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Full text of "Haus und Herd. Eine Monatsschrift für die Familie"

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Über dieses Buch 

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je es: 


THE LIBRARY 
OF 

THE UNIVERSITY 
OF CALIFORNIA 
LOS ANGELES 


^SmS&ikf*ft 

45 v/fSr 


ri^tfieoby 











































































































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gaus und gcrd. 



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. 






aas und Ikrd. 



(Htu 

JUnftfirtr HtonatorrfjrW für M* familir. 


H e t> i g i r t 


DOH 

%> £icbkttrt« 


v ■ / 

(Elfter 3 afjrgartg. 

ZTltt jroölf CiteIbiI6«rn unb Dielen tjoljfdjnitten. 



(Cmrinnati, <SI)irago unb 3t. fouis: 

1 ng van J^aldtn und §iawt. 
Pen |f«rb: pi)iUipf unk Jjimt 

1883. 


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gnljaß be$ Jlffeu §ßattbes. 




Qitrlbittitr. 


Stein Heim. 

Der grofie Slrjt. 

ÄnoSpen unb Slütycn. 

Der groftc Äampf. 

@uten borgen. 

3uerft baS Stufen. 

Sonnenuntergang in ben Skifjen Sergen, 

Die liebe ©ommerjeit. 

SBalbcSru^e. 

3öer ift ber Slermftc? 

DaS Butberbenfmal au SBormS. 

Stjdjof 3faac 3ö. »Uty, LL. D. 

HbhanblungeiL 

Seite 


2>ie gölte b« 3«it. fr «. Wagler. 12 

©ojiale Uebclflänbe unb ityre Hebung. 3- ©djla; 


SöaS macht bie SJtiffion auS ben Reiben ? ©eo. 

©uty. 115 

Die geier beS ^eiligen SlbenbntatylS. ©eo. ©utfy.. 173 
Sßie Dr. 3of<ty^ ©ool BängftbefannteS beftätigt. 

©bitor. 226 

SßatyreS ©^riftentyum. gr. $top\> . 260 

Die geiftige ©ntmirflnng beS KinbeS. 267 

teuere kunbgebungen beS Unglaubens, bie Sibel 

unb bie ©efcbidjte. ©bitor. 281 

Sin ben grüßten erfeunt man ben Saum, ©bitor. 337 
SÖotyer fommt ber rechte SlrbeitSmuty ? ©Mtor... 393 

Sorbereitungen gum Domjclfeft. ©bitor. 461 

Wichtiger ©ebraudj unb 3)tijmraudj tyomUetifctyer 

Hilfsmittel. ©bitor..;., 508 

SluSbaner unter ©cbmierigfeiten. $. H. 580 

©ntjpridjt unfer ©efangbudj ben Sebürfniffen ber 
Äircbe, ober ift eine Serbefferung beffelben 

münfcf^nSmerty ? ©. Skiler. 590 

3ugenb-3beale. SB. ©... 600 

$iegrapt)iM unb ftbrnsbübtr. 

Stetttyorfer ©ctyriftfteKer. ©. Söeiler.26 72 

Butter unb SkSlety. ©. ©. g. ©rnft. 64 

©ranmerS SJtärtbrertfyum. m Äönefe. 117 

©in beutfdjer ©imfon. ©. Hmijjcr. 130 

3üge aus bem Beben beS fdjmäbifcfyeu Pfarrers 

glalticb. ytjil $auluS. 132 

©eneral Holcf. 186 

3L Söilforb Hall unb fein Skrf. g. B. Staglev... 190 

©rinneruugch an Daniel Skbfter. ©. Ctt. 265 

jflotftocf* SJteffiaS unb feine SJteta. ©eo. ©ut^. 291 

Srudjilücfc auS bem Beben HänbelS. ©. Ctt. 319 

SRajrimilian SuliuS Beobolb, Hfty'Ö oon Sraun* 
fcbmeig unb Büneburg, als H^S unb ©tyrift. 

SÜöilty. staffle. 419 

©in 3u$örer Dr. Stavtin Buttyer’S. 482 

Butter als küiberfreunb. ©uterin len beut Xr^' 

anber.. 4D0 

Dr. Butter unb fein Sarbier. Sllbert Siebter. 505 

9luS ber Sugenbjeit beS beutfe^eu ÜaiferS Söil- 

$elm. ©. 3)t. 531 

SUiS But^er’S Beben. 534 


©ine ©bifobe auS bem Beben beS gürften b. SiS* 

_._* Ort r <vi •! ä r/» v 1 


maref. $aul ^rifclaff... 535 

3um Butber*3ubiläum. ©bitor. 561 

ftat^arina II., ßaiferin bon Stufilanb. 3- ©c^Ia* 

genbauf. . 585 

Siföof äöileb. 617 

©in Dag aus Butfjer’S Beben. 629 




Der SktynacfjiSftern. St. grieS. 7 

©in ©nael in einem Ueberrorf. ©. ©. 15 


Durcfy jungen gur Sttatyr^eit. 3. 3. SKe&mer. 

