefe geweihfeit, nnb
Memanben hotte fie ihr ftommen angetfiubigt,
al« allein Sfrau Stephan, ber alten ©ortier»
frau in ihrem eiuftigeu ©Iteruboufe, mit ber
©itte, ihr Womöglich in bemfelben ©aufe ein
möblirte« Stübchen 311 mietheu unb ihre* ©e»
-gtüzed by vjOOQI
Uns brat leben
biemtng ju übernehmen. SaS menigftenS mar
geglüdt; es mar brei kreppen fjocf) nod) ein
3 immer frei, nnb fo buvfie fie unter betnfelbeu
Sache atisruheu, unter bem fie einft gliidlichere
Safte ftefehen hatte. Sa mul* fttaubte fie, meif
ihr Vater fjausbefißer fei, tönuten SRahrungS»
forften ihr nicht nahe treten. 9lber als nach
feinem Sobe bieS #au3 berfauft merben mußte,
faub es fich, baß SRofalie uon bem VSeuigen, wag
ihr blieb, nicht leben fonnte, unb fomar fie ganz
gufriebeit, uon einer liebeitSmiirbigeu, lioiaii«
bifchen gfauiilie als (Srjiehevin mitgenommen jn
»erben.
tfrau ©teplfan hotte in ihrer Sugenb in SRo»
falieuS Elternhoiife gebient, unb »eil fie bcn
portier geheiratbet, mar fie auch nie heraus»
S iefommen aus ben befanuten SRaiimcu. V3oljl
ah fie ein gut Shell älter aus, nt» fie tRofalie
mit aufrichtiger fffreube am 2 öagenfd)log be=
grüßte; aber es mar Diel 311 frhöit, boit einem
befannten Wctifcbeufiube fo froh „willfommeu"
geheißen 311 »erben, als baß SRofalie bie äußere
Veraiiberting in fjrau ©tepban’S Vittliß fott*
berlich bemertt hätte. SLMe tief rührte e§ fie, in
bem (»ibftdegenen Stiibd)eu einige Vnbcufett,
bie (Viau Stephan forftjam gehütet hatte, für
fie aufgefteüt 411 finbeit, einige Silber, ein lici»
neS eijerneS ferujifij — 0 , wachten hoch ttu»
aahlige Erinnerungen auf bei bem Vublid biefer
Singe.
SU« SRofalie nach ber erregenbeit VegriißungS»
fcene begann nach ben alten Vetaiiuicn 311 for«
f<hen — wie oiel hatte fi<h geänbert! Von
manchen mar bie ©pur nicht niehr aufjufinben,
unb als fie begann, bie »eiligen, mit beiten fich
^Beziehungen auS ber Vergangenheit mieber an»
fniipfeu ließen, in ben Häuften Sagen aufjii»
fucheu, ba mußte fie mit Schmerz erteuneit, mie
fremb fie in ber ^eimath geworben, »ie gleich«
gültig es ben weiften fchien, ob fie wiebergefom»
men, ob fie bort geblieben wäre. Sie üBohl«
meinenbften fchienen feine 3 fit für fie übrig 311
haben. SaS Sieben in ber großen Stabt trieb
fo ruhelos oormärts, immer PormärtS; erfcbroden
fragte fich SRofalie: woher nehmen alle biefe
hafiigeu Weufcben eine ftille ©tunbe 3 iir Ein»
fehr bei fid> felbft, ober mie machen fie eS, bafi
fie ohne folche ©tuitben leben, geheißen, alt Wer»
ben töunen ?
Seiber hatte feit ihrer Vbmefenfjeit auch ber
SJerth beS ©elbeS eine erfchrecfenbe Venberitng
erfahren. 2haS früher für fie gereidjt hatte,
genügte heut nid)t mehr; ihr niitgebrachtrs,
fleiueS Kapital fdjroanb fo fdjuefl, beiß fie uad)
Wenigen 2öocben bie SRotbwenbigteit einjah, fid)
nach einer neuen Stellung timpifebeu. Eine
Zeitungsanzeige, in meldjer eine Same gefacht
würbe, Wutterfielle 311 übernehmen bei 3 ioei
iuiiflen Weibchen, fdjien ihr befonberS geeignet.
ttner (ffqieberiit. 469
unb fie machte fich auf, fuß bem Vater ber ftin»
ber »or 3 iiftelIeu.
VIS fie borthiu fam, mußte fie »arten, bis
einige Samen, bie früher als fie gefoinmeit, ge«
gangen mären; bann ließ man fie in ein elegait»
teS Zimmer eiutreten. Ser £>auSherr fam ihr
einige ©dritte nachläffig entgegen, unb iubem
er baS pincc-ncz auffeßte, um fie fdjärfer 311
beobachten, Perficßcrte er ihr, fie »erbe fich Oer»
mutblich fehr glüdlich fühlen, falls fie ihm ge»
liügte. ©ie fragte noch ben halbberwaiften
Sintern; fie touren Porläiifig in einer SJknfion.
VIS fie bebauerte; biefelben nicht fcheit 311 tötmen,
antwortete man ihr ungebulbig, es fei 90113
gleichgültig, wie fich ihr Verhältnis 311 biefen
Üinbern geftalte, bem fmuSherrn müffe fie por
allen Singen gefallen, ihn müffe fie unterhalten
fönnen burch tDiufif u. f.»., unb als SRofalie,
tief berleßt pon bent Son ber Unterhaltung,
aufftaub 311111 ©eben, perficherte man ihr, fie
tonne Pon ©lüd fagen, wenn mau fie berüd»
fichtigeu mürbe unter beit Pierßunbert Welbun»
gen, bie eingegangen feien.
Sief gebemiithigt Perliejj SRofalie baS fwuS;
als aber jeber Sag ähnliche Enttäujchnugen
brachte, als fie überall bem übermäßigsten ©tel»
lenzubraitg Pon U 11 befehd fügten begegnete, als
bem teblichen Sßillen fich nüßtiß 3 U machen,
febe Wöglidjfeit abgefchnittcn fchien, fein 3>d
ju erreichen: ba fant itjr ber Wutb, ba über»
fchlich Re baS bolle SBcß ber Vereiiifamuug, unb
jutn erftcit Wal burdjbebte fie ber Peqwcifelnbe
©ebante: „£)ört ber Reifer in ber SRotß,
hört ber Vater ber SBMttweu unb SBaifcit nicht
mehr meine angftuollen ©cbete ? 3 ft es nicht
ber Sratier genug, fo gar eiitfam 311 flehen
unter all’ biefeu Willioneit —muß ich auch
noch 31 t ©raube gehen auS Wangel au Shä»
tigteit '{
SaS Heine Erujifij auf ihrer itomobe rebete
bann wohl in feiner ftunimen Sprache 311 ißr:
„Srug ber große Sulber am jtreu} nicht ©chrne»
rereS als bu '{ üöar er itidjt noch Perlafjener Pon
allen Weufcben, berleugiiet Pon feinen ff renn»
ben ? Silber er mar gchorfain bis gunt Sobe am
fi'reuz; er tßat ben SBillcit feines VaterS im
£)immcl — t()ue bcSgleidjen l"
Sann fam wofjl auf fut 3 e 3 f >l 8 ?riebcit in
ihr forgennolleS ^>er 3 , unb bie Pergcblidje Vrbeit
begann auf’s Diene am nädjften l'iorgen.
fynft fd)ämte fich SRofalie Por grau ©tephatt,
baß es ißr gar nicht gelingen wollte, eine ©tel»
lang 311 finbeit, imb-eS war ißr gar nicht feljr
lieb, als an einem Vbeub, an bem fie unbemertt
in Ihr 3 >'"mer fdjliipfen wollte, t$*nii 'Stephan
iljr auf bem gnße folgte, ©ie 3 iinbete iljr bie
ilampe au unb reichte it>r einen Vricf, ber heut
in einem an grau Stephan abreffirten Vrief
eingetroffen mit ber Vitte, bie tnangelube Dlbrcffe
Digitized by v^ooQie
470
bem jpfben riner (Erjieljfrin.
an gräuleitt Nofalie hmjugufügeit, wenn fic bie*
felbe miffe.
Nofalie öffnete beit 33rtef uitb laS. Skßhalb
gitterten aber ptöplich ihre £>äube fo heftig?
213efef)nlb voüte laugfout Thrätte um Thrätte bie
blaffe Söange herab? Skßhalb preßten fid) auf
einmal NofalienS Sippen fo innig auf biefe
©chriftgüge? grau Stephan faitb beS 3Buu«
beritt teilt Gitbe.
„Sie haben fie gelaunt," — fnate eublid) No«
falie mit oott Thränen erfticftcr Stimme, „Sie
haben biefe liebe s -ß a tt l i it e auch noch gefannt.
@S ift min mehr als gmattgig 3ohre, als fie
hier, bamalS ein fiebgehu jähriges Ntäbcheit ernfte
©tubieit machte, um als 61 ’gieherin fern bon
SBerliit ihren SebeuSberuf gu finbeit. ©ie mar
nur menig älter als ich, tinb noch immer erinnert
fie fich ber frohen, fdjönen ©hutben in meinem
Glternhaufe. $ept ift fie berheiratljet au einen
Saubgeiftlichett.
„Sie jdjreibt mir, ihre ©efiutbheit fei ge«
brachen burd) bie Slnftrengungen ihres früheren
VerufeS, unb fie baute ©ott täglich, baß fie nun
ötiSruhen bürfe bon fo fchmerer Arbeit, gehegt
unb gepflegt boit ber Siebe ihres ©atten unb
ihrer Töchterleiit; ba höbe fie mieber unb mieber
au mich beuten ntüffeit, beim es fei no<f) Natim
in ihrem £>aufe gu einer befcheibeneit geierabenb«
ruhe für ntid), falls ich berfelbeu bebtirfe, mie
fie nach eigener Erfahrung mahl auttehme. ©ie
bittet fo herglich, ich, möge fonimeu, 100 immer
biefe feilen mich finbeit möchten; fie bittet fo
mann, ihr £>auS als mein .peint fortan aitgiu
fel>en, roenu es mir nid)t gu ftiü unb beleihen
fei, baß ich gu ihr reifen unb fie mieberfehen
muß, bie ©ute, ob ich auch nicht immer bei ihr
bleiben merbe. 3)aS ift ber £eiinath*gruß, beit
ich i» ber gerne buufel erfehitte, unb ber mir
bisher fo gar fchmerglich fehlte."
(*S mar ein grauer, unfreundlicher £erbfttag,
an betn Nofalie oor bem meiniimratrften Vfarr*
häufe borfuhr, aber briitnen mar eS hoch mie
lichter ©onuenfehein, als bie beibeit greuiibinitcn
nach fo laugen fahren fich mieberfahen. $rei
Töchter, bon betten bie jiingfte fautn fünf, bie
ältefle nod) nicht gmölf ^ahre alt mar, liefen
mit tinblid) frohem ©eplauber bie ©orge um
bie traute, fichtlich leibenbe N?utter nicht gunt
NuSbrucf toinmen. ©ie führten ihren lieben
©aft burch £>auS unb ©arten, gelb unb glttr,
unb als bie 'Jlbeitbanbacht alle ^aiiSgenoffeit um
baS ©opha einte, auf beut bie traute Hausfrau
ruhte, ba fchieit eS Nofalieit taum glaublich, baß
fie erft feit ©tmtben unb nicht fit)ou fait fahren
biefem traulichen £)auSftaube augehörte.
91ud) beut Vrebiger fchieit es eine SBohlthat,
fich gegen Nofalie über manche ©orge auSiprechen
gu bürten, mit ber er feine traute ©attiu nidjt
beunruhigen moflte. Vor längerer 3e t hol e
er fich um eine einträglichere ©teile in 39. be*
morbeit, uitbgerabe jept, mo feine ©attiit leiben«
ber mar, mo utau beit ©ebauteit au einen Uingitg
längft aufgegebeit, gerabe jept erfüllte man beS
VrebigerS ©efud). greilidh tonnte er eS ab«
lehnen, aber bie Nahe befferer Zeigte, ber ©djul«
unterricht, ben er mit feiner ©attiu bisher felbft
gegeben, unb bie beffere ©iitnahme bei immer
fieigeuben 21uSgabeu, baS mareu hoch gemichtige
©rüitbe gegen eine Ablehnung. ©0 tarn eS,
baß jeber im £>aufe Nofalie gern gu feiner
Vertrauten machte, unb fie felbft mürbe nicht
nur beintifch, foitbern gerabegti unentbehrlich.
Ta trat erttft uitb fchredlid) itt beit marnt«
bergigen NienfcheitfreiS ein Vote ©otteS, ben
Niemaitb fo fdjuell ermartet hatte — eS mar ber
Tob ber grau ^auliite, bie ftill unb ohne fchme«
reu flfantpf in einer Nacht bie luiibeu Nugen
fchloß uitb bie ©orge beS UmgttgS eutfehieb.
ftaum meuige VJocheit hotte Nofalie fich ber
treuen 3 ugeubfrcnitbf<haft hiogebeu biirfeit, uitb
mieber hiep es nun für fie, fich einen eigenen
SBcg gu fitdjcn.
2i>ol;l half fte treulich, fo lauge eSetmaSgu
helfen gab, aber in V. mar fie ja überflüffig;
bie $ittber befugten bie Schule, unb bie alte
Torte, meUhe auf beut Sattbe ben |>auSjtanb
beforgte, gog mit nach ber ©tabt uitb forgte in
alter Treue. Nofalie gog mieber itt ihr h?d)
gelegenes ©tiibd)ett, aber neben ber Trauer im
bergen mar buch mie ein ftilleS ©liic! baS©cfiihl
ber Sufammengchörigfcit mit bem benuniften
£>auSftanb mit ihr gegogeu. ©ie holte eS auf«
gegeben, eine attbere Stellung gu fliehen, uitb
gab Sßriüatfhmbcn, bie ihre i£j:ifleug fieberten,
^hre liebfteit ©tunbeit waren freilid) bie, meiche
fte auShelfenb ben ft iuberit ihrer hcintgegangeiicn
tVreimbin gab. 3 umeileit hörte ber tvauerube
Vater biefcit ©tunbeit gu, mie fie häufig ben
9ieligioitSftunben, bie er felber gab.
TaS getneittfame SSktf, mie bie gentetitfame
Nttfdjauung über bie höchfteu Eilige vereinten
fie mehr uitb mehr, unb als baS Trauerjahr
Porübcr mar, ba taut ein Tag, ein munberOarer
Tag in NofalienS Sebeit, ben fie längft für un«
möglich gehalten, an bem VouliiteuS ©atte f\t
bat, bie Nachfolgerin ihrer fchmefterlicheu greuit«
bin tntb bie Ntutter ihrer Äittber gu werben.
Vield) eine lichtßolle Vahtt öffnete fich plöplich
ber einfanten ^>eimathlofett. Nicht um gugenb
unb ^d)ön()eit, nicht um ©elb uttb ©itt, um ber
Treue millen, bie fie ber greuitbitt unb ihren
Jfiuberu bemiefett hotte, mollte thrber, ber fie
fchäßeu gelernt, ein giifjrer bttreh biefeS Sebeit
u einem höheren unb f^öttereit werben. 2 lMe
iiß mar eS, menn ihre v 4 Jflcgetitibcr fid) au fte
fd)miegteit unb fchelntifch fich übten, fte in ftur*
geilt „Ntutter, liebe Ntutter" gu nennen. ©0
Viele hotten gefagt, mie fd)mer es fei; ihr fehiett
Digitized by v^ooQie
^us beut leben einet (ftüeljerin.
471
eS leicht imb begliidenb, alle SBarme i^reS Her»
genS au biefe Aufgabe uerfchweubeu gu biirfen.
Sh« fleiueu ©rfparniffe, bie fie ginn eigenen
SeheuShebarf fich gefdjeut augugreifeil, griff fie
jefct gern an, imb gab fie reichlich aus gu einer
eigenen StuSftuttuug, bamit baS SJorljciubeue beu
Södjtern erhalten bleibe als ein Slubeuleu an
ihre SJfutter.
Sa lag enblidj baS granfeibene SBrantfleib 6e=
reit auf bem Soplja, in ad)t Sagen folite Stofalie
füll getraut werben. Sie wollte eS nur uod) bein
Verlobten geigen, ob cS fo ihm lieb fei; frcuiib»
liehe Silber ber 3ufunft füllten itjre Seele, bin*
ter ihr, weit hinter iljr lagen bie Sage ber ©in»
fanifeit uub beS SJerlajfeufeinS.
Sa, loelch’ baftige dritte nabten fich bem
hochgelegenen Stübchen! SaS Waren nid)t bcS
SßrebigerS Schritte, uub bor ber Sbiir hielt man
an — tönte nicht leifeS S<hlud)gen herein ?
Sodj — ba öffnete ficb bie Sbür, unb an ff rau
Stephan ’S Houb trat mit oerftörtem ©efidjt bie
gwölfjührige s JJt a r ie herein. Sie berfuchte ficb
bie rotbgeweinteu Gingen gu troefnen; aber eS
half nichts, bie Sbeeilten ftröinten nur um fo
reichlicher beim Slnblid ihrer tiinftigen SJtutter.
SDtit bem lauten Sluffdjrci: „Sobt liegt ber S3atec
babeitn, ein fjergicblag enbete fein Sehen," ftürgte
ba§ Äiub an ihre '-Bruft.
Sprachlos faut Stofalie auf baS Sopba bi«/
beiß baS ©rauttleib raufchte unb fuifterte. Sun»
fei war eS um fic her uub in ihr. 2Han fpracb
gu ihr; aber fie beruahin es nicht. Sange, lauge
ftarrte fie bor ficb Oiii; ba fiel ihr Süd auf baS
flehte ©rugiftj ihr gegenüber. „Sei getreu bis
in beu Sob," fpracb es g» ihr; in ihr bagegen
antwortete eine balßbemnfste Stimme: „aber
eS ift gu fchwer, ich fault nicht mehr." — „3ft
eS möglich, fo gehe biefer Uelch au mir bor»
über, boch nicht mein, fouberit Sein SBifle ge»
fchebe," rief ber Staun ber Schmergen ihr Wie»
ber gtt.
Hatte fie bodj biefe Sitte oft genug in ihrem
Sebeu ausgesprochen, aber fo fchwer wie in bie»
fern Slugenblid hotte bicfelbe ihr nie gefchienen.
Suntel war eS im ßinimer geworben, fnifiernb
flammte bann uub wann eiii rother Schein hoch
empor au§ bem ffeuer, welches ffrau Stephan
gegen bie $erbfttü()le angegiinbet. Sa tauchten
aus ber Sämmeruug Keine, theilnehmenbe ©c»
füllten auf uub umfchlangen 9fofalie mit ihren
Sinnen; bitteub, tröftenb ftiifterteu fie ihr tau»
feitb ücbeuofle 2Borte gu, uub ehe fie es geinerft,
hatten biefe fie mit beu flehten Siemen wie mit
lieblichen Saitben, an wannpochenbe Hinber»
bergen gegogeu.
„Su bleibft boch hei uns. — Sn laßt uuS
nicht allein, nicht wahr? Su bift uuS nun Sater
uub SJiutter," fo flaug eS leife, halb weinenb,
balb fofeub ihr gu.
Unb ber rotlje Schein, ber eben wieber baS
Grugifij umleuchlete, brach auch bie Stacht ihrer
©ebanfeu, jejgt erft erfanute fie ©otteS SBege.
2fa, ihr uub ich, toir trennen uuS nicht mehr,
ihr föftiicheS ©vüe ber theureu Heimgegangenen.
SieHonb eures SBnterS, bie mich uub euch leiten
unb füllen folite iit biefem Sebeu, fie foü unS
nach fi<h gieren gu einem höheren Sehen."
Unb fo ift eS geblieben. Stofalie lebt noch
heute mitten unter uuS in bem ©ewiihl ber
Hauptftabt mit ihren brei pflegetinberu; hödjft
eingefchriiiift uub bcfcheiben muß fie leben, aber
bie äfreubigteit ift in ihr nicht auSgeblieben für
bie Schwere ihrer Slufgabe. Sie unterrichtet, fo
weit ihre Kräfte eS geftatteu; ein Keiner 3uf<huß
gum Haushalt ift auS bem 6rbe ber fiiuber eilt»
ftanben. SaS ©efühl ber Skfeinfoninug unb
beS 23erlaffenfeiuS ift für immer oon ifjv geuom»
men, unb unter bem Send ber ©egeuwart fei»
men füll unb heimlich Hoffnungen für bie 3u«
fimft Wie fffrühliiigSbliilhen unter bem Schnee.
ÜOtöchten ihr bie ^reifte gu ihrer gefegneteu
Shätiafeit nicht früher berfagen, bis biefe noch
ferne 3ufunft erreicht ift, ober möchte ihr un»
erwartete Hilfe gu Sljeil toerbeu! SBenn fie
bie ©rüber ber Heimgegangenen befucht, bringt
fie nicht Stofen unb Silieit, fie bringt brei junge
SJtenftyentnofpen mit, bie fie pflegt mit heiliger
Siebe.
SBenn aber ber H fl ‘bft mit feinen erften
Sdmeeflodcn einfehrt, wenn, wie an jenem
SchredenSabenb, bie rothe ©Inth beS warmen»
ben tffeuerS baS 3itnnter beleuchtet, bann hören
bie Stachbarn oft ein frembeS, trauriges Sieb
fingen, was fJtofalie in fröhlichen Sagen eiuft
in Siolanb feuneii lernte:
<£s finb riet tanfeitb ^(oef cn gefallen über Ztadjt,
Ber IBintcr ift gefommen, ad;, etje wir’s gebadjt.
£cis geljen alte Häber, fchwer rinnt bes Stromes
£auf.
3m <Jelb ein jeber Pfahl h at ein weißes Käppiein
auf,
3d; weiß nicht, was mir ahnet, mein tferj ift triib
nnb weh,
Md;, über ZTad;t ein Unglücf fommt oft wie erfter
Schnee.
Digitized by v^ooQie
472
din dpfer her feikraf^aft.
(ffili <Piifcr &er £ eiimifdiaft.
$0« ». ejjliiiflcr.
SCoUenbet in tner gortfeftunaen.
I.
S befdjleicht bett beutfdjm ©inwan*
berer immer eine fülle Sßehmuth,
benft er an baS alte £eim mit
adern, was er bort erlebt. SSJie
fönnte er auch feiner &eimatb ber*
geffeit, mo er bie heiter [teil Tage
feines SebeitS, bie jEa^e feiner Kinbheit, berlebt
bat. Knüpfen fid) bodj an jene 3eitbie fd^önfteu
nnb reinften ©viunerungen, nnb toie fo mancher
hätte gar gerne noch einmal jene lieblichen Sage
guriidgerufeit. Unb boef) gifbt eS Ntenfdjen, bie
unbantbar genug, ihre £>eimatl) oergeffen, ober
fid) ihrer gar fdjämeu fönnen. 2lMr bebauern
bie armen ©erblcnbeteu natürlich, fcenn fie ber*
büftern (ich ja haburdj ihr eigenes Sehen. 6S
mufe boch ein Nfenfch bou ziemlich nieberer ©e*
finnung fein, ber feinen ©Item fein bantbareS
£>erg bewahrt, ba fie ihn boch mit fo biel Siebe
nnb Selbftoerleugnung gepflegt unb grofjgegogen
haben.
Unter all ben beutfdjen Königreichen, £>ergog.
thiimern unb fyürfteutbüinern fteht baS lieblich«
(Schwaben mit feinen gemütlichen unb gut*
herzigen ©ewohneru begiiglich ber Schönheit ber
Statur mit in ber erften {Reihe. NtandjeS £>erg
fchliigt bem frieblicheu Saubren banlbar gn,
auch wenn eS im fernen SBeften toeilt; beim gur
£>eiinatlj wirb bie grembe boch gar feilen. @S
mufi ben althergebrachten ©ebräudjeit fchmäbi*
fchen TorflebeuS ein eigenlhümlidjer 3auber gu
©runbe liegen, ber nicht fo leicht fchwiubet.
3m Schwabenlanb giebt eS itod) manches
friebliche Törfcheu, wo not) nie baS Tampfrojj
Porüber fchnaubte, bie ©ewoljner eigentlich fauin
recht Wiffen, toaS eine ©ifenbafjn ift. Unb fie
fiub, richtig betrachtet, fchmerlid) gu bebauern.
fabelt fie baS tägliche 23rot, maS füllten fie mehr
roiinfchen? TaS ift ja eben bie ©rimbiage beS
©litdfS, tpemt ber Nfenfd) gufrieben ift.' TaS
fortroährenbe Nennen unb Pfauen nad) ©efifi
macht nur immer baS ©cqeljren gröficr, unb mit
ber Segierbe Permehrt fid) auch bie Ungufricben*
heit. Taher glaube ich nicht, bajg ber raftloS
ftrebenbe Ninerifauer fo gliidlich ift, als ber gu«
friebene Sanbmauu in Teutfdjlanb. 3* mehr
fich ber ©ten|tf) oon ber moberuen Strömung,
bie nur ©clb unb Neuerungen toid, mit fort*
reihen (äfft, befto ungliirflicber wirb er. 9lu<b
unfer Sdjwabeulnnb wirb nicht pou biefem ein*
reifeenben Uebel Perfchont. ©icl Unheil hat üboit
jejjt bie Sorialbemotratie angeridjtet unb broljt
noch gröberes ©erberben gti Bringen. 2Bie fantt
baS auch auberS fein ? £>abcn boch biefe Ntänuer
ber Neuerungen bei {ich felbft mit aller Neligion
aufgeräumt, unb Perfudjen baS and) bei aubern
gu begroednt; luo ihnen baS gelingt, muh natiir*
lid) eine £>ölie gefd)affen luerben, beim ohne SRe*
Iigioit ift bet Nieufd) fein Nienjd) mehr.
9luch in bem Torfe K., wohin ein Sfjeil ber
©rgählung uns perfekt, hat fid) fchon manche
©eranberung bemerflid)gemad)t. ßiitft wohnten
bort ftide, gufriebeneSeutchen, bie treu au altem
©rauch unb ©tauben {enthielten. TaS ift anberS
geworben. £)efligcr flreiten fid) jejjt bie Ntänuer
in ben Scheuten über politifche fragen, alSbaS
früher gefchal). 2luch bie jungen Ntäbchen möch*
ten fich gerne fo Piel als möglich nach ber Niobe
richten, beim baS lange, engnnliegenbe Kleib ber
Stabtmabchen gefällt ihueit befjer, als ihr für*
geS, bequemes Nöcflcin. 2Die fo einfach warnt
boch Bie Seutd;eu früher. 2BoS lümmerte fie bie
©Jeltbroußen! Sie ging ja fo wie fo ihren Sauf,
unb ihnen mar cS gong behaglich gu Nintlj in
ihrem befcheibeneu £>eim. Nur im galle ber
Nothwenbigfeit machte man gu ffuß bie Steife
nach ber nafjeqeleqeneu CberamtSftabt. ober be*
fud)te and) ©efreitubte anherhalb beS Torfes.
Unb jejjt fühlt fid» mancher ©tirfche gu beengt
in bem Keinen Dörfchen, unb ihn gelüftet nach
ber ©ielt brausen. Tort minfeit ihm golbeue
©erge. Ter ©erblenbete! SHMe wenig weiß er
bon jener ©Jelt, nach ber er fich feh»t! glätte et
einen redjten ©egriff Pou ihr, er ließe greinbe
eben ftrembe fein unb nährte fid) ehrlich in ber
4)eimath.
2öie oiet fjalfdjheit h«rrfcht ba branhen! Ta
mißtraut einer bem anbern; einer fiuht ben an*
bem gu nberPortheilen. |>ier gilt noch baS Ntnn*
neSwort, brausen muh alles burch Namens*
unterfdjrift unb Siegel beglaubigt fein. Unb
baS Wollte man etwa ©Hilf nennen ? — SBarum
benn ben Ntanit beneibeit, ber oiedeicht eine ein*
flujjreichere Stellung hat, als toir? eS fragt fich
ja noch lange, ob wir fie überhaupt ausfiilien
föunten.
Tcm Saubmann ift Pom Schöpfer bie Nuf*
gäbe geworben, ben ©der gn bebauen, unb baS
fodte er nie oergeffen. Sein ©eruf ift gewiß ein
eblerer, als er felbft mitunter glaubt. 3e fvöh*
lidjer unb ftrebfamer er ben Samen auSftrcut
unb in ber ©rnte baS reife Korn in feine Scheu*
neu führt, befto größer wirb ber SNofjlftaub beS
SanbeS. SNarum follte er auch uni feiner Nvbeit
Digitized by v^ooQie
(Sin Qpftr bet J’eibmrdjaft.
473
wißen Peradjtet werben? 5aS raufe ein eitler
SEIjor fein, ber geringfcbafeig auf beu £anbmaun
herunterfteht. 5eS£anbmannSSeruf ift ehrlidj
unb ehrenwert!). 5er 'sspefulant barf fiel) jeben-
falls nicht mit i(jm auf gleiche Stufe ftellcn,
benn unter feinem Sefi& ift gar mancher unehr¬
lich erworbene 5ollar. 'über baS ift nun eben
einmal ber 3eitgeift, man möchte baS ©elb fpie»
lenb eintreiben unb fc^ent bie ehrliche Arbeit.
^ebenfalls wäre eS eine große ©otteSguabe,
wenn nufer frieblidjeS 5örfft)en in 3utunft oor
bem eiureifeenbeu Serberbeu bewahrt bliebe.
Soft) Manches trägt beit Stempel beS 9llter-
thumS. 5ie alte fteiuerne ßirftje falj Woljl fdjoit
manches ^ahrfennbert fomnten unb fftjwinben
unb immer noch fteljt fie eljrraürbig ba. £)od)
broben auf ber Spifee ift ein eiferner $afjn, ber
nicht nur als 3<erbe bient, foubern and) fetter»
Prophet ift. 5ie Säuern perftetjen es and) oor-
trefflich, fich nadj ihm ju richten. Unb wie fo
feierlich fchnllt am Sonntag baS ©elaute ber
©loden über bie ganje Start hin. 5afcei wirb
einem fo aubäftjtig ju Sinti), benn bie ©loden
haben eine gar mächtige Stimme. Stir will
eS fdjeinen, als ob heutjutage fo Piele, auch folche,
bie lieh ©fjrifien neunen, nichts Pon jener heiligen
©hrfurftjt wilfeten ; unb boftj follte fie ber wahre
©eift empfinbeu. 5aS£»eilige follte nitS immer
recht heilig unb ©ott als ber ©rljabene ein ©c»
geuftanb heiliger (Sl)vfiivdt)t fein. 5er fiaub-
manu ift mit feinem einfältigen ©lattben jeben-
falls beffer, als fo mancher Schier mit feinem
Unglauben, ber boch faum weife. Warum er ein
Ungläubiger ift. ©ar oft bringt es eben bie
allgemeine Stöbe mit fich.
ftrieblidj ift biefeS 5örfdjen auch noch in an*
bereut Sinne; beim Stuttcr Statur hat eS rings¬
um burch tiefe 5hü(er umfriebet. £ieljcr breiug
wohl nie ber granfaine $rieg unb baS war eine
ffiohlthnt. SEBie feef unb reijenb liegt eS broben
auf feiner 51nl)öljf, bafe eS fftjort Pon ber f^erne
gefehen werben tann. 5runten im 5(ja(e fliefet
iangfain ber wafjerreidje Sach unb treibt bie
®orfniühle, bie immer fo fröhlich tlappcrt bei
5ag nnb Sadjt. 3u beiben Seiten beS SaftieS
ift eS im ^ricljüng unb Sommer praft)iPofl grün,
blau, gelb nnb weife. 3m $erbfte aber hört
man frohen 3fubel in ben SBeinbergen.
II.
©S War ißalmfonntag unb faum war ber
■JtadjmittagSgotteSbienft ju ©ube, als auch fdjott
91üeS bem 5ljfll e guftvömte. 5aS gefftah aber
nicht immer fo, nur Weil heute Salmfonntag
war. Unten im SlfeUe bei ber S'eflelei, nahe
ber fteinernen Sriide, orbnete fich ber 3«g- 5a
liefe ein älterer Staun feine mächtige Stimme
erfdjaflen, inbem er ein £ieb anftimmte. Sille
fielen ein unb fangen aus Poller Sruft jenes fo
troftreiihe Sieb beS frommen unb pielgeprüften
©erharb:
„ U?ie foll id) Did) empfangen
Unb wie begegnen Dir,
© aller ü?clt Ucrfangcu,
© meiner Seele gier?
© >fn, ÜJefu, fefee
mir felbft bie £eud)te bei,
Xlamit, was I»id> ergötje,
Ulir funb unb tjellc fei. ”
u. j. w.
Sangfam bewegte fid) jefet ber 3ug fingenb
tljalaujmärtS. 31'ie fo blau unb tlar war ber
Fimmel, unb wie fo herrlich baS ©rün! 5ie
§rühliugSluft war fo mitb unb bie Sonne fftfeeu
fo angenehm warm; au beu Säumen falj man
bereits bie elften Slütljcn, ober boch wenigstens
bie Ijcroorbreftjcuben ftnoSpen ; überall Wcir £e»
ben, and) bie Sögleiu fangen ihr §rü()lingSlieb,
unb ba follte ber Steufd) fich nidjt freurii, in¬
mitten biefeS 3ubef£, biefer ^rad)t? ©r miifete
ja ein £»erj oou Stein hböen. 5aljer jubelten
auch bie jungen fo laut unb fprangen luftig auf
ben Siiefcn. 5er ©fjoral ber eilten fdjaüte
weithin. So ging ber 3ug baS 5(j‘U hinauf
bis ju einer höljernen Sriide, bie alt uub ge¬
brechlich genug war, nnb befeljalb auch erft un=
terfuftjt werben muffte, ob fie noch bienftfähig
fei. ©in alter Sürger hie© juerft eine Utebe
unb bann würbe ber Sach iibevfehritten. 5rüben
ging eS bann wieber fingenb tljalabwärtS.
Oben in ben üöeinbcrgeu ftanb ebenfalls eine
Stcnfdjcnmenge, lljeils bcin ©efang jn laufcheit,
tfeeilS fich ber Statur ja freuen, manche waren
eben auch gelomnten, weil anbere tarnen. Ueber-
bieS war es ja auch ein ganj befonberer Sag
beS 3<>hres.
3 wei SBeiber ftanben fliiflerub ein wenig ab»
feits. 3h r ©efpräch brehte fich um gar oielerlei,
was fte nichts anging, bodj gerabe befehalb
fchwafeten fie um fo lieber bariiber. Sie erjäl;l=
ten fich SBatjreS unb Unwahres, WaS b« uub
bortpaffirt uub auch nidjt puffert war, werbet
fiife unb ber 3lnne ben ftof mache, mit wem
HerrenbauerS ©ottfrieb ben Sonntag guuor in
ben Reibern fpajiereit ging, ob Steljer’S triebet
Wohl mit ber runbmangigen ftatljrine balb.g)odj-
jeit mache unb wie reift) bie 21uSfteuer fein werbe.
Wo ba unb bort Staun uub 2Beib f«h gejault
hatten. 5aS alles iutereffirt ja bie grauen weit
mehr als bie Stänuer. 5ie beiben SBeiber
hatten offenbar jefet ein wichtiges 5Ijema ge»
funben, benn ifjre 9(ugen jminfcrteu fo ge»
wifttig unb gebeimnifeooil unb juweileii fftiielten
fee perftoljlen nach ber 3ti<htung, wo bie Stenge
ftanb.
„.. . Unb wie hoch er ben ßopf trägt, feit
er Sürgermeifter geworben ift. ©r ift bodj gar
Digitized by v^ooQie
474
Hin Opfer brr feibenfdjoft.
)u ciiuieOifbet. Siel)’ mir, mie ftotj er bort
ftcfjt," fügte im ?yluflevton bie (5iiie.
£ie 9lnbere nirfte beiftimineub uub toieber
fd)ielteu fie hinüber. „ 3 dj hörte faden, er fei
gegenwärtig oiel öfter im .£mjd) unb loimite
meift betrauten beraub. Sein ffikib läßt er
allein baljeim fi[ien ; eS gefdfleljt iljr auch gaus
recht, beim fie badjte fi<b jiuuich fo drob, als fie
ibn evbielt. Gr foll öfters totreit mit ihr haben,
baS tvnnbert mi<b auch nicht. So treiben fie’S
nicht tauge, bann toivb ihnen fctjon ihr Stofs
üergehcu, wenn fie eines StageS einjeben miifjen,
baß fie Deal mit finb."
,,9ld), bn lieber Fimmel, toie ift eS bodh ein
Uugliicf, mie Seute tnivdh fo ein 9Iemtd)en fo ein»
gebilbct loerben. (fr fiebt Unfereinen faum
mehr an!"
80 ging baS ©efliifter fort, bis ber (Bürger*
meifter fo siemlieb als fiunip gcbranbmarlt mar;
benn baS ift gewöhnlich ber Schluß foldjcr ©e=
fbräche. Gr ftanb nichtSahnenb bort bei ber
ftötenge unb blicfte gebanfenöotl hinunter iu’S
Sfjol uub hinüber in ben SÖalb auf ber auberu
©eite. 9)lan hotte bon feiner Haltung aus aller»
bingS auf ein ftoljeS £>ers fdjließeu föunen. —
$od» biirfcn mir bein ©efdjmati ber 2 s?ei 6 er
bort niibt nur fo ohne Söeitcreä ©lau beit fdjen*
len. Sehen mir uns ben Wann ein (Bischen
genauer au.
Gr mar ein TOnnu bon f<hönem(BüU unb auf»
rechter Haltung; ber 3Mid mar träumerifCh unb
berrieth ein tiefes ©ewiith; ber ©efichtSaiiSbrutf
seugte bon Diel Ghrgefiiljl, aber um fo weniger
geftigteit. 3 eber mußte ihn als einen febönen
'JJianu anerfenuen, fo ootlfommen mar bie ©e»
ftalt bon etwas mehr als (Dlittelgröjje. Stols
unb eingebilbet mar er nicht gcrabe, hotte aber
bie üble ©eroohuljeit, mehr fcfjeinen ju wollen,
als er eigentlich War. So giebt eS noch manche
aufjer ihm. 3 obem mar es feine 2 lrt, ftill unb
in fich gelehrt, feine SScgegu gehen. So tonnte
eS mohi faum auSbIeibeh,baB ihn Mancher ftol}
nannte, in fchlimmerem Sinne, als er eS wirf»
lidj mar.
Seit einem Söhre mar er (Bürgermeifler beS
Dorfes. (Eigentlich Wat er nur ©emeinbefchah*
meifter, boch ift eS in jener ©egenb beS Sdjroa»
heitlanbeS gebräuchlich, biefeit „(Bürgermeifler"
SU nennen, wahtenb fid) ber CrtSborfteher auf
ben Üitel „Schulse" nicht wenig su gute thut;
baS macht ihn ja auch eines Hauptes langer als
anbre £euf. Seit Sofob — benn baS ift ber
9tame beS (BürgermeiflerS — fein wichtiges 2lmt
bermaltete, war es eine ausgemachte Suche bei
(Bielen, bah er nicht wenig bon fid) beute. $er
£öljergeftellte muh jo in ben meiften gälten ein»
gebilbet unb ftols fein, ob er eS nun ift ober
nicht, es gehört mit sunt 9lmt.
©ans Unrecht hotten inbeß bie SBeiber in ben
SBein bergen nicht, beim ein Keines güntChen
Wahrheit hot in ben meiften Süllen auch bie
(Bcrläiimbuiig, nur bah biefe» güutchen fo gar
Kein ift. Sofob tarn fid) in ber 2 hat etroaS
gröber bor als früher; boch baS märe noch
manchem Uliiberit fo gegangen. Sofob fuchte
je^t mit aller ©emanbtheit, bie ihm su ©ebote
ftanb, ben £errn su fpielen unb baS nimmt fid)
immer fouberbar aus an einem 2 anbtnann. —
Sd)on feit einiger 3eit mar Satob einer ber
eifrigften ©äfle im „©afthauS sunt £irfcf),"
mähreub er früher am liebfteu am heimathlichen
•Viccb weilte. Cft hatte ihn fein döeib gebeten,
SU Saufe su bleiben, aber ihre 'Sitten' fauben
taube Chven. GS.roar ihm bei ihr su laug»
meilig uub im „ 4 >irfdj" fanb er immer lujtige
©cfcllfchaft unb baS sog ihn fo unmiberfteij*
lieh an.
(DiauCfj gliidfliöheS Saljr hotten fie in fchönfter
Gintracht mit einanber gelebt uub greub unb
2 eib reblich getheilt. $ie trauten 9lbeitbe am
gamilienherb waren immer bie fchöuften ge»
mefen. Sa war Satob bürgermeifler geworben
unb feitbem mar er immer felteuer gause.9lbenbe
Su £>aufe. SaS fChöite banb, baS bisher alle in
2iebe unb Ginigieit umfdjlungen hielt, broljte
su jerreihen. 9tur allmählich, Schritt für
Schritt, mar eS fo weit getommeii. Anfangs
hatten SlmtSgefchäfte 3ofob in baS ©afthauS
geführt, bann bie Siebe sur ©efeUfdjaft unb
fd)liejjlich mürbe eS ihm s>ir ßeibenfehaft.
Gin SöirthShauSbruber wollte Satob nicht
werben, beileibe nicht. Sange hielt er auch träf»
tigen Süöiberftanb unb mar immer seitig su £>aufe.
Slber fein Söeib flhaute befiimmert in bie 3 u*
fünft, benn fie tatinte ihren üiann su gut, um
forgloS fein su tonnen.
Gs mar an einem fühlen fjerbftabeub, als
3 afob mie gewöhnlich mit feinen alten greuuben
im „.fjirfch" faß. 5)ie Unterhaltung mar gerabe
recht lebhaft geworben, als bie ©loden auf bent
Shurme bie sehote Stunbe üerfünbigten. £aS
mar bi? 3 eit, roo $ofob gewöhnlich nadh ^aufe
ging; benn biefen ©efallen tonnte er feinem
Seib nicht oerroeigeru. Somit erhob er fich
auch heute, tun gute 9ta<ht su wiiufcheit. Schon
oft holten feine ©enoffeu oerfucht, ihn länger su
halten ; boch bis jebt ohne Grfolg. 2lbev heute
roareu fie feft eutfChloffen, ihn unter aflen Um*
ftäuben su holten.
„Sßirft uns boch i e ht nicht berlafjen wollen,
ba Wir in ber heften Unterhaltung finb. 3Ch
lafs nodh eine glafche 9lChtunbfechsiger tommen,"
K ein unterfejjter HKaitit mit Keinen, grauen
.. n unb oufgebuufeuem ©eficht, beffen nicht
fchr fleine DJafe ben fleißigen Printer öerrieth
unb ben mir unfern Sefern als ben unläiigfl hier
feßhnft geroorbenen Wiiller uorftellen.
w 3 <h tonn nicht länger bleiben, ich hob’ Der»
Digitized by v^ooQie
(Sin ©pfer ier feilirnfdjnft.
475
fprochett, um gehn Uftr nach £aufe gu foitimett,"
fatjte 3fafot> und) feiner Wiifte preifenb.
„Sift bod) nid)t par unter bein Pantoffel ?"
Warf jeftt ber raufte 3)orffd)inieb ein. „giirchteft
bid) bod) uic^t auSpegautt gu werben ? Hi au tauft
fid) oou feinem Söeibe nicht pang uub gar repie»
ren taffen."
3)a i'tberflop 3*>rne»röt^e baS 9(ntlift 3aIobS.
Gr fenfte baS $aupt, wie in Wtdjbeitfen oer»
funfen. Platte ber Sdjmieb nicht pefapt, er fei
unter bem Pantoffel '( Unb war er’» beim nid)t ?
gaft wofite es ihm jeftt fo fcheinett. Gr liebte
fein S3eib, aber unter beut Pantoffel wollte er
nicht fein. Unb er wofite eS nie unb nimmer
fein! gu feinem gnttern ftritten groei Stimmen;
bie eine mahnte: „@elj nach |>aufe," bie anbere
fprad) immer ftärter: „Slcib, fei boch teilt 5J?arr.
Sie lachen bid) ja au»!" 2öaS mar ba gu thun ?
©ittp er, fo pab er ftillfdjmcipenb gu, baft er
unter bem ^Pantoffel fei; blieb er, fo tf)at er
fchmcreS Unrecht uub betrübte fein üöcib. litt»
jcftlüffip ftonb er ba.
35a» merfteu bie 91ubern uub beuiiftteu bie
pünftipe ©elepenfjeit, beim bie Serfuajer finb
immer machfam. 9tlle ftürmten jeftt mit ihren
Sitten auf ihn ein unb üertjieficu eine lufiiige
Stuube. Sattele follte eS ja nicht währen, alle
wollten halb iiach £>attfe, nur jeftt noch nidjt.
Uub gafob lieft fid) iiberreben ttttb blieb. 35er
biefe Wüller beftellte eine glafdje 9(d)tunbfed)»=
giper, ber Sdjmieb totirbe auch freipebip, maS
nur feiten üorfam, uub nun Würbe tuftip pc=
truitfen, aber auch heftip raifonnirt. gatob
mürbe halb bebufelt unb feine fdjmache Seite pc=
mann bie Oberhanb. 91n fein 2öeib uub feilte
ffittber gtt &attfe buchte er nicht mehr. Salb bc=
gahlte and) er glafcfte auf glafdje, ttttb bie ©e=
feOfcfjajt traut uub ftritt immer Ijeftiper. 9tafth
Oerflop bie 3eit.
SSerfcn wir einen Slict itt gafobS SBoljnunp.
35ort faft eitt bleiches SJeib eitifatn unboerlaffen
üor einem iifd), ben .Kopf auf bie 9lvme pcftiiftt
— eS war Ghriftiue, gatobS Sßeib. 3)ie jjiuber
fchliefen feft unb nur fie wartete noch auf ben
Sater. So lattpe war er aber auch noch nie
auSpehlieben. 2Bie war boh beut Ijarreiiben
2Betb fo fchtoer utn’S Jgterg, unb bagit pefcflteit
fid) noch fdjinerglicftc 2tbnunpcii, meld)o fie tgeflett
Dtiemanb auSgufpredjen roapte. 9lenpft(id) horchte
fie auf baS tleinfte ©eräufei), uub flaute pur be=
trübt gttweileit hinaus in bie monbljelle 9ta<ht,
aber cuttilufdjt lehrte fie mieber an ihren ffMaft
am Sifche giiriicf. Sattele noch follte fie fo war*
ten. $)ie ihränen ftartben ihr in ben 91upett,
als fie feufgte: „O biefeS unbeilbrinpcttbe 9imt,
baS mir bie SRube unb bie Siebe meines WaniteS
raubt, früher weilte er perne gu ftattfe, Wenn
er fuh uiübe (gearbeitet hotte; jeftt ift er immer
fort unb heute »arte ich umfonft auf feine 91n»
fünft. Wir wirb fo bann um’S £erg, wenn ich
au bie 3»tuuft beute." So faft fie lattpe uub
weinte ftill unb tlapte beut Sater brobett ihre
9totp, bi» ein leichter Schlummer fie ihren jjutu»
ttter auf einen 9(upenblicf ocrpeffctt lieft.
Sie hatte noch nid)t lattpe pctd)(untinert, als
fie plöftlid) erfdjrecft entporfuhr. 35ie £auS=
thiire war heftip gupeworfeu worbett, uub Oon
ber kreppe her bernahm fie fdjwere, uttfichere
dritte. Giiteit *91upenb(ia fpäter mürbe bie
Stubenthiire aufperiffett unb über bie Schwelle
ftolperte iljr Statut. Uub wie ftarrteit feine
2 (upctt fo pläfertt fie an, baft fie bis iuSgniterfte
erbebte. Ghriftiue hatte ifju nod) nie fo pefehen.
9l(S fie crfd)rodeit ttttb äiipftliih ihn anblictte,
murmelte er mürrifdi oor fid) hin, unb ß^riftine
plaubte ihn etwas über „itid)t unter beut San»
toffel fein wollen" gu berfteheit. £>atle fie ihm
bemt Urfadhe pepeben, fo gtt fpred)en ? glatte fie
iftn nicht immer peliebt?
Ohne fich gn enttleiben fdjlief 3afob eitt unb
erwachte am attbent Worpett mit fd)ti>erent itopfe
uub bem ©efiihl pröftten GlenbS.
$cr griebe wetr jeftt Oon ber füllen fyantilie
petoidjett. Jjatob hörte nid)t auf bie Sitten fei=
ne» 9BeibeS, antwortete überhaupt nur feiten,
beim itt nüchternem 3nftanb wollte er nidjt
perabe prob pepett fie fein; nur follte fie wiffett,
baft fie ihn ttid)t unter bem Santoffcl halten
Kinne. 9(1» ob baran baS brabe SBcib überhaupt
pebad)t hätte!
3 fafot> war nie früher pepett fein ffiecib fo ab»
ftoftcnb pewefett, er halte |ie aufrichtip peliebt.
91ber bott jeftt an würbe er immer licblofet. Oft
unb oft miebcrbolte fich i f ner 91bcnb, nur mit
bem Uuterfdjieb, baft 3«tob fich jeftt nidjt mehr
nöthipen lieft, fottbern freituiflip blieb. Gr
wollte feilten faubern Sriibcrn beit ScweiS lie»
fern, baft er nicht unter bem Santcffel fei. ©epen
feilt 9'Pcib terftarrte er itt troftipein Sdpoei»
pett, jebettfallS baS ^ßeinlichfte für eine liebenbe
©altin.
Gilt taltcr Söiitter folpte. 2)er eiftpe SBinb
pfiff fo ftarf, baft bie gfenftcr flirrten. 3» fol«
djer Seit ift es am beftaplichften int warmen
^imitier beim Cfett. 3» biefem haben
ja bie beutfdjeit Sanbleute befonber» herperid)tete
Cfenbättfe. 35ort fiftcit bann nid)t nur bie 2Pci»
ber, fottbern auch bie Wättner pertte beifamnten.
S5iefe fprechen mit Sorliebe über bie mit bem
Wann attf’S Gnpfte berwobene ^ßolitif. 35agu
rattdjen fte ihre Sfeife unb trinfen ein ©löschen
Skitt ober 91pfelmoft, gttmeilen auch mehr.
35rauften befiimmert fich ja baS 23eib nodb nid)t
um politifhe Srapen. 3n folcher ©efeufd’oft
ber Sanbleute werben Wönpel in ber ©emeinbe»
Oermaltunp beffer befprodjen, als in offener
Dtathsfiftunp, benn es ift ein faft allpemcitier
gehler ber Wenfdjcn, baft fte ba fchweipen, wo
Digitized by v^ooQie
476
Um JWontblnnr.
fic fprecbeu foflteit uitb and) untgefebvt. 2 >iefe
Otenbaiifpolitif fiiibet mit feiten i breit 2 Beg mt§
beit uiev Söttben, unb bie bie ba b’riit
entworfen werben, fallen braußett meiftenS bet
Söevflcffeit^eil anheim. 9lncb bie ^Uflenb Der«
famuielt fidj gerne. $ie Dtaödjeit fißett beifarn»
inen unb (binnen, unb orbeittlicbe ©uvfdjen er«
bnlten 3»tritt unb fcbaffcit Unterhaltung. 2)a
febnurren bann bie Dtaödjt'n unb bie Sputen
füllen ficb mit bent ftarteu Silben, bet in bauet«
hafte fieittwanb oerwanbett werben (oll.
28 er weniger ^attälid) gefinnt ift, fud)t in beit
Scheuten feilten 3 fituertreib, unb jtt biefen ge«
bövte jeßt 3afob. Seither war ibm im 28 inter
bie Ofeubuuf jit {taufe bet (iebfte '-IMaß gewefeu,
aber ba» mar leibet aitber» getommen.
„.(jirfd)" fanb er fid) oft mit bent birfen (Dliilter
unb bent rauben 2>orffibmicb unb noib anbercit
Spießgefelteu jufamnten. if» oerftanb fid) batb
bon felbft, bafi jafob als ber Dteicbfte unb 2öobl=
babenbfte and) am meifteu bezahlte, unb er
glaubte bainit etwa» befonber» (iiroße» jit tbuit.
UBobiit ober foüte ba» fiibreit ? 3fatob mar aller«
bingö einer ber {>öcbfluer5ebnteten im S)orf, aber
wie bie meifteu itanbleute batte er wobt bin*
reicbenb Sebenömittel uitb nod) mehr, aber wenig
©elb. $ie 3 ?d)fcbulbeu wntbeit immer größer.
$aju taut nod) ba§ l>erberblid)e Spiet. Einfangs
würbe e» allerbing» nur 511111 3 eitbertrcib ge«
trieben, halb aber um ©elb, uitb ettblicb würbe
(S 5 tir folgenfd&meren 2 eibenfd)aft.
Unb toie ging e§ 5U {taufe ? 3 aIob mitrbe
immer fdjroffer unb licblofer gegen feilt 28 eib.
3brc ibrauen tonnten itjn nid)t rühren. 2(ttdj
bie ftiuber, für bie er nod) große 3i'»>fi(imtg
batte, blidten ben mnrrifd;eu Stater fd;eti an.
6r war ja audj gatt5 nubevS geworben, unb ba§
merften fie wot)I. Sab er bie (ebenen 2Mide,
bann tourbe er nur nod) mehr gegen feilt 28 etb
erboft, ber er alle# jnfdjrieb, unb mitunter tnnr«
Hielte er: „©taubt fie beim, id) fei ibr ffneebt
geworben, al§ id) fie bfirattjete? 3eßt bringt fie
c» and) noch fo weit, baf, bie Äinber mid) fürd)«
ten. Sie foll'S nod) büßen." $abei blidte er fo
tniirrifeb bor ficb bin, baf; man batte glauben
löitnen, er fei bereit, breinsiifcblageit. £0* ließ
er ficb allerbingö nie 511 Sdmlbeit tommeit.
Sold) tnürrifebe Stininiuugeit tarnen gewöhn«
lieb bor, wenn er in ber 9 tod)t betriintcn und)
{laufe fam, 1111b bie fiittber am fDiorgen toegen
feine» uerftörten Sluöft'beu» erfdjredt ihn utieben.
Cgortfc|ung folgt.)
-Hf |tm ÜUntbUiu. *-«-
Gbitor.
^bißer Stiiel ift mit $cbad)t ßemäljft;
beim erftießeit f)abe ich ben Serß*
föuiß (Siiro|xi 3 nicht. ©«$ üheint
mir, falld fein miffenfe^aftlic^eu
3mecf tmrließt unb man fo!d)e
„Wufftieße" nur unternimmt, um
faßen 311 föuneu, mau fei bvoben ßemefeu —
beim bod) ein ßar 311 maßhaffißc§ Unternehmen,
meldjes ba 3 SJovt in ©riunenniß bringt: „ 3 Ber
ficb in ©efafjr beßiebt, ber fornrnt bariuuen um."
5 lber {>iii mußte ich 31t bem in feiner 9 (rt un*
Uerßleichlichen „ffieißeu 33 erß", ba id) bod) ein*
mal in ber Scfyme^ mar. Söie ein Sföuiß minfte
er mir Don ©eiif au 3 , umhin im» lmüermeib«
lid)e ©efd^afte führten unb um mir bie greunbe,
bie mir fud)tcn, uirfjt fauben.
UiHigciitifid ©Ictjctycr. ®läjenie$ 'äMccv. Ix» Flfgere. £um. ©Ictfc^r des Bossons.
SRontblancsjtette.
Digitfzed by v^ooQie
Um Pontblanr.
47?
Gin S^aß a u f einer Diligence ber fraugö»
ftfc^eu Gompagnie, meldje fJteij'eube, ©ep;id mtb
Briefe Don ©ettf uad) Gbamouig gunt $uß De»
StontblaucS beförbert, mirb befteUt. 3d) farje
o u f einer 'Diligence, beim biefe ©efäbrte finb
ber 91uSficbt megen eigeutbmulid) eingerichtet.
3m unter» lÖageutbeil mirb baS ©epiid auf=
bemabrt, mübreitb auf ber breiten SJagenbede
Sipe für 24 Sajfagiere Ijercievidjtet fiitb, bie ein
leichtes Dach (leiden Sonne imb ctroaigen Ülefleit
frf)iipi.
Steine starte toeift auf einen Gdfip in erfter
9teipe. 9llS ich ober tomme, ift berfetbe l<oit
3emanb au« einer ameritauifdjeu Uteifegefell»
fdjiift mit ebaratteriftifeber Freiheit in Sefdjlag
genommen. Ohne etmaS gu faßen nehme irf)
beu uäd)ften Stoß
in erfter 9teibe ein.
2lber auch baS ift ben
oermöbnten aineri»
fauifebeu Douriften
nicht genehm. Sie
erwarten noch 21n=
bere, unb batten ba=
ber gern für ihre
gange ©efeüfebaft
bie befteit ^Stä^e ber»
auSgefijdji, obgleich
jebem Saff.tgier ber
Hitalt beim Htntauf
beS Siüets auf bem»
fetben angemiefen
ift. Da wirb nun
mit ber befannten
ftuugengeläufigfeit
b v ranf lo§ gcfdjroafet
mtb geratpen, wer
unb mas ber ftremb*
littg eigentlich fei,
mo er mobt f)er=
tomme — aus jjranfreidj, Deutfcblanb ober
tßoOanb, uttb roa§ man mit ibm anfangeil fott.
Das ging fo eine Qeitlang bin mtb ber, toie ein
preuBifdjeS Schnellfeuer, toabreub beffeit ber
Seridjterftatter mit inöglicbft bummer DJtiene
ftumm bafifst toie ein fjelsbiorf. 9l(S baS ,,©e»
fiuitter" aber gar gu ftarf toirb, giebt er in aller
SRutje feinen ^ßajfagierfcbein aitS ber Dafdje unb
bittet bie Dame in ber erfteit ©de, adergefiifligft
tu tefeu. — 2Iber biefe fomifdj berbliiffteit @e»
filtert fjrangöjtfcb lefeit tarnt gufädig fjtieinanb
Oon ber gangen ©efeüfebaft, mtb eS muff Der»
bolmetfdjt roetben. 3fbermamt blieb jebod) auf
bem eingenommenen $(afce, unb mir mürben
gute Steifegenoffen.
3ef>t gebt’S hinaus aus bem beißen ©ettf —
bemt eö ift ber 3utimonat 1881 — bem £)ocf)*
gebirge gu. Sicht Sferbe Dor ber Diligence, ein
guter ftutf$er, eilt Gonbutteur unb 24 miß»
begierige, uacb bem Slontblauc Dertangenbe
Saffagiere. 911 fo fahren mir auf ber guten
Straße bubin.
Stur toenige Steilen Dott ber Stabt mirb bie
©renge iibevfdjritten, ober eigentlich überfahren,
mtb mir finb auf fraugdfifebetn ©ebiet. einem
Stiid Don SaDopen nämlich, melcpeS Stapo»
(eqn III. noch bem 1859er Itriege gu fyrantreid)
gefcblogen. GS ift b'ftmifdjer ©runb. Durch
biefeS 2bat ber Strbe, ba§ hinauf gum Stont*
blaue giept, gogeu in üielfacbeit Rümpfen bie
Scboareit ber tatbolifdjen £>ergöge Don SaDopeit
gen ©ettf, ber Reßerftabt, um biefetbe 9tont
uutertbait gu mnebeu, maS aber nidjt gefeint), bis
enblicb bie SJtctropote ber fübmeftlidjeu Scpmeig
ipre Unabbäugigfeit errang. 3u ieucu Sergen
«<nf.
fiibticb Don ber StrDe beteten bie ffialbettfer gn
ibrem ©ott; bort tuurben fie Don ©(bergen unb
Solbaten Don Scbludjt gu Schlucht, Don ©let»
feper gu ©tetfeber getrieben, bis fie auf ber lebten
Spiße £>alt mnebeu mußten, um iit blutigem
Kampfe ihre Reiniger guriidgumerfen, ober gu
unterliegen. 3» ben alten längft Derroebten
911penbütten biefer Serge roarb baS tbeure S)ort
©otteS Dott jungen fleißigen fjäubeu Derbmtbert»
facht, um bann in £>i>b(eu, auf Derborgeiteit
Statten, int Urmalb mtb im ärmlichen |>eiitt als
Srot beS fiebeuS ftxaft gtttn Rampf gu fpeubeit.
Streu mie ©olb, feft mie Stahl, finblid) int
©louben unb eifrig iit ber Siebe gegen fjreunb
unb 3?einb, hoben jene Stiinner unb grauen
mit ibrem Slut eine @efd)id)te in jene Serge
geftbrieben, meldbe bureb nidbtS Dermifcbt merbett
fann. Sie finb, menfdblid) gefprotpen, unter«
legen, biefe malbenftfcben gelben unb £>elbimten;
Digitized by v^ooQie
478
Um fHoiitblntir.
9tom bat nicht mir in ben SE^älern, fonberit
and) in beit £>ochßebirßeit SaDopeuS fein $retij
oufßcpflnujt, unb erft in jünßfter 3?it mürben
weit brinnen im ©obin) unter bem Sd)ti]je ber
freiheitlich ßefiunleu italicuifchen äteßieruiiß
mieber einige malbeufifdje ©emeinblein ßefam*
titelt — bie Smhfommeit ber fllaubenSftarfen
Sätet.
@3 ift fomifdj nnb traurig jiißleid), Wie wenig
bie feine überieeifefje Oleifetjefellfrfjaft bon all’
biefer reichen ©efchidjte weiß. 2)ie meiften ber*
felbeit meinen feft unb bejtimmt, baß ben
Schwerem and) bie» Stüd SEßunberlanb gehöre.
Sou ben 33 a b o i § haben fie wohl einmal im
Stoutblancfette, an welcher aller Sagen ficb
laben. ®on fenfreebt auffteigenben Sergmänbcn
ftürjen biebt am fSahrmeg ober weiter bin in ben
Schluchten trbftallhelle 33äd)e, bie im galt in
SBafjerftaub Perfprißenb unb uoin Sonnenlicht
illuniinirt, baS herrliche ^arheufpiel be§ Stegen*
bogenS jeigcit. Stajeftätifche ober Injurie OelSbil*
buttgeu frönen Diele Seine, unb weiter hinten auf
ben böcbften ber '.Kiefen blinfeu bie fd)iieebebecfteit
kuppen, al§ oh fie hon Steifterbunb aus glüit.
genbem Wabafter gemeißelt worben. Sicht neben
ben Scbueefirnen vagen fdjmarge fyclviiabelit
himmelan, welche fo fenfverfjt anflrebeu, baß
Weber todjuee noch @iS an ihnen haften bleiben.
„fxirper" gelefeu. 916er biefe SaboiS ivgeitbwo
in ber ©efcbichte unb ©eographic )it piacireu,
barau ju beuten — ach nein. ®ie ©efd)id)le fängt
ja — wie einer einmal faßte, 9lnno $omini
1770 an. $od) fiub bie Üouriften uon „brühen"
willige unb baufbarc ^uC)örev.
9föer Porher bie Schweig gefcljen, bem bietet
baS 9(roe*2hal in feinem linteru fiauf nichts
Ungewöhnliches, obwohl eS auch hier fetjon nur
prädftig genannt werben barf. SBeiter oben
aber ift imfjelbe ber romantifchfte 2heil ©a*
Popen» unb eines ber herrlicbften 9((pengebicte.
Um 7 Uhr StorgenS fiub wir ausgefallen.
6twa um 11 Uhr — fo ju fpredjen — wirb baS
Sfjal enßer unb eußer; bie 93ergvicfen rüden
mib. (iufS näher, unb Porii im Siibofteii
pon 3eit ju 3eit bie alles iiberragenbe
Sfm engen Shalßtmtb pranßt baS frifdjefte
Söiefenßiiin, fchitiude unb ßnt ßepfleßte Sabel*
Wölbungen bebeefen bie Sc iß ha Iben, unb aus
unb über benfelbeu, nahe ber Schneegreuge,
fchauen bie Statten wie Oafen ins Shal, auf
beuen bann unb manu ein fröhlicher £mte bie
Schalmei bläft; beim jebeS fflecfcheu urbarer
©rbe muß ber Steufch hier beniißeti, wenn nicht
gum 9lcferbau, fo bod) für bie SBeibe, unb über*
all tönt bie ©locfe ber meibenben .Quh-
2)ie 8uft wirb reiner, alpenartißer; fie fönt int
pon ben ©iS* unb Schneegcfilben, unb ift erfüllt
Pom Salfaut ber Sabelhölger unb bem ®uft ber
Söiefen. Sur in ben 9llpeit fiubet fich biefe
immerwährenbe §tifcf)e ber Satur, nur bort in
ihren £>od)thalcrn athniet man biefe cißeuartiße,
balfamifche Suft. 3fn auberu ©ebirßen boßcßen,
Digitized by v^ooQie
Um üfcmtblanr.
479
S. 23. beu atnerifauifcheit, brennt fosufageit baS
fvijdjc ©riin aus uni) bie2(tiiiofpf)äre ließt frfjloül
auf bem Wanberer.
mein, es ift feine btofje Sudjt unb Gaprice,
baft bie Seute in bie Ullpeit pilgern; beim mer
nicht auf bem Utigi ftill hält, foubern einbringt
in bol &od)gebirge, bei erhält Ijier etwas für
Seit), Seele tiub ©eift, maS tuo anberS fo leiert
uitbt ju fiubeit ift.
Wir at()inen tief unb leicht; loiv föuueii uns
nicht fatt (eben ait biefeit majeftätifcheii mit 3ir=
neu gefrönten Sergformeit, unb an ben fofigeu
Wiefeit unb Watten; tote beben beit Sölid guiit
ajurblauen |>iininel unb fprechen: „&err, mie
ftub.beiiie Werte fo groß mtb Diel, bu baft fie
alle weislich georbuet, unb bie Gebe ift
boll beiuer ©fite."
Uteid) jiotir ift biefeS Smib nicht. 3)ie
S£halgntube finb frbm.il, unb an beu
Sergen inuf; jeöeä jRöruleiii bem Sobcu
abgeruugeit loevbeu. SDaruin trifft
mau auch bau Gieuf bis Ghamoni;,
eine Strede ooit 60 Weilen, nur einige
wohHjabenbe Ortfchafteu. ®ie Gilt*
wohiterfchaft biefer i^iilcr ift im ©an*
Seit arm. £)ier ift ber arme Sanopar*
benfitabe su $)aufe, beit mir in ber
5|ugenb fo oft mit bem Wiirmeithiere
fabelt, unb ber, troßbein er in ber
greinbe mehr Srot befömint, bafelbft
oor £>eiiitit>eb uacb feinen Sergen bei*
nabe ftirbt. begegnen uns au<h
bie GretinS, mit bem inißgcftalteten
JJopf, bie in all bie Utatiirberrlidjfeit
bineinftarven, als ob biefelbe gar nicht
borbauben.
2trnu', febmäebtige Jtinber laufen
Weite Streden neben ber Siligeuce ber,
um .einen Geutiiue Gent) su er*
bafebeu. ®a tbut ficb beim bie Utationaltugenb
ber Ulinerifauer funb! Sie föunen nic()t genug
geben. Gift fliegen bie fleiitereit ©elbftiicfe, bann
bie größeren unb enblicb fjraufenftüde (20 GtS.).
„Gs ift ja gar su friedlich, mie Oerbuugert biefe
kleinen auSfehen," fagt eine amerifattifebe
®ame, „haben mir beim nichts s*> effeu ?" Unb
riibtig — es fiubeit fidj gebratene ©übiter, gutes
Srot, ,(hupen u. f. m. ®er Gonbufteur wirb
bureb beu j)o(nietfcber gebeten nnsiibalten. GS
ift swar gaus unb gar gegen bie Dtegel. 21 bet
bie 9tübrtmg iiberfömint beit Wann. Gr läßt
ben Wagen halten, unb ba Kettern benn biefe
amerifaniicheit ®anteu herab unb füttern an
ber ftaubigeit Saubftraße Sauopenö ein £>erb*
lein Settelfinber. Wir Hefen heiße 3‘threü über
bie Wangen als ich baS fah, unb uergeffen mar
bie amerifanifche Uteifefreiljeit, bergeffen, bafs
man nicht muhte, wo bie Watbeufer wohnten,
uub in meinem fersen fprach eine Stimme:
,,©ott fegue baS amerifanifche Solf. GS finb
troß nllebein G()rifteumeiiid)en."
'Wittag ift gemacht, unb höhet hinauf geht’S
in bie ©ebirgsmclt. 3<>r Ulbfiirsuug bes Weges
führt bie neue Sanbftraßc swölf 'Weilen bon
Gliamonir, norbmärts ab Dom 2(ruethal burd)
eine wilbe SchluAt. Jfaum erreicht hier bie
WittagSfoune bie Sd)lnd)tfohle imb himmelhohe
3?elfenmänbe ragen rechts unb Huts auf, unb
hoch oben auf benfelbeii finb gleich 2lbleri)oriten
Heine Sillen reicher Gnglöiiber uub fjransofen
hingesaubert. Ulur auf weiten Umwegen lönnen
biefe Wohnftätten erreicht werben, brobeit aber
muß ber Ülnblid ein überwültigeuber feilt, £ie
unb ba bei Weubungeit ber Schlucht gudt ber
SoffouiKÜHetf^er.
Wontblauc mie üoni £iimtnel herab auf uuS
hernieber. Utiemaub hat mehr ein 'Wort su fagen,
alles fchweigt unb febant unb ftamit — bis eine
amerifanifche SoiintagfchHllehreriii mit fünfter,
lieblicher Stimme su fingen an fangt: „Gpr’ fei
bem Sater unb bem Sohn." 3>as paeft. $ie
ganse amerilanifdie ©efetlfchaft fällt ein, unb
bie einfache unb boch fo großartige Aerologie
ber Jtircpe bringt aus ber Wontblanc*Sd)lud)t
Simt £>immet.
„Was fingen fie," frägt ein mitreifeiiber
fransöfifcher Offizier. „Sie loben ©ott," erhält
er sur 2lntmort. Unb achtnugSboll innftert ber
ftraujofe bie iiberfeeifd)e UteifegefclUchaft utib
bleibt fortan in ©ebanfeit üerfimfen.
Wir finb wieber im St pal ber 2lroe. Utechts
im Süben thürmen fich bie UJtajfeu bes Wont*
bianc’S auf, bor uuS baS $orf Ghomoiiiy. GS
ift ein Utaturwimber, biefeS Ghamonir=2hal,
mimberbor namentlich baburch, baß aus bem»
Digitized by
Google
Hin Piitibianr.
fetben ber öödjfte ©erg @uropa§ faft feiuev gau» attfd^Iiefjcn, nie ju feljen ift, obroobl aucf) fie
gen C»öf)e nach unmittelbar ouffteigt. $a3 H &al spif» haben non über 14,000 tJtifj $öf)e.
bei' 9(vue liegt bei (Sfyauioiiif 3338 Jujs über bev Wiifteröeiu bietet ber ©ioutblanc eine @ebirg3«,
©eftdgunß bei Montblanc.
9)teeve§f(ii<be; bev Montblanc ijt 14,808
bod}; fomit bat man ©evgmojfen oov fid), bie
unmittelbar über 11,000 guß auffteigen, wa3
S.S. in beu ftelsgebivgen, ju tuelcbeu man über
eine 5000 fjii» über bein ©teere liegenbe #o<bebeue
gelangt, melier fid) alsbamt bie f. g. ©inberge
©letfcber. unb ^irnenroelt, wie man fie in 6u.
ropa nur bei 3^matt in ber ©tont 9to(u ©ruppe
fiubct. 9ta<b ber fran}öfif<ben, ber 9lovbfeite.
fteigen fecb^etjii, nach ber (üblichen, italieitifdpm
©eite aber poaujig ©letfcber in bie SDbäler unb
©djlucbteu.
Digitized by
Google
Sm gftontblanc.
481
28a8 SBunber, tonnt Gbamo.tir im £>od)font=
mer oott Weifetibett 0118 allen Hielttbeilcu Mudjt
toivb! 9fuf bet lauggeftredteii «Straße be$ Sorf»,
ba» fauni eine attbeve fiat, hört man bie Sprachen
affet ciüilifirteu unb auch einiger bafbcipilifirten
Hölter, unb fiept Wteufchen atiö affet fetten
Siäuber.
©leid) am erfteit 9lbettb bot fiep öom Spal
au$ ein prächtiges Scpaufpiel. Soft alle ftreuu
ben fiub brau fielt auf bet fangen «Strafte Gba=
mouir'S unb befchatten bie im inifben Wonblicbt
glätijenbett Scpneebäupter bet Herge. Sa wirb
plößlid) bet mit ewigem Sd)nee bebecfle Som,
bie f)öd)fle Spiße bet Wtontblauc.ftette oott
rotbem beugalifcbem Siebt iibergoffeu. 2 Bntt=
berbat flammt e 8 auf unb bebedtt bie glätt.
iieube tippe mit jauberifeben
garten! Ginige Wtiuiiteit Währt
ba3 nubefcbreiblicbe, ()ertlid)e
Sthaufpiel — bann liegt wieber
Woubglaitj über ben Hergen.
Sod) fdjon wieber flammt riebt
auf unb jmav bieSmal blaues,
ba§ auf ben Glacier des Bossons
(Hoffougletfeber) geworfen wirb,
meldjer fieb bon bem „Som" be§
Wfontblaucö berabpebt unb mit
feinen wuuberlieben Gieformen,
unb ber ibn itmgcbenbeu 9Jto»
riine (au» ©eröll beftebenbem
©letfeberbamm) in biefer He.
leuebtuug ein unnergfeieblieb Hifb
barbietet. Sann fteigeu Wateten
auf, ein fjeuerrab fprüpt feine
fvuufen, fttrj — ein regelmäßig
fjeuermert wirb am oberen 9lb«
bang be$ WontblaitcS abge.
bräunt. H 3 er ift benu ober ber
fjeuerwerfer ? Gin Gttgläuber,
Weidet ben Montblanc beffeigt
unb boeb oben bei ber 9llpeubütte, wo er mit
feinen Rührern übernachtet, fieb ba$ tbeure Her.
guügeit erlaubt unb ben acht englänbifchen Wubut
bat, bo 8 (fbiiiHoniy=Sb‘it auf eine halbe Staube
in ein (Jeeulaub Dermanbelt 31 t haben.
Sen ttäebfteu Wtorgen unb mehrere anbere
Stage gebt e§ mit einem tüchtigen Rührer hinauf
auf bie Herge, bineitt in bie Sdjlucbten, hinüber
über bie ©letfdjer unb auch einmal balbwegö auf
ben Wtontblanc hinauf, bettn bort, wo ber recht
gefährliche 9lttffiieg beginnt, haften wir intte.
9tll biefe 28anbernngett 511 febifberu, würbe 311
weit führen. Wur fo Diel fei gejagt, baß ich
hier, inmitten biefer großartigen «Schöpfung tut.
fereS ©otteS, tinoergeßlicbe, reich fobnettbe Stint,
ben oerlebte. 2 Ber aber ^ier, wie ottberömo
ächten ©enuß in unb an ber Watur haben will,
muß 9lug’ unb Cpr bafiir ntitbringeii.. 34
hörte poch oben am Woutblanc in überwältigen.
ber Hcrg. unb ©fetfcher.Sceiterie junge fjerren
berafbeit, weld)ent „Sport" fie fidj biugeben
wollten, wenn fie nach ©enf fänteit, mtb junge
Samen bisfutirten über Harifer 9 ltt 3 Üge. 9(rme
Wteufdjeit bct§, unb getaufd)te Häter, bie foldje
ftinber jttr 91 11 § b i l b tt u g auf Weifen feitbeit!
Wau füllte auf bie Weifeloffer fcbreibeit: „Gin
©äiischett, ba§ 30 g aus; ein ©agag tarn und)
$0115." Sittb e§ and) nttr 9lttStia^ntSnteufcpcn.
bie itt folcper fterrlicbfeit gleichgültig bleiben
föiinen, fo inöd)te matt fefbft über biefe 9 lu 8 =
ttabm§fäile beinahe ttngebttfbig werben.
Hont jylegdre, beffett fjöpe auf uuferm Hifb
burcf) ein 4 >au® bejeic^net ift, mtb ber an ber
Worbfeite be» Spal 8 bem Wontblnne gegenüber
auffteigt, genießt ntau ben Witblid beä Hergriefen
64lo| CtfQon am Öntferfee.
bon ftuß 311 Spiße unb beinahe feiner ganien
9(ti8behntttig nach; namentlich gewährt biefer
Staiibpuutt einen mtoerglcidilicheit Hlicf auf ba»
Guineer (Mer de Glace), ben größten Wiont.
blanc.Sletfeper. fffiir fteigeit jeboeb ttadi redjts,
bem Offen 311 , noch weiter auf ben Wtont Hrebent,
Poit bem au§ bie pöcbfte Spiße be 8 Wtontblonc,
berSom, fo unmittelbar Dor ba89liige tritt, baß
matt meint, bie ft tippe mit einem Sprung ’cr«
reidjett 311 tonnen, obgleich bo 8 tiefe Sfjal ba.
3 Wifd)ett liegt.
Ser jyiifjrer ift ein achter SaDoparbe, halb
franjöfifd) mtb halb italieuifch, unb macht mit
feinem breiten fji^bnt, bem ftiqett SßaiumS mtb
ben engauliegeitbeii bis 311111 ftttie reidjettbeu £to«
fen, fangen Strümpfen mtb fdiueren Stuben,
eine äepte Hergfignr. Gr fprießt, wie bie met.
fteu feiner £anb§leute, ein DerborbeneS Qfran«
3 öfifch, mtb fiutemaf meine fran 3 öfif<he ©tarn*
85
Digitized by v^ooQie
482
(Sin Jluljb'rer $r. Partin futljer«.
matif gar feljr Perroftet ift, holten wir anfänglich
gar po'ffierlidje ©pradjii btt ngen. Gnblich jedoch
geht eS fo leiblich. ©er Sergfolju erweist fich als
ein prächtiger, treuer DJtenfch, bem ber flute ©u«
nwr nie auSgcht, unb and) an ©ott, ben aUmädj»
tiflen Stopfer, gläubt.
©eine neroige Jvauft fleleitete mich, Wähtenb
beS bortigen Aufenthaltes, übet bie fchwierigften
©teilen ber ©letfcfyer SoffonS, Merode Glace
unb ArgentierS. 3Bir Heiterten bie Schluchten
hinunter, bie falben hinauf unb beftieflen auch
einmal eine ber geringeren ©pißcit ber Stont.
blauc.ftette. ©ie Grfteigung beS „©otnS" jebod)
fam felbft biefent erfahrenen, uuerfcJjrodfeneit
Sergfteiaer als ernfteS üöagnijj bor. AIS ich
ihn am Storgen meiner Abreife mit einer „Sar=
tie" unb anbern Rührern ungewöhnlich ernft
unb ftumm bie Straße entlang marfdjircu fah,
unb fragte, meßhalb er fo feierlich ciuhcrfdjreite,
ba antwortete tic turj unb bebeutungSooll, mit
einem Slid pm ©immel: “Monsieur — Dom
de Montblanc ; ” feine braune ©anb aber toicS
lintS jum ©üttdjen, bor welchem ein junges Sßeib
mit bem ©äugling auf bem Arm ben Scheiben«
ben fdhmerjlich michfchaute.
Oft noch blictte ich auf ber über ben Col de
Balme uub l'iortigiU) bewerfftelligteu Dtiidreife
juriid jum Dom de Montblanc, ber majeftiitifd)
brobeu, nahe beut bont Abcnbroth erleuchteten
Firmament thronte.
©er AbfchiebSgrujj aus bem Ghantonij>©ha(e
war ein herrlicher. ©ie untergehenbe ©onne
bergolbet bie in ©odjbuft flimmernbcn Klippen,
wiiitbe, bie ©onig biifteiiben SlMefeu crfcheiueit
in magifcher Farbenpracht, bie in .thiSfabcn her»
abftürjenben ober burd) 3-clSblocfe fich Sahn
brechenden Sergmaffer folieii in allen Farben
beS ütegeubogenS nieber, bie Sögel fingen, baS
trauliche ©eläute ber grafenbeit ©erbe ertönt,
bie Stenfchen jaudjjen unb ich lobe ©ott, ben
©errn.
©er Stontblanc fain mir nicht aus ber ©rin*
iterung, als wir an ben lieblichen ©täbten beS
©enferfee’S — Montreux, Vevey etc., öorbei»
fuhren, auch bann nicht, als baS burch ben „@e=
fangenen" berühmte Schloß Gallon befucht
mürbe.
©either habe id) mich fc^ort oft banlenb feiner
erinnert; auch jeßt gebenfe ich bei 98 ©rab
©iße im ©Ratten au’S Gbamonij: ©tjal unb
berfpüre in allen Soren ben Skchfel biefeS Gr*
benlebenS.
(fiii luljörer Pr. Martin £utljer*.
3[lie ©ombibliotbet in ©ilbeSheim befielt unter
ihren fjanbfchriftlictjen Schüßen einen im
3af)re 1<>08 bon einem Saftor Sothfelb
angefertigten AnSjug aus ber Ghvouif beS ©e»
falls Johannes Clbetop, welche leiber berloreit
gegangen ift. ©er AuSjug beginnt in Annalen,
form mit bem ^aljre 1501 unb enthält eine große
Fülle bou h»h'btereffantem Staterinl für bie
beutfehe Äulturgefchichte in wortgetreuer Söieöer«
gäbe beS Ghroniftcn. tiefer Ic^tere, ein ftreuger
Anhänger ber rötnifchett Stirche, ftubirte im Fahre
1515 jii Söittenberg ©heologie unb befuebte ^u«
thcrS Sorlefungeii, über welche er ausführlich
berichtet. ©ie Aufjeichnungcii beS ftrenggläu.
bigen Äatholifen, ber 1553 als ©echant ju 4£>ilbeS»
heim öerftarb, ftellen baS Sehren unb SBirten Cu.
tfjevS uub feiner Anhänger unb ©egiter lebendiger
ba, als irgenb ein anberer jeitgenöffifchcr Seridjt
uub ericheinen beShalb ber Stittheilung um fo
miirbigcr, als fie nur bon wenigen getannt fein
biirften. 3»r Grleichterung beS SerftänbniffeS
geben mir biefelben, welche in plattbeutfcbem
©ialette gefdjriebeu finb, hier in hochbeut jeher
Uebertraguug mieber, ohne jedoch bon ber naiben
uub originellen ©arftellung abjumeichen.
„Anno 1515 beS StoutagS nach bem weißen
Sonntage" (ber erfte ©onntag nacbOftern) „Jam
ich, Johannes Cibefop, nach SMttenberg unb
mein erfter Rec tor uniycrsitatis war ber ehr«
würbige unb hochgelehrte ©err Sohaiin bon
totaffelftein, unb um bie 3eit hob an Sr. Star.
tinuS Cuther, cpistolns Pauli ad Romanos ju
(efen. ©er ©oftor hotte barauf bei Johann
©riineitberg, bem Sndjbruder, beftellt, baß bie
Gpifteln Sauli in weit bon einanber abftehenben
'«Reiben (bc rige eine mit bon ber anderen) gebrueft
würben, um beS ©loffirenS willen, benit ba Warb
bon Cuther „bele ofer unb bi" gelefett. maS er
ans ben alten Jatljolifcbeu ©ottoreS gefummelt
hatte. 3ch war bamalS jweiuubjmanjig Faßte
alt unb uad) meinem Sermögen bon gutem gleiße
unb hörte bie CettioncS bon Startino gern. Ffb
ging auch 3" allen feinen Srrbigten itnb Jam mit
ihm in fonberlicheffunbfihaft, er war mein Seicht,
bater uub biente ich ihm oft bei ber Steife, unb
©ott weiß, baß ich nicht lüge, unb hatte an ihm
Jemen Stängel unb Stißtranen, nur baß er mit
ber tatholifchen töirdje unterweilen nicht übereilt.
Jam unb in einer Srebigt einmal fagte, baß jeg«
lieber ©eiliger im ©immel feine eigene Stafel
habe; ben einen ©eiligen riefen fie an, wenn
ihnen bie 3äh>w wehe träten, ben anberit, weint
ihnen bie Augen wehe tfjäten. Gr war babei
auch (ehr fpöttifch auf bie lieben ©eiligen, iit(on»
berheit auf ©t. Salentin, ©erbatiuin, SBenbe«
linum unb auf ©t. Gtjriftoph- Son bem pflegen
Digitized by v^ooQie
(Sotto JHettfr Jeuerflammeti.
483
fie in SBittenberg ju finden in toier Stimmen:
„St. (Spriftopper, ber oicl ßeilige Wann ec.",
unb meitn baS Toftor WnrtinuS ßörte, fo roollte
er, mie nmn fagt, aus ber £>uut (nt bem f^eUe)
fuhren. „3(uf foicpe Sßeife wirb ©ott pinter bie
Spür gefeßt" (fo lauteten feine löorte), „unb
bie ^eiligen trieften ißren Bloß oben am Tifcp."
Tie ©tubenten p-Icftcn baS §eft ber ^eiligen
Bordparbi unb BaiitaleouiS p palten, tränten
unb waren fröplicp unb füprten ber Bürger
Tödjter pnt Tanje. Untermeilen festen bie
Jungfrauen ben ©efellen fhcinje auf. Tagegen
prebigte Tottor Wartin fo pari unb fcparf, baß
nun bie Eltern ipre Töcpter, bie mannbar mären,
in iprent $aufe bepielten unb baburcp triegte
Cut per bei ben ooruepinften Bürgern Wtpang,
Sob, (ipre unb ^rei§."
3um Japre 1517 ermäput JopanneSClbetop
SutperS peftigen unb „oermetenen" (bcrmcffcnen)
Äampf gegen TeßelS Wblaßpanbel. Cutßcr ap=
pcllirte gegen TeßelS Baunfprtid) an ein allge»
meines Üonjil unb „bie Appellation mürbe üon
©tunb an gebrudt unb bie ©tnbenten fenbeten
biefelbe ein jeber in fein Baterlanb. TuS Jener
ging ßeftig an. Ter Sutßcr warb bon guten
jreunbeit gebeten, er fofle gemacp tpnn, barauS
tonnte ipitt Diel böfe Diotß begegnen, Tie Uni»
Dcrfität befcpidte ipu unb ließ iptn fagett, er möge
bebenten, welcp ein Berberb unb 9ticbergang ber
neuen popeu 'tcpule burcp feine neue Seßre ent»
fiepen tonnte. 6 t blieb unbemeglicp unb mürbe
bon Tag p Singe poffiirtifler unb Dermefjcner.
£>erjog Jnebricp, ber Rurfürft Don ©adjfen, bem
Wittenberg gepörte, fanbte etlicpe Theologen unb
Juriften an Toftor Wartin, bie iput onjeigten
Don beS Shtrfürften wegen, Toftor JoßanneS
Teßel märe aus bem Sanbe gezogen unb füpre
feinen IHblaß mit fiep nacp ber Wart; beSßalb
folleerben Teßel bergeffen unb nicpt mcpr auf
ben 9lblaß ßpelten, benit ülblaß märe 9lb!oß. Ta
mertte man in ben SeftioneS, bie Tottor Wartin
Sutper fleißig unb gemiffenpaft pielt, baß er bem
turfürftlicpen Begepr unb Befcßle nadjlebte.
3tber burcp fein Treiben (fin Tröfent) unb Wit»
pülfe mürben bie epistolae obscurorum vivo¬
rn in auf baS fdpmäplidpfte contra Theologus
Colonienses et Lovanienses Dorgelegt unb JU
Wittenberg aufs neue burcp Jopanii ©rünenberg
gebrudt unb bie ©tnbenten mürben in turjer
3 eit fo rop tntb wilb, aufrüprerifcp unb unge»
porfam, baß alle floflegiaten mit bem Rectori
Ü niversitatis genug p tßun patten. Tie Bürger
tonnten bie ©tnbenten nicpt ftrafen, beim ber
©tubenten waren bapmal Dier» bis fünfmal fo
Diel als ber Bürger. UeberbieS patten bie ©ärger
ber UniDerfitcit unb ben ©tubenten bie Jreißeit
gefcpmoren. Todß ließen fiep bie ©tubenten Don
ben Bürgern nicpt juredptmeifen, follte es auep
Diel Blut toften. Tie lutperifepe Jreipeit maepte
Diel UnglüdS. 3lm 9lbenb ©t. WicpaeliS fpringt
ein ©eproabe aus bem Äollegio auf, £>afe ge»
nanut, unb ftaep 9(nton Don ©epirftebt tobt,
fhirj barauf warb ber lange Jopann Don &al=
beusieben erftoepen. 3ld)t Tage banaep warb
BnbreaS Biitnerau Don Braunfdbmeig erwürgt
unb in ben ©raben geworfen. Wein '-Ikityeptör
Wagifter &enrifuS ©tafemann ließ „palt Der»
jagenbe bie loctionos ftaen unb roarbt ein
lihisicus." TaS bradpte miep auep in ©epreden,
unb ba bieS aefeßap, ließ mein ©ater miep Don
Sßittenberg forbern unb nacp £>aufe polen. Unb
in biefem jaßre 1516 tpat Tottor Sutper weiter
nidjtS, als baß er gegen ben 9lblaß, freien BMUeit
unb baS Jegfeuer bisputirte; aber er ließ tein
Budp im Trud in biefem Jaßre auSgeßcn."
31. J.
•-•-
§ottf$ pieiter f cucvflömiiicit.
a n W., einem Torfe am Wain, jmifdpen
Würjburg unb Ulfcpaffenburg, mürbe baS
©fingftfeft mit großer Jeicrlidjfeit be=
gangen. 91ur ein Wann feplte in ber Äircpe ; 1
eS war ein ©epneiber, ber fi^ erft türjlicp in ber
©emeiitbe nicbergelaffcn patte. (Sr mar gereift,
patte gorticprittSgebanten aus ber $retnbe peim»
gebraut unb fanb, bie 3 eit tönue beffer aitge»
menbet werben, als mit iiircpengepeu unb bem
Witfeiern ber jäprlicpen §efte. ©o blieb er,
wäßrenb bie 9Zadpbarn an feinem Scufter Dor»
übergingen unb bie ©loden ipr: „fiomm, tomni!"
ins Canb pinauSriefeit, an feiner Arbeit unb Der»
ließ fie nur gur SffenSjeit. Unb als bie ©loden
jum jweiten ©otteSbienft einluben, pörte ermieber
nidjt barauf. Ter #err aber fap, baß ber ©loden»
ruf nicpt bermöge, baS ,£ierj ju mapnen unb auf»
S oeden unb tlopftc auf anbere Weife an feine
ür. Diacp bem WnpmittagSgotteSbienfte be»
fudjte ipn ein Dlacpbar unb fanb ipit in ©djnciber»
pofition auf feinem Tifcp unb fagte betroffen:
„Wie, Ulncpbar ©epneiber, 3 pr feib nicpt jur
ßirfpe gegangen an biefem popen fycfttnge ?"
„Dlein, icp pabe nicpt getonnt, meine Slrbeit tput
notp!" Ter 9lacpbar ließ fiep aber ben Wunb
nicpt ffplicßen. 6 r fepiitteite ben fiopf unb ftellte
ipm Dor, eS fei nicpt gut, ben öffcntlidjen ©otteS»
bienft}u Dernad)läffigen, berSlrbeit 311 lieb. 9(ud)
fei eS OJotteS öegen, Wclcper bereidpete, unb wenn
er fo feinen Sauf beginne, werbe er eS nid)t weit
bringen. Tem ©epneiber, welcpem biefc SDapr«
peiten Befcpränttpeiten fdjienen, braep in lautes
©eläepter aus unb fpottete: „greunb, bie fjrnfen
gepen audp nidpt in bie $irdpe unb lommen boep
weit!" Tiefe profane Antwort entfeßte ben
frommen Sanbmann unb er Derließ baS |>nuS
opne ein einjigeS weiteres SBort. — JÖee mürbe
Digitized by v^ooQie
484
Itngelernt ober anrrfdjoffrtu
et gu bem ^abert rebett fönnett, bet nicht auf
©otteS (Stimme hören wollte?!
Slber irret euch nicht, ©ott (ä jj t Seiner
nicht fpotten. Ser Sdpieiber arbeitete bie
gange 2öod)e fotjr aubalteub. '.Uni Sontiabenb
ließ ©ott noch feine Sonne fd)einen über ©ute
unb '-Böte, über ®ered)te unb Ungerechte. !gmmer«
bin geigte fid) gegen 2 Uhr StadjmittagS eine Meine
SBolfe; auch einige ^Regentropfen fielen. Saturn
beeilte fid) bie Sd)neiberSfrau, welche für ihre
Siege @va§ holen wollte. Sie trug ihr Meine«
Jtinb, baS auf bem gujjboben fpielte, mit fiel)
unb ihr 9Jtann blieb allein gu |)aufe. ftaum
war bie junge grau auf ber 2Öiefe angefommen,
alö ber ftimmcl fid) ftetS mehr berbunfelte.
©löblich burd)jucfte ein greller S3lifc bie finftern
SBolfen unb ein SMibftraijl fchien baS #auS beS
©dpieiberS gu burchfaijren. Ser Stegen, ber bi«»
her nur in tropfen gefallen mar, hörte gang auf,
baS ©emölfe gertheilte fich unb balb war ber
£immel wieber rein unb flat. — Sie 3lad)barn
unb bie grau, befolgt über baS, was fie getehen,
eilten bem betreffenden £>auje gu. Slber welch’
ein Slnblid! Unter bem Sifd), allem Slnfdjein
nach tobt, lag ber Ungliitflidje: feine Kleiber
ftanben in glömmen; mau eilte, fie ihm abgu»
reißen, aber er gab fein SebeuSgeichen bon fid).
Ser ©uubargt tarn unb befahl, im ©arten eine
©rube gu graben unb ben (eblofen Körper hinein»
gnbringen. Saun foüte man ihn mit Erbe gu»
beefeu. Stach Verlauf einer halben Stunbe be»
wegte fid) ber Sirme unb ftie| ein jämmerliches
©eftöhne au«; fein ganger Jtörper mar fchmarg.
( SRan trug ihn auf fein 33ett unb währenb ben
folgenben 3 Sagen würbe fein Kammern in ber
gangen 9iad)barfchnft oernommen.
Sie äöirtungen be§ Sli&eS Waren fo eigen»
thiiinlich. Wie fie es oft ftitb. Sticht ein gaben
beS UleibeS, baS bet Schneiber in Strbeit hatte,
war öerfengt, aber bie 2 Sheile ber Sd)eere waren
jufammengefchmolgen. Sie Stabei mar tief in
fein Äinn eingebrungen unb ber gaben mar beim
Stabelöljr a6gef<hnitten.
Ungeachtet beS furchtbaren 3ujtaubeS unb ber
fdjrecf liehen Selben bnreh ben ©liftftrahl, gewährte
ihm ber £err noch 3eit, in fich ju flehen, unb bei
Seiner ©nabe ,£>ilfe gu fud)en. Stad) 8 Sagen
erlangte er ben ©ebvauch ber Sprache Wieber,
unb feine erfteu SBorte waren: „3rret end) nicht,
©ott läßt fich nicht fpotten!" unb fo oft ein Stach»
bar feinen traurigen 3uftanb bebauerte, wieber»
holte et fie. 3fa, ber £>err war ihm gn fiarf ge.
worben, hatte ihn gänglich gebrochen. Siebittern
Shränen, bie briinftigen ©ebete begeugten feine
tiefe Steue. Er bat nicht um Teilung, er flehte
um Erbarmen, um ©nabe um gefu Ehrifti Wil¬
len unb befannte fich als grofcen Siinbet. Ser
£>err erhörte ihn nnb gab ihm Seinen grieben,
ber höher ift als alle ©ernunft unb erleuchtete
ihn mit bem wahrhaftigen Sichte. 2lm 17. Sage
würbe er oou feinen Sdjutergen erlöft unb ging,
gleich bem Schächer am ftreug, burch beS £>errn
©nabe gur ewigen Stühe ein.
HugeUriit ober anerfdjaffeu?
f s hat immer SJtenfdjen gegeben unb giebt
auch heute noch biele, welche meinen, bie
Stetigion fei bloS etwas Angelerntes tenb
9ln gewöhntes. SBenn man ein Jttinb nur boit
früh auf oou biefer auftedenben Suft fernhalte,
fo tonne man bie leibhaftige Erfahrung machen,
bafe eS ebenfo wie „confcffionSlofe", auch Döllig
religionSlofe SJteufchen gebe.
Sin biefer ©teinnng ift ein gwiefacheS wahr,
1) bah man aflerbing« ein ©ott ebenbilblicheS
SJteufchenherg unter Umftänben arg maltraitiren
unb ben in ihm fd)(iunmernbeu ©ottcSfunten
übel mit güfsen treten, ja fogar nach unb nach
gang austreten fann nnb 2) ift auch baS waljr,
baß ber eigentliche gntjalt ber Steligion, g. ©.
ber chriftlichen, einem jtinbe nur buvd) lieber»
lieferung unb Uuterweifung betannt werben
fann. SBeun bu beinern Meinen Sohne nicht bon
bem lebenbigeu ©ott ergäbet unb ihm bie bibli»
fdjen ©efchichten nicht mittheilft, fo tonn er nie
unb nimmer atcS eigener Erfinbung barauf fom«
men unb nie Eljrift werben. Er würbe ober auch
trofc allen Unterrichts in ber chriftlichen ©Jahr«
heit nie unb nimmer ein Ehrift werben fönnen,
wenn er oon £auS aus ein religionSlofer SJtenfch
wäre, b. h- wenn im tiefften ©runbe feiner Seele
nicht ein anerfchaffcnet 3ug nnb ein angeborenes
©ebürfnih nad) 2Baf)rheit nnb nach ben ©eljeim.
niffeu einer unfichtbaren SBelt fich regten, wenn
fein £>erg nidbt unrnhig wäre, fo lange bi« baß
e§ ruhet in ©ott. 2(ebe SJtutter, jeber Seljrer,
jeber ©aftor, jeber SJtiffionar fönute getroft oon
oornherein ben ©<hliiffel auf’s ©rab (egen unb
fid) bie SJtiihe aller reiigiöfeit Unterweifung er«
fparen, wenn nicht bewufet ober unbewußt aus
jebent ©tenfdjenfjergen bieS gragen nach ©Jahr»
heit, bieS Suchen nach ©ott ihm entgegenfchliige,
unb wie bie garten ©(unten willig fiep entfalten
unb ber Sonne ftillehalteu, fo ftiil unb froh bie
Strahlen ber geoffenbnrten SBahrheit foffen unb
in fich wirten lajfett würbe. 333er hat nicht fdjon
felbft in einer ober ber aubern Sßeife ähnliches
bon feinen .ftinbern im frilheften Alter erlebt,
wie ich biefer Sage in ber Sto. 16 boit ©chorer«
gamilienblatt las, unb Wobei man ben gmeifel»
lofen Einbrud empfängt: SaS ifl nichts Sin»
gelerntes unb (Ungewohntes, foubern baS fteigt
gang unmittelbar unb naturmücbfifl ans bem
eigenften ftinberhergen auf, welkes feine Stuhe
Digitized by v^ooQie
Ungelernt ober onerfdjojfen?
485
hot, bis eS ben testen ©rttnb oller Dinge er«
fahren hat. unb in ©ott ruhen fanit. 9lu<h
jenes fiinb giebt fid) ^ufriebeu, fobolb es bei (Sott
felber angefominen ift nnb bie Wöglid)feit ge«
fiiuben, baß bevfelbe ein Sud) feiner Cffeu«
bannig nnb aller ©efjeimniffe als göttliche 2Bahr»
beit auf bie Grbe geworfen, unb baj) nun auS
biefer Guelle alle meufc^lic^en Siicßer gefdjöpft
batten. Das bergige fiinb gewinnt jeber lieb,
nur tbut einem bie arme Wutter mit ihrem
mieberbolteit: „Sielleicbt" nnb mit ihrem „jag«
haften tJlüflent" leib, unb wir mürben uns
löuiglicb gefreut hoben, wenn fie nun mit freu«
biger ©emißheit bie einfache bibiifcbe 2Babrf)eit
in biefe buugernbe unb biirfteube fiinbeSfeele
hätte h>».einiegen fönneu. 2Bie jammerboll,
wenn cbrifllidje'Wiitter auf folehe fragen nur
ein „Sielleicbt" unb ein gagbafteS fjlnftern hoben,
wo oft ein Woment über bie Gwigteit eutfdjeibet.
Dod) mir laffen bieieS Swicgefpräd) ouS SchorerS
tJamilieublatt hier unberfiirgt folgen, nnb mögen
bonn bie lieben Glterit fi(h on ähnliches aus ihrer
Erfahrung mit ben fiinbern erinnern, unb uns
and) bielleicht bieS ober jenes baronS mittheilen.
2lüe aber mögen fich burdj bieS fiinb mahnen
laffen, boch jo ben ©otteSfimfen in ben £>ergeit
ihrer kleinen in forgfältige Sicht gu nehmen.
„Warna, wo tommen bie Siidjer her ?" fragt
SBilll), inbem er hinter ber Wutter Stuhl hoch«
flettert unb fein ©efidjtcheit neugierig auf ihre
Schulter legt.
„Die werben gebrudt, mein fiinb!"
„2Ber brucft fie ?"
„Der Suchender, mein Sohn!"
,290 hot er fie bet ?"
„Gr hot fie oon einem Serfegcr — baS ift ein
Wann, ber He brucfen läßt!"
„2Bo hot beim ber fie her ?"
Die Wutter lächelt ben fleinen Snquifitor
liebeooll on. „Som Sdjriftlteller, tpergdjeu!"
„2Ber ift buS?"
„DoS ift ber Wann, ber bie Sücber fdbreibt."
„2llle ?"
„9tein, olle nicht — ein Wann foiin boch nicht
alle Sücber fchreiben, eS giebt biele Schrift«
fleller!"
„2Bie Diele wohl ?"
„fiinb, bciS weif} ich nicht!"
2Bifll) ift hinter beut Stuhl herborgefommen.
Gr fteinmt feine beiben 2lrme auf ber Wutter
Schooß unb fieht fragenb gti ihr auf. „Warna,
toaS fteht beim in ben Siidjern ?"
„C bieieS, fiinb; über bie Sterne, über bie
Grbe — über 2Mumen unb Stljiere unb über bie
Wenfdjen."
,,23eij} baS ber Schriftfteller olles ouS bem
fiopf ?"
„Sowohl!"
„2Boher weih er eS, Warna ?"
Die Wutter feufgt. „DoS hot er gelernt,
2Biflt)!"
„Son wem benn, Womo ?"
„Son — bon feinen Seljrern!"
„2?oit feinen Beßrern ? 2BiHt) fpridjt eS trän«
merifch nadj. „Son wem hoben bie eS gelernt?"
fragt er plößlid) laut.
„Wein Sohn — ich — hie hoben eS aus an«
bereu Suchern!"
„2lnbere 2Micher ?"
»3o!"
„23oS für ?"
„2l(te 23iid)er, mein fiinb — bie matt früher
hatte!"
„früher?" 2Biflt) ftiißt jeßt ben fiopf in bie
£>anb unb blicft finnenb ginn fünfter hinaus.
„Srüfjer ?" wieberljolt er mit abwefenbem Slicf
— „wer hot bie bon früher gefchriebeu ?"
„9llte Schriftfteller, fiinb!"
„Sinb fie geftorbeu ?"
„So!" 2Billt)S Wutter gloiibt baS ©efprädj
beenbet — fie fromt ihre Wiljarbeit giifammen
unb will fid) entfernen.
„Womo!" 2lMflt) fafjt froinpfhoft ihre #anb
unb hält fie nieber. — „Warna! Woher haben
bie beim boS gelernt, bie bann geftorbeu finb ?"
„Die? Die hoben e§ wieber auS auberen
Siichern — ouS noch älteren!"
„Unb bie?" 2BiUi)S Stimme Hingt Reifer bot
Grrcgung.
„Wein $erg!"
„Warna — ich hüll tbiffen — wo bie aller«
erfteu, bie gang erften eS gelernt hoben ?"
Die Wutter ficht fid) hilflos um. Sie Weiß
bie 2Bißbegicrbe beS fileinen nicht gu befriebigeu
— gong gagbaft fliiftert fie: „fiinb, baS hieiß
man nicht. 2.*iefleid)t — bon ©ott!"
v Des fiinbeS &änbe geben halb mechonifch bie
ber Wutter frei — ermiibei unb bermirrt legt
fich baS fraufe fiöpfd)cit auf bie Senftcrboitf.
Sut Siinmer ift eS füll, unb 2Biüb filmt, bont
Dämmerlicht umgeben, über bie gewichtige ££rage
nod).
Der Wutter Schritte tönen auS bem Bteben«
gimmer, unb glcid) barauf erfcheint fie mit ber
Soinpe.
„Warna!" 3wei Heine 2lrme fchlingeit fuh
um ihren fRacfcn, imb manne fiinberlippen
fprechen hoftig leife: „Sd) weiß eS jeßt, Warna
— ich hob’S herouS! Der liebe ©ott, ber alles
weiß, hot mol ein großes Such gefchriebeu, unb
wie eS fertig war, bo warf er eS bont glimmet
auf bie Grbe — unb ein Wann, ber gerobe bor«
überging — ber hob eS auf unb lernte eS aus«
menbig, unb bonn ergohlte er eS allen onbern —
fo wor’S, nicht wahr, Warna ?"
„Siefleicht, mein fiinb!" (9?ad)bar.)
Digitized by v^ooQie
4S6
Pie pebeutung des Spiels.
Pie Pebeutung des S|>irl0 und der Pnlerljnltuiig im pinde*- und
$u0eudledeu, und wie jtud diefelbeii ;u leiten?
©fettorirtt.
II.
f (3 Hauptgewinn beS SpielenS ifl
funddjft unb oor allem bif r a f t=
b i (b ii n ij }u befcid)»e», «nb ftoar
fowobl i» leiblicher, als in gei»
ftiger Hinficbt. Gs bient in beiben
Begebungen fotoof)! gur VJedung,
wie jnr Sammlung, fttr Uebung wie jnr Stcir=
hing Der Araft, je nad) ber üevfdjicbenen 3lrt ber
mannigfaltigen Spiele felbft. 'Dian fann bie»
felben ihrer ©attung nach am einfadjfteu'in 33e=
Weßlings« unb Vubefpiele, ober auch, mehr nach
bem ©efid)tspuujt ber Spielenbeu, in gefellige
unb einfame eintljeilen. ^ebeS biefer Spiele bat
wieber feine eigenen Vortbeile, aber and) fRacf)»
tpeile. Sie meifteu Vorfüge bereinigen fid) mopl
in ben mand)evlei .gönnen ber erfteren. SaS
rcichhaltigfte nnb fuidjlbarfte berfclben unb
barnni mit Siecht unter unferer .Qnabenwelt ganf
befonberS beliebt unb felbft boit Grwachfenen
nod) gepflegt unb bochgefchüßt jft bas 33 a 11 =
f p i e i, was nicht bloS3luge unb Haub, 3fun nnb
Söruft übt unb träftigt, fonbern auch bereits
gieinlich b»be 3(nforberungeit an mehr als nur
(Sine ber geiftigen Aräfte unb 5äl)igleiten ber
Vtitfpieler mad)t: bie Beobad)tungS* unb 3luf=
faffuugSgabe fowie bie ßunft ber 33ercd)nung
wirb nicht miitber, als bie ©cwanbtbeit nnb 33e*
henbigfeit beS gangen Körpers geftärlt dtub ge«
ftäl)lt; fie muß Dem 5!inb nicht nur bie geleufige
Bewegung ber ©lieber lehren, fonbern ebenfofeifr
auch fich tafd) entfcbliejjen, fdjnell unb bod) mit
Ueberlegung baubeln, eS muß wagen unb ent»
fagen, fich auSfeßcit linb fi<h beeten, gan} befonberS
aber and) fich ber Spielregel unterorbnen lernen,
lauter Singe, bie es fpäter im Sehen fefjr wofjl
unb fef;r oft braucht unb bie eine tauni }u er»
feßeitbe 33oriibung unb 33orbereitungS|d)ule für
bie gait}e ©cftaltung feines GbarattcvS, feine
fpeitere 2iid)tigfcit unb praltifd)e Verwenbbarfeit
in ber 3üelt bilben. Hier lernt es mit Schwierig»
leiten fampfeu, ©efafjren »ermeiben, aber auch
befteben, Unbequemes halben, feinen Aopf }tt»
fatnmeunebmen, ben 2Bi(leu brechen unb zugleich
braueben unb um beS ©ati}en wiüen fid) felbft
berliinguen.
31 ber auch fd)<m beim lleinften Ainbe übt baS
Spielen mit allerlei ©egenftänben itidht bloS
feine Sinn e, namentlich ben Farben« unb ffor*
men», ben ©cfidjtS», ©ebör» unb Saft finit, fon«
bem auch feine 3Ö i 11 e tt 81 r a f t, ©cbttlb unb
3luSbauer, feinen V e r fta n b, ben Sinn für baS
33ebnlten unb 93ergleidjen ber gewonnenen Gin«
briiefe, ba§ Verarbeiten ber einfeinen SBabrnel)*
mutigen unb 3lnfebaunugen }u einem ©efamnit«
bilb, baS ^eroorbringeit unb Verbiuben bon
Vovftellungen, bas llrtheileu nnb Schließen,
enblich aud) baS ©ebaebtniß, ben ©efchmad,
bie V b a tt t a f i e tt. f. w. 3lnbere Spiele feffeln
unb beiebäftigen mehr einfeine beftimntte Seiten
unb 3?df)ig(eiten beS geiftigen ©efanimtlebenS,
befonberS wo eine auSgefprocbene Begabung in
irgenb einer 9tid)tung öorfjanben ijt,}. 33. bttrd)
burch 33ilbttitg unb Schärfung beS 3 ab len*
finttS, wiewohl gerabe biefe Spiele, alfo iuS*
befottbere Sotto nnb Somino, guni Stjeil
auch anbere, bie auf Berechnung beruhen, wie
baS ebelfte, aber auch fömicrigfte aller Spiele,
baS ö cp a ch f p i e 1, ober bie berfdgebenen 3lrten
bon 33 r e 11 f p i e I e n, in anberer 'Jtüdficbt ge»
fiibrlich fiub, weil fie boch fchon alS®lüdS*
unb 3 u f a 11S f p i e 1 e (toaS fogar baS faft mit
matbematifcher Sicherheit unb itt ftrengftcr lo»
gifd)er3Jtetbobe fortichreitenbe Scbacbfpiel wegen
ber Ungewißheit beS Verfahrens bon Seiten DeS
Partners noch immer bleibt) leicht baS Aiub bis
}tt leibenfchaftlicher Uebcrrei}uitg in 3lnfprucb
nehmen lönnen.
©S finb ihnen anbere unb ruhigere, baS Sen!«
b e r m ö g e n berfetben mafwoller befchäftigenbe
wie ba$ Ö e b u l b f p i e 1, bie mancherlei £ e g«
f p i e Ic mit ihren berfdjiebetiett Variationen ent*
fd)ieben borgugieheu, ober auch folcbe, bie bem»
felben einen bis }ttr Sctufdjuug gehenben ©rfaß
beS wirtlichen SebettS bieten, ioie bett Dfäbdjen
ihre tß u ppeuf p ie te u. f. w., bie, wie bem
Heineren Ainb feine Shicrchett, Häuschen, Sol«
baten, Vf erb unb SÖageit itebft bein bagu gehö«
rigen Stall ober auch feine ViIber büeher je.
eine gerabegit unerfchöpfliche fjunbgrube erfiitbe«
rif^ett Schaffens unb burch bie gahüoS fich wieber,
holenben Begiehnngen unb 31n!nüpfnngen an baS
Sljun unb Sreiben ber ©rwachfenett einen Holl«
tommenen Spiegel berfetben unb eine reiche Vor»
ratbsfammer non 6rfahruttgeu, Aenntniffeu unb
©eidjidlichfeiten barbieten.
Sille biejenigett Spiele, bei benen eS fich um
harten ober 33ürfel banbeit, iniijfen gan}
entfebiebeu unterfagt, mit aller Strenge 'bem
Ainb ferngehalten unb attS jebent chriftlicben
HauS gerabegu öerbaunt werben, ba fie bie @e«
winnfucht reifen, leicht fttnt Betrug »erführen
unb erfabrttngSmftßig meift bon ben ßinbern
fchon fo leibenfchaftlid) betrieben werben, baß fie
- Digitized-by
Google-
JKe ttebeufung des Spiels.
487
nctljmenbig in fdjüblidjfter Seife nufrecjen mi'if*
eit. £>ier ift bie ©efdijr, buf> fie fid) 311 einer
flechten ©emohuheit uub guleßt gu einem (elfter«
juften Jpang, berbuuben mit ber übten Aeigutig
gum fchledjteften, meil geifllofeften 3 eitoevtveib
linb 511 böfer ©efellfchaft ftei^ern, t^atfäc^licf) fo
flrofi, baß mir fie unmöglich mehr gu ben barm«
lofen nnb „unfcf)ulbigen" ®iugen gahleu unb bei
unfern Riuberit irgeubmie gugeben fönnten.
©ine ähnliche 93orfid)t erforbertt auch manche
fog. ©efellfdjaftsfpiele namentlid) für
bie tjminmudjjenbe gugenb in hohem ©rab.
SBBir mögen fie geftatten mit 9füefficf)t auf ben
ungmeifeiljafteu ©eminu, ben fie burdj ©rgieljuug
gu Anftanb uub 2 act im 93enehmen unb eine ne»
miffe Sicherheit beS Auftretens gemähren töuuen,
biirfen un» ober über ben geringen Sertb beS«
felben, menn eS beim bloßen äußern Schliff bleibt,
nicht tätlichen; auch muß bie ©rlaubniß hitrgu
nur fparfam gegeben, befto gemiffeiihnfter aber
bie menn and) nur numerttiebe Leitung uub 9>e=
anffiibtigung geübt merbeu, je mehr ein nicht
iibevtouchteS Sichgeljen« nnb@emähren(aifen leid)t
gu fitttieb bebenflicben Gingen führen tauu; ins«
befoubere finb bie oft fo unendlich faben uub ge«
fdjmacflofeu^Pfänberfpiele gu meibeit; öfters
finb biejctbeu gerabegu unanftänbig.
SaS baS S p i e l g e u g aubetrifft, fo berbient
baS Ginfache unb Runftlofe fd)on mit 9iiidfid)t
auf i&otibität uub 'Billigfeit meitauS beit SBorgug
bor bem aflgu ©legauten uub R oft baren. ©ine
Uebertabung mit altguoiet Spielfachen ift gleich«
falls rneit fröhlicher atS eine allgugroße Spar«
famfeit, tueif eS Saunenljaftigfeit, ©enußfiidjt
unb ein unruhiges, unbefriedigtes ^erunifpielen
an Allerlei, ohne baß ein «Spiel grüublicb unb
gang betrieben mirb, befördert; folrfje mählerifdjcn
Rinder merbeu (eicht auch fpäter fid) in allen mög«
lieben @efd)äftSgroeigen unb 93erufSartcn, Ve()r=
fächern ober Ruiiftgattungen üevfiid)en, ohne doch
in irgend ©troaS roirflid) SlitdjtigcS gu leiften.
S-iefe ungeniigfame unb unftäte Ucberfüllung
ber Riuber mit unb bei bem Spiel ift fcl)r oft
bie ©runblage ber foiialen Uubeftänbigfeit unb
Uitgufriebeuheit ber Scanner. 9Wit mie Seniaein
tann ein tiitbermöljnteS unb uitbergogeneS Rind
ftdj föuiglid) oergnügen unb märe es nur ein Stücf
Rapier, eine Schnur, einlßaar Rnöpfe ober Aägel,
©öigehen, Steine, 931mnen k. unb gu meldjcm
fJuriiS h«t eS bie moberne ^nbuftrie unb Spiel«
maarenfabrif gebracht!
Seiter ift barauf gu achten, baß namentlid)
bei Heineren Riubern bie Spielfacbcn an ©cftalt
ober SJtatcrial nichts SchäblicheS unb ©cfäljr*
licheS, fcharfe Ranten, fpiße ©den, giftige gar«
ben je. enthalten, bor allem aber füllten leicht«
entjünblicbe ©egenftänbe ober gor Sd)iegmaffen
feinen Seg gu ihnen finben, unb felbft ein fdjnei«
bigeS fDteffer nicht aflgufrüij einen tpiaß in ihrer
Stafctje beaufpruiheit bürfeu, bebor fie bamit
richtig umgeben fönneu. ®aun aber ift bei
einiger ©e|d)idlid)feit unb richtiger Anleitung
uub etwa auch 93ei()iilfe bou ©rmachfenen um
fo meuiger gegen derartige Serfgeuge eiugu»
meuben, als befauntlidj baS befte Spielgeug im«
mer gerabe baS ift, baS bem Rinbe nicht fchou
etmaS gertigeS bringt, fonberu nur beu Stoff
gu eigenem ©anbelii bietet, ©erabe barin liegt
fein Sertlj uub Dieig, baß baS Rinb nicht bloS
etmaS bamit tbuit, fonberu bor allem etmaS bar«
auS machen fann. ©in einfacher troefener Saiib»
häufen ober gar ein eigenes ©arteubeet uebft
Spaten, ©ießfanne unb Schaufel, ein paar
Rlößdjen uub 93rettd)cn nebft bem fleinen &am=
mer befebäftigen uub ergäben baS Rinb meit
mehr unb anhalteuber, als g. 93. fertige Käufer;
93aufteine, aus benen eS fiel) nach eigener Suhl
nnb 93biintnfie Schlöffer uub cJhürme, Rircheu
unb 93riitfen, Steppen unb (Bürgen bauen fann,
mehr uub ergiebiger, als eine fchou fertige Stabt,
bie eS bödjftenS noch mit feinen Shier« ober
ÜJtenfchenfiguren gu bebölfern bermag. Selbft»
colorirte, auSgefchnittene unb aufgellebte 93ilber
finb beffer unb für baS Rinb feffelitber uub bil«
benber, als baS fdjönftgebunbeue unb iiluftrirte
93rachtroerf, auch menn jene auf feinen eigent«
liehen Rutiftmerllj Aiifprud) machen töuuen, nur
miiffeit fie bon bentlidjer unb forrefter 3 eid)iutng
unb bou reinem, ungmeibeutigem 3 uhnlt fein.
93cibenineiftenRiubern finb 93elebrungen
über ben rechten ©ebrattch ihrer Spielfacheu nid)t
gang iiberfliiffig; mit bem bloßen Anfehaffen ift
noch feßr menig gethan, menn ba§ Rinb gar nicht
einmal meifi, maS es bamit machen foil. (pier
füllten fid) bie ©rmachfenen, gang bcfonberS bie
SDfütter unb älteren ©cfdgoifter, bie i'lühe nicht
berbrießeu laffen, ober bielmehr fich felbft ben
föftlichen ©enuß ber fDfitfreube au beS Rindes
fjreube gönnen, unb ftd) gu ihm hiufeßen, ihm
feine 93ilber geigen unb erfläreit, unb fie bunh
fleine ©efdjichten ober Dleime beleben, unb fich
bann biefclbcu bom Rinb mieberboleit laffen,
natürlich nicht in trodeuer Schulmeiftermauier,
ober in einer ftrengen, langmeiligen. pebantiiehen
Seife, foubern fo tinblicf) unb einfach als mög»
lieh; beim nur fo mirb ihm fein 93ud) mirflich
lieb unb bertraut, unb feine bunten ©eftalten
feine pevfönlichen ^reuube. Cber gilt eS ein
anber 'Dfal bem Rinb 9(nmeifimg gu geben, mie
eS ans feinen Spielfachen noch bieS ober jenes
Acne mad)en, ober baS Alte berbeffern unb ber*
bonfoininiien, meiter ausführen, abriinbeu fann,
menn feine eigene ©rfinbungS« ober ©eftaltungS»
fnjft fich evfdjöpft hot, unb bamit bie Spielluft,
gute jaune unb ©ebulb gu ©nbe gu gehen brofjt.
®urch folche einfachen Runftgriffe mirb fein
Sntereffe mieber frifch gemonnen unb angeregt,
ber gleiß belebt nnb ber flüchtige Sinn bon
Digitized by v^ooQie
488
Jlie Jctifuiimg Des Spiels.
mancher Unart nbgelenlt, namentlich auch tjcrn
oft Phon fo jriih fich regeitben 3 er *
ftöruiHt»trieb gemehrt.
®oct) barf baS Sfinb aubererfeitS atuf) nicht
alljii(niu\e mit bem Spiel lephäftigt bleiben,
fonft erlahmt STraft mtb 3ntev:|ie, ber tJteij ber
Dtetiljeit ftmnpft fiel) 31 t halb ab, itnb mit ber
9ln}ie()tnii] bcrliert baffelbe auch feinen bilbenben
Söcrth unb feine 9Birluug auf unb für bie ©r«
3 iehung. Sahst muß itjiii namentlich ein ent«
IcibetcS Spie^eug weuigftenS eine 3eit lang ganj
entjogen werben, bis eS i()m mieber lieb unb be=
gebrenSWertb biiuft. 9(uf einem gewiffeit leben«
bigeit unb eben babureb belebenben 2 Bed)fel ber
Spielfachen felbft, unb alfo auch ber au unb mit
ihnen geübten Sthätigfeit beruht ja großenttkilS
bie gauje ^oefee beS Spiels, bie fich liötbigen*
falls ja auch fogar ganj ohne Spieljeug behelfen
fauit unb 3 . 93. fchou in ber 93emä!tigung eines
SloffeS ober einer 9taturfraft, in ber 93emeifte»
rung ber eigenen Seiblicbteit unb ihrer oerßbie«
beueu Organe unb beren mannigfaltiger Her«
menbung ihr ©einige fiubet. $er Sßertb ber
Spitlfachen ift alfo für baS flinb nie ein realer,
fouberit nur ein ibealer, ober eigentlich imagi«
inirer, ein bloS eingebilbeter Hböntaficwertb, eS
phlägt biefelbeu wefcntlicb nur nach bem, mnS
fie ihm bebrüten unb oorfteden, nicht toaS fie
wirtlich fiub, muh bem, was eS -fich barunter
beult unb was eS bamil ober barauS macht.
3ft bie 3eit 311 m 91 u f h ö r e n b e 5 S p i e l S
gefommen, fo nuifi entfehieben barauf gehalten
werben, baß baS Spiefjeug 0 rbe n 11 idj auf«
geräumt wirb, 100311 freilich and) gehört, baß
mau bntür feinen eigenen feft beftimmteu tßlaß
ober 93ebälter hat, unb 3 toar fodte eS ftreng
barau gewöhnt werben, wenn irgenb eine Pflicht
ruft, fei’s ein uothwenbigeS ©cpbüft ober ein
freiwilliger SiebeSbicnft, ein gemeinfamer ©ang,
bie 2ipb« ober bie Schulglode, fein Spiel f ö»
fort eiu 3 uftelleu. ©in Hiiujlliitgeu befielbeu in
^ci '3 unb Sinn beS SJiitbeS felbft bis in bie
Samilienanbacht ober bie Kirche, ben Unterricht
ober bis in Schlaf nnb 2 rau 111 hinein, laßt fich
allerbiugS nicht immer gans permeiben ober ein«
fach berbieteu, fdjabet über auch in bemfelben
9A 1 aß weniger, je mehr baS Spiel felbft harnt«
lo'fer unb reiner Dtatur mar,
3e jünger baS Sfinb noch ift, befto eher ift eS
ihm auch noch 3 » uevseihen, wenn baS Spiel, baS
eben noch gans ttub faft auSfdjließlid) feine eigene
unb einzige 9Be(t ift, auch feine ©efühtswelt 1111 b
feinen gefammten geiftigen .funi 3011 t 1111 b 93nr«
ftedungStreiS, b. I). STopf unb ^>ers anSfüflt,
aber je älter eS Wirb, befto mehr muß eS lernsn,
baß eS neben bem heiteren Spiel auch eine ernfte
9lrbeit giebt, ber feine Straft 11110 3e>t, fein
9Jliihen unb Streben gehört, freilich wirb baS
nicht babureb erreicht, baß mau ihm roh nnb ge«
maltfam fein Spiefoeug aus ber £>anb reißt,
fonberu baburch, baß mau admöbli<b> «her mit
jjeßeter ©oufequeus feinen Sinn Pom bloßen
epiel weg 31 t ben Arbeiten nnb Aufgaben beS
SebmS unb SemenS teuft. (Sitten tvefflid;cn
Uebergang Oie^n bilbet 3 . 93. Phon baS eben ge«
nannte ©inräumen, inbein auf biefeni feig«
faltigen unb hübßheu piinltliihen ©inorbueii ber
Spielfachen, obwohl eS bereits eine 9(rbeit ift,
noch ein gewiffer 9iacbfcbimmer oon ber Hoefie
beS Spieles felber liegt, unb ben 9lbPhieb Poit
ihm ttub ben Uebergang 311 r eigentlichen Arbeit
erleichtert, ©in folcheS mittleres fiub auch uiefe
ber bereits befprochenen nnb nicht genug 311
empfehleubeu 93epbäftigunqen unb Unteiha!«
tungen, bie man mit bem ©efammtiiumeu
„Hefteln" be 3 cid)iiet, besgleicben bie 9lnlage Pon
«ammlungeit unb ähnliches, dagegen ift auf
eigentliche Serufpiele nicht fo fehl- piel 3:1
halten, fie oerberben meiftbeu ©efehmaef fitr baS
eigentliche Semen, baS eben gerabe lein „Spiel",
fonberu ein „©ruft" fein foll. auch ‘wirb gewöhn«
lieh baS, toaS man fo leicht fich augeeignet unb
„fpielenb" gelernt hat, ebrafo mich loicber Per»
geffen, unb hat lange nicht bea 9i?erth unb bie
bilbenbe Straft beS mühfain ©rworbenen. Das
Seinen foll unb muß ein „9Kuß" fein unb blei»
ben; im Spiel mag fich baS Sliub frei bewegen.
SJaruut barf aber bennoch auch bem Spiel,
fo feltfam unb faft wiberfprechenb eS Hingen
mag, hoch auch baS ©(erneut ber 3ucht nicht
gaci 3 fehlen. Sie wirb theilS eine Selb ft«
jucht fein unb namentlich bei älteren Stinbern
immer mehr merben mtiffeu, bie befonberS burch
freiwillige Uuterorbnung unter9lnbere oberauch
unter bie Spielregeln fich 3 eigeit wirb, HjeilS
eine frembe 3 . 93. burch ben ©lieber, ber por
adern auf Orbuuitg 1111 b 9lnftaub 311 fefjeit unb
auch ad 3 iigroße Siörung ber ©rmachfenm burch
ben Spiellärm ber Stinber 311 hiubern hat. 9Bir
haben ja gewiß nichts bagegen, baß fie fich ntun*
ter tummeln unb luftig fpringen, fingen unb
pfeifen, ober gebiiljrenbe febonenbe 9lüctfiebt auf
9(nbcre, auf Sfraitfc, 93ept)äftigte ober fonft
fRuljebebürftige muß hoch auch baS Sfinb Phon
felbft bei feinen Spielen nnb ©rholungeii let«
neu. Streitig feiten oodenbS, ober gar
Schlägereien fiub phlechterbiugS nicht subulbeu,
fonft wirb auS bem Spiel oft „blutiger" ©ruft.
®ut ift’S, wenn unter ben 93liifpieiem felbft
fokhe fiub, beiten in folgen fällen eine ent«
Phiebeue 9lntorität unb ©nergie beiwobnt 11110
überhaupt ein folcher ©eift herricht, baß beit
muthtoidig ftörenben Spieloerberbem unb .£jüit«
belfucheru baS fönnbiocrf fofort 1111 b für immer
gelegt wirb, wenn nicht, fo barf fich ber Haler
ober Seiner ber 9tode beS ffriebenSftifterS nab
SchicbSiichtcrS, aber Wohlgemertt beS 11 n«
p a r t h e i f ch e 11 , nicht entgehen, barf babei
Digitized by v^ooQie
(Sine leljtfmmljl in jfleutfdjtanb.
489
ober and) nicht flcintidj unb peinlich noch allen
Würfen fdjlugeit roofleu.
©nblich föimte and) noch gefragt »erben, oft
bie ©rraadjfenen and) fonft fiep noch birect unb
perfönlich beim ©fielen ber jfinber b e t p e i«
Iigen bürfeu ober gar foüen, ober eS biefen
allein au t(berlafieit höben, ©ehr oft roivb eS
gut fein, baS Giub fiep felbft nnb feinem ©piel
fo uitgeflört als möglich aitheintaugeben unb eS
nur gelegentlich a« überwachen, aber ohne in baS
flifle geheimnifeDolle Sieben nnb Sehen feines
©eifleS einaugreifen, baS, rnie mir fdjon bemert«
ten, nur in Dotier ungehemmter unb unbefdjrnnf«
ter Freiheit recht gebeipen fann, bafitr aber befto
mehr burd) ^Beobachtung feiner ©elbftenthaltung
f iir bie ©raiepung berfelben bie ©epanblung feine»
StemperoinentS, baS ©tubium feiner Steigungen,
©oben, Gräfte unb Snlagen an lernen.
Snbejfen mirb eS bem tiuberfreunblidj gefinn«
ten Sater ober fonftigen ©raiefjer Don felbft mehr
als einmal treiben unb bräugen. and) felber, me«
nigftenSaumeilenunb auSnnhmSmeife mit«
jufpielen, ma§ er auch gana mopl opre Sevlebung
beS SefpcftS tpun fann, wenn anberS biefer auf
ber rechten gefunben unb feften fittlid)en ©runb«
läge ruht. ©§ ift bie» für jeben einaelnen Wen«
fdjen unb jeben einaelnen fyad eine Srt Don ©e«
toiffenSfrage, mo Stiemanb ein Sed)t hat, beS
Snberen Sichter a» fein, ©ana gernife mirb jeber
ernfte Wann unb ©hrift, je älter er mirb, befto
weniger mehr 3 eit unb Suft aum biofeen ©pielen
haben; aber als ein befonbereS fjfeft für bie .Rin«
ber betrachtet unb richtig behaubeit, mirb fein
Witfpielen nur ihre ftreubc unb augleich bamii
auch bie feine erhöh«« unb «h« felbft frifch unb
jngeubfroh erhalten in ber Süderinnerung an
bie golbeneit Sage bet eigenen Ginbpeit. Such
ein 2) r. W a r t i n 8 u t h e r hat fiep nicht ge«
fcpämt, gelegentlich mit feinem Manschen fleh auf
bem ©tiibenboben au tummeln unb ein noch grö«
feerer als ber gvofee ^Reformator hat an ber aflev«
biugS einaigeii ©teile, mo er Dom Ginberfpiel
rebet (Watth. 11,16), aum minbeften fein fabeln«
beS Wort bagegen gefproepen. . 2)ie Sibel geht
fonft atlerbiiigS (mit alleiniger SuSnapme Don
©ach- 8 , 5) ftillfchmeigenb an ihm worüber, aus
begreiflichen ©riinbeu, beim fie ift foroenig roie
ein fieprbuch berSaturmiffenfdjaft ein ©pielbuch
für bie Ginber. Sber ihr ©eift ift menigftenS
äd)t eoaiigelifcp, b. p. ««pt eng unb ftreng, fon«
bem meitheraig unb marmheraig, frei unb milb
gefafet, bemfeibeii and» nidjt an fid) feinbfelig
entgeqeugefejt, ober eS Dorneljm unb gleidjgiltig
Derachtenb unb ablehnenb, fonbern ihm freunb«
lieh, aber allerbiugS auch orbneub nnb regelnb,
gugefehrt, beim ihr .Gern unb ©fern ift ja ber
grofee unb ber einaig mähte Ginbetfreunb unb
fein ©eift ein ©eift ber Ginbfcpaft, ber ffreube
unb ber Freiheit!
(jftue fdjiertonl)l in Peutfdjlöiib
nor 150 Inljreu.
S er „Sieberfcplefifche Steiger" Deröffentlidjt
folgenbeS mtereffante fßrotofoll Dont
Sfahve 1729:
Sadibem auf gefdjepeneS töbtlidjeSSblebeubeS
bisherigen ©djuimeiflerS fleh mir fünf Liebhaber
gcmelbet, fo mürbe aimörberft Dom Pastor loci
in einer Setftunbe nach Watth- 18, 19—20 bie
©emeinbe au heimlicher ©rbittung göttlicher ©nabe
au biefem wichtigen ©efchäft erinnert, fobaitn in
ber Girdje oor Sagen unb Cpren ber ganaen ©e»
meinbe bie ©ingprobe mit berten ©eroerbern für«
genommen unb nach bereu ©nbigung biefelben
im SfarrhaitS noch meiter tentiret:
1 ) Wartin Ott, ©djufler aus S., 30 3«h«e
beS Sehens alt, hat in ber Gird) gefangen: ©hrift
lag in ‘JobeSoauben ic. dreierlei Ijnnbfcprift
hat er gelefen — mittelmäfeig; brei fragen aus
bem Serftanb beantmortet — recht; aus bem
Cntechismo de sc. coeno (heiligen Sbeub»
mahl) unb bie 54. Srage rccitiret ohne fehlet;
brei Seihen dictando gefchrieben — uier fyefjler;
beS SedjnenS.ift er burdjauS unerfahren.
2) $atob TOähl, Weber aus 2)., hat bie ^ünf»
aig hinter fleh- bat gefungen: O Wenfd), beroein
bein K. SuS bem Catech. bem Dekalog (aepn
©ebote) unb 41. groge reaitiret ohne fehler;
dictando brei Seihen gefdjrtebeu — 5 fehler;
beS SedjneuS and) nicht funbig.
3) ^h’OiPP £»PP, ©chneiberauS©., fdjon ein
alt gebrechlich«« Wann non 60 SebenSjahreit,
follte lieber au £mttS geblieben fein, als fid) bieS
oermeffen. &at gefangen: ©inSäminieiu geht«.
Dictando nur brei Wörter gefchrieben — mit
Wiifje au leien. Secpnen gana unbefamtt, aähU
an beu Ringern raie ein fleiti Ginb. Würbe ihm
gemelbet, bafe er thöridjt gepanbelt, fiep au mel»
ben, maS er auch mit SUjranen unb ©eufaen he«
fannt.
4) Johann ©chütt, ein Geffelflirfer Don aflpier,
hat 50 3fapre beS Sehens auf ©rben gemanbelt
unb hat gefungen: O Smigfeit, bu 2 ) nun er»
mort ic. IBeint Cntcch. bemerfte man, bafe er
fotfjanen ©tiiden nodj nicht im exercitio flehet.
Dictando brei Seihen gefchrieben — ging an,
maS Sitchflaben betrifft, boch a«h« S«ht«r. Secp«
neuS nur im Addiren erfahren.
5 ) f^viebrid^ Sotp, «in Unteroffiaier aus ©tp-.
fo im £>odjebIen Don ©rumbom’fcheii Segiment
ben tfdbaug gegen bie ©djmeben gemacht unb
allbort ein Sein berloren, 45 3ahre bes Sehens
alt, hat gefungen: ©hrift lag in iobeSbanben ic.
Catech. — moljl inue. 3?ier fragen auSbem
©erflanb — ziemlich). Dictando brei Seihen
Digitized by v^ooQie
490
£utl)tr als Jtinberfreunb.
bocO mit 8 Feßler. 3te<hnen Addircn unb bis*
c^cii Subtrahiron iituc.
©3 mürbe nun eiuntütbig bnboit gehalten, baß
3 acob Wcißl iuof)t bcr fopabelfte, wogegen beit
anbereu, namentlich bem fteijelflider, uicfjt gu
trauen, fintemaleu er nie! burcß bie Sanbe ftrei<f»e,
bagegeu ber riegSfnedjt mahl bie 3fud)te( gegen
bie armen ßiitblein gu ftarf gu gebrauchen in
Sßerbacht gu nehmen fei, roaS benen mitleibigen
Wütteru berfelbeu boch fehr ins fjerg ftechen_unb
meße thmi tonnte, auch fei gmifeheit rohen _©ol*
baten unb folchen Söürmfein boch «in Uuterfchieb
S feßen. Der ißaftor ließ nun botiren unb mürbe
ahl einftimmig ermählet. Da nun felber
3 acob fütahl allejeit bon ne fumae gemefen unb
bie gange ©emeinbe Pastorem barum bitten,
fo giebt auch biefer im Vertrauen auf ©ottcS
©egen gemelbeten Wähl fein votum ab. 9?acß
abgelegten votis mürbe folgern ber ©ntfdjluß
nebft erforberlicher ©rinuerung unb Verhalten
eröffnet, auch angegeigt, baß er fing» gugieheit
füllte. — hierauf mürbe bei ßerglichem ©egenS*
munfehe bcS Pastorm mit befjeu unb ber gangen
©emeinbe '-Bcfviebigung auch beiberfeitiger Sinig*
feit folcßes'ßrotofoll oerfaffet unb unterfdjrieben.
Pont Pfte«.
Du fagß, bu magfl iiidjt beten, benn es fei
jH Dorfj alles oorbeftimmt. — IDie? 3 f* <8ott
^ Denn fdjoit geworben, feine fynTqe Dorftdjt
(Ein bloßes llfyrroerf, bas an ^faben frfimirrt,
Der tobte ZTadjlaß eines großen Küitftlcrs ?
3ft er uicfjt l]eut uoef? ba nub mebt uttb fd>afft
2 Un nimmer fertigen IPcrf? (Siebt biefer Duft
Don jungen Hofen, bcr burcfy’s ^cuftcr quillt,
Hicfjt fjoTbe Biirgfcfyaft feiner (Segctiroart,
Unb baß er lebt unb liebt? Unb toenn er lebt,
IDie t^Citt’ er ITTac^t nicfyt, auefy beiti f^e^ensflefyn
3n feines Hatfjes Schluß mit aufaunefymen,
So tuie ber Dnnftfreis beinen ^aud? empfängt,
Unb bann < 2 rfjörnng über bidj 311 regnen?
-♦-
fntljer ab Ititberfrettttb*
®om 0Mßerintenbenten kontier.
f ir moHen alfo eintreten in SiitßcrS Jtinber*
ftnbe. 2öir ntüffen, menn mir ihn als
ftiuberfreunb anfehen, nicht auf feine
SEhatenfeljen, als er mit liifjner #aub bie Shefeu
an bie tochloßfirche fchlug, ihn nicht anfehen in
feiner 3ettc in Grfurt, nicht mie er in SBorm#
bor .ffaifer unb fReich ftanb, nicht in feinem
©tubirftüWßcn auf bcr Söartbiirg, mo et bie
ißfalmeH überfeßte, — nein, mir wollen heute )U
ihm hineingehen in feine SJinberftube.
©3 giebt ein tBilb, ba mirb uns bargeftellt, toie
Suthef am äßeihuachtsobenb int greife feiner
fjamilie fißt, unb mit feinem tiefen 9llt — mir
mürben eS einen Donor nennen—bie SöeihnnchtS*
lieber iingt. ©r mar ein guter WtififuS, hntte
auch eine feine, helfe/ reine Stimme, beibe gu
fingen unb gu reben. 3tuf bem Difcß ftanb ber
'-Baum mit Stebfeln unb allerlei '-Behang, unb
Welandjtboit, 3ottaS unb ftcitße fiitb auch auf
bem '-Bilbe gu fehen. Unb ba fangen fie bie Sieber,
bie jeßt bie ©emeinbe fingt, obgleich e§ feine ©e*
uteinbelicber, fonbern ft i über lieber maren, bie et
eigen» für feineßinberftube gebichtet hat: „9?om
£>immcl hoch, ba fornnt ich her!" unb „Sobt ©ott,
ihr ©briften allgugleich" u. a. m.
Dabei moüen mir uns nun auch bie eingelnen
flinber etroaS genauer anfehen.
9lin 7. 3mti 1526 ift baS erfle geboren, fein
©oßn SoßaitneS, ober Räuschen, ober
fjiinfefett, mie er ihn mit Vorliebe nannte,
©r ttjeilte einem fjrreunbe mit, baß ihm „feine
liebe ilcitße bou großer ©otteSgnabe einen Raufen
Seither gebracht" unb fifjreibt au ©palatin:
„Wein .ftirfchböcflein Johannes banft S)ir mit
feiner £>ir|<hin fchönftenS für ben Segen, beit Du
ihnen gefchicft unb bantt in ©iinächeiiS 9tamen
bem $aii§inann für eine ihm gefcheuftc Älapper,
über melche berfelbe gar ftolg unb bergnügt fei."
— ©o fiiiben mir in feilten SBriefeu, bie bon gar
ernfiett Dingen hanbeln, benno^) öfter fRotigen
au§ feiner Äinberftube.
9(iit 12. Degember 1527 »urbe ihm feine ©li»
f a b e t h geboren, bie aber am 3. 9lnguft 1528
mieber ftarb. ©pätcr fdjreibt er: „©lifabetb hat
uns Cebemohl gefaßt, um gu ©hriftuS gu gehen,
burch ben 2ob gum Seben". Unb an^auSmann
fchrieb er über ihren 2ob: ,,©ie hat mir ein
rottnberfain tranfeS, faft roeibifcheS $erg gttrüd*
gelafiett, fo jammert mich ihrer; nie hätte ich
borßer gebaut, baß ein tBaterßerg fo toe:<h rnerbe
gegen bie ftinber."
9lm 2. Wai 1529 befallt er einen ©rfa^ in
feiner Wagbalena, bie nnii in allen ^Briefen
fpielt, an bie er mit aller Siebe unb 2reue ge«
hangen.
2lm 7. 9tobember 1531 mürbe Wartin ge«
boreit.
Dagu fam noch ein ©ohn iß a u l am 28. 3a«
niiar 1533 unb bann am 17. Degcmbcr 1534 ein
2 ö<hterihen Wargarcthe, bie ißit überlebt
hat. ©r fah borauS, baß er ben ©intritt biefer
Slleinen in ein reiferes9lltcr nicht erleben merbe;
fie ift fpitter an einen {tetrn bon St unheim
berheirathet gemefen, ber in pretißifcben Dicnften
ftanb. ©r bemerft: „bie Siebe ber ©Item fleigt
aflegeit niebermcirts meßr benn aufmärts — gu
ben guleßt gebotenen, bie ber liebenben Qfiirforge
Digitized by v^ooQie
fuiljrr als Hinberfrtunb.
491
am meiften bebiirftig feien/' baruiii feat er ben
Siiugften am meifteu lieb.
Stitfeer wohnte im alten ftlofter; er nannte
fein a*3eib oft fcberjweife „$err ftätfee," ober
and) „Stofes Stütze," weil fie bie aanje ftinber»
fcfeaar mit ihrem ©efefe regierte. «liefe an ftin»
berfefteu fehlte es nicht bei ifent. 3m Sommer
1531 melbete er ficfe bei einem fjreunbe „mit
bieleit lirfcbenliebeuben Knaben" ju einem Se«
fncb bei beffen ftirfcfeeu an.
SutfecrS fywSftanb batte noch einen gröfeereit
ftinbedreiS. $a war 3cfcl, SntberS ©dgoefter
©ofen, bei ibm erjogen, ferner Sene nnb ©lfe
ftaufmaitu, bie Södjter einer ©cfewefter, bie in
StanSfelb berbeivatbet war. ferner bie üod)ter
eine§ Serwaubten, 9lnna ©cfeuljeniter. 2)ie
Sene fcfeeint fcbwer jn erjiefeen gewefen, benn als
Seit Dietrich nm fie enthielt, wies eS Sutfeer ju«
rüd, weil fie noch beffer erjogen werben miiffe.
Seither fagte: will fie nicht gut tbnn, fo wolle er
fie einem fcfemarjen {nittentnedjt neben nnb nicht
einen frommen nnb gelehrten Staun mit ibr be=
tränen, ©eine ©rjiefeung ntufe aber bod) wob!
geholfen haben, benn 1538 gab er Sene freubin
nnb mit gutem Vertrauen bem Stagifter 9lm=
brofinS Sernbt 511 m SBeibe.
fintber batte auch anfeerbem nod) ftofigänger
nnb ©alle, fo bafe grofeeS Seben in feinem |>aufe
war. ©trenne 3 ucfet lan in ber bamalinen 3 cit;
fo bat er einmal 3>etel, SutfeerS ©djmefler ©obn,
„geftriiben" über iifcfe nnb äußerte'über ihn:
„berfelbe bat mich einmal fo erzürnt nnb getöbtet,
bafe ich gauj bon meines SeibeS fträfteii gcfoin»
men bin." ©r weiß, baß ein Sifdjof gefeorfatne
ftinber haben foll, nnb er bat mit ftrengem ©ruft
auf ©eborfam gehalten, ©einem ©ohne ftauS
Weigerte er einmal brei Sage lang bie erbetene
Serjeifeung, obgleich feine grrau nnb mehrere
pfreunbe für ihn 3 ?itrfpratf)e einlegten, ©r er»
flärte bamals, er wolle lieber einen tobten als
einen ungejogeuen ©obn haben.
6 r will aber in ©rinuernng an bie felbft»
erfahrene alljugrofee bäterlidje »Strenge auch nicht
ju Diel £)ärte bei ben ftinbern haben unb fagt,
man folle allejeit auf bie fRutbe ben 9lpfel legen.
2 )abet beobachtete er forgfältig bie ©igenart fei»
ner ftinber, unb forfefete bem ©fearafter ber
ft na ben befonberS nach, ©t Wollte feine ftua«
ben §u b e in Seruf feeranbilben, ber ihren ©igen»
ifeümlicfefeiten entfpraefe. 9Seldjer unter ihnen
ein ftrieger werben wolle, ben Wolle er £ianS
Säfer, bem ©rbmarfdjall, jufdhiefen; welcher
ftubiren wolle, ben [ollen 3onaS unb Steloncfe»
ihon haben; wer mit ber £)anb arbeiten Wolle,
bem Wolle er $11 einem Säuern fertigen. Seim
ftrieger hatte er fpejietl feinen fleinen Saul im
©inn, beffen Satfee Säfer War, „Saul," fagte
er, „folle wiber ben Süden." 9lber Saul fdin
nicht wiber ben Süden, obgleich er es am mei»
teften gebracht hat. ©r warb Seibarjt an ber»
febiebenen flöten. Startin toarbifecologe unb
ftarb fefeou mit 33 Rubren.
Saglich würbe bmt Sutber ©otteS 5Bort ge»
trieben; ben ftatechiSinuS, bie jeljn ©ebote unb
ben ©tauben fpraefe er täglich mit feinen ftin«
bem nnb befragte fie barüber. Sur ein Sater,
ber gäitjlicfe Sriefter ift in feinem .fjaufe, tonnte
fugen, wie Sntber gefagt bat: „Sieber £err
©ott, wie foll ficfe ein £>erjpod)en erhoben haben,
ba Sbrabam feinen einigen unb allertiebften
©obn füllte tobten! 0 wie wirb ihm ber ffiang
auf ben Serg Storia fo fcbwer angetommen fein!
©r wirb ber Sarah nicht» babon gefagt haben."
$a fing feine Hausfrau an unb fagte: „^efe
faunS in meinen ftopf nicht bringen, bafe ©ott
fo graufam 5)ingS bon jemnnb begehren feilte,
fein ftiub felbft ju erwürgen." ®arauf aut»
wertete $r. Suther: „Siebe ftätfee, tannft bu
beim baS glauben, bafj ©ott feinen eingebornen
Sohn, unfern £>errit unb #eilanb Sefum
©hriftum, bat wollen für nnS fterbeit laffen, ba
er bocb nid)tS Siebers im $immel unb auf ©rben
gehabt bat, benn biefen geliebten Sohn. Söffe
läßt er ihn für unS freudigen unb ben fefemäblidjen
3:ob beS ftrenjeS leiben. — 9lbrabam hat muffen
glauben, baß eine Suferftebung uon ben 2o5teit
feilt wirb, als er feinen lieben ©obn ^fnat
opfern follte, bon bem er bod) bie Sedjcifeuug
hatte, bafe burch ihn ber StcffiaS ber SBelt follte
geboren werben."
3>m ©ommer 1527 batte er einen 3"fdfl,
eine Cbnmacht, fo baf; er felber an feinem 9luf*
fonimen jweifelte. „9Üo ift benn mein alter«
licbftcS Räuschen ?" fragte er, als ihm baS ftinb
gebracht würbe, lachte es ben Sater an: ba fprad}
er: „O bu armes ftinblein! nun befeljle ich
meine aflerliebfte ftätbe unb bich, allertiebfteS
SJaiSlein, meinem lieben, frommen, treuen
©ott. 3jh* habt nid^tS; ober ©ott, ber ein Sater
ber Sßaifcn unb Sichter ber Sßittwen ift, wirb
euch wohl ernähren unb Perforgeit." ©obaint
bejeichnete er feiner Hausfrau feinen filbernen
Secher als fein einziges irbifcheS Sermächtnife:
„SDen ausgenommen," fagte er, „weifet bu, bafe
Wir fonft nichts haben." — $ie tiefe Siebe in ihm
hat er in feine ftinberftube feineingetragen, unb
ba hat er auch biefe Siebe bfrauSgefeolt.
Sor allem lieblich ift bie 9(rt, wie er mit fei«
nen ftinbern fumjugehen berfteht. $aS miiffen
wir bon ihm lernen, beim Umgang mit ben
ftinbern, ihnen ein SBort ju fogen, baS ihr £>erj
erfaßt. $er Stann, ber ben ftatechiSmuS ge»
fcbricben, hat biefe ©igenfehaft in feine ftinber«
ftube bineingebracht unb bort geformt.
9luf ber gefte ©oburg nnbeterim Safere
1530 neben feinet ernften «Irbeit noch 3 c >t,
Bibeln ju fefereiben unb Sieber ju biefeteu. 9(uS
biefer 3 dt ftainmt and) ber unbergleichlicfe fcfeöne
Digitized by v^ooQie
492
Sdjiolj |lrufd|ntanenflritu
©rief nn fein ©öfjndjeit HmiS, ber ja aflbefannt
ift, nnb ber nicht allein in SutberS '-Biographien,
fonbern auch in beutfchen Kinberbücberrt mit
Utecht feinen ©laß gefuuben unb behauptet hat.
211S feine gfrau ihm ein Gonterfei öon Senken
borthin fdjicfte, hing er eS in bem Speifegimmer,
bem Difch gegenüber an bie löanb, mie Zürich
ber „Stau Doftorin" berichtete.
Suther hat aber noch manches Seib erlebt.
§ anS mar ein frühreifes Kiub; er lourbe mit 13
ahren ©accalaureuS, ftubirie ©bilofopbie unb
mürbe fiirftlicher Kongleiratfj in SBeimar.
Die fchroerfte 3eit ift ihm aber baS © (erben
feines SencbenS geroorüen, unb maS Suther baüon
felbft ergäfjlt, gehört gu bem ergreifenbften. 2US
fie noch fehr fraitf lag, fprach er: „S<h habe fie
fehr lieb, aber, lieber ©ott, ba eS Dein Sßitle ift,
baß Du fie bahinnehmen millft, fo miU ich fie
gern bei Dir roijfeii." Unb ba fie olfo im ©ette
lag, fprach ergu ihr: „©tagbalenchen, mein Doch»
terlein. Du bliebeft gern hier bei Deinem ©ater,
unb geucheft auch gern gu jenem ©ater!" fprach
fie: „3a, bergiger ©ater, mie ©ott miU." Da
fagte ber ©ater: „Du liebes Döcbterlein, ber
©eift ift mittig, aberbaSftleifdh ift fchmacb'." unb
manbte ficf> herum unb fprach: „3<h habe fie ja
fehr lieb; ift baS ftleifch fo ftarf, roaS mirb bann
ber ©eift fein?" Unb unter auberm fagte er:
‘ „©ott hat in taufeub fahren feinem ©ifchof fo
große ©aben gegeben als mir, benn ©ottcS ©a*
ben fotl man fich rühmen. 3<h hin gornig auf
mich felbft, bafj ich mich ihrer nicht Poit #ergcn
freuen noch bauten fann; mierool)! ich untermeilen
unferer ©hre@otteS ein Sieblein finge, unb baitf
3 hm ein menig bafiir."
Da nun ©tagbnleuchen in ben leßteit 3üaen
lag unb fterben roollte, fiel ber ©ater por’rn ©ett
auf feine Knie, meinte bitterlich unb betete, bafj
©ott fie mode ertöten. Da Perfchieb fie nnb ent»
fchlief in ©aterS Hauben. Die ©hittcr aber mar
auch mobl in berfelben Kammer, hoch meiter Pom
©ett, um ber Draurigfeit millen. DaS gcfchah
nach 9 Uhr am 17. Sonntag nach DrinitatiS
1542. Sie hatte, mie Suther nachher meinenb
begeugte, ihn ihr Sebtag nie ergiirnt. ©eine
grau tröftete er nnb fprach ! 11 ben Seibtrageuöeit:
„3ch habe einen ^eiligen in ben Himmel gefdjicft,
unb hätten mir einen folchen Dob, eiiteti fotchen
Dob roollt’ idj gur ©tuub annchmen!" 9lber
nachher befanute er noch bon fich in.©riefen:
feine liebe Dochter fei jeßt gmar neugeboren in
©hrifti 9tei<h, unb er unb feine ff rau füllten ©ott
über ihr feligeS fjinübergeljen bonfen, boch fei
bie ©tad)t ber gärtlicheu Siebe fo groß, unb baS
91iitliß, bie ©Jorte unb ©eberbeu beS lebenben
unb fterbenben, geljorfainften unb ehrerbietigften
KinbeS feien ihnen fo tief ins £>evg eingefenft,
baß fie ben Sali nicht obneSeufgen uub Sdjlucb»
gen beS ^»ergenS, ja ohne ein eigenes ferneres
inneres Sterben ertragen föunen, unb baß fogar
ber Dob Gljrifti, mit meinem ja fein attbrer fich
oergleidjeu laffe, nicht fo, mie eS fein füllte, ihren
©chinerg gu überroinben permöge, ©pater fagte
er: er habe jeßt ben bitterlichen 2lffeft in fich be*
gmungen, aber nicht ohne mit einem gemiffen
mächtigen Uitroillen ben Dob gu bebroljeu unb
hierourch feine Dbränen gu linbern.
Schön ift eS, mie er bie eingelnen Kinber»
uatureii betrachtet unb baraitf eingeht. 2llS
©tartiu feine ©uppe bergt unb fchmüdft, fagt er:
„So aufrichtig unb ohne alle ©oSljeit märeit mir
im ©arabieS gefinnt geioefen; biefe natürlichen
©cherge finb bie aflerbeften au ben Kinbern. DaS
fiitb bie liebften 9tärrlein, bie feinten Spiel*
böget; bie thun alles einfällig, Poit fjergen unb
natürlich." 2llS feine Kinber fich unterhalten,
freut er fich, ro >e fie ben Fimmel fich anSmolen:
„mit (Sffeu, Springen, Dangen, mit Slüffen PoH
ÜJtilch unb ©ämnen Poll Semmeln." Suther
lebt unb rnebt in ben ©eboten unb in ©otteS
28ort, fo mirb ihm jebeS ©piel ber Kinber eine
©tahimng, bafj man umfebveit unb mie bie Kin»
ber merbeit müffe, um ins Himmelreich gn fom«
men; man möge mobl meinen, baß ©ott eS fäu.
berlich machen unb bie Keinen 9tärrlein nicht alfo
erheben füllte: aber ©ott habe reinere ©ebanfen
als bie ©tenfajen. Gr miiffe tmS er ft entleeren;
müffe gar grobe ülefte unb Spähne pon uns meg*
hauen, bis er folche Kinber aus uns mache.
SutherS gange 2liiSbrucfmeife nnb ihre fernige
Ära ft ift gang geeignet, baS Kinberherg gn treffen,
©lochten mir in ber ©onntagfchule unb im HauS
Pon ifjm uitS lehren laffen.
(Soimlagfchulfreunb.)
-» .-
$d)lofj Itaifdjuiöitetißcin.
f iu gemiffer reigpoller Schleier ber Dtomautif
ummebtbaS©rioatlebenbeS gegenmärtigen
HervfcherS im ©anernlaitbe unb hat man»
eher ©hautafie ben fttnftoß gu allerlei ©efabel
über König Subrnig unb feine SebeitSmeife ge»
geben. Da bürfte unfere Sefer eine ©efdjreibung
beS föniglichen H f im5 intereffiren, baS ber Gin*
fiebler bei Hoheiifätmangau fich erbaut unb baS
ihm feit bem H er bft 1882 gur ÜBohnuug bient.
Gs ift bies baS Schloß 9t e u f ch m a n e n ft e i n,
in roelchent ber Äönig and) bie 9tacbrid)t Pom 2lb»
(eben feines mufitalifchen greunbeS ©idjnrb
Söagner empfing. GS ift ein mahrhaft fönig»
lieber unb lünftlerifcher Utubefiß unb gehört me»
gen feiner Äoloffalitat gu ben grofjartigften
cöchloßbauten beS Kontinents. DaS Schloß ftcljt
frei auf einem Seifen gegenüber Hohenfchmangau
unb ift but<h gmei Jithne 3itgbrücfen mit ben
Digitized by v^ooQie
$u $aufe.
493
Straße» Derbmtben, im rein italienifchen Stple,
mit reifer Sluefchinüdung erbaut, fed)3 Stocf
hoch, mit »ielen ©u (tonen itub Gdthürincheu Der«
feljen. 3» ber Witte be? gewaltigen ©ranit«
haue? erbebt fiep ein 350 fjnfe hoher Schanthurm
mit jroei fchönen (Berauben, Don welchen grofj«
artige (Runbfcpau in bie baperifepe £wcpebeue
geböten ijt. Da? Dach be? ganjcit Schlöffe? ift
mit Änpfer gebedt nnb mit uergolbeteu glatten
burebfrenjt. Gin viefiger, t)öd)|t fein an?gearbei*
teter Scploffpof führt jn bem uiajeftätifcpe» ©ov*
tute unb ift ein wahre? Unitum ber Steinmeß*
fünft. Die fjront be? rechten fjfliigel? be?
Schlöffe? fd)iniiden jiuei 40 tynß pope ?$re?fen,
Don fünfllerifeber f)nnb an3gefüprt, in prächtig»
fter jyarbenwirtnng. Die eine (teilt ©eovg al?
(Ritter ju (Roß, fäntpfenb mit bem Dradjen, bie
anbere bie Wnria mit bem Äinbe, al? ©efepüße»
rin ©apern?, bar./ Die Spiße be? rechten glii«
gel? giert ein in Grj gegoffener freiftebenber
£erolb in aftertpüinlicher (Riiftung, bie baperifepe
Ätanbarte an ber ©eite paltenb, in bie 2nft
fpäbenb; bie be? (inten Flügels ber eherne,
waepenbe 2öwe ©apern?. Da? ganje feenhafte
ftönigßfchloß ift überreich mit Doppelfänlen amb
Statuen gegiert unb am ebefteu ben gettnefifepen
©alaftbauten Derg(eid)bar. Die inneren (Räume
übertreffen an ©radjt bie meitgepenbften, tüpn»
ften ©Ijantafiebilber. ©efcpiniidt finb biefe
(Räume mit Don Weifterpanb gefertigten 8fre§feu
auä (Ricparb (Eßagner? „Nibelungen" unb ,,©ar*
fifal", roie au? Gpifobeit ber gelbpg?jobre 1870
unb 1871, auf ben baprifepen Sintpert bepg»
babenb, unb au? ber ©efdjidjte ber baperifcpeit
Könige Don 1806 —1867. Ueberreicb beloben
mit Sind ift ber ©lafotib. Die ©oben finb tpeil?
Wofaif, 1 bei 13 ©arquet. Der ftönig beroobnt
bie ©emäcper beS f eep ften Stode?. Stüber bem
Slrbeit?», Schlaf» unb ©ibIiotbet?fa(on befinbet
fiep barin nur noch ein ©ortragfaloit für ba?
föniglicpe Äabinet. 3" feinem 9(rbeii?pnmer,
ba3 gefcbinüdt ift mit ben Süften feiner Gltern,
(Baqner’3, Sluguft j>eigl’3, b. b. Dann’? nnb
2 uß’, einem ©ilbniffe au? „(Rpeiitgolb" unb bem
Silane beS Sieberpof, empfing ber Wonarcp bie
ßunbe Don bem jähen Dobe feine? fyreunbe?
(Eßaqner au? bem Wunbe be? Änbinet3djef3
Winifterratb D. Siegler. 3 <h Dierten unb fünf»
ten Stade finb bie Säle tbeil? ber umfang*
reichen Sibliotpef, tpeil? ber ©efdjidjte in 2Baf«
fen», Wiinjen« unb oitbcre» Sammlungen be»
ftiinmt. Der erfte Stod ift ein mächtiger, reich
mit ©olb befabener Stiegenbof. Die Seleucp»
tung ift eleftrifdj, in bem Sdjlofffjof Sabtochtoff»
ferjen, in ben inneren (Räumen ba? Gbifon» unb
Swan*Spjtem. Die Stallräume be? Schlaffe?
finb mit &re?ten, urborweltlicpe ©über, ge«
fcpiniidt. SS an meitefier gerne fiept man ba?
wahrhaft tönigliche Schloff be? bapcrifchen Won«
arepen, an ber Seite be? lieblidjeit Glborabo? ber
ftöuigiu«3Rutter unb bem rei^enb fcpön gelegenen
Schlöffe Waj II., {wpeufeproangau. Neu»
fcpwanenftein unb {mbenfcpmangait, auf hifto«
rifcp mertroürbigem ©oben ftepenb, geben ^eug»
niß Don bem hob?» ftnnftfinne ihrer Gebauer
au? bem Stamme ber tEBittel?ba<per.
1 u S a u C t .
Sfir nnfc §ttb im einer
®er Cleüttticr. ®er Dfeanber ift in Gflnpteii/
©rieeftenianb unb auef) in nuferen ©fibftnaten au
ßaitfe; er uOenuudfevt an ben Ufern be3 ^rofee
©trerfen. ®ie ©ärtner baten burcf) ftieiö unb
9(ufmerffamfeit nabe an awanjifl fÄCnie ftefüllte
Ärten mit beKrotben, nurpurrotbcu, reinmeißen unb
gelben Slumen» mie auch tuanebe mit feinem SBobl-
erueb au ©taube flebrad)t, unb baburdf ben Olean^
er ju einer afl^emein beliebten Bicrpflanac unterer
.öäujer unb ©arten beranneaeaen. 3« feinem nuten
Webeiben gehört Por allem eine ibm aufagenbe (Srbe.
'Diefelbe follte utöglicbcr SBcife im J&erbft auS alten
fflaffergrdben ober Scidjen au§geboben f ben 2Bin=
ter binbureb abgelagert unb burd) fjroft lodet ge=
macht werben, um im gfrubiabre, mnn nötbtfl mit
©anb permifd)t, in Serwenbung su fommen. ©tebt
feine ©ddammerbe jur Verfügung, fo nehme man
eine SRifcbung pon 3 U*ei Sbeilcn frdftiger 3J2iftbeet=
erbe f einem Sfcbeit loderen 8ebm unb einem $hoil
©anb. ©cblammerbe ift iebod) ieber auberen Por^
auaiehen, weil biefe burd) fabrelange Ablagerung
al(e3 enthält, waS ber Oleanbcv au einem fväftigen
©ebeiben nöthig hat. Äaun man folcbe Srbe hers
beif^affen, fo bürfen Perbältniftmä§ig fleine ©es
fähe gewählt werben, ba bie Grfahrung lehrt, ba§
bie Dleanberbäume in engeren Behältern mit fräf*
tigerßrbe beffev gebeihen, alS in groben jtÜbeln.
®er Oleanber bebarf febr picl SBaffer. GS fei aber
möglicbft fjlu§s ober SWcgcnwaficr, weldjeS ben Sag
über in ber ©onite geftanben hat. ®aS falte
©runnenwaffer ift ihm febr fdmblidj unb bewirft
Gntblätteruug ber Sßflanaen. ®er ©tanbort im
Sommer mufc ein foldjer fein, ba& bie Polle ©onne
auf ben ©tamm, wie auf bie flroue eimoirfeu fann,
wobureb baS iunge $ola gehörig auSrcifcn unb bie
ffnofpenbilbung für baS näd>fte 3ahr fid) porbereis
ten fann, waS auf einem fd)attigcn ©tanborte nid)t
immer ber Soll ift. 9Jad) bem Abblübeit, unb be^
fonbetS gegen ben^)erbft bin, wirb mit bem Sßaffcr*
geben aümäblig nacbgelaffen unb im SBinter nur
Digitized by v^oooie
494
3u Haufe.
. fo oiel bcg offen, alb eben jum ?ebeit ber ^flanjc
nothiuenOig ift. T>ab rr>u trotfen" ift in biefer
3aln*eb$eit weniger itacbtbeilig, alö bab „su feudtt".
T)er Standort im SBintcv fei ein froftfreieb, fühleb
3immer ober imMothfalle auch ein tvoefener Heller,
tocldtcMäuiuc, fobalt» bie Temperatur braußeu über
ben Wcfricrpunft fteigt, gelüftet werben muffen» ba-
mit fiel) fein Schimmel au ben 3weigcn bilbe unb
toeil bie läftigc Schilblaub babuvd) ferngcbaltcn
wirb. 3lucb lieben bie Oleauberbdume in biefer
Muhejeit, mit aubereu $ffanscn nicht in Serübrung
Sn fommen» fonbern wollen möglid)ft frei fteben.
®ie Vermehrung gcid)iebt am leidjtcftcn burd)
Stcdliitgc unb jioar im 9luguft unb September»
welche Stedliugc am beften in eine Schale» bie halb
mit SBafier unb halb mit Scblammerbe gefüllt ift»
flefebt toerben. Su lefeterBeit wirb oiclfach vor ben
giftigen Gigcnjchaften biefer'B flau $e gewarnt. Vicl=
lcid)t beruht bieb auf Täufcbung, beim bab ©ift
beb Oleauberb ift feine bemicicueThatfadje. •
Stnrrljaftr geuce#fojfen. Gin erfahrener ©cirt-
nev fefcte oor einigen fahren um feinen Vaiintgartcn
eine Sjcnce. Gr probirte Vcrfchiebencb, um wo
möglich bic Vfoftcn su erhalten. Gtlicbc Sabre
nachher mar er genöthigt, bie Sencc ju oerfefeen unb
madite babei jolgcube Gvfabrung: Tie Vfofteit,
mcld>e er itnangefirichen gefefet batte» mären thci(=
toeife oerfault, folche, welche mit abßclbfd)tem flalf
angcihichen, mareu auch nicht mehr gaits gcfmib,
bicjcnißcn aber, n>eld)c mit Petroleum (ftohlöl) an=
geftridten umren, noch gaits feft unb hart. „Sn 3u=
fünft," febreibt biefer ©ärtiter, „werbe ich beimScpcn
ber^Bfoftcu auf folgenbc SBeife »erfahren: 3undd>ft
laffe ich bie Vtoftcu gehörig trodnen, nachher be-
ftreidie id) biefelben breimal mit Ätohlöl, laffe fie
iebod) jebebinal, nadfbem fte außeftrichen, ßchbriß
eintrorfnen." Gin anberer ßuter Rnftridj: 9Kan
nehme trodeneVioften unb ftreiche fte mit felßcnber
iDJifchuiiß an: ©efod)teb8einöl unb fleftet>te6ief>fcn=
afd)e; biefeb mirb recht forgfältig burcheinanber ge=
rührt, biß eine deutlich bichte SÄaffe eutfteht. Tie
Vfoftcn merben sweiinal bamit angeftridjeu, aber
auch iebebmal (affe man fie aut eintrödnen. 90?an
binae einen üKann» ber bab Sehen ber Vfoften oer*
fleht; eb lohnt fich» menn eine Arbeit red)t ßethau ift.
ffemneichen: Ter ©efefjmad ift
eflig. Äppctitlofißfeitf Schmiitbel, Unruhe, Schlafe
lofißfeit» Sdnocig unb bleidjeb ftubfehen ift oor-
banben. Tiefe Swnptome halten gewöhnlich nur
flirre 3eit an, bann ftellt fid) nad> Grfältunß unb
Tidtfehlern Tiarrhöe ein. Tie Stirne, Mafe unb
•Bunge merben falt» bet^ulS acht febwad) unb cb
ftelleu fich Äfräntpfc ein. SBirb bem Äranfen feine
©ülfe ju Tbeil, io erfolgt tneiftenb ber Tob. 23 c=
hanblitng: üMan siebe bem Äfranfen trodene
reine Machtfleibcr an, bringe ihn in ein 23ett, wcl-
Ae§ in einem luflißen 3immer fteht, unb ift ber
Unfall heftig, fo gehe man gleich w einem erfahre^
neu %x\t; hat man feinen in ber Mähe, fo gebe man
bem Äfranfen alle lOSßinuten 1 Tropfen Gampher?
fpiritii'3. (Gin Thcil Gampher in 12 Thcile SpU
ritii‘3 aufgeloft.) 3Ban fann e^ in ieber 2(pothefe
haben. 3Kan reibe ben 8eib mit Gampherfpiritu^
unb marinen Tüchern unb gebe bem Äfranfen ein
Älpfticr »oit einem G&löftrt »oll GampberfpirituS.
I 9(rfcnifum unb 2Seratrum fmb gute Mittel. SJJan
l forge, bajj berÄtranfe oiel frifche^uft befommt, gebe
j ihm aber fein SBaffer, fonbern bei heftigem Turft
ein fleiuc^ Stürfdjen Gio. T)erÄranfe halte ben
Unterleib manu, hüte fid) »or falten, uugefoddcn
Speifcn, geniefccbagegen: ©raupcnfchleim,®erftcn=
fuppe, Meio unb ©rieb, geröftetcb T^rot (mcldieb sum
toenigften 2 Tage alt fein mufO, ein toeid)gefodüeb
Gi unb anberc ieid)t oevbauliÄe Spcifen, hüte ficfi
aber bejonberb oor fauren ©euüffen. Sch up-
mittel finb: oiel frifchc 8uft, Meinliddcit, md-
fiigcb ^cbeu unb 9tuhc; man offne bie fjeufter ber
Schlafzimmer früh 50?orgcub mit» (affe bie beigen
Sonncnftvablen iüett unb Maditflciber gehörig aim=
lüften ; man habe unb mafd)c fich oft ab im heifeen
Sommer. ®anit enblich: man habe feine &nrd)t.
Slbcr — ba Sterben fein Äiinbevfpiel ift unb cS'unS
in WottcS SBort getagt ift, mab ber ^cvr oon uni
forbert, fo meifj id) fein beffev 9)iittcl, alb fid) sum
ÄpciTii sn menben in ber 3cit, fo lange bab »^peilte"
uod) unfer ift.
©erftenfiUHif für Äranfe. 50?an nehme 1 ®funb
magcrcb frifdieb Minbflcifd) unb 395int SBaffer, thue
eb in einen reinen Topf; fobalb cb anfängt su fod>cn,
fd)äume man cb ab, bann ioafd)e man einen Gfelöffel
»oll frifchc ©erfte unb thue fie in bie Sleifdjbvühe,
laffe eb eine uub eine halbe Stunbe reebt langfam
fochcn; man false cb nad)belieben unb laffe eb baTs
nach einige 9D?al aiiffod)cn — unb bie ©uppe ift
fertig sum ©ebraud).
Reib unb aubere Buptym toerben auf äbntidje
2(rt unbSöeife gefocht; mau fanu uad) ©elicbcn ein
Stficf ©auimelftcifd) ober and) ein jungeb ®uhn
nehmen, nur mu& bab Sicifd) immer frifd) uub
mager fein.
®ceft(jct. 90?an nehme ein faftigeb, magereb unb'
frijd)cb Stüd SJecfftcaf, ungefähr 1 fBfunb, fdmeibe
eb in fleine Stücfd)en unb thue felbige in einen
neuen Duartblcddcffel, feft subccfen; biefen ftelle
man in einen thcilmeife mit SBaffer angcfüllten
Topf aufb ^cuer, gebe 2ld)t, bafe Oer TMcchfeffel
immer um bie ©älfte oon fod)enbem SBaffer bcOedt
ift unb laffe eb sioei Stunbcn laug fod)cn; hierauf
laffe man bie g(cifd)brühe burd) eine feine Seihe
ober reineb Tuch in eine Taffe laufen, fahe eb ein
toenig uub eb ift fertig sum ©cbrauch. T'cn Steft
ftelle man mit bem ficffel toieber für ben ferneren
©ebrauch in bab fodjcubeSBaffet unb laffe eb lang=
fam fort fod)cn.
T>iefer 23ecfthee toirb getoöhnlich oom 9(rjt nur
für fd)ioadje unb gcfährlid) firanfe ocrorbnet; man
mu§ bebhalb barauf fetten, beffe baöfjlcifd) frifd) ift
uub bie Äbeffel nicht roftig fiub.
©elifene ©niabfel ftnb eben fa 118 gut unb toohl 5
febmeefenb für ffraufe. 2)?au nehme einige reife
gcfunbeSüfeäpfel, reibe fie ab, thue fie in eine reine
TMechfd)üffel unb gieße ein toenig SSaffcr barüber;
hierauf ftelle man fie in einen heißen Sarfofcn unb
laffe fie baden, bib fie redit tocid) finb, man brebe
fie einige 9Äal um unb gebe 2ldjt, baß bie Sprühe
unb bie2lepfe( ja nid)t anbrennen; menn felbige Tcd't
toeich, thue man etioab toeißen 3uder barüber unb
ein toenig frifdje 3)iilch ober füßen Mahm ; ift ber
Digitized by v^ooQie
SonntagfdjuUJfektionen.
495
ffranfe aber gut ‘Diarrhöe ober SRuhr geneigt, fo
nimmt man anftatt Stahnt gefodjte frijd)e SMild).
3nr ftopf nttfc $aarrrittißuttQ ber ftiuber im
Sommer hole man au3 ber Sloothcfc für 10 6ent3
Snlts of Tartar mtb ein fleinc3 ©tücfchen feine Seife.
SDtan thue e3 in ein reine3 ©la3 ober eine Slafche,
unb fliehe ein Quart Stegenmaffer bavatif; man laffe
e-3 einifle Stauben flehen, moritad) c3 fevtifl gum
©e brauch ift. S)tait flieht eine SEaffe ooll in eine
JBafdjfcbüffel unb reiht bie ©aut unb ba3 ©aar fliit
bamit ein. ©ernaeb mirb ber ffepf mieber mit tau*
marinem Stegeumaffer gmcitnal übergcmafchcu, ab=
etroefnet, mit ein meitig ©aaröl cinflcriehen unb
arnach erft mit einem flrohen, hernad) mit einem
feinen ftamm burd)gefämint.
Xn ©djmtpfen mtb bal liefen. SÖefamittict) be«
ruht unfer leibliche^ SBoblbefinben u>efenljicf> auf
bem richtigen unb niemals unterbrochenen fogeuann«
ten ©toffmedifel, b. h. bie gur neuen SMutbilbung
nöthiflen unb fleeiflneten Stährftoffe muffen aufge«
nommen, unb alle uerbrauetten unb unfleeifliietcn
Dheile muffen au3gefd)ieben toerben. Dem letzteren
3me<fe bient, aufter anberen Organen, befonber3
bie ganje äugeve ©aut, burch bereit gahllofe Vorcn
beftäitbig eine Slu3fcbeibung oon Duiift unb Gchmciö
ftattfinbet. Der ©chmeik ift mitunter fchr reichlid),
meiften3 ieboch faunt bemerfbar, foll aber, mie bie
Sluöbünftung, niemals flaut aufhören, itidit an
einer einzigen ©teile bc3 .Qörper3, an feinem ber
©lieber. Unter brodien mirb bie mohlthatigc ©aut«
tbatiflfeit burch Verstopfung ber Vorcn (mc3halb
bie ©aut oont .ftopfe bi3 gu beit Beben öfter abgc«
Viebeit merbeit follte), unb nodi häufiger babitrch,
bah an irgenb einem Eheile be3 Äörper3 bie Voren
burch ffäite gujatnmengegogen, alfo ©dnoeifj unb
SluSbünftitng unterbrüeft merbeit, ma3 man ge«
möhnlidj al$ Srfältung begeidwet. Die leichtere
Srfältung maß einen Schnupfen, bie fchmerere eine
9utigcnentgünbung unb felbftben Dob herbeiführen.
Die Statur furf)t fidi felbft baburdi gu helfen, ba§
fic, meun ba3 eine Slu3fd)eibung3ntittel nicht feinen
vollen Dienft leiftet, bafleflen ein aubere3 tu erhöh«
ter Shätigfeit antreibt; unb ein folche3 ift bie tafelt«
fchleimbaut. Vei bem ©rfälteten bilbet fich gewöhn«
lid) ein foflcnannter ©tocfidmupfeit, inbem bie in«
iteren Stafenthcile änfchmcltcn; bann tritt gur flrohen
©rleichterung bie 9öfuitg unb Slusgieftung ein, unb
für fürgere ober längere Beit (lcfetere3 bei ber fo«
flcnanttten ^nRucnga ober ©rippe) erfolflt ein mehr
ober meniger bebeuteube3 S(u3ftrömen non ©dileint
au3 ber Stufe. Die3 ntafl ein einfachc3 unb er«
müitfchte3 9taturhi(f3mittel Sein, fann aber and),
meint e3 gur ©rippe au3artct, eine anfteefenbe tinb
gefährliche Äranfheit merben. S)tit bem eigentlich
mohlthätigen ©chnupfeit (betraditet a!3 eine Sin«
ftrengunfl ber fRatur, mit einen fehler im Verhalten
mieber gut stt madicn) ift gcmöhnlid) ein mieber«
holtet Stiefeu oerbunben. jjti ftolge ber Steigung
ber Stafenfdjleimhaiit finbet ttad) einem tiefen, lang«
fameit Sinathmcn eine furge unb heftige 9(u3«
athmung ftatt, inbem bie fdmell unb mit fräftigem
©toh burch bie Stafeuböhle getriebene Vuft mit
eigeuthümlichem ©crätifcb einen Ehcil be3 barin
angefammelten ©d)leimc3 mit fkh fortreiht, ©ier«
nach hört ba3 bmnpfe ©efühl hinter ber ©tirue auf,
uub felbft bie heftige Srfcfiütterung be3 Sticicn3
mirb aI3 mohlthucnb empfunben. Vefaitntlidi fann
auch burch fünftüdie Slciunittel, mic ©chnupftabaf,
ba3 liefen heroorgcbradit unb bao 5>erlangen nach
Solchem hutftlidien Steige ber StafenSdileiinhäute
burd) bie uiifittiiige ©emöhnung an ba3 ©chnupfeit
fo oerftärft merben, bah e3 gur unmibcrftehlichen
9eibeitfchaft mirb. ffläbrcnb ber $eftgeit, meldie in
früheren ^ahrhunberten Millionen oon SDteitfdieii
in ber alten 3®elt hinraffte, mürbe c3 alö ein Sin«
geideit ber ©enefung betrachtet, mettn cö bet bem
ßrfraitften gum Stiefelt fam.
Sonntagfdtul Rektionen.
©onntafl, 2. ©ept. Stidjter 16,21—31.
@imfo« , ö Xot>.
1. fittoa 1120 oor ßhrifto.
2. Ort: ©aga, ©auptftabtberSShilifter, nahe
am SJtittelmeer, füblid) von Slofaloit gelegen.
3. Bnfammett^attg: Sluf bie lebte Seftion folgt
gunädift ber©diluh von 0 ibeon3 ©efdiiehte,natu«
lieh: fein Sieg über SRibian unb Slmalcf, Ätap.
7,9—23, neoft ©inriihtuiifl ihrer beiben dürften
Öreb nttb ©eb tinb ©efaitgenfchaft gmeier aubc«
reit, ©eba unb Balmuna. 6)ibcoit fdjläat
bie ihm trofe ßphra iut$ ßiferfudit angeboteue erb«
liehe tf önigSmürbe au3, riditet bann aber im ©epen«
fab gum rechtmähiflcn ©otte3bienft bei ber ©tift3«
hütte in ©iloh einen falfdiett unb ungefeblidieit in
• feinem eigenen ©aufe gu Ophra ein, ma3 nidit
nur feinem eigenen ©au3 gum Unheil gereid)t, fo
bah gur ©träfe bafür alle feine Äiitber mit 91u3«
nähme be3 einzigen Rothaut burch Slbimclcch
cntiorbet mürben, fonbern and) für ^frael gum ftall«
ftrief mürbe, b. h. ba3 aaitge U?olf gum Slbfall vom
mähren ©eiligthum oerführte unb baburch ben fieim
Späteren Unglfuf3 legte.
Stad) 40iährigettt Stichtcramt ftirbt ©ibeon unb
nun mahlt 3frael fid) feinen er ft eit eigenen
£öttig unb gmar Slbimeled), 03ibeoit3 ©ohn,
ba3 gerabe 65egenthcil feiltet bcmüthigcit 9?ater3,
ber auf ba3£önigthum freimillig oergiebtet hatte»
mahrenb Tuh jener in feinem Ghrgeig ben SSeg bagtt
burch Snibermorb mit ©ilfe feiner ^Mitbürger im
©idiem bahnt, unb mirflid) trofe Rothaut3 28ar=
liung burch bie ^abcl vom Dornbufd), mcnigfteit3
über einen Eheil 3fracl3 bie Dberherrfdiaft erhalt.
Slber nach nur breijähriger Dauer berfclben ereilt
ihn gu gerediter Vergeltung 65ottc3 Wcridit:
©id)em felbft fällt mieber ab unb mirb ooit ihut gut
Digitized by v^ooQie
496
Souutagfdjui-Jffhtionen.
Mache gerftört, in beut nun ausbredtenben blutigen
Bürgerkrieg aber tvirb 9lbimeled) fclbft von einem
SBeibe buvcb einen SMühlftein vom Sburut in
Sihcbct bevab tu lobe gejduuettert.
m folvxt uad) ihm alä liebtet im ffieften 2: b ola
a\\S beut Stamm 3 f a {d) a r unb im Ofteu 3 a i r
au3 ©ileaV, beibe finb nidtt alo ftriegSbelben
nad) au&eu, fonberu nur al$ BJiebevberfteller beä
SHecfet^ unbbcrOrbnung imSnnevn gegenüber bem
in 3ftael felbft eingebruugenen Bcrbevbcn tvirffam.
9?un beginnt bie bvitte Bcriobe ber
SJiditcrgeit, in ber 3frac( am fdnverften bar*
nicberliegt, u'cit eä iefct uid)t nur mit (Sincm, fon*
bern mit gwei furchtbaren Seinben tu at ei di 3 »
tbun bat: mit ben Slmonitcrn im Storboften
unb ben Bbiliftern im S übtveften. ©cm
bitrd) 3ftael3 iviebcrholten ftebenfacben ®öfecn=
bienft veranlagten faft lBjäbrigen ©ruck ber Srftc-
reit madtt enblid) 3ephtba , ebenfalls au$©i*
leab, burd) feinen glüeflidten Sieg bei 9Ri$pa
unb 9lroer ein (Subc, ber ihm aber in golfle etne3
©clübbcs feine einige Socbter koftet.
Stad) Untcvbriufung be3 Stammet 6 p b t a i m ,
ber bie Cberberrfdtaft in gang 3fracl an fid) reiben
tvollte, bleibt 3cbbtba noch jcd)3 3abre laus SkidUcr
über bie brittbalb Stämme bc£ O ft i 0 r b a n *
lanbe£, worauf ihm bort in einem 3eitraum von
etwa 25 3abvcn nod) bie brei )oeiteren 9iichter
(Sbgan, (flott unb 91 bb ott folgten, gleichfalls
mehr aiS SicdjtSpfleger in Unebenheiten, benn al3
ffriegshclvcn gegen äufjere Seinbe. ©iefe erbeben
l'irb vielmehr nun erft red)t int2Beftiorbanlanb,
tvo im Süben bie Bbilifter 40 3abre lang
3ftael auf^ graufamfte unb bärtefte bebrfrefen.
Sie felbft von unbekannter Herkunft, geben bem
gangen Sanbe B a l ä ft i n a ben tarnen, benn ihre
föcrrfdjaft tvirb erft von © a v ib gängltch gebrochen.
Borerft erweckt ©ott gegen fie alä Stiebtet unb 9tädjer
beit S i 11 t j 0 tt, ber a n f a n o e tt foll (13,5), 3f*ael
von ihnen 31 t erlöfen.
4. SBort* unb ©ifjterflornttjj: 9(ber bt e iß fe i¬
lt ft c r, b. b. bie Surften berfelbcit (93. 5), wahr*
Weinlicb bie ftönige ber f ft tt f $ a tt p t ft ä b t e ber
Bbilifter (aufcer©aga nod) 9l3bob unb 9b3talon,
(Sfron unb ©ab), welche bie®eltla (bie Barte,
ober ©chmadttcnbe) mit 1000 Silberlinge (etwa
875 £ba(er) beftodjeit batten, ihnen ben riefen*
ftarfeitSimfon au-3gu liefern. 9?ur bureb 9lbfd)ecrcn
feiner ficben Stafiräerlocken gelang e8, feine toilbe
Äraft tu brechen (B. 17—20), nicht al8 ob biefe itt
ben .haaren felbft fleleflett batte, tvobl aber tvar baä
tutbefdtorene .§aupt ba3 Beidjeit be3 Stofiräcr*
©e(übvc3, ba8 nun gebrochen tvar unb mit ihm attcb
bie ©emeinfebaft mit ©ott, bie ihn fo ftar! fletnadjt
batte.
3efet konnten bie in ibreut S?ebengimmer verbot*
enen SBädjter ihn leicht bett Seinbett attSlicfcrtt,
a§ Re ihn greifen» blenbett unb von bem hoher fle*
leflenett Ort am Bache Soref (B. 4) im 3nttcrtt
beS 8anbe3 berabfübren an bieSeefüfte, bi3
ttad) ©ata, ber füblicbften ber Bbitifterftäbtc, tvo
er ihnen bett lefeiett Streicf) gefpielt unb ben grbfitcn
©djimpf atifletban batte (Vfll. B. 1—3). ffiic
itu e i eherne tt Äetten tvarett an ben beibett
©änbett ober Sü&en attflefcbloffen.
üKablctt = bie hattbmüble breben, fottft nur
SBcibcrarbeit, mcift ba8 ©efebäft ber Sklavinnen.
Sing tuicber tu tvaebfen an, tvabrfdjcinlid)
fehr balo fdtott, tvettn aud) nur allmäblid), fobalD
unV iit bem Btafje, al$ er feine Siinbe erkannt uitb
bereut batte, fobalb fein red)tC'i Berbältuift 311 ©ott
itt 11 er l icb burd)aufrichtige 33 u§e tvieber berflefteüt
tvar, tvaitbte fid) ® ott auch du her lieb bem fle*
fdmubeten unb flebemütbiflteti helvcit tvieber gu unb
nicht ihm nochmal^ feine altettraft aufö 9 ?ette unb
uttflefd)tväd)t turftd unb iefet ift er tvieber ber „Sott*
ßctveihte' 1 , ben fein ©ott min and) brauchen kann,
um in ©otteö Stärke, nicht in feiner eißcneit 9 ?atur*
kraft bie Seinbc, bie fdtott fllauben, ihn für immer
bettouttflctt 3tt haben, tu befieoen.
3brem ©ott ©afloit, biefer mäitnlidje
^anptflott ber Bhiliiter tvar nach 1 ©am. 5, 4
boppelfleftaltifl: Oben Sßenfch, unten ffifch. Sin
flro§e8 Opfer gu tbun gum ©aitk für bie
fllitdlicbe ©cfaitaennabme bebSitufon unb guflleicb
alS übermütbiflTtolgeS©iefle^*, 8uft* unbSteuben*
feft für taS Bolk.
© u ter © infle bei beuOpfcrfdtmäuicn, tvurbc
ftark ae3cd)t unb tvilb flefdnvelgt. ®a§ er vor
11 n 3 j p ie (e, b. b. unter ©cfaitfl unb ©aitenfpiel
einen jan^auffübre ober Proben feiner riefenbaften
Stärke gebe.
3tvifd)ett gm ei ©äuten, bie beiben mitt*
lereu, gicntlid) nabe bei einanber ftebenben Bfeiler,
bie baö ©ad) ber SeftbaKe trufleu, tveldje, nur für
ba^ Scft felbft berfleridjtet, tvabrjdveinlid) nur leicht
gebaut tvar; bort, unflcfäbr in bcrSHitte be§ gangen
Scft räumet, konnte man ihn von allen Seiten au8
bequem feben unb hören. ® a ra n lehne, nne
tum 9lu§ruben. ®a8 StauS aber, b. v.
bie untere Jpauptballe bcö ©öfeentempel^, tvo
bauptfäd)ltd) bie ©roften b(» Dieid)^, bie Beamten
unb 9[C>ürbcnträfler mit ihren Samilien ihre Blähe
batten, im ©eqenfafc gn bem ©ad), b. b. ber
oberen offenen ©aflerien, tvo b aS Bolf felbft ficb
befanb unb von mo au§ man über bie Bvufttvebr
berfelben in ben inneren ©of berabfeben konnte.
©intjon rief ben ®ernt an, in feiner
ffllinbbeit, ©efanacnfdmft unb Berlaffenbeit ficht
er fid) nach ber rcd)tcn ^ilfe tun, er bat alfo, tvie er
bie ©anb feine6 Sübrcrö looläfjt, um bieSäulen gn
faffen, febon im ©iun, fie einguftürten, bagit
braud)t er aber bieffrafi von Oben, ©ebenfe
nt e i it, a \S ©eine§ jtvar untvürbiflen, aber bod) ®ir
noch immer angehorigen finecht^, befielt Sdtmad)
unbSebanbe au^ bie ©eine ift. SDJicb ein ft,
b. b. mit Sinem Schlaflc, rädte, bainit batte er
fließt unb Unrecht tu fllcidxfr Beit, Unrecht: tveil
fich perföuliÄe SRache unb SBiebervcrgeltung ein*
mifd)t, 5Kcd)t: tveil bie§ ttigleid) an ben Seinbett
©otte3 verflolten tvirb. 9)teine Seele ft erbe
git gleicher3cit mit ben Bbiliftcrn. Se ift
alfo nicht ein vorfäfelidjcr ©elbftmorb, fonberu ein
Opfer für fein Bolk unb Baterlanb, ba3 anberS
nicht aeTCttet tverben kann, al^ nur um ben Brei$
auch feines eigenen 8eben$. 9tciflte fid) kräftifl*
lieh / b. b. ftemmte fich mit feiner gangen nun ihm
in vollem 9J?afje tvieberaefienkten, übermenfdjlichen
Äraft fo feftaegen bie Säulen, ba§ er fte mit fich
nieberrif*. ÜÄebr tvar, benn e$ tvaren nad) B. 27
3000 SRann allein in ber oberen offenen ©alle be$
©cbäubeS, bagu noch bie Scute im unteren ©torf,
tväbrenb er bei Sebgeiten blo3 Stwa§ über 1000 er*
fchlaflen batte.
Digitized by v^ooQie
3onntagfd)uU|rkttonen.
497
©eine Sr übet, Sermanbte, Hub bie 3tam*
mcSgenoffen, b. h. bic ©lieber beS Stammet San,
unb feineS. Sa terS ('JHanoab'S) gangeS
© a it S, b. h. bie Familie im enteren Sinn, h u =
be n i b n auf, ohne vonben Sjulifteru gchinbert
3U metben, bic vielmehr burd) biefe ftataftrophe mit
Surcbt unb (Stauen vor beut Sott unb (Sott ^ftaclS
erfüllt mürben r unb begruben ihn, um fei®
nen 8 eib nicC>t unter ben gcicbeit ber gefallenen
Sreinbe, biefer unbefebnitteuen föeiben, su taffen.
5. $m drflaruug mtb (frbauung: a) 'Der
©elb in 9Joth, S. 21 — 25: X)iete fam tut'
lautbar bureb feine eigene 3 cb tt l b, nämlid)
baburebr baßer feiner f le if cb lieben Cuft nicht
miberftcheit mochte, unb barum jutefet auch nicht
mehr fonnte. ®aß er fiel) mieberbolt bitrcb fic fnech-
ten ließ, unb jmar von b e i b n t f cb e n fficibcru,
geigt, mie übermächtig bie ©ftnbe auch in ihm, bem
„©ottgemeihten" noch mar; er, bet (tat! unb mutbin
mar, einen gömen 31 t erftidfen (14, 6 ), vermag bod)
fein böfeS unb unreines öcrj nicht 3 tt bermingcu,
ber bie Sanbe feinet Seinbe 3 erri§, fann bod) bie
Äetten feinet Scgicrben nicf>t serhted>cn.
Gin alter 9luSleger bemerft 311 bem getiten Sor-
gang 3 mifcben ©imfon unb £)elila: gtebc unb (Selb
ftnb 3 mei £auptfdjlüffcl 31 t ben SHenftbcnherrcn;
erft bat baS ©elb ©elilaS &cr3, bann bie Siebe
©imfonS aufgcfcbloffen. 3nbeffcn leitet ©ott, ber
auch baS Söfe oft 311 m ©Uten lenft, bie @ad)c fo,
bafe felbft ©imfonS febmete Scrirrungcu nod) ba 3 ii
bienen muffen, ihn in feinen Scruf, ben ftampf mit
ben Sbiliitcru, ciinuführeu. SBohf mar er fdjon
vor feiner ©eburt bajit beftimmt, baf* et anfangen
foll 3frael 31 t ertofen, aber m 0 unb m i e, blieb
feiner eigenen 2Babl überlaffeit, unb menn et cS
babei verfehlte, fo mugte bod) auch bieS fd)ließ(id)
in ©otteS öaub 3um 9lnla§ metben, baft er übet-
baupt mit 3itaelS ^feinben 3itm ,ftampf fam, ©ott
gcbraudfte alfo nach feiner 5BeiShcit felbft
©imfonS X l) 01 1) e i t noch alS SOlittel für feine
3medEe.
Gbenfo läßt auch ©ott eS 311 , bah ihm burd) ieneS
falfdhe ffieib feine ©tärfe genommen mürbe, u>ei(
er fleh felbft 3 ufrbrcibcn unb gucigncn U'olltc, maS
nur ©otteS ©nabengabe mar, alfo felbft nid)t rein
unb lautet 00 t ©ott ift. 6 t foll nun burd) biefe
Grfahrung feiner ©djmädje lernen, mic fo gar nichts
et in fid) lelber ohne ©otteS Seiftaitb ift. SKirmer*
ben burd) nichts beffer über unS felbft unterrichtet,
alS bureb unfere eigenen ©ebtedien unb SRängcl.
Unb 3 ioat benüfet er auch hicru« miebet bic © ü n b e
ber S b i l i ft e r: er (äbt’S (xcfchchcn, bab fic ihren
ganjen fernen, graufamen, binterliftigeu ©cift an
ihm auSlalfen bütfen.
b) T) i e ft' r a f t 0 0 n © 011 , S. 26—28: Sie
mirb ihm 311 Xheil, meil er b i 11 c t (S. 28), beim
©ott hört auch feinen abgcfaüencit unb abtrünnigen
ffneebt nod), fobalb et in ber 9toth ihn um feine
£ilfe anruft. 98uu er gebemütbigt ift unb flein gc=
motben in feinen eigenen Gingen, fann ©ott ihn
aud) mieber erhöhen unb grob machen, bem Su|V
fettigen ©nabe enoeifen unb in bem ©cbmacbcn
mit feiner ©otteSfraft ntädtftg unb ftarf fein.
Seine S u b e felbft 0 e r f d) m e i fl t bie
© dj r i f t, fte fefet aufinetffame unb 00 m heiligen
©eilt erleuchtete gefer voraus, bie baS red)te Ser=
ftänbnib and) für fold)e innere Sorgänge mitbrin^
gen, bic baS Rille ©chcimniS gmifcbeu ber ©eele unb
ihrem ©ott bleiben tollen. $Kit gcblcnbetcn leib=
lidieit ?luacn, bet acrcd)ten ©träfe für biefelben, ba
butch fic bie böie Suft bei ihm cinac3oflen, fänflt er
ießt an, aeiftici fehenb 311 metben, in bcu ftetten mirb
er frei unb bei bet jdmiähluben ©flaoeuarbcit ber
redtte ft ned)t feineS ©otteS.
c) ®er ©iefl im Xob, S. 29 — 31: SSBir
Phriften folien aüetbuiflS aan3 auberS fielen.
©0 ift auch ein grober Unterfcbieb swifeben © i m =
f 0 n s unb 6 h r i ft i lefetem 'Ißort (Suf. 23,34),
baS nid)t um Dtadie, fonbetit um ScYgcbunn ruft,
immerhin aber n>ar and) ©imfonS Xob ein ftell =
vertrete übet Opfertob, unb iufofern ein
©ies mitten im Unterliegen, ein Xob, bet vieles
von bem, nmS er gefünbigt, aud) mietet gefühnt hat,
unb mobureb er nun eublid) bod) nod> erfüllte, )oaS
ihm im geben nur mangelhaft gelungen mar, unb
3 mar grobentbeilS burd) e i g e n e © dui l b. ®iefe
fann unb foll nicht geläugnet metben: PS loat viel
Saune, Sßillfüt, rohe ©emaltthat, Xrug unb fiift
in feinem Xhun, er 3 crfplittert feine hohe göttliche
fttaft, unb vergibt nur 311 oft gauj feineS hohen
göttlidten SerufS; aber 311 m Xheil ift baS fjehh
fchlagen beS lefetcitn bod) and) bie ©diulb teU
n e S S 0 l f e S, baS ihn überall allein fteheit
läßt unb sulcfet feig in bie ©änbe feinet Jveinbc über=
antivortet. ®aS mag menn nicht 311 t <5*ntfchitlbi=
guiig feiner Xhaten, boeb 3 ut Ptflärung feineS
©chidfalS bienen; tvaS er nur auf in 9 (13,5),
fonnte erft nach ©amnelS grüublid)er tnnerer
S?eugeftaltung beS SotteS, X) a v i b aud) äuber=
Iich gaii 3 voltenben. ^ebenfalls nmtaud) er,
mie bie anberen Diichter, ein Sßlamx beS ©lau^
bc n S (öebr. 11, 32).
Snt ©ffprecbitug unb SBieberbolnng: ©otteS
© e r e d) t i g f e i t. 1) ©ie ftd) biefclbc im geben
©imfonS 3 eigt. a) ©0 lange ©imfon (Sott angc-
hört, ihm bient unb fein ©elübbe hält, ift er ftarf
unb mäd)tig im £errn. b) ©obalb er ©ott verläfet,
fällt er in bie £>änbe ber ^einbe. c) Stadibcm er
mieber beten fann, mirb er and) miebet ein ©otteS=
fämpfer.
2) ©ie ücb biefclbc an ben Shiliftern enueift.
a) ©ic ivcrbcn von ©ott burd) ©imfon unb Hnbcte
ge 3 Üd)tigt. b) ©ie fiegen eine 3cit lang, merben
aber enblicb vernietet
©onntag, 9. ©ept. 9?utl) 1,14—22.
föutl) nnb 92aemi.
1. Unbcftimmt, nad) S. 1 aber icbcnfallS
in ber i d) t e 13 e i t, unb 3 mar ivährcnb einer
©uugcrSnoth ober Xheuerung. 9Mau nimmt am
mahrfcbcinlicbften bie fiebeniähtige fdnvctcXJtangfal
in 3frael in Svlge ber beftänbigen 9taub3Ügc ber
SÄibiauitcT an (Dlid)tcr 6,1 ff.), beiten © i'
b e 0 11 ein Gttbe mad)te (geftion 9); bann fiele bie
©cfd)id)te etiva inS 3ahr 1215 (nad) ?(nbercit fdjoit
1320) vor Ghtifto.
2. Ort: ®aS ganb 3Roab, öftlidt vom 3or=
bau; biefeS von 80 t abftammenbe Solf mohntc im
Often beS Xobten SOiectcS bis itötblicb jum 91 1 tt 0 n,
Digitized by v^ooQie
498
Soimtagfd)uU|Vhtionftu
unb würbe crft unter Davib gänglid) untcriodft;
ferner 3) e t b l e h e m im Stamme 3 u b a, etwa
C SWetlen füblich von 3crujalem, bie ©eimath von
Stuth uub Davib uub bie ©eburtäftättc beo Davib«
fobneS 3efu3.
8 . Ginleituug: Da3 23 ü ch l e i tt 9t u t b, eine
2 lrt Slnbang gum 23ucb ber Sticbter, von unbefamt«
tern Verfafier, aber iebenfa 113 crft nach Davib3
3 c i t verfaßt, foll, ba fiel) in ben Vücbern ©a«
mucl3 feine näheren Eingaben über Davib3 Vor¬
fahren finbcit, biefe Siitfe burch ein ©efcbicbt3bilb
au3 bem frommen Familienleben berfelben au3«
füllen, beim bie ö a u v t v e r f o n, 9tutb felbft,
wirb bie Urgroßmutter Davib3, unb eben bamit bie
©tammmutter Ghrifti, unb gwar trofe ihrer heib-
n t f cb e n 91 b f n n f t; fie ift fdwn bie britte ©cibiit
in Davib3 ©efddedjt neben ber ilanaanitin Z ha¬
rn a r, 1SBof. 38, unb ber ftanaanitin 9t a h a b,
3of. 2, unb jebenfall3 bie cbelfte von allen, bie gu«
gletd) burd) ihre Ghe mit bem gottc3fürd)tigcn uub
recbtfdwffcnen 23oa3 am tiefften itnb iunigftcn
mit bent mähren unb ed)ten 3fvael venvadficu mar.
Da3 33üchlcin fehlt au3 ber 33elt, au3 tfrieg unb
Unruhe au ben füllen ©erb bc3 ©aufe3 ein unb
geigt, mie mitten in aller Verminung ber Siebter«
Äeit, unter ©türm unb Drang be3 ftricge3 unb ber
Soth, unter®affen uub Feinben bod) im ^>otfc
@otte3 ein ftilleo, rcinc3 unb heiliget Familien«
leben mit allen häuslichen uub gefelligen Dugenben
blühte, ba3 fidwrftc 3cid)en unb ber tbatfächlidute
8ewci3, baß bie3 ba3 wahre W o 11 e 3 v o l f fei,
unb ma3 ba3 ©efefe ®otte3, unb nurbiefeS
allein gu ivirfcn vermag, nach ber Verheißung,
bie fdmu 5 SRof. 4,6—8 gegeben mar. ©o fteht c3
bem 3Mid>e wohl au, ba§ un3 ben ®cg gur ©elig«
feit geigen foll unbgcreid)t3frael3©ott3um emigen
Sobe.
4. SBort* uub Satßtrflämng: G 1 i m e 1 e ch au3
Seth lehem 3uba (Sichter 19,1, gu unter«
fcheiben von einem anberen 33ethlebem (beutfdr.
Vrothatm) im Stamme ©ebulon, 3vf- 19, 15)
wanbert, bi3 bie fddeditc 3^it in 3frael vorüber
fein mirb, nach SMoab au3 mit feinem fficib
Siaemi (bie Sieblichc) unb feinen beiben gwar
fdwn erwachsenen, aber nodi nid)t verheiratheten
©bhnen S)t a l o n unb ß h i li on. Stach feinem
Dobe verheiratheten fidi bie letzteren mit gwei SMoa«
bitiunen; Ghilion,beriüngere, mit Slrva, SWalon,
ber ältere unb baher Grbe be3 väterlidicn ©utc3 in
Vethlehem, 4,10, mit 9t u th (beutfdi: ©dmnbeit).
Beim ^ahre nach b& 2lu3wanberung (V. 4) ftarbeu
and) bte beiben ©ohne, unb gwar finberloS, fo baß
nur noch bie brei Frauen allein übrig blieben. Da
nun Scaemi fein 93anb mehr in ber Frembe gurürf«
hält, mill fie wicbcr in bie vom Sttangcl befreite
©cirnatb gurücffchren, begleitet v n beiben ©ebwie«
gcrtödftcrn, bie mohl auch bi3her fd)oit bei ihr ge«
mohut hatten.
9(n ber ©reugfdjcibe (bein Slrnon, ober and) erft
am Fvrban) forbert fie biefe gut 9tüdfchr in ihrer
SJfutter ©au3 auf, bamit fie a(3 ®ithven bort
weiter leben, bi3 ihnen eine neue Ghe micber eine
neue ©cimatfi biete. 9lnfang3 meigern fiel) b e i b e
(V. Off.), meil fie bie ©chmicgermutter git lieb ge«
monncu haben, um fiel) von ihr gu trennen; aber
Siaemi bringt nod)inal3 unb noch ftärfer in fte mit
©inmci3 auf bie hoffnung3lofe unb auch fdmfclofe
Sage, ber fie bei ihr, bet aliemben ®ittwe, ent«
gegengingen.
Da hüben fie (beiberfeitS) ihre ©tim«
men auf :c., bernt beiben Sheilen geht bei 9lb«
fdncb nahe, noch näher, al3 fdwn V. 9. Dods läßt
91 r v a ficb enblid) bewegen, ben Vorftefiungen
9^a?mi’3 nachgugeben unb mieber umgitfehren, ohne
baß man ihr be3ha(b gerabe ben Vorwurf lieblofer
©elbftfucht madien fönntc, beim fie thut e3 ja nach
bereu eigenem wieberboltcn ®unfd)e. 3n ber hod>«
bergigeren unb verläugmiug3wi(iigeren 9i u t h ift
ber Drang’nach ©emeinfdmft uid>t blo3 mit Scaemi,
fpnbern auch mit ©ottc3 Volt fo übermächtig, baß
fie feft cutfchloffen ift, lieber a(le3 gu ovfern unb
hingugebcn (2,11), al3 baß fie nkht mit ihr nach
ii'anaan goge. 3 n ihrem V o l f (Vioab) u n b
g u i h rem, ber Moabiter, Stational«@ott, b. h.
bem ©otte Äamo3. Diefe 9lufforberung fantt ent«
weber eruftlich gemeint getvefen fein au3 wirflidier
Fürfovge für ba3 äußere Fortfommen unb ba3 leib«
liehe 'Wohlergehen 9tuth3, ba3 bei ber mit irbifchen
Glütcrn fo ivenig gefegneten alten ®tttive, bie felbft
arm au3 ber Frembe beimtebrte, für ihre beibuifche
Vegleitetin allerbingx^ in fianaan iveniger ficher
war, al3 in bereu eigener unb reidieren ©eimath
90?oab, wo fie nod> eine SKutter hatte, unb vielleicht
wieber einen SWanu befommen tonnte; ober aber
ift c$ (wahrfdietnlicber) al3 ein blo3 gur Vtobe
gemachter Vorschlag angufehen, womit fie fie prüfen
uwllte, ob unb ivie iveit e3 ihr Gruft fei, unb wie
lauge fie bei ihr aueharren werbe. $\\\ lefetcren Fall
hat fid) bann nicht blo3 9tuth3 Siebe unb Sreue,
fonbern and) ihr fefter unb ftarfer ©laube neben
bem fcbwacben unb giveifelnben ber Siaemi (V. 11
bi3 13) befto herrlidier bewährt.
©ingen m i te i n a n bt r = fefeten ihre Seife
unermübet fort, einen bejchtvcrlichen 9ücg von mehr
al3 50 teilen auf rauher Straße. 9iegte fich
bie gange @ t a b t vor Seuaier unb Verwüst«
berung. 3 ft b a 3 bie (alte) vi a e m i, bie vor«
mal3 hier wohnte unb iefet fo fläglid) wieberfchrt?
Die gehniährige Slbivcfenheit hatte fie alfo feht
veränbert.
9lacmi heißt: bie Snmtithige, SRara bagegen:
33itterfeit, b. h. bie 33ittere3 erfahren, viel Drübfal
erlitten hat, nämlich ben Verluft von ©atten unb
©ohnen foivohl, al3 ®ut unb ©abc — fein großer
93ewei3 von ftartem ©laubeit an bie allc3 gmn
Vcftcii Icnfcnbe göttliche ©üte unb ®ei3heit.
Voll, b. h. reich im Sefife von SRann unb fiin«
bent unb voll froher ©offnting3gebanfen für bie
3ufunft, gog id) au3, 8.1. Seer, fowohl
be3 9i'eidithum3, al3 ber ©offnuitg beraubt. Sie
umßte aber nid)t, wa3 fie rebctc, beim gerabe iefet
umr fie crft recht reich geworben tut Vcfifce Suth3.
Die © e r ft e n e r n t c ift bie fruhefte unb fiel
etwa in bie SKitte 9lvril (3SOZof. 23,17). ©eu
33 c t h l e h e m, früher (v v h r a t a (= fruditbar)
genannt, ba3 von ießt an bebeutfam al3 ©tantut«
ovtbcr.ftönig3familic Davib3 in bie ©efdndite
3fracl3 ciutritt, unb nod> bebeutfanter al3 Gbriftt
Öcburt3ftabt in bie ©efdtidfte ber 3Benfd>bcit.
9t u th3 f vä tere © diicf f a lc: Die freunb«
lidic Aufnahme bei ©oa3 (ffap. 2), ber gute Sath
ber St a e m t (ftav. 3) unb bie glütflidic (vhc ber
Stuth, nebft beren ®efd)lecht3regifter bi3 auf
Davib (ifab.4). Ueber biefog. 8 evirat$ebe,
Digitized by
Google
3onntagrd)ul:frlitionfn.
499
<it3 «efcfclidie bc? iiMiften ©lutöMtnjnnbtcn j
eincS tintevlog pcritovbcucn 'OJcauncS ßcßett beiten
SBittme Pßt. 5 9Moi. 25, 5—lu.
5. Sur (grflarung unb (sr&anung: a) ©ro§e
Siehe, 58. 14—18: 9icbcjnir niefit barein,
ein ßutc82Bort fefter Gutjcbloffcnbcit, woher SMcnfcfi
feiner Sache innerlich genug ift r eg fann aber auch
mißbraucht mit) fallet) aiißcwanbt werben im Streb
mit) ßigenfinn, in Selbftüberfdiäfeunfl nnb toll*
fübnem Seichtfinn, ber [ich nicht warnen taffen null,
ober in Stolj unb fteifcblicber Sicherheit, bie nur
fkh allein für weife hält. SB o b u b i n a c b e ft,
ähnlich töricht auch Glifa jit Rliag, 2ftcn.2, 6;
ferner ^JSctruS $u 3ciu$ f fDlarf. 10, 28.
® ag ßro&e Sicbegopfcr 9htthg: fie flieht
§Uleg baran, auch wag ihr bag Siebftc ift, la§t
SSatevlanb, 58erwanbte, 58olf unb ©etter ii.i Stich
um ber Siebe willen. Sie beweift aber bie ttechtheit ]
unb Streue bcrfelben auch noch fpäter, worin fiel)
geiflt, baft fie nicht b(o3 aug flücbtißcr Slttfwallunß
unb oberflädUichem ©cfübl heyrührt: fie fammelt
lehren für92acmi (2,2), flieht ihr bag übrifle Rffcn
(2,18), ift ihr im 9latbe fleherjam (3,5) unb hielt
fie auch noch alg anßefehene vornehme grau bei fich
tn (Ihren (4, 15).
®afür fehlt ihr aber auch ber oon (Sott auf ben
ffinbeetflehortain (5. ©ebot) aefefete Sohn feiner3Ser=
heißmifl (Roh. 6, 1—3) nicht: fie finbet fdwn bei
äXcnfcbcu CDanf (1,8), Sliicrfennuttß (2,11), ©lüd=
uuintch (2,12) unb Qfire (4,15), noch beiter aber
lehnt ihr ©ett ielber: fie befommt ßanj ohne 3u=
thtin, ia uuber Rrwartcn einen reichen unb, wag noch
mehr ift, frommen 9Kann unb wirb fo buvch©otteg
gühruua bie Slbnfrau 3)aoibg unb bie Stamm*
mutter !3efu. ^ ^ #
SBag ©ott jufaßt, hält er ßewif. SBar 3Iuth3
SBahl eine cble SBabl, fo tft bie SBabl, bcm3>olf
beg Ferrit unb feinem ©ett anftugeboren unb fiel)
aan$ unb fett für ihn *u cntfcheiben, and) äiißletch
für uug alle bie be ft e SB a h l, fie brinflt ben reich*
ften unb bleibenbften Seaen für 3^it unb Gwiafeit;
aber freilich muH man babei auf berSBeltSlüd
verachten, befommt eg aber mehr alg reichlich Per*
flelteu, oft jehon, wie 9Jutb, in biefer SBelt, iebeit*
falls aber im Fimmel. SBahre Siebe geißt fich im
Opfer: Gntfagen unb Sclbftoerläufliteu; baut ße*
hört aber ein fefter GitltchluH unb ein cntfchicbcner
33orfafe unb eitblid) wanbelt fich aller v 2>erluft ned)
in ©ewintt.
b) ©rofieg Seib, 58. 19-22: CD er 91-llmäcfi*
tiße hat mid) febr betrübet. 9?acmi bleibt
bleft beim Schmer* ber Ivübfal flohen, flau* anbeiS
©iob, ber joflar nod) für fie banfcit fann (1, 21).
9ied) beffer teilten wir bieS fettnen, bie wir bie
Siebegabfichten ©otteg mit unS im Seiben noch oiel
beffer feunen feilten (2Äer. 4,17).
Rinen Slnfaitfl biefer wahren S3ctrachtiniß ber
Seiben hat inbeffen bech auch fehon^iaemi ßemacht:
fie weife, bafe ©ett fie baburch be mü thi fl en will.
3tibem führt fie ben Seaen unb bie ftrucht ih\*cS
Streut tchen iebenbia mit fich: 9tuth, ihre Stre=
fterin im Seiben, mit ihr unb für fie in Perftreujeg*
fdmle flewadnen, an ber fie oiel Siebe ernten barf,
weil fie Piel Siebe ßetäct hat.
3«r »rforrdimtg «nb 28ifbrr()olmtg: $reue
Siebe. 1. Sie cntipviiißt aug ber Siebe ju ©ott.
Obwohl SKoabitin, fennt 9tutfi ben ©ett 3frael8,
unb faßt: „CDeiti SJolf k. u
2. Sic fürchtet fich »ot nichts, fonbern tragt
alles.
3. Sie wirb reichlich t>on ©ott belohnt.
Somttafl, ben 16. Sept. 1 Sam. 1,21—28.
2>a$ (Sebct einer 2Ji «tter.
1. Soll: Gtwa 1170 per ßhvifti ©eburt.
2. Ort: Samuelg®eburtgort 9i a m a h (= ©ehe),
etwa 4 teilen nerbweftlid) pou 3eruialcm ßdeßen,
auf bem ©ebirße 6p hra i ut, baö über bae Stauutu
gebiet Rphraitnä hinauf fief) füblid) bi3 in bav @e=
biet be3Stammet SÖetijamin bi§ gegen SRamah hin
erftredte. Statt SRaniah feitimt and) ber 3?ame
9t a in a t h eor, beibeö ift nur bie abßefür^tc 8*erm
be'i Pollen 9tamene 9tamathaim 3ophim,
walufcheinlich baffelbe SBort wie Slrimathia.
®ie ©efduchte ber Seftion felbft fpielt übvißcno am
©eilißthum in Sil oh, 17 SOteilen növblich Pen
iVfujaiem, wo feit^of. 18,1 bie Stiftehütte ftanb.
3. Rinlritiinfl: ®ic beiten Elidier Samuel,
welche eigentlich nur @ine Sdnift auemachen, neh¬
men ben Anteil ber ©efchidite ßcnau ba wieter auf,
wo ihn bae^uch ber JWiclUer fallen ßelaffcn unb
beruhten ah5 unmittelbare Sortiefeunj tce Sefetereit
^frael^ weitere ©efdüdite je au ber Aoanb pou ueei
©aupt= unb swei 9cebenpertonen: (ili unbSa =
m u el, Saul unb © a o i b, bie erften S3eiten a(8
bie SSertrctcr be3 Propheten- unb SSviettevthum§,
bie lefeteren Reiben nie bie be§ ÄenißlhunW (geift=
liehe unb ireltlühe OOrigfeit). Sie führen ben
9i amen Samuele, weil biefer in fofevn bie
wichtißfte 9folle in ihnen fpielt, al$ er auch noch
unter Saul^ Segieruiiß imitier jiod) im ©eifte be3
©errn überall cingriff unb felbft ber pon ihm ße*
falbte ®aiub ßewijfermahen fein 9iuchfolfler, ber
Rrbe feinceÖeiftee unb berSSollenbcr teine^SBcrfe^
ift. 35eun nur buvcfi bie pou Samuel begoiiueuc
Innere9leformationbe§®olfcö war meßlich#
bafi ba^ülonißthum unter ®aoit, bem 9)?atin nach
bem ©er$en ©ottee, rein unb foweit ce jener treu blieb
im Öehovjam fleßen©ottee©cbot, and) äuperl ich
jur höchften Slüthe ftd) erheben fonnte.
4. 3nfammnihaug: 1 Sam. l, l—20 enthält
S a m u e l § w t ch t i ß e 58 o r ß c t ch i (h t e; e3 war
bie-3 bie evfte biblijdc ©efduchte, bie Sutber
la§, al3 er jmm erften 9)<al in ber filofterbibliothef
pon Rrfurt eine pollftänbiflc lateinifche S3ibel in bie
©anb befam. Sie ift jo ieben, amiehenb, lebeubiß,
lehrreiÄ/ anfdiaulicb unt erbaulidi erzählt, bafi er
beit gittbrud berfelben faft für fein ganjeg Seben
lanß behielt. . ^ (f
Sluf wunberbareSBcite bcrcitct®ottbte®rjichunfl
beg 3)?anneg pot, ber fpäter nad) feinem ÜJathc bie
Orbnuiifl in Sfrael neu herftelleu unb bie Rn t*
um d l u n ß f e i n e % 91 e i ch c d weiter führen tollte,
für weldug iefet eine neue ißeriobe e in tritt.
SBahrenP bie alte 3eit einerfeitg in Rli, anecrcr-
feitg in Simfen pollenbg pcrläuft, bereitet fich mit
Samuel eine neue por, bie neuer Mvafte liub SBerf=
Digitized by v^ooQie
500
SonniagfdjuUIWttioitftt.
Aeuge bebarf. 2Ba3 ©ott feinem 3$olf burdi S)?ofc3
11110 3ojua gegeben batte: 35aterlanb,©elbftftänbig=
feit, ©efefe unb gottcsbienftliche Orbmiug, batte
bureb beffen eigene ©dnilb nicht bie gvüchtc ge¬
tragen, bie e*3 batte trugen fönnen unb tollen; in
ber 9Iicf)tcv*eü toar 35olf3tbum unb 35ricfter=
tbnnt gleichmäßig erfeblafft, baber muffen al3 neue
Träger ber (Sntioitfluug ba3 St ö n i g t b u m u it b
Sßropheten tbu m ein treten.
4. ®ort* uitb ^adjerf lärmig: (Slfana (beutfefj:
pon (Sott erfdtaffen ober eiferen) toar nach 1 (Shron.
7,20 — 28. 33 — 38 ein gepite; bah er eilt
(S p h r a i nt i t e heißt, ftebt bantit ntcf>t im SBiber*
fprudt, beim er gehörte au benjeuigen gepiten, toe(=
epett ihr SBohncrt im ©tauirn (Spbraint angcioiefen
tpar (ähnlich 3tid)ter 17,7), unb atoat gehörte er ber
gamilie Ä' a b a t an. ®en tarnen © l f a it a tru*
gen auef) febon ntebrere feiner 35orfahreti, unb gtoar
mit SJetiebung auf bie 33efHmmung bc3 ©tammc3
8ePi felbft, al3 be3 pon ©ott ertporbenett, ihm be*
fonPer3 geweihten ©tammc3.
©ein 3>ater 3 e r o b a nt ift nicht näher befannt,
bagegeu fommt beffen 1 ©am. 1,1 genannter 35ater
(Slibit and) 1 ßbroit. 7,27. 34 al3 (Stiel ober
(Sliiab por.
(S p.b r a t toar eine ber Pier groben Seoitenftäbte
tm ®tammgebiet($phraim; toäbrcnb ber unrubigen
SRichtencit toar bie gamilie toahrfchcinlid) pou bie-
fern ©tammfifc in ba3 gefidterte bocbgelegcne 3t a uta
fibergcficbelt, ba3 pou ihrem lebten ©tammoater
beit tarnen Dtamathaim 3ophiut = bie ©oppeU
bohle ber Sophiten erhalten batte.
©eine grau © a n n a (= ©nabe ober 9(nmutb)
mar lange finberlo3 geivefcn. 9?ad) einem por beut
©errit in Silob abgelegten ©elübbe unb brunftigem
©ebete aber, um beffeinoillen fie pon (Sü werft per*
fpottet, bann aber getröftet toirb, tpirb ibr PerSobtt
gefdienft, beu fie, al3 „Pott bem ©errtt erbeten",
© a m u e l nannte.
©iitaufaog mit feinem ganzen ©aufe,
nämlich ba3 erfteSWal nad) Sa;itucl3 ©eburt auf
ba3 Oftevfeft uad> ©ilob> al3 heilige ©tätte, unb
aioar mit iämmtlid)eu ©liebem feiner gautilie, b. b.
beit ©icnftbotcu mtb ben febon criuacbfcncit ®ir=
bevn feiner anbereit grau fjß e n it i n a (95.2). Ta3
Opfer tt.f.tp., ba3 er (35. 3) alljährlich nad)35or-
ftbrift be3 ®efefee3 bar>iibringen pflegte.
Unb fein ©elübbe (Opfer), ba3 crbie3mal
noch aufterbem barbradjte, weil er c3 ba3 porige $Ral
(33. 19) für ben nun cingetreteuen gall ber ©eburt
einc3 ©obne3 gelobt hatte.
3pö ©antta tiidit mit hinauf, toie fonft
immer. 3) i 3 au © a tit it e 13 (S u t tu o b it u n g
(l föJof. 21, 8 aunidjen beut aweiten unb britten
Ccbcnojahve) toill fie biebutal unb ba3 nächfte 2Ral
Alt feiner pflege au ©au3 bleiben, bi3 er bet lefetcren
fotoeit cutioaeitfeu ift, um hinfort anher bem ©attfe
erAogen loevbett ju fönnen.
SBill icf) ibn bringen, nach bem ©eiligthum
in Silob, bah er por bent Ferrit erfdieine,
ihm bargcftellt unb al3 befoubcre3 (Sigcntbunt (toa3
er freilich eigentlich al3 Cepite frfton toar) fibergeben
tutb geweiht toerbe, ndmlicf) al3 9t a f i r ä e r. Tie
Cepiten muhten nur pom2f>. ^lahve an jährlich eine
gewiffe 3eit laug am ©eiligthmnc toohneu, bann
burften fie toieber au ihren gewöhnlichen SBohitfife
Aurüdfehveu (4 ü)toj. 8, 24 ff.), ©antuel bagegen
follte gaitA unb für immer pou feinen (Slterit fd>ei-
ben, unb in©ilob eineSlrt pou priefterlichem fieben
führen, baau nod> unter ben 35.11 genannten Se*
fdiränfuugen, unb amar emiglid), b. b. Poit
früheiter Jlugenb an bi3 an fein 8ebcn3cubc. Sludb
(Slfana Aeigt fich 35. 23 ganj bamit einperftanben.
®er .fberr beftätige fein 38ort, burchben
9)?unb (Sit, be3 ^ohepriefter3, gerebet (35. 17), ma$
nicht blo3 auf bie (Srfüllung ihrer 35ittc überhaupt
gebt, fonbern auch noch burd)blideu läfjt, bah ©ott
feine gaitA befonberen 3lbfid)ten mit biefcni fiiitbe
habe; er hofft alfo, c3 toerbe au3 bem Knaben mit
ber 3cit alle^ ba3 ipcrben, ma3 ftd) bie ^Mutter tm
glaubcn3pollen 35ertraueit auf©otte3 35erheihitng
(35f. 145,9) pon ibm ocrfpricht. Unb brachte
ihn, am nädiften Ofterfeft nad) ber ßnhoöhnttng,
alfo etwa 3 ^jabre alt. 23 o n ben 3 garten
mgrcit Atoei AnniijäbrUchen 33raub= ttitb ®anfopfer
beftimmt, ber britte Aitm SBeihopfcr für Samticl.
(Sin (Spba(=7©alloncn) 33febl antn Speife«
Opfer, u n b e i n e g l a f ch e SB e i n (3J Cnart)
aitm Sranfopfer, 4 3)iof. 15,9. 12. (Sineit gar^
reit Pon ben brei, nämlich ben amn SBeihopfer be=
ftimmten, fdilachteten fie, sur ftnnbilblichen
®arfte(lung beffen, ioa3 Samuel felbft fein iollte,
nämlich ein gciftliche3 Opfer annt lebcn3länglkben
©ienftc ©otte3.
3 n (S l i, ba§ biefer ihn burcf) bie anm ®ienft
am .fteiligthuin berufenen grauen (2,22) in biefem
felbft aufaieben laffe, bamit er febon beim frübeften
(Srioad)cu feine3 ©eifte3 aleidi ben (Sinbrucf pou
© otte3 heiligerSRähe in fich anfnehme. 5)a3 hier
bei bir ftanb, por mehr al3 3 fahren (35. 9ff.),
an berfelben ©teile, ipo fte ibr ©ebet um einen
©obu unb ibr ©elübbe bargebradit batte.
9iun bat ber .$crr k., Tic toill (Sli bamit
an ben Sroft erinnern, beit er ibr bamal3 gegeben
batte (35. 17), unb ficht in allein ®otte3 gütige
©anb unb toeife fieitung. ©ebe idt ihn ioie=
ber, gleidifam al3 SRüderftattung; toic ich ihn Pon
bem Ferrit erbeten tutb erlangt habe, fo laue id> ihn
mir nun and) toieber Pont &errn aurüefforbern unb
abocrlangcit. Unb fte beteten an, nidt
b(o3 (Slfana unb fcamta, fonbern and) fdtoit ber
flciue ©amucl felbft.
5. 3ur Grfläruug ttnP Erbauung: a) ® ent
©errn gelobt, 35.21 — 23: ®cr ©runb-
gebanfe ber geftion ift ber, bah ©anna burch
bie Schule langer (Sittbebriing unb bitteren 8cibe3
binburdtgeben nttih, ehe fie ben ooit ©ott erbetenen
©obn befommt, tbeil3 aur Prüfung unb ©tärfnng
ibre3 6)lauben3 unb ihrer ©ebulb, tbeil3 aur (Sr-
loecfung ihrer ©anfharfeit, ibre3 ö5ottpertvauen3
unb Weborfam3, tbeil3 and) bamit fie benfclben ooit
pornherein al3 eine gaitA befonbere ©abe ©ottei
anfeben lerne unb babitrdt toillig toerbe, ihn mit
35crläugnung aller eigenen Cuft tinPgrcube an bem
j?inbc©ott au toetben. SBic tief fie baburdt, uub
Aiigleicb toobl and) burch ber ffnberreidten 35enniim
ftoUe 3>eradttting unb trofeigen ©odunutb (35.6 ff.)
gebeugt, betrübt uub gebemüthigt toar, fagt fie felbft
,Qap. 2, 6; aber eben nur ben ©emüthigen giebt
©ott ©nabe.
Tie \>ilfe fommt aber atidj ibr nur burdt ba3
erufte aubaltenbe ©ebet ati3 ber Tiefe ber
«Roth unb be3 ©ergend (35. 10. 15), wo fie allc3,
toao fie brüdt, offen unb rü<fbalt3lo3 por bem ©cmt
Digitized by v^ooQie
SonntogfdjtiUffhtionett.
501
audfdnittct (9ßl. 62, 9); bie 9?oth fo(( 311 ©ott treU
kn, Streu* unb 9(ufed>tuug sum ©cbct, bad ift bet
ftille unb verborgene Segen ber©rübfal. 9lu&erbeut
ift aber and) CS l f a n a ein VJuftcr eined frommen
©auduaterd, vgl. £uf. 2,41.
b) ®em ©cvrn gemeibt, 93. 24—28: 25o
bie 93 i 11 e erhört ift, ba barf and) ber © a n f nicht
fehlen unb $war nid)t blöd ein ©auf mit leeren
SBorteu ober blöd äufeeren Opfern, fonbcrn burch
©baten bed ©chorfamd unb ber Selbftverläugnuug,
burch Griülluug berÖelübbe Vf. 116,17, allerbiugd
Riefet bann aucf) nachher ihr 9Munb über oom Cob
©otted (ft'ap. 2).
ÜEBad man ©ott verfpridjt, 3 . 93. sunt ©auf
für erfahrene .ftilfe unb [Rettung, für einen befolg
bereu Vemcid unb Segen feiner ©nabe, öicbe unb
©reite, mufe man aucf) halten, Samuel mar oon
feiner ©eburt an ein ® ottgemei h tcr.
9(udj mir finb 9llle fchon ©ott gemeibt burch bie
©a ufe unb folleit ebenfomie er aid SRafiräcr, b. h.
9(bgefonberte oon 9ßclt unbSünbe, unb old
©ottoerlohte, b. b. ald Gigcnthnm bed £>crrn,
bad er burch fein theured Vlut erfauft, und ent*
halten oon allen ftcifdjlichcn Cüften, bie miber bie
Seele ftreiten.
Sur ©efpredntug unb SBicbrrfeofuna: ©ie
fromme $amilte. 1. SRutter unb Vater finb
eined Siiincd unb bienen ©ott.
2. Äinbcr merbeu ©ott gemeiht unb für ihn er*
sogen.
3. Opfer unb ©aben merben mit Stauben ge*
bracht.
Sonntag, 23. Sept. 1 Sam. 3,1—19.
2>a$ tiub ©fljnnel.
1. 3*it: Ungefähr sehn 3ahre nach ber lebten
Seition, 1160 oor Ghrifto.
2 . Ort: Sin ber Stiftdhütte an Siloh im mitt¬
leren Valäftina.
8.Sufantmntljnng: 1 Saut. 2 ,1— 10 . $auna ’8
herrlicher Cobgcfang, ber theild rücfmärtd meist auf
bad fiieb 5Rofed (5 9Mof. 32), theild Vormävtd auf
ben Sohgefaitg ber Viaria (Suf. 1 ) unb bed 3acha=
riad; Äap. 2,11—26: SamucldGrsiehung im .OcU
Ugthum mitten in einer Umgebung, bie ben gefähr*
lichften Giuflufe auf ihn hätte audühen fönnen.
©ophiti unb in eh ad, Gli’d Söhne, üben
frcevel unb®emaltthat felhft an heiliger Statte unb
ihr alter fchmarhcr93ater, fonft perfönlich ein from^
mer gottcdfürchtiger SRann, u>ie 3,18 scigt, lochrt
ed ihnen nicht. 9(id©cgcnmirfung gegen jened höfe
Gxcmpcl ift mohl ber noch fortbauernbe Ginfluft ber
gottteligen föeimath, namentlich .Oanna’d Sürhitte
für Samuel, fomirffain, bafeertrofebein in allem
©uten uinimmt.
4. Bort- unb Sadjfrflarnug: Samuel, ber
Änabe, bamald etma 12—13 Jahre .alt. ©etn
©er nt biente, am ©eiligthum, inbem er unter
Gli (a(3 fein Untergebener) allerlet äufierlidie 9 lr=
beiten unb Verrichtungen su bejorgen hatte, vcrgl.
93. 15. ©ed ©erru JBort mar theuer
(= feiten); in iener Seit tiefften inneren 9Scrfal(d
fam ed su feiner neuen Offenbarung oon Seiten
©otted mehr, fehlte ed boch fo aut mie aans an pro-
phcttid)cii Viännern, bie in perfön üchemVerbältnife
unb Umgang mit ©ott [tauben unb Viittheilungen
oon ihm an fein Volf hätten empfangen fönnen,
nur bad Auftreten bedÄlap. 2,27 genannten «3)?an-
ned ©otted" seiflt, bafe mieber eine neue Seit in
3 frael anbred)en merbe.
91 n feinem Ort, er fd)lief mie gewöhnlich in
feinem, su ben 93orhöfen ber Stiftdhütte aehöriacu
©emadj. Seine 91 u a e n *., itad) 4,15 mar er
fchon nahe bunberti&brig. 9B e il er n i dt t inehr
(recht) fcftcii fonnte, braudite er and) immer
3cmanb um lieft su allerlei ©ienftleiftungen.
3 m ©empel bed ©errn, gemeint ift bie
Stiftdhüttte, bie aber, feit ftc einen feiten Stanbort
in Siloh gefunben, atlerbingd burch bie in ftolge
bctooit mit ihr ooraenommenett baulichen Vevänbc^
rungen and einem bemcglichen Seit su einem feft=
fteheuben ©aud gemorben mar. ®a bie Sabe
©otted mar, meint natürlich nidü bad 9Iller=
heiliafte felhft, mohiu ia felhft ber ftohepriefter nur
einmal bed 3 ahred, am avofecit 93erföhnunadfeft, eins
achen burfte, 3 3Kof. 16,1 ff., fonbcrn eine Stelle
in unmittelbarer he fomohl bed ©cmpeld felbft,
ald ber Sdilafftätte Gli’d, bem er ja surßaub fein
mitfete (93. 2 ); fo allein erflärt fieft, marnm er nad)=
her, 93. 4 ff., bei bev Stimme nicht aenau unter--
feheiben fonnte, moher fie fam, ob oon lefetcrer her
ober oom Tempel felbft unb ber 93unbedlabc, mo
©ott über bem Gherubim thronte.
Ghe bieSampe oerlofdj, nämlidi bad Sidjt
an bem ftebenarmiaeu aolbcnen Scuditcr im ©eilia-
tftmn, 3>0?of. 24,1 ff., bad bie uansc$ad>t über
brennen mufete, 2 90?of. 27, 21. Gd mar alfo noch
fcftr früh, oor 9lnftrucft bed ^ovaend, aeacn Gnbc
ber lefeten 9^achtmad)e — nod) u»ar ed 9iadct, aber
fchon nahte ber ®aa/ ein Sinnbilb bed bamaliaen
aeiftlicben 3uftanbe3 in Oifracl. ©er £err
rief it. f. m. Sllfo mit beutlid) hörbarer 5Wennuna
feiuedRamend. Siebe, hier bin ich, prompte
93ercihoi(liifeit, foßlcid) feinen SBcfcftl su oernebmen
unb su erfüllen.
3<h habe ®tr nicht aerufeit, Gli benft
alfo offenbar, Samuel habe blöd geträumt, benn
auch er fclbjt hatte, felbft )oenn er oiclleicht mach
balag, boch icbenfatld bie Stimme nid)t gehört.
9iief abermal, ohne SuKtfel fnrs bavauf.
Jlannte ben ©errn noch nicht, b. h. nod)
nicht feine perföuliehe Stimme; mohl fannte er ihn
fo, mie ihn jeber©laubige, ber im©ebct lebt, fennt
burch bie tägliche Grfahrung feiner SJähe im.'pcrsen,
aber noch nicht, mie bie fßtophoten, bimh unmittel¬
bare Offenbarung ©otted. 9ßav ihm noch
nicht ge offenbaret, ed mar ihm noch feine
fpesiefle Selbftmitthcilung ©otted burdvd Offen¬
barung, mort su ©heil gemorben, uüe fpätet; eben
barum lag ihm auch iefet noch ber ©ebanfe fo fern,
bafe ©ott felbft, nicht blöd Gfi ihn rufe, ©a
merfte Glt, oielleicht buvd) etioad 93cfonbcvc3
unb 9 luffa(lenbed an ber Stimme ober burch plöfc
lidie innereGvleuchtung. ©afi ber &err u. f. m.
©afe er alfo auch ihn su feinem Propheten ermählt
habe (2,35) unb bie gehörte Stimme feine blofec
Sinnedtäufhung fei.
Sprad) su Samuel mcitcr, um ihm nun
fein Vorhaben 311 enthüllen. Gin ©ing in
Digitized by v^ooQie
502
SoniitagfdjuUfehtioncn.
3 frael, nämlicfi btc aunädtft tevovftcbcr.bc jd)retf=
lid)e 9iieberlage im fiamvf mit ben ©biliftern, wo=
bei fic fogar bie ©unbcölabe an bieje Reiben vev=
Iicvcii (atap. 4,1—11). ©cibe Ohren gellen
von ber furchtbaren tfunbe, wie von einem plöfc
lieben, fchretflidjen unb betäubenb lauten Slang*
fturebt unb Gntfefeen ift and) baS erfte, waS über
beit fieberen Süubcr fommen mufe, wenn eS mit ibm
311 anfvkhtiger ©uße unb ©efehruug fommen foll.
Diiditer über fein ©auS ewiglich, b. ft.
fo, baft baö ©cvicht über feine Samilie nidtt mehr
auf hören foll. Seine tfinber, bie boeb ©rieftcr
waren unb bem ©elf mit gutem ©eifpiel batten
vorangeben follen, ficb fchänblieh hielten,
eigentlich: Rdb gemein machten buvd) ihre Schaub-
(baten. 9Jicftt einmal faucr baau gefeben,
iiocf) viel weniger fie hart angelaffen ober garftreng
unb uachbvürflich beftvaft, wie eS feine ©flid)t nicht
bloS ab? ihr ©ater, foubevn and) alS dichter unb
©ohepriefter gernefeu tvave. ©oll nicf>t vcr=
ob nt werben, baö Stvafuvtbeil ba rüber folt
urefi (einerlei Opfer rftefgängig gemalt werben,
nod) viel weniger feine Sduilb aufgehoben werben,
ba er ©otteS ©ebote unb 92cd)te vollcnbS alS.\>ohe=
prieftcv red)t wobl wnfetc, unb boeb nicht nadj ihnen
banbeite! •‘Da bleibt ©ott fcbliefelicft nidjtS anbereS
übrig, alS bie völlige ^evniddung.
Sag bi8 an ben borgen, wobl mit Bittern
unb 3 a üen bem allem nachbcnfcnb, waS ibm ver=
Jünbigt worben war. ® i e X b ft re auf, ftatt ber
früheren Vorhänge am Gingang in bic Stiftsbütte
waren icfetfefteShürcn mit überflügeln angebracht,
bie 9lbcnbS gefebioffen, Borgens wteber geöffnet
würben, unb bieS gehörte mit au SamuelS täglichen
©ervichtiingcn. Sr furcf>tetc fiel), um bem Sü
feinen Schmcca au bereiten, ihm baö Ocficht
(bie Wotteocrfcbcinung) a n a u f a gen, unb ging alfo
ftatt beffen feiner weiteren Arbeit nacb, um einer
Begegnung mit ihm anSauwcichcn. ©a rief ihn
Sli, ber wohl ahnte, bafe bie bem Samuel auShcil
geworbene Offenbarung and) ihn fclhft perfönlid)
angehe. ©erfchweigc mir niditS, wenn
eö auch nocf> fo hart au hören unb noch fo Schwer au
fagen ift; nacb ber ihm fchon 2,27 ff. au äheil ge=
worbenen 91nfünbigung ift er auf alles, auch baS
Schlimmfte gefaxt, ©ott t h u e bir bieS unb
b a ö = Strafe bicb felber, eine bamalS oft gebrandete
Sonn ber ©etheuevung. <D a S bir getagt ift,
gerabe barin liegt ja ber Bwccf ber göttlichen Offene
barung, bafe Sli alleS bureb ihn erfahren foll.
Sagte cS ihm alleS an, bem SBillcn
©otteS unbebiugt ficb unteriverfenb, unb fein eige=
neS ©efühl, Sli Schonen au wollen, verlaugncnb;
er Sagte ibm nidjtS, alS bie Jßahrbcit, aher bic
23ahvhcit and) gana, unverfürat, unfcefcftemgt, un=
verhohlen. ®aS 53ovt GU’S: SS ift ber © e r r
(cev es beid)loffen hat, unb bem man alfo boeb nid>t
wiberftchcn fann) u. f. w., aenat amar einerfeitS
wobl von bemüthiger Unterwerfung unb ftumincr
Srgcbung in baS Unabäuberlicbe, aubererfcitS aber
hoch auch von einer gewiffeu bumpfeu ©evawciflung
nod) mehr, alS bloS gläubiger unb bußfertiger
Beugung.
5. Grfläntng uitb Erbauung: r) <Die
92ad)t im Xcmpel, ©. 1 — 3: Sie ift ein
33 i lb von 3fraclS Buftanb: je Seltener
unb thenver ©otteS ffiort unb SSciffaguug geworben
war, befto mehr galt eS ad)ten auf feine Stimme,
bie fid) iept 311m erftenmal wieber hören liefe; and)
in biefer 9tad)t fehlte eS alfo bo dj nicht gana an
fciebt, wenn eS auch nur von wenigen unb fleineit
Sternen in fdjroacftent ©lanae ftrablte. Äber and)
ber 8e iid) tcr im © cilig t h u m ift ein ©ilb:
fo trüb unb bunfel auch bie Briten ber fiinfte ©otteS
auf Svbeu werben mögen, etnS bleibt ihr immer
noch, baS 2Bovt ©otteS alS ihr helles 8icftt
mitten in befracht (vgl. ©f. 119,105); nur mufe
cS auch immer red)t auf ben 8euditer geftellt, ge=
pflegt unb angeaünbet, von allem Unreinen gefäu-
bert unb mit bem Oel beö ©eifteS genährt werben.
Oie 9cähe beS ^eiügthumS, bie hefte Stätte für bie
ivahre Üiube.
b) Oie Stimme in ber9?acbt,93.4biS
9: 53ic fie b r c i m a 1 an Samuel ergebt unb ihn
bei Flamen ruft, fo fommt fie and) au unS wie^.
b e r h o 11 unb ruft uns aum ©eborfam: fchon in
ber Saufe finb wir berufen, ©cttco .Stinber au
iverbeu, fie fommt an unS bureb bie 5}rcvigt feU
ncSSBorteS, bureb unfer ©ewiffen, buvd) be=
fonbeveRührungen unbgügungen unfcrS ScbenS,
in ©nabe ober ©erid)t, Segen ober Strafe, ©aben
ober5}cr(ufte k. Ott auch bureb anberc Stenf^en
(Sltcrn, ßebrer). j|m 81. X. ivaren c^ bloS eins
achte ©otteSntänner, bie fo pcrfönlidt berufen
waren, 3. 5). 8lbrabam, 15)?of. 22,11.2 ®of. 3,
4jc., im 92. X» finb eS 9lllc ohne 9luonahme;
11 n f er e Antwort auf ©otteo 9tuf f. 9lpoftelg. 9,
6. 9lmb bie St iüber finb bavon nid>t auSge=
Schloffen; ivie fie bem Stufe folgen föniten unb follen,
fclhft mitten in ber fie umgebenben argen SBelt,
acigt eben SamuelS ©eifpiel, unb baS Mittel baau
©f. 119,9, von ihrer Seite aber gehört vor allem
cinS baau: bic rechte SBill igfeit aunt ©eborfam.
c) OaS ffiort ber Stimme, 3>. 10 — 19:
Sine Scrfünbigung bcö©crichtö, baS um bei? ©aterS
9)ciffetbat über bie Söhne unb über ihn fclhft fonu
tuen wirb unb fommen mufe: Sli bat fid) um bie
Sraiehuug berfelben einft nicht befümmert, iefet be^
fommt er Kummer genug burd) fie aur geredtten
Strafe, ©erabe Samuel wirb aunt ©oten bcr9Jcr=
geltmtg gewählt, theilSiveilerbieSünbeber Familie
Sli’Sam heften rannte unb alfoaiidtbic.^eimtudmng
©otteS am heften verfteben fonntc, theilS um ihn
gleich von Anfang an auf eine f d) iv e r c © r 0 b c b e S
© e h 0 r f a m S 311 Stellen; aber er beftebt fie, ohne
ber 9Mcufd)enfurd)t ober einem tvenn and) an fid)
chrcniverthen ; bod) hier übel angehradtten Bart-
aefübl in faljcher Sd>eu nachaugeben. 23er ÖH'tteS
'Bote werben will, mufe amh, tvcun’S neth tbut,
hartes fagen fönnen, tvenn eS bie © f l i dt t ber
53 a b r b e i t forbert. Sli, ein 5'eifpiel von Sol=
eben, bie and) ©otteS ©cridjte wohl nini) crfchüttern
unb erweichen, aber nicht mehr grünblid) beugen
unb beffern fönnen.
B»r ©efbrechung imb »ieberholung: ®cr 9{uf
©otteS. 1) SBann fommt berfelhc? Oft au uns
erwarteter Beit. 3m Sd)laf, ba Samuel nid)t baran
Pachte, ivarb er gerufen.
2) 53ie ber SKuf aufgenommen werben foll. 53il^
lig. (Dreimal hört Samuel bcnfclbeit. Gublid):
Siebe ©err, benn bein itned>t höret.
3) 53aS will ©ott mit biefem 9fnf? UnS in feine
©cmeiuid)aft führen unb feinen SBillcn offenbaren.
Digitized by v^ooQie
(tl)ronih brr ©fgfiiroart.
503
Clnronilt ber (Gegenwart.
3« SrofUirtt wieberholt ficf» jefet baS ©djaufpiel,
wcldseo vor fünfzehn fahren fiel) in Sübafrifa bar=
bot, al3 Dort bie ® i a ma n teil fcIbev entbedt
würben. 9)fan weife, ball ^rafilien reid) an ^ia-
inauten ift, neue gelber würben feit Sanftem nicht
mehr entbedt, jefet aber finb solche aufgefunben wor*
ben unb infolge beffen ift ba$ ®iamantenficber
unter bie bortineSevölferung gefahren. ®ie neuen
gunbftätten liegen im Silben ber 93roving 93ahia
am ©alobe, einem 9ccbenflu& be3 9iio 93aro3, ber
unter 16° ftlblid)er Breite ficf> in ben atlantifdwn
Ogean ergieift. ©eit bem 9luguft 1882 bi3 SÖ?av 3
1883 finb 1500 OftavoS ober gegen gwelf fßfunb
^Diamanten aufflefunben worben unb 7000 SRcns
fd>en finb in bie urwälberreichc ©egenb geftrömt.
SJiele haben ihr ©lud Durch ergiebige gunbe fle-
macht; bie meiften aber finb enttäuscht wieber abgc=
gogen. ®ie Qiamanten finb von vorgüglfther ©fite
unb bev febwerfte bisher flefunbene wog ein Oftavo.
Qie 3uftänbe unter ben Qiainantenfuchern werben
al3 firauenerreacub gcfdnlbcrt. Qie Hälfte ber 9lns
fiebler ift franf unb fein San veracht, bafe nicht gwei
bi3 acht £obte begraben werben. 63 herrftben 5D?a-
fern unbSumvffieber; ba3 'Hieb wirb mitten in ber
Slnfieblung gefchladftet unb bie Üeberrefte verfaulen
am $lafce, fo bafe bie 8uft verpestet ift. fßerfönliche
Sicherheit exiftirt nidft, ba bie ^Regierung fidj noch
in feiner 2Beife um bie neue9lnfteblung geflimmert
bat. 9)iorb unb Sobtsdftag herrscht, SRaufercicn,
gu benen mciftSßeiber bieUrjadje abgeben, finb an
oer Zageäorbnung. Uebrigen3 fllaubt man, bah
bieQiamantenfelbcr in ber Umgebung ftch noch fehr
weit auSbehnen, hoch finb biefelben mitUrwalb be=
bedt. 3ebenfaÜ3 ift ein Unternehmen bovt nicht
antuempfchlen, fo wenig wie ba$ ©pieten in ber
Lotterie.
9fm canlrppeol, einer feeartiflen Grweiteruug
beo afrifanifdien fRieicnftromtö 6onflo, erreicht
befanntlid) beffen Schiffharfeit ihrGnbe unb von
hier ait3 bi3 gur SRünbuua ber afrifauifeben SBefts
fufte hehinbern ©tromfcrmeüen unb äßirbel bie
gahrbarfeit. ©eit nun ©tanlev buvcb feine prei3-
wurbifte 9lu3bauer in mehrjähriger Arbeit eine
©tra§e entlang bem unteren Gongo bi3 gum@tan=
leppool herftellte, ift e3 auch ben 9R i f f i o n a r c n
fletunflcn, nad) jenem widjtigcn^unf te votgubringen,
von wo au3ba3 weite Gentralafrifa burcbQampfers
fahvten auf bem Gongo für ben ©tauben unb bie
&n(tur erfrfftoffen werben fenuen. 9Bie wir au3
einer Bufammenftcllung in ,,$etermann*3 ©eogras
hifdsen 'BJittbeilungen" ersehen, ist e3 bem guhrer
er wcftafrifanifchen 93aptiften=2Risfiou, 9feverenb
Gontber, aelunflen, im Oftober 1882 bi3 gtim
©tanlcvpool gu fldanaen unb hier, neben ber @ta=
tion öeopolbville, welche von ©tanlev bereits ge*
grünbet war, auf einem flefunb fldcflcncn ©ügel
feine 9Riffion$ftation gu erbauen, welche nad) bem
gerberer ber afrifanifdsen Mission 9lrt hing ton
benannt würbe, dieser Ort, hetfet e3 in ber an=
flcflcbcncn Quelle, bietet nidft nur beit vorgüglidftten
9lnferptafe am Gongo, foubent ift attdj bem beben-
tcnben^Marftplafee Öilamo bcnadibart. 9iid)t allein
treffen au3 berUmgcgcnb bie verfd)iebenen Stämme
hiergufammen, um ihre'JJrobuftc hier gu vertaufchen,
fouberu auS weiter gerne fommen bie glotten ber
Gougobcwohnet herab, um 6lfenbcin, nfte auÄ
©flauen ewaen bie von berÄtüftc einaeführten euros
päijchen (vrgeuflniffe einguhaubeln. üRtamo, ioo bie
©chiffbarfeit beS 6oitao aufhört, biltet fomit einen
wichtiflen Änotenpunft für ben ©anbei. ®urd) bie
©nlnbuufl ber Station 9lrtbinflton hoben bie
Saptiften=9Risfionare ba3 3id crreid)t, weldn‘3 fie
fid) aefefet hatten, al3 nad) ber 9tüdfehr StaulepS
von feiner ®urcbqueruna 9tfrifa3 ber flenaunte uns
erinublidse görberer ber Mission burch reiche ©aben
gut ^nanflriffnahme beS2)?ifsionowerfeS am Gonflo
aufforbertc. 9>ierunbeinhalbeS 3ahr finb erforbers
lid) flcivefen, um biefen fßunft gu erreidsen unb enb»
flilltiq gu hefefeen, unb bte©enblinae, welche Kultur
unb ©cfittunfl in baS ©erg 9lfrifao traqen wollen,
ftchen im SBegriff, eingubrinflcn in baS uubefannte
fianb, fobalb ber gu biescui B'ved erbaute Kämpfer
„9?eace" (grieben), ivelcher im November 1882 von
XSnfllanb abqefanbt würbe, am Stanlevpool eins
fletroffen unb gufammenflefefet fein wirb. 9lud) eine
fvitholifdje 9)?iffion unter fßatcr Sluflouarb ift im
begriff, am ©tanlepbool fiel) nicbergulaffeu.
@1 mul eine 9rt ffiahlvertoönbtffhöft guufchen
3rlänbcrn unb Ghincfen, genauer gejagt, guu-fdsen
xirlänbcrinnen unb Ghincfen, exiftiren, beim in
9iorbamcrifa ift bie 3ohl ber ©cirathcn gu'isehen
ben ©öhuen beS 9teid)S ber 9)?itte unb ben äöcbterit
6rin’S eine ilberrafd)enb flrofie. SBährenb bie 3^
länberin fast niemals eine Ghe mit einem SOlox*
monen cingeht unb nur in fcltcncu gälten einen
©cutfdien hcirathet, nimmt fie ohne JBiberftrchcn
einen Ghincfen gum 9D?ann. ®ic Mongolen ihrer«
fcitS geben ben Srlänberimten beuSJorgug vor allen
übrigen grauen 9lmerifaS. Go bilbet fid) auf biefe
SBeife, namentlich längs ber fiüfte bcS Stillen
DgeanS, eine bödftt eigeuthümliche feltifch=mongo=
lifche 9Mifd)liitfl3raffe, Durch weld)c bie 9)cenjchens
familie um eine neue, intereffante©pecie3 bcreid)ert
svirb.
®ie grattgoffu, tvcldje, um fid) für politische iOcifj-
erfolge in Guropa fd)ablo3 gu halten, jefct überall
in fernen Grbthcilen anneftiren, hat an Sun iS
einen fetten SBiffen erworben. 91. von ©tubciu
raud) giebt überbic8anbwirthfd)af tbeo jefet
von grau frei ch vcnvalteten ?anbeS einen bödftt
flünftigen Bericht an bie „ s U?onatofdnift für ben
Oricnt M , au3 bem wir ba3 9iachstehcnbe auogichen.
5Wad) bem 9T>interregcn brid't überall bie üppigste
SSegetation hervor unb geigt fid) berauben in feiner
ganseit llrfraft, beim nod) ift ba3 SOBort 9>oben=
erfd)öpfung fürSuniS ein unbefaunter begriff, unb
wo ber $>ftug ber ^ebuinen — ein hölzerner ©afen
— auch noch fo leidit bie Grbc rifct unb ihm forgloS
ba3 ©aatgut anvertraut, ba banft er ihm hunberts
Digitized by v^ooQie
504
djrotiik bet (Segemuart.
faltig bic geringe 93iühe unb ernennt Gritten, wie fie
felbft im Banat ben Seltenheiten geboten. Unb
Brobuftc von welcher ©fite! ‘Der Seigen fdjwer
unb hart, wie ber beite ungarifche, bie ©erfie ber
beften Brauergcrfte gleid). ?Jür ben ©ärtner ift
SuitiS ein wahres terato. ©atteln, Bananen,
9lprifofen, ^firfiche, Slepfcl, Birnen aebeiheit in
ben föftlichftcn 3lvtcn f babei gvüncS ©emüfe baS
gange Saht hinbuveh. 3it ben fchlechteftcn Sinter;
luouatcn ift baS ftliina uüe bei unS int äßat, bod)
ohne baß9ttacf>tfr6fte gu furchten wären. ©er Seiu=
bauftnbetbiegunftigitcn^atuvbebingungen. 92ichtS
— feilt Jyvoft, feilt ungeitiger Regelt — hinbert bei
un unteroroeben wolfenlofem©immel bie 3eitigung
bev Sraube, bie fdjon 3lu?angS3Hai beginnt. Sas
Smtber, bafi bie tuncfifchcn Stauben, bie lebhaft
mt bie Oiblifchen beS gelobten 8aitbe3 erinnern,
Süße unb Sohlgcfdwtacf halben ttub fie gum föft=
lichften Safelobft machen. Sabafbau, bie Kultur
beS 9KaulbeerbatimeS unb bie Seibeitgud)t ftitbcit
hier eine herrliche Stätte. Unabfehbare Oelbamn-
Pflanzungen beefett bie^tücfen vieler ©ügel unb bil¬
den eine ©atipteinnahme beS 8anbc3. ,,©aS ©c;
fagte gießt einen Begriff von ber GntroicflungS;
fähigfeit biefeS SanbcS unb läßt annehmen, baß
bereinft bent fleißigen unb intelligenten 8anbwirthe
unb Öärtner in Sun iS fogujagen baSSolb unter
ben ©anbcit wachten werbe unb berfelbc um ein
reichliches 9luSfommen nicht gu forgen brauche, wenn
er nur über bie icfct noch fchlenben meitfdilichen.
3(rbeitSfräfte wirb verfügen fönnen." 2ld), muffen
nur bei folcher Schilbcrung auSrufen, wann wirb
unfet SSaterlanb einmal nach einem jold)cn Canbe
greifen? 9Jöthig haben wtr’S wahrlich!
\fk mty ttoih in brrGrinnermtg, baß im Sin¬
ter 1880 auf 1881 ber vielgcwanberte ©erharb
DtohlfS ftd) nach 9lbcffinien begab, um beut Be*
Iwfcher biefeS ?UpenlanbeS unter ben Sr open einen
SÜrief unfereS ftaiferS Silhelm gu ttberbringen.
SHohlfS war hierzu gang bei* geeignete 9Rann, hatte
er Voch bereits unwahre 1868 ben britifchcnftelbgug
gegen ben blutigen SheoboroS oon 91befüuicit mit=
gemacht uub war et bei Eroberung ber jjclfcnfcfte
uNagVala gugegen gewefen. Gr hat ießt feine
9teiie=Sr(cbniffeiu einem bet BrocfhauS erfchiencncn
Serie gefchUbert, welches ben Site! führt: „3)ie i ne
äNtffion nach Slbeffinicn". ©S ift mit einer
fein* fpegielleit starte fowie vielen hödjft charafteri=
ftifcheu 9lbbi(tmngeit oon bem abeffiitifdien Hofmaler
„Sauber verleben unb lieft fiel) fehr angenehm, Bor*
herrfchenb ftnb bie persönlichen Gvfebnifje uub?lben-
teuer, böchft werthvoll eine ncuefte ©efchid)te 3lbef=
ftitienS tu beu lebten fünfgehn fahren, bie gtnneift
nach Angaben beS gegenwärtigen ftaiferS 3obanne3
gefchrieben ift. SBohlfS ift hochft ehrenvoll oon biefem
buitflen ©errfdter empfangen worben, ia er erhielt
fogat ben Auftrag, gwifchen 3lbeffinien unbGgppten
griebeu gu ftiften, benn beibe9?eid)e befinben fiel) biS
gum heutigen Sage int ftviegSguftanbe. ©ie egop=
tifchcn Armeen, weld)e nad) 3lbeffinien vorbrangen,
würben vernichtet — trobbem vermochten aber bie
Sieget nicht ihren heißesten SBuufch, bieGrlangung
ber Füftenlanbfchaft am rollten 9Meere mit bem
$afen äWaffaita, bitrd)gufeben. MohlfS geigt aber
gang richtig, wie eS ein 9(ft ber ©evechtigfeit ift,
Slbeffiuicn biS anS 9Reer Vorbringen gtt laffcit, benn
nur fo, int engen ©anbclS^ unb?|bceuauStaufch mit
europ&ifcbeu Mächten, unhehinbert burch moham=
mebanifche Giferfüchtelei, permag biefer chriftlichc
Staat ftd) gu entuücfelit. Srob ber gro&ci -?(bge-
fdnebenheit unb fchweren 3»gänglid)feit beSranbcS
finbet SJohlfS, ba§ baffelbe einen großen Sfovtfchritt
iit ber lebten 3«it geinadjt hat; curopäijd>erGinfIufe
mad)t fid) überall gelteub. S)ie ?lrmce ift iefet eine
Pöllig anbere alS früher: gange, ben Ggnpteru ab=
genommene Satterieu unb Saufeitbc pou 'Jteming^
toii'©ewehreu auS gleicher Ouellc Ttub porhanben.
ftreilid), bie chriftlichc Meligiou ift bort erftarrt, aber
gang fo fdilimnt, wie bie meiften früheren "Jteifenbcn,
finbet DtohlfS bie abefnnifche©eiftlid)feit nid)t. Gr
inacht uns wenigftcuS mit ehrenooden 3(uSuahmeit
hefannt. Sei feinem Gintritt auf afcffiuijcheS (Sc¬
hiet würbe er in Safeu pon ber OvtSgeiftliddcit be^
rügt; bie Scene, bie fid) habet entwicfeltc, fdülbert'
er Dteifenbe folgcnbcnnaßen: „Sangfant, in feiere
lichein Schritt, ramen bie 2)icner ber abcffinifdwn
£ivd)e heran, alle im Ornat, ©er erfte mit einem
monftrau.g=ähulidKn©eräthc, ber aitbere mit einem
£reug, bev brüte mit einer fiirchcnichcllc, ber vierte
mit einem feibeneit Fähnlein, im ©äugen etipa
•brei&ig^crfonen, jfnaoen uub üRotichc inbegriffen,
lefetere mit gelben ßäppcheu uubficbcrmänteln. Jm
©albfreiS ftanben fie vor meinem 3cltc uub begann
neu Sitancicn gu fingen, ja, fie taugten fogar unb ich
mochte ihre babei gemachten Bewegungen feine?-
lpegS auftäitbig neunen. 3d) ließ enblich bemOber=
prieftcr einige Shaler reichen, loorauf er eine lange
5Hcbe hielt: „Sir ftttb nidit beS ©elbeS wegen ge-
fomnien, foitbern um bie 9(nfunft elneS weither-
gefommciien ©laubcuSgenoffen gu feiern." 3d) et-
wibevte: ,,©aS G)elb fei nid)t für fie, fie möchten eS
ben kirnten ihres Spre^gclS geben." ©ie gange
©cfcllfdjaft fing an fich gu jefcen unb von neuem gu
fingen. Sie ber ©olmctfch mir angab, fangen fie
iefet mein Soblieb." 3luf Befehl beS ftönigS
hanncS haben fid) afleüKohainmcbaucv in 3lbcifinien
taufen laffcit müffeit unb, wie auS beit Berichten
poit 9io()lf‘3 heroorgeht, hohen fie fich willig barcin
gefügt. 9(bgefehen pon einer 9lngahl 3nbcn (ga=
lafcha) ift 3lbefftnien ießt ein glaubenSeinhcitlichcS
8anb. Guropäifchen 3Biffioiiareit ift ber Gintritt
verweigert; fie wirfen baher an ber ©renge unb
9tohlfS berichtet fowohl über bie fraugöüidvfotl'o-
Iifcf>c Sagariftenmiffion, wie and) überbte evangelifcfc
fchwebifche bei 9)?affaua. 8e($tcre wirb vielfach ge¬
lobt. 3u ber von bem Brubcr 8uttbal unb ^ratt,
fowie Pon brei biS vier anbereu perheiratheteu 9)?i}=
fiouaren geleiteten 91nftalt werben augenblicflidj
gegen hunbcrtutibfünfgigabefunifcheÄiiibcrergogen.
GS ift eine Sreube gu fehen, wie bie «Q(einen, im eiltet
von gwölf biS fünfgclm fahren, gebeiheit unb wach-
feit. 9l((e Khftufungcn ber ©autfarbc von gelb biS
fdjwarg finb vertreten. 9(u6cr höheren ftertigfeiteit
tm 8efeit, Sd)reiben, 9?ed)itcn utti§ jcbcS ftinb irgenb
ein ©anbmerf ober eine ftunit lernen, ©icr loevbca
bie 9}?äbd>eit tm Striefen, 9?ähcn, bort bie ft nahen
im Schuftern, ©rechjelit unterrichtet. 9llle fin^
reinlid) unb etiropäifch gefleibet, uub bah bic Gr-
nährungeiite vorgüginhe tutbbenftlcincn angepaßt
fei, braucht wohl fautn gefagt gu werben. (Sine mit
einer Keinen Orgel verfchene ftapclle bient bagu, in
ben ?lbefuniern baS G)efühl unb bie Siebe für bie
chriftlid)c Religion wachgnhaltcn.
Di§itized
byl^oogle
Digitized by
f
DigitizeeHsy v^ooQLe
t* r ;
C* ■- ■
iS 1 w :i • -
e-
1 +
' J'
4..- ^ ■
v ! " i h ; 1 f i! It r i r t > - -
ITffti’t ?.‘»uni>.
AfA >
i \
V 7 " u ‘ ‘ r ' ,r lv '
r A
,£
u f •;■*:
:--ui •
>’ . '!ia> In* ;• *•
r * • - i -ri..-
^ ‘i •• " t'f(! u
\ r ' « . JI.'
An - t ,
1. - . i n ‘ i
5 •. 1 •.' **•
v- : . *
! ■ * - m !•' • V’ • * ■
r. i‘ k ?: ♦ r
V >*lC 'H.IU,
; ' ix& ' y ” ' ' *•• -v
. ; ^ - 1 - ; • *• v
± j4^ «w. ‘’ikr'i..’- ** " * ;u
' " y.' r : : . t ’* • • • ■ .. * ?>'■"
, . rj i ■-:* *bc Af ü..• '
- \ tl 1 " ' t * !. ''
V 1 f«. iHl \\\ ' 5 1 ■' iH'.-
ii 1 '“- >:$v ? , i K‘ (x.a vi ' ; •* y*’ .
'mvbeii, cic o >! ‘ •. • f .
u\ :ir*r iiMUa, ' ■'•: *!'■..
7 i’i'.ov 1 U'P ■ h'o
: ■ mc! r ; ii b.'Ai' Z »0', i! v : •• r . ,, - 1 £*, » A
M - '\\i tir ‘Mt. o;-> )*? r.iM.) ' V
i ' i .1** .*• *> *P*. -JO UM- '!§>.*» H’ü
(,;, i *\ b *’'• \ii u:; y . ir-v'* v.u. •:
1 71 v 4 T „V A. tl *'■ MM !; v t ' !:■' Lu,., 1 ; ‘
Digitized by M,ooQie
Digitized by v^ooQie
(Sin illuftrtrtre lamilienblatt.
giftet 24atti>. ^ctoßer 1S83. $el}ufes ^eft.
Wer tat dar Aexmbtel
801 t Ättbfcifl Soflfl.
5 tpar ein reicher, reicher Vflann;
Don purpur unb pon Selbe
3 P fein (Semanb; er lebt
(Eagtäglid? fjerrlicfy unb in ^Jreuben. —
(Ein armer IHann mit Hamen £030015,
£ag pon (Sefcbtpäreit tief 3ernagt
Dor feiner (Etjür unb fletjt mit (Efjränen
Hur um ben Abfall pon ber Heießen (Eifdj,
Den Junger 311 ftiüen. — Die t?unbe naffn
Unb linbern lerfenb feiner Sdjtpären Pein -
Der Urme ftarb unb (Engel trugen itjn
3 n Ubram’s Scfyoog. Der Heicbe jtarb,
Ulan legt ben £eib in feine jto^e (Sruft,
§ur £)ölle fäfyrt ber (Seift. —
futljer unb fein
Son «Ubert Mieter.
ur.
S wäre wohl eine banfbare 9ltif»
flabe, eingebenber ben 6influf( 311
unterfingen, ben fintier auf baS
beutfdje £>au3, auf baS beutfetje
Familienleben auSgeübt bot. 63
wäre ba ju reben Don feiner Sibel»
überfeßung, bie baS befte £)nu36ucb beS beulfc^en
SBolteS geworben, bie am 9Jtorgen unb 9tbenb
unb am Sonntagnadjmittag bie ©lieber beS
£aufe3 311 einer Sorlefuitg um fidb berfammelte
unb Dtel Segen unb Üroft in bn3 beutf^e £>au§
gebraut bat. 68 Wäre 311 reben Don SutberS
Siebern, bie in bem £erjen beS gangen SöolfeS
ein freubigeS 6<bo fanben unb nod) finben, unb
Don Denen ber 3efuit 6onjeniu8 fügte, fie hätten
87
mehr Seelen berfiibrt, als SutberS Streitfdjrif.
ten unb ^ßrebiaten; Don bem (leinen ffatednS.
muS, ben bie UJhitter bie fJinber lehrte, unb ben
na<b SutberS ÜDleitiung ein fcauSDater mit fei.
nem ©efinbe treiben füllte; bon ber fiauSpoftifle,
Deren ^rebigten bis auf unfere Sage in Familien
Dorgelefeu worben finb. 63 wäre 311 reben Don
SutberS eigenem bäuSlidjen Sehen, baS bei ber
großen SSerebrung, mit ber man in ben ftreifen
feiner Anhänger auf Sutber fab, für baS beutfdjje
SSolf Dorbilblitb geworben ift; eS märe 311 reben
Don bem berfönlidjen Serlebre, ben Sutber mit
fo Dielen gfamitienfreifen unterhielt. fKit ihren
Süuben, ihren ©emiffenSqualen ober mit aller,
lei £>ergenSanliegen (amen gar Diele ju ihm; er
Digitized by (^.ooQie
506
Pr. futijtr unb fein Parbier.
fotlte 9tath unb 2roft gewähren. Unb wer nid^t als ihn hierauf ber Seiftet barbieret hatte, ba
perfönlicf) bor ihm erfreuten tonnte, ber bat gog er feine heften Äleiber an unb hing fein gül*
brieflich um SutfeerS Seiitung über irgenb ein ben flleinob an ben £>al§. 2a fallet ber SBar*
SBorhaben, um feine Uuterftüfeuug bei einem ge» bier: Herr 2oftor, baS roirb fie ärgern. Suther
Wagt erfdjeinenben Unternehmen, um feinen fagt: 2arum thue ich’S auch, Sie haben uns
Statt) unb 2roft in allerlei Kümmerniffeii. So mehr beim genug geärgert, man muß mit ben
e§ galt, einen Ufergweifelnbeit aufgurichten, einen ©chlangen unb fjüdhfen alfo banbeln unb um*
3rrenben auf ben rechten Seg gu bringen, ba gehen. 2a antwortet ber Ukrbier: Stun, Herr
Wanbte man fich an Suther unb gwar nie ber» 2ottor, fo gehet hi» in ©otteS fffrieben unb ber
geben». 2.roh aller UlrbeitSlaft, Ite auf feinen Herr fei mit euch, baß ihr fie belehret. 2r. Suther
Schultern lag, liefe er leinen unberatljen, feinen aber fpradj: 2aS roill ich nicht th«n; aber baS
ungetröftet. Sohl flagte er einmal: ,,3d) werbe fann wohl gefchehen, bafe ich ihnen ei» gut Äa=
mit Briefen boit allen Seiten überhäuft. Ul Ile pitcl lefen werbe unb (affe fie fahren." Unb hoch
unb jebe meinen, nur ihre Uln liegen feien eS, bie machte Suther auf ben päpft liehen ©efanbten
bet müfeige Suther ju beforgen hübe, unb fön» einen folgen Sinbrucf, bafe biefer fpäter einer
nen nicht warten, fonbern meinen, es müffe gleich ber eifrigften SBefenner beS SoangeliumS unb
ein Srief wieber ba fein, fobalb fie nur ben Der unerbittlichften ©egner beS ^apfttljumS
ihrigen abgegeben haben. 3<h fann ja bo<h würbe.
Wahrhaftig nicht als ein eingiger alle Uln liegen Seifter tretet hatte bei feinem fleifeigen Um*
aller allein unb plöfelicfe gugleid) auSrid)ten." gange mit Suther Wohl oft erfahren, welche
Ulber fonnte er auch nicht alle Ulnliegen fo fchneU Straft baS ©ebet SutljerS hatte, wie eS ihn er»
erlebigen, als bie Sßittenben eS wönfcijten, er that muthigte unb tröftete, Wie eS ihn in ben ferner»
eS bod), fobalb er 3eit bagu gewann. ften Stunben aufrecht erhielt. 2a wünfdjte ber
Sie Suther mit Seuten au» bem SSolfe gu Seifter, bafe auch er fo gu beten Perftünbe, unb
bertehren pflegte, bauoit geugt fein ffierfehr mit er bat Suther um eine Ulnweifung gum ©ebet.
feinem Sarbier, bem Seifter Sßeter gu Sitten» Suther war gern bagu bereit, unb weil er meinte,
berg. 2emfelben wirb Pon Stangwalb, einem bafe eine foldje Ulnweifung auch anberen erwüitfd)t
bet Herausgeber Pon SutljerS 2ifd)reben, baS fein fönnte, fo liefe er baS burdj Seifter Meters
3eugnife auSgefteHt, er fei „ein frommer, gotteS» Ulnreguug entftonbene fleine Scpriftcheu brnefen
fürchtiger Scann gewefen, ber ©otteS - Sort unter bem Sittel: „6ine einfältige Seife gu
gerne gehöret, gerne baPon gerebt unb Piel um beten, für einen guten ffreunb, Sei ft er Bieter
2r. Sartin Suther gu fein pflegen." Suther SSnlbier. 1534."
nennt ihn benn auch in bem Sittel eines fpäter 2ie Schrift beginnt mit ben Sorten: „Sie»
»t etwähnenben Sd^riftc^enS feinen „guten ber Seifter tpeter, ich geb’S Such fo gut als ich’S
•öfreunb". habe unb wie ich mich fclbcr mit beten halte.
lieber ein ©efprädj SutfeerS mit Seiftet Sjßeter Unfer Herrgott geb Such unb jebermann, eS
Wirb uns berichtet aus bem 3ahre 1937. 3n bcffergiunochen. Ulmen." 2ann berichtet Suther,
biefem 3aljre berief ißapft USaitl II. ein ßongil wie er fclbft fich gum ©ebet anrege, iubem er mit
nach Santua. tBorljer aber hatte er feinen ©e» feinem tpfälterlein in bie Kammer laufe ober gur
fanbten U3aul SBergeriuS nad) 2eutfd)Ianb ge» 3 e 't eines ©otteSbienfteS nach ber Hircfee gehe,
fanbt, um mit ben dürften über ben Crt beS bie gehn ©ebote, ben apoftolifchcu ©latiben,
ftongilS gu unterhanbeln. Sei biefer ©elegen* Sprüche Gljrifti, Sjßauli ec. bei fich iwruehme unb
heit traf ber päpftlicfee ©efanbte in Sittenberg betrachte, bis baS H«rg warm werbe unb gu fich
auch mit Suther gufamnten, benn er hatte gegen felbfl fomme, hauptfädjlich ratf) er, bem ©ebete
ben Äurfürften, auf beffen Schlöffe er wohnte, ben Ulnfang unb ben Scfelufe beS StageS gu wib»
ben Sunfch auSgefprochen, bafe gur Sahlgeit men, weil einen ben Stag über leicht bie ©efchäfte
and) Suther gugegogen werben möchte. 2a he* nicht bagu tommen taffen, unb man Doch ja nicht
richtet benn nun ein 3 f 'tgenoffe: „Ullsbalbben Pom rechten ©ebete fich entwöhnen bürfe, ob*
©onntag frühe hat $t. Suther nach feinem gleich bei einem gläubigen, gotteSfürchtigen
SBarbiet gefdjidt, bafe er ihn barbieren unb Senfehen auch bas Sprichwort feine Sahrheit
fchmüdfen follte. UllS ber SBarbier tomnten ift, habe: „Ser treulich arbeitet, ber betet gwic*
hat er gefagt: Herr 2oftor, wie tömmt’S, bafe fältig." 2ann'geigt Suther, wie ber ©etenbe
3h r eudh fo frühe wollt barbieren taffen ? 2a ben Inhalt ber eingelneit Sitten beS SßaterunferS
antwortet 2r. Suther: 3d> fall gu beS heiligen weiter in ©ebetsworte faffen möge; er fügt aber
IBaterS, beS tßapftS, SSotfehaft fommen, fo mufe biefen Umfehreibungen ber fieben Bitten hingu:
ich mich laffen fc|müc!en, bafe i^ jung feheine, fo „2u foDft wiffen, oafe ich nicht will biefe Sorte
wirb ber Segat benten: Si ber 2eiifel, ift ber alle im ©ebet gefprocfjen haben, bennba würbe
Suther noch fo jung unb hat fo piel UngliicfS boefe gutefet ein ©eplapper unb eitel lebig ©e«
angerichtet, was wirb et benn noch tfeun ? Unb fifewäfc barauS, fonbern ich tuiH baS H tr J bamit
Digitized by v^ooQie
Pr. futptr unb fein Sorbite.
507
geieigt unb unterrichtet haben, was es für ©e»
bauten im ©aterunfer fajfen foH. Solche ©e«
bauten aber tann baä^erj, wentt’S recht enoarmt
unb ju beten (uftivl ift, tooht mit biel aitbern
SBorten, auch wopl mit weniger ober mehr 2öor«
ten auSfpredpen; benn ich auch feCbfi mich an
folche SGßorte unb Silben nicht binbe, foubern
heute fo, morgen fo bie ©Sorte fpreepe, bnitudp ich
roarm unb luftig bin. ffomntt Wohl oft, bafj ich
in einem Stüct ober Sitte in fo reiche ©ebnnten
tontme, baß ich bie anbern fedps taffe alle an*
flehen. Unb wenn foldpe reiche, flute ©ebanten
toinmen, fo foü man bie anbern ©ebote fahren
(affen unb folgen ©ebanten Staunt geben unb
mit Stille 311 poren unb beileibe nicht ptttbern,
benn ba prebigt ber heilige ©eift felbft, unb ein
2Bort feiner ©rebigt ift beffer, benn unfereS ©e»
beteS taufenb."
ffion ber ©nbadpt, bie bei bem ©ebete üor allem
nöthifl ift, fagt Sutper mit befonberer Dtücffidpt
auf ben gfreunb, für ben er fein ©ücplein ju*
nächft fchreibt: „©leidpwie ein guter, fleißiger
©albierer muß feine ©ebanten, Sinne unb
Slitflen gar genau auf baS Schentteffer unb auf
bie öanre rieten, unb nicht bergeffeu, Wo er fei
im Strich ober Schnitt; wo er aber sogleich will
biel plnubern unb anbersmopin betitelt ober
glitten, follte er wohl einem Stau! unb Stafe, bie
ffeple bagu abfehneiben. Stlfo gar will ein feg«
lieh 'Sing, fo eS wohl gemacht foü werben, ben
©tenfehen gans haben mit allen Sinnen unb
©liebem, wie man fpriept: ©Ber mancherlei
beuft, ber beitft nichts, macht auch nichts ©uteS;
wie bielmehr will baS ©ebet baS £>ers einig, gans
unb allein haben, foH’S anberS ein gut ©ebet
fein."
Stach ber (Betrachtung beS SaferunferS wenbet
ftep Suther su ben sehn ©eboten, bereu jebeS er
in bierfacher ©Beife su betrachten rätp. 6 r fagt:
„SfBeittt idp aber 3eit unb Staunt habe nach bem
©aternofter, fo thue ich mit ben sehn ©eboten
auch alfo unb hole ein Stücf nach bem anbern,
bamit idh ja gntts lebig werbe, fo biel eS möglich
ift, sunt ©ebet unb mache aus jeglichem ©ebot
ein bierfadpeS gebrepteSffrünslein: ©iS, ich nehme
ein jegliches ©ebot an sum erften als eine Sehre,
wie eS beim att ihm felbft ift, unb bebente, was
unfer #err ©ott barin fo entftlich bon mir for«
bert. 3 l, m anbern mache ich eine $anffaguitg
barattS, snm britten eine ©eichte, s»nt bierten
ein ©ebet."
©in Schluffe ber nun folgenben sehn ©etrach»
tutigen fagt Sutper wieber: „©in gut ©ebet foü
nicht lang fein, fonbern oft unb lebenbig. 3 ft
barunt genug, wenn bn ein Stücf ober ein hal¬
bes fauitft triegen, babon bu in beinern fersen
ein fjeiterlein fannft anfchlagen." 3 u(eßt lehrt
Sutper noch eine einfältige SBeife, bie brei ©r-
tifel beS ©laubenS 311 betrachten. 3 n Summa:
©S ift ein herrliches ttttb föftlidpeS Sdhriftdhen,
baS Sutper feinem ©arbier ju Siebe berfafet hat,
unb es wäre mopl wert!), baß nodp heute mancher
fiep barein oerfenfte unb attS ihm lernte, „eine
einfältige Söeife, su beten."
©ußer biefent Scpriftcpen enthalten SutperS
©Berte audp noch ein türscreS ©ebiept, baS Sutper
feinem ©arbier gemibmet pat. ©S wirb näm¬
lich uon ©teifter ©eter berichtet: „$)erfelbc pat
pflogen, biel unb oft bon beS STeufelS Sift unb
©ewa It su reben unb pat immer su fagett pflegen,
er wolle ein groß ©uep babon unb bawiber feprei«
ben, bamit fiep ein feber bafür wüßte su hüten.
©S pat aber $r. ©tartin Sutper, als ber ben
Teufel beffer gefennet, bosttmal erntelbtem ©iei=
fter ©eteru folgenbe fcpöite Uteime banebeu einer
Jitrseit ©uSlegung beS SprudpeS 3op. 8 , 41:
®er Senfe! ifi ein ©törber bon ©tifiing tc. sur
©Öarnung mit feiner |>anb in ein ©udp gefdprie«
ben." Sutper mag feinem ©arbier Wopl sttwei-
len ein Grentplar einer foeben erfdpienrnen
Scprift gefdpeutt haben, unb ein foIcpeS berfap
er alfo mit ben ©erfen, bie ben feiner Sadpe
fepr fidpern ©arbier warnen follten. Sie ©erfe
felbft lauteten:
So fcharf mirb niept merbett ein ITtann,
Der ben (Teufel g’nug fennen fann.
<£r pängt ihm boeb ein Schlappen an
Unb mirb ihn niept 3ufrieben lan.
<£s fei benn £priftus bei ber Banb,
Der pat bas Spiel ibin gar gemanbt.
Sonft ift’s mit uns fürmapr oerlorn
IPie oiel mir ITtenfrben fhtb geborn.
(Er macht fiep 31t birf unb breit
Unb meiß 3UDor, baß alles bereit,
XDas lUeifter peter jeßt gebenft
Unb hart fiep miber ihn befränft
Daß er ein Such mill fcp reiben groß
Unb ben (Teufel nicht laßen los.
<£r benft: 3<P färeijt mich nicht fo fepr
Diesmal tor folcper neuen Ulär;
3cb pab’s mopl epe fo fauer gefepn
Dor ihm mill i<p auep noch beftepn.
3* bleibe boep ein ^iirft ber IDelt
©bs gleich euep «Tpriften niept gefällt.
Der große £jaufe bei mir fiept,
ZTad) eurem tDillen menig gept
Unb roer ba mill, .ber 3eig mir an,
©b etma fei gemefi ein Ulann,
U?ie peilig, groß unb flug ber fei,
Der ror mir möcpte leben frei
Unb ohne Schaben entlaufen mir,
<£s märe benn einer ober oier.
Der feiner Uteifter peter peifit
IDas gilt’s, mein Reich bepält bas meifi?
So troßig gar ber (Teufel ift
Doll aller Scpalfpeit, (Tiicf unb tift.
Digitized by v^ooQie
508
gtbraud) unb JHißbrauig gomiletifdjer Hilfsmittel
Dag Dietger peter and? wohl barf
^nfegett in ber Sadjert fdjarf,
Dag er it?m nid?t jeig einen (Eüc!
Unb bring it?n aud? in groß Ungliiif.
<£r t?ats piel mel?r Seuten gett?an
Denn immer jcmanb 3ät?len fann.
Darum fo ijl gier Selens Seit
Der Ceufel ift polI (Srimm unb Heib. .
©ie fegr Cutter redt)t gatte, menn er ÜJteifter
Ißeter bor aDjugroger ©idgergeit warnte unb
igitt mitiifcgte, baß ber Dettfel nidgt igtti felbft
feine Diicfe ertoeifen unb ign in großes Unglütf
bringen mödgte, baS erwies fidg fdgon ein ?faßr
nndg biefer ©arming. ÜJJeifter fßeter fdgeint
nämlicg eitt fegr iäggorniger SJtann geroefen ju
fein, unb fo wirb benn in SutgerS Difdgreben
beridgtet, Sutger gäbe am 12. September 1538
erjäglt, wie 5J?eifter HJeter feinen (Sibatn, ber ein
Sanbsfnedgt gemefen, in feinem Haufe erftocgen
gäbe, unb wie ign alfo ber Teufel bejaglet.
AägereS über bie Urfacge biefeS HJtorbeS gaben
mir nidgt ju ermitteln nermodgt, aucg über ©ei*
fter Meters fpätereS Seben bermögen mir weiter
nidgtS beijubringen, als WaS ©tangroalb itt fei»
tter Ausgabe ber 2 ifdgreben anmerft: „©egen
biefeS fdgrecflidgen IDtorbeS ift er fonacg mit 8 e*
gnabung bes SebenS oermiefen worben unb enb*
lidg an einem fremben Orte mit gerjlitger 8 e«
rettung feiner ©ünben cgriftlicg unb feliglitg ge*
ftorben."
MtH)tt0rr debraud) unb Bliffbroudj Ijomiletifdjer jilfrmittd.
«bitor.
-Sr
1 '' _ ? <r
unferen eigenen Augen gefegen gaben? ffiir
werben biefer grage gegenüber auf unfere innere
ßrfagrung, fowie auf bie geilige ©dgrift gin«
weifen, womit aber bereits ber ©ertg mettfdg*
lidger Hilfsmittel angebeutet ijl, benn eine gute
Sibelerflärtmg barf wogl in gewiffent ©mne
ein gomiletifdgeS ©erheug genannt werben.
Aebftbem aber, baß mir aus bem ©dgahe
unferer ©rfagrung, fowie bem ber geil, ©dgrift
*u 3 eugen gaben, barf nie bie Aufgabe ber
fßrebigt betgeffen werben, baS ganje Utenfdgen«
leben 311 erleucgten — 3 ur ©agnting, gur Strö*
ftung, 3 ttr 3üdgtigung in ber ©eredgtigfeit. Die
5ßrebigt foU nidgt allein seugen baoott, fon*
bem ii bezeugen, baß in Ggrifto 3 efu ber ©eg
beS SebenS ift. ©äre baS bloße 3cugttiß nur
erforberlicg, fo braudgte man sur tßrebigt Weber
SBegabung, nodg ©tubium, ttodg Hilfsmittel.
Aber baS Uebezeugen ift eine fo fdjmere
ffunft, baß baS 3*ugniß allein in unferem tri*
tifdgen 3 e 'talter ben bergärteteit ©enfdgenger 3 en
gegenüber nicgt immer burdgßglägt; fo große
©irfttng baS eittfocge 3fiigttißgebett audg ftgon
gerborbradgte, unb fo goeg Wir eS audg fdgajjen.
©it biefen üßorberfiißen bie ©idgtigteit meitfcg«
lidger unb audg gontiletifdger H'lfSmiitel aner*
fennenb, treten mir ber Aufgabe näger, inbem
bor allem bie geil, ©dgrift felbft, fowie gute Aus«
legungen als gomiletifdge Ouetlen be 3 eidgnet wer*
ben, mit meldgen faum ein fDlißbraudg getrieben
werben fann. AnberS bergölt es fidg mit fpecieU
b a 3 u berfaßten ©erfen, bem Ißrebiger bei ber
Ausarbeitung ber Ißrebigt begilflidg 3 U fein —
alfo fogenannten ©fi 33 en, DiSpofitionen unb
auSgefügrten Ißrebigten.
te gier gefteUte
Aufgabe ift of*
fettbar eilte rein
praftifdge. AIS
folcge gebettfe idg
1 biefelbe 311 beganbclit, tittb werbe
aus oollem Bergen unb lang*
fögriger (Srfagrung unb 9Je»
obacgtung gerauS baS bieten,
WaS mir als baS augemcffen
©icgtigfte crfdjeint, ogtie im
©eringften meine gefammelten
Anfdgauungen als für Attbere
maßgebenb ginfleQen gu wollen.
Ilm beit ©ertg ober llumertg,
©ebratttg ober ©ißbraudg go*
miletifdger Hilfsmittel allfcitig
«ran unb ricgtig 31 t beurtgcileit, gilt
* es bor ollem auf bie ffrage:
V WaS ift bie Ißrebigt?
eine flare Antwort 3 U finben.
©irb barauf geantwortet: Die Ißrebigt ift
ein 3 eaguiß, fo bin idg bamit einberftanben;
bleibt man jebodj babei ftegen, fo märe bieS eine
fegr engbegrenste Definition. Denn menn ein
3eitgniß abgelegt werben foH, muß etwas 93e*
3 eugteS unb ein 3 eu Ü e botganben fein, mobttrdg
alsbalb bie (frage entftegt, ob benn wir als bie
3eugenben, baS was bejeuflt wirb, mirllitg mit
—Digitized by^ VjOOQlC
tfrbraudj unb Stipbraud) potnilrtifd)rr Hilfsmittel.
509
2) i e f e föttnen fepr mifsbraudpt
m e r b e n.
Unb gtoar gunt erften burcp maffenweife, un«
auSgemäplte SHnfdpaffung berfetben. itein 3weifl
bei ipeologifdjen Literatur weift fo toict ©cpunb
auf, al« ber pomiletifcpe. SBeinape jeher tleine
jßfarrperr in 2)eutfcplanb glaubt bie Sfflelt mit
feinen ifangelprobuften beglüden gu müffen,
unb geminnfüdptige englifdpe unb amerifanifdpe
3hidppäubler überflutbeit ben ÜJtarft mit gufam«
meugetlatfcptem 3«ug.
2Ber nun ^ier frifdpmeg gugreift unb ohne
SluSmapl einfauft, ber begept fd^on botnemeg
einen fÖtihgriff, welcher ibm mobl eine leere
Äajfe, aber burdpauS feinen bereidberten ©eift in
ÄuSficpt jteflt. ®enn anftatt inidb bon bem ©e«
fammtroiffen, namentlidb bem tpeologifdpen,
anregen unb beben gu laffen, mürbe idb mittelft
foldper 93erfaptungSmeife nadb unb nndb eine
uRufterfarte einfeitiger unb oft mertbiofer Site«
ratur um mi(b berfammeln, welche fo bunt aus«
fäpe, wie bie beS meilanb beut [eben Reiches, unb
midp gemih in ben engen ©rengen bomiletifdber
ftleinftaatlerei gefangen hielten. Wäbrenb eS
mein 93orredpt ift, pinauSgutreten auf bie Hocp«
macht ber 2öelt, um bon allen ©eiten gu
empfangen, was bie beften SRenfdpen mir bieten.
©inen ©djritt weiter gebenb, ftofien wir bem
Hörenfagen gemäfe — benn aus ©rfabrung
fenne idb bieS niept, glaube auch nicht, bah einer
meiner lieben Sefcr fidp biefeS DRißgriffS fcpnlbig
macht — auf ben 9Rißbrau$ beS SluSmenbig«
lerttenä einer fremben IjJrebigt. 9Rit getreuem
©cbäjhtnih nuSgeriiftete SRannet hätten fdbon,
fo wirb berichtet, baS ßangelprobuft Slnbcrer
SDJort für 2öort auSmenbig gelernt unb h e r =
gefügt, benn mit einem anbern 2tuSbrud fann
ein berartigeS ©cpaufpicl faum bezeichnet tuer«
ben, über welches einer einft fdprieb: „3Rit
SlblerSgefieber flog er gum Fimmel; mitSRaufe«
gefrächje fam er herab."
Cefters als biefe grobe SSernüßung frember
©ebanfen, Einlage unb ©pradpe bürfte wohl,
ohne gehöriges ffnficpnufnepmen, bie Senüpung
eines fremben ©ntmurfS borfommen, meldjem
felbftftänbige ©ebanfen angehängt werben, ©ol»
cpeS Verfahren fommt mir »or, als wenn ich bie
SÜBeicptpeile meines ftörperS über bnS ffnodjen«
geriifte eines anbern giepen wollte; währenb bie
entgegengefepte mißbräuchliche SRetpobe, welcher
gemäfe in ben eigenen ©ntmurf frembe, unoer«
baute ©ebanfen hineingetragen werben, bie um«
gefeprte 3(Iuftratiou anbeutet, nämlich — mein
eigen ©erüfte, an welchem SBeidptpeile angeflebt
finb, bie burdpauS nicht auf jenes paffen.
$afj bie eine ober bie anbere biefer SRetpoben
SRißbrauch ber pomiletifchen Hilfsmittel ge«
nannt werben muß, bariiber werben mir alle
inSgefanunt einftimntig fein. 2)enn anftatt baS
reiche pomiletifcpe Material gur ©ebanfenfamnt«
lung unb ©ebanfenoerarbeitung, gur (Erlernung
richtiger, gmedaemäher fDietpoben, gur ©elbft«
erbauung unb Anregung gu benüpen, wirb baS«
fetbe in foldper SBerfaprungSmeife ohne 9tifimi«
lation bloS äußerlich berbraudht. Ober in anbe«
ren Sßorten: bie geiftigen Ißrobufte anberer
werben auf bem medpanifdpen Sßege gu einer
ÜRafdpine gufammengefept.
SBie nun Riemanb läugnen wirb, bah foldp
gönglidp unnatürliche unb fidb wiberfpreepenbe
Söenüpung pomiletifdper Hilfsmittel JRißbraudp
gu nennen ift, fo werbe ich «udj faum auf 2ßiber«
fprudh hohen, wenn ich f«ge, baß fiel) foldper
fötihbrauep früher ober fpäter, niepr ober meni«
ger rädpen muß. Slnftatt bah bie ißrebigt wie
aus einem ©tüd unb ©uß aus botlem Hergen
auSftrömt, wirb fte wie ein aus allerlei Stöbern
gufammengefepteS ©etriebe fein, meldjeS auf
feinerlei SSoben fo recht ins Stollen fommt. 2tn«
ftatt bah bie pomiletifchen Hilfsmittel meinen
©eift bereichern, meine formelle unb rebnerifdpe
Siilbung beförbern, würbe icp fdhmäcper. in«
ftatt gur ©elbftftänbigfeit perangureifen, märe
icp an ftrüden gebunben. 2lnftatt nadp unb naep
ben ©efammtreiepthum ber pomiletifdpen ©eiftcS»
gaben in mich aufgunepmen unb gu »erarbeiten,
»erbrächte icp meine 3f't mit bem 3ufnntmen«
fepen einzelner ©tiidfe aus benfelben. ihirgnm
— anftatt guguitepmen an bem inwenbigen
SRenfcpen unb allerlei geiftiger unb geiftlidper
©rfenntnih, mühte icp in folcp nicdpaiiifdpem
tfropnbienft notpwenbigerweife perabfommen,
unb baS ipfunb beS pomiletifchen ©cpapeS läge
nidpt bloS brach, fonberu würbe mir gum SJlei«
gewidpt, baS mit für immer ben Hodjmeg erfolg«
ireidper, geheiligter Mangel »SBerebtfamfeit »er«
fdplöffe.
3» bem richtigen ©ebraudp po«
miletifdper Hilfsmittel gäplen wir »or allem
eine meislidpe SluSwapl, wobei obenan»
fiept, baß bie 3»PI berartiger SfJerte nid)t un»
»erpältnißmäßig groh fein füllte. 5ßie groß —
bieS läpt fiep für bei; ©ingelnen unmöglich be«
ftimmen, obwohl ein fDtaßftab gefunben werben
mödpte, wenn man bebenft, baß bie H°mi(etif
nur ein 2peil ber »ier 3meige ber Speologie —
ejegetifepe, bogmatifdpe, piftorifepe unb paftorale
— ift; nichts gu fagen »on anberen ©ebieten beS
SBiffenS.
©obann wirb ber fluge häufet nach unb nadp
für reidpe ÜRaunigfaltigfeit forgen,
bamit er mit möglidpft »ieleit SluffaffungSweifen
unb fDtetpoben befannt wirb. @S ift nidpt nötpig,
ja eS ift nidpt einmal gut, aüe 25 S3änbe Spur«
geonS gu befißen; mir genügt ein einziger. 2Benn
man eine 3eit lang ein pomiletifdpeS HWagagin
gepalten, fo greife man naep einem anbern.
ilRadpe bidp befannt mit ben beften englifdpen unb
Digitized by v^ooQie
510
©ebrauA unb fMißbrauA ßomiletifAer Hilfsmittel.
beutf Aen, ejegetifAen, tßematifAen, analptU was fte übet ben einen ober attbern ©egeitpanb
pißen unb fpntöetifd^en $atuelvebtiern unb mcibe bietet. SA tuiü g. 58. etwas über „93erföhnung"
ben ©Aunb gewiffenlofet SauAhänbler, ben fie naAfAlagen unb ftoße unter 33. in meinem
bir als Prämie nnbieten. ©olAeS Seug taitn Common place book auf bie 3aßleu 6, 14, 20
jeber bon uns eine ßüe per ©tunbe gufammen« ec., auf melden ©eiten bie betreffenben Serie
piden. bergeiAnet finb. hinten im 58uA mag ein itaA
5BaSaber ipbiereAte,bePeAuswahl? ©ehr ben 5BüAern ber heiligen ©cfjrift angelegtes
leiAt ift bie Antwort auf biefe fjrage niAt. SA Sertregifter 5piaß finben.
mit! jeboA roenigjtenS eine 2lnbeutung wagen Den richtigen ©ebrauA ßorniletifcßer Serie
unb borausfcbiden, baß auSgefdßtiebene 5ßrebig« fpecieüer inS 91uge faffenb, begegnen mir baS
ten unb ausführlichere Dispoptionen ben foge« ßefen berfelbeit gur Erbauung unb ^Belehrung
nannten ©figgen bei weitem borgugießen pnb, als folgen, offne babei bie Vorbereitung auf eine
unb gwar aus bem einfacpeu ©runbe, weit aus 5ßrebigt im Singe gu buben,
jenen biel mehr gu lernen ift, als aus ben leß. fWiemaitb bebarf ber Grbauung mehr als ber
teren. ißrebiger, benn er foD ja auf jebem ©c^ritt unb
Da tnir uns nun felbftberjtänblidb bor adern Dritt geben unb immer geben. SGBaS aber fönnte
na<b metbobi|tifcb=bomi(etifdben£)iliSmitteln um« — nüAft bcm Sorte ©otteS — gu unterer Gr*
flauen, fo fei bemertt, baß nebft SeSlep’S 5jßvc= bauung roobl gwedbienliAer fein als bie 5$rebigt
bigten Dr. SRiAarb Satfon’S ©ermonS immer eines reidb begabten ©otteSinanneS? Ser in
nodb als muftergültige, ejegetißß«tbematifAe feinen fiefeftnnben auA gur Ißrebigtliteratur
ftangelprobutte gu belraAteti finb. qlunfheon greift, wirb ben tiefgefühlten Mangel, baß es
liefert rßetorißßen ©Awung, Sunting ejegetifcße uns niAt bergönnt ift, meßr 5ßrebigten gu hören,
SBetraAtungen, ©ummerfielb hergliAe Snnigleit, menigftenS tfjeiltneife erfeßen.
ScGlintod eloquente ©ebnnfenbliße u. f. ro. ©olAe honriletifA« fiefeftunben fönnen aber
Sluf bem außermetßobiftifAen ©ebietmuß man auA für bie ^Belehrung unb fomit für bie Äan«
gu ben gläubigen UniberfitätSprebigern gehen, gelwirffamleit feljr befruAtenb Wirten. £>eute
wer baSfuAt, waS gemeinialiAfleiftreiA genannt greife iA gu einem Seifter in ber eigentliAen
wirb, g. 58. ©teinmcper, yetfdhwife, SSaugßan, öomilie, unb merte mit welA ÜAerer £>anb,
Skejjenfd. SBorgiiglicße ejregetißße ^ßrebiger finb föftliAer Grbauung unb tiefer ©djrifterfenntniß
©tier, iholuf, 58ed, witfA, tJlewman £)aH unb er bon 3SerS gu 93erä führt; morgen hole iA mir
iHelbiUe. ©ehr tüchtig in thematifAer 58eßanb« Slmoeifung in einer auSgegeiAneten tßematifAen
lung — fRüling unb Stobertfon; auSgegeiAnet 58ehanblung. S e ßt geigt mir ber 9tl)etorifer ben
betreffs ber ©tpl=58oflenbung — S°fepß harter padenben ©aßbau, unb bann ber fDtetßobiter bie
unb ftögel; lebenSboü«praftifA — 58arneS, 58otlenbung ber Anlage. Stilen aber iji abgu«
58innep, ©ofader unb ber neuere 'Jiönthelb; öotl merten, bah fie nur mit SPi'iße unb ©dßweiß gu
geheiligter, praftifAer ©luth — ©erof unb folAer DteifterfAaft gelangt finb, unb iA lerne
monob; homiletifA boüenbet — Sßiuet unb barauS, baß — fotl auA nur ein bisdßen etwas
Dßeremin: als befteS homiletißßeS Hilfsmittel geleiftet^oerben — iA fleißig, reAt fleißig, feßr
für Gnoeauitgett gilt mir immer noA — tfin» fleißig gu fein habe.
net) oit ÜReüiöalS. Unb für Gafualreben? StiAtS SegügliA ber riAtigen 58enühuitg homileti«
als bie 5Bibel, eine gute58ibelertliirung, baS was fAer ©ilfSirtittel für fpecielle ffangelttorberei*
bu bir gefammelt, was ©ott ber £>err bir gege» tung fei gefügt, baß ber reAte ©ebrauA folAer
ben — unb — ben GafuS, ben 3?all. SCßer ein SGßerfe gü Seiten barin befteßt, inbem man fte
allfeitigeS, tüAtig rebiairteS ßorniletifAeS ÜRaga* hübfA im ©Alante fteßen läßt. @S giebt ©tun*
gin hüben möAte, fAaffe PA “TheHomilist” an. ben in unferem 2eben, unb ©ott fAente fte uns
Sft nun eine gute Auswahl homiletifAer^tilfS- reAt oft, in melAen ber ^imtnel über uns ge«
mittel — feien es 5 ober 25 5Bänbe — in bet öffnet ift, ba ber ©trom beS heiligen ©eipeS in
58ibliothe! borhanben, fo wirb ber riAtige ©e« ungewöhnliAem SRaße unfere ©eele belebt, bie
brauA berfelben burdß Anlage eines Dhemata. ©Arift Ilar unb entbedt bor unfern klugen liegt
58uAeS (Common place book) bebeutenb geför« unb unfer ©efammtwiifen unS fo gu fagen gu
bert werben. 3ebeS Dßema wirb auf eine Seile ©ebote fleht. 3fn folAen Seiten hat PA ein
beS 58uAeS gefArieben unb gleich baßinten 58anb fafl unbermeiblimer Dejt bem bergen eingeprägt,
unb ©eite, wo es gu pnben, wäßrenb in einem ©ebanfen finb in 3?iille borßanben, bie 5Mnorb«
alphaöetifAen fftegifler angegeben ift, wie oft nung giebt PA wie bon felbß unb Slluftrationen
unb wo bapelbe Dßema im DßematabuA bor« bieten PA in PJienge an. Sn folAett ©tunben
tömmt. 2Ber in biefer Seife niAt allein mit ßo« befteßt ber riAtige ©ebrauA ßomiletifAet ^tilfS«
mitetifAen, fonbern auA mit anbern Serien ber« mittet in ber benfelben gefAenlten Dtuße. 3Won
fährt, belommt feine gange 58ibliotßet fogufagen bat nichts nötßig als bie ©Arift unb ben heiligen
in bie £anb unb lann in gang (urger 3eit fagen, ©eip, ßödßpenS einen 58lid in einen Gommentar,
Digitized by v^ooQie
Pie ftodjter brs fiadjtroätbtrrf.
511
bann roieber jur Bibel unb bon berfetben auf lieb gelingt es mit ©otteS £>ilfe, unb tielleicbt
bie ffniee, um roieber ju ibter frifdben Ouelle wirb bie |o ju ©tanbe gefommene B«bigt jum
jurüdjufebren. ©egen für Biele.
©» tommen jebod) auch 3 c '* en ber Ottrre. Ober eS ift baS Umgefebrte ber gafl. Btan
Oer KJopf brennt wie 3?euer, ober fdjeiut fo leer bot Stejt unb lofe ©ebanfeu, fiftt aber bator,
sn fein wie eine ausgebrannte ©teppe. Oem ohne ben ©cblüffel ju finbeu. Btan liebt ben
jjjersen fehlt bie Bnreaung; ber Himmel ift mie Bmift nicht, ton bem auS Siebt über baS ge«
oerfdbloffen unb ber ©dfjulfad giebt taum ein wählte SBort unb ton ihm roieber auf bie ©e«
©taubeben ab. meinbe fällt. Buch in biefem ffall finb bie tjo»
3 n foleben ©tunben ber SEroefenfjeit fehlt nun miletifdben Hilfsmittel ton Stufen,
tor allein ber richtige, ben eigenen ©eift feffelnbe dürfen roir fie beun aber in biefer Sßeife be«
unb padenbe Oert, bentt baS Buflefen ber Sterte näßen ? BkSßnlb beim niebt, fo nur bie tolle
roäbrenb ber Baftoralbefudje bringt bodß nicht Bflidbt gefebiebt, fo roir immer fleißig unb betenb
eine fo reiebe ©rnte ein, roie manebmal behauptet finb, nie biefe Hilfsmittel ju OrägljeitSbrüden
roirb, unb bie Bibel ijl in foleben 3 f il*t tote ein beitüßen unb nie nnfelbftftäiibig arbeiten,
mit föftlieber fjrucbt bebangenet Baum, ohne ©S mag jroar eingeroenbet roerben, baß beS
baß mau jur SBabf fommt. BrebigerS Her} unb ©eift immer einer reichen
Oa greife ich benn ju meinen beften bomile» ©ebaßtammer gleichen feilte — unb roir geftefjen
tifeben jßerten, unb febe mit beftänbigem Blief gerne, baß bie geiftlidbe 'Dürre manchmal aus
auf bie mieb umgebenben Umftänbe unb Ber» ben bunfeln ©teilen in unfern Hei'seu ftanimt.
baltniffe, roaS meine Sieblinge 3 U bieten haben. .Buch hilft aufrichtiges, brünftigeS ©ebet febr
Biefleicbt finb eS jroei, tier, sehn B^higten, bie oft ohne jebeS anbere Btittel. Bber eS lommt
burebblättert roerben, ohne baß gefunben wäre, boeb auch tor, baß bie innere 5 roden beit fi<b
(Snblicb taucht baS rechte SBort auf! OaS bat roeiter erftreeft, unb ber Herr 311 nuferer weiteren
gesiinbet; mit bem fann ich allenfalls etroaS an« Oemütljigung nicht gleich erhört. Bleibt man
fangen. ba bei fiel) befteßen, fo roirb gewöhnlich baS Sie«
Unb nun roieber jnr heil, ©ebrift. ©ebanfen fultat fein, baß ein falfdjer ©efidbtspunft erfaßt
roerben gefaminelt, benn felbftftänbig foll felbfi unb ber Stert griinblicb ruinirt roirb.
in geiftlicber Oürre gearbeitet roerben. Buch ent» OaS 311 bermeiben, 311 prüfen, ben Btoßftab
fleht tiefleicbt ein Blan. Bber baS Btaterial an 3 it(egen, uns 311 roedfen, ju erbauen unb an»
reicht noch nicht 311 . Oa finbet ficb benn in ben suregeh, basu roerben bomtletifdhe Hilfsmittel
homiletifdhen Duellen mancher ©ebanfe, manche febr mißlich fein.
Buroenbung, bie gebraucht roerben fönnen. @nb«
Pie todjter be* Pad)ttt>ad)ter0.
Bearbeitet bon Bwf. tippert.
eun ©dhläge ton bem Oburine beS rebtfamfeit feiner Oocbter berbanfte, baß ber
alten BatbbaufeS einer- Keinen Bürgermeifter ihn nicht fdfjon längft feines
beutfdheu ©tabt gaben baS 3ei<ben BoftenS enthoben batte,
sur ©infteflung ber OageSarbeit. 2öar eS ein SBunber, baß fie bie Satemen beS
Oie miibe Bäbterin thut ihren „SRotbcn Sötten" ober ber „©olbenen ftrone" als
leßten Babelfticb; bie Orefcber in fnlfcbe Seucbttbürme anfah, unb mit ben ©ter»
ber ©ebeuue [teilen ihre Orefcbflegel in bie ©de; nen 2Ba<bt hielt, um auf bie ©timme ihres Ba»
baS SBeberfdbiffcbeit ruht in feinem Hafen ton terS 3 U laufeben ?
©arn; bie Obilren ber Häufer roerben mit einem Oie neunte ©tunbe faub ben Bater nod) mun«
fröhlichen ,,©ute Bacbt" gefdhloffen, roäbrenb in ter unb pflidhtgetreu. @S roar bie Blitteruacbt
ben SBirtbSbäufern bie Santpen geller brennen, unb bie frühen Btorgenftunben, welche bie Be*
bamit ja feiner ber ©äjte fein 3'd berfeljle unb forgniß beS BJäbdhenS erroedten. Bis feine
baran torübergehe. ©timme bie sehnte ©tunbe noch feft unb piiuft»
©0 roenigftenS buchte bie junge Oodbter beS lieb anfünbigte, legft fie ihren ftopf auf baö
ftäbtifdben BacbtroäcbterS, beffen ©timme in leß» fJenftergefimS unb terfudbte ein wenig 311 ruhen,
ter 3*it ficb mehr iin luftigen greife ber 3f<v* Berhaßte BJirthShouSlaternen, ein taumeln»
brüber hören ließ, als in ber BerH'titbigung ber ber Bater, ein brobenber Bürgermeifter unb
©tunben ber Bacbt, unb welcher es nur ber Be» grimmige Brmutb, alle biefe ©cbredbilber rour»
Digitized by v^ooQie
512
großmuttrc tuA Änktlin.
IQ (Iroßmutter uni (fnhrlin. *31
(Httie (Sefätdjte o^tie Worte.
Digitized by v^ooQie
Pi t Sodjter öes Padjtmiüljter«.
513
ben berbannt, als ihre lugen ficß in gefunbem
Schlummer fctjloffen. ldj, nui gu fdjnelt foQtert
biefe ©über in greller Sirtlichfeit mieber er»
feinen!
@lf Uf)t! @ie war üoflfommen road). ©benfo
wie ber lachtmädjter, melier bie ©tunbe butd)
ein luftiges Ürintliebcßen angeigte. 5)aS junge
Häbcßen haßte biefen ©efang, melier an baS
Zechgelage ber Jrintbrüber erinnerte unb nur
gu oft ber teßte roat, melden ber truntene ©ater
gu fingen bermochte. ©ie hätte Diel lieber baS
alte lacßtroächterlieb gehört, baS in bielen beut»
(eben ©täbten fo beliebt ift unb baS mit ben
Sorten fd&ließh
„HTenfd?eni»adjen fann nichts näßen, -
«Sott muß toadjen, «Sott muß fdfüßen."
S)ie8 märe im ©inflang gemefeit mit ihrer
eigenen ©ülflofigteit unb berjeuigen beS Hädj=
terS, meld)er oieHei«ht jeßt fdjon in ber Straße
herumtaumelte, bie nur gu oft fein fiager anftatt
ba§ lebier feiner nächtlichen Sacßfamfeit ge»
mefen mar.
Hit gurdjt unb ©offen ermartete fie bie
näcßfte ©tunbe. ©iele Häbdjen ihres llterö
hätten baS ©erannaßen ber HitternacßtSjtunbe
gefürchtet, aber ihre lugft mar gu fehr mit ber
2Birtlid)leit bertnüpft, als baß fie ftd^ bureß bie»
jenige ber ©inbilbung Derbrängen ließ.
®ie Sone ber HitternadjtSgtode Derhallten
Iangfam in ben oeröbeten Straßen, aber beS
©aterS Stimme mar nicht gu hören, ©ie fnufchte
mit gurüdgeljaltenem Ithcm. SiefeS Scßmeigen
überall; jeßt — nein — ja bod) — ein paar
abgebrochene fiaute, ein fcßmacheS Sailen, mar
alles roaS fie oernahm.
Sieberum hatte ber teießtfinnige ©ater feine
Pflicht Derfäumt. ©«hlaflofe ©inrooßner mar»
teten bergebenS auf feine Stimme; bei ©onnen»
aufgang tonnten ihn bie Arbeiter betrunten unb
fdilafenb in bem Spore eines ©aufeS fiitben unb
alles mar berloren. D, marum mar fie fein
Hann?
©ine anbere lange ©tunbe berging; rubloS
f«hritt baS Häbdjen im 3*nrmer auf unb ab.
@S fcßlug ein Uhr! ©ie lauste nochmals ge»
fpannt. UeberaD ^crrfc^te tiefes ©«hmeigen.
©lößlidj tarn fie gu einem ©ntfcßluffc. ©inen
lugenblid fniete fie ttieber in ftillem ©ebete,
bann löfcßte fte mit gitternber ©anb bie Campe
aus, bertieß baS ©aus unb betrat mit eiligem
©«hritte bie buntle Straße, nur Don bem ©e»
banfeit an ben berfäumten ladjtroächterbienft
unb bie bamit perbunbene ©«hanbe beS ©nterS
geleitet.
Sährenb biefer nächtlichen ©orgänge im ein»
fachen laAtmädjterbäuScljen fißt im erften ©aft»
häufe beS ©täbtcßenS ein ernfter, gelehrter Hann
auf feinem 3immer unb beugt in eifrigem ©tu«
bium fein ©eficht tief über ein bor ihm liegenbes
lotenblatt.
„Seid) eine traurige alte ©tabt bieS ift! licht
eine eingige gute Stimme ließ fi«ß heute Ibenb
beim ©oncert hören," brummte er, inbem er
na«h ber Uhr faß. „©in jlrinfliebcßen um elf
Uhr bon einem angeheiterten la«htroä«hter, ein
elenbeS 3,°hlen aus berfelben Äeßle um groölf
Uhr unb jeßt ift es gehn Hinuten nach ein Uhr,
mein ©eßirn boü loten unb um mi«h herum
fein einiger Son. traurige ßleinftäbter! Iß,
aber maS höre i«h ba?"
„£jört, il;r Herren, unb laßt’s eu«h fagen,
<E i n Uhr hat Me <Slo«f’ gefcfylagen.
«Einen Ejerrn unb einen «Sott,
Z>er uns hilft in aller Ztoth-
UTeufchenvachen fann nichts näßen,
«Sott muß wachen, «Sott muß fdjüßen,
«Er in feiner ewigen macht
SchenF uns eine gute tlacht.
®er alte ©ert mar aufgefprungen unb laufihte
auf bie flarett, hellen Söne, roelcße bur«ß bie
©title ber Hitternadjt an fein ©h r Hangen.
Sie angegaubert ftanb et am fünfter; nochmals
tönte bie Stimme fefter unb flarcr als borßer
burdj bie Suft; feine gange ©eftalt gitterte bor
lufreguna.
Seine Zuhörer unb foldj eine Stimme! S)aS
mar nid»t ber ©efang eines Henfdjen. „Iber,
ob ©ttgel ober ©eift, beine Stimme muß ich
haben für bie ©offapeüe beS SönigS."
3nbem er bieS fugte, hüllte er fid) in feinen
©elgrod unb eilte hinab auf bie Straße, ©in
Hantel flatterte foeben um bie ©de unb er folgte
ihm in feßroeigenber ©aft.
ladjmalS berfünbete biefe fonberbare la«ht»
mäeßterftimme bie ©tunbe. Uumilltürlich ftanb
bet Heifter ftill unb entblößte fein ©aupt. 3)ann
eilte et meiter. lachbem er um. bie ©de gebo»
gen mar, gemährte er bie ©eftalt mit bem Han»
tel in einiger ©ntfernung bor fief), mie ein treuer
Seichter hie unb ba ftiüe ßaftenb, um in biefe
ober jene ©de ober in bie ©öhe gu bliden.
Iber biefer leife 2ritt unb biefe garte ©eftalt
mar nicht bie eines Hannes, ©errounbert feßte
er feine ©erfolgung fort, ©lößlidj ftanb bie
©eftalt ftiH unb beugte fi«h über eine bunlle
Haffe, mel«he im Schatten eines ©aufeS lag.
©orfießtig naßenb hörte er einen Seufger unb
bann bie flagcnben Sorte:
„©ater, lieber ©ater, bieS ift beine ladjtmacße,
ftehe auf unb rufe bie ©tunbe aus."
35et bide Körper am ©oben berfudjte gu ge»
hortßen. „Sie biel Uhr ift eS?"
„lach ein Uhr! ©itte, ©ater, roieberßole maS
ich bir borfage. ©ebeufe, maS bu bem ©iirger»
meifter besprochen haft!"
Digitized by v^ooQie
514
JMffr unb Pflt.
Siit Snftrengung braute er bie erften gwei
3eilen beS oben angeführten SSerfeS ^evOor;
bann fallt er «lieber gurüd unb ertlärte hrum«
tnenb, bafe er feine Sieber niiffe.
Die mäbchenhafte ©eftalt fang mit einet
Jfraft, welche ihr nur bie IBergweiflung geben
tonnte, bie Schlufeworte:
„(Einen £?errtt unb einen (Sott,
Per uns fjilft in aller Ztotf}.
menfcfyenmadjen fann nidjts näßen —"
„Sein, wahrlich nicht» wie hierher tfaflift.
Sie hoben Stecht, wenn Sie fi<h nach befferem
Schule umfeben," fiel hier ber unbeobachtete
Sanfter ein, inbem er mit bem |>ut in ber £anb,
einen mitleibigeu 35licf auf baS Siäbchen wer»
fenb, au? ber Dunfelljeit herbortrat. „Doch ich
oerftehe jeftt bie Sage ber Dinge. 34 wiß 3hnen
helfen, 3h«n Sätet nach £aufe ju bringen,
unb bann miß ich ftott 3hrer bie übrigen Stirn»
ben ber Sacht SBachtbienft thun. Sine 5rau
foflte niemals einen folch gefährlichen Dienft
oerridhteit."
„34 fenne (Sud) nicht, unb —" hier brach fie
bie Uuterrebung mit einem Seufger ob. Die
folgen ber fonberbareit Situation machten fte
bebeuflidj.
„Fräulein, ich bin ber ßapeßmeißer beS Kö¬
nigs," erwiberte er, padteben alten Sacht Wächter
am 9(rm unb gab ihr mit einer £>anbbemegung
ju berfteheu, ihm ben 2Seg gu »eigen.
Sie gehorchte fchweigeub. Sangfam bewegte
fich bie fleine ©efcllfehaft burch bie bunfeln
Strafeen, bis bor beS SadjtWä4terS £auS £alt
gemalt Würbe. 35er ffapeßmeifter trug ben he»
finnungSlofen Stann hinein.
Sachbem er beitfelben auf fein Säger gebracht
hatte, fagte er ermuthigenb gut Dod>ter: „Sie
haben wahrlich tapfer bie Pflicht beS 33aterS er»
füßt. ©ott war in ber $hot ein ©ott in ber
Soll} für Sie. fürchten Sie nichts. Sie werben
bon mir hören, fobatb 'mein Sachtmächterbienft
gethan ift."
Die übrigen Stunben ber Sacht füubigte bie
tiefe Safeftimme beS föniglidhen «apeflmeifterS
pünltlich an. 3)aS junge Stäbchen hörte bas
®4o feiner fieberen dritte bis gunt frühen Stör»
gen in ben ruhigen Strafeen.
Sin Storgen War bie Aufregung unter ben
Sewohnern beS StäbtchfnS grofe. Ueber ein
halbes Dufeenb berfdjiebener Sadhtwächterftim»
men hatten bie guten Seute gehört; oom lär»
menben Üritifliebchen unb bem ©efaitg eines
©naelS bis gur tiefen Stimme beS leibhaftigen
SBöfen wufeten fich bie Saddam gn ergäben,
©ine Deputation bon ^Bürgern begab fid) gum
SBürgermeifter unb berlangte eine ftrenge Unter«
fuchung.
Sber biefelbe fanb ni4t flott; man tarn ber
Sache nicht auf ben ©runb. Statt bejfeit ging
bie Seuigfeit bon Stunb gu Stuub, bafe beS
SachtwädhterS Do4ter mit bem ßapeflmeijter
beS Königs, welker ji4 auf ber Suche nach
einer guten Stimme befanb, nach ber $aupt«
ftabt reife.
Unb bie abergläubigen Semofjner bef^lofN,
bafe ber neue Sachtwächter anftatt ber luWjpn
Drintlieber bie alten, ehrwiirbigen Sßerfe fingen
fofl, bie fie in jener benfwörbigen Sacht bon
ber Stimme eines ©ngels bernommen hatten.
-—
und
ort feiert nadj laugen (Jafyrten
€in Sdyiff 311m trafen ein,
Kings grüßt es blauer fymmel
Unb lidjter Sonnenfdjein.
(Es t^at bas UTeer burdifafyren
3 m Sturme tueit unb breit,
ÜTit IDogen oft gerungen;
ITun iß’s 3itm Kuljen geit.
€s birgt gar reiche Sd? 5 ße
Dom fernen, fremben Straub,
Pie tjat es treu gefütjret
§um lieben fjeimatlßanb.
Unb tuenn fie ausgelaben,
So 3ie^t es tuieber aus,
Sudyt neue 311 ben alten
Unb fütjrt fte treu nadj f^aus.
So roeite IDattbe^üge
CCt^ut audj ein menfd^entfer}
Unb fann babei erfahren
(Sar rief an ^Jreub* unb Sdfmer).
€s ftürmet burdj bas leben —
Pas iß ein milbes meer —
Port brol>’u gemalt’ge Stürme,
Port Kiffe rings untrer.
<Es giebt nur einen lootfen.
Per fennt bie Reifen afl\
Darauf ßdj munb geßoßen
Sdjon Schiffe otyte gatß.
Podj oft oerfdjmäljt ber Schiffer
Pen £ootfen treu unb gut,
Unb rnill allein ßdj ßeuern
3 n feefem Uebermutfj.
Digitized by (^.oooie
di« griff oon glr. dlabftone.
515
Da fetjt ein Hiff! — gerftofjen
6at ber it^rt nodj oernommen
Siuft nun bas Sdjiff 3 um (5runb,
3ft er bem Huf bereit;
Da null ben £ootfen rufen
Dodj ruf iljn, ftol 3 er Sdjtffer,
Der tobesbange Ittunb.
IDenn noefy 3 um Hufen geit.
Ä.
(Sin Urirf tum Dir. (SUabfhmt über bau Stubium brr Dibel.
tgingefnnbt Mn 0 . ftitnafh
ine englifdje 3 e '* un ft lürglicß
folgeitben ©rief beröffentlicßt, tuel*
c^eii Btr. ©tabftone, gegenwärtig
elfter Btinifter ber Königin ©icto=
rin, bor einigen fahren nn einen
(fünften j„ Btanchefter, welcher
ißn um einige fRatßfchläge bejitglicß ber Seitung
einer Bibeltiaffe bon ©rwacßfenen gebeten hatte,
richtete.
„©ertßer Herr! ©§ ift mir gang unb gor
unmöglich, 3ßrfn Brief in einer SBeife gu be»
nntmorten, welche 3ßrer ©rmartung, bie ©ie
mir lunb gnben, unb beS ©egenftanbeS, ben ©ie
mir unterbreiteten, mürbia ift. Aber ich wollte
Offnen einige 3cil e n, welche 3ßnen gum wenig»
fteu meine ©bntpathie auSbriicfen, Welche mir
3bt ©unf<ß, bie im göttlichen ©ort enthaltenen
©cßäße fich gewiffenhoft gu Bußen gu gießen,
einflößte.
©S ift Wohl überflilffig, Sie aufmerffam gu
machen auf unfer Bebürfniß, Sicht oon Oben gu
haben, auf bie ©flicht, biefeS Sicht gu fließen, um
wachen gu löuneit gegen unfere ©inbilbungS»
traft, unb um bie $>emuth gu bilben.
©eiter brauche ich wohl nicht baran gu er«
innern, baß ©ott wäßrenb langer Saßrljunberte,
welche oor uns gemefen finb, ein Bol! gehabt
hat, meldje8 er treulich geführt, unb bah wir
nicht bie erjten finb, welche gu ben bur<h ©ßriftum
unb feine Apoftel eröffneteit HeilSquelien tarnen,
um barauS gu fköpfen.
$cß bente, baß Sie im wichtigen ©tubium ber
©cßrift eine regelmäßige BerfaßrungSart beob»
achten werben, bamit ©ie gu bofttommenen unb
feften Aefultaten gelangen. 3n biefer Hinficßt
empfehle id* 3ßuen — ob ©ie gur anglifanifchen
.ftircße gehören ober nicht — bie Tabelle, auf
welcher Bibelabfcßnitte für jeben ©onntag ber«
geiebnet fteßen.
Aiißerbem erlaube ich wir, 3h»en folgenbe
gmei Bunfte borgulegen:
1) $er 3*oect aller 3hrer Bemühungen muß
ber fein, baS ©hriftentßum in Gßrifto felbft gu
erfaffeit, bem Heilanb näher gu tominen unb
feinem Bilbe jiets ähnlicher gu werben. S)ie
©bangelien, welche und beftänbig biefeS hoffte
unb bollfommenfte Bhifterbilb borhalten, hoben
ein 9tecßt gum Borrang über afle anbern Bücher
ber Bibel.
2) ©rinnere ich ©ie baran, baß bie heiligen
©Triften nach JWei berfeßiebenen Abfi<ßten an«
gewanbt werben tonnen: ©ineStljeilS um bie
©eelen gu nähren, unb anberntheilS um Sehren
barauS gu gießen. ®iefe beiben berfeßiebenen
Anmenbungen tönneu bisweilen fich bermifdßen,
finb aber bennoeß gwei beftimmte unb in ge«
wiffer Begießung üon einauber abweießenbe
©ege. ©ott hat uns mit unterfcßieblicheu Auf¬
gaben betraut; aber alle bebiirfen eS, auf ben
grünen Auen ber ©djrift gemeibet unb au ben
friftßen BJaffergueDen berfelben gelabt gu wer«
ben. Bon biefetn ©efidjtspuntte aus betrachtet,
ift bie Bibel für alle Btenfcßeu bon nnbergleicß«
licßer ©infacßßeit. Aber wenn wir bie ©cßrift
als ben ©eg anfeßen. Welcher uns ba§ Biateriol
gu einem bogmatifeßen Seßrgebänbe gufüßren
foll, fo berßält eS fieß aitberS; wir tonnen bie
Bibel in biefem ff all nicht meßr benußen, oßne
uns borßer mit bielen äußeren Hilfsmitteln unb
ffiißrern gu berfeßen, ober oßne uns mit bieten
ftenntniffen auSguftatten, unb befonberS mit ber
Ifenntniß ber ©ntwicfelHng unferer fReligion,
einet ©ntmidelung, welcße einer ber bemunbe»
rungSmürbigfteu SEßeile ber ©efeßiehte ber
©enfcßßeit ift, unb welcße noch meiner Auficßt
einen ber ftärfften Beweife für bie ©aßrßeit beS
©bangelii unb ber Barmßergigteit ©otteS liefert.
3cß fenbe 3ßnen biefen leichten, feßnefl ge»
geießneten ©ntwtirf, weil ich weiß, baß, wenn ich
meine Airtttrort auffeßöbe, um fie bolltommener
gn machen, icß biefleidjt im ®rang ber ©eftßäfte
nie meßr bagu fäme, Sßnen überhaupt gu ont«
Worten, ©mpfangen ©ie mit meinen heften
©egensmiinfeßen bie Berjtcßtrung meiner aeß«
tungSbollen ©rgebenßeit.
©. ©. ©labftone."
■m
Digitized by v^ooQie
516
Pefttdj in einem $djinto*®rmpel.
fkfud) in einem Sd)ittto4empel
Son $rof. 6. Rippert.
'iepjt bu jenen S<binto*Sempel, bet
fid^ auf einer Serraffe erbebt, ju ber
diele punberte don Stufen hinauf«
führen? Ser ©laß ift febr anjie*
penb; liebliche ©fabe fcplängeln fiep
burcp bie grünen ©raöfläcben, melcbe mit jungen
Sannen bepflanzt find. Socp mir rooflen in baS
fieiligtpum felbft eintreten, roeldjeS bem Stuben*
wn gefallener gelben geroibmet ift. Sa» portal
beS Stempels roirb „Sorii" genannt unb fiept
bemjenigen eines egpptifcpen SempelS ähnlich.
blidenben Spiere Betrachten, melcbe ben Eingang
»um Sempel bemachen, Siefe Seßteren fepen
foroopl bem fmnbe als bem ©icpborn äpnlicp,
bon benen unS bie ßeiben fagen, baß fie don
ben ©öttern als ©otfcpafter gebraucht mürben.
Ser heutige Sag ift mertroürbigermeife fein
fffefttag. $u pörft meber latmenben Srouimel*
fdjlag, noch fiebft bu bie mit tabaliftifcpen 3eitb«n
bemalten Jahnen. 9lucp ber Slnblicf beS reli«
giöfen SanjeS ber „Jtfagurä" gebt bir derloren.
2Bir fteigeu alfo opne meiteren Slufentpalt bie
Cingang ju einem <Bcfyiitto^einj>eI.
®S ift nach bem Stple ber japanefifchcn 2Bopn*
bäufev au? unbemaltem £>olje derfertigt. Ser
Scpinto*Sempel felbft jerfüllt in brei befonbere
Speile: ber „Sorii" bilbet ben ©ingang, ber
„Laiben" ift ber ©ebetsplaß, hinter biefem be*
merfen mir bie fogenaitnte „©tißa" ober öaS
Merpeiligfte, and) oft tponfcpa genannt.
„Scpiu" ift ein cpiuefifcpeS SSort, melcpeS
,,©ott" bebeutet; „bo" meint 2öeg ober ©fab, fo
baß baS ganje 2öort „Scpinto" mit „2Beg ober
fiepre ber ©ötter" ju iiberfeßen ift. ©ei beinern
Eintritte fiebft bu jur finiten ein fteiiterneS
©eden, reichlich mit ©Baffer derfepen. ©Beim
bu bicp alfo orbeutlicp reinigen roillft, epe bu bie
Slnbacpt beginnft, fo laß unS unterbellen bie
großen fteineruen fiaternen unb bie mütpcnb»
Stufen beS SempelS pinan, aber o roep! eine
nuferer japanefifchcn Srifen pat jene lange
Srobbel, melcbe an einer Schnur über unferen
,(topfen perabpängt, in ©eroegung gefeßt unb fic
ift bir, roie ber Sapanefe fiep auSbriidt, an beiu
eprroürbigeS Singe gefahren. Sie Heine Unbe*
guemlicpfeit giebt mir ©clegenpeit, bir bie ©e*
fepidpte biefer Srobbeln auSeinanberjufeßen. Su
rneißt, bafe ber ©ott, beffen ©unft bu fuepft, ent*
meber in tiner Unterhaltung begriffen ift, ober
lief) auf Steifen befindet ober dielleicpt gar fcpläft.
Sesmegen mußt bu tüchtig bie Srobbel jiepen.
Siefelbe feßt eine ©locfe in ©emegung, melcbe
laut genug ertönt, mn ben ©ott aiif beinen Se*
fuch aufntertfam ju maepen. fjrüper patte jeber
Slnbicptige feine eigene ©lode, aber bie jeßige
Digitized- v^ooQie
Prfud) tn einem $djinto=®empeL
517
•in GtyntQJCcafytL
SRetpobc ift bequemer, ©ine ©tode ift unbe»
bingt nötpig, benn ftpmt bie grofje 9Ittgapl ber
©ötter, e§ ftnb beten über breijepntaufenb, ift
im Stonbe ben ©ingetnen pftidptüergeffen gu
macbeit.
SBtidfi bu bur<$ baS ©itter ber gropen Spüre,
t»or melcpet mir fijjen, fo fiefjft bu einen ruttben
IDtetaüfpieget unb grofse meifee tBapierftreifen.
Ser Spiegel ftetlt ben ©lang be§ ©öttlidjen öor.
Sie ^apierftreifen merbcu „©opei" genannt; fie
mürben unter bem ©inftuB (pinefifcper SRcligimtS«
gebriiutpe eingefüprt. Ser ©cift ber ©ottbeit
fteigt auf itgenb eine mpfteriöfe ÜEßeife gu ben
„©obei" perab.
©ine Kreatur, pafb groteäf unb pnlb teufliftp,
fpielt eine grobe tRofle im japanifdpen Seben,
unb »erbient befonberer ©rmäpuung. Sie§ ift
ÜReifter ßitpune, ber begaubernbe länger, ber
beftridenbe tßerfüprer ber Stcrbtidjcn. ©r mirb
angebetet in Sserbinbung mit „Sfnari", bem
SReiSgott, unb ift unter ben ©öttern eine 9lrt
Sßremierminifier. Selben ift ni» befonberer Sie«
ner ber fcptaue 3?u<p§ beigegeben, unb ihre Sem«
pet erfennt man an ben in Stein gebeutenen
Siiepfen, melcpe am ©ingange 2Ba<pt patten,
'ttuep ber fedpSgepnte 9Jtif<ibo, roelcper ungefäpr
300 3apre wor ©prifto regierte, nimmt unter
ben ©öttern einen popen tJtang ein. SerfRame,
unter metepem er angebetet mirb, ift „fiatpiman".
©r ift ein ftriegägott, unb fein geft mirb im
ndjten ÜRonat unter grofeem 3u(aufe beS $otfe§
gefeiert. Stattli^e ©ilbfäuten be$ ftacpitmin
unb feiner URinijier finb überall aufgeftellt.
Unter ben ©epintogöttern finb Reben ©ötter ber
©tüdfetigfeit bertreten. Sie finb bie Sipufc.
Patrone be§ langen fiebenS, 3teicptpum§ unb ber
tägtiepen fRaprung. Jfterborragenb unter biefen
freubenfpenbenben ©öttern ift auep bie japanifipe
Sßenuä, „Sßentenfama", bie ©öttin ber Scpön-
•in Xanpeltyurm.
Digitized by v^,ooQLe
518
pefudi in rinrat 2^into-8ltm)iri.
Clin fflvabmal.
I)cit unb Siebe. 3)ie grauen beten fleißig 31 t ibr;
fie bat eine feböne „Wipa" in ber 9tifd)e Don
$ebba. $cr ©ott beS SteicbtbumS, mclcber mit
feinem (acbenben ©efiebte unb luftigen ßoftünien
aus jebent Wagajin ^eraudfd^aut # trägt bie
Wiene eine» WanneS, mclcber fid) feiner
eigenen ,(traft bemüht ift.
Saut uns sunt Sd^hife noch im Sorüber=
geben einen Slicf merfen auf baS japanc*
fifdje Vantbeon. 5Das SBort „jtami", meU
cbeS bie alten ©ebintogottheiten Don ben
bubbbiftifeben unterfd^eibet, bebentet eine
allgemeine Stbatfacbe mie bie 8 uft, melcbe
mir atbmen; nid)t nur finb bie fiantiS als
DerebrungSmürbig aiifgejeid)net in ben aU
ten Siicbern, fonbern Staifer, gelben, alle
9Zaturfräfte, Säume, Erlangen unb Stfjiere
finb vir Sergötterung berechtigt. SBenn
ber ©türm über bie Jfnfel batjinfegt, fo
beugt ber ^apaitefe feine Stuiee oor bem
„tärmenben (Botte." 2öenn mir nufere
Stugen git ber ©onne emporbeben, melcbe
ihre golbene Jlügel über Serg unb 2 f)al
ausbreitet unb überall Seben in ber Statur
ermedft, fo tönnen mir es nicht gerabe merf=
miirbig finben, bah ber 3 >apanefein ihr bie
©ottin ber Fracht oerebrt. $ie ©onnen=
göttiu ift bie Stammmutter ooy |)inmu
Stenno, beS erften ffaiferS. ®ie beiügften
Stempel ber „bimmelerleucbtenben ©ö’ttin"
finb bie Stempel Don Stfe unb fie finb bem
frommen ^apanefeit maS 9tom bem Jtatljos
litert ober ^erufalem bem 3 uben ift.
Biadjbein tpir nun einige ber oornebm*
ften japanefifebeu ©ötter unb ©öttinnen.
fomie beren Stempel betrag
tet buben, moüen mir einige
Slicfe auf ben nn)tbifd)cn
Urfprung ber ^apanefen unb
ihrer Religion merfen.
©he irg’enb etmaS gefebaf*
feit mar, ejiftirte „Clmbora"
ober ber uitcüblicbc Man in.
3 n feinem Sereicbe eriftirten
brei ©cifter. £er brittc bie=
fer göttlichen ©eifter oerur=
fad)te bie ©ntftebung einer
imbeftimmten, unbe|cbreib=
lid)eit Waffe. tiefer enu
fprang nach oben bie ©outte,
burd)fid)tig unb glänjenD,
nad) unten ber W 011 D in iiefa=
liebem ®lan$e. Scibe löften
fid) nad) unb nach bon ber
urfprünglid)en Waffe loS,
bis fie felbft unabhängig Don
berfelben unb Don ihren ©ott*
beiten fid) im SBeltall bemcg*
ten. 9luS ber unbeftimm*
ten Waffe aber mürbe nufere ©rbe. SBähreub
biefcS Vorgänge» entftanben fünfsebn ©ottbei*
ten. 2)ie lebten beiben Don biefeu mürben Die
berühmten Stfanagi unb 3fanami — ber 9lbam
unb bie ©Da Don Jjapan, meld)e jefct als ©tamnu
Gin $Ov6jctt«paar.
Dptized by kjOOQlC-
Ptfud) in rintm BdjintO’fÜempel.
519
©tamm=©ltern ber fünftiflen Sapanefen auf»
treten.
©ogar jene fJuli’8, melcbe an einem ©tocfe
über bie ©cbulter ©iiner mit SBaffer b>» unb
bertrageit, unb jene ffifcboertäufer, bereu ©e»
fcbrei bie ©traße erfüllt, fie flammen alle Don
bicfem göttlichen Ißaare ab. grembe SBölter
mürben Don anberen ©öttern iit’S Sehen ge»
rufen, ober feierlich nicht Don Stfauagi unb
Jfanami; biefe batten e3 nur mit 3apan unb
beit 2fapanefeu gu tbun. 9hm paffirte es aber,
baß uad^bem ber japanifcbe Slbam unb feine ©oa
biefe# 2anb geschaffen batten, bie hübfcbe @öt»
tin ben bösartigen fjeuergott gebar, unb Dor
©chrerfeu in bie fjölle floh. Ulbam, welcher ficf»
nach feiner ©attiu febnte, folgte ihr in bie unter»
irbifcpen Stegionen. 2)ort ergriff ibn jebodj
namenlofe Singft unb Dor ©ntfeßen flob er gur
Grbe guriicf, mo er in einem fjlufe babete, um
feine frühere Steinbeit mieber gu erlangen.
SBährenb biefe# SabeS traten Diele ©ottljeiten
in’S Sehen, unb guleßt entftaub beim SluSmafcben
feines linfeu SlngeS bie ©onnengöttin, welcher
3apan als befonbereS ©rbe gufiel, unb gmar auf
folgenbe Jßeije: Slbnm nnb 6Da batten unter
ihren Stacbfoinmen einen ©ott bon munbevbarer
Äraft. @r regierte 3apan meife unb gut, unb
gibilifirte baS Sanb. 91 ber bie ©öttin ber ©onite
mar etjrgeigig unb mollte, baß ibr eigenes ©ufel»
liub über 3apau betrfcbe. ®mc<b feine $n»
trigueu brachte fie bieS gu ©taube. 2>er ©nfel
gog über bie SBolfenbrücfe, welche bamals £>im=
mel unb @rbe oerbaub, angetban mit feinen 3n«
figuien, ©cbroert, ©tein unb ©piegel, in fein
Steicb ein.
in ©<$intp*^riffier.
Sine ZAngerln.
Oer entthronte &errfcber flieg bom Fimmel
herab, unb fam in bie ißrobing bon 3bgumo.
Oort fab er einen ebrmiirbigen ©reis, welcher
bitterlich weinte. „SBarum roeinft bu?" fing
ber ©ott. „Oer große Oracbe fommt mieber,
unb bieSmal berlangt er mein ftinb als Opfer,"
autroortete ber Sllte. ,,©ieb mir beine Stocbter
gur ffrou, unb ich tobte ben Oracben," ermiberte
bet entthronte ©ott. Oer ÜBater mar bamit gu»
frieben, unb ber ©ott begab ficb an’S ©eeufer,
mo ber brache Derftecft lag. £ier lodte er ben»
felben bureb ein ©efäfe mit beraufebenbem ©afo
heran, liefe ihn ficb an bemfetben beraufeben unb
hieb ihn bann in ©tücfe. 3it bem ©dbmange
beS Oracben fanb er eine itlinge, bie jeßt noch
im Stempel gu „Ulme Sterafu" aufbemafert mirb.
Oer Söobnort ber Dielen ©ötter ift gänglicb
unbeftimmt; ebenfo ber Slufentbalt unb baS
Oafein ber menfeblicben ©eifter nach bem Sobc.
^a ber gange japanefifebe ©laube ift unlieber
unb unberftätiblicb; mir müffen uns munbern,
bafe ein folcb leeres, fabeS ©tjftem fo lange über
ein Soll gefeerrfebt bat. ©eine ©runbiiiße Der»
laugen, baß bie SJtenfcbeu nach bem SJtufter ihrer
©öfter unb gelben leben foflen; fie berachten
alle Uureiuigteit unb alles Softer, aber ihre
©ötter unb ihre eigene ©jifteng nach bem Sobc
fiub ihnen etroaS OüftereS.
Unter ihren (Zeremonien ift eine, bie unterer
gtinbtaufe ähnlich fiebt. 'Jim breifeigften jage
nach ber ©eburt mirb baS ßiub in ben Stempel
gebracht, mo bie Sermanbten für baffelbe beten.
®om brüten 3>abre an muß baS ffinb alle reli»
giöfen Uebungen mitmacbeu. Stach bem ‘Jobe
Digitized by v^ooQie
520
(Sin Opfer ber leibenfdjaft.
roivb bie Cetebe beS tiefen in ein roeißeS
lud) gehüllt ben ^ßrieftern beS Häuften lern*
pelS übergeben; bie Perronnbten [teilen auf einen
5ßult neben bem $opfe ber Seiche SteiS, ©ein
unb 5nnf)t, um bie Seele beS 33erftorbenen gu
tröften. liefe Stationen für ben lobten toerben
49 läge lang meiter geliefert, 3n ben Sarg
merben außerbem noch eine für bie 3nhreSgeit
paffenbe Äleibung gelegt, foraie ein Sonntags*
angug, ein £ut unb ein Ueberrod. 3lu(f» mit
einem mit Kleeblättern gefüllten Jtijfen roirb
ber "lobte oerfebeu. Rimbert läge nach bem
lobe roirb eine fteinerne Säule errichtet, um ben
leßten ittubeplajj gu fenngeichnen. Später roirb
ein öotjevuer ^fofteu iit ben ©rabfjiigel gefegt,
meteber ben Stauten unb baS Sitter beS Serftor*
beneu trägt. las ©rab mirb mit einem SJatn*
biisftäbcben eingegäunt. Slud) SMumen bienen
manchmal ginn Schmude ber ©räber, boch roer«
ben biefetben nicht fo häufig ba*u oermanbt als
roic bei un§. 1er bom jopanefifchen Sßolfe gead>*
tete unb geehrte jtirfchbaum ift in ber Stäbe beS
le&teit StuheplapeS gu finben. 3 m ©angen
macht ber japanefifche ftirchbof einen traurigen
©inbrud auf ben Skfudjer. Slm lobeStage
merben bie ©räber ber Sfcrftorbenen befucht unb
meitläuftige Getetnonien finben an bemielbeit
ftntt. loch ber einfache Schintoqotte-bienjt
fomobl als fein Stebenbuljler, ber prachtliebcuDe
SBubbbaiSmuS, finb im SItiSfierben begriffen,
ler ©inffuß beS ©briftenthuutS macht fiep fühl«
bar. laS 'Jteich ©otteS nahm auch hier leinen
Slnfang Kein roie ein Senfforn, aber bie 3eit
ift nidjt mehr fern, in melier unter feinem
Schatten and) bie 3opanefen baS »nähre &eil für
ihr 33olt finben »uerben.
(Eiu (Opfer Der J?ciDcufdjaft.
Sion 28 . @ (jünger.
*5 tr (Sortfebunfl.)
2» „i.
icber tarn ber Ijerr*
liehe Frühling unb
mieber mar eS
IjSalmfonntag.
mar mar am Worgeit ber
Fimmel beroöllt, ber Um*
gug im Ihal fchien oereitelt
merben gu rooflen unb bie
fieutchen im lörfdjeit .ft.
fchauten berbrießlid) auf
jum £>immel, mo es gang
grau auSfal). Üalb aber
iourbeu bie SJtienen beite*
rer, bie SBolfen theiiten
fich, baS fd)öne SMau lugte
mieber beroor unb gegen Wittag mar ber #im»
mel fo blau unb dar als je. lie ftrübliitgS*
fonne fanbte ihre märmenben Strahlen gur ©rbe,
alle? grünte, aller regte fich- Wunter fangen bie
Sßöglein unb luftig {prangen bie ^unflen. 3n
einer 2Bod)e mar ja bar Cfterfeft, mo ber Öfter*
hafe ihnen bunte Gier legte unb auch ber fßalm*
fonntag mar ihnen immer ein Sreubenfeft. 2öie=
ber bemegte fid) fingenb ein 3»ft langfam thalauf
unbthalab unb mieber ertönten bie fdjönen alten
Gljoräle. Oben in ben SBeinbergcit [taub roie
immer eine Schaar Steugieriger, bie fid) ber Statur
freuten unb bem ©efang (aufchteit. lie 6rfab=
nntg lehrt ja, baß biefer uon ber fjerne in ber
Stegei lieblicher tönt als in ber Stäbe. SSer ein*
mal in ber Stacht ans ber $eme lieblichem @e-
fang gelaufcfjt hat, roeiß baS gu begeugeit.
let ehrmiirbige ^farrherr unb feine fünfte
©emahlin gingen am SIbenb oben in ben SBeiit*
bergen fpagiereit unb freuten fich ber untergeben*
ben Sonne, lie '-öeiben gehörten gu ben ©lüd«
liehen, bie für bie Steige unb Stimme ber Statur
Sferftänbnifj hoben, bie in jebem ©rashalm, je*
ber SMume bie SI(Imacht unb ©iite ©otte-3 bemuit«
berit. ©beit jefct fanbte bie fcheibenbe Sonne
ihre lepten Strahlen alles bergolbenb über Söalb
unb C>ügel unb mahnte bie ißeiben an ben all»
gütigen Schöpfer unb gu ihm ftieg ihr lanl.
ler Sßfarrberr mar ein behäbiger Wann mit
mohlmoüenbem ©efichtSauSbrud; feine ©attin,
©life, eine liebe fünfte fyrau, aus bereit fanften
Singen ein garte» öranengemiith fprach.
„lort fommt ber SMtrgermeifter," fagte eben
jejjt ©life, bie 3ofob — benn er mar eS — bon
ber anberit Stiftung her (angfam ihnen entgegen
fommen fah- ©r hotte fie offenbar noch nicht
bemertt, bemt er ging gefentten $anpteS, bem
Slitfdjein nach tief in ©ebanten oerfunten.
„6r geht traurig unb in fich gelehrt," öerfejjte
ber ipfnrrherr. ,,©S roiH mir oft öorfommen,
als ob ihn geheime Sorgen quälten. 3fh fucljte
fchoit oetfchiebene Wale mit ihm gn fprechen,
aber fann leine ©elegenheit finben. 6r fcheint
mir auch öfters auSgumeichen. 2BaS ihn rooljl
quälen mag? ©r ift gegenmärtig fehr feiten in
ber Äirdje, meit feltener als früher. Wir tbut
Digitized^y v^ooQie
(Sin ©pfer btt fetbenfdjnft.