.29 83 139 

Stecht muj* boc^ Stecht bleiben. S al| l ©ugen.. 

.35 91 148 200 248 310 


DaS Hintere ©nbe beS SBagenS. g. B. Stagler.... 76 

Der ©rofebater unb fein ©nfel. 3- . 90 

Der fterbenbe 3üngling unb baS rcrlorene 

<Sc^af. 98 

9Bie aud^ mir bergeben. ©tylbiuS. 122 

©ed)S müffen’S fein. 1 . 146 

Der Binben^oeig. ^Üibb SauluS. 175 

SSil^elm. ©. Csmalb. 207 

Satev unb 2)tulter. §. grai^. 246 

Sliein gutes SJtiitterle. B. ©t. 263 

SluS ber SJtorgenbämmerung ber neuen 3^- 


©ine gemiffe 3uberfidjt be 6 , baS man hoffet, unb 
nicfyt fiebet. (©br. 11 .) Dr. Siicbarb gofter. 305 

©uter unb reeller Stebenberbienft..'.:. 315 

SluS einem grembenbuc^e. 320 

DeS 3uben Dotter. St. SB. 341 

Skr ben Dob aus ber Sfelt febaffen fönnte!. 371 

Seftelle bein HauS! B. S- .. 403 

Dtyätige Stäcbftenliebe. ©. Saum. 413 

ykipa Cberlin’S ^aftoralbefucb beim ttejjlertoiii. 

©. 3Jt. 422 

Der erfte Äiic^emettel am eigenen §erb. 428 

©ine Dan^gef^icbte... 433 

©in Abenteuer. ©. Saum. 466 

©in Cpfev ber Beibenfc^aft. 2B. ©plinger.. 

.472 520 595 647 

©otteS Diener geuerflammen. 483 

Die Dotter beS Stac^tloädjterS. ^?rof. ©. Sti^s 

f>ert. 511 

Unfctyäblicty gemalt. 525 

2ßie eS fam, bag icf> ein Doftor mürbe. Dj;. St. ©. 537 

Dev befdjämte ©$wtter. 545 

©tecfengeblicben. 9om Serge.. 572 

Die ©timme beS ©emiffenS. k. 595 

Der Beicbenräuber. 599 

3 mei ©eenen in einer Stadst. 60 J 

Sin ben ©oniieufcbein. 602 

Stejebt ju einer giücflidjen ©^e. (>39 

SJtein altes Sltütterlein. G 55 


(Srboulidjes. 


geftgebanten. ©bitor. 2 

Sruber SJteier unb (eine ©oben. 67 


Die ©mit^föe SemeiSmet^obe. Cnfei SBilbelm. 71 


494918 


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Seite 


Perleumbung.. 146 

„Peten fäumet nicpt.". 146 

§arre, meine ©eele. 188 

teilt Ton au« ber freimatp. 244 

9Ba« icp miv alle Tage borfagen Will. 260 

2Ba« ift felbftberftänDlicpV. 304 

©ott behüte bicp!. 324 

3m Korn. X. 2). 3.r 339 

Angelernt ober aiterfcpaffen?. 484 

ter loirb fi^eit uub fcbmetjen unb ba« ©Über reini* 
gen. ter toirb bie Kinber Sebi reinigen unb 

läutern loie ©olb unb ©Über. 640 

Gin finnige« öodneitögefcpenf. 641 

2Ber ift ber ©iücflicpfte?. 641 

2lucp eine munberbare gügung ©otte«. 646 

Ter ipimmel toolle geben. 646 

Trei tu Gütern. 647 


(Sefdji^tfis unb Jlritbilber« 

Pilbet auf ber neuen ebangelifcpen Pefceguttg in 


Tie errungene prebigt bon Pernarb ©ilpin. 

Kienaft. 68 

91. p. Tribüne. SBitttam 21. greunb. 80 

Ta« oOjä^rige gubiläum be« beutfcpen SJtetpobi«* 

mu$. tebitor. 113 

tebriftian gürcptegott ©ellert’« Teftament. 147 

Tie Drgaitijation ber Pifcpöflicpen SDtetp. Kirche. 

icn non o> 4 ry 


Ta« Urteil eine« 2linerifaner« über Teutfcplanb 178 

„Serben ^ötoen". 196 

tein Ptlb au« ber fcocpfhitp im Dbio*Tpal. tebitor 258 

©in beutfcpe« Urteil über 2lmenfa. tebitor. 299 

Türfifcpe guftij. 301 

Tie Plütpeaeit be« Steliquienbanbel«. 21. gtamann 322 
lieber bie Pebeutuitg ber afforifcpen 2lu«grabun* 
gen für bie bibltfcpe ©efcptcpte. Tr. Ä. ©ul$* 

berger. 355 

Ta« c^inefifc^e Steujapr. te. g. Kupfer. 367 

Tie größte fpängebrücfe. tebitor. 369 

3Bte ber König bon ©cpmeben befiegt iourbe. te. 