521
eS leib um ben Wann, beim et hot baS 95er* „93?iinfd)e ^ Oncii angenehmen Spajiergang,"
trauen bcr 93iivger, auct» bemaltet et fein 9(mt fagte er fdjnefl in erjmimgeucr hrrrijdjcr £i)f*
§n allgemeiner 3«fti«beit^eit. Seilt ganjeS 93e* lirfjfeit, bie il)m, bem Saiibmaim, ^erjlic^ fehlest
nehmen aber erregt 3weifel in mir; eS muf; finub.
irgeub etmaS nietjt verfjt fein. Sfritljer mar er Ohne fid> miebcr ltmjufebcn, ging er meiter,
gciitj auberS. ©e6e ©ott, baß baS mir 3läiifdjuiit§ 9(ufaugS fdjuellcv, bann micber fo Icmgfam als
märe." jitbor. G$ mar ihm feljv evmüufdjt, bnfi er fo
Unb Glife ergänjte traurig: „9Iudj ju $aufe, fdniell beu Grmahnungeit beS 33farrfeerrn au»*
fdjciht eS, ift nidjt mehr alieS mie früher. Cft gcmidjeu mar.
ift mir, alb hätte Gfjviftiue, fein Söeib, ftillen $er 95favvfjerr uub Glife faljeu ifim einige
Stummer, ihre 91tigcit finb öfters bermeint. 9lber 91ugcitblide traurig und), uub fohffdjiitteliib
fte flagt fRiemanbeu ihr Seib. Sie fdjeint ein fugte ber Grftere: „Gv finf)t mir auSjumeidjeit.
matfercb Seib §u fein, ich hob’ fie immer geliebt." 9l'ie fdimer ift eb bodj, feine Seelforgerpflidjlen
„3a fie ift eilt bratH’b 2Beib. 3fch hörte fie auSjuiibeii, meun ber TOcnfdj allen auch noch fo
tiodj nie über ihren ÜWaitn flogen, mo§u fie Diel* gutgemeinten Grmahuuiigcn auStoeicht. Uub
leicht Uvfadje hätte. 911b eine treue (Sattin be* boct), idj meifeuidjt mie eS fommt, aber ich höbe
hält fie ihren .fiunnner bei fi(h. £a fdjmeigt fie ein befonbercS Sntcrcffe für ben 93itrgermeifter,
am liebffen gauj." trofebcm er meine 9?älje meibet. Gr mirb immer
„9BaS mag mohl bie Urfadje ihres SfuinmcrS berfcfeloffcncr. 3dj fürd)te, er hat fich in Schmie*
fein ?" fragte Glife. rif§feiteu oermidclt. GS thut mir febr leib, bah
„tn SBiivgerineifler berfefert biel mit bem er fidj bitrchaub nid)t morneit läfet Do* - feinen
gottlofen Schmieb uub bem Dürftigen TOiifler, gottlofen ©enoffcn. GS miirbe fogar einen ftar*
tinb ihnen trau’ id) nichts ©liteS §ii; bie jieheu feuGfjaroftrr jiemlidjauf bie Ißrobe fefeen, meun
ihn uod) in ben 9lbgrunfe, meun er fich uidjt lob* er in folcfeer ©efellfdjaft fid) bewegte, uub ber
reifet. 3<h hohe bange ikfiitdjlnngen für ifjii IBürgermeifter hat leiber nicht biefe fjeftigfeit beS
unb bie Seinen. — S'od) ba fommt er näher; GharafterS."
er fieht uns noch niiht. 90ir mollen ihn griifeen." So fbrach ber ipfarrljerr, julcjjt faft §u fich
„©uten 9lbenb, SBürgermeifier," griifete bcr feil*ft, unb enblich fliiujeu bie »eiben fdjmeigcnb
tpfarrherr. neben einanbcr Ijfr, ber tßfarrljerr badjle über
3afoh blidte erjtaimt auf, als er ben ©rufe 3ofob, Glife über fein 9Beib unb bie flinber
hörte uub erfdjraf, als er beu tpfarrljerrn Dar nadj.-
fich fnh. beim er mar feit einiger 3nt einer 9Jc= 3'afob ging finnenb loeiter unb meiter unb
gegitung ouSgetoichen, Wo eS nur immer aiiging. gab fich nidjt fRedjeitfdjaft mohin. Gnblich ge*
— 91uch Glife grüßte freuiiblich. ricth er in eine ^orutjalbe, mo ber 93kg mit
3afob grüfete Dermirrt: „©utett 91benb, fjerr Bornen übertoadjfen mar. ffca ftaub er plöfelidj
Pfarrer; guten 91benb, ftrau l|5farrcrin," uub ftifl uub blidte um fich. 3»r Sinfeit itadj oben
K feine 95erlegenheit §it berbergcn, maS aber mar alles mit $ornen übermachfen, Dor ihm
it gelang. 3 f mehr er fidj bemühte, befto mürbe ber 9lbhang immer fteiler, §u feiner 91edj*
auffaflenber mar fein Seuehnien. ten mar ein äufeerft jäher ^elfenabljaiig. @an§
„3ht toaret feljr in ©ebanfen berfunfen, unten im ‘Jfjale flofe ber 93ad> unb befpiilte ben
SBürflenueifter," fuhr ber tßfarrljcrr fort. „3he Reifen. GS gefehalj nidjt gnnj ohne Schaubern,
geht ja fo einfam, lonS 3he bod) fouft nicht ge» meint baS ungeübte 9luge ba hinunter fah- $ier
roöhnt feib. 3he fehet traurig unb nieberge* mar baS 2d)al überhaupt fehr eng, beim auch
fchlagen aus. 3ft Glich etmaS UebleS begegnet ?" auf ber onbern Seite erhob fid) ein jiemlich flei*
„9tein ... 3<h liebe biefe einfamen Spo§ict* ler 9lbbang. 9öeiter founte 3afob nidjt ohne
gänge," ermiberte 3 n f°h unaufrichtig. Sicim fDtiihe fommen.
offenbar ging er nicht aus Siebhaberei ba fpajie* „90 ei fl nidjt, mie id) aus biefer klemme fom*
ren. $er 'fffarrherr hielt eS für beffer, nidjt men foll," murmelte er fiuflerbor fich hin. „91m
meiter in ihn §n bräugen. 9I1S ffWeufdjeiifcnner ^onnerftag fall idjbrn ^»ivfdjmirth bejahten unb
rnufete er gut genug, bafe er ihn btirch loeitereS hob’ boch fein C55elb, and) leine 91uSfidjt, melcheS
Sforfdjen nur erbost hätte. ju befommen. Gr hot mir jiemlich lurj geiagt,
. „9Bie geht es ju |>aufe, Gurem 9E0eib unb bafe er lange genug geborgt habe. Unb meine
Gtiren fiinberu?" fragte jefet bie fanfte Glife Sdjufb ift nicht uiibebeutenb. ®a fteh’ich in
nach fjrauenart. ber Shat mie ber CdjS am 93erge. 933aS ift ju
„GS geht fo jiemlich gut," mar bie furje 9(nt» thun? 3dj hob’ fein Ötlb unb auch feines m
toort, ber man amnerfte, bafe auch biefe fffrage 9lnSfid)t, tönnte überhaupt nidjt genug auftrei»
iäflig mar; beim 3ofob rnufete eigentlich lticfet ben, meine Sdjulb ju bejahten, ^er ^lirfch»
redjt, mie eS ben Seinen ging, baö hotte iljn in mirtfj roill fein ©elb, unb idjanbcuhalbcr miife
Ie|ter 3eit rnenig geflimmert. ich ih» ouf irgeub eine SEBeife befriebigen. 3> i m
38
Digitized by v^ooQie
522
Sin ®pfer irr l’eibettfdjaft.
@(iicf mciß mein 2 öeib nichts baDott. Hub
müßte fie’o otidj, maS fümmert es inict»; ich bin
Herr im HauS. 9lbet ich weiß leinen Dtatfj, fo
Diel ich mich audj befinne. SaS fönute tnid) baS
SBertraueu bev teilte foftett. ©türjte idj mid)
pier herunter, fo märe id) biefet ^äßlic^en Sorge
loS unb meine Scpulben mürben fefjou bejafjU.
Dtiemanb müßte, mo id) märe, ©efdjepe bann,
maS miü."
Sr trat näher gnm ftelfenabpang unb bficfte
hinunter. Set faßte ipit eisfalte» ©rauen, er
fcproenfte bie 9'tiiße unb trat fehneü 3 itrüef. „9iein,
jeßt miü ich noch nicht fterben. fDlir ift fo fon«
berbar unheimlich 311 DJtutlj in biefer öbcn ©e»
genb. Halt! ba tommt mir ein ©ebanfe, baS
miü ich tfjun. Ser Hirfcpmirtp hat auf bei¬
zeiten Halbe" ein Stiief Sanb unb ich ein nid)t
gernbe fteineä baneben. SaS tret ich ihm ab
unb er mirb 311 frieben fein. S’ ift ja auch lein
fo f<h(cd)ter Haitbel. SÖelannt braudtt ba» nicht
311 merben, mit macpen’S im ©eheimen ab.
'JJtein SBeib foü’S auch nicht erfahren unb meint
fie’S erfährt, fo frag ich and) nicht» barnnd).
9)tih foüeit ihre Shriinen nicpt rühren, burcp’S
SBeineit bringt fie mich nidht unter ben tpantof»
fei. SctS rettet mich bor offener Schaube. Sem
Hirfdjroirtf) mirb auch bran gelegen fein, einen
guten ©aft 311 behalten."
3 eßt richtete er fich mieber nach feiner gansen
Höhe auf, fletterte bann bttrch bie SBeiuberge
hinauf, um fo 311 m Sorf 31 t gelangen, ohne
mieber bem Pfarrer begegnen 311 müffen. 92a«
türlich fühlte er fich ihm entfrembeter noch als
3 Ubor.
2Ber aber etma glaubt, 3afoh fei nach Haufe
gegangen, täufcht fich feljr, beim jeßt ging er
fcptuirftrnd» 31111 t „Hirf<h"- Sort mürbe bis
ÜHitternacpt luftig gcjecpt. Sein 2 Öeib lüininerte
ihn meniger als je. Unb mie berhiett fie fich?
©ut genug hatte fie ba» buntpfe Saljinbrüten
in bett leßteit Sagen benterlt, aber nie ein He *3
gehabt, nach ber Urfacpe 31 t fragen. Sa her fiel
tht bie ptößliche SJeränberititg fogleid) auf. 3 a*
fob murbe inbeß immer fcproffer. Sen Sag
barauf hatte er ben heimlichen Vertrag gefeploffeit
unb ber Hirfchmirtl) — nun natürlich — mar er
3 ttfriebeit gemefen. ^Brachte eS i()nt boch 93or*
theil ttnb babei 30 g er 3 afob itttr um fo mehr an.
3 afob murbe fogar mitunter grob gegen fein
Söcib nach biefetn Ijfimlidjen vertrag. Sie
nahm aüeä gebulbig hin unb Hagle ©ott ihr
fieib. Sie 9totfj hatte ihn nicht rneifer gemacht,
oielmehr föiiute man geneigt fein, baS Entgegen»
gefeßte 31 t glauben, menigftenS fpracpen feilte
Häuptlingen bafiir. 3MS jeßt mußte 92iemanb
etma» uni beit geheimen penibel außer ihm unb
bem H' v fd)njirth. So tonnte er ihn and) baS
Skrtrauen ber '-Bürger nicht tofteu.
ffiknige Sage fpäter flattg bom tRatfjtjaufe
her baS ijeüe ©lödleiit. SBeit fepaflte ber ftare
Schafl über baS Sorf hin unb rief bie ffiapl*
berechtigten an bie Urne. ©S mar ein trächtiger
Sag für bie Sorfgemeinbe, ber SBablteig.
fDtandje begriffen bie bolle SBebeutung ber Stapl
unb hanbelten nach beftem ÜBiffen unb ©emiffen
unb ließen perföulidje ütücffidjten nicht mitfpre.
djen. Slnbere bagegen maren nicht fo einfirpt».
boü unb mentt fie einmal gegen 3 emanb einen
©rott hatten, fiel ihre Stimme niept für ihn unb
meint fie gleich mußten, baß er ber tüchtigjte
fDtanii mar. So thörichte fDtenfdpen finbet man
ja überall.
3(u ben Sdjenfen murbe ftpon am Sormittag
bor ber SBopl tüchtig gelärmt unb geftriiten.
Sie Slemterjäger ließen reiflich SBein fomtnen
unb fugten fo Stimmen für fid) 311 gemimten.
Sa hatte natürlich Stafob einen SSortljcil unb er
ließ e§ auch an biefem Sage an 2öein nicht
mangeln. Saneben hatte er ja Srinfbrüber
genug, bie tüchtig für ihn agitirten. ©S mar
alfo bie bejte 9tuSfid)t für ihn, noch einmal
fflürgernteifler 3 U merbeit, obgleich eine 3 tDcite
Söapl bis jeßt nur feiten borgefoinnien mar.
3 ubem hatte baS 2 (mt gar biele ferner ber, beim
eS mar ttebft betn Sdjultheijjenamt baS einträg.
lid)fte unb eljrenuoüfte.
3 m „©afthauS 311 m Hirfdj" ging eS gan 3 he.
fottberS lärmenb 3 U. Sort mar überhaupt baS
Hauptquartier an foldjcn Sagen. Ser äöirtlj
fchmuit 3 elte bergnügt, mettn er bie bollen Stuben
fah-
„He. SBirth, toer mirb roohl SBürgermeijter?
3hr »ißt ja baS immer fdjott int tBorauS. wan
tonnt euch halb für fo einen tßroppeteit palten,"
rief einer am größten Süd), ber gaits befeßt mar.
Ser Söirtfj brepte fich um unb ertannte in
bem btebenben ben alten Schufter Dtiepel, ber
jmar foitft roegen Dtangel» an ©clbi'tberfluß fein
fleißiger ©aft mar, an foldjen Sagen fiep aber
boct) nichts abgepen ließ. Sa es fich um ben
Sürgermeifter hanbelte, brauchte ber Höirtl) fein
Hehl 3 u madpeit, beim 3(afob mar fein Stamm»
gaft unb bie anbetn Bewerber artete er etttroe«
ber nidf)t ober fie maren feine Sriufer.
„3ch bent’, mir bepalten ben alten. Ser hat
ja fein 9lmt tüchtig mcrroaltet. Söeiß nicht, ob
mir etroaS bejferu tönnteu." 6 r fagte baS 3 iem»
lieh laut, baß eS 3Ebertnann hören fomtte.
„5öaS, ber fall mieber Söürgernteifler merben,
baS feplt nod). Seit quält bie ©inbilbuttg fepon
fo mie fo genug," rief jeßt bahittten Sitter mit
einer orbentliehen fiupfernafe int ©efiept.
„Sag’ btt baS nicht mieber, ba hinten, ober ich
merb’ bir mit meinen Ofäuften bemeifen, baß er
bei 1 einzig Dtedpte ift," rief miitheiibber uns tängft
betauute Sorffcpmieb.
Ser ba hinten budte fiep 3 itfammett unb fpraeh
Digitized by v^ooQie
(Sin ©pfer btt Jtöbenfdjaft.
523
fein SBort mehr. Ser Söirih brachte jeßt frifd>en
ÜBein unb fugte: „SaS triutt auf baS SBoljl beS
SürgermeifterS. Gr Ijat fdjoit begahlt." SaS
roirtte auf Slle, unb Wär’S auf fte angefommen,
fo wäre jeßt fchoit Safob ber wieber gewühlte
Sürgenneifter gewefett. Segaf)lt hatte nun 3a»
fob cillerbingS nicht, aber besprochen gu bejahen,
unb baS genügte bem Stöirt^.
3fafob felbft trieb fich an biefcm Sage unauf-
hörlich in ben Scheuten herum, filmte aber
wäljvenb beS SageS fich nüchtern gu galten.
9Ud# toenige ber heften Sürger toaten auf feiner
Seite, unb bor ihnen burfte et fid) nic^t bloß«
ftetlen. Sie toufiteit ja nichts bon bem, was
gwifdjen ihm unb bem Hirfchwivth in ben leßten
Sagen borgegangen mar.
Sie Stunbe ber SBaljl fam. Siet neue ©e»
nteinberäthe würben gewählt, wie baS ein alter
Sratich gebot. Sann fam ber Siirgermeifler an
bie Steiße unb —2fafob erhielt bie große Wcljr»
heit ber Stimmen, bie übrigen waren gerfplittert.
9tun war er toicber Siirgermeifter unb baS alte
Sehen fonnte fortgeheu.
Unter foläjen Umftänben war jener ißalm»
fountag=aibeiib, wo er Setbftmorbgebanfen ge»
hegt hatte, halb aus ben ©ebanfen berbannt.
2Ba§ foftte er fich auch mit trüben ©ebanfen
quälen. War ja bod) feinem Gtjrgeig ©enüge ge»
than unb fein Grebit gefiebert. 3 e ßt trug er
fein £aupt höher als jubor. ©egen bie Seinen
Würbe er nicht liebreicher, biefmehr rüdficßtS»
Iofer.
Unb wie war ber armen Ghrifline gu Wutß,
als fie bie SMebererwäblung ihres Wanne» er»
fuhr ? 9ld), fie war wie gerfdjmettert. Sange,
fange bergoß fie fjeifje Shränen. Sie hatte fich
ber Hoffnung hingfgeben, bah ihr Warnt baS
5lmt nicht Wieber erhalten unb bann fich bcffent
werbe. Stber alle Hoffnungen waren bernid)tet.
Sie §ufitnft war ihr bunffer noch als je.
Ghrifhne war fo recht ein Silb beS Jammers,
unb 3fafob merfte baS faum. Unb baS afleS war
bie gruCßt Iofer SReben feiner gottfofeu ©eu offen.
IV.
Ser Sommer war fchwill unb Ijeifj. Sie
Saaten reiften pradjtbotl, unb bem Sanbmaun
fdjlug baS £erg freubiger atS fonft, wenn er feine
ffornfelber üoerfchaute. 2öar eS boch wieber
einmal ein gefegueteS 3f«hr, baS affe Wiihen
reichlich lohnte. Sie Sicheln würben gefchärft
nnb bann giitg’S fveubig hinaus gttr Grnte. 3n
folchen Seiten achtet ber fleißige Canbmann nicht
auf bie heißen Sonncnftrahlen. Gr ift beforgt,
feine Grnte gut unb gliicflich in bie Scheune gu
bringen. Ser bentfehe Sauer hat fo wie fo nicht
ju biel, nnb freut fi»h über baS Söenige um fo
mehr. Gs ift eine alte SBahrße it, bah bem Wen»
feßen mehr fjreube bereitet, was er im Schweiß
feines SlngefidjteS errungen hot, als Was ihm
nur fo ohne fein 3utßun | u p cll ©djooß fallt.
SaS fiuben wir hier bewahrheitet.
2BaS aber lüminerte 3afob all biefeS Sreiben ?
Gs fchien ihm weit angenehmer, in ber fühlen
Schenle beim Srunf gu fißen, als brauhen auf
bem fjelb gu fchneiben unb ©arben gu binben.
Sagelöhner traten baS für ihn. GS gab gwar
eine 3eit, wo er felbft ber Shätigfte war, aber
bie Wat öorii6er. 3 e ßt fam et ijur feiten, um
wenigftenS nachgufeßen, wie bie Grnte boran»
ging. 8für ihn war bie Grnte nicht fo reichlich
als fonft, wobon nur er unb ber Hirfdjwirth ben
©ruitb wißen unb Gßriftine ihn ahnen fonnte.
Unb a<h, biefe Slßnung muhte baS bielgeprüfte
SEßeib noch mehr beugen.-
Gs fam ber Herbjt mit feinem luftigen Srei»
ben. SBie gu einem gefte gogen bie fieute hinaus
in bie SBeiuberge gur SBemlefe; unb ein fjeft ift
bie ffieinlefe auch immer für ben Sanbmann,
wenn ber Sßeinftocf reichlich feine brächte trägt.
Sa trachten Söller ^ier unb bort, bie fnaßenben
ftröfeße unb Schwärmer malten ft<h an allen
Gcfen geltenb. 3unge unb Sitte riefen einanber
luftig gu, unb namentlich'am Slbctib trachte es
überall unb baS angegiinbete ftcuermerl erhellte
bie Stacht.
Soch wie alle ©oben ©otteS, fo wirb auch bie
3?ru<ht ber Sieben mihbraucht. SBäßrcub fich bie
jungen bie fußen Srauben aDgufeßr fihmeefen
liehen, fpradjen bie Sitten fleihig bent beraufcheit»
ben Saft gu. 9tatürli<h nicht alle; nicht jeher
SSinger braucht auch einen Saufet) gu haben, unb
nicht jeber hat einen. SaS muß ich git ihrer
Scrttjeibigung beim boch fagen.
Giner ber Unmäßigen mcir, wie fid) baS faum
oubcvS erwarten läßt, 3tafob, ber Siirgermeifter.
Unb jeßt war eS ja feine fo große Schaube, be=
trunfeu gu fein, unb fo flhmanb bei ihm biefe
leßte SChranfe. Waneber Setuinfene taumelte
auf ben Strahen. 2fafob ließ eS fid) fehr an»
gelegen fein, bei SBirtljen, Sacßbarn uub 3?reun*
ben ben neuen Sfcin gu ber-fiußen, nub baS tfjat
er aus zweierlei ©riinben: gunädjft natürlich
bem 2Beiu uub bann auch ‘noch ben SMrthen,
Slachbarn nnb gretmbeu gu lieb. Siefer leßtere
©vuub war allerbingS ber weniger fCßwer»
wiegenbe. Uub bann, warum foflte er nicht nach
HergenSluft triufen, eS war ja alles unifonft unb
ohne ©elb ? Slni häufigften hielt er fiel) in ber
Heiter auf, wo Sag wttb Stacht gepreßt würbe.
3e mehr er traut, befto größer wtirbe fein Ser»
langen. Seim Spiel berlor er rafenb fchnefl,
beim baS ©liief war ihm feiten hotb.
Unb ber ©vom feines SJeibeS? Ser füm«
merte ihn nichts, ©ar nichts fragte er nach
ihren rotbgemeiuten Singen, fonnte höCl)fteu5
ärgerlich werben barüber. Still meiuenb faß fie
einmal noch um Witternacht oor ber SMege beS
Digitized by v^ooQie
524
8in Äffer brr leibeiifdjaft.
jüngften SinbeS, baS nur wenige Monate zahlte baS #ülf(ofe feiner Sage, ohne beit SluSmeg ju
unb betrachtete traurig ben unfdjulbigen Schläfer. fiitbeu. ©elb batte er noch weniger als ba*
„Slrmer 2Burm," feufgte fie, „bu abuft nicht mals, babei brucften ihn noch anbere Schulben,
bie Stotlj, bie an bem bergen beiner SJtutter nagt, bie er fonftroo gemacht butte. 2)aS afleS erwog
Sich halb wirft nueb bu empfinben müffeit unb Safob hier in ber ©infamfeit. @r überlegte
febeit, meßpalb beine SJtutter fo Diele iljränen Wieber, ob eS nicht bejfer wäre, fich baS fieben
bergießt; nur gu halb wirft bu beiner Unfchulb gu nehmen, al§ ber Schanbe aitbeimgitfaßen.
entriffeu fein. 3cb muß mein Seib ftill tragen 2>a tauchte ein unheimlicher ©ebante in ihm
mtb habe Stiemanb, bem ich eS Hagen tarnt, als auf, ber nur einem Derworfetten ©ßarafter ober
beu, ber über Den Sternen Wohnt. Gioig wirb einem Verzweifelten als Stettung erftbeiiieu
es wohl nicht wahren unb broben werben wir tann. $a§ ©rftere aber traf bei Satob nicht
glücflieber feilt. O baß ©ott fich halb erbarmte." eilt, beim er war troß feiner gefährlichen Sei*
Sie neigte fich über baS $inb unb fügte e§ benfehaft fonft ehrlich geblieben unb hatte fich
fanft. ©in Säcßeln — ach, eS war ein fchinerg. bis jeßt noch feine Veruntreuung ber ihm
licheSSächeln — uinfpielte bann ihre Sippen unb anoertrauten ©elber gu Schulben fommen laf»
ihre Singen ruhten auf beut $inb. fen. So war es alfo Verzweiflung, bie ihn
$a hörte fie Särin, ber ihrem £>aufe näher auf ben bcillofcn ©ebanfen brachte, bäs ©elb —
unb näher tarn. Sie nahm fchnell ein Sicht unb aus ber ©emeinbefaffe gu nehmen. Unb an bie*
eilte bie ireppe hinunter, bemt fte hatte bereits fer Verzweiflung wäret felbft fchulb. Staliirlicb
eine Slhnung Doit bem, was jeßt fain. Unb wollte er alles wicbererftatten, ohne baßSemanb
Wirflid}, o Schrecfen l ®a brachten SJtänner eS merfe. Qein SBirth Will er PorUigen, er habe
ihren betrunfeiten SJtann. 2Bie fie zitterte bei es irgenbwo entlehnt. Später fomite fi<h Stath
bem Slnbticf! Slber fie fchwieg unb weinte nur. fitiben. Wie baS ©elb Wicbcrguerftatteu.
3hr SJtaun würbe ins Veit gefetjafft unb bie $ct aber erhob baS ©ewiffeit feine waritenbe
S Stacht hmburd) phautafirte er wie im $e» Stimme unb 3afob erfchracf Dor feinem eigenen
n. dhriftine fonnte fein Sluge fdjliefecu Vlan. ©r war ja im Vcgriff ein — ßafjeubieb
unb Derhrachte eine fuinmerDotle Stacht. ©S gu werben, ein Verbrecher! Slber nein, bä? war
fchauberte fie nicht wenig, wenn ihr SJtamt tief: zu fchauberbaft! $a§ hatte er nicht im Sinn.
„Sie fommen! Sie wollen mich erließen!" ©ewig wollte er afleS wieber zurücflegen unb
®ann wieber: „®er fürchterlichefmnb will mich baS halb, fo halb als nur möglich. Sie unb
Zerreißen!" ©iumal richtete er fich fogar auf Wann? ®a§ aüerbingS Wagte er nicht gu er*
unb fchlng mit ben Sänften um fidj, nm bann wägen. $och er miß, er will es guriicfcrftatten.
wimmernb fich toieber niebcrgulegen. Stie wirb er ein ftaffenbicb werben. $as wäre
Sine 3eitlang War er franf, erholte fich aber ja fürchterlich! So lullte er nach unb nach fein
halb wieber. ©ewiffen ein. Schwächer unb feßwädirr würbe
* * * bie Stimme in feinem Innern unb foinit ber
®ie Selber Ratten ihr weites ffleib angegogen gefährliche Vorfaß fefter. „Stur bieS eine SJtal
unb fich Jur Winterlichen Sfier angefchicft. $a* miß ich’S thun unb nie wieber," fügte er gu f«h
fob Wanberte wieber planlos braufjen umher, felbft. Unb für jeßt fchwiea baS ©cmijfeu, aber
unb wenn et baS tßat, war immer etwas nicht Safob fonnte bod) nicht mehr froh Werben. ©8
in Drbnung. ®ie Stirne mar ihm glüfjenb war wirflich weit mit ihm gefommen!
heiß, baher fcfiien eS ihm eine SBoljlthat, bofj bie Slin anbern Sage ftanb er Dor bem eifernen
Söinterluft fo frifch unb falt ihm entgegen wehte. Schranl im berfchloffenen 3immer unb gählte
3n feinem ffopf fehwirrten bie ©ebanfen bunt mit gitternben £>änbeu, was er nöthig hatte,
burcheinanber; er feitfte baS £aupt. Seine Vruft ®aS ©ewiffen fprach Wieber laut unb Demehm*
hob fich heftig. lief): ,,$ha’ es nicht; werb’ein anberer SJtenfdj;
2BaS mar wieber in bie Quere gefommen ? fu<h’ bie Sache auf anbere Steife abgumachen;
durchaus nichts UnbebeutenbeS. ®er fiirfch* bitt* ben £>irfdjmirth um ©ebulb unb fpare."
wirth hatte wieber unbebingt Zahlung gefordert Slber WaS foßte er jeßt thun? VJeuii nun ber
unb babei eine brohenbe SJtlene gemacht, ^afob £)irfchwirth fich nicht meljt gebulben woüte?
Wußte wohl. waSbaSgu bebeuten hatte, nämlich: Unb er nahm baS ©elb unb febloH ben Schranl
„Vegahfft bu nicht, fo oernichte ich bich!" $er gu, unb wie er ben Schraitf fcytofi, fo üerfchloß
^irfchwirth hatte ihm runbmeg erllärt, wenn er er fich bie Sthiire gut belferen |)ülfe. 28 ie fol*
nicht binnen brei Sagen baS ©elb fchaffe. Der* genfeywer füllte baS werben!
lange er öffentlichen Slbfcfjluß beS alten £atibel§. 6r ftotterte, als er ben £)irf<hmirtb anlog unb
Sa mußte Sfafob bange werben, benn er merlte et muß feuerroth gemefen fein, fo war ihm gu
wohl, baß er febon jeßt in ber Sichtung be§ 4>irfch» SJtutf). Sluch war ihm, als bliefte ihn ber £irfch*
wirthS fowoljl als Dieler feiner SJtitbiirger um wirth etwas mißtrauifch an. diesmal fonnte
ein VcbeutenbeS gefunfen war. @t erfannte er nicht fo leicht aufathmen, benn bas war frem*
Digitized by v^ooQie
Unfdjäblid) gemacht.
525
beS ©elb, maS er foeben auSbegahlt ^atte. Unb
wann mollte er es rnieber giiritdlegeu ? 3mmer
mieber !am biefe gfrage, uub immer brüngte er
fie gitrüd. 2>a8 mar ein SBenbepuutt feines
£ebeti8!
Seibenfchaft treibt unaufhörlich abroärtS, baS
erfuhr jefet 3afob. 2i‘ar er nüchtern, fo mar
ihm ba$ ÜBerbetben tlar bor Klugen, in ba§ er
fid) gejtürgt hotte; unb bei all feinen flutenJBor»
fäheii rourbe eSbod) immer fchlimmer. Gr tonnte
fid) nicht felbft beherrfcheit. Sie brennenbe ®e»
flierbe nach einem Srunf heifchte Seftiebigung,
unb jebe SBefriebigtttig fteigerte baS Verlangen.
Gr fuchte luftige ©efeflfehaft in beit Scheuten,
um roenigfteitS für einige Stunben fid) bie qua»
lenben ©ebattfen aus bem Stopf fdjlagen gu tön»
nen. So mürbe eS je länger je fchlimmer.
®ott beit .£>errn, ben einjigeit Ütetter, tannte
3alob nicht aus eigener Grfahrung, unb trug
in üöirflichfeit and) fein Verlangen barnach. Gr
magte 4ogar über bic {frommen gu fpotten, bie
gegen bie SBerfiidjuuqen tapfer fiimpften, unb in
ber Familie ihr gröfstcS irbifcheS ©lüd fanben,
meil fie bie 3h«it liebten unb füt fie forgten,
unb im Uebrigen ©ott bertrauten.
2BaS anbereS mar gu ermarten, als baff 3afob
in ber Sichtung ber ^Bürger immer mehr fonf.
Ueble @eriid)te über ihn machten im Sorf ihre
Ktunbe. ®a3 gefd)ieht ja in folcfjen Dörfchen um
fo leichter, mo ffutig uub £wn§ unb alles ber»
bettert unb berbaSt ift. Dtatürlidj mürbe nur im
öeijeimen über ihn berljanbelt, aber hoch fo
offen, baß halb bie Gine muffte, ma§ bie Klttbere
Pachte.
3afob mertte bas mohl, beim mer lein gutes
©emiffen hat, hört alles maS ihn betrifft unb
auch nicht betrifft. Klbcr e» befferte ihn nid)t.
Gr mürbe täglich berfdjloffener, unb tonnte oft
lange 3eit bor fid) hinbriiten. 3» €>aufe mar
er nicht mehr fchroff, aber um fo mortfarger.
9tur hixhft feiten faßen feine fiinber ihn ladjen,
unb bod) maren fie fo frol), meint er einmal hei»
terer mar. Sill’ baS erfüllte bie arme Ghriftiue
nur mit mehr Sangen.
(8ortf<*ung folgt)
/ . -•-
|Kiifd)aMtd) gemad)t.
jP er alte ehrmiirbige tfJrebiger 3?. in GhriftianS»
ncr felb, melcher bor etma 70 fahren geftorbett
1 ift, pflegte auf feinen Spagiergängen laut
für fich uub'Slnbere gu beten. Gr mahlte am
liebfteit einfaine ©änge uub Certer, meil fie ihm
bei feinem Umgänge mit feinem &errit bie be=
ä uemften feßienen. GS mar ihm ein erljcbcitbcr
Jebattfe, baB ©otteS Kleid) überall auf Grben
blühen, bafs ©otteS SBifle, mic int £>intmel, alfo
auch auf Grben gesehen merbe.
Sie nteiften gelber unb Söiefen in ber fRäße
bott GhriftianSfelb fittb mit ^edett umgeben,
©er Gingattg befteht in einer Sfjiir, bie mit
einem Schlagbaum grojje Slel)nlid)feit hat. Gine
folche 2iHefe in ber Stalje bott GhriftiaitSfelb mar
bott ben Ginmobuertt als eitt Surd)qaitg benußt
morben. Ser Gigenthümcr, eitt benachbarter
Sauer, befcßloß, biefeS ferner ttidjt mehr gu ge*
flatten, uttb mahlte bagtt baS fDJittel ber ©eroalt»
auSübuug auf feinem ©rutib uub Soben. Gr
berftedte fich alfo gttr 3eit beS gemöhttlichen
SpagiergattgeS ber GljriftiauSfelber, mit einem
tüchtigen trüget bemaffttet, hinter feiner £>ede.
Gr mochte nicht lange gemartet haben, fiepe, ba
tßut fid) ber Schlagbaum auf, uub ber ehrmür»
biae Srebiger 3?. tritt in bie fdjöne 2öiefe hinein,
©te tiefe iattbliche Stille fcheint einen ongeneh*
men Gittbrud auf ihn gu machen; er erhebt bie
Klugen, faltet bie &äute unb geht tetcub in ben
©arten hinein, ittbein er laut uub bernehmlich
folgenbe Köorie fpricfjt:
„O bu lieber 33ater im Fimmel, featte ben
Gigenthünter biefer fchötten üBcfißung, offenbare
an iljm ben 3»fl beS SaterS gu beinern Sohne
3efu Gtjrifto, uitferem £)ei(anb, meil beitt ljcili»
gcr Sohn auch für ihn am Streng geftorbett ift,
unb ihm Vergebung feiner Stinben ermorbett
hat. 3ct, lieber £>eiianb, laß ifju bereinft burch
bie Straft beitteS 58erföhnungStobcS eingeheit in
bie feligett Kltiett beitteS ^itnmclreidjeS, bainit er
mit uns, beittett Grlöfiett, beinett heiligen Ktamen
emiglid) preifett tötttie!"
©ein ^Bauern entgeht feilt SBort beS mürbigen
©reifes, ber für ihn betet, mäßrenb er mit bem
? 3riigel auf ber Sauer fteljt. Gr lägt ben Prügel
allen uub toeiß nicht, mie ihm gefchieht; beim
unmiüfürtich fällt er auf feine Sfniee uieber uub
bleibt lauge 3*>t in biefer Stellung. KllS er
auffteht, miH er bem fÖtann nadheilen, meil
2hrätten über feine 39aden fließen, aber ftiH mie
im ©rabe ift es auf ber ©iefe. $n tiefe ©e»
bauten berlorcn, fehrt et heim.
Seine 3rau, melche um fein 33orljaben mußte,
fragte ihtt: „Kinn, haß bu einen ermifdfjt?"
,,’Sld), liebe 3tatt, benle bir, ba mar einer, ber
hat midj erroifdjt!"
„Slbcr mie beim fo? 3)u fonnteft bich ja
mehren!"
„3a, ja, ber mar ftarfer als ich, beim er hatte
Ä ubere SBaffcn. Senfe bir, eben noch fpät
ettb geht einer über meine SEßiefe, um baS
herginnigfte ©ebet für mich gu thun, baS id) je
in meinem Seben gehört habe; ba padte eS nti^
mie mitKliefenfäuften uttb marf ntidh nieber bor
©ott, beim ich hin ein großer Sünber! fDterfjt
bu etmaS? SJlorgeit gehe ich gttm Ifktßor in
GhriftiaitSfelb unb frage ihn, mie man fomerben
Digitized by v^ooQie
526
(Sin grljörntr« ©rfdjlfdji
tarnt, wie ber ©reis, bet über nufere Söiefe ging,
ltub bu gehft mit mir!"
911S ber '-Bauer am näcbften 9Korgett bei bem
tprebiger 8. eintritt, ift er noch mehr erftaunt,
beit Wann felbft bor fid) ju fefjen, ber geftern fo
eiubringlicf) für ihn gebetet batte. „®aS i|t ber
©otteSmauu felbft," fagte er feiner 3frau, „ber
war e», ber betete für midj, unb alfo auch für
bict)!"
£cr ißrebiger läßt beibe Seutcfjcit neben fidj
uieberfi^cn, unb erfährt nun bon bem 9)iann,
welche Sßirfung if)it ©ott erleben ließ bon einem
©ebet für feinen fttädjften, baS er im Umgang
mit ihm, ber fein $erj erfüllte, unb bon bejfen
Siebe feine 3uuge nie fdjweigen tonnte, gebetet
bat. $er wann war grünbli<b erroeeft worben,
unb auch auf bie fjfrau machte biefer SBorfatt
einen ^eitfam erfdjütternben ©inbrurf, fo bafe
beibe büret) 2cf>re unb Untermeifuug babin ge»
wenbet würben, wo allein £nilfe niib Grlöfung
ift bom seitlichen SBerberben: ju ber ©nabe in
$efu (Sbtifto.
.|—
1 "
Cfltt 0il)3rnti$ (öcfdjUdjt.
»o« 6. ®.
f in gehörntes, bem bauten nach betannteS
©efcblecbt, baS wir beute borführen unb
unb »war, wie wir hoffen, jut ^Belehrung
unb Unterhaltung unferer Sefer.
2Üir betrachten in erfter 9teibe ben «Stein»
boef, bie wohlbetannte 9Upenjiege, welcher fo»
gleich ertannt Wirb au feinen ungeheuren, präch»
tig gewunbenen, fidj fühn erbebenben unb weit
jurüagebogenen Römern, äöähvenb bie Riegen
öerbältuißmäßig Heine fwruer haben, fiitb bie
ber Sööcfe noch überbieS mit einer äteihe 3fur»
eben bebeeft unb born fehr fnotig. $er Sart bet
SBöcfe ift nie groß unb wirb im Sommer noch
Heiner. 2)ie gewöhnliche fjarbe beS tfieljeS im
STev StrinOtxf.
Diglti-zed by
Goo< 4e
(Sin gtljornt» (Sefdjled)t.
527
Sommer ift afchftrau mib bie £>aare fiub fttrg
nnb glatt; im SÖiuter fiub fie rötblid)brauner
garbe, Diel länger als im Sommer unb Ijabeit
mt ihren Söurjeln etmaS furje, roeicfje Sßoüe.
3 »n feiner £)eitnatb lebt ber ©teinbod auf bcti
Serben, mo er ebeufo fidjer 311 Sufi unb bebettbe
ift mie bie ©ernte unb itod) größere Vorliebe für
Prfteigung ber l)öd)fteu ©ipfel 3 eigt. •
2Seitn crfdjredt, fängt er fogleid) an bie Serge
hinaufguflettern, unb fielet nid)t füll, bi» er
außer ©efabr ift.
®ie ©teinbods^aflb
i[t eine ebeufo ge=
fäbrliche als müh-
felige Sadje, unb bie
Sunden 31 t fünften,
ift uod) fernerer,
meilbaS fleine ®ittft
fcbott meitifte ©tun-
ben nach feiner @e=
burt im Staube ift,
ben Pltern 311 foU
gen. Sine (ebenbe
^Kpen^iege ift bafjer
eineaußerorbentlidje
©eltenbeit unb eine
©ammluuft, meiere
eine folcbe enthält,
feheuSmertb.
®ie Sllpeugiegen
leben meift in flei-
neu |>eerbeu non
fünf bi» gehn an ber
3al)l, befteljenb au»
einem alten Sod,
einer Shigafyl 3 ie il e11
nebft fünften bei*
berlei ©efebledjt».
3bre Sorfid)t ift
groß; ein f(broad)er
©erud) Dom Suftjuft
berbeigetrageit, ber
Slug ober bie ©tim*
me eine» Sogeis,
baS ^alleu eines abgelöften ©leine» fiub ihnen
fo beftimmte 28aritungS3cid)at, als bie leib=
baftifte ®rfd)eiitung beS 3ägcr§.
Ognebiit ftart, ba 3 it uod) mit Körnern bc=
maffnet, menbet ficb ber ©teinbod felbft fleften
feinen Verfolger, meint er auf einen $lap ge*
trieben ift, mo e» fein Entrinnen mehr giebt,
unb fein Eingriff ift maljrbaft fiirdjterlid). 6 r
erbebt fid) juerft auf feine Hinterbeine, läßt fid)
bann herab, um auf Derfterfte SBeife fteften fei-
neu ?Seinb mit troßigcin ftopf augurenneu.
2 llte ©efd)id)t»fdjveiber erlabten, baß ber
©teinbod mit feilten Römern ©d)ilb unb ?tan-
3 er burd)bobreit föitne; aber, meint fo, bann
muffen jene ©egenftänbe Don fefjr fd)(ed)tent
Material geiuefett fein, mie ®on Duiyote’S
fürchterliche Sturmhaube.
3LMr geben unten bie Slbbilbuitg eine» juitfteu
©teinbod», ber Doit ber ÜDlarfbur abftammt, bie
mir nun betreiben rnolleu:
Serbin me bebeutet Sdjlattgeneffcr unb ftantmt
au» beut £Vutboftanifd)en. ®ie SWarfbur ift eilt
merfmürbift großes uub fd)öneS 2 bier. ®ie
9?aturforfd)er fiub itod) nidjt bariiber einig, ob
fie eine befonbere ©attung ober nur eine Slbart
ber gemeinen 3icge ift. 3bre$önter fiub ctmaS
fiirger, beinahe aufrecht, in ihrer Silbuug aber
febr Derfd)iebett. 3b^e S^tbe ift braute uub
graufpreitfelig, mit einem auffaflenben ®oppe(*
fleden Don reinem SBeiß au ber ©niitbflädje be»
©chmaitgeS. Pr hat einen bödjft foitberbareit
©ang, ben mau eher £>oppe(u nennen follte,
beim er hält feine Dorberen ffitiee gaii 3 fteif unb
läuft mie ein angebenber ©tußer Doit GO fahren
mit einem mit ©id)t behafteten S ll ß unb engen
Stiefeln.
9?un fällte bie gewöhnliche ober HauSgiege uub
ihre Spielarten; mie Diele eS bereu giebt, ift
gang unbeftimint, aber minbeftenS 25 fiub bc-
fauiit. 3Jtit einer Sefchrei billig berfelbeit moßett
Sttarfbur. (Capm Megnceros).
Digitized by v^ooQie
528
ßin gehörntes Srfdjledjt
ger S)ie &erfteflung Don fed)3 ©fjatoU in
Dier 3al)vcit fanu dS eine 1)ur<hf<hnittS*9lrbeit
betrachtet tuerben. 2)er Apparat bierju ift ein-
mir fept nicht fontmen, toeil fte für Den Magmen
unfercS 9 lrtifelS 311 groß fein tuürbe.
$ie tuid)tigfte 3^Ö«nart ift ol)ne 3weifel bie.
jeitige, tr>eld)e ba§
fcfyöne, feine £)aar
liefert, tuoDon bie
©affinere = SpamlS
gemad)t tuerben. —
Söev eineGafbntere-
Siegejmn crftenmal
fiel)t, tuiirbe nid)t
glauben, bafe ein fo
uininfeljuliiheS ®e=
fd)öpf einen 9lrtifel
Dun folgern SBertfj
erzeugen tonnte. —
©ie ift nicht grob,
fur*beiuig uiib fet)r
Derfd)ieben in ber
ffarbe; grau ift je*
bod) Dorberrfcpenb.
Sie ift überall bief
mit #uar bebeeft;
aber baffelbe gefällt
bem eilige nicht, tueil
es in üermorrenen
ffnäueln herunter-
bängt nnb and) mit
©d)mup nnb ©taub
bebeeft ift. 9tun,
bieitr £>aare tuerben
and) nicht jur ,£kt.
ftellung ber ©barolS
uertoeubet. $aS ei=
gentlid)e 3 ei, g ba*
für ift eine bnrd) bie
langen £mare be=
beefie uub Dar 9täffe
gefcbiiple tuottartige,
meidje £>aut. Steht
bis *ebu £>äute bie=
fer 3iegeit finb aber
nötl)ig, unt einen
einzigen ©baiul aiu
fertigen ftu tönnen.
2)er hohe ^JreiS
eines guten Gafb=
mere = ©batols bat
brei ©riinbe: 1) bie
(Einfuhr beS S9tate=
rialS, 2) bie 9luS=
fuhr ber fertigen
ffiaare nnb 3) ber
grobe 3<dauftt)anb
in ber gfa6rilatioit. %
Um einen groben, fd)bnen ©baml fertig ju I fach im llutrib, aber fomplijirt in ber ^PrflyiS,
machen, an bem Dier 'Verfonen beftänbig be s
fd)äftigt finb, ift ein 3aljr fauin geitiigenb.
kleinere nnb geringere brauchen natürlich tbeni*
ba bie Dielen färben mittelft $äben, bie auf flehte
böljerne ©peiler gemuubeit, baS Diufier er$eu»
gen, beroorgebracht tuerben müffen.
Gaf9inrrf»3ieQtti.
(gilt gehörntes <5efd|Ird)t.
529
Ster SRouflon. (Caprovis Musiiuon.)
3nnig öerwanbt mit ben
3ifflfii finb
Sie Schafe,
obwohl biefe fich beutlid) bott*
jenen unterfc^eibcit. 'Jie
©time ber Schafe ift nicht
aemölbt wie bie ber 3>egeu,
Umbern ftacf) ober hofft*
£wtner finb immer fpiraU
förmig, manchmal fcffmacff.
$ie ©eibcffeu finb guroeilm
hornlos.
2)iefe ©Wertungen haben
natürlich nur ©egug auf bie
milb lebenbeit Schafe, beim
untere meiften einf)eimifd)cn
haben teilte £>örncr uitb ift eS
eine ©tSnaffnic, mcnn ein
männliche» Schaf mit bieten
©affen bcbnd)t mürbe, Sie
finb im ©egcufaff ju ben 3if*
gen, rubig, jaffm unb f riebt ict).
2;ie ©chafe tämpfen and;
in anberer ©eife, als bie
3iegeu, inbem fie gcrabeitwcgS mit gefenttem ' ©alle erzeugt, Woboit unfere srletber gemacht
ftopf ben tfeiub anldufen. ' merben aber merben fodten, meun Scffneiber unb
©ine weitere 33erfd)iebenheit gwifdjen 3*ege 2aid)iuocber ehrlicher tDären. 9lber bie ©igen»
unb Schaf bejieht fid) auf ba» ftell, welches furj feffaft ber ©olle, bie Slrt unb ffieife, auf meld)e
ermähnt ju werben oerbient. ©ir finb ade be= biefelbe burd) Ätimatc unb aubere töebingungen
tonnt mit ber ihatfadje, baff öaS Schaf bie mobifijirt merben tonnen, finb $inge, bie nicht
fo aUgemein ber»
ftauben finb. Ta=
hei fommt in 33e=
tracht, baff ohgteid)
wir Schafe •'paar
erzeugen taffen tön»
neu, welche» beut
ber 3>ege faft gleich
lammt, mir boeff
burd) 3iegen feine
Sd)afmolle erjeu»
gen taffen tonnen,
©olle ift nothweit«
bigerweife bas'fko*
biift eine» falten
ftlimaS.
2>od) hatten wir
un§ nicht git lange
auf an biefett 0e=
tonnten Schafgat»
tungeit. ©S gieht
noch nnbere. Xa
ift j. SB. boS bieU
hornige Sdjaf non
fttepauff welches ju«
weilen 4 aber gar
6 £>ariicr hat. ©ine
xev jioutnb. (a niinuii ;i^uä xiitgt-iupims ) ouDtre tlbari giebt
Digitized by v^ooQie
530
(Entfernung non (SrfdjwUren unb krebsartigen Jii 6 toiid)fm.
eS, bic gemöhitlich 3 ober 5 Körner tragen,
unb beißen ©ttttiah» Schafe. Tann fomint baS
fettfchmängige Schaf. beiien Schwang ungeheuer
groß unb fett ift, unb ftellenmeife fo hart wie ein
Heiner böljerner Stumpf, um oov 58erleßiiugeit
burdj Scfjleifen auf bein ©oben gu beronbven.
tiefem gegenüber ftefjt bctS fchmauglofe Schaf
beS növbtiheu StußlaubS, bei welchem bec
Schwang gauj miffalleitb fttrg ift. TaS tar*
tavifrfje Schaf ift ebenfalls itierfmitrbig, um fei*
»er großen 3?ettcutmicf(iing mitten, ober bctS
9?ett fammelt fich bei biefein Thier in beit ©in*
tertheiten nn unb läuft nicht über in beit Schwang.
TaS SRoufloit, eine fcljöue ttitb ronbrKbeinlich
befonbere Slrt uoit 3iegenfchctf, lebt iit ©orfifa unb
Sarbinien. ©Smirbiiuch „roilbt'S Schaf" genaniit
unb lebt in deinen ©eerbeit auf beit bergen.
Tie leßte 9trt ber S<hnfe, bie mir ermähnen
motten, ift baS fchöite Sloubab (ber fdjöite Schaf*
bocf). Tiefes prächtige ©efchöpf beroohitt Storb*
Stfrifa unb hat eine SJtenge mifjeitfchaftlicher
unb mtbrer Stauten. ©S ift fofort erfeitnbar
nn bcin oont ©a(S herabbäitgeuben buntten
©oar uub beit Siüfchelit ähnlicher ©aare an ben
5$orbertnieeit ber SJtännlichen. Tie Söeibcpeu
haben ähnliche Slntjängfel, aber nicht fo groß
uub auffatlenb. Tie geroöhnlidje gfarbe beS
fßelgeS ift bitnlelblaß; es mirb etma brei grüß
hoch. 3f n ber ©efangenfchaft ift eS gu weilen
gaßm unb getaffen, aber fein Temperament ift
unficher unb bei feiner großen Straft faitit er
fetbft feinem SBärter, meint berfetbe ihm gu nah«
fomint, fehr gefährlich merbeit.
-*o*--*-
UfidftMkeit Der frül)|eitt0(ii <ffiitfmuiii0 tiou dkfdjwiirm unb
hreb0orÜ0fit
ei ber füglich abgehaltenen ©ottfereug ame«
«J rifaitifcher Sömtbärjte hielt fßrof. S. T.
@uß eou HJhilabelphia einen 58ortrag über
obiges 3l)ema. ©r giebt barin folaeube fünf
Oerfdjiebeite ©rünbe ait, marum ein frühgeitigeS
©iitfchreilett be§ SBMinbargteS burch Operation
eines berartigeu SIuStoHchfeS herbeigeführt mer*
ben foflte: i. bie ©efaljr einer Serblutnng ift
noch nicht oorhauben, 2. ber fraitfljafte SliiSmuchS
faitu griiitblicher operirt merben, 3. baS Stififo
einer SMutoergiftung, bie ja fo häufig einer ber*
artigen Operation folgt, ift geringer, 4. häßliche
Starben merben oermiebeit. Ter fünfte unb
wichtig fte ©runb aber ift, baß eine üßieberfchr
ber ftranfl)cit ait bemfelbeit gleiße ober au mibe*
reit Sörpertheilen baburdj oermiebeit mirb.
3ftt ber TiSfuffioit biefet ©rünbe fagte ber
Ütebner, bie Tljatfache mirb jeßt atlgemeiit aner*
tannt, baß alle biefe StuSmüchfe, ob gut* ober
bösartiger Statur, örtlichen UrfprititgS jtnb.
Tciß gemiffe '-ßerfoneit git berartigen Sötlbungett
angelegt fiitb, ift nicht nnmahtfcheinlich. befon*
berS meint bie ©efunbheit beS fßatienteit int 9111=
gemeinen angegriffen ift; aber baß ein ©efdjmiir
ober Sluswiuhs fich ait irgenb einem Organ ober
Störpertbeile einer gefuttben ißerfon ohne eine
örtliche Itrfache bilbet, beftreitet jeber benfenbe
Pathologe nuferer 3eit*
3ebe ©efcßmulft ift baS Stefultat oerfehrter
©rnähruitg eines ÄörperttjeileS, beffeit eigene
©lemente ifjeilmeife oerbrängt merben burdh ait*
bere, bereu oeränberter, franfhafter 28ud)S unb
meitere ©utmidlung bieStrantheitheroorbringe;i.
Jluoioüdjfeiu
Sille biefe StuSmüchfe rühren bireft ober inbireft
entroeber üoit außerorbeitllicher Sßerleßung h«
ober haben, maS häufiger ber Soll ift, ihre Ur*
faeße in irgenb einem medjauifcheit ©iitberniß,
melcheS guerft Slutaithäufnitg heroorbringt uub
biefe mieberum Oerurfacht erregte Tßatigteit unb
©ntgiiuöung, toelche beibe früher ober fpäter bie
Sleuberungeii in bet ©Währung beS betreffenben
ÄörpertheileS herbei führen. Tie einfachen
aller ©efchwüre, bie Jleineit talgigen SJtiteßer,
bilben fich unter bent reigbareii ©iuflnße ber
natürlichen Slbfoitberuug ber Talgbriifen nt bet
©aut, bereit Ceffitungen berftopft fiub. 58er*
ftopfuug eines SRildjfcinalS ift ohne 3weifel ber
Sliifaitg beS gefährlichen 58ruftfrebfeS. SJtandje
berartige ©ewächfe fiitb gleich beim 58eginne
ihrer ©utmidlung leidet erfeitntlich. Slnbere
mieber ftnb iit biefein Stabiumiiem erfahrenften
Slrgte troß genauer 5Bcobachtuug eilt Siäthfel.
©at ßch baS ©ernädjS oollfommeit entmicfelt,
bann foflte jeber Slrgt feine mahre Statur etlen*
nett. Unglücflid)ermeife berfättmen bie meiflen
Stranfen gleich bei ber Söilbuitg einer berartigen
©efcßmulft einen Strgt gu ©ülfe gu rufen. Sie
laßen ber Sache ruhig ihren Sauf unb erft
naihbem ber betreffeitbe Störpertheil in feiner
Structur bebeuteitb Schaben gelitten hoi unb
oft fogar bie gange ©onftitution erfchüttert ift,
mirb bem Singe beS Sachfunbigen ©elegenheit
gegeben, ben SluSmiichS gu befichtigen.
©itt mit berartigem Seiben behafteter Patient
fann fich glüct(ich feheißen, meiin er gleich bei ben
erfteit Slitjeicheit ber ©utmidluug in bie ©änbe
Digitized by v^ooQie
Hus btt Sugenbjeit bts bmifdjm Paifers.
531
eines intelligenten, gewiffenbaften Chirurgen
gerate Oiefer wirb nicht anfteben, feiner Ue»
bergeugung ©uSbrucf gu geben. @r wirb es für
feine Schaube butten, feinem Patienten gu fagen:
„3<h Oerftebe 3breit galt nicht; er liegt außer»
halb ber ©rengeit meiner ©rfabruitg. ffouful*
tiren Sie einen 9lrgt, ber mehr ©elegenbeit gur
©eobadjtung bercirtiger fjälle gehabt bat." Oer
Feigling anbererfeitS toirb alles ibun, um feilten
Patienten in bie 3vre gu leiten; er wirb bem
Seiben weiter feine größere Sebeutuitg beilegen,
(fr fürchtet ficb ibtn bie ©kbrljeit gu fagen unb
baburcb feine eigene Unteuntnih gu begeugen;
ja er oerfidjert feinen Sfranfeu, baß er bie ©atur
feines gafleS ebeitfo gut öerftebe wie ber meifcfte
unb erfabrenfte ©vjt beS SanbeS. Oiefe 9lrt
Pott Seilten ftnb es, welche bas größte Unheil
anricbteu. Unfimbig in ber Äunft ber Oiaguo*
fiS unb unfähig bie ©Jabrljeit gu befemteit, laf»
fen fie es gum ©eußerfteit fommen, bis ber arme
©atient als festes 3iiftu<btSmittel £>ilfe am rieb»
tigen ©laße fuebt, aber leiber ift bann bie Jlraitt»
-beit gu weit oorgefdjritten uub bie oorgeuom»
mene Operation, toenn fie überhaupt noch mög»
lieb ift, faitn mit temporäre ©liiberung f^affeit.
911S gfluftration gu Obigem bient ber Sfrebs ber
weiblichen ©ruft.
©eint ©ruftfrebS wartet ber gewiffenbafte
©rgt nicht, bis auch bie ©djfelbrfifen in ©titlei»
benfebaft gegogeit fiitb. (fr weiß, baß bie SU
cberbeit beS ©atienteu in bcin balbigeu ©ebraueb
beS ©lefferS unb einer grünblidjen ©uSfcbneibuitg
liegt. (fr bringt auf eine rafefje Operation unb
berfidjert beit ©atienteu, bafe biefelbe, wenn rieb*
tig auSgefübrt, uieffeicfjt uöllige Teilung bewirft
ober baß ein etwaiger Dtücffall mit wieberljolten
Seiben erft nach langer 3 e >t eintreten wirb,
gebermann Weiß, welches bie gewöhnlichen Die»
fultate bei ber Operation beS ©ruftfrebfeS fint;
feiten wirb baS Seibeit gäitglicb gehoben unb nur
wenige grauen leben länger als acht, gehn unb
gwölf ©tonate nach ber Operation. gn allen
biefen gälten finb bie benachbarten ©ebilbe in
©titleibenfcbaft gegogen worben ttitb bienen, ba
fie Pom ©teffer nicht erreicht werben fonnten,
neuen ©uSwücbfen gum ©tittelpunft. OaS |>erg
blutet jebein, ber baran benft, wie tiele grauen
entfebliche Seiben gu erbulöen haben, nur weil
bie ©umeitbung beS ©lefferS gu lange hinaus»
gefeboben würbe.
Gublicb giebt eS eine Ulnffe öon Patienten,
welche beeinflußt öon gurebtfamfeit ober falfcber
©efdjeibeubeit ficb felbfl täufeben. Sie fühlen
bie Spinptonte ber ifranffjeit unb wiffen, baß
irgcitbwo im £>aufe ein Oieb fteeft, fürchten ficb
aber, bie Sadbe grüublid) unterfueben gu laffeit.
Sie oerbergen ficb unb ihren greititben ihren
wahren 3ufianb, unb Woüeu bem ©ebaiifeu
nicht 9tnum geben, baß fie an biefer fcbrecflicbeit
Trautheit leiben. ©Me ber ©ogel Strauß ftecfeit
fie ihren Äopf in beii'Saub, unb glauben ba»
bureb ber ©efaljr gu entfliehen, welche fie bebroljt.
Uns ber lujnibjrit ks imtlfdjtii $aifcr* JDitljclni.
Bearbeitet non <E. SU.
|f?ufere Ifiitber finb unfere Sdjäße,
unb unfere 9tugen ruhen ooll 3« s
friebeuheit unb Hoffnung auf
ihnen. Oer $ r o n p r i it g ift
botl Sehen unb ©eift. (fr hat uor«
giigliche Oaleitte, bie gliicflicb entwicfelt unb ge»
biibct werben, geh habe ihn feljr lieb, unb
fpreebe oft mit ihm baooit, wie es fein wirb,
wenn er einmal Jfönig ift.".... „Unfer Sohn
©5 i l h e 1 in wirb, weint mich nicht ©lies trügt,
wie fein ©ater, einfach, bieber unb Perftänbig.
Sind) in feinem 9leufseren hat er bie meijle 91ebn»
liebfeit mit ihiu . .
Oieje ©Sorte, einem ©riefe ber Königin Souife
Pon ©teuren an ihren ©ater, ben ^>erjog bon
©ledlenbuvg.Streliß, entnommen, geugen nicht
allein ooit ber feinen ©eobadjtmtgSgabe, fonbent
auch bon ber mütterlichen Sorgfalt ber hohen
grau, mit ber fie bie (frgiebung ihrer ff iuber,
befonberS ihrer beiben älteften Söhne beS nach«
maligen ÄöitigS griebridj ©Wilhelm IV. pon
©reuheu unb beS gegenwärtigen beutfeben ffai»
ferS ©Mlbelm leitete. OaS föniglicbe (flternpaar
überwachte ihre (fiitwideliing mit eigenen ©ugeit,
unb übte bnreb ©Jort unb ©eifpiel einen liiimit»
telbareu (fitifluß auf fie aus. Oie ernfte ©flicht»
treue, bie aufrichtige cbviftlicbe grömmigleit
.griebrid) ©Wilhelms III. uub bie fjochbergigfeit,
bie geiftige ©nmutl) unb SiebenSmiiröigteit ber
Königin Souife, uub ber wuitberbave ftille 3au*
ber, beit fie auf ihre Umgebung ausübte, leuch»
teten ben beiben fiirftlicbeii Knaben fdjon in ber
frübeften ffinbheit als ein herrliches ©lufter öor.
— „©UerbiugS ift es mein beihefter
©hinfd), meine ffinber gu wohl»
wollenben ©l en f cbeu f r eilitben gu
bi Iben," febrieb bie Sföuigin im Oegember
1797 an ben ©rofeffor fieibenreicb in Seipgig,
unb fpäter, als febwere 3eiteu über baS ©ater*
(etnb gefommeii waren, fchrieb fie: „©^ungleich
Digitized by v^ooQie
532
|Uis ber 3ugrub;rit bes brutfdjen Ralfen.
bie Rachwelt meinen Flamen ute^t unter beu
kanten berühmter grauen nennen wirb, fo wirb
fie hoch finden, wenn fie bie Seibeu biefev 3 c 't
erfährt, was ich bnrch fie gelitten habe: fie bul«
bete Diel unb gurrte aus im Sulben. Sann ober
Wfinfdje idC) nur, baß fie sugleicf) fagen möge:
„Rbet fie gob Kinbern baS Safein,
welche befferer Seiten würbigwa«
ren, fie herbei}nführen geftrebt
unb enblieh fie errungen hoben."
Sie Rachwelt hot bereits gefprochen; unb eS
ift als töunte mau bei manchen ernften entfCfjei»
benbeit 2Beubepunfteu im Sehen beS jeßigeit
beutfeheu KaiferS noch bie fegensreiche Rach»
wirtung bes GinfluffeS wubritehmen, beu bie
eble 0frou auf bie geiftige Gutwideluug ihrer
©ohne aiisiU'te. —
Sie Kinberftube, welche unmittelbar an baS
föuigliche 3Bohn}immer greinte, war für bie
fiirfttictjen Gltern bie 2öelt im kleinen, wo fie
unter ben ©türmen ber Seit ^rieben unb Gr«
hotuug tauben. Sieben Storgen empfing bort
ber König bie Kleinen aus ben Rauben ber
gliicffichen Stutter, um fie }u liebfofen unb 311 =
weilen }U befchenteu; jebeu Rbeitb trat er Dor
bem Schlafengehen noch einmal mit ber Königin
bor bas Sette ber fchlummernben Kinber, er«
freute fein £>cr} au bem lieblichen Rublid unb
brüefte leife einen Kuß auf ihre Stirn.
Sie Seitung beS Unterrichte ber beibeu älteften
tßtinjen, welche feit bem Sommer 1800 in ben
.fräubm beS Sr. 2ftiebvich Sellnücf, eines treff«
liehet unb wahrhaft chriftlicheu RtanneS geruht
hatte, würbe für ben Kroitprin}en fpäter bem
Oberften Doit ©aubi übergeben, währeub fJrinj
SBilljelm feilte ©tubien bei bem Ißrofeffor 9tei=
mann fortfeßte. Gr befaß bantalS eine fchwäch«
liehe Gonftitutiou, fo baß bie Königin aus miit=
terlicher Seforgitiß oft feine Setjrer ermahnte,
ihn nicht fo ft’hr an}itftreitgen. —
SefonberS lieblich war bie freier beS 90ßeih=
nachtsfcftes in ber föniglicheit 3?amitie. Ser
König, ber fchoit wochenlang uorher Don ben }u
wähleuben ©efchenfeu }ii fprechen pflegte, }itn=
bete eigenfjäitbig bie Sichter am Ghriftbaum an
mtb belegte jeben Stoß mit paffenben ©oben,
bie Don beit föniglicheit Kiitbertt in bem hell»
erleuchteten fjefffaal mit 3 nbel empfangen wur«
ben. GS war ein Silb beS iunigften fjamilien»
glitcfcS. Giue befottbere Ueberrafchung brachte
ben jungen ^ßrinjen baS HBcibnncbtSfeft beS
Wahres i803, bei welchem fie als ©efdjenfe ihre
erften Uniformen empfingen unb}War ber Krön«
priit} biejeitige beS DieginteitteS ©arbe bti GorpS,
ber Sein} fjriebrich bie beS Sragoner.RegimentS
Kurfiirft Don Sfol}=Sat)ern Ro. 1 , beffnt Gßef
fein Sater, ber ^riit} Stibwig, gewefeit war, ber
Sriit} SBilljelm bie Uniform beS £)ufareii«5Re=
gintentS üoit IRuborf ober beS berühmten 3>ctcn=
fcheit £>ufaren«fRegimentS, nämlich ben rothett
Solmatt mit weißen ©chttüren unb Sreffeit, fo»
wie ben bunfelbraititeit Sei} mit ebenfolchett
©chnüreit unb Sreffeit. ©roß war bie grettbe
ber Sriu}eit nun eine Uniform tragen }tt bi'trfen.
Sie» gefhoh Don ©eiten beS Königs, unt bautit
ber 3 ><gehörigfeit ber föniglicheit 'Jkiityeu }itr
Rvmce Doit friihfter 3»gettb an RuSbrua 31 t ge»
beu. Saut beS ©prichworteS: „Se3 Königs
tRod ift ber höchfte Sitel!" foüten and) bie ©ohne
beS Königs fchon frühe ben 9tocf ber Rvmee
als ein rechtes <5h r cnflcito fchößeu lernen. RlS
im Saljre 1805 baS Regiment „2 010 arcjpS"
in feiner auffallenben unb bott ber übrigen Sei»
terci abweichenben Uniform, mit langen Satt}en
bewaffnet, bttreh Serlin marfchirte, ben Uljlanen
ähnlich, bie fidj 1870 iit fjfrantreieh fo gefürchtet
machten, fo äußerte s -ßriti} SBilljelm ben fehnliehen
SBuufch, auch biefe Uniform tragen 31 t bitrfcit,
bie ihm auch Don feinem Sater, welcher ben mi»
litärifchen Steigungen feiner ©ohne ftets gern
entgegeiifam, gewährt würbe. Unb fo evjchieit
ber fleine Ißrin} feit biefer 3 eit halb als £nifar,
halb als SoWarc}h.
Rber baS Recht bie Uniform 31 t tragen, brachte
auch Pflichten mit fidj. SimäChfl mußten bie
jungen pri^lichen Retruteu eineseveirt weröeit.
Ser König gab ihnen beSljalb beit Uuterof fi)ier
Settiiftciu Dom Sataillou ©arbe }u ffuß 311 m
Gjrercirmeifter nnb biefer erlcbigte fich feinet
Aufgabe mit folgern Gruft ttttb Gifer, wie man
ihn nur immer bei einem pflidjtgetreuen Korpo«
rat beim 9tefruten=Gjcrciren finben fann. SaS
nach ben jüngfteit preußifd)en SBaffenerfolgen
aufgefomntene fylugwort: „Ser ©chitlmei»
fter habe bie prettßifchcn Schlachten
gewönne n," fönnte nach nuferem Safürljalten
ebenfo richtig lauten : „Ser Korporal ift
in Ste 11 ßen ber eigentliche S 01 fS«
f <h u 11 e h r e t," bentt aus ber ftrengeu Schule
ber 3 ucht, welche jeber ißreuffe — ober jeßt üiel»
mehr jeber Scutfche — Don feinem Dollcnbeteit
3 Wait 3 igftett SebeitSjahre an, bitrchmachen muß,
gehen bie tüchtigften Stänner herDor. Ruch bie
jungen KönigSföhne,' fo oft Don unwürbigen
Schmeichlern umgeben, feheit hier iit betn ernften
Sßilleit beS fchlicfjten aber pflichtgetreuen Stau»
neS ihrem Gigenwiflen eine heilfDme ©chranfe
gefeßt unb lernen ihre fiublichen Steigungen un¬
ter ein beftiminteS ©efeß beugen, beffeit Sebeu»
tuug fie noch nicht Derftchen. Sie ©ebanfeit an
©piel unb Sänbelei mochten ben föniglichcn
Knaben wohl bergefjen, wenn fie bie ernfte unb
ftrenge Sienftmiene beS Korporals faheu, ber
ihnen mit einbringlicher©timme unb gernejfenem
trochäilcßen SonfaH baS 91SG beS preußifChen
KamafcheninarfcheS einprägte: „Ginunb 3 Wau 3 ig,
3 weiunb 3 Wan}ig, Kniejireden, ©pißen ’runter,
feft im Kreu 3 e ünb nicht Wanten, Gure Roheit!"
Digitized t3fGoo^I& ■ ■
%m btt Sugenbjtit bts beutfcßen ftaifeM.
533
geigte fidj beim muß auf beit SJtieneit bes mißi*
gen fleinen Krottpriugeit ein leidstes Säcßelit, fo
genügte ciit Slid auf bie halbgeöffnete beS
klebengintmerS, ttnt jebett reglementsmibrigeit
©ebanfen gu itnterbrüden, beim bort faß feitt
föuiglidjer Sater, ber gumeilen einen ©lief ins
3initner warf, ober auch moßl tnit feiner @e=
maßlin ant Slrnte eintrat, unb ben Uebtmgen
ber Knaben mit ernfter SOtiene ^ufd^aiite.
gu bem bringen Söilhelm regte fieß bie fol«
batifeße Steigung frühe, ^araben unb Sternicn
mären feine Suft, unb er tierfolgte jebeit Orupp
marfdjirenber Solbaten fo lange er ihn feben
lonnte. Slls Sreußen fieß gu bem »erßängniß«
»ollen Kriege gegen Stapoleon rüftete, mar er
no<$ gu jung, um mit ins fjelb ju gieren, ober
er »erfolgte bie großartigen milttärifcßen Sor«
bereitungeit bagu mit regem gntereffe. gm
September 1806 fah er baS altberühmte Ora«
J ouer * {Regiment SlnSbacß = Snireuth unter ben
Hängen bes ^otjenfriebberger SJfarfcßeS in 33er=
lin eiitriideu, unb in Sctrabe »or bem föniglidjeit
Sßalaft »oriiberntarfcßiren; »or ihm her fuhr bie
Königin, als Gpef beS StegimenteS, in einem
öterfpännigeit Söagen.
Sitte »erßängnißbofle ÜBenbung für baS
»reußifeße Königshaus brachte ber iierbft biefeS
gaßreS. SBäßreitb no<h int grüßjahr baS SBort
tfriebricßs beS ©roßen ©eltuug gu haben feßien,
„baß bie SBelt nießt fo feft auf ben Schultern
beS SltlctS ruße, toie ber preußifeße Staat auf
ber Slnttee," — folgte jeßt eine Stieberlage auf
bie aubere. Stach bem ungliicflichen SlnSgang ber
Ooppelfcßloeßt bei getta unb Sluerftäbt hatte
Oel6riicf bie Söeifung erhalten, mit ben fönig«
ließen bringen guuäcßft naeß Sdjmebt an ber Ober
gu reifen, mo fie mit ber Königin gufammen«
trafen. Oie tiefgebeugte fönigliiße SJtutter riß«
•tete bie folgenden beitfmürbigen SBorte oit fie:
„9lcß, meine Sößne, ißr feib in bem Sllter, mo
etter Serftaub bie feßmeren ©reigttiffe faffen unb
füßleit faitit, ruft füuftig, meitn eure SDtutter
nießt meßr lebt, biefe ttttglüdlicße Stuitbe in
euer ©ebäißtniß gttriid, meinet meinem Slnbenfeit
üßränen, mie ich fie jeßt in biefent fcßredlicßen
Slttgeitblide bem Untergange ber Slrmee, bem
Ungliitfe bes SaterlanbeS meine. Slber begnügt
eueß nießt mit ben Üßrätien aflein; ßanbelt,
entmidelt eure Kräfte, »ielleicßt
läßt Preußen« Scßujjgeijl fieß auf
eueß nieber!"
Sou ©ßmebt reiße bie fönigliiße fjnmilie
ttaeß Stettin, bann ttaeß Oangig, unb enbliiß
naeß Königsberg, mo fie mit bem Könige gu»
fantmeittraf, ber aber halb roieber gttr Slrtnee
eilte, uni bort mit bem Kaifer SKejranbet »on
Stußlaub gufnmmen gtt treffen, ©rft gum Steu«
jaßrStage 1807 feßrte er ttaeß Königsberg gttrüd.
^rittg BBilßelm ßattb bamalS in feinem neun«
fett CebeuSjahre. Sitter alten Sitte gemäß tre«
teit bie preußifcheit ^ringen naeß erreichtem gehn«
teil SebenSjafjre in bie Slrntce, ein ©reigniß,
auf baS fieß ber junge $ring fcßoit im Stillen
freute. 9IIS aber am SteujnbrStage bie föniglicße
Satnilie gut gegenfeitigen Segliidmünfcßung gu«
fammentrat, fagte ber König mit bem ißm eige«
neu freunbliißen ©rnfte gu ißm: „Oa an beinern
©eburtstage feine ©elegenßeit fein mirb, bieß
orbentliiß eingufleiben, meil ißr naeß Stentel
müßt, fo ernenne iß bieß heute fcßoit gum Cffi«
gier. Oa liegt beine gnterimS=Unifoim." Uitb
in ber Ofjat lag ba ber bamalS fogenannte gn=
terimSrod ber ©arbeoffigiere, mit rotßein Um«
fcßlagfrageu oßne Sißen, nebft Oegett, Stod tinb
Seberßut auf einem Stifcße bereit. Statiirliß
mürben bie Kleiber fogleicß angelegt, unb aitcß
3opf unb ^uber nießt iiergeffett, obgleich erßerer
nur ein falfcßer feitt fonnte, ba baS |iaar beS
^ringen gu einem eigenen noeß nießt lang genug
mar.
9(m 3. gantiar ging bann bie Steife naß
SReinel, meil fi<b bie ffrattgofen naß ber Sdjlaßt
»oti SultnSf Königsberg näherten. Oie Königin
unb ißr jiingfter Soßn, ber tjJring Karl, tonten
am Steroenfieber erfrauft, unb mußten bie gange
Steife in Setten eingepndt, guriidlegen. Sludß
Sring SMlßelm erfranfte halb naeß ber Slnfunft
in Stemel; als ber König gtt feinem ©ebtirtS»
tage, ben 22. SOtärg, bortßitt fam, fanb er ißn
itcicß auf beut Kranfeitlager, unb legte ißm fein
Satent als gäßiiricß bei bem neuformirteit
Sataiflon ©arbe gu 3?«ß auf baS Sett. Oamit
mar bie Kinbergeit beS bringen SOilßelm gu
Silbe, gßre ©inbriide mnreit tief liub nachhaltig
genug, um ben reifeitben giingliiig für ben ©ruft
beS SebenS »orgubereiten, ber halb genug an ißit
ßerantreten follte.
Stacß bem 3obe ber Königin Cotiife, meteße
am 19. guli 1810 üerfeßieben mar, ging eS am
fmflagcr König ^friebrid) SBilßelntS fülle unb
einfach gu. Oer König liebte bie raufeßenben
geftlußfeiten noeß meniger mie früher; au<ß
nötßigte bie Sage bes SänbeS nah ben feßmeren
KriegSjaßreit »ott 1806 —7 imb 1812—15 gu
mancherlei ©iitfcßränfungen int föniglicßett^muS*
halt. Stur beim Sefu^e ßoßer SuubeSger.offen
ober Slitberroanbten ber föniglicßett fjamilie fan«
ben SluSnaßmen flatt. SllS gunt Seifpiel i_m
Sömtner 1834 bie Kaiferitt ©ßarlotte tiou Stuß«
Ictitb, bie ältefte Oocßter beS Königs, in Serlin
atimefeitb mar, mürbe ißr gtt ©ßrett ein überaus
glängettbes geji »eranftaltet, genannt baS ff eft
her m e i ß e tt St o f e, bie ebenfo bie SieblingS«
blnme ber jttngeit Kaiferin mar, mie bie blaue
Kornblume bie ißre,r föniglicßett SRntter.
Oie gange Strede gmifeßett bem „Stetten
SßaloiS" bei Sutsbam, mo bie Kaiferin refibirte,
unb ben „KommuitS" (gmei biefem Calais gegetu
Digitized by v^oooie
534
JLus lutljers leben.
iibcrliegenben Scblöffern), war jum Sd)miploft
biefe? felteuen geftc? eingerid)tet worben, unb
mil Simpeln uiib ffahnen, welche bie ruffifdjeit
unb preuftifd)en ffarbcit unb Stoppen trugen,
flefc^miidt. Sing?titnber waren 3elt*j£ribiineu
für bie ©äfte errichtet; unter ber forintbifcbeu
Säulenhalle inmitten ber £>auptfaffabe ftaub
ba? mit weiften Stofen bebedte 3«lt ber Jtaiferin.
Sowohl in ben Slumengeminben, tote in ben
©emänberu ber ©amen, bie in einem anmuthi»
gen Greife Die hoffe grau umgaben, prangte bie
toeifte Stofe al? ^ninptfcbimuf. Sille ©äd)er,
Stauern unb Säume in ber Umgebung waren
mit jaftltofeu 3«fdt>ouerii befeftt. Salb nacftbem
bie Äaiferiu erftbienen mar unb iljreit Sift unter
bem 9tofenbatb eingenommen batte — in ihrer
Sieblicbfeit unb 9lnmuth felbft einer weiften Stofe,
gleich — ftbinetterteu ffanfaren unb unter ihren
klängen erfd)ieiteit in fcbimmernber Stiftung
unb mit ©efolge bod) ju Soft bie Stifter ber
weiften Stofe in bett Scbranfen. Stoftrenb ab»
wetbl’etnb bie ffläuge be? Sarifcr Eiujitg?»
ntarfche», be? Sliidferliebe? unb be» gerabe bo=
inal-5 in Aufnahme petoinmenen fkeitftentiebeä
ertönten, bie freilich mit ben ritterlichen KfoftiU
inen ein meuip bi»harmoitirten, hemepte ficb ber
pltiujeube 3»g nach einer Keinen 9fnl)öl)e bem
3clte ber ftaiferiu pepeniiber, wofelhft bie Stitter
anhielteu, unb burd) ©eitlen ber Stoffen „ber
weiften 9t o f e" ihre fjnlbigung barbrad)ten.
Ein jeber ber Stitter hatte ficb eine ©ebife er»
wählt, bie er auf feinem Sihilbe trup. Sorait
ber ffroiiprinj, ber nachmalige Jtönig ^viebricb
SBilhelm IV., mit bem Stoljlfpriich: “Tuis vic-
tom!”— ©auu Sünj SMlljelm, bamal? in
ber Sliitbe feiner 3ahre, im filberburcbwirftm
SGßaffeitflcibe, mit ber $ettebe? Schwarten 9lbler*
orbeu? pefcbmiidt, auf bem Raupte ben £>elnt
mit aufpericbteteu 9(ölerflügelit. Sein blanfer
Scftilb jeigte ba? SJtotto, ba? ficb in fpäteren
fahren feine» Sehen? fo henlidj bewährte:
,.@ott mit uns!" — ißriiu ffarl, ber jilnpere
Sohn, hotte jum Stohlfprnd) erforen: ,,©f)iie
beiue Sflicht!" — Sfkinj 9l(bre<ht: “Nil cnndi-
dius !’’ — ©er Spruch be? fjerjog? bem Sraitn«
febmeip lautete: “Nunquam retrorsum!”—
©er be» Stinten Slbnlbert bon Sfeuften: „Ohne
ßnnipf feilt Sieq!" n. f. w. Sachbein bie Eh«n*
bejeiiqiinpeu boriiber waren, berftnminte bie
Stufif, unb ber führet be? paujen 3npe^ £>cr*
jog Earl bon 9Sedlenburg«Stre(i&, Sruber ber
felipeit Königin Sotiife unb fommanbirenber
©eueral be? ©arbecorp?, au?gejeicf)net bnreb
biele gläigenbc Stoffentfjoten, mit ber ©ebife:
„Siir Sie!" im Scbilbe, richtete eine hoeftpoetifthe
Sufpracfte au bie Äaiferin.
Sachbem bie ritterliche Schaar borheipejopen
mar, bepab fich bie fjfürftin mit ben qeiabenen
©äften in ben proften Stufcbelfaal be? Seiten
Saldi?, unb fpenbete ihnen ihren ©an!, inbem
fie Keine Ehrengaben unb finnige Snbenfen
unter bie 9titter bertheilte. — ©dmit enbete
biefe? herrlidje ffeft, unb in ber Umpebunp be»
Seiten Calais würbe e? Wieber einfam unb ftifle
für lange 3üt. Erft in unferen Stapelt prangen
bie bortipen ©arten unb Sitlageit wieber in berr»
lieber edjiinheit unter ber forgfameit pflege unb
Seitung ber Äronprinjeffin Sictorin, bie halb
nach it^er Sermähluitg ba? Seite Satoi? bejrg,
mtb e? fdjeint, als h«be bas ffrjl ber weiften
Sofe in jenen buftipen ©arten noch eilte Sach»
bliithe, beim überall crblicfeii wir hier bie lieb»
lieben StooSrofen, bie 2ieblinp§b(unteit ber
Äronprinjeffiit, bie überall jarierrötheub aus
berborpenen Cauben unb Sifeben beroorfebauen.
* JVu0 JMIjfta feben.
%~n einem Sobemhernhenb be§ 3ahre§ 1543
Tit faft Suther mit feiner ©heliebffen ßätbe
®'| unb bem im junpfrätilicbcit Sllter ftehenben
Sencben um bett eichene» Sfifd) in bent »oit jrnei
Äerjeit mäftip erbeuten ©emacb ihrer befebeibe«
neu SmtSwohnutip. ©er berbftliebe 9tepen fcblnp
praffelitb an bie Keinen in Slei pefafttcu gfenfter«
fefteiben; SBinbftöfte fuhren bon 3eit ju 3eit
burch bie entlaubten Säume be» ©arten?.
©er ehrmiirbiqe Suther erwartete an biefem
Sbenb feine ©auSfreuube, 3ona§, 3°*
hann Supeithapen unb fiubwip Seuft. gm
trauten Screine füllte beute wieberum bie beilipe
SJufifa petrieben unb fleifeip pefunpeii Werbeit.
©entt e§ war fiuther nach ben Scbitlerjabren ein
profter Siebhaber be? peiftlidjen ©efanae?; er
pflegte beffelben mit ben Seinen unb m ©e»-
meinfebaft pleicbpefinnter ffreunbe, unb nannte
be?toepcn feine aBobming fcberjweife oft feint
©antorei.
Sach eiitanber traten bie Erwarteten ein,
Senf! feine ©amhe unter bem 9lrnt trapenb.
C>arfe unb Saute hotte Qfrau Ääthe bereit? auf«
S efteflt; e? Waren bie? bie oiel gebrauchten 3n«
rumente ber ffamilie.
Saftt un§ nun mit bem Sbeitbliebe: O Inx
beatn trinitas beginnen, orbnete jeftt Suther
an, tincbbem bie Einpetretenen ficb bon be? S?et*
ter? Unbill erholt hotten. Seuchen trup mit
ihrer Stimme, unterftiiftt bon 3uftu?
3oua? bie allen geläufige Slelobie, währenb bie
Stutter bie gweite Stimme führte unb baju bie
f&arfe harmonifcb erflinpeit lieft, Suther unb
Supenhopen ben Saft hieju fangen, ben 8. Senf!
in fiinftlerifchet SBeife auf. feiner ©aiube be»
gleitete.
911? ber teftte Sion bertlungen war, fragte
'igitized by Google
jffititke fllr dlUxn unb ffljrer.
535
Cutter: SJtein Senilen, öerfiefteji bu aud), roa§
Wir (äugen? — ©er^en§mitei% mic fömtte id? ba§,
antwortete fie ervötljenb; ba§ Cateinifc^e ift mir
jo nur in etwa» befnnnt.
9 htit benn, meine Sieben, fo laffet un§ and) j
biefeS fd)öne Sieb glcid) nuberen in ein flut $eutjd)
foffeu, fprad) jefct Sutber fiep 311 beit Männern
menbeitb, mtb, bie Suftriunente einftroeiteii juv
©eite ftettenb, ftbertrug man bie lateini|d)e
£pmne iu§ $eutfd)e, bamit in foldjer gfajfiiiig
fie nidjt nur non ber 9 Jhttter unb bent Senken,
fouberu and) ttoit 3 »ebermaun toopl Derftauben
werbe.
tmtrbe ba§ Sieb nun noch einmal t)orae=
notnmen. Sille fangen, begleitet 001 t f>arfe unb
©arnbe, betten Sutfyer bie Saute pinjufügte, be¬
wegten ^erjeu»:
Der toi btjt brei tu (Eintgfeit,
(Ein wahrer (Sott ron ditpigfeit,
Die Sonn’ mit bem (Eag’ poh uns meidet,
£aß fdjeitien uns beiue göttliche leudjt;
Des lUorgeus, (Sott, btcfy loben mir,
Des 21beubs and? beten porbtr.
Uufer armes £ieb rühmet bid?
3e$uitb, immer nub etpiglid?.
(Sott Pater, bem fei einig <£br,
(Sott Sofju, ber ift ber eiu’ge fjerr,
Unb bem (Eröftcr, bem fjeiFgeu (Seift
Don nun an bis in €nrigfeit.
. . - . ♦ . -
dine dpifoto au0 tom £ctoit tos
füllten 0 . pisimudi.
$nr £aus unb $rrb um 0 a«( Ari$(»ff.
j| ie breite ©ruft beS beutfdjeit AeicbStangterS
301 'P gefebmiidt mit bieten Orben, welche ihm
i in roobtoerbieitter SBürbigung feiner hoben
SSerbieiifte bon faft aßen gefrönten Häuptern ber
2Belt' gefpenbet ronrben. Unter ber langen Steife
flrabteuber Gbreugeicbeit befinbet ftd> auch eine
9tettungS.9Jtcbaifle, bertieben bon SJönig SBitpetm
IV. bon tßreufeen. SJiSmard, einft bon einem
®ip(omaten nm bie ©ebentunfl biefeS @^rensci=
cbeitS befragt, antwortete furj unb abweifettb:
„Gjcetleng, ich b»U>« bie Sewobnbeit, hier unb
bei einem armen fDlenfdjeu baS Ceben gu retten!"
3fa, ein armer Atann mar es, bem b. ©iSinartf
einft mit Aufopferung alter feiner Straft baS
Sehen rettete. ®te3 Greigttife fanb im 4E>erbft
1846 gu ffreienmatbe in tßommern ftatt. ßier
lag ber junge 2anbmebr*UtaneurOffi}ier b. ©iS*
unnd im Quartier, um bie Uebiiugeit feines SRe»
gimentS mitgumaefeen. GiueS äageS teerte er mit
feinem Surfcbcit gur Stabt guriid. ®aS roarme
SBetter unb bie Strapageu bo» ®ienfleS erroedten
in ifjueu bie Sebnfmbt und) ber behaglichen
üöobuung. 3m faufenbeit (Galopp flogen bie
©ferbe babiu. AtS bie (Reiter ain Starker
See borüber jagten, ftitfgle baS ©ferb beS Sur*
feben unb warf feinen Leiter fopfiiber in bie
naffe 2iefe. ®er ©tarnt, beS Schwimmens ttn*
funbig, fd)ien rettungslos bertoren. ©i§inavcf,
gwar fchmeifetriefenb unb miibe, fprang bom
©ferbe, warf fid) tobeStiihn in bie fttutbeit, er»
griff beit Grtrinfeubeu unb brachte ihn mit gro»
feer Anftveitguiig unb eigener SebenSgefaljr giiid*
lieb auS Ufer. ®a eS bis gur Stabt noch meit
mar, fo mufete man uod) tangere 3eit in beit
naffeu Stleibern jn ©ferbe bleiben. ©iSmard
gog fid) eine langwierige Grtiiltung gu. (Sin
rbenmatifcbeS Ceiben war bie AuS ibni
bat fitf) jene febmergbafte Aearatgie entwidett,
Wetdjcbic ibattraft bes9teid)StanglerS täbmt unb
ibn bon 3 f 't gu 3 e *t gtoiitgt, bie Sorge um baS
SBobl bcS beutfcbeit 9teid)eS anbertt ^äitbett ait»
gubertraueit, ‘fid) aus bem öffentlichen Sieben in
bie Stille gurtidgugiebeit. Atljäbrlicb weilt ber
ffürft auf einige Afouafc im !Babe gu ftiffingen,
foffeu wir, bnfe ibm bie ftur in biefem
bie erfebnte @efunbbeit bringen wirb.
HJiithe für dUmt unb fdjrcr.
„Safet uns im (Srnft fein."
®iefeS waren bie JBorte beS nnftcrbticben
SBafbington, ait feine Gruppen gerichtet beim
llebcrfebreiteit beS Sela Ware, Jtirg bor ber tut»
bergcfetidjeit Scblacbt bei Sventon. Saffett ficb
biefe 2!3orte nicht mit berfelben Angenteffeitbeit
an jeben Sonntagfcbatarbeiter über bie gange
fiänge unb ©reite ttttfcreS SanbeS richten? ®ie»
fe§ ift (eine 3«it um gtt fcbluntinerit unb uittbätig
gu fein. Um für biefeS wichtige Röert tiidjtig gu
werben, ift mancherlei ttötbig, aber bas Aötbigfte
ift geiftticber Gruft, beffen Quette ber bfiiige
wift ift. SEBir bebürfeu biefen Seift, nid)t nur
bafe er gtt uns fomnte, fonbent uns erfülle, als
eine atleS burdtbrittgertbe unb altes befiegenbe
@otteS»ftraft. ®er ©rebiger bebarf fein, mit
beffev gu prebtgen, ber Superinteubeitt, um bie
Schute beffer gu leiten, ber fiebrer, um Oeffcr gu
uuterriebten. 2Btt folleit ftets bebenfeu, bafe ber
Strom nie über feine Quelle fteigt. So faitit
audb ein Sebrer nie mit Grfotg baS (ehren, was
er nicht fet6ft erfahren bot. AIS Arbeiter im
geiftticben üteidje „l a fe t tt tt S i nt G r n ft e f e i tt."
Steigt baber hinauf iit eine reinere Atmofpbäre.
Digitized by (^.ooQie
636
üiitite für tfltern unb JVIjret.
fle nnft bu bei ne ©filier?
©tubirft bu auch beit Gljarafter beiner <Sdf»ü»
ler? Wenn nicht, wie faitnjt bu wißen, welches
bie bcfte 93ehanblungSmeife ift ? Was fehlt
jener alten Uhr bort in ber Gcfe? „Sie hat
baS ©^miereu nöthig," fagft bu. Der Uhren»
flicfer fcgiittelt beit $opf unb fpricfjt: „ 3 }dj map
fie auScinanbcr nehmen." Gr entfernt 3dger
unb 3iff i ' r bl rt it unb baS ganje SQ3erf lonunt ber»
au». ba fefjlt’S," fpricht er, inbem er
ein befchäbigteS Stäbchen nätjer betrachtet. £aft
bu je and) fo beine Schüler jerlegt ? Du fagft,
Wilhelm fei tounberlicf) unb miberfpenftig. Das
ift eS nicht, aber er tann eS nicht ertragen, wenn
man ihn lächerlich macht, unb baß bii ihn aus»
lachteft, hat ihn unangenehm berührt. Du barfft
ihn nicht teicherlich machen. Unb ’S ©reichen habe
bir eine Unwahrheit gefagt, fpridjft bu. ©3
gefchahe nicht abfithtlich, fonbern fie ift fdjilchteru,
unb als bu fie iit gereijtem Sion anfläffteft, ent»
fchlüpfte ihrem geängftigten Iferjeu eine Un»
toahvheit, worüber fie felbft erfchracf. Unb weißt
bu aiuh, baß bie Sita eitet ift ? Hßecfe bafjer
nicht beu ftoljeu tßfau. • Gart wirb beineu lo»
deitbcu ©orten folgen, aber treiben faunft bu
ihn nicht einen 3oö- Unb ber ©onberling, ber
fchüchterue tleine fjranj ift arm unb fühlt fi.f)
jurüefgefeßt. S 9 efndE)e ihn in feiner #eiinat(j.
S)er Umgang mit ifinbent ift üon großer Wich»
tigfeit. Um fie recht ju behanbetn, muh mau fie
recht oerfteheu. SJiadf): bieß oertraut mit biefeit
fleiueu Uhvwerfeu, h'lte fie in Drbnung unb
im ©aitg.
$raftif<he 9lntoenbung.
Wenn bu bie Wahrheiten, bie bu in ber
©onntugfchule ju lehren hofl, bloS bem 93er»
ftanbe beS JifiubeS eiuprägft, fo inöchteft bu ba»
Sehren ebenfowohl ganj untertaffen, ©oft ber
Unterricht niemals über ben 93erftanb beS ßinbeS
hinausgehen, fo wäre eS beffer, er würbe ganj
unterbleiben. Wenn bein ©treben nicht höher
gefteUt ift, al» bloS ben 23er|’taiib ju erreichen,
■fo inöchteft bu beine ©teile als Sehrer ebeitfo»
Wohl aufgebeu. Du haft es in beinern Unter»
ri<ht mit bem ©ewigen, mitberganjen ©einüths»
betchaffeuheit unb bem Willen beS JtiitbeS 311
thuu. GS fei benu, baß bie burdj bid) gelehrte
Wahrheit früher ober fpäter bon bem ffmbe er»
griffen unb erfahren nnb in ihm ju ©eift unb
Sebeit wirb, fonft ift fie meggemorfen.
Gs ift baffer beS ©onntagfchultehrerS heiligfte
tßflicht, mit ber ganjen ftraffmnb Schärfe gött»
lieber Wahrheit in baS ^nnerfte ber tfinberfeele
einjubriugen. Du foHft nicht nur fein Wiffen,
fonbern fein ©ewiffen erregen unb bctS Äinb
beftiminen fid) j$u entfdjeiben. Gs ift eine
Pöchft feierliche Slrheit, bettn fie befaßt fich mit
ben höchften unb wichtigften Dhotfacßen menfeh«
liehen Sehens; Gs ift eine göttliche 9trbeit unb
fann nicht ohne übernatürliche £)iüfe »errietet
werben.
Unfere ©onntagfdhutarbeit ift nnr ju oft
berlorene SJtütje, einfach weit es bem ©uperin»
tenbenten unb ben Sehrern an tiefer Ueberjeugung
unb heiligem Grnft fehlt. 3ti unfern ©chiilen
ejiftirt oft ju oiel Sänbctei, ju biet gefellfchaft»
liehe Weiterleit, raufchenbe Suftbarfeit in ©efang
unb ©efüfjlSaufregung. Gs fehlt ju fehr aii
heiliger ©eben, göttlicher Gbrfurdjt, tiefer Ue*
btrseugung, ernfter Steue, feftem ©lauben, grünb»
lieber Gntfchloffenheit, ernenernber straft unb
erbauenbein Grnft.
Sieber ©onntagfdjullebrer, fliehe mit Steblicß»
feit unb 9lufriihtigfeit beiiteS $erjenS unb mit
ber ganjen Straft beineS Willens bie ^Belehrung
beiner Schüler: rechte mit ihnen; gebe fie nicht
auf; bete für fie; überzeuge fie bon beinern tie»
fen Grnft in biefer fo wichtigen Sache. 3 11 oiel
fehlt eS oft bem ©onntagfchullebrer felbft an
tiefer ernfter grömmigfeit. 93eherjigt, o Sehrer.
euren hohen unb herrlichen 93eruf! Durch ffleiß
unb Sreue föuut ihr in ber £>anb ©otteS baS
Wcrfyug fein, biefeit ober jenen jur «eligfeit
Jti führen, ©licht bei jeber Seftion einige mich»
tige Wahrheiten tief nnb bleibenb in’S £>evj ein«
jufenfen. 9tber bor einem Gjtrein laßt euch
warnen, peinigt eure ©chüler nicht mit ftereo»
tppen unb enblofen Grmahnungeit, benn biefe
bringen mehr Schaben als ließen. 3<h beob»
artete fchon, wie .Qinbern, unter 9luffi<ht folcher
Sehrer bie ©onntagfchule jur peinlidheu ©efau*
genfdhaft würbe.
Stumpfheit im Semen ift auch
Stumpfheit im Sehren.
Gs ift eine gefällige Säufchnng, oujuitehmen,
baß ein ßhmerfäHiger Schüler jufolge feiner
cinftigen Stumpfheit ein befferer Sehrer wirb.
Gin ftumpfer ©chüler mag in Wirflidjfeit ein
jiemtich guter Sehrer werben. Saßt nnS, bie mir
einftenS fdjmerfällige ©dhüler Waren nnb ießt
Sehrer fein müffen, ob gute ober flechte, beffen
tutS freuen. Unb ftnb wir gute Sehrer, fo wer«
ben wir es fein, ungeachtet wir früher jtumpfe
©chüler waren, unb nicht in ftolge beffen.
Gs wirb behauptet, baß ein fchwerfiilliger
©chüler, wenn er Sehrer wirb, nuS Grfabning
bie ©chwierigteit im Semen fennt. Gs fcheint
fo, unb es läge hierin gewiß eine große Wahr*
heit, wenn man überjeugt fein biirfte, baß bie
©chmierigfeiten, beneit man ju begegnen hot,
immer bei ollen ©dhüleru biefelben mären. 9 tber
bie Dbotfache ift, baß jeber ©chüler feine be*
fonberen ©chwierigteiten hat. DiefeS wenigftenS
ift in großem Waße ber galt. Unb was erfor.
berlich ift, ift ein Sehrer, ber bon Statur unb
\h
Digitized by v^ooQie
jfflte id) rin Poktor würbe.
53?
burdj Uebuug bie ©abe befißt, leicht ltnb fdjuell
baS |>inberniß ju finben, welches brnt Sd)ü(er
im Siege liegt, fei es mm ein $uiberntß, baS
einftenS itjm felbft Sibtoierigteit bereitete ober
nicht. Siefelbe Sufgewedtbeit, bie gum Seinen
befähigt, befähigt auch gum Sebrert. $ie Super-
inienbeuteit follteu fiel) immer bemühen, bie
fähigften unb aufgemedteften 'fJerfoneit für baS
Sebramt gu fiebern, mit ber Sorausfeßung, baß
enbere nötbige Cmalififationen nid^t fehlen.
©ine ber wefeutlichften fjäbigfeiten eines fluten
Servers ift bie ©abe, eines Sd)üler3 ^inberniife
31 t üerfteljen. Unb biefe ©abe ift mit größerer
Sicherheit in einer ^Jerfoit gu finben, bie in ibret
3ugenb ein aufgemedter Schüler mar.
SDeS Sountagfcbullebterß bobet
93 e r u f.
2b«!«« Sebter, ibr ftebt an ben Sergabbän-
gen, roo bie flcinen 33äd)lein cutipringen unb
mie leid)! tonnt ißt ihren Sauf beftiminen. 2 a 8
Säcblcin, welches feinen Saut in einen Sumpf
gefunben bot unb in bcmfclben fief» Datiert,
pätte leicht in eint anbere '.Richtung in einen
brauchbaren Strom tonnen geleitet werben.
SDßie Icicbt tonnt ißr bnreb 2reue unb Stbätigfcit
baS junge Ccben beS SibiilerS, baS fidj gur
Siinbc neigt, guut ©uten tenfen unb einen miß«
lieben Wenfcbeit auS ihm machen, roebbet ber
Weufebbeit gum iRußen unb ©oft gur ©bre flf=
reicht. 93ebergigt euren hoben Seruf unb lernt
bie Mittel hoch icbäßeit, btircf) Welche ihr bie lau«
uifeben ©emütber als irvenbe 23ädjlein in bie
redete Strömung gu leiden Dermögt. ©3 fei
euer ernfter ©ntfchluß, in 3ulunft mehr gu tbun
als je.
lüie t$ km, baff id) ein Poktor
«mrbf.
©ou Jfcr. X. ®.
enn i<b gnrüdbenft an bie erjien
©inbrüde, welche meinem Sehen
feine Sichtung, feine tljeuerften
'Snfidjten unb ©runbfäße ein-
prägten, fo fteigt Dor mir baS
Silb einer lieben, ieibcuben fyrau — meiner
Slutter — auf, unb taufenbfach banfe id) ihr
noch b l ’nt» wie fie fo früh bie lleinen Klinber»
bänbe jfeb falten lefjrte, fo früh, baß id) nicht
weiß, wann es gum erften fötale gefcbeljen. Unb
wie fie fo jung mir fchon bie ©emißbeit gewedt,
baß ©ott aflgeit mein 93itten höre unb — wo
feine ewige SöeiSbeit es aeftatte — auch erhöre,
fo fpracb ber #err felbft fein „ 3 a" unb „Simen"
gu biefer inneren ©ewißheit, fo bau ich es nim¬
mer Dergefieu, nimmer bau traurigen 3 weifel
anbeimfalleu tonnte, ber beut taufenbe üou Jor¬
gen irre werben läßt.
SDie fonnige KtiuDcrgeit mit ihren fröhlichen
Spielen in ©arten unb SBiefen follte mir früh
getrübt werben. 3 l h war erft im Diertat 3 abre,
als meine über alles geliebte ÜLRutter ertrantte,
um 3 <Jb«, forgenfebwere 3 nljre biuburcb au if)r
Ktraideubett gefeffelt gu fein. 2113 bie Seiben
meiner guten Siuttcr gar nicht euben wollten;
als jeber neue 91rgt feines 23orgongerS Sicbigin
wohl gum geufter hinaus gu werfen, aber nicht
mehr als jener gu helfen Derftanb, ba hörte id)
Wobt bann unb wann baooit flüftern, wenn meine
liebe Stutter fterbe, fo müßte mein Sater ber
Dielen Klinber wegen febon wieber beirotben, unb
bei einer Stiefmutter werbe Wohl alles anberS
werben. S3e(d)’ ein ©rauen befd)licb mich bei
bem 2 Bort! Staren nicht olle Stiefmütter, Dott
beiten bie ’Utärdjeit crgäblen, entfeßlid)e boshafte
©efeböpfe ? 93eftütigten nicht bie 93emertungen
ber iReufdjeu bie Stafjrbeit biefer 9fninif)nie?
Sein, meine eingige, taufte, fromme Stutter
burfte uns nicht Derlaffen, um uns jo Id)’ einer
Derbaßten Stiefmutter gu überlaßen! 2iMe rang
ich laut im ©ebet gu ©ott um ißr theureS Sehen,
unb fefter unb fefter würbe in um* bie lieber*
geugung, baß mein 93 atcr im .{limnie! mein
beißeS Sitten erfüllen müßte. fRicßtS mochte mich
irre an biefem fefteu ©laubeit, nicht ba§ immer
elenbere 9lu§fet)en ber geliebten fl raufen, als
ihre Scibeti fid> fchon iu’S britte 3‘d)r hinein
auSbebnteu; uid)t baS bebauernbe Ktopffchiitteln
ber betmheubeu nreimbe, wenn fie ftumm, ohne
ein 2Bort Don Hoffnung auS bem .paufe fd)lid)en.
3n befonberS fdßoeren Stunbeit tröftete ich bie
liebe Seibenbe wohl febon bamalS mit ber 2luS»
ficht: wenn ich nur erft groß fei, bann würbe ich
2 lrgt unb tlüger als biefe alle — bann machte
ich fie gefunb. Srourig Uichelub fdjiittelte fie
bann wohl ben Klopf unb fagte: „5)agu gehört
Diel ©elb, mein Kfinb, unb wir finb nur arme
Seute." Stamit batte fie freilich 9ted)t, beim mir
bewohnten ein 23aiternbnu§, unb 9(eder unb
2Biefen ringSuiuber waren nicht unfer ©igeu«
tbum, foitbern nur gepachtet.
9(ber ihr ©inwurf febiiehterie mid) nicht im
©eringften ein. glatte fie felbft mich nicht früh
ben reichen #errn teiineu gelehrt, ber auf nufere
Sitten auch bie Stittel bereit batte, uns gu hel¬
fen. fRein, bamalS fchon ftanb es bei mir: ein
&oftor müßte ich werben, unb nicht ruhen noch
raften wollte ich, Ä 0 idj ber 2 beucrfteu, bie bie
©rbe für mich trug, Klräfte unb ©cfunbbeit er¬
rungen batte.
3 nbeffeit fchienen alle meine beißen 2 Bünf<he
unb ©ebete nicht helfen gu wollen, unb eS fam
ein uitoergeßlicb — trüber Stag, an bem fie mich
89
Digitized by v^ooQie
538
Pie id) ein gtohtor würbe.
nicht mehr in hören fchieit, als ich (aut an ihrem
Sd)nicr 3 cuölager 31 t ©ott um £ilfe floate. DuS
3 immcr füllte fiel) mit leife tretenbcn, flüfterit»
ben 9Jtcnfd)cit. „{aore auf 311 beten," fagte mein
Sater ernft, „beine arme Wutter liegt im Ster»
ben." „DaS ift nid»t möglüh," fd)rie irf) laut—
„hilf, £err 3efwS, hilf-" — Sa meinte aüe§
laut um mich f)et — „Sie ift ja fcbcit tobt, böre
auf" — unb alle flauten, irf) allein betete weiter,
©ntfejjlidj Hang mir beS trauentben SaterS ©e=
bot in’S Obr an einen auroefenben jungen Set»
ter, er möge oom Sobeit Stroh holen 31 t einer
Streu für bie Dobte. Drobenb (teilte id) mich
bem Setter in ber Dl)iir entgegen, brol)enb hielt
icb ilp meine fleiiten ftäufie entgegen — „baß
bu nirf;t Strol) bolft, meine Wutter ift nimmer
tobt, unb fie ioll in iljrem Seit bleiben."
^llugcbulbigwinlte mein Sater meiner älteren
Sdpefter, bie mirf) geroaltfam (jinauc-füfjrte ein
Stücf oom {laufe entfernt. 34 fümpfte einen
Bezweifelten Mampf um meine rfreif;cit, aber
babei rief icb immer laut 311 ©ott bem Ülllmärf)=
tigeit, er möge — mie er eiuft üa 3 aruS wieber
lebenbig gemacht, aurf) f)ier helfen unb unsarmen
Miuberu bie SJtuttcr erhalten. „Da hätte ber
liebe ©ott oiel 311 t()uu," fagte adjfeljndenb eine
Nachbarin, „wenn er auf folrf)’ einen fleinen
bummen jungen hören Wollte."
O, wie mirf) baS ergrimmte! „34 will 311
ihr, 31 t meiner 9Jtutter," rief irf), mich gemalt»
fam ber feffelnbeu £>anb meiner Schweflet ent»
rei|cnb. ftiirjtc bem .{laufe 31 t — unb Wenn
mein Sater, ber eben in ber £>auStf)ür erfrf)ien,
mich tobtfrfjlug, ich batte nichts bagegen, unter
ber SorauSfeßnng, baß ich nur bei meiner 9Jtut=
ter ruhen burfte.
Slber mein Satcr ftrafte mich IciiteSWegS, als
i4 311 ihm tarn; er rief and) bie Srfpefter, nahm
itnS an ber £>aub unb führte uns in’S Mrvanfcu»
3 immer. @3 war eine längere 3 cit oergangen,
feit mirf) bie Sdjmefter fortgeführt. 9ticmaub
meinte mehr, felbft beS ftrengen SaterS Stuge
blirfie milb. Wan miitfte uns, rerfit leife 31 t
gehen—bann fliifterte eine unbewegliche Stimme
inir 311 : „Die Wntter lebt, eSToar nur ein lau»
ger Starrtrampf, ber fie tobt fcheinen lieb."
SBuitöcrfclige Stunbe! 3h r Anbeuten bot mein
ganges Sieben l)inbur 4 gemirlt unb mirf) ge»
mahnt, baß, was ben Wcnfrfjen unmöglich fcheint,
eS borf) bei Jjctt nicht ift. 9!och lange, fcchsuiib»
3 mair,ig 3p« lebte bie theitre Wutter mit ttnS,
nad)bcm fie in bemfelbeit 3 obre ihr langes
ffranfcnbrtt ocrlaffen hotte. Sou biefen erften
Grljörungen meiner Äinbergebete an, bie mir
einen mächtigen Ginbruct machten, gmeifelte ich
nicht mehr, bah beS {lernt $anb über mir fei,
unb munberbar genug foflte meine SlebenSerfah»
rung meine 3 n 0 crfid)t beftätigen.
3 e größer irf) würbe, um fo größer mürbe
auch mein 2 Bunf 4 , einft Dottor 311 werben. Son
bem $ranfenbett ber Wutter eilten meine ©e«
banten balb wieber in bie {>ütten ber Sinnen.
2 üie oiel toftete uns bie jahrelange firantheit —
Wie fd)ön mußte cs fein, bermaleinft bie Firmen
gefüllt) machen 3 U bürfen, ohne ihnen foldjie
©elbopfcr aufsuerlegen. SÖtit ftiUcr Scgciftcrung
begleitete biefe SluSfübt mich burch bie S4uU
jaijre, unb als ich nach ber Dorffrf)ule baS @pm=
nafium ber nächftgelegencn Stabt abfoloirt batte
— ba begannen bie glorreichen ftriegsjabre 1813
unb 14. SDÖie gern ich auch mitge 3 ogen märe
nach tfranlreirf), man fanb mich SU i«ng «ob 3 u
frf)mächlicb. bie Wittel 311 m Stitöircn fehlten,
unb mit betrübtem äerjeit bereitete ich mich, in
mein {teimathSbörfmen jurüdsiilehreu.
Da fragte mich ®r. ©., ber an ber Spifce
eines SasarettjS in Sact)jeu ftanb, ob irf) bei ihm
mich wollte 311 m är 3 tlid)cn Seruf anlernen laffeii,
guglcirf) auSiibcnb baS, WaS ich eben lernte. SÖcr
weit gliirflirfjer als irf), beim außer ber militär»
ältlichen Stleibnng erhielt id) einen ticinen ©e»
halt. Seiber machte ber ^ricbeitSfdjlitß biefer
fvreube balb ein Gube. 34)- nnb meine jungen
Kollegen erhielten Crbre, uad) Serlin 311 tom»
men, wo Wir feiertirf)ft cntlafjen werben folltcn
mit ber Grlaubuiß, noch brei Sage länger bort
31 t bleiben, bann aber unfern Wiiitärroct 0631 t»
legen unb in bie öeintatl) 31 t reifen. Die mciften
meiner Kollegen lehrten fröhlich gleich ben erften
Dag 311 ben 3b*ißen beim. 91 irf)t fo ich- yüt
mirf) l)ieg bie {icimfehr Slbfchieb bon einem
mir fo erfchuten SebeuSbcruf; mußte irf) eS borf)
nur 31 t gut, bag meine Glterit für mirf) uirfjt bie
Stubicnjal)te be 3 ühlen tonnten, bie nothwenbi»
gerweife meiner Promotion borauSgehen mufe»
ten. Drüben {icrseitS fchritt irf) wieber unb mie»
ber burch bie Straffen ber mir fremben 9 tefiben 3 ,
bergebenS fud)te id) in meinem ©ebächtuig nach
irgenb einem belannten 9?amen, nach irgetib
einem 9Jteufd)en, ber mir rathen ober helfen
tonnte. 9ta<h £>auS unb ein Sauer werben —
fo ftanb unerbittlich mein ©cfdjid Por mir. 3um
legten Wal wanberte irf) bie Sinben hinab—aff
bie dielen fjenfter ber sabdofen Käufer fabelt
auf mich betnieber, wie eben fo niete frembe
gleichgültige Singen. Da — fab id) rerfit? grüßte
äuS einem geöffneten 3 c 11 ft er eines gegenüber»
liegenbeit {laufeS mich ein belannteS Wenfcben»
angefidit. @S War ein 9}?ann aus unferem Dorf»
eben, ein lieber alter fyvettttb meiner Sltuttcr.
34 weiß nirft. Wie lange i4 tief oerfuuten in
©ebanfeit auf ber Straße ftebcit blieb. Da
legte fi4 plößlüh eine ,f)anb auf meine Schulter.
„3unger nreemb, finb Sie noch immer hier?"
flaug es in mein erftauntcS Chr uttb bcrfclbc
Dr. ©., ber mich für baS Satarctl) einft gewor»
ben, ftanb oor mir. Gr war mir ja immer ein
1 freunblidtcr ©önuer gewefen — fo tlagte irf) iljm
Digitized by v^ooQie
öif idj ein Poktor mürbe.
539
offen mein Seit), baft mir bie Wittel fehlten 311111
argtlid)eit Stubium, unb id) nun morgen für
immer in mein $orf ^uriicf miiffe. „©ielleicbt
Hiebt cS ttod) einen WuSmcq" — tröftcte er, in*
bem er mid) mit ficb führte. „65 aiebt f)ier in
©erlitt bie „©epinicve", melche auf Staatsfoften
bie fünften Werste cr^iefjt unter ber ©ebinquttq,
baß biefelbeit fpäter eine qcmiffe Steife Don 3ab*
ren bem Staat a(S Wiiitürärgte bienen. 3‘d)
fetttte beit (Generalarzt, meldjer über bie Wuf*
nabute 31 t bcftiminen bat, unb trenn id) 3 bucit
and) teilte iiniiiipen £)offiiitttqcn ermeefen möchte,
ba ber Witbranq 311 Dieter Wuftalt fcf)r qroft ift,
fo biirften Sie bod) bei einer fpüteren ©acattg
bebadjt toerben. «ftoleu Sie fid) beut Dfadjmittaft
Dott mir einen ©rief an ben ©eneralargt unb
berfudjeit Sie 3b v £>eil!"
Wit mdd)em $ant fd)ieb ich Don bem lieben
Wanne, mit meid/ frofjer £mffnunq— benn bie
3 uftettb bofft fo leid)t unb ftern! —botte icb mir
bett Derhetftcnen ©rief. 3it bem ©orgimmer beS
©eneralargte» ftanbcu Diele Wenfdjeit. Uitifor*
men unb orbenqefd)mütfte Wäuiter marteten auf
6 inlaft. Schüchtern, tuie id) mar, ftelite icb in icb
mit meinem ©rief in ber £>aitb an bie ©ittqanqS*
t()ür unb machte mich mit bent ©ebattfen Der«
traut, baft icb in biefer qlängenben unb gabt«
reid)en ©efeflfdjaft mobl nicht ermarten bürfte,
beut ttod) Dorftdaffcit 311 merben.
®a öffnete ficb bie Übür beS ©predjgintmerS,
unb ber ©eneralargt beftleitete irqettb einen bo(jen
Wilitür bis gur WuSqanqStbür, an ber id) mit
meinem ©riefe ftanb.
,,©3a5 buben Sie ba ?" fraqte er mid) guriief*
febrenb, unb icb reichte if)iit ben ©rief. Sind)
toeniftcit Wiituten mürbe id) 311 il)ut qcrufcit. 6 r
batte bett ©rief ftelcfen unb bebauerte, ntid) itid^t
fofort in bie „©epiniere" aufuebmen 311 föitnen.
2 Bobt aber fdjluq er mir oor, einftmeileit itt eine
anbere ntcbigini|d)c ©orbcreitunqSfchitle eiitgu*
treten, Doit mo aus mir bie erfte ©afaitg in ber
„©epimere" tollte ftcficbert merben. ©oll ®an!
nabm id) mein unermartetes ©tüd an.
„©liitf" nannten cS bie Seute, fabelhaftem
©liirf; mir mar es tncbr, meit mehr. Wber ttod)
fehlte einm gunt Sottor. 9115 meine Stubieitgeit
gu 6 itbe mar, tollte id) mein qrofteS Staats*
eramcit macbeit, unb bagtt qehörteu 300 Sbaler,
id) reifte alfo 31 t meinen ©ttern ehe id) ntid) mel=
bete, unb fraqte fie, ob fie iitt Stanbe feien, eine
fo qrofte Summe für mid) bereit 31 t halten, bie
ich ftern fpäter 3 iirücf t gaf)len mollte, unb fie faqten
mir, id) biirfe mich rubift tnclbeit, ba» nötbifte
©elb fofle Doit ihnen unb ihren greitnbeii be=
fd)afft merben.
groben Reigens reifte ich suriid, nnb als id)
promoDiren folltc, fdiricb id) ben 61tern, nun
möchten fie mir ba» ©elb fcbicfeit. 9Iber id) er=
hudt teilte Wutmort. Weine Unruhe mud)5 0011
$aq 311 2 aq— id) fchrieb ttod) einmal— aitqft*
Doll laq id) im genfter gur ^eit, mo ber ©rief*
bote fontntett folltc — immer ocrqebettS. 34
bat unb flehte 311 ©ott iit meiner qroften Wttftft,
baft jept nodj mein SieblinftSmunfd) feheitern
füllte. Wber biefeS Wal laut feine ©rijörunq,
fein ©rief, fein ©elb.
2 )a blieb mir benn fdjlieftlid) nichts meiter
übriq, als mich in bett qraufameu ©ebaitfett 311
fiitbeit, baft id) eben meinem iJebettSberuf ent*
faqen muffe; eS mar biellcicht biefer beiße äBiittfdj
ber 3faaf, bejfcn Cpfcrunq ©ott üoit mir for*
berte, meil er bi» ba()iit mich mit fo Diel ©nabe
qcfeqnet butte. 2riibcu ©crjcnS fdjricb ich utt
meinen bDd)Dcref)rteit ©eneralargt, ich miiffe um
meine ßntlaffitnq aitS betn ärgtlidjcit Wilitär*
bienft bitten, ba meine Wittel uitbeftreiflidjer*
toeife auSqcbliebeit.
34 mietbete mir ein Keines, inöqlidjft bod) s
qeleqeneS Stübdjeit, bamit meine ©rifteugmittel
nicht aUgufcbttell 311 6 ube qinqcit, tutb fuchte
mich mit ber freublofeu bertraut 31 t
machen.
So mar ein bcfonbcrS banqcr Wadpuittaq qe*
fomntett. Cbqleid) id) nicht mehr auf Wntm’ort
Don beit 6 ltcrn rechnen fottnte, immer mieber
ftahl mit fieberhafter Unruhe ficb eine leptc$off*
nunq mir itt’S #erg, mettn bie 3eit fant, mo ber
©riefbote meine Strafte abqittq. So (aq id) an
jenem trauriqen 9tad)mittaq and) im jeitfter,
ltnb fd)ott Dott ferne hielt ber ©rieftröqer einen
©rief empor. jHopfenbcu ^er.geitS ftiirgte ich
ihm entqeqcn — ad), es mar tt i d) t bie £)aub*
fchriftber qelicbteit 61tern, es maren bie Sdirift*
3 Üqc meines ©encrafargtcS, bie biefer ©rief tntq,
utib mcit meq fdjlcubcrtc id) ihn Don mir, betitt
er enthielt ja bie qemiiufchte ©ntlaffunq. 34
fottnte mich nict)t entfd)liefteit, bie SBortc, bie
meine 6 ntlaffmtq uutcrfchricben, fofort 31 t lefen.
6 in qait 3 Dcrgmeifclter (Gebaute fant mir.
bett ßrieqSgeiteit — fo butte id) Dott ©idett qe=
hört — Derbarqeit Wand)c ifjr ©iqcntbum an
Orte, mo man ©elb für qemöbnlid) nicht fud)t;
DieHeicht, menn ich qettau bie Wöbe! unb ©dett
biefeS uiifcheittbaren ©entacbeS burdjfucbte, fanb
icb, mas id) brauchte — id) mollte es ja nur bor*
qen — bciliq qelobte id) meinem ©ott, folltc ich
auf biefe ©jeife bie Wittel finben, bie mir fehl*
ten, fo füllten meine erften ©initahntett 3 iir Wiicf=
3 ahlunq beftimmt fein. Unb nun ftte eS an ein
Sudjen tutb Klopfen, bnft bie altcilr9)}öbd fich
nicht meniq loerbett qemmtbert hüben, ^siit
Scbreibfetrctär entbedfe ich foftur ein qeheitne»
l Jvach, maS lanqe all’ meinen Wnftrertquttqeit, e»
gu öffnen, fpottete, eitblid) mich es eittiqen ^attt=
merfd)läqen, tun mir leere PouDertS tutb Der*
qilbte ©riefe 311 geiqcu. ©uttäufdjt tutb befd)ämt
ruhte id) eitblicf) Don ber Wrbeit. ^e() 2hör mollte
auf titcttfd)ltd)c JSeife mir ^ilfe fd)affen, aber:
Digitized by
Google
540
(£r wirb ft|en unb fdimeljett.
„mit Sorgen unb mit (Srämert
Unb mit felbft eigner Pein
£äjjt (Sott fiify gar nidjts nehmen,
£s mu§ e r b e t e n fein."
Snblicb flehte ich um ©ebulb unb Srgebttng
in mein ©efcfjicf unb griff bann etwas muthiger
nad) bem (Brief, ber mein ©ihicffal entfeheiben
fodte. 2öa§ aber erblicfieit meine Stgen! '©er
eble ©eneralatgt feprieb mir, bev Mangel au beit
paar buiibert Ifjaleru fode mir (ein frittberniß
auf meinem (Berufsroege werben; er (teile fie
mir mit ber eiiitiefc^lovfeiteu 'Jlitroeifung auf fei»
neu '-Baitquier ptr Verfügung, möge ich fie ab»
pihleu mie ich fönute.
So groß unb fo grünblich patte im (Hugenblicf
ber bödjften Moth ©ott wieder geholfen, baß mir
ftide ®anfei't()raneu bie dlugcn netten.
Srft lange 3 c *t fpiiter hörte id) ben ©runb,
roeShalb oou meinen Sltern baS Derpeißene ©elb
nicht eingetroffen. 3fn jenen 3cit pr », wo bie
'Uoftoerbinbungen noch (eineSroegS fo georbnet
mären mie heute, hatte ein mich beneibeuber
(Bttrfcpe unfereS Dorfes meine beiben Briefe, bie
man ihm ptr Mitnahme auf ber ncichften "Boft
gegeben, einfach untericplagen unb meine Sltern
ahnten nicht, in welch’ trauriger Sage ich mich
befanb.
©o mar ich nun wirtlich $>o(tor, mie eS ber
((eine (Bube im (Bauernhaus einft geträumt, bem
man nur bie Uuinöglichfeit für bie Srfilüttng
feines SuitfcheS entgegen hielt, unb hatte fogar
bie Srlaubniß, baSjenige (Jtegiment-.jjU nennen,
pi bem ich am (iebften öerfetit fein möihte. 3<h
mahlte ein SaDaderie='Jlegiment, aber man he»
beutete mich ^gleich, bafi ich mir (eine Hoffnung
machen möchte, einen fo oielbegefjrten ipiaß pt
erhalten, unb baß bie (ttntmort mich oennuthlich
einem 3”tanterie=5Regiment ptorbneit roerbe.
S)a träumte ich eiuft einen feltfamen lebhaften
SEraum — einen jener Sräume, bie man ft<h
fihlechterbingS niept erfläreu fann. 3h (am
mit ber 'fßoft in eine frembe ©tabt, ftieg am
Marftplc© aus, fah bie fräufer, einige mit (Bäu»
men Dor ber SEpür, in foldjer ®eutii<h(eit, baß
ich fie auch roadjenb noch ade einzeln unterfepieb.
Sine Menge frember ßeute (amen mir grüßend
entgegen, reichten mir bie franb unb geleiteten
mich pt einem biefer fritufer. 9llS ich halb bar»
auf miöer alles Smarten eine Slnfteflung bei
einem Ulanen «SRegiment erhielt unb in bie mir
ööllig frembe ©tobt einfufjr, ba ftanb öot mir
ber Marftplap aus meinem 2raum unb bas
ftauS. das ich fortan mein eigenes nennen fodte,
unb was mir alfo im SEraiim gezeigt mar, roie
eiuft Mofen baS Derpeißene ßaitb.
Senn ich ptroeileit einem engen ffreuttbeS«
(reis meinen öebenSlauf erzählte, fo antwortete
man mir wot)(: Diel ©lücf, in bet Spat Diel
©litcfl Mir toar eS aber mehr. Diel mehr. Mir
roar es ©otteS nmnberbare ffiihrung, bie mich
geleitet; mir mar es ber ©cbetsiegen ber from»
men 'Mutter, ber mir baS frans gebaut; unb mit
unauSfprehlicher £>eligfeit oerdärte biefe Ueber»
pugtutq mein langes ßeben, beim adftpg Dode
3ahre bleichen meinen ©©eitel. Unb roeitu
©ott mir bis pt biefer ©tnnbe bie prüfte ließ,
lag unb Stacht meinem (Beruf nadjpigeben;
wenn er mir manche poeifelpafte Ufiir mit Sr»
folg fegnete; roenn er bem ©reis bie Sapr»
heit beffen fepmeefen läßt, was ber ,<tnabe einit
oorahuenb als ffreube entpfaub: baß es (öftlich
ift, bem Sinnen ßiuberuug feiner ©cpmerpm
bringen pt bürfett umfonft, toie ich es umfonft
empfangen, bann habe ich wohl nden Schmarp
feheru ber ©egemoart pim Ir oft für fo Diel
ffreubeu ht meinem laugen Sehen pt ban(en,
baß fie auch baS reichlich erfahrene ßeib nicht
auSptlöfcpen Dermag.
*
(fr wirb ffyu uub fdjmcl|en unb bo$ Silber rciut$cu. #r wirb
bie Hiiiber £iui reiiiigeu uub läutcru wir §olb^|bi Silber.
fjl ie poölfjährige Marie roar ein Jfinb, in bef»
fen frerjeit ber ©eilt ©otteS feine dir beit be=
’ gounnen hatte. Manch herrliche ©ebeint*
uiffe bes feplicpten ©otteStoörteS, ben Seifen
uub Mlugen biefer Seit Derborgen, enthiidteit
fiel) Der nach Saljrbfit fuchenben (tinberfeele.
Siuft laS fie baS prophetifche (BerheißungStoort;
Sr toirb fipeu unb fd)melgen unb baS
©ilber reinigen jc. $en allgemeinen ©inn
biefeS ©otteöioorteS uerftanb fie, beim fie wußte.
öeiben foden bieMinber ©otteS prüfen unb be.
wahren. 3lber trneS blieb ihr ttitdat, weshalb
es nämlich beiße: ©r wirb „fiftett".
©ie ging pir Mutter unb fragte: „Sarum
heißt eS: Sr wirb f i ßeit unb fchmelgen bie itin»
ber 2eoi? Sir fteheit Doch immer, wenn wir
focteu." — Kie Mutter wies fie ptin (Bater, aber
auch biefer tonnte feinem ffinbe bie genügeube
(flusfuuft nicht geben, machte eS aber nicht roie
gar Diele (Bäter, Denen bie berechtigten fragen
Digitized by v^ooQie
Jlif ©tihetten= unb ÜSitelfrage.
541
ihrer .Riaber unbequem fiub, unb bie, um ficb
felbft ja feine ©lößen gu qeben, ibuen aus«
roeidjeube 9lntmorten ertbeileu, ober uugebulbig
ibuen ©cbmeigen gebieten. „Wiein Siinb," fprad)
er, „gmar ift auch mir bet ©iitn biefeä ’©otte§=
mortC'j niibt gang flar, aber nufer ©acbbar, ber
©otbfdjmieb, ift in ©otteö ©lort unb ©legen er»
fabreu, oerftebt auch fein ©anbroert fo gut, baß
er roifjen toirb, wie e§ ficb mit bem ©cbmeigen
ber ebeln Wietalte öerbatt."
Wlarie eilte gu bem mürbigeu 9llten, mürbe
freunbticb begrüßt unb brachte gum britten Wint
ihre 5rage nor. Sie mar gur guten Stunbe ge»
lommen, benn grabe mar ber ©olbicbmieb im
©egtiff, einen Sieget mit «Silber auf’s ©cbmelg«
feuer gu bringen. ,,©eße bid) gu mir," fpract» er,
„i<b muß mich amb babei feßeit; nun («baue auf»
merffani in bie fcbmelgenbe ©läge hinein. 5lacb
einiger 3 eit fomint ein SlugenbEief, ba nehme icb
rafcb ben Siegel biumeg."
Wiarie feßie ficb neben ben freunblicben Sitten
unb btidte uubermaubt in ba§ fc^nietjeiibe ©?e=
taü. Sa§ Silber bemegte ficb unrnbig unb
trübe, unb mar mie mit einer matten, glnngloieit
ftaut iibergogeu. ©tößlicb aber febien biefefpaut
fictj gu tbeileu unb nach alten Seiten roeggugieben.
Sie©laffe roarb ruhig uitb funfelte im febönften
©tait^e, fo baß be» ©reifet unb be» Rinbeä ©e»
fiebt ficb bariit abfpiegelteu. 9tber nur einen
©ugeitblicf, benn rafcb iiabnt gerabe jeßt ber
©otbfcbmieb ben Sieget Dom feiler.
„Sieb’, ©larie," fpracb er, „ba$ nennen mir
ben e>ilberblief; ben pflegen mit ©otb»
fdjmiebe fißenb abgumnrten. ©obalb er er»
fdjeiut, muß ba§ ©über oom Sfeuer genommen
roerbeii, fouft mirb e» mieber trübe, unb fpiegelt
nie fo Har mehr be§ Wienfc^eu ©ilb mieber. So
mie mir ©otbfcbmiebe tut# nun beim ©cbmetgen
feßeit, um biefen Stugenblicf recht genau erfpäben
git föiineu, fo feßt ber große ©otbfcbmieb im
Fimmel, meim er un§ mit febeiubar harter £aub
burib Ceibeu fcbmelgeu unb täutcru miß, ficb auch
gleicbfam in 'Jtube nieber, unb märtet forgfättig
auf ben 9tugenb(icf, ba fidj bei bem Wienfetjen,
melcber ihm in ©Jabrbeit fo mertbbott ift mie
foftbareS Silber, ba§ nnrubige ©logen unb
©trauben in ber ©tutb ber Srübfat legt, ba
ftiller, feliger Triebe eiugiebt, unb er felber,
©ott ber 4 )err, fein 93ilb in be§ ©lenfcben fper»
gen miebererbtieft, mie mir uitfer ©ngefiebt im
glängenben ©über faben — fein ©ilb, baS er
ihm aiterfcbaffen bat. 2 )«"" «ber ift bie ©tunbe
ber Seibeit Porüber, bie Stunbe ber £nilfe ge»
fomnteu, unb rafcb nimmt ber £err bie ©einen
au§ bem fetter ber 9lnfed)tuug biumeg. Sarum
beißt c§: „©r mirb fißen unb febmetgen."
Sie Cebeiieerfabrung gum gangen ©erftäub»
niß biefer ©otteömabrbeü fehlte bem $inbe noch,
ober in feinem ©ngefiebt leuchtete etmaö Don bem
^engniß be» heiligen ©eifteS, ber feinen ©eift
für bie ©labrbeit be§ göttlichen ©lorte» öffnete.
Saufbar unb froh «erließ Wiarie ben Sitten unb
eilte äu ©ater unb SJiutter, bie ficb nicht fdjäm»
teil, au§ ihres Rinbe» SJtunb fiel) ba§ ©erftänb»
niß ber Schrift öffnen ju taffen.
(Slachbar.)
>*«H<
Pie Etiketten- mb STitelfraije im erßen mumhnitifdjm
er erfte Kongreß trat befanntlicb in ©ero
©orf gufammen. Ser ©enat gäblte 22
©litglieber, nub 11 berfelben batten ber
ßonfiitution3».Ronuention angebört. $brer po«
litifcbeu ©teflimg ho* maren fie fjöberaliftcn,
b. b. ©ertbeibiger »■Luiögticbft ftarten ©entral»
gemalt, unb ©artiwÄiftcn, ober auch „ftrenge
SRepnbiifaner", melctje ben eiujetneii Staaten ein
mögtiebft große» ©laß «on 9JJjj?t«otltom tuen beit
31 t erhalten miiufcbtcn, unb ittit oft läcbertidbem
Mißtrauen auf alle nur im (fntferntefteu auf
(Sentralifation gerictjteten potitifihen ©eftrebuu»
gen blidten. 3 « ben Rührern jener gehörten
3 obn 9tbam§, fmmilton u. f. m.; an ber ©piße
biefer ftanb Stcffcvfon. Stuch ber pennfbtoanifche
Senator ©tactap, ber ©erfaifer unferer Sericbte,
mar leßteren beigiigäblen. ©in ©atriot au§ ber
alten ©djule, ein ©eifteäoermanbter ©atrief
f)enrp’§ unb ©amuet 9lbam§’, betrachtete er bie
©entralifationäbeftrebungen ber neuen Äonfti»
tution mit einigem ©lifjtraiien, unb hielt e§ für
geboten, baß bie 2 tu§ii 6 nng ber ber ©eneral»
Sftegierung oertiebenen großen ©lacht menigftenS
forgfättig überroadjt merbe. @r mar ein ©ianu
«011 echt republifanifeben ©igenfehaften, ber ba
glaubte, baß bie breigebu Kolonien ficb be» ftei»
feit ©eremonienframä beö britifchen ffönigtbum§
nicht enttebigt, um eine eigene ©tonarebie auf»
gurichten, unb eine mabre fjurlbt flößten ihm bie
©emübungen einiger ber föberatiftifchen Seiter
ein, europäifche Sitten unb fpofgebräuebe auch
in ber jungen 9tepub!if beintifch gu machen.
9öa$ man in biefer ©egiebung ©MCtiam ©laclap
unb feinen ©efinnungögenoffen gu bauten bat,
nub eine mie oerbängnifeootle SBenbung bie
Singe hätten nehmen mögen, menn bie ©töne
Digitized by v^ooQie
542
JHe <Stiketten= unb Sitelfrage.
ber f^öbcrotiftcn bie Obcrbonb bedielten, miife
finite idu()1 gebeut einlcudjten, bcr bie '-Berichte
beS peunfplbanifd)en Senators mit 9tufmertfam«
teit ftubirt.
'.'(m 23. 9tpril 1789 mar Sßafhinptou in 9lem
$orf anpefommeit, unb fofort eröfftrete bcr eben
gufammeupetretene Konprefe feine lepislntibe
Dhütipleit! 9)lon hätte mopl annebmeu tollen,
bnfe ber Senat HöichtipercS gu erlebipeit peljnbt,
als fid) fofort in eine lebhafte ©rörterunp ber
bent fhüfibeuten unb ben hödjften SöuubcS»
beamten 311 oerleihenbeit Sfitel 311 flinken; allein
fattifch war bie» ber erfte ©eratbunpspepeuftanb,
ber ben Senat ootn peuannten Slope bi» 311 m
14. fDiai P0113 aiisfdjliefclicb befchüftipte. ,9aum
hatte 3ohn 9lbamS, ber SBiceprüfibent, ben 2Jor=
fiß be» Senat» übernommen unb eine fehr würbe»
bolle ©röffnuupSrebe oom Stapel pelafjeit, als
mau eia Komite eiufejgte gur (Srwäqunp eines
Sßorfdjlnfl» für Dtepelmtg beS ©efchäftSDerfehrS
groifcheu beiben Käufern, ber eS auf nichts @e=
rindere» abpefeben hatte, als ben Senat mit ber
dangen feubaliftifehen fjerrlichfeit be» britifcheit
ÖberhaufeS 311 tunfleiben, bem fJtepräfeutnntcn»
häufe aber bie bemiithipe Stelliuid ber eitplifchen
©eiueineu in früheren ^ahrhmiberteit onguwei»
fen. ©ine '.Dtittfeeiliinp be» Senats an bnS &nuS
follte einfach burch ben Scfrctür übermittelt,
jebe TOttheilunp beS Kaufes an ben Senat aber
burd) gluei feiner 'Dtitplieber pcrfönlid) nach heut
Senat»=Sofal gebracht werben, wo fie fich bor
beu Schrautcit ollerfeitS tief 31 t berbeupen unb
bis ginn c=iße be» fjlröfibenten borgufchreiten bat»
teu, bem fie bann, unter abermalicgen beboteften
2$erbcitpiinpeu, bie Schriftfiücfe cingubänbigeit,
toorauf fie in p leid) er 29eife ben 9tiicfgiig aitgu»
treten, fich au ben Sd)ranten nochmals mit pe=
horfamften Sücflinpen berabfehiebenb. 2 l(Sbiefer
'-Borfchlap gur Keitittnife be» öaitfeS pelanpte,
brach baffelbe in lautes ©elüchter aus. 5)iefeS
refpeftroibripe ©elächter fiteint bie prnbitätifchen
Herren boui Senat berpeftalt aus bcr ffaffunp
gebracht gu haben, baß befugter Sßorfchlap im
Komite fteefen blieb^ 9?od) eine anbere fchwieripe
ffrape machte bem «enatspriifibenten fofort biel
Stopfgerbrecheit. ©r mußte in faft täglichen
fd)riftlid)en IBerfebr mit bem Sprecher beS £>nu»
feS treten, wußte aber nicht, wie er ihn tituliren
follte. 3fn feiner SBerlegentjeit frapte er baS
|>auS felber um 9tath. ®em £>nufe aber fdjien
biefe 2 itulatur=ffrape fehr pleicfepiltip; e» pab
feine Antwort. ®cr Senats » ^rafibent wieber»
holte feine fjfrap'e unb beantragte, bem Sprecher
baS 'fkäbifat „sichtbar" gu ertfeeilen; ober baS
$nuS lehnte beu 9(utrop ob.
, 3n bcr Sitwiiß beS 25. Slpril befchöftipte fich
ber Senat au»fd)licfelicb mit bem '|troprainm
ber ffeierlidifeiten bei ber beDorftebenbcn ©in»
weihunp -fkäfibent SüßofhinptonS. Unb fie()e ba,
ÜDtr. 2tbamS fanb fich in neuer 33erlepenl)eit.
„föleiue Herren," rebele er ben Senat an, ,,id)
weife nicht, ob bie Urheber unferer Kouftitution
bie gwei Könige 0011 Sparta, ober bie gwei Kon»
fuln oon SJtoin im Illupe pehobt hatten, inbem fte
bie gwei Ulemter beS 'firäfibenten unb äMcepräfi»
beuten fchufen, unb bent einen olle 9Hacht Der»
liehen, ben onbent aber gu einem bloßen Schon«
fliief machten. Dlfeine Stellung ift eine fehr
fjhwieripe. 3cp bin ein gweitheilipeS Söefeu im
Sein unb im Können. 91IS '-Bicepuifibeut bin
ich DticfetS, unb map boeb möplicherweife 91 lies
werben. 21 ber nebenbei bin ich auch Hjkäfibent
beS eenatS. 2Bcmi nun ber Ißräfibent bie Se»
notsfammer betritt, wo» fall ich bann fein?"
SiefeS Schweipen hwfchte im Senat, l'ian foh
fid) Derwuubert an, unb Diiemonb wußte bie
fjrape beS s f3räfibeuten gu beantworten, ©üblich
griff ©iswortfj, Senator Don ©onnecticut unb
gleichfalls fötitplieb ber KonftitutionS» Äon»
oention, noch bem auf bem Sifehe liepenben l>|«
emplar ber Konftitutiou unb blätterte borin eine
2 iki(e hi” unb her. » 4 >err fl ui üben t," bepanu
er enblid) in berfelben proDitütifchcn SBeifel „ich
habe bie Konftitution nochpefchlapen, unb ba
finbe id) beim — eS unterliegt par feinem ;Stoei=
fei, fterr fräfibent —, wo irpenö ber Senat n^
befiubet, £>err fräfiOeut, ba ift and) ^Ijr f lot|
— Weiter aber — weiter weiß ich in biefer Suche
wirtlich feine 9luSfunft 311 ertheileu."
'Sie ^naupuration flräfibent 3Bofhiuptou’S
erfolpte am 30. Stpril. 911» fich ber Senat Der»
fummelte, war fein fSräfibent mit einer neuen
(Stifcttenfrope bei ber |>anb. ©r wünfehte gu
wiffen, ob ber Senat bie gu erwortenbe 9lnrebe
be» fräfibenten ftehenb ober fißenb onhören
folle. 2(bermaIipeS bebeuflidjeS Sinnen unb
Kopffchiittelu. Senator See brachte feine penauen
Kenutniffe ber porlnmeutarifchcu SBerhiittniffe
©nplonbs an ben 9!lanu. ®ie SorbS pflepteit
ber Shvottrebe beS Köuip» fißenb guguhören,
wäbrcnb bie ©etneinen ftehen müßten. Senator
3fgarb erwies fich in biefent Kapitel pleich be»
wonbert, uub erläuterte bie 9lnpobe feines Kol»
lepen See bnbin, bnfe bie ©emeinen, wenn fte
3 ur ftarlamentSeröffuuup nach bem fbauie ber
SorbS befchieben werben^^n fteljeu müßten,
weil feine Siße für fie olffffnben feien, ^röß»
beut 9lbamS briiftete fich, ft' habe ben ftorla»
mentSeröffnunpe» fehr höufip beipetoohnt, aber
baS ©ebränpe ber 'Damen fei immer fo proß pe=
weien, bnfe er feinen rechten Ueberblid gu pe«
wiunen bermo^jt. Senator ©arrol meinte, IMS
peböre 9UIeS nid^t gur Snd)f. ©S fei patig pleich»
piltip, was man in ©nplatib thue; hier befinbe
man fiih in 9lmerifa unb thue was man wolle.
Siele wichtigen 9?erhanblunpen würben burd)
bie 9lngeipe unterbrochen, bafe baS $>auS bereit
fei, fiel) mit bem Senat gu ocrcinipcn. 9US bie
Digitized by v^ooQie
Pie (Etiketten* unb Sitelfroge.
543
3itauguratiouS=Geremotiien begannen, benahm
fub fclbft ber gemiegte Wr. 2lbantS etioaS lintifdj.
9licfet minber beilegen roar SBafhington felüer
toäfjreub beS PortvageS feiner 2lDreffe. @r jit=
terle, ftocfte ^äufia. als ob er fein Wanuflript
nicht ju lefeit oermödfee, unb ließ bie Siechte hau*
fig burcfe bie Suft faufeit, als ob er ficfe im bicfe*
ieften Scblacbtgctümtnel befinbe. ®er Hinbrucf,
ben er bet biefcr ©elcgenbeit auf Wr. Waclat)
gemalt, freien fein fef>r günftiger getoefen ju
fein.
911S 2a gS barauf in ber Senatsfifeung baS
Protololl ber ^naitgilratiouSfeicrlidjteiten ber*
lefen mürbe, batte ber Hievt auf Slnroeifttrtg beS
Senatspräfibcuten, bie Pbreffe beS Präfiöcnten
al§ „allerguäöigfte Siebe" (“His most pracious
speech”) bejeiebnet. Waclitp liefe ben ©lief über
bie Wienen feiner .(follegeit febmeifen unb fnttb,
bafe fie alle anbnebtig gusufeören fefeienen unb an
ber betreffeubeu Pegcicfeititttg feinen 9lnftofe nab*
men. Hr aber hielt es für feine Pflicht, gegen
biefen Entlang an bie Holonialjeiteit Proteft ein*
fliegen unb ju beantragen, ben betreffenben
'itusbruef su ftreicben unb einfach bott ber Siebe
beS Präfebeuten 31 t fpreeben. ^ßröfibent SlbainS
tonnte nicht begreifen, bafe man ficb an einer
/Form ftofee, bie fo lauge im Scbmitng getoefen
unb an eine 'Jiegimntg erinnere, unter ber ficb
baS Polt lange Safere bod) fefer toobl befunben.
Wr. 'Uiaclat) marffee ben pröfebenten barauf
aufmertfam, bafe bieS einftmalS alltrbingS ber
galt getoefen, bafe aber im Sauf ber lefeteit ijabr*
sehnte eine erfolgreiche Sleoolution gegen biefe
(Regierung, bie ficb nllntitlig 51 t einer briiefenben
gefialtet, ftattgefuuben, unb bafe baS Soll jefet
felbft bie att baS cbentalige iitouarcbifcbe 'Regime
eriituernbett /formen oerabfebeue. Stach längerer
Debatte gab ber Senat „ftillfcbmeigenb" feine
Snftimmung bagu, bafe bie Söorte “most gra-
cious” geftriibeit tourben.
Hine ber erfteit /fragen, mit beiten ficb ber
Senat bcfdjäftigte, toar bie, mit toelcben Scbran*
fett ber (Stilette man ben pröfebenten umgeben
fotle, ob es paffeitb fein mürbe, einem 3 eben
freien 3 utritt ju ihm 31 t geftatten, ober ob eS
ratbfam erfcbeiite, iljn burcfe gerniffe Porfcferifteit
ber (Stifette Don feinen Witbiirgern 311 trennen.
Senator Hamilton erflärte liefe in einem aus*
fübrlicbett iRemoraubum für SefetercS. ®ie
ffrage mürbe borläufig nicht in offener Sitjung
berbanbelt, fonbern präfibent PbamS fottb eS
attgemejfener, bie Senatoren unb ffongrefemit*
«lieber pribatim baritber auSbofen 311 laffen.
2Säre bie preffe bereits eine Wacht im Staate
getoefen unb hätte matt bor feunbert Rubren ben
„Sfnteruieroer" gefannt, fo mürbe ficb bie Saibe
gemiffermafeen bott felber gemacht haben. So
aber mar ber Pro/efe geitvaubenber. ©eneral
St. Glair batte ben Auftrag erhalten, £>rn.
Wacfap auSguforfcfeeit, unb er entlebigte ftcb beS*
felbcit, inbeut er mit beut Senator, unter Hrör*
ieruitg beS SbetnaS, eine halbe Stuitbe lang bor
ber St. paulsfirche auf unb obfpa 3 ierte. Wa*
dag nahm fein Platt bor ben Wuitb, fottberit
fpvacb als achter Stepublitaner. 'Jtatürlicfe müffe
man bermeiben, bafe ber Präfibent bon aber
SÖelt überlaufen merbe, meil ihm bann teilte
3eit übrig bleibe gur Hvlebigttng feiner Staats*
gefcfeäftej aber ihn ab 3 ufpcrreii unb beut Polte
nur bei Teierlicben (Sclcgcuheiteu 31 t 3 eigen, mie
einen inbifefeen 2 )alai* 2 anta, fei eben fo uttpaf*
fenb. Unter gemiffen Hittfiferuiiluugeit tnüffe
er feinen Witbürgent auch pribatim Zugänglich
fein, beim meint mau ihn nur öffentlich febe,
merbe man ihn für eine blofee puppe, für baS
Sßerlgeug 'Ruberer halten — es merbe ficb bann
mirtlicb atlmälig eine Wacht hinter bein 2 ljrou
hüben. 6 s febeint, bafe fiel) bie gefunbeit 'Rnficb*
tett Wacfafe’ä febon batttalS Pahit gebrochen, unb
fie finb bis auf ben heutigen Sag bie mn fegeben*
ben geblieben.
3 n 3 toifcbeii batte baS 2itel=Sommittee beS
Senats fleißige Peratbuttg gepflogen unb bie Pe=
nennungen aller Potentaten ber 6 rbe in Grtoä*
gung gesogen, ob fie nicht ettoa für ben prüfe*
benten 311 bermertheu toärett. (Sine 3eit lang
fcfjien man bie beim fföttig bott polen übliche
iitulatur „SÖafeUWajeftät" am paffeubfieu 31 t
fenben. Scbliefeliib einigte mau ficb aber auf
ben 2itcl: „Seine Roheit ber präfibent ber
Per. Staaten bon Slmerifa utib Proteitor ihrer
tfreiheiten". 2)ieS mar ber Porfcfelag, ben baS
Ütommittee in feinem am 9. Wat erftatteten
Pericbt einbraebte. Sie Debatte erftreefte ficfe
über fünf Sage. Senator 3färb feblitg ben
Sitel „(* reellen}" oor, fcbliefelicb aber ftimmte
man auf föberaliftifdter Seite beut Porfcblag beS
ÄommitteeS bei. Sie Senatoren Hatroll unb
/Fern befäinpften ben Slntrog, bet aber ihre pur*
tei beträchtlich in ber Winberfeeit mar, mürbe
öerfelbe bod) angenommen morben fein, meint
nicht Wr. Wadap baS StcpräfeiitaiitenhauS er*
folgreicb bearbeitet hätte, fo bafe fed) biefeS ber
bott 3ofen DtbamS unb Wr. See auSgebedteit
läppifcfeeit Titulatur Iräftig miberfefete. Sur*
auf fteflte SlbantS bie Pehauptung auf, bafe ba*
^tattS in biefer /Frage fcbleibterbiitgS leine .slottt*
petett} befefee, fottbern bafe ber Senat unb ber
Präfibent aüein baritber 3 U eutfiheiben hätten.
2 öenn präfibent SÖafhingtou Wr. ^efferfou 31111 t
(iicfanbten in /Franlreid) ernenne, fo mürben
bentielben bort allerlei |obo $itei 3 ufomitten,
toogegett eS fiib boeb fehr fottberbar atiSttähnte,
toenu ber Präfibent felber 311 einem folcbcu Jitel
nicht bereibtigt fein follte. 3m geiamtuteu 91uS*
lanbe mürbe man oor bem fchiichlett „Wcorige
PJafhiitgton, präfibent ber Per. Staaten,"
blutmeuig Uiefpctt haben. ®a erhob ficb Wr.
Digitized by v^ooQie
514
Pie (Etiketten- uub ÖÜtelfrage.
Ntaclal) unb hielt eine cinbringliche Diebe ju
©unften ber in ber ©ouftitntion feftgeftcdteu
einfad^en Stitel. ©iefe ©onftitution feitne aber
nur einen „Bräfibent ber Ber. Staaten", oljite
ade? weitere Beimerf, ebenfo feitne fie ©efanöte,
idinifter u.f. m., oerlcilje irrten aber feine be»
fonberen Bräbifate. Stehe eS bem Senat nnb
bem tßräiibeuten ju, bic .Qonftitution JU äubern?
©iefe »erbiete auSbrüdfidj jebeu 9lbelStitcl, nnb
feinem Bürger ber 33er. Staaten fei es geftattet,
einen folgen Stitel non einem auswärtigen Bio*
nard)en anjunehmen. Natürlich fei man ebenfo
wenig berechtigt, foldje SEitet felber ju f(hoffen.
9i3aS bie große Waffe anberer Sauber benfe,
fönne für bie 33er. Staaten nicht mafegebenb fein.
9ßaS fpeped ben fiir ben Bräfibenten auSge*
wählten Stitel eines BefchiißerS ber amcrifanifchen
Freiheiten aulaitge, fo fei er fthoit um beSwiüen
unpaffenb, weil bie ©onftitution biefe Nufgabe
bereits bem Kongreß geftedt habe. 9lufeer ihm
gebe eS feinen Befdjüfeer amerifaitifcher Freiheit
ten, unb felbft ©eneral 9Bafbington als foldjen
ju bezeichnen, würbe £o<hoerratlj fein.
©iefe energifihe Sprache machte aderbingS
©inbrud; gleichwohl Würbe fie ben Senat nicht
umgeftimmt haben, weint nicht baS Nepräfentan*
tenhauS feinen 33läiteit entgegen gewefen märe
unb ben gorbifchen knoten furjer tfvinb burch*
hauen hätte, inbeitt eS ©eneral 3!öofhington iit
einer 3ufchrift einfach als „Bräfibenten ber 93er.
Staaten" anrebete. ©atauf fanb fid) ber Senat
peranlafet, fein ©itel=©ommittee oder weiteren
33erathung jii entheben unb ju befchliefeen, hin*
fiihtlich ber Titulatur beS Staatsoberhauptes
oorläufig bem Beifpiel beS anbem Kaufes ju
folgen. dßas nun Sßaftjington felber anlangt,
fo hat man eigentlich nie erfahren, Was fein
eigener Stanbpunft in btefer Stitelfrage gewefen,
nimmt aber an, bafe, wenn er auf Seiten ber
©egner aufeerorbentlidjer Stitulaturen geftanben,
eS ja nur eines SBorteS ober dßiinfches aus feinem
Wuitbe beburft hätte, um bie Frag«- welche ben
JJongrefe ju einer 3eit, ba fo oiele wichtigere ©e*
genftiinbe Porlagen, mehrere SEßocf>en befdjäftigte,
fofort jur ©rlebigung ju bringen. SBafhing*
ton fcheint in biefem wie in bielen anberen Bunt*
ten föberaliftifche 9lnfi<bten gehegt ju haben,
wie er ja auch befanntlich baS ätifeere Sdjauge»
prünge liebte unb eilte gewiffe ©tifette begünftigte.
$n ben Dlufjeichiiniigen WacIapS fiuben wir bie
Bemerfuug, baß fiefe berfelbe große Blühe (je*
geben, 3S$afbingtouS perfönfiche Nnfichten in bie*
fer Frage fcnnen gu lernen, aber nicht erfolgreich
gewefen fei. UcbrigenS miiffe man ihm juge»
ftehen, baß er eine ftrenge Neutralität bewahrt,
wenn er auch nicht gerabe ben PotfSthtimlidfen
otanbpunft eingenommen, was ja ftcher fofort
belannt geworben märe, ^febenfads finb bie
33er. Staaten bem maeferen ißennjplöanier Bla»
clap unb feinen bamaligen Barteigenoffen ju
großem ©nute oerpflichtet, beim ohne ihre enet*
gifhen Bemühungen wären an ber 3Biege unfe«
res republitanifchen StaatSwefeuS mancherlei
fchlimtne Fehler gemacht worben, bie fidj mög»
lidjerweife für bie 3ufunft beS 2aubeS tierhäng*
ni|t>od erwiefett hätten, ©in SEitel wirb Bielen
als ein feljr gleichgültiges ©ing erfcheiiteu, unb
buch mag er einen unberechenbaren ©influfe äu*
feein. 2öer weife, ob bie grofeartige Schöpfung
ber'Urheber ber ©onftitution ben furchtbaren
Sturm beS 33ürgerfriegeS unb feiner unmittel,
baren Folgen überlebt hätte, wenn eS ben im
©runbe bodj Piel mehr für monarchifche, als
rcpublifanifche Onftitution fChmärmeuben Fö*
beraliften im Oahve 1789 gelungen märe, ben
einfachen Bräfibenten ber 93er. Staaten ju „Sr.
Roheit bem Bräfibenten ber 93er. Staaten oon
Nmerila unb Broteftor ihrer Freiheiten" umpi*
geftalten. ©lüdliCfeermeife war bie föberaliftifche
Bartei im genannten Oaljre noch nicht entfernt
fo ftart, als zwei Oafjre fpäter, wo e§ ben Bat*
tifulaviften nicht mehr gelungen märe, ihre Bläne
ju h>ntertreiben. Sie oerljinberte bie Söieber*
mahl BlaclapS unb feiner Freunbe, uttb eine 3eit
lang fChien fte unumfdjränfte ©ewalt ju beftfeen.
©lüdlicherweife gab fich im Bolle halb eine ent*
fchiebene Neattion funb, ehe eS ihr noch möglich
gewefen, im ©runbgefefe be« SaubcS irgenb welche
Nenberungen Porjunehmeu. SBilliuni Biaclaty
lebte bis jum Oabte 1804 itub war noch 3euge,
bafe bie ftreng republifanifchen Obeeu, bie emft*
malS nur Pon thm unb einem Heilten fiätiflein
Pon Freunben pertreten worbeit, im Bolle bie
Dberhanb gewannen unb als bie bem Sanbe
einjig etfpriefelichen anerlannt würben. Blit
bem ©nbe ber Bräfibentfchaft oon Oohn 9lbamS
gerieth bie föberaliftifche Bartei podftänbig in
Berfad, unb brei Oafere por bem Stöbe Niaciap’S
trug eS fich 3 «, bafe ©homaS Oefferfon auf fei«
nem mageren Klepper, ohne adeS ©efolge ober
©ienerfdtaft, wie ein einfacher ßanbreifenber,
por baS Capitol geritten lam, feine ÜJtähre an
einen höljernen 3aun anbanb unb bann bor
baS perfammelte Boll hintrat, um ihm feine
9IntrittSbotfchaft als Bräfibent ber Ber. Staaten
porjttlegen unb fnh einfehwören ju Iaffeit. ©a
mar feine Bebe mehr bon „Sr. Roheit bem Beo*
teftor" unb ber fchlichte „Bräfibent ber Ber.
Staaten" würbe nicht nur Pom eigenen Bolle,
foubern pon aden Böllern ber ©rbe ebenfo Ijod)
geachtet, als ob er einen ffönigS- ober Äaifertitel
geführt.
(Bell. Journal.)
Digitized by v^ooQie
ilct befdjäuite Spötter.
545
Cfiiie (Ontcrnluintation in
{Jommenu
'TVc auf $efef)l fjriebrid) 3Sill)c(iitd I. int
I.J 1736 in bev Iturmarf burd) beu
T 6 ()of bey ßeiftlidjen Departements Gocceji
abfteöaltcne ©cneraluifitation bev ©eiftlieben
batte nach be£ ^löni^S 9Keiminc\ ein fo fec^enS--
reic^eS Grciebitijj geliefert bap er für ba» foU
flenbe 3 al)r eine äfntli^e für bie ^vouiiM Vom*
inern aubefafyl. GS füllten alle ^rebiaer bev
^roüinj üevfamtnelt merbeii in Göttin, ein jebev
üon ifjiten füllte einen ©ibeltert erhalten, über
roelc^en er brei baranf eine ^rebiflt 311 baU
teit habe; auBerbem tollten „ihre Planten unb
©tubieit, tuo unb auf roddje 9lrt fold)c aepfloflen
worben, fluütblid) erforfdjet werben." Die 9JlaH*
reßel rief allfleiueiue Giitväftimg unter ber Weift*
lidjfeit Ijerüor, bou beiten einige 9lmtöbiiiber io=
#ar beu ippüi^rt)p^eu auf^aumten 311 einem
iedfett 9titt in» iaub ber Satire. (Sine berartifle
metrifdje ßaoaltabe lautete:
„S^r ^räpüfiti .ftoljeu an bie ©crrit St)n=
übaky, wie fie bor bey Ferrit Samuel bmt
Gocceji GrfteHenj bie 9temie paffireit mußten*
Göylin 1737."
3b r Srüber, iuo hinaus? — IDir reifen uadj
dosltn.
<Ey, lieben, mas bemegt €ud? 4 Mcfcn IDeg 3U
3tcbn ?
Der gau3C Klerus feil bort bie Kerne paffircit,
Unb auf bem rjof^cridjt ftdj in perfon fijHrcn.
doccejt, imfev dljcf, ber große ptäfibent,
Den preußcus Oberhaupt ^ter^u bat fyödifl er*
nennt,
Soll uns bcs Königs XDort unb ItMllensmotuung
beuten,
So bei Kaffation man uicfyt barf iiberfcbrcitcu.
tt>er aber giebt bie Koft 311 biefer IDallfabrt her?
Kuf feinen eignen Solb 311 reifen ift 311 febtrer.
(1. ftoriuib. Äap. 9 . 93 . 7 . )
Unb mer pcrfiefyt bas Umt, meint Kinbcr fiitb
311 taufen,
Die mcgcit Sdjmadjljcit oft (Scfalir bcs lebens
laufen ?
IDenn bei ber fiedjen geit ein Kranfer (Erojl
begehrt,
llnb feinen priefter bat, bet? ibtn bas Kmt
aemäbrt ?
Dodj mas bemütf idj nüdj, hier meinen IDitj
31t jeigen?
pie geiten finb 3U fdjlcdjt, brum mill icb lieber
febwetgen.
----
Per bcfdjömte Spötter.
t u beu ftintertänbern bon ©anaba mahnte
ein ciuter ©eiftlicber, berein ft, .wie 3 faaf,
„auSgjug $ii filmen auf bem fjelbe nm ben
9lbenb." ©r fanb fieb halb an bev ©ren$c eines
SöalbeS, in ben er bincinging unb einen bereits
betretenen Sßfub berfotgte, gan$ in 9iad)benfvn
oerfunfen, bis eS bnnfet rourbe, tmb er mit
Sdjrcdeii baran baebte, baf; er merbe eine 9lad)t
im Söalbe jnbringen mitnen.
'-ßlöjjtlieb fab er in ber jerne ein Siebt $mifcben
ben SBäunten bmcbfibimmern, unb in ber fioff=
nnng, eS möchte bictleicbt ans bem fünfter einer
glitte tonunen, bie ibm ein gaftlicbeS Cbbaeb
gemähten föunte, eilte er baranf $u, fanb aber
$n feiner Urberrafcbimg feine £riittc, fembetn
einen freien '{Hufi im iBalbe, unb auf bemfelben
anS rob behauenen 33auniftämmeu ein tau$ef»
tibnlid)cä ©eriift aufgeriebtet, bon bem berab ein
fRebner $n einer 9(u$abl bon 3ubörern rebete.
©r bad)te erfreut bei fieb feibft: „^efl bube eine
SBcrfaminfung fttfenfdjen gcfnitben, bie öier $u
einem 9fbcnb*©ottcSbknft $iifammengctomnien
finb, unb irgenb ein ^ßrebiger berfiinbigt ibne«
$u biefer Stunbe noet) baS 9teid) ©olteS nnb
feine Oiercd)tigteit." 9(IS er aber näher tarn, loie
greif; toat feine Ueberrafdnmg nnb fein (Sr=
fdutden, ba er in beut Dfcbner einen jungen
9)fanit fanb, ber I)öd)ft gotteSläftcrlidje 2Borte
fpraet), inbent er ben Slümäebtigen btrauSfor«
berte, fein 9(crgfteS an ihm $n tbnn, im 3om
fdjrcdtidje tßenoünfdbungen gegen bie ©crcdjtig*
feit bes .böebfien anSftiej;, unb bie fiibnften unb
entfejjli^ften i'ebaubtungen bcs Unglaubens in
93e$ug auf ein fünftigeS Sehen frei unb öffent»
lieb ouf$uftctten roagie. ®S mar mirttieb eine
fdjauertidje Scene, bon einigen ßieufadelit er*
icudjtct, bie hierher unb bortbin ein fladernbeS
Sid)t roarfeu, mäbrenb anbere Stetten in böDiger
^nnfelbeit blieben. 5>?it gefpannter Stufmerf*
famfeit fiorditcn bie 3nbörer nuf ben 9febner,
unb als er ficb nieberfepte, erfdjoll ein lautes
S?eifa(lrufcn, mobei ber ©ine beu 9Inbcrit $u
iiberhieten fudbte.
„Tiefe ©ctegenbeit barf ich nicht boritbergeben
Iaffen," baebte ber ©eifttidbe bei fidb feibft; „tdj)
muß auftreten unb reben; bie @b*e meines ©ot»
teS unb feine Sache fovbert eS." Tod) fcbcute et
fieb, fo gan$ unoorbereitet, roie er mar, berbor*
$ufreten; er mufjte niebt reibt, toaS er feigen
foflte. Ta erhob fi<b plö^tieb ein 2Rann bon
mittleren fahren, gefunb unb ftarf bon 2IuS=
feben, unb fagte, fieb n»f feinen Stuhl tebnenb:
„tJreunbe, ich baf 1 « beute Sibenb ein 5i3ort $u eiidb
$u reben. 3<b merbe mieb niebt bannt abgeben,
bie SemciSgrünbe beS fRcbnerS, beit mir foeben
gehört hoben, $u miberlegen; id) merbe feinen
Digitized by v^ooQie
546
frauen^rihing.
SSorlvag ntöjt beurtljeUen; iif) racrbe nid)t§ Doti
bcnt jagen, toa-3 mir in feiner 9tcbe als ©otteg=
(äftcvung evfdjieiieii ift. 34 werbe eud) nur eine
©cfdjidjtc ergäl)leit, iiub wenn t4 ba§ getijan, e»
eud) fei ber überlaffen, beit Sdjlujj Daran» git gie*
Ijeit. ©eitern ging icf) am Ufer jene» ^luffeS;
id) fal) auf ben Sellen einen jungen Samt iu
einem '-Boot. Sa» '-Boot mar ni4t leidjt gu len*
len, e» ging gerabe auf Die ©trmnfdjuellen Io§;
ber arme Seitjd), tonnte bie 9tuber nid)t ge*
brauchen, unb id) faf>, baß er nidjt im «taube
mar, ba» '-Boot au» Ufer gu bringen. 34 f>if)
ibn in Jobe»angjt feine £>änbe ringen; itacf) unb
na4 gab er ben iBerjudj auf, fein Sebeit gu retten,
fniete nieber unb fd^rie in tBergroeipuitg: O ©ott,
erbarme bi4 meiner Seele! meint mein 2cib
nic^t gerettet merbeit tarnt, erbarme bieb meiner
Seele! 34 l)örte il)it, mie er bcfannte, baß er
ein Säfterer gemefeit fei, mtb mie et gelobte, e§
nimmer mieber gu t()uu, meint ©ott ibm nur bieS
Sal ba$ Seben f4enten molle. 34 ljörte, wie
er bie ©nabe ©otte» tun Gljrifti mifleit anflebte,
unb ernftli4 bat, bafj feilt ©rlöfuitgvblut ibm
ju gute tommen möge. Sicfe ?lrme retteten ben
lungeit Sann au» beit 3flutfjen! 34 ftürgte
mi4 biacin, gog Da» '-Boot an’§ Ufer unb rettete
fein Üebeit. ©ben biefer junge Saun bat eu4
foeben angerebet unb feinen «djopfer berflu4t.
Sa» fagt ibr bagu, fieute?"
Ser 'Jtebiter fejjite fi4 nieber. San mag ft4
beuten, mel4 ein S4recfeu ben elcnben Seitfdjen
bur4fu()r, unb mie bie 3ul)örcr mit einem Sal
ein anöere» Sieb anftimmtcu unb einfabeu, baß,
mabrenb e» leiebt fei, auf feftem 3Jooen unb in
guter Si4er()cit bem Mimidjtigcn gu trojjeu, eS
eine eigene Sa4e Damit fei, meint mau ant Staube
be» Soüe» jtelje. Sir glauben :_3cöcr Scnf4
bat am (Snbe no4 fo tjicl ©emifjeit, um über*
gengt gu fein, bajg ©ott ibn für feine Siinbeit
ftrafen tnuft, mtb in jebetn bergen finben bie
Sorte ber S4rift einen Sieberball: „Sill man
fi4 ni4t betebreu, fo bat er baä S4mert gement!"
———
Iraucitieitung.
®or Hier Jnljren fafteit an einem herrlidtett %\\\\*
ein alter .'Oevv unb ein iuitße$, fchonc$ JRäbdicit
in Gebauten beviuitfen unter ben 'Buchen bc$ Siciiv
leubcne* bet s Kien (v$ waren Bater unb Xodttcr.
«Stein 'löovt fam über ihre ütwn. (5r blidte hin¬
ein in bte Vanbjchait mit einem mchmuthöbolleu
3itß, al^ laae bort bie laitaberßanßcite fonnißc
aenb vor ihm. S)a§ uRäbchen betrachtete mit
athcmlofcr Spannr.itß eine Atncife, bte fiel) abmühte,
ein Stüefchcn vmU , ba-S bicl ardfier mar aJ3 bie
deine Arbeiterin felbft, über bie (Nfraöftaliiic nt fehlen
Veit. 3)a blieb ber deine Balten an einer 'Kurs
Aelfafcv häufen; tvoft aller Bemühungen be*3 Xbiev-
ebeuo lieft er fich nicht meiterbemeaeu, fo baft bie
Ameife, an bem (*rfolß ihrer Anftrenaunßen oenmei'
fclitb, eüiß baoon lief. «Bater," faßte ba3 SMab*
eben plcfelich mit lenchteuben Außen, «wenn bte
Atitcije nochmals fotnint, um ihre Arbeit aufmneh-
tuen, bann null auch idj nod) einen Berfuch maßen!"
ftr iticdc beiftimmenb mit bem Afopf; bann ließen
beibe ihre Bliefe mieber auf bem #olfitücfd)en ruhen.
Unb fie feinte mvftcf, bie unermüblidje Ameife, unb
cS ßclanß ihr nach heiften Bemühunßcn, ben Span
flott ut machen ttitb nach bem Bau au fchleppcit.
Auch bie juuße Dame hielt BJort unb machte noch
einen Bevfuch, ber ebeitfo ßlücffich aimfiel mie ieiter
ber au^bauevitbeii Ameife. Sie mar Sonfünftlertn;
Weinüth unb A'eißunß branßtcn fie ^ur claffifchen
fOdifif. ftoffnuitß^frcubiß mar fie xmr ;Vahre^fvift
nach Bavi:> ßeaaiißcu, aber ale echte .Sfünftlcriii
fonnte fie fich boit, mo bie 'IVciiße lebißlich für ba^
Birtuofcnthum Sinn unb Ancvfenuuuß hat, nur in
ben enßen W reifen ber töenncv ben erhofften Beifall
crrinßen. Sas ßab ßctänjrhtc (Srmartuitßcn, nie-
berbrüefenbe ‘DiRomettte. ®er 0?uth entfiel ihr, fie
lehrte heim unb mellte berichten. Au^ev Aiiöbaucr
ber deinen Ameife brobett aut Bcwwrhatte fie eine
Vehre ßemßeit, neue ©offnuitacn ßefchbpft, unb
halb befeelte fie mieber bao alte heilige Jyeuer. Aoch
ein Berfuch, ber lebte* Sie ßiitß nach Bonbon, mtb
alc< fie, von Beifall uutrauicht, ihr evfteo (voncert
ßab, ba ßebachte fie unter 2 Ina neu ber SRühvunß ber
Ameife am iiahleithcrß. Amt ift fie eine berühmte
fifuiftlerin, eine ber ßefeicrtftcn 3ntcrpretinucn ber
claffifchen joitutufe; allein ber deinen fichrmciftcriH*
ber fie bieiS 51t bevbanfen hat, bevßiftt fie nimmer.
Alle Sommer, mcnit fie heim nach BSien fommt,
ficht fie hinauf wmAlahlcubcvß, \\\ jener Stelle, mo
fie fich felbft mieberßefuttbett, mtb an biefetu Bläft-
dum and) mar e^ oor n»eitißcn laacn, mo fie einem
ivvcuttb bie ©efd)id)tc bott bem Ameijcuorafcl cr=
jahltc.
^in ßon^ boqüßUdjfr unb toohltftätißcr ÄaH*
ßfber für alle iuttßcu grauen ift ba^ deine 25 ert
bon Abolphine ‘Breithaupt „ 3 )?uttcrpflicht unb vSiin=
be§pflcße" (Berlaß bon ß. 5 V. ßittrid) iu "Berlin),
iu melchent ba^ midttiae, bon hcrborraßcnbeit Acrfieit
fchott oft hehanbelte Shenta auf eine nette, fratten-
haft sartc unb anmuthiße SBeifc befprochcit mirb.
2öie eine treue, dtißc unb liebebolle "IRutter toetft
bieBcvfaffevin mit ihren iunßen Bdtfchmeficru über
alle bie 'Bfiichteit tutb Sorßett \u reben, meldje bet
beßlüdeitbc Beruf ber Wutterfchaft mit fich bvinßt,
tutb ihnen treffliche, auf eißeite Grfahrtutßeu ßefiftbte
Aathühläae ^11 crtheilen über ba8 Bcrhalteit oor unb
nach ber Wcburt bco ffiitbcS, über bie erfte ß*mdh-
runfl unb Abmartunß bcficlbeit, bie Bfießc w&hrenb
Digitized by v^ooQie
Jraiienjeitmuj.
547
bet perfdnebeneit flinberfranf beiten iinb bie Ueber=
wachunfl feiner ferner» (fntwicfeluua unb (Svsiehun»
i» tövperlicher unt> 0eifti0ev ©infiebt. äSieleS barin
enthaltene ma>j icbou früher »efac\t worben fei»,
aber uid)t mit io flaven und fd)licbte» Teerten; »ct113
hcfonbevS empfehlen nur aber bte Äapttel über bie
3 lmme u»b bie ftinbermäbdjen, baS Schicfwerben
imb bie Pflichten bev Butter aeaett ihre heran=
wachfcude Socbter ber 3lufmn*ffamfeit imferer \?efe-
rinnen f be»c» je »\a»cber oernüuftiae 2Btnf ber
praftifche» grau juflute fointnen dürfte.
$ic rcfolnieu ttmrrtfititrrmneit taffe» fidj »icht
fo leicht i» Verlegenheit bringen, fo»bet» berftebe»
bei Wesenheit, be» Spich um$ubreben, wie fol*
0eitdeS Veifpiel jci»t. (^ine i»»»e Tarne i» ibofton,
bie allei» i» einem ^ferdebahnwaoen fuhr, mürbe
längereüeit wo» einem ihraeaenüberfifeenbeniunnen
ättann i» ber breiftefte» u»b »»befcbeibe»fte» SBetfe
aiifleftarrt, woaeae» weder ei» Sanoriren noch cr=
3ÜrnteS Stirnvuiuelu helfe» wollte. Sie heftete
»u» ihre Sinnen unoerwandt auf eine» beftimuite»
^Bunft a» feinem 'Jiocffraaen, hiebt unter feinem
fibr, »abm 9 lnfan »3 eine W\c\k dcS 3 lbfcheuS an,
welche allmählich in bie einer beimliibe» Velufti^
011110 »berainfl, unb feinte fich barauf lächelnd ab.