SJtogaret. 376 

Plumenfpracpe. 434 

Gpriftlicpc ©Icicppeit. 434 

Tic Tpnamttberfcpioörungen. grang bon §olfcen* 

borff..*. 458 

Tie testen Tage ber Stebellion. Prof. te.-9Uppert 462 
2lu« bem Beben einer teraieperm. Ueberfefct au« 

bein Bettifcpeit-. 468 

Gine Bebrertoapl in Teutfcplanb bor 150 Sauren 489 
Tie Gtifetten* unb Titelfrage im erften amerito* 

nifcpen Punbe«=©enat. 541 

Gine ©eneralbifitation in Sommern... 545 

2öaren bie erften Teutfcp * 2lnterifaner gläubige 

Gpriften? tebitor. 621 

T'e tooeiaerifcbe £anbe«au«ftellung tn 3üricp. 

Tr. 21. ©utyberger. 641 

Te Knäpel ut be Kloß. 653 

Karl«ruper ©cpußnaben bor 80 Sauren, te. 

hülfen.654 


Tie pöcpften Pautoerfe unb Päume ber terbe. 3 . 

Kern. 285 

Tie Slgtefen. ©plbiu«. 297 

2Ba« un« ba« SWifroffop erjäplt. tepa«. g. 


Tie Pfahlbauten. Tr. te. Stiemenfcpneiber. 396 

Kleine Stäuber unb ihre Burgen. ©blbht«. 406 

tetn gehörnte« ©efcpleipt. te. 2 Ö. 526 

äöicpttgfeit ber fra^eittgeu tentfernung bon ©e* 

fcptoüren unb freb«artigen 2 lu«ü>ücpfen. 530 

Ta« Traumleben. ©. §aufjer~.. 577 

Skifjra uub Jtrifebilbrr. 

Söeihnadbt auf bem 9Jleer. te. Böttcher. 24 

2tm Sth ein * ßöitor. 57 

Gin berliner pic=91ic. 74 

3 «n 9ieich«lanb. tebitor. 126 

2 lfri!a. 3 . ©. ©chaal. 136 

3 m alten ©cblofj ju ©tuttgart. ©uftab i?ubtoig 235 

2 lu« perften. 353 

ailit toelchen 2lugeit ein te«!imo teuropa betrachtet 358 

Tie amerüanifche ©chloei^. SDpuSculum. 361 

2 lu« bem ©cploabenlänble. p. 21 . 449 

2 lm 9Kontblanc. tebitor. 476 

©cblofj Sleufdhioanenftein. 492 

23efucb in einem ©cpinto^Tempel. Prof. te. 91ippert 516 

2 lufgefchaut unb ©ott bertraut. ©. ^lattm. 582 

Tie §öhle bei Surap. 2lmo te. ©aebelein. 586 . 

3 m ©chtoei$er ^ocplanb ber ferner 2 llpen. tebitor 622 
2 lugenjeugen über ba« terbbeben auf 3 «cpia. 

DpuSculum... 635 


Sebidjte. 

S5om SUten jum Sleuen. 

3Kein §eim. Äantp. 

Sor 23etjhnachten. Kar! ©erot.. 

©anct SUcolau«. 

Sßintergäfte... 

2öer nie fein 93rob mit Thränen aft-. 

Ter grofje Kampf. 

Dfteriubel. ^ermann bon ber ©olfc. 

©te romrnen!. 

grühling. 

teilt ©ehernen nur ift biefe 2Belt. Stoch ^h*>nta« 

SJloore. 

Ta« Tifcbgebet. gr. ©üß. 

Sluheftünbchen. paul teugen. 

2ßalbe«ruhe. Margarete Treu .. 

Pom Peten.. 

2öer ift ber 2lermfte ? £ubtoig Pogel. 

9Äeer unb 2Belt. §. St.- . 

©laube unb Hoffnung, te. ©rumbaep. 

T)e Soggelt. 

Ter Sanbrnehrmann bor SJtefc. gebor b. Koppen 


1 

1 

5 

14 

69 

81 

169 

179 

225 

281 

297 

304 

412 

449 

490 

505 

514 

581 

640 

645 


Pufih. 