Ter alfo [flirte »erietb in töbtlicbc ‘Iscrleaenbett,
ruefte unrubia auf feinem Sifc bi» »nb ber, oer=
brebte frampfhaft be» Üopf und rolite udffaft bie
2 l»ae» a»S be» Noblen, um bie oevbadnüte Stelle
3» betrad)te», rieb immer eifriger au beut öermeint-
lidteit Slecf herum, ftür.ste enblicb am beut Jöa»e»
»nb eilte in baS näcbfte :)teftauratiouolofal, um in
eine» Spiegel 3» jeben unb 3» eutbecfeit, bah eben
nichts 311 febe» war. Tie iunge 2 Kth war aber be»
läftiflen 92 ad)bar 0lüdlidj loS.
* Weftutbe SRäuucr. (finer ber »efunbeften 3 Ken=
Sehen, welche aegemoärti» leben,_ift ber leitenbe
9 )cinifter(f«a(a«b‘ 5 , ®labftone. „Sprecht nur nicht
00» Wladftone’S Weift," faate oor etwa 30 fahren
ei» enalifdjer Schriftsteller, „er ift »iihtö im 3 kr-
»leid) 3» feinem itörper." (Sin Sierteliabrhunbert
iana aehrauchtc er aar feine» 3 ti 3 t; unb bau» 300
er ei»en Solchen nur bin^u, um fich immer »nb im=
mer wieder faaeit tu laffe», bah feine förderliche
Verfaffuna eine eiferne fei. 3 Bicberbolt madUc er
Syuhrcifeu oon awölf Stuuben tätlich; unb im
fdtliinmften Souboncr Sdmeeaeftöber wanberte er
ben weiten 2i$C0 oon 35 eftmi»fter 3» feiner $rioat=
mobnutifl in Carlen Street suriief, mochte eS
ternaebt ober bret Uhr IVovcu'uä fein. 3113 Sdtläfer
war er unoevaleichlich, Stunbe war fein Safe,
nid)t 3 mehr, nichts weither; faitin leate er fich bin,
fo fchlief er alfobalb ei», unb bic 3 , ein halbes ^abr=
ininbert lang durchacfe&t, oerbunben mit einer aufter?
orbentlicfcen 3 )ia|ua»»a in allen Weitüffen, fieberte
ihm jene rfufbaltlofe ©errfebaft über feine forpev-
liehen .Strafte, bie allen feinen 3lmt30en offen faft
wie ein SBunber erscheint. Tie auherorbeutüdmen
XmvlameutSfifeimaen, bei welchen e 3 fich um baS
Stehen unb Sailen feinet Äabinetö banbeite, be¬
rührten ihn nur oberflächlich, raubten ihm feine
SBiertclftuube Schlaf. Tas 'Jfebnerfieber fanntc er
»ar nicht, unb baber fiepte er leicht über feine Wca-
»er, bereu Äraft in einer einnacn 3>erhanbluti0 er-
Schöpft war. ilebriflcuS werben wir »id>t feblaehen,
wen» wir annehmen,, bah auch ber cnalifchc Sonn-
taa mit feiner wobltbueubcn :)fuhc unb Stille fei¬
ne» ^littbeil an biefer ^eiftunaefdbiflfeit beb ena=
lijcben Ü)ti»ifter3 bat. SBeniafteiw bat einer feiner
früheren Slmtouorfldnaer, ber befatinte f^orb fßah
nterfto», ber ebenfalls bei fortbauernber förperlid)er
ifrifche ein bobe^ Filter erreichte, ed mit (^ntfdneben=
beit aw3aefprod)e», baft er fein rüftmeb Öreifenalter
wefentlich bem Umftanbe oerbanfe, baü er feit feinen
^ünalinaeiabren fich burd) nid)to um feine Sonn=
taaenube habe brinaen laffen. 2)a^ ift ber alte unb
immer mieber neue Se^en, ber im Sinbalten ßbtt'
lieber Orbnunaen lie»t. —
8eft ba^ euren ^Männern oor.
löor einiger 8ctt flarh in Trüffel ein reicher,
alter ©afleftoh, ber beinahe fei» aa»^ ftrotV$$>er=
möaen einem ihm polli» unbefannte» junac» s D^b=
d)en, einer Nähterin, permacht bat. ®er ^cvftovbenc
war ndmlid) ei» Criflinäl, eine xHvt ^ioaeued, ber
3nmr nicht in einer Sonne wohnte, aber meift nur
beobalb au^rina, um „^enfeben" 3» fudten. Um
bie ^echtfcbaffenbeit feiner ^itmcnfdk'n auf bie
5>robe 311 [teilen, erfann unb unternahm er oft bie
feltfamfteu (Experimente, bie leiber meifteu§ uiu
aünftig att^fielen, unb ihn in feiner fchlccbten ®et=
nun» pon bev 9 Selt beftärften. So fuhr er einft
(ditaere tätlich biefelbe Stverfe in einem OittnU
bu 3 unb fette fiel) fteto auf ben 'XUafe bicht neben
bem honbucteur. (fr vermittelte febr beveitwilli»
ba'S .^in= unb ©eraeben bc^ Wclbebv unb iebeemal,
wenn ber Konbucteur fileinaelb bevattö^ahlte, übcr=
reichte ltnfev Sonberlitm bem betveffeuben Jahrflaft
bie Summe, aber er füflte ftetö unbemerft unb febr
»efdncft ein Welbftürf a»6 feiner Safcbc bittstt, uüe
ioenu fich ber (Jonbucteur »eirvt unb m viel beraub
aeflcben hätte, worauf er bann feine Vcnte febarf be=
obad>tete. SMefclhen wählten rttbi» ihr Weib, merf*
ten natürlid) ben 3rrtbum, zahlten noch einmal unb
ftccften hierauf fchmun3elnb ihren fleinen l'vofit ein.
9 ?od) oft wieberhottc ber 3 llte fein Ai'unftftücf, aber
unter ben Ptelen iJJevfoncn war auch nicht eine, bie
mit bem armen Gonbucteur, ber bee Saa^ nur bvet
Svanco perbieutc, ®?ttleib batte, unb ihm fein Weib
»tvütfaab. (finee Xaaco aber rief ein iitnoeö Wal'
eben fofort baftifl: „Ponbucteur, Sie haben mir
einen halben S*ranc 3» viel fteaeben!" unb reidUe
bao Weib bin. Dao Wcfichi beo SonberlinaS bellte
fich auf unb würbe orbentliih fveubta Pcrflärt. (fr
ainfl bem Habchen nach, ocifcbaffte fid) ihre 3 (breffc
unb 300 (frfunbi0un0cn über fie ein, bie jedenfalls
aünftia auSnefallen fein muhten, beim baS 3<?hn=
Souöftüd erwarb bem reblichcu S)iabd)en bie 6rb=
febaft pon einer halben 3)iillion.
ift nithtö neues mehr, bafi fich and> ®amen
buellivcn; bat man bodi evft füv^licfi in ^JJario ein
Vcifpicl bapon erlebt. Reicht allein init bem < Se0cn
unb ber X*iftole tu ber ©anb fteben fid^bie We0»e-
vinuen mutbia 0e0enübcr, felbft bie Sd)auer Por
bem unbeimlidien amerifanifcbeit Tttell haben bic
nerpenftavfen junnen ®amen ber ^ebtteit ab»e=
ftveift. Ter X>reio in biefer X3c3iebun0 aber gebührt
3wci junaeu SWäbchcn in Tebvectin, Schülerinnen
ber bortiacn höheren Söchterfcbule, welche 0C3ciat
haben, wie man beut amcvifanifcheu Tuell feine
lebenÖ0efabrlichen Soloen nehmen tarnt, ohne bah
Digitized by v^ooQie
548
$rauen;eitung.
eS feine 3nrd>tbrtvfeit verliert. ‘Die beibeu bci&blü=
tigeu uugavifchcn fleincu Ü3arffitc6e gerietben auS
•bisher unbcfaunteu®vünben aneiuanber; cSerfolgte
eine .fteratiSforbermig, uub matt eittfcC)ieb [ich für
amerifanifcöeS Ouell. 3it bev ÄuSfübvtnigSweije
bcffelbcit liegt bic reforntatorifebe äragwette beS
Vorgebens. 2Bem bie fchwarae S?ugel gufaUe, fo
würbe entfcbicben, Der fei verpflichtet, an bem tmb
beut Sage feine „3*roufrou$" ober StirnlCxfdteu,
Pott profaifcheu SRenfdjcu and) Sintpelfranfeii ge¬
nannt, abaufcbnci&en. OaSjenige ber betben BJab-
eben, weldteS baS verhängnisvolle 800 S aog, erfüllte
and) wirtlich uncrfdtrodeit ihre fd)u>erc '45ftid>t unb
erfcbieit am feitgejebteu Oag ohne bic javteit brau¬
nen ßöcfchen, welche ibvc Stirn fo lieblich umfpielt
batten. SBürbe baS ftarfe©cfdftecbt nicht gut tbun,
biefent trefflichen Beifpiel m folgen unb lieber beit
©dwurrbart aitm Opfer fallen au laffeit alS bie
tnorberifebe Sfrtgel burchS £era au tagen?
G* biirftc toolil Wenige Vereine geben, weldte
beit SRotbleibenbeu bie .öülfe in fo harter ffieife au?
fommen laffen mie ber Verein Saitbifin in Berlin,
ber (ich bie Uuterftü&ttng armer ©odmerinnen $ur
Aufgabe ftellt uub bieS unter ben naebftehenben
SHobalitäten bewirft. SS fiitb jmei ©cibbüdjfeu
porbaitbeit, welche in bic Käufer ber iReidjeii unb
Firmen gefenbet werben, in betten ein ftantilienju*
wadvS emtritt. Oie eine Bücbfc ift vcrficgelt; fie
enthalt einen ©elbbetrag uub barf nur an beftimm?
ten SEcrmiueu pon bem Vorftanb geöffnet werben.
Oie anbeve Budde ift offen unb enthalt eine
Summe, über welche bie 3B6chneriit nach Bebarf
bis aur vollen .frohe verfügen famt. Oer t>crblei=
benbe 9teft muh auS ber offenen Bücbie in bie ver?
fiegettc gefebüttet, unb erltere mup leer aurüdgeftetlt
werben. BMu weih fonitt niemals, ipelcber Betrag
ihr entnommen, ia nicht einmal, ob überhaupt etwas
barauS für bic Söchnerin oerwenbet würbe. Oie
reiche fliubbcttcriu fenbet bie Bücbfc ebenfo leer
aurücf nfte bte arme. ^Selche Spcnbe bie erftere
geopfert, unb weld)c ©abe bie lefetere empfangen
hat, bleibt unbetannt. OerOürfttge hat genoin?
meit uub braudft fich beffeu nid)t au fchanten; ber
SBohlhabcnbe bat@uteS gethan itttb fauit ftch beffeu
nicht rühmen. SS ift bieS eine gar finnige Sin?
richtung, woburch ©elegeuheit geboten wirb, BJobl*
thaten au empfangen ohne Befcbämung unbSEBoht
thatcu au erweifen ohne Vergeltung.
boö Vnreou einer wiener Sofaltelegraphttt*
ftatiou trat ein eleganter frevr, ber am $ult ein
Briefcouvert mit ber '^lbreffe befdmeb unb mit arti?
ger Verbeugung gegen bie Orabtiungfvau fiel) eben
entfernen wollte, als biefc ihn mit ben 2 B orten apo?
ftropbirtc: ,, 3 ftbaSeinc 8 fred)heit, bloftauinSdjrei?
beit ba herein au fouimen!" Oer frerr erflärte, er
habe geglaubt, baft baS fiofal auSnabntSweife auch
au biefent Hrnecf beut Vublifum aut Verfügung ftebe.
SBeitu übrigen^ baS Uebcrfchreiten biefer Schwelle
abfolut mit ber Aufgabe einer Oepefdje perbnitben
fei, fo wolle er gern eine foldte abfenben. Sr erlegte
bie jat;c, empfing ein Formular unb füllte eS mit
folgenbem Oo£t an bie Slbrcffe ber Otvection ber
9(uftalt auS: „Oie Beamtin biefer Station fpridft
aller froflidfteit frobn" unb reichte cS ber fura an?
gebtttibenen Oaute timt Sdjalter hinein. Sie laS
beit für fte wenig fd>meid>cll>afteit Inhalt unb bie
Unterfchrift, bie einer fehr gead)tetcn Verfönlidftett,
unb fab fpradftoS ba, ein Bilb beS Jammers.
„VBettit eS^bneit unangenehm ift, mein grättleiu,"
tagte ber freu, ber in feinem freraen ein mettfchlich
führen fühlte, „fo halten Sie in ©otteSnamen bie
Oepefdte, aber in 3 nfunftgefälligft auch 3 hre@rob-
heit autücf.^ Oer Beamtin blieb bie Befchätnung
evfpart, bem OrahtbicfeBefchwerbe über ihre regle?
mentSwibrtge Unart autupertrauen. Seit biefer
Scene waltet fie ihres WmteS mit auSgefmbter ipöf-
üdtfeit unb 3 imovfomme»Uteit.
3 « Snglanb tttth Hmrrifa pflegt man attfeer ber
filbernen uub golbetteu ©odtaeit auch noch bie hol?
aerite unb aintternc ^todtaeit au feiern unb bei ©eie?
genbett biefer fteftltcbfeiten ooit ben ?freuuben, Ver?
wanbteu uub Befannteu mehr ober weniger elegante
©efdtenfe au $ola?, veip. 3 iimgerätbfd)aften au
foutincn. Sin eitglifcher ©umorift gibt nunmehr
allen jungen Shepaareit ben Math, biefeS angenehme
Sttftcnt nod) weiter auSaubehnen unb nod) tocitcrc
©ochaeitSgebeuftageau begehen, um ihrcSBirthfdtaft
na^ allen Seiten hin a» Pervoliftäitbigeu. s Jtodj
Verlauf beS erfteu 3nhreS ber Sbe würbe feinen
Vorfdjlägeit aufolge bie baumwodeue ©odtaeit, nach
bem aweiteu 3 ahr bie leberne, nach bem britteu bie
blecherne, nach bem fünften bie holaertte, nach bem
filbcntcu bie woUcne, itad) bem aehnten bie aiitnevne,
uad) beut awolftcu bie feibene, nad) bem fünfaebntcu
bie glüferne, itadt beut awattaigften bie poraellanene,
ttadi beut fünfunbawanatgftcn bie filberne .^odvaeit
ju feiern fein. Von nun an werben bte ©efebenfe
immer foftbarer, beim nachbreifeigiäbriger©befolgt
bie elfenbeinerne, uadt pievtigiahriger She folgt bie
BerleuhoAaeit, nach füitfaigiabviger bie golbette unb
nach fedtSaig Sahteit bie biamanteite 4 )od)aeit.
Ser ift reicher? 3 tühmt man in meiner ©egen?
wart beit reichen 9tothid)ilb, ber pon feinen imgeheu?
ren Sinfünften Oaufenbc für bie Sraiehuttg armer
Ätitbcr, für bie Teilung pou Üraufen, für bie
Bffcge von ©reifen opfert —fo bin icb gerührt nnb
preifeihn.
Wber, inbettt ich ihn rühme unb gerührt bin, fouimt
mir unmidfftrlid) eine arme Baucrnfamiltc in ben
Sinn, bie ein 3Baifcnfinb, eine arme Vcrwanbte, in
ihre zerrüttete, eleube föütte aufnahm, „ffiiv tvodeit
bic Äathe au uuS nehmen," fagte baS SBeib, „eS foftet
unS awar unfern lebten ©rofdwn; tvir werben nicht
einmal Sala haben, um liniere Suppe au jalaett . ."
„ s )?tm, bann effeit wir fie mtgefalacn," antwortete ber
Bauer, ihr3Rann.
BtS au biefent Bauer heran reicht Stotbichilb
noch lange nicht!
- e.rOxa.
Digitized by v^ooQie
SonntaßfdjttUfebttonen,
549
^omitaöfdjul Rektionen.
Sonntag, ben 7 . Oft. 1 Sam. 4 , 10 — 18 .
©1 Vt $oi>.
1. ftfit: 1141 o. ßftr.
2. Ort: © i l o, eine Stabt im Stamme Gphtaittt,
etwa 12 engliicbc teilen füblkb von Sichern unb
20 eilen nörblich von ^icrufalcm.
8 . 3 nfammriif)anß: ©erttrieg zwifdpn ben Shi*
liftern unt^jvacl ift auf’S A'ette auSgebrocheu. Ob
bic 3fracliten, turrh ben Untergang fo vieler Sbk
Itftcr beim Sturz tcS©emvel3 zu Gaza ermutbigt,
baS philiftänche >d) abzujchüttelu verfueftt batten,
obeT ob bie Shilifter fiel) wegen ber 9?ieberlage, bie
ihnen Simfon noch in feinem ©obe bereitet hatte,
an ;Mrael rächen mtb ihre ©ervfdjaft weiter au&=
behnen wollten, läßt fid> nicht entjeheiben. einer
blutigen Schlacht bei Aphcf waren bie 3fraeliten
gefchlageit Worten. ©a liehen Re in ihrer Sftoth bie
Su nbcMate von Silo holen, in ber Hoffnung,
bah bie Auwejcnheit terfclben im Vager ihnen ben
Seiftanb Sottet unb ben ©ieg hber ihre Feinte
verfchaffeu werte. Umionft; fte erlitten eine zweite
noch fcbwcrcre 'Jtieterlagc; fclbft bie SunbeSlabe
fiel in bie ©ante ber Feinte. Ohne Bmeifel hatte
Samuel, bei* nach H. 1 um bieje Seit »ein fßrophe«
renamt antrat, 3 fracl 511 m SSiterftanb gegen bie
Shilifter aufgemuntert. Oer AuSaang beS .ffrtegeS
Mricn feinen göttlichen 2 Vvuf nicht 51 t beftätigen.
Aber wie fchou 9iid)t. 20 , I 8 ff. Wett zu einem Kriege
aufforbevte, ber nicht fogleich nun ©iege führte, meil
zuvor jeine ©emütbigung beS SotfeS s J?oth that, fo
muhte hier suerft (Mottet Strafgericht über ba$ ©ati3
Gli’S unb über bab heibuifd) geworbene Holt er=
gehen, ehe er [ich an feinem Solf bureb ben Sieg
über befjeu heibnifche Unterbrüder verherrlichen
fonnte.
4. Start* unb S*<ftrrf(ämtß: Untere Veftion be-
innt mit ber ©d)ilberuug ber zweiten 9 ?ieberlage
er jjjracliten. Oie Vate bcS ©errn mar 001 t Silo
abgeholt unb mit großem ^ubet int Säger empfang
gen worben. ©elbft bie Shiliftcr fürchteten fkh, al3
fic bie Anwefenheit ber SunbeSlabc erfuhren. Aber
ber ©err ftanb loiber ^fvael.
®. 10 . ©ie ^ h i 1 1 ftcr — bie alten Grbfciitbe
?lfraeh3, welche einen Sanbftvich an ber SOceevc'?füfte
fübweftlirf) 00 m Stamme Fuba bewohnten — ftri U
ten. ©ie Schlacht fanb nach S. 1 hei Aphef unb
Gbeitezer ftatt. Oer letztere Ort erhielt feinen
Aamcit cvft bei einer fpätcreu Gelegenheit (1 ©am.
7,12), wirb aber hier fchon jutn 3>orau*3 mit bem
fväter allgemein befannten SWaincn bezeichnet, Seite
Orte muffen etliche SOicileu novblich obev norbweft«
lieh von ^cvufalem gelegen hohen, 3 ftael warb
gefcf>lagen. ©a3 ©cer nmibe gänzlich auScin«
anber gefprengt, unb ein ieglid)er floh unb
fehlte in feine ©eimath gurürf, bie nationale
Sache verloren gebenb. ©er 3>erluft 3fvacl3 be=
trug 30,000 Staun, unb ühcrbicS würbe bie
SitnbeSlabe genommen (25. 11). ©ie 93un=
bcSlabe war ba3 ©mnbol ber Gegenwart Gotte*?
unter feinem 2 ?oIfe, unb zwar nad) ben zwei ©aupt«
fetten feiner Offenbarung: 1 ) nad) feiner ©eilige
feit unb Gcved)tigfcit, worauf bic in ber
SuubeSlabc verwahrten GefepeStafeln hinwiefen;
2 ) nad) feiner Harnt herzig feit, welche buvdi
beit Gnabenftuhl, ben Werfel ber SunbeSlabe, bar«
geftellt war. ®a$ 2 ?olf hatte auf bie äußere SJfit*
fithrung ber Sunbeälabe beim ftautpf wiber feine
Feinte vertraut, als ob biefelbe ein gemeines .Satt*
bermittel wäre, unb vergeffen, bafi ber gerechte Gott
nur beiten feine Havmhcr$igfcit erweift, bie feine
Gebote halten unb über ettvaige Uebertretungcu
aufriditig Stifte thttn. ©a$ war eine heibnifdte
©eitfweife, bie von einer fläglidieit SSerbüfterung
ihreS®latibenS burd) heibttifdten Aberglauben zeugt,
wie beim auch feine Spur bavon zu Rüben ift, baff
fie in ftdi gegangen wären unb fid) gefragt hätten,
ob bie Uriache ihrer 91iebcrlage nicht in ber wiber
ihre ©ünbe ftch offenbarenben Gerecbtigfcit GottcS
liege, ©te @Tobenittg ber HunbeSlabe bnrdt bie
Hhilifter hatte einen hoppelten Stocef. Sie follte
1 ) bte 3 ftae!iteu zur Hitfte erwecten unb zu ihrem
Gott sttrücffühven, 2 ) feilten bieHhiliftev erfahren,
baft ber Gott 3iraclS bennodi mächtiger fei alS ihre
Götter (flap. 51. ©ie Söhne Gli’S, ©ophni
unb fßinehaS, famen in ber Schlacht um, wie ber
©err zuvor bem C9(i aitgefünbigt hatte Wap. 2, 34).
®. 12. ©a li cf einer, ein Flüchtling, auS
bem Stamme Sen ja min. x 'im Gebiete
bicfeS StammeS lag wahrfcbeinlid) ber Schauplaß
ber ©d)lad)t. Gin Seniaminite, bei* mit ber Ifofa«
lität vertraut war, fonnte baher am ebeften mit ber
SchrecfeuS= unb ivauerbotfehaft zu Gli nach Silo
gelangen, wo bamalS bie Stiftshütte Raub. ©aS
S e r r e i ft e n ber Jflciber u. f. w. toar ein Seichen
ber ©rauer unb beS Schmerzes.
®. 13. G l i faß auf bem Stuhl an beut
äußeren ©hör bei* StiftShüttc, an bem 28 c g e,
auf ivcldiem ein etwaiger 2'otc auS bei* Schlacht
anfommen mußte. Sein ©erz war zaghaft.
Gr hatte eine Ahnung beS bevorflchenbcu UnglücfS,
loaS um fo natürlicher ift, ba bie ftap. 2, 27—36
unb 3,10—18 von bem «©ervn angefünbigten Ge¬
richte noch nicht cingetvoffcn waren. Siclleidtf war
bie SitubeSlabe gegen feine befieve (S*inficht ino Vager
abgeholt worben, unb er hatte nur in feiner Sdnoäche
Zitiert feine Ginwilligung bazit gegeben. U c b e r
bieSabe GotteS. GS ift ein Sctociv für bic
R-römmigfeit Gli’S, baft nidit feine Söhne, fonbcrit
bie SunbeSlabc ihm bie ineifte Sorge madit. © ie
ganze Stabt fd'ric, b. h. bie ©Vnoohner
brachen in ein lautcS 28ehf!ageu auS über bic 9iie-
berlaae, wcldie 3 ivael erlitten, unb mehr nod) über
ben 2?erfuft ber Sunbcslabc; beim mit ber s SunbeS*
late glaubten fie and) ben ©dmb 3 ehoivthS ver*
loren zu haben, ©rofe ber Serbüftcrimg bcS relk
giöfen SewufttfeinS ift ber theofratifchc Sinn im
Solfe bod) noch nicht erftovben. .©ieS zeigt fiel) and)
in ber Silage ber fterbenben SBithoc beSSinchaS:
,,©te ©errlidffeit ift babiu von 3 ftael, beim bic
Vabe GottcS ift genommen \ u (S. 22 .)
Digitized by v^ooQie
550
, SonntögfdjuUfcktioneu.
®. 14 . 15 . ©ührcitbGIt fielt, waltrfdtcinlidt bei
einem <ßriefter ober V'evitcn, nach ber Uriadte be3 ©e=
tummelt in ber Stabt, welches bis 51 t ibm biuauf-
braiift^crfunbiate, fam beriete mit bet ivauer«
betfebaft bei ibm an.^ (9 l i*§ 91u ft e n w a r e u
b 11 u f e l. (9*r war in feinem 911 tcr evblinbet, wahr=
fcbcinlicb am foftcnannteit fdtwarzen Staat, ber
burdt ttäbmmtft bcs 3ehttcrv3 entftebt unb mtheik
bar ift. (n* tonnte babcv wobei* bie zerriffenen Ai lei¬
bet, nod> bas mit ©rbe bebeefte ftanpt bc3 93oten
feben. Saburch mürbe ber crfdnittcrnbc Ginbrncf
ber Sraucrbotfdtaft noch erhobt.
®. 16. 3 eh b i n h e n 10 a u § b e m $ e e r e
Vt c f ( oben. 93Jit bieien ©orten bezeichnet lieb ber
9k'tc a 1-3 einen, ber bie ©abrbeit zu beruhten im
©taube ift. 93? ein Sohn, (vin 9luSbvttcf vater=
lidter Aveunblicbfeit, ftauz bent fanften ßbaraftcr
Gli’3 cntü'rechcnb.
®. 17. Sa antwortete ber SScrfün?
biaer. Ser Bericht enthält nichts al3 Sbatfadtcit,
eine immer febveeflieber alo bie anbere, unb biefe
Sbatfachcii treffen beit greifen ©ohcDtieftcr Sdtlaft
für Schlaft in vier 9lbfäfcen: ^frael tftftc-
flohen vorbei! v l' h i l i ft e r it, eine ftvofee
© cb l a eh t im 9> 0 1 f i ft ft c f eh eben, b c i n e
b e i b e 11 Sohne f i 11 b tobt unb baju ift b i e
£ a b e b e s 93 u 11 b c 3 ft c n 011111 t e 11 .
®. 18 . Sa er ber 8abe (Mottet ftc =
b a d) te. Saft fterabe bics beut (9li ben £ob be=
rcitete, ift wiebet ein 93cwci3 feiner Aiömmiftfcit.
Se3 9>olfe3 (vbre unb Atraft mochte babin fein; fei¬
nes Kaufes llnterftaiift ntodite unaiiibaltfam, 1111 =
vermciblicb fein. Unter biefe3 (Bericht batte er fidt
flebciiftt mit bem ©orte: „(93 ift ber A>err, er thue
was ihm woblctcfällt. M 91ber ber 9>erluft bc3 .s>cilift-
ibum3 an bie \>eiben ftab ibm ben Jotcsftofi. 5viel
er zur ücf, au 3 Schmerz unb Scbrcrfeu ohnmarfj«
tift ftctvorben. S e tt 11 e r war alt u tt b c i n
fdtwercr 9)?ftnn: alt unb baber febwadt, fo
baft ihn ber Scbrecfen Icidtt fibermannen fonitte;
fdtwer, baber war fein ftall um fo ftefäbrlicher.
SBennflleicb (vii ^ Job ein fehveeflidter war uitb ba3
(Set'väfte eines ftottlidicn ©trafacridtts batte, ftarh
er boeb in ber iyurebt ©vttcS. (9*3 ift noch nberbic3
ein ehrlicher unb vühmltdtcr Job, au3 93efümmer=
ttift um bie (vbre (Spottes zu fterhen. Xrofc feiner
Rebler tonnen wir bem (vli unferc Xheilnahmc nicht
verfaftcit. (9r war ein frommer Wann, was nicht
nur fein Schmerz über ben ikrluft ber 9Mutbe3labe
bezcitftt, fonbern faft mehr noch feine ftillebcmntbifte
Untevwerfmift unter bas fchwerc ©ctteSfteridtt, wcl*
dtc3 ibm aiiftefiinbiftt worben war (3,16—19); aber
er war ein jebwacher, allzu 11 aebftiebifter (9barafter,
was fidt beionbero in ber funbbaften SWadtjidtt ftecten
feine Söhne offenbart, wcldte beim atidt basWcricht
(Lottes über ihn herbeiführte. (9 r r i dt t c t c ^ f -
racl 4 0 uabve. Sie ftriechifche 9Mbcl -lieber-
fefeunft ber Sevtuaftinta lieft faljcblich 20 jabre.
9?ach (vlt’s £vb verliert Silo alle 93ebeuttnift als
Wittelyuntt be3 ifraclitifdtcn Aiultns, fein ober¬
st oft er wohnt mehr bafelbft, unb bie Stiftsbütte
felbft finbeii wir fortan an anberen Orten. 355a hr=
fcbcinlicb würbe Silo von ben 9>hiliftern, beiten
nach bem ftroheu Sicfte bei Gbetiezer fein ifraclitifcbcs
X>eev mehr ftCfteuiiberftanb, zerftövt, obwohl bie ©e-
fchichte hierüber nichts berichtet.
5, Bur Grfläruiiß aittb Grbauunß: r) S i e
Sdiladit. 9>. 10. 11. ©ott läfit in ber ©cfdnchte
feines OieicheS oft feiten eintreten, in beiten e8
fcheint, als ob ber A’ürft tiefer 91'dt für immer beit
Stea bavoiiftctraften batte, ©oldie Beiten finb Bci=
ten beS ©eridits am .ssanfe ©otteS, iveldte ben Bmeif
haben, alle biejcniftcn, welche in Sßahrbcit znm
9'olfe bcs A>crrn ftebörett, offenbar werben zn laffett,
bei* .'Oencbelei bcs tobten ©latibcns unb bcs bnreh
ben ©cbeiit ber ©ottfdiftfeit verbedten UnalatibenS
ein (vube zu iiiadicn uitb tu beit (yvnft reditiebaffener
9Mif;e biiicinzufübren. — Sie ftröfiten veliftiöfen
Vorrechte fdiüben ititS nicht, wenn wir fie nidttredit
bennben. Sie 9Muibeslabe felbft ftevieth in bet
l'hiliftcr ,t>änbe, uitb ihre jväftcr ipovhnt uitb
93iucbaS ivitrben beibe erfdilaftcit. Senfe bodt9cies
manb, bafi er ficb vor bem Borne ©ottes fchüfeen
föitne, tvenn er beit 93iantd irftenb eines firdtlicben
33efenntniffe§ umbäitfte; eS werben einmal 9>ide
in bie äufierfte Rinftcrntfi hinanSfteftohen werben*
bie mitGbrifto fteftcffcn unb ftctrunfen haben. Sc8
©ebreien über eilt bcrcinbredienbcS Öcridit ©otteS
ift tvertbloS, Wenn babei baS S5efcnntnin fehlt:
„SaS haben wir mit uitferett ©üitben vcrfcbulbet,"
1111 b tveitn man fid> itidti in iUifte unb ©tauben zu
©ottes ©nabe unb 93armberziftfeit wenbet.
b) Ser 9E ä dt t e r. 8 S. 12—15. Sie wahre
Srömmiftfeit offenbart fielt in Beiten ftvofien litt-
ftlücfs unb Reibens barin, baff ber ©dttnerz tntb bie
Ailaftc uidtt bei bem 4>cr{u[t irbifdter Wüter fteben
bleibt, fonbern ihren bodtftcu ©eftcnftattb in bem
®cr(uft ber ©nabenfteftenwart ©ottes finbet. ©0
zeiftt fich hier bei (9li bie Bnniftfeit feiner frommen
©efiiittmtft in bem Schweiften beS ©chmerzcS über
beit ®er(uft feiner ©ohne unb in bent Sau (werben
bcS Schmerzes allein über ben 9>erluft ber 93unbe§=
labe unb bie 9>crlcfeuitft ber (9bre ©ottes. ffiabre
5yröiumiftfeit f^ridtt mit 9lffnvb: „SSettit id^ nur
bidt habe, fo fraae tdt itidtt nach Simmel tntb (9rbe."
Sariiut fpricCtt ber Serr: „©er nicht vevläfn 91tter
unb ^Mutter u. f. w. um meinetwillen uitb um bc3
GvaitftdituiW willen, ber ift meiner itidtt wevth."
c) Ser 93eridtt. 9>. 16—18. ©3 ift ftcwijj
ein fdttoerer Ahtmuter für fromme Gltcrn, tvenn fie
uiifteratbene, ftvttlofc Ai'inbcr haben; bovvclt fdtwer
aber, tvcittt biefe fiinbev unbufjfevtifl fterben, unb
bie Glterit fielt ben 9>ovwurf ntadten muffen, bah fie
felbft bureb allzufttofic Sdtwädte tntb s 9tadtfticbiftfeit
vielleicht Sdtulb au bem Uitftlücf ihrer Aiinbev feien.
(vii’3 Sonne aittft in büfterer 25olfe unter. Sie
Süubc unb ©ottlofiftfcit feiner ©ohne, tveldte er
burdt feine allzuftrofic 9iadtftiebiftfeit felbft acuähvt
! batte, führten zuletzt fein Jdwccflidteä Gilbe herbei,
©ott ftraft zuweilen ftutc Männer wefteit ihrer 9>cr-
ftcbunftcit mit ätifierftcr ©trenne zum 93eftcu uitb
zur 91'armutft für 9lnbcre. — 9(udt ein vlö^lidt^
fcbrcrflicbes Sterben unter ben ©dtläfteu eines felbft-
verfdmlbdeit ©traffterichts fanit eilt feliftes ©tcr^
ben itt beut Icbcitbiftcit ©ott fein, wenn bas Serz
unter bem 9fufc: „©ott allein bic Ghre!" brid)tl
Digitized by kjOOQie
SonntagfdjuU^ehtioitcu.
551
Sonntag, ben 14* Cft. 1 Sam. 7, 3 —17*
©amud, ber Slidjter. j
1. 3crt: 1120 v. (5,i)x. \
2. Ort: ©Jizpa in bem Stamme ©eitiamiit.
3. 3H|ammcuI|attg: Ruf bie Ricbevlage bei (Sbc* 1
uc\ev folgte eine ctu>a zwanzig 3 ahre bauevnbe ©eit
tiefer nationaler ßritiebvigung unb allgemeiner,
©ermirrmtg, über melcbe mir feine näheren 9Jad)-
richten befifeen. 3Biv miffen nur io viel, bah Samuel
mährettb bieier Seit in allen Stämmen alb ein ^ro¬
her Prophet beo -Vertu anerfannt mar unb in ber
Stille auf eine religiöfe mie politifcbe ÜSicbevgebuvt
beb ©olfeb hinarbeitete, ©egen (viibc biefer ©eriobe!
tritt er bann alb Siebter unb Setter ©fvaelb auf,
verhimmelt bas ©olf zuerft 311 einem nationalen
©ufttage nach ©Jizpa unb führt bann bic Jöccre
Sfraelb 311111 .stampf unb Sieg gegen feine JJeitibc.
©ie ©unbcolubc hefinbet fiel) in ttiriath -©earim.
©ie ©hilifter hatten biefelbe nicht lauge behalten.
S3on bemöerrn mit Kbmercit ©lagen heimgef uebt (1
Sam. 5), hatten fte bab ihnen furditbar acioorbcne
ifraelitifche .Vciligthum zuvücfgefanbt, unb bie
Sfraeliten hatten baffelbe auf ber £>che beb ©ebir=
geb ^uba in ber oben ermähnten Stabt itiriatb 5
Xlearim (b. i. ©albftabt) untergebraebt.
4. ffiort* ttiib Saihcrflärutig: 3 n. 4. Sa*
muel fprach — etma 20 jahve nad) beut ©crluft
ber ©unbcolabc—jitm ganzen fraufe ©>vacl,
mahrfcheinlich iubem er alb ©uftprebigev bab Vanb
burdizog: S 0 i h r e u ch b e f e b re t. Sach ©. 2
ift eine Umfchr beb ©olfeb zu bem £>crrn bereite
eiugetretcii unb Samuel fuüpft nun an bie bereitet
vorhaubene reuige Stimmung unter bem ©olfe an.
©on ganzem -V erzen. (Srine ©efehrung, bie
nid)t bab ganze .Ocrz ergreift, ift merthlob in Sottet
Sinnen, 3Bir ftehen hier vor einem unerbittlichen
r, 6 ntmcber Ober". Ihut von euch bie frciu=
ben Götter, ©iefremben©etter, von beiicu hier
bie Rebe ift unb bie alb 31 ft h a r 01 h unb © a a-
lim (©. 4) bezeichnet merbeit, finbbiephiliftäifcheu,
bereu ©erehrung mährenb beet ©erfallb beb theofra-
tifdien Scbcnb ßingaug gefuuben hatte, ©aal ift
bie männliche ftauptgottheit ber fanaanitifchen
©ölfer. ©ie ©riechen vergleichen ihn baher meU
ftenb mit Jupiter; häufiger er ich eint er auch alb
S 0 n n e u g 0 11 (2 .Sion. 33, f>), mcfjhalb er auch 1
nicht feiten mit 31 p 0 110 verglichen loirb. © a a=
lim ift bie ©ichrzahl von ©aal, eb bezeichnet ieboch
nicht verfebiebene ©ottheiten, fonbevn nur ein unb
biefelbe ©ottheit nach verfchiebenen 3lvteu unb for¬
men feiner ©erehrung. 3 u biefer -SMnficht hat
©aal verfebiebene Seinamen, z. ©. ©aal ©eritb
(Sicht. 8 , 33), ©aal ©telfart, ©aal ©eor (4 ilVof.
25, 1 ff.) ©aal Sebnb (2 .Stöii. 1 , 2 . 3.) 31 ft h a=
v 01 h ift bie ©t ehr za bl von 31 ft h or e t h, gvtcchifd)
Stftartc (Stcrnföntgin). 3lfthoreth ift bie 3Ronb-
götün, ber bem Sonnengott ©aal cnlfprechenbe
ioeibliche ©öfcc, baher meift neben ihm genannt unb
mit ihm verehrt. R i ch t e t e 11 e r £> er z 311 be m
£> er r 11 11 .f.m. ©er V i 11 fchr zu Sehovah mu ft bie
31 b lehr von ben ©bfeen, ber .s> in fchr zu bem leben=
bigcnÖott bic3lbfehr von ber ©eit unb ber Süube
vorangcheit. So mirb er euch erretten,
©iefe ©orte laffeu bcutlid) auf eine Unterbindung
von Seiten ber ©hilifter fd)lieftcn. ©er hier zu
©runbe liegcnbc ©ebanfe ift: Stellt ihr euer ©un-
becmcrhältiuft zu ©ott burch aufrichtige unb grüitb-
lidie ©efehrung ivicber her, io mirb auch ©ott fid)
Zit euch fehreu mtb fich als euer ©uubcvfiott ivicber
enveiieit, iubem er cud? von euren Jyeinbcu errettet.
Samuelo ©rebiezt ivar nicht vergeblich, ©ie Sl\\\-
ber ;©‘racl t baten von fiel) be 11 ©aal im
u. f. m. ©er ©bfeenbtenft mürbe gänzlich befeitiflt
unb bie auojchliehlichc ©erehruim ^ehovah 0 uue-
ber hcvczcftellt.
IB. 5. ©er f a m tu e 11 b a 3 fl a 11 ze frael
gen ©? i z P a. ©er ©ived biefer ©crfamiiiluiifl
marbieiGieberhcrftclluiifl beb ©untcb zivifdien ©ott
unb bem ganzen ©olfe, Icitiebmego bie ©orberettung
beb ©efvciuugbfampfeb gegen bie ©hiliftcr, menn-
gleich bie Veptcrcn bie ©erjatitiiiluiig unter biefem
friegerifcheti ©efichtbpuuft auffafzten (©. 7). ©er
©erjammluiigbovt ©Hzpa (b. h. ©arte) ift mahr=
fcheiitlich bab heutige 3cebt Sammel (b. h. ©rophet
Samuel), (vb lag in bem ©ebiet beb Stammeb
© e 11 i a in i 11 , fünf "©teilen norbmeftlich von 3Seru=
Salem, ©afi td) für euch bitte, tiehmlich
»vegcit euren bibhevigen ©erfüiibiguugeit, baf? bie*
{eiben eud) vergeben merbeit. _ So betete cinft "JQiofe
für bub ©olf, nachbcm cb fiel) mit bem golbcneii
Äalbe verjünbigt hatte (2 ©?of. 32, 11 ff.;.
®. 6. Unb fte j d) b p f t e 11 SS affe r. ©a§
biefeo ©Safferjchopfen unb -3lubgie6en eine ©eittiV
thigung ober einen Shräitenergufi bebeuten iollte,
ift nicht mahrfchetulich; ev ivar vielmehr eine Reini¬
gung, bab mit ben Siinbeu befledte Jöaffcr mürbe
attbgegoffeu zum Seichen, baft fie nun hofften, bie
Sünbeit feien getilgt (vgl. 1 'IVof. 35, 2). Unb
fie jafteten, ivic am grofieit ©eriohuungotage
gefchah (3 9Mof. 16, 29). ©ab ‘Saften ift ein 3lub=
brud ber beinüthigeu ©»eugung vor ©ott, loie bab
Berreifteit ber Kleiber, ©eftreucu bcö .Shaupteb mit
3liche u ub baö 31 n legen eiiteb groben ,\i leibeb > S arfeb).
3 a m u c l vicb t c t cl ©iefcb Rtcbtcit beftanb ba=
rin, baf? Samuel einerfeito Recht unb ©ereebtigfett
nach bem ©efep hanbhabte, anbercvjeitb alb eigent¬
licher Regent bie inneren Slngelcgenheiteu beb ©ol-
feo orbnctc.
®. 7 . ©a bte ©h ilitter horten, 11. f. m.
©ntmcber jähen fie bie ©erfammtung ali? eine frie=
gediehe nu, iubem fie nichtb von ihrem eigentlidien
©HH'd muhten, ober fie fannten biefen mohl tmb
mollten ^frael in feinem unbeivaffneten ^uftanbe
überfallen.
©.8. © i e Ä i n b c r 3 f r a e l f ü r d) t c t e n
f i d), mären alfo offenbar auf einen feinblichen Ucber-
fall nicht gefafjt unb nidit vorbereitet. S p r a cb e u
zu Sa m 11 e l. ©ie SJruditber ©efebruug N \ivaclb
zeigt ficb barin, bah bab ©olf in feiner Roth nidit
bei ©^cujcbcn, fonbevn bei ©ott .fcülfe flicht. V a ft
11 i ch t a b, f ii r u n b z u f cb r e i c 11 . Samuel
hatte bem ©olf feine iyürbitte zugeiagt unter ber
©lebittgmig ber ©efchrung (©. 3). ©iefe '©ebtn-
gung jft nun erfüllt. Sie haben ihren ©ott mie-
bergefunbeit, hinter beut fie hergefeufzt (un j er eit
©ott). Samuel betet für bab ©olf um Ret=
titng aub ber ©hilifter ftaitb. ©aft nebenbei auch
bie nöthigen militärifchcn ©orbereitungen getroffen
mürben, ergiebt fiel) aub ©. 11.
©. 9. Sab ©raubopjev, ivelcheb Samuel im
Rainen beb ©olfeb barbrachte, iollte bie völlige .Otit-
gabe 3fraclb an feinen ©ott üuiibilblich barftcücn.
Digitized by v^ooQie
552
$ountagfdjuU|eltti<mftt.
£)er £ett erhörte ihn* ®ic Srhörung be3 ! uub feinem ©ott wachte, unb felbft bem ßenigthum
®ebete3 ift in bem 93. 10 erzählten ©organg in ber gegenüber machte er noch Seine Autorität al3 lefeter
thatfächlichcn £>ilfe be3 $mn enthalten. ©Jan bc* i Wtehter gelteut. 3 vfl umher au ©ethel u.f.w»,
achte bic anschauliche Qarftcllung bc3 ©organg3: um an biefen bvei Stätten ©ericht jn halten, ©e*
Samuel ift mit ber Darbringung be3 Opferb be* thel (aß im ©ebiete be3 Stammeo ©enjamin, au
fchäftigt, bic ©hilifter rüden mähreitb befielt immer ber ©renje beb Stammes Spbraim. ©ilga l. (53
nältet heran, Jfrael märtet auf Samuels ©ebet ber gab in ©aläftina brei Stäbte biefe3 9?amcn3. $ier
S>ilfc beb &errn, gewaltige Denucrjchläge folgen j haben mir au bab in ber Jorbanebene, amifchen bem
aufeinanber, mahrfdjeinlieft mit ©türm uub Jpagel t Sovfcau mtb Jericho gelegene ©ilgal 311 benfen.
verbunben, babuvch werben bie ©hilifter in ©e^ © 0 n Seinen SRuubreiSen (ehrte Samuel ftetb nach
ftürtimg nnb ©evmirruug verfefet, iie ergreifen bie SRamath jtivfuf. &icr hatte er feinen ftänbigeu
flucht, ihr ©erhaben ift vereitelt. ©ohnort als ©efifcer eineb $aufc3. ©ante bem
Ä.ll. ©eth = &ar (J&auS beb Satnmeb) ift £>evrn einen 9lltar. DaS ©riefterthum mar in
vielleicht ibeutifeb mit bem Orte töorrä, berawi» Befall gerathen, bab Sentvalheiligthum feitSli ’3
fchen Jeridw mtb ©ethfean lag. Stob aufgehoben. Daher opferte bab ©olf nun
®. 12. Samuel nahm einen ©teilt. Senf- auch an Orten, meldte meber burdt bie Stnmcfenheit
fteiuc aur (Srinneruug an bebeutungbvollc ©egeben* ber StiftSbütte, noclt burdt bie ber ©imbeSlabe ge*
heiten fommen im 9üterthum häufig vov(läßof. heiligt maren, mtb felbft Samuel fügte fich biefem
28,18). S e n (beutfeh: Bahn) mar entmeber eine ©ebrauch, intern er in diamath einen 9lltar erbaute.
jahnÄhitlich geformte SelSfpiße, ober ein auf ober $)?adt bem ©efefce Sollte freilidt nur vor ber Stifte
bei einem berartigen Reifen gelegener Ort. Sbeit* butte geopfert werben; aber jo lange ©unveSlabe
eaer — Stein ber $ilfe. Samuel felbft erflärt bie uub Stiftsbütte getrennt maren, nnb überhaupt
©Kbeutung be39tomen3 in ben ©orten: ©iS bie« fein georbneter SultuS in bem Scntralbeiligthum
her hat ber &err geholfen. Der Stein mar ftattfaub, mar bie ©erehrttitg ©otteb an fokhen
alfo ein Denfftein, melchen bab baitfbave ©elf aur außevgcfeßlidteu Suttusftättcnjeftattet.
Shre beb feemt errichtete, ber ihm auf fo munter* 1 5. Bur (Srflärnng nnb (ftbannng: a) Sin
bare ©eiie amn Sieg verhelfen. Dicfcv Denfftein 9tcf orma tor. ©. 3—6. Jebe toahre ©efebrung
mar um fo bebeutmtgbvoller, ba Jivael gerabe hier, ift eine ©efehrung von ganzem fteraen. Sie
bei ßbcne$er, awanaig Jahre vorher, jene furdttbave bcmcift fielt in bem ernften mtb entfdtiebencn ©ntrft
9?ieberlage erlitten hatte, in me Über felbft bie ©11 n* mit allem, mab mibcr©ott ift, inbbefonbere mir
beblabe in bie föäubc ber | 5 ctnbc gefallen mar. allem, woran bab &er$ alb an feinem ®öfcen hängt.
®. 18. Die s ßhilifter mürben gebäntpft, ©ott forbert bab gan te $er$. „fRicmanb fanr.
b. b. gänzlich betiegt, aber nicht unterjodtt, fo baß atveien Herren bienen" (ÜMatth. 6 , 24). — ©ie bab
ihre nationale Selbftftänbigfeit aufgehört hatte, fteil beb Sin*cluen, fo hängt atidt bab £eil eineb
DieS mar fetitebmegb ber fyall, vielmehr bauerte bic ©olfeb voit ber Stellung ab, bie cb tu ©ott ein«
©ebrängniu vott Seiten ber ©hilifter auch fernerhin nimmt, ^©eredttigfeit erhöhet ein ©olf, aber bie
noch fort, aber eb gelang ihnen nidtt mehr, mit einer Stutbe iit ber Ceute ©ertevben." ©ie ber Abfall
gröBereit .öecrebmacbt in bi§ Warfen Bfraclb von ©ott Unheil nnb ©erberben nnb inneren 3er*
eintufallcn, mtb in ben noch ftattfinbenben fall tur Böige hat, fo famt ein inncrlid) tervütieteb
flämpfeu mar bie .’paub beb ßevrn wiber ©olfblcben nur burdt SHürffehr ju ©ott erneuert
Sie. So lange Samuel lebte, alfo and) noch tur merbeu. — Samuel mar fein ©riefter, aber feine
Beit Saul’b, benn Samuel ftarb erft menige 3 ahre Siirbitte für bab ©olf mar eine pvieftevlidie Ihat,
vor Saul. burd) meldte er mit gleidicm SHedite mie 2)?ofe, ber
®. 14. Sb mürben ?|frael bie Stabte auch nicht bem SMntte nach ©rieftcr mar, alb Stelle
wieber. Samuel hält alfo bie ©hilifter nicht nur Vertreter vor ©ott eiutreteu fonnte. 3n biefem
ferne von ben ©reuten Bfvaelb, fonbern braug audt Sinne tverbeu alle ©laubigen beb teilen ©unbeb
in bab von ihnen befepte ©cbict ein, uub eroberte alb ©rieftet bctcidmetfl ©etri 2 ,9). Samuel macht
bie ifraclitifchcit Stabte mieber, melche bie ©hilifter bie ©efehrung beb ©olfeb tut ©ebingung feiner
an fid) geriffen hatten. ©onSfron an bibgen f^iirtMttc. ©?it vollem SKcd)t; benn feine Fürbitte,
©ab. Sfvou, bie nörvlidnte bev 3ofua 13, 3 ge= amhßhrifti felbft nicht, fann einem fD?enfd*en 51 t
nannten Shibte, heißt icht 91 f ir uub liegt 12 ©feU Statten f out men, wenn er ntd>t wahre ©Miße thut.
lett füböftlich von 3 affa. ©ath ift mahrfcheinlieh — 8 anb= mtb 3?eichbtage, wenn etmab ©uteb bar=
bab heutige Sei eb Saf ich, 15 ©{eilen füblich auf foll aubgcrichtet merbeu, feilen mit ©Miße nnb
von SBainleh unb 12 SKcilcn iüböftlich von Sfebob. ©ebet augefangen merbeu. Sin nationaler'©ufttag,
3)iefe beiben Stäbte felbft finb übrigenb nidit ein^ mie ber tu 9Mitpa, ift ein Sreigniß, über tvcldteb fid>
geichlofien, fonbern beteichnen auf phiiiftäifcherSeite feie Sngc.l im Fimmel freuen. Sine ©arallele tu
bic Dichtung uub 9lubbehnung, in me l eher bie ^frac' j biefem ©u ft tag 3frael3 bilbet bie ©ußc bev 9iini-
litcti bie verlorenen Stäbte mieber erlangten. ! viten (Jon. 3).
Jjrael hatte Jyricben mit ben 91 mevitern. I b) S i n Sürf prccher. ©.7—12. ©äbvcnb
T.teje iverben barum envähut, meil fie in ben er= Jirael auf bem ©Mißtag in SWitpa vcvfannuclt mar,
U'ähntcn (Megenbeu nächft ben ©hiliftern bie ntäd)* I mürbe e3 von ben ©hiliftern überfallen,
tigfteu Aeinbe jfraelb tvareu. ] So bietet bei’ Satan feine gante Wad\t auf gegen
®. 15—17. Samuel r i ch l e t e J f r a e 1 einen Sünber, ber ©uße thut unb fid) befehven mill.
i*eiit V. eben lang, b. (v. bi3 tu feinem Sob. Jfracl tvar 511 m Kampfe nid)t gevüftct. Shräncu
9luch mahvenb bev Regierung Sau 1*3 behielt er bie unb ©cbete tvareu bie ©affen, mit welchen e 3 ben
Stellung cinc3 ©vopheten, bet über bie treue ©e= , JJcinb au3 bem 3felbc fchlug. Samuel betet unb
mahrung bc3 ©unbeövevhältniffco jtvifdien Jivael opfert für bao ©olf. Sv vertritt un 3 6 hriftu 3
Digitized by v^ooQie
Sönntagfdjul^ehiumen.
553
vor (Sott bnvdft feilt 23crföhiumgSopfer unb feine
Sürtuttc; unb lotr muffen unS in allen unjereit ©e=
Beten auf fein ©erbieuft unb Sühnopfer ftüfceu #
wenn wir bet ©ott Grhörung fiiibeu wollen.
Samnct’S ©cbet wirb aufS Jperrlicbfte erbort. Sie
^bilifter werben burch (Sottet augenfcbeinlicbcS
Gingvcifcn <\efcölaacitf unb Üiraeterntet mitSreubeit
bic Srudjt feiner Sefebruita. 92mt ba eS mit (einem
©ott wieber verBunbeu ift, fann fein Seinb ibm
wicberitehcn. SaffdBe erfährt ^eber, ber fid) gu
(Sott Befebrt bat. »Sit ©ott für unS, wer mag
wiber uu$ fein!" Sautuel feiert beit Sieg über bie
ißbiUfter bttrd) bie SrricBtung eines ScnffteinS,
beit er 5Beneger nennt. Ser 9tuf: 33iS hierher
hat ber &err geholfen! ift ein Dtuf 1. baufbarer Gr=
iimcumg an bic gemadjtcu Gvfalvrungen ber §ülfe
beS $crtn (bis hiclwr!), 2. bcmütlngcu 93efcuut-
uiffeS, bah mit nuferer iOt.aebt nichts gethan ift tuib
feine föülfc allem itnx> erhält unb Bewahrt, 3. per*
traueuSvollev öoffiuuifl DlitgcftebtS ber ferneren
$ütfSbcbüvrtigfeit.
c) (Sin Diegent. 93. 13 — 17. 3a bem Be=
(ehrten s 3olfc befanntc [ich ber ©ctr. SatnucfS
DticBteramt war fortan gefrönt mit Seaett mtb Gr=
folg. Sie an bie fBbÜiftcv verlorene Stabte wut»
beu wieber gewonnen. Sicfe neureichen födege
Israels mit beit Sßbiliftcrn ftub ein 93i(b bcS
föamvfcS ber fcctliauug, iit welchem ber neue Dtöenjdj
baS ©ebiet allmählich wicbcr erobert, welches ber
alte 9Kenfd) auch nach ber ©iebergeburt nod) jtu
Behaupten fucht. ©i: bic prieftcrliche Sürbitte, fo
wirb aud) ber pricftcrlicbe Opferbicitft v>o,t Samuel
für baö 98olf verwaltet, woraus wir wohl auf beit
tiefen Setfall bet levitifrhen föultuSorbnung fchlie*
neu biirfcn. Sie freiere von bem Sciitralhciligthum
loSgelöfie ^orin ber ©otteS Verehrung, ber wir hin
tuib wteber im ?lltcn Scitament begegnen, ijl eine
£>iitmei|ung barauf, bah bie mofaifrfic GiiltuSorb-
iiuuet eben nur eine päbagogifch fpntbolifdie 93ebeu=
tung hatte, unb bie Slnbetung ©otteS im ©eift unb
in ber ©ahrheit fd)on bamatS beu eigentlichen
SDiittelpunft aüeS ©ottcSbienfteS Bilbete.
Sonntag, 21. Oft. 1 Sam. 8, l—10.
3frael »erlangt eilten Sänig.
1. Beit: 1095 vor 6hr.
2. Ort: 92amath auf beut ©ebirge Gphraiin.
3. eiulritfttbf ©emerfungen. Gin wuchtiger
Slbfchnitt in ber ©efdwhte ^fradS. SaS 93olf vcr=
aulafit burch baS fchlecbte Verhalten ber Sohne
Säumers, fowie burch bie brohenbe Stellung bcS
SlmmouitcrföniftS 92ahaS (12,12) bittet um einen
föoitig. 9iid)t nur Samuel, fonberit ber den jelbft
erblidtbarin eineScvadUuitg fcineSföönigthumS,
eine 9lujlebnung beS SolfeS gegen feinen himm*
lifd>en fööttig. 3'uav follten nach alten ©eitfa=
gmigen (1 5Ötof. 17, 6; 35, 11) föhnige auS Slbra-
haut’S Samen hervorgehen, unb 99?ofe hatte im
propheti)d)cn 93lid auf biefe 3üt bereits ein föönigS=
gefefc gegeben (5 9Moj. 17, 14—20). 9lttd) innfttc
bic f bit i fl tiefte ©ürbe, bie fo wcfentlirf) mm kirnte
beS SMcffiaS gehörte, ebenfo fein* wie bie prieftet
licöe unb prophettfdje in ber Gntwüfctung
beS eilten ^mtbeS vorbtlblid) bargeftcllt werben.
9lbet bie Sorberung beS SoifeS war bennod) un*
göttlich, weil fie vor ber i}eit unb ohne ben rcddcit
©runb war. Sie verwarten baburd) Samuel, beit
ber &err ihnen 3um dichter gegeben unb in Samuel
auch beit £>errtt felbft. ©eil fie einen föhnig
wollen, ehe ©ott will, giebt er ihnen aud) einen
föhnig, wie fie ihn wollen, nicht nad) bent .freuen
©üitcS, fonberit nach bem Serien bcS SolfeS, nicht
auS äuba’S Stamm, aber wohl einesföopfeS höher,
beim alleS Solf (10, 23).
4. SBorfcmtB Sodierflflnmg: 93. l. Sa Sa¬
ut ttel alt warb. 92ach ber gewöhnlichen 9ln^
nähme war er um biefe 3eit etwa 60 ^abre alt unb
lebte nach Saul’S Grwählung sitin föhnig noch un*
gefähr 10 3ahre. Sefete feine Söhne 3tt
9t i d) te r it, b. h. er nahm fte 311 feinen ©ehülfen
an, bamit fie an entfernten Orten, umhin Samuel
felbft feines vovgcrüdten 9lltcrS ivegcu nicht mehr
wohl gehen fennte, feine Stelle vertreten mochten.
Sicfe Sorfchtungen SamuelS laffeit uuS barauf
ftBliehen, bai er unter ber ©ürbc unb beu 9(nftreiu
gungen fcineS 9tichterauitcS früh gealtert war.
®. 2. 3oel. . . 91 Bia. biefeit 9tamen,
welche Samuel feinen Söhnen gab, fprid)t fiel) feine
theofrathtfehe ©eftnuung, feine Svömmigfeit auS.
3oel beißt nehmlid) auf Seutfch: „Jehovab ift
©ott," 91 via: „90?ein Satcrift 3chovah." 93er=
feba tag im füblichen Sheile beS StaunneS !^uba
an ber philiftäifchen ©reu^c, alfo in bem ©ebicte,
welches Samuel nad) beut Siege bei (vbcnc*er ben
hiliftcru allmäbücb u'ieber entrtffen hatte (7, 14).
erabc hier mag bic SluSübung beS 9tid)teramteS
mit Bcfoubereit Sduvievigfeitcn unb ^efdjwcvben
verBmtbcu gewefeit fein.
3. Sic Ginicpung ber Söhne Samucl’S w
Richtern crwicS fid) alv eine verfehlte. S i e wa 11s
beiten n id) t in feinem ©ege. CSS ift nicht
wahrscheinlich, baft Samuel fid) in ber (Svjiebung
feiner Söhne bevfdteu fia^heit fchulbig gemadü
hat, um bereu uulleu er bem (Sli baS göttliche ©c=
rieht hatte verfünbigen muffen. Srobbcm mußte
er an feinen Söhnen biefelbc traurige (vvfahrung
inadten wie fein Vorgänger im Diicbteratntc. Dltich
bie fvömmftcn Dliäuner fönnen ihre Svömmigfeit
uid)t auf ihre Dtachfommen vererben; unb fo viel and)
eine fromme Gmidutug vermag, beu 9(uSfd)lag giebt
mlefet bod) bie freie Selbftbcftimmung beS 311 Gr3ie=
henben. Sie neigten i i ch jum ©ctg, waö
[ich batin fnnbgab, bah ftc © c f ch e tt f e nah nt e u
mtb baS 92echt beugten, b. h. fie liehen fid)
bcftechen. Somit übevtrateu fie bac> ©efefe beS
föenit (2 5Wof. 23, 6. 8; 3 5Mof. 16, 19) unb 5er-
flörteu ben ©runb unb ®oben, auf welchem baS
9üd>teramt im 9Jolf ruhte.
©. 4. 5. Sa verfammelten fich alle
91 c 11 e ft c n. Sic 9leHeften fiub hier wie ftherall
bic 92eprä(entauten bcS 93olfcS (2 9Xof. 3, 16; 12,
21). SaS gange ©olf ift bcinuad) iit Bewegung
gegen ben Beftehcnbcn Buftanb ber Singe. S u
Bift alt geworben u.f.w. 3weierlei machen
bte 9leltefteu als ©runb für bic Sorbcritng, bic fie
ftelltcn, geltenb: 1. baS Dlltcr Samucrs, alfo beu
93?angel an Gneigte im Dfegimcnt, wcldicnt bie Gitt=
fcfeuitg feiner Söhne gu 9)citvichtcvn nicht abgulyelfen
vermochte, 2. Vcn üblen ©anbei, baS 9)2ihregiment,
Digitized by v^ooQie
554
SotmtngfdjuUJfehtionen.
feiner Söhne. © e fe e einen St ö n i g übet
u n 3. G3 ßcveicht bem SSolfe sur Ghre, baft e3 biefe
S3erfaffunß3cinberunß niebt eißenmäd)tiß vernahm,
fonberu fiel) biefelbe burch ben Propheten ©amuei
von feinem himmlifcben ftöuiße erbat, wennßleid) in
eißenwiüißer Sßcife. 5)et uuö rid)te. ©amuei
mar Diicbter; fte forberten alfo nichts ©erinacre3,
al3 ba§ et aurfuftvete unb einen ftöniß an feiner
Statt einfefee. 23 ie alle Reiben haben.
3m Orient ift bie monardufche Staat3oerfaffunß
allgemein hervfchenb; 3fracl unterfebieb ficf> fomit
fdjon burch feine theofratifche SScrfaffuna wefcntlidj
von allen übrigen SSölfern. ©erabe biefen Untere
febieb miß ba3 SSolf nun aufgehoben winen. (53
miß in S3e$uß auf ben ©laus unb bie SRacht fönißs
lic&et föerrfehaft anbeten Sßölferit nid)t nad)ftebcn.
®. 6. ®a3 ßeftel Samuel übel u.f. m.
6 r nahm e3 nid)t übel auf, ba§ fte ba3 Uurccbt fei¬
ner Söhne rüflten, aueb nubt, bah fie auf fein Älter
hinmiefen, unb bamit anbeuteten, baft er nidjtmebr
im Staube fei, bie ßanse Saft be3 Ämtc3 nt haßen,
mährenb feine Söhne übel thaten. 23a3 ihm mifc
fiel, mar ba3 S3etlanßen nad) einem ffö=
niß, al3 SEräßet be3 fRcßimcntä. ®iefc3 2Ser=
lanßen mar in breifadjer ©inficht nnteebt unb fünb-
lieft. 1) Sie perlaußtcn einen fiöiüß ftatt bc3 von
©ott beftellten unb herrlich leßitimivten 9tiditcr3
Samuel. ®a3 mar ein Unrecht ßcßcn Samuel unb
fomit eine Sünbe ßeaen ben ©ervn. 2) Ocnt 2'cv-
lanßen nach einem it'öniße laß bei bem SSolfe ber
SBahit nt ©runbe, ba& ©ott ohnmdd>tiß fei, ihnen
stt helfen. Änftatt in ihrer Sünbe, fuebten fie in
ihrer SScrfaffmiß ben ©runb ihre3 Unterließen^ im
$ampf ßeßett bie fjeinbe, unb meinten in bem fföniß=
thutn eine ©ilfe neben ©ott nt finbett. ®a3 mär
ein SRanael an ©ottpertrauen, alfo abermals eine
SSerfünbißintß ßeßcn ©ott. ®a$u farn 3) ba§ fie
nid)t marteteu, bi3 ©ott ihnen einen Äöniß ßab,
fonbern eißcnmilliß einen Äöitiß forberten, wenn
fie einen folcbcn für nöthiß hielten, alfo ihrUrtbeil
m anmaScnbcr 23eife über ba3 Urtbeil ©otteS ftell=
ten. Samuel betete. Sief erßriffeit pon ber in
iener Sorbcrnuß be*3 93olfe3 licßenben Sicrfünbißuuß,
triiß er bie ßame Änßclcßcnheit bem ©errn per, unb
ermieS ficb and) hierin wieber, wie bei iebem luicftti-
ßen 23citbepunfte in ber @efd)ichte fciitc3 2Solf3,
flau* al3 ber bcmütbißc, ©ott erßebene fDtaim unb
©elb be3 ©ebet3.
®*7—9. ©ehorebe ber Stimme be3
SS o l f 3. ®ie (5rmäblunß eine3 5?öniß3, b.h. citte3
einheitlichen Stoßenten be3 gangen 2Solfe3 nach t n =
iieit unb a u ft c u ftanb nicht im SBiberfpruch mit
ber 3bee ber ifraelitifcben Sbeofratie, fonft hdtte
©ott bie ftcrberuiiß be3 SSolfes nicht bemillißt. Uit*
redftt mar bie SVorberunß nur, meil biefelbc nicht in
ber rechten ©efinminß ßcftcllt morben mar. ®te3
fpritht auch ber©ert bcutlich au3 in ben SBorten:
Sie haben nicht bich u. f. m. 23ie herab=
laffenb rebet ber ©err hier mit feinem ftneeftte! (Sr
gieht ihn ab von ber SJetrachtmiß bc3 UnbanfS, ben
ba§ SSolf ßcaeu feine heue 91mt3führunß bemie3,
unb meift ihn baßeaen hin auf bie oiel frfjwerere
SBeleibißunß ber ßöttlidteu 9Wajeftöt. Sie verwarfen
bie ©errfchaft ihve3 himmtifeben fiöniß3, unb moß=
ten nad) ber ©eiben SBeife reßiert fein. CDarin laß
ber eißentliche flern ihrer SSerfünbißimß. (53 mar
biefelbe Sünbe ber feit ber Grrettunß au3 Gßppten
fo oft bemiefenen abtrünnißen ©ertnnunß, welche
hier mieber hevporhat. S)a3 in folcher ©efinnunß
vcrlaußteftönißthum mar um nid)t3 beffer, a(3 ba3
25 erlaffen 3ehovah’3, um an bem
©öttern 31 t bienen. SSerfünbiße ihnen
ba3 SÄccf>t be3 flönißS. ®a3 wfRcch^ ift
hier nieftt ba3 luirfüdfte, von ©ott bem Äöniße ein=
ßcräumte 9ted>t, fonbern ba3 SRcd)t, a'eld)e3 ein
afiatifd)er ®cfpot fich anmaftt, ohne bah äufjere,
mcnfd)lid)e Schranfeit ihn 3 »vfufhalten. 9Boriu
bicfc3 9ted)t befteht, mirb SS. 11—16 aubeinanber?
ßefefet.
®. 10. ®em ßöttlichen Sluftrane ßcindft halt nun
Samuel bem SSolfe ba3 9icd)t be3 flöniß3 vor, um»
nue au3 SS. 19 hervotßeht, baffelbe moinößlid) nom
3 tt bemeßen, ba§ e3 von feiner Sotberunß abftche;
aber „e3 meiaerte fich su gehorchen ber Stimme Sa*
muel3 unb fprad)en: 9Mit nid)tcn, fonbern e3 fott
ein fföuiß über un3 fein" u. f. m.
5. Snt <£rflartusß nnb frhönnna: a) $a$
SSerlanßen ber Slelteftcn. 2S. 1—5. I)ie
Sleltefteit bcßrünbctcn ihre fyorbcrunß mit ©amue(3
Älter unb bem Übeln Verhalten feiner ©ohne. ®a3
Ccfetere )uar aber offenbar mehr ein SSormaub, benu
ßcßen berßleid)en nRiilbräurhe bot ba3 Äönißthum
noch menißer eine Äbhilfe bar, al3 ba3 SRichteramt.
2luf Samuel mu§ aber hofebem biefer ©inmei3 auf
ba3 TWiftpcrftatteu feiner Söhne einen fdmtcT$li(hen
Ginbrucf ßemacht haben. ®cnn e3 ßiebt für fromme
Gltern feinen aröfeerenSchmeTS a!3 ben, unaerathene
ffinber su haben. — S)ie S3efchaffenl>eit ber SReaies
rnuß be3 fianbc3 burd) Samuel unb feine Söhne
mar—jvennßleith ba3 Verhalten ber ficfetcrcn höchft
ftrafbar mar — hoch ntd)t berart, ba§ eine Äenbe^
muß ber SSerfanunß uothmenbiß ßemefen iväre.
®vi3 SSolf mar eben bc3 9Jid)teramte3 überbrüffiß
ßovorben, unb fcftnte ftch nach ®eränberunß. Un^
sufvicbenheit, ??rcube an ber SerÄnbenntß unb ba3
SSerlanßen nach äuherem ©lause Rnb beut fD?enjehen
natürlich, fie beßlciten ihn von ber SBieae bi3 gum
©rabe, )vcun ©otte3 ©nabe ihn nicht befreit. Unb
U'O biefe Svicbe einmal vorhanben finb, ba finbet
fich immer leid)t ein SSormaub, biefelbcn $u befrie«
bißcu. — 9?acft ber thcofratifchcn 93erfaffunß3ftael$
hcrrfchte ber ^en fclbft al3 unfichtlHivev, himmlifcher
.(i'öuia über fein SSolf, unb bie SRidtfer maven nur
bie üßerfseiiße biefe3 uitfichtbamt ßöniß3. Die3
aenüßte bem SSolfe nicht mehr, fie molltcn einen
ftcfttbare.it Iföniß, ber vor ihnen hersöße, nad) ber
25eife ber anberett SSölfcr. (53 fehlte am rechten
©laubeit. ®er ©ott, ben fte nicht fintilicft loahr^
nehmen fonnten, ftanb ihnen su ferne; fie mollten
ihren fföniß mit Ätißen fehen unb mit fnänben
greifen fönnen. SBie tief murgelt auch biefe QznU
meife in bem fersen be3 natürlichen 3Henfchenl
3Ba3 nur nicht finnlkh mahntchmcn fönnen, hat
feine fÄealitdt für un3. ®aher ift c3 bem uinoiebcr^
ßeborenen fersen fo fehmet, auf ©ott su vertrauen
unb für ben ftimntel su leben.
b)<Derftnmmerbe3 9fid)ter3. SS. 6.
Samuel tritt un3 an biefem SBenbcpunft ber @e-
feftieftte be3 SSolfe3 @otte3 and) in ber fReihc bet
äRänner ©otte3 entßeßen, welche bie Sibel al3 ©eft
ben im ©ebet uu3 vorÄuaen führt, wie Äbraham,
2Rofe3, 3ofua, CDavib, (5lia3. SSolfe rebenb,
vertrat er vor bemfelbeu ©ott al3 fein JBrophet; su
©ott flehenb, vertrat er vor ©ott ba3 SSolf al3 fein
Digitized by v^ooQie
Sonntegfdjukfektionftu
555
»ricftcr(irf>er 9Wittler* — Samuel^ SBeifpiet Ic^rt
unS, wie mir im©ebet au ©ott fliehen unb unS von
ihm leiten laffeit muffen, wenn nufer ©era buvd)
fchmcre Anfedftitugeu beunruhigt uub gequält wirb.
c) ©ie G n t f ch e i b u u g b e 8 ©errn. ©aS
Verlangen beS VolfcS nach einem Könige wargott=
wibrig, fünbig. ©cuuoch erfüllte ©utt bafielbe.
©iefe (Erfüllung bereitete baS von ©ott gewollte
Königthum ©avib’S vor, erwicS fidj aber auuäcbft
al$ Strafe für baS eigenwillige Volt in ber im*
thcofratifdicn Regierung Saul’S, bcc um feines Ab=
falls willen von ©ott verworfen werben mtiftte.
S3ir erfennen hieraus baS Verhältnis beS göttlichen
VJilleuS mint menfdfticheit, uw biefee [ich in füitb=
lieber SBeife bem göttlichen entgegenfteüt. ©ott
hebt nie bie Freiheit kS mcnfddidjcu VJillcnS auf.
ümar fud>t er benfclben burob bie Offenbarung in
feinem ®orte von ber verfehlten Dichtung Minut
gubringen (Grflärimg iw V. lo) r fchliefftich aber
überlauter ibu ftetS feiner freien Selbftbcftimmitng.
3it bie SBarnuug unb Mahnung buvcb baS SBort
fruchtlos geblieben, io muh bie menfcblirfie Verfchrt=
heit bennod) aitr fXealit innig ber göttlichen fttcidiS*
unb ©eilSplänc bienen. So würbe hier ©avib’S
Königthum vorbereitet; unb in ähnlidier Sßcife ift
im 9t. 3;. bie gröjjte Siinbe beS VunbcSvoltcS, ba§
cS feinen König freuaigte, bie Veraulaffuna gemor*
beit tu ber Grlofuug ber ®elt. ©er fDienfch aber,
weither feinen SBillen bem göttlichen SBillen gegen*
über cigcnfinnig burchgefefet hat, muff bie folgen
feiner Verfebrtheit a (8 feine Strafe traacn. So
hier Sfrael, welches bie Grfahrung machen muhte,
bafj ber von ihm geforberte König verworfen würbe;
fo aber auch ieber einzelne fDlenfch, bet währeub fei*
neS GrbcnlebenS feinen üöillen nicht unter beit23i(*
len ©otteS beugen wollte, unb hernach in bet ewi=
gen Trennung von ©ott bie golgen feiuer Verteilt*
heit tragen mu§.
©onntag, ben 28. Oft. 1 Sam. 10,17—27.
€>aur$ (Smä^Iung jum Äbnig.
1. Seit: 1095 ». ßfu.
2. Ort: üMiapa im Stamme Seniamin.
8. (Sinleitettbe Semertnugnt: ©te SBaM beS
erften ^öuigS von Jlftael ift eine hödjft mcrnoürbige
^Begebenheit. ©et ©ert wühlt ihn auS uub be*
jeichnet ihn feinem Propheten; unb bcnnod> erweift
er ftd) nachher nidrt alS ber redfte, alS bet 9)?ann
nath bem ©eraeit ©otteS. Von Samuel fclhit in
bie ©ememfehaft mit ©ott unb in feinen Vcritf eins
geführt, mit©aben beS hl. ©eifteS angethan, habet
voll 9)tuth uub straft, vermag er bcnnoch bie ©e*
fimiung eiiteS Königs beS VitnbcSvolfcS nicht jtt
bewahren. (Sr hanbclt nach eigenem SBillcn, tu
rohem ilraftgeffthl, mit bem Streben, gciftlicbe unb
weltliche Allgewalt im SSolfc an ftch au reihen, unb
geräth fo auf ben 23eg, 3ftael feines eigenthüm=
liehen ÄleinobS, feiner ©otteSherrfdmft, 311 berau=
ben. ^Daft er aber bcnnoch von ©ott auSerfchen
war, ift eine Shatfadje, wcldic in ber ©efdudite ber
Offenbarung mand)e Analogie fiubet, 3 . 2J. tn ber
SBahl beS 3ubaS jum Stpoftct. ©ie 25orgeWid)te
ber Srw&hlung Saurs, fein ©uihen ttacb oen ver^
lorcnen Sfclinnen jeineS SJaterS, fein 23cfu(h bei
Samuel tmb feine Salbung 311 m Könige wirb ffap.
6—10,16 eraählt. 3 n unterer Scftiott wirb bann
weiter berietet, wie ©aul burd)’S 800 S förmlich
311 m ffönig etngefefet unb bem ®olf vorgeftellt wirb.
4. ©orttuibSaÄcrfläruitg: S. 17. Samuel
bettefbaS Sßolf. ©ie SSolfSvcrfammluug,
wel(he Samuel nach 2 Äi 3 bct beruft, weilficban
biefen Ort bie ©Tinnerting an bie ftap. *l t 5ff. be^
richtete grofie SiegcSthat fitüpfte, hat ben
bie im Verborgenen gcfd)ehene ©rwahlung Saul’S
3 ttm flöittg SftaelS vor allem SSolfe au conftatircn,
unb bem erwählten Könige bte SBcihe 311 feinem
filmte 3 U ertheilen. GS war von SBuhtigteit. bafe
bicS vor beit SKcpräfcntauten beS gangen VolfcS
gefthah, weil fonft leicht Unaufriebcnheit cntftchcn
unb bie auf ber SScrfaromlintg nidft vertretenen
©tamme bem Äönige bic fllnerfenmmg vertagen
fonnten. Vor bem ©errn. ©icicr SluSbrud
wirb gebraucht entweber 1 ) weil bie VunbeSlabe 311
biefex Vcrfammlung nad> fD^iapa gebracht worben
war, ober 2 ) weil berßerr überhaupt bei ieber Vcr*
fammluug feiueS Voltes gcgcmvävtig gebadjt wirb,
ober 3) weil in biefem f?alle ©ottcS ©egeuwart unb
Gntfchcibung bei ber önigSmahl in gan 3 bcfonbc=
rer Söcife erfleht unb erwartet würbe.
®. 18. ©aS Volf ift nach 9Wijpa w nt bem
errn" verfammelt worben; nun rebet ber
err, alS ber bimmlifche Äönig ^fvacl’S, 311 feinem
Volfe bitrch Samuel, ^in furacn, fchlagcitben ©or¬
ten halt ©amitel bem Voll bie (önialichcn SEhatcn
vor, bureb welihc ftd) ber ©err an ihm verherrlicht
hatte: ©ie©erauSführung auSGgppten,
bie Grrettung auS oer©anb berGgpps
ter (unmittelbar nach ber Ausführung) unb bie
Grrettung aitS ber ©anb aller ber
Königreiche, bie fie bebrürft hatten,
©ie lebten fKadjtthatcn ©otteS erftredten firfj herab
biS auf bie neuefte 3 cit, biS auf ben Sieg von
SDlijpa (7,5), von bem ber „Stein bcr©ilfe"vor
ihren Augen .Rcuguifi ablcgte. ?fm Sichte biefer
Shatfachcit crfchcint bie Süntc ber Verwerfung
^ehovah’ö um fo gröber unb ftrafbaver.
8/19. 3hr habt euren G)ott verworfen,
wiefern baS Verlangen nach einem Könige ein
„Verwerfen ©ottcS" nmr, ift in ber vorigen Scttion
iu V. 6—9 erEldrt uwrbcn. ©retet nun vor
ben ©errn nach euren Stämmen. 9?a<h
ber fcharfen Strafrebe, in welcher bem Volfe noch
einmal bie ganae Vebeutung feincS VcgchvcnS vom
religiöfen ©eftdftSpunfte auS vor Augen geführt
worben, erfolgt bie thatfädftidje ©cwährung ber
gorberung beS VolfS nach bem göttlichen Vefcht
( 8 , 22 ) burth bie Aufforbcrung surSSahl burch’S
8008 . ©aS Voll foll hersutreten vor
ben ©errn, b. h. vorbei! Altar, welchen Samuel
nach Kap. 7,9 bem ©errn errichtet hatte. 9iadj
euren Stämmen unb fjrteunbfcbaften,
nach bem ©cbräijihen: „unb ©aufcnbeit." fD?ofe
hatte baS Volt aut Grteidftcrung ber SßeditSpflcge
nach Staufcnbcn, ©Huberten u.f. w. abactbciU, unb
über icbe folche Abtheilung ©auptmänner gefefet
(29)?of. 18,25). ©iefeGintheilung fchlofe ftd) wahr*
fchcinlich an bie natürlidie ©licberung in ©cfchled)=
tcr unb gamilieit an, fo bah bie 23c3eidjmmg „3:aus
Digitized by v^ooQie
556 3onntagftyul=£cktt<men.
fettbe" oteid>t>cbctitenb ift mit „©efcblechter", ba ein
®cfcfjle<ht wohl au taufcnb gamilienbäupter um-
faffcn mochte. ®a& bet König burdfS 800 S unb
nicht Durch SolfSabftitnmung erwählt würbe, ent-
fpridjt gang bem Sharafter Der ifraelitifchen $heofra=
tie. ©er König fottte nicht auS einer SolfSmacht
heroorgehen; 3 ebooah felbft fottte feinem Solle
einen König flehen, wie er ihm bisher bie dichter
flefleben hatte.
®. 20 . 21 . 3hch bem ait:h fouft üblichen Ser=
fahren beim Soofeu würbe junächft Der Stamm,
bann ber töeibe. nach baS ©efdftecht, Die Familien
unD fcfjtiehlich baS eiujelne ®üeD ber gramiüe burch
baS 800 S beftimmt. 2Bie baS 8 oofen fclbft hier
oorgenotnmen würbe, ift nicht gejagt. ©ewöbnlich
flefchah eS Durch Werfen Der ju biefem 3>Pede be*
fttmmten Würfel ober Säfelchen (%>f. 18, 6 . 8 ;
Sott. 1 , 7; Sgedj. 24, 7); Doch ram aiuh baS
Nehmen beS 8oofe3 auS einem®efä§e oor (4 Wof.
33, 54; 3 Wof. 6 , 9). ©aS 8 efetcre fcheint hier Der
Satt flewefen ja fein. Unter Den Stämmen 3tfrael£
würbe nun ber Stamm S e n j a in i n, unter Den
©efchlechtern biefeS Stammes baS ©cfchledft Wo*
triS (ein fonft nie Dorf ommenber 'Kirne), unter Den
Samilien biefeS ©cfchtedjteS bie Familie KiS unb
fchliefttich unter beit einuttneit ©lieber biefer ftaini*
iie Saul getroffen. ©a baS äfcfultat beS 8 oofcS
unter Den 3fraeliten alS Sittfchetbung ©otteS aitge=
fcheit würbe, fo biente baffelbe hier nicht nur bagu,
Saul alS Den oon Sott erwählten König bei bem
Solle 31 t beglaubigen, fonbern eS gab auch biefein
felbft bie wolle ©ewiftbeit, baß feine Srwäblung unb
Salbung Durch Samuel in Uebercinftimmung mit
bem gütlichen Witten gefchehen fei. Sic fanben
ihn n i ch t. Saul, weither in Solge ber ßröffnun*
gen SamuelS jum SoraitS wujftc, waS baS (Srgeb-
niS beS SoojenS fein würbe, hatte (ich oerftedt, unb
jwar entweber um fich feiner Erhebung auf Den
ffönigStbrou wentjiehen, ober, waS wahrscheinlicher
ift, auS werjeihlicher Schüchternheit unb aufrichtiger
©erntttb.
®. 22. Sie fragten Den ©ernt, mittelft
beS Urim ttitb ©buntmim ( 8 .: „ 8 icht ttitb
SRecht"), welch:? ftch auf bem Sruitfchilb beS bohe=
priefterlichen SeibrodS befattb. Statin biefelbe
eigentlich beftanb, lägt [ich nicht ficher ermitteln,
©ic 'Befragung ^ebooab’S Durch biefeS Wittel fottte
nach 2 Wof. 28 atterbingS Durch Den ©obettprieftcr
gefchehen. ©a ieboch baS bobepricfterliche Amt tu
biefer 3 eit ttnbefefet war, muffen toir annehmen,
bah irgenb ein Srieftet an Dem bohcpriefterlicbeu
AmtSfchmud biefe feierliche Befragung oornabm.
(Sr hat fich unter bie ©eräthe oerftedt.
®ie ©eräthe fiitb ohne Bweifel baS $etfegepäd beS
ju WUpa tufammengefommenen Solls.
®. 23. Sie holten ihn. SS ift ein fchoner
ßharafterjug Saul’S, baff er bei biefer ©elegeitheit
befcheiben jurüdftebt unb wartet, bis er gesucht ttitb
auS feinem Scrftcd herbeigeholt wirb. Sr war
eines ©aupteS länger Denn baS Soll.
Saul’S stattliche @rö§e unb Irtegerifche Schönheit
wirb hier wieber, wie fthott Kap. 9, 2 auSbtüdlich
heroorgeboben. ®aS war ein König, wie ihn baS
Sol! begehrte, baS Sleifch für feinen Arm hielt, ein
König nach bem ©efchmad ber „©eiben" umher,
ämponirenbe Körpergeftalt galt im ganten heibui^
fihen Altertbum als ein ©auptoorjug eittcS KöttigS
ober Sclbhcrrtt. Wau bettle nur an bie bomerifäjen
©eiben.
®.24. Uttb Samuel fprach: ®a fehet
ihr, welchen ber ©err erwählet hat.
AuS ber gangen ©arftelfung ift flar, baft, waS htcr
woit ber göttlichen (Srwäblung gefagt wirb, nicht in
Dein Sinn 3 U nehmen ift, alS wäre Saul wirf lieh
ber Srwäblte ©otteS, b. b. r/ein Wann nach bem
f ernen ©otteS" gewefett. ©ott gab 3frael einen
önig, toie fie ihn wollten. ©ieS beutet auch
Samuel an, trenn er alS Kennzeichen beS Srwähl
teu ©otteS Die Sille übciragenbe ©röfje SattfS
nennt („ihm ift feiner gleich"). älS fpater bcrfelbc
Samuel beit Sluftrag erhielt, Den Äönig ju falbett r
beit ©ott felbft feinem Solle geben wollte, Den
„Wann nach bem ©cr$en ©otteS", aab ihm ©ott
bie Steifung: „Siehe nicht an feine ©eftalt....
beim eS gehet nicltt, toie ein WcttfÄ ftehet; ein
Wcitfch ftehet, toaS oor tilgen ift, Der ©err aber
fiehet baS ©erj an." (1 Sam. 16, 7.) ®aS 3*«ö 5
ttift SamuelS: „®aS tft ber 00 m ©emt erwählte
ftötttg," in Serbittbmtg mit bem Stnbmd bet 16*
ntgliiheu Srjchciuung SaurSertoecfeitetue mächtige
Segeifterung unter Dem Soll, toelche SiiSbmcl ftn*
bet in bem ©ulbigungSruf: ©lüd jtt Dem Äö*
tttge! waS utifcrcm: „SS lebe berÄoitig!" ent*
fpvüht.
®. 25. %iU Rechte beS ifönigtetdjeS.
©iefe :)techte beS Königreiches finb wohl ju uitter*
fcheibeu wen beut „Siecht beS Königs" Kap. 8,11 ff.,
wo Samuel bem Solle bie angemaftten Seftigniffc
bargelegt hat, toie fie wen beit heibnifchen ©cSpoteit
in unumfchräitfter SBillfürattSgeübt würben, ©ic
hier erwähnten „"liedttc beS Königreiches" ftimmten
uinweifelhaft im SSefeittlichen mit bem KotttgSgc*
fefe 5 Woi. 17, 14—20 üherein uttb hanbelten alfo
poit ber Stellung, toelche ber König in bem theofm*
tiichcit Staate ©ott unb bem Sollegegenübereinneh^
men fottte. ©aS SBcfctt beS tl\cofratifd)ctt Staates
aber beftanb eben baviit, baßt>er3Bille ©otteS, alSbeS
himuilifchen Königs, beibe, König uttb Soll, regierte
ttub beherrfchte. 8 egte eS 00 t oett ©etrn. ®ie
Strt ttitb Steife, wie bieS gefchah, ift nicht näher an*
gegeben, ^ebenfalls würbe bie Schrift alS heilige
Urfunbe ber Aufrichtung unb SRegeluttg beS theofva*
tifchen KönigtbuutS an einer ftcheren Stelle, „oor
bem Ättgcfichtc bei? ©crrit," niebergclcgt unb bett
Sricftern jur Setoahrung tthergebett. Srofebem ift
biefelbe pcrlorett gegangen. Sattt net liefe alleS
Soll gehen. ©aSKönigtbum tritt noch jurüd
hinter baS Stophetenthum, wa§ baritt angebeutet
ift, bah nicht Saul, fonbertt Samuel bie Sntlaf*
fung bc? SolfeS oottjieht.
®. 26. S a u l g 111 g heim in feines SatcrS
©ntS nach ©thea uttb ju feiner früheren Se*
fihtftiguitg, bem Aderbau. ©iertn jeigt ftch nicht
nur SattlS beinütbiger Sinn, fonbertt auch feilte
richtige Senrtheilung ber Scrhältniffc. ®ie Wo=
ttanhie war noch fo neu ittjjfrael, bafi ber König
leine attgemeitte unb willige Anerfcnumtg erwarten
Durfte (befonberS nicht nach beit S. 27 erwähnten
Sorgängett), biS er ftch bttreh einen ftcgreichen
KrieaSmg alS Sefreier Stfraetö oott feinen Scinben
b: oährt hatte. Saul erwartete bähet in füllet
3 urüdgejoaenheit bie geit, ba ber ©err ihm @c(e=
gen heit geben toürbe, ftch a(S König um baS Soll
3 iracl oerbicut gu machen, ©iefe ©elegeuheit bot
Digitized by v^ooQie
3u Ijaufe.
557
lieft ftalb. Dod) begleitete beit Saul fdwn iefet ctit
DheilbeS©eere$, weld)er©era®ott
rührte, baft fic ihrer ©flöht eingebenf waren.
8 . 27. Die ©egner Saul ’8 werben alä 1 o f c
(mdjtSwüvbige) 8 eute bezeichnet. 3 hreDppofition
tritt zu Dage 1 ) in ber ©eraditung Saitl ’6 utib {ei«
itC‘3 ftönigthumS al$ einer Döllig unnüfcen 3nfti«
tiitiou; 2 ) in ber ©erweigeriing ber ®cfd>enfc, bie
nach morgen läitbifchcr Sitte beut ftönige alö Beiden
bet (Shrerbietuna unb be3 ©chorfamä gebührten.
Denn freiwillig feargebradite ©efebenfe ober ®abett
gehörten zu ben regelmäftigen (Einnahmen ber {für«
ften. ©au 1*3 Verhalten biefen Sfeinben ßeßenüber
3 eugt Don Setbftbeberrfdjung, aber auch Den grober
ßlußheit. Denn wenn Saul auch baS Red)t ge«
habt hatte, iefet fdwn gegen folcfte fehltöbe ©erä&ter
feinet 9lmtc$ cnergifdt cinzufchrcitcn, fo hätte ba 8
bodj für feine Stellung 31 t bem ganzen ©olf leicht
{ehr nachtheilig werben föniten, befonberä wenn
biefe offenen ©egner — wa3 wahrscheinlich ift —
ben StammcShäuptern ber gröberen, früher mit ber
{fübterfdiaft betrauten Stämme 3uba unb gpbraim
angehörtcu.
5. $nr Grf Inning unb ßrbannng: a) 3frael
Derwirft feinen ©errit al$ ftöni§. SS. 17
bis 19. Dicfc Sünbe wirb bem ©olfe tn ernfter
©uftprebigt Dorgehalten. Die fräftigften Mittel
3 ur Srwerfung wahrer Stifte finb 1 ) bie bemüthi-
aenbeßrinnerung an bie ohne ©erbienft erfahrenen
©nabenerweifuitgen, in benen [ich bcr.öevr als nufer
barmherziger ©ater bejeugt hat (©. 18); 2 ) bie ftra«
fenbe ©orbalttmg utifereä Unpanfe unb nuferer
Untreue, mit ber wir ihm gelohnt haben (SS. 19)
unb 3) bie befchämenbe ©tnweifung auf bie Dennoch
nicht dou mtS weichetibe ©nabe unb Dreue ©otteS,
mit ber er ftd> fogar 311 unfereu oft füublichen Sßün«
{eben berabläftt.
b) 3fi*ael fucht einen Äönig. SS. 20 — 22 .
Die Sluwenbuug beS 8oofe3, um in zweifelhaften
{fällen eine (rntfeheibung nach bem Sßilleit ©otteS
(Spt. 16,30) herbei 3 uführen, fommt im 81. D. fehr
häufig Dor, unb zwar ttiefti feiten, wie in unterer
geftion auf au3brücflid)CH göttlichen ©efehl; beim
baft Samuel hier in göttlichem 8 luftrage hanbclt,
unterliegt feinem 3weifel (ogl. 3 SMof. 16, 8 ff.
4 9Rof-17. 4 9Rof. 26, 55ff. 3of. 14, 2 . 3of. 7,
14ff. 1 Sam. 14, 41 ff. 3on. 1 , 7 u. 81.). 3m
9h D. fommt ba$ 8oo3 nur 9lpg. 1,26 bei ber ßr«
wählung be$ 8tpoftc(3 URattbiaS Dor. Rad) bem
©organg ber ©rübergemeinbe, weld?e bie Sinmen«
j.buuß be3 8 oofe$ bei ben ocrfdiicbcnften ©elcgcu«
heiten, befonberS auch bei ber ©efefeung Don 91cm«
tern unb ßhefchlieftunaen empfiehlt, haben Diele
©laubige ben ©ebrauch angenommen, in zweifei«
haften fällen bas 8oo3 entfeheiben 311 iaffen. Da«
bei wirb aber oft arger 9Riftbraud> getrieben. Run
geht e3 freilich nidit an» bem ßhriften beit ©ebraud)
DeS 8 oofeS ganz SU Derbictcn. SBad im 9t. D. ©ott
felbft angcovbnct tmb im Reuen bie 9lpoftcl gethan
haben, bürfen wir nidit für unrecht erflären. SBcht
aber muft Dor bem Rftftbraud) bcS 8oofc3 gewarnt
unb barauf atifmerffam gemacht werben, baft eine
Stnwenbung beS 8 oofe§ ohne Dorhergehenbeb ernftcS
©ebet, ohne oölligeS SSertrauen auf baS Sßaltcn
ber göttlichen SSorfebung unb ohne willige unb Del«
lige Unterwerfung unter bie ßntfeheibung beS SoofcS
ein fünbhafteä unb 63ott miftfvilligeö Seginneit ift.
c) 3ftael finbet einen Völlig. SS. 23—27.
Obwohl Saut ein Dom Solle ©ott abgc 3 wungeucr
Äöntg unb nicht wie Daoib ein w 9)cann nach bem
©erzen ©otteS" war, fo bemhtigte bie ©efinnung,
welche er bei feinem Regierungsantritt an ben Dag
legte, hoch 3 « ben beften ©Öffnungen. Sefonbcrä
ß hnete er fieft burdj feine Demuth unb Se«
eiben heit auS. SBahre ©emuth unb Se«
feheibenheit wurzelt in einem Dom ©eifte ©otteS
berührten ©erzen (10, 6 ), fic beweift fieft Dor©ott
in bem Scfenutnift ber Uuwiirbtgfcit uub Unlüch-
tigfeit für ben Dicnft in feinem Reich, Dor 9)?en«
fchen in befcheibener 3 urüdhaltimg (S. 22 ) unb
im Schweigen (27); fie wirb gefrönt oon ©ott mit
bem Seruf zu feinem Dienfte (21.24), unb Don ben
SRenfdien mit bem Don ®ott gewirften Seifall bet
©erzen (26).
1# S a w St.
Sfür unb $erb Don einer ©au^fran.
gertftyffögen. 3 vgcnb 3 «manb, ber bie beften
SctriebSmethoben in ßuropa beobachtet hat, wirb
bie SBiditigfeit ber Dollfommenften ©erriditung beS
SobcnS für bic Slufitahme ber Saat begreifen. DaS
Seacferu fugt bem ©oben RichtS hinzu, aber e3 bc«
güuftigt bie ©eränberung ber {formen ber für bie
6 mährung ber fßflanseii erforberlidien Subftauzen,
unb fomit ift ©fingen unb ßggen iubireft bem
SBitchS förberlich. ^)er ©oben ift bie gvofte ©oy-
rathSfammer ber ©Ranzen = Rähvftoffe unb er hält
biefetben in {folge ihrer UnlöSlidifeit zurüd. {vev«
ner, eS ift nur burch bie ßinwirfmia ber 8 uft uub
aller biefer chemifcben unb anberen ©orgänge, bie
mit ben Rainen SSerwittening, Rihififation u.f.w.
belegt werben, baft bie uothwcitbuien Subftanzcn
in eine löSlidie {form übergehen unb fo zu* 9luf-
nähme Don ben SBurzeln ber watbfenben ©flanzen
geeignet finb. Die ßhemic bcS ©obenS, tnbeni fie
beffer Dcrftanben wirb, lehrt in erftcv 8 iuic bie SBich-
tigfeit bcS häufigen 8 ocfernS ber Öberflädie beS
ßulturfelbeS. 9 luS biefent ©vunbe empfiehlt fid)
baS ©flügen im ©erbft. 9lud> auS anbern ©rünbeu
mag bic Stoppel ober ber Rafcn im ©erbft unter«
gepflügt werben. Rieht nur cirfulirt bie 8 uft freier
unb ber ©rozeft ber Bcrfeftimg unlöelidier Sub«
[tanzen geht fdmeüer Dor fich, fonbem bie medianifche
©efchaffenheit beS ©obenS wirb nod) bebeutenb Der«
beffert. Sollten 3nfcften, bereu 8arDen oberßnger«
lingc im ©oben fein, wirft baS ©erbftpflügen fie
auS ihren SSintcrguartieren 1111 b Diele gehen 311
©vunbe. Slbgefehen Don biefen ©ortheilen, herrfcht
um biefe 3cit ein Dcrhältniftinäftiger Stillftanb in
Digitized by v^ooQie
558
£u Haufe.
beu Selbarbeiten unb atteS ^SfliiQen ober fonfüge
Scaderung OeS SobenS oerminbert mefetttlid) Oie
Sile in Oeu gefdjäftigen SJonaten OeS SrüblingS.
®er itachDenfenDe uitO erfolgreiche Farmer plant
feine Arbeiten Dcrartifl# baft Oie eine ^abrc^aett in
mehr als einer ©iuficht ber anOern hilft.
fangen tu Töpfen. Sftt (Eintritt falter 2Bit-
tcrnug werben Oie ichönftcu Sflangen in Töpfe ge^
fefet unb in’S .©auS genommen. SS ift gu bcOenfen,
baft Oie Sährftäche ber ffiurgeltt fcbr befchränft wirb
unb baft bie Toöferbe beShaib febr gut fein mu§.
Sludj tnuft man forgfältig mit bem Sufnebmen ber
Sflangeu umgehen, baft nicht gu oiel (Srbe abfdllt,
fonft möchten bieSftattgen leicht uertvodcten. Küm=
lieh in ^Eöpfc gefefcte Sflaitgen erforbem oiel 2Ba)=
fev, befonbcrS wenn fte in ein Bimmer mit ziemlich
hoher Temperatur fommeit. Sufterbem muffen bie
$jlanieu ©oitnenfchein unb Buft haben. T)ie
Settftet au Oer (üblichen ©eite beS ©attfcS ftitb im¬
mer Oie heften. Sei geeigneter Sftcge (unb Oiefelbe
macht nicht oiel Stühe, wenn alles rechtzeitig ge-
fchieht) faitn mau im JBiitter eine hübfehe Samm¬
lung Sflangen haben, Oie burch ihren 'älnblid ba3
Singe erfreut unb burch ihren wohltiecheitbeit ©eruh
uni erquidt, wenn brausen atteS erftarrt ift.
Sommerh(nl|enbe Bwiebdu nnb Knollen werben
im ©erbft, ehe Oer pfrofteintritt, aufgenommen, einige
Stage an ber fiuft getroduet unb bann au einem
froftfreieu Ort aufbewahrt. Satgiffeit, SrocuS,
Tulpenzwiebeln unb Säontenwitncln füllten Sitbe
September ober ÄnfangS Oftober auSgepflangt
werben. T)tcfe Slumen erforbem einen reichen
Soben unb einen warmen fonuigen Stab im ®at=
ten. Sachocm bie ©artenbeete im .©erbft berge--
richtet, pflanze mau bie Bmiebcln unb Tulpen brei
Bott tief unb fecftS Bott oon einanber. Stau bc-
bedc fte mit Stbe tittO ehe berSroft eintritt, bcbccfe
man baS Sect mit ctwaS ©treu ober Baitb. 3m
Jfrühiahr entferne man baffelhe, lodere Ocn Sobeit
ein wenig, unb wenn bann bie Bwiebclu empöre
leimen, gebe man ?lcht ttnb wache gegen Sachtfröfte
unb betfe baS Seet in falten Sachten gu. Sluch
muffen bie ©artenbeetc immer etwaS höher jein alS
ber Xafenplafe. Sleibt ffiaiicr auf einem ©arten¬
beete fteheu, fo perfaulen Oie Sflattgcn. Sarziffeu
unb SrocuS werben etwas naher gufammett ge-
pflangt. ®ie $dome follte einen iinmcrwdbrcnben
Slafe haben im ©arten. Stau nimmt bie äBurgel
tut .©erbft nicht auf, fonbern (dpt fie ftchcit; fte
braucht eine etwaS erhöhte Sage, guten reichen
uitb lodern ©raub, unb nie barf auf biefe ®artcn=
beete getreten ober heritmgelaufen werben. Oie
ührigen ©artcnbccte fottteit im ©erbft gut gebangt
werben. Stau grabt ben Dünger ein unb mit bem
{Rechen unb ©paten macht man bie Seeteein wenig
in Orbnung, bamit ber ©arten nicht fo unanfehn=
lieh auSfehe.
(Braue »ohnnt einguntadjeii. ®ie Söhnen ntüf=
feit iitng unb gart fein, werben bann abgewafchen,
abgezogen unb gefdmitten unb roh eingefalzeu unb
bchaubelt wie ©auerfraut. Qie ©cfdfic muffen
äufterit rein gehalten werben. Stau nimmt zu einem
Sinter Pott grüner Söhnen eine ©attboott Sah,
ftoftt bie Söhnen feft in ben Topf ober Saft unb
fülle nie ben Topf gu oott, ba bie Sohlten beftän=
big unter ber Srübe gehalten werben muffen, fonft
oerberben fte. (Dann bebede matt biefelbeit mit einem
reinen weiften Tuch uitb einem runbcnSvett unb be=
fchwere biefeS mit einem fchweren Stein. Stau rnuft
oon Beit gu Beit nachfchaneu, Tuch, Svett unbStein
rein abwafafen uitb follte bie Srübe gu fehr eittge=
trodnet fein, fo rnuft man bie Söhnen wieber mit
etwa3 JBaffer hebedett ober mit gelöstem ©algpöfel
nad)gie6ett.
©auerfraut. SJait nimmt gu einem Sinter fetit-
geidmittcueS SBeiftfraut, eine Heine ©anbooü ©alg,
»erfährt genau wie beim Siuutacbeu ber Söhnen,
mtr rnuft matt eS eine Beitlang oben ftehen laffen
in ber SBänue, bis eS gut burchfduert ift; cd erhält
baburch einen oiel belfern ©efebmad. So muftims
liier rein gehalten unb mit Srühe bd)etft fctiu 3«
ffiintcr [teilt man eS in beu ffeller.
®ie mau ©auerfraut fod}t. S?att nimmt eine
eiferne Sfaitnc, thuteiucngrofteußöffelpollSdmtalg
hinein unb ein Ouart ©auerfraut, läftt eS eine
©titube langfam lochen unb gieftt fortwälnenb ein
wenig focbeubeS SBaffer nach, bamit eo nirf>t an-
hreitne. T)ann tbue man eS auS ber Sfaititc,
nehme einen aitbent Söffcl Pott ©chmalg, einen
Theelöffel oott S?ehl nnb rühre eS, wdhrenb Oie
Sfaitue heift wirb, hinein. DaS ftraut wirb wieber
in bieSfannc gethan, beftdnbig umgerühvt nnb zu*
lebt wirb eilte rohgeriebene Kartoffel hinein gerührt.
Stau taffe baS ©ange noch gehn Stiuuten fochen
unb eS ift fertig gum ©ebrauch.
@iue aubrre SBrife ©auerfraut gu fodjru. Stau
nimmt ein Stüd frifdieS ©chwetnefleifih unb gwei
Quart ©auerfraut, inan läftt e$ (angfain gipet
©tuitbcnlang fochen, giebt Sicht, baft ^ nicht an¬
brennt. Um biefeS gu ocrhütcu, aieftt mau, fo oft
bie Srühe ftd) Perfocht, ein wenig focpeubcS SBaffcr
iit ben Topf*
ftartoffelmug. B« obigem ©ericht paftt ffar=
toffelmuS. Statt focht Kartoffeln mit fflaffer
unb ©alg. Sachbem fte u>cich gefocht ftnb, werben
fte abgegoffett unb fein geftampft; bann nimmt man
einen großen Söflfel poll Sutter, etwaö füftc Stilch
ober focbettbeS UBafter, rührt bie Kartoffeln gut
burcheittauber unb fteht, ob fte recht gcfalzcit ftnb.
®aitn thut man bie Kartoffeln in eine hetfte ©diüf-
fel unb fantt nach Selieben in Sutter braun gebra¬
tene Bwiebeln ober feitigcftofteiten, in Sutter gelb
geröfteten B^icbad ober mit fein gewürfeltem, gelb
gebratenem ©ped bid bcftrichen, beifügen.
Xtt Keller. T)ie ©ochfluth tut Icfcteit Srühiahr
follte öfter nufere Slufmerffamfeit auf bie Keller
lenfen. SichtS fehabet ber ©efunbheit mehr alo ein
ttafter unb feuchter Kettet. 2Ba8 immer im KcUcr
aufbewahrt wirb, SBiiiter ober ©ommer, eS fotttc
ein iebeS barnach fchauett, baft nichts ffierfaulteS ober
ScrborbeitcS im Keller ftehen ober liegen bleibt,
weil baburch Sieber uitb anitedenbe Kraufhcitcn
entftcheu. T)anu haben mandie Beute bie ®cuwhn-
heit, alteS ©olg unb atterlei Stumpelgeug, baS fte
faft nie gebrauchen, im Keller aufgitbewahren. SS
werben biefe unnöthigen Sachen fchimmlidj unb
Digitized by v^ooQie
Chronik ber Äegenroört
559
oerbreiten einen fcbledjten ©erucb. Dtefc oevbor* nimmt oierTheile groben Äieg, ein Tbeif.ßalf uub
Bene 8uft mirb oon ben ©emohueritbeg $aufeg ein- ein Theil Gement. Sieg unb Gement nrirb troCfeu
aeatbmet. Sin nutet Seiler fotlte im Sommer buvdieiuanoer gemengt uub 6 big 8 3oll tief auf ben
fühl unb frifcb fein unb int ©Sinter marin genug, SellerboDen auSgchrcitet. Der Salt mirb mit JBaf»
um bie Sachen au fchüfeeit oov ftroft unb Sdlte. fer angemacht unb eine ebene Schiebt oon bieiem
Detfelbe füllte teben Dan gelüftet merben unb wirb über ben Sieg unb Seinent geleqt, barnacb Idßt
Durchtug Baben, eg fei benn eg itt 3U falt. Sinb man ben ©oben tro(fiten. Dann nimmt man eine
bie ffellermdnbe feucht, fo mache man ©Jörtel oon ameite 8ape, Beftehenb aug einem Theil Gementunb
hydraulic Gement unb beftreiche bie äßduoe bamit. amei Theilett Sanb. Gg mirb mieber recht eben ge»
ferner fann au(b ein fefter unb bauerhafter Seiler» uiaAt unb mit abgelöfchtem Salf feft gefefct uub
hoben oon biefern Sement gemacht merDeiu ©tan Barnacb getroduet.
--
tfhtottiH btt töeaenttiart.
Wonofiol ober Cetitraüflnmg ber »egirntttg*-
Bemalt? Diejenigen Seute, melcbe ben uBunb fo
meit auftbun gegen bie Sentralifation in unferer
©intbegregierung, oergeffen gemöhnlicb, baf in ben
©er. Staaten Gentralfrdfte malten, bie taiifenbmal
fchlimmer finb alg eine ftarfe, centralifirte ©uitbeg»
{Regierung, ndmlidj — bie ©tonopole.
Die Gifenbahucn», bie Telegraphen» unb biele
anbeve Gompagnien finb ©tonopole, toeldte in ficb
nicht allein ungebcuteg Kapital, fonbernauch unge¬
heuren politischen Gütfluß unb qefettfcbaftlicbe SKacht
conaentrirt Baben unb eg eittaig unb allein auf bie
Bereicherung unb ©iachtftellung Ginaelner abfehen.
Dicfc Monopole finb bie eigentlich gefährlichen
Gentralfrdfte, unb miß man ihnen an 8eibe gehen,
fo reichen baau bie ©taebtbefugniffe ber einzelnen
Staaten—unb menn fie noch fo fehr ermeitert mür»
ben — nicht aug. Giner großen Gifenbahngefell»
fchaft, beren Scbienenftrduge burch ein halbem Du-
feeitb Staaten gehen, ober einem Telegrapheitfoftem,
bag feine Drahte über ben ganaen Kontinent ge»
fpannt hat, ift mit bem ©efefcbucbe ciiteg etnaelnen
Staateg boch nicht beiaufommen. Sofien bähet
biefe ©tonopole unter bie Kontrolle beg Sogenannten
Staates—mir haben hier ja eigentlich leinen Staat
im europdifcheu Sinne—geftellt toerbett, fo Idßt ficb
bag nicht burch bie ©efebgebungen oon fo unb fo
otelen cinaelnen ©emeinmelen bemerfftelligen, fon»
bettt einaig unb allein burch bie ©efefcgebung ber
Union, b. b. burch ben Gongreß bet ©er. Staaten,
Dem in ben ©dnben Sinaelner centralifirten ©2o=
nopol mug eine frdftige®efebge6ung unb einefraf*
tige Ssefutioe entgegengeftellt merben, biefe beiben
©emalten aber riehen ihre Sraft hoch nur aug einer
ftarfen Sentralifation.
Dag finb einfache Wahrheiten, bie amh ber ein»
fachfte ©erftanb begreifen muß. Gg fann a. ©.
bem fchdblichen Ginftuß beg Telegraphen * ©tono»
polg, beffen Stdrfe fich erft fürtlich mieber Bei bem
Strife ber TelegrapheuBeamten geaeigt hat, nurba»
burch nachhaltig entgegengemirft merben, baß bag
bittet bie fcibftgemählte {Regierung oertretene S3o(f
feine eigenen Tclegraphenltnien errichtet. Dag
Telegraphtren foftet lebt hier in 9(merifa biennal
fo oiel mie in anberen cioilifirten Cdnbern. Wir
aahlen für bie einfache Depefdje oon nur gehn Wor»
ten 25 Cents für 100 engUfcbe ©teilen, 40 GentS für
500 ©teilen unb einen Dollar für meiterc Sutfer»
nungeit. 3n Deutfchlanb foftet eine Depejchc oon
amaitaig Worten auf eine Sntfernung oon 120
englifcBcn ©teilen 12 Sentg. Durch gana Italien
fann man eine Depefche oon fünfaehu SBorten für
19 Sentg fehiefen. ©elgien unb bie Schmeia nehmen
für 20 SGBorte 9 Sentg, felbft in Snglanb, bag fehr
jpdt erft sum fRegieruiigotelearaphen üBergegangen
ift, fann man fefet für 12 Sentg burch bag ganae
8anb telegraphireu. 9?ur mir hier in Stmerifa
müffeu bag ©icrfachc aahlen, bamit bie großen
3Ronopo!e acht uub mehr ©roaent Dioibcnbe auf
ein fünf unb Sechsfach oenodfferteg Kapital aahlen
fönnen. Dem Unfug muß eht Snbe gemacht mer*
ben unbimar auf bem SBege, baß ber ©unb feine
eigenen Telegvaphenlinien evrid)tet, auf bie ©jfjht
hin, baß bahei ein meuig centralifirt mirb. ©io^
nopol ober Gen tra Ire gier una, uoifchen bie^
feit Beiben hat bag amerifanifche ©olf gu mdhleu
unb in ben fünftigen polittfeheu Äduipfen merben
biefe Sefmigen oben anftehen.
echte atnerifaitifche 2ueÄ« Sinige ©ottiu^
ger ©aufftmpel fauten füralich, mie ein Sorrefpon*
beut ber „Güte. Sommercial ©a.aette^ berichtete, fehr
übel an. Sie gingen burch bie Straßen unb ehi
amerifaitifdier Stubent fdmitt an ihneu oorüBer.
Da biefer jju feinem Sorpg gehörte, fo glaubte bag
Trio, ihn emfchüchtern au fönnen, unb einer berfet
Ben trat auf ben ftmerifauer au unb Bemerfte f ber»
fclbe habe thn geftoßen unb er oevlange Sattgfaf»
tion. Der Stmerifaner faate höflich, baß eS thm
leib tbue, menn er in ber ßfle einen ©affanten Be»
rührt, unb entfchulbigte fich; jefet fauten aber alle
brei unb oetlattateit in roher, ftümttfcher SBeife ©e»
ntiathtttutg. Der Stmerifaner oerlor fein ©iort
mehr an bie butnmen fonbern marf feinen
fRocf oon fid) unb im ©u mdlate fich ber größte mit
braun unb blau gefchlageitem ©efid)t in ber ©offe#
batttt mürben bie anberen oerforgt, ieber erhielt nach
©eraengluft „Satigfaftion" umrauf ber „JBeftem
©oo" feinen 9ioCt aitaoq unb feine SBege ging. ®g
ift feitbom feinem eingefallen, itod) mehr Sattgfaf»
tion oon thm ait perlangen. — Dag Ift bag echte
amerifanifche Duell, unb menn man biefeg brüben
heimifch mähen moute, anftatt beg albernen 3Rdn*
telchcng für ben SelBftmorb, fo mürbe man wenig»
Digitized by v^ooQie
560
Cljroiiih her ©egemtmrf.
ftenS biefc^ Öaitb nicht blamlreit, iitbem man eS für
eine Sache ueranwortlidj macht, bic eS niemals ge?
fannt bat.
lieber bie ©riiutoe, tocMjc bie gatttmg beö
Vajifleb geaen bie Jiretijfifdie Regierung bcftiinmeu
ober beetimuffen, bringt bie „Köln. ^tg." fein* auS?
führltche, oon glauhwütbiger ©eite ftamntenbe
NJittheilungeu. Nach Boranfchirfung einer fcurcö
Sbatfacben belegten Gbaraftcriitif beS BapfteS wirb,
baran erinnert, ba§ futa oor beginn beS Gonclaoe
ober wdhrenb beffelben awifchett bem Bapft mtb ben
iejuitiKben NJitgliebern beS ©eiligen GotlegimnS ein
Abfommen aetroffen würbe, welches ihm für ben
Sali feiner ffiahl petfehiebene Scrpftidjtungen auf?
erlegte. Sßelchet Art biefe Bevpffühtimgcn waren,
läßt ftcb barauS entnebmen, bajj alSbalb nach ber
Sbroubefteiguug Seo’S Xlli. bie einzelnen Gongre?
gationen an einem Anfehen gelangten, welches ihnen
unter BiuS IX. perfagt war; ber Nachfolger beffcl?
ben wollte nur im Ginperftdnbnl§ mit ben Garbi?
ndlett regieren. N2ait nimmt an, bafj bie 3eiuiten
eS fo pon ihm geforbert batten, weil fie auf folcbe
äßeife ibn am ücberiteu beaufsichtigen unb leiten
tonnten. Dafj ßco ftcb biefem unterwarf,
mujjte bei ber betanuten ©elbttftdnbigfeit feines
GharaftevS um fo auffattenber erscheinen. Die
Neigung aum 'IBiberftanb gegen bie Beponmmbung
ber 3cfuiten blieb beim auch nicht auS, unb einer
folchcn Anwaitblung perbanft bie Annäherung an
bie prcuftifche Negierung ihren Urtyrung. AIS ber
GarbinalftaatMecretdr grauebi fid) tm Ginperftäub?
ni§ tnii beut Bapft entichlojj, aur ©cvftellung beS
SviebeitS mit Breu&cll nicht unerhebliche Bugeitdnb?
niffe au machen, würbe bem Garbinal 8#ochow3fi
pon ben Unpcrfobnlicben ber Auftrag, bem Staate
fecretär bie Öefdhrlicbfeit ber neuen pdpftliiheu Bo?
iitif auScinanbcraufcfeen. Die Unterhaltung ber
beiben Äirchcnfünten fanb Nlitte 3uli 1878 ftatt
unb joll au leibenfcbaftlicben AuSeinanberfefeungcit
geführt haben. Der ©taatSfecretär blieb aber feft
auf feiner oerfohnlidjen fialtuug beftehen. JBeitigc
Sage fpdter war in ber $nrcbe ©. ÜRaria in Gam?
pitelli baS 5eft, bei ipeldjem Gatbinal Staitchi er?
franfte unb ftarb. ©elueS äÄitarbeiterS beraubt,
belichtete 8eo XIII. aundchft auf ein felbftftdnbigeS
Borgehcu in ber preufeifeben 5?ird)enfrage unb fegte
eine eigene GarbtnalScommiffion für biefelbe ein.
SBäbrehb ber wiener Besprechung machte ber Bapft
inbefe einen neuen Berfuch; bie prcufnfdje Angele«
genbeit au Torbern bureb Grlafi beS Breoe Pont 24.
Sebtuar 1880 an Grabifdjof NielcherS. DiefeS
Srcpe batte ber GarbinalScommiffion nicht pevgele?
gen. Der bamalige Nuntius 3acobiiti übergab
baffelbe am 1. N?dra bem Btinaen Neufi, unb Pier
fflocheit fpdter erfldrte ber NuntiuS auf ©tunb einer
pon Nom erhaltenen 23eifung, baS Breoe Kirne
nicht eher in Botlaug gefegt werben, alS biS bie
prcußifchc Negierung eine lange Neihe Pon Borfra?
gen bejahenb beantwortet habe. Diese Anorbnung
führte aum Abbruch ber Bcrhanbltingcn. Dasselbe
Schidfal batte ber ©ebanfe beS BapftcS, bie Auer«
fennung ber Anaeiacpflicbt Porldufig auf bie gegen«
todrtig erlcbigten SJüfarrcien au befebrduten unb auf
bieferSrttnblage au einet tbeilweifcuSSerftdubigung
au gelangen. Jfm Saufe beS 3anuar 1883 wurbe
ber $aptf genöthigt, bieieit 33orfa)lag berGarbinal$«
commiffion aur ^erathung au übergeben.
Grgebuig berjelben war bie Note SJacobini’S bom
19. Januar, bereu Raffung ben 5}orfd)lag be3^?ap-
fte3 für bie pre.uBifcbe Negierung unannehmbar
machte. „G3 fragt fiel) al)o/ fügt ber ©cwähr-o'
mann ber „ftöln. i}tg. w hinan, „mit wem e3 bie
Negierungen tut Satitan au tbun haben, werbort
bao legte.23ort au fpred)eit hat, ber fßapft ober bie
3ejuiteu."
®tfinne r Uehrtfrhttteittmttitgeit mtb Aatnrerrig«
niffe aller Art haben feit 9Kenfd)engebcufeu feine
folcbe ©ewalt entfaltet unb feinen folchcn Schaben
eingerichtet, wie au unterer „Seit, ffaum haben lieh
bie am Ohio burd) bie 3luth bejehdtigten Ortfchaf«
ten wicbcr etwaS erholt, fo timt Pon ü)?innefota ein
©ebreefruf, wo ein drittel ber fchöneit Stabt Nocfic^
fter bureb einen Sturm aerftört wurbe unb beinahe
100 SDieitfcben uin3 ficben famen.
®ie Amerifaner ertragen e$ nicht mehr, ba§ eure*
pdifchc 6)cfe(lichaften ben 'öerfebr awifcbeu ber alten
unb neuen ’Jöclt auefrfdteßüch Permitteln. Sie
wollen iefet and) in bie Schranfen treten unb natür*
lid> bie floufurveuten — Pieüeüht auf Aiofteu ecr
Sicherheit — jutn weuigften in bejug auf Schuelligs
feit auöftecheu. 3n fünf biö hdchften^ icch3 Sagen
nach Guropa! So lautet ihr Sdbgejcbret. jgie
foll ba3 Problem geloft werben? hierüber gehen bie
Anfichtcn au3einanber. ®er eine Unternehmer,
Äapitdu Sunbborg, baut jegt einen Dampfer,
welcher poit ben bisherigen gana abweirf)t. Der?
felbe ift gana flachr jtnft bemnacb wenig ein, unb
foll mehr über bie 2Bellen bahingleiten, wdhrenb
man fonft beftrebt ift, bie ^luthen mit einer febarfen
®ug au fpalten. DaS Sd)ifferhalt awei Sdirauben,
bie hittter bemSteuenuber angeorbnetfinb, unbba?
her in aiemlich ruhigem 23af|er arbeiten, unb Pier
NJafcbineu pon sufammen 18,000 Bferbefraft!
Na um bietet baö Sdaiff für 1600$affagicre mtb 3000
Sonnen Stacht. GS ift 450 Su& lang unb 66 breit,
©anj anberS ber New ®ovfcr Blipen. Diefer
ScbilfSbauer bleibt bet ber hergebradjtcn Schiffs?
form unb will bie ©efdjwiubigfeit bureb bie fchlan?
rere ©eftalt feiiteS SahractigcS, ben SBegfall ber
N?aftcu, welche nur aufbaltcn folleit, unb eine im
Serbdltuifj noch mdcbtigereSRafcbineeraiclen. ©ein
Dampfer „NJeteor" ift nur 16 2rn§ breit bei einer
fidnge Poit 156 Su§, unb mit einer SRafchine poit
1000 Bferbefraft perfcbeit, weld)e ber Schraube bie
unerhörte ©efebwinbigfeit Pon 360 Umbrchungen
in ber ÜRinute, 6 in ber ©efunbe pcrleibcn foll!
Sonft gelten 90 Umbrchungen für fchr anftdttbig.
Beibe Unternehmer pcrfprcdicn eine Schnelligfcit
pon 33—34 Kilometern in ber ©tunbe. DaS ift
freilich erft baS Sempo ber Gilgütevaüge; au beben?
fen ift aber, ba§ eiitfolcbcr Oaeaitbampfcr nirgcnbS
bdlt, unb infolge beffcu.tbatidchlid) mit einem $|}er?
fonenaug wetteifern fann. ÖJir finb neugierig,
ob Sunbborg unb SÖUpen halten werben, waS iic
perfpreeben.
Digitized by
Google
Digitized by v^ooQie
Digitized by v^ooQie
äS
fliuiflra r w y inu ui j um gütig. — «tienotp, uw.
41
h
t- u. 1 '
um tjuben mir cd
Digitized by v^ooQie
\
I
Digitized by v^ooQie
(Sin illujtrirtes Jamilienblatt.
gffter jüanb. November 1883. Elftes $eft.
•Mcjum $utl)et-§ubüaum. *«•
Cfbitor.
u<b tnir feiern bon ^erjen ben
400 * jährigen ©eburtStag bee
großen WartinuS, unb wer eS
webten will, bet wirb brao aus»
gelabt. 5 ttf) bin proteftantifcber
Gbrift unb ein beutfdjer Wann,
be§bnlb trete i<b in ben fjeftreifien ein unb rufe:
©elobt fei ©ott, bafe bie ©efcbicbte einen Suttjer,
«ine ^Reformation Jennt. Sann man auch nicht
jeben ©ab unter»
jeidbnen, ben Tr.
W a r t i n u S ge»
f«brieben, unb bot
er auch als S'iub
feiner 3eit man»
<j&e mittelalterliche
©cbladfe nicht ab»
ftreifen tonnen, fo
ift Tr. Wartin
SJutber bocb eine
beutfcb» «briftlicbe
£elbengeftalt, wie
bie ©efcbicbte teine
anbere Jennt; fo
ift feine Sebeu»
tuitg bocb fo groß,
baß biefelbe oon
allen ©eiten unb
$u aller on»
erfannt wirb, unb
ift er als beutfdber
Wann bem «an*
3 «n beutfcben Sol!
burcb bie ©nabe
©otteS fo oiel ge»
worben, baß ihn
bieS Sol! nicht fo
fibneß bergeffen
wirb.
Um in edjter
gfeftfreube mitju«
feiern, baju be« aut^runb$rauUrtuia
! barf es feiner £utber»9tnbeterei. Tie bat ber
große ^Reformator felbft gar febr berabfebeut,
i unb eS märe miinfcbenSmertb, wenn gemiffe mit
gor fleineti ©reichen unb großen Wäulcben auS»
! geftattete (Siferer manche ber betreffenben Sraft»
ftellen in SutberS ©ebriften ouSwenbig lernten,
! wie 3 . S. bie, in welcher er fagt: „Siel finb
j ihrer, bie um meinetwillen glauben, aber jene
I finb allein bie reebtfebaffenen, bie bariit bleiben,
ob fie auch höre»
teil, baß i<b eS
felbft wiberriefe
unb abtrete. TaS
finb bie, bie nichts
barnacb fragen,
wie SöfeS, ©räu«
liebes unb©<bänb«
liebes fie hören
con mir ober Don
ben Unfern. Tenn
fit glauben nicht
an ben Cutber,
fonbern an Gbri»
ftuni felbft. TaS
2 l'ort bot fie, unb
fie hoben bas
Söort: ben Sutber
laffen fie fahren,
er fei ein Sub’
ober heilig, ©ott
taun fowobl burcb
Salaam als 3e«
foiam, burcb Sai»
hbont als burcb
Setrum, ja burcb
einen 6 fel leben."
Glicht wahr, baS
beißt febr fräftig
gefproebeu ? aber
echt euangelifcb ift
eS auch, unb bar»
smta. - #i|tn«4, 1498 , um hoben wir es
41
Digitized by v^ooQie
56 Z
Jum #utl)rr*3ul)U3um.
£utycv im 14. 3a$re. — Staubbilb $u ötfenac§.
bergefefet, Wie wir bentt überhaupt in bem Sri»
genben ben $oftor Sutberum meiftenS felbft
reben lajfcn woflen.
2Bir haben nicht im ©inne, eine gelehrte 9lb«
hanblung über ßutherS SBebeutung, übet bie
folgen ber ^Reformation unb unfere barauS ent«
fpriiigenben Pflichten ju liefern. 6§ ift ja ein
©eburtstagsfeft, baS wir feiern, unb ba wollen
Digitized by
Google
jturn |utl)tr°Dubiläum.
563
2*i$er in $cm. 1512,
mir womöglich ein 2ebenS- unb (S^aroJterbilb
beS ©haften unb beS ©olfSmanneS für'S ©olf
entwerfen, unb wo immer tljunlich, ibn f eIbft
reben lajfen.
©eine befannte 2ebenSgefcbichte berühren wir
nur in ihren £>aut>tmomenten, unb flehen fo-
bann j(ur ©barafterfthilberung über, fo wie fleh
biefelbe ans 2utherS eifleneit ©Triften unb 9luS=
faßen erfliebt.
2lm iO. ©obember 1483 würbe bem ©erg-
mann &anS 2uther, wohnhaft stt ©töhra im
SLbüriitger 2anbe, ein ©öbndjen befchert, mäh«
renb er mit ferner (Shefrau auf ben ©tarft nach
©isleben flereijt mar, bas am folflenben, bem
©tartinStag, fletauft mürbe unb ben tarnen
3J?artin erhielt. @(hli(ht unb recht würbe ber
kleine ju ©lansfelb, wo bie ©Item fich halb
nach ©tartinS ©eburt nieberließen, erjogen.
©iel 3ueferbrot hofs nicht flefleben, unb bie
fRuthe mar, wenn nötbifl, auch nicht müßig.
2uther felbft faflt: „©teilt ©ater fiäupte mid)
einmal fo fehr, baß ich ihn floh unb warb ihm
flram, bis er mich mieber ju fich gewöhnte. SDie
©lütter fiäupte mich einmal um einer geringen
©ttf} willen, baß ba§ ©lut barnach flofe."
3n ber ©chule, wo ©lartin fleißig lernte.
Warb er ebenfalls nicht bermöhnt. 3fn ©ifencnb,
wo er bie lateinifctje ©chule befuchte, ging e§ bem
Knaben tümmerlich unb er mußte. Wie fo manch
anberer, um fein ©rot fingen, ober wie er felbft
faflt — „panem propter deum (©rot um ©ot-
•teS willen) fchreien." „©erachte mir feiner,"
faflte 2utber fpciter einmal, „bie ©efeHen, bie
ttor ber 2bür ben ©rotreiflen fingen, ©in auch
fotch ©artefen=£)engft flewefen unb nun bahin
fommen, baß ich nicht wollte mit bem tiirüfdjen
ffaifer taufchen." ®ie fromme Urfttla ©otta
nahm ihn enblich in ihr $auS auf, unb jeßt
hatte eS ©tartinus flut.
Slnno 1501 fanbten ihn bie ©Item nach Er¬
furt, wo er bie SRecbtSgelehrfamfeit ftubiren
foDte. fleißig wie immer, befieht er fich einmal
auf ber ©ibliotbef bie ©üdjer, unb fommt ba
über eine tateinifdje Sibel, bie er borßer nie ge¬
feiten. 2)ie bietet ©peife für fein hungrig ^erj,
unb er lieft fie bon Anfang ju ©nbe burch, ber-
Digitized by v^ooQie
564
Jum #utljer=,3ubil8um.
grunWbcrg unb Sutfcr. — 9tctc$*tag in ©ormS, 17. Styril 1521.
fäumt aber feine ©tubien.nidjt, unb wirb fdjon
1505 ©iagifter bet freien fünfte, alfo im
22. CebenSjabre. Sine ftraufbeit bringt ibn
auf anbere ©ebanfen. ©iit ber ^urifterei roiü’S
Con ba an nicfet mehr oorwärtS, unb er gebt in§
Sluguftinertlofter ju Srfurt, wo er |id) mit
ftrenger grömmigteit bie ©eiigfeit ju oerbienen
geöaditc. ®a muhte ficb nun ber ©ruber ©iar*
tinuS „hart aber »ergeblidj ab, ein febenbiger
heiliger ju werben," obwohl er neben bem
stlofterbienft auch fleißig in ber ©ibel la§. 9tu<b
ba§ Sßittenberger fit oft er, wobin ibn $r. ©tau«
biß, nadjbcni ©r. SWartinuS bie ©riefterweibe
empfangen, braute, „tbat ibm fein gut." 9todj
Weniger bie Steife nad) Stom, bie er in CrbenS*
angeiegenbeiten unternahm. Unb bod) biente
Digitized by v^,ooQLe
$um futljrr=3ubiläuin.
565
biefe Deife bagu, baS e^rtict)e $erg gur ©ntfdjei«
bung gu bringen. @S warb ißm guoiel; «nb
unter ad beut Sieffelefen unb firc^tidjen großn«
bienjt rief if)in eine innere Stimme fortroährenb
gu: „Der ©eredjte toirb feineg ©tauben» le6en."
Dies ©ort warb fortan ber ©ahlfprucß feineg
fiebenS, unb groeifelnb an Dom, feljrte er oon
bort tjeim. Die Doftorroürbe, mit meldjer mau
ißn beehrte, hob biefen 3 rof 'fei nicht, unb atg
Anno 1517 ber 2eßel ing fianb tarn unb feine
Ablaßgettel oertaufte, ba tonnte fich fiuther, ber
in ©ittenberg Stabtpfarrer ae-
toorben unb in hohem Anfepen
ftanb, nicht mehr hotten. 3uerji
begann er gegen baS Ablaßmefen
„fäuberlidj gu prebigen," unb alg
baS nichts half» entfdhloß fich
fiuther, „in bie große Saute ein
fiod) gu machen."
Dun mürbe ber Reformator
fchnetl oon einem Schritt gum
anbern gegrouttgen, unb ohne
baß er es anfänglich gemoflt
hätte, enbtich genöttjigt, ben
Sruch mit Dom gu ooügieljen.
Am 31. Ottober 1517 fchtug
er bie berühmten 95 Säße
an ber Scßloßfirche gu ©itten«
berg an; im April 1518 Der«
theibigte er biefelbcn gu fjeibel«
berg tn einer Disputation; im
Ottober bejfetben Jahres oer«
focht er bie Sache beS ©oange-
IiumS oor bem päpftlichen 91b»
aefanbten .ff a je tan gu Augsburg.
3m 3ahre 1519 dielt er bie
Disputation mit ©cf in Seipgig.
Darauf folgte bie päpftliche
Sannbutle, bie Sutper am 10.
Degember 1520 oor bem ©tfter»
thor in ©ittenberg oerbrannte,
unb baS 3ohr barauf oor Sfaifer
unb Deich (April 1521) für ben
eoangelifdjen (Stauben ein folcp
mächtig 3 e ugniß abtegte, baß
ber DeicpStag gu ©ormS oon Sielen als ber
(Geburtstag ber eoangelifchen Itirche DeutfchlanbS
betrachtet roirb.
^ebenfalls mar jeßt ber Sruch oerfiegelt. Siele
dürften, (Grafen unb Herren, ©eiehrte bon
hohem Stuf unb ^»unberttaufenbe aus bem Solt
roaren Anhänger ber Deformation geroorben.
Stuf feinem SatmoS, ber ©artburg, arbeitete
fiuther ein 3apr lang an ber Ueberfeßung beS
Deuen DeftamenteS unb anbern Schriften, oer«
heirathete fich 1525 mit Katharina oon Sora unb
mirfte bis gu feinem feligen ©nbe (18. fjeb. 1546)
unermüblich unb mithilfe oieler Stitnrbeiter für
Ausbreitung unb Sefejtigung ber Deformation.
I.-
fragen mir nun, maS ber ©runbton biefeS
reifen, folgenfcproeren fiebenS geroefen, fo lau«
tet bie Antwort: „DichtS anbereS, als f e u r i«
ger, unerfchütter lieber © lau benS«
m ut h"
3eneS gefchichttich benfmürbige ©ort, baS ber
Deformator bem Deichstag gu ©ormS gurief:
„f>ier ftt'he ich, i<h fattn nicht anberS, ©ott helfe
mir, Amen!" begegnet bie £auptcparatteriftif
auf ber ©arthm*. — 1W1—15W.
feines ©efcnS. Das, mornit fiuther ben ©lauben
bezeichnet, baß berfelbe nichts anbereS, benn „bie
©ahrheit im bergen fei, baS ift, baß bas £>erg Oon
©ott nicht anberS benft noch hält, benn roie in ber
©afjrbeit nach feinem ©orte gu benten unb gu
halten ifh" baS hat biefer ©otteSmann in feinem
gangen fieben befräftigt. Durch ben ©lauben
in (fbrifto feft gemurgelt unb gegrünbet, mar
Dr. fiuther oon einem nnerfcbütterlidjen ©ott»
oertrauen befeelt, baS nid>t roenig gum ©rfolg
ber Deformation beitrug, unb ihn in ben ichroie«
rigften fingen ben richtigen ©eg treffen ließ.
AIS man g. S. Sebenten auSfprad), ob er auch
in Augsburg fidjer fein toerbe, roohin er gut
Digitized by v^ooQie
566
$um futher=>3ubiläum.
33erantmortung Dor Kajetan gerufen mürbe,
antroortete er: „SEBaS tann ich Derlieren? «IRein
4?auS ift befteöt; eS ift nocf) übrig ber fchmache
unb gebrechliche Seih; nehmen fie biefen,.fo roer=
ben fie mich etma um groei ober eine SebenSftunbe
ärmer machen; bie ©eele aber merben fie mir
nicht nehmen. «Dtit bem SEobe ift bas (Soonge-
Iium erlauft, mit bem SEobe ift eS geprebigt,
burcp ben SEob ift es befiegelt morben, burch ben
Üob muff eS auch erhalten merben."
2ut$er tritt in ben «$eftonb. 18. Suni 1525.
6he er nach SBormS ging, mornten Diele feiner
tfreunbe. 6t aber fpradj: „2Benn ich berufen
merbe, fo miü ich, fo Diel an mir ift mich eher
!rant hinführen taffen, falls ich nicht gefunb tom«
men fönnte; moüen fie bie «Sache mit ©emalt
hanbeln, fo ift fie ©ott befohlen. SDer lebet unb
herrfdjt noch, ber bie brei fölänner im feurigen
Ofen erholten. SCßiD er mich ober nicht erholten,
fo ift’S um meinen ffopf eine gor fdjlechte ©a<he."
SBieberum fprach er: „2öenn fie gleich ein ffeuer
mochten groifdjen SBormS unb SBittenberg bis
on ben £>immel hinan, fo miü ich bodj, meil ich
geforbert bin, bem SBehemotb in fein SRaul groi-
fcheit bie großen Sühne treten, ©htiftum beten*
nen unb benfelben malten loffen."
2)nS ift ber Wann, ber aus berfelben Duelle
herouS fein unfterblicb „©ott helfe mir" Dor
ffoifer unb (Reich fpredjen tonnte.
«Rachbem er ein Sohr auf ber Sönrtburg gu»
gebraut unb bie ©chroarmgeifter Unglüd onge«
richtet, tritt er mit bemfelben «Dhitlje aus feiner
fieberen Surg berbor, inbem er
an feinen ffurfiirften fchreibt:
„9luS Siebe gu 6urer ff urf iirftl.
©noben höbe ich biefcS Sohr
mich einfdjliehen (offen: ouS
«Roth ober beS eigenen ©emif-
fenS, bo bei längerer «Rachgie»
bigfeit boS ©Dangelium ernie*
brigt mirb unb ber Teufel ben
spiafc einnimmt, rno ich ihm
länger auch nur eine $anb
breit meiepe, muh ich ein onbe«
res bagu thun unb menii’S neun
SEage eitel $ergog ©eorgen reg¬
nete." (£ergog ©eorg Don
©adpfen mor Sutper’S erbittet-
ter fjeinb.)
©ott gmingt unb ruft," fogt
er, „unb bie Urfache bringt;
eS mu$ unb mid olfo fein: fo
fei eS olfo im «Romen 3efu
©hrifti, beS &errn über Sehen
unb Job."
II.
Obmobl ober biefe Sofung
beS unerfchütterlichften ©lau«
benSmutheS fein ganges Sehen
leitet, fo ift berfelbe bodh ouep in
2)r. «ÖtortinuS mit tiublidhet
Oemuth gepaart gemefen.
©o unDermüftlich er auch on
ber Don ihm erfonnteu SBobr-
heit oft bis gum SEtofc fefthielt,
fo Kein unb beniütpig tonnte
er Dor ©ott fein. „3<h beborf
eS oft mobl." fdhreibt er einmal,
„bah ein ffinb mit mir rebet.
Solches gefdhieht barum, auf bah mir uns nicht
rühmen tonnen, als mären mir feibft mächtig
genug, uns gu helfen unb gu beftefjen, fonbern
bah bie ffraft €|rifti in uns gerühmt unb ge-
priefen merbe. Storum muh weit oft einet hel¬
fen, ber im gangen Seihe nicht fo Diel Sheoloaiam
hot, als ich in einem Ringer höbe, auf baff ich
lerne, bah ich ohne ©htiftum nichts Dermöge."
©elbft bem ißapft gegenüber tonnte erjumei«
len fein beinüthig bleiben unb fchrieb gu «iifang
beS ffirdhenftreiteS on ihn: „Sch begeuge Dor
—Digitized by
Google
$um #utljer=,3ubiläum.
667
©ott unb allen fheaturen, baß ich nie willens
gewefen, noch heutigen SageS bin, baß id) mit
mit ©mft hätte borgefeßet, bet römif 4 en Äircße
unb (Surer Weiligfeit ©ewalt auf einerlei 2Beife
anjuareifen, ober mit itgenb einer ßift etwas
abjubrechen."
„Unfer ©ott," fagt er ein anbermal, „ift ein
©ott ber fiebrigen unb Semüthigen. Straft
wirb in © 4 nw 4 heit ftarf, wenn wir nicht f 4 wa 4
in biefen jämmerlichen unb gefährlichen 3 eiten.
(Sr nährt aber biefelbe ohne Unterlaß burcfctäg*
ließe Betrachtung unb Uebung in ©otteS Söort.
(Sr läfjet leinen Sag borübergehen, baß er nicht
minbeftenS brei ©tunben, unb jtoar bie, welche
311 m Stubiren am paffenbften finb, auf’s ©ebet
oermenbet. (Sinmat qliicfte es mir, baß ich ihn
beten hörte, ©uter ©ott, welch’ ein ©tauben
War in feinen SBorten. '34 weiß/ fügte er.
$r. SDlartimi«,
wären, fo müroen wir ftolj; er fann feine Straft
nicht betoeifen, benn in ber Schwachheit."
m.
Sie Quelle aus welcher Sutber foldj bemüthig*
glaubenSmuthigeS Sehen nährte, ift bas ©ebet
unb baS 2Bort ©otteS. 2Bel<h ein Beter er
gewefen ift, bafür liegen biele Seugntffe bor.
So 3 . B. feßreibt ber fütagifter Beit Sietrich an
fDlelancßton: „34 fann nicht genug bewunbern
bie auSnebmenbe ©tanbhaftigleit, bie Weiterleit,
ben ©tauben unb bie {wffnung biefeS BtanneS
b© Äiitberframb.
'baß bu unfer ©ott unb Bater bift; alfo bin ich
gewiß, baß bu bie Berfolger beiner Stinber wirft
31 t ©4anben ma4en ; thuft bu’S ni4t, fo ift bie
©efaßr bein unb unfer allzumal; bein ift biefer
ganse Wanbel, wir finb baoon gegangen, weil
Wir wußten, barum woQeft bu ihn bertßeibigen."
Belannt ift, wie Sutßer bie Ba4t oor bem
Dtei4stag 3 U UBormS im ©ebet 3ubra4te. „9111»
nötiger, ewiger ©ott" fpta4 er, „wie ift eS
ein arm Sing um bie 2 Beit! 2Bie fperrt fie ben
Seuten bie TOäuler auf? SEBie flein nnb gering
ift baS Bertrauen ber Btenf4en auf ©ott-
-. 214 ©ott, 0 , bu mein ©ott! bu mein
Digitized by v^ooQie
568
3um #ut^er*3ttbiliium.
©ott! ftef)e bu mir bei miber aller ©eit Ser«
nunft unb 2ßei§beit. Stjue es! bu mußt e§
tljun! bu aßein! 3ft e§ bocb nicht meine, fon«
berit beine ©a*e; habe ich hoch für meine Ser«
fon hier nichts ju flauen, unb mit biefen großen
f>erren ber ©eit ju tljun. ©oßte ich bo* au*
toohl gute, geruhige Stage haben unb unoerroor«
ten fein. Slber bein ift bie Sache, £>err 1 bie
gerecht unb ernig ift! Stehe mir bei, bu treuer
Solche ©ebetsfreubigfeit unb ©rhörungsge«
mif*«it tourben genährt bur* bie ftete ®ef*äf«
a mit bem ©orte ©otteS. ©ie fejt er in
. ben ftanb, mie biel Äraft unb Stroft au*
in ben brohenbften ©efahren, mie IjeßeS Sicht au*
in ben bunfelften Sagen es ihm fpenbete, babon
jeugen aüe feine Sriefe. ©3 mar ihm mirtli*
baS ©ort be§ lebenbigen ©ottes, baS boß unb
ganj erfüßt roerben muh. fJta* ihm tann ber
£u$a: alt Ratcfyt unb ©c&ulnwfter.
unb emiger ©ott! 3f* berlaffe mi* auf feinen
9 Jlenf*en! ©3 ift umfonft unb bergebenS; e§
hinfet aflcS, roaS f(eif*li* ift unb na* 3?leif*
.f*medt. 0, ©ott, höreft bu ni*t, mein ©ott?
SBiji bu tobt? Stein, bu fannft nicht fterben, bu
berbirgft bi* aflein. £>aft bu mi* baju er«
mählt? i* frage bi*, mie i* es bein geroijj
mein! ©i, fo matte es ©ott!-Unb
foflte mein Scib bariiber 311 ©runb unb Soben,
ja gu Sriimmern gehen! Safür aber bein ©ori
unb ©eift mir gut ift. Sie Seele ift bein, unb
gehört bir ju, unb bleibt au* bir etoig. Simen!
©ott hilf mir! Simen."
©laubige feft barauf bauen, benn ju ihm fpri*t
©ott, um ihn ju ftärfen unb feiner ©nabe gemifj
ju tna*en; ber Ungläubige aber muh baoor Jit¬
tern, benn ihm oerfünbigt es baS ©eri*t. Siefc
alte Sehre mar Sutljer in gleif* unb Slut über»
gegangen mie nur menigen, unbanSbiefer Oueße
ift bie ©Ijarafteriftit feines ©efenS h«rt>orge»
gangen.
IV.
Sin f*meren inneren 3 tnfe*tungen hot e£ bem
Sr. StartinuS aber trofc feines ©laubenSmutheS
DigitizeeHDy
Google , .
Jum fuU)rr«$ubUäum.
569
burdjauS nic^t gefehlt. ffr ^at innere Kämpfe
burchgemacht unb ©flachten geflogen wie wobt
nur wenige Wenfdpn, unb „bet SLeufel feßte ihm
ar hart ju." ffinmal mürbe er auf ber Söart«
urg bon bem Söfen fo hart angefod)ten, baß er
bermeint bat i^n leibhaftig 31t {eben, alfo, baß
et au<b ba§ Tintenfaß genommen unb nach ibnt
geworfen bot. meiner f^lccf noch jeßuitb auf ber
©artburg ju feben ift.
©ehr oft ermudjfen ibm innere Sümpfe bar«
über, bafs bie '-jkebigt bes ffbangeliumS fo wenig
ohne Uebung unb ffrfabrung lernt man nichts,
©t. tßauluS bat auch feinen Teufel gehabt, ber
ihn bat mit Rauften gefd)lagen unb ihn alfo
mit feinen Anfechtungen getrieben, fleißig in ber
heiligen ©d)rift ju ftubiren. Alfo bab’ ich ben
papjt, bie Unioerfitäten unb alle ©elebrten unb
burdj fie ben Teufel felbft am £>alje gehabt, bie
haben mi(b in bte ©bei gejagt, baß ich fie fleißig
gelefen unb bamit ihren regten Sßerftaub enblitb
erlanget habe."
2 >iefeS giunbament, auf bem er unerfd)ütterlicb
»r. Sut$a:, bar 6anflmcifter.
frustete. Unb eines Abenbs fagte ®r. SutljeruS
Aber $ifdj: „Weine prebigt ift nicht« nnbereS,
benn als ging idj burd) einen großen ©alb unb
fdjrie, baß es berroieberbaflt, baß idj bas ffdjo
unb ben 2Bieberfd)ofI hörte; benn ich fefje unb
merfe, baß Aiemanb ben ff hriftum will für einen
errn haben." — Alfo flagte einer ber größten
rebiger aller 3«iten.
$ie Anfechtung mar ihm jebocb eine habe
©djule, auf welcher er gar Diel gelernt. „Sfcß
habe," fagt er, „meine Jheologiam nicht auf ein«
mal gelernt, fonbern habe immer tiefer unb tie«
fer grübeln müffen. $03u haben mich meine
SJerfiidjungen unb Anfechtungen gebracht, benn
fleht, oerleibt bem ^Reformator in aß biefen
fchweren fffehben ben rechten fmmor unb acht
d)riftlid)e $eiterfeit. $afiir zeugen Diele feiner
Briefe unb 3 :ifdjgefprädje. Aber bumme ©päße,
feichte ober gar anzügliche ©iße fommen nie
aus feinem Wunbe. ©eine fRcbe bat ©inn unb
Serftnnb. Aud) ift er in feiner gröbli^feit nie
ein Schlemmet gewefen, unb jenen Aeirn, wel«
djer ihm oft in ben Wunb gelegt Wirb: „©er
nicht liebt ©ein, SHBeib unb ©efang, ber bleibt
ein Aarr fein Sehen lang" fiitben wir in feinen
Schriften nicht, iß audh nicht ermiefen, baß er
foldjeS je gefugt. $ie ^kaffer unb ©äufer ha»
ben ißm bas angebicbtet, um bamit ißt wüfteS
Digitized by
Google
570
$um £utljer»3ubiläum.
gn’Ä ©otcr^au«. fiile&en, iS. fje&. 1646.
Treiben 31t bemänteln. Gr liebte ÜOlufifo; aber
e§ roaren ©otteSlieber, bie er fang. Gr genojs
SCßeiu; aber nicht au« Ueberinutb. Gr roar fei«
ner 'Toftorin ftätbe ein treuer, liebeuber ©atte;
aber tein Merroelt«=2öeiberuarr.
V.
9 U§ ^Reformator, ©ibefiiberfefcer, ©cbriftftet«
ler, Grjieber ber 3 ugenb foroie feine« gangen
©olle« bat er einen §(eiB unb aflfeitige Stbiitigfeit
Jum #tither«3ubiläum.
571
entwidelt, bie gerabegu wunderbar gemefen, unb
bie beutlichften Semeife dafür finb, baß Suther
nicht ber „luftige fl 1 um patt" gemefen, als ben ihn
leichtsinnige Sienfchen oft begegnen möchten.
Sie beutfdje Sibelübetfeßung allein ift ein
SBert, baS ein ERenfchenleben ouSfüllen tönnte.
„2Bir arbeiteten," berietet er felbft, „baß mir in
drei Sagen gumeilen taum brei 3 e ^ en lohnten
fertigen, Sieber, nun e§ berbeutfdjet unb bereit
ift, faitn’S ein 3ebet lefen unb meiftern; läuft
Giner jeßt mit ben Elugen durch brei ober toier
Slätter, roirb aber nicht gemahr, welche Sßaden
unb ff (öße ba gelegen finb."
fRebft bem fährieb er unabläffig: tflugfchriften
gur Sfflehr unb Sehr, fjauSpoftilien, einen ffate«
djiSmuS, roie an Straft unb Soltsthümliähteit
fein anberer boranfteht u. f. m.
Sie SDfufifa hat Suther nicht blo§ hoch ge»
halten, fonbern fanb auch 3eit, biefelbe 511 trei»
ben, unb hat mehrere ber berrlidjflcn Äfernlieber
ber eoangelifdhen ffirdfe gebiähtet. „Sie Stufifa,"
fäßreibt er, „ift halbe Sucht unb Suddmeifierin,
fo bie Seute gelinber, fanftmüthiger, fittfamer,
oerniinftiger macht, Stan muß biefe gute, feine
ffunft in ben Schulen behalten. Gin Schul»
meifter muß fingen föttnen, fonfl (ehe ich ihn
nicht an. ftötan foll auch junge EWänner gurn
ißrebigtamt nicht oerorbnen, fie hoben fich benn
in ber Schule wohl öerfuäht unb geübt, fonber«
lieh in ber ffunft gu reben unb gu fingen."
©ott ber £err hat auch in biefer Sichtung
feine Arbeit reichlich gefegnet, unb heute noch
fingt bie Gßrißenheit: „Gin fefte Surg;" „3luS
tiefer Sott);" „S0111 Fimmel hoch" 2c.
Somit Sibel, ffatechiSmuS unb Sieber recht
ins Soll hinein Kirnen, hat fich 2>r. Suther ber
Schulen mit großem gleiße angenommen, unb
biele Sdjul= unb ffirepenpifitationen gehalten,
unb auch ein Süchlein gefchrieben, welches anbe»
ren Sifitatoren Einleitung ertßeilte. Unb fchon
tut 3ahre 1530 fonnte er an ben ffurfürßen
fchreiben: „Gs wäcpfet jeßunb baher bie garte
Siigenb bon ffnäblein unb EJtägblein mit bem
ffatechiSmuS unb ber Sdjrift tnohl gugerichtet,
baß mir’S in meinem bergen fanft thut! baß ich
fehen mag, wie jeßt junge ffnäblein unb ERägb«
lein mehr lernen, glauben unb reben fönnen
bon ©ott unb bon Gbtißo, benn guborljin unb
noch alle fflöfter unb Schulen gefonnt haben
unb noch fönnen."
Ellfo iß ber große ERann nicht bloS ber firch»
lidje ^Reformator, fonbern burch feine Schrift«
Seilerei unb Sdjulmeifterei auch ber Grgieljer
feines SolteS geworben, worüber fiep Sebermann
männiglich freuen fottte.
VI.
Snbem Suther in ben Gpeßanb trat, brachte
et bie bon ©ott beftimmte Otbnung wieber gu
Gbreit. Unb hier, in feinem £>eim, bei feiner
ffäthe, unter feinen ffinbern entfaltet fich oft
ber fReichthum feines chriftlichen ©emütheS wie
faum anberswo.
Sr. Schürf meinte gwar, als er bon ber be=
borßepenben $eiratp hörte: „SCßennbiefer ERöndj
ein SBeib nähme, fo mürbe bie gange ÜEBelt unb
ber Seufel felber lachen, unb er ade feine Sache
bamii berberhen." Seither aber fagte im ©egen«
tljeit: „Sie Gngel werben fiep darüber freuen,
unb ber Seufel wirb barüber fauer fehen."
Suther behielt recht. £>eute noch freuen ßch
Gngel unb ERenfchen über baS Ghe» unb Ga»
milieitleben beS ^Reformators. SBelch ein fößlid)
GheßanbSberhältitiß ift baSgmifcheu Suther unb
feiner Softorin ffäthe! EÖelch ein Familien«
bater unb ffinberfreunb ift ber große Steforma»
tor! EBer lernen miß mit ffinbern umgugeben,
muß bei folchen ERenfäpen in bie Schule gehen.
Statt bieler Seifpiele dafür, wie echt tinblid)
Sr. ERartiiucS mit unb unter ffinbern Wat,
feßen wir einen Sßeil beS befannten SriefeS an
fein ©änSdjen, ben er bon ber Sefte ffoburg aus
fährieb, her:
„©nabe unb Triebe in Ghrifto, mein liebes
Söhnichen. 3<h felje gerne, wenn du wohl lernft
unb ßeißig beteß. Shu’ alfo, mein Söhniäpen,
unb fahre fort; wenn id» heim fomme, miü iäh
bir einen fäpönen Sahrmartt mitbringen.
3<h weiß einen hübfähen lußigen ©arten, ba
gehen biel ffinber innen, haben gülbene fRöcflein
an unb lefen fchöne Elepfel unter ben Säumen
unb Simen, ftirfdjen, Spilling unb Sflaumen;
ftngen, fprinaen unb ßnb fröhlich; haben auch
fchöne Heine Sferblein mit gülbenen Säumen
unb ßlbemen Sätteln. Sa fragte ich ben ERann,
beS ber ©arten iß, weß bie ffinber mären ? Sa
fpraäh er: es ßnb ffinber, bie gern beten, lernen
unb fromm finb. Sa fpraäh ich: Sieber Staun,
ich bab’ auch einen Sohn, heißt 3>änßäben Suther,
möcpt er nicht auch in ben ©arten foinmen, baß
er auch folcp’ fchöne Elepfel unb Simen effen
möchte? Sa fpraäh ber EJtann; wenn er gern
betet, lernt unb fromm ift, foll er auch in ben
©arten tommen ic. k .“
„SaS iß ia eitel ipßantaße," fagt ber hoch¬
gelahrte Sheologe mit bem paßörliäpen Son.
„Sun gut, mein Sieber, fag’S 'mal beinern
11 e i n e n £änß<hen intereffanter, beßer, t i n b«
l i äh wahrer, unb tomm unb ergähle mir, wie
bu’S gemacht haß."
VII.
Gin Ghaiatter mit- fo pielen hellen, liähten
Seiten weiß felbßoerßänbliäb Sähatten auf;
auch im ebelßen, frömmßen ERenfcpenleben ßn«
ben ß<h Schladen. Suther iß leine Ausnahme.
Elber wir feiern heute ja ©eburtstag, ba wollen
wir bie fRungeln nicht ans Sicht sieben. Semertt
Digitized by v^ooQie
572
SteebrngebUebrn.
fei nur, baß bie oft überaus große fteftigleit beS
$r. 3 RartinuS oft feine beften fjfreunbe betrübt
bat, unb er bei feiner ÜJieinungSgeioißpeit oft
berart unb mit folgen Sßorten unb 2baten be¬
harrete, baß bie brüberlicpe Siebe berietet rourbe.
3 m ©anjeit aber jeigt fein Sitb einen ©erecpten,
ber feines ©laubenS lebt. Unb rote fein Sehen,
fo mar auch fein Heimgang in’S SaterpauS.
©ein leßteS üöerf mar ein fjriebensroerf, in«
bem er 1546 in (Sisleben ©treitigfeiten jroifepen
ben ©rafen fDtanSfelb »ermittelte unb auSglicp.
©<pon auf bem SBege bapin fühlte er febr fcproaep
unb mußte in ber ©tabt, ebe bie Serpanblungen
noib niept ganj ju ©nbe roaren, ju 33 ett gebraut
merben. „SßatfS ©ott, i<b gebe ju SÖett," fagte
er. „3n »eine £>änbe befehle iep meinen ©eift,
bu baft mich erlöst, bu treuer ©ott." Unb als
bie ©rafen unb ©räfinnen, bie Werkte unb
Qfreunbe um fein Sett flehen, ba faltet ber ftranfe
bie £änbe unb betet: „0 mein pimmlifeper ®a«
ter, mein ©ott unb Später unfereS £>errn 3 efu
Gprifti, bu £>eilanb »üeS 2 rofteS, up baute bit,
baß bu mir beinen lieben ©obn 3efum Gpriftum
offenbaret baft» an ben i<b glaube, ben idj ge«
prebigt unb befannt hob’, melden ber leibige
ißapft unb alle ©ottlofen fepänben, »erfolgen
unb läftern; iep bitte bi(b, mein £>err 3efu, lab
bir mein ©eetcpen empfohlen fein" u. f. ro.
9 toep einige v)tnl fagt er auf loteinifep: „Slfo
bat ©ott bie 2Belt geliebt, auf baß aüe, bie an
ihn glauben, ni<bt berloren merben, fonbern baS
emige Sehen haben," unb — „Sater, in beine
£>änbe befehle iep meinen ©eift; bu baft mich
erlöfet, bu treuer ©ott," unb bann entfeplief er
in berfelben ©tabt, ba er geboren, unb fein ©eift
ging am 18 . Ofebr. 1546 ju ©ott, bet ihn gege»
ben batte.
$tiduug*Uu(mu
Sou Raufet
Jlanbibat £ioljtein machte brei teilen in ber
9 tunbe aüe tßfarrpäufer unb — Kirchen
elr unficper. ©eit er aus jroingenben unb
petuniären SH iict fiepten bie #auSleprerfteüe beim
öarou £iopl6acp angenommen, mar eS menig«
ftenS fein unauSgefeßteS SBeftreben, ben ©epaben,
ben er in Söejiepung auf feine füuftige Saufbabn
bureb biefe £>auSleprerfcpaft fiep felber angetpan,
in jeber möglichen Söcife auSjitbcffern. 0 a ipm
baäftircpenrecpnungStoefen, bie amtlichen ©cprei=
bereien, ber ftonfirmationSunterriept u. f. ro. ber
SHatur ber ©aepe naep unbefaitnt bleiben mußten,
fo fiupte er fiep roenigftenS fo »iel als möglich im
Sßortrag ju üben unb prebigte frifep brauf loS,
überall, roo ipin.ein Sßfarrer gaftlicp bie ftanjel
einräumte. SJBie ernft er eS mit biefem einen,
ipm mögliepft ju ©ebote ftepenben, ©tüd napm,
beroiefen feine fonntäglicpeit SBefucpe in aüen
spfarrpänfern ber Umgegenb. Sßaron ftoplbacp,
fein Sßrinjipal, fcperjte geroöpnlicp fepon am
©onnabeitb früh: „SHun, lieber £err ftanbibat,
ju roclepem 2pore jiepeit ©ie beim morgen früh
aus?" 3 uroeilen aber tpat ber SBaroti gar ein
übriges, ließ ipm ben gutmütpigen ©epeefen fat«
teln, »on bem er mußte, baß er ben ©onntagS»
reiter am '.übmb fidjer unb peil mieber nach £>aufe
tragen merbe, unb erlaubte niept feiten, baß beS
ftaubibaten 3ögling, ber jmölficiprige fturt, auf
feinem 'Poitp mitreiten burfte, namentlich, roenn
ber ftanbibat in ein SßfarrpauS einjufapren ge«
baepte, in bem jüngere ftiaber roaren. 9 llfo mit
tunt Serge.
feinem Sßrinsipal jtanb unfer ftanbibat gut; er
mar auep eine liebe £>aut, patte neben großer
©utmütpigteit »iel SBefonnenpeit, unb roar im
MtagS« roie ©efeüfcpaftsleben juüorfommenb
unb eingepenb. 2öie fepon gefagt, trug er ben
brennenben Sßunfcp in fiep, aufs befte auSgerü«
ftet einft ein Pfarramt anjutreten. ©elbjioer»
ftänbliep prägte biefeS Verlangen ipm einen gro.
ßen fittliepen (Srnft auf, unb ba er einen feften
pofitioen ©runb unter feinen 3?üßen, überbieS
Sjramen mit 9 Zr. 1 beftanben patte, fo gab er
einen ftanbibaien ab, wie er im Suepe ftept.
„Sieber 3 ?reunb, umgeteprt wirb ein ©epup ■
barauS, roenben Sie gefäüigft ben ©epeefen unb
reiten ©ie pier pinauS," fagte laepenb ber Saron,
als ftanbibat £>olftein an einem ©onntag.SDtaien«
morgen in baS leßte erreiepbare unb ipm noch
unbefannte SjßfarrpauS einfallen rooüte, fiep aber
in ber £)immelSgegenb geirrt patte. fÜtit gutem
#umor roanbte er feinen ©epeefen unb trabte,
»on feinem 3<>gling begleitet, naep ber entgegen«
gefeßten SRieptung. ®er leßtere roar meißeitS
bei folcpen Stiften in fepleepter ©emeinfepaft, benn
ber £>err ftanbibat roar »er roeiß »o, fap unb
pörte niepts, unb fturt tonnte als Keiner Jeder
Üteiter naep DerjenSluft mit feinem Sjßonp unge«
roöpnliepe 2ouren ausfüpren unb ungeroöpnliepe
Sffiege roäplen, als §. S. bie ©räben am SGßege,
ber £>ert ftanbibat hätte mit beftem SDBijfen »or«
fommenben 0 aüS befeproören tönnen, baß er
'niepts gefepen'. Slber fein Slbroefenbfein patte
Digitized by v^ooQie
Stedungebliebra.
573
eine ^lücfliö^e (Brenje unb fo langte er benn aucfj
an biefem Waienmorgen p guter 3?tt in ©au*
fenborf au, banb beibe ^Sfetbe }toar etroaS un*
lommentmäßig, iebcwf) lieber an ben Stafetpun, -
ber ben Slumengarten oor bem Sfarrbaufe ein*
friebigte, gabelte glüdlid) baS ©tubemnäbeben
auf, bie ebenfo unfommentmäßig Oeppicbe auf
bem ©elänber bet Sortreppe flopfte, bänbigte
ihr feine ftarte ein, birigirte fürforglicb feinen
Keinen Segleiter pm 2luSruben auf eine ©arten*
baut unb ging mit langen Schritten pnfdjen
beit Slumenbeeten auf unb ab. 3unäd)ft machte
er Toilette, war eben babei bie Uöefte, bie beim
9titt in bie ©öbe gerutfe^t, orbentlich Runter
hi jiepen, als ein fjrauentopf fidj lächelnb Dom
öfenfter prüdbog, um bem Öoilettenfünftler bie
Seriegenbeit p erfparen, falls er etwa auffeben
füllte. Seiber mar biefe Sorficbt p fpät gefom»
men, benn bet ilanbibat butte mit einem Sier«
telsblict botb ben fffrauentopf gefeljen unb mar
nun in einiger Seforgniß als ein eitler Utarr an*
aefeben p werben. 35a aber in biefem 2lugen*
blief ber Sfurrberr auf ber Schwelle beS ©aufeS
erfdbien unb ibm einen belieben guten Worgen
jurief unb na<b Sraucb bie fRedjte entgegen*
ftredte, aud) berfidjerte, baß er ibm Durchaus
ni<bt mehr unbefannt fei, fonbern ibn Don ©ö*
renfagen fenne, ba oergaß er gliicflitberroeife fein
Walbeur, baebte auch fpäter nicht tnebr baran,
als er nun gar in einem Äorbftubl am ffaffee*
tifcb neben ber ©auSfrau fafe. 2l(IerbingS gingS
für einen Woment burdj feine Seele, baff er bie»
fen Äopf bereits am fünfter geflaut, aber, wie
gefügt, im näcbften Woment mar ber unliebfame
Sorfall glüdlicb Dergeffen. 3)ann faß er in
einem alten Seichtftubt hinter bem Elitäre in ber
Äirdte unb notirte mit Sleijtift bie fdjönften
©teilen in ber S^ebigt, um nachher mit bem
Sfarrberrn barüber fpredjen p tbnnen. Unb
bann faß er roieber im 5$amilien}immer neben
ber ©auSfrau unb roanbelte etroaS fpäter mit bem
Saure bie feböne alte SinbenaHee beS großen
Pfarrgartens auf unb ab, roäbrenb ftrißdjen, I
beS Pfarrers achtjähriger ©obn, mit .ffurt biete
• fjreunbfcbaft fd^loß. 21 uf biefer Sromenabe
faßte ficb unfer ffanbibat benn auch ein ©er},
ben Sfurrberrn um bie S?ait}el an irgenb einem
Sonntage }u bitten, roas jener liebenSroürbig
}ufagte. Oie Sonne ging unter, als ber San*
bibat mit feinem Segleiter ben ©eimmeg antrat.
2 Bar er auf feinem, ©erritt fdjroeigfam geroefen,
fo mar er es jeßt erft recht, er mar gan} entpdt
Don biefer neuen Setanntfdjaft unb fchroelgte
förmlich in ber Erinnerung. 35aS mußte er,
baß wenn et ft<b einjt unter ben Pächtern beS
SanbeS umfeße, nur bie ©nabe Dor feinen 2tugen
fittbe, bie biefer 3?rau in ©aufenborf gleiche.
Er batte im Saufe beS ÜageS unb ©efpräd)S
nic^t btoS fein ganjeS ©er} mit allem 2Bünf<ben
unb ©offen ihr DertrauenSDoH geöffnet, fonbern
auch fein tbeologifcbeS ©laubenSbefenntniß ab*
gelegt unb batte foldj eingebenbeS unb feines,
! }arteS Serftänbniß bei ihr gefunben. ©ie mar,
j mit ©eine }u rebett, roie eine Slume fo bolb, fo
. lieb unb fdjön, fie mar mehr: mar roie eine
1 Sonne, beren ©trabten wärmen unb ftrüdjte
1 }eitigen. 2Bobl bem ©aufe, baS }um Wittel*
, punit ein folch geflärteS, fefteS unb fixeres ©er}
bat! SSobl bem Wanne, ber folchen Sdjaß fein
eigen nennt, unb bejfen ©aus folchen ©cbmud
aüf}uroeifen bat! — Ünroillfürltdb brürfte er bie
©chenfel an fein 9toß unb gab im ©alboergeffen
bem Scheden einen unbermutbeten Schlag mit ber
Seitgerte gerabe }roif<hen bie Obren, roo entfdjie*
ben fein balbtoegS Derftänbiger Seiter binfehlägt,
roaS benn ben Scheden bermaßen in Aufregung
Derfeßte, baß er mehrere fogenannte Sodfprünge
machte, bann aber ben Äopf upifchen bie Sorber*
beine nahm unb mit feinem weiter babin faujte
unb nicht eher ©alt machte, als bis er fchnanfenb
bor feiner befannten ©talltbüre jianb. Er batte
fi<b biefe? treulofen Schlages }Wif<hen bie Obren
unb falfchen ©cbenfelbrudS entfdjieben nicht Der*
feben, batte gemächlich getrottet, roobl proeilen
einmal ben $opf gehoben unb bem Soup berlan*
genb nachgeroiebert, als fturt, beS träumerifeben,
Iangfamen ütitteS mübe, flott DorauS trabte,
batte Dom gelben ©afer geträumt, ben ihm bet
©taüpetev auSnabmSroeife bieSmal reiflich in
bie Grippe fchüttete, unb mar eben babei gerne»
fen, in Inbetracht ber reichlichen ©aferportion,
fi<h mit feinem Sfetbelofe auSpföpnen, als ihn
ber tüdifebe Schlag traf. 3)er Saron hätte roobl
taufenb Obaler rtidbt fo lieb genommen, als fei.
nen .Qanbibaten willenlos auf bem fonft fo gut«
mütbigen Scheden baberfaufen }u feben. OaS
fluge fftof; aber fpißte bie Obren, als ber Stall*
peter es in Empfang nahm, fab prüfenb feine
9tafe entlang unb in bie Sfrippe, ob bie freunb«
liehen Silber Don ber ©aferportion auch nicht
bloß ©atlucination geroefen unb fdjrotete bann
tapfer barnuf loS. Oa rebe noch einer Don ber
Unoernunft ber $biete.
fftur einige SBocben hielt e§ ber Äanbibat aus,
es }og ihn mächtig nach ©aufenborf. 2llS eines
OageS im $uni ©eburtStagStuchen für Äurt ge*
baden rourben, unb auf SBunfdj beS SaronS ber
3 unge beute einen fdjulfreien Öag haben foHte,
ba glaubte ber .ffanbibat biefen ffferientag nicht
beffer anroenben }u fönnen, als inbem er nach
I ©aufenborf pilgerte. Et fam im glübenben
Sonnenbranbe an feinem 3'efe an unb — fanb
I baS ©aus berfdjloffen. Oie beiben Wägbe jäteten
1 im ©emüfegarten Untraut, auf fein Sefragen
befam er ben Sefdjeib, baß bie ©errf(haften aus*
i gefahren feien, bie Jfinber mitgenommen hätten,
imb in ber fpäten Wittagsftunbe bfimtebren
mürben. Er mehrte ab, als baS Wäbchen ihm
Digitized by v^ooQie
674
Stafcntgrblifbnt.
baS £au 5 auffchliehen wollte, unb meinte, et
*iehe eine ©artenbant braußen unb bie fc^attige
Sinbenatlee bet ©tube bor. Oa8 hotte er fo im
Seidjtfinn hingemorfen, nicht bebentenb, baf? in
ber StittagS3eit nach einer gujjmanberung Pon
anbertholb Steilen unb mit einer SBartejeit bon
brei Stunbeu bor fich ein tüljleS 3 immer, baju
baffenbe Settüre, biefleidjt noch flat ein jur Ser*
fügung ftehenbes ©opha eine begehrenswerte
Sache fei. ©enug, als er einige 3 e 't auf ber
©artenbaii! geruht batte, mar S ibm, als um»
nebele Schlaf feine Sinne, mit taffem < 5 nt*
fdjluh fcbüttelte er ben Sann bon fich unb träumte
fich in bie 3 «U hinein, menn er &auS unb £>of
haben mürbe. Stber all bie frönen träume unb
Shatitafieen tonnten ihn ni(f)t bot ber HRübigfeit
retten, er fab fi<b bem ©<hlafe bebingunqSloS
preiSgegeben unb befcfjloh nun bod) oernünfttger*
Weife, ben Sro 3 eß im £>aufe bur<h3uma<hen.
5 }aS genfter ber Söobnftube, nach bem ©emüfe.
garten gelegen, ftanb offen, als guter Sturnet
fefcte er ben gufj auf bie borfpringenbe gunba»
mentfante unb im nächften 9 lugenblid fafj er
gefcbidt unb fidler auf bem genftertopfe. OaS
©oplja erfcbien ihm wie ein £>afen unb baS ©e*
!i(ber ber ÜJiägbe hinter ihm brein, wie unfdjut*
bigeS, halb freunbfdjaftlicbeS ©etläff eines ©ei*
benfpifceS. 3 fn f pater StittagSftunbe fuhr bettn
auch glüdlich bie gamilie auf einem Klapper»
wagen mit elenben ©trobgefäfen belegt bot, *ur
tiefen ©ntriiftung unferes Kanbibaten. 9 l(S
echter Kabalier fprang er bienfteifrig herbei, hob
baS fleine breijähtige SieSchen freunbfchaftlich
herunter, mährenb griß, als ein nicht minber
gewanbter Sturner, behenbe über baS SBageitrab
{(eiterte, bann beförberte unfer Kanbibat fein
gbeal jur ©rbe, immer im befchämenben ©efüljl,
baß ein fo elenbes ©efährt für einen Säuern
allenfalls paffenb, aber nimmer für eine Oame
fei. ©r gelobte fich im ©titlen unb bann öffent»
lieh bor ben Ohren beS Sfotrljerrn unb beffen
grau, baß, menn er einmal Sforrer fein würbe,
feine grau nicht anberS, als im Sanba'uer fahren
bürfe unb foüe, maS bem Sfarrer ein über»
legeueS Sächeln abnöthigte unb bie |>auSfrau 311
ber Semerfung bernnläßte, bah ein .Klapper»
wagen lange gut genug fei, worauf fein Sbeal,
wenn möglich, wegen ihrer grensenlofen Se«
fcheibenheit unb ?lnfprud)S(ofigteit noch um
einige gufj höher in feinen Slugen geftiegen
wäre, wenn fie nicht bereits bie allererfie ©tufe
inne gehabt hätte.