SBeihnacpten. te. Sleinetfe.. 54 

Ta« ©dnbalbenpäu«cpen. ternft ©ebparbt. 224 

3um gneben«port 21. ©auer. 335 


Jdatunoi|f(nfd)afUid)M unb @rtnttnnü^igts. 


tepriftbaumfepmud. 9lacp 2lnna graendel. 4 

Ter 9)lenfcp unb fein £eim. Tr. K. Stiemen* 

febneiber. 180 

Imerifanifcpe 3ugbögel. Tr. te. g. Paulu«. 230 


ädjuie unb (fqiepung. 


teprifttag in ber ©onntagfcpule. SWartin Pfaff.. 28 

SJtäbcpenbilbung. Souifa te. Stotpmeiler. 75 

Tie Söicptigfeit ber Kleinfinber*Klaffe. 2(uguft 

©cpeffel. ö ..:. 125 


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Seite 


Sugenbttmine. ßoutfa ©. Nothweiler -. 134 

§\igmbüd^ unb weltliche Vergnügungen % % 

Jtvller. 197 

Tr. ©hrtftlitb über ben Nupen ber ©omttag* 

jaulen. 246 

Gin Spiegel für ©onntagfchullehrer. 245 

Ti t ©Dingungen ju einte erfolgreichen ©igiehung 
mit Nüctftcht auf unfer beutfcheS Akrt §. 

SBöttc^tr.7. 318 

fdmte für Gltem unb Sebrer.354 432 535 

fcafct fte einanber unterrichten. J. V. 070 

SBarum fouten wir in unferen ©emeinben firt^iie^e 

Stpceen errichten ? gr. flopp. 372 

Vrügel unb Oh»1eigen. ^aftor D. gunfe.. 410 

Süie Vcbeutung beS ©pklS unb ber Unterhaltung 

:_ r*:..v-a _v r**.. u.:. v 


Gin Vrief oon SWr. ©labftoue übvr baS ©tubiuiu 

ber Vibel. Äienaft. 615 

SHätehenbUbung. ©mma §erjer. 683 

SBaS tann unb foll bie ©onntagfchule für bie ©e* 

meinte fein ? 3- SB. §enfc. 594 

Quellen, Anna Torr.. 644 


äornitagf^uUffktioiiftu 


Tie fconmelfahrt Ghrifti. 44 

Tie AuSgiefjung beS ^eiligen ©elftel. 46 

Tic ©laubigen. 48 

Sßunbcrbare öeilfraft. 50 

Ter gürft beS Gebens-. 101 

Nur m 3efu tarnen ift $ei(.. 103 

©laubenömuth-. 105 

AnattiaS unb ©apphira.- 106 

Noch mehr Verfolgung.. 158 

Tic fteben AuSerWäbUen. 160 

Ter erfte chriftliche SKärthrer.-. 162 

©imon ber tauberer.-. 215 

»hilippuS unb ber flämmercr auS HRohreulanb.... 216 

©auli Velehnmg-. 218 

©auluS oerfimbigt ^^riftuiu—. 220 

fBetri SBuuberWerfe. 221 

$etruS prebigt ben Reiben. 270 

Tie Ausbreitung beS ©oangeliumS. 272 

öcrobeS unb VetruS. 273 

VauluS unb VamabaS in ©ppern. 275 

§n Antiochien. 329 

Ru Stonien unb Softra. 330 

Gnbe ber erften NhfftonSreife.. 332 

£fofua, SRofeS Nachfolger-.. 380 

Ter Tuvchjug burep ben Sorban.. 383 

3frael jieht w>r 3eri<ho. 385 

fjfraelS Nieberlage bei Ai. 387 

Tie Vorlefung teS ©efepeS.. 389 

Tie greiftäbte,.439 

Sofua’S lebte Tage.- 441 

SfraelS Abfall... 443 

©ibeon’S £eer—. 446 

©imfon’S Tob-. 495 

Nuth unb Naerni. 497 

TaS ©ebet einer SWutter-. 499 

TaS Jtinb ©amuel. 501 

Gli’S Tob-. 549 

©amuel ber Nidder-. 551 

S frael oerlangt einen Äöntg. 553 

auf S ©rwäblung jum flömg. 655 

©amuel’3 AbfcbiebSWorte. 607 

©auf* Verwerfung. 609 

Taoib’S ©albung. 611 


Seite 


Tabtb unb ©oliath. 613 

©aul Tabib’S geinb. 663 

Sonathan Tabtb‘S greunb. 665 

Saoib verfchont feinen getnb. 667 

©auf S unb Sonaihau’* Tob. 669 


Um $amin uni) 3 m Sdjattfii. 