Oer Sonntag ftanb alfo fefi, an bem ber
Kanbibat in fjaufenborf prebigen foflte, eS war
ber 3weitfolgenbe, bis baljin würbe er feiner
Sieinung nadj mit ber Ausarbeitung fertig fein;
felig manberte er am Slhenb bie anbertholb Stei*
len 3urüct, ein ©tiid Sieges begleitet öom Sfatr»
herrn unb grißchen; felig ober bielmehr bell he»
friebigenben ©elbftgefühlS manberte er 3U gufj
auch am perabrebeten ©onntag bereits StorgenS
um fieben Uhr in £>aufenborf ein, Kopf unb
fierj boH herrlicher ©ebanfen. 9 t od) - waren ihm
unglüdlicljerweife bie glügel gebunben, tonnte
fein freies Sßort, leinen freien ©ebanten auf ber
Kanjel einflechten, mar tnedjtifch ans Konjept
gebunben, aber bet freie ©ebantenflug mürbe
fdwn burch Uebung fommen, bas mußte er; ge»
lernt hatte er übrigens fein Konjept oorjügltth,
baffelbe ausgearbeitet mit oielem »leih uiib im
Uebrigen wußte er, bah ©ott leinen Oetitfdjen
berläßt. Oen Sfarrer bat er um eingefjenbe
Kritif unb ber Sforrfrau berfidjerte er, bah eine
Semertung über feine Srebigt bon ihren wohl*
moHenben unb berftänbigen Sippen ihm ein
grober ©eminn fein würben. @0 nach allen
©eiten bin wohl borgefehen, beftieg er mit fidje*
rem Schritt bie Kaniel unb hielt in ber 2hat
ohne Koi^ept einen fliehenben freien Sortrag,
ber obenem biefen Soqug bor bielen anbern
Kanbibatenprebigter. hatte, aus einem gläubi*
gen, an feinen |>errn hmgegebenen £erjen su
tommen.
Seudjtenben AugeS, mit gerötljeten SBangen
unb tlopfenbem £>eraen fdjritt er 3Wifdjen bem
©hepaare in ber groben Sinbenaüee auf unb ab,
aitherorbentlich begierig, ihre Kritit ju hören;
er muhte, bah fie in ber £auptfa<he mit ihm 3u»
frieben feien, eine wohlwoflenbe Kritit über
Dtebenpunfte wollte er mit taufenb greuben ent*
gegennehmen. Oer Pfarrer fchmieg hartnädig,
ber Kanbibat tonnte fid)8 fo unb anberS beuten,
er wanbte fich baher ber grau 311, unb bat um
ihr Urtfjeil. ©in feines Sächeln fpielte in ihren
$ügen, maS ebenfalls fo unb anberS gebeutet
werben tonnte; enblidj fagte fie: ,,©ie tragen
einen fchlimnten geinb mit auf bie Kai^el."
Setroffen blidte ber Kanbibat fie an, aber
3Ürnen tonnte er ob biefeS füljnen SusfprncheS
nicht; ber ©ebante, feinen fchlimmften geinb
mit fich auf bie Knn3ei 31t tragen, war ihm ab*
folut neu, er tonnte ihn augenblidlich nirgenbS
unterbringen, muhte entfehieben 3«it gewinnen,
©nblich ftotterte er: „Orüden ©ie fich beftimin»
ter aus."
,,©ie haben 3U biel ©elbjibemußtfein, man
hört, nein, man fieht eS ghnen an, bah ©ie ein
gemachter Staun finb: hoben tüchtig gearbeitet,
bann tüchtig gelernt unb finb fid) bemnht, außer*
bem ein bübfcbeS Organ unb einen fliehenben
Sortrag mitjubringen."
„ 9 tun ja, finb biefe Oinge tabelnSmerth ?"
„Sn fich nicht; fie werben aber 311 einer ©ebulb,
fobalb man fie ins $ei(igthum trägt."
„grau Sforrer," fagte er feljr ernft, unb man
hörte eS bem Klang feiner Stimme an, baß er
innerlich berleßt unb etwas entrüftet mar, bah
fie über Oinge ihm einen Sormurf machte, bie
Digitized by v^ooQie
Stedungrblieben.
675
itt feinen 9lugen ein entfcßiebener $orgug waren,
„grauen-urtheilen nach bem ©efü£»l."
,,9tun feßen Sie, baß Sie eine eingehenbe
(fritif nic^t oertragen," entgegnete bie ^Jfarterin
lacßenb.
„(fritif über pofitibe Oinae feßr woßl; aber
©efiißle, bie in ber Suft fcßweben unb obfolut
ungreifbar fittb, gegen bie bin id) wehrlos."
(ItwaS berftimmt faß bie ©efeflfcßaft beim
SHittagStifcß. Sem guten (tanbibateu mar baS
Seinen näher benn baS Sachen, ber Sßfarrßerr
machte ein ©eficßt, als mode er fagen: man ber»
brennt fidj an Steffeln leicht bie ginger, unb bie
fjauSfrau brachte in ihrem gangen Sefen baS
wart gum 9luSbrud: mem nicht gu rathen, bem
ifi nicht gu helfen. Ser (tanbibat half nachher
aKerbingö butdj feine gefeOige ©emanbtljeit glücf«
lieh über bie Heine immerhin häßliche (tlippe
hinweg, aber einen Stachel behielt er hoch, ber
auch nicht fa gang mich, felbft als ber Ißfarrßerr
bie (taitgel ban heut über brei Soeben ihm gang
bon felber antrug, inbem er an bem Sonntag
nothmenbig oerreifen müffe. SaS mar etroaS
Del für bie Sunbe, bemieS ihm beutlich, baß
ber Pfarrer als ein Sann, bet etroaS bon ber
Sache oerfteht, attberS urtheile.
6r grübelte ben gangen £>eimtoeg über bie
Sorte ber tßiarrfrau nach unb mar fdjließlidj
glüdlicß fo meit gefomnten, mit gutem ©ewiffen
gur SageSorbnung übergehen gu lönnen. 911s er
brei Soeben fpäter am berabrebeten Sonntag,
morgen mieber benfclben Sea ging, fonnte er
orbentlidj über fuß felber lachen, fidj an jenem
Sonntag bon einer grau, menn auch bortreff,
liehen, ja, hinimliidjen grau, aber hoch nur
immer grau, aus ber gafjung gebracht gu fin.
ben. 3m bie grauen fi^en hinter bem Ofen,
mährenb bie SMänner ihre £mut g U gjtorfte tra»
gen müffen, fie faß gemütlich tn ihrer (fireß«
banf unb fritifirte, er mühte fidj auf ber Mangel
ab unb — erntete nach reblicß bergoifenem
Schweiße unb harter Arbeit nichtSfagenbe Sieben
über SelbftbeWußtfein. — Unb Wie foüte er
benn auftreten? tonnte fie ihm baS gefäüigft
nicht auch fugen? foüte er mit fcßlotternben
(tnieen, mit bor Slngft gefträubten paaren bie
(tangel ßinanfteigen unb bie ©eineinbe unten an
jebem Äomma fein £>ergflopfen bernehmeit
iajfen ? Sar er in biefer Situation ©ott unb
ber ©emeinbe wohlgefäüiger? Unmilltürlich
fchritt er rafdjer aus, er mußte, baß feine er.
barmungSlofe (hitiferin baheim fei, fie foüte
heute übergeugt roerben, baß ein tüchtiger «Qcrl
auch tüchtiges gu (elften oermöge, unb bann mit
gutem SRedjt fich bie Seit bon einer geroiffen
|>ölje anfeßen tonne. Sie lebenSmüben langer
unb 3weifler fteeften mo anbers, — baS mußte
er — nicht im frifdjen, arbeitsluftigen unb ar.
beitSträftigen, in bie £)öße fteigenben 9lar, fon=
bem im lebenS» unb alterSmüben Pfarrer, ber
mit gaßnlofem Sunbe abgeftanbene '-ßrebigten
hält, bie Stiemanb feit fahren mehr goutirt, ber
initfammt feinen tßrebigten enlfdßieben in bie
Stumpeltammer getßan werben müßte.
SaS feßabete es, baß Sonntagmorgen war
unb ber fßrebigtftußl feiner im ©otteStjaufe
harrte, baß bie (tireßgängerinnen mit flattern«
ben ftaubenbänbern auf ben Segen fießtbar
mürben, er roanberte mit einer Seit boü ©e.
banten, guter ißläne unb guten, feften 93 or«
fäßen aüein feine Straße, baher pfiff er benn
auch im Uebermaß beS ©efüßlS einen wahren
£>btnnuS, ein Sieb ohne Sorte, baß es meithin
in bie ffornfelber fcßallte unb bie Spaßen auf
ben Seibenbäumen am Sege etwas unruhig
auf« unb abmibpten, unb bann erft babonflogen,
als er in bie blähe tarn, als moüten fie bamit
befunben: gelt, ber tann fein Stüdlein beffer,
als unfereiner, ba müffen wir fdjlecßterbingS baS
gelb räumen.
Unfet (tanbibat ließ bie Selobie „3efuS meine
3uberfidjt" fingen, eine Selobie, bie ihn immer
in ®egeifterung berfeßte, roie er etwas fpäter
berfießerte; auf ber Mangel War er gang unb boü,
bie tßrebigt hatte biele gute ©ebanten als (fern,
unb als Umfleibung eine anfehnlicße £>iiüe oon
tßeologifchen gloSfeln, WaS man im gewöhnlichen
Sehen ßöcßft profan mit Südenbiißer gu begeieß.
nen pflegt; gliidlicßerweife arbeitete er fieß bann
wieber fo meit bureß, um eine padenbe Steüe
auch mit paefenber ©ewaIt barlegen gu tönnen.
Sieber manbertett fie unter ben Sinben auf
unb ab, nur mit bem Unterfcßieb, baß heute ber
Sritte, ber Pfarrer, fehlte, unb toieber tummelte
bie grau ihren unglücflidten ©aul, fagte (ein
SterbenSroörtcßen oon ben überaus feßöuen, fa,
gewaltigen Steüen, bon feiner populären 9(rt gu
reben, betonte nur immer mieber baS ausgeprägte
SelbftbeWußtfein unb berjiieg fieß fogar gu bem
beleibigenben SluSruf: „Schabe!" — Sie boeß
grauen eigenfinnig fein fönnen, nach SSernunft«
grünben feinen Sreier fragen! — -freute riß benn
auch unferem Ifanbibaten bie ©ebulb, er warf
bie ißm gur gmeiten Statur geworbene fröflicßfeit
unb ben feinen Ülnftanb faft mit einem fernigen
glucße hinter fieß, unb leßrte bie fleiue fuper.
finge grau SoreS. Oer heilige 3 ortI über bie
förmliche Sefubeluug feiner ©eifteSarbeit leuch«
tete auS feinen 9lugen, als er fcßließlid) ben leß«
ten Orumpf auSfpielte unb beräcßtlich fagte:
„@S ift, wie ich feßon neulich betonte, feßr fcßliinm
mit grauen ftreiten, weil fie nicht logifcß beiden
fönnen; fie bewegen fieß in nebelhaften, unbe«
ftimmten ©efüßlen unb holten bann baran feft
mit einer 3äßigleit, bie einen flaren .Vf opf ge«
rabegu in 93ergmeiflung bringen fann. 93on ben
gebilbeten grauen abgefeßen, ift es mir übrigens
giemlicß egal, bon ben alten Seibern ungünftig
Digitized by v^ooQie
676
Steffeengebluben.
beurteilt gu werben, finge dünner werben
fdjliefslich guftimmen."
„|)alt, wein grcunb," faßte ihn nun bie Heine
grau energifch an, „Sie finb in bic giften ge«
rannt, bon ba ift erft recht fein Ausweg, nur
Umfeijr; ber Srebiger prebigt faft nur Dor
grauen, (offen bie ihn fallen, bann ift’S fcf)limm
um ihn befteüt, unb was bie „flugen SJfänner"
anbetrifft, fo fteljtS fejt, bafj, wenn fie einmal
in bie Kirche gehen, fie nicht bie Sßahtnehmung
machen motlen, bafj ber Swbiger auf ber Mangel
noch fllüget als fie, alfo allen über ift, fonbern,
baß fie fich erbauen Wollen, hingehen, um angu»
beten. SSßenn aber ber fluge Srebiger mit jeher
fDfiene gu erfennen giebt: Seht, was ihr für
einen tüchtigen Äerl habt, ber fann fich fehen
lajfen, bann erbaut es nicht bie ©emeinbe, fon*
bern eS hinbert, ftört, unb aus bem ©egen ift
unbermerft ein gluch geworben, ©ott aber
fchwört, baß er feinen Aubm feinem ©ößcn lajfe
— ©ie, &err ßanbibat, finb ghr eigener ©öße,
laffen ©ie bon fich ab unb gehen ©ie niebrig
herein, bann wirb #immelsthau gum ©egen ber
unter ihnen fißenben ©emeinbe aus ihrer $rebigt
herniebetfaüen."
Gr fagtc fchon längft fein SGßort -mehr, hörte
nur fchweigenb, mit einem tief berleßten Oulber»
gefixt bie gange ©uabe an, bann unb wann nur
f llitt ein halb fpöttifcher 3ug, gerabe wie April,
onnenfdhein, über fein ©efidjt. Siit grofeem
©efchicf brachte er feine ©efäljrtin auf ein anbe«
teS Schema. #err ©ott, ber Schöpfer, hat wahr¬
lich baS Stanto an SerftanbeSträften bei ben
grauen mit 3 ungengeläufigfeit ausgeglichen!
GS mar in ber Stichaelgeit, als ber ^ßaftor in
£aufenborf unferem Äanbibaten auf beffen
innige Sitten 311 m brittenmal bie Mangel ein»
räumte. Oie Kirche War boH, benn bte 9teu«
fonfirmirten gingen heut« gum erjtenmal mit
Gltern unb ©eicpmiftern gum heiligen Abenb«
mahl. Oer ftanbibat .oerficherte bem Sfarr«
herrn, baß eS eine 2 uft fei, in einer bollen Sfirthe
gu prebigen. Als er ben Storgentaffee getrun«
len, promenirte er, feine Srebigt 3 um lefctenmal
memorirenb, in ber betannten Sinbenaüee.
3 war hatte am Haffeetifdj, als bie SRebe auf
gut ausgearbeitete unb gut memorirte Srebigten
fam, bie ©auSfrau in ihrer Art roieber fo einen
unoerbaulichen Srocten fjingemorfen, hatte, alles
Wiffen moüenb, fehr übergeugenb gejagt, als er
ergählte, baß er bie ©auptftellen feiner ^ßrcbiflt
noch einmal in ber ©afriftei burchncbme: ,,©e«
brauchen ©ie fiinftig in ber ©atriftei ben Set«
fcpemel, baS .Qougept mag ruhig in ber Sibel
liegen bleiben"—aber was machte er fidj batauS,
Was trauen fagen, unb märe eS felbft biefe grau.
— Söahrettb er bahinwanbcrte, Jam eine gang
gewaltig feierliche Stimmung über ihn, er möchte
nicht biojj in ber Sfirdjie, er mochte am liebften
ber gangen ÜBelt, 8 uft unb Grbe, ia, ben Sögeln
unter bem Fimmel mit bereoten Sippen berfün*
ben: „©rofj ift ber %ame beS &errn 3ebaoth !*
3n biefer gehobenen Stimmung ging er gut
$ir<he, erwartete ben Sfarrer, in ber ©afriftei
auf« unb abgehenb, wenn jener oon ber Abhal¬
tung ber Siturgie gurücffehren würbe. 3n biefer
gehobenen Stimmung griff er noch einmal nach
bem $ongept, obwohl jeher SoffuS bereits in fein
©ebächtniß wie eingegraben war. 3u Diel beS
©uten lonnte man nie tljun. (Der Setfcbemel
mit bem ffrugifij am ßintergrunbe ber Sföanb
blieb unberührt. Orgel unb ©emeinbe ftimmten
mieber bie Stelobie „3efuS meine 3uoerfidht" an,
unter beffen Sflängen unfer ftanbibat faft wie
jauchgenb bie Jfangeltreppe hinanfliea. OaS
Äongept lag ftcherheitshalber in bet aufgefdjla«
genen Sibel auf ber ftangelbrüfhing, aber er
mar nun, ©ott fei OanJ, fo weit gefdjult, um eS
nicht mehr gu braunen. Sur bem GingangS«
gebet merJte man bie gehobene Stimmung beS
SrebigerS nicht an: bie Heine grau im Sfare.
fiuhl fchalt es in ihrem ©ergen fogar „lebern,"
unb ber Sforrherr im alten Seichtftuhl mur«
melte „ift nicht maS;" aber als erft ber SEejt Der«
lefen war, ba raufchte feine Siebe wie ein Sera»
firom, baS Jtongept mar halb öergeffen, Dielmehr
überflügelt, neue ©ebanten ftrömten gu, neue
Silber, bie alle untergebracht fein wollten, er
fonnte fich beS Materials taum erwehren. Unb
nun Jam er in ben ©eelenguftanb eines hört«
gefottenen ©ünberS, auch etwas, maSaar nicht
im $ongept ftanb, aber er mar faft Sieifter in
ber Seelenmalerei, unb bie ©emeinbe laufchte.
OaS Silb war Doflenbet, er fefete ben lebten Sin«
felftrich an mit: „fiuftig gelebt unb felig gcftor«
ben, bas hat bem Teufel bie Rechnung oerbor«
ben." GS fchmetterte nur fo im &irchengemölbe.
Oa — mar alles in feinem ©ebächtniß unb in
feiner Shantafie auSgelöfcht. Gr ftanb hoch
aufgerichtet unb bleich wie eine Starmorftatue,
bann überflutbete ihn eine SlutWeHe bis in bie
©aare. — Aur einen ©ebanfen, einen etitgigen!
einen gaben gum anfpinnen! Ai$tS. UÖenn
feine ©eifteSJräfte in biefem entfefclidjen Augen«
blid ihn menigftenS ans SJongept erinnert hät¬
ten, er hätte ja wie ein Schullnabe barin blät«
lern unb bann ablefen Jönnen. — 9ii<htS. Gine
fehreefliche Verlegenheit bemächtigte fid) ber ®e»
meinbe unter ihm, mehr benn hunbert Stafchen«
tücher tarnen plößlich gum Sorfchein unb eS be«
gann ein Scbneugen, als blafe ein ganges irom«
peterforpS; bie muthigften Stänner fcharrten
mit ben güßen unb getrauten fich nicht ben
Machbar angufefjeit, eS War eine Situation, bie
baS Slut gerinnen machen lonnte. 2)er flotte
Srebiger aber toftete bie SBahrheit jenes Spru¬
ches: „Son ©ott Derlaffen." Oie Mangel bünfte
ihm ein ©djanbpfahl, feine Augen wanberten
Digitized by v^ooQie
flas fÜrautnlebrn.
577
gläfern an ben fJirchenroänben entlang, bis fic
mechonifch an bem gropen $ru3ifir, roeldjeS am
Gnbe beS flird)cuf<bipeS hing, bangen blieben.
®a ebenfalls ein ©erlaftenfein Dem ©ott imb
©tenfhen. frerr, erbarme bid)! ftöfjnte er, bis
311m Tobe geänftigt, er loar im töciiriff 3ufam=
tnensufinfen. ©or feine ©tigen fam baS .Qotnept,
er hob es oerlebrt, mit ber lebten Seite in bie
©abe bes ©efidjts, ba — ja, ba b<ng ein fvabett,
ba ftanben tocblupfäfce, unb an ben erftert beften
Inüpfte er an unb trug mit Möglicher ©liette tmb
Hügliger Stimme unb halb tonlos baS Weber*
gefcijriebene Dor.
Gr mar nod) immer roie betäubt, felbft als er
beim ©tittagStifdj ber fjodiberebrteii frauSfrau
gegeniiberfap unb beren ermunternbe unb trö=
ftenbe ©lide auf ficb fühlte; auch ba nodj, als
nach beut Gifen ber ©farrberr mit feinem ©alte
ben milbeit frerbftnacbmittag in gewohnter ©Jeife
im ©arten 3itbrad)te. Souft fo finnig an» unb
aufgelegt, marS ihm beute gleichgültig, baß am
Spalier bie golbgelbe unb blaue Traube reifte
unb einlabenbroinfte, unb baS ft'apcbm im Sanbe
mit feiner SonntagSroäfcfje befd^iifti^t toar, batte
amb feinen Sinn für ftripehen, ber mit beinahe
ebenfo gropem Grüfte als er felber Pfarrer
fpielte, Don meinem Rapier ficb ©äffeben um ben
frais (jebunben, eine ©ettbede als Tatar male*
rifeb iibergeroorfeit batte unb anbäebtig bie ©rab*
rebe einem tobten ©ogel hielt, bem baS Heine
CieSdjen, mie es bei fieidjenbegängniffen üblich,
reiibliebe Thronen nadjroeinte. ©Jie gefaqt, er
fab unb hörte nichts, ber Schlag hotte ihn an
ber emppnblidjften Stelle getroffen, mar ba^u fo
ungeahnt, fo beiintiüfifd) Ijetniebergefabren. —
O, roejr jterben fönnte! —
pnb Dergangcn. 9 luS unferem San*
bibaten ift ein ©farrberr gemorben, gan§ fo roie
er es einft geträumt ober nicht. 3toar bat er
nid}! gan3 genau baS Gbenbilb ber fleinen [yrau
in fraufenborf gefunben, als er ficb unter ben
Töchtern beS SanbeS umfab, benn ^beale follen
febroer erreichbar fein, aber bo<b immer eine ihr
etroaS ähnliche, faft fo lieb unb gut, fo berftün*
big, fo gebaltDoll roie jene, aber nicht gan3; er
ift 3uroeilen nicht gan3 mit ihr jufricben, roie baS
häufig bei ©lämtern Dotlommen fotl, welche in
einem ©tiqenblid himmelhoch jaulen über ben
„Sd)ap", ben ihnen ©ott befdjeert, unb im nä«h=
Pen, roenn auch nicht jum Tobe, aber hoch recht
merllidj betrübt finb über ben Schatten, ber baS
liebe fjraucnbilb 3uroeilen Derbüftert. 9Iuch
träumte er einft Don einem Sanbauer — aber
immer noch „reicht eS nicht", nämlich baS ©etb
baju, unb er fährt mit einem ©tietbsroagen, ber
tocrjroeifelte ©ebnlicbfeit mit jenem berüchtigten
fflapperroagen in fraufenborf bot, unb unfer
©farrberr berfichert bann feinem 3roeiten lieben
3 d), baß ber ©Jagen „fange gut genug" fei, ge*
rabe roie 3U feiner 3 c 'i bie Heine Jraii in frau*
feuborf. ©her etroaS befipt er, roaS nicht fo
leicht jeber ©farrberr bat, felbft roeuuS ber ©rjt,
roie hier, jcfriuncil für nöthig holt, nämlich ein
©eitpferb, unb jroar in alter ©eininiS3cii3, einen
Scheden, ben ihm fein junger ©atrou, feiuebema»
liger 3 ögling, Shirt Don froblbacb, in bantbarcr
©erebrung gefdjenft bot. 3 ebo<h in einigen Stü*
den ift uns unfer ©farrberr Dollftänbig neu unb
fremb, alles anbere finb bolbbefannte 3iige: er
bat bie übergroße 3 »Derfid)t(ichleit auf feine
eigene ©ortrefflichfeit eingebüpt; fobamt fpriebt
er nicht mehr geriugfehäpig Don ben „alten ©Jei*
bem", bie Sonntags in ber Slirche fijjeu, eS gebt
fogar bie 9 tebe in ber ©emeinbe, baß ihr ©farr*
ijerr einft an einem pari befnehten ©otteSbienft
am Dfterfonntage ben ©tännern in ber ©rebigt
gefagt hohe, fie möchten 3iifebeit, bap nicht bie
f^raiien allein baS ©eich ©otteS ererben, fie feien
bebenflich in baS frintertreffen geratben, lapen
pch Don ben „©Jeibcrn" Derbrängen unb — be*
fhämen. Gr ftellt fie überbieS gan3 ungeroöbn*
(ich hoch/ feit er erfahren, roie einft eine eS mit
ihm gut gemeint, er ohne ihr mahneitbeS, fchar*
feS ©Jort fidjerlich in ber eigenen ©ortrefflidpcit
ertrunfen wäre unb ronbrfcheinlid) gor nicht baS
geroaltfame ©n f affen ©otteS Derftanben hotte,
bamalS, als er ihn ftedcu lieg. Selbft bie Welt*
berühmte unb — berüchtigte 3ungengeroanötbeit
ber grauen, ift er geneigt, gütig 311 beuten, feit
er roeifs, bafj biefe 3»ngengeroanbf)eit oft tapfer
ins 3 eug 311 geben Derftefrt, roenn felbft bie
mutbigften ©tänner 3agenb bon ferne fteben unb
bie Gntroidelung 3roar mit Dielein Sittereffe,
jebennoch fchroeigenb Derfolgen.
9 luS bem flotten ffanbibaten Don ehemals, ber
eine ©Jelt gewinnen unb erobern, unb biefe ©Jelt
bann 311 feinen 3?üjjen feljen rooflte, ber in bö<bP
bebetiflichem SbealiSmuS feine beften Kräfte Der*
geubete, ip ein geroaltDoller ©tonn in ber golbe*
nen ©litte sroifchen gefunbem ©ealiSmuS unb
glüdlichem SbealiSmuS geworben. Oft, fept
oft erzählte er feinen fjreunben bie ©efdjicbte, Wie
er einft auf ber ,ffan3el mitten im Siegesberoupt*
fein — ftedengeblicben.
(Öueüronffer für’S beutfehe ©oll.)
Pa0 träum leben.
©on frauter.
fff räume — pnb Schäume! ©0 fagt ber ©oltS*
Jfe munb, fpricht aber bamit nur eine tbeil»
* weife ©Jabrbeit aus. Gbrlich geftanben
faffen wir ben poptiDen Inhalt Don allem 3U*
fammen, roaS felbft bie ©JiPenfdjaft 3ur ©uf«
beßung beS Traumlebens beigebracht hot, fo hot
42
Digitized by v^ooQie
578
J)as (Traumleben.
auch fie übet baffelbe lein weiteres 2idjt, als bie
Sßoltsroeiö^eit im obigen Saß auSfpridff, gu
$aae geförbert. Sdjaumartig perlt empor, ffe|t
fliidotig unb gerfließt bie Sraumerfheinuitg t'o
unbewußt als ungewollt, bcnnod) gugleih nah
bem (Bemußtfein unb Höillen binuedenb, als
fpiele fie tänbelnb mit beit (BerbinbungSfäben gu
beibett.
SEBeil nun aber boh ein jeber ÜRenfh träumt
unb oft Sräume bot. weihe einen tiefen Ein*
brud auf feinem ©emüthe gurüdlaffen, einen
Eiubrud, beit er jahrelang nicht loS wirb, unb
foinit ffd) häufig bewogett fühlt über biefe näht»
liehen Vorgänge feines Seelenlebens naeßguben»
ten unb einett ErllärungSgrunb gu finben, fo
bürfte es fhott um biefer Urfadje willen wichtig
fein, barüber Einiges gu hören.
Ser Sraum, althochbeutfh troum, mit bem
lat. dormire fhlafett, ftaminberwanbt, ift, wie
ihn bie (Braut im fjoßettlieb richtig bejeidjnet,
ein SEßathett beS -fjerjenS, wiihrenb man fdlläft.
SaS £erg mit feilten Stieben uttb Einbildungen
ift bie eigentliche SBerlffätte beS SräumenS, baS
^irnleben mit feinett Erinnerungen aus bem
wahren Sehen ift gleichfam ber #anblanger.
HöaS aber auch in biefer nie rufjeitben UBerf*
ftätte ber menfchlidjen Seele porgeht, fo flüchtig
unb fdjnetl bie Vorgänge im Sraum bem (Be*
mußtfein beS DJlenfdjen gur Äentttniß tommen,
fo ergiebt fih hieraus eben boch nicßtSbeffo»
weniger bie (Bihtigleit beS SraumlebenS über»
haupt. Es ift nicht immer bebeutungSloS; mit»
unter lann es ein richtiger Spiegel gur Ertennt»
niß unferer felbft fein; ja nicht feiten bot es für
Offenbarungen beS Derrn einen bequemen 9ln=
fiiüpfuitgSpimtt, wobott uttS bie '-Bibel Piele (Be*
(ege giebt. 3fn ähnlicher SEßeife faßt auch ber
berühmte 'Bhdofoph Richte bie Seelenthätigfeit
im Schlaf beim RRenfhen auf. Er fagt hier»
über: „Sie Seele umfaßt einen weit größeren
(Reihtfjum pon Kräften unb (Begießungen, als
in ber (Regel in ihrem Semußtfeiu ßeroortreten.
3u biefern (Reichthum gehört baS ben URenfhen
ohne bewußte URotibe leitenbe, warttenbe unb
3ulünftigeS maßrgebenbe (RhnuttgSPermögen,
welches im Shfofguffanb, wo bie äußeren Sinne
gebunben finb, häufig entbunbeit wirb, unb in
bie formen ber 3ufunft webt." Ser Salmub
nennt ben Srattm ebenfalls finnreich tftt ber
(Eßeiffagung, wie ber Sabbatß uV ber gufünftigen
Söelt, baS fetter A ber Atolle fei.
$n WaS heffeßt nun aber eigentlich baS Srätt»
men ? Saffelbe ift leineSWegS gu Perwechfeln mit
bem Schlaf, beibe bürfen nicht gufammengemor*
fen werben. Jfin Schlaf gießt fid) bie Seele gu*
riief pott bem Sehen unb Sreiben ber Hlußeuwelt,
um fich in bie oerborgenen Siefen ihres innerften
Sehens hinein gu fenten. Siefe Sßätigfeit Poll»
gieht fie jeboch nicht aqS freier (Eßiflfiir, fonbern
erft, wenn fie fich bagu genöthigt fühlt, einer»
feitS bttreh bie Erfchöpfung ihres eigenen Sehens,
anbererfeits burch bie Ermübuitg beS unter ihrer
(Botmäßigfeit ftehenben SeibeS. SEBäßrettb fte
nun im Schlafe ctlfo hinabfinft bis auf ihren
innerften fiebenSßerb, erhebt fie fich anbererfeits
auf eine oerhältnißmäßig höh« gelegene, fhon
bämmernbe (Region beS SBewußtfeinS, bie bem
bemegeuben SageSbemußtfein näher fleht, baßer
and) bie Sräume im leichten oielfacff fhlummern*
ben Schlaf, beS SlbenbS unmittelbar muh bem
Einfhlafeit, ober beS URorgenS fttrg oor bem Er»
wachen fid) bei uns weniger perlieren, unb wir
foinit beim Erwachen gewöhnlich fie eher noch
wiffeu. Sie Seele ift foniit in einem 3uftattb,
wo fie ber oberen (Eßelt, Pon wo fie ftammt,
näher, baßer eS uns auch nicht wunbern barf,
wenn nah ben alten Ueberlieferungen ber SBöl«
fer, wie nah ben eigenen Erfahrungen, fo manche
fromme Seele gerabegu Schlaf unb Srattm als
ein birefteS DRittel betrachtet für befonbere Offen*
barungen ©otteS. Unb wer wollte eS itt 'Jlbrebe
fteflen, baß ©ott nicht fhon burh einen Sraum
baS wttttberbare SBalten feiner (Borfeßung mit
bem- Seben beS Eingelnen, wie auch mit gangen
(Böllern geoffenbart hot. SEBer' möchte aus fal*
fhem (Rigorismus bem barmßergigett unb aß»
Weifen ©ott wehren, wenn er in befonberen unb
außergewöhnlichen fällen liebff anbern Mitteln
auh bie ffiße, aber einbringlihe Sptahe beS
SraumeS gebrauhen will, um eine gebuttbeite
Seele gu Weden, eine bußfertige, fhühterne gu
tröffen. (Eßenn wir auh. Wie bemertt, im 3111=
gemeinen ben Sräumen lein großes ©emießt bei*
legen löttnen, fo lann eben boeß nicht geläugnet
werben, baß ©ott ber $err biefeS (Dtittel benüßt
hat unb geitweiS noh benüßt, wenn er eS in fet*
ner allweifen (Borfeßung angegeigt finbet, uns
auf wichtige Singe oorgubereiten, uns gureht
gu weifen, tn Srübfalen gu tröffen, unb wo wir
$)ilfe finben, ober wo mir 2lnbern fie erweifen
iotlen. Solhe Sräume finben wir in ber heil.
Schrift eine große Slngahl ih bermeife mir auf
bie Sräume 9lbrabamS, 13Rof. 15,12—14;
Safobs, 1 5Rof. 28; ^ofepßS unb Sßha«
raoS, lURof. 37, 41; 9lbimeleh§. lÜRof.
20,3—8; SabanS, lSRof.31,24,• (Rebu.
labnegar unb Saniels, San. 2. 4. 7;
baS SBeib beS (fli(atuS, 9Rattß.27,19 tc.
Ulehntihe Offenbarungen ©otteS an ben Uten»
fhen lönnten bis gur (Reugeii aus glaubwürbigett
Duellen ber (Eßelt*, Kirchen* intb ffRiffionS*
gefdtihte burh Piele (Beifpiele bewiefen werben.
SEßenn wir eS nun auh mit (Recht als 3«h«tt
einer abergläubifheit ©efinnung anfehett, wenn
ein dRenfh auf jeben Sraum achtet, fo ;jinb
beffett ungeachtet boh niht afle Sräume gtjoed»
uttb bebeutungSloS. Saßer mir auh nicht fehl
gehen werben, wenn mir fie eintßeilen im be»
Digrtized by
Google
Pas Eraumleben.
579
beutungSlofe uiib in bebeutfamc, unter meid)’ fcßlug id) in meiner Bibel, bie mir meine gute
teueren mir befonberS bie ('3 e tu i f f e 11 >3 träume Mutter mit auf bie Unioerfität gegeben bat, auf
berDorßeben unb jmei auffaüeube Erfahrungen unb fanb mirtlicß bie BJorte: „Ünb ber ©err
mittbeiten möchten, bereu Söaßrhcit roobl Der» rccfte feine ©aub au» unb riibrete meinen Btunb
bürgt ift, unbbiefehrmenig betannt fein Dürften. unb fprad) ju mir: fiefje, ich lege meine Utforte in
9 ilS ber nüchterne, tritifd) angelegte Schrift» beinen Munb!" Senfe mein Erftaunen, mein
ftetler 2 e f f i n g lüimtich fid) noch auf ber Uni» ■ Entlegen bei bem 2 efeit biefer 3 eil<‘n .... id)
uerfität befanb,' ftubirte mit ihm jufammen ein merfc meinen 9 tod über unb fomme mm ju bir,
Jüngling bon guter Familie, beffen Eltern ihm | Seffing, unb frage, maS fagft bu ju biefer @o=
ein nicht unbebeutenbes Vermögen ßinterlaffen feßiebte?"
hatten. Sein einnehmenbeS Üleußere, mie feine Seffing antmortete ihm naCb feiner betannten
feßönen ©aben intcreffirtcn Seifing für ihn, unb nüchternen Senfroeife, menn er auch nicht an
er Dfrfucßte es baher, fid) feiner anjuneljmen eine befonbere göttliche Erfcßeinung glaube, boeß
unb ihn in ein ernfteS Stubium ber BMffenfcßaft bie laute unb briugenbe Stimme beS ©emiffenS
einjuiiihren. Seiber gelang ißmbieS nicht; benn nicht ju mißtennen unb 311 tnißbeuten fei. Sie»
ba jener bei aller Siebensioürbigfeit leicßtfinnig feS, fein antlagenbeS ©eroiffen, habe auch im
unb Don fcbmaCbem Ebarnfter mar, fanb er mehr Traume nicht geruht, ben Munb eine« fprad)=
©efnlleit an bem Umgang mit rohen, auSfcßmei» lofen 2 fjiere§ ju gebrauchen unb ihm fein Sehen
fenbeu ©enoffen, bie ihn immer tiefer in allerlei Dorsu halten :c.
Unfittlid)feiten unb Softer oerftridten. Schon hat Ser oerirrte Jüngling faßte roirtliCb ben ern»
Seffing faft jebe Hoffnung aufgegeben, ben jun» ften Borfaß, biefem Otatß 31t folgen. Einft aber
gen Mann, für ben er noch immer baS märmfte begegnete er auf einem einfamett S pasievgange,
ijntcreffe empfanb, oor bem Dollftänbigen Unter» begleitet Don feinem treuen Betlo, bem jilbeln»
gang su benmljren, als biefer eine» Morgens ben Schmarrn feiner früheren ©enoffen, toelche
bleich unb Derftört auf fein 3 immer tarn unb einem benachbarten BergniigungSort 3uftrömten.
ihm erflärte, baß er ihm einen ebeufo munbet» Sie umringten ihn fogleicß, forberten ihn auf
baren als erfchütternben Borfall 311 entbeden mitjugehen unb riffen enblid) ben B 3 iberftreben»
habe. Seffing mar auf irgenb ein nächtliches ben mit fid) fort. Bei bem ©elage fpotteteu fie
DerbrießliCßeS Abenteuer gefaßt; allein jener er» erft feiner neuen Sinnes» unb SebenSart, unb
3äßlte ihm nach einem turnen Eingang folgen» brangett bann in ihn, ihnen bie Beranlaffuug
beS: „ 3 bh mar heute fpät nach Mitternacht Don 3U entbeden. Sange mich er aus; enblich aber,
einem EommerS nach ©aufe gefommeti, roarf erbißt Dom Meine, ersäßlte er ihnen bie @e=
mich halb entfleibet aufs Bett unb fchlief halb feßiebte feines SraumeS. 91 lleS hörte fie
ein. Sa träumte mir, baß Betlo (fo hieß fein ftill an; ein flüchtiger ©«hauet, ein
« fiCß meinem Sette n.ißerte, feine Borber» ern ft er ©ebante an Sob unb ©erießt
nf bie Sehne beS bacanftoßenben Stuhles flog burd) ihre Seelen, unb für einen 91 ugenblid
legte unb förmlich 3 1 ' prebigen beginne. Seine berftummte ber roilbe ©efang. Sann aber er»
Brebigt mar gan3 allein an mich gerichtet, unb hob fid) ber oermegenften Burfcßen einer, unb
enthielt ungefähr baffelbe, maS bu, lieber Seffing, fudjte baS ©anse ins SäCberlicße 31t sieben, in»
mir feßon oft gefggt ha ft: Bormiirfe über mei» bem er benierfte, ber falfcße Bropßet fei für ben
nen bisherigen Sebensmanbel, Ermahnungen 31t Berfucß, einem ftameraben feine ffreube getrübt
einem beffereu, nur mit anbern BuSbrüden unb unb bie Schrift mißbraucht su haben, Dor ©e«*
— nimm eS mir nicht übel — in einer meit traft» rieht 3U [teilen. 9 llle lachten. Ser arme ©unb
bolleren SpraCße. Seine Morte fcfjienen ben mürbe auf bem Stuhle in bie Stellung gebracht,
Propheten entlehnt, feine 3 l *nge flammte mie bie er im Staunte hatte, unb cinftimmig 311111
Reiter. . . Seine 9 tebe rührte mid) tief; ich bin Sobe Derurtheilt. Ser abtrünnige Jüngling
überzeugt, ich habe im Schlaf Darüber gemeint. 1 erfeßrat über biefett BuSfprucb; ba jeboeß ber
Er fdjlöß feine Ermahnung mit einer furcht» | ©unb feit jenem Sroum für ißn felbft ettoaS
baren Marttung. Er braßte mir, baß menn iCß Unheimliches hatte, fo miberfeßte er fid) nicht,
meinen bisherigen Manbel fortfeße, i cß heute al§ bie ©efetlen baS Sßicr faßten, ißm einen
über feChS Monate eine Seiche fein j Stein an ben ©als befeftigten unb es in einem
merbe. unb bamit bu fießft, fagte er, baß id), ; näßen Seid) ertränften. Ser ©unb hatte beim
ein unDernünftigeS Sßier, nicht aus mir felbft Meggeßen nicht gebellt, foitbern nur geftöbnt
ctlfo fpredje, fonbern baß ein ©ößerer mich ge» ttnb einen fCßmersDoOen, feßeibenben Biid auf
fenbet ßat, um bidj su marnen unb momögiieh feinen ©errn gemorfen. 3 £ aeS Stößnen, biefer
noch su retten, fo fcßlage nur in Deiner Bibel Blid tarnen bem Jüngling jebodj nießt meßr aus
3 er. 1 , 9 auf, mo bu bie Beglaubigung meiner bem ©ebäcßtniß, bie ©eftalt beS SßiereS Der»
»enbung finbefi. Mit biefen Morten enbete ber folgte ißn überall im SSadjeu mie im Sraum.
©unb feine Brebigt, unb ich erroaeßte. Sofort, Sie 3 etrüttung ber ©efunbßeit beS Jünglings
Digitized by v^ooQie
580
jUsbauer unter Sdjimfriglteiten.
nahm burdj feine auf’s Steue begonnene 91uS*
fdimeifungcn immer mcpr gu unb nad)fcd)S
211 o 11 ateii uad) jene m 2rau nt mar ber
arme 93t e n f d) begraben.
Gbcnfo merlmiirbig, aber mit befferem 91uS*
gang f)atte ein Hottcntottcn=Häuptliug mit Sta*
men Jontcr Slfrifancr einen Oraunt, ber
if)u gur maprpaften Scfeprung veraulapie unb
bcffcu ©efcpidjte unS ber eprmürbige TOifftonar
9Ji o f f a t ergäplt.
OiefeS Häuptlings Soofung mar ber Worb.
91m fröplicpften ruljte fein Sluge auf erfdjlagencn
Seidjeu unb verbrannten Hütten. Gr hieß, fo
meit man ihn fannte, „ber Same SlfrifaS" unb
ein Siamaquafjäuptling äußerte fiep über ipit
bei feinem SJiiffionar: „Sd) habe midj manch*
mal mit meinem gangen Soll, mit SÖeib unb
Slinb in bie Höhlen ber Serge ober in bie obe
Söiltmiß geflüdjtet; mir moüten lieber unter ben
Siaubtpieren bie 9täd)te Verbringen, als bem
Router SIfrifaner gur Scitte fallen."
9lber auep biefer milbe SJieufcp foflte ein Gigen*
tpum beS Herrn merben unb gmar guitäd)ft burdj
einen Sraum, ber einen entfepeibenben unb mäcp*
tiflen Ginbrucf auf if)tt maepte. 3>pm träumte,
er fäl)e fiep unten an einem jäljen unb fctjroffen
Serge ftepen, über ben er geben mufete. Gin
fd)ntaler Sußfteig führte längs eines fenlrecpten
SelfeuabpaugS bis gtir oberften Spipe hinauf.
Bur Sinteii beS 2öegeS fah man unten ben
fürd)terlicpen 9lbgrnnb brennen, als märe eS ein
feuriger Ofen. Stauch ftieg Von bort auf unb
Slifce leuchteten bagmifdjen. Gr fah fiep um,
ob er nicht einen anbern SluSmeq finbe; beim
2eib unb Seele gitterten Vor biefem Slugcublicf.
9tber Giner erfepien über bem Slbgrunb, beß
Stimme mar mie Oonner, ber fprad): H^*
Jöniten feine anberS anfommen als auf bem
fcpntalen $fab. Gr verfugte nun ben ichmalen
$fab fjinangitfteigen, bie Hi£* aber, bie von bem
Seifen rechts, an ben er fidj anlehuen mufcte,
^urüdgemorfen mürbe, mar faft noch unerträg*
lieber als bie, mel(he aus bem feurigen Slbgrunb
aufftieg. Gr tonnte iticpt mehr meiter; 2eib
unb Seele verfepmaepteten ihm. Oa richtete er
feine 9lugen in bie Höhe unb fah oben Bcmanb
auf bem grünen Serge fiepen, von ben lieblichen
Strahlen ber Sonne beleuchtet. Oie ©eftalt
tarn näper, trat bis an ben Stanb bcS Seifen*
abpangeS unb mintte ipm. 3ept fafete er neuen
SDtutp unb inbem er bie peifeen SBangen mit
vorgepaltenen Hänben befepattet, bringt er burdj
Stauch unb ©lutp, einen 2Beg, von bem er ge*
glaubt patte, fein Sienfcp forme ipn vollbringen
unb auSpalten. Gnblicp erreichte er bie lang*
erfepnte Hope; ba ftraplt alles in bunter $ra<pt
unb Henlicpfeit. Gr mit! ben Unbefannten an*
reben; ba ermaepte er.
Slfrilaiter tonnte ben Oraum niept mepr ver*
geffen; er quälte gleich einem Oorn im Sleifcp ;
immer mieber mußte er bariiber nadjbenfen, toaS
mohl ber Oraum gu bebeuten pabe, bis er Sne*
ben faitb im Slute beS 2amnteS unb er in jenem
fd)inalen $fab ben fcpmalen SÖeg unb in jenem
Unbefannten ben H e ^ an b feiner Seele erfannt
patte, von bem er von ben TOiffionaren fepon
gepört patte.
Oaß in biefen beiben Oräumen bie H^nb beS
Herrn gu erlernten ift, fann mopl Stiemanb läug*
neu, mie fie uns auch lebhaft erinnern an bie
Stelle Hmö 33, 15—17: „^m 3/rau nt e beS ©e*
fid)ts in ber Stacpt, rnenn ber ^cplaf auf bie
2eute fällt, menu fie fcplafen auf bem Sette,
ba öffnet er baS Opr ber 2eute, unb fepreefet fie,
unb gücptiget fie, bafe er ben Sienfcpen von fei*
nem Sornepmen rnenbe, uitb befdjirme ipn Vor
Hoffart."
Jlwbauer unter #d)imrrigkriten.
Sott $.
^liefet immer feaben biejenigen, bie mit ben
l'l menigften Scfemierigfeiten gu fämpfen ba*
vr ben, auefe ben feöcfeften (Srfolg anfgitmeifen,
meiftenS geigt ba§ Seben üielmefer gerabe bnS
©egeutfeeil. So möchte ich auch feeute eud) Don
brei Bürnnern ergäfelen, meiere faft mit uniiber.
minblicfeen £>inberniffen gu ringen batten, bi§ fie
am gliingenbeu 3< eIe iferer Arbeit ftanben, ber
©rfte mit fturgfiefetigfeit, ber 3rodte mit Dölliger
Slinbfeeit, ber dritte mit Saubfeeit, unb bo<b
brachten fie alte e§ gu einer bebeutenben ©röfee.
$er (Sr fie ift ber ©efdn<bt§f<breiber (ßreöcott,
ber, um eine ©eidjicbte öferbinanbS unb^fabetlaS
Don Spanien fdjreiben gu fönnen, bie fpanifdhe
Sprache unb Literatur ftubirte unb gu biefem
3tnec! ficb eine Utenge Siicber au§ Spanien fom.
men liefe. 9l(§ fie antamen, tonnte er fie aber
nicht lefen, benn feine fdfon feit Saferen tränten
5lugen waren fo furefetbar entgünbet, bafe man
befürchten mufete, fie mürben bei fortgefefetem
©ebrauefe Doüenb§ gang erbliitben. ©leiAwofet
Derlor er ben fDJutfe nidfet, fonbern befdhlofe, bie
für fein SBerf nötfeigen Stubien bennoefe gu ma»
(feen, inbem er einen Sßorlefer anftetlte. aber er
fanb fKieinanb, ber Spanifcfe berjianb; boefe ba
bie fpanifcfeeit Sucfeftaben gerabe fo auöfefeen Wie
bie englifcfeen, fo mar e§ boefe mögtiefe, 3femanb
gu befommen, ber mit einiger Unterftüfeung be.
treffs ber 9lu§fpracfee ber fpanifefeen 'Borte ifem
menigftenä Dortefen tonnte, auife wenn er felbft
feine 3bee Don iferem Sinn featte. Unb fo fafeen
fte oft beibe einen gangen langen Sommertag
feinburefe unter ben alten Säumen bei tßreScotfS
Digitized by v^ooQie
(Blaube unb Hoffnung.
581
♦
♦
♦
♦
♦
♦
♦
♦
♦
♦
♦
♦
i
i
♦
♦
i
!
!
♦
i
1
I
♦
♦
;
i
t
♦
♦
♦
Glaube trnb Jjjofuuttg.
k enu bie Bruft in Kiimmerniflfen,
£?art getroffen, fdjrner 3 erriffen,
2XengftIid^ mailt unb miibfam
bebt;
0 bann ruft’s oon fernen b?öljen:
„(Erbengram roirb balb oergetjen,
(Traue bem, ber 0ben lebtl"
IPenn bie IDüufdjc fid? 3 erfpalten
Unb in flattcrnbcn (Seftaltcn
Spottenb bir poriibe^iclfn:
0 bann nafftt in golb’ncn (Träumen
Hoffnungen aus fjöfycrn Hantnen,
Die im Duft ber gufuuft blüffn!
IPenn bas liebfite miü auf (Erben
Diii? pcrlajjett, untreu roerben,
(Tljräuenleer bein Huge ftarrt;
Wirf bid? in bcs Paters Hrme,
Dajj er 3 ärtlid? fid) erbarme,
Hub bie ^rcube beiuer tjarrtl
IDiU in ZTacbt bein (Tag pergeljen,
ein frohes IPieberfefyen,
Hus bem Dunfcl blitjt bas lid?t;
leben fteigt aus (Sräbergrauen;
Ejallclujaf?, bein Pertrauen
Unb bein <51 a u b e täufcfyte nid?t!
(<T. (Srumbadj.)
U
4
4
Digitized by v^ooQie
582
äufgefißaut unb (Sott oertraut
t auS neben einanber, ber (Sine laS Seite für
eite, offne and) nur ein einjigeS Bort ju ber»
ftetjen ober richtig fprecßeit 511 tonnen unb ber
Bnbere backte ü6er beit Sinn beS ©elefenen naeß.
Später rourbe Beiben bie Sacpc etmaS leister unb
geläufiger unb als gar ein Sorlefer fid) faitb, ber
Spanifiß tonnte, gingS mit ber Arbeit boppelt
fo fcßnell Poran uitb $reScott machte fic^ nun,
itaißbem er BHeS gattj genau_ü6cr(egt hatte, toaS
er fcfjreibett roollte, an baS Schreiben felbft. (Sr
beitußte baju einen großen leeren Ijöijernen
Bilberraßmen, oon bem 3 ?ormat beS 311 befeßrei»
benben Rapiers, quer oon einer Seite jur Bu»
bem mit feinen Weffingbräßten bezogen, bie
ißm als öinieit bienen mußten. (Sr fCßrieb aber
nidjt mit f?eber unb Stinte, fonberit über fein
SSlatt legte er einen feinen 'Bogen Seibcupapier,
toie mau eS jum DurcßjeiCßnen braucht, unb auf
biefeS fdjrieb er bie Borte mit einem fein ge»
f pißten ©riffel, fo baß man bie 3üge auf bem
barunter befiitbiidjen Blatt erfennen tonnte,
mierooßl fo fdßmacß, baß nur fein ißrioatfefretär,
ber feine £>anbfcßrift genau fannte, ftc heraus«
braute, unb bann für beit Seßcr beutlicß ab»
feßrieb. So brachte er jeßn iitiibcooHc ^aßre
mit biefem 'Berte ju; aber amt) nodj itaeß bem
(Srfcßeinen berfelben blieb er cbeufo fleißig im
BüCßcricßreiben bis au feinen Dob.
Der jroeite, feßon ganj erblinbete, Wann, Pon
bem ißr böten fotlet, mar ber berühmte 9 iatur«
forftßer 6 u b e r, ber beftc Beobachter unb Ken»
uer ber Bienen, ber feßon mit IG faßten fein
Bugenlicßt ooflftäitbig eingebiißt batte. ©leicß»
roobl gelang es ibm über baS Beim unb bie
©eroobnljeiten ber Bienen, ihre Ratur, ibr fieben
unb Treiben fo genaue Beobachtungen anjuftel»
len, baß ein ganj neues Siebt auf Piele bis babitt
ttodj Pötlig mtbcfaitute (Sigenfdjaften berfelben
fiel, namentlich auf bie eigcittbümlidjen Ser»
bältniffe ber Königinnen, Drohnen unb BrbeitS«
bienen, Solbateit unb Solijiften im Bienen ftoef
11. f. m. Bber mie machte er baS? (Sr fal) fie
bitrcß bie Bugen feiner fyrau, bie ihn fo beglich
liebte, baß fie ißr ©efießt ißm für feine gelehrten
Oforfdjuitgen jur Serfüguug ftelftc. (Sr lehrte
fie, ißre fcßarfeit Sagen ganj im Dien ft e feiner
Biffeufcßaft 31t gebrauchen : fie gingen mit ein»
auber an einen Bienenftocf; er fugte ißr, roaS er
gerne befoitbers genau beobachtet haben mode
unb mie fie es am beftett bamit anjugreifen habe,
unb fie berichtete ißm bie (Srqebniffe ihrer Unter»
iueßungen. Dann 30g er barauS feine Scßlüffe
uitb bittirte ißr bann feilt berühmtes Buch über
beit Bienenftaat, muß beffeit ©rfcßeineit uiele ge»
leßrte 'Jtatitrforjcßer erft erfuhren, baß ein blin»
ber Wann mehr uott beit Bmtbern unb ©eßeim»
niffen beS BienenftaatS gefeßen hatte, als man«
Cßer Wann mit jtoei gefitnben Bugen.
Der Dritte ift ber taube 3 0 ß n K i 110, ber
befannte Bibelforfcßer. (Sr mar ber Soßtt eines
armen WaurerS. BIS er einmal feinem Bater
ben Wörtel, ben er jum Bau eines Kaufes
brauchte, auf ber Scßulter hinauf trug unb lang»
fam bie Seiter emporftieg, glitt er aus unb fiel
hinunter. Biele Bodßen lang lag er tränt unb
leibenb barnieber. BIS feine Bunben roieber
heilten, hatte er baS ©efjör Pollftänbig oerloren
unb mußte in’S BrrneußauS. £)ier bureß feine
Daubßeit gatt3 auf fteß felber angemiefen, er»
tnaeßte in ißm ein maßrer Heißhunger für’S
Sefen. Racß unb muß borgte er fuß immer meßr
Bücßer jufammen unb oerfcßlang ißren Inhalt,
bis enblicß einige eble Wenfcßenfreunbe auf ißn
atifmerffam mürben unb entbeetten, baß er ganj
unter ber .$anb ein bebeutenbeS Waß oon ae«
lehrten Kentitniffen fuß angeeignet hatte. Wit
gfreuben naßm er bie bon ißnen gemachten Bn«
erbietungen, ißm ju meiterem grünblicßem Stu»
bium ju oerßelfen, an unb fo gelang eS ißm enb«
ließ, felbft mehrere auSgejeicßnete Bücßer jur (Sr»
lärutta ber heiligen Schrift ju oerfaffeti, bie
cßon Wancßem gute Dienfte jum beffern Ber»
länbniß ber Bibel geleitet haben.
Hufgeftyaut uitb (Sott vertraut
Bon <9. »om*.
u Bnfang beS acßtjeßnten SaßrßnnbertS
lebte ein junger Wufitant in Süiteburg,
ber bem ©runbfaß beS großen Reformators
Dr. W. Sutßer ßulbigte: „Bet unb arbeit, fo
ßilft ©ott aüejeit." (Sr hatte feine feßöne £ei»
matß (Sifenacß nur aus Brmutß mit ber f)eibe»
rejibenj Oertaufcßt, tiacßbem ißm beim (SßorbeS
fürftlicß Süneburgifdßen Sanft WicßaelS @pm»
tiafiumS eine Stelle als DiStantift angeboten
raorbeti. (Sigentlicß mar er nur Sänger aus
Rotß, benn mit feinem Klabierfpiet tonnte er ben
Kampf umS Dafein nicht befteßen. Benn er
Srioatftunben gab, empfing er brei Wariengro»
feßen. ©lüefte eS ißm aber, einen Scßüler beim
ffrübftücf ober BeSpern 311 treffen, fo fiel als
Ürtra Honorar aueß noeß ein Butterbrob für
ißn ab.
BUroödßentlicß pilgerte ber Bcßtjebnjährige
naeß bem fünf Weilen entfernten Hamburg,
benn hier in ber reießen ©anbelSftabt, mo an ber
Katßarinenfircße ber berühmte Weißer Johann
Bbam Dteinfen angeftetlt mar, tonnte ber junge
Dßüringer feßr oiei lernen, rnenn er bem Orgel»
fpiele SReinfen’S regelmäßig 311 hörte.
Bei feinen Befudjen in Hamburg fpetulirte
ber junge Wufitant nebenbei auf ein Unterfom«
men, meldjeS geeignet gemefen märe, feine ftrenge
Digitized by v^ooQie
JHäbdienbilbung.
583
®iät unnötig gu machen; beim auf bie Stauer
Dielt er eS bei bet Süneburger Soft nicht auS.
Ginft trat er, nacbbem niieberitm em 3?erfu<h,
in Hamburg eine ©teile gu erbalten, feblgefcbla»
gen toar, feinen SRüdmeg red^t nicbergefcblageit
an. ©ein fDtutb war gebroden, aber nimmer»
mehr fein ©ottoer trauen. ©ein finblidjer ©laube
batte in ber ®rüfungSfd)ule beS CebenS beten,
hoffen nnb märten gelernt, unb fo blicfte er ancb
auf biefem triibfeligen ©ange boll frober 3u*
berficbt auf gu ben Sergen, bon mannen uns
■£>ilfe lommt. 3u feinem bitter» £>ergeleib butte
fi<b längft ber 2t)rann junger gefeilt, als ibm
unermartet aus einem SßirtbSbouS an ber 2anb=
ftrafee ein berlocfenber Srateugerud) in bie fJtafe
ftieg, ber feine ©(brüte unmillfürlich hemmte.
Gr ma<bte bor ber 2 bür ber Verberge £>alt, gog
fein leberneS Seutelcben berbor, unb gäblte ben
(argen, aflgufargen Rabatt.
$ta öffnete firtj über feinem Raupte ein ften»
fter. ©in ©aft, roeldber beS jungen fDlanneS
niebi mißgiwerftebenbe 9fftion angefeben batte,
toarf ibm ein paar ©peiferefte gu; eS waren
jroei #eringSföpfe. SCßenn ber hungrige biefe
Fragmente beS geineinften ©eefifcheS begierig
bom ©oben aufbob, fo batte er bagu gang be=
fonbere Seranlaffuttg. Gr mar ein 2büringer,
unb in feinem fteimatblanbe galt bamalS unb
gilt noch beute ber „folgen ßaruitg" für einen
Sederbiiieit. 9tucb ber junge Wufifant liebte bie
geringe, 9Hit bem ?lermel feines IRodeS pupte
ber Gmpfänger bie Häupter feiner Sieben, ba —
entbedte er gmifeben ben Siemen eines jeben ber»
ftedt, groei blinteube $ufaten! fDtebr als fein
Sobn für brei Wouate betrug, batte ibm 3?or=
tuua gugeroorfen.
2Ber bie Stolle ber ©liidSgöttin gefpielt, (onnte
er nicht erfahren, beim als er min, ouSgerüftet
mit einem felteneu IReichtbum, bas SBirtbSbauS
betrat, um ficb giülid) gu tbun, tonnte er beu
Wohltätigen ©aft nicht entbeden.
$ie alfo gefpenbete ©abe fepte ben Gmpfänger
in ben ©tanb. uod) länger in feiner ©teHnng
auSgubarren. 9tud) ^nbregfrift gelang es ihm
mit $ilfe treuer tJreunbe gu ber ßoffapelle und)
SBeimar gu (onimen. 3taS ÜJJorgenrotb einer
neuen 3 e 't mar für ihn angebrochen. fDlädjtig
entfaltete fein ©cniuS bie Schwingen, unb ftieg
als leucbteitbeS Weftirn am Sunftbimmel beut»
feber Station empor.
©eit anbertbalb Jtabrbunberten fenut nnb
ehrt bie 2öelt biefen SJtufifanten, ber fein ©e=
ringerer mar, als XeutfdjianbS erfter unb groß»
ter Crgelfpieler mtb Crgelcotnponift, nämlich
Sobann ©ebaftian 33ad), geb. 21. Stärg 1C85
gu Gifenadj, geft. 30. 3uli 1750 gu Seipgig.
GineS feiner fDleifterroerfe (Sirdjencantnten)
führt ben Uitel: ,,©ott ift mein Sönig".
ffiie febön, wie herrlich, fprecfjen gu fönnen.
©ott ift mein Sönig. $er barf getroft bem
Sater über ben ©ternen feine ÜBege befehlen,
barum:
Sing’, bet’ unb gel)’ auf (Sottes IDegen,
Derrid)tc beine pfHdjt getreu,
(trau ihm unb feinem reichen Segen,
So n>irb er täglich bei bir neu:
Denn wer nur feine guoerfiebt
2tuf (Sott fetjt, ben »erlägt er nid)tl
Ittäödjntbilöuiig.
San Gntnta §erger.
f äbrenb man febr toiel ©emi^t auf bie ®il«
buitg beS Sitaben legt, roirb in fo man«
eben, ja in ben weiften fjfäflen bie Silbung
beS fDtäbcbenS oernadjläffigt.
2Bobl ift eS wahr, baf; ber berangemadjfeite,
gum fUtanueSalter gereifte Snabe feinen tßlap
auf ber 95übne ber 2Belt einnebmen muff, uno
weither 91rt berfelbe ainh fein mag, ift eS notb=
menbig, bajj ber Snabe menigftenS eine gewöhn»
liehe ©djulbifbung befipt, nnb mehr ober minber
mit ben betfebiebenen 2Biffenf<haften befannt ift.
Cbroobl aber baS fDtäbcbcn feine fol<b’ öffent»
lidje ©teile einnebmen roivb ober feilte, ift eS
bod) ebenfo wichtig, bag feine Söilbuitg mit glei«
eher Sorgfalt überwacht unb geleitet werbe.
SSiele Gltern befinben fidt) in einem großen
3rrtbum, inbem fie fidt) einbilben, baf; eS ae«
nügenb ift, wenn bie Södjter lefeu unb fd)reioen
fönnen, nnb baf; ihre Silbung nur in praftif<ber
Sennlttif; ber pauSavbeit beftebe, unb bat ein
Weibchen Stift gum Sefen, unb nimmt bie unb
ba eine 3eüung ober ein ®u<h gur ^anb, fo
wirb fie geitDerfchwenberifd) genannt, unb ihr
2efen als ein Uebel betrachtet, welches burdjauS
übermutiben werben mufe. GS ift wahr, baß
manche Wäbd)en guoiel 3eit gum Öefen berwen«
ben, unb baburd) nötbige Pflichten berfäumen,
was natürlich unrecht ift, tmb ihnen nur gum
©chaben gereicht.
ffiäbrenb ber Snabe bis gu einem gemiffen
91lter alle Freiheit bot, nach ben ©djulffunben
1 fich gu nmitfiren, unb burdj bie ®ewegung int
freien eine gefunbe Sonftitution unb einen ftarf
gebilbeten Sörper gu erlangen, unb burcf» ®e«
obachtung ber Statur fo manche Senntniffe fich
angueignen, ift baS fÖläbchen in ben meiften
3?äKen aus ^>auS gefeffelt, eittmeber itgenb
welche 2lrbeit gu bcrrichten, ober, wie eS bei ber
reicheren Slaffe häufig ber f^cill ifl, um bie guten
Sleiber gu fdjonen unb bie ©efichtsfarbe fd)ön
weif; gu bewahren, ©o mancher ©eufger ent«
Digitized by v^ooQie
584
Plöbdienbilbung.
fließt ber kleinen, »enn fie fiebt, tuie anbere 5Tin=
ber, beren ©Item tninber ftreng finb, fic^ im
herrlichen ©onnenfchein tummeln, Don ©anb
£hid)en bacten, ©töbte bauen uitb fo mancherlei
fünftliche Sachen machen ober fonft, ungebinbert
auf bem grünen Stufen if;r ©{fiel treiben, »äb=
renb fte bödjftenS ein ober jtoei ©tünbdjen beS
$ageS mit ber Slmme fittlid) bie ©änge beS
©artenS burebwanbern barf.
©dfon in ber früheren ?>iu]cnb faßte bem
Stäbchen fo»obl als bem ßnaben jeben Stag
eine geraunte. 3eit erlaubt fein, fiel) in bequemer
Jtleibung ungebinbert Don allen ©orgen bem
©piele im freien ju ergeben, nur foßte barauf
gefeben toerben, baß bie ©pielgenoffen Dom fei»
ben Silier uitb artige .Qiüber finb.
SBenn bann burch baS Spielen im ©anb unb
in bet ©onne baS Qleibchen ein wenig befdpnußt
unb baS ©efidjtdjen Derbrannt wirb, faßte bie
Stutter nicht gu ftreng fein. 2)iefe Stäben »er«
ben mehr a(§ jehnfad) erfeßt burch ben gefunben
Qörper, »eichen ba§ Qinb gewinnt. ein ge«
funber Körper als jjfunbament Dorbanbcit, bann
fann ohne ©eforgniß, bie SluSbilbung beS ©ei«
fte§ beförbert »erben.
SebeS Stäbchen foßte einen grfinblidjen ©le«
mentar«Schulunterricht genießen unb wenn
möglich fi<h höhere .Qcnntniffe aneignen; boch
foßte in ber ©rwäfjlung bcrfelben Stüdficht ge«
nommen »erben auf bie itatürlid)cn Slnlagen
beS StäbdjenS, beim bie 3eit, »eiche für fold)e
©tubien Derroanbt wirb, für bie bas Stäbchen
burchauS feine 2uft ober natürliche 21 ttlagen bot,
ift Derfäumte 3eit. ,
3u bem empfeblungSioertbeften ©tubien ge«
hören Stufif, Stalen, ©efdjidjte, Statbematif
unb ipbhfiologie. Stufif ermuntert ben Stelan«
<holif<ben unb befänftigt ben 3omigen. 2>ur<h
fie »irb bie ©efcflfihaft erheitert unb baS Sehen
berfebönert. fötalen erwedt einen ©inn für baS
©chörte unb Derebelt ben ©efebmad; ©efchichte
ftärft baS ©ebädjtniß; Statbematif fchärft ben
©crftaitb unb ©bbffalogie ift bie Qenntniß Dom
Körperbau beS fDtenfcben unb ben ©efunbbeitS«
regeln, unb manche Äranfbeit fönnte Derbütet
werben, »enn jebe #auSfrau mit biefem ©tu«
bium befannt wäre.
$ur<b ©ittjiebung einer guten ©djulbilbung
tauben bie ©Item ißren 2örtern, »aS fie burch
leine ©d)äße, welche fte ihnen binterlaffcn mö=
gen, erfeßen föttnen, benit 9tcid)tbümcr Dergeben
oft, aber bie Schüße beS ©eifteS fönnen nie ge«
raubt »erben unb fönnen ben täglichen ©röb«
erwerb um Sieles erleichtern.
2>ie Silbung beS JtinbeS gebt beftänbig bor
fid), nicht nur in ber furjen 3eit, in »eldjer eS
unter ber beftänbigen Slnfficht be§ SebrerS ift,
fonbern auch in ben freien, bem ©piele ge»ib=
meten ©tunben, in »eichen ba§ ßittb umbiffent«
lidb bon ben ©borafteren unb SfenfungSarten
feiner ©pielgenoffen beeinflußt »irb. Südjer,
bie jur Unterhaltung ober jum 3e<tDertreib ge»
lefen »erben, finb ein anberer mistiger fjactor
biefer inbirecten ©ilbung. ©S »irb oft argu»
mentirt, baß ber gute ober böfe ©influß folcber
ffiiid;cr auf ben ©eift ober ©borafter fefjr nnbe«.
bcutenb ift, unb baß im fcblimmften Solle ba§
Sefen berfelben nur eine ©ergeubung ber 3 e *^
fei. Slbcr bie§ ift ein großer Jfrrtbum, benit
biefe ©lieber »irfen täglich, jo ftünblich auf bie
Sugenb unfereS SanbeS. ©tauche ©üdber finb-
rein, »abr unb erbebenb unb berebeln baS ©e»
mütb; anbere bagegen finb giftig unb erniebri»
genb unb »irfen ©erberben. ©Item foflen »oht
barauf achten, »eiche ©ücher ihre Stinber lefen,
bodj ift e§ nidjt rathfam, bie fchlechteit ftreng ju
berbieten, »eil oft baburdj bie Seugierbe geioedt
unb berftärft »irb unb oft ju mitternächtlicher
©tunbe, »enn bie ©Item längft im fanftetr
©chlumnter ruhen, »irb biefeS ©erbot ungebin«
bert übertreten. Slber burch freunblid>e, "ernfte
©rflärung foßte bem Qiitbe beutlich gemacht
»erben, wie nacbtljeilig foldje Südjer unb ©ebrif»
teit für baffelbc finb, unb hoben bie ©Item baS
3utrauen beS ÄiitbeS gewonnen, baß baffelbe
Weiß unb fühlt, ber ©ater ober bie Stutter
meint eS gut mit ihm, »irb biefer ©tan feiten
fcblfdjlagen.
©iefleidjt am bebeutenbften ift baS elterliche
©jempel, bejfen ©influß beftänbig unb mächtig»
lieh wirft. Sticht nur abmen bie ßinber baSje«
nige nach, t®aS fte feben, fonbern ber ©eift, ber
fie umgiebt, burdjbringt ißr ©emütb-
3)a ber ©MrfungSfreiS beS Stäbchens meifteitS
im 4?aufe ift, ift es felbftDerftänblid), baß fie
bnuptfächlid) praftifdje $enntniffe Don £>auS=
arbeit befißett faßte, ob fie in fpäteren fahren
fctbft baDon ©ebrauch machen muß, ober über
Sicnftboten ju befehlen hoben »irb.
3ur wahren Silbung gehört ein guter, fefter
©baraftcr, benn gerabe b'er religiöfe unb mora«
lifdje 2ßeil ber ©Übung ift baS ©lentent, welches
allem Slnbern feinen ©fertb Derleißt. fflo immer
baS ©täbeben fidj befinbet, muß fie wiffen fid)
anftänbig unb »oblgefittet ju betragen unb »o
immer fie mit Slnbern in Serübrung fommt,
foßte fie einen bilbenben unb Derebelitben ©in»
fluß auSübcn.
©o wie bie Steligion bie größte cibilifirenbe
©taebt auf Grben, fo ift bie Sfrömmigfcit ber
©chliiffel afler wahren Silbung unb ©ittli^teit,
unb wo wahre fSfrömmigfeit im bergen thront,
»irb fie ben ©barafter imb ©ßanbel beS ©ten*
f<ben regieren.
Digitized by v^ooQie
Hatfearina II.
585
putljariita II., Batfrriu non Jlttfjlaub.
®on 3. ®djlaBtitljaitf.
iefe burd) ©eift unb Staaten attS= j ntalom eine ZntfagungSurfunbe beS ruffifd^en
gejeichnete #errf<herin war Die Ibronee gur Unterzeichnung borgelegt würbe,
iochter beS dürften Zhriftian leiftete er ohne 3ögern {folge, unb lief; fich als
9luguft bon 2lnfealt»3erbft. ©e« ©efatigener nad) bem fjatibhaufe 9topfd)a brin.
bereit am 2. *Diai 1729 $u Stettin, gen, mo er am 17.3»l< 1762 unter ben Rauben
Wo ihr Sater als preufeifefeer ©ouoerneur ftanb, bon Serfcfewörern ftarb.
erhielt fie bei ihrer iaufe bie fJtamen Sophie ®ie Krönung ber neuen Derrfcherin et folgte
9lugufte, tmirbe, erft 15 2fah« alt, auf Ser. halb barauf am 22. September. Sott bem ©en.
antajfung ffriebrichs II- bon Preußen, im 3afete fer ^uroetier Sauzin liefe fie fief) eine Krone an.
1745 mit bem ©rofefürfiett 'Bieter Permäbtt, ber fertigen, bie 2 StiUionen 9tübet foftete, unb mit
im Safere 1762 als Seter 111. ben ruffifd^en wenig Sbanberungen nod) beute als Kuiferfrone
$ferou beftieg. gebraucht wirb. 3)iefelbe ift mit 58 großen unb
Sei ihrem Uebertritt zur grie<hif(h s Iatholifdjen 4878 Keinen Sritlanten, fomie mit 75 matten
Kirche nafem fie bie 9tamen Katharina Sleriewna '-Perlen befefet unb 30 Zentimeter hoefe.
an. $ie Sermähluitg warb am 10. September Zineßieoolution bon wenigen Stauben brachte
1745 mit grofeem Sotnp ooDjogen, unb bie erften eine bcutfdje 3?ürftentod)ter auf ben SLferoit ber
3abre fetjien ein gliidlicfecs Serhältnife jwifefeen 3a r en.
ben betben Z begatten objuwatten, bie Zreigttijfe SDtit 9ted)t legt ibr bie ©efdjichte ben Flamen
fpiiterer 3fabrc führten aber eine Zntfrembung ber grofeen Kaiferitt bei. ®ie Slätte Seters beS
herbei, bie mit ber 3eit immer gröfeer tmirbe, ©rofeett jur ©efittung, Kräftigung unb Ser.
bis jebeS feinen eigenen fJteigungen liacfeging. gröfeerttng 9tufelanbS, würben bon ihr mit Zrnft,
9IlS ber Kaifer bertauten liefe, feine ©emafefin ©efdjicf, SuSbauer unb Zrfolg betrieben,
fainmt ihrem Sohne Seter in ein Klofter fper. 3" ber Unterbrücfung ber Sufftäube im 9teid)e
reu ju laffen, fafete fie ben fühlten Ztitfcfelufe, war fie erfolgreich, unb faft alte ihre Kriege be.
ihrem ©emahl bie .fjerrfchaft ju entreifeen, unb enbete fie mit einer Sergröfeerung ÜtufelanbS,
fich fetbft auf ben Sfhron ÜtufelanbS zu fehen. unb berfefeaffte ihm ein fühlbares Gewicht in ber
9tad)bem fte finge unb eutichloffene Sfättner SSagfdjale europäifeber Staaten,
im Staat unb £>eer für fich gewonnen hotte, ®en Siirfen nahm fie bie Krim ab, int Ser.
berliefe fte in ber 9Jacfet beS 9. 3uli 1762 baS ein mit Cefterreid) unb Sreufeen ftridb fie Solen
Suftfchtofe Seterhof unb eilte berfleibet ber aus ber 9feif)e ber ^Rationen unb rife Kurlattb
fmuptftabt ju, wo fie 5 Uhr SiorgenS anlangte. att fi<b.
Schon um 7 Uhr fetfe fie in ©arbeuitiform zu Stich in Sficn befeftigte unb erweiterte fie ihre
Sferbe, unb ritt, bott mehreren Snhängern be. ÜJlacfef unb ©renje, entrife Serfien ben £>afen
gleitet, bor bie Kafernen ber ©arbe, welche in Verbeut, unb berfuchte noch furz bor ihrem $obe,
ber Sfeittuttg, ber Kaifer fei geflorbett, ihr ohne fich 8<hWebenS burd) eine feeirath ju berfichern.
Schwierigfeit ben <Sib ber Sirene fchwuren. Son ©egen bie franjöfifdje Seoolution hotte fie
hier zog fie in bie Kafanfirche, Wo berahrebeter. einen folcfeen SMberwiflen, bafe fie aßen Serfehr
weife bie ©eiftlidßeit unb ber Sifd)of bon 9iow. mit bem ueuformirteu Staate abbrach,
gorob fie erwarteten, in beffett ©attbe fie fihwur, 9fid)t nur nach Sttfeen entfaltete fie eine er.
bie ©efefee beS 9teid)eS unb bie ^Religion beS ftauttlicbe Stljätigfeit, auch int Ämtern beS 9iei.
SolfeS aufrecht ju erhalten. 9loch ZrUjeilung cfeeS wirfte fie als bilbettbe Schöpferin auf allen
ber Skiljen berlünbigten Kanonenfchüffe ben er. ©ebieten ein.
ftaunten Setbohnern SeterSburgS bie 2öahl einer ®ie Serwaltung ber 9ied)tSpfIege war bisher
neuen ^errfcherin. ber SMDfür ber 9ticbter anheimgeftetlt, bie nach
3n einem Wanifeft, welkes fie fogleid) erliefe, einem bereiteten ©efefebud) naa) Selieben baS
fitnbigte fie an, bafe fie auf ben ©unfd) ih«r 9fecht hanbhabten.
Sötfer als „Kaiferin Katharina II" ben 3:hion : Katharina fafete ben fühnen ©ebanfen, ben
befteige, baS Saterlanb bom Untergang ju retten, j 9luffen ein neues ffiefefebud) ju geben, unb fdjrieb
911S ber Kaifer Kuttbe bon biefen Sorgängen ] ihre berühmt geworbene „9lnmeifung jum ®e.
erhielt, founte er feinen feflen, mannhaften <5nt=! fefebuche."
fchlufe fuffen, unb ba er fich beim £>eere unb be= 91uS aßen Sö(ferfd)aften ihres umfangreichen
fonberS bei ber ©eiftlichfeit uttliebfam gemacht ©ebieteS liefe fie^lbgeorbnetejufnmmenfommen,
hatte, fanb er ttirgenbS nachhaltige Unter, um ihnen bie fHnmeifungen borlcfett ju laffen.
ftüfeung. 911S ihm burch ben Kammerherrn ®ie Sifeuugen würben mit ber gröfeten freier-
Digitized by v^ooQie
586
Wit |jö!)le bei Suratj.
lidjfeit eröffnet unb Ratljarine hörte ungefefjen in bie bebaglicfffte Stimmung berfefft würbe,
ben S3erf)anb(ungen gu. 91IS einft in einem ^alaft ihre SBüffe mit rotier
$ie 9lbgeorbneteit ertheilten ihr ben öeinnmen {färbe befubelt worben mar unb alle Urnffeffenben
ber ©roffen, ber SBeifen, beriJRutter be» ißolfeS. in f)öd)[te ©ittrüffung nuSbrachen, fagte ffe
5tur ben lebten Flamen erffärte ffe onnehmeit gu lacffenb : OaS mar gewiß ein 'Uage, ber mein
fönnen. ©ans Europa goflte ihr Sei fall unb ffarfes Söhnt infen lächerlich machen will,
legte ihr ben fRamen ber ©efeffgeberin beS 9tor= ] $apff *PiuS VI. ffhloff eiitff einen Srief an
benS bei. ®aff feine erfpriefflicheren IRefuItate ffe mit ben SB orten: ,,©oti möchte hoch bie
für bie SDßohlfahrt beS SanbeS au» ber Ser* Äaiferin erleuchten unb ffe gu ber heiligen fatljo=
fainmlung entsprangen, barait waren bie ffch oft lifchen Rirdje jurücfführen," worauf ffe erroi«
freugenben !Jntereffcn unb bie Sefdjränftheit ber berte: Sie bitte ©ott, hoch benSßapff gu erlemh»
91bgeorbneten fdhulb. ten unb ihn in ben Scho off ber rechtgläubigen
Um eine allgemeine 93olfSergiebting hfrbeiju« griechifchen fii reffe gu führen. ÜJtit SPinbern
führen, feffte ffe eine ©rgiefjungS»©ommifffon berfeffrte unb fpiette ffe gerne unb fchrieb fogar
ein, welche 9lnftatten gut Silbung bon Seffrern, für ben Unterricht ihrer ©nfel bie Sibliotfjef ber
fRormalfcffulen unb gewöhnlichen Schulen im ©rofffürffen.
ganten ^Reiche anlegen füllte. ®en ©efanbten frember $öfe, ben Wienern
Sie fChicfte ©eiehrte in bie berfcffiebenen $ro» ihrer Stacht unb bem Solfe gegenüber geigte ffe
bingen ihres weiten SReicffeS, um bie Schliffe ber ffdj gang anberS. Sobalb ffe bie .fpanbfCfjube
fRatur, bie Sitten, ben SilbungSgrab ber 33öl= angelegt unb ihre 3intmer berlaffen hotte, nah«
ferfCffaften unb bie Spuren ber alten 3eit 31 t er= men ihre 3üge ben 91uSbrucf furefftgebietenber
forfcffen. Sie felbff berfaffte Ueberfeffungeit Cwffeit an, unb bie liebenSwürbige, bergnügte
auSlänbifcher Sßerfe unb beS 9IlterthumS unb ffrau berwanbelte ffch 3 ur majeffätifchen ©ijr«
gab benjeitigen, bie fiCh bamit befdjäftigten Se= furcht aebietenben Raiferin, ber man nur fCffüCh«
tobnung. Stit rafflofem ©ifer förbcrte ffe bie tern [ich nahte.
[Rechtspflege, Gibilifation, ,[fünfte, SBiffenfchaft Katharina war in ihrer 3ugenb fcffön gewe«
unb ben wcferbau unb trug Sorge für bie Firmen fen, ©ragie unb Slnmutff blieben ihr auch im
unb Unterbrücften, felbff auS fremben Säubern. Alter. Sie mar mittlerer ©röffe unb mofflge«
3eber Siffung beS StaatSratffeS wohnte ffe per= wachfen, hotte eine offene Stirn, gebogene Safe
föitlich bei, jebe ®epefche, bie einlief, laS ffe unb in ihren blauen Gingen matten ffch Sanft«
felbff unb hatte über jebem jEfjeil beS bielfach mnth unb Stotg. 93ei einem auSbrudfSboHen
aegtieberten [Reiches ihr roncfffameS Auge. 'Sie ©effchte befaß ffe fo biet SelbffbeherrfChung, baff
©runblagen ihres ©harafterS waren Stenfch« man nie auf bemfelben bemerfen fonnte, was in
liebfeit, SBoblwolIen unb ©roffmuth, mährenb ihr ihrer Seele borging. Sie lebte febr nüchtern,
SJutfj, ©ntfCffloffenheit, SEffätigfeit unb Släffff friihffücfte nur wenig, aff mäffig gu SRittag unb
gung ffttlidje ©iqenfdjaften an iffr waren. 3hre enthielt ffch gängtiCff ber Abenbmafflgeit.
^auptleibenfChaften waren ©hrqeig, [Ruffm unb Am 17. Sobember 1796, nach B4iähriger 9 te=
©roberungsfucht, ihre fehler bie ihres StanbeS, gierung, ftarb ffe an ben {folgen eines Schlag«
ihre Sitten bie ber £>öfe ihre» 3aljrbunbertS. fluffeS, umgeben bon ihren Angehörigen, bie
3m ^ribatumgang war ffe IiebenSwürbig unb : Ströme bon SEhränen bergoffen,'beweint bon
milbe, baff ihre Umgebung bunff ihren Junior I ihrer Umgebung, betrauert bon gang [Rufflanb.
Pic goljlf bei fttrni).
®on Arno ©. ©aebeleiit.
^|n|er herrliche £>ubfon = ffluff wirb fehr oft giebt, iff nicht nur bie romantifeffe Sage, fonbern
•v bon SReifenben ber amerifanifeffe [Rhein auch baS ©efCffichtliche, welches ffch um bas ©äuge
genannt, bodj wer fCffon einmal ben 23atcr fcfflingt.
'Rhein befahren unb jene reigenben Sanbfchnften, ®oCh Wer ba fagt, baff unfere neue £>eimatb
welche feine Ufer fchmiitfen, betrachtet unb bie arm iff an fRomcintif, ber irrt ffch gewaltig,
alten Sutgen, Denfmäler längff bergangener ©otteS $anb hat auch hier biete Aaturmunber
3eiten angeffaunt hat, wirb miffen, wie wenig erraffen. 3w Offen ffnb eS bie „SBhite fDloun.
ber 95crgleiCb ein richtiger iff. 2öaS bielen Sanb» tainS", in ben mittleren Staaten bie AfleghenieS
fdiaften in ber alten Seit einen folgen IReig mit ihren fChönen Scenerien, im SBeften bie
Digitized by v^ooQie
Pie Höljlt bei £urmj.
587
Digitized by v^ooQie
588
Pie Ijöple bei ^uraij.
wolfenüberragenben üiocft) WountainS, rodele
Don 3aljr 311 3>al)T Don SaufenDen befugt uitb
bewunbert werben. Unb mancher Caubftricp er«
freut nicht nur meinen feiner lieblichen Saue baS
9luge, foubern mich gefcpicptlicpe ©rinneruugen
werben in bem ©emiitpe beS ©ebitbeten rnaep«
gerufen. Ohne ^lueifel fteht hierin bie ©egenb
obenan, welcpe_bie Stabt Baltimore Don SJÖeften,
fRorben unb «tibeu umgiebt, unb bie Staaten
Warplaub. SSii^inia, ©3eft=©irginia unb ©enii«
fplDnuien umfcplieBt. fRomantifcp ift biefe ©e=
genb wegen beS fchönen bewatbeten „©lue Otibge
©ebirgeS", hie unb ba Don Strömen, wie ben
©otomac unb Shenanboah, burepbrodpen —
piftorifcp, weit biefe ©egenb ber Sdpauplaß be§
bebauernöwertpen SrubertriegeS gewefen. Siefe
©egenb ift in leßter 3eit noch berühmter gewor»
ben burep bie ungefähr Dor 5 3(ihren entbeefte
|iöple bei Curap. 2Ber pat nicht fchon Don bem
unterirbifetjen SBunber, ber Weimmutppöple in
ftentucfp gelefen ? 9tber in ber Spat wirb Warn«
mutp Don Curat) übertroffen.
©inem tängft gehegten 9Buufcpe nadpgebeitb,
machte fich ber Schreiber biefe» in ©efellfdpaft
einiger 9tmtSbrüber Don Saltimore auf, um baS
ju fehen, waS für unbefcpreiblicp gilt.
©on jßnfpington an fteigt bie ©altimore unb
Ohio ©ifenbapn beträchtlich, unb botb fiept man
im ©orbeigruube ben Wie ©ewitterwotfen aus«
fepenbeu ®ebirg»jug liegen. fRacpbeni ber ©oto«
mac mit feinen [teilen gelswänben baS 91uge ber
fReifcnben eine 3rit lang erfreut patte, freujte
ba» Sampfrofe „£>arper§ gerrp"; jur Cinfen
fepen wir gopn ©rown’S gort unb bie 'Jtuinen
beS 9Bnffen«9lrfenalS tiegen. ©ei Spenanboap
3'imction werben wir auf baS ©eteife ber e>pen«
anboap=Sapn gebracht, unb nach 3*'rücf(egung
Don weiteren 6(5 Weiten erfdpallt ber 9tuf beS
©onbucteurS: „Curap!"
Sie Sage biefeö StäbtcpenS ja fepen, ift fepon
ber Wiipe unb beS ©elbeS wertp. 9tber lange
3«it 311 biepterifepen ©etradptungen haben wir
niept, benn noch finb wir niept an Ort unb Stelle,
©ine 9(ii3eipl ©efäprte fiepen bereit, um bie
Sotiriften nach ber jwei Weilen entfernten 4?öple
311 bringen. Schnell füllt fiep eine ber gerabe
niept fepr eleganten ©guipagen unb fort ging eS
über bie raupe ©ebirgsftrajje — in ber Spat
eine Seefahrt im kleinen!
Ser ©laß, worunter bie |>öple fiep befinbet,
ift ein tapfer liügel, über ben ©ingang 3itr
©rotte ift ein £>au§ gebaut. fRacpbem bie ©e=
fueper fiep iprer fRegenfcpirine unb ipreS ©e=
pädeS entlebigt patten, ging e§, an ber Spiße
ein fuubiger güprer, in bie Unterwelt. Ser
©ingang ift 3'iemlich enge unb finfter, boep halb
erweitert fiep berfetbe. Sa nodp um eine 2Ben=
bung, eine eleftrifcpe Campe giebt uns baS Cicpt
unb plößlidp büntt eS uns, wir finb in eines
ber unterirbifepen Sdpaßpäufer oerfeßt, welche
3werge unb fiobolbe im ©efiß paben. ©ine
weite geräumige ^jallc liegt Dor uns, ungefähr
30 guß poep; Don ber Sede pängen bie glän3en«
ben, in oerfepiebenen garben fdpimniernben ©e«
fteine herab, welche burep baS elettrifdpe Cicpt
beleuchtet, wie ungeheure ©impfen erfepeinen.
9©opl allen Cippeu entfcpliipfte bei biefem impo«
feinten 9lnblid ein bewunbernbeS „91p!" Socp eS
ift ja nur ber 9lnfang, unb wie eS unfer güprer
nennt: „©utrance .fiall". ©§ gept Dormcirt».
9ßafpiiigton’S Säule unb ein ©lumengarten
finb bie näcpften ©egenftänbe, welcpe burep bie
Steine gebilbet finb. SBafpington’S Säule ift
20 gufj poep unb gept Dom ©oben bis 31er Sede,
umgeben Don taufenb (leinen Säulcpen, unb
fiepe! sur rechten finbeft bu ben ©lumengarten,
fleine unb große ©emäcpfe fepeiuen aus bem
glatten ©runbe peroorgefproffen 3U fein, unb je
mept man piublidt, befto natürlicher erfepeint eS.
fRun gept es über eine natürliche ©rüde in eine
£>alle, weldpc „baS Speater" benannt ift, unb
alles bis jeßt ©efepene übertrifft. Süden wir
Don hier riidwärts, fo paben wir einen Ueber«
blid bis 311111 ©ingang, bon Dornen aber leueptet
uns ein ©pnoS Don ©efteinen unb pellen fRifcpen
unb ©ängen entgegen; boep wir ftnb allein.
Unfer güprer ift uns Dorangeeilt 3U einer anbe«
reu iutereffanten ©ruppe. ©iSmard! ruft er
uns entgegen. ©iSmard? ©i, wie fommt ber
benn nach ©irginien ? Socp anf’S neue ruft ber
giiprer uuS ben 9tamen ber gormation 3U, unb
bieSmal Derftept eS ber Scpreiber reept: „gifdl*
martt!"
Unb wirfliep, ba pängen fie 3U Staufenben,
große unb (leine gif^e, grau unb weiß gefärbt.
— O, wie natürlich! Wän (ann (aum baSSüige
abwenben, um — bodp nur ein noep größeres
Jöiutber 3U fepen. SBir wenben u«S reepts, unb
nadp bem ©rfteigen Don 75 Stufen befinben wir
1111S in einem geräumigen Saale ,,©lfen«£>ei»
matp". Ser Saal mag ca. 500 gujj lang unb
2—300 gnfs breit fein, bie Sede pat ein bläu»
licpeS 9luSfepeti. ©in nieberer ©ang füprt uns
naep einer fJiifcpe, eS ift gan3 bun(el; plö|licp be«
inerten wir, bafi fiep 3U nuferen güpen ein tiefer
9lbgrunb auftpnt, unergriinblicp, wie ber güp«
rer bemerft. @S foD ber ©nbeS fein. Sodp ganj
unten tief im ftintergrunbe befinbet fiep eine
Cicptgeftalt; ber immer 3ur 9luS(unft bereite
„@uibe" erdärt: „bie Säule fei ein ©efpenft."
fRocp eine ganje SReipe Don Heineren Singen tre«
ten uns iit biefem Speile ber $öple entgegen.
|>ier ber Äopf eines flameelS, ba lange 3öpffn
Don Sropfftein, bie faft ben ©oben erreicht paben,
unb immer tropft unb rinnt eS nodp. SaS ift
bie ewig fpielenbe Spule, weldpe biefe ©eftalten
webt, gn eine jweite fRifcpe eiitbiegenb, finben
wir eine Quelle frifepen SDafferS, um3äunt Don
Digitized by v^ooQie
Pit piiljlt bei furaij.
589
einem gangen SBalb tneißer 3äpi<b e,t — unb
inbem mir burd) einen ©ang nach einer nuberen
3lbtbeilung eilen, merben imS non betn Rührer
etliche am Soben liegenbe ßnodjen gezeigt. ©S
füllen 9Jlenfcbenfno<ben fein. Oie ©elebrten
0>r. Sofepf) Seibp non Ißbilabelpbia unb Or.
©Imer Sfepnolbs non bem <Smitbfonian=3>nftitut
haben biefe Angabe als mabr beftatigt. Slnnto«
miften fagcit, eS feien bie Ueberrcfte eiltet inbio«
uifchen itinbeS. 3lit anberen ©teilen ber V>ol)le
merben 3lbbriicfe non ÜDtoccafin’S unb auberen
gußfpuren gezeigt.
©ine an ben nielfachften ©ebilben
reiche ©rotte, „Oberon", burdjmau»
bem mir unb fommen nadj ber 9tie»
fenbaüe. 2lm ©ingange berfelben
tnirb ein non ber Oede perabfjängen*
beS, burcbficbtigcS ©eftein gegeigt, buc¬
hen 5iamen „©elena’S ©baml" trägt.
2öir finb in ber 9tiefen«©atle. Ood)
teer ift im ©tatibe, biefe» Panorama
gu befebreiben ? „Oitauia’S Schleier"
beißt eineä ber riefenbaften berab*
bängenben ©ebilbe, ffliidionen große
unb tleine 3apfen unb Jfegel bangen
non allen ©eiten bernieber. Oagu noch
baS eleftrifcbe Siebt, meldjeS in bet
Obat ben ffienuß um bie Hälfte er»
höbt. Oer gefrorene Springbrunnen
ift ein anbereS Söuitber. — 2Sie na»
türlid)! 28eiß roie ©<bnee unb ©iS,
unb bie nieten 3äpf<ben gu bunberten
uub aber bunberten b?rabbängenb.
Unfer SEBeg gebt jeßt nach ber ©atbe«
brate. Oie Schönheiten ber unter«
irbiftben 2öelt haben hier ihren ©ipfel«
puntt erreicht. 3 ur »«bten feben mir
eine Mangel mit Sebacbung, mie fie
noch jeßt in fatbolifdjen Kirchen gu
feben finb. 3m ©intergrunbe ftebt
bie Orgel, eine 3uFatnmenfeßung non
ca. 3 gfufe langen ©talagmiten, bie
nie! 2febnlid)feit mit ben pfeifen einet
Orgel haben. 3 U unferer Sermun«
berung fpielt ber Rührer, ba bie
Oropffteine einen beben Älang geben, gmei Sie«
ber auf biefer fteinernen Orgel ab. 3n>ei anbere
©teine liefern ben Saßton ber ©loden.
Oocb feijt, hier ift baS treue ülbbilb beS Obur«
meS gu Sabel, toie gemauert ftebt er ba, ein
merfroürbigeS Silb! Oocb roatum nerfueben,
alles aufgugeiebnen, maS biefer Obeil ber ©üble
enthält, ba eS bo<b unmüglid) ift.
OaS eleftrifcbe Siebt flattert mie ungebulbig,
bafs eS beruntergebraebt mürbe in biefe Unter«
melt, aber getabe biet entroidelt es feine nofl«
fommene Utacbt. @S nermebrt ben ftontraft non
Siebt unb ©chatten, morauf es in einer ©üblen«
feene fo niel anfommt. Unter feinem ©lange
fd)dnt bie meifje Formation mie 5ßerlenfd)immer,
mäbrenb bie bernfteinfarbige ber älteren unb
buufleren ©efteine miebaS fdjünfte ©olb leuchten.
Oie ©cbünbeit unb Sieblidjfeit fann nicht
übertrieben merben, nein, menfctjtidje Sprache ift
nicht im ©taube, eS mürbiglid) gu preifen gur
©bre ©otteS, ber 3llle§ fo fjevrlid) gemacht. Oie
©intmel ergäblen bie ©bre ©otteS, unb hier pre«
bigen es uns bie Oiefen fo beutlid). $)?it einem
heiligen ©cßauer, mit tiefer ©befürcht rufen mir
betenb auS: ,,©err, mie finb bod) beine Söerfe
fo groß!"
Drget in b«r Surn^b^le.
SKir neriaffen biefen Ort unb fommen nach
b£r ^Betrachtung einer gangen Uleibe ber munber«
barften ©egenftänbe in eine noch geräumigere
©alle, ben Sallfaal. Oiefe 31 bt bei lang liegt am
ttefften, 260 3?uj? unter ber Oberfläche ber ©rbe.
3(n einer ©de beS OangfaaleS befinbet ficb ein
ftirchbof. Sont fchmargeit ©runbe erbeben ficb
rneiße ©teine, ©ätilen unb Ouabrate, melche ben
©rabfteinen täufebenb gleichen.
2Bir ermähnen non ben nielen 3-iguren nur
noch bie „Säule ber ffaiferitt" unb eine entrollte
Oede (fiebe Silb). DJtit ©cbmergen nehmen mir
non biefer anberen 2Belt 3lbfd)ieb, ba bie 3«>t
gefommen, um ben ©eimmeg angutreten.
Digitized by
590
Knfer ©efangbudj.
Tie Suragpöple würbe im 9tuguft 1878 bon
9 t. 3. Gampcll cnibccft, ber atiep bet erfte roar,
welker fie burcpforfcpte. 2cßteS Fopr ging fie
in bic £>anbe ber Spenanboap=Eifenbapn=6om»
pagnic über, melcpe fie für $40,000 bon bem
Entbeder taufte. Tie Spanbotte» linb 91iam»
mutt) = Kopien finb größer, als bie bei Surap,
bocp finb bie Söänbe bet erfteren faft fab(. Ta»
per werben fie bon Surap roeit übertroffen. —
Tie ganze Hingebung befteEjt aus Kallftein,
große 4>öplcn werben überhaupt nur in Kalt»
fteinregionen gefunben. Tropffteinformationen
finb geroöpiiliip weiß, tnegeit iprer 3ufammen=
feßuttg bon .Statt unb DJtagnefia, mit ber 3 e 'l
erpalten fie auep eine bunftere Färbung.
Tie Formationen, roelepe mir in ber Curap»
pople finben, finb folgenbe:
© t a 1 a 11 i t e n. Tiefes finb bon ber Tede
perabpangenbe 3opfen. Sie nepmen ipren 9ln=
fang in einem tropfen foplenfauerpattigen
SBajferS (curbonic ncid), melcper an ber Tede
pängt, beit itatt auf (oft, unb inbem er berbunftet,
benfelbeu juriutläßt, ber bann bie mannigfaep»
ften Formen ber Tropffteine bilbet.
Tocp niept afle Tropfen bleiben an ber State
pängen. Siele fallen auf beit ©oben unb bilben
bann bie © t a 1 a g m i t c n, Formationen, melcpe
bon unten naep oben roaepfen. Ferner finben
mir noep § e l i 11 i t e n (grieetyifep iUanm perurn»
brepen), unb in ben berfeptebenen ©een unb
Cuellen, beren bie £>öple biele pat, perlen»
f ormationen.
Ter bi» jeßt entbedte Tpeil ber fjöple beträgt
5 Steilen, bocp finb, toie gefügt, üerfcpicbene 916=
tpeilungen noep unerforfept. Sie lange 3«**
genommen pat, epe bie £öple fo geworben, roie
mir fie jeßt bejieptigen tonnen, ift auep ben ®e»
leprten ein Problem.
^ntfpridjt ttiifcr (ßefaiitjlMdj ben Pebürfmf]Tc« brr Birdje, ober ijt
eine iKtbeffeniitg beffelbeu ttmufdjeiiotuerth ?
San ®.
I.
enn biefe Frage in ber (eßteren 3«it ba unb
bort aufgetaiupt ift, fo ftept bielleiept unter
ben CSutftepungSgriiiiben, bie bem 9tuge
eine» gemöpulidjen ©terblicpeu noep erteiepbar
finb, bie Tpatfacpe oovan, baß ba» TurepfcpnittS»
alter ber ©efangbiteper unterer Stutterfircpe
etwas über 10 Fapre betragt. 9tngefi<ptS ber
leßtcn Dtebifion beS etiglifcpeu ©efangbuepeS
Hingt eS faft riiprenb, rnenn in ber 9tnenipfep=
hing ber litebificm ooit 1849 fünf ©ifepöfe über
iprer WamenSituterfcprift bie fiirtpe zu einem
Sucpe begliidroünfcpen, meltpeS traft ber 3apl,
ber Stannigfaltigteit unb beS SertpeS feiner
fiieber „für fommenbe ©cfepleepter"
feiner Serbefferung bebürfen mirb. S)er leßte
biefer ©ifepöfe mar faum geftorben nnb meprere
©lieber beS tftebifionScomiteS roaren noep am
Seben, als, menn man gewieptigen nnb geroiep».
tigften Stimmen ©lauben fepenten barf, „ b a S
bringenbe ©ebitrfniß ber $irepe"
mit einem neuen ©efangbuep befriebigt mürbe.
Ob bie Tpntfadpe, baß baS Tur^fcpnittSalter
ber ©efangbiieper ber Stetpobiftentirdpe geringer
ift, als baS einiger ©eproefterfirepen, feinen
©runb in geringeren Kräften, ein mnftergiltigeS
©efangbuep perjnftetlen ober in größerem ©tre»
ben ber $ir<pe naep SSollfommenpeit pat, bleibe
bapingefteUt. ©enügenb für meinen 3med ift
S&eitrr.
bie Tpatfaepe: Unfer ©efangbuep pat
halb bas TurepfcpnittSa Iter erreidjt,
unb füllte eS einer fReoifion unterzogen werben,
fo mirb ipm pöepftenS ber ©ortmirf ju ntaepen
fein, baß es niept beffer mar, als feige ©cpmeftern
im englifepen ©emanb.
Senn miep mm troft biefer @<pan*e eine ge»
miffe ©dpen abpält, fepnell in baS Verlangen
naep einem berbefferten ©efangbuep einjuftim*
men, fo bebarf baS mopl feiner Entfepulbigung.
3uerft einmal fepeibet man bon alten Freünben
niept gern. Tann pat biefeS Sßuep überpaupt
amp feine eprmiirbige ©efdpiepte pinter fiep. @5
pat ben beutfepen fÖeetpobiSmuS bon ber fiälfte
feiner jeßigen ttumerifepen ©tärle an bis Pieper
imrep all feine Kämpfe unb ©iege pinburep
begleitet. $tn ©otteSpanS uttb im Kämmerlein,
ini Fabel beS FrfclgS in ber ffirepe, unb in ber
Trauer an ©arg unb ©rab pat es mit ©otteS
2 Bort un^äplige fÜJtale ben fetigften 9tugen=
Mitten peiltger Fofube, ober eines großen peiii«
gen SeibeS ben paffenben 9luSbruef berliepen.
2öie manepe Erinnerung an TpaborS 4>öpen im
ipilgerlouf bleibt unauftöstiep mit einem 2peil
feines FupolteS berfnüpft.
9111 biefeS beftimmt miep, bem Tpema bie
Söenbung zu geben, mefepe in erfter Sinie b i e
Sinmürfe gegen unfer ©efangjbuep
unb baS auf fie gegrünbete ©er»
Digitized by v^ooQie
Jänfcr (Befangbud).
591
langen ltad) einer ©erbefferuitg ber
Iritifdben ©tüfung unterwirft. Sin möglicbft
unpartbeiifcbeS ©erfahren babei, wirb ja bie
©tängel beS ©udßeS oon felbft nufbedten.
Die erfte Sforberung, bie wir, um bamit gu
beginnen, an b e n 5 n b a 11 eines lird^Iicfjen
®efangbu<b§ richten, ift wobt bie, baß e S ber
begeifterte 9luSbrud ber göttlidien
iffiobrbeit fei, wie bie$ir<bebiefe
StBobrbfit aufgefaßt bat unb Iebrt-
Sßenn in biefer 'Hinftdjt je begrünbete ©e»
benfen gegen uufer ©efangbudb geäußert worben
finb, fo blieb eS mir unbefannt. f^aft baS Sin»
iige, baS mir babonju Obren tarn, war bie ©e»
fdpwerbe, baß baS Somite in redbt unbiblifcber
SOßeife baS Sieb 246: „SSßo ift 3efuS, mein 93er»
langen k." unter bie Ütubrif: „3u gegenfeitiger
Srmunterung unb Srmabnung" aufgenommen
habe, unb ©rebiger oft taftloS genug feien, bie
Seute aufguforbern gu fingen:
„lTleiite Seel’ iji feljr betrübet
Unb pon Sünben müb’ unb matt,
tt»o iji >fus, ben fic liebet,
Der midf einji erforen hat ?"
3ßie wäre wobt für foldbe Seute bie 93et»
befferung:
„UTeine Seel’ iji fcbwer betrogen,
3n Derblenbung rcirfj unb fatt.
Rett’ Pom ^einb, ber fie belogen,
Du, ber Uugenfalbe bat."
Die gweite gorberuna, bie an ben Snbalt
eine§ fachlichen ©efangoudbeS gu ftetten ift, ift
bie, baß e S mögticbft reichhaltig bie
oerfdbiebenen ©eiten djriftIi<ber
Sebte unb dbriftlidben Sehens be =
banbte. Damit habe icb aber baS auSge»
fprodben, worum eS ficb bei bem 93erlangen nach
einem neuen ©efangbudb bauptfächlicf) banbeit.
Das ift mit anbern aßorten ber Hauptborwurf,
bet unferm ©efanabuch gemalt wirb, baß es
ibm atlgufebr an ©iannigfaltigfeit gebricht.
Diefer ©ormurf gebt faft fetbftoerftänbtidb
meift oon uns ©rebigern ait§, unb formulirt
fidb in feiner ©piße in bie ßlage, baß wir oft
iein Sieb finben tonnen, welches bie ©emeinbe
auf Deyt uub 9ßrebigt Dorbereitet. ©liefen wir
nun gunädbft bem 93orwurf fetbft fdjjärfer iit’S
fttuge, fo febeint er mir WenigftenS tfjeilweife auf
©tißberftänbniß gu beruhen unb ungerecht gu fein.
8Bir ©rebiger finben eben guweiten wunderbare
Dejte unb noch oiet wunberlichere $bemen. DaS
eingige mir befannte ©efangbudb, welches ba an»
näbernb reichhaltig genug wäre, ift baS oon
Diaton ©ottfdbalb in Sibenftod im Sabre 1737
berauSgegebene, welches für alle ©tänbe uub
©orfommniife paffenbe Sieber barbieteu Wollte.
'Ja giebt es Sieber gum ©ebraudb beim ©pa=
gierengeben, bei ©eüatterfcbaften, bei ©äffe unb
Dürre, bei Srfdbeinung eines flometen, bei
ferneren ©rogeffen, bei ©cblaflofigfeit, bei ©orge
wegen oieler SHnber, Sieber für 9lbelige, 9lb»
Dofaten, 9lmtleute, ©rgneiüerftänbige, ©aber uub
©arbiere, ©auern, habe unb niebere ©ebiente ic.;
und) für einen geheimen ©taatSminifter unb für
©tubeuten. Uub bamit nicht gufrieben, bittet
ber Herausgeber auSbrüdlicg, man möge boeb
bie ©efäüigfeit haben, unb ihm einige noch
maugelnbe Sieber für ©autler, ©eiltänger,
Dajcbenfpieler, Hofnarren, ©chelme, Diebe, 3t 0
geuner unb ©pißbuben mittbeileu. Sin ©e*
fongbudb, baS in ber Dßat einer gewijfen mober»
nen ©rebigtweife nicht febr unpaffenb gnr ©eite
fteßeit würbe, nur baß eS auch Sieber für ©ferbe*
rennen, ©tunicipalmablen u. bergl. enthalten
müßte. Dod) abgefeben oon foldben 9(uSfchrei»
tungen füllte bie Dbatfadbe nicht Dergeffen wer»
ben, baß nicht 9llleS, was geprebigt werben muß,
beSfjalb auch ©egeuftanb eines geiftlidben Siebes
fein fann. Sin eflatanter ©eweis baüon ift g. ©.
bie Demperengfrage. aßeldb eine feurige ©e»
rebtfamfeit bat fie geraffen, unb welch eine
gliibenbe Siteratnr ift ihr entfprungen. 9Bo finb
aber unfere ©efangbudbiieber über biefeit ©egen»
ftanb ? „Sin ganges Sieb über ©täßigfeit, unb
baS matt genug," fagt man unS. Sch möchte
fragen: 9Bo finb bie Dentperenglieber überhaupt?
Das ©ebifionScomite beS etiglifdben ©efangbudjS
tonnte nichts ©efriebigenbeS finben. Ober toll«
ten mir oieKeicht im Srnft ©etmereien überfeßen,
beren eine g. ©. mit einem SboruS begleitet ift,
ber in Deutfeh etwa lauten mürbe:
„Das Sier muß hinunter, bas IDaffcr herauf?"
DaS liebe aßaffer mag paffenber ©egenftanb
fein für eine ©inbar’fcbe Obe, gum Singen geijt*
lieber, lieblicher Sieber macht bet greübenmein
beS heil. ©eifteS mehr gefdbidt. Sdb meineStbeilS
begehre and) feines befferen Siebes oor einet
Demperengprebigt, als unfer ©efangbudb eS tn:
„9ßie gut ift’S oon ber ©ünbe frei" unb oielen
ähnlichen bietet, ffaun idb üotlenbS ein freubigeS
Singen beS „Dtuft getroft ihr aßäcbterftiminen"
haben, fo gebt mir in ber ©idbtung an Segeifte»
ruitg nichts ab.
SP aber troß aflebem bie Stage über ©tätiget
an ©tannigfaltigfeit in unferm ©udße nicht hoch
begrünbet? ©idjt im allgemeinen ©lan, beim
ber ift faft fo reichhaltig, als ber ber beiben beften
mir befannten ©cfangbüdber, bem unfrer ©tut»
terfirdbe in engtifcher unb bem ,,9Gßürttem»
bergifdben ©efahgbucb" in beutfdßer Sprache.
Sn einzelnen SRubrifen aber, baS muß gugeftan»
ben werben, ift fühlbarer ©tangel an Siebern,
bie allgemein gu bermenben finb. ©ietleidbt nir»
genbS mehr als in ber SRubrif, wo wir Sieber
für chriftlidbe Dbätigfeit fudben. Daß mir ba
uns beinah oerlajfen finben, ift aber teinesmegs
Digitized by v^ooQie
592
Sn ftt Sefangbudj.
Schulb ber Pfänner, bie unfer ©efaitgbiicb ju»
fammengqleUt buben. SDenn erfilicb, wenn auch
ba§ griedpfcbe 2Bort „poema" beu Pegriff boii
Söerf in fid) birgt, uiib baS Sßort „poefie"
eigentlich fdjaffcn bebcutet, fo ift bodjbaS Schaf*
feit ober Süirten Weniger ©egenftanb ber Poefie,
nnb flute fleiftlidje Sieber über cbriftücbe SLbätig*
feit finb febmer 311 finben. OaS eine': „Seelen,
laßt uns ©uteä tbun" ausgenommen, ift felbft
bie reidje beutfdje £n)mnologie fcljr arm bariit.
^ebenfalls roieflen Die beiben neueren eiifllifebett
Sieber, bie Wir fllüdliefjerroeife in fluter lieber*
fejmng haben: „9luf, beim bie 9iad)t wirb tom*
men" unb: „Gin iagwerf für ben fjeikmb"
UllleS, was mir in biefer 9tid)timg belannt ift,
weit auf. Zweitens aber finb feit ber heraus*
flabe be§ ©efangbucbS in Hohem Ptaße bie
Söhne an bie Stelle ber beimgegangenen Päter
getreten, 1111 b baß biefe bie fdpuierigeit beutfdjeu
Gboräle, ans welchen biefer 2beil beS ©efang*
buchs faft ausnahmslos beftefjt, nicht finden,
mag ju beflageu fein, bleibt aber nicbtsöefto*
wenifler 2 ()ütfad)e, bie nicht wohl 311 änbern ift.
tiefer lcßtere Punft erflärt überhaupt einen
roßen Shcil beS besagten PtaitgelS an Ptannig«
altiflteit twn oerwenbbareu Siebern. 3iin großen
©aii 3 en bietet unfer ©efangbud) eine treffliche
2luSmabl Dentfcher Gfjoräle. Ginige -Perlen, wie:
„5ßie foll id) bid) empfangen" unb ähnliche aus*
genommen, befißen mir bie herrlichften Sliithen.
$aß aber nur oerhältnißmäßig wenige ©emein*
ben einen auch nur annähernben ©ebrauch öon
biefem 2baße machen, wirb 'JiiemanD beftreiten
wollen. Pteine 9lnfid)t ift, baß biele biefer Gho=
täte unfern Perbältniffen auch gar nicht ange*
meffen finb. Stext unb Ptufif finb fo bitrcbauS
maffio unb majeftatifch angelegt unb auf ftarten
Stimmenchor berechnet, baß es mir richtiges
©efühl 3 U fein fcheint, wenn unfere Heineren
©emeinben nicht baran beiden, biefe riefigen
Schöpfungen 311 fingen. Slußerbent ift heute eS
bauptfäcf)li<b bie hier geborene 3 ugenb, bie ben
©efang 31 t tragen hat, unb bie Gomponijlen ber
Ghorolmelobieu fingen fo gern in ben oberen
Soprantönen, bie ungefähr 3 Wei Slöne über bem
2)ur<bfd)nittSfoprau ber Ulmerifaner liegen.
SQßaS bie Sorm ber Sieber betrifft, fo
bürfte bie Sortierung berechtigt fein, baß f i e
ben anertannten Siegeln ber Äunft
entfprechen unb gegen ben gefunben
©efchmad ber jemaligen 3 e i t nicht
Der ft ofeeu bür feit. 2)aS meint aber gar
anbereS, als jene poefielofe 9lrmfeligfeit, bie,
weil fie felbft feiner Pegeifterung fähig, gerne
alle höhere Pegeifterung auf ihren PtaulmnrfS*
ftanbpunft hinabsiehen möchte. 3)ie ÄleinigfeitS*
främerei, bie weil fie feiner Sbce fähig, gern an
Silben flaubt, ift nicht fiunft. Sie hat ft<h ein*
mal jwar in 2 )eutfchlanb als folche breit gemacht
unb befoitberS an ben ©efangbüchent ihr faube-
tes fianbmerf geübt. S)a mürbe bann:
„Befiehl bu beinc ZPegc"
in
„<£mpftcljl bu beine IDege"
umaeroanbelt, tueil fca§ „Ijöflidjer" fei. $a
tourbe au3:
,/<£iu’ feße Burg ift unfer <Sott"
ein:
„€in ftarfer Sdjutj iß unfer (Sott"
gemacht, weil „fefte Purg" ju mittelalterlich
laute.
„Putt ruhen alle lüälDer,
Pieß, OTenfdjen, Stä&t’ unb gelber,
<£s fcßläft bie ganje JPelt"
hatte ber alte ©erharbt gefungen. $ie hochweife
ßritif fanb aber, baß baS ber SBiffenfchaft
wiberfpreche, nach welcher es ja nur auf ber hal-
beit Grbfugel 3 U einer 3eit Stacht fei, unb ber*
befferte: (!?)
„<£s fdjläft bie halbe XDelt."
SSiele ber alten Sieber waren aber gar 311 un*
gelettf, um fidj nach ber ffuitft juftußen 3 U (affen,
fo mußten fie beim neuen weichen, echten Äin*
bem biefer Shilturperiobe. Plan pries barin bie
Säkisbeit ©otteS 3 . 39. in ber (Einrichtung ber
menfhlicheu Statur. SÜSelch’ ein ebel ®ut um
bie Sprache:
„ttimmer fönitt’ ich h* er auf <£rben
IPetfe, froh u,, b glörflicb werben,
müßt’ icß ohne Sprache fein."
SBie gut ift’S, baß unfere 9lugenliber ftdh öon
felber heben, unb wir fie nicht mit ben £änben
aufsieben muffen, wie man etwa Vorhänge auf*
3* e bt:
„Tldi roie u?urb’ es elenb laßen,
• IDcnu man jte mit ijänben faffett
Unb nad^ aufwärts jtcl^en müßte;
Das bebettfe, lieber Ct^riftel"
Ober wie gütig ift ©ott, baß er uns in ber
ftub
„Pas (Ebier gefeßenfet,
Pas mit feiner mild? uns tränfet,
Pas bie Seudje fit ne II per bannt,"
nämlich burch bie Schußpocfen. 3Bem fdjaubert
nicht bie $aut ob folchem eisfalten Dteimgetlin*
ael ? So entfebiebenen ©egner ich wich aber bon
folchem, wenn noch .fo sierlichent Dteimgebredjfcl
Weiß, fo öermag ich boa) nicht ber weitöerbreite*
ten Älage bei 3 uftimmen, baß unfer ©efangbuch
3 U fühl unb fteif fei. 55aß gmar manche Pater
bie Sieblinge ihrer 3ugettb öermiffen, ift höchft
natürlich, unb baß, wo folche Pater ben ©efang
noch führen, befonberS in 3eiten ber Sluflebimg,
biefe Sieblinge immer mieber ben Plan betreten,
wirb fein meifer Prebiaer boreilig *u wehren
fliehen. SBenn aber felbft prebiger behaupten.
Digitized by v^oooie
Unfer ©efangbudj.
593
Imß bic beften Sieber bes alten ©efangbuchS in
bent unfrtflen fehlen, fo ift baS ungerecht. ©ott*
lob, baß 5 . 93. mancher ©horus ober manche»
Intermezzo, ba» folche ttmnberbare SegenSfraft
•enthalten haben fofl, bnreh unfer ©efatigbud)
abgethan mürbe. 6 » ift einfach nicht roahr, bafe
ein größerer Segen auf ben iüorten ruht:
„(Ermuntert eud?, % frommen, frommen,
^ro=o--mmcn,
§eigt eurer Eampen Schein.
Per 2 lbenb ift gefommen, ?ommen, ?o*o*mmen."
ober:
„Begegnet ihm auf (Erben, (Erben, &e*rben,
Plit freubigen (Seberben, berben, b-*e*rben"
al§ auf bent einfadhen Seyt, unb ob auch ber
©ebanfenga.tg jerrifjett mirb burd) ©infdhiebung
jroifcheit bie beibett Hälften eines 9 JerfeS öon:
„0 <Ehrcn?ronen friegen mir, rPetni mtfer
f^eilanb fommt,
3a, Siegcspalmen tragen mir, 3 n unferm
Paterlanb."
Ser Steyt üott: „@inen Sag im Rummel (eben"
ift zu allen beruünftigen 3 ^ecfen geniigenb unb
bebarf burchauS beit @horuS nicht/ beit man aus
ber lebten 3*üe eines SerfeS mit bem 3ufaß bon
„©loria, &aüelujah!" hübet, unb bann in Sor«
liffinto fingt:
„(Slorta, fjallelujahl Pod? mahrhaftig eine pein."
©tan laffe bodh baS herrliche Sieb: „0 liebfter
£>err, ich armes Äittb", mie es ift, unb fafele
nicht bon Segen beim Singen bott:
„0 liebfter t?err, id? armes Kitib,
Unter bem Pol? bes Ijerrn,
Pas nirgenbs (Eroft nod? Hube ftnb’t,
Unter bem Pol? bes fjerrit,
IPill mi<b fo elettb als id? bin,
Unter bem Pol? bes ^errn,
Por beinen 2lugcu legen h*U/
Unter bem Pol? bes fjerrn.
Pu mei§t es, mie t<h bin perirrt,
Unter bem Pol? bes Fjerrn,
Befdjmert, perftujtert unb permirrt;
Unter bem Pol? bes Berrn,
(Es ift mein ganjer 3ommerftanb
Unter bem Pol? bes f^errn,
Pir beffer als mir felbft be?annt.
Unter bem Pol? bes £jerrn.
Sie S*euitbe ber mobernett luftigen SBaare
in chriftlidben ©efängen möchte ich an ba» llr*
theil oott 93ifd)of 3aneS erinnern, nad) meinem
biefe geiftliche $oefie au» 2 Sheilett 'ßoefie,
1 Sheil ^Religion unb 7 Sheilett Unfintt befteht.
Siir mahrett SOßerth flehen eben hoch bie alten
jfcrnlieber riefengrofc nttb himmelhoch über ber
ganzen Slutfj ber fogeitannten „innigen" unb
„herzlichen" mobertteti Tidjtevei.
Sann hätte ich in formeller ^)iuficf>t nichts an
unferm ©efangbuth auszufeßeu ? Sod) ja, eiiti«
ge* muß ben (fintoiirfen in biefer £)inficht gu=
geftanben merbeit. 9tothgebrungen muß ein be*
beutenber SheÜ utifere» ©ej'angbmheS au»
Uebcrfeßitngen befielen, unb füllten mir eine
9teuifion befotnmen, bie für unfere SBebiirfniffe
eine ^erbefferuttg ift, fo mirb baS noch öiel mehr
ber SaU fein. $uf biefem Selb hat nun unfer
Such neben Diel Sicht auch tiefe Schatten. 2 ßie
g. ba» fchrerflidje $)ta<hmcrf:
„3t* Sünbett mäl 3 te id? mich lang ic."
je in nufer ©efaitgbmh fam, ift roohl bem ©omrite
felbft fo unerllärlich als mir. 9(ud) ber be*
geiftertfte S^euttb unteres ©efatigbud)» mirb
feine ßntfchulbigung für folche 95erfe fiubett:
„3” Sünben mäl 3 te id? mid? lang
Unb trotjte furcht nttb 5d?am,
Pod? enblicb marb mein toller <5ang
(Sehemmt; hört mie es fam:
3<h f a h/ als h*ng in feinem Blut
21m Ureu3espfahl ein ITTann,
Unb ftarr, bod? mie mit fanftem ITTuth
Sah er mich jierbenb an.
Unb mein cSemijfeit hört’ ich fchrei’tt,
3n tiefem Schmerze fchreit’s:"
3ohn 9fett)ton, ber Sichter be^ fchönen 0ri^
gittal», mar ja ein großer Süttbev geroefen, aber
311 foldh’ „tollem ©ang" in 9feimerei hat er fid)
nicht au» feinen Siittben „herau»gemälzt." Sh m
fomol)! al» 91ttbern mar es gemiß unbegreiflich,
mie man zugleich „ftarr, bod) mie mit fanftem
uth" attgefehen merbett fautt. 91uch bie lieber*
fefeung: „Sein Seibe nach getrennt," ift höchft
fehülerhaft, uub follte burcf) eine beffere erjeßt
fein. Steinte mie:
„Pie t?er 3 cn erft pereint.
Bis er uns 311 fid) nimmt,
Uns 311 bem IPer? beftimmt,
IPeil es fo mohl gelingt.
Balb ift bie Hrbeit aus
Pou unferm fchmereu 21 int;
Panti fommcn 21 lle mir nad? f^aus
Per IHeiftcr rufet: Komm tl
Per treue Knecht, ber hier
Ulit (Ehräneu ausgefät,
Per mirb im l^immcl für uub für
2lud) ernten fein (Sehet"
ift auefy ber fmmblidjften 'Jtac^fic^t faft ju Diel
jiiciemuttjet.
Digitized by v^ooQie
594
üos Toll bie Sontitogfdjule rein?
Cb baS: „Cer att bem Äreuj ift unfer ©ott"
Ueberfeßunq ober Original ift, tarnt id) nicht
fagen. Cafe e§ aber faft ungenießbare Stetten
fiat, ift nidjt ju leugnen, •ffiarum nüchterne
tßrofa Wie:
„Per ift ber Jjerr ber f^errltdjfeit.
„3a," fcfyreit bie IPelt ftd? fyci§,
Pie fogenannte <£fyrißenfyeit,
„IPer iji, ber bas nid?t a>ei§?"
„IPtr glauben all an 3efum Cfjrift,
tDir glauben bie <5efd?td?t\
Unb n?er ein <£fyrtj* geboren ift,
Per jiueifelt baran nidjt,"
burdb SReimerei faft läd^erlid^ machen ?
Cie ff rage: 3 ft bie Serbefferung unfereS ©e»
fangbucbeS wünfdbenSwertb, swingt uns nach
ben Kräften um^ufiidjen, bie eine wirtliche Ser»
befferung in 2luSfi<ht fteflen. Cie befte Kraft,
wetdje bem ©omite öon 1865 jur Seite ftanb,
3. G. fipon, ber Säuger bon: „2Bir finb nur
Silger mtb ffremblinge hier," fdjtägt längft bie
#arfe bor ©otteS 2b^>n. Caß ib» ber gemütb»
bolle Sänger bon: „£>eimatblanb, 0 roie fdjöit
bift bu" uhb „O fürd>te bi<h nicht, meine Seel’",
Cr. G. 3?. SauluS, bofl erfeßt, fei gerne äuge«
ftauben. Cann haben mir eine poetifeße 5fraft
in 5p. Ctäring, bie uns mufterailtige Ue6er»
tragungeit bietet. 2tudb unfere Sonntagfdjul«
©efangbücper bieten etliche Sieber, bie unfer
©efangbudb bereichern würben. 3fdj erinnere
nur an: „So wie id) bin, mein fRedbt unb Brief";
„$err, id» hör’ bon SegenSftrinnen"; „3(db toeife
einen Strom"; „O 3fefu, fdbon ber Same bein"
u. f. m.
3um Sdjluß bann biefeS:
1) Sßäbrenb jugegeben ift, baß unfer ©e«
fangbudj an bebeutenben Mängeln leibet, fo finb
biefe Mängel bodj feineSWegS gefährlicher fttatur.
2) CaS SÖebürfniß eines neuen ®efanq6uctjeS
ift beSbatb auch, feineSWegS fo bringenb, als
übereilte SorWürfe eS biefleidpt erfepeinen laffen.
3) SMr mürben ein Wirtlich berbefferteS ©e»
fangbud) atterbingS als ein Siittel jum Sufbau
beS SReicpeS ©otteS mit greuben begrüßen, finb
aber feft überzeugt, baß ein fotdbeS mir bie fjrudjt
ernftefter Arbeit ber beften Kräfte ber Kircbe
fein tann. ^ebenfalls fottte nicht baran gebaut
werben, ehe bie berfdjiebenen SEheile ber Kirche
WenigftenS butep bie jährlichen Gonferenjen ihr
Sertangen barnaih auSgebrüÄt haben.
» KgW «a
pa0 kamt unb foll bie $onntagfd)ule für bie <$rtnetiibe fein?
»Ott 3. SB. deute.
ine ©emeinbe ohne Sonntagfdbute, ift wie
eine ffamilie ohne Kinber unb Sonntag«
fepute ohne ©emeinbe ift wie ein Kinb ohne
Stutter; beibe gehören jufammen unb tonnen
niept gut bon einanber getrennt werben. 2Bäp=
renb wir bie ©emeinbe als bie Stutter betrachten,
fo ift bie Sonntagfdbute bie Tochter unb finb
folglich febr eng miteinanber oerbunben.
Stöieberum: ©ine ©emeinbe ohne Sonntag«
fdjute ift wie ein Saumgarten, ber nur alte
Säume hat, bie nach unb nach abfterben, aber
niept burep junge erfeßt werben, unb bemjufolge
werben in einer fReipe bon faßten nur abgeftor«
bene Säume bortjanben fein. So wirb and) eine
©emeinbe enblid) auSfterben, wenn fie nicht burdb
bie Sonntagfdbute — ja aus ben Seihen ber
3ugenb — Grfaß empfängt.
Cie Sonntagfdbute tann unb fottte
für bie ©emeinbe fein, was ein
Kinb ber Stutter gegenüber ift.
Son ber einen Seite bebarf baS Kinb jpoar bie
'Pflege ber Stutter, bon ber anberen Seite bebarf
aber' audj wobt bie ÜRutter bie $ütfe beS Kin»
beS, benn eS tann ihr oftmals jur -f)anb gehn.
So bebarf auch bie Sonntagfdjute bie Sflege ber
©emeinbe, aber audb bie ©emeinbe bie fjfilfe ber
Sonntagfdbute. 2Bir finben, baß nicht nur bie
©emeinbe in ber Sonntagfdbute arbeitet, fonbem
baß auch wirtlich bie Sonntagfdbute für bie
©emeinbe arbeitet. @S muß bemjufotge bie
Sonntagfdbute einen ©inftuß auf bie ©emeinbe
ausüben unb eine Stitarbeiterin in ber ©emeinbe
fein.
Söie ein getjorfameS Kinb tann
unb fottte bie $reube feer ÜJtutter
fein, fo tann unbfotl audb bieSonn«
tagfebute bie ?>reube ber ©emeinbe
fein, ©ine gute unb blüljenbe Sonntagfdbute
bereitet ber ©emeinbe Diele unb große 3?reube.
ttöie wobtttjuenb unb aufmunternb ift es nicht
für eine ©emeinbe, an bem Unterricht ber 3ti«
genb Sbeil jit nehmen in ben berfdhiebenen Ktaf»
fen! 2Pie wirb ba oftmals baS $erj ber mitten
erfreut unb wieberum jung, ©ine ©emeinbe
ohne Sonntagfdbute entbehrt eine große greube
unb fie ift wirtlich nur eine halbe ©emeinbe.
Stuf, ihr ©emeinben, möchte idb rufen, freut
euch über bie Sonntagfdputen — über bie theure
^ugenb, benn fie ift bte Hoffnung ber Kirche!
2Bie ein Kiitb ein Sporn für bie
Digitized by v^ooQie
(Sin #pfer ber leibmfdjoft.
595
Mutter ift, unb tote fie burdjbaf*
f e l b i g e an ihre Mutterpflichten
erinnert wirb unb an getrieben,
für i p r $ i n b 3 u f 0 rgeu unb 3 u a r=
beiten, 11 nt e S 5 u e r 3 i e I) e n für e t to a S
91 ii 1t t i dp e S, f 0 i ft, f a n n u n b f 0 11 a u <h
bic S 011 utagfcpule ein © p 0 r n für
bieöemeinbefein.
Säprenb fie bie 3ugenb in ber ©onntagfdjule
betrachtet, fo toirb fie an ihre Pflichten berfelben
gegenüber erinnert, unb follte baburdj ficperlich
angetricben werben, für biefetbe 311 forgen unb
fie für bie SJirctje, ja, für bie Seit unb ben
Itimmet ersiehen. O, toie fodte nicht bie ©e=
meinbe angetrieben werben, ihre oofle Sßflicht io=
fort getreu unb gewiffenbaft 311 erfüllen!
3 u 1 e ft t t a n 11 unb f 011 b i e © 0 n n=
t a g f cp u 1 e bie Oueile, fein, w 0 b it r dp
bie ©emeinbe fortgepflangt wirb.
9luS ben SReipen ber Sonntagfchulen fönnen unb
füllten nach unb nach bie fReipen, welche gelichtet
werben in ben ©emeinben, wjeber auSgefüHt
werben. Senn biefeS nicht gefdjieht, fo werben
bie ffirdjen halb leer ftepen. Unfere Söhne unb
Jöcpter füllen, fönnen unb ntüffen einfteuS un»
fere Stoße eiunehnten in ber f?ircpe, nacpbem wir
auSgemirft hüben unb ba§ iagewerf Dollbracht.
9luS ihr füllen unfere ©lieber pfiwotgebn ; aus
ihr miiffen unfere ©onntagfchularbeiter wieber
geitomTneu werben; auSbiefer Quelle füllen uns
unfere ^kebiger, unfere 93orft. 91elteften unb un=
fere ©bitoren für unfere 3 eitf<hriften fontmen.
9luS ben ©ountagfchulen )oBten unfere Sifcpöfe
genommen werben. %a, auS ben Sonntagfchu*
len füllen unb fönnen einfteuS bie Säume beS
Rimmels gefüllt werben. Seldp eine herrliche
uttb erfolgreiche 3 ufuttft ftellt nicht bie ©onn*
tagfchule ber ©enteiitbe in 9luSficpt!
Qarum auf, auf ©emeinben, auf ihr ©onn«
tagfchularbeiter, auf unb wirft weil es Sag ift,
bie Dtadpt wirb fommen, ba 9fientanb mehr wir«
fen fann!
Pie Stimme bc0 ($ftm|ft«0.
(fingefanbt tiott §. St.
©in fjoHänbifcher Mildjhänbler in X. hotte
fich ein nettes Sümmchen erfpart unb oerfaufte
feine £>abfeligfeiten, um nach Stmerifa 311 gehen
unb bort ©runbbefißer 3 U werben. IRotter«
bam ging er in biefer 9lbficht frohen MutpeS an
Sorb eines Kämpfers. Unterwegs 6 egab er fich
öfters nach unten, öffnete feinen ff off er unb
johlte bie Planten 2 | ©ulbeuftücfe, welche in
3 Wei Seutel Bertpeilt waren. Ser 9lffe beS
ffapitänS hotte manchmal bahei 3 ugefefjen, unb
als mein Säuerlein nochmals an einem Morgen
mit bem 3oplen beS ©elbeS beS einen SeutelS
fertig War unb benfelbeu eben bei Seite legte,
um mit bem 3 Weiten bie nämliche Manipulation
üor 3 unebmen, hotte ber ftlffe im 9lu ben erften
erwifcht, lief nadp oben unb tletterte in ben 9J}aft=
bäum beS SdjiffeS. Sort öffnete er ben Seutel
unb warf bie blctnfen Scheiben eine nach ber
anberen in’S Meer. fRatploS fah mein 33äuer=
lein bem 9lffeit 311 , bis baS lebte ©tücf im Meer
öerfcpwunben war, unb ber 9lffe ben leeren Seit«
tel auf baS Secf warf. ,,©ott ift gerecht," fagte
ber Milchbauer refignirt, „9l(leS, was ich butdp
baS Qfälfdpen mit 9Boffer berbient höbe, hot ber
©atan auch mieber iitS Soffer geworfen!"
(fin %frr btt fribmMiaft
Sou ®. ©(jünger.
(gi'rtfefcung.)
V.
S War wieber ein langer, trüber,
fiürmifcher Sinter, ber folgte.
Unb hotte 3ofob baS ©elb wieber
3 urüdgelegt ? 9fein, cjber er hotte
noch mehr genommen. 9liemanb
fonnte baS miffen, unb 9fiemanb
wußte eS. 9tur bem fecpmieb unb bem Müller
fam’S ein SiScpeu fonberbar üor, baß 3ofob nie
mehr in ©elboerlegeupeit war; aber er war
ihnen *ein guter ©ruber, weil er gerne besohlte,
unb fo behielten fie ihre ©ebanfen für fich-
3 ofobs ©emiffen hotte bei jebem neuen ©riff in
bie ffaffe fchwächer gefprocijen, unb enblich gor
fein ©epör mehr befontmen.
Unb hoch fonnte er fich beS ©ebanfenS an bie
3 ufunft nicht gans entfcplagen; unb fie würbe
immer bunfler, immer brope'nber, baS ©elb im«
mer weniger. Sie, Weint er’S niesurüdbesapleu
fonnte, wenn man ihn ertappte ? SaS bann t
3 afob geftanb eS fich mit Schaubern: bann war«
tcte feiner ©dpanbe unb ©ntehrung. 9?icptS aber
bäuchte ihm fürchterlicher als baS. Qocp wo war
ein 9IuSweg ? Sollte er ©iiter üerfaufen ? 9lein,
baS ging nicht, baS ließ fein SWI 3 nicht 311 , unb
3 ubem hätten argwöhitifche Seute boch nach bem
©runb geforfcht. SaS war ba 31 t machen ? 3o=
fob überlegte mtb überlegte wieber. Biber immer
fam ber alte Schluß: ©r hotte fich in ein 2abt)=
riutf) Bon ©chwierigfeiteit gebracht, aus bem er
feinen jHusmeg mehr fanb.' ©r buchte fich biefen
Schluß nicht nur wadpenb, fonbern träumte ipn
auch.
Qer Sinter würbe milber, bie Schneemaifen
Digitized by v^ooQie
596
(Sin ®pfer bet feibenfdiaft.
eilten in fjorrn bon ©affer bem Staate gu 1111 b
bie Sonne ftieg aflmäblig P^et. 3atob um* j
weljte bie tnilbere Suft wie SBorboten einer fchwe« j
ren 3 e <t- ©enn ber grühling ins Sanb tarn, !
ttmrben alljitfjrlidj bie Äaße unb bie Südjer bce
©ürgermeifterS unterfudjt. So mifllommen ber
tfriibling bem ©tenfchen fonft aud) ift, 3[tifob ,
fefjnte ibn gum erften ©tal in feinem Seben nicht
herbei. Biber er tarn näher, ob er raiHfommen
mar ober nicht; unb auch bie gefürchtete Stunbe
riicfte näher. Sollte er bie Sdjanbe erleben?
Soüte er mit Ringern auf fid» beuten laffen ?
©ein, baS rooflte er nicht erleben, lieber — unb
babov gitterte er — Wollte er fterbcn, wenn nötbig
burd) eigene £anb. BIß fein Sinnen unb ©ad)*
benten führte gu feinem ©efultat, unb fein ©an
Wollte ihm glücfen. So gerieth er in büftere
©ergmeiflung, in eine Stimmung, bie bem
©Jenfdjen baS Sehen als läftig erscheinen läfet.
6 r fudhte immer bie einfamften ©äße auf, um
bort ungeftörter über fein @lenb nachbrüten gu
föiinen.
(fbrißine fonnte biefe ©erßörung in bem
©efen ihres 5©anneS nicht berborgen bleiben;
bodh ben ©runb wußte fie nicht, ßätte er fid)
ihr bod) anbertraut, hätte er ihr bod) fein ©lenb
geftanben unb ben ©eg ber Umfehr betreten,
bann wäre ihm jebenfaflS geholfen worben, ohne
gerabe Schanbe gu erleben. Biber baS wollte er
nicht, fie follte baS nicht wiffen. (St machte eS
gerabe wie ber (Svtvinfenbe, ber gerne gerettet
Werben möchte, aber ©iemanb wiffen .laffen will,
baß er in ®cfal)r ift; ber wirb ficherlidh unter*
gehen. Blnßatt nach £>ilfe gu ruftn, berfenfte er
fich nur tiefer in bie fjlutl). @r war fanft
jeßt gegen fein ©eib, feljr fanft, aber er ging
ihr au§ bem ©ege. ^ebenfalls fürchtete er, fie
möchte merfen, maS ihm fehle nnb am (Snbe ihn
fragen. 2)aS hätte fie aHerbingS nicht gethan.
So nahte gang langfam, nur für ^afob gu
fchnell, ber Frühling. — •
@S waren jene wedjfelooflen Sage, wie fie ge«
möhnlich bem Frühling böranaehen. 3^ßt war
milber Sonnenfchein, plöjihh berbunfelte fich
baS 3?irmament unb es ftürmte unb regnete
heftig, um halb miebcr bem Sonnenfd)ein auf
turge 3«it SB laß gu machen.
3n einer biefer ftiivmifcfjen Bleichte fdjritt ein
BJlann langfam unb mit gefenttem Raupte bem
Stl)ale gu. $er Sturm heulte unb gumeilen fiel
ber Stegen in fdjweren iropfen hernieber. (SS
war ftoeffinfter, unb nur wenn ber ©tonb für
einige Blugenblide aus feinem ©erfted herbor»
tarn, warf er fein blaffeS Sicht auf bie Sanb»
fchaft. So intereffant baS auch für ben Se*
obachter fein mochte, für ben einfamen ©anberer
tarnt baS nur unangenehm fein, benu burd) baS
eitweife fcerborbrechen beS DtonbeS wirb nad)
einem ©crfdhwinben bie Stacht nur um fo
febmärger unb unheimlicher. ©ie’S um ihn her
! ftürmte, fo tobte eS, unb noch mehr, in bem
1 ©ufen beS ©tanneS, ber bem Schale gufchritt.
! $ann unb wann blidte er ängßlid) um fid), ob
ihm ©iemanb folge. $aS$unfe( war ihm will*
fommener als baS blaffe ©tonblicht; felbft biefer
i ftiHe 3euge, ber ©ionb, mar ihm unermünßhi.
Schwarg mie bie ©acht War ber ©(an, ber ihn
hinunter trieb in’S übal. ©ergmeiflung liefe ihn
baS Bleufeerße befd)liefeen, Wa§ ein ©tenfeh thun
fann.
£aS 2hal mar erreicht, unb er ftanb bort am
©ach unb ftarrte in bie fjluthen. ©ingS um
ihn heulte ber Sturm, unb auch ber Sach raufdjte
mächtiger als fonft. ©ie war bodh bie Stacht fo
fdhauerlid)! Unb als gerabe ber Stuf einer ©ule
an fein Chr brang, guefte er gufammen. filang
baS nicht mie eine ©arnung, ober mar eS ber
Stuf gum $obe ? ®er ©tann ging eine 3eit lang
biifter baS Ufer entlang unb blieb bann an einer
Stelle ftehen, wo baS ©affer weniger tief war.
$er geneigte Sefer hat bereits erratben, bafe
er SelbßmorbSgebaulen hegte. Unb bodh, blidte
er in’S ©affer, fo fdjauberte ihm baoor. Ster*
ben möchte er wohl, unb boch fürchtet er jtd) bor
bem Stöbe. ©nblid) faßte ber ©lann oergweifelt
©tuth. (Sr legt #ut unb 3ade ab unb nähert
fich bem ©ach. 3*>gernb tritt er in§ ©affer,
tiefer unb tiefer, bis eS ihm über bie nie reicht.
Biber tiefer miß er nicht gehen, eS friert ihn jeßt
fdjon an allen ©liebem, ©eiter gehen, nein,
baS miß er nicht, ©enn er fich hier ins ©affet
legte, biefleicht würbe er ertrinfen; aber ba
burdhfdhaubert eS ihn immer eifiget, baß feine
3äbne flappern. Unb ihn erfafet plößlidj ein
©rauen, ein namenlofeS ©eben, ©rofe unb ent*
feßlidh ftarrt ihn ber iob an, unb er flieht mit
Sittern bie Steße. 3hm ift, als oerlange bet
2ob ihn bodh Jur ©eilte, ©ie oon ffurien ge«
peitfdht eilt er aus bem Sthale bem 3)orfe ju.
Sterben! 2)aS war ihm jeßt ein fürchterlicher
©ebanfe.
,,©ur nicht fterben! nidht jierben!" leuchte er.
,,©?ir wirb fo fdhmatg bor ben Blugen!" ©ie
fdhredlidh fchien ihm baS 3fenfeitS. 3hm War,
als ftarrte ihm ber 2ob aus aßen ©den ent*
gegen. „ffort! fort! aus biefem unheimlichen
Shal! Proben wirb mir oießeidht leichter. So
fürchterlich fam mir ber Stob noch nie Oor. fffür
mich giebt eS leine Btettung mehr, ich bin öcr*
loren burdh eigene Sdhulb. O wohin jeßt? ©o
foß idh (Slenber einen Schlupfwinfel finben ? 3«
meiner ©ruß brennt’S, als ob eine $öße ba
brinnen märe, ©eh, mir iß als ob ringsum
bie ©Öfen Ireifdjten unb mich begehrten! ©eh,
ße haften nadh mir!" S)et Blngßfdhweife ßanb
ihm lalt auf ber Stirne, unb er lief immer
fdjnefler. ©nblicf) mürbe er ruhiger. ,,©ie weit
i ift eS bodh mit mir gelommen; ach, mie gebauten«
Digitized by v^ooQie
@in ©pfer ber feibenfdiaft.
597
los habe ih mid) unb bie Weinen ins ßleub ne-
ftürgt. Sie müffen M meiner fhümen." ©r
näherte fidf jeßt bem Sorfe, unb bie große furcht
oevlor fih unb machte ber alten Schwermut!)
mieber Vlaß. Ser Sefer Wirb längft 3afob in
ihm erfannt hoben. So toeit hotte er'S jeßt ge»
bracht, baß er überhaupt an Umfeljr nicht meht
benlen mochte, weil jie ihm unmöglich fchien.
9113 er bnrdj baS Sotf ging, brannten ba unb
bort noch Sichter, auch war eS in manchem fjaufe
noch lebhaft. Sie SelbftmorbSgebaufen ber»
gingen ihm für immer unb all fein Sinnen war
barauf gerichtet, wie ber ©chanbe gu entfliehen;
benn in ber #cimatlj war feine» VleibenS nicht
mehr. — SBerftört Jam er nah fjoufe unb ging
ben Seinen auS bem 2Bege, ba er fürchtete, feine
Verftörung möchte ihnen auf fallen; unb jeßt
galt eS nmfomehr, alles wohl gu berbergen.
SBährenb ber nächfien Sage hotte er immer-
nur einen ©ebanfeit: „9Bie entfonline ich biefer
©efaßr?" Ser Frühling war ba, unb ber Sag
ber Derhäugnijwoflen Äaffenrebifion nicht ferne.
Vis bahnt wollte et unter leinen Umftänben
mehr in ber ijjeimath fein. Vläne würben ge»
mäht unb uetmorfen, unb noch immer fonnte et
ben Ausweg niht finben. ©nb(icf) Jam ihm ein
©ebanfe, ben er fefthielt: er wollte heimlich nah
9lmerifa auswanbern; baS mar wenigftenS niht
fo fürchterlich als Selbftmorb. 9lllerbing3 War
ba$ bann ein 91bfhieb bon ber ^ciinath für
immer, beim freiwillig wollte er nicht wieber»
lehren. Hub baS ©elb gur Steife? Stirn — ba
lonnte er ja noch einmal eine Summe aus ber
Staffe nehmen, es tarn ja jeßt auf etwa» mehr
auch ni<h* mehr an. Sn 9lmerifct hoffte er bann
9tuhe gti finben! ? —
©S mar alfo eine hefchloffene Sache, baf; So*
tob hfiwlih nah 9lmerifa entweichen wollte.
So traf er benn gang füll feine Vorbereitungen
unb gmar fo, baß lein Verbadjt erwähle. ©r
fuhte fogar eine heitere, forglofe Wiene angiu
nehmen,' aber aufls Verteilen oerftanb er fih
fhleht. So fehr fih ©hriftine auh freute, baß
ihr Wann mehr gu £>aufe blieb, fo lonnte fie
boh niht reht froh werben, weil bange 9lfjnun=
gen ihr fügten, baß ihr etwas Schlimmes bebor»
ftehe. Uni) boh bähte fie nie an baS, rnogu ihr
Wann fih entfhloffen hotte, fo etwas wäre ihr
auh wohl nie in ben Sinn gefommen. Sft cS
niht eine Sbatfadje, baß es bem Wenfcßen leih*
ter ift ein bereingebroheneS Ungliid 311 tragen,
als gu wiffeit, baß Ungemach tomrnt, unb fih fo
fortmäßrenb in banger furcht abguguälen ? So
war es benn noch fine SBohlthot bei allem Uebel,
bafe ©ßrijtine wenigftenS baS SBirflihe niht
oorauSfah. ®ie furcht nimmt bem Wenfhen
bie Ära ft, aber ber Äampf ftäljlt feinen 9lrm,
1111 b fo wirft er fih bann muthig ben fiinber*
niffen entgegen, mit weihen er gu tämpfen hat.
VI.
©3 mar wieber einmal ipalmfonntag. Sie
Sonne ftanb prahtbotl am Fimmel unb bie
äuge Vatur feierte ein geft. Unb biefen Sag
atte Safob gut glüht beftimmt. ^ebenfalls
hatte er niht fhleht gewählt, beim gerabe an
biefem Sage tonnte fein Söeggeljen am menigfteit
auf fallen. Schon als noch alles fhlief, traf er
üerftohlen bie leßten Vorbereitungen, unb baS
mar halb gefhehen. 9to<h einmal öffnete er ben
eifernen Sdjranf unb holte fth ©elb heraus,
genug um über ben Ocean gu tommen unb brü»
ben noh ein Heines 3eh r gelb gu haben. Vatür»
lih blieb ba nur fehr wenig guriid.
91IS baS alles gefhehen war, berfjielt er fich
gang ruhig, um ja leinen Verbacht gu erregen
unb afs fogar noh ein geringes griihftitd. £ätte
©ßriftine ihm in baS £erg feßen fönnen, wie
Wäre fie etfhrodcn! Sann burdrfhritt er noh
einmal — ginn leßten Wal — baS ganje #au3,
ging in Stad, Scheune unb ÄeHer, als ob er
bon allem 9lbfd)ieb nehmen wollte, bielleiht mar
eS auh fo. ©r ftreihelte fogar 311 m 9lbfhieb ben
fcwfbunb, nur ben Wenfhen ging er aus bem
2 ßege. 6 r fah fih in feinem gangen 9lnmcfen
noch einmal um, ftanb eine 3 ft long im ©nr*
ten unb lehrte bann ins £au3 gurüd. — 3 um
leßten Wal follte er baS alles fegen, gum leßten
Wal fein eigen nennen.
©ang leife fhlih er in bie Kammer gur 9Btege.
Sa ©fjriftine noh in ber Ä ließe befhäftigt mar,
brauhte er leine Störung gu fürchten. Sange
betrachtete er ben fhlafenben Änaben, ber ;a
niht ahnen fonnte, maS in beS Vaters Sruft
borging, nihtS miffen fonnte bon all feinen
fcoirgen. 3eßt unifpielte ein Säheln bie Sippen
beS unfhulbigen ÄinbeS unb ber Vater ftanb
gang uertieft unb wanbte fein 9luge bon feinem
Sieblinge. 6 r beugte fih nieber unb fiifcte bie
Keinen Sippen. Sa» gfinb öffnete bie klugen
unb fah, noh halb im Schlummer, Tähelnb fei*
nen Vater an, bem bie Sljränen in ben 9lugen
ftanben. SaS War ja auch baS eingige menfdj«
lihe ÜBefen, bon bem er 9lbfcßieb nehmen fonnte,
benn baS Äinb fonnte ihn nicht berratfjen. Ser
Meine ftredte ihm lädjelub bie furgen 9lermhen
entgegen, als ob er ben Vater fefthalten wollte,
biefem fam es wenigftenS fo bor. Sa fonnte es
Safob niht mehr länger auShalten, er berliejj
bie Äammer — für immer.
Vachbein er fih übergeugt hatte, baß Viemanb
ihn beachtete, fhlih er fih aus bem £>aufe unb
ging baoon. Soh noh einmal mußte er guriid*
blicfen, noh einmal fein £>eim feßen unb bann
giug’S einer trofttofen 3ufunft entgegen, ob»
gleich er eigentlich tRuße fuhte.
Sa Safob im Sorfe aiifgemahfen war, unb
fein ganges Seben, mit 9liiSiiah'me ber paar
Digitized by v^ooQie
598
Sin ©pfer bet feibenfdjoft.
3apre, feie er in beS ffönigs 9totf »erlebt, ba
äucjebradfjt patte, mußte er alle '-Pfabe, aucp bie
berborgenften, unb gelangte fo unbeachtet in’S
Opal. ®t ging über bie fteinerne Vrüde unb
fap bie ©teile, röo er in Jener stacht geftanben,
unb aucp jeßt burcpgitdte ihn ein ©cprcden, wenn
er fiep an jene Stunbe erinnerte. Oie Erinne*
vung mar ihm guroiber, fo roanbte er fiep fcpneß
roieber ab unb feßte feinen ©ang fori. Er flieg
bie fteile ©teige auf ber anbern ©eite beS SEpa=
leS b'nan unb ftanb erft ftiH, als er oben mar.
Oer ftimmel mar fo lieblidp blau unb flar
unb bie Vöglein jioitfdjerten fo munter, als ob
fie beute auf befonbcre Hßeife ben Ißalmfonntag
feiern roollten. Oie ©onne fcpien aber au<p fo
belebenb unb fdjön, marum füllten fie ba nicht
ihrem ©djöpfer ihr Soblieb fingen? 21ber 3a=
fobs Ohren flang alles mie ein vlbfdjiebslieb.
Oort brühen fah er baS niebliche Oörfcpen,
an baS fiep alle Erinnerungen feines Sehens
t nüpften; unb biefeS liebe Oörfcpen foKte er gum
leßten Wal fehen? SBie ehrmürbig ragte bocp
bie alte ffircbe mit ihrem hohen jEhurm aus ber
Steipe ber Raufer empor, ©ie mar ihm nie fo
ehrmürbig borgelommett. Vierunbgroangig Sapre
maren baipingefcprounben, feit er als Eonfirmaub
bort am 9lltar geftanben; bamals hatte er Oprä-
neu aufrichtiger 9tüprung gemeint, beim bie
SBicptigfeit ber ftanblung mar ihm giemlicp Har
geroorben. damals mar ihm fein Verfprecpen
ernft geroefen, aber mie fcplecpt hatte er’S gepal»
ten. 3fa, hätte er banaep gehanbelt, fo brauchte
er nid)t ber fteimatp gu entfliehen, damals
lebten nod) feine theuren Eltern, bie längjl im
©rabe ruhen. Oort brühen liegen fie in falter
©ruft, ©ein SBlicf hängt an bem ftillen fjrieb-
hof mit feinen bteleu ffreugen, bie ben Wenfcpen
an bie ©terblichteit mahnen. 3ofobS Vlid um¬
flort fiep mit Opränen. Oort liegt WampeS
begraben, baS ihm im Sehen theiier geroelen
mar. ©ein erftgeborneS ffiitb, ein liebliches
ffnäblein, mußte er bort ber Erbe übergeben.
OaS hatte ihn bamals Diel ®<pmerg gelüftet,
aber roaS mar eS gegen ieinen jeßigen Jammer!
2Barum ift er nicht auch fo früh geftorben! Er
märe jept im ftimmel, mo fein ffinb ift. — Oie
gange fchöne 3 t ’> t ber 3ugenb gog bor feiner
©eele ooriiber. 3 m ©eifte ift er roieber ein
lebensfroher ffitabe beim luftigen ©piel mit
feinen ffameraben. 2Bie unfcpulbig unb harm¬
los mar bamals fein Sehen. ;Vber Oag lächelte
ihn freunblich an. Oer ff nabe fepafft fich ia
immer felbft eine SBelt unb empfinbet feiten
Saugeroeile. — Er ift roieber Jüngling. 31n ber
»eite beS SiebepenS geht er burch §felb unb
Söalb, ober fingt frohe Sieber mit feinen ffa»
meraben. 2Bie mar er fo gliidlicp, fo gang ohne
©orgenl OaS Siebepen fammelt Vlumen unb
binbet ein hübfcheS ©träui;d)on, baS er an ben
ftut ftedt ober roinbet fie einen fepönen ffrang.
Söie mar eS ihm fo feproer geroorben, fid) bon
ihr gu trennen, als er ©olbat roerben mußte.
Enbtidp lehrt er roieber heim unb nun freit er
um fie. OaS mar eine herrliche 3eit! 2tm 2Utar
ftept er — es mar ber glüdlicpfte 5Eag feines
SebenS — unb reicht feiner Eljriftine gum hei¬
ligen Vunbe bie ftanb. Er gelobt fie fein Seben
lang gu lieben unb gu ehren unb für fie gu for-
gen) fie auf ftänben gu tragen. Unb baS ©e=
liibbe mar ihm bamals ernft geroefen, aber mie
fd)led)t hatte er feinen ©eprour gehalten 1 — ©o
ftanb er lange in ©ebanlen berfunlen unb baepte
an bie Vergangenheit, bie er leiber nicht roieber
gurüdrufen tonnte.
Oa tönte bon ferne ©lodengeiäute an fein
Dpr unb Satob ermatte mie aus einem SEraum.
Oie gange raupe SäMrllicpleit lam ipm roieber
gum Veroufstfein. ©o feierlich waren ipm biefe
fflänge noep nie borgetommen. Sßlößlicp fepaßte
aud) baS ©elöute bon feiner eigenen fteimatp
herüber. 3hm tlang’S mie mäßige Wohnung.
Oa mürben bie tiefften ©aiten feines ©emütpS
gerüprt unb bie SEpränen roßten über feine
SBangen. ©o ftanb er tief gerührt unb laufcpte
unb meinte. 3 um leßten Wal fotlte er baS hö¬
ren unb baS fterg möchte ipm brechen bei bem
©ebanten. 2lber länger bulbet’S ipn nicht; er
faßt mit gitternber ftanb nach bem ftut, fcproenlt
ipn gegen bie fteimatp mie gum 9lbfcpieb. „9lbe,
liebes Oörfcpen, biep fep icp nie roieber. Wit
fernerem ftergen fepeibe icp, um nie miebergufep»
ren. 3n bir pah’ i<P biel ©uteS genoffen unb
für baS alles roerbe icp bir unb ben Weinen eine
©djanbe fein. Seht toopl, meine SEpeuren, ber«
gebt eurem armen Vater, ber burep eigene ©djulb
m Vergroeiflung geratpen ift unb euep in’S Elenb
geftiirjt pat. Sdp fann’S niept mepr anbern."
©o fpraep er, bann itocp ein Vlid naep bem
Oorf unb ber arme ^lücptling ging weiter, roäp»
renb ipm baS fterg faft pörbar Hopfte. Er eiUe
meiter mie ein Oieb.
©epen mir noep einmal gutücf in ba§ Oörf»
epen, roo noch baS ©lodengeiäute fepaßt. Oie
meiften ber Vemopner finb auf bem ©ege gur
ftirepe. 31ucp Epriftine pat ben ffirepengang
angetreten, ©äprenb ipr Warnt roeit brühen
über bem Opale baboneilt, geht fie in baS ftauS
©otteS. ©eldp ein Unterfdpieb! ©ie roeiß ja
niept, roelcp eine Vrüfung iprer märtet, menn
gleich ipr baS fterg feproer ift mie feiten. ES ijt
baS eine unerflärlicpe 5lpnnng, roie mir Wen«
fdpen fie oft haben, opne reept gu roiffen roeSpalb.
-Epriftine’S ?Inbacpt mar tief, ©ie fiepte gu
iprem pimmlifcpen Vater für ihren Wann unb
ipre ftinber unb um ©ebulb unb ff raft für iiep.
3 pr Uunimer mar groß unb boep ftanb ipr nocp
Digitized by v^ooQie
Per feidjrnräuber.
599
größerer beßor. 0, was foüte baS oielgepriifte
SBeib noch erleben!
Ss mürbe Wittag, unb if)r Wann tarn nid&t
jur Wahlakt. SDoeß war bas fchon oft oorge»
Kommen, unb jo fonnte es nicht befonberS auf*
fallen. SS würbe 9lbenb, unb er war noch nicht
ba. Unb al§ ber Worgen tarn, unb fie ibn noch
nicht fanb, ba erwarte in ibt eine fc^rerflic^e
iübuuug. $och fcßwieg fie. Vielleicht war eS
• nicht fo. ^alob würbe gefugt, aber nirgeitbS
gefunben. ©elbft an ben Ufern beS VacßeS
würbe naehgefucßt, aber obtie Erfolg. @S war
überbauet unmöglich, eine ©pur jn entbecfen,.
benn bie war nitr im ©elbfcßranf ju finben.
$en ober fonnte man nicht erbrechen, ohne über«
aeugt ju fein, baß irgenb ein Verbreihen bor«
liege.
eine Sßoche lang würbe fo gefugt, unb bann
ber eiferne ©thront erbrochen; unb ba lag alles
fo jiemlid) flar. fjaft ber ganje ©d)nß war fort,
unb welcher ©ebanfe lag bann näher, als Safob
habe fid» ins VuSlanb geflüchtet ? SBohiit? ®aS
tonnte man wohl oermutljen, aber nicht beftimmt
wijfen.
Shtifüne war troftloS. 2llfo fo mußte bie
©ache enben! SBaS fie fchon lauge gefürchtet
hatte, mar in nur noch fchlimmerem Waffe ge»
tommen: 3fafobS Seibenfcßaft hatte fie ins Slenb
geftürjt. 3Bie gerne hätte fie alle 9lrmuth mit
Safob getheilt, wenn er nur als ein gebelferter
Wann noch bagemefen wäre, ©ie hätte ihm
treulich nur ©eite geftanben, aber jeßt mar alles
aus. 3eßt ging feine Schanbe auch auf fie unb
bie ftinber über.
S)em ©efeße mußte ©eniige gethan werben,
man mußte nach 3tafof» fahnben taffen unb feine
©pur ju erreichen fuchen. 3eßt erwachte in ben
£erjen aller Bürger ein tiefes Witleib mit bet
armen Sßtiftiue. Wan mußte eigentlich nicht
recht, was man ihr wiinfdjen foüte, ob ihr Wann
eingeholt unb als Verbrecher jurücttranSportirt
werbe, ober für immer oerfcholleu bleibe. Viele
hielten baS leßtere für baS Vefte, ba fie faum
glauben möchten, baß er ein befferer EauSoater
Werbe, wenn er nach Srbulbung ber ©träfe
wieber surfieffomme. UebrigenS wußten fie auch
gut genug, baß fieuten wie Jfatob fo etwas eher
Sum Verberben, als aur Veffevung gereicht. @o
würbe bie ffahnbung nicht fo gar ernftlid) be=
trieben.
Natürlich hatte (Shriftine gutaumochen, was
3afob genommen hatte, unb baS war nicht
Wenig. $hr S£roft mar, baß ihre Söhne, bie
bereits eine Eilfe fein tonnten, ihr fräftig bei»
flehen würben. Unb fie tbaten es. ©ie waren
arm geworben burdjbie ©cßulbbeS Vaters, aber
; fie mollteii fidh wieber emporarbeiten mit oer»
einigter Kraft. Solche ©tiißen (inberten bur<h
ihte Eingebung ber Wutter Schmers. Shriftine
war überhaupt ein wacfereS SSßeib unb bersagte
nicht.
©o oerging 3ahr auf 3ahr, unb Dom Vater
tarn feine Wichricpt. Sr war für immer oer«
fcholleti. 3war tarn einmal eine bunfle Vot«
feßaft, ober ohne weiteren SemeiS ber SBahrßeit.
Ss flang alles fo unglaublich- 5)ie ©ohne ar=
beiteten fich empor unb würben Shrenmänner,
auf welche Shriftine mit mütterlichem ©tols
blicfeit fonnte. Sange mußten fie an ber ©chulb
beS Vaters tragen.
<6$lu6 folgt.)
Per Jttdjmräitber.
f ährenb beS leßten großen beutf<h*ftansö«
fifcheit Krieges gingen oiele ©eiftliche muh
öfrantreicfj, um ben ©olbaten, befonbers
ben oermnnbeten, ben SEroft beS Sbangeliums
SU bringen. Sinem berfelben hatte fich ein from»
mer Wann, fltamenS SBalter, angefchlojfen, bet
feinen Veruf aufgab, um auf biefe SBeife feinen
armen Vrübern su bienen. SineS StageS, als
bie beiben nahe an ben Vorpoften ber beutfeßen
Vrmee waren, begegneten ihnen mehrere @ol«
baten, welche einen gefehlten, gans oersmeifelt
auSfehenben Wann sur Einrichtung führten,
©ie wagten bie Vcgleiter su fragen, wegen mel«
chen Verbrechens ber 'Wann sum iobe oerurtheilt
fei. „SÖegen Seraubung ber lobten," mar bie
furse Antwort, „baS Kriegsgericht beftraft bieS
mit bem Stöbe."
„3ft er auf ben Stob oorbereitet ?" fragte mit«
leibig ber ©eiftliche. — „SlaS wiifen mir nicht,"
mürbe geantwortet. Vher einer Oon ihnen, ber
Cfficier, ber bie Gruppen anführte, menbete fich
SU bem ©eiftlichen unb fagte: „SS fcheint, feerr,
baß ©ie ein Vrebiger beS Sbangeliums finb;
©ie fönnen gleich nachher mit bem armen Wann
fpredjen."
2 >er ©eiftliche ging *u ihm hin unb fprach
ernftlich mit bem Verbrecher; aber bie einsige
9lntmort, bie er befam, war ein Kopffdjütteln.
„9lein," fagte er enblich, „ich bin nicht bereit su
fterben. 5)er Stob swar beunruhigt mich nicht.
Wein Kummer unb meine SEhtäneu finb wegen
meiner armen Svraii uub meiner fleineu Kinber,
bie ich gans ohne Wittel unb troftloS anrücf«
laffen muß; meine ©ebanten finb immer bei
ihnen, beunruhigen ©ie mich jeßt mit nichts
Slnberem mehr!
91IS er auf biefe Söeife su fpreeßen fortfuhr,
trat ber alte Wann, ber bisher aufmerffam su«
gehört hatte, auf ihn su. „Wein ffrreimb," fagte
er. „ich weine mit bir. hohe feine 3rau unb
fein Kinb; mein E er S hat fchon lange Trieben
Digitized by v^ooQie
600
3ugrab»<3beale.
in ©ott gefunben, bet ©ob hat für mich feine
Scßrecfen, er ift mir nur ein roiflfommener ©aft;
ich will fterben ftatt beiner. 34 habe w 41 $ 3 U
berlieren, aber fo feljr, febr bici §u gewinnen:
ich gebe mein fieben für baS ©einige."
Alle umher waren beftürjt über bieS merfwür«
bige Anerbieten; als aber ber fommanbirenbe
Officier fab, baß ber alte Wann boüfommen
©rnft machte, fagte er: „34 bube nicht bie Wadjt,
3 Ören Sorfchlag anjunebmen, mir wollen aber
jurücf in» Saget geben unb biefe feltfame Sache
bem ©eneral mittheilen." So lehrten nun alle
um; auf bem 2Bege ging .fjerr SBalter neben
bem armen gefeffelten ©efangenen unb fpra 4
mit ihm Don bem #eil, Das allein in ©hrifio 3 U
finben ift.
Auch ber ©eneral mar, als er bie Sache Der»
nahm, über bie Waffen erftaunt unb fragte ben
alten Wann, ob es ihm mit biefem Sorfdjlag
wirtlich ernft fei. „©ewiß," antwortete biefer,
„ich Derfichere Sie, ber ©ob bat feine Schreien
für mich; ich gehöre bem |>errn ©fjriftuS an
unb gebe nur 31 t ihm; ich will gerne mein Sehen
als Söfegelb für biefen armen Wann bingeben."
©er ©eneral mar noch mehr erftaunt unb
brachte bie Sache bor ben «ronptinjen. ©iefer
lieb Alle oor fich fominen unb iprad) ju &errn
Söalter: ,,©aS ©efeß erlaubt nicht, Sie an
Stelle biefeS WanneS anjuueljmen, aber idb fann
6 in§ tbuu, ich fann begnabigen. ihcnfe
3hnen biefeS WanneS Sehen, anftatt beS 3hri=
gen!"
©rinnert nicht bie Siebe biefeS brauen Wan»
neS, ber fein Sehen für ben armen, Derlorenen
Sruber ^tncfab, an bie SiebeStfjat Don ©olga»
tfja, bie mir in ber IfJaffionSjeit uns Dor bie
Seele ftellen, unb Don welcher ber Apoftel fagt:
©aran hoben wir erfannt bie Siebe, baff 3ef”S
©hriftuS fein Sehen gelaffeu hat für bie Sriiber,
unb mir foHen auch baS Sehen für bie Srüber
laffen?
Sera SB. ©.
JB| ie 3 ugenb träumt, ©olbene ©räume träumt
P fie in ihrem Wafs unb ©ebanfenfreiS, fo»
i wohl unter bem niebern Süttenbach, wie
unter ben ftoljen 3>nneit ber ipaläfte. Sor
ihrer Shantafie liegt ja baS Sehen, ohne Unter»
fcfjieb beS e>tanbeS, mehr ober weniger wie ein
gelobtes Sanb boH lachenber Auen unb reijenber
3 aubergärten auSgebreitet. 3 a, nicht feiten
fpannt fid£) über baffelbe ein golbeneS Aeß faft
märchenhafter Scenen, Silber unb ©efialten
aus, unb fie hofft, einft bieS unb bas ju werben,
unb bieß einft ju gewinnen, ju erftreben ober
jenes, ©er Slütfjenmonb beS Sehens eilt fchnell
Dorbei. ©er ©raum ber 3 ugenb ift halb auS»
geträumt. 3öie im ffluge finb bie 3 ahte fl**
naht, ba fich nun Dermirflidjen foü, was man im
SebenSmai mit bunflem Sehnfucßtsbrang in
buftigen Umriffen Don ferne grüßte.
2öie Siele machen aber bie ©rfahrung, baß
gar WoncheS eben nur ein füßer ©raum jiigenb»
ließet ©inhilbungSlraft, eine Soefie ohne 9tea«
•lität unb SDßefen gehlieben, wenn auch Durch
©otteS Sreunblichfeit unb ©üte nicht ÜBenigeS
ihnen mirflidj gugefaüen ift. Unb wenn fie
biefe Strebejiele nun erreicht unb unter Anberem
u einem erwünfehten ffiirfungSfreife fich beru»
eu, jur ©rünbung eines eigenen fjerbeS fi<h in
ben Staub gefeßt, Don bem lieblichen ©eßege
eines gliicflichen ©he» unb Familienlebens fidj
umfriebigt, ja gar ju befonberen ©bren fich et*
hoben fehen, ba Derlautet in ihrem 3 n, *eren
AehnlidjeS, wie baS 2Bort jenes WanneS im
©bnngelium: „ 3 ß, trinf, fei wohlgemuth, liebe
Seele, benn bu jjaft einen Sorratfj auf lange
3 ahre!"
©S währt jeboch nicht lange, fo läßt aud) in
ihnen fich bie Attermeltsipradje Dernehmen: ,,©S
ift hoch nicht, nein, lange fo nicht, wie ith’S in
meinen 3 ugenbtagen mir habe träumen laffen!"
Utur ja halb fehen fie baS fogenannte 3beale
nnb ju bichterifchem ftochflug Sefcßmingenbe
uor ihren 3uftänben weichen, ©er ©rbe Seiben
unb Sorgen wußten frühe genug auch 3 » ihrem
Sarabiefe ben ©ingang ju finben. 3h« Set*
hältniffe lehrten auch ihre Wängel, mit benen
ja alles Wenfchliche unb 3rbif4r behaftet ift,
fomie ihre profaifchen Seiten mehr ober minber
ftarf unb grell heraus. 2öie Sieles, baS An»
fangS fie fo hoch entjücfte, oerlor für fie Durch
bie ©ewoßnheit beS SefißeS admälig feinen
9teij unb 3auber. Unb war ihnen auch Don
Allem, was einft bem Auge ihrer Shantafie fo
üetheißungSreicß unb glänjenb Dorgefdjwebt, im
©runbe nichts geraubt, ja fam fogar baS ©ine
ober Anbere neu bingu, fo fühlten fie fich hoch
im tiefften 3aneren ihrer Seele btitch biefeS
AüeS nichts weniger als Wahrhaft befriebigt.
Sielmehr geftanben fie fich, wenn fie ihre 3u*
ftänbe an ben ©raumgebilben unb 3 bealen ihrer
3 ugenb maßen, baß fie in unzähligen Seiießun»
gen gar bitter enttänfeht feien.
An folchem ©nttänfcßuugSfchmerje haben mir
ber ©lücflicßen biefer ©rbe feßon Waitche geiftig
hinfiechen fehen. Wenfdjen auf ben ßöcßfteit
flöhen irbiteßer ©errlichfeit, Söürbenträger erften
fRangcS, Segiiuftigte, bereu Sruft Don ©hren»
Zeichen ftroßte, Dteicße, bie felbft ihre Schöße faum
ju überblicfen Dermochten, ja lorbeerbetränjte
Digitized by v^ooQie
jfroei Semen in einet Jfad)t
601
Oidjter unb weltberühmte ftünftler gingen all*
malig ttübfelig ihre Straße, gogen eine Säure,
ohne felbft gu wiffen, ro.öer tuen unb was, bet*
grämten ftch je mehr unb mehr in ihrem Innern
unb erfdjienen mit ©ott unb ber ©eit ger fallen.
, 3 b r c Sfbeale waren verronnen unb fie wanbeiten
wie in einer Oebe.
3>uuge fffreunbe, auch unter euch wirb eS nicht
gang an folgen fehlen, bie mandjer pf>a ntaftifcfje
3 ouber nod) gefangen hält. Biidbeucf) wirb fid)
ber 3 auber löfen, wenn nicht im ytu, |o bo<h im
SebeuSfortgang nach unb nad). Sür bie 3eit
aber, ba bie (Suttäufdjung eintritt, unb aud) if)r
über bieS unb baS, was mit fcbiücrnbem Orug*
lidfit gegenwärtig noch ba» Oafein euch berflärt,
bie beßhattenbe ©olfe ficb breiten fegt, fei bor
allem Bnbern KinS eud) angewünfeht, nämlich,
baß ißr bann wohlgemut!) bem Siebter möget
nachfingen fönnen:
,,©ft bat mir’s tief betrübt bett Sinn,
Daß bies unb bas nur (Trug ;
Seit 3*fus mein, fahr’ 2tUes tjtn 1
2tn itftn t;ab’ idj genug.
Utas fnb cerbunfle um mid) tjer,
IDas midj umfdjatten mag,
Seit meines £cbens Sonne (£r,
3ft’s immer um miefj Cagl"
-•--
|wei Smien tu eiurr |lad)t.
f ittwe Bnnifon batte ihre OageSarbeit boD*
enbet. Sie tonnte fid) teine Vorwürfe
machen über eine berfäumte Pflicht. 3 b*
ftochen im großen $jaufe war für biefen Oag
üorbei; ihre eigenen ärmlichen 3 'mmer würben !
feit ihrer 9tüdfef)r in ferupulöfe Orbnnng ge* \
bracht. 3fgli(be§ war an feinem Orte unb bie
©ittwe, bie nidht fehr leicht meber mit fid) nodh :
mit Zubern gufrieben gu ftctlen war, befchloß, fich
gur iRufje gu begeben, ©he fie jeboch baS that, J
nahm fie ihre '©ibel, wie fie feit breißig fahren
jeben Bbenb getljan hatte, unb (nS ein Kapitel.
@ie hatte foweit, „banf ber ©üte," wie fie gu fa=
gen pflegte, noch teine ©rille beburft, unb nur
9tad)tS unb wenn fie fehr ermübet war, mar ihr
baS fielen fdhwer.
Sänger als eine Stunbe las fie Kapitel nach
Kapitel, benn ihr ©eift mar auffaHenb beun*
ruhigt. Oie ©orte, welche bie Betrübten 3al)r=
hunberte hinburd) getröftet hatten, beruhigten
fie. 3uleßt, baS 'Buch gumachenb, fniete fie nie*
ber unb betete fehr ernftlid) — nicht für fich.
aber für ihren Sohn — ihren eingigen jungen,
Weit im ©eften, im Säger ber Bergleute. Kr
berließ fie bor gmei fahren botl Hoffnung, mit
einem großen ©ermögen gurüd gu lehren, uno fie
badhte baher oft. Wie eS ihm wohl ergehen werbe.
Oiefe fRadjt war ihr ©ebet jeboch, wie oft gubor,
baß Ciarrp einen größeren Segen, bie föftliche
©erle, ben Trieben ©otteS fiitben möchte. Sie
rang lange unb ernftlidj im ©ebet um biefen
| Segen, unb enblidj, felbft nicht mijfenb, warum
fie gebruugen Warb, biefe iRacht fo anhaltenb gu
beten, ftanb fie bon ihren ftnieen auf unb begab
fi<h gur SRuhe.
Quitte ihr Blid bie Kntfernung gu burdhbrin*
gen bermod)t, als fie im ©ebet auf ihren ftnieen
bor ©ott lag unb hätte hineinbringen fönnen in
bie öütte, wo ihr Sohn lag, bann märe fie 3«u*
ain folgenber Scene gewefen: Buf einem rauhen
Säger, welches mohlthuenbe £>änbe bereitet hat*
ten, fo gut als eS baS Sagerleben geftattete, lag
ihr Sohn im ffieberfchiummer. Kin junger
Bergmann im rauhen ©emanbe faß gu feiner
Seite. Sanft legte er ben falten Umfdjlag
Wieber auf, welchen ber Seibenbe abgeworfen
hatte, unb fprach gärtlidj unb beruljigenb gu ihm.
©arrtfS ©eift irrte umher; er buchte, eS wäre
feine Blatter. „Btutter, bergifi eS nicht. Ber*
giß bu eS nicht, fage ich- 3 <h tagte bir, ich würbe
gurüdfommen, unb baS werbe ich auch."
,,©o wohnt beine Btutter, fjarrp? Soll ich
ihr lagen, bu feieft franf?"
Oie (frage erhielt feine Antwort. Oie ber*
borrten Sippen bewegten fich Ühnell. 3 ad ffree*
man, ber ©ärter, biidte fich über ben ft raufen,
um bie ©orte gu fangen: „ 3 <b muß gehen —
muß heim gehen."
Oer junge Btann gur Seite manbte fid) ab,
um fidf) bie Oljtänen gu trodneit, ba legte er ben
fieberigen ftopf etwas höher, baß er bequemer
ruhen fonnte. Ks freien ben ftrniifen gu beleben.
Kr begann gu fingen — feine flare hübfehe
Stimme flang fchmach in biefer milben Kinfam*
feit — „£>eimatlj, fuße £>eimath!"
3 n ber Bbficht, ihn gu erfreuen, fiel 3 ad ein
unb bollenbete baS Sieb.
f>arrt) lag gang ftill, feine blauen Bugen ftier*
ten nach ber offenen Obüre, barnad» fanfeit bie
Bugen lieber gu unb er fiel in einen unruhigen
Schlummer.
Biit ber ftüfjle ber Btorgenbämmerung fehrte
baS Bewußtfein auch »icber unb .ftarvp ermatte,
1 nod) unter ber Bflege feines ffreuitbeS fich fin*
I benb. „3ad," fprach mit fchwadher Stimme,
! „fterbe ich? 3 fh träumte leßte Stacht, baß meine
©lütter hier fei, unb baß fie mir aus ihrer alten
Bibel borlaS unb für mich betete. 3°d, idj
miinfdhte, bu miirbeft mir ein wenig oorleien.
Oort ift eine Bibel in meiner 'Jfeifetafche. meine
©lütter ftedte fie bahin, ich laS fie nicht oiel,
aber ich habe fie nicht berloren."
Digitized by v^ooQie
602
3ht feen Sonnenfdjein.
Sein fjreunb fanb baS Su4 unb fagte:
was foü ich Icfcn?"
„Som berlornen ©obn! 3# bin ein berlor»
ner ©obn," fd)ludjjte er. 3 n<t ber als ff nabe
in bie Sonutagf4ule gegangen war, faub bie
etefle unb laS: „(Sin ©tann batte gmeen ©öbne."
Diefe befannten SBorte fcfeienen baS »erblichene
©cbä4tniB aufgurütteln unb neu gu beleben.
3 ad fuhr fort gu tefen: „ba fcblug er in ficb unb
jpva4" —„baS bin ich'' murmelte fein 3 11 höret,
mäbrenb Dbräneit unter ben gefcbloffenen ©ugen»
libern berborquoHen. „34 tniH mich aufma^en
unb gu meinem Sater geben." Die blauen
klugen öffneten fi 4 unb blidfleit 3 ad ernftbaft
an unb er fagte: „34 möchte meine ©lütter
feben."
„Siellei4t triffji bu ffe im £>immel."
,,©ie gebt in ben Fimmel! ©ie ift gang be«
reitet bafür. 34 Wünf4te, >4 märe auch fo be»
reitet." Die paar lebten ©eu&erungen waren
fanin bernebmtmr. 3 l ’d beugte fi 4 nieber, hielt
ben ©lunb nabe an bas 0 br beb fterbenben
3ünglingS unb fagte langfam unb beutlicb:
„"Da er aber no4 ferne bon bannen mar, fabe
ibn fein ©ater, unb jammerte ibn, lief unb fiel
ibm um ben ©alb unb füffete ibn."
Die blaffen Sippen f4ienen fi4 mieber gu be»
raegen. 3 a< * ftetancg eS, einige SBorte gu ber«
fteljen: „34 — mid — aufma 4 en — unb —
geben," — eint ©aufe; bann: „34 habe ge»
fünbigt — gefünbigt."
Die SBorte waren laum gefprocfeen, alb er
plöpli 4 auffprang unb tjeruinföaute, alb ob er
3 emanb fäbe unb rief: „©lütter! i 4 will tom»
men! i 4 — m—itü"
„Sege bi4 nieber," fagte 3<>d, „lege bi4 nie»
ber," aber er fpracb gu einer berlaffenen pülle.
£arrt) mar babin.
Jl« ftrn Soiitrnifdjtm
inft lag in einem unf 4 önen Söinfel eineb
uralten ©üfe4enS i" Stuttgart ein
f4minbfu4tiger ©tenf4, mel 4 er bon ber
©ta 4 t ber ffraufbeit fcbwer gu leiben batte,
©ein finftereb, talteb $tüb 4 en, in me! 4 eb meber
Sonne mxb ©fonb bineinf4aute, alfo au4 wohl
wenig gefunbe Suft einbrang, mar ficherlicb nic^t
geeignet, bern fiechen Seibe gur ffräftigung gu
bienen. ©IS nun ber SBinter fi4 geroenbet unb
ber griiblinq feinen (Singug mit Sang unb
fflaug unb hellem ©onnenfchein gebalteu, ba
blicfte auch ber ffrante bur4 bie Scheiben auf
gum fonnigen Fimmel; er wollte fo gerne bin*
aus in ben warmen Sonnenf 4 ein, in bie er»
quicfenbe Suft beb ©taien. (Snbli4 Wagte er’b.
©tübfam fro 4 er bie balsbre 4 erif 4 en Drep»
pen binab unb fefcte feinen fjruß iub Sreie. 9hm
lag ni 4 t ferne babon am 9lanbe einer breiten,
f 4 önen ©trafse ein Raufen ©alten, bie guge*
ridjtet waren, um bon ben 3 immer(euten halb
aufgeri4tet gu werben gu einem jtattlüben Sau.
Dortbin f4*eppte er fi4, unb fafe nun blaß unb
blei4, matt unb mübe auf ben Salten. ©tili
fab er einem ©touret gu, ber beute gum erften
©tale feine Steine bebauen wollte, um mit
©oberen ben ©runb für ben Sau feft gu legen.
Der ©tann fietjt bot ff raufen an, unb läßt ftdj
mit ipm in ein ©efpräd) ein. Worin biefer jagt,
baß ibm bie gute Suft fo unenblkb rnobl tbue.
Sßenn er nur alle Dage fi 4 hierher fefcen tonnte!
JD," fagt ber ©lauter, „rnenn’S nur baS ift,
ba tann ich betfen. lieber ben ©littag in bet
fjeierftuitbe hole i4 Gu 4 am ©nfang herab unb
trage (5u4 am (Snbe mieber hinauf!"
DaS nahm ber fiec^c ©tann mit fjfreuben auf,
unb bon ba an ging ber ©taurer tciglkb jeinem
greunbe na4- trug ihn auf feiner Schulter herab
unb wieber hinauf. 9ta<b 14 Dagen batte e§
mol)l ein Gnbe. ©ott nahm ben ffranten beim
gnr ewigen 9tube. ©ber ber ©Innrer batte ge«
tbau, ma§ er tonnte, unb ber ©Clmä 4 tige batte
bie Siebe gefeben. ©S giebt au4 einen Sonnen«
f4ein für bie Seelen. Das ift ©otteS 2Bort.
— Sift bu ein ©brift, fo mache es mit trän«
fen fjergen ebenfo wie ber ©laurer mit feinem
tränten fjreimbe. 3«ig« ihnen beine Siebe unb
führe fie in ben Sonnenf 4 ein ber reichen @ot*
teSgnabe.
€in ^tmmerjprudj.
Ijaus, fjöre melden guten Segen
lUir fjeute mpUen auf bidj legen!
3n beinern (Srunb liegt (Sottes IPort,
Üas IPort uerbleib’ bein treuer ^ort.
(Sott fteüe ftd? t>or beine (Eljür,
Unb fpred?: „3<*? n>oljn’ mit ^reuben Ijierl"
(Sott fd?au 3 U beinern ^enftcr ein,
Unb fprecfy: „Ulf beine Sorg’ ift meinl"
(Sott ftrecf aus feine mädjfge £)anb
Unb ruf: „Ulf Scbab’ fei abgemanbt/'
(Sott fenbe feinen f>immelsfrf?ein,
Unb roolf bein liebt in ITäcbten fein.
(Er pfla^e hier ben ^riebensbaum
Unb iiberfd^atte biefen Kaum,
laß Palmen ber (Serecbtigfeit
ßier madjfen für bie (EmigPcit.
(Uus unbefannter Quelle.)
4 1 3C |.
Digi — by
Gog ?k
?rauen;rttttflg.
603
fr atien
GWc ftadüe. ®ie Gjfaiferin Gugenie fammelt
alüt>cnbe Sohlen auf bie billigen ©äupter bet 20 iar=
leillaner. ®ie ©tabt Btorfcille batte bem fiaifer
alS Seichen ihrer 9lnhängfid)feit ein prächtiges
©runoftücf gefchenft, auf baS ber lefetere ein Schloß
bauen liefe. AIS bie faiferliche £>errlid)feit ver=
fdmninben mar, fanben bie Bewohner ber treuen
©tabt, fie fonnten eigentlich baS ©runbftücf mit
bcm 3d)lofe heiler brauchen, alS ohne bafjelbe, unb
bie Saifcrin mußte um ihr Bcfifcthum einen iana=
wierigen Broiefe führen. Machbem fie benfclben in
allen 3 nftamen gewonnen, erflärt fie, fie übcrlaffc
baS ftreitige Obieft ber ©tabt äRarfeille. ® er Brief
ber Gsfaiferin an ben ehemaligen ©taatSminifter
Motiher hat folgenben Sßortlaut: „®en 15. C£e-
Acmber, gamborough ©all (©antS). SOiciit lieber
©err Mouher! 3d) erhielt baS Schreiben, burch mcf=
d)cS Sie mich benachrichtigen, baßber Mppellation3=
hof non Mir baS Urtheil beftdtigte, welches baS
Mfarfeiller ©ericht in bem non ber ©emeinbcbehörbe
biejer ©tabt gegen mich eingeleiteten BvoAeß ge=
fprochen hat. ^nbem id) vor ben ©erichtcn mein
Mecht vertheibigte, that id) eS bauptfächlich auS
Mdrtung vor bem franiöfifcheit Midjtcrftaube; benn
hatte ich meine Sache im Voraus verloren gegeben,
fo würbe bieS bebeutet haben, bafe bie Seibenfchaft
ober baS perfönlicße 3ntereffe bie Befdjlüffe beS ©e=
rid)tS imfereS SanbeS beeinflnffen fönne. Mher
heute, ioo biefeS Mecht anerfannt ift, will idi bie
©vunbrtücfe nicht behalten, welche bie ©tabt BJars
kille früher bem Saifer Aum ©efchcnf madite unb
welche fie heute abftreitct. 3 dj bitte ©ie, infolge
beffen bie nothmenbigcn ©dritte All thun, um in
meinem Hainen ber Stabt ben Bart unb baSSdrtoß
Bharo au geben, ivelcheS ber Satfer auf feine Soften
bauen liefe. ^Inbem ich fo banbele, glaube id) bem
©ebaufen benenigen au folgen, bie nid)t mehr finb,
unb ich hoffe, bafe ©ie, ber Sie beren ergebener
greunb untren, mein Hum billigen werben. 3 d)
will biefeS ©chreiben nirlit fddießen, ohne ©ie 311
bitten, für mich bem auSgeAcidmeten Mbvofaten 311
banfen, ber, obgleich von unS burrh feine politifchen
Mnfehauungen getrennt, nur baS Mecht unb bie ©e=
redUigfeit inS M 11 ge fafete, unb biefe ©ache mit
grofeem SEalent oertheibigte. ©lauben ©ie u. f. w.
G u g e n i e."
Ghi flerifal gefinnter frangdfifd^er 0djriftftelIcr
veröffentlicht einige haarftrdubenbe ®aten über baS
an inbifdjeS Büßerthum eriitnernbe, fafteiungSreidje
Sehen ber Moniten ber heil. Glara. Gr batte in
einer Familienangelegenheit mit ber Bovftchertn beS
GlariffenflofterS tm 3nvalibenvicrtel au BnriS 3»
vevfehren, unb empfing bie 9lit^fünfte auS bem
SMunbe biefer ehrwürbigett Sratt, bie wohl alS eine
verläßliche Quelle über bie Vorgänge gelten barf,
welche fiel) hinter ben SWauern biefer geiftlidieit 3 u-
flucbtSftätte abfpielen. Bon ben 18 filofterfrauett,
bie hier beifammen leben, finb 14 weniger alS 23
* 3ahre alt; bie Gsiftenj, meld>e bie £od)ter ber heil.
Glara führen, ift eine fo qualvolle, bafe fiefaftauS=
I eitung.
nahmSloS in ber Blüthe ber 3ahre bahingerafft
loerben. Beinahe alle entftammen bochariftofra'
tifchen Familien. ^nt Alter von 16 bi$ 17 fahren
nehmen fie, nach ciniährigeut MoviAiat, ben Schleier,
©ie tragen Kleiber au^ rauhem Söollftoff mit einem
Stvid al$ ©ürtel; ba3 gaiiAe 3ahr müffen fie bar-
fuß auf ben falten ©teinvlatten ber 3 cllcu unb ber
Kapelle gehen; fie warnten ftdj niemals an einem
^cue^ ba fclbft ber fiüchcnberb, an weldiem bie
fiaientd)wefteru walten, außerhalb be§ ihnen 311 =
gdugli^eu ^ereichö liegt. 3bre Mahrung beftcht in
Üträuter- unb ©etnüfefuvven; fjleifd) genießen ftc
nur einmal im 3 abr, am SBeihnacbtMag. 3 hte
Schlafftdtte, bie nur einen Ouabratmeter Ober=
flddje bietet, geftattet fein Muoftrecfen ber ©lieber,
ffire fech'öftünbige 92ad)truhe toirb burd) ein Atvei=
ftünbige^ ©ebet in ber töapelle unterbrodten. 3 cbn
©tunben be^ Sage^ bringen fie fnieenb vor bem
Elitär 311 . ©ie leben von 9llmofeu unb bem Grtrag
ber unbebentenbeti ipanbarbeiten, bie fie neben ben
religiofeit Uebuitgcn verrichten. ®ie Megel fchreibt
ihnen ein faft ununterbrodtene^ @tillfd)u>eigen vor.
©ie gewöhnen fich berart ba$ Meben ab, bafe, wie
bie 5lebtiffin bem öefucher mit einem gewiffen ©tol 3
vcrRcherte, mehrere ber ©chweftern nicht mehr im
©taube finb, einen orbentlichen ©afe 3 U bilben.
3eber Serfehr mit ber Slufeenwelt ift ihnen untere
fagt; felbft ihre Gltern bürfeit fie nur einmal im
3aht au3 ber Gittfernung feheit. SBeitu eine Monne
ftirbt, fo wirb fie von ben ©ettoffinneit in einen
rohen ©arg gebettet, ber auf bie ÖveiiAe bev Glaufur
geftcllt wirb, wo bie behorblicl>c Sobteitjdwiu ftatb
finbet. ®er ©d)riftfteller, bem man biefe 3Kit=
theilungeit über ba3 geben ber efftatifchen .©immel 8 =
braute verbanft, ift voll 33ewunberung ßir bie ©ei=
ligfeit biefer von allem 3 rbifchen loöaelöften, nur
ber $afteiung unb bem ©ebet lebettbett 3 ungfrauen.
Gr glaubt, bafe bie ©eftion ber 8 eid>eu biefer Mon=
tten eine aufterorbentlichc Gntioidelung ihrer —
©er 3 en unb ©ehirne ergeben muffe. ®er frühAeitige
Sob ber 33üßerinncn ift {ebenfalls ein iöeu'eiS ba=
für, bafe baS Megime, bcm fie unterworfen finb,
gaiiA barnach angethan ift, fiörper unb ©eift biefer
Opfer beS religiöfen Fanatismus rafch unb ficher
3113 erftoren.
$rht3 9tnla| ßbril, ein ©ohn beS fiaiferS von
5Maroffo, lernte im vorigen 3ahr an s -öorb beS
SampfevS, auf welchem er vonber?$ilgerfahrt nach
M^effa heinifchrtc, eine italicnifdje ©ouvernattte
feitnen, bie ihn burch ihre Schönheit unb ©raAie
entiüdte. ©eine Sewunberung venvanbelte fich in
heiße Siebe, unb er gelohte ber Angebeteten, bafe er
fie heirathen würbe, wenn fte ihmjum ©ofe feines
SSatcrS folgen wolle. Gr gab ber ®ame aufeerbem
bie 5 ?erfid)eriing, bafe fie feine einige ©attin bleu
ben feile. 2 ?or einem italienifchen Gonfulat würbe
bie Uebercinfunft in binbenber Form vereinbart.
®er faiferliche 9Sater fnüpfte feine Bewilligung 311
bem Ghebunb an bie Bebingung, bafe bie .©ocuAeit
erft binnen 3^hreSfrift ftattfinbe, unb bie prafum^
Digitized by v^ooQie
604
$rautn;eitung.
tioe Vringcfjtn ingwifchen bic Oberleitung bcr Sr*
giehung bet jödjtcr beS ©errfcberS überdehnte* D aS
Vrobejahr nabt feinem ßnbe, uub bie Verlobten
werben bemnächft ihren ©mtb beftegeln, ohne baß
bie SBraut ihren djriftlidjen ©tauben abfebwört.
Sie wirb übrigens nicht bie einzige ßbriftin unter
ben ©Jitgticbern ber maroffanifdien SultanSfamitie
fein, benn ein Oltfel bcS grinsen ©Julap GbriS,
ber Scbcrif oon llebgan# lebt in glüdlidjer C^be mit
einer Snglänberin uub hat trofe feiner Verbei*
rathung mit einer Ungläubigen feine hohe geifttidje
SBürOe beibchaltcn.
eine girma in Wcmtreal fünbigt einen efeftrifchen
fioebapparat an, ber, wenn er ftch in ber ©rartS
bewähren follte, einen bcr fehnfüchtigften SBünfche
ber .©auSfraucn ocrwirflicben würbe* Der Apparat
befteht auS einer ooüfommen ifotirten SMctatl*
Pfanne, ^m ©enfet münbet ber eine ©ot ber eiet
irifchcn Scitung; ber atibere ©ol fpielt unter bem
©oben ber ©fanne in freiSförmiger Bewegung, um
bie ßifce gleichmäßig gu oertbeiien. £6nig ©ein*
rieh wünfehte iebem Sauer beS SonntagS ein
©ubn in ben jopf. ©ätte ber gute flöitig in unfern
jagen gelebt, fo hätte er ber armen ©auöfrau baju
auch einen elcftrifcbcn Äodjtopf gewünfeht, benn in
einem folchen ließe ftch baS ©ubn taufenbmal Be*
queiner foeben, alS in bem trabitionellen pot du feu.
Sie ÄSttbcr, welche ohne icbe Segleitung BIoS mit
einem ihre SReiferoutc Beteidjnenbeit jäfeldjen um
ben ©alS, Streifen non jatifcnbcit engtifefver 9Wei=
len auf ben amerifanifchcn SifcnBafmen unb
Dampfern, gerotffermaßen unter bem Schuß beS
©ithltfumS guritalegen, haben ein allerbtngS etwaS
befdwibenercS ©egenftüd an ber 7*iäbrigen jodder
beS itapeflmeifterS ©tarfe in ©rag gefunbeit. DaS
junge Dämchen, mit ©laib, 9)?antel, Umbäitge*
taßhe unb ber am ©alte hängeitben SKoutentafel
auSgeftattet, hat ohne ©eleit bie 9teife oon Stag i
nach ftonftang mrüdgelegt, unb ift nach 36ftünbiger
gabrt wohlbehalten an feinem ©eftimmungSort
angelangt. Die jafel trug bte Stuffcbrift: ©rag*
©tlien*gurth'3dpoanborf=VegenSBurg=9iugSBurg=
8inbau*S’ouftang. DaS fleitte gräulctit befaß feine
birecte gabrfarte unb führte etne ©anbfaffe, auS
ber eö feine Verpflegung beftritt*
Sit 3rauenfHmmrei!it§6ewegimg unb bie grauen*!
emancipationSfrage überhaupt greift iefet tit Gng*
lanb mehr unb mehr um fich. 9im 26. $unt würbe
unter bem Vorfiß beS ©arlamentSmitgliebS SDJr.
3acoB ©right in Bonbon ein oielbefucbteS 9)?eeting
abgehalten, baS fich für Buerfennung beS 2Babt*
rechte an bie Stauen attStprach, unb mehrere 9icfo=
littionen in biefern ©iitne faßte. Sei biefer ©e*
legen heit fchilberten gmet Bef a nute amcrifanifche
Vovfämpferinncn ber grauenredde, SflfrS. ©tanton
unb üHiß ©iifan 9(nthoim, bie ©tellting ber grauen
in ben Vereinigten Staaten unb gäblten eine 3ieibe
oon SrwerBSiweigcn auf, bie noch oor 40 fahren
bem weiblichen ©cfdrtccht gäuglich oerfcbloffen
waren* 9ln Stefle ber grauenärgte ftitb jefet jau*
feitbe oon grauen felbft alS biplomtrte 9lcrgte mit
SluSgeicbnimg thätig; währenb bie grauen früher
böcbftenS ihren SOZännern ©arbinenprebigten halten
tonnten, fpredien fie iefct oon beri^anael als ge-
aditete ©eclforger gu gahlreichen ©euteinbeit. ©onft
gatten bie SOiänner für bie natürüd)en Vertheibiget
ber Srauen in Ämertfa, aber iefet oertheibigen aittft
bie Sranen SJänner, unb gwar oor ©eriiht. ®a^
Dtcchtoftubium ftcht thnen offen, unb weibliche 9lb=
bofaten, bte felbft bor bem hofften ©erichtShof
blaibiren tonnen, ftitb in ben Vereiuiaten ©taaten
taft ebcitfo gahlreid), wie ihre männlichen Kollegen.
Die Verbreitung oon Ütfeuigfeitcn war immer eine
8ieblingS=Sefd)äftiguitg beS fchonen ©efddechtS,
barum barf man fich nicht wunberu, baß Srauen
Bettungen rebigireit, Südter perlegen uttbbie©älfte
be§ großen ©eereS bcr Steporter bilben. Die
giehung ber Sugeitb liegt in ben meiften Schulen ia
ihren ©äitben, unb ber Voftperfehr wirb jttm großen
SCheil Poit ihnen vermittelt. Sticht weniger atö
5000 weibliche Voftmeifter giebt eS in ben Ver¬
einigten Staaten, leiber aber, wie 3)tiß fRnthonp
Bemerfte, nur auf ben fcblecbt botirten Soften, ba
bie SOZänner burch ihren politifdjen Sinfiuß fidh
bie einträgtidiften Sieden gu fid)ern wiffen: „So
lange wir nicht baS SBahlrecht haben, Bleiben wir
Sflapinnen," fagte bie Stebnerin, —- „bieb müffen
wir erringen, unb ift e$ erft in unfern ©änben, fo
wirb bie erftc Solgc fein, baß wir ber 9Käßtgfeit&
Bewegung ginn ©ieg perhelfen unb [trifte Sperr*
ftunben ber SBirthShäufcr einführen" — eine ©e*
merfung, bie mit großem Scifad aufgenommen
wttrbe. Die SQtännerwelt hat, wie e8 Scheint, in
I Mmetifa feine erfreulidien BufunftSauSRchtenj unb
bie ßnglänberinnen möchten eS ihren amerifamfehen
©chweftern barin gar gu gern naddhuit. Uebrigen^
wollen unS bie Seifpielc, weld)e 9)tiß Slnthoup atö
BefonberS leitchtenbe VorBilber beS anterifanifeben
weiblichen ©elbftftänbigfeitSPrangS anführte, wenig
gut Stadjeifcruitg oexlodenb erfdjeinen. SS waren
bieS namentlich eine iunge Dame, welche alS 9®e*
porter einer Stewporfer Beitung bie amerifanifeben
Viehmärfte befuchte, ferner bie Docbter einer un*
Bemittelten Samilie, welche feine 8uft hatte, ihrer
3)tutter in ber ^auSwirthfchaft Behilflid) gu fein,
fonbem lieber nach bem fernen SBeften ging unb
bort mit erborgtem ©elb ein Stücf 8anb raufte,
beffen SeBauung ihr enblich nach Pielen fehlgefchla*
gelten Verfuchcn glüefte, unb last not least ein nach
unfercit Scgriffen höchft unperfdjämtcS ©auSmäb-
djen, bie ihrem ©errtt, ber fich über bie fdjlecht ge^
puljtcn Stiefeln beflagt, ertoibert, er folle fich bie
©tiefet fünftig felber pttfeeit; eS fei ohnehin feine
Slrbeit für
mad)cn.
grauen, fd)mubige Stiefel Blanf gu
Sie Waderen WabÄen tum Vaffar Koffeae Bei
9?ew §Jorf, wcldje fich rürglich gegen bic geiftlofe StB*
rid)terei auflchntcit, erhalten pon einem 9®ed>fcl*
Blatte folgenbeS 8ob: ^Srapo, amerifanifdvc S)läb*
d)en, Srapo! 2SaS bie jungen SMänner nid)t wagen,
ba§ wagt ihr, unb geigt baburtb, baß ihr nicht nur
wiffet, waS ihr wollt, fonbem aut h ben SRuth habt,
eS auSgiifprecheit. greilich hat bie Vaffar*gafultät
ftch porläußg noch nidit bemüßigt gefehen, ben re*
bedifchen Stubentinnen nadmigeBen. Sdxabet nichts
— ber ^mpul§ ift gegeben. Unb baS, waS benfenbe
Sehrer jd)on feit fahren erftreben, mag einigen Bin*
fen SRäochen am Snbe mit einem Schlage gelingen:
9lbfdwffung beS VatentnnfugS unb ber Shtengeichen
in ben Schulen uufereS fianbeS."
Digitized by
Google
$u H«ufe.
605
5 « Hauff.
ftan# nttb #erb bon einer $an$fran.
Stangenftlferie j n nbnUiintem. $iel ©ellerie I
mirb mahrfchetnlid) burch au biel SBdriuc, ald burd)
ftrenße itdltc befdjdbißt. Öbmohl empffnblidier mie
biele attberc ©emüfe, fdiabet ihm hoch ein leichter
jjroft nicht. CDie 9Rarftßdrtner laffen ben ©tanßcn=
fellerie manchmal Rehen, mo er mdchft, häufeln bid
SU bcn ©pifeeit ©rbe baßeaen an unb bcbeden bie
Blätter, meint ftrenße £dlte nabt; aber hier ift bad
Wtfo, bah bet fo belaffene ©ellerie nicht immer
heraudßcnommen merben fann, meitn gemünfdff
mirb, bedhalb fomrnt ber für ben ÜSerfauf beftimmte
in bie ©rdben. ®ie ©rdben muffen an einer ©teile
ein, mo Reh fein SSaffer in benfelBen feimmelt; Re |
ollten nicht über lOBoll breit fein; bie Tiefe hdnßt
bon ber ©übe ber ^flansen ab. ®er ©ellerie mirb
aufrecht bicht hineinßeftellt, unb feine Srbc fomint
Bagmifdjen. ®ie ©pifeen merben mit Sldttern,
grobem $eu ober ©troh bebetft; bied ßcfchieht erft,
wenn ftreitße ffdlte beborftcht; aber bad Material
follte beftdnbiß für ben fofortißen ©ebraitd) sur
$anb fein, tim fflefdidbißtniß bureb Chhifeen su
bermeiben, mirb bad (äinfefecit in bie ©rdben fo
laitße berfchobeit, ald bied ohne ©efahr ßefchehen
fann. 2Benn fein frübseitißer#roft eintritt, ift (5nbe
^obentber in ben meinen ©eßenben faft immer bie
befte Beit. Slber bie $ flanken in ben Leihen mer=
ben $nfanßd bed SMonatd burch 9lnhäufetn ben
Grbe aefdjüfet. ®ie ©pifcen leiben nicht, meun and)
bad Thermometer 5—6 ©rab unter ben ©efrier-
buitft fdllt. ®ie Sebedunß maß anfdnßlich leidff
fein, unb mirb mit sunehmenber Ädlte bermehrt,
bis fie fcbliehltch 6 ober 8 B»ll hoch ift. $ad 9ütf=
bemahren bon ©eiterte tmSfeller ift nur bann möß s
lieh, menn matt einen fieller hat, ber im 2Binter
fühl ift. 3ft ber ifellerboben cementirt ober mit
Sacffteinen ßebflaftert, fo müffen einige Soll hod)
©rbe barauf ßcmorfen merben. (Sine SRcihe Bretter
bon ber $ohe ber $flaii$en, mirb 9 3^1 bon ber
Äellermanb errichtet; ber Dtaum mirb mit ben auf-
rechtfteheitbcn $flansen gefüllt, gerabe mie bei ben
©rdben. 9 3oll bon biefem entfernt, merben smei
anbere Sretterreihen mit 9 3olUfmifchenraum er=
richtet, unb baburdj eilt meiterer Behälter hergcftcllt:
biefer mirb mieber mit üßflanscn ßefüUt. ®aburcb
fomrnt ber Sellerie in 9 3oll breite Leihen, bie
9 3otl ?lbftanb haben, T)ie 3mif<henrdume folleit
bad ©rhifeen, melched ftattfiubct menit ßröhere ^Raf¬
fen sufammenßebrdnat Rehen, bermeiben. 93efteht
ber Äellcrbobeit aud (Srbe, fo merben fletne pfähle
aeßen bie Sretter in ben Stoben ßetriebeit, um bie
Bretter atu $lab m halten. ©ine foldje SRafje
$Ranseu mirft btel SBarme ab, unb ßute 93ente
lation ift erforberlich, bamit bie Temperatur nie=
briß bleibe.
&djtoriftefkii<b jum leuihmt elttjttböfcltt. 9luf
100 ipfunb Sleifch (Schiitfen, ©chulterftüde, halbe
Äöbfe, ©beafeiten) rechne man 5 ßjfttitb ©als unb
2i tittsett ©albeter. 9)?an beftrene ben SBobcn beS
SaffeS bünn mit ©als, teibe bic ©peeffeiten ßchöriß
mit ©als ein unb bermifche bann baS übriae ©als mit
bem Salpeter, hiermit reibe man bicSchinfett k. fo
Rarf ein, bah fie fein ©als mehr aufnehmen. 8eße
bie ©diinfeit unten inS Sah; fülle iebeti 9taum,
auch ben fleinften, mit flcinen ©tütfen Sleifdh auo
unb pade alles fo, bah eS feft an einanber ließt,
ftreue baS übriß ßebliebene©als laßenmeifeauf baS
gleifd), unb leße bie Seiten, auch mitSalsbeftreut,
oben auf. Son biefem feften Bufammenpacfen
hdnßt ber reine ©efdimad beS SleifmeS ab. ®ie
lanße baS ^leifch in ^ßofel ließen mup, barüber ift
man berfchiebcner 9lnfid)t. 3d) mürbe tunßeS Sleifdh
bon fleinen ©dnoeinen 8 Taße, baßeßen leifch bon
ßrohen ©chmeincn (unb beSmeßen and) ßröhere
©türfe) 12—14 Taße in ?J6fel ließen laffen. 3Ran
ftelle baS gleijih aber immer an einen fühlen ißlafe.
®aiut hdiiße man cS sutn SHdiidiern an einen luf=
tißen unb rditchere momoßlid) mitSBathholber,
mosu man auf folßenbeJöeife leidst eineßinrichtuiiß
treffen fann: (S^ mirb nämlich ba, mo ßerduchert
merben foll, ein alter Ofen ohne ®edel unb fRöhre
hinßeftellt unb mit einißen ®achholbersmcigen ße=
füllt, bie anßesünbet merben. 5)ie^ mirb mentaftend
8 Sfcaße laitß mieberholt, mdbrenb au^ bem meifA
burch Ceffnen ber Senfter hduffß 8uft ßeßeben mer=
ben muh, u>cil nidst 5Raud) allein, fonbem SRaiuh
mit guft abmechfelnb, bem fJIetfcBe einen ßuten @e=
fdimad ßeben.
CbR^iRß. ®ie mm (Sfftß beftimmten ^epfel
ober SMrnen (auch abgefallene fann man basu ber-
; menben, nur müffen btefelben abßeioafchen merben)
merben fo flein ald mößlich ßeftampft unb in einer
Dbftpreffe reiht trotfen audßepreht. ®er fo erhalt
tene uRoft wirb in offene Raffer ßethan, moriit er
I 8—10 Säße Rehen bleibt. $)te Unreinißfeit adhrt
nach oben, unb mirb borRdjtiß abßenommen, bann
ber SRoft in Sdffer ßefüllt, unb biefe an einen mar=
men Ort ßebracht. 9?un erfolßt noch etmad ©dh=
rung aud bem ©puttbloch, unb ber borher in
Slafchen surüdgeftellte SRoft mirb sutn SWachfüllen
gebraust. ?|Rbie ©dhruitß gans beenbet, fo mirb
bad ©pttnblod) mit einem nicht su bichten ©tuet
öeinmanb bebeeft, unb bie Raffer bleiben bid sutn
|yrühiahr rtthiß ließen, mo man aldbaitn ben (Sfffg
in Jdffer ober ^lafchen absapft. Unten im San
Rnbet Reh immer ein siemlich ftarfer ©afe. 6d ift
ein ßttted 3etd)en, menn Rth eine $aut auf ber
Oberfldche bilbet, bie bor bem Slbsapfen nitht ße=
Rört merben barf.
billige unb batterfytfte (f ilkmt. ©ine aud-
reichenbe ÜRenße ffteßenmaffer für bcn ©ebrauch ber
Familie, für ben ©tall unb gum Seßieheit im ©ar¬
ten, ift bad ^auptbebürfnih auf bem Sanbe. Oad
©itibernih, biefe SBaffermeiiße Reh su berfdiaffeit,
finb bie ßefürditeten äudlaaeu. ®ad@raben ititb
9ludmaitern ber ©ifterne mit ^Bacf= ober ^rud)*
Reinen foftet ©elb. ®ie meiften ^arnterfvauen
haben sutn SBafdieu nur SJrunuenmaffer, mehhed
Digitized by v^ooQle
606
3u Haufe*
fic mit bem (Sinter heraufgiehen, tmb im Scheunen-
feiler ift feine Verrichtung gur Srlangung beS
©ränfcwafferS getroffen, Sine Sifterne, bie fämuit=
lieber auf baS ©ach beS ©aufeS ober ber ©djeuue
faUcnbc Scgenwaffer faßt, ift im Vereid) eines jjeben
thätigen SauncrS, unb fie entfdjäbigt icbeö 3ahr
burdj bie 9lrbeit3erfparm&, bie grö&ere Sequemiid)-
feit im ©auShaft wie in ber ©djeune für bie gehab=
tenAMten. Silier nuferer Sathbarn, ber@ärtner
unb Farmer ift, bat im oorigen Sabre eine Sifterne
für fein SreibhauS gebaut, itttb war Jo gufrieben
bamit, baß er biefen i&erbft eine gweite für beit ®ar=
ten unb bie ©cbeune berftellte. ©ie evfte 9lu3gabc
war für baS 9lu3graben an ber ©übfeite ber
©cbeune, wo ber Sroft itid)t [ehr tief einbringt.
Sie Sifterne ift etwa lOftuft tief, 10 grüß imffiurd)=
nteffer am ©oben unb 12 gitß oben, ©erhoben
ift fiefifler 8ebnt oben unb fompafter ftieS weiter
unten. 3lber©anb, wenn fompaft genug, baßer
nicht abrutfebt, eignet ftch ebenfo gut. ®ie ©eiten
ber (Sifterne werben fo eben alS möglid) gemacht,
unb mit einem Sefen bfntner Vortlanb=Sement=
mörtel auf ©oben unb ©eiten gcftricben. ©iefer
troefnet febr fdjnell, unb oier= ober fünfmaliges
©eftreirhen ftellt ein ftarfeS unb bichteS ©afin ber,
welches oollfommen genügt, um alles hineinfom=
meitbe fflaffer gu halten. ©ie 9(u3lageu für Sement
finb gering, unb bie bümte Prüfte, hinter welcher
ber fompafte Untergrunb ficb befinbet, ift ebenfo
bauerhaft, wie ein SZauevwcrf au$ ©ruch= ober
©aeffteinen. Bur ©ebeefung bienen ein Sitß bide
A?aftanienholgbalfen> an ber einen ©eite behauen,
unb barüber ließen gwei BollbicfeAfaftauienbohlen.
3wei Sohren leiten baS SBaffer oon ben ©aibrinnen
ber ©cbeune hinein. (Sine für baS Steinigen ber
Sifterne unb baS 9lnbtingen ber ©untpe genügend
große Oeffnuitß ift oben gelaffen. ®ie planten
würben etwa gwei ftuß bodj mit Srbe bebeeft — ein
auSreichenber Schuß gegen Sfroft in biefer ©egenb.
Sie (Sifterne faftt 8000 ©allonen, ober mehr, unb
aiebt in aewöbitlicbeit Schreit auSretchenb SBaffer
für baS SSieb unb bie ©criefetung im ©arten* Sie
ßangen 9lu3lagen für Arbeit, $olg unb Sement be-
trußen etwa fünfgehn ©otlarS. ©ie meiften 5?av=
iner föunen bie erforberlicbc Arbeit unb ba3 Jpolg
felbft liefern, unb nur ber ©ortlaub^Sement ocr=
urfaebt Äloften. ©er Sement bartet ficb unter 2Baf=
fer unb wirb fo feft wte Stein.
©in* * Mäßigeren ttidjtljeilig? 2lb-
wechfelnbc Xhätigfcit unb Sube ift ein Saturgefeß
für ieben ©heil beS AlörperS, außer bent Jpergen unb
ben Slutgefäßen. ©ieS ©efeß fann nicht ocrleßt
werben, ohne baß mehr ober weniger naebtbeilige
Sefultate bie ftoige finb, man mag fie bemerfen
ober nicht, ©er menfchlicbe Stagen muß feine 3ei=
ten ber Sube haben, ober er wirb gefibwäcbt unb
oerfagt fchließlidj ben ©ienft. Sn gewiffem ©tnne
ift er bie Stahlmüble, weld)e ben gangen Alörper mit
Sabrunß oevforgt. ©ie S?üble bleibt thätig, fo
lange barin ctwaS gu oerarbeiten ift. Sine gewöhn-
Inbe febwere Stahlgeit erforbert 4—5 ©tuitben bis
fie aufgclöft unb in ben Organismus überßegangen
ift; ein fdnoacber Stagen braucht länger, ©aitn
muh ber Stagen minbeftenS eine ober gwei ©tunben
Suhe haben, um fid) wieber gu erholen, wäbrenb
welcher Beit bie anbern Äörpertheilc unb ber ©eift
thätig fein föunen* 3n ber Segel folltcu nicht we*
itiger alS fecbS ©tunben gwifdjen ben Stablgeiten
oerftreicben. Sin 3mbiß irgenb einer 9(rt, felbft
3Bilch, weint fie in ben SJtagen fommt, che bie oor*
herigeStahlgcit oerbaut unb er auSgerubt, ift nach-
tbeilig. Sffeit »vifeben beit Stahlgeiteu, foidjen,
Bucferwerf, Obft ober irgenb etwas, baS oerbaut
werben muh, hält ben Stagen thätia, unb beraubt
ihn ber notbwenbigen Suhe. ©aS ©efübl ber 91b-
gefpanntheit bei hattet Arbeit ift meiftenS eine
ftolge ber ©törung, bie ein fräftigeS grühftücf ober
9D?ittageffen oevurfadd, inbem im ©ommev bie an-
ftrengeitbe Arbeit unb bie brüdettbe ©ifec bem SSer=
bauen beffelben hiubcrliib waren* ©er 3mbi6 be*
feitigt eS (fo meint 3ftand)er), macht aber ben SDiagen
unfähig, bie nächfte SÖJablgeit gut gu oerarbeiten.
9lm betten ift eS, wenn gmifdjen ben rcgelmä§igen
SBahlgeiten^nicht gegeffen wirb; man höre mit i>em
Arbeiten auf, wenn man febr abgefpannt fühlt,
ruhe ficb eine halbe ©tunbe auS unb arbeite bann
mit erneuter Äraft weiter* 93erüdfid)tigung biefer
fünfte wirb bie förperlübe unb geiftige geiftungS*
fähißfeit wäbrenb einer Seihe oon fahren bebeu^
tenb oermehren.
Sht leichtes Mittel gegen Mottenfraß im $el|»
Wert, ©o zeitig man bie $clgfad)en im Stühiaht
entbehren fann, werben fieforgfältig auSgeflopft
unb auSgebürftet unb in $appfd)ad)teln gelegt;
bie Schachteln ftccft man bann in einen neuen, ein=
fachen Äiffenübergug; gro§e ^elgfragen unb 3Bän=
iel fann man in gröberen Uebermgen aufbewahten,
nur müffen bicfclben neu ober fo gut wie neu fein.
©aS ©eheimuifj ift biefeS: Sin $ang fleiiteS ffie^
genbeS 3nfeft ift oertnögenb in bie fleinften 8öcher
eingubringen, unb mub baber ber Uebergug feft unb
bid)t fein. 3$ hebe meine fCelgfacbett iebeS 3ahr
auf biefe SBeife auf, unb würbe fdwit gefragt, wie
ich fie fdmbe. SBollene ©adjen, bie ben ©ommer
hinburch nid)t gebraucht werben, fann man auf
äbnfidje 9Beife aufheben.
%tr Sinffitß eines großen Manne#. Sn einem
Sonntag, fo ergählt ein alter ©olbat oon Äentuc6>,
ber unter ©eneral 3adfon bei Sew Orleans
fochten, unb wohl wußte, waS für ein &elb ber
©eneral in feinen rüftigen Sagen gewefen, ging idb
in bte ©ermitage Äirche unb fah ben alteu greifen
©eneral bemüthig am Stltar nieberfnieen. ©aS
hl. 9lbenbmahl würbe gefeiert, ©er alte ©olbat
ftanb wie oom SBlife getroffen. Sach bem ©otteS=
bienftc bemerfte man ihn; er war fo in fich gefehrt
unb nachbenfeub, ba§ man ihn nach bem ©ninbe
fragte, ©eine Antwort lautete:
„911S td) ben Sfann fah, ber ©djlachten fchlug,
9lrmeen befiegte, Parteien unb ßabhietcn opponirte,
ohne gu wanfen; alS ich ihn auf feinen Änicen fah,
©ott angubeten in iener Kirche, ba faßte ich gu mtr
felber: 28enn ©eneral 3acffon ©ott ocrehrt, bann
fann ich euch faßen, ift eS hohe Beit, bafe ich auch
anfange."
93ter SBocben nachher fdjlofj er ftd) ber Äirche an,
unb lebte unb ftarb alS etn würbigeS SKüglieb.
Digitized by
Google
$onntagfd)ul=jektionra.
607
Sonntagfftul Rektionen.
Sonntag, bcn 4. Bov. l ©am» 12,13—25.
©amuel’« flbfdjiebStoorte.
1. 3*0: 1095 ». Gfcr.
2 . Ort: ©ilgal tut 3 orbantbat.
8. ^uiammntfHtiig: ©aul mar nach ber git Sföiapa
vod 30 genen £önig3mahl mieber in ba3 väterliche
©au3 nach ©ibea 311 feiner bisherigen länblichen
Befftäftigung aurücfgcfehrt. Da gab ihm ein (Sin-
fall beS 3(mmoniterfönipS BabaS @elegcn=
beit, feine Berufung 311 m fonigliftcn 3lmte burft
einen herrlichen ©ieg über bic ?jrciube 3 fraeft 311
bewähren. BabaS mar in baS Oftiorbanlanb ein-
gebrungen unb belagerte bie ©tabt 3 abeS in
©ileab. B?it unerhörter ©raufamfeit brohte er,
jebem Bewohner ber unglütfliften ©tabt baS rechte
3(uge aiftauftcftcn. 3n biefer Boft fanbtcn bie
jftbcfitcn Boten „in alte fflrensen StffraelS"
— alfo au ben einaelnen ©tdmmen, ein Beweis,
wie wenig fic noch von betn Könige entarteten —
um biefelben aur föilfc berbeiaurufeit. 31(3 bie Boten
ait ©aul tarnen, gerieft ber ©cift beS öerrn über
ibn. Durch bie ©tücfe eine3 aerfteiltcn fWinbcS,
melfte er in ade ©rensen 3frael3 fanbte, rief er baS
Bolf aum Kampfe auf. Balb batte er 330,000
ÜJiann um fiel) verfammelt, mit weiften er 3abe3
entfeßte unb baS öeer ber 3lmmoniter gänalich auf=
rieb, B2it einem 3(ft ber ©nabe gegen bie Scanner,
weifte ibn nach feiner Erwählung git Biiapa ver=
fpottet batten, fronte ber junge Zeitig bcn Sag fcU
nft erften ©iegeS. Durch biefcii guten Anfang
Sauft ermutbigt, verfammelte ©amuel baS Bolf
nach ©ilgal aur Beitätigung beS ÄönigtbumS.
Bei biefer Berfammlung hielt er eine ergreifenbe
fWebe, in welcher er fidnig unb Bolf aum ©cborfam
egen Slebovab ermähnte. Sin Xbeil biefer Stcbc
ilbet bcn ©egenftanb uitferer Scftion.
4. ©ort^ nnP Safte rflärung: ©amueft Bebe
auf ber BolfSverfammlung au ©ilgal mar in ge=
wiffem Sinne eine 3lbfftieb3rcbe. Bon nun an aog
er fift von ber regelmäßigen richterlichen 3lmt3=
tbätigfeit aurütf, um bie Sutfcbeibung ber Streitige
feiten im Bolf unb bic geitung ber öffentlichen 3lit=
gelegenbeiten im Einaelnen bem Könige au über*
taffen. 3113 eine förmliche Bieberlegung feinet 3lmte3
bürfen mir jeboft biefe föanblung nicht anfeben.
Sin B?ann mic Samuel fonnte unmöglicb in ^frael
leben, ohne in gemiffem Sinn immerfort fein Ber-
tretet vor ©ott unb ber Leiter feiner Slngelegenbeiten
au bleiben, ©o erfebeint er beim auch ferner noch
aft ber Bevollmächtigte ©otteS feinem Bolfe gegen=
über, befonberS bei ber Salbung DavibS unb bei
ber Bermerfung ©auft. — ©amuel ftebt am Sage
von ©ilgal auf bem &öbepunft feiner öffentlichen
SBirffamfeit. 3113 Brophet führt erfiönig unb
Bolf aufaminen vor ba3 3 lngefiftt be3 .frerrtt, unb
verpflichtet beibe au unverbrüchlichem ©cborfam
gegen ben ffiidcn ^ebovabS. 3113 Biftter fefet er
auf @otte3 Befehl ben geforberten Äönig ein, führt
feine unb be3 &ertn Safte gegen ba3 treuloje Bolf,
inbem er mit bemfelben rechtet unb e3 antlagt, läßt
in Donner unb SBetter bie Btaieftät unb ben Som
bc3 verfftmähten unfiebtbaren ÄöitigS ihm ent¬
gegentreten unb verhängt £>cil ober Bcrberbcn über
Äönig unb Bolf, je naft ihrem Berbalten au bcn
Srmabnungen unb Borfchriften, bie er ihnen aft
Bropbet gegeben. Snblift vcrfpricht er aft
ft er, be3 Bolfe3 ©afte bleibenb auf fürbittenbem
ßeraen au tragen.
5. 3nr Srflämng imV Srbammg:
a) SmeiSBege. B. 13—15. ©amuel bat bem
Bolfe, B. 1 — 12 , naftgemiefen, baß meber er bei
ber Bermaltung fcine3 9tiftteramte3, noch ber ©err
in ber bisherigen gübruna 3 fraeft ihm gcgrünbe=
ten 3lnlaß baau gegeben, bei bem Sinfad ber 3lm=
monitcr einen Völlig au verlangen, fftun, ba
habt ihr. 3Bit bem SBörtften „nnn u gebt ©a=
muel, B. 13, von ber Betrachtung ber Bergangen¬
beit auf bie ©egenmart über. Den ihrermäblet
habt. Daß ba3 Bolf ben ffönig „ermäblt" habe,
fann von ber Bcrfon be3 ©aul nicht gefagt wer¬
ben, fonbern nur von bem £önig überhaupt, von
ber monarftifften f)tegierung3form. ©aul aber
mürbe burcb’3 ßoo3 von bem^errn felbftaum
Völlig ?|fraeft beftimmt. Die3 mirb aiftbrüdflift
hervorgeboben in ben ^Borten: Der &err bat
einen fiönig über euch gefefet. SBar bie
gorberung bc3 BolfeS auft ein 3lft ber geinbfftaft
gegen ©ott, fo hat fic ©ott hoch erfüllt, bamitSfrael
Durch Srfabrung lerne, baß fein SBoWergcben nicht
von ber Sinfcfeung eine3 irbifften ÄtönigtbumS,
fonbern allein von ©otte3 ©egen unb Beiftanb ab-
hänge, ©o gemährt ber £err häufig unfere tböricfc
ten unb verfebrten Bitten, um unS burft fftmera^
lifte Erfahrungen aur Srrenntniß unfereS geblerS
au bringen. Sm Bcifpiel hierfür ift Betru3, ber
bei bem Sturm auf bem ©ee ©eneaaretb ben auf
bem ffiafier manbeinben Bieifter bat: ,,©err, bifi
bu e3, fo beiß mich au bir fommen auf bem SBaffer.^
63 mar eine vermeffene Bitte, geboren au3 beut
eigeniiebigen Berlangen, e3 ben anberen Jiünviern
auvorauthun, augleift a 6 er eine Bitte, in melfter fift
ein geioaltigerSlaube funb tbat. 3ln biefem @lau=
ben nagte ieboft ber 2Burm ber ©elbfierbebung,
baher fehlte ihm bie aiftbauernbe ftraft. ffaum ift
Bettu3 auf be3 ©errn (Scheiß aift bem ©ftiffe ge¬
treten, fo finbet er Urfafte, feine ©elbftüber-
b e b u n g au beflagen; beim beim 3lnbücf ber fturm=
gepeitfftten SBeden verläßt ihn ber Bhitb, unb er
fängt an au finfen. ^eßt erft ruft Betrift in tiefer
©eeienangft: „$err, hilf mir!" morauf ber.fterrihn
in feiner herablaffeitben, erbarmenben Siebe aift
bem 25edengrabc rettet. Betrift aber bat bie Seftion
gelernt, baß nur ber b em ü tb ige ©laube von ©ott
mit ©ieg gefrönt mirb.
B. 14.15: 3mei SBegc legt ©amuel nun bem
Bolfe vor. 3u überfeßeit ift: SBenn il)x nun
ben Jperrn fürftten merbet. . . . unb ihr
unb euer fiönig bem £>errn, eurem ©ott,
folgen merbet, -(ergänae etma: fo ftebt es
mobl); merbet ibv aber u. f. m. 3 n fftüftteit
Digitized by v^ooQie
608
Sotmtogfdiufefehttonen.
SDBovtcn evflärt Samuel Dem S3olfe, baß ihre SBohl*
fahrt von ihrem ©chorfam gegen ©ott abhänge.
©ott fchenft aüen benen, welche ihm in wahrer 9litf=
riebtigfeit bienen unb {einem SBorte gehordien, bie
©nabe ber SlitSbauer unb beS SSeharrenS in feiner
Nachfolge; bie Ungehorfamen bagegen ftürgcu fich
Jelbft inS Unglüd. 'Denn wer ©ott nidbt alS feinen
fiöitig anerfeniten will, bei* muh ihn bodj alS feinen
dichter anerfennen. SBir lernen alfo aue^ biefeit
Serien: 2Kit wem ber ©err ift, unb wem
er wiberftehet. Die Slntwort auf biefe ftrage
ift oaoon abhängig: 1) ob man beut Ferrit fta> gum
©igeitthum geweiht hat a) in wahrer ©otteS*
f tt rcf) t, b) in wahrem ©otteS b i ett ft, — ober nicht;
2) ob man gang unb gar betn SBillen beS Ferrit
gehorfant ift a) inbem man feinem SBorte ge*
iwrht unb b) feinen ©eboten nicht wiberftrebt —
ober nicht; unb 3) ob man mit feinem gangen
SB anbei bem ©errn bei feinen Rührungen folg*
fam ift, inbem man a) ben oon ihm gewiefeneu SBcg
einhält unb b) baS oon ihm gefteefte 3id int Singe
behalt — ober nicht. — ©3 giebt für beit SRenfchcn
fein grö§ere3 Unglüd, alS wenn bie ©aitb beS
iperrn wiber ihn ift. tiefer ©otteShanb, bie
ftch gttr Strafe nach bem Siutber auSftredt, fann
deiner entrinnen 053f. 139, 7—12).
b) DaS Brechen. SS. 16—19. ®. 16: $re*
tet nun her. Diefe SBorte weifen gurüd auf S3.
7, too Samuel mit betnfelbett SluSbrud baS 33olf
aufforbert, oor bem Ferrit mit ihm gu rech*
ten über alle SBohlthaten, bie ©ott ihnen unb
ihren S3äterit ergeigt habe. SBir haben alfo gleich*
S am eine SgeridjtSfcene oor unS, in welker Samuel
>ie Saclje ©otteS gegen fein abtrünniges SSolf führt.
3um 3eugni§ bafür, baß ©ott bem S3olfe gegen*
über im Rechte fei, oerweift er auf ein 3eichen,
baS ber ©err oor ihren91 ugen thun werbe.
®. 17: 3ft nicht jefet bie SBeigenernte?
Die SBeigenernte fällt in SMäftina in ben SRonat
2Ra i, eine Seit, in welcher (wie auch in ben fol*
genben üRonaten 3»ui unb 3uli) ©ewitter unb
Stegen gattg unerhörte ©rfcheinuitgeit finb. ©iit ®e*
Witter mit Donner unb Stegen oerfünbigt baher
Samuel bem SSolfe a(S ein ooit ©ott gegebenes
Seichen, an bem bie ^fraeliteit erfennen füllten, wie
Khmer fie fich burch bte JJorberung eines ffönigS an
©ott oerfüitbigt hätten.
®. 18: Slttf SamuelS ©ebet tritt baS angefün*
bigte 3eichen wirflich ein. 3n biefem außerorbent*
liehen ©reigniß fprach fich ©otteS SOtißfallen an fci=
nem SSolfe gang in betreiben SBeifc auS, wie Äap.
7,10 fein SKißfallen an ben Sßhiliftern, welche ber
©err gleichfalls auf SamttelS ©ebet burch ein @e*
Witter gefchredt hatte, bab fie oor 3faae( gefchlagen
worbeit waren. 3ugleich offenbarte btefeS 3cichen
bie Dhorheit beS sßolfeS, welches ooit einem Könige
mehr Schub unb ©ilfe erwartete, alS ooit ©ott unb
feinem Propheten. Ueber folche Äräfte, wie fie Sa*
muel burch feilt ©ebet in Bewegung fefete, foititte
thr&önig nicht oerfügcit. ©üblich liegt in biefem
3eicbcit Oie Slnbeutung, bab ©ott, wenngleich bie
Sage 3fraclS iefct fo glücflich tinb heiter fcheine, wie
baS SBetter in ber SBeigenernte, beitnodi, wenn eS
ihm gefalle, biefer heiteren 9tuhe plöplich ein ©nbe
machen unb ne mit Sturm unb Unglüd oerfolgeit
föttne.
®. 19: Die SBirfuitg beS oott Samuel erbetenen
SBunbergeichettS ift, bab baS SSolf oott grober
Surcht oor bent ©errn unb oor Samuel
ergriffen wirb. „SScr Samuel," weil er ihnen alS
baS SBerfgeug ber richterlichen 9Racht unb ©errlidj*
feit ihres himmlifchen ÄöttigS erfchieit. Ste befen*
neu ihre S ü üben, befonberS auch bie Sünbe,
eilten Äönig begehrt gu haben. SSielc SDten*
felgen finb nidit anbevS gur ©rfenntnib ihrer Sun*
beit gu bringen, alS burdi bie ©ewitterftüvme ber
Seiben unb beS UnglüdS. Sie fpradteit gu Sa*
muel: SMttc für bciite Unechte. 3efet er=
feinten fie, wie fehr fie beS SManneS noch bebürfen,
ben fie oor fiurgein erft tu ftväflicßer Unbanfbarfeit
hatten bet Seite fdüeben wollen. So werben ein*
mal SSiele, welche ©hriftum hier oerworfen haben,
wüitfchen, ba§ er fie oor ©ott oertreten unb ben
3orn beS Slllmächtipen oon ihnen wenben möchte
— wenn eS gtt fpät tft.
c) ®er Öehrer. SS. 20—25. Samuel fucht
nun baS gebentüthigte unb buhfertige SSolf in ber
Streue gegen ^chooah gu befeftiaen. ®er3uhalt
feiner fKebe erinnert att bie ^IbfchtebSrebeit 3ofuaS
(3of. 23. 24).
®. 20 mtb 21 enthalten ein breifadteS STOahn=
wort an baS bußfertige SSolf: 1) ©itt SBort ber
Erinnerung: w3hr habt baS Uebel
alles getban." Samuel ift weit baoon ent*
fernt, baS SSolf burch ©efcböiiigung ober Sntfchuh
bigung feiner Sünbe beruhigen uno in eine falfche
Sicherheit hineittreben gu wollen, wie baS wohl gu*
weilen oon fefiledtten Seclforgertt geschieht. 9?ein,
fte follen ihre Sünbe in ihrer gangen Schwere füh'
ieit; benn nur in gerfchlageiten ©ergen wächftber
rechte ©laube an bie oergebenbe Öiebe ©otteS.
2) ©in SBort ber ©ttabe: „gürd>tet euch
nid) t." ©otteS ©eiligfeit unb ©erechtigfeit fotl
ttnS nicht abfdjredeit, auf feine ©nabe Att hoffen.
3tt biefer ©Öffnung berechtigen uitS nicht nur bie
gabireichen ©nabettoerheifiunaen, welche ©ott im
51. unb S3unbe ben S3ußfertigen gegeben hat,
fonbern oor allem ber SSerföhnungStob ©briftt,
burch weld)en ©ott thatfäd)lich erflärt bat, ba§ er
nid)t wolle ben &ob beS SünberS, fonbern ba§ er
fi^h belehre unb lebe. 3) ©in SBort ber ©rmah*
nung gur Streue: „SBeichet ui^ht hinter
bem © e r r n ab" u. f. m., welches bie Sorbe*
rung, bem ©emt oon gangem ©ergen gu
bienen, unb bie SB a r n u n g o o r bem
©öfeenbienft („wei Ä et nicht bem ©iteln
nach") in fich fchiießt. ®ie ©öfeen werben alS
w© i t e 1 e" begeichnet, weil fie in fich felbft nichtig
finb, unb weber helfen noch erretten tonnen.
®. 22: Stuf bie Ermahnung folgt nun bie tröffe
lieheSSerftcherung: 3)er©err oerläfit fein
SS o l f n i ch t. 5)iefe SSerficberung wirb begrünbet
burd) ben ©inweiS auf bie Erwählung 3ftaelS.
®a ber ©en euch nach feiner freien ©nabe einmal
gu feinem-SSolfe erwählt hat („er hat an ge*
fangen" u. f. w.), fo bient nun eure Erhaltung
gur 33erherrlicbung feines SiamenS; ein ®e*
banfe, ber im 91. Steftamente häufig wieberfehrt,
g. SÖ. 5 3Rof. 7, 8; ©cf. 36, 21 ff.; 3ef. 43, 25.
®. 28: 9luch feine Fürbitte oerfpricht Samuel
bem bußfertigen S3olfc; unb gwar begeichnet er bie*
felbe-alS eine 53f liefet, burch bereu SSerfäumniß er
I fidi o e r f ü n 0 i g e n würbe. SS ift eine Unter*
i laffungSfünbe, nicht für baS SBohl beS ®olfcS
Digitized by v^ooQie
$ 0 nntagfd)ul=j*rhtionrn. 609
©otteb ,su beten. Sefonberb bürfen Seelforger eb
nicht unterlaßen, für bieieitigen $u beten, weldje
©ott ihrer Obhut aubertraut hat. DaS Volt hatte
Samuel nur für ben borliegenben lall um feine
ftürbitte gebeten, aber er bcrfpricht ihnen für fic 51 t
beten, jo lange er lebe. Oie llnterlaffuna ber ftftr=
bitte für bie ©rüber, ift eine Sünbe wiber ben
fterrn: 1 ) weil bie Seelen ber trüber fein Sigen=
thum finb; 2 ) weil beröerr bie Fürbitte fordert alb
Reichen unb ftrudft ber Siebe, bie aub feiner Vater-
hebe fließt, unb in welcher fidj bie ©?enfchen alb
feine Älinber bor ihm bewähren feilen; 3) weil ber
fterr unb in ber ©Gemeinfdjaft, in bie er unb gefefet
hat, befonbere Veranlaffungen unb Aufforberungen
sur Fürbitte aiebt.
®. 24: Samuel fchlieht feine 5Hebe mit einer
einbringlichen ©rmahnung sur Breite gegen ben
$errn. fürchtet ben .yerrn. V. 20 heiht eb:
„fürchtet euch niefit , u b. h. mit fnecbtifcher furcht;
hier: „fürchtet ben öerrn," nämlich mit ber
finblicfien ©hrfurdjt, weldie fiefi fefieut, beb Vaterb
©Gebot su übertreten, nicht blob aub Angft bor ber
Strafe, fonbern auch aub Siebe, bie ben geliebten
Vater nicht betrüben will. Die rechte ©ottebfurdft
offenbart ftcb im ©ehorjam, im treuen Oienfte
bon gansein ftersen. IllS ©eweggrunb
nennt Samuel bie (Erinnernnaen an bie groben
Dinge, welche ber föerr au ^ jrael aethan,
bie ©rwählung AbrahamS, bie ©rrettung ^fraelb
aub ©gppten, bie Offenbarung am Sinai, bie ©r-
oberung beb gelobten Saubeb u. f. w. ©inen noch
biel härteren Seweggrunb surn Dienfte ®otteb
haben wir; beim wab ©ott für unb aethan hat, ift
uuenblich mehr, als wab er für bab altteftament
liebe ©unbebbolf that. Die ©rlöfung ber IBelt
burd) ben lob ©hrifti, auf welche bie 5 Jrom*
tneu beb Eliten ©uitbcb im ©lauben hofften, ift nun
bollbracfit; bab ©Gröhefte, wab ©ott für bie 3ften-
fcheit thun tonnte, ift gefcheheu; wie füllten wir noch
Saubern, unb aub Daufbarfeit bem Dienfte beffen
Sit weihen, ber unb fo unaubfpredjlich aeliebt hat!
— „Dab that id) für bich, wab thtift bu für mid)?"
fdtrieb 3iusenborf eiuft im töaufe gottlofer Scute
unter ein ©rucifi^. Die Seutchen lafen nach feiner
Ilbreife bie weniaen IBorte, unb würben fo mächtig
boit benfelben ergriffen, bah fie fiefi su ©ott befehrten.
®. 25: Die ©rmahnung sur Irene gegen ben
.vberrn oerftärft Samuel nod) Durch bie Drohung:
'Iß erb et ihr aber übel h anbei n u.f.w. „©es
rechtigfeit erhöhet ein Volf; aber bie Sünbe ift ber
Scute Verberben." Diefeb IBort hat fiefi nicht nur
in ber ©efchidjte 3 ftaelb erfüllt, fonbern eb erfüllt
fiefi heute noch in ber ©efehiefite ber Reiche biefer
IBelt. „Die IBeltgefchichte ift bab — ober wenige
ftenb ein — IBeltgericht."
Sonntag, ben 11 . Itob. 1 Sam. 15,12—26.
€>auF$ Scrwerfung.
1. fteU: 1079 ». Shr.
2. Ort: ©ilgal im ^orbanthal.
3.3nfantttienlKtitQ: fftachbem Saul auf ber
Volfbberfammlung su ©ilgal allgemein alb öitig
anerfannt worben war, machte 3 frne( ben ernftlidjen
SBcrfucfir bab^och ber Vhilifter pänslid) ab,jurner^
fcn. Saulb IBaffen waren fiegrcidi, wo er fte fiin-
trug. I?icbt nur bie Vhilifter, auch bie ©bomiter
im Silben, bie Moabiter im Offen, felbft bie Smer
im Itorben (bie Könige bon Qobci) muhten fiefi
ftriebenbbebingungen bon ihm borfdweiben laßen
1 (Äap. 14). So lieh fid) in Saulb erffer 3eit alleb
bortrefflich an. Seiber aber bergaft er nur su halb
in herrifebem ©igenwillen feine theefratifefie Stels
lung. Sdwn bor bem Kriege mit ben SJSfiiliftern
hatte er fid) bermeffen, felbft su opfern, unb fchon
bamalb hatte Samuel ihm berfünbigt, bah auf
folche IBeife fein ffteich nidft beftchen fönne. Iiiin
füll er nach ©otteb ©ebot Amalef fdftagen unb
berbannen. Die Umalefiter, welche aufberftalbs
infei Sinai wohnten, hatten nämlich auf rauben
rifd)c IBeife bab 9Solf Ssfrael auf feinem 3uge burch
bie IBüfte angefallen (2 9D?of. 17,8—16). Unb ba-
malb fd)on hatte ber $err bie Vertilgung Ilmalcfb
bcfdftoffeu (2 2Kof. 17,14). 9Juu, ba bab D?ah fei=
11 er Sünben boll ift, feil Saul bab göttliräe Ver=
tilgungburtheil bollsiehen. ©r aber fchont aub
©itclfeit beb fiönigb Ilgag unb aub ©abfudit beb
beffen Viehb. IBar eb nun fchon sur 3eit fcofiiab
fo furchtbar eruft gerädff worben, bah ein ^fraelit
aub ber Ueute einer oerbannten Stabt etioab für
fiefi genommen hatte Qof. 7), um uüe oicl mehr
muhte bieb bei bem Könige ^ftaelb gefdiehen,
beffen Ungchorfam in entjdieibenben Ilugenblirfen
ben beb gausen Volfeb nach fiefi sieben unb ben oöl=
ligen Abfall borbereiten muhte! Daher bab eiter=
gifdie ©ingreifen Samuelb.
4. SBart= ttttH Söchcrflärung: Der gottlicfie Ve=
fehl, Ilmalef (wie früher bie fanaauitifeben Voller)
su berbannen, b. h. gänslich aubsnrotten, mag
hart unb graufam feftetnen; wir bürfen aber nicht
überfehen, bah biefe Ilnbrottung nid)tb anbeveb ift,
alb ein ©Gottesgericht wie bie Sünbfluth unb bie
Vernichtung Sobomb unb ©lomorrab, nur bah fi(h
©Gott bieemal nicht roher 9?aturfräfte, fonbern freier
Vcrfönlichfeiten, nämlich feineb Volfeb 3frael, sur
Ilubführung beb @erid)tb bebiente. — Die Ver=
fdwnung Ilgagb unb beb beffen Viehb war barum
ein fo gewaltiger Greuel, weil bab Verbannte alb
©otteb©igenthum galt. Die Verbannung felbft
war Demnach eine Ilrt Opfer, nur unterfchieb fie ftcfi
non bem eigentlichen Opfer baburd), bah fic feine
finnbilblid) ftellbertretenbe Vebeutung hatte.
5. 3nr ©rflämug imb ©rböiumg:
a) ©erechter Dabei. V. 12 —19. ®. 12:
Samuel madUe f 1 rf' frühe auf, nad)bem er
bie Itacht borher in tiefer Vefümmcrnih um Saut
unb im ©ebet für ihn unb für fein Volt sugebradft
hatte — bah er Saul begegnete, welcher
eben mit feinem $eere bon bem Ilmalefiterfriege
heimfehrte. $ a r m e l, ber Ort, wo Samuel ben
Aufenthalt Saulb erfuhr, ift nicht bab Vorgebirge
ftarmel^ fonbern ein fleineb Stäbtdien in 3uba,
etioa 3Stunben füblicfi bon.frebron gelegen, ©egen*
wärtig heiht baffelbe „Äturmul^. .^ier hatte fiefi
Saul, ftatt über feine Sünbe Vuhc su thun, ein
Siege b seichen (naefi bem ©Grunbtert „eine
ßanb") aufgerichtet. Dah ber Iluobrucf „.^oanb"
im ©ebräifdien sur ©eseidmung eineo Dconumentb
gebraucht uürb, erflärt fich wohl baraub, bah bab
©{onument bie ©eftimmung hat, wie mit auf-
Digitized by v^ooQie
610
SonntögfdjuM’flttumrii.
Behobener ©aut) auf ein be ft i muttes Greiflttih hinzm
metfeu. 93ou karinel mar Saul u>citer nach © i l-
flal ßezoßcn. ©ier traf ihn Samuel.
93. 13. 9ln beutjelbeii Orte/ mo er bie feierliche
93 er pf l i ch t u n ß Saul’S mit* bcS 93olfe3 zum um
bebiiiftteu ©ehorjam (kap. 12) aeßeu beit ©errn
oorßenominen hatte, oollzieht biefer iefet bas ®e-
ttcb t über Saul meßeit feinet UttßehorfamS. 9Jacb
allem, mas bisher zmtjdjeu Samuel uuD Saul oor=
fleftaitfleu mar (kap. 13 — 15 , l), muhte fdnm Sa=
muel’3 blohe ©rfdjeinunfl für Saul eine 2luflaße uitb
©emiffenSiitabnuitfl fein. 3it bem23emuhtfeinfeiner
Sdjttlb, bie er aber nicht bcfeitnen, uitb über bie er
ficb mit allerlei kauften ber Heuchelei unb ber 9üße
felbft täufeben unb biitmeßjefeeii miü, nimmt er ftlcicl)
Pott oornheretn Samuel fleftcnüber bie ^JJofition ber
Sertbeibifliinft ein, inbein er 1. bem Samuel mit
erjuninftener ffreunblkbtcit in bem ©ruhmort: ®e-
feflitet feilt bu u. f. m. nicht blos eutßCßen-,
fouberu guporfomint, 2. fofort bie 23erfid)evunfl bim
gufüftt: y ch h a b e b e 3 © e r r n 28 o r t erfüllt.
Oamit jaftt er eiitcrfeitS bie 'JBahrhcit, beim er hat
bie 9)2acbt ber Jtmalefiter ßebrocbeit, anbrerfeits aber
eine 8üße, beim er hat bie Don ©ott ßebotene 93er^
bannunft Slutalefs nicht auSßejübrt. — fRiemaub
prahlt fo Diel mit feiner ©cilißfeit a 16 berienifle,
melcber berfelben ermatißelt (9uf. 18 , 11. 12).
93.14. Saul mtrb lüften fteftraft burd) bie
Stimme ber 0 hiere, bie er fteflen ©otteS
©ebot oerjdmut hat. x )n ber ftraße Samuel’S:
93 a £ i ft b c u n b a s f ii r e i n 9316 cf e n u. f. n>.
ließt eine heilifle, oernuhtenbe Tronic. — 23iele
brüften fiel) mit ihrem ©ehorfain ßeaen ©ott; aber
ihre 28erfe, ihre ftleifcbcsluft, ihre äöeltliebe, ihre
Seibenfcbaftlidrfcit, ihre 3ieblofiftfcit unb ihre ftroben
9>flichtuerfdumuiffe leßcn ^euflitifj mtber fie ab unb
Strafen fie Öiißett.
93. 15. Saul Schreitet fort in ber Cüße unb ©eu--
rhelei unb fucht and) ie($t noch fid) zu rechtfertiftcn,
inbein er 1. bie flanke Schn Ib ber 93erfchoitimfl
beo 93tebes auf bas 9?olf fchiebt — maä nach
93 . 9 eine ßrobe^üaemar — unb 2 . bicUcbertretuiifl
bc3 ftöttlidien ©ebots zu bchboitißen jucht bureb ben
23ormanb, ba3 93olf habe bie beften Schafe
uttb 9huber perfchon t, um b iefeiben bem
©errn zu opfern. Oieä mar offenbar eine beudj=
lerijehe Gntjdmlbißuiiß; benn poh bem Oattfopfer
öeiu'B bas 93olf einen bebeutenben Slntbeit, ia eS
beftaub btejes Opfer ipohl nur in einem Schlade
teil an heilißcr Stätte (kap. 14 , 33 ff.), fo bah bie
Müdficbt auf ben Ferrit uitb feine Gbre in biefem
Salle {ebenfalls eine 92ebcnjache mar. UeberbicS
toirb bie 93erjcbomutß 9lßa{j’$, bie ßcmih in erfter
ßiitie bem Saul felbft zur Öafi fiel, pou biefem 9>or=
maiib ßar nicht berührt, ba 3)cenfdjenOpfer im ©e-
fefe perboten mären.
93. 16. 17. Oer lüftiierifchen uub heuchlerifchen
Ütebc Saul’s (teilt Samuel feierlich unb fchneibifl
entflCften, mas ber ©er r zu ihm in ber SRacbt ße-
rebet hat. Unb nun folflt bie ßeipaltiße, nieber-
fchmetternbe :)iebe, in melcher Samuel in ber äRacbt
leiner ßöttlichen Seubuiiß beut heuchlerifdien kbniß
bie i)37a^fc oom ©efichte reiht uub ihm feine Sdnilb
tu ihrer ßatizett ©rohe por 9lußen (teilt. Biterft er¬
innert er ihn an feine Grbebuiiß aus ber ^iebrißfeit
zur 23ürbe beS könißtbums. Oie 98orte: O a b u
fleht mar ft p o r b eine u 91 uß eit, erinnern an
©auPS eißeite 2Borte kap. 9, 21. Samuel bezeiefc
net hier inbireft ben ©odimutb feines ^erjen§
aloben tieffteit ©runb feiner 9lbfehr Don bemßevrn.
O e r & c rr f a l b t e b i ch. Oie ©rbobuiiß Saul*6
mar ein ©uabenatt ©ottes, ber ben Jpoffärtißeit
miberftehet unb es ben Oemüthißen ßelitiaeu Iaht,
^e fleiner mir finb in linieren 9liißen, um fo ßrbher
finb U'ir in ben Slußett ©ottes. Oer Slpoftel 9ßau'
Ins, ber Don ft<h faßte: ,,3d) hin ber ©eriitßfie unter
ben 9lpofteln, al^ ber id) nicht merth hin, bah ich ein
Slpoftel beiße" (lffor. 15,10), mürbe pon ©ottsum
©rünber ber christlichen ftirche unter ben ©eiben
auserjehen.
93. 18. 92itn Permeift Samuel beitköniß auf
bie hefttmmte ßottlidie ^iffton, mekhe ihm tu 93e=
treff ber 9lmalefiter aufßetvaßen morbeit ipar. Oie
S ü itb c r, bie 91 ma 1 e(i ter. 3n biefen SBorten
mirb ber ©runb anßeaehen, marutn bie ^malelitcr
Pertilßt merbeit feilten.
93. 19. Oie ^raße: SBarttm haft bu nid)t
ßehorcht u. f. m., enthält bie ftird)thar ernfte9lm
flöße: Ou hi|t bem ausbrüdlidien ©ehote ©otteS
uiißchorfam ßemefen. Oiefer Uiißehorfaut mar bop^
pclt ftrafhar, ba Saul, ben ©ott aus feiner 9iiebria-
fett auf ben konißSthron erhöhen hatte,suberSünbe
beh UnßehorjamS nod) bie ber Unbanfharfeit
hinjufüßte. Oie folßenbeit SBorte: O u h a ft b i ch
um Sftauhe ßemanbt u. f. m. bezeichnen
aS Verhalten Saul’S als ein auS ©ahßier herpor=
aeßaußcneS. Saul hatte ben firieft ßeßeit 9lmalef
tm 9luftraße ©otteS ßeführt, aher ßleidizeitift batte
er and) feinen eißenett 93ortheil im Äuße unb felbft'
fücbtiße 9iüdfid)ten perhinberten ihn an ber ftemiffen-
haften püllfommenen SrffittunftfeinerSKiffion. 9Bie
lei^t ßefchieht e3 auch heute noch, bah fid) bei unfe^
rem 93irfeit für ben ©errit felbftfüd)tiße 93emeß'
ßrünbe eitifcblcid)cu, unb mir im Oienftc ©otteö
mehr unS felbft unb unfereGhre alS ben ©errn unb
bie ßhre fciiteS 92amcuS fud)cn. OaS ift ein üfaub
an bem ©errn. Oarum prüfe ein Seber nicht nur
ben SBcrtb feiner ©anbluitßcn, fonoern oor allem
and) beit ber 93cmeßflrünbe, meld)e ihn bei feinen
©atibluitßen leiten! Oentt ber ©err fiehet ba§
©erg an.
b) Sd)l echte Gntfchulbißimß. ®. 20.
21. Sani oerftodt fich nod) meiter 1. in triiaeriftber
Selbftrcchtfcrtißmtß, inbein er bie ihm zur Öaft fte=
leßte Schulb entfchiebcit leitßuet unb behauptet: er
habe bie ihm ßemorbene SOHffiott ausße=
rid)tet, 3euße betßefanßen herßebradttc
9lßaa (beit er aber nad) bem aöttlicbcu 93efchl
ßleid)fatls hätte perbannen folleii) uitb bas per-
niditete 9(ma le t i tero ol f (93.21); 2.tu heud>=
lerifcher Gntfcbitlbißintß, ttämlid) ber ^ßicberhcluitß
bcS 9?ortpanbS, bah bas 93olf bas perfcboitte 93ich
bem ©errn habe zum O pter briitßen moüett (23.
22). Oies fonnte an fid)alS ein frotnmc§23crf)altcu
erfebeinen; aber ber ©err hatte auberS aeboteit, uur>
nicht, maS un§ ßiitbünft, fottberu maS®ott Don uns
haben null, Sollen mir tbun. Saul macht mit feiner
Gntfcbulbißuuß feine Srnbe immer fcblimtuer. ©r
fußt zu feiner erften Süttbe noch neue Sünbett hinzu.
Gr miberfpridjt bem Propheten, er leitßnet, bah er
tiitßchorfant ßemefen, er oerfleinert bie Scbttlb uub
ipälzt fie Pott ftib auf baS 9Jolf; erbraudtt ben Oieitft
©ottes zum 93ormanb ber Gntfcbulbianitß alö ein
jdtnbbcr ©eucbler, ber felbft »or ©otteS Slümiffenhcit
Dptteed by
Coogle^
SonniagfdjuU^fhttoitrn.
611
feinen ffiefpeft hat. — 2Bte oerfchlagett ift bie per-
berbte mcnfdtlicbe Statur in ihrer beudtlerifdteit
©elbftrechtfertigung. S3 ift ein «treuliches Hafter,
wenn 3emanb feinen ©etA, Ungehorfattt unb anbere
©ünben mit bev Steligioiivanbacht befdtcmgeti will.
c) Göttliche Verwerfn ng. 9?. 22. 23.
®. 22. ©amtiere Antwort reiht alle Stillen ttieber,
mitbenen ©aul bemüht mar, feine©üttbe tu beeten.
SB eine ft bu, ba ft (Mot t ® ef a l len haben, f.
w. (Sin erhabenes ©rophetenmort, welches barauf
hinweift, bah aller Opferbienft finit bi Iblich auf ein
©öhereS, ®eiftlidte£ hinbeutete tmb in fich ielbft fei=
nen SBerth hatte. Da, wo ber ©err © e h o r f a nt
forbert/ fann man ihm nicht mit Opfern bienen, mtb
baniit feine ftorbcruug umgehen, Autnal ba bic ©e=
beutung bes Opfert (befottberS bes ©ranbcpfereO
bie oölltge ©ingabe bc3 SBcnfdten tum ©chorfam
gegen ©ott ift. Sleuhere Opfer, bei welchen bie ©e-
ftnnung bemüthigen ©ehorfamS unb (iebenbev.Ein¬
gebung fehlt, ftttb baher bem ©errn ein ©Vettel. Da=
mit ift ©attl’3 Verfucb, feinen unb be$ Volfe$ litt-
gehorfam mit bem Bwed beS Opfert tu entfdmlbigen,
gerichtet. ©ehorfaiit ift beffer, beim Opfer.
Jfu bem Opfer bringt berSBenfcb nur feine ©abe
unb weiht fie ®ott mm (Sigenthum, im ®ehorfam
bringt er feinen eigenen SBillen unb bamit ficb felbft
— unb ba£ ift mehr.
».23. U n g e h o r f a m ift e i n e 3 « u ber e i=
f ü n b e, ttadt bem ©runbtext: „SBahrfagerei." SBie
in ber SBahrfagerei unb int ®6feenbicltft
ber lebeitbige Wott oerletignet nnb oerworfen wirb,
fo ift auch bieSBibcrfpenftigfeit unb bie Änffehmtitg
wiber ben SBillen unb ba3 ©ebot be3 ©errn, alfo ber
U n g e h or f a nt, eine 9lbfehr pon bem ©errn unb
eine Verwerfung be$ ©errn. Darum folgt nun
ba§ göttliche 9>ermerfung3urtbeil: SBeil bu beS
errn SBort perworfen ha ft, tt. f. w. Der
err haitbelt nach bem ©efefe ber SBieberoergelttntg:
wiflft bu ®ott nicht, f o ! a tt tt a u <h er b i <h n i dt t
a 1 8 Kön i g anerfettneu. Die Verwerfung
© a tt T ä ift hiermit auögefprodteit. $lber bie Vcl^
Ziehung biefe3 llvtheihS gefeftieht auf bewunberintg§-
würbige SBeiie gant alliuählidt burch ben ®ang ber
©egebeuheiten, ittbent ©aul Schritt für Schritt
weiter povfcbreitct in fein Verberhett hinein.— ©ott
perwirft fBietnanb, er werbe benn 3 UPor pon ihm
perworfett.
d) 9iufclofe Mene. V. 24—26. ».24. Da
f p r a ch © a u (: ch h a h e g e f tt tt b i g t. Da3 I
ernfte gewaltige SBort ©antners hat nun hoch ($in=
bruef auf Sani gemacht, unb bie 9lngft por bev an-
gefünbigteu, göttlidten Verwerfung preht ihm ein
© ü tt b e n h e f c tt tt t tt i ft ati8. Slber eitt ©uhbe-
fett u tu ift unter ben ©dtlägett beS burch bie begangene j
©üttbe oeruriachten Uebel$ uttb ber baritt erlittenen I
Strafe ift häufig feilt 9(u$brud wahrer ©erAensbuhe. |
Sludt bei ©aul nidtt; bentt obwohl er nun befennt,
bah erbeö©ernt©efehl u tt b ©a m tief 3
SB o v t e ü b e r g a tt g e n h a b e, jeigt hoch fein bi§= j
höriges unb ferneres Verhalten, bau er mehr unter
bem (Sinbrucf be3 göttlichen VerwerfungSurtheils
nnb ber gewaltigen Verfönlicbfeit ©amucl’s fielt be-
müthigte unb feine ©üttbe befantttc, als aus wirt¬
lichem ©chmer.3 über feine ©üttbe. Die SBorte:
D eitn i ch fürchtete baä V olf u. f. w. zeigen
uit$ ben © ett ch I e r, beut bie Shre uttb ®tinft ber
Sßeitfcben lieber ift als bie ©nabe ©ottcä. ?ludt
liegt in bettfelben bei aflem ©efenntnih ber füttb-
haften 9lbhängigfeit oon SBeitfdteit hoch unoerfenn=
bar wicber bie 9lbfidtt, mit ber ©inmeifung auf ba$
Volt feine ©dwlb au ntilbertt.
».25. Uttb tttt tt perg icb mir bie © ü ttbe.
92icht fofort an ® ott menbet er fuhmitbiefer SMtte,
fottbern an © a nt tt e I. Ss ift ihm Per allem barttm
31 t tbuii, ©amtiere SBohlwollen unb ©eifall wieber
m gewinnen. fSaft fdteint es, al$ ob er fich Per
©amttel mehr fürchtete al§ porÖott felbft; unb
allerbittgs war ein offener ©rtidt mit ©amttel für
feine ©telluitg im Volfe hödtft gef ähr lieft (vgl.
V. 30). ©amuel fonnte ©aul bie ©üttbe uidttper-
geben, fonbern nur für ihn m ®ott um Vergebung
beten. Unb ba^ hätte er gewift gethait, wenn©aul’s
Vuhe aufrichtig gewefett wäre. DieS toar aber nidtt
ber SaH; barunt fdteint Samuel fich pon ©aul ab-
gewanbt m haben, ©ieratif bezieht fich bie Vitte
©atil’^: fiehre um mit mir u. i. w. Vefennt-
nift, erneute Cmtfchulbigung, fWuf unt Vergebung,
Vitte unt ©amuel^ Vleibett, (Srfläruttg sit ®ott
treten au motten, ba3 a(Ie§ folgt fdmell hinter eitt=
anber in ängftlicher ©aft. ©aul wirb pott feinem
®ewiffen gefdtlagen, aber fein ©er* ift nidtt ^er-
fchlagen. Sr giebt bodt nid't ©ott bie Shre.
®. 26. Darum weift ©amttel feine ©itte für*
uttb beftimmt ab unb wieberho It ba8 gött=
liehe VerwerfungSurtheil noch einmal,
©ättc ©aul wahre ©uhe gethatt, fo hätte erVer=
gebuttg erlangt, fo getpifi wie Daoib, bem ber ©err,
obwohl er noch fchwerev gefünbi^t hatte al§ ©attl,
bettttodt auf feine buhfertige ©ttte (ogl. Vf. 51)
alle feine ©üttbett pergeben hat. fMberSaul’gVuhe
war nidtt aufrichtig; beim er war nidtt barüber be=
fümmert, bah er ©ott oerunebrt hatte, fottbern nur
barüber, bah er baS Königreich oerlierett fottte.
Sonntag, 18. 9?op. 1 ©am. 16,1—19*
Salbung.
1. Ärit: 1065 t>. (Jbr.
2. Crt: ©ethl ehern (b. i. ©robbanS) tm
Stamme ^uba.
8. Sufammetthattg: Obwohl Awifdtett ben in ber
porigen ?eftion erzählten Sreigttiffen unb ber @al=
biing Dapib’s 14 J[ahre oerfloffen fittb, wirb un8
bodt über biefett Beitraum nichts beridttet. ©aul
hat aufgehört, ber Srtpählte be$ ©errtt au fein; feine
©efdtidtte gewinnt baher erft Pott ba an wieber heiI8=
gefdtichtlidte^ 3nteteffe, wo er in ©eaiehung 311 Da=
oib tritt.
4. SBort* unb ©achcrflämug. 1. Die Dinge be$
Reiches ©ottes gehen ttadt höheren göttlidien $ath=
fchlüffett unaufhaltfam ihren ©ang fort, wenn and)
men>chlidte ©üttbe, fammt bem über ftc fontmettbeti
©ericht, wie hier bei ©aul, ben ©lättett ber göttlidten
Sßeisheit in ben SBcg 31 t treten fcheint. gerabe
burch menfdlidtc ©üttbe unb Dborhett empfängt bie
©cfdticbte be^S Veidtes ©otte6 häufig unter ber £ei=
tung ber göttlidten Vorfehuttg neue Bmpulfe au
höherer Sntwicfelung. 2. Die f i tt tt b i l b l i ch e
© a l btt ttg wttrbe fowohl an leblofen ©egen*
ftänbeit porgettoinnteit, a. ©. Deitffteinett (1 3Bof.
Digitized by v^ooQie
612
Sotinto 9 fd?uU|fktioiteit<
28 , 18 ; 31 , 13 ), befonber3 and) am ©eiligthutn, bet
@tift3hütte, ©unbeölabe, bem Sdiatibrottifcb, bent
Seuchter, Raucbaltar u. j. m. f al3 auch an iß e r -1
f o n e u. Unter bicfett mürben gefalbt ber © ohe*
priefter unb bie ©riefter, fobanit bie =
pbeteit (menigftenä nad) 1 Hon. 19 , 16 ) unbenblich
bie Hönige. Die gälle, mo bie Salbung ton
Hötttgen ermähnt mivb, taffen oermuthen, bajj bie*
felbe nur oorgenommett zu merben pflegte, bei ©e*
ginn einer neuen ©errfdierfamilic, ober unter Um*
Ränben, mo ba3 Recht ber Jhronbefteiguug leicht
tonnte ftreitifl gemadit merben (1 Hött. 1 , 34 ; 2 Hon.
11 , 12 ; 23 , 30 ). 2Bie ba3 altteftamentlidie Honig*
tburn, ©obepriefterthmn unb Prophetentburn feine
tottfommene Grfüflung erft in Ghrifto gefunben bat,
fo bat aud) ba3 ©iitnbilb ber Salbung feine
pollfommeue Grfülluug erft in ihm befommen, bem
ber bei!. ©eift Perlieben mar nicht nach bem iDiaft
(ißf. 45 , 8; ©?attb. 3 , 16 ). Sofern bie ®laubigen
beffelbett ©eifte3 tbeilhaftig ftnb, merben auch fie
©ejalbte be3 ©crrit ober ein fönigltd)e3 ißriefter-
tbum genannt (1 ©etri 2, 9; Offcnb. 1, 5 u. 6).
5. Hnt GrNäruug unb Erbauung:
a) De3 ©ertn Stuftrap. ©.1 — 3. ®. 1:
SBie lange t r d fl ft bu 8etb u.f.m. Der gött*
Iid)e ©ormtrrf behebt fich barauf, baß ©amuel bei
feinem fortbauernben Schmer* über ben immerhin
beflagen3mertben Buftanb Sattl3 ftcb nicht fofort
mit feinen ©ebanfett in bie Rathfcblüffe Sottet Rn*
bet. Daher macht ber ©err ihn iefet burdj bie
üßorte: ben ich termorfen habe, barauf auf«
merffain, baß er Saul ein für allemal aufgegeben
unb an feiner Statt fich einen anbeven .Honig für
fein ©olf au3erfcbett habe. Samuel erhalt nun
ben ©efebl, biefeit Honig zu falben. 3fai beißt:
ber ©elbftftäubige. Die SB orte: gebe bin u.f.m.
fefeeu eine genaue ©cfanntjdiaft Saimtcl3 mit 3 f a i
unb feinem ©attfe ooratt3. Daß bic Familie 3fai’3
eine begüterte mar, ift nach ©. 10 unzweifelhaft.
Daß in ibr eine mabre ©ottc3furcbt unb grömtnig*
feit berrfdjte, erhellt att3 Dem ©erfebr Satnttel3 mit
ihr unb au3 ber Dpferfeter, bie er in bem ©attfe
peranftattete.
®. 2. 3: SBie bisher bie Trauer um Saul ba3
©emütb Santtieß einnabm, fo iefet bie gurebt
oor ihm. SBie foll ich bingeben? Saul
wirb’3 erfahren u.f.m. Dicfe3 ©cbeitleit be¬
ruht naturgemäß barauf, baß Saul troßbc3gött*
üd)en ©ermevfung3urtbetl3 noch ber reditmäßige
Honig 3f*ael3 mar, ©amuel alfo bttrd) bie Sal¬
bung eiltet Slnberen jum Hönige bem Saul al3
Gtttpörer unb ©errätber erfcbeineit mußte, auch mettn
er fid) zur Rechtfertigung auf ben göttlidien ©cfehl
berief. Die gurd)t ©amticlS mirb baburch
befeitigt, baß ber ©err ihm beftimmt angiebt,
ma3 er zu thun habe, um bie Salbung Daoibä oor
Saul perborgen zu halten. Samuel foll nämlich
im ©aufe 3fai*3 jum Swecfe eiltet Dpferfefte3
erfibeinen. Ohne 3u'eitel gefchah e3 nicht feiten,
baß Samuel auf feinen Reifen nicht nur au ben
beftimmten heiligen Orlen ©ctbel, ©ilgal unb
$)?ima, fonberit auch fonft öffentliche ©otte3bienfte
ober Opferfefte Peranftaltcte, fo baß für 3fai fein
(vvfeheineu in Bethlehem zu biefem 3mecfe tiid)t3
Sluffa(teiibe3 hatte. ©ott ber Uebertragung be3
Höuigthum3 an Daotb follte er oor ber ©aitb noch
nid)t3 ermähnen. — Sluch nicht ein Schein ooit Un= I
mabrheit ruht auf bem SBorte; 3d) bin gefom*
men u.f.m. 2Bie ©au!3 Salbung ( 10 , 16 ) per*
fdnoiegen blieb, fo follte aud) Daoib3 Salbung
nach bem heiligen SBUlen ®otte3 noch ein ©eheiut-
uiß bleiben, ©amuel follte biefeS ©ebeimniß be?
mähren. Die SSerbergung befleißen hinter bem
Opferaft mar feine ^üge. — ©3 ift ein großer Unter*
fchieb *ioifAen einer Unmabrheit, ba man fagt, ma3
falfch ift, unb einer SSerfchmiegenbeit, meun mau
bamit, ma3 Slnberen au miffen nicht nötbig ift, oor*
Rcbtig au Reh bält(Hap. 10 , 15 . 16 ). ©ätte ©a*
muel bie Salbung Daoib3 *um Honig über 3frael
bRentlid) ooll*ogen, fo hätte er bamit unfehlbar
einen IMngevfrieg heroorgerufen. Gin folcher lag
aber nidit in ber SlbRcht ®otte3. Daher mußte bie
Salbung Daoib3 ober menigften3 bie ©ebeutung
biefer Salbung geheim gehalten merben.
b) De3 ©errn SBahl. ©.4 — 12. ®. 4:
©amuel tbat u.f.m. ©or bem ftriften ©ehor-
am, ber fich unter ben SBilleu be3 ©errn beugte f
chmanb bie trübe fflcmüth3ftimmung, bie in ©ot*
tc3 2Sege fid) nidit Rüben fonnte. Da e ntfefeten
fid) bie Sic Heften. 2öenu ©amuel aud) nicht
mehr ba3 Riditcramt fbrmlid) befleibete, fo erfthien
er hoch nod) in ähulidier SBeife mie früher, mo er
riditenb ba3 Canb burd)*og, hie unb ba, um unoer*
muthet ©iRtation *u halten unb fein ©Bächteramt
al3 ©ropbet *u üben. Sormiegenb mar e3 ihm ba*
bei um ernfte Rüge unb Slbftellung bcö ©bfen, ba3
er fanb, *u thun. hierauf beucht fid) ba3 er*
fchrodene ©ebahren ber Slelteften unb bic ängftliche
grage: 3R’3 griebe, baß bu foinmft?
®. 5: Samuel beruhigt bie Slelteften, inbem er
bic ©evanftaltung einer Opferfeier al3 ben .3mcd
feinet Hommen3 angiebt, unb Auglcich bie Slelteften
unb ba3 ©elf ooit ©cthlebem aufforbert, fich $u
heiligen— burch SBafchungen unb Slnlegung rei¬
ner fileiber, moburch finnbilblid) bie Reinigung ber
Seele für ben ©erfebr mit ©ott bezeichnet mürbe
(2 SS^of. 19, 10. 22) — unt an ber Opferfeier theil*
nehmen *u fbnncn. 3 f a i aber unb feine
Sohne heiligte er felbft, b. h. er er*
mahnte fie befonbev3, fiel) zu heiligen, unb Itib fie
ein, bie Opfermahlzcit mit ihm zu ge*
n i e ß e tt. 3RR unb feine Söhne maren e$ ia por*
ttehmlich, bencn ba3 Öpferfeft galt.
®. 6. 7; S118 nun bie Söhne 3fai’3 zur Opfer-
mahlzcit tarnen, f a h e Samuel ben G l i a b
an, unb gebaute, er rnödjtc ber ®efalbte
be3 $errn fein. Der$err aber belehrt ihn in
feinem 3unent burch ben h. ©eift über ein 3 m e U
f a di e 3: 1) baß er fich nicht burch ben Ginbrud ber
imponirenben äußeren Grfcbeimmg GUab3 beftint*
men laffen bitrfe; unb zumr barum nidit, meil ber
,^crr 2) nicht nach ber SRcnfdicu ©Jeifc urtheilt.
Denn ein 90? e n f ch f i e h e t, m a 3 por
Sl tt g e n i ft tt. f. m. 3u tiefen SBovten liegt eine
leifeSlnfpichtng auf Saul; beim ma3 ihn bcut©olfc
befonber3 etnpfahlr mar eben feine äußere GHftalt
(9, 2). ©ott urtheilt anber3. Rieht bie äußere Gt*
, fdieimmg, fonberti ber im 3nnern bc3 SMenfdicn,
I im ö erzen, oerborgene ®ath, bie fromme ®c*
fiintuitg ift’3, ma3 ben Slu3fchlag giebt bei bem,
ber ©erzen unbRierett prüft. SGollett mir bie Ifcen*
fchett redit bcurtheilen, fo muffen aud) mir mehr unb
mehr lernen, fie nidit nad) bem Slnfehen, fonbern
I nach ber ©efchaffenheit ihrer ©erzen zu tagten. —
-Bigitized by-"
Google
$onntagfdjul=#fhtionen.
613
®iebt bab ©era beit ^lu^fcfelag bet (Sott, jo titug eb
tntfere erfte Sorge fein, bafe bte Scfdtaffenbeit unfe=
reb ©eraenb eine gottgefällige fei. teilte folche ©et=
aenböefdmffenheit fettnen wir unb aber nicht felbft
geben; fie muff erbeten jein.
8. 8—10: T a vic f 3fai ben Mb in abab.
©iecuach jebeint Samuel beut 3fat niitgetbeilt au
haben, bah er oon ®ott beauftragt fei, einen feiner
©ohne gti ja Iben, worattb ieboeb uid)t aefdfioffen
werben barf, ba§ er ihn auch über bie Sebeutuitg
biejer Salbung unterrichtet habe, wab iebenfaüb
nicht ber galt mar. 2Bie bei teliab, fo erhält Sa= ,
muel auch bei M b i n a b a b unb © a m nt a tinb
be* übrigen oier trübem T a o t b b, tuelche i
3iai ber jfteihe nach a tt ihm t>orübergeben
lagt, eine abjchlägige Antwort oon bem Ferrit.
9?ad)bem auch ber fiebeute oorübergegaitgeit,
Jpricbt ©arniiel au 3fai: Ter ©err hat berev t
feinen erwählet. Tiefeb ffiort, melcheb fidt
ia auch auf eine ßrtuäblung autn prophetischen >>\e= i
rufe beziehen fonnte, war in biejer Unbestimmtheit
ein fHäthjel, beffeit Söjung bem 3fai erft aub ber
nadtfolgenben ©efebuhte feineb iütigften Sohueb fid)
ergeben feilte. — ©ott weifi bie ©eCmlb ber ©lau- I
bigen oft lange au prüfen au ihrem heften, ba§ er j
fie in ihrem ©lauben befefttge.
.8.11: te ö i ft n o ch übrig ber f l e i tt ft e. I
• SJach ber gewöhnlichen 'Mitnahme toar T a o i b I
M : ber ©eltebtc) bamalb etwa 20 3ahre alt. j
tet berSdtafc. OffenbarbadtteiMaigar j
nicht baran, bah Tavib ber oom ©errn tevmäblte
fein fonnte, unb lieh ihn baher bei beit Schafen au=
rüd, toährenb er jelbft mit feinen übrigen Söhnen i
ficb m Samuel begab. Mber eben babuvd) würbe
unter ber Seituiig ber göttlichen SSorfehung offeu=
bar, bah bie terwäblunq Taoibb nidtt Samuelb
ober 3iai’$, jottberit ©otteb 2Bcrf jei. Samuel
beiht nun beit 3fai, feinen ^üngften herbeirufeu,
inbem er erflärt: wir werben unb u id)t fegen,
nämlich aum Opfermahl, bib erhieherfomme.
8.12: ßr war bräunlich, nach bem ©ruitb-
tejt: rötblich. Ter Mubbrua ift ohne 3weifel
nicht oon ber ©aut, fonberit oon ber gfarbe beb
©aareb au oerftehen. Taoib hatte rothblonbcb
©aar, wab in jüblichett fiänbern t wo eb feiten ift,
für eine grofie Schönheit gilt. S D? i t f ch ö n e n
Mugeit unb guter ©eftalt. teb fehlte alfo auch
bem Taoib nicht an förperlichen Soraügen, atuh er
war ein fdtöncr iDfann, wie fein Sruber teliab;
aber bab mar’b nicht, wab ihn aum ©egenflattb beb
göttlichen ’ffiohlgefalleno machte, ter bereinigte mit
feinen förperlidten s 3oraügen ben Mbel ber Seele,
bie gottgefällige ©cfinitung, unb biefe allein be~
fähigte ihn, Träger beb meffianifdten Ätöuigtbumb
au werben, ©ott fiehet bab ©era an.
c) Teb ©ernt ©efalbter. 8.18: Mlb Sa=
muel beit Taoib erblidte, fprach ber ©err: M u f
unb falbe ihn. Turdt bie innere Stimme beb
©eifteb ift Samuel allen 3weifelit enthoben. Sei=
ner Sache gewih, bollaieht er bie Salbung an Ta~
bib unter f e i it e it s 3 r ü b e r n. Tie 23ebeit=
tung biejer Salbung war nicht nur bem ^\fai unb
feinett übrigen Söhnen, fonberit wohl auch bem
Taoib felbft bot ber ©aitb noch bunfei. Tie Sa(=
bung war ein Simtbilb ber 3Wittbeiluttg beb
aöttlidten ©eifteb an ben ©ejalbteit. Tiefe
SHittheilting beb Seiftet fanb beim auch bei Taoib
albbalb ftatt: Ter®eift beb ©errn tarn auf
Tabib. Tieo fbititte nur gefchehen, weil bei Ta=
bib ber fittlid)=religiöfe ©eraenbauftanb, welchen biefe
©eiftebmittheilung ooraubjefet, bereite borhanbeit
war. teilt 3eugntfe hierfür hübet ber 23fte ißSalm,
weldter aub ber 3cit feineb ©irtenlebenb ftainmt.
teb bauerte freilid) nod) lange (etwa 10 3ahre), ehe
Tabib bab Mint autrat, für melcheb ihm hier bie
Sahen ber liehen würben. Mber bab ift eben bab
s 3ceue unb teigenthümliche in Taoibb Äiönigthum,
ba§ eb einen rein innerltdten Urfprung hat, unb
alle föniglicben ©aben erft in ber ^iebrigfeit unb
im Kampfe bib aum terliegeit fiegreidj fid) eutwideht
muhten, bib er bie ©errfebaft im 3Jolfe empfing.
Much hierin ift Tabib ein 8orbilb feineb Sohneb
(Ghrifti), beffeit 9ieicb nicht boit biefer Sßelt war. —
Ter befte beweib itnferer terwähluitg autu Reiche
©otteb ift uitfere fBerficgelung mit bein heil, ©eift
unb bie terfabrung feineb ©ttabenwerfb in nuferen
©eraen.
Mub ber ©efchidjte ber terwähluitg Tabibb ler=
neu wir: 1) ber ©err erwählt nid)tbieienigen, welche
burd) befonbere ©aben ber fRatur bov Mnberett auo=
geaeidtuet ftnb, fottbern er erwählt 2) bieienigeti,
toelche bab größere ober geringere s Äah ber ©nabe
©otteb, bab ihnen ungebeten ift, ntitTveue beitüpeit,
3) biejenigen, toelche biefe Treue burd) lauteren ßifer
unb ©ehorfam in ber ihnen aneertrauten Mrbeit
beweifeit unb eitbltd) 4) bieiettigeit, toelche auch nach
etwaigem ©eliitaeit ber Mrbeit fich nid>t ruhturebig
heroorbrängett, fonberit in Temutb unb ftiller 3u s
rüdgejogenheit bleiben, bib ber ©err fie herooraieht.
Samuel ging ttad) s 3lanta aurüd. Ta6
Taoib mit ihm (vielleicht and) mit ber borligeit
s X s rophetenjd)tile) iit ftetem ®erfehr ftaub, ift nach
ber folgenben @eid)ichte nicht atoeifelhaft (vgl. Atap.
19, 20ff.). 3it biefer 8erbinbung mit bcitt s l>ro=
pheteit warb ihm bie Ahuibe oon ber hohen v 3ebeu=
tuug feiner Salbung, unb unter ber fortfdtreiteitbeit
terleud)tung feineb inneren Sebeno buvch ben heil,
©eift empfing er bie terfenntniü oou ben Mufgaben
feineb föniglichen ©erufb unb bie Muörüftuitg au
beittf eiben.
Sonntag, ben 25. 9?oo. 1 Sam. 17, 38—51.
5)atrib unb ©oltatlj.
1. Seit: 1063 ». (Sf>r.
2. Crt:
l) Tab Cager ber ^Shilifter bei Sodto
(iefct Shuweifeh) in ber tebene 3uba, etwa 4 beut=
fche teilen fftbioeftlidt von ^erufalent unb 3 beut*
fdte 2>?eilett iübweftlidt oon Bethlehem. 2) Tab
Säger ber Olfraeliteit: ber te i d) g r ti tt b (hebr. Thal
ber Terebinten) itorböftlicb oon Socho, eine ThaU
ebene int 28abp Sur.
8. 3ufamiueit4aua: Tie fcheinbare iöefehrung
Sattlb (Atap. 15, 24) war nur eine oorübergebeube
Regung bce ©efühlb gewefeit. Turch muthtoilligeb
Sünbigen hatte er beit ©eift bes ©errn aus feinem
©eraen oerfcheudtt; nun fanbte ihm ö^ott auv Strafe
einen böfen ©eift, ber ihn gewaltig jehredte
unb dnaftigte. Seine Atnedtte riethen ihm, biwch
Saitenlpiel bie finitere 5Wa<ht au bannen. So
Digitized by
Google
614 SomttoijfdiuUfelttumfn.
würbe ^amb, bcr ein ausgezeichneterSaitenfpieler ©auI ihm feine eigene ffiaff enrüftung au,
war, an ben fcnifiUcheu £>of gebracht. ©päter wenig ahneub, bafe ber, bein er iefet feinen Jpelin
fdicint ber böfe Weift wieber auf längere 3 cit oon aufs fcaupt fefete, halb feine ffrome erben werbe,
©aul gewichen zu fein; wenigstens rinbeit wip7Da= P. 39: £>afe ®anib Sauls Müftung anlcgt, be=
oib ffap. 17,15 mieber zu J&aufe bei feiner &irten= weift, bafe er ungefähr bicfelbe Statur mit ihm
befchäftigung. 3 fai ift inzwischen alt geworben hatte. <£afe er barin nicht gehen fann» wirb
(17,12) unb ®aoib in bad Spätere ^ugenbalter ein= oon ®aoib felbft nicht bamit begrönbet, bafe fie ihm
getreten. ®a bricht oon neuem ein ffrieg mit zu grofe fei, fonbern bafe er nicht baran gewöhnt
ben P hiliftern aud. CDer Miefe ©oliath aud fei, [ich in Solcher Müftung zu bewegen. ©r erfennt#
©ath Spricht bem Apeere ^fraeld öffentlich frohn. bafe fie ihm im Kampfe nur hinberlidj fein würbe#
Miemanb wagt ed, feiner föeraudforberitng zu ToU unb legt fie ab.
gen, bid ®aoib, ber oon feinem Sätet z» feinen ®. 40: ©obanit zieht er mm nicht geringen @t*
Stübern ind &eer geichicft worben war, baoon hört Staunen 5111er Statt oes fdnoeven ffiaffenfchmiufcd
unb Sich oofl lebenbigen ©ottoertrauend entschliefet, wieberum fein leichted ©dsäfergewaitb an unb greift
ben ffampf mit bem gefürchteten liefen aufziuteb- zu feiner Apirtenaubrüftuug, bie in nichts weiter be=
men. Por Saul geführt, theilt er biefem feinen fteht, als in feinem Stab unb feiner ©cbleubet*
Porfafe mit. ®ed fföuigd ©ebenfen übenoinbet er tfefetere war ben Wirten eben fo nötbig# wie jener#
burch ben ©inweid auf ben Schuh unb ©ciftanb um bie wilben Schiere aud ber fterne afczuhalten.
feinet ©otted, ber ihm in feinem ftirtenberuf ben 3 nt ©ebraueb berfelben muhte ®aoib alfo wohl
Sieg über fiöwen unb ©ärenoedieben habe unb ihn geübt unb gemanbt fein. (Sgl. ein ©eifpiel bet
gewife auch aud ber ©anb biefed pbiliftevd erretten ©cbleuberfunft Micbt. 20,16.) @o ging®aoib auf
werbe. ben Philister 31 t. Mber was oermoebte er mit Stoa
4. ÄBort' unb ©atherflärmig : 3ot 3eit ber ßrr= unb ©chleuber gegen ben gepanzerten unb mit
oberitng ffaitaaud burd) ?|ofua begegnen und unter Schwert unb Speer bewaffneten Miefen? 9Äcnjcfc
ben ©ewobnern bed gelobten Saubed oerfdsiebene lieh betrachtet ging ber muthige Jüngling bem ficbe*
Miefe ngefchlechter, bie ben gemeinfamen i ren £obe entgegen. 5lber ‘Daoib geht nicht im Set*
Mamen ber M e p h a i m, im SBestiorbaulanb oor- j trauen auf menfchlicbc ffraft unb ffunft, fonbern im
zugdweife ber (? n a f i m führten. 3» biefeu Mic= ! Pcrtraucn auf ben ©errn. ©otted Pracht unb
feit gehörte unter aitbereti auch O g , ber Völlig 31 t ©tärfe bebarf feiner menfdtlichen 2 Rittel; fie ift fi<h
©afan (5 5Wof. 3, ll; ^of. 12,4). Ucber bie ©cr= felbft genug, unb braucht fich nicht anberdwober
funft biefer Stämme beftehen breierlei Mnficb- etwad zu borgen, !^m Sertrauen auf biefe ©otted=
ten: 1 ) Sie feien Bwcige bed fanaanitifdjen, ind= macht Schreitet ®aotb, nachbem er f ü n f glatte
befoitbere amoritifdieu ©auptftammed. 2 ) $te ff i e f e l and bem Sette eined ben (Sicbgrimb burefe
meiften neueren gorfeber halten fte für oorfanaanu fchneibenben ©acbed aufgegriffen unb in feine Safche
tifche Ureinwohner, welche fich allmälig mit ben eim geborgen, unter bem ©efpötte ber Sinen unb nutet
gemauberteu ffanaauitern, Phöniziern unb phi= ber gefpannten (Erwartung ber 5(nberen bem phU
lifteru auf frieblicbe 5Beife oerinifchten, aber zur lifter entgegen.
3eit unb aud) Später noch in einzelnen ©e= ©eiftlidic Machbilber biefed ©elbenganged hat bie
Schlechtem forterjftirten. 3) 3 u biefer Einnahme ®efchid)te manche aufzuweifen. 5D?an benfe nur an
fügen einige bebcutenbe Autoritäten noch hinzu, baji Luther, ber trofe ber Sebenfen ängftlicher Stuben^
bie Mephaim, wie bie s ](inalefiter, 5 linoriter unb bie gelehrter bie fchwere SBaffenrüftung fdwlaftifd)et
egpptifcheu ©pffod zu bem femitifeben Stamme ©dutlioeidheit oon fich warf, unb frei heroortretenb
$ub gehört haben, unb f.hon in oorhiftorifchen mit ben fünf ©auptftücfen feiued ffatediidmud ben
Beiten uad) ffanaau cingewanbert feien. ®iefe Miefen zu Morn Siegreich barnieberftreefte. — T>er
lefetere Zunahme ift freilief) nirgenbd gcfchichtlid) be= j ffampf ®aoibd mit ©oliath ift faft in allen Bügen
jeugt, erklärt aber bie femitifdie Sprache ber ffa- | ein treffenbed ©ilb bed ffampfed, weldien fowohl
naaniter (Hamiten), welche fonft fdiwer zu erflären ’ Phriftud ald auch jeber einzelne C^hrift mit bem Sa^
ift, unb hat baher oicl für fid). T)ie ©röfte biefer tan, Sowie bed ffampfed, weldien bieffirchemit bem
Miefen war aufjerorbentlich, aber hoch nicht fo un- Meidie bed Sataud zu tämpfen hat.
geheuer, wie biefelbe pou ben ^tiben in ihren tal- b) ® a d Bnfommentreffen. S. 41—47.
mubifchen Phantafien bargeftellt wirb, ©oliath JB. 41—44: SBährenb fich ‘Daoib bem ©oliath
war nad) P. 4 fedid ©llcn unb eine Spanne i nähert, betrachte! biefer feinen ©cgner genauer, unb
hoch, wad nach ben heften 5lutoritäten fooiel wie fein ©Urf wirb babei ein perädbtlicher, weiter
9 Sufi 1 Boll uufered ©?afted ift. ©eifpiele ooit in I)apib feinen friegerifdien Selben, fonbern nur
foldjcrfförperlänge finb im5llterthum unb in neue- einen poii 5 lnfehen lieblichen Jüngling er^
rer Beit feinedwegd unerhört. ®ie Sfelette bed blieft. tiefem Wirten gegenüber glaubt er ftch fei-
Pufio unb bcr Secuubilla, über welche Plimud be= ned fvrfolged fteber. — ©elbftübcrhcbung unb forg-
riditet, waren nod) einen Boll länger. Uehrigeud lofe Sicherheit finb oft bie Povzeidien bed nahen
fdieiiien Miefen im dltcrthum häufiger gewefen zu ftalld. Unb ber Philifter Sprach zu ®apib.
fein, ald heute. Muht nur bie heil. Schrift weife Bwiegefprädie por einem Bweifampf waten, wie
Pon Miefeitgefchlechtcrn, and) burd) bie Sagen aller bad ©eifpiel ber honterifdien gelben zeigt, im 9Utcr^
alten Sölfer zieht fid> bie ©rtunerung an biefelben thnm Sehr gewöhnlidi. ®cn Inhalt biefer
hinburch. gefpräche bilbeten meiftend ^ohreben auf bie eigene
5. Bur (frfläritug ittib ^rbanmtg: Perfon ober Sdnnähungcu bed ©egnerd. ©in »di
a) ®ie SBaffeu. ©.38 — 40 . S.38: Um beim ein föunb? ©oliathjühlt fich bcleibigt,
®apib in ben Stanb zu fefecn, ben gcioaltigen bafe ihm 'Dapib mit einem Stocfe entgegentritt,
©egner mit gleichen 23affen zu befämpfeu, legt mit bem man nicht äWenfchen, fonbern Shiere be<
Digitized by c^ooQie
(Hjronih brr (Segenroart.
615
banbeit. Unb flu^te bcm CDaib bei fei'
nein ©ott. Der Stampf ber 3fraeliten mit ben
fBbÜifteru ift nicht mir ein Stampf gsoifdsen biefen
35ölfern, fonbcrn gußleicb auch ein Stampf 3ehooahb
ßcßcn bie ©oben ber 3>hüifter. Darum ffncl>tc ®o-
liath bem Daoib „bei" ober beffer „in feinem
©ott", b A). inbem er feinen ©ott oerhbhnte, um
Daoib um fo tiefer nt oerlefecn.
45—48: Daoibb Slntsoort auf ©oliathb
©cbmähunßen enthalt folßenPe ©auptaebanfen:
1) Suncichft hebt Daoib beit ©eßenjafe heroor gsoi=
fdsen feinem ©tanPpunft unb bein ©tanbpunft
©oliathb (unb fomit auch nötigen bem ©taubpunft
ber3fraelitenunbbemberfßfulifter): Du tommft
gu mir, auf beine eigene Straft fufeenb u.f.io., ich
b a fleflc u fomiiie g u b ir im tarnen b eb
$>evvn. Der „Siame beb £errn" ift bem Daoib
ber 3n begriff aller Offenbarungen, burch ioelche ber
(ebenbifle ©ott fid) ieinem 35olfe gu erfenneu gegeben
hat. Unter ben oerfcbiebeneit $lubbrüdeu, burch
soeldse Pab SBefett ©otteb begeichnet soirb, gebraucht
Daoib hier, ber Situation entjprecbeub, benienißeu,
sveldser ihn in 33egug auf feine S^errfdsermacbt bar-
ftellt: föerr 3ebäoth, b. h. £>err ber hinim-
iijdseu ©eerfdiaaren. 2) ©obann fpricht Daoib bie
fletoiffe 3uoerficbt aub, bah ber ,sperr ihm ben
Sieg perleihen soerbe (35.46). Stiitmpbirem
ber ßelbeumuth fdson oor bem Siege unb bemüthi-
geb ©idsbeugen oor bem öerrn, alb bem, ber ben
©iea oerlciht, finb hier bet Daoib oerbunben.
3) ferner fpricht er bie Hoffnung aub, bah burch bie
fcilfe, speiche ©ott ber .sperr feinem 33olfe in biefem
Stege verleihe, alleSÜelt gu ber Srfenntnih
fommen toerbe, bah Sfrael einen ©ott
habe, ber fkh feinet 35olfeb annimmt, unb 4) bah
3frael felbft burch biefen ©iea erfenneu soerbe,
bah ber .sperr nicht ber änderen Mittel, beb © d) ioe r=
teb unb ©pieheb, m feiner .Oilfe bebürfe, unb
Pah er felbft es fei, ber bie ^einbe in f ei neb 35 o l-
feb &änbe gebe. — Die Demutb, ber©laubc
unb bie ftrommißfeit, soeldte bie StePe Daoibb ath=
met, hüben einen fchonen ©egenfafe gu bem fredsen
Uebertnuth beb 33hilifterb. 2lber eben in biefer De=
muth, bie nichts oon ber eiaenen Straft unb alleb
oon bem föerru erspartet, ließt bie toahre ©tdrfe.
35gl. 2 Stör. 12, 7—10.
c) DerSieß. 35.48—51. JB. 48. 49: Stauin
hat Daoib aubßerebet, alb ber ff5biüfter gum Stampf
OTlironik ber
Gilt flüter Snftottb ber $htflf herrfcht trofe allem
Silagen unb SBimmeru in unfern 93er. Staaten.
Dab fleht aub bem ^Berichte beb ftatiftifcheu 33üreaub
heroor. Dem gufolae hat ber SBertb ber oon ben
35er. ©taaten aubgeführteu .ftaubelbartifel ben ber
Rinfuhr um mehr alb lutnbert Millionen Dollarb
überfliegen. Dab heiht in ber .ftanbelbfpracbe: Die
S>anbelbbilang fteht um runb hunbert Millionen
Dollarb gu ©unften ber 35er. ©taaten, ober mit
nod) anberen 3Borten aubflebrüdt: um bie gegeiu
flefleu ihn oorrüdt. 9?un eilt aud) Daoib ooll
StampfbegierPe auf ihn gu. Der unerjdsrodene Muth
DaoiPb tritt hefonberb heroor burd) Pie 33emerfung,
Pah er „oom 3euße", richtiger: „auf bab 3eug
(oPer Pie ©dslachtorbnung) Per 3»hilifter gu" bem
©oliath entfleaen lief. 3m 8aufc nimmt er einen
©dsleuPerftein aub Per £ajd)e, unb ehe Per ütiefe
3eit finPet, gum SBurf mit bem ©peere aueguholeu,
trifft Per ©tein oon Daoibb ©chleitber
feine ©time, bie ervielleichtaub©eringfdmbung
Pe* ©efluerb unhebedt flelaffeit, er umnft uuP ftiirgt
mit fcbauerlidjem Xobebftöhnen gufammen. SBie
leicht hätte Daoib fehlen fonneu! vlber ©otteb 3?or-
fehunfl lenfte Pen 3*üiß beb ©teineb, unP gab ihm
folche Äraft, bah er tief in Pab &aupt ©oliathb
Prang. SBie gebrechlich ift ber Menfch, unb loie
leicht fann ein jdseinbar ßerinßer UmftauP auch bem
fräftißften Sehen ein Rnbe madien! Der ©tarfe
rühme fid) nicht feiner ©tarfe! ©ott miberftehet Pen
©offährtißen unb mad)t gu ©dianben, bie ihn unb
fein 35olf oerachteu.
50: 5llfo uhenoaub Daoib ben 3$hi =
l ift er. Rtioab ©roheb für bab 9?eid) ©otteb im
Kampfe miPer Pie 3öelt fann nur berieniße atibrid)=
ten, Speicher soie Daoib 1) ftch felbft befämpft unb
ühenoinbet, Unredst unb SSerläumbunß mit©ebulb
träßt unb nicht 33bfeb mit 33bfetn oerßilt; 2) ooit
heiiißem 3orn soiber alle ©ünbe unb ©ottlofißfeit
unb oon heilißer 33cfleifterunß für Pie Rhre beb
©errn erfüllt ift; 3) Pen ©iea im fiantpfc nicht oon
eißeucr ftraft enoartet, fonbern allein auf ben &errn
fein 35crtraueu fefet.
51: ©oliath spar soahrjdseinlid) noch nidst
pbüifl tobt, Paher hieb ihm Daoib noch —unb
gsoar mit feinem eißenen ©dssoert — ben .ft o p f a b.
Daoibb ©iea über ©oliath ift ein 35orbitb auf ben
©iea Rhrifti, beb ©ohneb Daoibb, über Pen ©atan
unb alle äftächte Per ftiufternife, fosoie auf ben ©ieß,
soeldsen auds soir burch Rhriftum über alle unfere
??einbe erlanflen follen. Die 3>hilifter erßriffeit
nad) bem ^aüe ©oliathb erfchcoden bie Slncht.
Daburds brachen fie Pen 35ertraß (35. 9), nach soel=
ehern fie oevpffidstet sparen, iefet oor 3frael bie 3Baf=
fen gu ftreden unb fich Per Obmadst Per ©ieaer gu
untersoerfen. Darum ßefdsah eb mit flutem Siechte,
Pah Piefe Pen ftlüdstUnßen bib nach Sfron nadsfefeten,
oiele auf Pem Siüdgtißc nicberfdslußen unb fich ihxeb
Saßerb alb ßutcr 33eute bemächtißten.
töecientoart.
feitifle Stechnuufl aubgußleidsen, muh bab Slublanb
Pen 35er. ©taaten mehr alb 100 9Hi Üt onen Dollarb
in ©olP herautsahlen.
Dieb ift ein fehr erfreulicher 3»ftanb ber Dinße.
Rin Sanb, soeldseb, naihbem eb alle feine < ©ebürf=
niffe oom 9lublanbe aefauft hat, nod) 100 äNillienen
baareb ©elb heraubbefommt, muh ftöb in einem
3uftanbc arofier 33lüthe befinbeit. 3m oerßaußenen
3ahre profitirten soir bei SlbfchluB ber ^anbelb-
bilang nur sveniß über 25 Millionen; heute finb eb
Digitized by v^ooQie
616
Gßtonih ber Segenroart.
mehr ald 100 ^Millionen. Dad tft hoch erfreulieh!
— Sreilid) finb ed untere Aderprobufte, melde und
biejen Ucberfdmß oerfchaffen. Aber mir finb froh
unb banfbar für biete fßrobufte, welche und foidje
Silans oerfchaffen.
3« Xrntfißlaub mar bie Cnther-^eier ju 2Bitten=
berg bad inteveffantefte Greigniß beo SNonatd. Sie
bilbete gemiffermaßen ben Stittelpunft ber su Ghrett
bed Sutbcr - 3ubUäumd ucranftalteten populären
fteftliehfeiten, mährenb bie wivflübc ©eburtdfeier
bed tKeformatord im November eine mehr firchlidic
fein mirb. Der Aiaifer erliefe eine Gabinetdorbre,
morin er ald oberfter Sifchof ber eoangelifdjeit ^irrfsc
ein marmed 3ntereffe für bie ^eier an ben Sag
legte, unb ben Ahouprinseu mit feiner Vertretung
bet berfelbeit beauftragte. ‘Die ©tabt ffiittenberg
batte ficb aufd 9?eicfefte gefcbmüdt, unb wohl an
50,000 G)äfte, worunter mehr ald 2000 ©ciftlidje,
in ihren ^Kauern oerfammelt. Der Attonprins,
melier in Segleitung bed grinsen Albrccht unb bed
Änltudntinifterd oon ©oßlet eintraf, wohnte fofort
betn fteft=©ottedbienft bei, ttnb begab fid) bann in
bie ©cbloßfirche, um er einen prächtigen 8orbeer=
Ahaus auf Suther’d ©rab legte. Die ©aupt=5yeier
fanb barauf in betn renooirten ©aale bed alten
Uniuerfitätdgebaubed ftatt, in melcbem fiuther feine
Sorlefungen gtt halten pflegte. Die 8utber-ftalle
mürbe bttreb eine $ebe bed Ahonprinsen eröffnet.
Gr fcfelofe mit ben JBorten: „99?ag biefer 8uther=
Sag bastt beitragen, bie proteftantifche ©cfiunung
Sit ftärfen, bie bentfebe eoangelifcbe Alirrbe »er Un-
einigfeit su bewahren unb ben ©runb sunt ewigen
^rieben su legen." ©pater mürben oerfdnebene Vor-
träge über Öutherd geben ttnbSBirfen gehalten, unb
am Abenb fanbett Saufette unb fonftige f?cftlicb=
feiten ftatt. 3ebed .fraud ber ©tabt mar iüuminirt
unb beforirt. ©roßc Volfdinaffen sogen bureb bie
©trafeen unb fangen 8utber’fcbe ßieber, namentlid)
bcnßhoral: „Gin’ feite Surg ift nufer ©ott!" Dad
warme 3utercffe, melcbed ber Ahtifer unb ber Ahon=
priits an ber fteier genommen, hat im gansen pro=
teftantifeben Deutfdüanb einen febr günftigen Giit=
brttef gemacht.
Gin grnitjofe über Ämerifa. G)raf ©abtiel
b’^auffonoille, einet ber fraitsofifcben Ghrengäfte,
bie im 3ahre 1881 , sufammen mit ben sieben ©teit=
ben, sur hunbertiäbrigen Seiet bed © i e g e d o o u
8} o r f t o w u ooit ben bereinigten Staaten ein^
gelaben waren, hat in einem eben erfebienenen
Suche “A Travers les Etats Unis” feine hteftgen
^teifeeinbrüefe unb Seobacbtungen niebergelegt, and
betten mir ciniged mittheilen.
Gr bemeift ficb im Allgemeinen ald sietultcb febar-
fer Seobachter, obwohl in feinem Sericht 'manche
©dmifeer porfontmett. —2Bie ben meiften eitropäi-
feben Sefucbertt nöthtgt auch ihm bie Organisation
ber htefigett fteuerwehr große Scmttnberung
ab. Gr hat bie Sciftungdfähigfeit berfelbeit mit
eigenen Augen su beobachten (Gelegenheit gehabt,
unb bereit großartige Apparate auf ber, su teuer
3dt fpesiell für biefe Sraitcbe oeranftalteten Aud=
Heilung feituen gelernt. Gr fotnint babei su beiti
Schluß, baß bie Vorführungen sur Scfämpfitug
eiited audgebrod>enen Schabenfeiterd in Atnerifa
felbft in ©täbten werten tÄanged meitgehenber unb
swedeutfpreebenber feien, ald itt ber fransöftfebett
JBeltftabt.
Sei einer ben fteftgäften su Ghrcn arrauejirten
9tunbfahrt gelangt ber Autor auch nach Sa Hintere
uub befuebt hier bie DfRsin einer größeren 3eituug,
„She Saltimore American", Dad giebt ihm Ser-
anlaffung, Rrf> über bie aitterifanifcbe Steife
überhaupt aitdsufprecben. Gr ftnbet biefelbe ber
fransöfifdteit überlegen, ernfter rebigirt, inhaltreicber
unb politifch sugefpifeter, ittt Sone freilich weniger
glatt ttitb höflid), oielntehr oft recht itngenirt, ftarf
perfönlich unb iniurtöd; allein fie hüte ficb hoch eor
Angriffen auf Männer ober gar ftrauen, bie nicht
felbft herandforbernbe Urfathe ba.su geben, fie mache
bie ©fanbalofa ttidü sur föauptfadie, wie bted oiel-
facb bie fransöftfde Steife thue unb flehe im Suitfte
ber SZoral becenter ba ald biefe, mäbrenb auch su-
gleich bie SKehrsahl ber 8efer in biefem Suufte
ftreitger fei ald in Stanfreich.
3um Schluß fei hier nodt bad Gehirne feiner Se-
obadttuitgen fürs miebergegebeit. Gr fagt: „3}?ei=
iter Anfidbt ttadt fantt matt bie ^Bereinigten Staaten
nicht bereift haben, ohne bie Ueberseugung su ge=
minnen, baß man ficb unter einem außerorbentlich
fräftigeit, gerechten uub oon 3ugenb unb Schaffend^
luft burdibruitgetten Solfe bewegt. Süer oon einem
9?iebergaitg biefer Staaten fpridtt, hat niemalb
einen miß babiu gefefet, unb wenn hoch, fo gejdmh
ed mit Voreingenommenheit, mad gaits bafielbe ift.
Die Bufunft biefcd Vanbeo in lanbmirthidtaftlicher
wie inbuftriellev .Oinfidit ift ttnernteßlidt. ©eitit
einem lebeudfväftigen, arbeitfamen tlitb ertverlvd^
luftigen Seife bie s J?atur, wie hier, anfeheinenb un-
erfchöpfltdte ipilfdguellen bietet, wenn fort unb fort
frifdted Slut in feine Abern fid) ergießt, unb wenn
bie eiitsige ©chmierigfeit, bie feine Gnheicfelung
oersögert, nur in bent ^Dtißoerhältniß feiner foloffa-
leit 8änberftredeu unb feiner Seoölferungdsabl bc=
fteht, fo famt man ihm gewiß nur bie allerglücf-
lidifte 3ufutift prophezeien."
^ir 9torb^adfir'Vatit ift alfo eröffnet. Sandte
Sehen barin nur eine Gifeubahn=Spefulation, bie
ber Sahn-Atönig Sillarb ind 8eben gerufen, um
reich su werben. An lefeterem zweifeln mir feinen
Augeitblirf, bentt 92ietnanb läßt Reh in folchc ©pe^
fulatioiteit ein, um nichtd babei ju oerbienett. 2Bie
bem aber auch fei, unb wie bie ©pefulation Schlie߬
lich auch audfalien mag — fo öffnet bie $orb;
aciRc Sahn ein tingeheured ©ebiet ber Vereinigten
taaten, mad bem gansen Solfe, aber namentlich
bem 9?orbmeften su ©ute fotttmen toirb. 2Ber bied
nicht glaubt, ber gehe nur einmal tiadt ©t. Saul
uub SKinneapolid unb fehe, wie biefe ©täbte feit
Serpollftänbigung bed ttorbmeftlidien Gifenbahit=
nefeed sugenommen haben. 3n fech^ fahren finb
fie breimal fo groß an Umfang unb Ginmohnersah!
geworben. Unb zwar ift biefed ffiachdthum nament*
lid) in ben lebten fahren gefchehen. 2Sad and
immer biefe s 3torb Sacific für bie Spefnlaitteti thut
ober nid)t thut — für bad 8anb ift Re ein ©egen.
Digitized by ( ->ogle
Digitized by
Digitized by
K : v ■ ;M' i
• ’ ' ! :iv;" •. ' . S. l\ ,
. ; \
■ -• : f ’ ' . t ’
• ’. • 1 \ i 1 . • l
.■ 1 , ’l . • ifch: f
i ’h r# ”r'-. 1 '. ■ . .
> * i ;v; ~ i r ,s ~'!
‘ V 'C-V V 1 t t" ‘ h i t l 1
:-.i ;v :«*. " v = ,
‘'W /. ’l;
• 1 ' |\t T !■ "•’i ' •
: : !■ .-j tv l\
i )
«H • ’ ' a
•H u i .! 0
l\ 'YVi. t
bl -l
I IM
—-ottjmcta ßelautert gu merben. ®a$ ©Reiben be$
©cliebten brachte ihm sum erften 3Ral ba3 ©eheim*
nih beS SEobeS nabe, uitb übte einen fiarfen, für’S
panje fieben bauernben Sinfluh auf ibn auS. 9Son
lefet an ernfter ßeftimmt, befdjäftißte ftcb bet ffleine
•’ \• • ; " • ' ' ’ . - •? is h‘ «alV ••lu-Uf
: * • .VI . U 1 I» C-“ . ,
•u- A -v: - ■ ‘ : r* •• • d),
'• ■“ ’v * . i'* i - et$
v' *.. . : ? v • * >. '«■*! . , •’ f leis
t* v. * . A •: ♦: & } ■;.! " f ah'
' !i i i *t ' 'f M V . ^ V .Vf 1 : . ..tettt
' & vv.v v’ • , • 1 - biefe
\ *■ v i.. .< - 1 * >: . • t -( .1 :■ »rbilb
. •: : .'i, r l V' • | ■/ - ’• ..^ ;t Unb
V. - . >•-’ ■ i T i. ’• t n.
1 ’ \ t!' I. *. « . ‘ ■ ’l. i ’ >dj ans
- ;• V ‘ . 1 r • \r ^ ttfetifle
i r; ^ ^u" r ' ^ rfelben,
::.o veii -■ ir.n i ■- ■ ■ . .ieinenbe
■ ..i. 1 »i‘ ‘vt’ : . <\) . oerte bie
\ • "• ' : v. ’ ■ i- < • ’ iv^ifl Sabre
:: m' tr !• « e ^ ' j ;< 4?- cb ber 2Re=
i ' 1 \i vam rtdjt bloft boit
f ii f djem ®titflu§ f
•*. i ” ‘ v - ■ v v -v »cbonjebtfrühe
. ; ' > : * v er fannte feine
i n . ; f v /©dnueftem unb
' i ' mi * nerfammeln unb
. * -v, iren tonnte. SDer
aa v a i a bot baju Dräd)tifle
i ( ine 2Ral Sets, bai
< . , . <•; gehalten, unb ba8
: a. . i a, f.r fteineSihaar »ers
a t v ;m jur ©inrichtunß
: ; vi . - v i v ;tunfl. Srflenb ein
1 , ;, f . ■ *" u ba8 5D?aterial jum
r >. siw „Staub" erhoben,
% ' » »..» i ’uve unb ben „Staub"
uv ’ . . ■ ' *’ v mi unfer Sfaaf dn#
*■ v.norte ihn feinrflute,
’ • • , rnb betete mit unb
’! ii * • > hier Seete aufflinß
mv K.n 4;. 4 u.. üa ^jtteS ermdrmt n>arb.
Ob bie^ ba§ mar, maß man ©efebrunß nennt,
muhte er nicht, aber er muhte, unb meih beute, bah
er ©ott, beffen SSolf unb alle feine SBerfe liebte,
unb fann ftch ber Seit ni(ht erinnern, ba bie8 nicht
ber Sali mar.
Digitized by v^ooQie
Digitized by v^ooQie
(Sin illuftrtrtes lamilienblatt.
gffter 3$anb. |>cjeinßer 1883. Zwölftes
P«. JO. Pil(l), f$. P.
§ inet bet Ißifüdfe bet ^If^dfCi^en JSetflobißen x$t.
Gbitor.
25. 2Rara 1825 erblitfte tu 8 emig=
ton, Stftfflin 60 ., $a., einem Rei=
e nen, au freut fcf>oucn Suniata Slufi
V tu herrlicher ©ebivgggegenb gelegen
neu ©täbtchen, ein Söhnten beg
Srucbtbänbterg ©ileo utib feiner
Sbcggttin bag Siebt bet ©eit unb
erbieU in bet Saufe freit kanten Sfaaf ©Übelm.
Dort, in 3Ritten jener materifcben ©ebirggmelt,
mucbg ber kleine auf, uitb fcbon in frübcfter 3 u=
genb mürbe burcb bie ibn umgebenbe großartige
5Ratur ber ©inu für bag ©ebene unb Srbabene tut
Änaben gemeeft, burd) welchen ftd) f^dter berSDJanit
fo febr augaeidmete.
©eine ©Item gehörten ber oroteftantifeben ©oig=
cooalfirdie an, ttitb obmobl bie 3Retbobiften fdion
im Sabre 1815 in Semigton Suß gefaßt batten,
maren fie mäbrenb ber gaitjen ^iiflenbjeit unfereg
Sfaafg bie Verachteten unb bie een fielen ©eiten
©ebaßten. ©eine üMutter gebörte unter bie erften,
melcbe bureb bie SOktbobiften au ©ott geführt mur=
beu, unb itocb beute erinnert ftd) ber gereifte 3Ratm
lebhaft baran, .mit meteber Verachtung bie einen
unb heftiger Seinbfcbaft bie attbern mäbrenb feiner
Änabenjett auf bag Heine, am Snbe beg Orteg
ftebenbe badfteinerne$?etbobiftenfircblein febauten.
dorthin manberte er ohne 3 weifel oft au ber&anb
ber titnig frommen 3Rutter, mäbrenb ber Vater im
Verbanbe ber ©oi3cooalfird)e big ein Sabr oor fei=
item Sobe oerblieb, au meldjer 3 eit er auf einer ooit
beit SRetbobiften abaebaltenen Sageroetfammlitng
grünblicbc ©iebergeourt erfttbr unb im Srittmob
beg ©lattbettg aur ewigen ©eimatb ging.
®tefcr unerfefelicbe SSertuft traf ben Reinen Sfaaf
im feebgten Sabr. ©g mar fein erfter, großer
©djmera. ®rei Sabre lang litt ber Vater an einem
burd) einen ttnglütfgfall berbeigefübrten ©ebreeben,
bag ibn oiel ait’g &aug feffelte. Oer bem SSater
mit alubenber $inbegliebe ergebene $nabe leiftete
bent Öeibenben oft ©efellfcbaft unb erhielt bamalg
febott eine Slbnung baoon, mag eg beißt, in 8 eib unb
©cbmera gelautert au merbett. Oag Scheiben beg
©cliebteit brachte ihm sttm erften 3Ral bag ®ebeim=
niß beg Smbeg nabe, unb übte einen ftarfen, für’g
panae fieben bauerttben Sinfluß auf ibn aug. Von
lefet an emfter geftimmt, befebäftigte ficb ber Äleine
oiel mit djriftlicber ©abrbeit, unb trat balb barauf
in bie ©onntagfdutle ber SWetbobiften ein.
£>ier febenfte ihm ©ott eine debt gottfelige, ge=
heiligte Stau alg Sebrerin. Sie lebt beute itodj,
unb obmohl febr fdjmad) unb leibenb, ift fie ftetg
freubig in ©ott, betet oiel für ben, ber eiitfi alg frei?
ner, gelodter ifnabe ihr ©cbüler im Satffteinfird)*
lein war, unb ftebt in lebenbiger Hoffnung ihrem
Ferrit entgegen, ©edijig Sabre lanp ift biefe
SRutter in 3 §rael ein leucbtcitb (briftltd) Sorbilb
geioefen, bat oiele (Seelen aum ^errn geführt unb
mar ein reicher ©egen für ba§ ganae ©täbtdien.
Wuber ihr lebten in 8 emi 8 ton bamalS noch an=
bete jur 30?etbobifteufircbe gebörenbe gottfelige
Srauen, unb namentlidi ftnb e3 feebö berfelben,
loelcbe oon ^ebermann alö brennenbe unb fdjeinenbe
Siebter beaeubnet mürben. 3u biefen gehörte bie
SOhitter nufere^ 33ifcbof§. Sie lourbe aebtaig Sabre
alt unb mar über füufaig Sabre SMitglieb ber 3Re-
tbobiftenfirebe.
$>er kleine Sfaaf befanb fidj aber nicht blo§ oon
frübefter ^tigenb an unter ddjt d)riftlicbem ©influfj,
fonbern fern ßnabenfinu mürbe and) febon febr frühe
auf ba3 ^Srebigtamt gerichtet, unb er tannte feine
gröbere Sreube, al3 menn er feine ©cbioeftem unb
anbere 9?acbbar§finber um ficb oerfammeln unb
einen ffinbergotteSbienft imorooirtren founte. ®er
geräumige ©oeicber be§ ©aufe§ bot baau oräd)tige
©elegenbeit. ®a mürbe ba§, eine 5Dial Set?, ba$
anbere 3Wal iflafioerfammtung gehalten, unb ba 8
britte 9Kal gefrrebigt. Sa, bie Reine ©ebaar oer=
ftieg ficb fogar bann unb mann aur ©inridjtung
einer 9 D?iniatur= 8 ageroerfammlung. Stgenb ein
Such ober eine Derfe lieferte ba§ SRaterial aum
,r3elt", ein Schemel marb aum „©taub" erhoben,
auf ben ©änfen faß bieSemeinbe unb ben „©taub"
nahm in ebrmürbigfter ©altung nnfer Sfaaf dwi
3n feinem aebnten Sabre führte ibn feinrgute,
gottfelige Sebterin aum Elitär unb betete mit unb
für ibn, bi$ ein neu Siebt in feiner Seele anfging
unb fein $era oon ber Siebe ©otteb ermannt marb.
Ob bie3 ba3 mar, mag man ®efehrung nennt,
muftte er nicht, aber er mufjte, unb meift beute, ba§
er ©ott, beffen SSolf unb alle feine ©erfe liebte,
unb fann ficb ber 3 cit nicht erinnern, ba bieg nicht
ber Sali mar.
Digitized by v^ooQie
618
»ft>. 3. P. Piletj I.
Dem ®ebrau<he gemdfe trug matt ben 9?amcn
Sfaal SBilhelm Sßileo inS fHegtfter ber lird)Ud)en
$robemitglicber ein, toofelbft berfelbe oier 3ahve
lang hübfd) ftchen blieb, ebne ba§3emanb weiter
nach bem tarnen ober helfen Sigenthümer gefragt
batte. 3n feinem oiergehnten 3ahre befud)te ©ott
jene ©emeinbe in einer anbern Srwedung. 2Bie-
ber lag ^faaf am Altar unb wieberum warb fein
92ame tnS Vroberegifter eingetragen. Dabei
'blicb’S aber auch, benn in jener alten guten 3dt
hetümmerte man ficb im gangen wentg um baS
wShriftcntbum ber Äinber", unb nur mit $obf-
fcjbütteln unb 3metfeln fah man auf bie chriftliche
Srfahrung ber üinber, unb gwar nicht etwa bloS
oon ©eiten halbhergiger Ä'irchenmitgliebcr, fon=
bem auch bon ©eiten ernfter ftlaffenfuhret. 2Bie
bem aber auch fei — bieSmal trat 3faaf nad) Ab¬
lauf ber ootgefdjriebenen fed)S monatlichen $robe=
seit alS äRitglteb in ben Äirchenocrbanb ein.
Unterbeffen waren aud) bie weltlichen 23iffen=
fdjaften nicht berfdumt worben. 3n einem deinen
VlotfhduSchen führte ein armer, alter ®rüpocl, ber
jeben Sag bie Scltion beS lommenben [ich felbft
eifrig einbldute, unb fo alS wiffenfdjaftlicheS Sicht
gldngte, ben fchulmeifterlichen Stab. DaS war
ber erfte ©ert ^Srofeffor unjercS jungen ©tubenten.
Sin neueS Shor ber SSiffcnfchaft ging in ber Sr-
Öffnung ber erften Vublitfdjule auf, unb hier würbe
in einem großen Sacffteingebdube in ©emeinfebaft
bon etwa 200 anbern ifnaben unb 30?dbdjen hier
3ahre lang ber tf'amof mit beS SBiffenS 2ßad)ten
unter mancherlei Seib unb ftreub geführt. Darauf
ging’S aur Atabemie, wofelbft bie Vorbereitung
aufS Sollege borgenommen würbe, unb gwar ge=
fchah all bteS mit bem 3iel im Auge, inS n5rebigt=
amt au treten, benn feit feinem 14. Sabre lebte bie
grünbliche Uebergeugung im Änaben, bafe er fid)
bem heiligen Dienfte gu wibmen habe.
Dafe ein 5)2etbobiftenjunge bie Atabemie befuche,
unb fbdter inS Sollege eintreten wolle, baS wargu
bamaliger3cit in jener©egenb etwas unerhörtes;
benn biefe „ArtSeute" gehörten ber VoltSmeinung
nad) nicht auf bie hohe Schule; namentlich nicht,
wenn fie nur SDiethobiftenorebiger werben wollten.
SS warbefehalb nadjgerabe fein rofiger Vfab, ben
ber „3)2ethobiften ©tubent unb Vrebiger" in ber
Atabemie gu wanbeln hatte. Sr lämpftc jeboch
unter Anfechtung unb Verachtung ben guten
fi'ampf, wuchs in ber ©nabe ®otte$ unb ftieg in
ber Achtung ber ftirdje in bem©rabe, bafe er jajon
im fechSgehntenSahr a(S©ebilfSdafeführer einem
bewahrten Shriften unb auS Snglanb eingewan*
berten Solalorebiger beigegeben würbe, oon wel=
ehern er oiel lernte. 3m ftebengehnten 3ahre er-
hdlt ber junge SRann SrmahnerS=8iceng, im ad)t=
gehnten bie Scfdjeinigung aiS Sotalprebiger.
SBieberum fud)t®ottber &err im SBinter 1842—
43 jene ©egenb mit einer tiefen weiteroerbreiteten
Srwedung heim. DaS geringe ©dugein ber 9föe=
thobiften in SewiSton erhalt einen 3uwachS oon
300 belehrten Seelen; alle anbere Äirchengemein-
fchaften werben oom AuSgufe beS heiligen ©eifteS
erfrifcht, unb Saufenbe gu ©ott belehrt. Da ift
benn ber junge Sofalprebiget 3* 2B* SOßilep in
feinem Slement. Sr oerldfet geitweilig bie ©chule
unb giebt ftch gdnglich biefemSBcrle htn, inbem er
faft unauSgefefet ermahnt, prebigt unb £>auSbefud)e
macht; eine Arbeit, bie für einen löjdhrigen 3üng-
ling allgu aufreibenbift, unb für weldje er hohen
VreiS begahlt. AIS bie Sxtra=Verfammlungen im
Frühjahr 1843 mm ©chlu§ tarnen, hat er fi<h ein
hartndrfipeS^alSleiben gugegogen,unb bebauertben
faftgdngltd>en Verluft feiner lonft guten Stimme.
©eh^monatlicher Aufenthalt in ber ©oebfehufe,
bie er wieber begieht, bringt fo wenig Vefferuitg,
bafj Urteilsfähige ber Meinung finb,bie©timme
werbe nie wieber fo erftarten, bafi fie für bie Vre*
bigt tauglich fei. <Der 9Beg gur Äangel fchien oer=
foerrt gu fein unb mit traurigem, oielpeferüftem
^ergen übernimmt ber Jüngling im SBtnter 1844
eine ©d)ule i wofelbft ferne leibenbe Stimme auch
mit ber größten Anftrcngung faurn auSreicht, unb
ben ©ebanfen an’S Vrebigtamt geioaltfatn in ben
©intevgrunb brdngt. 3)arum wirb im jjrübiahr
1845 ein anbeveS ^adj ergriffen — baS uÖebtcini-
fdje, we(d)eS ©tubium in bem Heilten Dorf 2Biff=
lin eifrig betrieben wirb.
Dort fdmofte ber 2KetbobiSmuS noch um feine
Ssifteng. 3n einem deinen halbgcrfallenen ©ol 3 =
gebaube hielt bie ®anbool(ÜD2ethobiften ihre®ot=
teSbienfte, unb bie gange Schaar berielben beftanb
auS 13 ÄirchenmttgUebern. Unter ihnen befanb
fidj ein innig frommes in ernfter Shriftenarbeit
fid) bethdtigenbcS3)2db(hen mit lüfecr Stimme unb
einnchmcnbem Söefen - JranciSla 3» äKartin.
3m bergen bcS jnnaen 3)2cbicinerS forad) eS — g c=
f u n8 e n, unb brei 3ahre barauf tourbe granciSfa
feine geliebte unb liebenbe ©attin. Sie begleitete
ihn fpdtcr inS 2)2iffionSfelb nach Shina unb bort,
weitoraufecn im^eibenlanbe, wo fie 1853 gur ^)ei=
math ging, ruht ihre irbifd)e £üUe biS gum Sage
ber glorreichen Auferftebung.
AIS im 3ahr 1846 baS mebicinifche Doltot=
S men mit AuSgeidjnung beftanben war, hatte
auch baS ipalSteiben berart gebeffert, ba§ ber
junge 3Kebiciner wieberunt ein 3abr lang alS 8o=
talorebiger gu bienen oermochte.
? efet tritt aud) wieber bie alte Uebergeugung,
er ftch bem Vrebigtamt gu wibmen habe, in
ben Vorbergrunb. Seine ftreunbe finb getheilter
Meinung. Die einen rathen, bei ber 9)2ebidn
ju oerharren, bie anbern — unb unter ihnen auch
berbefannte ocnnfoloantfch-beutfchc ehrwürbige
ejcentrifd)e 3afob ©ruber Orangen auf Sintritt
inS Vtcbigtamt. Aber acb — in bamaliger alter
guter 3eit beftanb eine ©djranle, welche felbft ein
©ruber nicht hinwegeommanbiren tonnte. Uitfer
junger ©err Doftor war am Vorabenb gur ®och-
geit mit fträulein 5D2artin angelangt; bamalS aber
würben oerheirathete Vrebigcr nicht auf Vtobe in
bie Sonfereng aufgenommen. Der rnadere ®ru=
ber meinte ^war, ba§ ba halb geholfen fei, man
müffe einfach bie $eirath unb bie 3Mebicin oerab-
fchieben unb fo eine fHabitaltur bewerfftelligen.
DaS war aber bem Vrdutigam benn hoch etmaS
gu ftarf. Sr oerehelichtc fich unb liefe fid) im n>eft=
liehen Vennfoloanien a j§ 5)ottor ber 3Kebicm
nieber, wo eS genug Arbeit gab unb ber junge
3Rebiciner in fofern Srfolg hatte, alS eS ihm pe=
lang, oiele fitanlen gu heilen. Aber financtctt
glüate eS in 2Beft=Vennfoloanien nicht unb aufeet=
bem oerüefe ben 3Rebiciner nie bie Uebergeugung,
bafe feine SebenSaufgabe in bcrVrebigt beSSoan-
geliumS beftehc. Sr ,wanbte ftch befehalb nach
Digitized by
Google
*m. 3. P. PUei), ff. P.
619
©erathfdjlagunfl mit ©aftor unb ©orft.-Slelteften
wieberum an btc Gonferena,' unb wieberum warb
geantwortet: „Äein ©lafe für oerheirathete ©te=
biger."
SBar ba$ nicht ein Singeraei^ ©otteS, ba§ uad>
allem boeb bie 9Rebicin bet richtige Sebenäberuf fei?
SllS foldjer würbe bie Slbweifung aufgefajjt, unb
mit finben ben nachmaligen, auf ber Äanael fo er=
folgreicben ©ijdjof auf berSReife nach 0!t=©ennf*)l=
oanien, wo et ficb eine gute ©egenb aur ©rasiä
auSgefudjt, mit bein ©ebanfeu, niemals mehr bie
Äanael ju betteten. Ser frühere ©aftor war gc=
beten worben, in bet fircblicben ©efdjeinigung nur
oom ©lieberrecbt unb nichts bom Sofalorebiger ju
fagen. SarauS jebod) mürbe uid)t$, obwohl fein
aitoeret Schein acceptirt warb.
Äaum aber war bet junge Slrat in ©ottöoille, ©a.,
ein wenig eingerichtet, fo fam bet bortige 9Retho=
biftenorebiger, 9lco. 3 * ©. &ogaiiO/ lelbft ein
refcbbegabter Äauaelrebuet, ine Softorftübd)en unb
fagte, er bube bon beut früheren &errn ©aftor, 9tco.
SB. &. Sauf bie ©efebeinigung empfangen, bah ber
Slnfömmling SRUglieb bet Strebe unb Sofalprebiger
fei. Slnfänglicb wollte ficb ber junge Softor ba¬
gegen fträuben, bet aweite, ruhige ©ebanfe aber
tagte ihm, bafj biefe ©ruber weifet unb bejjer han=
beiten al3 et, unb febon ben folgenbeit Sonntag
finben wir ihn auf bet Sanael au ©ottSoille.
Srei 3ahte erfolgreicher unb eintrdglidjer ©ra^iä
gingen burcb$ Sanb. ©lürflicb aber war inner
Slrat nicht in bet Slu3übung feinet ©erufä, benn et
warb mehr unb mehr iiberjeugt, ba§ ba3 ©rebiger=
amt feine SebenSaufgabe fei. Sie Sheologte in=
tereffirte ihn mehr al3 bie SRebiain; et prebigte oft
unb war glücflicbet auf bet Sanael al8 in feinet
äratlidjen Arbeit. Slucb fagten ihm feine Srennbc
beftänbig, et habe feinen ©etuf oerfeblt, fo ba& et
im Stöhiahr 1850 noch einmal barein willigte, bei
bet ©hilabelpbia Gonferena unter ber ©ebingung
gemelbet au werben, ba§ e$ nur gefdjehe, wenn
SluSfidjt für feine Slufnabme oothanben fei.
Ser betreffenbe ©orft.=Sleltefte befprach fichmit
Sr. Surbin, bem bamaügen Sefretär ber SRif-
fjonSgefellfcbaft, welcher froh war, enblidj ben
uRann gefunben au haben, beneralS „mebicinifcben
SRijfionär" für Ghina fuebte.
2fcfet war bie ©ahn frei. Sr. Surbin fdmeb
an ben jungen Slrat, welker ©rief auf ihn wie auf
feine ©attin einen tiefen Ginbrua machte, ©cibe
erfannten in ber ganaen Slngelegenheit bie ©or=
fehung ©otteS, welche ihnen gerabe ben ©eruf au-
wieS, nach welchem ihre ©eraen oerlangten.
Sie finb bereit au geben; Sr. Surbin fommt
auf einen ©efud)/ bei welkem SllleS arrangirt wirb.
SBäbrenb be3 Sommert wirb ba$ Softorgefdjäft
abgewicfelt, Spätjabr unb SBinter aber bienen au
fpeaiellen, in Ghina au oerwerthenben mebicinifcben
Stubien. 3m Spätiaht 1850 wirb ber junge
Slrat officied alä 3Rifftonar inftaHirt, in bie ©enef-
fee Gonferena auf ©tobe augelaffen, nach ber ©hila-
belbhia Gonferena tran^ferirt, im 3Rdra 1851 oon
fflifcuof 3«ue^ al^ $)iafon unb Sleltefter orbinirt,
unb am 13.3Rdra beöfelben 3«hre^ fegelt ba$ junge
©aar in ©efetlfcbaft mit ©ertn Golber unb ©attin
unb Srdulein Sealo gen Ghina.
G$ war eine lange «Jahrt, bie bamal§ um ba§
Gap ber guten ©offnung gemacht werben mufcte,
wenn man oon^lmerifa au§ Ghina erreichen wollte.
®reiü)?onate wahrte biefelbe, aber eitbüd) erreid)ten
bie 9Riifionare ^ongfong nach 96tdgiger Steife.
Sobaiin ging’^ in einem leid)tgebauten, fleinen
bortugiefifchen Sd)iff ad>t Sage ber Äufte entlang
nach bem enblidjen ©eftimmun^orte goodiou».
Schifffahrten gehörten banial^ nicht au ben Suft-
reifen, loeber auf bem Dcean noch au berÄufte;
aber unfere Steifenben fanben ihre 3ufriebenheit
unb ihre Starte in ©ott.
Sie Ghina=©tiffion lag au jener 3eit in ber
ffinbheit. Sie war im eigentlichen Sinne beb
SBorteö ber erfte SOtijfiou^oerfud) ber©ifd). ©tetho=
biftcn=Äird)e unter einem beibnifdjen ©olf. Slüe^
gefebah oerfueböweife, fowohl oon ber 3Riffionö=
bchörbe alä and) oon ben SRiffionaren. Sie
SRiffionare Gollin^ unb SBhite waren 1847 aur
5 luffud)ung be^ geeigneten SRifftonSboftenS ooraugi
gegangen unb hatten bie 500 SReilen uörblid) oon
Ganton gelegene Stabt Äoodiow gewählt, wo fo=
eben ber amerifanifebe ©oarb unb bie ©tiffion^
gefellfd)aft ber euglifdien Gbiocobalfirche ihre Slrbeit
begonnen hatten. Sie Slubenwelt mujjte gar
wenig oon ^ooebow unb Ghina überhanbt, bie
Ghinefen aber nod) loenigcr oon ber 9lu6emoelt.
3m 3uhre 1848 waren bie SRiffionare 9t. S.
©taclao unb fceuro $icfod nach Ghina gefegelt,
unb 1850 fehrten Gollin^ unb Jpidocf mit bureb ba^
Glima erfrfjüttcrtcr ©efunbheit wieber nach ben
©er. Staaten, wo ber Grftere halb barauf in feiner
©eiinath in 93tid)igan ftarb.
3m 3&bt 1851 ftanben in Ghina bie 9Riffionare
SRaclao, SBhite, Golber unb SBileo mit ihren ©ott
geweihten ©attinnen. SRaclao unb SBhite hatten
gerabe fo oiele Sortfdiritte gentadd, um fidö ben
Gingeboreucn ein wenig ocrftdnblid) au machen.
Souft mubte 51U&8 oon ©runb auö gelernt unb fo
ju fagen gefebaffen werben. Sie uRiffionare be=
fafeen fein ©eim; fie fannten weber ba£ ©olf,
beffeit Sprad)e nod) beffen ©ebrduebe. Sic Ghi-
liefen fürditeten utib oerad)teten bie Srentben unb
fd)mad)teten no(b unter ben üblen 9tad)wirfungen
be^ „Obium^ftneg^.
©on biefer 3eit an, fage 1850, barf ber wirtliche
Slnfang ber Gbina=9Riffioit ber ©ifeb. 9Reth. fiircbe
batirt werben. Sille oorhergehenben Grfolge waren
bur^ biefeu Ärieg oeruichtet uwrbeii. Stiemanb
in fjooebow mar ber Sprache foweit mächtig, ba§
er ficb getraut hätte, aum ©ölte au prebigen.
Ginige fleiue Käufer waren für gotteöbienftlicbe
3 weae gemiethet worben, unb man hatte eine
tleine Schule in 9teo. SJtaclai)’^ ©eiin erötrnet.
Sille ©tiffionare wirtten fleißig, guten ©rmtb au
legen, unb hatten bie Sreube, ihre Slrbeit oon ©ott
gejegnet au fehen. Sa brach bie grofje Sai ©iitg
Siebeilion atiä unb oerheerte in fdireilidient Sd)lacb=
teil unb fürchterlicher 3erftörung bie gerabe weltlich
oon ber 9Riffion gelegenen ©rooinaeu. Sa§ ©olf
in Soo^ow fnirfchte förmlich oor Grregung unb bie
Sremben aitterten für ihre Sidierheit; bie SRebeüen
hatten au einer 3eit im Siorben ber Stabt eine
biefe bebrohenbe Stellung eingenommen.
berte fopflofet Seicbuame fd)wammen ben *Jlu§
hinab unb legten 3eu<jni& oom grdulidien ©emefeel
ab, ba$ nur wenige uReilen nörblich ftatt^efunbeu.*
SRanche fürchteten für ba^ Sehen unb Gigenthum
ber 9Riffionare unb rietben ihnen, in ©ongfoitg
Digitized by
Google
620
juo. 3 . m. »Ufi), ft
Sicherheit au filmen. SRaclap ltnb Selber ent-
fchloffeit ficb 311 flehen, mähreitb SBhite mit feiner
trauten ©attiit porauSgeetlt war. 3- 2B. SBilet)
X)Ueb auf bem gefährlichen ©offen.
©a harrten nun er unb feine heroifebe ®attin tu
einer erreflten heibnifcheit ©eoolferung, Aufruhr unb
©cmefeel in nächfter Stäbe, unter großen ©rüfuttgett
einen langen, heifeeit Sommer unb ein langet trau=
rigeS ©pätjahr auf ber SDtiffionSftation auS. Sine
SßinbSbraut ftürmt ber fiüftc entlang unb richtet
grofje ©ermüftung an : eine ftluth folgt, welche bie
©orftäbte unter SBaffer fefet. Sine SBoche unb
länger tonnen bie ©arreitbett beS woflenben SBafferS
wegen feinen Schritt über bie Schwelle thun, unb
alS bie J^litth verlaufen, ba bleibt ©ebrnufe unb
SOioraft, wie fic nur in einer Shinefenftabt gefunbett
werben.
©ie (Sefitubheit ber treuen ®attin wanft; ber
itobeSmurin nagt an berfelben unb im Tonern ber
fdjeibet fie Pont fleliebteu Satten unb ihren Äinbern.
3 n rquhgejimmertem ©arg tragen umnachtete ©ei«
ben bie ©üöe ber ©etreueit auf beit gebräuchlichen
©ambuSftaitgen hinaus auf einen ©ügel ber ©or=
ftabt. ©ort liegt fie begraben, wartenb hcrpoviu«
gehen in ber Aufevftehung als eine ber Srlofeteit
Shina’S, unb als ein Srftling berer, welche für bie
Ghriftianifncung ieiteS ©olfcS ihr Scbeit opferten.
3 efet ftaitb ber ÜHann mitten im ©cibenlanb mit
feinen jwei muttcrlofen flinblein allein. Sänger
tonnte unb burfte er nicht bleiben. 3m 3ahr 1854
fehrte er mit feinen kleinen naeft Amerifa jurftef.
Aber nicht, um nie wieber gu tommen. ©ott ber
©err hat ihm für feine Sreue eine grofee ftreube be«
fcheert. 33 i f ch 0 f 9Büet> zieht anno 1877 wieberum
nach Ghina, mn in berfelben ©tabt, wo er fo oiel
gewirft unb gelitten, eine jährliche Sonferenj 31 t or«
ganifireit! ©or 23 3ahrcit hatte erfjoochow mit
ebroebenem ©erzen unb wenig ©Öffnungen für’S
ortige 3RiffioitSmerf wertaffen. Unb waS ftitbet
er? ©amalS befanb ftdj fein einziger Kaufmann
in ber ©tabt, unb ber ©anbei würbe nur burch
zwei Opiumfcbiffe »ermittelt, — fefet (1877) blüht
eine grofje ©anbelSfoloitie. ©amalS — nicht eine
5firche, noch ein einziger eingeborner Shrift; iefet —
brei grofte Äircften ber ©ifefj. 2)?eth. SDtiffion nebft
ben ©otteShäufern aitberer. ©amalS — burften
(ich Gurqpäer beit Verträgen gemä§ nicht über fünf
Steilen über bie ©tabtgremeit wagen; iefet — reicht
baS ©tiffionSgebiet 150 ©teilen nach 9torben unb
SBefteit, unb 200 ©teilen ttaeft ©üben unb Offen.
3wifcben 4= unb 5,000 eingeborite Shrifteit lebten
bamalS in ber ©tabt unb bie ©tatiftifen ber ©?if=
fion ber Sifdj. ©ieth. Kirche weifen (1877) folgenbe
3ahleit auf: ©rebiaer35, eingeborene©ehilfeit 72,
Sofatorebiger 60, ©titglieber 1,235, ©robeglieber
776, &obeSfäde 22 , ffinber getauft542, Srwachfene
getauft 145 (in einem 3«hr); Jfirchen unb ffapeöen
60, 2Berth 810,190; JBohmutgen für eingeborene
©rebiger 15, SGBerth 81 , 601 ; betgetragen zum ©re=
bigergehalt 8621, für fi'ircbeubauteit 81,024, für bie
Sinnen 898, für aitbere firchliche Ausgaben 8294.
jffiir fehren nach Amerifa zurücf unb finbeit ben
früheren ©tifftonar halb nach feiner Anfunft als
©aftor einet ®emeinbe auf ©taten 3 $lanb bei
9tem gort, wohin er oon ©ifdjof ©iorriS gefanbt
tuurbe. 3m 3abr 1855 würbe ber iefeige ©ifchof
»on ber ©hilabelpbia in bie SKewarf Gonferenj
tranSferirt, unb bebiente in berfelben 1857 u.1858
bie ©emeinben an ber ©alfep ©tra§e in ©ewarf,
fowie bie Srinitp«Sirche zu ©ew 3erfep. Antto
1858 finbeit wir ihn als ©rincipal beS ©enning¬
ton ©eminarS, in welcher Stellung er bis 1864
berblieb. 3m Srühjahr biefeS 3ahreS würbe er
wieber als ©aftor ber Srinttp = Ätrche 3 U 3 erfep
ernannt, begleitete aber baS Slmt nur bis gum
3Hai, in welchem 3)?onat er »on berS3cncral-Son=
feren 3 3 um Dtebafteur beS Ladies’ Repository er¬
wählt warb, in welcher ©tellung er mit fehr be«
beutenbem Srfolg wirfte, btS bie ®eneral=Gonfe«
reit 3 beS 3abreS 1872 3te». 3 . SB. SBilep 88 . ®.
3 itm ©ifchof erwählte.
2Bir lernten ihn im 3«htc 1865 alS Sbitor beS
Ladies’ Repository feinten, unb erinnern uitS noch
wohl, mit welcher Sreunblichfeit unb 3»öorfotiu
menheit ber bamaltge SKebafteur ben gerabe ange=
fommeiten ©UfS = Sbitor beS Apologeten in ber
weltbefaitnten bunfeln AmtSftube an ber achten
unb 9Rainftra§e 3 « Ginciitnati bearüfete nttb mit
welch gewinnenber8eutfelijjfeit er eittfpradh-
©eitbem haben wir ben Sßaitn immer lieber ge=
Wonnen. Unermüblidj in feiner ebitoricllen AtntS=
tbätigfeit hatte er immer ein freunblicheS ffiort r
war ftetS bereit fHath 3 U ertheilett unb bie foftbare
3 cit für bie, welche [ich an ihn menbeten, 311 ge=
brauchen. Unb heute empfängt ber ©ifdwf mit
berfelben ©erjlidjfeit ade, ©eutfehe unb Ameri-
faner, Schwar 3 e unb Sßeifee, bie ihn „auf einen
Augenblick 3 u fprechen wünfehen, unb flieht ihnen
AuSfunft. Ob bie 3 U überwältigcitbe Sorre^
fponbeit3 beinahe berghoch angemaebfen ift, ober
trgeitb ein fchwieriger Amtsfall ÜHtthe macht, bu
gehft, mein lieber 8 efer, bei SÖtfc^of 9Bilcp nie fehl
unb wirft immer nicht nur ben beglichen 2 BiÜ-
fomm emeS chrtftlichen ©entleman, fonbem andh
ben werthbolleit SRath eines erfahrungSrei^en
Cannes unb burch unb burch gebilbeten ®eifteS
erhalten.
©ie ©eifteSbilbung beS ©ifchofS ift eine äufeerft
atlfeitigc unb abgerunbete, fo ba§ Weber Süden
noch f<harf ausgeprägte Sdeit su eittbecfen ftnb.
©eine Anfichten uttb ©runbfäfee fittb feft auSge«
baut, fein Urtheil aber wirb ftetS in mafepoüer
©prache auSgebrüctt. 3m Sonferett 3 faal, wenn
100 biS 300 oft unruhige ©eifter 3 U leiten fiitb,
gefchieht »on ihm nicht baS,waS man mit„©tränge«
anüehen" bezeichnet. SheeSfi^ aber ber ©efretär
recht Perfiebt, finbet er tn feinem ©rotofoll, ba§
eine game SKenge ©efAäfte in gröfeter Ütuhe unb
mit richtigen* ©efchäftStaft abgewidelt fiitb.
„Oiefer 3 «öführer, w fagte einmal ein waeferer
SReifeprebiger, „ift felbft fo wohl geölt, bafe man
baS Stollen ber äßajchine gar nicht hört."
AIS 9tebner fteht©ifchof SBilep in ben oorberen
SReiheit ber Strebe, unb zwar nicht allein bezüglich
ber Äanzelberebtfamfcit, fottbern betreffs 9tebcn
aßer Art. ©ie ©ebanfen richtig unb fchon auS-
subrüefen, baS ift ihm fo natürlich wie baS Ath«
men. Unb er hat ©ebanfen über alles. SOBir
haben ihn in ©rebigerperfammluitgen uttb bei %
anbern ©elegenheiten über philofoj)hifd)e, theo?
logifche unb praftifche Ihemata gehört, auf beren
©orbereitung ber fftebner faum etn Siertelftünb^
chen zu perwenben hatte, unb — tmmer bewunber«
ten wir ben 3 beenreichthum, bie fflarheit ber
Digitized by v^oooie
JHaren bie erflen beutfdj=amerikömfdjeii Pioniere gläubige COjriften ?
621
®arftellung unb bie mie ein unerschöpflicher ©orn
fliefienbe Sprache. Auf bet ffansel liebt e3 bet
i8ifcC>of oft bie Argumente bet ©egner genau fixirt
barsuftellen, moburch gewöhnlich großes Jntereffe
erregt mirb. — Jft et aber einmal über beit argu=
mentatioen Stheil feiner ©rebigt hinaus mtb greift
et in bie 3mlle be$ SLhemaö hinein, fo reißt feine
pathetische, mit Salbung ooin heiligen (Seifte be=
leitete ©erebtfamfeit bie Berfaminelten hin unb
emirft oft bebeutenbe Siefultate.
Al$ 3 cC>riftfteüer hat ©ifcbof BJileti eine fruchte
bare Ihatigfeit entmicfelt. Seine perfönlidieu ©eU
träge für’3 “Ladies’ Repository” uilb “Golden
Hours” mürben mehrere große l‘2mo ©änbe füllen.
Sein ffierf über Ghina unb Japan ift meit be=
rühmt, Außerbein bat er bie beiben merthoollen
SBücbet “Fallen Missionaries of Foochow” mtb
“Religion of the Family” gefchrieben.
®er 8eiben3feldj ift unfcrm ©ifdiof nicht erfpart
geblieben; et hat benfelben vielmehr biä auf bie
&efe gefoftet. 6 t fab einet ^weiten ©attiu itt’3
©rab; verlor burdi einen Unglürf^falt einen ftoff-
nungävollen Sohn unb bat Schmers unb ©ram
aller Art erfahren. Jebodj — auch im aüertiefften
ßeib, ober bei perfönlidieu Äörperfdimächen fiitben
mir biefelbe Seutfcligteit unb biefelbe treue Bflidit-
erfülluitg. Jn ^toterer hat et in beit smolf Jah=
reit feinet ©ischofäamteä 185,000 teilen meit ge=
reift, bie ÜHiffionen in Ghina, Japan unb Guropa
befucht, führte bie Aufsicht übet bie ^Montana,
Utah, Ghina unb Japan 3)2iffioit, orbinitte T84
®iafoite unb 560 Aeltefte, fchtieb mehr alä 15,000
amtliche ^Briefe, hat fort unb fort geprebigt, Bor=
träge unb Anfpracheit gehalten mtb viele ßircheit
eingemeiht.
Außerbem hat ©ifchof 2Bilep von Anfang an
oiel 3 eit unb ffraft bet ©efellfchaft für frei-
gelaffeue Sflaveit gemibmet, alS beten ©räfibent
er schon smolf Jahre im Segen mirft unb in allen
ihren Angelegenheiten ein perjönüdieö Jntereffe
nimmt.