5an8 <Sa$8’ Älagc.. 108 

TaS Vennögen ber NoihfchilbS. 109 

Rwei ©olbaten. 109 

9öenn ein Kaufmann. 109 

AuS bem fceben griebrich VHlhelm IV. 109 

Abgefertigt. 109 

©ine ©vabfehrift. 109 

©S hat 3h nen Ö e 'chmecft. 110 

griebrich ber ©rof# unb ber $orff<hulineiftcr. 155 

J)ie Kommuniften. 156 

Äulturfortfchritt in ber ©chule.i 156 

SBiffen unb ©eioiffen. 156 

$aS wahre ©lücf. 156 

3öaS bie fchönfte 3Wufi! fei?. 156 

3BaS ift ein Affcrb ? % . 156 

Ru gufe oou ©an granjiSlo nach New ?)orf...?n<* 156 

Sie ©perlinge.. 156 

©in beutfeher fpänbebruef. 157 

Xrene im kleinen,. 157 

äßeltpeS fmb bie größten Äirchen ber Söelt ?. 325 

AvfeniMrffer.. 325 

Auch ein beutfeher Vrief. 325 

2?aS üreng bor bem Namen... 326 

©ine neue ©prache.7. 326 

©in iüebcSpärchen unglticflich burch’S ©laS. 326 

©chertfragen. 326 

Nach traurigen Sahrm. 326 

©in „tfopffiinftler" in Verlin. 326 

Albumworte Oon ©uijtot, HtyiexZ unb ViSntarcf,... 327 

Sübifch^beutfche ©prüchwörter. 327 

Vertilgung oon 3 utfef t»rrf in ben Vereinigten 

©taaten. 327 

Nupen beS gruhaufftehenS. 327 

Ter Name „XeraS"-. 435 

Tie Vitte beS VräutigatnS—. 435 

TheureS Nachbenlen. 435 

©etrumpft. 435 

Luther alS Säger. 435 

Slßiber bie ©tifette. 4^5 

©ine brol(ig*lompli 3 trte Heine ©trafeenfeene. 436 

Äameele in Auterifa. 436 

XaS NegenSburger NatbhauS-. 436 

9»attlb. ©laubiuS über oen Tob-. 436 

Ter ©änfefrieg. 436 

Toftor unb ©^ufter. 437 

Ober au nett... 657 

Auch ©runb. 657 

AIS ©uftaö ©chWnb. 657 

AuS ber SnftruHionSftunbe.. 657 

Tie SRutterfprache. . 657 

©in ©fei in eine Vlume oerwanbelt ?. 657 

©chiller. 057 

2öaS für’n Äopf ?. 658 

SNifiglücfte Vorficht. 658 

Nlan erzählt. 658 

Vfte ein llönig einem ^apft auS ber Vtbel anU 

Wortet. 658 

©in böfer Trucffehter. a58 

Voltatre’S Jlritit. 658 

TaS Alter. 659 

©auj einerlei.— —. 659 


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VI 


Snljnlt. 


Ifrauratritung. 


Sor trier Sauren. i>46 

©in bezüglicher Stathgeber. 546 

Sie refoluten Slmerifanertnnen. 547 

©efunbe SDttinner. 547 

Seftament eines SonberliitgS... 547 

SamemSuefle. 547 

Ser herein Sanbifin in ©erliit. 548 

©ine gute Seftion. 548 

öo^eiten in ©nglanb unb Shnerifa... 548 

Söer ift reifer?. 548 

©bie Stäche. 606 

©in flerital gefilmter frankofifcfyer SchriftfteUer... 603 

t rin^ Sflulab ©briS. 603 

leftiifcher Kochapparat.. 604 

Steijenbe Kinber. 604 

Sie. grauenftintmrechtSbemegung. 604 

Sie marteren SWäbc^en bom ©affar ©ollege. 604 

3u ber Samem©abeanftalt. 659 

3m norioegifc^en „§arbanger". 559 

grauenfeele. 659 

©ine Sßufcmacherin. 659 

Sie föniglicbe 3ucferfchale. 659 

Sie hocf>ariftofratifcbe Socpter. 660 

Ser Kronprinz bon ^reufcen. 660 

©in beroifcpeS SMäbcpeu. 660 

Sie ©riefmarfenjammelnmth... 660 

Sie Kirgifeu. 660 


jto Haufe. 

©ngüfdper ^lum^ubbing für ©prifttag. 42 

S iinp^ubbing. 42 

©afe.. 42 

Seine 6ommer=3Rettrnurft. M . 43 

Seifie SJfilcp. 43 

Stafenplafce. 43 

©latteiS. 44 

§ rifdbgefdüener Schnee. 44 

in 30ci4tcl für aufgefprungene $änbe. 44 

©ine $oftanh>eifung — feine Quittung«. 44 

®^^nng..164 222 268 

S£arge(*©eet. 270 

SÖte man Spargel focpt. 270 

; SaS tiefe 3tt§meii. 327 

liebet baS richtige ©inatpmen. 327 

Heber Saubeityucht-. 328 

The Coddling Motli. 328 

Sßftanjen^ür ©täber. 328 

ftängenbe Körbe. 328 

aühner=©holera. 328 

Ä>b ber ©lumen. 379 

Unfer ©efuep... 379 

Katarrh. 380 

Semon^ie. 380 

©oofteS... 38o 

Staupen auf SopanniSbeer^Sträucper. 437 

.‘. 437 

©arten* unb öüpnerzucpt für grauen. 438 

Spätigfeit ber grauen. 438 

Settp ©afe...... 438 

Silber ©afe.. 438 

©afoline Defen.. 438 

©on mancherlei Sonnenblumen. 438 

Ser Dleanber.... 493 

Sauerpaftc gence^foften. 494 

©hofara. 494 

©erftenfuppe für Krartfe. 494 


SteiS* unb anbere Suppen. 