SDZoge ©ott bet ©crr feine ©efunbheit ftärfeit
unb ihn noch viele Jahre lang sutn Segen bet
Jtirthe, sunt ©eften be3 8 anbe§ unb sutn SBohle
ber äKenfdiheit mitten laffett.
* *
•
SBejihalb ich biefen 8 cben§lauf ersählte?
JBetl sum Grften berfelbe ein reicher unb viel=
bemegter ift, au3 melcbcnt Jebermaun 8ehre unb
Segen fchöpfeit fann. SBenn man immer nur oou
ben großen SEobten rebet, fomntt bie 3GBclt am
Gnbe auf bie Meinung, namentlich bie junge 2Bclt,
baß alle guten, tüchtigen 33?enfcheu im Simmel
feien, bie Grbe aber ben aitbern überlaffen bleibe.
®arunt gilt e3, manchmal auch baS 8ebcnsbilb
eine$ nodi im ©rbenthal SBallenben aufjurollen.
3 um 3meiten meine id), baß foldi ein ©ilb midi
unb bie ©rüber im Amte ftärfe. 2Bir lernen bar 5
auä, baß e3 nidit bloß mir finb, bie große ©ürbeit
tragen, oiel Arbeit haben, im 8eibe meinen, fonberit
baß bie bebeutcnbften ©Jänner ber ilircbc, welche
nur alle Sage beobachten fönnen, c3 nicht helfet
haben.
3 um dritten giebt e3 überall junge Männer, bie
e$ brängt, im ©etdie ©otteS al§ Brebiger su arbei¬
ten, beneit ftch aber mandierlei ©inbcrniffe ent=
gegeuftellen; beiten fagt biefeS ©ilb: Sei nur ge=
treu unb nicht ungeftünt; menn@ottbid) hraucheu
fann, fo fehlt e3 ihm au Mitteln unb SBegen nicht.
Gr mirb AUe3 herrlid) hinauöführeu.
Uforen Me erjteii kutfdpnmerihnnifdjen pioiitere gläubige ftljrifte»?
Gbitor.
J m ©Jonat Oftober feierten in allen größeren
Stäbten bie Oeutfchen ba3 200 jährige Jubi¬
läum ber Anfunft ber erften beutfehen ©io=
niere in ben bereinigten Staaten. SBaren
fd)on früher einseine Oeutfdhe in ber Steilen JBelt
gelanbet unb haben fid) biefelben hiet ntebevgelaffeu,
fo batirt fich bie erfte beutfehe Golonie boeb erft oom
6 . Oftober 1683, an melchem Oatum 13 beutfehe
Samilien ftch ba nieberließen, mo jefet ©ermantomn
gans nahe bei ©hilabelphia fteht.
®aß ein fold)e^ Greigniß mit großen JfeftlichfeU
ten begangen mürbe, ift erfreulich unb gereift sur
Ghre ber ®eutfd)eu. Oaß biefe J?eier aber überall
au^fd)ließlid) in ©änben außerfirchlicher beutfd)er
Ginmanberer lag, bie ben ©tauben an bie 'Iöahr=
heilen ber heil. Schrift längft su ben Äinbermähr=
dien sählen, baS ift nid>t fo fehr erfreulich, beim bie-
femümftanbe ift e£ susufchreiben, baß bie beutfehen
Scftrcbcn ba^ ^aupt=Gharacterifticum jener erften
beutfdien Golonte faft gar uid)t berührten, nämlich
ba§ einfache, ernfte bi bl if die Ghriftenthum
ber Goloniften. G3 mar gans am ©lafee, baß aitdi
beutfehe, bie niditS oon biblifdiem Ghriftenthum
miffen molleit, an biefem Jubelfcfte theilnahmen.
Jitbem aber bie freier au^fchließlich su einer S)e=
inonfhation bedienigtn ^eutfdithumS, loeldieS
©otte§ ffiort alö übermunbenen Stanbpunft be¬
trachtet unb bem ©ier= unb SBein-Gultuo hulbigt,
gemacht lourbe, gefdiah jenen erften frommen beut-
fdien Gimoanberern nidit ©crecbtigfeit. Sie famen
unter Anführung be^ ernftgläubigen unb gelehrten
©aftoriu^ auf ©eraulaffung. SBilliam ©cnn’^
herüber, um ben Befolgungen m entgehen, bie fie
in ber ©egenb oon Grefelb unb anberen ©egenben
in ®cutfdilanb ihrer religiöfen ©emiffenöüber=
seuguitg loegen su bulben hatten, unb gehörten alfo
biircbauS uidit 311 beiten, meld>e mit Berachtung auf
ba3 Ghriftenthum hcrunterfdiauten.
Uub mit jenen erften beutfdien Anfieblern glam
ben noch heute oielc ®eutfdi=Amenfaner an ben
lebenbigen GH'tt, unb proteftiren gegen bie Pon fie¬
len bet Seftrebncr aufgeftellte ©ehauptung, baß
ba§ ganse ®eutfdi=Amerifanerthum heute meit
über bie „einfältigen Anfichten jener alten Bioniere"
Digitized by v^oooie
622
Srn Sdjweifer l&odjlanb.
potßetücft fei unb bcm 2 Betn= unb 2 Mer=ßultu§
bulbiße.
JBte bem aber auch fei, — mir freuen un3 bar=
über, bafe btefe-3 (Sreißittü überbaupt feierlich be=
ßaitßen mürbe, ittib führen beit ßeneißteit Cefer auf
einen SHiißenblid in jene alte 3 ett aurüd.
Situ 6 . Oftober 1683 sieben 13 Familien, bie
foebeit in fUbilabelpbia lanbeten, Innatts an ben
gliife SBifjabiceon. 3)a$ ihnen jitßenneicite fianb
ift eine 2öilbni§, in melcber Oie braunen ffinber beo
2Balt>e3 beut meifeeit trüber ein freuitblicb 28i(l-
fomin bieten. 5J5aftorin3 mar oorangeeilt unb batte
2 llleä sum (Smpfattß vorbereitet.
8113 fie fiel) nun im SBalbe ein tuentß gesammelt,
ba mürbe ßleid) beit erfteit Saß ©otteobienft ßeba(=
ten, unb nadjbem bie erfteit SHixfüütten errichtet
maten, marb auch ein einfaches ©otteSbauS au$
©auinftdminen ße$immert. ®ie erfteit in ©er*
mantomn ßebruateit 99üd)cr maren reiißiöfe. Oie
ßaitse ßoloitie tvuß baS ©eprdße einer cb r i ft l i cb e n
Slitfiebluiiß, unb meitit fBaftoriuS auch ben äJeini:
„SBein, Seilt, äßeberfchveiii" in baS SBappeit ©er*
uiaittomn’S aufnabitt, barf ber erfte Stbcil biefeS
Sprüchleins nicht etma babiit auSßeleßtmcrben, alS
ob teite Pioniere 3 ed)er ßemefen unb bem ffietit*
fitltuS ßebuibißt batten, mie viel mobevite Oeutfcb^
^Imerifaner. Seite Srftlinac am SBiffabiccon maven
Oudfer, aWenitoniten u. f. m., nüdjterue, arbeit-
fante Seute, beiten linum viel mehr bebeutete alS
vinum uitb bie eS iebenfallS nicht als Seruf ber
Oeutfdieit attfaben, ben @eitii§ ßeiftlßcr ©etrdnfe
Sinn ©Aiboletb in ben 93er. Staaten su erbeben.
— g rQn
$tn Sdjroeijer iodflnnit kr Berner JWpen.
ewtw.
einer 5llpen ! Sie ftnb bie Seljnfuiht
jebeS BaturfreunbeS. 2öer im
Sommer burdj Deutfdjlanb unb bie
Sc^roeij jiept, bem begegnet bieS
SBort öfters als irgenb ein anbereS
im Blunbe bcS IReifenbert, unb taufenbe eilen
bortbin.
©ie 6 t e§ and) im Berner Dherlanb nirgenbS
einen puiitt, an meinem man fid) fo in bnS
6 erj ber Hod)gebirgSme(t Derfcßt fiebt, wie bei
3ermatt in ber Blaut 9tofa ©rtippe, fo bieten bie
Berner Blpen bod) foldje medjfelfeitige Blannig«
fattigteit ber Dljäler unb Seen, Schönheit unb
2lbel ber Bergformen, roie man fie nirgenbS an»
bers in ben Üllpen unb nicht febr oft auf ©rben
finbet.
®aju finb fie and) leichter 31 t erreichen als baS
|)erj ber ^llpenfette bei 3 ermatt unb bi (ben aus
biefen ©rünben im Sommer ben 3>flt>unft tau»
fenber Beifenber aus aller Herren Sauber.
Blertmürbig ift bie Dfjotfache, baß Diele foldjer
Schwerer, welche bie fonftige Sßelt geieben
haben, biefe Perle ihres eigenen SanbeS noch nie
Don ber Bähe geflaut. Sie maren in Blündjen,
Straßburg, Berlin, mohl aud) in Sßien unb fo»
gar in Baris — aber baS Berner Dberlanb!
taS ift ja fo etmaS gewöhnliches. Sie gehen
auf ben Ütigi unb minien ben Bergriefen Don
ferne ju, unb — babei bleibt es wohl 3 ab re lang.
Solches geftanben uns aufrichtige Schweizer»
Icnte felbft unb mir buchten babei an baS Söort
Dom '-Propheten, ber nichts gilt im Baterlanbe.
Unb Propheten lönnen alle unb auch biefe
mächtigen ©otteSfcpöpfungen an uns werben,
wenn wir nur nicht hei ihnen ftehen bleiben,
„$u paft beitte ©Äulen bir aufgebaut
Unb betne Tempel aegrttubet,
SBobtu mein aläubtgtf 9luge fdpiut,
^ert- unb Haler c3 finbet."
fonbern an ihrer Haub weiter gehen 311 m Sdjö»
pfer, ber ba ift „Unfer Bater in bem Himmel".
SBer aber baS Treiben ber Ober(anbS=SReifen»
ben im Berner Bahnhof ein wenig beiaufcht,
wirb im ©011301 wenig Don biefem 3uge nach
bein ^öchften wahrnehmen. Die größte Sehn«
fmht, 100311 es eine Jliisahl bringt, fleht und,
einem hol)«n fRaturgenufe; bie meiften aber finb
gelommen, um in ©enufifuebt fröhliche, fleifch«
liehe Dage 3 U oerleben, welches ©runbihema in
allen 3 lin 9 fn ^ er gebilbeten Bölfer aus biefem
Btenfqentnäuel herausllingt.
Da wir biefe Douriften fchon läiwfi lennen
unb es uns Derlangt, in Btitten bcS S<hwei3er«
üolfeS 311 reifen, unb auch noch anbere nahe»
liegenbe ©riinbe Dorliegett, fo wählen mir ben
©ifenbahnwagen britter fflaffe.
©in Scheibegn© an Bern, wo unfer ffreunb
Peter weilt, untwbaS mir finiter nochmals be*
rühren, unb wir bampfen bem Hochgebirge 311 ,
ber Stabt Dfjun entgegen.
©S finb fernige, fräftige ©eftalten, bie uns um«
geben. Blanche tragen bie malerifthe Dradjt jener
Hochthäler, anbere hoben fid) au^ fchou Don ber
jhiltur beleden laffen, unb fteden, unb 3 mar
nicht 311 ihrem Bortheil, in ftabtifchen Kleibern.
Der ächte Berner OberUiitbcr Bauer aber uitb
feine Bäuerin, bie wollen 0011 bem Parifer f^irle»
fan 3 nichts mifien. — finb fie boeb freie Sdhwei»
3 er unb Weber Äaifer noch SReich, noch ber Blobe
linterthan. Sie prangen im Bationalfoflüm
unb würben, wenn fie’S and) fönnten, ui'htian»
bereS reben als Berner=bütfch.
Daran muß fich nun auch ein fübbeutfdjeS-
Chr erft gewöhnen, beim biefer berühmte Dia»
Digitized by v^ooQie
w m iu**
3m $d)uiei;tr $od)lan&,
623
Digitized by
Google
624
3m Sdjroeqet Hodjlanb.
£$un im ©crn«r D&erlöttb.
left lautet als ob er au» eitel Aebdauten be=
ftänbe. 3ft nian aber einmal ein wenig im
©eleife, fo fornmt man aud) mit nnb finbei ein
fernig, ^erjig Soll, baS gewiß eine große 3 »*
tunff oor fid) bot- wenn — es ooin Sramttroein
gerettet unb für wabreSßbriftentbum gewonnen
werben tann.
SJBer baS ©djroeijerbol! na<b ben aufgeftußten,
um einen bolben Saßen an ben Ärenjroegen
jobelnben «Sängerinnen, nach unwirfdjen ober
gar groben Sahn beamten, ober nach ben „Saug»
tmmßen" in ben fogenannten großen ©aftbäuferit
beurteilt, ber erhält ein fd)iefe§ Urtbeil. 5 Dtan
muß unter’S mirtlicbe Soli felbft geben, in bie
ffamilien ber beffern filaße eintreten unb bei
berffrau Söirtbin im UleitwÖaftbauS einfebren,
um 311 entbeden, baß noch oiel alte Sieberfeit im
S^meüerbolf jtedt, bafe bie $ur<hf<hnittsbilbung
eine feßr gute, unb man in ber Verberge recht
mobl aufgehoben ift, ohne 31t $obe gefcbrößft 311
werben.
freilich hoben Unglaube unb Sünbe in ber
Sdjweifl. wo fid) bem übrigen ffeftlanb ©uropaS
gegenüber alles, fo auch baS Söfe, freier ent»
faltet, aud> bebeutenbe Serbeerungen angericbtet.
9 ln |)er3Web unb Stenfdjenelenb fehlt eSbeßbalb
ni(bt. ©in reich mit ibtänen beneßteS Statt
an§ biefem ffiapitel wirb uns auf ber furzen
Strede Don Sern bis 2 Bid)trad) Don einer 3 ün*
gerin beS £>errn, welche 3U ben gremblingen
Sertrauen faßt, aufgefcblagen. Sie bittet um
einen in Ulmerifa 3U leiftenben ®ienft ber Sarm»
ber3igfeit. Was natürlich auch gerne gewährt
Wirb. 311 S ich ober fpäter irgenbwg in Ohio in
SDie »erntr 2Upeu.
Digitized by v^ooQie
3m Sd)tnei|er fjodjlanb.
625
Ausübung biefeä $)ienfteä bie ©eftalten unb
Slradjleit ber SBetreffenbeit, bamalö im Gifen»
babnroagcn fid) ©efinblidjeit flaute, b« bact>te
id) — „ad), Imevita, maö bift bu bod) für ein
nüchternes, prattifrf)eS, litoellirenbeä 2 anb!" —
3 ebo<b mag e» auch für fie, roie fo bielen anbent
jur (Sctjnle werben, wo fie 2 )en fiitben, ber nod)
»iet taufenbmal herrlicher ift, als bie ©ergriefeit
mtb f)od)tf)äler be§ ©erner Oberlanbeö. $)er
4 >err fchenfe e§.
2 >er 3 «fl nähert fid) bem £>o<bgebirge. $eut.
lieber treten hinter ben ©orbergen bie mit Schnee
bebedten Sergfetten beruor; unter ihnen unb
Jungfrau, Giger unb fDiönch bie hbdhften. xiiit
etroa§ ^Bhnntafie fann man {ich aus bem leßtge«
nannten «liefen recht wohl
eine ©JöncbSgeftalt ju«
recht legen. Ullfo bat
and) bie begabte 2 )idjterin
©Jetn Käufer getban, in*
bem fie fingt:
„Sie haben fie oertrieben,
bie HTöndje bort im üt{al;
Doch einer fleht ba brüben
(8a r feft imSonneitftrahl.
Den taffen fie toohl flehen
im meinen Schneege*
tpanb,
Ittit priefterlidjem (fletjev
bas ffaupt 3U (Sott ge*
roanbt.
groar hüllt in tDoItenftöre
er oft fein tpeifjes ffaupt,
Dag er nicht fei}’ unb höre,
»as feinen $ufj uin<
fdjitaubt.
€r fleht ja abgefebieben,
ein tJtönch, bem fjerrn
gemeiht,
3« ewig fliflem ^rieben,
erreicht non feinem
Streit."
2)ie Sonne ift im ©efieit unter ben ftorijoitt
binabgefunfen. 2 )ie tieferen $böter fdjimmern
in bunflem ©eroaube, aber bie höheren ©erg.
gipfel, au<b bie, met<be noch nicht mit Schnee be.
beeft fiitb, leuchten in feurigem SRotl). 2 öie nun
bie Sonne immer tiefer unter ben ^orijoitt bin*
ab fittft, sieht fid) baS ©tüben ber ©erge Don
©ipfel ju ©ipfel bis auf bie bö<bfte Spifce be$
©ebirgS jutüd.
3ej)t finb bie ©orberge, welche bie Sdbneejone
nid)t erreichen, pötlig befchattet, unb bie Sdjitee.
fette fcbiminert in befto fiärferem, röt()lid)em unb
gelblichem ©lanje, au<b ber himntel barüber
rötbet ftch prächtiger.
3 ebn, jmanjig ©linuten ftaunen mir baä
auf ba* airn.
S)er ©Jittag ift beinahe babin; ber Abenb
bricht heran; abun am Senner See nicht mehr
ferne. „S‘ ifd) fei ©ölfli am Fimmel," fagte
neben un§ ein ftämntiger Dberlänber, ,,b’ 3fmig-
fräu roirb fuerig ffi."
Gr meinte bamit, baß mir baS Alpenglühen
fchauen mürben. Unb alfo mar e§ auch-
©enn bie Sonne auf. ober untergeht, ge.
fangen 2 icbtftrablen, mäbrenb fie noch nicht über,
ober fchort unter bem £orijonte fteht, burd) bie
Spiegelung ber obern 2uftfdjid)ten in tmfer
Auge. ®a# ift bie Urfadje ber Dämmerung
unb ber fffärbung be§ £>orijonte3 am ©Jorgen
unb Abenb bei hellem ©etter.
3 it ähnlicher ©eife entftefjt ba§ mnnberbare
Alpenglühen. G§ ift bie auf bie ©erge gegoffene
Abenbrötbe.
! pratbtooße Sdjaufpiel an, unb nun finb auch bie
i unteren ©artien ber Schneefette in Schatten ge.
i hüllt unb nur bie bödjften ©ipfel febeineu mie
i ungeheure glühenbe Sohlen, in feuerrothein
] ©lanje über bem bunfelen ©efilbe ju febmeben.
i ©Jan meint prächtige, Don ber Grbe loögelöfte
; fjeuerförper 311 feben, welche über bie Schatten
J ber Grbe triumpbiren.
| „Steh h«n ! Dom v f Iammenfraii} umfctjlungeit
Das Raupt ber 21lpe, glutbumrollt,
j 2l(s ob 311 fpareu ihr gelungen
€in CEbeil pon ihrem (Ltgcsgolb !"
Seboch — auch biefer Jvlamtnentronj finft enb.
lieb unter im $uniel be» AbertbS. 3dj aber
habe auf. Grben noch fein pädjtiger fjarbenfpiel
gefebaut; ich beufe an ben ©lauj ber Groigteit,
Digitized by v^ooQie
626
3m Srßweijtr $jodjlanb.
2>r «Rofenlaut ©letföer.
in welchem bie 93evflärtcn thronen, unb an baS,
wa§ Snngenbeder fintt:
„lt>ie wirb mir fein, roenn bcines fjauptes Strahlen
Hletn Ejaupt umleucßten, bas bem cSrab ciitfdjmanb,
Unb wenn im tjimmelsglaus fidj por mir malen
Die ^renben, bie fein fterMidj Rerj empfaitb I
IDie roirb mir fein 1 CD, tcclcbc Seligfeit
£mpftnb’ icf), benf’ idi jener ^renbenjeit 1"
3<ß trete Don ber Plattform, Don wo ich baS
unDergleicßliche Sicßtfpiel geflaut, in ben 2Bagen
Surüd unb mein 2luge trifft ba jit*
näcßft ein Wütterlein aus bem Serner
Oberlanb, ba§ offenbar nid^t »t ben
9lermften gehört unb in fieß Derfunfen
Don all ber 4>errlicßfeit bort oben am
©ebivge nichts miffen will.
„3ßt habt aber Doch ein wnnber»
fcßöneS 2anb," fage ich sum Wütter«
ieiit.
„3a," antwortet fie, inbent fie bie
harten $änbe faltet unb muß mit ei»
nem Dielfageitben ©lief anfieht, „amer,
bie Fercha chiimmer nitt effa!"
$aS alfo ift eS, an was baS ge«
plagte Wenfdjjentiub auch in Witten
biefeS großartigen Stüde Schöpfung
bentt — an Das liebe ©rot, an ben
stampf uni'!' Unfein. Tics einjige
2Bort ber ©eruer fvrau gab mir mehr
Sn beuten als Dielleidjt ein ganser
©aub über fd)wei,serifd)e 9tatioualöfo=
nomie Dermodjt hätte. 2Mrbe mir
nicht fefjori Dorher bie richtige Urfacße
ber ftarten fcßweiserifcßeii ©uSwanöerung
tunb geworben fein, jefet wäre fie offen«
barlicb bot 9lugeit gelegen. 2tuch bie
Scßweij ift ttberDölfert, unb auch bie Me«
publif tann nicht genug ©rot feßaffen.
„Station 2hun," ruft ber ©onbufteur,
„wer nach Snterlafen fährt, fleigt erjt in
Sdjetslingen aus."
3u biefett gehören wir unb finben uns
halb mit ber übrigen ©ifetibabngefell«
fißaft auf einem tleinen, aber bübfdjen
Kämpfer, ber uns auf bem 2ßuner See
nach 3nterlaten bringt.
@S ift Döllig 9tacßt geworben; swar
ift es feine SJtonb« aber eine helle Ster*
nennacht, ©rau unb feßwars fdßaut uns
bie gelSmaffe beS ©ebirgeS an, gefpen«
fterbaft lugen bie weißen Schneeflächen
ber SRiefen auf uns herab, ©s ift eine
Scene, bie feierlich ftimmt unb baS ®e«
feßnatter ber ©efeßwafeigen Derftummen
macht. Selbft bie tfransofen fdjeinen
bie galanten ÜtebenSarten Dergeffen su
haben. Sebermann feßweigt, ober flüfler:
unb — feßaut an.
So erreichen wir ^nterlafen, bie berühmte
Sommerfrifdße s w i f cß e n ben Seen, bem $ßn.
net unb Srienjer nämlicß. 9lucß hier üben bie
großen ©afthöfe, Weber SRitfdßarb noch ©ranb
©ictoria, wo man um fcßwereS ©elb in ben „fie»
benten Luftballon" einquartirt wirb, auf uns
irgenb welche ©nsießungstraft aus. 2öir sieben
in eines jener Meinen, reinlichen, guten ©afthäu»
fer, welche man im ©äbefer immer unten finbet
(foflten eigentlich oben fteßen), unb befinben uns
feßr woßl babei.
J'aS ©rimfel
Digtfeed by UooQie
Um Sd|toet;er $jodjlanb.
627
3a, bie ?$rau Sßirtfjin bereitete in ber 2tuS*
maß! beS 3> m tuer§ fogar nocß eine angenehme
Ueberrafcßung.
borgend jroifchen jroei unb brei Ubr toaChe
ich auf unb geroahre, baß burd) baS fünfter un=
ter beni etroaS anfgejogenen Sorljang ein ganj
eigenthümliCheS SBcife flimmert. Der Sorßang
roirb aufgejogen unb fiebe — ba fdjaut ba§ Sil*
berhorn ber 3ungfrau — ber beriihmtefte Serg*
riefe ber Serner vllpeit — Dom ©lanj beS StonbS
beleuchtet, ber feitbem aufgegangen, ins fünfter.
ihrem eigenartigen, nur in ben SIpen fi<b fin*
benben Stroma, hinauf motten mir ein menig,
unb herunter möchten mir f(bauen Don biefen
herrlichen Sergen auf bie ©letfcßer unb Statten,
in bie Schluchten unb $bäter.
9lber m o h i n benn ? Der Stege, bie juttt
Schönen führen, giebt eS ja fo Diele; unb roie
machen roir’S ?
lieber baS leßtere, baS roie, ertheilt ein alter
Seifefprud) beS Sßitanber Don Sittenmatb Satt),
meldher fagt:
«Jungfrau, tjohe, reine, fürftlirbe ©eftalt,
Die int Ilionbenfdieine milbes tidjt umwallt!
£fodj com hehren (Throne ftrahlt bein Ungeficfct,
Das bie ßimmclstrone bräutlich fd?ön umflicht.'
So reijenb unb er*
haben mar ber Snblid,
baß bie ©efätfrten brü*
ben im anbern Sitmner
gemecft mürben. Da
ftanben mir benn unb
rooüten nimmer fatt
merbeu Dom Sehen unb
Serounbern. 2lm lieb*
ften hätten mir einen
Keinen Slorgenfpajier*
gang jum jungfräu*
liehen Serg gemacht.
Da berfetbe jebodj troß
feiner feßeinbaren Sähe
immer noch fo 15 Stei*
len entfernt ift, unb
beffen Spißen 12= bis
13,000 (Jufj hoch oben
liegen, fo bleiben mir
hübfeh unten unb be*
trachten uns ben Son*
nenaufgang.
Die Storgenröthe
bämmert. 3nbenDßä*
lern liegt noch bas Dunfel ber Sacht, finfter
ftarren bie ^ichtenroalbuugen an ben fteilen Hai*
ben, unb nur im Dämmerlichte beben fich bie
Staffen meiter unten fteljenber pfeifen ab, mäh»
tenb ber erfte Souuenftraht bereits ben ©ipfet
beS SilberhorneS gefügt unb mit rotljer ©luth
iibergoffen hat. ©otbumfäumte SJolfeit Der*
mäßlen Fimmel unb (Srbe unb nach unb nach
gläntf bie ganje Sette beS Hochgebirges in bem
Sicht beS $ügeS.
3nterla!eu ift ein Sommeranfenthatt. mo
Diele Sotnmevfrifchler ruhen unb fich Dergitügen,
unb jugleich ein Stanbguartier für foiche, bie
gerne Douren im Hocßgebirg machen. Staub*
quartier föniten mir jroar nicht machen, benn
mir reifen amerilanifch, baS heißt fchnelt; aber
bie Ho<bg«birgSluft m üf| C n mir atljmen mit
„IDer reifen will,
Der fd;weig fein füll,
eßeh’ fteten (Tritt,
Heßm’ nidjt oiel mit,
(Eret’ an am
Unb
frühen
ITlorgen,
laffe ßeim bie
Sorgen."
SSßenn irgenb, fogitt
bei einer Seife im Hoch*
gebirg baS „nimm nicht
Diet mit". Die reichen
öeute mit ihren .ftof*
fern, Schachteln, Süch»
fen, Siinbeln unb Sa*
bieS ftnb in bem Hoch=
gebirg boch nach allem
recht arme Dröpflein,
bie fich felbft. Sieh,
Stenf^en unb Singen
plagen unb Don roegen
ihren Siebenfachen gar
niCht jum eigentlichen
©enuß, noch Diel roeni*
ger aber jur Erholung
unb Äörperftärfung
fommen.
Der ®ic&bac$. Slfo — ©epäcf
unb hoCheigener ©epäCf*
träger — fo gehen mir.
Unb roohin ? Sun bahin, mo nicht jeber
SttlermeltSreifenbe hiugeht unb roomöglicß ben
gleichen 2Beg nicht jum jroeiten Slat.
Diefem Säßlein gemäß mirb Dor altem bie
Softftraße Don 3nterlafen nach ©rinbelmatb ge*
mieben, unb mir erreichen biefeS große Dorf unb
Hocßtbal ber Serner Slpen auf bem tjerrlicKett
öaumpfab über bie Sleitger Slp. Diefer Sieg
führt juerft nach bem berühmten Sauterbrunnen
mit bem Stnubbad), beffen Silb mir fcßoin früher
brachten, ber aber in „unferm" heißen Sommer
beinahe eingetroefnet mar unb nur roie einbiinn’
ffäbeleiit feine 1,500 bis 1,600 grüß ßerabjog.
3m obern Sauterbrunner Dßal fteigen 1,500
bis 2,500 fjuß hohe ÄatffelSmänbe’ fteil jum
Himmel unb überall fiürjeu SBafferfäQe herab
Digitized by v^ooQie
628
3m $dpoei}tr godjlonb.
unb quellen frifd^e Srunnett, baber bet 9iame
„Sauterbvunnen".
Sott biefem $orfe gebts ben fed^Sftünbigett S3eg
Aber bie Menget 2l(j) na<b ©rinbeimalb. Seim
4?otet Jungfrau erfd)eint biefer Sergriefe, bie
Jungfrau, mit feinen unermejjlidjen Schnee.
toa(b=3:baI, fonbetn auf ben größten $bei( ber
Serner 2Ilpen bat, unb ben festen $0eit aller
SfpengtetfÄer, ba§ Reifet bie größte jufammen«
bangetiöe ©tetfd^ermaffe ber SUgen, überfielt.
3fn fteilem 'ilbftieg toirb ©riitbelroalb erteilt.
Son ^ter und) 9taft unb (Rub in einer Verberge
felbern in feiner ganzen Klarheit unb £>errlicb; >
teit unb täufdjt ba§ 'Jlugenntaß berinajjett, baß I
inan auf ©cbußtoeite nabe ju fein frf;cint.
Son gier fütjrt ber Sfab auf bie tleine ©d>eib=
cd, oon roeldjem fdjarf abfafleitben ©rat mau
nid)t nur einen iiberrn[d)enben Süd in§ ©rinbel»
ber „{(einen Seute" tttieber binauf auf bie norb.
öft(id) gelegene grofje ©djeibecf, auf toeldjetn
3öege nian bie prädjtige Serggcftalt be§ SBetter»
bottteä faft immer ttor fidf) b<it. Son hier auf
ba$ gaulborn, ben Serg jtoifdjen bem Srienjer
©ee mit bem „faulen" ©eftcin (baber ber (Käme)
(fin Sag aus Pc. Partin lutljer’s feben.
629
unb ber wunberfjerrlicben SluSficht auf bie Set»
ner Sllpen, beten Stielen man fjier in unmittel»
barer Stäbe fehaut. Oa griifeeit fie uns ade bie
„^örner", 3 Beüfjorn, 2 SetterI)orn, ©djroarjborn
unb not allem baS ginfteraborn, ber ^öd)fte
Serg ber Serner Sllpen mit gungfrau, ©iger
unb SJiönch, im ©anjen etwa 30 fdjneebebecfte
Serggipfet, Wäbrenb im Storben unb Storboften
bie Srienjer, Uffciner, Söierroatbftätter unb
3 itfler ©een wie blaue Singen 311 uns b^auf»
gucten unb non weiter gerne Rigi unb $ilatuS
uns beti ©rufe juwinfen.
drunten im fReitfeenbacfetfeal (baS Sarabies
ber SRaler unb itünftler) wirb oon biefer Serg»
tour etwas geraftet, unb wir fönnten üoin ©oft»
bauS biiwuffteiflen jum Rofenloui»©tetf<her, ber
berühmt ift wegen feines Haren, frtjftaflbenen
©ifeS. Slber wir bringen oorwärtS, bem Star»
tbale ju, itad) SJteiriitgcn, bem feit bem Sranbe
bon 1879 fo bübfcb gufgebauten ©tbweijer»
Oorf.
{>ier reifen wieber gar biete berr(icfee Serg»
pfabe ben Siaturfreunb, fo 3. S. ber jum Rfjone»
gletfeher über bie ©rimfel mit bem ©rimfei»
boSpij, welchen 2 Beg wir früher einmal wanber»
ten, unb biete anbere. 9 Bir muffen jebocfe 311*
riicf 311m Sierwalbftätter ©ee unb bon bort nach
3 üri<b.
2 Bir menbeit uns beSbatb 3unäd)ft nach Srienj,
am ©ee gleitben Siamens, befugen bon ba in
©ile ben ©iefebad) mit ber jefet gebauten ©cfeief»
ebene=Sabit, bie nicht burch Oampf, fonbern
mittelft beS ©emidjtS ber Silagen betrieben wirb,
inbem ber berabfabrenbe immer burch SBaffer,
baS man in einen Sebälter oben ein» unb unten
Wieber auSfliefeen täfet, befdfewert wirb.
Oer Srünig 5 ßop, ber bon Sriem nach 2 u«
jern führt, gehört ju ben gangbarften in ber
©djweij unb ift ein guter breiter gaijrweg, auf
Welchem biel Sllpenberrlichteit ju fefeen ift.
Oiefe Stlpenwanberungen haben mir au Ceib,
©eel’ unb ©eift fehr wohl gethan. gtbeSinal
bin ich boit ben Sergen frifefe unb wohlgemut!)
heruntergeftiegen unb habe bor „unferen front»
men Schwbjerlüt" in 3 ürid), Sern, Safet unb
attbern Orten geprebigt, Sorträge über bie
©onntag = ©chulfache gehalten, ju ben lieben
©d)wt)äerfinbern gerebet, ohne jtt ermübett. 3u
beit 3wifchenpaufett bin i<h bann wieber hinauf»
eftiegen jur Stirn unb t)ab mich an ©otteS gro»
er ©d)öpfung erfreut unb erbaut, unb bin
bantbar gewefen unb heute noch banfbar, bafe
id) nach langjähriger, unauSgefefeter Strbeit
einige turje Sage tn ber ©chweijertuft ©rljolung
fchöpfen tonnte.
^rifebett ITtutt) 311 Kampf unb £eib
£)at>’ id? tbatoärts t>on ber f>öh’ getragen;
KIpen, Klpen 1 uitoergefjlidj feib
ItTeinem Bereit 'l? r in allen Sagen.
€in ®a0 aii0 Pr» Marti» futljfr'ö febril.
Bearbeitet tum SB. 6.
gjf|]as gahr 1837 war eine 3 e >t harter
003 fchwerer ffäntpfe unb ift mit ehernem
vfÄs) ©riffel in bie Unfein ber beutfehen Re»
jormationS» ©efebiefete eingegraben. ©S War
am 25 . Januar biefeS gafjreS, bafe fiefe 2 uther
mit greunben uttb Äoüegeit auf ben SBeg maAte
nach ©chmattatben, um allerlei Oinge 311 oe»
rnthen unb 3ug(ei<h baS ©inigungSwerf mit ben
oberbeutfcheit Üfeeotogen in Betreff ber Stbenb»
mahlsfrage 3U einem Slbfcfelufe 3U bringen. $a=
fetbft befiel ihn aber eine fo heftige Ärantheit,
bafe et bie ©tabt eilenbs wieber berlaffen mufete.
Sltit ber ficfeerit ©rwartung, bie ©einen nicht
mehr 3U feheit unb als Seiche in Sßittenberg ein«
3ti3iehen, reifte er non bannen. Unterwegs hatte
er arge ©dpne^eti, aber bereits in Uambacfe
bejferte es fid). Ood) war bie ©efahr noch nicht
oorüber; in ©otha tag Sutfeer noch einmal auf
ben Uob tränt barnieber, unb hatte ftd) fchan 3U
feinem Slbfcfeiebe gefchieft. Stuch bieSmat ging
ber Stnfalt glüefliefe oorüber; aber erft am 14 .
Stär3 langte er ift SBittenberg an, noch faft un»
fähig 3U gehen, jeboch in ber ©enefnng begriffen.
SWgemein in überrafchenbjter Söeife 3eigte fich
bie Ufeeilnafeme in ber Stühe unb in ber gerne.
SltleS wetteiferte in Se3eugung feiner greube, fo
bafe grau Stätbe ffiiche unb fetter Oolt triegte
unb befehalb mit ben eben bamats im {taufe
meilenben Uifchgenoffeit, ben Sefehlufe fafete, ein
feierlidjeS ©enefungSfeft 31t oeranftatten itnb ba»
u alle greunbe unb Sermanbte, bie 3U erreichen
eien, einsulabeit.
Stach langen Serathungen warb man einig,
es fülle mit ber geier ber Oottor auf ben Uag
Uobiä überrafcht werben, welches als feines Ser»
mähtungStageS er ohnehin im häuslichen Greife
gern 3U gebenten pflegte. Oie beiben SJtonate
bis 311m erwähnten Uag flogen in gewohnter,
gerabe bamals fehr reger ©efchäftigfeit hin, ber
geftniorgen brach an; wir Wollen im ©eift ben
grofeen Reformator burch biefen häuslichen
©hren» unb geiertag begleiten.
Digitized by v^ooQie
630
Hin (Sag au« 9t. 9tartin futyer’« feiten.
Um fünf Ufjr beS dRorgenS foflte ihm bet
etfte ffcftgrufe gebraut werben; aber fdjon um
hier Upr mar er wad) geworben unb faß in fei«
item ©tubirgimmer uor feinem ©falterbuche,
au» bem er feinen dRorgenfegen gu beten pflegte.
2)a erhob fiep auf einmal bicht oot feiner Spür
Pon fräftigen dRännerftimmen ber ©efang feines
ln 3*iten beS beißeften Kampfes gebid^teten unb
Pon ihm felbft componirten SiebeS: „Sin’ fefte
©urg ift unfer ©ott."
Sutper’s £>auS War eine offene Verberge. 3fm
3ahre 1537 beflanb ber Kreis feiner SLifcpgenof»
fen auS: 35r.Jjfoacf}. dRörlein, (Dtagifter ©lato,
ffcrbinanb ä dRaugiS, S)r. ßieronptnuS Seiler,
®r. Kafpar £eiberi<h aus tfreiberg, dRagifter
dlnton Sauterbadj auS ©tolpen; außer biefen
hatten fich eingefunben ©eorg (Rörer, 2)iafonuS
in Sittenberg, Slgrifola, ber fich eben bamats
in Sittenberg aufhielt, unb dRacjifter 3oh.
©chlaginljaufen. ©ie waren gumeift treffliche
©änger, unb hatten fich gu biefent fyeft ben für«
fürftiichen ©änaermeifter 3(o^ann Saltper auS
Sorgau heimlim beftelit, unb unter beffen Sei«
iung eine üon ihm tunftreich gefegte Soinpofition
beS Siebes einftubirt, mit ber fie ben ÜDottor nun
überrafchten.
Slls bet ©efang beenbigt war, trat Suther
heraus gu ihnen unb Pernahm nun, bafe man
ben heutigen £ag als fein ©crmäljlungS» unb
©enefungsfeft zugleich gu feiern entfdjloffen fei;
unb fd)on fah er hinter ihnen feine gange £>auS«
genoffenfdhaft in ffeiertagsfleibern berfammelt.
Me nmgaben ihn glücfroünfchenb, unb bie Kiit«
berfdjaar liefe ihm nicht eher (Ruhe, als bis er
fie ber (Reihe nach auf ben Strm genommen unb
abgefüfet hatte. Slls er nun barauf in bewegten
Sorten feinem alten ffreunb Saltber unb ben
©ängern feinen $ant auScjefprodjen, mahnte
bie fjausfrau, es fei nun 3«»t gum ffrühflüd in
bie Sopnftube hinabgugepen. dRagbalena aber
meinte, gerabe heute müfete ber ©ater erft ben
Katechismus mit ihnen beten, gumal gerabe heute
baS ewige Seben an ber (Reihe fei, unb bon bem
wiffe ber ©ater fo fchön gu ergäben. ®er
S)ottor mar mit feinem SieblingStöd)ter<hen ein«
berftanben. 5)abei pflegten bie Kinber ber (Reihe
nach ein ©tticf beS Katechismus pergufagen, unb
er erflärte es ihnen bann in feiner Seife. |>eute
fianb er bei ben Sorten: unb ein ewiges Seben.
Unter Stnberem fagte babei nadjbenflid) ber
elfjährige fpanS: „Mer Sßater, idj !ann mir
bodh gar nicht benfen, wie wir in ber Smigfeit
Werben bie 3cit gubringen."
„3a," fagte Suther, „ich fann’S auch nicht ber«
fteheti. j)enn es wirb feine ©eränberung, feine
Strbeit, meber Sffen noch Utinfen ober gu fchaffen
fein. 3<h halte aber, mir werben bort fo biel
angufdjauen haben, bafe wir nicht wiffen, wie
uns bie 3eit bergeht."
®a fagte ber Seprer ber Knaben, dRagifter
tfrattgiSfuS: „Sein lieber £>anS, ich habe ein¬
mal mit ®oftor ©fjilippuS gefprochen, unb ber
wies mich hin auf Sop.14; ba fleht gefchrieben:
$err geige uns ben Sßater, fo genüget uns. $)aS
wirb unfer fefjr liebliches Obfeftioum fein, ba»
mit werben wir genug gu fchaffen haben."
„2)aS ift fein gerebet," fagte ber SJoftor, „ba
bat Philippus gang recht. 5$ habe einft eine
©efchichte gelefen bon einem frommen dRönch;
ber ging frühe in ben Salb, um gu beten; unb
als er bafelbft war, hörte er ein Sßöalein fingen,
fo wunberlieblich, wie er eS fein Sebtag nicht
gehört; er fonnte fi<h gar nicht loSreifeen unb
ging ihm immer nach. Slls er nun bachte, er
möchte wohl eine ©tunbe gegangen fein, unb es
möchte 3 c it fein, gur ffrühmette wieber in fein
Klofter gurücfgufepren, ba machte er fich eilenb
auf ben Heimweg. Ms er aber aus bem Salbe
fam, ba fannte er bie ©egenb gar nicht wieber,
Stiles War gang beränbert; auch fein Klofter war
gang anberS geworben. Unb als er an bie
Spüre fam, machte ihm ein gang frember ©fort«
ner auf, unb in ber Kirche fah er laute frembe
©efichter, unb auch bie Sprache flang ihm gang
fremb. Slls er nun fich berwunberte unb weiter
forfchte, fannte ihn auch Keiner; nur einet ber
älteften dRöndje erinnerte fich, bafe man in feiner
Sugenb bon einem ©ruber gefprochen, ber fid}
im Salbe berirrt habe unb nicht wiebetgefom«
men fei. SDa fam es heraus, bafe er über hun«
bert ijapre im Salbe bem ©öglein nachgegangen
fei, unb es bünfte ihn fanm eine fleine ©tunbe.
@o wirb’S uns aud) fein; wir werben fo biel gu
fepen unb gu hören haben, bafe punbert 3apre
Werben herum fein, wie eine dRinute. — Slbet
nun, liebe Kinbet, taffet uns bas ©aterunfer
fptechen unb unfer dRorgenfüpplein effen, benn
eS ift halb 3eit, bafe ich in mein Kollegium
gehe."
©o fdplofe Suther feine dRorgenanbacpt, unb
barauf lub er alle bie ©änger gu bem dRorgen»
imbife ein, ben Käthe borforglich bereitet hatte.
Slls fie biefen unter heitern ©efprädjen bergehrt,
rüftete fich ber 2)oftor unb ging mit feinem ffa*
muluS in baS grofee Slubitorium, wo er feinen
3uhörern fdjon feit mehreren fahren baS ßrfte
©u<h dRofiS erflärte.
(Rach ©eenbigung feiner ©otlefung pflegte
Suther, wenn nicht anbere feelforgerifdje ober
afabemifche (Pflichten ihn aus bem |>aufe tiefen,
in feinem ©tubirgimmex bis gum dRittag gu
arbeiten. Ser aber meint, ber $oftor habe bei
feiner Slrbeit bleiben fönnen, ber weife freilich
nicht, was SlQeS in biefen dRorgenflunben in
feinem .fraufe gufammenfirömte, um fich 9fathS
bei ihm gu erholen. Kaum hatte er fich an fei¬
nen £if<h flefefet unb bie fffeber ergriffen, fo trat
ein armer ©tubent ein, ber um ein Sllmofen gur
Digitized by v^ooQie
(Sin Sog aus 9t. Partin ^utljet's feben.
631
ffrortfeßuitg feiner ©tubien bat. Jtaum tte
er biefen mit einigen ©olbgülben befriebigt, als
es auf’S Steue Hopfte. Sluf fein : ©ereiic! öff»
nete fein ©ifhgenoffe Johannes ©hueibemein
ganj jagbaft bie Spür nur halb unb fragte, ob
er mofjl auf eine turje 3*it ben §errn ©oftor
ftören biirfe; er habe eine fernere ©hulb auf
bem ©emiffen, unb jte nagt mir faft bas £>era
ab; ich feße nicht ein, toie t<h aus ber Verlegen»
heit mir Reifen foQe.
Stun, was ift'S benn ferneres, mein lieber Jo»
hanneS, entgegnete Suther; benfe bu fteßeft in
bem Seihtftuhl, unb rebe offen bie ganje Scpulb
bir oom fjerjen.
Sich. £>err ©oftor, ich höbe einer Jungfrau
bie ©he oerfprochen. Stun höbe ich’S meiner
ÜDtutter gefchrieben, unb fie gebeten, ihre ©in»
tDilligung ju geben ; aber fie hot mir fetjr hört
unb nngnäbig geantwortet, fie möge Don ber
©ache nichts roiffen. ©aS SJtägblein aber hat
mein 2öort, unb berläßt fich barauf; fie läßt
mir feine Stuße unb roifl fich bie Slugen ausmei»
nen.* £elft uns, lieber £)err ©oftor, auf Such
ftebt unfere leßte Hoffnung.
©aS ift ein böfer Raubet, fagte ber ©oftor
fehr ernft; unb ich mag mich in folche Sachen
eigentlich nicht mifchen, benn es ruht (ein ©otteS*
fegen auf einem lj«iinli<hen Serlöbniß. ©S tßut
mir fehr roeh, baß in meinem eigenen #aufe eine
foldje Uebeltßat gefheßen ift; benn bie fjeinbe
lauem auf mich, unb toaS unter meinem ©ache
ift, foDte mir helfen, ben Stuf beS Kaufes rein
unb unbeflecft ju erhalten, wie e§ fich jiemet, baß
es in einem tpriftfic^en Stebigerßaufe iugehe.
©enn ein tßrebiger prebigt nicht allein, fonbern
fein ganjeS £>acts muß prebigen, fein Sßeib, fein
©efinbe, feine flinber, feine ©ifhgenoffen. ©aS
hätteft bu tDoljl bebenfen folleit.
Sich io, fehltet unb ftraft mich, fpraeß ber
Jüngling fleßenb, ich hob’S Derbient, abet ber»
laßt mid) nicht in meiner Stotß!
©h« *h in bjefer ©ache einen Schritt tfjue,
fuhr Suther fort, muß ich wißen, mer bie 93er»
iobte ift. ©S pflegen woßlgeftttete Jungfrauen
fich nicht alfo einjjulaffen; unb ift es eine un«
faubere, fo iann ich unmöglich rathen, baß bu
mit ihr in ben ©heftanb trittfi, unb am aller»
toenigjten etwas baju thun.
9ld) nein, lieber #err ©oftor, es ift ein ganj i
fittiaeS unb anftänbigeS SJtäbhen, euer eigenes
Seicßtfinb, beS StacfjbarS 2ödster ©ufanne. Jßr
feitnt fie ja unb habt fie felbft oft gerühmt.
Sllfo mein eigenes Seidjtfinb ift bie SJtitfün»
berin. Stun, gut gewählt hoft bu, Johannes,
©inen ©runb gegen baS Stäbchen wüßte ich nicht,
unb auch um ihretwillen will ich an beine SJtutter
fchreiben, baß fie Don ihrem SBiberfprudj abläßt.
9BiD fte aber Don ihrer ©ntfeheibung nicht ab»
laffen, fo hoft bu als geßorfamer @oßn bich
ihrem Söillen ju fügen. Jeßt geh’ unb fcfjicfe
mir baS SJtäbhen her. — ©er Jüngling er»
fchöpfte fich > n ©aitffagungen, aber Suther fhob
ihn aus ber ©ßitr.
Jeßt war bem ©oftor eine SBeile 9futje ge»
gönnt unb er hotte fie fleißig auSgenußt, als ein
fchüchterneS, fauin bernehmbareS Klopfen er«
tönte. Stuf feinen Stuf erfdjien mit ßohgerötße»
ten üöangett unb Derweiuten Stugeu beS Stach«
barS ©ufanne. ©er ©oftor ließ fie juerft jiem«
lief) ernft unb herb on, unb hielt ihr baS be»
gangene Unrecht nach ollen ©eiten hin Dor bie
9lugen, würbe aber buref) ihre bemütbige Steue
halb berfößnt, unb Derfprach ihr nun, bei ber
SJtutter beS Johannes für fie ein gutes 9Bort
einaulegen, wogegen fie ihm baS ©erfprechen
geben mußte, wenn biefelbe auf ihrer Steigerung
beharre, ben ©tubenten feines SBorteS au ent»
binben, unb biefe ©träfe für ihren Seihtfinn in
©rgebung unb ©ernuth hiuaunehmen. SUS er
fte fo weih unb gefügig fah, rebete er ihr wieber
SJtutß au unb entließ fie mit einer bäterlihen
©rmahnnng.
Stach bem Seihtfinbe erfdjien eine feierliche
©eputation ber 9Bittenberger ©tubentcufchaft,
fdjöne, ftattlifhe ©eftalten in ber tleibfamen
©rächt ber 3rit, 93arettS mit mallenben Gebern
auf bem £>aupt, an einem breifarbigen Sanbe»
lier einen gewaltigen Schläger nach fich f<hl«b*
penb, ©tulpenftiefeln mit flirrenben ©poren an
ben ffitßen, einen an ben Slermelit gefdjlißten,
mit bunter ©eibe reich gefütterten ©ammetroef
unb eben begleichen baufeßenbe £ofen tragenb.
©S War auf ben Stacßmittag eine folenue ©epo»
fition anberaumt in bem großen Stemter eines
ßlofterS, baS feßt au UuiberfitötSawecfen biente,
unb ©r. Suther würbe bringenb erfucht, baS
Jeft burh feine ©egenwart au ehren. 6r fagte
freunblih a u < unb berfprah auh bie ©epofitionS»
rebe au holten, weihe ber Sieftor ihm autragen
ließ.
@o ging’S weiter. 3unähft fam ein armer
©yulant aus Ungarn, ber beS ebangelifcßen
©laubenS halber bertrieben unb feiner ©üter be*
raubt mar. ©r bat Seither um ein ©arleßen
aur Steife in feine £>eimatfj. Suther mar in
großer Serlegenßeit; er felbft hotte fih flänalih
ausgegeben, unb erji bor wenigen ©agen war er,
ba eine ößnlihe Sitte ihm borlag, Äätfje über
ihre ©pinbe gegangen unb hotte baS Sothengelb
ber Stinber einem armen Scrtriebenen gefhenft.
Jnbeffen ©ilfe mußte gefhofft werben ; er ging
an einen Söanbfhranf unb nahm einen filbernen
Seher, ben ihm ber Jfurfürft einft berehrt, ßft»
aus ; ben foBte ber SJtann bei einem Juben au
Selbe mähen, ©a biefer fih entfhieben mei»
8 erte, Suthern biefeS werthbollen ©efhenfeS au
erauben, fo brüefte ber ©oftor mit einem rafh««
i ©riff ben Seher aufammen unb fagte: fo, nun
Digitized by v^ooQie
632
Sin ®ag aus Br. Partin futhers leben.
ift eS fein SSed&er mehr, nun ift eS nur elenbcS
Silber; er niißte mir ja fo nichts, id) batte ibn
im Scbrante fielen ; was faitn ibm beijereS roi«
berfabreu, als baß er einem ©briftenntenfcberi in
feinen Siötben bient. fJtebmt ibn, guter ^reuitb,
unb t()ut; wie ich euch Reifee, $amit jmang er
bie ©abe bem Söittenben auf unb brängte ibn
faft mit ©emalt aus ber Stube.
$)ann tarn ein Wöncb, ber feiner ebaitgelifcben
Uebcrjeuguug wegen aus bem .Ulober entwichen
war, unb fich nun bon feiner .jjänbe Arbeit er»
nähren wollte; Sutber batte für ibn einen ©rief
an einen befreunbeten SSucßbruder in Nürnberg
gefcbrieben, worin er ibn bat, ben Wann in feine
' 2 BerIftatt aufpnebtnen ; er bänbigte ibm ben»
felben mit einer fdjon bereit liegenden ©abe jur
Steife ein. Weiter tarn eine fjfrau, bereu Wann
wegen 3>agbfreüel im ©efangniß lag ; Sutber
batte für fie ein Schreiben an ben betreffenben
©beimann berfaßt, bem Wanne feine Strafe ju
erlaffen. Raum mar biefe fort, fo trat ein
SSater mit feinem etwa jmölfjäbrigen Söbnlein
herein, ein ebrfamer Bürger eines naben Sanb»
ftäbtdjenS. £>err Softor, bub er an, id) toinme
in einer febr wichtigen Slngelegenbeit, um mir
©uren Statb jh erbitten. 3 )ie|er mein Sobn
bat ju feiner fjantbierung Suft; bagegeit liegt
er ben ganjen ijag über ben Büchern, icf) glaube
faft, ber Satan bot es ihm in ben Ropi gefeilt,
baß er ftubiren will. SBaS fofl ich machen? ©in
Cwnbmcrt muß ber Sube lernen, benn baS Stu»
biren toftet oiel ©elb, unb wer weih, ob etwas
aus bem jungen wirb. Seib fo gut unb feßt
bem Surften ben Ropf tüchtig jurecht, baß er
©eborfam lernt.
Sutber fab fith erft lange ben SSater unb ben
Sohn an. 3>er erftere fdjien ihm ein Wann ju
fein, ber Wobl etwas an ben Sobn menben
fönnte; ber festere batte ein aufgewecfteS, flu«
ges ©eficht, etwas febr Heftes unb ©ntfcbloffeneS,
aber auch Scheues unb SSerfcbloffeneS im SBefen.
2>ann fprach er mit großem ©rnft: 2)ie Sache,
mein lieber fjfreuub, muß reiflich überlegt wer«
ben. ©be man ein Rinb jum Stubiren läffet,
muß es juoor geprüft werben, ob eS auch bie
rechten ©abeit hot unb ob es ein roobtgeratben
Rinb ift, baS 3?leiß unb ©ifer jeiget.' So müffen
mir ©uren Sohn erft bon berfiänbigen Seuten
gehörig unteriudjen laßen, unb baS fofl gefcheben.
Sutber fuhr eifrig fort, bem SSater bie ©flieh*
teil ber ©Item in ber ©rjiebung ihrer Rinber
eiujuprägen unb beffen ©igenfinn ju beugen, ba
öffnete ber fJfninuluS bie 2bür unb melbete, baß
bie gelehrten Herren ^ieronpmuS Sdjurff, ©aS=
par©ruciger, Weldjior Rling, SSbilippuS Welan«
dbtbon unb ljuftuS SfoitaS angelangt feien, um
mit Sutber ein bringenbeS, bom Rurfürften 3fo=
bann bon Sachfen geforberteS ©utaeßten über
bie SSefchicfung beS ©oncilS ju beratben.
SUfo, mein guter ftreunb, wanbte fich Sutber
an ben ÖürgerSmann, fo biel ift gerebet, wenn
euer Sobn eS mit bem Stubium im ©rnft meint
unb bie ©aben baju bat. S5aS fönnen wir aber
in biefer Stunbe nicht ausmachen, unb fo bitte
ich euch, feib beute mit eurem Söbnlein mein
©aft. — &err £>ieronpiuuS SSefoIb erhielt ben
Sluftrag, bie ©eiben in baS 2'ßobnjinimcr hinab»
jufübren unb fie eiuftmeilen mit bem Röthigen
ju berforgen.
$ie gelehrten $oftoren ober fehlen fich nun
jufammen unb nahmen baS bon Sutber bereits
entworfene Schreiben an ben Rurfürften bor;
es bauerte nicht lange, benn eS banbeite fich nur
um eine Scßlußberatbung unb um bie Unter«
febrift.
Unter biefen SSefcßäftigungen War es Wittag
geworben; ber 3>oftor lub fie alle jur 2 afel unb
ging mit ihnen in baS Wohnzimmer hinab.
$ort batten fich inbeffen bie anberu ©elabenen
berfammelt. Sba war $r. SSugenßageit, ber
Waler StifaS ©ranach, SlmbrofiuS '-Bernbarb
mit feiner grau, ber bon Sutber oft erwähnten
Wubme Seite, unb bie beiben SSerleger Sutßer’S,
bie SDrucfer unb SSucbbänbler ©eorg iKbam unb
Johannes Suft.
Sie Herren bertheilten fich in ©ruppen 311 ber*
trautem ©efpräcb, Sutber feßte fuß mit bem
SürgerSinann in einen Siß ber genfternifebe
unb rebete über bie Sache, in ber fie unterbrochen
worben waren, weiter mit ihm. 3)aS Söbnlein
langweilte fich inbeß in biefer ihm böflig unbe¬
fangen ©efellfcßaft, unb behüte fich aus einer
©efe in bie anbere. grau Rätbe braute jeßt ben
ftattfießen SöilbfcßweinSbraten, ben bie dürften
bon Slnbalt gefenbet, auf beu Stifcß, wo er oer«
lodenb bem Rnabeu in bie Stafe bampfte. SllS
Rätbe beu Dtüdeu gemenbet unb er fich bon ben
in eifrigem ©efpräcb begriffenen Herren unbe»
merft glaubte, mifthte er aus feiner ©de berbor
unb machte fidj barüber, bie braune £>aut, bie
ihm in bie Singen flach, bebäeßtig abjujicben unb
üum Wunbe ju führen. 3ftt biefem Slugenblicf
bemerlte ihn Sutber. Shin, mein greunb, rief
er plößlicß ladjenb, inbem er ben ©ater auf ben
Schiedet aufmerffam machte, febt boch, ba ift
baS Stätbfel gelöft, rooju euer Söbnlein Suft
unb ©efebid bat, wenn es mit bem Stubiren
nicht gebt. Sehet, wie tunftmäfjig er bem
Schweinebraten bie fjaut abjiebt; wenn alle
Stride reißen, fönnt ihr ihn jum ©erber in bie
Sehre geben. 3)er erfdjrodene SSürger fuhr auf
baS hoffnungsreiche gfrüdjtchen los, um ihm baS
^anbwerf 311 legen; biefeS aber batte fich, ba eS
fidb entbedt fab, fchleuntgft »iebet in feine ©de
gefliicbtet. 3>er SSater war ganj außer fich unb
wollte, inbem er taufenb ©ntfdjulbigungen ftam»
melte, fich mit feinem Söbnlein aus bem Staube
machen; Sutber aber befeßwi^tigte ißn unb hieß
-Bigitized by*
Google-
(Sin ®ag atu Pr. Partin J’utljer’s febeit.
633
ihn bleiben. Oer Surfte werbe Woßl Sauger ^rebiger nah bent ^erjen ©otteS aber gehören
fpüren, gebe eS ißm bodj felbft nicht beffer, unb neun etücfe: 1) Oafe er fein richtig unb orbent*
baS fei ein Setzen, bafe es 3 e *t fei, gu SLifcbe gu lieh lehren tonne; 2) fofl er einen feinen Stopf
gehen, ©eine liebe SauSfrau hob« ihm fefton haben; 3) wohl berebt fein; 4) fofl er eine gute
mit ben 2lugen gemiutt unb fei begierig, bafe Stimme haben; 5) ein gutes ©ebäcßtnife; 6) fotl
man ihrer Stohfunft bie gebührenbe Öhre er. er toijfen aufgujhören; 7) foll er feines Wittges
Weife. gewife unb fleißig fein; 8) foll er ßeib unb ße.
So ftrömte benn, als ber 9tuf erfcfjotl, bie ben, ©ut unb Öhre baran feßeit; 9) foH er fid)
gange große Oifhgefeßfhaft gu allen Ohüten boit 3 eher mann laffen bejiren unb geheien.
herein unb pflangte fich anbähtig hinter bie 211» einer ber ©üfte bie Semerfung machte:
Stühle, erroartenb, baß ber Hausherr bas Üifh» in ber Stirne höre man immer nur baffclbe, bie
gebet fpreeße. Siebe 3reunbe, hub ßutljet an, 2Brebiger follten auch Heine SSeränberuitgen ein.
mir haben heute fo lange auf bas öffen ge. bringen, — fagte ßuther lahenb: OaS gemahnt
Wartet, baß baS fürgefte iifchgebet baS hefte ift. mich an einen guten ©efetlen, ber mir einft bas.
ßaffet fehen, wer oermag eS am türgeften im felbe fagte. öS war ein SaccalaureuS, frifch
©ratiaS gu fprehen? Oa liefe fidh Or. löugen. aus bent Ofen. Oen liefe ich einft prebigen unb
hagen’S trüftige Stimme bernehmen, er fpraclj ging mit ihm in bie ©atriftei. Setr Ooftor,
in feinem plattbeutfdjen Sltutterbialefte: „Oit fagte er, e§ ift ein fehler, bafe Wir in ber Stircfee
unb bat, Orodeit unb natt, ©efegn’ uns ©att," immer beim 2llten unb hergebrachten flehen
b. h- OieS unb baS, Irocfen unb nafe, ©efegn’ bleiben; bie ßeutlein muffen fehen, bafe wir
uns ©ott. — öi, Or. Sommer, fprad) ßuther Weiter tommen. SBarum lefen wir ben SEejt
lächelnb, ihr habt ganger neun 2Borte gebraucht; aus bem 23uh ? Sßare eS nicht beffer. Wir fag.
WaSgilt’S, ich thu’S mit gwei Oritttheilen; unb ten ihn frei auS bem ©ebächtnife her; würben
betete: Christus Jesus sit potus et esus ba nicht bie Seute ftd) berwunbern unb fagen:
(öhtiftuS 3 e fuS fei uns ©peife unb Orant). Sehet, ber tann bie S3ibel auSWenbig! OaS ift
SermagS etwa einer noch türger, ber fage feinen ein red^ter SDtannl — ÜDiein lieber ©efell, fagte
Spruch. ich ju thm, baS follt ihr h.übfch taffen bleiben.
3h tann euch ben Sieg nicht laffen, fprach Oer Äned^t ift nicht über feinen Dieifter. 9iuit
ba Or. tßhilippus 9Jte(an<hthon; ich bente, ich lefen wir tn ben öbangelien, bafe unfer £>eilanb
thu’S mit einem Oritttheil eurer fedfj§ SODorte; in ber Spnagoge, als er feine ißrebigt anßub,
unb faltete bie £>änbe unb betete: Benedictus fich öaS Such reichen liefe, unb las fernen Oejt
benedicat, b. i. ber ©efegnete fegne es. aus 2fefaia. Oamit ging ich in meinen tßrebigt.
ülein lieber Philipp, rief ber Oottor, bu ha ft, ftufel unb liefe ihn allein. Siebe ba, als mein
wie immer, ben $reiS babon getragen. Bürger SaccalaureuS auf bie Stängel fommt, fehe ich,
unb beffer, benn bu, fdjreibt, fprtcht unb betet bafe er bie ©ibel tn ber ©atriftei gelaffen hatte,
mir Stemer. Unb nun, liebe ©efellen, laffet Unb er hub nun an, feinen Oejrt frei aus bem
uns maefet gugreifen, unb fehen unb febmeden, ©ebächtnife gu fagen: 3h hin ein guter Sitte.
Wie frcunblidj ber $err ift unb Wie gut meine SBeiter aber fant baS ÜDtännlein nicht, hatte ben
Stäthe gelocht hat. Oejt richtig bergeffen. SBieber hub er an: 3h
Oie Säfte lachten unb folgten wader ber eben bin ein guter Jurte, unb blieb Wieberum fledert,
erhaltenen ^Mahnung. SBäßrenb ber fDtahlgeit OaS britte DRal Winfelte er mit tläalicher
lam baS ©efprädj auch auf bie Stunft beS 2ßre. Stimme: 3h bin ein guter flirte, unb tonnte
bigenS. ßuther feßte ihnen in feiner beutlichen wieber nicht weiter. Oa überfief mir bie ©afle;
Sprache bie Siegeln unb ©tunbfäße auSeinanber, ich ftanb in meinem Stuhle auf unb fprach ju
nach welchen er feine tßrebigten einrichte. — ihm: Ou bift ein gutes Schaf; für beinen gür.
Gefragt, ob er nicht biefe Siegeln in ein fein, miß bift bu geftraft; fteig nur herab! OaS liefe
turg Sprüchlein gufammenfaffen tönne, ant= er fidh nicht gweimal fagen, lief flugs herab unb
wortete ßuther, warum nicht ? ÖS lautet: ©eh’ berbarg fich in ber ©atriftei. 3h aber holte
flugs hinauf, thu’S Ktaul auf, hör’ mir bie SBibel unb legte ben ßeuten ben Öejt
ba Ib wieber auf. Ober alfo: 3 U einem aus.
5ßrebiger, wie ihn bie SBelt ißt haben miß, ge. Unter foldhen ©efprähen war baS ÜBahl bot.
hören fehS Stüde: 1) Oaß er gelehrt fei; gefeßritten, unb gum Schluffe brachte Stäthe noch
2) bafe er eine feine 2tuSfprahe habe; 3) bafe et eine ©hüffel mit Rechten, Schmerlen, goreßen,
berebt fei; 4) bafe er eine fhöne Sßerfon fei, bie Slautbärfhen unb Äarpfen.
bie 2Jtägblein unb gräulein lieb tönnen haben; 2llS baS SJtahl beenbet war, forberte ßuther
5) bafe er tein ©elb nehme, fonbern ©elb gu. feinen greunb, ben ©angmeijiet SEBatther, auf,
gebe; 6) bafe er rebe, wie man’S gerne hört, mit ben Oifchgenojfen unb ben Stinbern eine
SBer’S alfo halt, bem wirb ber grofee Saufe wie Wotette gu fingen, unb bie 2llten fangen hetj»
SBaffer gufaflen. 3 U einem rehtfhaffenen haft mit. Oann gab et feinen SEifhgenoffen
46
Digitized by v^ooQie
634
(Sin (Sag out fr. Pattin futtjers leben.
ben Auftrag, in ben 6of gu gefeit unb bie flegel»
bahn hergurichten. (fine folcfje liefe er öfter nad^
Sifeh feerftellen, um fid) eine heilfame Sewegung
nach bem Kffien gu machen; er pflegte bann felbft
ben erften ©<hub gu ttjun. AIS fie auf biefe
Seife fidj weiblich tummelten, tarn plöfelicb eine
feattlidje ©<haar bon ©tubenten im boüen Ornat
mit einer gähne angegogen, um bie Srofefjoren
unb namentlich Sutfeer gu ber ®epofitionSfeier»
lühfeit abgufeolen, gu meiner fie ihr flammen gu*
gefagt. — ®aS ®eponiren mar eine auf allen
beutfcfeen Uniberfitäten gebräuchliche ©itte; bie
frifcfe augetommenen ©tubenten tnurben in feiberg,
haftet Seife gleichfam aus ^feieren gu DJtenf(hen
gemacht, b. tj. aus bem Gebiete ber ungebilbeten
rohen SJtaffe in baS ber gebilbeten unb feinen
cives Academici berfefet, nnchbem fie gubor ein
ebenfalls meift fcherghafteS Kramen bor bem
®cpofetor beftanben. 3n bem borlicgenben goß
foflten gmei reiche junge Abelige aus Oranten
bepoitirt merben.
Stadjbem bie Keremonie if)r Knbe erteilt,
brauten bie ©tubenten Sutfeern unb feine ©äfte
nadfe £auS, bann gingen jene in ein nahes ®orf,
tpo ber AbfoloirfchmauS feattfinben follte.
Suther bat nun feine ©äfte, fie möchten fid)
in ben ©arten begeben, ben er bor bem (f tfter«
tbore befafe, bort moüten fee ben Abenb gemein,
[am berleben. Kr felbft miiffe erft noch mit
igonaS ein armes Seidjttinb, baS allerlei Anfech¬
tungen habe, bef liehen unb tröften, bann werbe
er auch fogleidj nad)fommen.
©o gefdjab’S. Stach biefem feelforgerlidjen
Sefudj machte fe<h Suther mit jfuftus 3onaS
auf, ben greunbeit in ben ©arten itacfegugefeen.
AIS fee taum burefe baS Klftertljor gegangen
Waren unb bie Säuern ber gefeung hinter [ich
batten, tyradj fee ein Settier um eine ©abe an.
Seither reifte ihm fein ©dherflein; auch 3uftuS,
ber etwas fparfam war, gog ben Seutel unb
fudhte lange barin herum, bis er ben paffenbett
Pfennig faitb. Kr gab ihn bem Settier mit ben
Sorten: wer weife, wie unb wo ©ott es mir
einmal wieber giebt! AIS fee einige Schritte ge.
gangen waren, buh Sutber lacfeenb an: „Ki,
lieber 3ufte, hätte idh bod) nicht gebacht, bafe bu
ein fo alter grauer feuchter feiefe. Sfcfeuft als
ob ber liebe ©ott bir tein Almofen wieber geben
miifete unb weifet bo<h, bafe bu eS nur ihm wieber
giebft; hätte er bit’S nicht guerft gegeben, wie
woütefe bu bem ätmfeen Settier ein ©cherflein
reichen ? Unb bu giebft hoch nur bon beinern
Ueberfluffe; taufenofaqj bafe bu’S gewonnen,
unb machft ein ©efeferei, wie eine £enne, wenn
fee ein Ki gelegt, bafe bu ein SaufenbUjeil wieber
abgiebft." — iguftuSigonaS war feines greunbeS
Aippenftöfee fefjon gewohnt unb nahm fee gebul«
big hin, ohne bafe bie greunbfdjaft getrübt warb,
unb fo tarnen bie beiben, als fegon ber laue
©ommerabenb hereinbrach, in Sutfeer’S ©arten
an. £feer brachte ber ®oltor gern feine Abenbe
im flreife feiner gamilie gu. ©ie fanben bie
©efellfchaft bereits beifammen; bie flinber tob*
ten in ben flieSgängen unb auf ben Aafcnpläfeen
umher; bie älteren grauen faßen theilSimr bem
£äuslein, theils hotten fee fi<h auf bem Steifen
gelagert, ober fchritten in lebhaftem ©efprädj
auf unb ab.
Ks bauerte nicht lange, fo rief grau flätfee
gum Abenbeffen, es war inbefe unmöglich bie
gange gafelreidje ©efellfchaft auf einmal an einem
Orte gu bewirken, unb fo öertheitten fee fech
effenb unb plaubernb butch ben gangen ©arten,
wo jeber ein Släfedjen fanb. Stur bie älteren,
angefeheneren ©äfte fanben fech auf bem SRunb.
theile Por bem ©artenfeäuSchen gufammen. ®aS
SRafel fowie ber übrige Abenb »erliefen in ge»
moljnter Seife unter ernfeen unb fdjergbaften
Aeben, Suther mufete »iel ergäfeleit unb tfeat fein
SefteS, bie ©äfte ehrlich auSguhalten. Unterbefe
War bie Stacht hfreingebrocheu; ®r. SJiartin liefe
einige SBinblidfeer angünben, unb forberte
greunb Saltfeer auf, noch mit ben ©ängern ein
Abenblieb gum Seften gu geben.- ®iefer war
gar willig bagu, unb halb tönte ein Sfaim, bon
ben geübten ©timmen gefungen, in bie laue
Stacht hinaus.
©ang unerwartet hatten fech gafelreiche 3ufeörer
eingefunben. Kin langer 3ug mit gaaeln nahte
fech burcf) baS UniberfitätSfeolg bem ©arten; cS
waren bte bon ihrem ©cfimaufe heimfehrenben
©tubenten. Als fie ben ©efang hörten, hielten
fee an berStbüre ftiü unb bilbeten mit ben gadeltt
einen fialblreiS. Unb als ber ^falm berllungen
war, feimmten fee ein fräftigeS Gaudeamus
igitur an. Als fee geenbet, trat Suther herbor
unb bebantte fech für ben freunblichen ©rufe,
darauf orbnete fech ber 3uci; fee nahmen ben
geliebten Sehrer mit feinen ©äfeen in bie SAitte,
unb in folchem ©eleite lehrte bie gefegefefefdjaft
in bie ©tabt gurüd.
®amit fchliefeen wir bie ©figge eines 2age8
auS SutherS Sehen. ®ie gefcfei<htli<hen 2haten
beS ^Reformators fenb wohl aßen belannt; biefe
lleinen 3üfl e feines SribatlebenS wollen aus
Duellen gefammelt fein, wie fee nicht 2febermann
gugänglidp fenb.
—DigitizecHsy
Googfe
Pas (Srbbebeu auf Hsdjia.
635
3U0ett{eit$eit über bas Cfrbbebeu auf $ 0 d)ia.
San CtmSralum.
or einiget 3*it brauten bie 3eitungen tele.
grat>l)ifd)e fRadjrichten über baS fgjrecflicbe
(jrbbeben, baS auf ^Schia, einer {leinen,
fübweftlid) t>ott Neapel gelegenen unb Wegen fei.
ner SBäber berühmten uftb Diel befudjten 3nfel,
ftattgefunben.
Seither fanb baS nod) fürchterlichere (Srbbebeit
es jroar nicht gefehlt. Einige $age not bem
llnglüd waren manche Quellen plö&iid) berfiegt,
bie Stämpfe aus ben fjeilbrunnen ftiegen heißer
auf, als fonft, unb leichte ©rbbewegungen war.
ben oerfbürt. 9lber baS Wenfchenfinb ift ja
immer fo ficherl Unb bie Einwohner, welche
jene 3ei<hen wohl wahmahmeu, fchwiegen, weil
fcnfk$t ber ®tabt Cöfanticdola auf tor bm Örbbeben.
auf ber 3nfel 3«ba ftatt, bei welchem 80,000
Wfttfchen umgetommen fein follen.
2BaS es um ein folcheS Grbbeben ift, wie ohn*
mächtig ber Wenfd) biefen nnterirbifcijen ©ewnl«
ten gegenüber bafteht, um wie biel fcbredbafter
folcheS „3ürnen ber (Srbe" ift, als fJeuerS» ober
SSBafjerSnoth, unb wie unberechenbar bie 9tet«
tung, bafür liefern bie jefct borliegenben 9ln«
gaben geretteter Slugenjeugen neues SBeweiS«
material.
UHitten in ben Vergnügungen beS SlbenbS,
ober im Schlaf, ober inbem Schlaflofe noch
einen Spajiergang unter Italiens wollenlofem
Fimmel machten, würben bie SUjnungStofen bom
Stöbe überrafcht. 5ln SßarnungSjeichen hatte
fie bie gremben nicht etfchrecfen wollten. 9lur
wenige ber erfahrenen Sabegäfte oerließen auf
jene Wohnungen hin bie 3fnfel.
Qie fJataftropbe brach alfo unoerfehenS herein
unb eine 5lugeitjeugin, eine SBürttembergerin,
welche mit ihrem leibenben Sohne auf SSchia
weilte, fdjwibt über ihre grlebniffe in jener
SdjrecfenSnacht:
„3<h faß mit mehreren fjreunben auf ber
weiten ^erraffe im heiteren ©efprädj, bie Sterne
leuchteten uns, im übrigen hatten toir fein Sicht.
Wein Sohn, bem bie 2uft auf 3sdjia fo wohl
gethan, lag in feinem 3immer im feften Schlaf.
Vtößlid) hörten wir etwas, was ich nicht befcprei.
ben tarnt, es {lang wie ber $onner unzählbarer
Digitized by v^ooQie
63«
Pas (frbbfbtn auf 3sd)ia.
$a« ®rbbcf*u auf
DtgitiZFd by
Googl
JIob (Stbbeben auf Sedjia.
637
Äanonen, gu flleid^er 3eit gerieH) baS £>attS in
^Bewegung, guerft hob eS fi<h, fenfte fi<h mit
Stöhnen, Slecbgen unb Äraren, unb bann batte
ich baS ©efüljl, als wenn SlüeS int Greife benint
gewirbelt mürbe, rechts unb linfs neben mir
fragten unb ftiirgten bie panier. ©8 roar plöjt=
Ii(b ftocffinftere Stacht, fein £nmmel, fein SJteer
gu feben, nicht-, flar nichts, bie Cuft Doll non
bichtem, feinem ©taub, ber auf uns nieber
ttnb Strümpfe im Schutt jlecfen. 33) rief ben
Stanten meines ©obtteS unb erhielt feine Slnt»
roort, ich taftete mich DorroärtS, allein fnnbSllleS
Doll Schutthaufen. $BaS roar aus meinem
©ohne geworben? Uuterbefs batte ber £immei
eine büfterrotbe fjarbe angenommen unb im
&albbunfel taftete ich nach ber 2reppe. SDiefe
roar mit Schutt bebecft, unb mit fiebenS*
gefabr ging unb froch ich nieberroärts, bis ich
©rbkfcen mif Sftfcla. — Äu8örahmß bott Sevfößtieieit i« Cafflmtaiola ^olbotm.
regnete unb uns gu erfticfen brobte. SlHe Slnbe*
ren ftürgten nieber, nur ich blieb an bie SBanb
gelehnt fifecn unb batte halb bie Sefinnung Der»
loren. SllS ich gu mir felber fam, fübite ich
mich feftgebunben unb bemertte, baß mein halber
Äörper in ©chutt unb ©teilten begraben roar,
im Uebrigen fühlte ich leine Serleßung. @ine
rounberbare Stube fam über mich, obgleich Don
allen ©eiten, unter mir, über mir, ^otunter»
gefd)rei unb Hilferufe ertönten. 3<b begann
mit großer Slnflrengung mich aus bem Schutt
gu befreien. Welches mir in 3eit Don einer
©tunbe gelang. Stabei blieben aber Schube
enblich ben feften ©oben erreicht butte. $er
weite i|3laß am SJteere roar aber gänjlicb mit
fcharfem ©chutt unb ©eröü bebecft unb ich tnar
barfuß. $a fam mir mein Unifcblagetucb gut
gu flotten, ich legte baffelbe immer röieber Dot
mich bin, um meine fchmergenbett f$üße barauf
gu feßen, bis ich enblich boS 2)teer erreichte. 3d)
roar mit ©taub bebecft, Singen unb SJiuttb Doll
©taub, gierig tranf ich einen ©cblucf ©eerooffer,
unb bann fiel ich IraftloS nieber. 2PaS roar
aus meinem ©obu geworben? Sch fab mich um
nach fjilfe unb erblicfte in meiner Stäbe unfern
Wiener, bat ihn flehentlich, nach meinem ©ob«
Digitized by
Google
r
638 9as ©rbbeben auf 3>djia.
gu geben, aber et weigerte ftd» im ©inblid auf ©rbbebeitS gefd>ab unb gefdbeben muftte. Die
bie SebenSaefabt. ©üblich erbarmte fich meiner 3* mmer &öben finb faß überafl Steinwölbungeu,
ein Sartenfübrer. Derfelbe ging hinauf unb bie Fuftböben nie ©olg, fonbern Steingetäfel,
brachte mir bie ffunbe: 34 habe mit 3b r *nt Moment beS ©rbbebenS wichen btefelben,
Sobu burd» bie Dbür gefprodieu unb er bat mir bie ©äufer ftlir^ten in lieb gufammen, alles ger*
geantroortet: 34 befirtbe mied» unoerfebrt in febmetternb. So gefcbal) eS g. '3. in bein Salon
meinem Sett, möge es nur meiner 'JJtutter roobl ber Siccoln Sentinella mit ieiner froben ©efefl*
geben! ©leid» barauf tarn Dr. M. unb erfannte febaft. Dort finb bie Sebenben auf ber Stelle
mid). 34 fagte ibm Don meinem Sobn unb erfiblagen. 911s man bie Dobten fanb, faß Dor
feiner gefährlichen Sage. (Sr autroortete: 34 bem Sianoforte ber tobte, jugenölicbe .(flauier.
miß ihm helfen, unb eilte baoon. Salb barauf fpieler, baS Motenbudj aufgefdjiagen. 3eif4'net*
tarn er roieber unb (egte meinen Sobn, ben er tert, entftellt, gerriffen unb gerjleifcbt fab man
unter SebenSgefabr aus bem triimmerbaften bie Dobten; auf einer reich gefleibeten Frau,
©aufe getragen batte, an meiner Seite nieber beren ©als mit perlen gefdjmiicft toar, lag ein
nieber. SBiis mit meinem Sobn in jener fdjmerer Scbtanl. Die mauern ber ©otelS unb
SdjrecfenSftunbe gefdjab, ift rounberbar ju er» gasreicher Siflen auf 3§4>a fiub Don enormer
gäbien. (Sr bat in feinem S.blaf üon jenen ent» Starte unb tief aus bem Soben aufgemauert,
feftlichen Sefuitben nichts gemerft, ni<btS Don 3m 3ab r e 1881 fd»einen fie ber Schuft geroefen
bem grauenhaften ©etöfe gehört, er bat nicht bie ju fein. Die meifteit ©äufer finb bagegen mit
geriugfte Serlefturtg baoongetragen." leichten Stauern gebaut, oft Don beträchtlicher
Der Äratife berichtete folgenbeS: „9l(S i4 auf» ©öfje. ©ier finb meiftenS auch bie 'Mauern ein*
wachte, fanb ich meine 9lugen doH Staub, ebenfo geftürgt unb haben Diele oon Denen, welche auf
meine Dedfe unb fühlte mit ben ©ünben an ber ber Strafte Waren, erfragen.
Seite meines SBetteS Salten unb groben Schutt. 2Bie bei biefer Äataftroplje überall noch in
Da buchte ich, baS ©aus rnüffe eingeftürjt fein, ©äufern befinbliche tßerfonen unoerfebrt ge»
auch hörte ich Don allen Seiten ©ilfegefdjjrei unb blieben finb, ift ben ©eretteten felbft ein
entfeftliches jammern. 34 rief nach meiner Mäibfel.
SMutter, aber erhielt teine Antwort. Um mich 2Bir erwähnen nur einige Fäfle Don benen,
batte idj feineMngft, ba$te nur an meine Mutter welche Mugengeugen mittheilten. ©ine im Sett
unb befahl uns beibe in ©otteS ©anb. Dann liegenbe Frau ift mit bemfelben mehrere Stoet*
lag ich ftiH mtb ruhig, bis Dr. m. mich an’S Werfe binuntergeftürgt, ohne oerleftt gu werben;
SBaffjr trug." ein Mann, gleichfalls im Sett, fieftt ben Fufi*
SBir (affen nun feine 'Mutter weiter ergäben: hoben in bie Diefe finfen, allein baS Sett bleibt
„91m Ufer würbe bie 3 a ©l ber bem Dobe (Snt» auf einem Meft beS FuftbobeitS flehen. Dr. M.
roitnenen immer gröftet, Diele berfelben waren weift nicht, wie er aus bem ©aufe gelangt ijt,
nur notbbiirftig betleibet, Diele trugen nur ein ihm war es, als würbe er aus bem fünfter ge*
©emb, Diele batten Serleftnngen unb waren wie fcjjleubert. ©in Staun blieb moblerhalteu auf ber
burch ein HBunber, auf bem ffiege gur 'Marine, Dbürfchmeße beS 3'mmerS im oberen Stocf
über Schutt unb Driimmer tletternb, Dor ben flehen, roäbrenb rechts unb liitfSaßeS in Den Mb*
eiitjlürgeitben Mauern bewahrt geblieben. 3« grunb ftürgte. Die StBiege eines ÄinbeS mit
ber Macht toar es ungewöhnlich falt, man lauerte festerem barin fattb man unoerfebrt nach Dier*
Dicht bei einanber auf bem feuchten Ufer, ein unbgmangig Stunben auf einer (Sifterue ftebenb.
fpärlidjes Sicht unb widtommene SBärme gaben Manche oerbanfen ihre SebeitSrettung ben aßer«
einige Scbeiterbaufeit aus gttfammengelefenem geringfügigfien Umflänben. Die Familie beS
» . Das ©efchrei ber Serunglücften ertönte DirettorS S- befanb fidj bei ber Äataftropbe im
unb fort, eS Hang, als wenn wittielttbe uttb Salon beS ©otelS, Setter, Mutter, gwei Dödjter,
beulenbe Jbiere fich aus aßer ©eit auf biefem Schwiegertochter mit ihrem Mittb tpurben in bie
Slaft gnfammengebrängt hätten ! Dr. M. eilte liefe gefdjleubert, unb unter bem Schutt be*
fort, um nach Kräften gu retten, er bat bie gange graben, bie jüitgfte Dochter macht im fclbeu Mo*
Macht gearbeitet, ©nblich graute ber Morgen. ment einen Sprung nach bem Fenfter unb Hebt
Uufere Mugen richteten fich auf baS Meer, eub» fich Dort oon Schutt unb Salten iejl umringt,
lieb faben mir ©ilfe erfebeinen. Um 9 Uhr ! Sie hört aus ber Diefe noch lange bie Stimme
Morgens am Sonntag tarn ber erfte Dampfer, ihres SaterS, nann fein Möcbeln unb bann
ber linS arme, ©ilflofe Flüchtlinge aufnahm." Dobtenftiße. 3br felbft gelingt eS, einenMrm frei
So weit bie fehlste ©rgäblung auS bem gu machen, bie Manfchette gu löfen unb mit ber«
'Munbe ber genannten 'Mutter. felbeit gu Winten, fo warb fie gerettet, ©ine in
"Ber bie Sauart unb ©inriefttung ber ©äufet Meapel anfäffige beutfehe Familie befanb Ü4 in*
auf 3^4ia fennt, tann fich unfebwer eine Sor» Säulenftof eines SabeetabliffeinentS, wo glüd»
ftellung pon bem madhen, maS im Moment beS (icbermeife ber Soben im 3ahre 1881 mit eifei*
Digitized by
Google
Pas Jlejept ;u »inet glUdtüdjen CSt)e.
639
nen klammern öerficpert mar. Tie gange Stacht
fabelt fte in SJiitteu eines SßallS Don Trümmern
guaebracht. Stm SJtorgen fmb fie mit ©tüpe unb
SebenSgefabr ü6er Trümmer, Tobte uub 93er*
rounbete hinweg geflettert. Tabei gelang e§
ihnen, einen ©erwunbeten gu retten. TaS im
bereits ermähnten Theater befinbtiche ©ublitum
gelangte unoerfebrt inS fjreie. Ter betreffeube
©cpaufpieler tarn am anbern borgen im ©e«
roanb beS ©ulcinetlo in Neapel an.
Pa0 i^eiept ju ettter öltimlidjeu (jfh t.
ffion ÄamiDa.
fjAÖÄ J ber Santthen, wie tarnt man nur
I fiSf!»’ «inen SJtann heirathen, beit man
nicht genau fennt! Ta hat [ich
I 7j@life ©djmibt mit bem 93aumeifter geller
f u berlobt unb hat ihn nur ein paarmal ge*
r*' fehen. 9Bie lange fenne ich fcpon meinen
|, k Heinrich 1 . weife aber aud), ich werbe
J \ f glüdlid) mit ihm fein, er ift ein Sngel!"
'' „Stun, nun, Stiitb, ich gweifle gar nicht
f an beinern fiinftigen ©peglüd, «8 mag
y angenehmer fein unb ein SJtäbchen wirb
4 lieber in ben ©peftanb treten, wenn es beS
T 93erlobten Temperament unb ©igenfcpaf*
I ten fchon ein wenig ftubirt hat, benot es
{ auf eroig mit ihm nerbunben wirb, aber
’ eine ©arantie für eine glüdlicpe ©pe bietet
eine lange Sefanntfchaft nicht, bie§ ©lüdf beruht
auf etwas gang Slnberem. SÜS ich noch in ber
©rübergemeine wohnte"-
„fttch’Tantchen, bort werben bie ©rautpaare
gufaminengelooft, nicht wahr?"
„Thorpeit, ftinb! $n ber ©rübergemeine
hat, wie überall, ein lebet junge SJtann baS
Stecht, bie ©raut gu wählen. MerbingS tommt
es bort nod) jept öfters bor, bafe ein SJtiffionär,
ber einige 3iah« in einem fernen Sanbe unoet*
heirathet, gleichfam auf ©tobe mar, wenn er
bann bie ©rlaubniß gu feiner ©erheirnthung er*
hält, bie SJtiffionSbirettion erfucht, ihm „wegen
SJtangel an Tainenbefanntfchaft" eine ©raut gu
erlefen. Tie „©rüber" beS SJtiffionSoorjlanbeS
halten bann Umfchau unter ben Töchtern beS
SanbeS, wählen eine ihnen paffenb fdjeineube
Jungfrau unb gebrauchen bas SooS, o. h. fie
bitten in ernjtein ©ebet ©ott, feinen SEßillen
offenbaren gu moQeu, ob fie biefer Schmefter ben
^eiratpSantrag machen Jollen ober nicht. Ta*
rauf wirb DaS 8ooS gezogen; fällt bie Antwort
bejaheub aus, fo wirb ber betreffenben Jungfrau
ber Antrag gemacht, es fleht ihr inbejj frei, ben*
felbeit abgulepnen, fie tann ungegmungen pan*
beln. ©ine folche £>eiratbSgeichi<hte wollte ich
bir eben ergäben. 911S id| noch in ber ©rüber*
gemeine wohnte, lernte ich «inen alten efjtmür*
bigen SOtiffionar unb feine ©attin fennen. ©S
waren gar liebe Seutdjen. 3f<h fetje jle noch bor
mir, er, eine unterfepte rüflige ©eftalt mit bem
©ammtfäppchen auf bem weifeen 6aar, baS
freunbliche SJtüttercpeu neben ihm. SBenn man
bon $eirathSgefd)i<hten rebete, ergab Ite Der alte
$err gar gu gern feine eigene ©efdjidjte.
„3fch warb," fo berichtete er, „fedjSunbgmongig
Sab« alt, als SJtiffionär gu ben ©SfimoS nach
Sabrabor gefchidt. TaS ©ingewöhnen bort
warb mir nicht leicht; baS rauhe t?lima, bie ton*
fonantenreiche, fcp wer gu erleruenbe ßstimo*
fpracpe, baS ftumpfe unreinliche ©olf, bereiteten
mir manche Stotp. Tagu bie ©ehnfudpt nach
ber £>eimatb — einmal nur im 2fahr, im Slu*
guft, tommt baS SJtiifionSfcbiff unb bringt Stach*
rieht aus ©uropa unb trägt im ©pätperbft
©rüfee gurüd. Stach bier Sahrcn hatte ich mich
eingelebt in ben neuen ©erpättniffen. Ta er*
ßing bon ber SJliffionSbiredioit bie Slnfrage, ob
ich wich berheirathen Wolle, ich folle eine ©raut
beftimmen. 3<h fc^ricb gutüa: $<h trüge fein
Silb im bergen, es feien mir alle Töchter beS
SanbeS gleich, i<h bäte bie ©rüber eine ©raut
für mich gu wählen, bie gu meinem Sllter unb
Temperament paffe unb praltifdj tüchtig fei. —
Ter ©rief warb foubertirt unb fortgefdpidt.
Ginige 'S tu üben barauf befiel mich «ine wert*
mürbige Unruhe. Tu paft gefdprieben, fiel mir
ein, es finb bir alle gleich unb plöplidb ftanb
baS ©ilb einet Jungfrau bor meinen ©eifteS*
äugen, bie ich bei einem ©efuep in $. gefepen.
Tiefe Scpmefter, obgleich gang manierlich nngn*
fepen, patte mir einen unangenehmen ©inbrud
gemalt. 9Benn eS nur biefe niept wäre, feufgte
icp auf. Thorpeit, fdpalt ich, wie foflten bie
©rüber gerabe biefe für mich wählen? Tod) bie
Unrupe blieb. JßaS war gu tpuu? TaS Soot
mit meinem ©rief war fort. SJtan beute fiep
meine Sage, ©in 3abr laug in Spannung
gu leben, wer bie ©raut fein wirb. 3cp empfahl
bem treuen .fjerrn bet SEßelten, welcher alle 9Bege
feiner Jtinber gum ©eften lenft, meine Sin*
gelegenbeit unb traute ihm gu, bafe er SlHeS
wopl machen werbe, eitifamen, bangen
©t.unben regte fiep im ^nnerften inbefe immer
Digitized by v^ooQie
640
Pf SJoggeli.
toieber ber 2Bunf<h: wenn’S nur biefe nicht
märe!
„$)er lange ©Unter bering, ber ©ommer
fam unb mit ihm bie 9iad)rieht: ba§ 9JiiffionS«
fepiff ift ba. itlopfenben fjergenS rüftete ich
mid), bie anfommenbe ©raut gu bemifltommnen.
3» ^Begleitung eines Kollegen, ber ebenfalls
feine ©raut erwartete, fuhr ich in einem ©oot
ttadO bem @d)iff. 9118 mir uns bemfelben
näherten, faljen mir Seute auf bem ©etbeef,
unter ihnen — mein £)erj brofjte gu gerfpringen
— jene Don mir fo ungeroünfehte Jungfrau.
9tber noch mar Hoffnung, fie tonnte ia bie
©raut meines Kollegen fein! ®er Don Guropa
juriicffeJjrenbe ©tiffiönar, ber bort gur Grpolung
geroefeu mar, übernahm bie ©orftellung. „©eine
©raut, lieber 9t.," fprach et unb führte mir bie
unliebfame Jungfrau gu.-
©o meit pflegte ber alte |>err feine ©cfdjichte
gu ergäben, bann rief er fröhlich'• „SJtuttcrdjen,
ergäbe roeiter!" „9tuu ja," ergriff bie freunb«
liefje 9Jtatrone ba§ ©3ort, ,,id) wohnte im @<hroe=
fternpaufe gu ü. unb erhielt, als ich fünf unb*
gwangig 3apr alt roat, Don ber 9J?iffion§bireftio;i
ben Eintrag, mit bem 9Jtiffionar 9t. in Sabrabor
in ben Gpeftanb 311 treten. ;^<h entfann mich,
biefen 9)laitn ein ft bei einer mir bcfnmtten 3?a=
miiie getroffen gu haben, bod) mar biefe Segeg«
nung Diel 311 flüchtig aeroefeu, um einen Giitbrucf
311 l)intertaffen. 9fad) manchem Ueberlegen
nahm ich eitblich ben Eintrag an, babei bentenb:
Gs toinrnt rooljl Don ©ott. 3cf) gewann fogar
fjreubigfeit, nach bem oben Sabrabor 311 gieren.
9ta<h einem fehmeren 9lbfd)ieb Don ber fjeimatf)
reifte ich nach Sonbon unb fcgelte Doit bort auS
mit bem 9JtiffionSf<hiff ab. ©ie ©eereife miihrte
ungewöhnlich lang unb mit fyreuben erblicfte ich
enbiieh bie Sabraborifdje ft'iifte. ©Jar baS Snnb
gleich ein öbe§, meine .fteimatf) follteeS nun werben
unb bie Hoffnung auf eine gliicfliche 3 u!uitft an
ber ©eite eines treuen 9JtamteS belebte mich.
GtroaS bang warb mir bennoch, als ich ben
„frembeit" Sräutigam nahen fab. — ©ie pein«
lieh berlegene@ 3 eneber gegenteiligen ©orfteilung
War Dorüber; ich erwartete einige freunbliche
SQBorte aus bem 9Jtunbe meines ©erlobien gu Der«
nehmen, aber finfter bliefte et mich cm, murmelte
unDerftänblidje Stehen wie: „9tachhet erflären,
entfchulbigen."
„3m ÜtiffionShauS angelangt, würben Wir
©erlobten allein .geloffen unb mein ©räutigam
erjähtte mir nun ohne Umfehweife Don feiner
ülbiteigung gegen mid) unb feinen Kämpfen;
bah id) bennoch feine ©raut geworben fei, felje er
als ©ottcS Rügung an; er wolle mir ein getreuer
Ghemann fein, ich fofle nur Öebulb haben, ©atm
bat er in inbrüuftigem ©ebet ©ott ben fierrn,
bafe er unS bie nötpige Siebe 311 einanber Der«
leihen möge unb Detfjinbere, baff menfehlicher
Gigenfinn uns trenne, welche Gr fo wunberBar
gutammengeführt. ©rei Sage nach meiner 9ltt«
lunft würben wir ehelich mit einanber ber«
bunben." —
Seuchtenben 9lugeS hatte ber alte &err guge«
hört. „Unb ©tutterdjen," unterbrach er icfit
fein ^rauchen, ,,fag’, waren wir nicht bie glüa«
iidjften fröhli^ften Gheleute ?"
„3a," erwibigge bie Stlte, „unb wir finb es
noch- Gine hatte ©<hule für mein ftolgeS £>erg
War biefer Anfang unferes GheftanbeS inbejs boch,
aber fie trug fegenSreiche 3?tüd)te. 3<f> war ba«
mals gar gu fepr übergeugt, alle bie guten Gigen«
fdjaften gu befi^eu, welche einen 9Jtann gliidlich
machen. 9tun muhte ich bemütpig um bie Siehe
meines 9Jtanne8 werben, lernte mein leibenfehaft«
lidjeS ©3efen in 3ud)t nehmen unb wenn mir bte
Straft bagu fehlte, fo erbat ich fie mir bon oben.
©0 warb ich friebbotl unb glüdlid)."
„©iehft bu, Stinb," fagte baS Tantchen, „ba
haft bu baS 9tegept gu einem glücflichen Gljeftaitb.
©ie Scutchen ruhen längft auf bem fdhattigen
©otteSacfer gu 9t., ihr 9lnbenfen wirb noch beute
geehrt. ©Me hat bir aber biefe ©efdndite ge«
fallen ?"
„O fehr gut," erwiberte bie Stickte, „aber lieh
ift ntir’S boct), baff ich meinen Heinrich fdjon fo
lange fenne — bie arme ©dpwefter in Sabraborl"
„3ft auch fchöner fo. ÜBenn bu aber fpäter
Derheirathet bi ft, ber erfte ©UidfcligteitSraufdj
Dorüber fein Wirb unb bie 3f<t einer gewiffen
Grnüchterung eintritt, wirb eS bir bielletcht Dor«
tommen, als wäret ihr beibc, bu unb beiu £>ein«
rieh feine Gngel. ©ann mache es wie bie
©chroefter, fliehe bir ein ftilteS Stämmerlein —
bieS ©tittel hilft aHerroegett!" (©aheitn.)
$3 Pf logge». S
üHunbart.)
’ft trurig, ote’s bem galjt,
IPil er, mte’s ttub bötf4
(Es ITörtlt, bas mer 3uttcm feit,
9rab, als betts be lt>inb furt treit.
De 3099U brurf^t fie 0 l]rc nie,
(Es ift 311m Sadje-n-öppcMe.
f^üt fdjicft-e-b’ IHuetter 3ur ^rau Bas,
De 3og^eIi gal^t unb t^olt es < 5 las.
De Datter ^at gern Baucfytubacf,
Da byolt be 3 oggeIi en Sarf.
De Dattcr ijt gli bfunne gjt
Unb fteeft 3ur Straf be brt.
D i g iti z ed by vnO0^t€
tön finnigen gddjjeitngefdienlu
641
X>c Halber tritt 3um IJoggeli 3ue
Unb feit: De djönnt’jt mer öppis ttjue.
(Bang bol mer gitig uf ber pojt,
De 3oggeli bringt e Ijalbt HToft.
Der teurer mö(bt fpa3iere gab,
Unb bäb fin Stocf bibeiine gla,
Seb gang uu ^ fyol mxn Stocf,
De 3 oggli gebt unb bringt en Horf.
Si IHuetter ift am <£ljodje gl*/
Da fehlt e-r-e es €i bebi.
Sie feit 311m Bueb: (Saug bol es €t,
De 3 oggli gebt unb bringt en Stei.
So madjt’s be 3 oggeli alli (Eag,
XDxl er uf b* £iit nüb lofe mag.
De 3 oggli git fein red)te IHa,
IDenn er nüb beffer loje dja.
(fin ftiittige« $od)|eit00cfd)euk.
ijj?in Dorneljmer £>ert hielt einft &ochgeit unb
|£ hatte baju neben üornebinen ©äften auch ben
**T $orffcf)uljen, einen fdjlichten, aber feinen
unb chriftiichen Wann, gefaben. 9tadjbem nun bie
bornebmen Herren Diele föftlidje ©oben, bet eine
biefe unb ber onbere jene überreizt batten, Jam
juleßt auch ber Schulje baljer, brachte eine fleiuc 1
Stapfel unb fagte: „Wein ©roßDater felig bat i
eiuft ben .£)oflänbern gebient unb mir bie= 9ln= '
benfen binterlaffen. ÖaS gebe ich 3hnen, lieber
#err, an 3b rf,n ©hrentage, brauchen Sie eS I
in ©efunbbeit, unb ber barmljerjigc ©ott
rooBe Sie Seine SeiSljeit lehren!" — 'Üls nun
ber |>err bie $apfel aufmachte, fanb er barin
eine filberne Wiinje, mie fie bie £)oBänber einft
hatten fdjfagen laffen, um ben ^rieben mit ben
©nglänbetu ju erhalten. ®uf ber einen Seite
toar ein Stoch Ochfen abgebilbet mit ber lateini*
fd^en Umfchrift, bie in beutfeber Ueberfefcung
etwa lautet: „W i t einanber finb mir ftarf";
auf ber anbern Seite ein paar irbene iöpfe, bie
auf bem Weere fchroimmen, baneben roieber ein
paar lateinifche Sorte, bie 311 beutfei) etroa hei»
|en mürben: „S i b e r einanber gehen mir in
Scherben." SaS jeiflle ber ©rat feiner jungen
dran unb fügte: ,,©i fieh’, mein Stinb, mir
haben heute manche feine ©abe befommeu, hoch
hat ber Bauersmann uns mahrlich nicht bie
fchlechtefte gegeben!" — £ie 9iußanmenbnng
mögen fich bie geneigten Sefer, bie halb in ben
heiligen ©heftanb treten moüen ober bereits
eingetreteu finb, felbft machen unb — barnach
thun!
JDet ift ber «lii(Mid)fief
f ls ber berühmte, aber in feinen fpäteren
Lebensjahren fo unglüdtliche italienifche
dichter jtarquarto Ü a f f 0 im Sfatjre
1570 als 26iäljriger Wattn am franjüftfchen
&ofe meilte, fragte ihn eines SageS bev Äöttig
Äarl IX.: „Staffo, mer iji nach ©urem @r=
meffen ber ©lüdlidhfte?" Ohne fiep ju befinnen,
antmortete ber $)idhter: „©ott." — „$aS meifc
mohl jeber," ermiberte Äarl, „aber nach bem
Fimmel foBte meine graae nicht gehen. 3 ,cf)
meinte Dielmehr: mer außer ©ott unb nach
ihm?" — Sieberttm ohne 3öflern atitroortete
ber dichter: „Ser ©ott am äf)nli<hfien gemor»
ben ift." — ©ar fein, bünft es uttS, hat ber
berühmte Säuger beS „befreiten ^erttfalem" ge»
antmortet. &at nicht auch bet fjeilanb gefagt:
„Selig finb, bie reines fterjettS finb; bentt fie
merben ©ott flauen"? 9teintgfeit,beS fpevjenS
ift ©ottäljnlichJeit; je reiner baS £>erj, um fo
ähnlicher ift es bem ©ater im fjimmel; mer
aber ©ott fchaut, ber hat bie Summa aBer
©lücffeligfeit.
(fin ®n»0 burd) bie fdjtöeifmfdjf
fntibe0aii0|leUiiii0 fu jförid).
©on $r. Suljberger in graaffurt a. St.
*§^l| ie fchöne Simmatftabt, auch fdjmeijerifcheS
gyii ©tpen genannt, erfreut fich ihres flnfjt»
fchen ©obenS, ihrer reichen Äunftfchähe
unb roiffenfchaftlichen ^nftitute unb befonberS
ihrer prachtoonen Sage megen je länger je mehr
eines ftarten SrembenbefiicheS. ®iefeS 3jaf)r
aber ift ber 3ug Don f^remben unb ©inljeimi»
fchen nach 3 üridj ein außergeroöhnlich großer,
fo bafe oft bie ©aftpöfe bie fjremben faum unter»
bringen fönnen. $ie Urfadje biefer ftarten
3 reqnenj ju erfahren, braucht man nicht meit ju
gehen, bemt fie bitbet feit einigen Wonateit baS
SageSgefpräch 1111 b gehört es 311 ben Oingen, bie
fiih bei jebem Scpmeijer fo 311 fagen Don felbft
Derftefjen, nämlich bie S a n b e S a u S ft e 11 11 n g
311 befuchen.
Seit ber ©nrifer unb Sonboner SeltauS»
ftellung folgten eine Wenge internationaler unb
nationaler ©emerbe» unb Äunft»9luSfteflungen.
3 n biefem Sahre finben außer ber genannten
nicht roeniger als brei folcfjer ?luSfteliungen ju
gleicher 3eit ftatt: bie $)pgieue»^luSfteBung ju
Digitized by v^ooQie
642
Pit ffmeijeriffe #anb»au»flftlung in Ittridj,
'-Berlin, bie internntionole GoIonial«9luSfteßung
gu 9linfterbam unb bie internationale Sfunft«
auSfteflung gu SJtünfen.
Sor 26 ^cfren (1857) toar bie britte ff wei«
geriff e 9tuSfteflung in Sern in einem eingigen
©ebäube untergebraft, beute nimmt fie als bie
oierte einen Stimm ein, weifet etwa ber Hälfte
beSjenigen gleiffommt, ben bie ffiienet 9tu§«
ftellung eingenommen batte. 2Ba§ fann benn
bie Keine Schweig gegenüber jenen gleicbgeitigen
Slusfteflunaen noch StennenSwertheS bieten, wo«
mit eS bie llufmerffamfeit ber ffreniben erregen
unb feffeln fönnte ? Unb bof bringen Gjtra»
giige bon allen Stiftungen außer ©fweiger,
Deutffe, Italiener, ffrangofen, Gnglänber unb
fogar Slmerifoner herbei, bie einen ober mehrere
Jage bem Sefufe ber 2anbe8auSfteßung mib»
men. 2Bie beinahe jebem Sefufer, fo erging eS
auf wir, baß if bei meinem ©ang burf bie«
felbe gerne alle meine 3?reunbe bei mir gehabt
hätte; ba biefeS felbftberftänfclif nif t möglif
war, fo möfte if ben werfen Sefern oon £auS
unb 4)erb, Unter benen ja auf biele ©fweiger
fitib, etwa§ bon biefem ©tüd baterlänbiffer
Äuuft nnb Sfnbuftrie mittheilen.
3u ber näf ften Stöße beS ftattlifen Sahn«,
ßofes flattern an hohen SJtaften bunte SBimpel
unb oon ben ©iebeln ber 9luSfteßungSgebäube
wehen Bahnen mit bem ©fweigermnppen unb
laben jeben Slnfommenben freunblif ein, feine
©f ritte ber gwiff en ber Simmnt unb ©ißl ge«
legeuen Keinen ^albinfel gugumenbett, weife
bon bem ffluffe eäßl burfffnitten ift. Son
alten, hertlif en Säumen beff attet unb inmitten
ff öuer Stafenpläße ftehen bie beiben großen 9lu8«
fteflungSgebäube; ffon bon weitem hört man
bas fröhlife Dreiheit unb fummt eS um bie
£>a fielt nnb in benfelben wie ein Sienenff warm.
Sir treten erroartungSbofl burf einen flaggen»
geff miidten Sogen in bie St a f f i n e n h a i l e,
gwiffen ben Sfeilern jteheit ff müde ©fweiger«
häuSfen für bie SBaftpoften. £)ier finb bie
Stoßprobufte unbberen erjte Serarbei«
tung gur ©fau gefteßt. Daoon ift u. 91. ber
91 § p h a 11 bom Sal be DraberS gu nennen, weil
er naf bein Urtßeil bon ©af funbigeit in feiner
Dualität bon feinem anbern übertroffen werben
fort, Gbeiifo feßenSWertß ift eine reife ©amm«
luug bon 918 b e ft unb bie batauS gefertigten
Stanufalturen, fowie ber berühmte Dbon»
f f i e f e r, Welfer gur Daf bebedunq baS ffönfte
SJtaterial unb ber lernbegierigen $ugenb eine
utigäßlige Stenge oon ©freib» unb Siefen«
tafeln liefert.
9Benn GtwaS ©eff mad haben foß, bann barf
baS ©alg nif t fehlen unb fo lieferten bie © a«
(inen bon Ser unb bem Stßeine ihre Srobufte.
Daß unfer 2anb biefe nothwenbige SEBürge nif t
entbehrt, bemeift bie Stßeinfaline, bie fo ergiebig
ift, baß fie aßein bie gange ©fweig mit ©alg
oerfeßen fönnte. 3n ber fiafle unb auf ben
freien Släßen finben fif gaplreife Sfrbeiteit in
Gement. Die mehr als Sfaßrtaufenbe alten
Sau werfe ber Stömer fprefeu nof heute nif t
aßein für bie Sebeutung unb ben Söertfj biefeS
Sinbemittels, fonbern auf, baß fie baSfelbe gu
benutzen öerftanben. Grft gegen Gnbe beS bori*
gen ^aßrbunbertS tarn baSfelbe wieber in 9ln=
Wenbung unb bilbet heute einen gang bebeutenben
£anbelSartifel, in bejfen Sereitung unb Serar«
beitung feit einigen fahren bie ©fweig bom
SluSlanb nif t mehr übertroffen wirb. £ier et«
hebt fif eine große Säule bon biefem, bem 3<>h«
ber 3?it fo erfolgteif roiberfteßenbeit Staterial,
ba betritt man einen Stofaifboben, beffeit 3e*f*
nung unoerwüftlif fein foß, unb bort erblidt
man einen Sogen, welfer troß feiner gewaltigen
Selaftung nif t gufammenftürgt. Sßaßrlif, ein
ff äßbareS SJtaterial für unfere an luftigen ©pe«
fulationen fonft fo reife 3«*-
9ln bie Stohff offe reißen fif bie S a u m a t e«
r i a l i e n. Die reife Sammlung bom harten
Urgeftein bis gu ben weifen ©ebilben ber Sie«
laffe unb ber ffreibe, oon ©ranit, 911ahaftet,
Surafalf, ©anbftein, @f iefer, Stagelfluh ic. oon
anbern geigen, baß bie ©fweig buf ftäblif ftein«
reif ift. Unter biefen ©teinarten trägt un«
ftreitig ber antife Starmor bon ©aiflon«@njon
(SBafliS) mit feiner praftboßen 3«*f nungunb
Färbung in SBeiß unb ©tün ben erften SreiS
babon. 9lm Stanbe ber Staff inenßaße fteßt ein
Seftibül in altbeutffem ©effmad mit einem
altarartigen Diffe, einer ©ewölbetßür, einet
Stiffe, etner ©elänbertreppe unb einem ßoßen
ßamin aus ben berff iebenen Saufleinen errif tet
in auSgegeifneter Searbeitung unb praftbol«
ler Solitur. Daneben befinben fif ftßlboße
©culpturarbeiten bom ©aufe Doret oon
Sebep (üßaabtlanb), welfeS fif burf feine
ftunftprobufte eines SettrufeS erfreut. — 2Bäß«
renb ßier ber tobte Stein burf feine tünftleriffe
Serarbeitung gu feiner boßen ©eltung tomint,
fo wirb anbern Orts ber -lebenbigen Sflonge ißr
Steft, inbem ber gange 9luSfteflunqSpart mit
buftenben Slumenbeeten bebedt ijl, bie mit ißrer
Sarbenpraf t unb burf ißre geff madboße ©rup*
pirung unfer 9luge ergäben unb eine angenehme
ißbwef felung bieten. Sfn einer geff madooßen
Stotunbe ber SJtaffinenßafle ifl ein Sßälbfen
bon ©Qpreffett unb Stabelhölgern angelegt, auf
beffen grünem StooSboben ftränge unb SouquctS
gelagert finb.
Die Dhonwaarenfabrilanten neß«
men unter ben 9luSfleßern eine ehrenboße ©tefle
ein. Som einfafen ftüfengeff irr bis gur eie«
ganten Safe, oom flafen, funftlofen ©efäß bis
gum farbenreifen, mit aflerlei Sfiguren gegierten
ift eine reife Goßection oorßanben. Giner biefet
Digitized by v^ooQie
Pie fdjturiferifdje fanbesausftellung in jtlirid).
643
Oljonfünftler ift an Ort unb Stelle unb ber«
fertigt auf feiner Oreljfdjeibe bor ben 9lugeit ber
aufmertfamen 3uf<hauer auS einem formlofeit
Stile! iSöon eine Weilte ber öerfdjiebenften ©e=
fäße. Üßätjrenb idh ber funftgeübten $anb gu«
flaute, roie fie fo gcfd)icft ben $been beS SteifierS
3?orm gu geben beritanb, mürbe id) unroiUfiirlidj
an baS 2Bort Sauli (3töm. 9, 26) erinnert, mo
er bon bem ^oljeitSrecht beS Schöpfer» fpricht,
ben Steufdjen nach bem Wag feiner ©eisljeit
uitb ©üte berfdjiebene ©aben auSgutheilen unb
ihnen berfd)iebene Steifungen im 2eben angu»
meifeii. OaS einfache funftlofe ©efäjj fommt in
einem meifen £)aiiSf)olt ebenfo gut mie baS funft«
bollfte an feinen rechten Stoß unb gu feiner red)=
ten Serroerthung, beägleic^en jeber Stenfch, roel«
d)er fief) bon ber |>anb feines Schöpfers nach fei«
nein h. SSJitlen bilben läßt. Oie futg gugemeffene
3eit brängte mid) aber meine theologifdjen Se«
tradhtungen abgubredjen unb meine ©anberung
fortgufeßen. — 3>m 0 f e n b a u madht fid) mie«
ber bie alte ftunft geltenb, mie fie feiner 3oit
fpegieH in ©interthur blühte.
Gs fiitb gar gemütblich« Slameraben, biefe
alten, grünen ßacbelöfen mit ihren plaffifdhen
Sergiermtgen unb hiftorijdjen Silbern, bie fidh
bem finblidf)en ©emüth uitb ©ebädjtnifj biel
lebenbiger einprägen als oft burdh einen troefenen
©efdhidjtSunterricht. Stit ihren breiten Stufen
unb Santen laben fie bie ftauSbetoobner im
©inter gar freunbfich gutn marmen 9lbercbfiß
unb spiauberftünbdhen ein, fo bafj ein folcher
Ofen Sieles bon ben alten 3 e >f« n «rgäbleu
fönnte, roenn fie bie .fhtnft beS Sprechens ber«
fiünben. Sur einer hot einmal ein böfeS Spiel
berrathen, roeil ihm ein gefdheibter 3funge in
Sugern ben Storbplan fdblechter ©efellen geflagt
hat; ob er noch antiguarifdh gu hoben ift, möchte
ich bejmeifeln, mo fonft er noch hie unb ba bie«
fefben Oienfte thun fönnte.
Uner ben Grgeugniffen ber St e t a 11 i n b u«
jirie geicbueti fich u. 91. geroaltige ftaffefdbränfe
aus, ihre geheimen Siegel unb unerbrechlicheu
Schlöffet finb gang genial angebracht unb fiebern
bem beforgten Gigentbümer feine golbenen, fil»
bernen unb papierenen Sdhäfje bor fjeuer unb
Oiebsljänben; fotebe $unftprobufte finb aber
trofs ber ff an ft unb beS borhaitbenen SeicbtbumS
ein Testimonium paupertatis für uitfer cibifi«
firteS ©efdhlecht. — Unter ben ffl u R ft o b 1 * unb
©eichgußartifeln nehmen bie fjabrifate
bon ©. ffrifeber ouS Sdjaffboufen eine herbor«
ragenbe Stelle ein ; biefe girma liefert einen
Stahl bon fo borgüglicher Oualität, mie er felbft
in Gitglanb nicht beffer gefunben toirb.
Oie StafcbinenauSftel lung beroeift
glängenb, baß bie Sd&roeig troß ihrer 9irmuth an
Sobftoffen unb ber fie einengenben 3oflfdbraitfen
im eblen ©ettftreit mit anbetn Stationen in mehr
als einer Sichtung fidh gu ben hödhfteu Stufen
emporgefchrnungen hot. ©äbrenö bnS plat«
fdhernbe ©afferrab im ftillen 2hole in ber Stühle
noch immer feine guten Oienfte tbut, feßt bie
2 u r b i ii e bie mächtigften, eifernen Sdhmung»
räber unb bur<h biefe eine Ungabi onberer Säbe’r«
merle in ben fjabrifen in Seroegung. Oer
2urbi neu bau hot besholb in ber Sdjmeig,
toelche über fo gablreidje ©afferfräfte gu berfügeit
hot, eine große Sebeutung getoonnen. Unter
ben Oampfmafdhinen giehen befonberS gmei nicht
allein burdb ihre Oimenfioncn, fonbern ciudb
burdb präcife, tunftboüe Gonftruftion unb burd)
bie Silbe ihrer Seroegung bie 9lufmerffantfcit
aller Sefudtjer auf fid). Oiefe beiben Sentil«
bampfmafdhinen, bie eine bon ©ebr. Sulger aus
©interthur, bie anbere aus ber bortigen fioto»
motioefabrif, mürben an bet leßten Sarifer ©eit«
auSfteOung mit gmei bon ben fedjS großen Steifen
prämiirt. — Gin grofjer 2heil ber Stafcf)inen
bient ber Saummollenfpiuiterei. Sei
einer folchen bollfiänbig aufgeftellten, arbeiteuben
Stafcbine bot man ©elegenheit bie gange Ser«
arbeitung beS SobprobufteS gu betrachten; in
einem eifernen Gt)linber liegt bie Saummolle bis
fie in rotirenbe Seroegung gerät!) unb 9lnfangS
gu lodferen Strängen, nach unb nach aber gu
bidbteren unb guleßt gum feften ffaben gegmirnt
auf Spulen aufgemunben roirb. — Seben ber
Saumroonenffjinnerei ftehtbieSeibenmebe«
rei, borgüglich im Ganton 3>iti(h unb Safel,
oben an. Unter ben auSgeftetlten ©ebftüljlen
finboor9lllem bie roeltberiiljmten me<bo«
nifchen gu nennen. £ö<hft intereffant finb
bie S t i cf m a f ch i tt e n, meldhe oor 50 fahren
eingeführt mürben. 9ln bem einen Gnbe beS
SJebftuljleS fißt ein 9lrbeiter unb fährt mit einer
9lrt Stordhfdhnabel (3eidbnnngSinftrument) ber
an ber Seite beS ©ebftuljleS aufgefpannten
3eidhnung nach, bie gange Stafcbine folgt-jeber
feiner Seroegung unb roebt auf biefe ©eife baS
borgegeichnete Stufter in ben Stoff ein. 3m
3ahr 1882 fianben in 13 Gantonen 14,883 fol«
djer Sticfmafdhinen. Gine anbere St a f dh i n e
verfertigt mit berounberungsmürbiger Schnellig«
feit-feine Strümpfe. — Gine riefigeSo»
piermafdhine liefert ein Sapierbanb, mit
bem man eine Stredfe Don circa 4 Stunben
Sänge bebeden fönnte. — Oie SBunber ber
Gleftricität feßen auch hier burdh 'hte leudh»
tenbe unb beroegenbe $raft bie Sefudher in Gr«
jtaunen. Sorn in ber Stafdhinenhalle ift eine
bpnamo«eIeftrifche Stafchine, meldhe als Glefri«
citätsergeuger bient nnb gugleidh eine Stafdhine
fpeift, bie fünftlidheS Gis fabricirt.
Obmohl id) ifreunb bon mafdhinenmäfei«
ger 9lrbeit bin unb eine gemiffe 9lbneigung be«
fißc gegen baS eiferne ©etriebe einer abfoluten
^errfdhaft, fo hot nebft ben genannten unb ben
Digitized by v^ooQie
644
(Stellen.
Dielen nodb ungenannten gcinj befonberS eine
Mafchine mir bie Uebergeugung abgeroonnen,
baß ber menfdblidbe ©eift auch auf biefem ®e»
biete in unterem ^a^rfjunbert feine böcbften
Oriutnpbe in ber ©eberrfehuitg ber tobten_ s JÖia=
terie feiert, ift eS bod), als ob ber ©eift beS
©rfinberS in feinem genialen Mafd)inenroerfe
berförpert oor uns ftänbe. 3;cne ermähnte
Mafchine, bie oon erftaunten 3 uf (buttern immer
belagert, ift eine <5 <b r a u b e n m a f <b t n e.
Ueber ber Mafchine liegen in einer Art fjülfe
eine Menge furger, bider Orabtftifte; fobalb
bie Mafchine in ©eroegung ift, Jommt eine ©abel
unb pacft einige biefer «Stifte fo feft, baß feiner
mieber enttoifd^en fann, führt fie im näcbften
Augenblid in baS ©etriebe beS AäberroetfeS, too
fie oor unfeten Augen oerfcbroinöet, aber in
gang lurjer 3«it toirb fie mieber ficptbar, guerft
mit einem ©eroinbe, bann mit einem Äopfe Der»
feben; bann greift eine anbere ©abel nach ber
fertigen Schraube unb legt fie mit SRube im
Oriumpb gang gragiöS in ein nebenftebenbeS
©efiiß, mo fiep lebe Secunbe neue Äamerabeu
ibr gugefeüen.
©ine anbere, auch für bie näcbften ©eneratio»
nen unb fünften ©ef<ble(bter bebeutungSbolle
Mafchine ift biefenige, burdb roelcbe man fidj eine
39a bn mitten burdb ben granitenen ©ergriefen
St. ©ottbarbt gebrochen bot- Söingig tlein er»
fdjeint biefe 39obrmafdbine im ©erbältniß
gu bem geroaltigen ©egner, ben fie gu überroin»
ben batte. Mit fräftigem Anfaß beginnt fie an
geroäblter Stelle ihre Arbeit unb hört nicht auf,
bi§ fie ihren Stahl gang tief eiugebobrt bat;
langfam, aber ficber bringt fie DorroärtS in baS
innere beS ©ergeS; traft beS SprengftoffeS er»
meitert fidb ihre 39abn immer mehr, bis fie enb»
lieb baS große SBerf üollenbet unb auf ber anbern
Seite beS 33ergeS angelangt ift im fottnigen
Italien, mo am Stage ber ©röffnung ber @ott»
barbtbabn ein oielftimmigeS ©ibat 3talia,
©ioat ßeloetia ertönte, unb mir fügen bingu
95ioat ©ermania.
©S märe nodb Mancherlei unb über mancher»
lei Abteilungen aus biefer Anstellung gu be»
ridbten. OaS Obige aber genüge, um gu geigen,
baß biefe AuSfteHung begüglidj berOualität unb
ber Anorbnung ber auSgefteHten ©egenftönbe
felbft nicht hinter ben ©arifer unb SCßiener Aus»
fteUungen gurüdgeblieben ift.
© «e l u n.
San Anna $örr.
'ö efanntlieh ift biefeS Obema alt; aber beß»
® halb ift es um nichts meitiger lehrreich,
e/r OaS Alte muß uachgerabe nicht uninteref»
fant fein. Alle SBabrbeit ift alt, eroig mie bie
©migfeit; fie ift baS giinbament, roorauf bie
gange Schöpfung fiep grünbet. Aeue SBahrpei»
tengiebt eS nicht; bie ©bilofopbie mag groar neue
Seiten ber Söabrbeit entbeden, aber fie fann nie
neue SBabrbeit erforfeßen. Alle SSBabrbeit ift
unaufhörlich, unüeränberlidh, eroig. Oie 3 e 't
mit ihren ©eränberungen unb fReoolutionen
beränbert fie nicht. Sie ift immer jung mnb
beute fo mächtig als gu Anfang ber Schöpfung.
2Bir oerfeßen uns im ©eifte roeit hinüber an
baS roeftlicbe ©nbe unfereS Kontinents, fliehen in
einem ©ebirge eine reine, fprubelnbe Quelle auf,
fdbenfeu bem leifen ©eplätfeher beS SßafferS ®c»
hör unb laufeben feiner ©rjäblung, mie es fich
in ©eftalt eines Stromes ben Öügel abmärts
burdb grüne SBälber unb buftenbe fyluren
minbet. @ar manches Sntereffante tonnten mir
ohne 3meifel hier lernen, aber mir mofleu utifere
Aufmertiamfeit auf höhere, mehr geiftige Quel»
len, bie Quellen ber 3fnteüigeng unb Stugenb
richten.
AaftlofeS Streben, 3?üHe unb ©rünblidbleit
finb bie ©ebittguitgen für ben, melcber hier thätig
fein roiH. Oiefelben auch nur einigermaßen gu
erfüllen, toftet aüerbingS große Mühe unb be»
baulichen fffleiß.
3e tiefer mir aber in biefe Quefle hinein
fdhauen, um fo mehr geminnt fie an Sntereffe
unb Sdhönbeit. Oer Menfch trägt in fich bie
Quelle «Des ©uten unb ©Öfen beroorgen. OaS
©efäbrlicbfte babei ift, baß bie ©ebanten unb
2Büuf<he, roelcbe in einem Men f eben bergen ent»
ftebcu, fo fie böfe finb, nicht nur ben ©e»
treffenben Derberben, fonbern auch einen großen
©influß auf Solche auSübeit, mit benen er in
©erüßrung fommt. 3a, folcbct ©ittfluß erlifdßt
oft nod) nicht, roettn bet, meldher ihn bfroor«
gerufen, auch nicht mehr ift.
And) baS ©utc unb SBabre ftirbt nicht, ©in
berühmter Schreiber fagt: ,,©S ift AidßtS, nein,
nid)ts Schönes unb ©uteS, baS ftirbt unb bergeffen
roirb.“ Q, menn bie guten Obuten beS ntenfcb»
liehen ©efdblechtS bis gu ihrer Quelle berfolgt
roerben lönnten, mie idböu mürbe fogar ber öob
erfcheinen; mie Diel SBobltbätigfeit, Mitleib,
©armbergigfeit unb reine Siebe mürben ihren
Digitized by v^ooQie
P« foninoehrmonn ooc Slttf.
645
llrfprung in einem ©tobe finbeii! Wicht ein
eittgiget Gugel wirb bem Fimmel gugefügt, roel»
d)er nicht auf bie, bie ihn hier geliebt, einen feg»
nenben Einfluß auäiibt. (Sin roabrer Gbrift ift
iin fieben nüjjlich, aber bie „göttlichen Gebern"
finb am meijten brauchbar und) bem lobe.
Sutber ift tobt, aber bie ^Reformation tebt.
Unojr, ÜReloiU unb ©enberfou finb gejlorbeti,
aber ©dbottlanb bebiitt ftetS feinen ©abatb unb
chriftlicbe ©eroobner, eine ©ibel in jebem ©au§
unb eine ©dfule in jebem Ort. ©unnait ift
längft in ber Gwigfeit; aber fein Ginflup wirft
immer noch im fieben ©ieler in ©eftalt feiner
©ilgerreife.
G§ 'ift eine traurige 2B«brbeit, baß in ben
©ergen ber meifteit Wtenfchen eine öerborgene
Quelle rubt, bie in ber ©tunbe ber ©erfucljung
immerbar brobt, fie gu überwältigen. Oiefe
Stbotfoche ift betrübeitb unb hoch boffnungser»
regeitb. ‘Ser ©ebantc baran mag un§ in ber
Stunde ber ©cfabr ftärten. Gr warnt und, baß
Wir im fieben nie lieber finb unb c3 gelte, „Scbilb=
waepen ber ©kebfamfeit aufgnfteöen, unb 3Bad)=
feuer be3 ©ebetS" lobern gu taffen.
SBer oermag bie SRacht für ©ut ober 33ö§ gu
befebreiben, bie ein-eingiger Sab, Dom Obre auf»
genommener ©ab, b^oorrufen tonn ! Ober ift
e§ möglich, bie ©emütb§bemegungen, ©orfäfce
unb ©anblungen abgufebäben, bie in einem ein»
gigen ©Sorte ihren Urfprung hoben mögen!
Seichte unb lofe SBorte mögen anfänglich ol§ unbe»
beutenb erfebeinen, aber wenn e§ auch nur oerbal»
lenbe SBorte finb, fo gleichen fie bo<b ben ©taub»
fiibett ber Siftel. ^ebe» Räbchen wirb auf ben
5-lügeln be» SBiube» fortgefübrt unb tragt in
ficb ben Jteim ber fröhlichen ©flange. Sagegeu
mag ein freunblicheS, gütiges SBort wie ,,©aU
fam" auf ein munbeS ©erg fallen unb Früchte
tragen, bie erft in ber Gwigfeit geerntet werben.
3tebe§ Btenfdben ©er* mag gur OueUe aller
©lücffeligfcit werben, $e mehr ficb ber SWenfch
beßbalb fetbft erfennt, unb mit ©otteS ©ilfe
gur echten SBerebelung, gur SBiebergeburt fommt,
befto reiner, ebler unb göttlicher werben auch bie
©unblutigen, bie aus bem ©ergen entfpringen,
bis er im feligen ^enfeitS ficb gänglich oerliert
in ber Quelle be§ ewigen fiebenS.
Per £«ilwel}nminn por 3Kd}.
fjebor tum ftöpptn.
QUlit finßerem 23 licf unb gefenftem l}aupt,
(Entmaffnet, ber Ubier unb Jahnen beraubt,
(Sefangen, oerfallen bem Kriegsgefetj,
giefj’n ad^igtaufenb ^Jra^ofen aus IHefc.
Umfonfi gerungen, gehungert, gemalt,
Xtun bod? übergeben in beutfd?e IHacfyt, —
traf fie bas Sdjicffal mit manchem Schlag,
Qeut’ aber, f^eut’ iß ber fdjmerfte Cag.
Kein Spiel ertönet, nidjt Sang, nod> Klang,
Sie fdjreiten 3Ürnenb bie Straß’ entlang
Sie murmeln ^Jlüdje unb fnirfcfyen bie gäfyn’:
,,Maudits Prussiens! - - Derrätljer Ba3ainel"
Die mäße, oerfjeerte Stätte bort,
Die mar oon oielen ber £jeimaHjort,
Sonß lag ein ladjenbes Dörfchen im (Efjal,
3etjt fiarren bie (ßiebel fö öbe unb fafß.
Dod? fdjaul mo am $'xxfobtx €rntefran3 fd?manft,
f Da minft nod? ein £}üttdjen, non Heben umranft,
So ftill unb fo frieblidj, oon Ittenfcfyen bemofynt,
Uls Ijätte ber Krieg juß bies ^letfdjen oerfcfymt.
Da blirft oon ber £aube mit IDeinlaubbadj
€in rojtges tDeib bem guge nad?,
(Ein Kinb auf bem Hrme, eins fd^miegt fi<^ ifyr an,
Das britte, bas tfält ein frember IlTann.
3m gug ertönt ein Jreubenruf laut:
„XTTcin IDeib, lieb IDeib ! meine Kinber traut 1 "
Unb oon ben (Sefattgnen fpringt einer fjerbei
Unb fjer3t bas IDeib unb bie Kinber, bie 3mei; —
D od} mie er 3um britten jtd? nfcget, alsbalb
(Semaf^rt er ben ^remben unb menbet ftd? Palt:
„IDer ift’s ? U^as rnill fjier ber frembe (Saft ?
IDes ijt bas Kinb, bas ifjn fd^meidjelnb umfaßt?'
Der frembe mißt il^t? mit offenem Hlicf:
„Dein (Saft bin id? morben burcf? Kriegsgefd^icf,
Du bliebeft aud? gar 3U lange aus,
Da fjütef id? ftatt beiner bas Üfans.
„Denn als bu marft oon (Sefal^ren umbroljt,
Da rang bein U?eib in Kinbesnotlj,
Da fam ins ^aus bir ber frembe Ulann
Unb naljm ßd? ber anberen Kinber an.
„Unb meil es Ijier oieles 3U f^affen gab,
So natjm id? ber Kranfen bie Urbeit ab,
0ft l^ab’ xd} auf ,felbmad? bie Ijalbe Had^t,
Die fyalbe bei beinen Kinbern gemad?t.
„Dein ^aus unb £fabe blieb mofßoermafirt,
(Sott fd^üßte bir gnäbig bie Kinblein 3art,
Dein IDeib genas oon Kranfl^eit unb ffarm,
Dein Jüngßes f^ab’ i(^ fjier auf bem Krm." —
Digitized by v^oooie
646
Hud) eitu rounberbart fUgung Sötte».
Da preßt es ber atibre mit inniger £uft
gum erfteitmal an bie Daterbruß,
Drauf briicft er bem (Safte fo warnt bie £}anb;
„Jjab Danf, jetjt biji bu mir wofylbefannt.
„Du warft mein ^Jeinb im umwölften (Etjal,
Jjeut* fjaft bu befiegt midj 3 um 3 weitenmal,
Du tyaft es tapfer unb treu gemeint,
(Sott fegne bidj, mein wacfrer ^Jeiitb I
„£?ordj, preußifdj Kommanbo! ljab’ länger nid?t §ett,
muß weiter itadj Deutfdjlanb, (Sott mei§ wie weit,
2lbe, lieb IDeib unb ity: Kinber gut,
laß’ euefy in ebler Jeinbe fjut !"
<£r tritt in ben §ug, fie marfdjiren Ijinbann,
Hactyblicft pon ber fjiitte ber £anbwef}rinann,
Don ber IDattge träuft iljm bie (Efyräne liitb, —
<£r benft ans eigene IDeib unb Kinb.
(„Daheim/ 4 )
Hud) ritte tmm&crbare pgung Lottes.
f ei bem bor einigen Soeben bei o h l f u r t
flattgefunbenen Gifenbaljn«Unglücf et*
eignete fich auch, mie uns ein Sugenjeuge
berichtet, folgende merfroürbige ^Begebenheit.
Gine iunge ^rau hatte ihr fleineö Stiubdjen in
einem mit löetten roohl oerfeljenen ßorbe in
einem Sagen bierter Stlajfe bei fidj. Sfinb unb
Horb waren itaih bem llngliltf fpurlog ber*
jkhlounbeit. ©o biet auch bie oerjmeifelnbe
■Dtutter, bie übrigens uitberleßt mar, fuchte unb
fragte, baS ftiiib mar niiht ju finben. @o
mußte moht angenommen werben, baß baSfelbe
unter ben Krümmern begraben Hege.
Gnblid) fdjicfte [ich benn auih bie 'XRutter bin*
tenben $)erjen§ an, ben Sdjauplaß ju berlaffen.
Gin Arbeiter leuchtete ihr boran. 5lber fiehe ba,
als ber Schein ber 2nferne in einen jiemlicf)
entfernten Sfdjetanal fiel, ba ftanb in bemfetben
aufrecht unb uuberfehrt ber fforb, unb in ben
Setten ßhlief baö flinbehen fo ruhig, mie au ber
Sutterbruft, unb and) nicht eine Schramme mar
ju fetjen. $a nicht anjunehmen ift, baß ba 8
5linb bei bem furchtbaren 9(upraQ, mit bem eS
fortgefhleubert mürbe, nicht ermacht fein foflte,
fo ift e§ toahrfcheinlidj, baß fein ©efchrei in bem
erfteu Särm ungehört berhaflte unb es ft<h bann
in ben Schlaf gemeint batte.
„Gin muuberlichet 311 fall baö!" fpridjt ber
Unglaube, menit er foldje ©ef^ichten hört, beren
Sahrheit nicht angejroeifclt merben faitn. Sir
aber benlen an ba§ Sort: „Gr hat feinen
Gngeltt befohlen über bir, baß fie bi<h behüten
auf allen oeinen Segen; baß fie bid) auf ben
£ätiben tragen, unb bu beinen ffrtiß nicht an
einen Stein ftößeft." Sf. 91.
Per Himmel
Jfjjer Fimmel molle geben," ober: „mir fönnen
xi ben £>immel nicht genug preifen," „ba§
i uerhiite ber £immel," — mir hören folche
Sleußeruugen öfter bei 9llt unb 3fung. Ser ift
benn aber biefer Fimmel? 3 <h toeiß, baß
Slancher fagen roitb: ©ott roohnt im f>im«
mel, unb ba iffs ja ganj gleich, ob ich Tage:
„©o 11 " ober „bet &immel". Senn nun
mein Sater aber in ber Oberjtube wohnte, unb
ftatt ju fagen: „mein Sätet," ich immer fagen
wollte: „bie Oberltube," fo mürbe man mit
Siecht glauben, es roüre bei mir im Oberftiibchen
nicht recht richtig. 3fe lieber ich meinen Sater
habe, je inniger mein Serhältniß ju ihm ift,
befto weniger »erbe ich folcfje Sorte brauchen,
bie es unerrathen (affen, baß ich ihn meine; hohe
ich ihn lieb, fo muß ich fagen: mein Saterl
ber liebe Sater!
Gs haben h'utjutage biele Stenßhen eine
orbentliche Scheu, bon „© o 11 " ju reben.
„Fimmel," baö geht fdjon eher, benn ber
wolle geben*
Fimmel ift feine S^fon, ju ber ich tn einet he*
ftimmten Sejieljung ftelje, beren Strafe ober 3 orn
ich 3 » fürchten hätte; Fimmel ift etwas fo
Sebelhafteö, Unbeftimmteö, baß man fich babei
beitfen fann, maö man will, ober fich auch gar
nichts babei ju benten braucht. Uub wie ju
©ott, fo Wehen mir ju G h r i ft u m. Sie halten
fich für Ghriften, weil fie — feine 3oben finb;
aber fie nehmen Stnftoß baran, wenn auch nur
ber Same G h r i fl u S ober 3 e f u S auSgefpro*
chen wirb; fie umgehen* 8 , wo eS einmal un*
oermeiblich ift, unb fagen: ber Stifter uuferet
Seligion. ©ott es furcht liegt nicht jum
©runbe, aber — 8 ? u r dj t.
Creue wirb allein gefrönt;
Hebe bid? im (Slaubensleben.
Don ber IDelt fei gern perffötint,
DDeistjeit laß Dir reidjlidj geben,
gielj mtd?, jSefu ! ganj 311 Dir;
2 IUes, 2 llles bijfc Du mir.
Digitized by v^oooie
Prei in Einem.
647
Pm in dinem. <*•
Son $. 6 .
uch bie Silber im Suche ber Statur tönnen
bagu bienen, bie göttliche Stahrljeit oft
in eigeiithümlicher SDBeife gu oeraufdhau*
licken, fo baß fie für einen aufmerfiamen uub
nadhbenfeubeu Setradfiter leicht uerftänblid) unb
behältlich werben. ®ie gange Statt ift ein
Evangelium in Silbern: 2)er £)immel, baS
Steer, ber ©anb, bie Slumen ber Selber, baS
fleinfte Sfufeft, baS ©ouuenftäubdheit, Sögel
unb beerben, ©enfforit unb Sauerteig, ItieS
tann uns an irgenb eine Sehre ber heiligen
©chrift mahnen. 16er um biefe (eifeit Segie»
hungeit uub buutlen Erinnerungen tu oerftehen
unb ihren öerbotgeuen ©inn ans Siegt gu gieben,
braucht e$ itidbt btoS eines febenbeu lugeS, fon*
bern auch eines gläubigen &ergenS.
3u einem Stalb gog lebten Sommer ein fon*
betbarer Saum meine Sliefe uub ©ebaitleit auf
rieh, an welchem brei beutlicb uuterfchiebene
Stämme aus einer einzigen gemeiufchaftlichen
SEBurgel fproffen. Unmittelbar aus ber legieren
wuchs guuäehft nur ein eiugiger hob« unb biefer
©tamm etroa bis auf 14 3o(l gerabe empor,
bann tbeilte er fich in brei befonbere Stämme
ober Säume, feber von eigenthüinlieher ©eftalt
uub mit feinen Derfcbiebeueit heften unb 3wei*
gen, tooDou ber eine in einer gewiffen ftölje fich
wieber fpaltete unb fo bie beibeu anbern um»
fehläng unb gleidjfam feft wie in gwei auSge»
fpaunten Firmen umfehloß. tiefer mertwürbige
StatchS hiuberte aber bie natürliche Entmicftung
nicht. $er ©aft flofe in regelmäßiger Staife
burch ben Saum, bie Slätter geigten ihre ÄnoS*
pen, bie Sliithen tarnen gur rechten 3«it uub baS
grüne Saub bedfte ihn im Sommer. Siele neu»
gierige 3 u f4äuer fanben fich ein, um biefeS
merfroürbige 9taturfpiel ju fetfen, bie meiften
Wohl ohne einen ©inn für bie tiefe 3bee, bie fich
bilblidf) baritt barfteüte: bie eine ©runbwurgel,
bie Siebe; bie beiben fRebenftämute in ihrer
gegenfeitigen Serbinbung unb litgiebung, ihre
fchliejsliche SJieberbereinigung, ift baS llleS
nicht ein ©innbilb ber heiligen 2)rei»Einigfeit?
©o Wirb ber Sibeltunbige audh h«ute noch
überall im Sebeit 35iuge finben, bie bagu bienen
tonnen, ben ©inn eingelnet buutler ©teilen gu
erläutern, beult bie SDBelt ift heute noch nicht Diel
anberS als vor gweituufeub fahren, audh h«ute
noch lehren uns bie Silien auf bein Selb« unb
bie Sperlinge auf bern Stoche baS herrliche ©ott«
bertraueu, ber Seigenbaum wächft noch ebeufo
wie früher unb ber Staigeit trägt lehren unb
Srüdhte. SuSbefonbere aber ift bie burch bie
gange heilige ©chrift fo oft portommenbe 3äbl
S)rei eine fpmbolifche ober mgftifche, b. tj. eine
foldhe, bie einen befonberen berborgenen ©inn
hat, ber freilich bein oberflächlichen Sefer unb
bein gewöhnlichen Serftanb meiftenS entgeht,
©o finben wir fie fdhon im alten Steftament:
Stofes wirb brei Stonate Perftedtt; bie SimbeS.
labe bleibt brei Stouate im ßaufe beS Obeb»
cbomS; EliaS beugt fich breimal über beu trauten
©otju ber SJittwe, baß er wieber genefe; Daniel
tnieete breimal ieben Stag gum ©ebete uieber;
3efuS lag brei Stage lang im ©rabe u. f. m.
lud) im Seiche ber Satur, namentlich in bet
Spangenwelt, wiebertjolt fich biefe 3ahl oft in
einer fo mertwürbigeii, ja atiffalleuben SBeife,
baß baS gläubige ©emüth baritt (eicht eine ln»
fpielung auf einen tieferen ©inn, eilte geheim*
nißbolle Segiehung auf bie®rei=Einigteit finben
tann.
(Hu (tyfer bet fäbeufHjaft.
So« S9. Eifriger.
dfagalob War in größter Eile ber nädhften
Eifenbahnftation gugeeilt, bie lange
©tunben entfernt war. ES galt gu
lU _ entwifeben, ehe feine Ibwefenheit auf*
fiel. Er war nie oorher auf einer
Eifenbahn gefahren, benn in feinem $>örfcpen
war fte nur bern 9tamen nach betaimt, nur
Stanige hätten je eine foldhe gefeben unb Un»
(©chiuß.)
gehettreS babon ergählt. Es War alfo fein
leidhteS Unternehmen, mit biefer Eifenbahn bas
Staite gu fliehen. Stodh in feiner Sage war teilte
Stahl übrig, es war baS eingige Stittel, fdhiteü
unb ficher gu entfommen.
Eitblicb erreichte er bie erfehnte Station unb
taufte fich «in SiHet nach Stuttgart. Er mußte
bort bis gum Ibenb warten, ehe er weiterfahren
Digitized by v^ooQie
648
(ftn ©pfer bet letbenfdjaft.
tonnte, ©o mufete er fiA bie Seit auf beftmög«
lid)e SBeife turj ju machen filmen. ©twa ein
3abr t>or£)cr mar er einmal in Stuttgart ge«
inefen unb batte fiA bamalS niefjt genug nmn«
bern fönneit über all bie ©<f»ön^eitcit, welche itjm
ju ©efiAt tarnen. ©Iit bem größten Sntereffe
batte er fiel) alles jeigeit unb ertlären laffen Don
feinem bort mobnenben SBetter. feilte tarn ibm
alles |o unfeeimliA oor, er fitblte fiA burcbauS
nicht bebaglicb- UeberbieS mußte er fiA Dorfeben,
feinem Setter niebt in bie Hänbe ju laufen. @r
ging über ben ©Alofeplaß unb ehrfurchtSboD an
ben SBachen Dorüber. Denn maS irgenb einen
Sbeil Don einer ©taatSuniform trug, flößte ihm
©Areden ein. Dann marfchirte er weiter unb
bog iit bie Stedarftrafee ein. 9tbet hier waren
§it Diele SllenfAen unb weit burfte er nicht gehen,
ohne fid) ber ©efabt auSjufeßen ju berirren, fo
bog er in bie föniglidpen Anlagen ein. Sange
fiußte er nach 3«ftveuung unb fanb fie nicht,
©elbft ber große ©pringorunnen, Dor bem er
baS leßte ©cal ftauneitb geftanben, batte fein
Sfntereffe für ib» unb bie ©olbfifcße, bie ihn fo
entjiidt batten, erfreuten ihn nicht ntebt. So
trieb er fiA meiftenS auf ben am wenigften fre«
quentirten ©eitengängen umher unb fc^te fiA
enblich nieber. Die 3eü würbe ihm entfeßliA
lang. SIA, wie weit toar es boA mit ihm ge«
tommeu! Sangfam oerging Minute nach ©li«
nute, ganj langfam ging bie Sonne nach bem
SEßeften. Da fdfjwirrten ihm bie ©ebanfeu bunt
burd) ben ftopf, boA wollen wir nicht auSplau«
bern, was er altes gebaut bat. Der ©Aatffinn
bes geneigten SeferS tann fiA baS fAon Don fetbft
Oorfteflen.
©nbliA fam berSlbenb. 3afob ging auf ben
Sabnbof unb taufte fid) ein SBillet nah Ham«
bürg. Das war bie entfdjeibenbe tfabrt, glüdte
fie, fo war er fiAer. ©r feßte fiA in bie bunfelfte
©de eines SBaggonS nnb halb braufte ber 3«9
baoon, in bie tiefe 9tad)t hinaus. Daß es finfter
war, mußte Satob mifltommen fein, beitn fo
tonnte man ihn wenigftenS niAt beobaAten.
Unb boA gerabe in ber ©litte beS SBagenS faß
einer, ber — fo fAien es 3atob wenigftenS —
fortmäbrenb naA ibw herüber fab. 3eßt fam
er fogar näher unb feßte fiA ibw gerabe gegen«
über. 3fafob batte bie größte ©tiibe, feine Stuf«
regung *u mäßigen. staum wagte er aufju»
feben. Der ffrembe fAien enbliA wit fiA einig
unb fragte 3afob : „3ft ©uet Slawe ©. unb feib
3b r auS ffeuerbaA ?"
3atob mar burA biefe (frage um Sieles tubi«
ger geworben unb atbmete erleiAtert auf. ©r
war wenigftenS ber ©efuAte niAt.
„©ein, bin noA nie bort gewefen," war bie
Antwort unb eben wollte er nodj feinen ©amen
angeben, als ihm einfiel, baS tönnte am ©nbe
üble folgen haben.
„SliAtS für ungut," fuhr ber Slnbere fort.
„3br febt einem ©ianne in ffeuerbaA febr äbn«
liA. mit welAem iA früher oft jufammen fam."
3afob atbmete noA teiAter auf naA ä’efer
©rflärung unb nidte, jum 3 f 'Am, baß er bie
tfrage niAt Deriible. Der ffrembe hätte nun
gerne eine Unterhaltung mit ihm angefniipft,
aber ohne allen ©rfolg, benn Safob beantwortete
feine (fragen nur turj unb auSmeiAenb, ober
auA gar niAt. SIIS ber 3ug mieber anbielt,
ftieg ber ffrentbe aus unb überließ 3afob feinen
©ebanfen.
©o ging ber 3ug weiter unb 3fafob blieb in
bie ©de beS 2ßagenS gelauert, ©tußte er bie
3üge meAfeln, fo gefAab baS immer mit bop«
petter Slngfi. Denn er fürAtete fAon bie ©er«
folget, obgleiA Der jweite Sag feiner ffluAt eben
erft anaebroAen war. ©nbliA nidte er wäbrenb
ber (fahrt ermattet ein. ©in ©Ataf tonnte es
niAt genannt werben. Sunte Silber umtanjten
ihn in feinen Sräumen. ©r ift in ben ©trafeen
Stuttgarts unb batte fiA Derirrt. Sange gebt
er umher unb tarnt fiA niAt *nreAtfinben. ©nb«
liA finbet er ben 2Beg jur Äönigftraße unb ba
wirb eS ihm plößliA buntel bor ben Singen.
Stiles berfAwimmt Dor feinen ©lideu. ©t will
weiter eiten unb tann niAt, feine ©lieber ber«
agen ben Dienft. 2ßie er gerabe hinter fiA
ieljt, gewahrt er einen ©tann, ber ihn forfAenb
leobaAtet. Slber er tann nidbt entrinnen, fo
ehr er fiA auA anftrengt. ©lößliA fühltet
iA gepaeft — unb jeßt ermaAte er entfeßt unb
; itterte an allen ©liebem. Unb ba faij er ben
Sonbutteur Dor fiA, ber naA feinem Siflet
fragte.
SÖie war er boA fo froh, baß es nur ein
Sraum gewefen mar. ©Iit aller ©laAt fträubte
er fiA gegen ben ©Alaf, ba bie Sräume fo ent«
feßtiA Waren.
©nbliA biefe eS: „Hamburg! SIfieS aitSjiei«
gen!" Der erfefente Hafen war alfo erreicht
unb boA tonnte 3afob beffen niAt froh werben.
©S waren immer biefelben ©efühle, immer baS»
felbc Sangen. SBenn er auf bem ©Aiffe bem
Dielgepriefenen Sanbe ber (freibeit jufteuere,
hoffte er fröhlicher ju werben. Sanae brauAte
er niAt gerabe ju warten auf bie Slbfahrt eines
Dampfers. Slber bie (frage war, was foflte er
thun, wenn man feinen Safe oerlangte ? SBie
leiAt tonnten ba noA ade feine Hoffnungen ju
niAte werben unb er noA als ©efangener mit
©Aanbe beloben, bie Ütüdreife antreten müffen.
O, welAe ©orgen hat ein fo oerirrter ©lenfA
niAt, Sag unb StaAt quälen fie ihn unb rauben
ihm aüe Kühe.
3um erften ©tal in feinem Seben fafe er baS
weite ©leer oor fiA- Der SBalb ber ©tajten
maAtf ihn erftaunen. Das war boA ein galt)
anbereS Sreiben, als baheim unb alles fremb
Digitized by v^ooQie
(Sin ©pfet brr <£ribrnfitjafl.
649
uub uiibefamtt. So lange er »arten mußte,
hielt er fid^ immer braußen am £afeit auf unb
faß ben Statrofeu gu, wie fie §rad)t Oon uub gti
ben Skiffen fuhren. 9luf ihn, ben fjrembling
hatte Siemanb SRiidficbt. ®a gab eS SRippen»
flöße uub Vefcbiinpfmigeit ber empfinblidjften
9ht. „9lu§ bem 2ßeg, Sauer!" tief einer, ber
acrabe mit einem ft'arren bem $>afen gufuhr.
3atob gudte gufammett uub ging au« bem Skg.
3n ftafenftäbten werben ja überhaupt bie 9luS»
wauberer fo oft nur als eine SBaare betrachtet
unb auch fo bebaubeit. Sur bie ®ienftmänuer
uub ftotelbefißer finb wenn fie etwas
babei gewinnen föuneit, aber auch mir bann.
9luberu falls finb fie gerabe bie Uuperfchämteften.
So empfiublicb foldje Seßanblung auch gu
fiaufe 3[nfob oerleßt hätte, hier nahm er olle»
gebulbig hin uub war froh, als er enbticjh einmal
au Sort» eine» ®ainpferS tarn. ©r ging hin*
unter gu ben Kajüten be» 3wifd)enbecf3 unb wie
fo unbehaglich fam’S ihm ba Dor. 5)a waren fo
biete ©efießter, bie er nicht fannte unb er wußte
launt, ob er bariiber froh ober traurig fein fodte.
Unb immer tarn wieber bie furcht oor ber Ser»
foiguug. Sr ging wieber gurüd auf baS Ser»
beef unb fah nach bem öaube, wo eine gaffenbe
Stenge ftanb, eine Stenge, bie nicht bagu ange»
than war, ben «bfeßiebsfehmerg ber Sdjeibenben
witgufiiblen.
2)a3 Schiff war gur 9tbfahrt bereit, bie Sla*
träfen lichteten bie 9lnfer unb über alles hin tön¬
ten bie ©omiuanborufe be» ftapitänö. 2>aS
Schiff fchaufette, bie große, gewaltige Stafcßiiie
regte fich, als bie fchrtlle ^Pfeife ba§ Signal ge»
geben hotte. 9ttte '-Paffagiere waren auf bem
Vcrbcd unb bie Sieber ber Statrofen berftumm»
teu, bie oorher fo luftig erflutigen waren. 3o*
fob fah ftarr nach bcin Saube, ba§ immer Keiner
Würbe uub immer weniger fidjtbar. ®ort hatte
er gehofft, feinen ©vorn gnriidgulajfeit, aber er
war mit ihm gegangen unb jeßt quälte ihn
büftere Verzweiflung. ®er Verfolgung mar er
Wohl entronnen unb bie flucht ihm geglüeft,
aber olle Ouaten in feinem Sufen waren jeßt
nur tun fo fühlbarer. 2öo war noch Hoffnung
für ihn!
®a3 Sanb mar bereits außer Sicht, baS Schiff
fchaufette unaufhörlich unb 3fofob würbe mit
Pielen anberu Vaffagieren feeftanf. So wenig
(Befaßt biefe ffranfheit auch an fi<h felbft bringt,
fo eutfeßlicß fcheint fie bem flranfen. ®S fdßeiut
aber auch gang befonberS grauenhaft, auf bem
Steer gu fterbeu uub in beit Stellen begraben gu
»erben. Sach bier Stagen war ^afob wieber
im Staube, auf ba§ Serbecf gu gehen, wo eine
veinere Suft wehte, als ba brunten im 3wifchcu»
beef. ®ocß meid)’ ein 9(nblicf bot fich ihm bar!
©in fürchterlicher Sturm »üthete. Solch’ ein
Vilb hatte er noch nie gefeheu, nie fich borgt!«
ftedeu oermocht. $au£ho<h thürmten fich bie
VJelleit empor, um wieber gufnntmen gu ftürgeu
ober fich am Schiffe gu brechen ober gar »eit
über baS Schiff hereiiignftürgen. SBeun bet
Sütenfd) überhaupt uo$ Seweife bet Störte
©otteS feheu will: hier fiubet er einen ber
fprecbeubfteu. 9luch 3atob empfanb baS. ®op«
fielt elenb tarn er fich felbft oor, er War ja mit
bem Schiffe ein Spielball ber SBeflen. ©t tannte
eben nicht ben 2roft, ben ein wahrer ©ßrift im
©lauben unb Vertrauen auf ©ott fiubet. ®er
©ebcmfe au biefen allmächtigen unb gerechten
©ott tonnte ihn nur erfeßreden, er tannte ihn ja
nicht als feinen Vater.
3atob mar immer fetjr gurüdgegogen unb gar
mancher ber Vaffagiere tonnte iljn nicht recht be«
greifen, ©in i'aiibniaun war et, baS tonnte
mau ihm Wohl anfehen, aber fonft war auch
nichts aus ihm heraitSgubringcn, ba er auf f$ra«
gen burdjouS nicht eingiug, fich ih«tn öielmehr
fo fdinefl als möglich entgoq. So blieb er ein
tJrcmbling unb Sonberling bei ben Slitreifeit*
ben. 9luf einem Skiffe werben bie Vaffagiere
gar fcfmeO miteiuanber betannt unb bie 3utüd»
gegogenheit muß ba um fo mehr auffafien. Ser»
fchiebene 9tnfict)teit würben über ihn laut, aber
Sicmanb hatte bie richtige.
®cm armen tfiücßtling mar baS gange Freiheit
ber Statrofen unb Vaffagiere gumiber. ©S war
bod) ein gar gu großer Unterfchieb gwifdhen biefen
unb feinen Siitbürgerit in bem frieblicheu ®örf«
djeit, baS et berlajfeu hatte. 2Bie leichtfinnig
waren biefe Stenfcßen! V3a§ ihm felbft bis jeßt
als uiiantaftbar heilig erfdint, badiber wagten
biefe Vollen gu reißen. ®aS itatüvl : ch nur, fo
lange feine ©efohr ift.
jjn berfelben ©ajüte mit ^afob befanben fich
Stciifchen ber berfeßiebenßeu ©efinnung. ®a
War ein giemlid) alter, fehl - chriftlich gefilmter
St amt, ber eben noch einmal einen leßteu Vefudj
in ®eutfd)faub gemacht hatte. ®ort war ein
luftiger 3unggcfe(le, ber fchon biel gereift hatte
unb auch jeßt nicht guin erfleu Stell über beit
Oceait fuhr. £>ätte 3ofob fich an Scinanb an«
fcßließeit woHett, fo hätte er {ebenfalls ben freunb«
ließen 9llten gewählt. ®a er aber nähere Ve¬
rübung mit irgenb 3entanb Oetmieb, fonnte es
nicht fo weit fomiiteu.
3n einer Sacht mm tobte baS SJcer gerabegu
fürchterlich. ®aS Schiff war in ber größten Ve»
megmtg. 3eßt mürben bie Vaffagiere auf
ihrem Saget auf biefe, bann wieber auf jene
Seite geworfen, tleberafi raffelte unb polterte eS;
bie Stinber fingen an gu weinen unb audj bie
9llten betonten £>immelaitgft. 3afob ftarrte
oergweifelt in baS ®mtfel hinaus, benn nur
braußen im allgemeinen Saum brannten gmei
fchwache Sichter. ®er fromme 9llte, ber gerabe
neben 3afob fein Säger hatte, faltete bie i>äube
Digitized by
Google
650
(Sin ttpfrr brr fPribenfdjaft.
unb betete teife, möhrenb er fonft bie größte
©ccleuruljc befunbete. 3 atob beneibete beit
9llten um fein ©lüd. ©et luftige Suitggefelle
batte oft geprahlt, baß. er mit ©ott unb aüer
Steligiou tängft fertig fei, alles als eitet SJtciljr»
d)eit betraute. 3 eßt ober mar ihm anberS 311
SJtiitt). ftauiu hatte ber ©türm recht 311 toben
angefaitgeu, als er mit ber größten Slngft fich
braußen an einen tßfoften lehnte, benn fonft
tonnte er fich nicht holten. ©ort ftanb er roie
eine mal)re 3aminergeftalt. 3üie etenb ift bodj
fo ein leicht finniger tßraljlhanS in ber Stotl).
©11 brängt fich ihn« bie fctjvecfiidje ©emißheit auf,
baß e3 benn boih einen gerechten ©ott geben
muffe.— ©obalb fich aber ber ©turnt legte,
mar auch ber (Sruft öoriiber.
„Sanb! Sanb!" ertönte eS eine» borgen»
Som SBerbect her. 3 afob mußte nicht redjt, ob
er fiel) barüher freuen follte ober nicht. Hßoljl
hoffte er briiben Stuhe ju finben, aber ach, biefe
Hoffnung mar fo fchroach.
vrn.
©aS erfehnte Sanb mar alfo erreicht, aber
nicht bie erfehnte Stuße gefunben. ©ie erfte
(Jrage mar, mo follte er fich hinmenben? Unb
fd)ou biefe erfte Stage blieb unbeautmortet. ©0
ging er mit bent größten 9J!eufd)euftrom meiter
unb gerieth fo in bie große £>afenftabt Stern
|)ort. 9tber maS tmir ba für ein ©reiben! Stie
im Traume hatte er folch eine 9)tenfd)enmaffe
gefeheit, nie ein fo buntes ©urcheiitauber. (SS
farbeite in ber ©hat bie größte Slufmertfamteit
feincrfeitS, baß er nicht überrumpelt mürbe.
©aS mar ihm natürlich halb überaus liiftig unb
er fudjte herauSjutommeu. 9tod) mehr ängftig«
teu ihn bie oieleit foricheubeu Gingen, bie auf ihn
gerichtet mären. 9illerbiug8 gefchah baS nur
megen feines 91uSfet)cnS, morauS man fogleich
auf beu beutfehen '-Bauer fdjließen tonnte, er aber
fürchtete einen ganj auberit ©runtu
(Sublid) gelang eS ihm, in eine leiten gaffe 311
fomnien, mo er fein planlofe» SBunberit fort»
feßte. (Sr mochte fo öielleidjt eine halbe Stiinbe!
gegangen fein, als er plößlich eine ©timme
neben fich f)örte.
„£>allo(), SanbSntann! ©eit mann feib benn
3thr hier?" rief ihm 3entanb 3 U. 91(3 Satob
um fich blidte, fal) ft einen 9Jtann neben fich,
ber ihn freunblid) anliichclte. (Sr hatte biefeit
füienfchcn in feinem Sehen noch nie gefchen, mie
tonnte er ihn itnr fo oertraut anreben. llnb
bod) fchien er ein feiner $err 3 u fein. ©0 !
bad)te Sa tob; ein 9)teitf<hcnfenner aber hatte,
auberS gebadjt, er hätte in beit liftigeu 9(ugeit
ben falfdjeu 3mh3 ertannt uitb im gänseit 23e=
feit einen öon jener ©orte 9}tenid)eu, bie beu
Unroifjenbeu unb Uimorfichtigeit 311 übertölpeln
fudjen. 3$on biefer ftlafje mar nun biefer
®lenf<h einer unb hatte ftd) Safob als Seute
auSerfehen. ©iefer mußte ja nicht, baß es folche
'Dieufcheu geben tonne, batton hörte man in fei«
nent ©orfe nichts. ©er fd)led)te fterl mertte
mof)l, baß er feinen übleit (Siitbrucf auf 3atob
gemacht hatte, unb batuit mar ja bas «Spiel fo
öiel ajS geroouneit.
„©acht 3hr Arbeit?" fragte er bal.er meiter.
9113 aber 3afob noch immer fdgoieg, feßte er
hinju: „3(4 tarnt (Sud) babei mißen, meint
3fhr es münfeht."
^eßt mürbe eS 3(afob um ein SBebeiiteubeS
leichter, barait hatte er eigentlich noch gar nicht
gebucht. SBeun er 91rbeit hätte — unb battach
mußte er fich ja bod) umfehett —, fo öerfdjaffte
ihm baS üieüeidjt Stuße.
,,3d) bin erft hf»t hier augefomnten unb
tciine Stientanb hier," fagte er enblich.
„Stint, bann mifl ich 6ner '-Berather fein, benn
allein fommt 3ßi' hier nicht burd). 3 $ mill
©ach juerft in ber ©tobt herumführeu unb
(Sud) bann 91rbeit öerfdgiffen. ftoinint mit!"
3afob 3 ögerte nicht lange; benn baS fd^ieit
ihm ein burchauS gliidlid)er Unfall 311 fein, baß
er gerabe mit biefeitt „£>errtt" ba 3 ufaininenfani.
©0 ging er mit bem uermeint(id;eu fjteunb roei«
ter. tiefer fuchtc ihn auf’s fBefte 311 unter»
halten. (Sr cr^ätjlte öon bem großen 9(eid)thum,
ben fid) hier einer leicht erringen töune, unb baß
er fchou manchem neuen 2 (iifömmliug geholfen
habe, e3 fei baS überhaupt feine Suft. ©olche
©djmiitbler berftehen fich ia meifterhaft auf’s
Unterhalten.
„ 2 !Me mär’3, meint mir hier rintehrten, 3 hr
loerbet mot)l fmuger haben. älMr haben ja
tiod) 3 eit?"
3aTob hatte nichts eingumeiiben, benn ber
öontehme £>err flößte ihm Siefpett ein. @0
traten fie in eine ber elenbeften ifneipen Stern
$orf’S.
„©ring einmal ein gutes ©inner nnferem
SanbSmann, er ift hungrig!" rief er bem SHäb«
cheit 311 , bie pfiffig lächelte unb nidte.
(S§ fah eigentlich burchauS nicht appetitlich
nuS in biefer ©peltutfe, aber auf bie öielen 2luf»
forberunaen feines ^Begleiters hin fprad) 3atob
bent aufgetrageneu iÖlittageffen 31 t. 3 enet
fchien burchauS freigebig 311 fein, beim er ließ
es au ©ier nie fehlen unb nöthigte 3 afob mie«
bcrljolt 311 triufeii.
ftaum hatte 3 atob ein ©las getrunten, als
er bereits ©chmiitbel fühlte, ©ein sroeifelfjaf»
ter tfreunb gab ihm ben Statt), mehr 3 U triuten,
bann merbe ihm beffer. 9lber ber ©chminbel
öermehrte fich unb bctlb üerlor 3<t(ob baS '-Be«
mußtiein. 2 BaS meiter mit ihm gefchah, mußte
er nicht.
9113 er mieber crmachte, befaitb er fich in
Strreft. 23ie mar er nur bortljiu gelommen?
-Digitized
byGoogJe^-
Sin @pfer ber fribenfpaft.
651
Sr felbft mußte baS nipt. Stau ^atte ißn in
einer Htinne liegeitb gefunbeit unb auf bie Soli*
geiftation trauSportirt. ©ein Selb mar fort
imb feine .(fleiber gerriffen. Sie ©ape tonnte
nipt lange ein Htätßfel bleiben; er ergäßlte, roie
er mit einem fein gefleibeteit £errit in eine
©diente getontnten fei unb bort ßlößlip ©proin*
bet oerfpiirt bube. Ser Soligei mar mit biefer
Srtläruitg bie gange ©efpipte tlar. 3}« 11 « ffetl
batte ibn bttrp ein befonbereS Mittel betäubt
unb bann beraubt nnb aus Der ©peilte gefpafft.
HJtait ertlärte ißm, baß bi« nichts getßau roer*
ben fönne uitb entließ ibn, elenber als je gubor.
Sa ftiutö er alfo micber auf ber Straße, ratß»
lofer als geftern. damals b^tte er baS ©precfc
ließe feiner Sage noch nicht fo tief emßfunben,
als jeßt. ©eine größte Sorge mar jeßt, fo
fcßnelt als möglip bein geräufpbofleit Htero f^ort
gn entfließen. ©etb batte er nipt, baS mar ißm
ja geraubt morben, fo mußte er eben auf ©pit*
fterS '.Rappen futfpiren unb biefe roaren btirp*
aus nicht meßr raßpemißitlip. Htiemanb batte
jeßt uoeb hinter bem elenben ©eroanb ben eße=
maligen Sürgermeifter öoit S. gefugt.
HBaßreub gctfob fomeiter marfc^irte, trat ißin
in bellen, flaren Silbern bie föeiinatß bor bie
©eele. Sa fab er feine Sßriftiue mit rotßge*
meinten Hltigen unb bie ffinber nach bem Sater
fragen; ja ihm mar, als müßte er hören, mie
bie'Mitbürger mit Seracbtung oon ißm fprapen.
HÖarum mußte er auch geben! glätte er nicht
ebeufogut bleiben föuueu! Sie ©panbe bort
märe jeOcitfaflS uiibl fo fprecflip geroefen, als
fein jeßigeS ©picffal. Sv batte fiep ja bureb ein
reptfpaffeues «eben unb gleiß mieber empor*
arbeiten föuueu. geßt mar alles worüber, alles
berloren ; roarunt mar er aueb fo tßöript! —
feine Sßriftiüe batte es bop immer am heften
mit ihm gemeint. HBie tonnte er auch fo riief=
fiptSloS gegen fie fein 1 SEBirb es ißm jeßt über*
baupt gelingen, fein Sehen nop mübfam gu
friften ? Hin ein Sinporfommen bapte er nipt
im Sntferntefteu. Sr mirb mie ein Stain unu
ßermanbern nnb itirgenbS Stnße finben, bis ber
Sob bem elenben Scheit eilt Silbe macht unb
auch bann tonnte er ja nichts beffereS erroarteit.
©oliße unb äßnlipe ©ebanfen fueßte er ber*
‘gebenS bou fip gu roeifen; unb unter adern beut*
ließ trat immer mieber fein unglüdlicbeS HBeib
unb feine .ffinber, bie er Hille entehrt unb in
©ß.iitDc guriicfgelaffeit hatte, oor bie ©eele.
2Boßiu er ciqcittlip ging, mußte er nießt, er ging
eben immer roeiter unb roeiter. Sr tonnte über*
ßaupt feinen rechten ©ebanfen faffen, bagu
fepmirrte eS gu feßr in feinem Jfopf.
Sie Sonne mar bereits untergegaugen, als er
fid) mübe unb matt in eine einfamfteßeitbe, alte
£>iitte fplip unb bort halb in einen unruhigen
©plaf fanr. 91p, ba iimtangteu ißu bie Silber
I nop biel erfpredeitber. Sr fplief fo fort bis
Borgens, als fpon bie ©onite mieber aufge»
gangen mar.
9lit biefem Sage mußte er beim bop gu einem
Sutfpluß fomnieit, rooßiit er fip eigentlip men»
ben unb maS er tfjun moflte. Sr mar mirtlip
mieber etmaS gefammclter unb guroeileit aup
rußiger, ©o ging er bemt auf bie HBanberfpaft,
um fo balb als möglip Htrbeit gu finben. Sann,
hoffte er, merbe e§ ißm moßler. Hlbcr aup baS
Htrbeitfinben ging felbft in bem gefegneten Hirne*
rifa uipt fo fpnen. Sntmeber berftanb man
ißu uipt, ober mürbe er hart abgemiefeit. glätte
er nipt ßie unb ba ein mitleibigeS^ierg gefunben,
er märe balb berßungert. 2Ber mollte aup bie*
feit SÖteitfpen mit feinen gerlumpten ifleibern !
Ss mar meuigftenS ein ©lücf für ißn, baß bie
Soligei ßiergulanbe nipt fo ftreuge giiftriiftioneu
ßat als brühen, fonft hätte man ißn 6alb gefaßt.
©o mar er etma gmei Sikpen ltieift ber Saßu*
littie uapgeqaitqen, als fip enblip ein mitleibi*
ger garnier feiner erbarmte. 3i e ßt foitnte er
menigftenS arbeiten. Hlbcr and) mit ber Hlrbeit
tarn bie Htuße nipt mieber. 2öie fo tnanper
©proergepriifte ßat bureb Hlnflreugung unb Hlr»
beit fein fieib auf Hltigenblide uerqeffen lönneit;
aber mer fip felbft unb uipt nur fip allein,
fonbern aup anbern baS Sletib bereitet ßat, finbet
eben nirgcnbS 9tuße. gafob tßat feilte Sflipt
nap ßräften. Sem garnter fiel baS HBefett
feines HlvbeiterS feßr auf; benn er ging allem
Serteßr mit anbern aus bent 2L ! eg unb fupte fo
biel als möglip bie Sinfamfeit. Cft hörte ber
ber garnier ißn fproere ©etifger ßerbovftoßen
unb ßatte tiefes HRitleib mit bem armen HJtann.
3mar mußte er bie Urfadje teS ÄummerS nipt,
fupte aber bop bem Hlrmeit baS Sehen gu ber*
fußen, mo ißm baS möglip mar. £>ätte ißm
bop $afob feine ©efpipte ergäßlt, eS märe jeben*
falls gu feinem HIP hl gemefen.
Ss mar ntittlermeile ber Sommer gur Htcige
getommen tmb 3iafob faß nur nop trauriger
unb leibenber aus. Ser garmer ßatte ißn bis
jeßt mit grageu berfpont, enblip hielt er eS
aber bop fiir’S Sefte, ißn nap feinem Stummer
gu fragen.
„Sage, Safob, Stt blidft iinmer fo traurig.
HBiflft Sit mir bertrauen, maS Sip quält?
Sietleipt tarnt ip Sir rot beit." Stit biefen
©orten roanbte er fip eines HJforgeitS au gofob,
ber gerabe baS Sieb füttert!
gafob faß ben rooßlmeiitenbett Statin mit
feupteu Hingen an, fpüttelte traurig ben ßopf
unb maitbte fip ab. Ser garnier mar gu gut*
ßergig, um ißn mit meitereu gragen gu quälen.
IX.
Hirn anbern HJtorqeit mar gafob fpurloS ber*
fpmunben unb ßatte beinahe alle feilte £>abfeiig«
Digitized by v^ooQie
652
Gin ©pfer ber $eibeufdjaft
leiten, bie allerbingi uid)t gerabe bebeutenb ma«
teit, gurüdgelaffeu. ®em Farmer fam bie ©ad)e
rounberlidj bot, unb et laut gu bem ©djluß, baß
3atob irgenb ©tmai auf bem ©etoiffen haben
müffe.
3afob mar in bet Stacht noch auf unb babon
gegangen als ein wabtei ©üb bei Jammers.
UBobiu et jeßt im £erbft geben fotlte, mußte et
felbft nicht. Stur eine» mar ihm Har, er müffe
fort, et fönne ei nicht länger auibalten. 2ange
tonnte ei ja fo nicht mehr mit iljm Währen.
Oftii^er ober fpäter mußte er feinem Stummer
erliegen, b.ii geftanb er ficf) felbft. ©eine ©langen
mareu tief eingefunten, feine £aare erftaunlidj
fc^nefl gran gemorben unb bie Haltung mar eine
jientlidj gebeugte; furg, er mar roäljrenb eiuei
©oinuteri um jefju Sfoßre älter gemorben.
@o fd)lid) er fiep bai roenig anjiefjenbe Sljal
hinan, mo bie fjarin gelegen mar. ©in Heiner
©ad) floß langfam tljalab unb auf beibeu ©ei«
ten roud)i milnei ©efträudb unb fonßigei Un«
traut. $er Sßeg mar nidgt gerabe angenehm
unb führte oft burct) $id unb $ünn. ftür ben
ameritanifd)eu fjfußgänger giebt ei ja überhaupt
nur einen fieberen ©leg nub bai ift bie ©tfeu»
bahntinie; biefe aber ift ein feljr ermübenber
tJußroeg. 3tafob maulte nur müljfam bormärti.
Unb jeßt traten noch f^recflichcre ©über ali
utoor oor feine ©eele. <§r fab fein ©leib unb
eine Stinber am ©ettelftab, Don allen ©tenfdjeu
beradjtet unb berftoßen, unb baüon — mar er
allein bie Urfadje. (Sr ali ©ater butte bie ©ei«
nen elenb gemacht. ©3ie mar ei nur möglich,
baß ©ottei ©erechtigteit ihn noch auf ber (Srbe
bulbete: maruin butte fie ihn nicht läugft Der«
niebtet ? (Sr butte ei ja Derbient.
Ohne auch nur einmal auiguruljen, mar er
bii gum ©benb fo fortgeroantt; benit über ben
foltern feine* ©eroiffeni unb ben fcbredlidjeit
©buutafiebilbern mertte er tauin, mie matt uitb
febroud) er mürbe. Ulli eben bie ©onite unter«
ging, näherte er ficb eiit?in Keinen ©täbteben,
bai in bem Sljale lag. ©d)on fab er ben Dtaud)
Don ben Slaminen auffteigen unb babei fiel ibm
ein, mclchen greujenlofeu junger er bube. 9todj
eine Heine ©trede fdjleppte er ji<h mübfnin fort
unb ba mürbe ihm fdjroärger unb feßmärjer Dor
ben Singen, er fudjte roeiter gu geben, aber bie
Strafte Derfagten; feine ©inne fchmanben, er
manftc unb fanf mit einem tiefen ©eufger be«
wußtloi gufammen.
2lli er erroachte, befanb er ftcb in einem febr
einfach möblirten 3immer in einem angenehmen
©ett unb fühlte fid) tobtmübe. Stebß ihm maren
noch Derfcbiebene Stranfe unb »ein freunblidjer
SBärter im 3'mmer. Seßterer mar ginn ©liid
beutfdj unb Don ihm erfuhr 3«tob, baß er ficb
im iwipital befinbe. 3G3ie mar er nur hierher*
getpmmen ?
3afob mar beroußtloi auf jener ©teile liegen
geblieben, unb fo butte ihn ein ©tann gefunben,
ber bort Darüber ging, ©tan brachte ihn foglcicb
iu’i fjofpital unb flickte feine Sebeitigeißer mir«
ber gu ermedeit. ©i maren aber jeßt bereiti
fünfunbbreißig ©tauben bergangen, ali 3atob
mieber gum ©eroußtfein fam. Stuf ©enefung
mar b>e* nicht mehr gu buffen, beim ber ©rgt
ertlärte, baß alle jtröfte, mahrfcbeiulidj infolge
fernerer ©utbebriingeit ober großen Jtummeri
aufgerieben feien. 3afob fühlte fein ©nbe naben
unb aui feinen ©lidrn lai man bie ©ergmeif«
lung. Säglich mürbe er fdjmädjer unb elenber,
unb bagegeu bulf auch bie befte ©flege uicbti.
3n ber fünften Stacht bemächtigte ft<h feiner
eine ©eelenangft fo fdbrcdlid), baß erben 2Bär»
ter bringenb bat, bo<b bei ibnt bleiben gu wollen.
(Sinige ©tunben feufgte unb jammerte er faft
unauigefeßt, unb auch bie Sroftmorte bei 2öär=
teri tonnten ihn nießt beruhigen.
„Sür mich ift ferne Hoffnung mehr! 3<h
bin berlorenl 3<b betbiene bie £>öflef" hauste
er Dergmeifelt.
©ine 3eit lang ftarrte er DergmeiflungiDoll
biitaui in bie St(idjt, bii er um ©titternad)t
bläßlich frampfljaft bie ,f)anb bei SBärteri er«
faßte unb ib>t mit einem fcbrcdlicben ©lid anfab,
ber aber milber unb matter mürbe.
„3<h muß fterben — ich fübl’i; — bai f>erg
brid)t mir — ba auf ber ©ruß liegt’i. — O,
ich bub’ meine Familie entehrt, — febmäblicb
im ©tidb gelaffen — unb fanit’i nicht mehr än«
bem.-®er Stummer bricht mir bai
£>erg.-Sb«n ©ie einem ©terbeuben eine
SBobltbat:-©djreiben ©ie meinem ©leib
— nach meinem Sobe, — baß ich — an ge«
brodjenem £ergen geftorben fei, — megen meiner
f (roßen ©ünbe. — ©agen ©ie ihr,-mie
ehr ei — midb gereut habe, — «nb — fie mirb
mir bergeben.-©<b, fie — mar iminet
fo gut. — O ..." ©i fehlte ihm bie Straft,
weiter gu fptedben, unb feine ©ugen fanten ihm
auf einige ©ugeitblide gu. 92od) einmal öffnete
er fie linb hauchte mit gebrochener ©timme:
„0 — meine — ffinber, — mie-" ®ie
©timme Derfagte. 9todb einige ©lale Perfudjte
er bergebeni gu fpreeben. 9tocb ein bergroeif*
lungiboller ©lid nach bem ©Järter, ein febmerer
©euiger unb — er mar nicht mehr.
©o enbete ber eiitji fo geartete ©ürgermeifter
bon St. 9tur einer trauerte für ihn, unb bai
mar ber ©Järter. Ohne Sbränen mürbe ber
©arg in bie ©ruft gefeutt nub feine ©luine giert
ben Keinen £>ügel. lieber bie ©eele but ber
9lflmäd)tige unb ©eredbte unb ©näbige ben Stieb*
teriprud) gefällt. S)ai mar ein Opfer ber
S e i b e n f <h a f t. £>üte 2>id), greunb, baß
S)ein <5nbe ein febönerei fei. - ©ei linb merbe
ein ©briß-
—Digitized-toy
Google
Pr Bnöprl ut be JUohtt.
653
Pe Imipcl ut bt Höhlt.
/“kll meer *it ©talpör," fä flartoogt 3o^en,
Tfl bo (am pt berftört to #uu8, „all meer ’it
SOtalpör, nu iS be flitäpel ut be fllotte
faden!"
„SBieber nids," feggt fiene §roo, „icf meente,
bat b<r ©raub toär, ÖS Su bar fo $cll§( anlopen
lamft."
„Stille ban ©raub," feggt 3od>ett, „baroör
bewahr uns ©ott; mie funiien ja nitp mal tlep.
beu un Mann fcptau, um Site binanuer to
frigen."
„Sett St nu man erft bal un brinl ’n flopp
Sb«-" feggt fiene Mne ©taree, „Su büft gaitj
beraltereert."
„38 of gien Söuitner, mien flinb," flennt
Soeben mit ’n poge Silipt, „mi geibt ot nidS
börbi. S’iS bau Sage nett fejj SfBeefe, bat uitfe
gobe ©afior begraben iS, un nu fallt be flnapel
ut be fllotte; icf fegg Si, nett bi be ©aftor fielt
©rab iS be bal falleit, un bet ’n ©att in be ©rbe
reten ban bree ffoot. 3<* ttieet mijfe, bat be ode
£eer bar nodj in be ©runb bau triüt bet."
Soeben fette fid in b’ fjörn, floppte fiene ©iepe
un brunt ’n floppte Spee nu paplbe beepe Söul»
len ut bat Stöbe, ’un fiene ffroo fcpmitfterte un
ja : „Si fo, mien Sung, nu banip Si be Irufe
proden man ban be Stceru weg, annerS mot icf
ja nodj mal mit ’t Strififer fomeu, bat Su ’t
©efiibt meer glatt frigft."
„|jefl goob fcpnafeit," feggt Sodjeit, ftet unfe
öde £>eer roegfalleu iS, liggt alle Saft allein up
mien SdjullerSman iiunertüSteit bebarte pe
fid botp fepmet ut aS ’n ©adooen, un paffte be
Sorgen un be ©rillen mit be Sabafsroulfen
meg.
Mner ©törgen gung be Siinne peller up,
man bi flartoogt Soeben maS ’t betrutfen fiiicpt,
un mau tuuit pum be beepe ©ebaitfcu unb fmare
Sörgeit anmarten. Se grote flneept ©erb fä :
„ltnfe ©uur iS bau ©tijrgenS mit ’t berfeprte
Seen böran to’t ©ebb ut|tappt," un Sinne ©taree
fä: „©aber, unfe leebeit $eer gibt uns fo’n ino.
jen Sag, un Su fitft ut, aS bree Sage Stegen,
meer, pejt Su meer ©tufenüften in be flop ?"
,,©e," feggt Soppen, „gien SJtufenüften in be
flopp, man beflnäpel in be ©tage; nu fegg iitS,
mo mot bat mit be flnapel ?"
„Ser meer in!" feggt be ffroo fört of, „ber
meer in! mat annerS ? pör, Soeben, menn Su
Si Sroarigfeiten inafen bäpft, roor roi ’n goben
©aftor meer pertrigen füllen, bat tun id ber.
ftapn, man bat Su Si Stacptfiplapen um be olle
flnapel terbretft, bat geit mi boip adto miet."
Socken fä, pe mud bat niip adeen up fiep nep.
men, pe mud be ©teente baröbet bagen up bau
MenbS fejj Üpr, un bat be pe beim ot.
Se fiiloige Stoenb fllotte fejj fatten be ©uuren
ban’tflaSpel alle binanuer in be „patbe ©taan",
um ober be flitüpel to beraben. ©rft gung bat
©efpräf ober bat ieeme»florn un be poge fianb.
ftrateuumlagen un be ©eepprifeit un be Sroine.
fraufpeit, bann fpvatfen fe ober baS fcmöllanb;
be (Sen parr be ©teierS ©rer penbroept un be
Seite fett; be Sinnet parr fielt Stiid in SJtaben
liggen un fe müden morgen menueit, menn’t
Söeer bleeb ; be Sarbe maS ad bi’t Sroälen, fe
parren’t Stamibbag ad in SBiffeit tregeu, un
maffeu tegen Sloenb anfangen to oppern; be
©eere maS ad mit tmee Spann bi’t Snföpren
meft un par bat eene ©ulb ad pglb bull; — un
fo gung bat rnieber pen to föben Üpr, bo fä flarf.
bogt Sotpen:
„2öeuit ji pum nu nodj fepn miden bann morb
bat Sib, fiS nu noep leept."
So dünnen be ©nuten ade up, un gungen to
be flartpofsport in na be UnglüdSftä un beteten
bat Spid.
„jjei ji fien Ceben fo mat fepen !" fä fffraitj
SBulfor, „bree Qfoot beep ftiftel in be ©runb,
anto in unfe feliae &eer fien ©rab!" fllaaS
©ettelfamp fä: „Sat fo’n Sing bor tomal ut.
faden tunn, be bee of tregen parr, be parr ot ’n
goben patt."
„©tat lieft bat ©att in be fllotte nu grot," fä
ÜBiöm flörte, un aS fe nu ade 11 a hoben feiert,
feggt ber lauge fjrieberf: „Sferme £>ötpte! bat
belob id jo, ’t pebb leber, bat pe be Sprung matt
pet, aS id."
„Stett afferat," feggt flunrab ©uSfer, „bien
Spriffen ban ©eenen maffen ouftoben aS 3$*
iötelS, man roenit be peele olle fllotte bor iS an.
fetten lomen maS, bau hoben up bien flopp,
bann parft Su Si na ’n nepe Slapniüße ot niep
meer umfetett."
So fpratten fe ober bat ©ebnd, blot SoponnS
ban’t ScpattpuS fä nidS nid), pe maS bau beep.
benfenbe Slrt un teef ntepr bp bat ©rab ban fien
goobe ©aftor a§ up be flniipel, uit flarfbogt
Socpcn matte fid of fiene ©ebanfen un fä: „Sa
ja, ’t gibt fid mat to beleben, mel parr bat boept!
bör’n Söeef ob mat no<p beibe up pör ©ofteu, un
nu binanuer in be ©runb." Samt gungen fe
fadjte na be „patoe ©taan", un aS fc ut ’t ©ten«
gel ©eer ’n Söge bapu un be ©iepe ftoppt par.
reu, bo fä be flartoogt Swpeu : „Stu, flinuerS,
mat biidpt jo ?"
„Sa," fä Stettelfamp, „pe fad ber jamol meer
in moten !" un Söultor fä: „©tat bop mi mit
’n fllotte fünner flnäpel;" un ©uSter fä: „Stett
atterat, be ode Sunge pet ad menuig Scplag ut.
beelt, mepr aS unfe ode SUtejter, man id reten,
pe tann’t noep mol meer maepten;" un be Slnuern
Digitized by v^ooQie
654
lUrlsrttljer Sdjulknaben pot 80 Saljrrn.
mafien bar o! alle böv, int Jochen Snrloogt fä :
„$e harr bor o! fo ober bodjt, «n fiene ftvoo
|arr bot of tneeiit. ©Jan mat faiflft Tu beim,
©cbattbnfer ? «Du ^eft be flüiige Woeub ttod) ejicii
©Juitb open bahn, iS Ti be Simpel of ut be
Sloffe fallen?" „©itt noch iu’t ©cet," antmorbe
^obanueS, „id beide, 1114 t be olle Simpel, bat
um» 1111 ofprot, id beb bar up be Sarfbof ’n gnn 3
aitueru Simpel tut be liggt mi fmar up’t
£>art. ©aßt 11 p, mat id feigen loiH. Tat reine
(Soaugelium bat is be olle grote Sloffe, be l)et
fo’it bartelten Slang, be ^ört man fid nicb fatt;
uit be ©aftor, be bat 2 öorb prebigen beibt füoer
nn echt in ©eeft un Srad)t, bat i» be Sitäpel in
be Sloffe, be bum anfleit, bat be fien bartelten
Ton giot. Un menit nnf’ |>eer ©ott 1111 fo ’11
treuen ©aftor ofröppt, bann i» be Simpel 11 t be
Slotfe fallen; bann paßt up, bat be ber toeer in
filmt, atttterS i» bat doangeliiim ftumiu, un böt’
jo oör bat neemobfebe ©roteitanteiioolf, be be
grote Sloffe fiuiiim bebben miileu, un inifleit bat
olle reine ©uaitgelium offdjaffen, 1111 jo allerbanb
SDipfeS un netje ©ieteu Pörmafeii. Te bangen
jo be Toren Pull pan ©eilen 1111 ©cbapsflotfeit
uit Soblpotten un tüillen jo bor roat mit Pör*
pingelit."
„ s Jtett afferat," fä Stturab ©tisfer, 111 t Söul»
for plinfte mit be Cgeit un fä: „Hei jit in’t
2uur?" un ©ettelfamp fä: „Taufe für Obji,
id biln antterS ’n Seeobebber Pan Sohl, benn
Spccf uitb Kotjl
iEtjut £cib unb Seele rooM,
matt för biffe Soblpotteit bebanf id mi boeb. bat
giot fmalle ©offen unb bide fiieoen un SSBaUr»
foppen."
„SEBabr is’t, toafjr is’t," fä Sarfbogt Soeben,
„roabr is’t, mat ^obanne» ©djattljufer feggt bet,
un mine fjroo bet bat of feggt. Unfe olle $cer
bet tut» alle up’t £>art brageit as mi bum 11 p
Rauben, un bet bufettbmal beben, bat ( 5 ^viftu -3
un fielt rein (Snangelittm bi uns blioeu tnug bet
ait’t @ntte; meint mi nu mit neemobfebe ©iugelce
aitfuitgcn Iper, tut bat olle (Soangelium as ’tt
ftuiiiiue Slolfe bangen leeteit, bann toürb be
nitb blot trillen in be ©runb, aS bo be Simpel
bi bum bat fut, bann rniirb be fid liod) in’t ©rau
umfehren. Utt nu abjüS, Situier, itütnS lat
fid ’u tieemobfcben ©Jiub um be Sopp mcibett,
ooer aibt Tage fattt mi meer binuaititer, tun to
feljn, bat mi meer ’n echten Sttäpel itt be Slolt
triften."
©0 befcbloteu be ©uttren, 1111 unf’ ftcer ©ott
gab fien ©egen barto, tut nab ’n Pörbct 3 «br
majfen be beibe SnäpelS ber meer itt, litt be
Stoffen giutgeit na aS oör bartelf utt moi.
üntloniher $djulhuabfii m 80 lahmt.
9t«4 ffrommel, eingefanbt
t in ©ater mar auf ©djlojj ©irfeufelb auf
beut JgmnbSriid geboren, baS bamalS 311
©abett gehörte. Ter ©voßoater, ber bort
j tttarfgräflidber ©amneifter toar, tuitrbe
im l^abre 1799 nach SarlSrufie perfekt uitb 30 g
mit feiner fffantilie bortbin. Ta mar allerbingS
bie febönfte 3eit für ben ©ater Porbei. Tenn
auf ©cblofe ©irfeufelb mar Freiheit, SBalb unb
gelb; groifdjen ©ferbett, Silben, ©d)afett uitb
Hübnern trieben fid) -bie ©ttbett be» Sanbbait»
tueifterS mit betten beS gorftmeifter» uitb @e=
ricbtsaftuarS tttnber, bie alle bort mobitteu. Dimt
auf einmal mußten mir herunter in bie enge
grabliitige SSefibeiti, bamalS eine ©tabt mit
12,000 Siitmobnern, mo jeberbeit auberit fannte.
Ter Hauslehrer oerließ uns, mit bem fiebboeb
noch immer über bie ©tunben rebeu ließ, menu
er and) ben roenig empfeblenSmertbeit 9iatncn
,,Od)»" führte; ftati beffett ging eS in bie ©dpile,
in ba» batttalige „Lyceum iÜustre“, ba§ nicht
mcit Pont ©pitalplaß mar. Ta gab’s gleich bie
erfteu Tbrätieit bei beut gejtrengen Server uitb
oott 3 . 9tülfnt I« ©remett.
bei ben ©Jitfcbülern bie erfien Sümpfe. Tenn
e§ mar in SarlSrube nicht attberS, a(3 roie itt
anbent ©dptlen; man utu|te ft*h ben ©ittlaß
erfämpfett. ©3 gebt bem ©üblein, mie ©ieifter
©odler, bem £abn, ber auf einen fretitbeit C>of
ober Tuttgbaufeu fommt, uitb ftih in manchem
ritterlichen ©trauß erft bct§ Itansrecht erobern
muß. @iit Uinftanb aber oerfcblimmerte bie
(Sache gemaltig.
Ter ©roßoater, ber feiner 3«rt lange itt 6 itg*
laub getoefen, batte eine befottbere ©orliebe für
biefe» 2 anb unb feine ©itten uttb fleibete be»»
halb and) feine Subett engliM). 6 itt blaues, fei»
ttc» 29äm3d)en über bie ©ruft, ben Hafö offen unb
ben meißelt ^embfragett breit über bas ©Jam»
gelegt, toeiße Ciofen, ©chube, auf bem Sopf aber
nur fursgefchnitteue Ciaare uttb fonft nicht« ba»
rauf, lein iput unb feilte ©Jiifte, fo sogen 311 m
©dped ber Sarisruber Spceiflett bie englifirten
.fnttibSriider auf. Tenn bie SarlSrnbcr ,,-fccrrii
©üben" trugen große lange Uebetröde mit gel»
ben ?(uffchlägen aut Sragett unb au allen Gden
Digitized by oc Le
iUrin alt» JftUHtrltin;
655
beS SRodeS, welker über bie flniee ging, gelb»
leberne Seinfleiber, bie über bem fl nie gugelnöpft
waren, große ©tulpenjliefeln unb f^warje Oolje
£a(3&inüen, aus beneit ber Stopf mit s JJiiif)e her»
ausfdjaute. Oben auf bem flopfe pomabifirte
unb gebrannte Soden unb lange 3öpfe, bie bi»
auf ben ©oben reichten, meint fie baS tjödjfte Stoß
ber ©cbönbeit Ratten, auf bein flopfe ein brei»
ediger |)ut im ©ommer, uitb im SOßiitler eine
bide ©elgfappe mit langem, üben überliegcit»
bem ftudjsfcbmang, fo ftiegen bie (Singeboreueu
baöer.
@o fain’S benn bälb gu ©^Jägereien unb bie
3 öpfe mußten gehörig bran glauben, bis enblieb
ffricbe warb. Um 10 Ubr erhielten bie Steigern
ein tJrübflüd, beftefjeub in einem ©lafe SÖein
unb einein ©tüd warmen ©raten, baS bie Se»
bienten iin ©c^ulpofe feroirteit. Oft er^ä^lte
uns ber ©ater, wie bie anbern minberreicben gu
einem Söder wanberten, ber in ber Sähe bcS
Spceum» wohnte. Oer badte „©algmedeu" unb
„£örtt(e" unb um’3 Seujabr ber um bie „OainOe»
bei", Stiiunfein unb Fräulein in Sreßelteig. Oa
pafjirte «3 ihm einmal, baß er über bem '-Baden
einfcblicf utib fämiitllicbe Oam6ebei$ fdbmarg oer»
brannten. Oie 3frau fällig bie ^iiube über
bein Stopf jufaininen, als fie ben ©ajabeu befab
unb rief: „Staun, eS ift alle» b' |l l" Gr aber
befann fid) unb fagte: „Stutter, geb’ unb rupf’
bem ©odler feine fdjönften Gebern au». Stopf»
fibiittelub ging bie grau hinaus unb halb bürte
man baS ©eminfel be» &abu§.
2113 fie bie geberit brätle, nabm fie ber
Sädermeifter unb feßte eine nach ber anbern
auf bie Häupter feiner fcbmnrgen Segion unb
wartete, bis er ben erften Silben gur ©djule
geben fab. Oiefen rief er herein, gab ibm eins
bon ben ©racbtejemplaren gutn ©räfent unb
fagte: „Süble, beut ift OreifönigStag, ba bat»
lauter Stobrentöpfe gegeben, ba baft bu einen;
fag’S nur ben anbern." OaS Süblein bemuu»
berte ben fdjmargett 2)tobreu unb geigte ibn guut
bobeit (Srgößcit in ber ©djule. Uni gehn Ubr
aber ftünnte bie Jfugeitb bie Säderei; äße Woll»
ten Stobrenfopfe babeit, unb in wenigen Stiim»
ten war ber gange Sorratb aufgeräumt,
©dbmiingeltib fagte aber ber Söder: „©iebft
bu, grau, eS fommt biel auf ben Samen an, ben
man einer ©a<be giebt," momit berfelbe eine
große Sßabrbeit auSgefprocßen.
So troden unb pbilifterbaft bie bamalige
©tabtjugeub auch auSfab, fo fpufte boib in bin
bejopften, pomabifirteit flöbfeit aßerbanb Su=
benmutbwiüeii. 3n ber fRcfibeng mar and) ein
Sbeater, unb babineingugeben eine Spauptfreube.
2lber woher baS Selb nehmen? Oa gab’3 nur
ein Stittel, unb baS war felbft mitfpielen. grei»
lieb ftaub feiner bon ben Subeu auf bem 2b f a s
tergettel, foubern fie famen unter bie ßtnbrif
Solf u. f. w. Unter 21nbenn war ein beliebtes
©tiid „Oonaumeibcben", in melcbem tangenbe
©tide bortommen. Schnell waren bie £mnbs»
rüder jungen bereit, einen folgen m.t (Smpfiu»
bung gu fpieleu. 2lifo hinein in ben ©ad, unb
bafür baS näcbfte Stal einen gveiplaß im
Obeater. 2lber ber unglüdlidje ©ad war nicht
feft gehöht unb plaßte mitten in ber Sorftelluug
im jlb^to beim Sangen. Oer Oufef, bee
SaterS Sruber, purgelte au» bem ©ade heraus
bor bie gufdiauenbe Stenge, bie ihn fofort er»
fannte unb wie aus einem Stunbe erftaunt rief:
„OaS iß ja grommetS ©buarb!" OaS gab gu
Öaufe eine ©eene unb bie Sretter würben ber»
boten."
Ulelit alte* Pütlerleto, ober: pa* töcmiflVu im ganbel.
Suf. 19, 20; 1 3Wofe 39, 9; 2 9Rofe 20,12; 0$>r. 14, 34;
3M- 4, 6.
3 mtf). 6, 33; 8, 44; 2 9Hof. 20, 16;
iac 6 St&enbS !atn ein iunger SOlenfd) su mir,"
ersdhlt ein Sßrebiger, „ber feit einigen 3Roua=
ten in einer Speaereibanblnng angcftellt war
unb bem Verlauf oblag. S3 mar fein elfter
$lab, unb fein ©err, ber ihn fvcunblicfe behanbelte,
hatte |tc() alle 9Mühe gegeben, ihn in bie ©anblung
ein$ufübren. Sr forberte aber von ihm gewiffe ® iuge,
bie biefer für unrecht hiett, unb ohne bie e3 bod) un=
ntöglid) fein füllte, ben ©anbei oovtheilhaft iua=
eben. SBenn j.S. 3emanb!am,mnehoa6su faufen,
fo füllte er e3 an ber ftletbung, an bem 9luc'jchen
unb an ben SGBorten merfen, ob er ben 2Bevth ber
SBaare fenne, im anbern 5all ben hofften $>vei$
verlangen. SBenn man fid) über beit hohen $rciw
oerumnbertc, feile er antworten: „2Bir haben e-3
nie billiger gegeben" — ober aiuh: „5)a3 ift ber
ftoftenpreiS; ©ie werben e3 nivgenbö billiger be=
fommen." Sincr gewiffen ßlatfc een ßäufevn
gegenüber füllte er immer suerft ein drittel 311 viel
verlangen, in ber ©offnung, man tverbe besah 5
len, uub nur im duherften Salle feilte er hinunter^
gehen unb bann lagen: „9Biv verfichcrn @ie, wir
verlieren babei, allein wir thun e§ in ber ©offnung,
Sic werben un3 3hv Zutrauen fd)cnfen." — 5 luv 3 ,
feine Aufgabe war, 311 lügen unb 311 übcrvovthcileu.
ÜUollte er c3 nid)t thun, fo unterlieft e3 fein ©evr
niemals, ihm feine UnAufricbcnhcit 311 bezeugen.
Oft hatte er ihm feine Gebeuten betannt; allein
Digitized by v^ooQie
656
Ptriu altes fttiitterlem.
bcr Kaufmann lachte ihn au6 unb fagte, er fei eben
ein Neuling, bab fei eine angenommene Sade, unb
3cberntann mache eb io, — er fei tu bem $anbel
nod) unerfahren. — „3,<h iveife wohl, ba& tdj ein
Sßeuling mn*" faßte ber iunße ÜSann gan$ betrübt.
„3«h bin auf bem 8anbe eraoaen Worten unb fenne
bie SBelt nicht. üMeine Knitter iit eine arme
SBittme, bie nid)t viel an meine (Srsiehung hat wen=
ben tonnen; aler ich weift, bafe fiebieje ©anblungb=
weife nicht billiaen mürbe. 6b mürbe ihr Kummer
machen, wenn fie wftfete, bafe ich oenotbtöt bin, ade
Üaae folcheb su thun."
®)er iunße 3Sann fraßte mich um SRath unb er-
aShlte mir oom Urtbeil feiner SDiutter. 3<h er¬
widerte ihm:
j,3<h bin überseugt, bafe 3hre 2Rutter nicht adeiit
frommer, fonbern auch verftänbiger ift alb 3hr
©err. geigen Sie bem Stathe 3brer SÄuttcr!"
w 91ber bann werbe id) meinen Vlafe verlieren;
ich bin für ein 3«hr gebungen, unb meine 3eit ift
nod) nicht aub."
„9lun ßut, laffeit Sie nur 3hren Vlafe fahren.
Sie finb ohne Zweifel bereit, 3hren Verpflichtung
gen nachaufommen; Sie haben fid) aber nid>t vcr=
pfücfetet, au lüften unb au betriißen. Saften Sic
3hrem ©errn, eb fei 3hnen nicht gleidflültia, ob
Sie ©ott beleibiften ober ihm wohlgcfädig feien,
— ob Sie bem Vater ber 8üge ober bem wahrhafte
flen ©ott bieiteten."
„ffienn id) fo au ihm fpvüdje, fo mürbe er ntid)
auf ber Stelle entlaffeu, unb ich mürbe ohne 3ln-
ftellunft fein!"
„903ab thut bab? ©raben Sie Kartoffeln aub,
pufeeit Sie Schuhe, fehreu Sie bie Straßen, unb
thun Sie lieber SlUeb, alb ba§ Sie einer fold)en
Verfud)unft unterließen."
„Slber er faßt, alle Vielt thue baffelbe, unb man
tonnte fonft aav nid)t ©anbei treiben."
„®ab ifi nicht mahr. 6b ftiebt überad ehrlidie
Seute, unb man fann im ©anbei fo gut wie anberb=
um ehrlich fein. SBenn übrigens ein 3Keufd) nicht
auf ehrliche SBeife ©anbei treiben fann, fo fann er
babei nid)t in ben ©immel fommen. ?tber id) mie-
berhole eb, feine ^Behauptung ift burdjanb unrichtig.
Sie finb nod) imift, wenn Sic aber barauf ad)teu, wie
eb in ber SGBclt auflebt, jo werben Sie fehen, bafe
Seute wie 3hr ©err aerabe nicht bieien»flen finb, bereu
©anbei geteiht: wenn er fid) nicht ändert, fo wirb’b
in furaem fdlecht ftchen mit feinen ©efdwften." v
„O, er ift ein gewandter SJcanit," faßte ber 3üng=
Iiitfl lädelub.
„®er Teufel ift and) nicht buinm, unb bod) ift er
ber größte £iwr von ber aanaen 2Belt. Seine 8ift
hat ihn betroßen unb macht, bafe er ewig banferott
wirb. ©r ift ein fo grofecr 8üßner, baß SRiemanb
ihm ftlaubt, fclbft wenn er baju fdjwort. Vielleicht
wirb eb 3hrent ©errn einiae 3eit bienieben aut
gehen; aber, wie bie Schrift faßt, erwirb in Ver-
luchung unb Stride fallen, wie ade bie, weide veid)
werben wollen, ja, er ift fdwn hineingefaden, unb
wenn er fid) nicht befehrt, fo ftftrst er in’b ewige
Verberben. 2Bab aber fein seitliches ©lücf betrifft,
fo bin id), ohne ein Vrophet su fein, überzeugt, baß
biefer üMann snlcfet au ©runbe flehen wirb, ©eben
Sie ad)t, unb benfen Sic an uiid), wenn Sic ihn
in swanjifl 3ahrcn in ber ftrmutt) unb Vcrachtunß
fehen."
„SBarum fllatiben Sie bab ?" fraßte ber iunße
SMenfdj ga»$ erftaunt.
„Um feiner ilnreblichfeit widen. Seine Kunben
unb bcfonberS feine beften werben nad» unb nach
oon ihm flehen, weil fie fich auf feine SBorte akbt
oerlaffen tonnen, unb feine Süßen werben ihm mehr
Verluft alb ©ewinn susieheu. ©b ßubt in bet
Stabt wohl ein ®ufecnb Seute: ßauffculc,ÜÄefeßcr f
Spesereihänbler unb Sdmciber, bie ich uicibc unv
immer meibeu iverbe, weil fie mich einmal belogen
haben. 3d ermahne meine grau unb meine fiin-
ber, baffelbe sn thun, unb wenn irgenb ein greiinD
6rfunbißiinßen über fie bei mir cinsieht, fo feige ich
ihm, wab ich weih unb warne ihn oor benfelben."
®er jmiße 3Mann fd)ien fehr niebevßefddagen.
w 3d) weife nid)t, wab ich anfaitßcn follte, wenn id»
meinen Vlnfe verlöre," faßte er; „mein ©err ßiebt
mir fo fleinen Sohn, bafe id) fanm mein ^foftflelb
bcaahlcn fann; meine SOlutter forßt für meine filci*
bunß, unb wenn id) ben Vlafe verliere, fo weife ich
nid)t, wie ich nur einen SKouat mein geben triften
follte."
„Sefecn Sie vor adern 3hr Vertrauen auf ©ott.
©tauben Sie, er werbe Sie vcrlaffen, ivcil Sie
3hrcn Vlafe verloren haben au3 ©ehorfam ßcnen
feine ©ebotc? ©ewife tiidd, fo banbeit er nie.
Sitten Sie ihn, bafe er Sie leite. Veten Sie?"
„3a, id) habe eß einiße 3)fal ßethan. 3?adi einer
Vvebißt, weide id) vor einißcu SHonateu ßchort,
ftnfl id an ben ©errn su fuden."
„Srlauben Sie mir, bafe id) eine graßc an Sie
richte, unb antworten Sie mir aufriddiß. ©at 3hr
Verlaiißcn, ©ott su fliehen, nidit abßenbmmcn, al3
Sie ßenotbißt waren, feinem ©efefee uiißchorfam
SU fein ?"
SÖadbem er einen Äuaenblicf nachßebacht, ant=
wortete er: „3d ßlaube faft."
„So wibciftreben Sie bem heiligen ©eifl nicht
(änaev!" antwortete ich ihm. #
2ßir fpraden noch ernft mit einanber weiter, unb
ich übersctiflte mich .halb, bafe feine täßlidcn Ser=
fudniiißen ihn au einer aufrichtigen Sinneoänbe=
runa gchinbert hatten. 9?ad)bem er mit grofeem
Srnftc sußehbrt hatte, wab id) von bem fpvacb, wa§
ba§ ©efefe von unb forbere, unb waS^e Suabe beb
ßvauflelittmb unb anbiete, fraßte er mich: »Unb
nun, wab rathen Sie mir su thun ?"
„3d rathe 3hncn einfad, gehen Sie löieber in
3hven 8aben, unb erfüllen Sie treulich 3hre Vflid*
ten, aber lüften Sie nicht, ffienn 3htten 3hr ©err
Vorwürfe macht, fo antworten Sie mit Sanftimith
unb 9ldtting, Sie feien bereit, adeb su thun, wab
fid mit ben ©eboteit ©ottcb vertrage; Sie fonnten
aber unincßlich lüften. 3ft er verftänbifl, fo wirb
er Sie bafür nur um fo mehr achten, wenn er aber
ebenfo thoricht alb flewiffenlob ift, wirb er Sie halb
entlaffeu. ®ann fliehen Sie einen anbern Vlafe;
aber vor adern thun Sie Vufee unb glauben Sie an
3cfum Shriftum." ^
®ab fd)liifl burdj. ®er 3ünglinß fuchtc von ba
an ben ©errn unb würbe ein cutfdicbencr Gbrjjt.
Sein Vviusipal, bem feine 9?eblichfeit mifefiel^u^
liefe ihn balb. 6r befam aber einen anbern Vlafe
unb uuirbc, nachbem er fich burd) feine fRechtfdaffens
heit unb feinen Verftanb im ©efehäfte aubgeseid)neti
ein anaefeheiter Kaufmann. 3<h fomme nie mÄ
ihm sufammen, ohne bafe ich uiidj feiner geiftißen
Digitized by v^ooQie
Um $amitt.
657
Fortfdjritte tinb bet Sichtung, n>ctrf>e et genieht,
freuen föitntc. ©ein ehemaliger £crr mctcfye fiebeit
Spähte nach unfetet erften Sufamnienfunft Sanfc=
xott uub verlor nicht allein lein Sermögeu, fonbetn
and) bic allgemeine Sichtung unb lebt in gana bürf=
tifleu Umftänben.
©einem alten SMütterlciit — beim fo nannte ct
auS Siebe feine SMuttet immer — habe id) bie Stuf*
ridjtigfcit unb bie Scfebrung bicfcS iiutgen 9Ken=
fdteit immet augefdjriebcn. Ohne ben ©ittfluh, bcu
ibve ftommen Selebrungcn auf ihn auSgeiibt, batte
et mich nie aufgefud)t, unb in meinem etften ®e*
ff3täcC>e bentetfte ich febt balb f bah ttid)t$ einen fo
mächtigen Siitfluh auf ihn auöiibtc, alS bie 6rin=
nerung au feine alte SXuttcr, beten SRante no<h iefet
in allen feinen ©efprädjett tvieberfebrt.
3» biefet ®cfd)id)tc, barauS alle jungen ©cfdjäftS=
leute ein Seifpicl nehmen, alle ©cciforger lernen
fvüctt, tvie groß ibt (Sinfhifj auf bie in evnftev Ser=
fud)ung ftebenben Jünglinge ift, auS bet abet auch
gar lieblid) unb tröftlid) au feben ift, bab 9Rutter=
liebe, SRuttenvort unb SKuttergcbet wie eine ÜRauer
ben mebrlofen ©obn au febiifeen vermögen.
*
Jtm ft atuitu
-o$o-
Ober an nett.
Gingefanbt Von ©. ® u t b, 93orft Sielt. beS (Eine. 2)iftr.
3ßo i no bi jung gtvea, bo bau i iitirS ttaut
uit bab mi im ©piegel alS ®oftor oft b’jd)aut.
91 fd)ötieS ®iploma bätt i gat au gern g’bätt,
tvo ©UeS fid) biufelt, non unta ruffchaut —
ober au nött.
®e ®ofterbut bat io fdjo SKandjer befomma,
bet mit beut Sau einet (Sallefdte begonna.
2Ba$ giltö? bort fteefa ®ofterhiit nob mehr, i mett,
— tvenu ettglifche Settern mi belfa ginn ftontma —
ober au nett.
2BaS i gleruet in be verividjette Beita,
freilidt, fanu mit fei ®iplotna beteita;
föebräifd), griedjifdb latein ftebt vor mit am Srett;
feil müht i fdjo letita ttob, fo mit be 3eita —
ober au nött.
Sout ©dwlmcifter uff müßt i halb a = tu a n a s ita
jnm Sräfioenta — mi nött au blantira;
©tied)ifd), lateinifch, englifd) uit beutfeh — beS
Quartett
tonnt i atuar leibenblid) fdjo c o n i u g i r a —
ober au nött.
30?ei ©tetn ifd) iut ©teiga, fell®iplonta ®i, ®i,
beS bau fie venuidta in’S ©auS gefchidt für mi.
SBie tvacfelt mit feitbev ntei ©ütle fo. nett!
3. 81 — S’ beuget fid) adjtungSvollft 3eber iit’S
Änie —
ober au nött.
Sßufcantuenbu ng.
Sjhnciber, tveutt reiten tuillft, fattel bein’it So d
Fübt’ bein’ ©aiS ncbeitbct, reit* im ©alopp —
SBatunt beitn nött?
Slittetifa, Slittetifa ! SBie grün fittb beitte Slätter!
Sfeubo ffiiplotna fpenbeft bu aunt ©aubium bet
©pötter!
Exit.
WiUJ ein @mnb. SEBie Piel unb mannigfaltig
bie ©tiinbe auch fein mögen, auS melden bie Seute
ui bie ©cfättgniffe toanbertt muffen, fo ftebt hoch
getvih eiuaig in feinet Slrt ba ein SBiener ©dmeiber*
gefell, welcher, toobl cttvaS butt von ©ebciit, fich
bet guten Sflege tvegen in bvei 6boleta=Saaaretbe
eiitaufd)leid)en gemuht batte ohne tränt au fein unb
fdjliefjlid) in gerid)tlid)eÜntcvfud)ung geaogen umtbe,
uue auf bet Sorlabung tvöttlid) ftanb: „wegen un?
befugtet Slumahung bet Gbolera."
$11$ ©uflati ©traufjeitö 5ititif be3 ßvang.
3obauni^ gelefeit batte, fdnicb et:
^©dt biefeS Sud), ba§ ctv’ge SBabtbeit ift,
ein lugcnfdnvattgver ©itoftifet gcfdjriebeit,
bann bat 3abrtaufcnb lange 3eju^ Sbvift
beit Teufel butd) Seelaebub vetttieben!"
»u« ber 3nfhuf«ouSfhiube. SBatum ftedt ein
©olbat, tvenu et mit bet ßcifenbabn buvd) einen
Suitnel fährt, ben Äopf nicht aitm geuftet hinaus?
„®amit et bcu SCuttttel nid)t bcfd)äbigt."
2Baö tbut ein ©olbat, tvenu er attö Setfebett
feinem Sieutenant auf ben ftufe getreten bat? w gt
tbut eine Ohrfeige friegen."
^ie ftutterfprmhc tlingt unter Umftänben tvie
eine ftentbe Sprache, tvaS man an folgettben tafd)
biuteteinaitbet au fptechenbett ©äfeen probiren fanu:
?lal afe et; ©upp’ah et; lange Stale ah fie.
Sieb! uue näht fie; berSWabe habt fich; berSlff
näht auch. SÜfäbt bet 2lbt audh 4>eu ?
«in ejfd iu eiue SBlumr bfrtuanbdt? SBcnu baS
attgeben fanu, bann mag ®artvin’S Sebte von bem
Ucbcvgaitg bet Sitten hoch tvobl richtig fein. 3a baS
fantt jtefdtcben, ift gefcheheu. ffiettn audt geivobn-
lidje ©tetblidte eS nid)t tbun föitncn, hohe Obtig=
feit fanu eS. SliiS einem fiibbeutfdjcn ®vtfe tvitb
itäntlid) berichtet, bah ein Siutvobncr SJatueuö 3v=
bann ßfel fid) an bie ^Regierung getvanbt batte mit
bet Sitte, au geftatten, bah et unb feine fed)ö ft ins
bet an ©teile beS bisher geführten Familiennamens
„©fei" fortan ben Stauten w Sluute" fübten. ®ie
SRcgietttng bat folihe Sitte genehmigt.
®ihtlrr batte in feinen 3uf}cnbiabreit einen
Steunb, bet glaubte tvobl attd) btchten au fönnen,
Digitized by v^ooQie
658
Um Hämin;
/
er hatte eS aber nod) uid)t flcpvofciret. $113 bet
Sidjter einmal wieber im oertrauten Steife einige
feinet ©ebidjte oorgetragen tinb bie Vewunberung
aller geerntet hatte, liehen feine Sorbecren bem
greunbe feine 9tuhe unb berfelbe bejchlofe ernftlid),
nun auch einmal einen Verfud) gu wagen unb ben
VcgafuS gu befteigen. golgenben SageS attrapirte
ihn Schiller jufällig hei feinem erften dtitf. 63 war
an einem heißen Sommernadnnittage, alS Schiller
hei feinem greunbe eintrat unb ihn an feinem
Schreihtifd) filjenb unb fchwifeenb über einem %«
pierblatt im feiten Sd)lafe antraf. Seife fd)lid) fid)
bet Sichter heran, unb neugierig, waS fein greitnb
wohl im Sdnoeifee feinet SlngefichtS ftubire, fdjqutc
er über feine Schulter auf baS Ißlatt, unb warf ehr
ühcrrafcht, auf bemfelhen ben erften bichterifchcn
Verfuch gu finben, weldjcr alfo lautete:
„Sie Sonne fenbet ihre Strahlcnfpifecn
Üffiohl auf beS 9Rcere3 tiefftcu ©runb."
Offenbar hatte ihn bie unbewohnte Arbeit fehr
angegriffen, beim er fdmarchte tief. Schiller nahm
fad)te bie gebet unb fd)rieb barunter:
r[ Sie gifdje fangen an gu fchwifecn,
O Sonne niad) eS nid)t gu bunt!"
Saun fd)lid) er unbemerft oon bannen, wie er
gefommen unb fo ift Ieiber92iemanb3engc gewefen,
waS bei* Sd)läfer für klugen bemacht, alS er er«
wadjte unb baS ®ebid)t ferüfl fanb.
Bi# fiir’n ftojif? ßin ©utSbefifeer fanb auf
einem ?lder ein Sfelett, welches er für ben ftopf
ciueöftinbeS hielt. SBeil er nun permuthete, eS
läge ein Verbrechen Por, fdjidte er baS Sfclett, in
einer Schachtel perpadt, an ben benachbarten Ve«
girfSargt mit ber 9luffchrift: „ftinböfopf!" 92ach
einigen Sagen erhielt er bie Schachtel gurüd mit
ber neuen 2luffd)rift: „Sd)af3fopf!"
Difegliuftc ®§?p#L ,,©ört, ftinbev," faßte bie
3)2ama, „wenn heut* Slbenb ber neue Onfel gum
93efud>c ba ift, fo bürft 3hr mir nid)t pon feinen
©aaren fpredien — merft’S Such wohl!" — 2liu
3tbenb bei Sikh fabte nun ber fleine $lbolf, per*
Willibert nach beS ÜnfelS ftahlfopf geißenb: »5tber
9Mauta, ba halt bu heut’ früh gefagt, wir foUten
nid)t pon beS Onfcl3 paaren fpredjcn — ber hat ia
bar feine!"
Bau ergäljlt, bafe granfün, alS er anfinb gu fht«
biren, gerne gang gewöhnlichen ©adieu hoddlin«
benbe tedmifefee 92ameit beilebte. ©ineS 9lbenb3
theilte er feinem Vater mit, ba§ er üDJolluSfen per-
fchludt habe. Ser bute 3Hann war hierüber nid>t
wenib erfrfwoden, nahm feinen Venjamin beim
Sinne unb Yief bie ©auSgenoffen gu föilfe. Sie
SMutter fam mit loarmcm SBaffev, ber ©auSfucdit
ftürmte mit ber ©artenfprifee herbei. 53a3 bie
übriben mitbraditcn, ba rüber fdjweibt bie 9Rpthe.
Sie pereinten fträfte arbeiteten nun eine halbe
©allone (!) ® aff er in beS armen VcniaminS foalS
hinunter, hoben ihn an ben gufefohlen in bie .frohe
unb fchüttclten bann au3 SeibcSfräften, wahrenb
ber alte granflin änbftlid) bemerfte: ,,'IBenn wir
bieShicre nid)t herauSbefomnten, wirb nufer Vcnnp
oergiftet." 2113 fie cnblich heraus waren unb Ven«
iauiiii erflärte, bafe befaßte Obicfte Sluftcru feien,
oerwaubclte fid> bie ängftliche gürfovge beS VatcrS
in würbigen 3ovn unb ber Sohn ma&te Vefannt«
fdmft mit bem Sofferriemen. 9Kan fügt noch bin*
gu, bafe graitflinS Sprache pon Da an aufeerorbent«
lieh cinfad) unb oerftäublidj gewefen fei.
Bie ritt ftönia einem and ber Bibel «nt«
ttiortet. Sbnig niidjarb pon fenglanb hatte feinen
®egner Philipp Pon granfrcich in einem bluti=
gen Sreften btfiegt. Unter ben ®efanaenen u>ar
and) ein Vifdwf, ber in Poller SBaffenrürtung gegen
bie ßnglänbcr gefod)ten hatte. Sönig 92id)arb
bad)te: „2öie id) bkb fiitbc,- fo richte ich bid)!" unb
lieh ben geiftlidien ©errn mit ben anbern graiuofcn
hübfih in’o ©cfängniö wanbern. SaS hörte Vnpft
ßöleftin III. unb fd>ricb in barfdiem Vefehlöton:
„Sieb mir meinen Sohn gurücf!" 9?id>arb liefe bem
Vifd)of ben ciferiien Vanger, ben berfelbc in ber
Schlacht getragen, auSgiebcn, fd)idte bcnfclbcn burch
eine ©cfanbtfÄaft an ben $apft unb fchrieb bagu
1 s D?of. 37, 32: ^Siefen haben wir gefunben;
fiehc, ob e3 beineö SohneS 9iod fei ober nicht!"
ßin feöfrr 2mdPfe(!rr. 9(m Schiffe eineS fRechen«
fchaftöberid)tc3 ber ßifenbahnbireftion gu 9K., wo¬
rin biefclbe fich bebcutenb herau3gcftrid>en hatte,
machte ein Pom Scfcer falfd) gegriffenes l ftatt f
einen fatalen Streich. 63 hiefegulefet: „Sie uu-
tcrgeidjncte Sireftion hnt beui obigen ^Bericht ni^tS
mehr hingugnlügeu."
Soltairr’S ftritif. 6in Sidjterltng, ben ooritefe
men ©efellfdKiftSfreifen pon VariS ungehörig, hatte
Voltaire miebcrholcntlid» mit 3pfcnbuugcn feiner
bichterifchcn gabrifatc bclaftigt unb beftürmte ihn,
wo er ihn fah, mit Vittcn um eiue Veurtheilung
berfelben. Voltaire fonnte fid) enblid) ben ftürmi=
fdjen 3mnuthungeu rieht langer entgiehen unb per«
fprach, ba3 lcbtgefd)idte ü)2antifcript gu lefen unb
mit einer Sritif gu perfehen. Ser Sid)terliug war
glürflidj unb perlebte einige Sage angenehmfter
Spannung, ba er Poll erfreulkhcn SelbftgefühlS
nid)t gweifclte, bafe bie Veurtheilung eme günftige
fein werbe. 9(m pierten Sage langte fein aWanu«
feript, begleitet Pon einem gievtidjen Villet Vot
taire’3, wicber an, unb lefetercS lautete Piclocr«
fprcchenb: ^chhabeJihrcSidjtung aufu.crffam ge«
lefen. 9)?etne ftritif befchränft fid) auf Sifgung
eines einzigen Vudiftabcn, womit gleidigeitig mein
Urtheil über baS ffierf gegeben ift!" Ser Voctafter
warglüdlid). „$n!" rief er ftrahlenben VlideS
auS, „baS nenne id) einen Srfolg! 9Jur eilt Vuch«
ftabe getilgt — fonft älleS tabelloS — in ber Shat!
eines weiteren, atiSgefprochenen UrtheilS bebai*f eS
Seitens eincS fo fritif^en ©eifteS, wie ©err von
Voltaire, heran feinen eigenen 3)2anuferipten u m
bamtbergig gu ftreidjen pflegt, uid)t!" Unb mit por
Ungebnlb gitternben föänbcn öffnete er baS 9Wanu«
feript uiib bnrdflog feine 3cilcn, um ben getilgten
Vuchftabeu gu entbeden. 3lber Vlatt auf Vlatt
mufete er PcrgebcnS umfchlagcn, bis er enblid) auf
ber allerlefeten Seite Vudntabe unb Urtheil fanb.
Voltaire batte im ©d)lufewort “fin M (ßnbe) ben lefe«
ten Viidiftabcn biuthftrid)cn, fo bafe nun ber per«
bleibenbe Üicft “fi M (beutjeh: pfui!) ein ebenfo nach«
brüdlid^3 alS unerwartetes Urtheil über baS iui«
glüdlidje Sichtwerf auSfprach.
Digitized by c^ooQie
fröuenjtitung.
659
$a$ Älter ber eitvopäifdtfu unb auhereuropäifdien
^Monarchen [teilt fiel) 3 »r 3eit wie folgt: Äaifcr
SBilhelm Don ®eutfd)laub ift 86 3abve alt, bet
Jtonig bev Siicberlanbc 66 3abve, ber töonig Don
®änemarf 65, bie ftenigin Don ßitglanb 64, bev
fiouig Don Sßüvtteinbevg 60, bev tfaifer Don Sra=
filien 57, bev Äloniö Don Sachfcu 55, berftönig Don
Schweben unb Norwegen 54, ber Staifev Don Ocfiev=
Yeid) 52, berftouig ber Selgier 48, bevßönig oon
Sovtugal 44, bet fionig Don Siumanicn 44, bet
Sultan bet Sfitfei 40, bet Äöuig Don Italien 39,
bet Äaifev Don Stuhlanb 38, bcrffouig Don Sapcvn
37, bet ilonig Don ©riedjenlaub 37, bet ftonig Don
Setbien 28 unb enblid) bet Äöuig Don Spanien,
bet evft 25 3al)te alt ift.
©<W3 einerlei, „ffiillft bu Sdwiah obet Sutter,
Srifec?" fvaßte bie ©Jeifterin ibven fiebvling, als fic
bie Stullen 311 m ^Ibeubeffcu fdnnieven will. — „Ift
i3 allend cinjal, Stau SJeeftern," antwortete bev
flcine Sftffifud; „Td)inedcu bl)if id ja bod) nifd)t
baoon r
Jratit tt; dluttg.
3 n brr tarnen * Stabranftalt 311 SNorbevncp ift,
offenbar Don )oeiblid)et £>anb gefchrieben, folßenbet
Scvd an bet S 3 anb 311 lefen:
Unb bleibft bu fifeeit, o’9J?ägbelein,
®cnf nid)t, bah oevfeblt bein lieben.
63 ßeben nid)t alle Strauben ÜBetn —
63 um 6 and) Siefinen ßeben.
®ie3 (fine ift fid)ev unb gaii 3 gemihr —
28ie feilt’ e3 and) anberd fein ? —
63 jdnncdeu alle Slcfincn fftß,
®od) jauev ift mancher fficin.
3 «t ttortorgtftbrtt vt $arbaitgrr 14 geftattet bie 8 an-
besfitte nur foldien 3Räbd)en |id) 31 t Detloben, )odd)e
baden, fvinnen unb ftviden tonnen. ®iefer Sraucb
bat 3 itrSolßc, bah cd in jener ©egenb faum ein ein-
3 tge 3 SKäbcheu ßiebt, melcbed nicht fdjon tut eiltet
Don fünfzehn fahren Dollenbete Sieiftevin in biefen
fünften ift. ®cr febnfiidfidimlle ®vang, tn bie
Sdjaat bev ©bcftanbdcaiibibatinnen aufgenoiumcn
31 t werben unb ben Sefabignngdiiachmeid füv bie
©audmuttevfehaft 311 evlanaen, ftacftclt bie beiraths^
luftißen Södjtev bed 8anbc3 31 t foldjcm ßifcv an,
bah iie ed fd)on fvüb 3 eitig 3 uv Sivtuofitdt in biefen
nützlichen ©antterungen bringen. 3Ber bott auf
Svcievsfüheu acht, bet ift 311111 Soraitd fidjev» baß et
eine Frau ine ©aud befommt, meld)e bie SWatuvU
tätdprüfung im Spinnen, Stviden unb Sadcn
“cum laude” beftanben bat.
Frauenfreie.
®er Frauen Seele gleicht bein tiefen SKeevc:
Ob fdmell etteßt lieh feine SBcllcn beben,
63 ebbt bie Flutb — unb ruhig U'icbcr fdjwehcn
Stuf feinem ©vitiib bed £>immeld Sterncnbcete.
2 B<u|olbt.
Glue $iihma<heriu in St. ?outd im Staat SDlif*
outi bat in ibvem A>ausbalt eine 3 bee 311 t prafti=
eben Äusfübvung ßebvacbt, welche hübet iebenfa 113
mit ald „Devfebvte SSJclt" betrachtet worben märe.
Sie fotßt näinlid) für bas ©elboerbienen unb be^
ßiebt fiel) ivüb Don 8 Ubv an in ibr ©eidiäft, mäb-
venb ibv ©attc, bet feine red)t ptaftifebe gfanfccs
natut 311 befifecn febeint, babciin allen uurthfcbaffc
lieben Arbeiten obließt, Gr ftebt ftub bei 3 eitcn
auf, macht Feuer, räumt auf, beforßt bad Fvühftürf
unb hält bann toabvenb betSibipefcnbcit feinet Stau
ba3 ^au3 in febönftev Ovbnunß, fd)cuert, umjdjt,
bügelt, fod)t unb wartet ba3 Äinb. Seine ©attiii
evtbcilt ibm ba3 befte Bob unb faßt, ev mad)e alled
im böd)fteu ©vabe nett unb fauber, Dcvftcbc aud^ fo
ßut 311 foebeu, ba& er c3 mit icbcv Stau in bev Stabt
aufuebmen fbnue, unb rätb allen D)citfd)weftevu,
beten Scannet fid> Don ibven Stauen erhalten taffen,
auf baä brinßenbfte an, fie auf biefe SBcifc nüfeiid)
311 machen.
$ie fünigliihe 3 udrrfibalr. 9 Rau fdweibt bem
„®. S)f.=Sl. M aus bem vaag: ®ie iungc Königin
Don ^ollanb, bie Schweltet bev fo früh Devblidjcncu
Sviiueffiu 9 )?arie Don 2 Balbed=Spvmont, führt mit
ibvem ©einabl ba 3 bavmonifd)fte Familienleben.
®ie iugenblicbe Süvftin liebt bie febonen fünfte
unb bat c 3 namentlich in bevSKalevei 311 einet be^
wunbevn 3 iDCttben Sevtigfeit gcbvadit. So übev=
rafd)te fie ben 5 lönig 311111 SBeihnadjtsfefte mit einem
prad)tDollcu, Don ibv eißcnbäubig gemalten Sov=
3eUan=SevDicc. ®cv bobe ©etv umv Don biefev uu=
eriDavtcten ©abe fo entiüdt, bah er bc 3 ®anfe 3
fein Gnbe muhte unb nod) am felben ^Unrnb feinem
Devtraiitcu flammevbiener bie Sorge füv ba 3 fünft-
levifebe ©cfd)enf auf bie Seele baub. „®iefe 3 Ser-
Dice," faßte ev, „ift füv mid) ba 3 föftlidifte Älemob
unter allen Äunftfcbäfeen, weld)e id) befifee, unb
mein 3*>rn wirb uncrbittlid) ^eben treffen, bet mir
etioa 3 baoon 3crbrid)t. ®ev Unglüdlidie loave fo=
fort fcinc 3 ®ienfte 3 entlaffen." G 3 Devgingen eiutge
Sage, unb cine 3 S 3 iovgcn 3 erbat fid) mit beftürjtcr
SDJienc bev ftammevbicnev eine ^lubien3 bei ber Sic-
nigiu, um ibv 311 beruhten, bah er ba 3 Unglüd ge=
habt habe, Don bem foftbavcu Sevoice bie 3 udev=
fd)alc 311 3crbvcd)en, unb bah er nun fürd)te tom
SouDcran fofovt entlaffcn m werben, ^ulbooll
inbeh muhte ihn bie iuiige Süvftin 311 tvoiten unb
befahl bent geanaftigten ®icnev, ibv ein Släfd)d)cn
jene 3 flüifigen veiine^ 31t bringen, ba 3 inan in
Franfrcicb unter bem troftenben Siamen “ne pleurez-
plus” befannt ift. ®ic Königin muhte mit gvoher
Äiunftfevtigfeit bie aerbrochenc ®ofe wicber 3ufam=
men3iifügen, unb fo pavabivte fic nod) am nämlichen
SKotvßen auf bem füvftlichcn Stfihftüdstifd). ®er
ftoitig traut feinen jbee, ald plbfelid) feine ©e=
Digitized by v^ooQie
660
frcrantpitung.
mabliit fiel) erhob, bie geleimte Bmferbofe in bie
§ anb nahm unb fie mit allen Beiden tiefiten ßr=
ireefen# gn Voben fallen lieft. „^Dfaieftät," faßte 1
bie Sfönigin, auf bie Scherben ber loftbaren Schale
beutenb, „SRaieftät, bin id) nun and) meine# Äuttc#
entlaffeit?" — „Oh," fagte ber Äouig, berftänbnifts
innig lächelnb, „Sie finb ein Sngel — pleurez-
plusr
Sie botbariftofratif^c SEoditer beS33?iötonenf6nifl8
Vanberbilt machte in Saratoga,bem Sammclpunft
ber feinen ©eit, ihrem Vater eine abfäütoe ©emer=
fung über bie 2lrtigfciten, welche er an eine höd)ft
elegant gefleibete, aber burch bulgäre# Auftreten ihre
niebere^lbfunft oerrathenbe® arne berfdjwenbet habe,
bie fid) ihm al# eine Sefannte borftcllte. „©a#
muffen bie Cetite bon un8 beulen/ Vater," meinte
ba# hochmüthige Sräulein, „wennfiebidj mitfokher
Vertraulid)fcit mit einem ©eib berfchren feben,
ba# nod) bor wenigen fahren mit ©eflügel in beit
©aufertt haufireit ging?" ,,3d) erinnere mid) red)t
wohl an biefeit Untftanb, mein $inb," antwortete
ber3)?annber ungezählten ^Billionen, „aber ich habe
eheitfo wenig bergeffen, baft Deine grau 3Kanta einft=
mal# in 3wb ben äBatrofen Vier au#fchänfte, ba#
©la# au brei ßent#, währenb ich mit felbftgefifd)tcn
8luftem in beu Straften hauffren ging. Statt und
uitferer Vergangenheit gu fchänteit, follen wir un#
barüber freuen, baft wir e# burch Steift unb ©lud
foweit gebracht."
Ser «rmtjirtnj na n ^reuften beftichte in VegleU
tung feiner ©emahlin bie 2lrheit#fd)ule eine# unter
ber ^ßrotection ber ifroiwringefftn ftchenben berliner
Sagar#. „©ogu bient bie Heine 8abe unter ber
Wäbmafdjine?" Jntg ber Vring ba# niebliche Sräu-
Ieiit, welche# an berfelbeit eine Arbeit au#führte.
„6# bient gunt Slufbewahrcn bon SMafchinenbeftanb*
theilen, lonigliche ©oheit," Jsefam er gur Antwort.
3)tit rafchem ©riffbie 8abe aufgiehenb, entbeefte er
gu feiner gröftten ©eiterfeit in bemfelben ein Stulle.
„3ft bie8 auch etwa ein SRafchinenbeftanbtheil,"
meinte er l&d)elnb. „©ewift," antwortete fchlagfertig
bie junge ®ame, „bie Stulle bient ja gum 3ufaut'
jnenhalteu ber Veftanbtfteile be# menfdjlidjen 5J6r=
ber#." „SRait lieht," faßte ber Vring fdjmungelnb
gu feiner ©einahlin, „baft ber Umgang mit Wäh=
mafchinen auf ben weiblichen ©eift eine günftige
©irfung äuftert." (Srtöthenb quittirte bie gewanbte
Wähmafchinennbmbhe ba# fchmeichclhafte ßomptU
ment mit einem auftergewöbnlich tiefen ihtid#.
hrrol}(hf§ Wätuhru. 9Ban fdjreibt au# ® ör#*
borf: ©ie ein junge# ©äbdjen brei Surfchen an
SRuth unb Varmhergigfcit ftbertroffen hat, babon
folgenbe Sbatfache. Vei ber groften Ueberfchwem^
mung hatte [ich ba# ©affer fo fehr ßeftaut, baft e#
gweiSuft hoch in bie ©ohnung einer armen ©ittwe
einbrang. ®ie ©ittwe rief für fich unb ihre gwei
Äinbcr um ßülfe, aber oergeblid), obfehon brei Sur=
fdien mit ©afferftiefelu angethan am ©affer ftan=
ben. ®ic 20jährige Tochter einer ©ittwe bafelbft
bat bie brei Vurfdjen, bie bebrängte Stau unb ihre
fiinber gu holen, aber bergeben#; ba wagt fich ba#
SKdbdien burdi bieSlnth, holt bie Srau jumjrenfter
herauf trägt fie 20Suft weitburdfba# tiefe ©affer,
unternimmt noch gweimal ben gefährlid)en ©anß
unb rettet bie beiben Äinber. ©ätten bie brei Sur=
fd)en ftch auf ben ffieß gemacht, fo beburftc e# nur
biefe# einen ©äuge#, währenb ba# braue SKäbchen
ben ©eg ohne ©af ferftiefel bretmalße 2
hen muftte. Äur (Shre be§ üKäbchenS fei ihvSßame
hier genannt, fie heiftt © i l b e l m i n e 2W e n ß e S.
Ser »rieftnarfmfammelttmth fcheint eine neue,
ebenfo aeiftreidje Sicbhaberei eine gefährliche ßom
cuneng bereiten ju wollen# eine Siebhabcrei, bie er?
wiefenermaften thren Urfbrunß im Äöbfchen einer
bretjehnjährigen Vewborfcrin gefunben hat. ®ie
üöeftfcerin biefeS St obfdienö war bon bem ßhtßeig be=
feelt, irgenb eine ßolleftion ihr eigen gu nennen,
wekher oer ßharafter auSgefbrodjener Örißinalität
innewohue. 3m Suchen nad) einer nod) nicht ba«
gewefeneu 3bee larn ihr ber leuditenbe ©ebanfe, eine
Sammlunß bon 3ournallöbfen angulegen. ®er
fiobf einer Bcitung ift belanntlich jener Iheil beä
23latte8, welcher tu grofter Sdnrift beffen Manien,
bie Slbonnementbbcbinßuugen, Sahrgang,Kummer,
®atum u. f. w. enthält. 3n aller Stille madde
fie fich an6 ©erf, unb halb hatte fte in einer Weihe
bon SoUantcu bie ftattlidje 3ahl bon etwa 2000
3ournalföbfen au§ aller©enen Sänber unb in allen
Spradicn beö 6rbball§ bereinigt. ®a belanntlich
l'appetit vient en mangeant,fo erllärt bie 3«haberin
biejer Sdiäfec, nicht eher ruhen gu wollen, bi$ fie
minbeftcnS 25,000 flopfe in ihrer Sammlung
bereinigt. (SS ift bieS fein ®ing ber Unmoglidifeit,
beim inSlmerifa allein erjd)einen gegen 10,000 3eU
tungen. ®anlberingeni6fen3Kift aud bem Vnnfee-
lanbe, bereu 3bee gunächft bort rajehen Entlang
gefunben, erfmlieftt fich ber franfhaften SannneU
wuth ber Beitgenoffen ein neue# fcegebvenSwerthe#
Biel. Wod) ift bie Sriefmarle nicht tobt» unb fchon
ertönt ber Stuf: lebe ber 3oumallobfi
Sie ftirgifen haben ihre althergebraditen Sitten
auch heute nod) mehr ober minber erhalten. Bu=
weilen werben bie Sornehmften einc^ Stamme# gu
angcfchcncn Wuffen eingelaben, u»obei mau fich oft
uid)t wenig über bie naiben ©emerfnngen ber Stc^
benfohne gu amüftren bflegt. So hatte ber ©ouber=
neur bon Orenburg unlängft einen flirgifenchan jur
Safel gefaben, unb bem ßhan gegenülH!r faft eine
fehr bübfdje junge Srau, bie ©attin eine# mjflfdien
Offigier#. ®er iJtrgife wanbte lein 8luge bon ihr,
fie gefiel ihm aufterorbentlid), unb ba bie fiirgifen
ihre Swuien laufen, lonnte er ftd) nicht enthalten,
au#gurufen: „Saufenb Sd)afe würbe td) für biefe
Srau bort geben!" ?(lfe$ lachte über biefe uugc'
fünftelte Sewuuberuug, unb ber ©ouberneur, fer
ftch. einen Sdierg mit feinem nncibilifirten ©aft
machen, ober benfclben bielleid)t in Verlegenheit
bringen wollte, fragte ihn, tnbem er auf feine eigene
©emahtin beutete: —„©ie bicl giebft bu aber wohl
für biefe?" „0, ©err!" berfefete ber ßhan, ohne
fich gu befinnen, „frage ba# nicht, fo biele Schflfe
hat feiner auf ber gangen weiten ©eit!"
Digitized by v^ooQie
3u $auft.
661
1
Sir ©an« ttnfc ©trh
Sie eigene ©eimath* O, eigener ©erb, bu füfceg
Sßort, ein Baiiber fcfoliefjt bid) ein!
(Sine ©eimath, einen eignen ©erb! wer arbeitet
miD ringt nicht bajftr unb bod) erlangen nicht alle
bag fiel) vorgeftedte 3W* 68 ftarh fürtlidj int Olten
ein SMaiin im SBertb Von 20 ^Millionen DoUarg.
SUg uad) feinem 2obe feine Sreunbe fein ©aug
burd)fitd)ten, faitben fte eg aufg einfachfte moblirt
unb beforirt. Der äKann hatte fid) ftreng an feilt
©ejdjäft gehalten, unb wenig Sßefeit unb SKuffeben
gemacht. Siit iunger SDiantt verbient 12 Doll. bie
ÖBodjc, mit 7 ©oll. tarnt er gut leben, nimmt er bie
erfreuten 5 Doll. unb tbut fie in einen öativereiit,
fo erwirbt er fich im Verlauf von 5 big 6 fahren
2000 Doll.; felbft wenn in biefer 3cit fein Sohn
nicht erbebt würbe. 9Rit biefer Summe wäre ein
uter Anfang gemacht. 2lbcr ach — wie viele iuugc
eute zeigen fchon frühzeitig Steigungen zum 9(uf-
wattb, fte wollen ftanbe$gem&6 leben, ihre 9(ti^-
gaben fiitb oft gröjjer alg ihre Sinnabmen; an eine
eigne ©eimath wirb nid)t gebadfi. (Sin erfahrener
üSanit pflegte zu faßen: „Sitter tarnt fid) glüdlich
fd)ä&en,bet fein ©cfdjaft verficht, ber eine ©eimath
bat unb ber eine gute Srait gefrnbeit/ Slber um
biefeg Srbenglüd 31 t befifeeit, müffen wir uitfcre ff in«
ber erziehen. Siele Sltern stehen fchon frühzeitig
Gewinn aug ihren ffinbern, fo bettfen fie wenig«
fteitg. Sie werben ber Schule entzogen unb müffen
in einer Sabrif für einen geringen Sohn arbeiten,
ihre S3ilbmtg wirb verfäumt, wag fie nie nadjbolcn,
unb bieje Äfmber fühlen beit SRangel an ffenntnifj
in fpäteren 3nhren. 3u wag föitnen fie aitberg ge«
braudjt werben, alg zur Verrichtung harter Arbeit,
weil ihr (Seift nid)t gebilbet ift. Dieffiuber müffen
von ber SRutter angelcitet werben, nicht allein bie
SRäbdjeit, foitberu auch bie ff naben. Die SMuttcr
hat in beit meiften Süllen bag Schirffal ber Santilie
in ihrer ©anb. 3ft ber ©auSvater ben Sag über
befd)äftigt aufeerhälb beg ©aufeg, bann wehe ben
ffinbern, toenn itidfi bieSJiutter fich ihrer annimmt.
Da ift bie Sdmlbilbung. Dag ffiitb fontmt ttad)
©anfe, eg beflagt fich fiter ben Sebrer; bie 9J?utter
laufet beut ffiitbc, anftatt bie Sache zu unterfudteit,
arf bag liebe ff inb zu ©aitfe bleiben, big ein au«
berer Seferer fontmt; eg ift ber erfte Schritt zum Ser*
berheit. Da ift eine anbere äRutter, bie unterfudt
bie Sache ganz genau, hanbelt anberg unb ihr
ffinb ift gerettet. Dann feefd)äftige matt bie fflei«
nen etwag währeitb ber freien Stunbeu. ff iuber,
weld>e man früh znr Arbeit anbält, werben ttüfe«
lidte SMänner unb Sraueit. Unb man gebe ja Slrtfi,
wie unb mit welcher ©efellfchaft bie ffiitbet ihre
9tbenbe verbringen. Dort fiben eineg Jlbenbg eilte
Änjabl ffnaben im Serfted; fie legen ein wenig
©elb zufamuteti unb einer unter ihnen wirb in eine
Scheute gefdfidt; er holt Vier unb fie hinten unb
raudjen bann. Sin ff nahe von biefer ©efellichaft
wirb eincg Sonntagg STOorgeng von feinen Sltern
in bie ffirdte gefdnat; auf bem Sßege bahin treffen
ihn feine ffamerabeit; welche ihn von berftirche
weglodcit, um wdhreub beg ©ottegbienfteg gute
a m f t.
non einer ©anifratt.
Beit haben zu tonnen. Sie gehen nad) bem Ohio«
flu§, finbeit bort ein tleineg S(o§ unb fc^eit fid)
barauf; ber rei&eitbe Strom zieht bag tleute ©c«
fährt in bie liefe, bic ©efellfchaft rettet fich, aber
ber flehte ffitabe, ber von feinen Sltern iit bie
ffirdje gefdndt tvurbc, erhinft. Darum, SDiutter,
hüt* ben fleineit Sufe. Sine britte SMutter liebt
eine bübfdte äufeere Srfdieinung. 3hre Sochter
entfaltet ttdj toie eine liebliche ©luttte. Die 2Rut«
ter merft bieg balb. „teilte Sochtcr barf nie
©augarbeit verrichten/ 1 faßte einmal eine SMutter
Ztt mir, (she shall never soil her hatids). SBie
leicht wirb ba ein SOiäbdjcn ruinivt! Sie wirb eitel,
will aufgepubt unb ftetg in ©cjellfchaften fein.
Snbltch — „meine Sodjter foll einen reidjeit SMann
heirathen," unb and) biejeg gelingt oft. 3cfet ift
ber ©öbepunft beg ©lüdeg erftiegen, benft bie
äRutter. ?lbcr bic Sochter! 3hr ©atte entbedt
gar halb, ba& er an einem unglcid)cn 3oche zieht.
Die Silbung ift veruadhläffigt, bie Sdwnheit
vergeht ttttb — bie Shefdjeibung folgt. jn
einet uttfever grofheu Stabte gab eg einmal beten
nicht weniger alg fcdvzig in einer 9Boche. — 5Wod)
ein ®tlb: ,,©utc Scad)t, ©rofipava!" rief eine
fü§e, fleine ffinbevftimme. 3ioei junge Sheleute
waren ztim Scfud) bei beg iDJauncg Sltern; fie
wollten eben nad) ©aujc gehen, alg ich beit ff leinen
horte, ^d) febe mir bie fieutc rcd)t genau an ttttb
heitterfe tu ben ©cfiditgzügcn ber iungett Stau
Svaurigfeit unb SEBchmuth. 3hr‘Satte frriefat
nid)t mehr liebevoll unb järtlid) mit ihr, toie früher;
faunt hat er ihr bag flctitfie ff inb in bie 9lrme ge^
legt, fo ift er fdwit braunen vor ber Shür hei feinen
ffameraben. 3d) frage, woher foinntt itt ber tur=
Zeit Seit biefe ffieräitberuttg? „3a ; " fagt mit ge 5
meffeitcit SB orten ber Sater, „metn ©eittrich her
triitft/ 3d) fannte bie gainilie; bie ffinber
burften ihre Slbenbc auf ber Strafte zuhringen unb
eilten jo Stritt für Sdnitt bem SSerberbctt zu. Die
Srait rann in ber fjamilie viel, uitenblich viel he«
Zioedcit, aber audj viel, uitcnbli^ viel vetnad)läffi«
gen. SBolleit wir baruut ein glüdlidieg ©eim
haben, fo muffen wir algSMütter barauf feheit, bajj
wir bemjelhen wohlerzogene Söhne unb Södjter
Zufuhren.
Schwäher im @ottrd|atife. 3m Dorfe 9t. war
ein datier, ber zwar regclinähig z«nt ©ottegbienfte
fid) einfanb, aber auch chenfo regelmä§ig wäbrenb
heg Orjtelvorfrielg unb mitunter and) ttod) währeitb
beg ©eiangeg mit feinen 9tadiharn über alle mog«
ltden weltlichen Dinge, alg ba finb SDtarffrreite
unb SSiehhänhel, ©irthghaug«91benteuer unb Sßvo«
zcfjgcidjichten, zu bigeutiren pflegte. 3 C lauter ber
Santor fpielie, um fo fräftiger erhob USlauberntichel
feine Stimme, ja, toenn ber SSaftor bereitg auf bie
flattzcl geftiegen war, unb ehe her lebte Orgelton
, verhallte, fein ftilleg ©ehet verriditete, ba cricholl
, mandunal aug ber Sde, wo 9Rtd)el faft, nicht etwa
1 ein leiieg Slüftern, fonbem eine uttaitftänbig halb«
i laute Unterhaltung.
Digitized by v^ooQie
662
Ju üanfe«
Sieben üvbcitHicf)cu tftrdjeitgaft mußte ba3 vcr=
bricßcit. ©anj bejoubcv-3 aber verbroß e3 ben Ov=
ganifteu, bev mb auf feine ftunft bie Orgel 511
„fdjlageu", viel 311 flute that, unb beut c3 abjd)culicb
verfallt, baß ein fo unpolivter SRichel e3 nicht für
ber üRühc tvertb hielt, auf bie funftvoü hevvovge-
locfteit Sötte be3 ©ott fleiveibten 3iiftniment3 31 t
laufdtett.
,,'IBarte!" baebte er, „bidj frieg* ich brau, bu
Bärenhäuter! ©ie'gottlofe Sreube, bie bu au
beinern $ird)ettfd)wab baft, miu idj bir fdjott vcr=
falten!"
Gv wartete beit nächsten Sonntag ab, fefete Reh
auf ba3 Orgel bätt! lein nnb rtebtete ben Hcincu
Spiegel, ber über ibut angebraebt war, etwas tut
Seite, fo baß er in bemielbeu nicht ettva ben fßaftor
auf Der ftatttel, fonbern voll unb genau 3Rid)el3
breitet bidbadige3 ©eRdjt erbfiden fomtte. ßattm
batte er augefaitgeu, Da3 93orfpiet in faitfteu Sonett
erflingeit 31 t lajfeit, fo fab er auch febott int Spiegel
B?id)el3 Scbwafewerfteuge in Shätigfcit, aber bie
9Borte tönten nod) etwa*3 (eife unb gebäinpft, üutc-
mal 3Ridicl bodj nicht tvünfcben tonnte, baß bie
gante Berfautmlung ihn höre. 2 Bie ein verfebmib-
tev ffiegelagerev auf feine Beute, lauerte jekt ber
Organift auf beit Biebermann. Unverntcvn 30 g
er an ber Orgel ein Stcaiftev nach betn anbcrit; nach
jebent 3ng aber verftävrte ftcf> iDIidjefä Stimme, bi3
enblicb ber ÜBann auf ber Orgelbant alle Dtegiftcr
glüdlich berattS batte unb bie gante Songctvalt ber
vollen Orgel prächtig babinftutbete. ^efet war
9Rid)cl’3 Stimme, tvelcbe gleichen Schritt getbait
hatte, ba angelangt, mobil! ber Gatttor Re haben
wollte. Blöfelich hob biefer bie 3 ehtt Singer von
beit Saften unb bie Süße vom Bebal. SllleS in ber
Äirobe wir Rill wie bie tieffte ©albeinfamfeit, nur
attS 'üRicbel’S Gcte fcballteu mit gattter Sungeitfraft
bie eifrig gefprocbeiten geflügelten SEBorte: „3a,
aber auer bat a fntmmeS ©ortt!"
SBovoit anberS tonnte eraefprodjen haben, al$
vom Ocbfenhaitbel unb von Der unfebönen JJopf=
äievbe bes lieben BhftvielvS, beffen Bilb ben maderu
9»idi:( in bie Berfainmlung ber ©laubigen begleitet
batte?
®:r Ganter hatte feinen 3 wed erreicht. BJidjcl
war entfcfelicb blautirt unb mußte noch nach 3 a hr
ttttb Sag hören, baß er von feinem frutnmbornigen
Ocbfcn ber ganzen ©emciube in ber Sfircbe eine Riebe
getbait habe. Gr febämte unb ärgerte ftdj über bie
SJiaßeit, hat Reh aber von beut Sage an gebeRert,
unb feine Ocbicit-- unb ÜRarftgefprädje nur noch
außerhalb ber Sfircbenmauern an ben Biatttt ae=
bracht. (Ghr. Botfcbafter.)
611II ftom. 3Rm nimmt 2 Ouart reine $ 0 ( 3 =
afebe unb eine ©alloite SBaffcr, thut c3 tu einen ei=
fernen ffeffel unb läßt c3 einige Minuten fochen,
bann febäumt man ab unb läßt c3 falt werben;
bantacb gießt man bie reine Sauge in ein ©cfäß
ttttb wäfcht bcu ffeffel. ©ann nimmt man 2 Ouart
weißet SBclfcbforn, thut e3 in ben fieffel, gießt bie
Sauge barüber unb läßt e*3 eine halbe Stunbe
foihett, man rührt e3 öfter tun unb verfocht fiel) ba3
SSaffer, fo gießt man hin unb wieber focbcnbeS nach,
©ann gießt man bie Sauge ab unb fdnvenft bann
baSÄorn einige $Wal mitffiaffer, barnad) thut man
ba$ -SJoru in eine große Scbüffel, bebeeft e3 mit
SBaffer unb reibt eß mit ben föäubcn, bis bie raube
©aut gatts abgerieben, bann fpült man c3, biß e$
gaii 3 flar uttb rein geworben, baritarf) thut matt c3
3 uvücf in ben S'effcl nnb fod)t eS, bi3 e$ weid) wirb,
bann thut man 3 ulefct noch einen Söffcl voll Sali
hinein.
©fflüflfl. Biete ©tthuer legen währeitb be$
ÜBintcrS, wenn Re einen warmen Stall unb gutes
f jrutter haben. ®ic Sbicre feilten im Stall nidit
0 gebväugt fein unb Hefter ttttb SBäube halte inan
rci von UugeRefer. ©amt follte ber Stall an ber
üblidteit Seite Sanfter haben, baniit Die warme
Biittagsfonne einbringt, ttttb läßt man währenb
biefer 3eit bie kühner auf ben £>of 311 m Swttent,
fo (antt utait bie Ställe reinigen mtb lüften. ®er
„Äni. 2 lgr." eutpReblt Stvobbäcber für Siehftäüe
wegen ber SBärnte. 3Ratt hat Re in ®eittfd)laitb
fd)ou lange, ©ort nimmt matt 9?odcnftrohr e§ ift
am läitgften uttb and) am reinlidtften, c§ tvirb mit
betn ©refdtflegcl gebrofdten, ein 9Rantt hebt eine
ungebundene ©arbe ttttb ein Änabe pufet Re au3
mit einem fdmtalett, lang^infigen Leihen; eo wirb
in große ©arben gebuttben ttttb weggcflellt. ©antt
nimmt matt einett erfahrenen N 3Rattn, ber e3 vecftcht,
Strohbädtcr 31t evridtten. — ©anu bae fjuttcv für
©cflügcl. ©chadter Äichl unb ©rünfutter wirb
von ben Hühnern neben beut ©etreibe gern gefreffen;
unb Scute, bie itt beraube von SdRadithäufern
ober Stabten unb 50?ärftcn wohnen, füllten Rd)
billige Odtfcnfleiidtabfälle holen, al$ ba finb: Sutu
gen, Sebcv, $er 3 u. bgl. ©iefe in einem großen
töcffcl gefodtt unb fein gchadt, finb befonberö gut
für kühner, bie legen, mtb nebenbei 3 evftoßcne
Slufterfdtaleit uttb feiiigehadteÄnocben für bie Bil=
bttttg von Gierfdtalen. ©amt ift fvübgemäfteteS
©eRügel vovtheilhafter al3 ba§ fpäte, and) halten
frifdtgclegte Gier im SBintcr immer einen hobeu
ij}rei3.
^ie Gbffrbfibnng. Gin wohlhabender 9Wann,
ber 3ahve lang itt Sri^ben mit feiner Svatt gelebt.
®a feine Ghe aber tinberfcä tvar, fatti er, wte
polcott I. auf ben Ginfall, fid> von feiner ©attin 3 U
trennen. 3 »cvft follte iebod) noch ein Scft gefeiert
werben im .ftaitfe, 100311 beiberfeitö Srcuubc eilige-
laben würben, „©cttii wiffe," fagte ber SRann,
„tvtr haben in Sviebett gelebt. So nimm bir beim
au3 meinem ©attfe mit, wa3 bir am beftett gefällt,
auf baß bu Rcheft, wie id) fein Böfeo gegen bicb
hege!"
„®etn gefdiehc alfo!" fpratfi ba3 SBeib. G3
wttrbe aber gegcjfen uttb getruttfen bi§ itt bie Dia^t
hinein nnb viele würben vom Sdjlafe übermaitnt.
Unter ihnen and) ber^au3hctr. ffattiit fahebieS
fein ffieib, al3 Re befahl, ihn fanft nach ihreö
Batevs 3>aufc 31 t tragen ttttb in ein Bett 311 legen.
Sie aber fefete fid) 3 ttr Seite beffelbeit unb ivartete,
bi3 er erwachte. Unb ba er munter geworben,
wtinbcrtc er Rdi ttttb fragte: „SBie gefchicht ntir?
2Bo bin id) ? 2BaS bebeutet bie§ ?" ©a trat feine
Svatt hinter betn Borhangc, ber fie verbarg, hervor
unb bat ihn, nicht itt Slngft 31 t fein, er fei in ihreä
Batcr3 .^attfe. „ 3 ch in beine3 Batev3 £>aufe? rt
rief ev. „®eib, wah habe ich mit beinern Batcv 311
fdtaffen?" Sic aber fpvad) mit frcunblidien BJovten:
„9Kcin lieber BJatin, habe ein ivenig ©ebulb unb
-Digitized by
Googk —
SoimtagObnUMtionen.
663
laß bid) oon mir baran erinnern, wie t»u befahlt:
©o nimm au3 meinem .ftanfe mit, wa*3 bir am
heften acfällt! 9?un gefiel mir unter allen Ätoft&ar-
feiten bcffelben nid)t3 fo fein*, a(3 bu, unb ift fein
©d)afc auf ber Grbe, für beu id) bid) (affen mödjte!
3d) that alfo wie bu mir gcheiften baft !" — ‘Da
mürbe bem äNanne ba3 $erj aufgethan, er umarmte
fie weinenb unb nabrn fie wieber an al3 fein SBcib,
unb fie lebten binfort miteinanber glürfüd) unb ju=
trieben.
*
Sotmtagfdiul Rektionen.
Sonntag, ben 2. ®ej.
1 Sam. 18,1—16.
getnb ©anl.
1. 8tit: 1063 vorGhr., unmittelbar ttacT) ben
in ber porigen Seftion erzählten ©egebenheiten.
2. Ort: ©ibea im Stamme Seniamin, ©auf 3
©aterftabr.
3. &adjUdje ©orftemc rfititgcii: ?(uf wunberbare
Sßeife wirb bie |5r e u u b f d)a f t 3 on a thg n *3
eine Stufe sunt ftönigöthron für Daoib. 2Bie alle
gübrunaen ©otte3 babin aujammenwirfen, baß
biefer SKanit nad) ©ottc3 fernen innerlich 311 m
Ifönige beraußebilbet mürbe, ehe äufterlidj bie SRadjt
in feine ©änbe fam, fo füllte bie ftreiiubfcbaft mit
3onathan insbefonbere ihn im oollften Sinne sum
Untertban machen, cbe er ©errfdjer warb; unb in
ber SEbat befeftißte fie in Dambbie ©efinnung ber
Siebe unbDrciie ßcaen feinen ft'önig fo, baft fie fid)
bi3 jur büd)ften Selbftoerleugnung, m Sejnbe^'
liebe, erbeb. $lbcr wäbrenb Daoib’3 ©erfönlid)=
feit, fein @lauben3mnth unb bie sarte 3nnerlicbfeit
feinet ©ott ßebeilißten <§erjen3, auf ben geiftesuer-
wanbten 3miatban einen fo mächtigen Ginbrurf
machte, baft er ibn lieb gewann „wie fein eigen
£>era", wenbet ftd) Saul immer mehr non ibm ab
unb oerftrirft fid) in ber ©erfolgung Daoib’3
immer tiefer in feine Sünbe. $lu3 ber
©elbftfudjt entfpringt werft ber $eib; an3
bem $eib wirb allmählich ber §aft unb bie
ftreinbjebaft ßeberen, unb von ihnen qu3
fommt’3 al3balb, fei’3 auf oerberfteu, fei’3 auf offe¬
nen ©egen, 311 m 9Rorb — r wer feinen ©ruber
hälfet, ber ift ein SEobtfchläger." Dem ©eifpiel
©aul’3 treten aur Seite bie ©eifpiele ftain’3 unb
ber ©rüber 3 0 fepb’S.
4. 8ur Grflaruug unb Grbanuug.
a)Die Siebe be3 ©rinaen. ©. 1—4.
®. 1. Da er (Daoib) an3gerebet batte
mit Saul, ©on biefer Unterrebunß ift un3
ftap. 17, 58 nur febr weniß berietet. G3 ift ieboeb
flar, baft fid) bicfelbe auf Daoib’3 Familie, fowie
auf feine frühere 8ebeu3gefcbicbte bejog, wa3 bei ber
©elobnuuß, weld)e Saul nad) ftap. 17, 25 bem
Ueberwinber be3@oliath uerfprodjeu batte, f au in
anbcr3 fein founte. ©ei biefer Unterrebunß aeigte
fid) Daoib’3 ßharafter in fo oortheilbaftem 8id)te,
baft er fid) ba3 £>cra be3 ftönig3fobne3 3 0 n a -
tban wie im Sturm eroberte. 3onatban, fclbft
ein frommer, tapferer ftrieg3mann (ftap. 14), er=
fennt in Daoib eine ibm perwanbte ©elbcnnatur
unb gewinnt ibn lieb mit ber felbftlofen Eingebung
wahrer ftreunbfd)aft. Sdjeinbar ltnüberfteiglid>c
©diranfen erheben fid) trennenb awifcbeu bem fte?
nißSfobnc unb bem föirtenf naben. 3(ber 3 oita=
tban’3 Siebe fcbwiugt fiel) nicht nur leicht über bie
Sdjcibewänbc bc3 StanbcS hinweg, fonbern fie er*
weift fid) and) nod> oiel fchwcrcrcn ©robeit gnoacb^
fen* 3 onatban fab ben rubmgcfrontenfyvcimb oon
feinem ©olfe mit einer ©egcifteriinß auf ben Sdülb
gehoben, bie wohl baju angetban war, ben 9?cib in
ihm ju werfen; aber feine auS ©ott geborene Siebe
erftiat icbe3 berartige ©efübl. ©Johl mochte ibm
eine Slbnung fagen, baft einft bie päterlide Ärone
nid)t ihm, bem natürlichen (Srben bcrfelbcn, fonbern
feinem Sreunbc ®avib aufallen fbnne. 9ltcr and)
bie'3 tonnte feinerR-reunbfdaft feinen Abbruch Ibun.
— Sold)e Sreunbjdjaft ift eine ©abc ©otte^, unb
wohl un§, wenn er un$ einen folgen 3 -reunb ge=
febenft! ift ein fdrfimmeS Beugnift für bie ®e-
mutb unb Siebe eines 9)cenfd)en, wenn erbarüber
fingt, baft er feinen greunb habe, ober behauptet,
baft er feiueS Svcuubco bebürfe. 3 ft e^ and) allein
bie greunbfdaft Ghrifti, bie un 8 fclig madd, fo bc=
fteht boeb ein Sbeil bicferScligfeit für nufer Gvben-
lebcn and) barin, baft wir ber feftliriien Segnungen
ber „©emeinfdaft ber ©eiligen" theilbaftig werben.
©. 2 . ©ielleid)t u>ar bie innige Buneigting,
U'eld)^ Sonatban m ®aoib faftte, ein ^auptgrunb,
warum Saul ben ®aoib bei fid) behielt unb n i <t> t
wicbcr in feincS ©atcrS ©atiö gurürf»
f eh reu lieft. ®aoib fpielte nun wicbcr vor Saul
wie früher, aber feine Stellung am $ofe war ben=
noch eine anberc; benn ber ^elbeniüugliug, ber ben
gefürchteten liefen ©oliatb erfd)lagen unb bc$ ft 0 =
niß'S Sohn, 3onatban, sunt greunbe hatte, fonute
nid)t mehr in feine frühere Stellung eino unbcfann=
ten unb unbeachteten ©arfenfpielcrS auriteffinfen.
©. 3. ffiie greuubfdmft ®aoib’ö unb 3ona=
tban’3 würbe beftegelt burch einen feierlid)en ©unb
ber Siebe unb be^ ©ertraueu^, welchen fie, wahr»
fcheinlid) burd) einen gegenfeitigen Gib, mit ein-
anber frfjloffen. ®ieter ^rcunbjdjaftobunb war
nid)t eine SBcltfreunbfdjaft, bei ber im ©runbe
Gincr in bem Ünbcrn nur ficb felber liebt, unb
egoiftifdje 3 utercffen, wie feiner 9}atur fie auch im=
nicr feien, bad uerfnüpfenbe ©anb bilben. 3 cne
beiben liebten eiuanbcv wahrhaft in G'ott, bem fic
fid) in heiligen SBciheftunben 311 ®ienft begeben
batten, unb ihre ?(nfchauungcn, Urtbcilc unb ©e=
ftrebungen ftanben in einem oollcnbetcn Ginflang
mit einanber. fteine natürliche Sreunbfchaft founnt
biefer Sreunbfchaft in ©ott gleich.
®. 4 . ®urd) bie ©efchenfung ®apib'§ mit jei=
nein Obergewanb, ©tantel u. f. w. frönt 3 o=
natbau ben feierlichen ?lft ber ©unbcSfdrfic&ung.
Digitized by v^ooQie
664
SötmtagfdiHUMtionett.
Nicht um ®aoib mit einer bem ©ofleben entfprechen*
beit fileibung auSsuftatten , Soubern um thn alS
einen bev ooritebrnften ebenbürtigen UticgShelben j«
ehren, befdienfte Jonathan feinen greimb mit feiner
fürftlid)cn SBaffcnrüftung. ®afj äonathan in bie?
fern grcnnbfdjaftSbiinbe ben Anfang utaebt, ent*
fr>ric 6 t ber Stellung, welche er alS ÄönigSfohn bem
Hingen ©irten gegenüber am ©ofe eiimahm.
b) ®ie GiferfucC)t beS ÄöitigS. 35. 5
bi 8 11 .
®. 5. IXnb ® aotb 30 g auS. ® iefet 8 tuS=
bruef famt nach bem 3 nfammcnhang nur Don frie=
gerifdjen Unternebmungen Derftanbcu werben, $u
welken ®aoib Don Saul auSgefanbt würbe. J|n
ber SluSfübrung biejer Unternebmungen erwieS (ich
®aoib ebenfo pflicötgetreu wie lübn ttnb muthig.
3Ber einmal berrfeben unb gebieten foll, mu§ erft
gehorchen lernen. 3 « ©aufe loar ®aoib ein gc*
borfamer Sohn feiiteS SaterS 3fai gcwcfeiii iefet
erwieS erlich alS geborfauter ®icitet fcincS fönig=
lieben ©errn Saul. 3Bcr in einem Berufe treu
gewefen ift, oon bem barf man erwarten, bafe er cS
auch in einem anberen fei. Er hielt Sich flüg =
lieb, b. b. er banbeite bei bicfei; Unternehmungen
weife unb befonnen unb war baher ftctS glüdlidj
unb erfolgreich. ®aher fefete ihn Saul nun
über bie SriegS leute, b. b. er ernannte ihn
Sunt Befehlshaber einer Schaar Don ßriegcrit.
®urdi feine petföitlidje SiebenSmürbigfcit wie bureb
ben Erfolg in feinen $ricgS$ügcn gelangte ffiaoib
halb su großer Beliebtheit in ben Singen beS gan =
seit 35oltS unb auch in ben Slugeu ber Unechte
('Beamten) SauTS. Selbft Dom Neibe ber
©öflingc blieb er bei feiner bersgewinnenben Sie-
bcnSwürbigfeit Derfcbont. ®er ©err mad)t SlllcS
recht unb gut; er, ber einen ®aoib fo wuitberbar
geführt unb auch un ffleinften für feinen fünftigen
Beruf evsogeu bat, wirb gewife auch unS führen,
wie eS 311 nuferem Beften bient, wenn wir unS nur
Don ihm ftetS führen laffen.
®. 6. JBähtenb 35. 1—4 berichtet worben ift,
waS mit ®aoib unmittelbar nach feinem Siege
über@oliatb gefebab, wie er ^onatban’S greunb
würbe unb bleibenb an ben ©of SaufS tarn, er=
säblt 35. 5 weiter, ba§ Saul ben ®aoib Sofort 311
friegerifebeu Unternebmungen Derwenbet unb ihm
ein ßomntanbo über flriegSleute übertragen habe.
Nun war nach Sapitel 17,52. 53 ber Ärieg mit ben
35biliftern nach ©oliatb’S Xob noch nicht beenbet,
fonbern eS würben ihnen noch mehrere SWicberlagert
bereitet, unb erft uachbem ihre Ntadjt gebrodieit
war, feinten bie ^fraeliten Regreich Don bem $ricgS=
suge jurüct. Set biefer ©elegenbeit erft ereignete
Sieb, waS 35. 6—8 erjäblt wirb. ®ie Nüdfebr beS
ftegreidjen ©ecveS wirb su einem Stiumphaug. 3n
allen Stabten wirb ihm ein feierlicher Ern*
pfang bereitet. Namentlich finb eS bie grauen,
bie ftd) in ©ulbigungeit aller Slrt überbieten. Sie
eben bem itonige entgegen unb feiern mit ®e*
ang unb Neigen, mit ©anbpaufeit,
gre üben rufen unb jriangeln ( 8 utb. un=
richtig „©eigen") bie beimfebrenben Sieger.
®. 7. 8 . ®et 3Bed)felgefaitg: Saul bat
$ a u f e n b g ef d) la ge n ti. f. w. ift wabtfdieiiH
lid) ein Brucbftüd auS einem 35olfSliebe, weldieS
bezeugt, wcldi’ bobeS Slnfeben ®aoib burdi feinen
Sieg über ©oliatb in ben Singen beS 35olfeS et*
laugt batte. ®a ergrimmte Saul. ®a$
8 ob ®aoib’S Dcrgdllte ihm ben pausen iriumph.
©ine bofe Eiferfudit lochte in feinem ©erjeu auf.
Ntir, murmelte er Derbroffcn Dor fiel) bm, geben
fie SD auf eil b f unb Bebntattfeub 3 cneut!
®aS Äönigreich will noch fein eigen
werben! Schon hier alfo beginnt eine büftcre
Slbnuug ihm susuraunen, bafe ®pDib ber SNann
fei, bem ©ott bie ©errfchaft über fein Seif beftimmt
habe. ®te'S ift bie EutftebungSgcfdnchte beS Nci*
beS unb ©affeS, weldie fortan Saul’S Serbaltcu
gegen ®aoib diarafterifirten. — Sine patvictifcbe
Siegesfeier war iefet in ^fracl allerbiugS am Slafee;
aber eine würbigere, alS fie Dom Seife begangen
würbe. ®ie Sobgefänge hätten Dor SlUent bem
©errn ertönen mimen, ber fid) beS unbewebrten
©irten f naben alS feines SBerfjcugeS gur Srrcttung
fcineS SolfcS bebient batte. ®aS Solf Derfaunte
bieS unb Dergötterte baS SBerfjeug. 3Bie häufig
begegnen wir biefer Serirtung bei bem heutigen
©cid)led)te, bei bem wir bie iDieufdicnDcrgöttcrnng,
ben „ÄultuS beS ©eitiuS", fich nid)t feiten bis 311111
SBahnRun Steigern feben! 3Kan feiere immerhin
feine ©eiben unb winbe gorbeerfräuse Sillen, bie
fich um baS ©cineinwobl Dcrbient gemadit haben;
aber man Dergeffe nid)t, fid) burd) baS, waS 2Ren=
fd>eu ©rofeeS unb SblcS Dollbradit haben, juerft an
ben Sater ber ©eifter erinnern 311 (affen, oon bem
jebe gute unb Dollfommcue ©abe foinnit, unb gebe
thm bie Sbre, bie ihm gebührt.
®. 9. Saul fab ® a d ib fauer an.
Son biefer ©elegenbeit batirte ber bofe# neibifefee
SMicf, mit bem Saul fortan ben ®aoib octradjtete.
®aS Singe ift ber Spiegel ber Seele. Sind) ®aoib
laS gewife in bem Rnftern 33lid beS ffonigS, ba§ in
ber ©efinnung Saul'S gegen ihn eine Utumanblung
eingetreten war.
®. 10. ®eS aubern StageS gerieth
ber bofe ©ei ft ©otteS über Sa ul. ®et
„bofe ©eift ©otteS" ift ber bofe ©eift, loeldben ©ott
bem Saul 3 iir Strafe fanbte. ®iefer bofe ©eift
war, wie wir auS ber Entfernung ®aDibS Dom
foniglicheu ©ofe fchließen bürfen, eine 3 eit lang
Don Saul gewuhen, iefet fommt ber alte 3uftanb
innerer Zerrüttung wiebet über ihn, unb swar in
golge femeS NcibeS uub©affeS gejjen®aDib. 2Bet
feinen Nädiften bäht, gibt bem Satan Staunt in
feinem ©cr 3 cn. Er weiffagte, b. b. er rebete
in efftatifeber ffiegeifterung wie bie Srophetcn;
aber loaS er rebete, war nur berSluSbrucf feiner
SButb, nidit göttliche Offenbarung. Nach ftap. 16,
16 fudjte ®aDib burch bie Älänge feines Saiteiu
K biefe SButb 311 Derfdieuchcit; aber ba er felbft
egeuftanb berfclben loar, riditete Reh ber S(uS=
bruch ber Naferei Saul’S in einem SÖtorbDerfuch
g^geit ihn. ®aS S a i t c n f p i e 1 in ber ©anb
®aoib’S unb ber Speer in ber©aitbSaufS —
bie Stelle beS ScepterS Dertrctenb — werben hier
in fdjarfem ©egenfafe einanber gegenübcrgeftcllt.
®. 11. Unb er (Saul) fdiofe beit SBurf*
fpieh u. f. w. ®a§ ®aDib uad) biefer Sers
folgung nicht fogteich entjliebt unb Saul oerläftt.
ift ein 3 eichen feiner großartig cblett unb juglcich
glaubenSfreubigeit ©efinnung. Nidft eher siebt er
fich oon bem ffönige surüd, alS bis er ficht, ba§
biefer ihm tiidft bloS in eiitsclncn Slnfällen bcSSBalni 5
finnS, fonbern mit ruhiger Ucbcrlcguttg nach bem
Digitized by v^ooQie
Sonnta9fd)nl*#ffeiionfii.
665
Sehen tradjtet. 3n bet Serfotgung ®aoib*3 burd)
©aut fpiegett fid) oorbilblid) bie Serfolgung ber
©emcinbe Ghrifti bnrcf> ©aut von Sarfen (^ipfta.
9, 14). 9lber mähvenb Saul oon ©ibca bcm böfcn
©eilte iÄaum flat) itnb ein fd)redlid)c3 (5nbc nahm,
hörte Saut von Sarfen auf bie Stimme be*3 bcili-
fleu ©eiltet unb mürbe ein au3crmät)tte3 Diüftseug
©otte3.
®. 12. Saul fürchtete f icf> oor ® aoib.
SMau folltc eher ermatten, baß ©aoib fid) vor Saut
gefüvdjtet hätte, meil ber böfc ©cift fo mächtig in
ihm mar, al3 baß Saut fid) oor ©aoib fürd>tcte f
H>eil bev ©err fid) au biefem bcfaimtc. 91bcr memt
bev SÜlcnfri) lieh uoti ©ott lo3flcvif|cu unb ©ott ihn
oerlaffcu hat, bann ängftigt ihn nichts mehr, al3
meint ev fieht, baß ©ott fid) beitttod) lebcnbig unb
träftig iit feiner Umflehuna beaeuflt. 3e fidtbaver
bie ftanb be3 fierrn mit ©aoib mar, um fo nit=
beim liehet unb furchtbarer erfebieu btefer beut ilöitig,
uut fo mehr, ba jeber neue Srfotg ©aoib’3 bie 911)=
mutfl in ihm befeftifleit mußte, baß biefer ber oon
©ott erwählte Äonig 3Ü’ael3 fei.
®. 18. Sie ftcinbfchaft fleflcit ©aoib unb bie
Äurdjtoor ihm, bemoß beit Saut, ihn au 8 feiner
0Jähe j u entfernen. (Sv feite ihn aum durften
(ifricgSoberftcu) über taufenb SKaiin. ©ott meiß
ba3 liebet, meldjeS beit frommen oon beit ©ottlofeit
attflcthait mirb, in ®utc3 au oermanbetu. (5r aog
au3 u. f. m. ©tefe Starte finb mic S. 5 oon
fricgerifchen Unternehmitttflcn au oerftehen.
®. 14. 15. 23ie bei früheren Unternehmungen
hat ©aoib and) ießt mieber oicl ©lud unb (Erfolg,
©aburd) mürbe aber bie Surcht Saul’S oor ©aoib
nur nod) größer, er fd)eucte fid) oor .ihm;
beim er fab au3 biefeit neuen (Erfolgen mir um fo
beuttidjev, baß ©ott mit ®aotb toar, ihn
aber oertaffen hatte.
®. 16. ©ana 3fracl uitb ?(uba hatte
©aoib lieb, ba3 flattae Solf hing ihm an, fein
SHnfchcu ftieg oon Sag au Sag. ®te3 mußte itt
©aul’3 Seetc neben ber fturdjt audj bie Dual be3
SWcibeS uitb ber ßiferfudit erhöhen. So mirb ber
©eelen$uftanb Saul’S immer büfterer, bie 3Äad)te
ber 3‘iufterniß nehmen immer oölltger Scfiß ooit
ihm, unb tocil er lieh nid)t in aufrichtiger Süße
unter bie öaub ©otteS beugt unb sunt ©ehorfam
gegen ©ott aurücffchvt, oerfättt er rcttungStoS bcm
Scrbcrbcu. „3Ber ba flehet, fehe a«/ baß er nicht
fade!"
©oitittafl, beit 9. ®ea. 1 Sam. 20, 32—42.
2)nbib’$ greunb ^ouatyait.
1. «fit: 1062 i>. Sfor.
2. £>rt: 3Bahvfd)ciitlid) ©ibea im Stamme Sem
iamiit, Santo Satcrftabt.
3. 1) ©aoib’3 Serheirathung
mit ©au 1*3 Sochtcr itWidml (1 ©am. 18,17—20).
2) ©aoib’3 ftludjt oor Saut (19,1—18). 3) ®a=
oib bei Samuel in 9?aioth (19,19—24). 4) 3o=
nathan’3 fyüvfptadie für ©aoib (20, 1—29).
4. Cinleitrubr »emerfnttgeii: 9tuS ber Shat-
fache, baß ©aoib (itad) S. 5) bei Saul’3 Opfer=
mahljeit aur S*eier be3 SRcumonbSfeftcS erwartet
mürbe, fomie barauS, baß Jonathan an beit 9Rorb=
aitfchlägeit Saut’3 gegen ®aoib noch ameifelt(S. 2),
geht heroor, baß, mab bisher oon Scrfuchcn, ®aoib
gefangen au nehmen, beridjtet ift, unter aitbeveit
Sormdubeit mar betrieben movben, etma unter bent
Sormanb, baß ber Völlig ihn in bvingtidhen ©e-
fdmften foredeit tnüffc, meßhatb and) bie, meld)e
®aoib holen fottten, „Soten" heißen. ®aoib aber
mar über bie böie?lbfiditbe3$üitig3 itidit im 3'»ci-
fei. ®od) hoffte er, oieltcid)t burdj Jonathan, beu
ÄKmig nod) einmal umauftimincn. ®er Serfud)
^onothan’3 fd)tug ieboch gSnalid) fehl* — ®ie
ycothtüge, bereu fid) Sonathan auf ®aoib’3
Sertangen oor feinem Satcr hebiente (S. 28 u. 29),
ift in feiner üßeife m cntfd)utbigcn. 3mav fonnte
oom attteftament(icucn Stanbouufte bieSftid)t un«
bebingter 3Sahvhaftigfeit nod) nid)t fo ftar, mie Oom
neuteftamenttidjen erfannt mevben; aber troßbem
mirb and) fdjon im 91. Stcftament ba3 „Sügcn" ents
fdiieben oerbotcu (3S?of. 19,11), unb ®aoib fetbft
evflärt Sf* 34,14: „Sebüte beine Ciooen, baß fte
nid)t ^nig veben." So mirb beim auch bie 9ioth s
lüge 3onathan’3 buvd) bie Shatfadjen, metche fi^
au fic fuüpfcn, fetbft gerichtet, ©aut bimhfehaute
fie atöbatb. Seine baburch gereiste ffiuth richtet
fid) auf Jonathan fetbft, unb auch gegen ®aoib
mirb feine (Erbitterung nur noch größer. Ohne 9tn-
menbung ber 8üge hätten beibe im Sertraucit auf
ben ©ervn fiel) oereinigen unb ihm ihre Sadje he-
fehlen fölten. G3 ift hier au oevgtcidicn, mie ©ott
einft bie Sügc 9(bvaham’3 unb äfnaf’3 an’3 Sicht
Sog unb auuichte mad)te (150?of. 12, 11 ff.; 26,7 ff.)
uno ber 8ügc91cbcffa f 3 unb 3afob’3 bie Strafe fol¬
gen ließ (1 SKof. 27, 6 ff.).
5. 2Bort= nnb Sacherflantiig: © er 92 e u m o n b,
ber erfte Sag eincS ieglicbcu SJonatS mürbe bei'ben
3uben feftlid) begangen (4 9)2of. 10,10). (53 mür¬
ben befoubevc Opfer bargcbvacht, mit metchen nid)t
fetten 3?amitiengaftmahtc (®. 5. 27) oerbunbeu
mareu. Svompctcnfdjatl oevfünbigte ben Sag unb
begleitete bie Opfevfcicr. (Sine befonbere Scbcu-
tung erhielten bie 9lcumpnb3tage al3 fefte 3cit-
marfen, innerhalb loelcher fiel) ber ganse SfeftfreiS
be3 fiird)euiahr3 bemegte. 9)iit ber Seftimmuug
be3 92cumonb3tagc3 mürbe e3 in fpätercr 3eit fo
gehalten, baß, mer bie SOionbofidiel auerft fah, e3
bem Hoheit 92ath, ber au icbem 30. bc3 9Ronat3
oom SKorgen bi3 aum 9lhenb oerfaminelt blieb, an=
juaeigen hatte, morauf ber §ohc 92ath ben Anfang
oe3 ?jefte3 anfünbigte. ifonnte man megen trüben
2Better3 bie 9Honb|1d)el nid)t fehen, fo mürbe ber
auf ben 30. folgeubc Sag ohne mcitere Serfünbi-
flung at3 92eumonb3tag gefeiert.
6. $nx ^rflärung uub erbanuug:
a) ®ie ©efahr. S. 32—34.
®. 32. 88. Goliath an an tm ortete. Saul
faß mit feinem ©aufc a« Sifche, mo ©aoib’3 ©iß
fchon feit amei Sagen teer gemefen mar. Jonathan
hatte ®aoib’3 9tbmcfcnhcit entfehutbigen motten
burd) bie 9?othtüge, er fei au einem fjamilienfefte
nach Scthlehcm gegangen; Saul aber hatte biefclbe
fofort buTchfchaut unb forbertc nun oott 3ovu Oon
feinem Sohne, baß er ©aoib herbeifdjaffe, bamit
er umgcbrad)t mcrbc. 91(3 ©runb hierfür giebt er
an, baß, fo tauge ber Sohn 3fai*3 lebe, Jonathan
unb fein töönigrcid) nidit befteheu tonne. Sroßbem
SButhauobrud) fcinc3 Sater3 fud)t Jonathan bie
48
Digitized by
Google
666
Sonntagfd)ul=£rhlionfn.
itnfdmlb feinet SvetmbeS mit rubiflcm unb milbcm
aSovt 311 bejeußeu unb ihn alS einen foCefteti barm*
ftellcn, bet uiifleredjter SBeife beit Xob erleiden
Würbe, ähnlich wie £ap. 19 f 4.5. ‘Damals ßcwanu
noch tic befferc Stimme in ©aufS ©erjeu bie
Obcrbanb. ©icr ift ec fdwit in oöllißcr unecht
feftaft feinet Seibenfdmft, ein willcitlofcS SBevfjeufl
feiiteS bliitbeu ©affcS. 6t arcift uad) feinem ©peer
unb, wie früher ben CDaoib, fo flicht et nun bett
Jonathan mit bcuifelOeu ju btird) bohren —7 unb
baS SlnßcfidjtS bet ocrfammcltcn SifdtßefellfdjaftI
©0 ßan,5 bat et bie ©cvrfcßaft übet fiet) felbft ver=
loten. 91 im etfenut 3&uatban, baß eS bei feinem
SSntet eine abflemadjte ©acbe fei, ben 2)aoib 311
tobten.
KB. 34. 61 ß i n fl b i n a u 3 mit fl t i m nt i -
fletn 3 otn, b. b. in dußetftet Jlufvefluufl unb
tief ftcr 33ef muntern iß. 31 nt fotflcnbcu Säße
aß unb ttanf et nid)tS vor Straurißfeit.
93eu wirb’S munbetn? '9ft.ui verfeße fid) in feine
fiafle. (SS war ihm toobl bewußt, mit welchem
9lad)brttd baS flöttlicbe ©efefe ben fl'inbctn (Shr=
fuccbt unb ©ehorfaut fleflen 35atcr uttb Sftuttcr cin=
frbatfe. Unb nun butte et beS 9?atcrS 3oru unb
©aß fleflen fid) entflammt unb uiu&te bcfotfleit, baß
biefem auch bet 9ftuttev Sind) ficb juflefeden toctbc,
wenn et feinem gteunbe Srette halte, i.i, bemfclbcn
foaat ben 958 cß sunt väterlichen Sbroite bahnen
helfe, ©ollle et bie Siebe unb ben ©cfleit bet
Sltern unb baS ©lud beS (SltevnbaufeS bcrSteunb-
fdtaft ®aoib'S opfern? SBir fCmncit imS benfen,
tote fdjwcr ihm bet (Sutfcbluß flctootbcu. 31 bet et
wanfte nicht in feinet Svene fleflen ®aoib, benit et
toat ficb flat bewußt, baß er baS Opfer nicht fotoobl
feinet Siebe 31t ®aoit> alS vielmehr bem Mcrhbcfc
ftcu btiwfle, beffen fHathfdjlnß übet ben ©obu
3jai’S für ihn fein SRatbfcl nicht toat. 28ic 3o=
natban bem S)aoib, fo muffen nur ßbvifto 9lllc$
311m Opfer btiuflen. „2Bet 35atet ober ÜRuttcr
mehr liebt beim mich, bet ift meinet itidjt toerth."
b) ®aS 3cidien. 35.35-40.
®. 35. 31 m Worfleu beS britteu SaßeS
A i it fl 3 0 n a t b a n tt. f. to. ®aS Ucbereinfoms
men bet beiben Srcunbc toat folßcnbcS flctoefen:
S)aoifc wollte «n ben 92eumonb§taflcn nicht au bet
fönifllidjen Safel cvfdjcinciw fonbetn ficb in bet
9?abc bet ©tabt oetbotflcu halten; Sfonatbau aber
feilte ihm nach bem jwciteit Scftmahlc 9Jadjvid)t
btiuflen, ob unb tote ber .ftbitifl ftch übet ihn ße=
Äußert habe. 2 Bävc bieS nid)t moßlidj, ohne 3luf=
feben 31t ctteflcn, fo follte et, alS aclte eS einet
SBaffeitfibuttfl, btet 35 feile nach einem bem
SBcrftcde Saoib’S nahe aelcßcncn fünfte abfdjie-
ßcit. 9tief ec bann ben ftnabcu, bet ihm bic ab*
flcfcboffeuen Steile 3urüdbritißcn füllte: „©ehe bin,
fudte bie Pfeile!" fo füllte bicS bem CDaoib ein
3eid)en fein, baß ©cfahr für ihn oorbaubeit fei;
tief et ihm aber: „©iebc, bie 35feilc licflcn hier-
wävtS hinter biv," fo bebeutete bicS bem gteunbe,
eS fei Stiebe unb habe feine ©cfahr. Oicfcnt
llebeteinfommcu flcutaß, bcaah fid) nun Jonathan
auf’S Selb, um Oaoib oon bet ihm brohenben ®e=
fahr 311 bcnarfttidttiflcn. 6 i tt tlcincrftnafce
mit ihm — ein flciitet £nabe, weil ein foldjer
nicht fo leicCtt Sctbadtt fchopfte.
®. 36—39. SBahtcnb in 35. 20—22 oon btei
Pfeilen bic 9fcbc ift, wirb hier nur c i n 35feil, ben
Jonathan abfeboß, erwähnt. ®tefe ®irteveit 3 ift
nidit butd) bie Mitnahme 3 u löfen, Jonathan habe
baS Verfahren abflefuvjt unb nur einmal flefeboffen,
toeil ©efabt im 3>crmfle flewefeu fei, beim bie 3 lb-
fdtießiutfl oon btei ^Steilen bilbet ein ©auptmomeut
in ber 35etabtcbunfl, unb toave foldtc (Silc, tote bei
biefet©tflÄvunfl oorauSflcfcßt wirb, notbifl flctwfen,
fo batte bie nadtfolßenbe 3lbfd)icbSjccne uidtt mehr
ftattfinben fbnncn, toie fie batflcftellt ift. 3Sielmebt
ift anumebmen, baß öS 3 onathan mit jebetn ber
btei 35fcile fo flemaebt habe, inbem et euttoebev bie
btei $feile fllcidt nach ciitanbct abfeßoß ober brei=
mal baffclbe 35erfabvcn toiebevbolte. ©0 wußte
nun 3)aoib, wie bie ©acbeu ftaubeii. ®et
Ättabc wußte nidttS bar um, itatnlid) ba=
rum, baß bic SBovtc 3 onatban'S eiflcntlidt bem
Oaoib flaltcn, unb baß biefer in feinem 35erftcd mit
podjeubeut ©cr 3 cn auf biefelbett bovdtte.
c) 6 felübbc. 35. 40—42.
®. 40. ®a 3 oitatbatt viuflSuinbcv 9Jicinattb
etfpahte, oon bent er fid) batte beobachtet fllaubcn
tonnen, fehiefte et ben Änabcn, oicllcidtt unter bem
35ottoanbe, baß et felbft fid) noch eine 9öeile unflc-
ftört im Sveicu ui cvflcbctt untufd)c, mit 35oflett unb
iK'd)er in bic ©tabt voraus unb waubeite bann
bem Orte 31 t, wo ®aoib oerbotflctt toat.
®. 41. ®aoiberhob fid) von bet ©übfeite
(®i>ittaflfei te) beS S^lfettS bet, wo et fid)
oerftedt batte, toabveitb bet erzählte 35otflaitfl auf
ber nach Sorbett flefebtten ©eite ftattfaub, von
weld)ct bet üfnabe ttad) bet ubtbltd) von bem 95er-
fted flefcflcncn ©tabt 31 tritdfehrte, fo baß biefev ihm
ooflifl ocvbotflett bleiben fonnte. 3u biefev i^e=
jeichuttufl bet ©immclSßeßenb ftimmt eS febt ßtit
toenn ®aoib uadjhcv in füblidjev Stidduiifl naev
9?ob floh. ®ic ctflrcifcube ®arftel(unfl beS fd)met3=
vollen 9lbfd)icbS eutfpricht ber tiefen Skwcflunflf
wcldtc 93cibcr ©ersen in biefeut ernften 9luflcublid
bet £rcnnuiifl ctfltiff unb übcvtoÄUiflte, ba einet
beit anbern wie feine eiflcne ©eele liebte. Saoib,
libevmannt von feinem®efüble, beseitflibem Stcunbe
feinen Sauf, feilte ©oduKbittttfl unb Siebe, inbem
er nach movflcnianbifcbctit 95vattd) dreimal f ich
vor ihm auf fein 9 lut(ife 311 t 6 rbc uic =
b c vto itf t. 3 onatban wehrt ihm, vidttet ihn auf,
briidt ihn an feine S5ruft, unb93eibe licflcn weincitb
cinanbcv in ben Sfrtucn, mit bet 3 lid)cm s lMubertuffe
ihren SStitib «beficflclnb. Unb wie 95icleS erfließt
fidj attS ihrem bcwcfltcn 3unetn in beit ttummen
Sbtincn, bic am rcidtlidntcn attS ®aoib’S Slttflcit
ftromen! Sieben bem 9lbfd)icbSweb, tocld)’ eine
tiefe Stauet übet ben Rammet im ÄoitiflShaufc,
weld)’ ein @d)iner$ baut ber, su biefem ©ati)c fidt in
eine ©tellititfl bineiiiflebranflt 311 fcbcit, bic mit ber
Otbntinfl ©ottcS fo wenifl tut ©inflaufl ftaub, unb
weld) eine Solle oon baitfleit 9(bnuitflcn unb
füid)tunflcn für bie näd)ftc 3 itfunft, fowobl für bie
eiflene toic für bie Bufunft ©atil’S, ja für bic beS
flaitieit 9SolfcS! — Shvauen 3 U verfließen, ift feine
@d)anbe, wenn mir bet 9 lnlaß ein wütbiflcr ift.
®aoib unb Jonathan waren fletoiß tapfere
net; aber fie weinten, alS bet ©aß ©aul’S fie von
cinanbcr riß. 9lttd) 3cfuS bat am ©rabc beS Sa-
3 atuS unb auf bet ©öhe beS OelbevflS, alS et auf
bic ©tabt 3etttfalcm berabfdmutc, bie 3 «»« ©e-
rieftte reif war, flcweiitt, unb fid) eben bamii alS
cdjtcr SOfcnfd) enviefen.
Digttked — QOQtC
Sonntagfdiiilsfrhtionfn.
667
®.42. Unb 3onathau fpracft zu Daoib.
Dem (aut weincnbeit Sreunbe gegenüber uiitjj 30 =
natban baß Abfcbiebnebmcu fd)itell abbred)eit.
©ehe bin mit 5 neben, forid)t er, uub fügt
bann I>tnsit: 2 Baß mir beibe gefdnooren
baten u.f. w., baß bleibe ewiglich* Der
Sreunbfd)aftßbuub, beit Sonatbait unb Daoib mit
einanber gefdjloffeit haben, ift ein 33unb beß
der nt. Jjhre Srcunbfcbaft beruhte baber nidjt
bloß auf beut natürlichen 3 uge beß acflcufcitiflcu
Sßohlgefallenß, foitbertt fte batte ihren tieffteit
©runb in ber ©emeinfebaft beiber mit beut lcbcn=
bigeit ©ott. ©ie waren e i it ß in ber Stid)tung unb
doffitung auf ben lebenbigeit ©ott unb in tem be=
müthigen ©eborfam gegen feinen bciiiacit Söilleit.
Die Srinnerung an beit Buiib, welchen fie beibe be-
febmoren batten, follte ihnen ben Sdnnerj ber Dreit=
ttuna er(eirf)tern. Der in ©ott aefd)loffcnen Sreunbs
fdjaft fonnte bie leibliche Trennung feinen ©intrag
tbun. Sonatban fonnte freilid) bem fjrcunbe feinem
Vater gegenüber fortan nur noch loentg nfifecn, beim
ber 33rucb awifeben ©aul unb bem ©ohne Sfai’ß
mar unheilbar; bagegen fanb Daoib foätcr noch
einmal ©elegen heit, feine Srcunbfcbaft gegen 3ona=
tban an beffen Sohn 9R e o b i b o f e t b ju bemeifen
(2 ©am. 9). — Stad» biefer evarcifenben Abfrbiebß=
feene trennen fid) bie beibett Sreunbe. Daoib gebt
fliehenb feineß 3Begeß, um in Nob bei beut dofieit-
oriefter Abimcled) eilte 3 uftucbtßftätte ju fttdjcn;
Sonatfmn aber febrt in entgesengefefetcr Slidjtung
nach ber ©tabt jurud.
©ountag, ben 16. Dej. 1 ©am. 24,1—17.
Stabil» öerfdjont feinen ftetnb.
1 . 3 dt: 1061 d. S&t.
2. Ort: Sngebi am weftlidjcn Ufer beß Dobten
3Reereß.
3. 3nftmnieubattg: Daoib weitbet fleh sundebft
nad) Nob, einer Vriefterftabt nabe bei Scnifalcin.
öier foeift ihn ber dobepriefter 31 bi me lech mit
©djaubrobeu unb giebt ihm ©oliatb’ß ©djwert.
Von ba flieht er 311 m Vhilifterfönig d> i ß 001 t
©atb. dier gerätb er aber btircb baß 3Ri&traucn
ber ßnedbte beß Adjiß in eine bebeuflicbe Sage, anß
welcher ihn nur oerftellter VJabnftnn rettet (,s?av>.
21 ). 3n ber döble Abulhm, nid)t weit oon Beth¬
lehem, wohin er iefet flüchtete, fainmelit ftcb 400
9Ranti um ihn (ffao. 22 ). ÜRit ihrer dülfe rettet
er $ eg ila oon einem räubevifchcu ©infall ber Vbi=
lifter. Balb nachher wirb er in ber SBüfte SN a 0 n
oon ©aul eingcfd)loffcn unb entgeht ber ©cfangen-
fchaft ttnr bureb einen (Siufall ber Vhilifter iit bie
©rcujen Suba’ß, welcher ©aul 311 m fchleunigen
Aufbruch nötbigt.
4. 3ur Grflänmg nttb tfrimöutsg,
a) ©dioneitbe Siebe. 33. 1 — 8 .
®. 1 * 33on feinem Verfolger befreit, 30 g Da-
oib oon 9Raon hinauf uub blieb in ber
33urg (beffer: auf ben Berghohen) Sngebi.
©itgebt (beutid): Quelle beß Bodß), baß heutige
Aiit Dfdtebbi, ift etwa 6 ©tmtben in uorboftlidjer
{Richtung oon SNaon entfernt. 6 ß liegt 3 ientli(h in
ber SNitte ber Sßeftfeite beß Dobtcit SNccreß am
Staube ber SBufte Suba in einer gebirgigen ©egenb
mit Halffteinbobcit. ©d)roff abftüvscnbe Sdien
unb tiefe ©d)lucbteit, bie gegen baß SobteuReer
laufen, unb zahlreiche doblcn in beuftalffteinfelfcn
boten Daoib unb feiner fleiiteit ©ebaav oortrefflube
©chluoftoinfel, in weld)cn fte fid) oor ihren 33er-
folgern bergen tonnten.
®. 2 . Balb tauten ihnen bie giiuftigcit Verhält*
niffe ber ©egenb wohl su ©tatten. Denn fauut
batte Saul bie Vbiliftcr surüdgetrieben, alß er
fid) auch idjon wteber 3111 * Verfolgung Daoib’ß auf*
mad)te unb zwar mit einer ©d)aar oon 3,000 fi'vie*
gern. Diefe Bcbavrlidjfcit ©aul’ß in feinem böfeit
Vorhaben uitb baß ©ingenommeufein jeitteß gan 3 eit
Suuern oon feinem blutigen Vlan gegen Daoib
weift barauf bin, baß er in Daoib einen gefähr¬
lichen Nebenbuhler, einen ©egcttfonig, fab, gegen
weiten er mit überlegener 3 abl geübter firieger 3 U
Selb 3 tcbcit 31 t ntüffen glaubte, um ihn um ieben
Vreiß in feine ©cwalt su befommeu. — 3Bie wäre
eß zu wünfehen, ba§ bie frommen in Slußübung beß
©uten fo oiel glcib anwenbeten, alß bie ©ottlofen
in Slußübung beßBofcit. Da warb ihm att=
gefagt. Durd) Scute, bie Daoib übel wollten,
ober and) oicllcid)t burch eigenß basit angefteüte
©Oähcr erhielt ©aul Äuitbc oon bem 31ufenlbalte
Daoib’ß.
®. 4. e 1 f e tt b e r © c m f c tt" cber „Steins
böde" hieben oiclleid)t biefc Seifen im Nritube beß
Volfeß beßwcgcit, weil fie bei ihrer ©djroffbeit unb
SSilbheit einen beliebten Aufenthalt wilber 3iw«
bilbetcn. 3lud) ber Name ©ngcbi, Quelle beß Bodß,
weift auf baß häufige Vorfommen biefer Dbicre hin.
Sind) iefet noch häufen in iciter ©egenb 33 erg 3 iegen.
ben frfjtoer 3 ugänglid)eu ©Fluchten unb döhlen
jud)te nun ©aul mit feinen 3,000 Nianit nad) Da=
oib. Denn baß fid) Daoib mit feiner geringen
aRanufchaft in ben @d)luofwinfcln beß ©ebirgß
oerborgcit halte, burfte er wohl mit Ncd)t att=
nehmen, ©ab unb giebt eß hoch bort uod) heute
döhlen» in toeleben fidjDaufcnbeoerfteden tonnten!
Die SRänncr Daoib’ß haben nur miß nid)t
alß Stäuber ober Svcibcutcr 311 beuten, tote 3Raitd)e
wollen. SOBarett and) Viele außStolh unb Slrinuth
311 Daoib hinaußgezogett, fo bürfen totr fie tmß bod)
nid)t alß ein zufammengelaufeneß, oerbreiherifcheß
Ö3efitibcl oorftellett. 33efanbcn fid) bod) unter ihnen
and) bie Verwanbten Daoib’ß, bie toie er felbft oor
©aul flüchtig geworben waren, uub anher ihnen
noch ber Vroohet ©a^, ©atnuci’ßStachfolger, unb
A b i a t h a r, ber ©ohit beß dohenoriefterß Ähi-
nteled), welcher mit bem hohcuoriefterlidjen 8 eib=
rod ber blutigen 9?ad)c ©aul’ß (Äaj>. 22, 9—23)
entfommen unb 311 Daoib geflohen war. SWatidje
ber Begleiter Daoib’ß uuirbcii fpätcr heroonagenbe
delben unb Sclbhenit beß Daoibifrijett Sönigreichß.
®. 4. D i e © d) a f h ü r b c n beseid>nen, toie bie
„Seifen ber ©entfett", eine befannte Sotalität unb.
zwar ohne 3 'oetfel eine ber 3 ahlreichett frmhtbaren,
mit üobigem ©raßwud)ß bebedten ©teilen, burrf)
welche bie SQBüfte Sngebi ftth auß 3 cid)net, unb welche
mitten in ber fonft wüften unb wilben ©egenb 311111
Aufenthalt oon derben bienen, ©ine döhle in ber
Nähe erfieht fid) ©aul aum Naftort, unb er ging
hinein, feine Süße 31 t bedeti, b. h. um
feine Notbbuxft 31 t oerridjtcn. Da& er fid) itad)her
Digitized by v^ooQie
SonntagfdruUJPrfeitoitfit.
668
nicbcraeleßt habe unb eiitßefdtlafen fei/ läßt fief) ba=
rau3 jchlicßcn, baß Dauib unbenterft einen 3ipfel
feinet 9tocfc3 abjdtiteibeit fonnte. Dauib aber
unb feine‘OKänner faßen hinten in bet
© 6 h 1 e. Die Davftellunß fefet eine fcftr ßroße
©öhle uorau3, wie fie tu jener ©eßeitb bdufiß
finb.
®. 5. ‘Die ©Idtitter Dauib’3 rietbeit biefem, bie
©eleßenbeit gu benübcit unb ficb feine3 Dobfeittbe3
gu eitilebiaen. Die 28orte: Da3 ift ber Daß,
bau ott ber ©err btt flcfaat bat .u. f. w.
begehen ficb eutweber auf eine beftimmte 2Bciffa=
flituflr welche Dauib uon einem ©ropbeteu, etwa
ben ©ab, erhalten hatte unb weldte nun uon feinen
©efdhvten auf bie vovücflcnbc ©eleßciibeit beH'flcit
würbe, ober föuueu fie auch bebcuten: „Dic3 ift
bei*Stafl, an wcldteut ber ©err gu bir faßt: Siehe"
u. f. tu. Dauib tueift bie 9Sevfuct)unfl gut 9?acf>e
unb Selbfthulfe uon ftch unb beßitüßt ficb bamit,
einen 3iP.fel uon Saul’3 9tocf abgu=
fdmeiUen. Dicfe3 Bcicbeu bauoit, baß Saut in
feinen ©diibeu ßewefen unb baß er beffen weht*
iofeu 3 u ft a u b hatte beniifccn fönneu, um ihn
gtt tobten, wollte Dauib in ©ditben haben, um ßc-
leßentlid) Saut ßeßenüber ©ebrattd) batou gu
madten. Da r n a dt f dt l uß ihm fein © e v g.
Dieter 9lu3bvucf ift in etbifdteut Sinne gu faffeu:
e3 fdtluß ihm fein ©etuiffeit. 8lu3 bem ^adtfolßcn-
ben erhellt, tuie Dauib Satil’3 ©cvfon al3 eine
aeheilißte anfab. ©r madtte ficb nun nadther einen
SSorwurf barfibev, baß er ihm ein Stücf feinet ®e=
wanbed heimlidt eutwenbet unb babttvd) bie Gl\r=
furcht uor feiner ©erfott ucrlefet batte.
®. 6. Da3 (affe ber ^err ferne uon
mir f c i n u. f. tu. ©3 ift cm rclißibfer ©ruitb,
ber ihn abhdlt, bem 9?atb ber 9Rdnuer gu folßei^
Um ®otte3 willen, weil Saul ber ©efalbte be3
©errn ift, tuill er ed nicht tbun. ©iernad) founte
Dauib auch nicht ein 2Bort uom ©crrit emufaußcn
haben, mit Saul gu tbun, wa3 ihm aefallc. Seine
©efährten haben alfo enttueber bie ©. 5 außcfitbrte
äBeiffaßtmß uerbreht unb falfch ßcbeutct, ober ent*
halten bie SBorte: Siebe, ba3 ift ber Daß u. f. tu.
nur ihre eiaene 9lu3leßuitß ber bem Dauib fidt bar=
bietenben ©elcßenheit gur 9tacbe au feinem ©crfc(=
aev. ©ar oft ßefchieht ed, baß map bureb fd)eiu=
bare ©erwenbuitß be3 2Borte3 @otte3 ttit3 gu uer=
führen fucht; man prüfe baber 2t(le3 unb behalte
ba3 ©efte.
®. 8. Dauib wie3 feine STOdnner uon
fich. Dauib hat wirtlich in biefem Sluaettblicf
einen ßrößeren Sieß erfodtten, a(3 bort im Kampfe
tuiber ©oliatb (Spr. 16, 32). Gaffet und ©err
tuerben über uu3 felber, (affet un3 beit 3orn itt und
befdmpfen unb beit Seiitb im eißeneit ©ergett übers
tuinbett. ©3 ift ein tuunberjamer, üuerau3 lehr*
reidter 9lttblid, tuie ber ftucbtiße Dauib feinen £ob=
feinu fcOüfet tuiber bie ©anb feiner S^inbe. SBie
uiel ebter ift biefc ©efinnuitß al3 bie ©efimuiiiß
ber ffiortführcr be3 mobenteit 92ibili3mu3, tuetd)e
offen ben ftürftenmorb prebißett!
b) 9t ecbtettb c 8 iebe. ©. 9—15.
®. 9. Ohne gu ahnen, tua3 ihm tuiberfahrett
fei, erhob ftdt Saul, um unter feine ftrießer gurüefs
gufehrett. Da eilte Dauib auf icbe ©efahr bin,
ber er fid) ettua au3feßen föunte, bem Äoniße nach
unb rief: SDtein ©err Aon iß! Saul tuaubte
fidt um, unb tuie groß tuar fein Grftautten, ben
©eaeitftaub feiite3 ©affe3 uor fidt gu erblicfeit.
®. 10. Dauib benufet nun bie ihm burdj flott*
lidte Sußintß ßebotette ©elcßenheit, um beut ©er=
folßer feine Uttfchulb gti betheuern unb ihm babttrdj
einen Stadbet in’3 ©etuiffeit gu werfen. 6 t
ueißte fein Slntlife gur 6tbc, — ein
9(it3bru<f tiefftcr Ghrerbietmiß, welcher ber 9litrcbe:
„iOiciit ©err ftöttiß!" entfpridtt — unb fpvach
gu Saul: SBaruttt ßehorchft bu u. f. tu.
Dauib wußte, baß fidt geute an Sauf3 ©of befan=
ben, tuelche e3 fich gurSlufßabe ntadtten, ihn bei
bem iföniße angufchtucirgcit unb al3 feilten fteittb
barguftetlen.. 9litf fie begieben fich tttandje ^falntett,
g. 93. $f. 7,1-9.
®. 11. ©ier beweift Dauib bie Unwahrheit ber
Skjcbulbißititßen, bitrdt tuelche iette ®erleuntber ihn
bei bem fibnißc angufdnucirgcn fuebten. SBärcn
ieite 93efd)iilbißuitßeit tuahr, bann batte Saul bie
©übte, in welcher er aerubt, nidtt lebenbiß uevlaffen.
Dauib bebt au3bruc!lid) heruor, baß bie ®ers
fiidjuiiß, Saut gu erwürßeit, an ihn hetanßctreteit
fei („e3 warb ßefaßt" u. f. tu.); aber er bes
geußt gußleid), baß er ihn uerfdjont habe, unb
gtuar barunt, weil Saitl’3 95crfon burdt bicSals
bitttß ginn fiöitiß 3fracl3 für ihn ßebeilißt unb
unuerlcfelid) fei.
®. 12. äReitt ffiater! So nennt Dauib
beit Äoniß nid)t blöd barunt, weil berfclbc fein
Sdnuicßcruater tuar, fonbevn uiclutcbv weil bad
©cfübl ber ®crehrunß, wcld)e3 er ßeßctt ben ©c=
falbtcit be3©errit empfinbet, ihn uiuuillfürlich in
biefen ?lu3ruf audbredten ließ. ©3 ift ein ÜBort
gdrtlidter gicbe, tueldtcd beit Saul mddjtiß erßriff,
fo baß er nicht umhin founte, mit: „9Kcitt Sobttr
(®. 16) gu antworten. Siehe bod) ben
& ipfel. Der3iPfd uon bent 9tode Saul’3 in
auib’3 ©aub lieferte 1) ben $Bctuci$, baß Saul
uon ©ott in Dauib’3 ©dnbe ßcßcbeit war; 2) ben
23ewei3, baß Dauib ber bbfett 9lnfd)Idße tmfdnilbia
war, tueldte ihm feine ©eßtter bei Saul gur Saft
leßten. 3tit fdtrofren 65eßcnfafe gu ber pictdtöuollen
SScrfdjonuitß Saul’3 burd) Dauib ftcht ba3 SSers
halten SauT3: 3d) habe evtt bir nidtt fie*
fünbiat unb bu i a fl ft meine Seele.
®. 13. Der ©err wirb richten. 3it
biefett Sßortcit fpridtt ftd) bie ©rßebiutß in ben
SBillcn ©otted au3, welche bie ©ntfcbeibuuß über
9?ed)t unb Unredrf, Uitfdnilb unb Sdjulb ©ott aits
hcimftellt, ndhvettb bie SBorte: Der ©err wirb
tu i cb a tt b i r r d dt eit, bie 3nwvfiibt Dauib*d
begeußeit, baß Saul’3 tutßcrcd)te3 Verhalten ßCßen
ihn nidtt uiißeftraft bleiben werbe.
®. 14. Die SBorte: ®on ©ottlofen
f o ut m t U tt t u ß c u b (ßlcidtbcbcutcnb mit bem
neuteftamentlidtcu: 9lit beit 3-rüdtteit evfennt matt
beit 33aum) bienen bem 9lu3fpruch Dauib’3: ff 9)cVme
©anb foll nidtt über bir fein" giir Scßrünbuitß.
Der ©ebanfe ift: id) bin fein ©ottlofcr, bavuui
tuirb nadt iettetn alten Safe uon mir ttichtd Söfed
ßcaen bich unternommen werben.
®. 15. SBcut ia fl ft bu na^ ? Dem mit
©hre tittb 9Hadtt au3ßeftatteten J?öttiß uon
3frael ftellt Dauib fidt felbft ßeßenüber unter
beut ®ilb eincS tobten © u ttbe3. Der ©u ttb
ift ©ilb cinc3 ucradttctcu, ßeriitßen SKettfchcu, ber
tobte ©unb ©ilb cine3 unfchdblicbcit, in feinet
Digitized by v^ooQie
Sonnto9fd)«l=^fhtioneii.
669
Weife acf&brlid>cn Wenfchen. DieSSerßlckhunß mit
bem e 51 o b füßt bann nod) ben ©cßviff bes ©eriitß-
füßißeu hiuAU. 3Bo$u, u>il( Daoib {aßen, bietcft bu
uta Stifter Äoniß 3frad3 bein $ecr auf ßcßcn
einen fo ((einen, ßerinßfüßißen mtb tittflcfäbrltdjcn
Keniaten wie id). So tuen iß ein tobtev ©unb etwas
Uaoen unb ein SM) CScfabv brinßen fault, bin ich
— abßefehen ooit bev mit fchlcnben bofen ©cimnutiß
— im Staube, bir ©aberben au bereiten; warum
alfo all biefer Wufwaitb, warum biefe erbitterte ©er=
folaii.tß?
®. 10, 3utn Sdjlufi feiner 9icbc wieberholt Da-
oib nod> einmal feine ©eutfunß auf bie richterliche
GntfdKMbuna (Sottet, unb fpvidrt abermals bie fefte
Suocrmht auS, bah ©ott ihm 3tcd)t fcbaffeit werbe.
Wie lehrreich itt bod> biefe ©ercinißuna oon Ghrer=
bictuna unb cdjteui WanneSmuth! GS ift eben ein
Änedd bcS §ervn, ber ba rebet, ein Änedd beS
©errn bell ÖotteSfimht. — Gutem Ghviftcu Aiemt
©eKhcibcnhcit unb Ghvevbiettuiß in allen Stüden.
9Cbcr baS uhlicht uid)t auS, ball wir itid>r and) bie
Wahrheit (aßen, Awar mit aller ©cKheibcnhcit, aber
bod) mit Offenheit. — ©ott ift bev Sürfpredier,
Siebter unb 3iäd)cr bevor, bie um ©erechtißteit willen
leiben.
c) Sießcnbe Siebe. 35. 16. 17.
®. 16. 3iad)bem Daoib auSfterebet, erwicbcrt
©aul nicht ohne fichtbare ©eweßuuß: 3ft baS
it i d) t b e i u e S t i ut m e, m ei n S o h n D a o ib?
Offenbar haben bie hergUchcn Worte, welche Daoib
•Ui ihm ßerebet hat,' einen tiefen unb ßcwaltißen
Giubnuf auf fein ©entüth ßemadd unb einen fdmr=
feit Stachel in fein ©ewiffen ßcbrucft. DieS Seiften
biefer ptöfcluhen cblercn ©cweßttitß feinet inneren
ScbenS ift fein lauteS 2Beinen, ©icr ift
ttiddS oon ©eudielci unb ©crftcüunß anumchmcn.
©aul ift burd) bie beweßlicheu, pietätSooilen Wovte
Daoib’S an einer oorborßeiteit Stelle feinet ^nnern r
Wo er ber Wad)t ber 'Wahrheit noch gttßänßlidj war,
erfaßt worben unb ßiebt biefer eblercn Sewcßuitß
ütaum, wenn biefclbe aud) feinen ©eftanb hat.
Daoib’S ©cifpiel lehrt unS, wie man feinen Sein-
beu feuriße Äohleit auf baS ftaupt fammelt (Spr.
25, 22). ©robive baS Wittel bemüthißcr, ßebulbi=
aer Siebe, weldwS Daoib ßebraucht hat, fo toirft bu
bie Wacht biefer Siebe fennen lernen. Daoib’S Siebe
fiepte burch bie 'Wahrheit, weldje er Saul oovhielt.
GS ift ein fräftiß Dinß um baS 3eußnih oon ber
Wahrheit. (Darum ßiebt ber &err feinen 3unßcrn
bie %twetfmiß Waith. 18,15.
®. 18. Saul muß ber Wahrheit bie Ghve ßeben.
(Der Äontraft oon Daoib’S Unfdmlb unb feiner
unaerediteu ©erfolßiuiß hat fein ©ewiffen ßctroffen.
(Daoib hat ihm baS ©ofe, welches er ihm AUßcbadd,
mit ©utem oerßolten. DaS brennt auf feinem
#aupt wie feuriae Äohleit unb nöthißt ihm baS
©eftänbnifj ab: Su bift ßcved)ter, beim ich.
(Den Seiub mit Siebe unb ßuten (Borten gwiiißcu,
ift ber fcheufte Sieß. Saul ift überwunbeu, aber
Au einer ßvunblichen, baueruben ©effcviniß fcinint
eS beunod) nid)t. 3Jovuberßchenbe ßutc ©ebanfen
unb ©efühle ober and) ein paar ßute 3}orfafee unb
(Sntfchluffe finb noch feine iVfehrunß. G'S muß
oor allem unfereut ©ott ßcßcnüber anbpr3 mit un3
werben. 63 muh au einer oöllißen Sinnc3dnbe=
muß, Aiir aufricütißcn 9tcuc übet nufere Sünbc unb
Aut oertraucnSooUcu Slnciftnuitft ber ftettlidjen
©uabc fommen. (DaS ift ber eiiiAißC 9Bcß, auf
beut eine wahre (ücfehnmß au Staube foiumeu fann.
Sonntaß, ben 23. DeA. 1 Sam. 31,1—13.
©aul’S nitb 3[oiint^nn’« Xob.
1. 8flt: 1056 u. 6(ir.
2. Crt: <Daä ©cbivßc ©ilboa bftlid) oon ber
Gbene 3cfrcc(.
3. 3ufammrnt)tuß: (Der reiche (Babal vciAt burd)
hohueubc 3>cvwctßcrmiß ber fvcunblidift erbetenen
llntcrftüfemiß mit SebenSmittcln ®aoib’3 3ovn;
alver lUbißail, 3?abal’3 ©attin, verhütet burd)
faufte Worte unb veid)e ©efehenfe Daoib’3 3?ad>e
unb U'irD nad)9fabal’3 balbißem £obe fcinc©attiu
(1 Sam. 25). 3um su'eileti Wal fchoiit (Daoib
Saul’3 Scbcn in ber Wüftc Siph (Äap. 26).
(Darnad) kßiebt er fid) wicbcr in ben Sdutfe be3
35hiliftcrföniß3 ^d)i3,bcr ihm bieStabt3if laß
gur SBohuuna auweift (tfap. 27). 3ld)i§ Wvicßt
beu Saul unb mir ba$ Wi§tvaucu feiner Surften
beweftt ihn, pou feiner Sorbcrmtß, baft Daoib an
bem Äampfc thcilnchme, abguftchen (29). Saul,
ber in befferen Siaßcn fclbft alle3aubevev unb 2Bahr=
faßer aitögtivottcn bemüht ßctocfcu war, nimmt, ba
ihm bev ©cvr toebev burd) Sid)t unb 9tcd)t, nod)
burd) (träume, liech burd) Propheten autioovtet,
feine 3uflud)t m Dobtenbefdnoövcvin in Gnbor, u>o
ber ©cift ©nimicl'ä ihm oerfünbißte: „Worßcit
wirft bu unb beine Sohne mit mir fein."
4. dtulutmtif ®n»erftmftrn. Die lebte Seither
fHeßienuiß Saul’3 loar eine Seit ber 3cvfcbuitß bc3
3Solfe3, weldte3 feine Ginheit, bie c3 in bem theo*
fratifchen Äoniß haben feilte, oerlovcn hatte unb in
einen Sevfall ßevieth, loeldter an beu Suftanb ber
^uflöfuuß w&hrenb ber 9tid)terAcit erinnert. Giuen
9Mi<f in biefe Wirren laffen uu3 nicht b(o3 bie 9lu=
beutuiiftcit be3 1.3>ud)c3 Samuel^ über ben ßvofeen
Slnhanft, ioeld)en D a o i b währenb feiner SBevfol*
ßiuifl fanb, thuu, fonbevn audt bie cvftängcnbcn Gr-
gählunften ber Ghvcnifa, nad) weldicr nid)t nur
Wänner au3 bcui ©tautme 3uba, fonbevn and)
©abiten unb ©eniaminiten unb enblichaudtWanaf^
fiten (1 Ghr. 12, 19—22) fid) ihm anfdtloffcu. So
hatte Daoib in S^flßß ein fivießeheer (1 Ghv. 12,2l)
aus ftreitharen Wänuern verfchicbeucv Stämme,
mit welchen er alobalb itad) Saul’3 2:ob gi:näd)ft
im ©ercich be3 Stammet 3uba, in e h r o n, ba3
ihm burdt feine ßottlid)e ©cvufuuß übevtvaßene theo-
fratifd>e Äonißveich aufvid)tcn tonnte.
5. Sur £rf(äraitft mtb ^rhaunttg.
n) 9cicber(aßc unb Dob. ©. 1—3.
®. 1. Die©hilif!cr heftuben fid) mit ihrer ßauAen
Wacht in bev Gbene 3 e f vc c (. 3fracl ift oor bem
fießreid) oovbrinßenben Scinbe bereits bi3 au ba3
©cbivße ©ilboa, bie novblidie ©ovmauer bcS
©ebivßcS Gphvaim, gurrictßewichcn. ipter fommt
cc> gur entfeheibenben Schlad)t, bic einen uußlücf=
liehen 3lu3ßanß nimmt. Wie tonnte e§ auch anbcrS
fein! Der thcotratifche ©cift war auS bem .*oecve
Saul’S ßewidwn. Dev unßlücflid)c Äoniß hat mit
©ott ßebvocheit, unb barinn aud) ©ott, bev £crr,
mit ihm.
Digitized by v^ooQie
670
^nutagfdjul*J?fMioiifiu
8. 2. 9Mit furchtbarem Ungeftünt bringe« bic
Shtliftet gegen bic ifraeütifdbeit Streitevfdjaaren
oov, welche ©aul, feinem friegeriidjeu ßbarafter
treu, in eigenev Serjon befehligte. 3w SEaufenbeit
falten feine (Setreuen ihm gur Siechten unb gut
ginfen. Sou beut ^Momente aber an, ba bie geinbe
Saul felbft im Schlachtgewühl gewahren, richtet
fid) bie ©pifee beb $lngrifib auf ihn unb feine näcbfte
Umgebung. ©eine ©ache ift oerlorcn. ®ie
iEapferften finb fchon gefallen, unb unter ihnen
ambbrei feiner ©ohne: 31 bi nab ab, 3)1 a Ich i*
f u a unb ber treffliche Jonathan* — 33ei ßott-
lieben Strafgerichten müfien bie grommen oft mit
ben ©ottlofen leiben. 3Ran ftope fich bavan nicht
fonbern glaube, bah benen, bie ®ott lieben, and)
foldjeb muh gum Selten bienen (SRöin. 8, 28).
8. 3. ® ie ©chüfeen trafen ihn, b. b. fte
ftieheit auf ihn, ben fchon Porhev hart Sebrdngten.
(Sr warb fehr oerwunbet, nad) bem ©runb*
test: „febrerjebreeft." ©ie Pfeile ber Sogenfcbüfeen,
weldje ihn nun umfehwirrten, geigten ihm, bafe feine
3icttung mehr möglich fei. ©er fonft fo tapfere
unb unerfdnoefene ©aul wirb jefet oergaat, bie
Schieden beb bofeit ©ewiffenb, welche ihn fchon bor
ber ©djlacht geängftigt, rauhen ihm ben SDtutb unb
bie ßtaft.
S ©elbftmorb unb ©chanbe. S. 4—10.
.4. 3iche betn Schwert. Sbentfpricbt
ßang bem ber Sergweijliing anheiuißefadenen 6ha-
raftev Saurb, bah er, mir noch ben SEob burd) bic
©anb ber ^ihilifter oor Slußen fehenb, poit feinem
©affen träger getöbtet fein will. ©amit
nicht biefe Unhefchnitteiten tommen
unb treihen©pott mitinir. SllfobieSBah-
rmiß feiner armen Sbre por ber ©eit ift bab Singige,
wab ihm in ben lebten Wugenbiiden feinet gehend
noch am ©ergen ließt; an bab ©chidfal, bab feiner
wartet nach bem £obc, fiheint er ßar nichts» benfen.
©er ©affeuträtfer hebt Por bem ©ebanfen, feine
©anb an bie aeheilißte fjerfon feinet tonißlichcn
©ernt leßen gu follen, entfebt gnriid. Sr hatte ja
bab geben beb SKmigb gn behüten unb war oeranN
wörtlich für ba ffelbe. ® a ergreift berftonig
ent fehl offen fein eigenebSdnoert, ftemmt
beffen Änauf auf bie Srbe unb ftürgt fid) in
t affelbe hinein.
8. 5. 3llb fein ©affenträger ihn blutenb gufain*
tnenftürgen fab, folgte er feinem Scifpiel. Sr wollte
feinen ©evvn nicht überleben; oielleüht mochte er
aud> besorgen, bah man ihn alb ben 3Börbcr beb
ßönigb betrachten unb beftrafen werbe. — ©ehe,
wehe! Sei biejen geühen macht fein ©ottebengel.
©er abcY, ber ein „9)?örber Pon 3lnfang w beiht,
feiert einen SEviumpb. Sine feltene Seute, bie hier
ihm guaefallen! gliicb in berSerfon beb ©affen*
trägevb? ©iv evlauben mi3 hierüber fein Uvtheil gu
fällen, ©ewig liegt eb unb näher, biefen ©etreuen
gu beweinen, alb ihn gu perbammen.
8.6. $l(fo ftarb ©aui. Sin Snbe mit
©djreden ift ber natürliche $lfcfd)luh eineb ber ©ünbe
geweihten gebend. ©ie ©ünbe beginnt flein unb
itnfcbeinbav, bic Serftoaung gebt@(hritt fürSdwitt
por fid). ©ie ©ünbe ift eine furchtbare 9Mad)t:
erft thut ber äWenfch bie ©ünbe unb, wenn er fte
längere Seit geübt, f a n n er gulefet nid>t mehr pou
ihr lafien, unb bab Snbe ift, bah er nicht mehr pou
ihr lafien will, ©ebenfet an ©aul’b Subc unb
werbet fing bei 3eiteu! ©ie furdftbar ift eb büdj,
fterben in feinen ©unten, unbuhfertigbahinfahren,
tinpovbereitet binühergehen oor©otteb flttdjtevftubl!
©ie fdjredlicb, bann nidftS aufu«eifcn gu tonnen
al^ eine Pergeutete ©nabengeit. — ®ie grage, ob
ein ©etbftmörber felig werben fonnc, bavf nidft ohue
alle Sefchräutuugcn perncint werben. S3 fomuten
f?äUe Por, wo felbft fromme Serfoncn in uupcvfchul^
beten Süiwanbluugen pon Svrftnn ©elbftmorb be^
gehen. Sollten fte baruui ewig perlorcn fein? Ober
follten jene cbriftlidjen grauen unb Jungfrauen,
welche gur 3eit ber Shriftenperfdgungcn ©clbft=
mort begingen, tun ber Sntebrung gu entgehen, be8*
wegen pevbammt worben jein? ®cwi6iiid)t. Stroh*
bem ift ber ©elbftmorb ent[d)ieben alS ©ünbe
gu peruvtheilen# unb gwar baruut, weil fid) ber
3Senfch burch benfelben eigcnmdd)tig pon allen
ben Sflid)ten lobreiht, welche ©olt ihm hienietett
auferlegt hat, unb ungerufen bie Sforte beb
SEobeb auffprengt. Sb ift immer ein Sewcib pon
SMaubenbjhwdcbc unb uKangel an Srgebung in
©otteb SBillcn, wenn ein äHenfcb fid) felbft' mit
Scwuhtfcin bab geben nimmt. Sb fehlt ihm ber
3)iuth, bie geibeit unb Uebel beb gebenb gu trvigen,
unb fo greift er in feiner Serblenbung gu einem
nod) weit gröberen Uebel — bem Sob. 33enn in
unferen SEagen ber ©elbftmorb fo häufig geworben
ift, jo liegt bie Urfacfee baoon nirgenbb anberb, alb
in bem Uebevhanbnehnten beb Uitglaubcnb unb ber
©ottpergefjenheit. 2Ule feine 3xänncr. ®iefe
äBorte finb nicht budjftäblidj gn nehmen, ba g. S.
Slbncr am geben geblieben war. Sb begeidmei bie*
fer ?lubbrud nur bie gänglidje 3}ieberlage beb ©eereb.
®. 7. ©ier werben nod) äSänner Jfraelb
enodhnt, u^elche an bem Äampfe niihtSEheil genom*
men hatten, unb weldje jeufeit bem ©riinbe
(beb SEhalb) unb jenfeit beb Jorban waren,
©er „©runb" ift bie 3cieberung g)oifd>cn betn ©e*
bivge ©ilboa im ©üben unb bem ticinen £erraon
im 5fiorbeit, in weldcr bie Sbene Jefveel fich fort*
fefct; ber Jorban mit feinem weftlid>en Ufer bilbete
bie ©renge biefer 9ciebcrimg. ®ie Scwobncr biejer
©egenb flohen bei ber Äunbe Pon ber 3iicberlage
©anl’b, worauf bie Shilifter pon ihren
©täbten Sefih nahmen.
8. 8. ©eb anbern SEageb (b. h. nach bet
Ghladft) tarnen bie Shilifter. ©ie©cblacht
hatte UKihrfdKinlid) bib gum Slbcnb gebauert, fo
bah bie ©nnfelbeit nicht gefiattet batte, bab Slün*
bevimgbgcfd)äft Porgunehmen.
8. 9. Sergleidje 1 Shron. 10, 9, wo eb hei§t:
w ©ie plünberten ihn aub unt> nahmen fein ©aupt
unb feine ©affen unb janbten" u. f. w. Sie fanbten
alfo ©auTb ©aupt unb feine ©affen im ganbe
umher, um bic frohe Sotfchaft gu pertün*
ben im ©aufe ihrer ©öpen, b. b. ben 3>rie*
ftem, welche bafetbft bienten, unb bem SSolf.
©aurb ©anpt unb ©affen waren für Sriefter unb
Sott 3ci<ben beb ©iegb.
8.10. Sie legten feinen ©arnifdj in bab
©aub ber Iftharothf n. f. w. ©iefeb »©aub
ber 31 ft ha rot b" ift wa hvfheinlid) ber letübmte,
pon ©erobot erwähnte Scnubtempel in Slbtalon.
©ab ©a upt ©aufb würbe nach bem Scridft ber
Shronifa an bab »©aub ®agon*b" geheftet. 3?acb
S. 12 oerfubren bie Shilifter in gleich barharifchet
©cife mit bcu geid)namen ber ©ohne ©aul’b.
Digitized by v^ooQie
Cljromk brr (Stgennjurt.
671
Uhiüb.r
Ätiu'iL
$ L’al
KjnK:
ui ;:±&
& brr
ntd
i Kxr Gt
i'f! &/
.i!«:cs
tttü. h
il* isv.
s?r. ^ -
| WH SÜ
m hrs
i'jaK fc
jdES!
;i tö c
ifK; :ü!
-« V zx
ii*;
. £«I!
fn ;nd
? äiiin.U
tiii-’iiji
inrr. !f
nii Uv
13»"
TKilluH
'm d
>rü’ L‘-r
r:?i'
:ld ;
©ent ftrsähler, bei* hauptfädilid) nur über ©aufS
©efebief berieten wollte, fam eS jebod) gunäcbft nur
barauf au, ntitsuthcileu, wa3 mit beut 8eid)itant
Snttl’3 gefdmh. ®a fflctbfan, ba3 beutle
©cifan, nad) biefer 8ngabe in beu Hauben ber
Philiftcr war, fo muffen wir annebmen, baß bie=
felbeit baS 8anb bis an beit 3orban befefeten. ©ie
fieidmamc würben ohne bte abgefchlageiten Mopfe
augeKblagcn, ba bie lefetcrcu mit beit SOBaffen su
©iegcStropbäen bienten unb außen au beu ©6feett=
tempeln aufgeftedt waretu
c) Verbreit nung unb Segräbttiß.
V. 11—13.
®. 11. ©ie ©efebimpfung feiiteS SeichnamS,
welche ©aul fo febr gefürchtet batte, toar trofe feinet
©dbftmorbeS eingetreteu. 9hm aber fam ihm um
ä irael3 willen, beffen MCmig nicht in oölliger
dwiarf) su ©ruitb geben feilte, ttoeb eine (Srinnc-
rung au3 feiner belfern 3<üt ju ©tatten. ©ic
Bürger oon 3ahe^ in ©üeab gebachten ber
©rrettung, bie er ihnen einftsur rechten 3cit gcbrad)t
batte (Map. 11), unb beftatteten feinen Seidjnam
ebrenooll unb betrauerten beit gefallenen Äonig.
813 jic hotten, wa3 bie Philiftcr ge*
tban batten, gebuchten fte beffen, wa$ ©aut
eiuft ihnen gelbatt batte.
®. 12. (S3 machten fich a uf, wa3 ft reitbare
SDfänner waren, unb gingen bie gattse
9? adit (nämlich unter beut ©clmfee ber 9tad)t, um
ibr Vorhaben oor beit Pbiliftern oerborgeit su bah
leit) unb itabnten bie 8eid)ttame oon
ber 93taucr berab . . . unb oerbrantt-
ten fie. ©ie beut Hcibentbmn eipeittbümliche
unb in 3frael uach 3 2Kof. 20 nur bet ben jd>wer=
ften SBerhrechertt suläffige Verbrennung ber
8 e i d) e u gefdtab, wäbrenb fonft bie ©eftattung
ber lobten in berßrbe bei beit 3fraeliten ©raud)
war, wobl nicht bcßbalh, weil bie 3abefiten fürch¬
teten, baß im Salle einer ffiunabme ihrer ©tabt
bie Seichttante nodj einmal bcfdnmpft werben wtir=
ben, fottberii wahrfcheinüch beßbalb, toeil biefelbeit
burd) 9lbfd)lagung ber Mbpfe bereit ocrftünuuclt
waren unb baber für bie gewöhnliche ©eftattung
uid)t mein* geeignet erfchicnett. — ©ie in unfereit
Sagen wieber auffotnutenbe unb oon Vielen mit
fo großem Geifer befürwortete ©itte ber 8cid)enoers
brenituitg oerbanft ihre Popularität wobl tnebr
einer in gewiffen Mreifen bcrrfdienben Hinneigung
Stirn Hctbentbum unb beibuifd)er ©itte, als beit
Vortbeilen, wcldte biefelbe in bfcnomifdjer unb
fanitarifeber Hinfkht bieten foll.
®. 13. ©ie nahmen ihre ©.ebeine
unb begruben fie — nur ba$ Slcifcb wmte
alfo oerbrannt, vielleicht weil bie3 fd)on in Vcr=
wefititg übergeftaugeit war. ©ie ©ebeiite
bcgr u b e n f i c ti it t er be m V a u m e (bebr.
ber SamariSfa) *u 3abc$. Unb f.a fte ten
fieben Sage. 3nm Stieben berSrauer. (S'S
toar ein Vewei3 ihrer ©aitfbarfcit für ihre Rrreh
tung ooit ben 8iumouitcrn. „©anfeit" fommt
oon ^beitfcn"; bie ©anfbarfeit beftebt alfo barin,
baß man au empfangene SBobltbaten „benft" nno
bemgemäß banbelt, wie bie Sewobncr oon 3abe3
getbait haben. ©a3 Saften ift ein int ganseit
älltertbum gewobnlidier 8u3brud ber Srauer.
©pater ließ ©aoib bie ©ebeine ©att(’3 unb feiner
©ohne im ßrbbegräbniß ©aiil’3 su 3«la im
©tamnte Seniamin beftatten (2 ©am. 21, 11 ff).
-^---
Cßrotttlt btt Gegenwart.
reö if "
3l: r
ill {
;d
Ü!S*‘
liiij
Aüü' '
Sie Wetbobißen in Canaba haben ftd) nunmebt
jti einer Mircbengemeinfcbaft organiftrt. ©ott möge
feie alfo vereinigte Mirdie reichlich fegiten. ©ie bat
gewiß eine hoffnnngSoolle Bufnnft oor ftd) unb ibr
gute3 ©eifpiel bat bereite anbere angeregt. 8tt$
8itftralicn unb 9®eufeelattb fommt nämlich bie
92adjrid)t, baß bie bortigcit methobiftifchen ©emeini
frhafteit nad) Vorgang ber caitabifchen fih auf eine
Veteinigting$ = ©afi3 oerftänbigt haben unb bie
tbatfächlidje Union in nicht ferner 3cit beoorftebt.
9)iau febreibt biefc Vereinigungen bem ©iitfluß
ber in goitbon 1881 geballcncn cCuiucnifchcn 6on=
ferettt bc3 9){etbobi3mn3 su. SBcnn biefe Gonferens
9?id)t3 bewirft hätte a(3 fold)C Union getrennter
Äheben, fo wäre e3 ber 9)?übe. toertb gewefett, jene
große Verfammlung absubaltcn. Unb wenn ofu-
tuenijdte Konfcrcnsen and) fernerhin fo(d) praftifdtc
fRefuttate erseugen, fo bergen fie ttcbeuMSlcmcntc
itt ßd), weld)C immer wieber bie Veranlaffung su
anbern berartigett 3ufautmenfünftcn toerben.
licßtffitmer in ben Vereinigten Staaten. @8
gibt nicht wenig: cingebilbete SNcnfcftcn in ben
Ver. Staaten, weiche auf bie (Sinwattberer — unb
auch auf bte ©eutfehen — a!3 eine ttttwiffenbe
9Kenf(hettmaffe berabblicfen. Solche Seilte fömt=
ten ftd) beffer befebäftigen, wenn fie, gleich oielett
gebilbeteit 8merifanern, einmal im eigenen 8anbe
orbcittlicb Uutfchau hielten. @o wirb g. ©. be¬
richtet, baß in ber ©tabt 9?cw SJorf allein 200,000
Minber ohne ©dmluntcrricht aufwadifctt. 3n
ßhicago geben 5T Vrogent berer, wehhe int ©chul-
alter ftehen, nicht in bte ©dwle; in ©t. 8oui3
50,000 nicht unb in (Sinciitnati 40,000.
3m ©üben finb 69 ©roseitt ber farbigen ttub 39
Proseut ber weißen ©eoolferttug nicht im ©taube
su Icfcti unb su fchreibett.
©ort bmnten int fonnigen ©üben muffen über¬
haupt betreffs ber Unwiftcnhcit 3uftänbe herrfdten,
oon betten nur SBenigc richtige ©egriffe haben.
©o s. ©• horten, wir no^ nicht lange her in
Quiuco, 3Hw ben Vortrag einer P?i)|ion3frau,
welche in ben ©übftaatcn toirfte. 3hre Eingaben
waren fo frappant, baß fic unter bte üRäbrchen ge=
gäblt werben müßten, ftünbe bte ©ame ttid)t weit
über bem Verbadd ber $tuffdmciberci, unb fonitte
fte nidit Ort, Pevfoncn unb 3mgen für ihre 8n=
gaben liefern. Unter anberett Shatjad&cu crsählte
Digitized by v^ooQie
672
Äijnmilf^er Gegenwart.
fic aitdj, baft be 3 21beiib§ ein tun^cY Surfdje unb
ein Svvuicmtmmct 311 ihrem 9 J<ann, weld)cr cbcit=
falls als Pvebiger im ©üben arbeitet» gcfommcn,
«m ficf> trauen 311 taffen.
®cr pvebiger frägt: „9Ba3 ift ihr 9?ame, mein
immer greunb?"
„^act."
tf%i) meine» welches ihr ©efdftedjtSname fei."
glicht fcaS meine icfi; ©ie muffen bod) noch einen
onbern Hainen haben."
„Pfau hieb mid) immer nur 3 ad."
(Sinfehenb, bab er alfo nicht vorwärts fomme,
fi\igt ber paftov nach beut Hainen bcS PatevS.
„®er heibt and) 3fld," antwortet bev hoffnungS*
»olle ©pröfcling be 3 SübenS. -
»»Unb u>ie nodj ?"
,».S>ab nie etwaS 9(nbcv3 gehört alä 3ad."
„ 9 lber, lieber gveunb» ich mu§ ihren ©cfd)(ed)t 3 =
namen haben» feil ft faiin ich fie nid»t trauen."
„?Bir wollen unS aber haben unb ba wirb 3ad
unb Pfavp genügeub fein."
®er Präutigam warb eublid) 311 feinem nahe'
wohnenben Onfel gefanbt, um ftuSfunft 311 holen»
bie er fdftieblid) and) brad)te unb barauf getraut
warb.
»,'33ie bie Praut auSgefehen," fefete bie 5 Biffton§=
frau hin3u, „baS mögen fid) meine 3uhövcr au$=
malen."
SDJan $cige unS einen JBinfel ®eutfdjlaub§, in
welchem Solche 3 uftänbe vovfommcn, eine ©egenb,
in weld>er 39 p 1*03011 1 loeber lefen nod) fehretben
tonnen, eine ©rojjitabt, in weld)cr 200,000 ober
and), nur 10,000 jdmlpftidftige ftiubcr nid)t 3ur
©d)utc gehen, unb — fomme alSDanu unb fprcd)e
von ben unwiffeuben Uutch.
$er 9 fo$göitg brr Saljlett-in Ohio unb 3 owa
hat wiebevum alte Pad)tvab 3 =Propheten wad)ge=
rufen, unb cS wäre wirtlich inteveffant mit 011311=
hören, wie mau bieS unb jenes hätte aHberS machen
folleit, wenn bergleicben 9 cebeu 3 arten nid)t fdwn fo
oft bagewefeit wären, fo bafj biefelben Langeweile
unb ©ahnen oerurfad)en. 2Bir iverben babei immer
an Napoleon I. erinnert, ivetdier fagte, bafe bie
Oeftcvreicber ftctS ben beften ftriegSratb hielten,
unmittelbar nachbem er fie tüchtig gcfdftagen hafce.
91nftatt foldier unfruchtbaren SKeftcsioncn wollen
wir lieber bie Shatfachen ruhig betrachten.
®a ift benn feftwhaltcn, bah bie Semperensfadjc
in 3owa sum aweiteu 9 Wal einen entfehiebenen ©icg
bavongetragen hat. ®er früher von bem Polfe
30ivab 3111- ©taatSconftitution beigefügte 3ufafe,
Webber bie ^abrifatioit unb ben Perfauf geiftigcr
©etränte verbot, würbe eineb gorutfehlerb wegen
für ungültig erflävt. 9?un hanbeltc eS fidi barum,
eine Legislatur 311 erwählen, weldje folden Bufafc
nod) ein Pial sur 9lbfttmmung in red)tsgültigev#ovm
verlegt. ®ie ®emotraten m 3 owa ertlärtcn fid)
gegen Prohibition, bie SHepublifancr bafür unb bie
lefeteren gewannen bie SBahlfd)lad)t, unb fomit bie
Legislatur.
©0 gut aber ift bie SBahl in Ohio nid)t ausgc-
fallen. 3wav hat ber pvohibition$ = 3ufflfe eine
©timmensahl erhalten, wie fte wohl nur wenige im
©infte fid) vorftellten. $lu3 etwas über 700,000
©timmen würben 320,000 für Prohibition abge=
geben. ®ic Dtcpublifancr würben bagegen gcfchla?
gen, ber Slbvotat teS $llfoholismuS — Pidftcr
ßoablcv — sinn ©ouverneur erwählt unb bie
Ohio=Lcgislatur hat eine bebeutenbe, bemofratifde
Majorität. SBaruni, wie, wo baS ?UlcS fo getont
men, barüber ^erbrechen fich fehr viele ben Stopf,
ohne babei cigcntlid) mehr herauSanbringen alS
PJutbmajjungen. SSürben bie SGahlen in Ohio
vorgenommen ivcvben, wie 3 . P. iui Pfufterftaat
Äentudv, wo 9?ame unb ftbftimmiuig eines 3eg=
liehen regiftrirt unb 311 r Pefidftigung offen ift, fo
tonnten ©rinib unb Uv ja de leidtcr gefunben iv er¬
ben, ba aber Ohio, ©ott fei ®anf, freieo Pallot
hat, fo wirb man wohl nicht jo jehneü Licht über bie
©ehciinniffc bringen.
3 ‘vci ®inge aber ftnb gewi§.
ferften3 finb weit über breibunberttaufenb ©tim=
men für Prohibition abgegeben worben, unb wenn
biefelbe nun audi nicht angenommen ift, fo feilten
bie 9üfoholiften fid) bie ©timmeii 3 abl boeb iebeomal
betradUcn, ehe fie mit ihren Soiberiingcn wicber (0
auftreten,a!3 ob f i c bic 8 tevräfentantcn be3 Polfe3,
bie S:eiuvcven 3 lciite aber nur ein elenb Häuflein
^•anatifer feien. Ob bie ©d)iiav3brenner, SBirthe
k. fid) biefe gvofee, für Prohibition abgegebene
©timuiciianjabl 3111 * Lehre bienen laffen, muB abgc*
wartet werben. 2 öir hoffen tau ui barauf.
3u'eitcn3 barf man fid> trob biefer 300,000 feiner
Säufdwng hingeben. Süv bie nächften 3ahve fteht
in Ohio nidjtö bevor al3 fdnverer fiampf. ®ie
Semperen 3 fad)e hat iveber von ber Legislatur, nod)
vom ©ouverneur, nod) — am ©nbe auch vom ober*
fte« Ohio-@cvid)t§hof ivgcnb wcld)e Pegünftigimg
311 erwarten. 2 Äand>e meinen fogar, bafe iefet and)
oa3 fogcngnnte ©cottgefeb, wcld)e§ ben ©etränfe-
hanbel befteuert, iviberrufen werben würbe. ®cr
Shroiiiffdneibev gehört iveber 311 ben @d)ivar 3 =
fehern, nod) hört er ba3 ©ra§ wad)fen. 6 v evfennt
aber mit allen anbern Leuten, welche bie Sßelt mit
nüchternen Llugen anfehauen, bafe nod) beifje
@d)lad)ten 311 fchlagen finb, bU ber SUfoholismu^
au^ Ohio vertrieben ift.
Digitized by v^ooQie
Digitized by v^ooQie
i l
UNlYtKSi . .
LOb
. i. ' , \ I
\ .»LIFORNIA
a iRS
Digitized by
Google
Digitized by v^ooQie