©eeftpee. 

©ebatfene Süfcäpfel. 

Kopf* unb fcaaireinigung ber Kinber. 

SaS Scpnupfen unb bas liefen. 

$erbftpflügm. 

Wangen in Söpfe. 

©ommerblüpenbe 3 miebeln unb Knollen.. 

©rüne ©opneit eiu$umatbeu. 

Sauerfraut.. 

äöie man Sauerfraut foept. 

©ine anbere ©fcife Sauerfraut 311 foepeu.. 

Kartoffelmus. 

Ser Keller.. 

Stangenfellerie 31 t überminteru. 

Scpmeinefleifcp 3 um Stauebern eimupöfeln. 

Dbft=©ffig.ü... 

billige unb bauerbafte ©ifterne. 

Sinb .»JlbifcpemSKaptyeiten nachteilig?. 

©in SWittel gegen SJtcttenfraj*. 

Ser ©influp eines großen SlianneS. 

Sie eigene ^eimatp. 

Scpmäfcer im ©otteSpaufe. 

S uU Korn. 

eflügel. 

Sie ©pefepeibung. 


Seit« 

494 

494 

494 

495 
495 

557 

558 
558 
.558 
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558 
558 
605 
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605 

606 
606 
606 
661 
661 
662 
662 
662 


Qtyronik brr (Srgrnnmrt. 


SÖie bie Söelt bie Kirche benüpt. 51 

©S ift eine bollftcinbige Süeberlage. 52 

Sie §auptbertreter beS grauenftimmrecbtS. 52 

©on ber ©ibtlbienft*Steform. 52 

Sie liberalen in Seutfcplanb. 53 

Sie ©ürgerrecptSfrage. 53 

SaS bei.tfcbe SünglingSfeft. 53 

Sonntagsruhe. 53 

Ser SMbcpenpanbel in ©nglanb. 54 

Sie Arbeiter in ©erlin unb Söien. 110 

©ute ©rüber, aber fcplecpte SWufifanten. 111 

©rutale ScbaufteUungen. 111 

Söiffenfcbaft unb ©enuS*Surcpgang. 112 

Söopin ber Sp 3 ialiSmuS führt. 112 

©in grofeartiger Sßohlthäter. 112 

Sie SDRethobiften in ©anaba.. 166 

©ine Sonntagfchul * ©onbention in ber ©erliner 

SomftiftSfapelle...... 166 

Ser ©harafter ©ambetta’S. 167 

SaS fSaffionSfpiel.....**. 168 

©in ©ibübienft'©efeb. 168 

Sie Semperei lagefefce in Stormegen. 168 

Ob eS einen Satan giebt?. 277 

©ine Spazierfahrt über baS SDteer«. 277 

Slmerifanifehe gollerfnechte.. 277 

Heber bie englifd)en Kaffeehäufer. 278 

©in ©tlb ber Söeltbame«.... 278 

lieber bie Singeltangel in ©erlin. 279 

SeS SichterS bon “Home, sweet 1 omc” enbliche 

Heimfahrt.... 279 

lieber baS ©orfommen ber Sonntagsarbeit. 280 

©Jieber ein öaienprebiger auS ©nglanb. 280 

©ntfebiebene SJiafjregeln gegen bie Srunffucht. 280 

Sie Hnfitte beS Opiumrauchens. 280 

©efonbere grühgotteSbieufte für Srpfchfenfutfdher 280 

giaSfo... 333 

©eter ©oeper... 334 

Kaifer unb ^apft....,..!... 334 

©in füvftlicher Spb. 391 

Kaifer, Kanter unb'Sogialrefonn. 391 


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änljalf. vii 


et\u 


gerbröcfelung Gnglanb*.._.. B91 

Unocrfchämt... 392 

SÄatjr geiprocben. 392 

Kalifornien... 392 

$Ba* bi« ißirthe tollen. 448 

(Siut gute Gelegenheit für bie Demctraten in Ch™ 448 

(rine junge Hinbun>iitn?e. 448 

3« Srafilien. 503 

Hm Stanleppool. 503 

$tahtocrn>anbtfchaft jmifchen Ghinefen unb 3* s 

länbem. 503 

Die granjofen. 503 

Gerparb Stoplf* Steife nad} Hbefftnien. 504 

Sttouopol ober Gentralifirung ber Stegierung** 

gemalt. 559 

Da* echte ainerifantfche Duell. 559 

Ueber bie Grünbe ber Haltung be* papfte* gegen 

bie preufeifcpe Siegierung-. . 560 

Stürme, Ueberfchmemmungenlutb Staturereignifje 560 

Die Hnterifauer. 560 

Gm guter 3uftaub ber Dinge. 615 

Sutperfeier m Deuticplanb .. 616 

Gin gran$ofe über »merifa... 616 

Die Storb:Pacifk-'Salm eröffnet. 616 

Die Stetpobiftcn in Ganaba. 671 

9tt<ht&lönner in ben Sereimgteu Staaten. 671 

'Der Hu*gaitg ber Wahlen in Dpio unb Sotoa.... 672 

3}ol;fd)iiiHf. 

* 

Die Geburt Gprifti. 3 

2Bcipnacht*glocfen. - 5 

Ginbringen be* SBeipnacptöbaume*. 5 

Äinbcpen* Weihnacht. 6 

3öeipna(ht*tratim. 7 

Der Sikipnachtsfterii unb bie SBeifen. 9 

Da* Srob Gottes. 21 

3- S. Drate„. 26 

g. G. HaUerf. 26 

Hallecf* gamtliemSegräbnißplafc. 27 

Stübe*peim unb ©cplofc 3oh‘mni*berg. 57 

Hblertpurm in Stübe*beim. 57 

Sliibc*heinter Klofterpof.:. 57 

SJtäufetpurm. 58 

Gprenfel*-. 58 

Singen. 58 

Stpemftein. 59 

H©pnecf. 59 

Gfonen&Kapelte unb galfen&urg.~. 59 

Dhünn unb Dom in Sutbornacb. 60 

innere* be* SCnbernacper Dom*. 60 

Surg Hnbernacb. 61 

Stabttpcr in Snbernacp. 61 

Heufeere* ber Kirche in Sinnig.. 62 

3mtere* ber Kirche in 6üi$ig. 62 

ttnj: Obere* Stabttpor. 3ft^eint^or. 63 

Gtpeler Sei. 63 

Hu* Grpel. 63 

Son Grpel nach Remagen. 63 

SBintergäfte. 69 

Gbarle* genito <poffmann. 72 

G. P. SWorri*. 72 

9t. p. SBitti*. 73 

Gulian G. Serplancf. 73 

Skr nie feiii Srob mit Dpräuen afe. 81 

6t. Waria*Kirche gu Ojforb... 118 

Granmer’* lebte Prebigt. 120 

Denfmal ber SRärtprer. 121 

6trafeburg. 127 


Sfite 


Otilienberg mit Klofter. 128 

Der Heibenteiupel. 129 

Safe micb frühe hören beine Guabe. 135 

Stöbert Strambribge.1. 170 

Stöbert Strambribge* Slocffircpe. 170 

Die Steüitapelle. 171 

Hauptmann &>ebb. 171 

Sarbara Hed.*. 171 

^hiHty Gmburp. 172 

Gmburh * SBopnpau*. 172 

Kiggiug Lolt. Dafelboben. 172 

Skälep Kapelle, S^h* 1 Straße, Stern S)orf. 173 

feiitteu Wohnung ber SJtenfcpen. 181 

Sllteghptifcbe gelfemoopnung. 182 

Slffprijcpe* SBopnpau*. 183 

SUtgriecpifcpe* SBopnpau*. 184 

Sauernpau* im baOerifcpen Hochgebirge. 184 

Herrenpof in granfrekp unter ben Steroloingern.. 185 

21 . SKlforb Hflü. 190 

Der amcritanifcpe Stobiu (Stotpbruft). 230 

Geflecfte Droffel (Mottled Tlirush, Brown 

Thrnslici). 231 

SBalbbroffel (Wood Tlirush)... 231 

SöltintoreOogcl (Baltimore Oriole). 232 

Kafeenoogel (Cat-Bird). 232 

Gra*müde (Warbler). 233 

Golbfinf (Goldfinch, Yellow-Bird). 233 

Kolibri (Uumming-Bird). 234 

SlauOogel (Blue-Bird). 234 

Grfte SJfetpobiftemGonfereua. 239 

Grfte SJtetpobiftenprebigt in Saltimore. 240 

Hartlep im Gefängnife. 241 

Snnere* ber Kapelle an Stramberrp Gaffe. 241 

Hbbott im Jerfep^öain. 242 

Hrrettrung eine* 2)tethobiften. 243 

Die H^hfluih unterhalb Gincinnati*. 259 

Die größten Säume ber Gibe unb bie höchften 

Sautoerfe. 286 

Die 2)tammuth*fichte Galifornien*. 287 

2lfrifanifcher ^lalmbaum auf 2)tabaga*lar. 289 

Stiefcutaju* bei ber Hbtei gountain. 290 

Sjtefem Krieger. 298 

Opfernber a^tefifcper ^Iriefter. 299 

Gute Stacht. 303 

SJtännliche Drichineu. 309 

9)tu*felfafern mit Drichinen unb leibliche Drichine 310 

3m Korn. 340 

granct* H*burp in jüngeren 3nh ren . ^4 7 

Hau*, in Welchem 2l*burp feine guginb Oerlebte.. 348 
SWantooob Hau*, Hnnöönjorth, Stafforbjhire, 

Gnglanb. 349 

Dr. Dhoma* Gote. 351 

Die Kapelle am SooetyGäfechen, Saltimore, ©ifc 

ber erften GeneralGonferem 1784. 352 

Da* alte ^farrhau* an ber Sightftrafee, Saltimore 352 

H*burp in Oorgerücftem HUer. 353 

Die 2)to*lite. 361 

Die gvofee Hängebrücfe über ben Gaft SUoer gn>i- 

fcheu Stelo S)orl unb Srooflpu. 369 

Pfahlbauten. 398 

Dhongefäfee. 399 

Seglättrte Setlhämmer. 400 

gifch unb oerenbeter Hi^fch; S^ifhnungen auf Ge* 

meihftücfe. 400 

Geflechte unb Getoebe au* ben Pfahlbauten. 401 

Kleine Stäuber unb ihre Surgen. 406 

Die Spinne unb tyr Step. 407 

Der gufe einer Sptnne, oergröfecrt. 407 

Spinuapparat. 407 


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vm 


Snljalt. 


einer 3 Jogelft>inne. 

2) cr Slmeücnlöwe unb feine Salle.7 

$er 9 lmeifenlön>e bermanbelt.77 

2>anfgebet ber ©Knitter. 

^^©A^^nit ber unb b#m alten 

©tuttaari, bie neue ©arnifonftrcfye«. 

3 ) ie „Üöiltyelma" bet ©annftatt. 

öeilbronn, 9 )iarftt>lafc unb WatbbauS. 

©tyuäbifcbe öo%it. 

„ 5 öilobab" un ©cfymantoalb. 

Tübingen, ba£ alte ©cblofc. 

&<tytenftein. 

2)er 9 Menfcf> lebt nidjt bont $Brob allein.. . 

3 Wontblanc:ftette. 

©enf... 

StoffonS s Ü^etfdjer. 

öefteigung beS Montblanc.7777 

©c^lop ©biHoit am ©enferfee. 

©rofjmutter unb ©nfeliit. 

(Siugang 31t einem ©c^into^Xempel... 

©in ©djinto=Tempel. 

©in Xembeltfyurm. 

©in ©rabntal. 

©in ^oefoeit^aar.7... 

©in ©cfyinio-^riefter.77. 

©ine £än$erin.” 

2)er ©teinboef. * * 


Seite 

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518 

519 
519 
526 


Sftarffcur (Capra Megacero«)... 

©aftmere^iegen...7777. 

5 er 2? ,,l S b (Ammotragus Tragelaphus) 

2)er Coupon (Caprovis Musimoii).... 

*ut$er unb grau llrfula ©otta... 

2uC in ^m 3 . a ^'.. e ‘ an . bbUb >“ -••• 

grunbeberg unb iutyer.7.. .7.7. 

©infam auf ber S&irtburg.!. 

^uttyer tritt in ben ©tyeftanb. . 

2)r. SJtortinuä, ber Jlinberfreunb.777! 

£utf>er als Matedbet unb ©t^ulmeifter. 

2>r. £utf>er, ber ©angmeifter. 

9iiefen^aUe berSura^§öble.....!.7...... 

Orgel m ber Vurab=$>ityle.777 

©ern in ber ©djtoeiv. 

X^un im ferner Cberlanb.77777777! 

2>te Söerner Silben.. 

»uf ber Älm. .7...!!!...!.. 

2>er Slofenlaui ©letfetyer.7777777! 

2)a§ ©rimfel fcospifc. 

2>r ©ie&batfi..7777 

2>ie ©c^iefebene-Skityn junt ©ttefcbad;..7 

Slnfic^t ber ©tabt ©afamicciola auf J^cbia bor 

bem ©rbbeben.'.. 

©rbbeben auf 3&bia.. . . 

Sluegrabung bon «erfd&ütteten in ©afamicciola 
burdj ©olbaten. 


©eite 

527 

528 

529 
529 
5^1 
5 J 

563 

564 

565 

566 * 

567 

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570 
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1 



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gifter pan». ZßeißnaQUnummet 1883. ßrftes c C>cft. 



Vew zum 3 V*t t&u. 


fpocfc oßetv oc&a/w, cni^ 

|^|officw wizb bcz t^ixwwveX Wau,, 
f^u/vcfi ^Siidtevi^<ww6 a/uf x<M4<ftar c&afttt 
^elvt’cv mblich bocfv vuxctx ^cvvuxoav. 



( 3 «w Sta$lfti<$). 

m Kreife ber £icbe, ba roeilt es fid? gut, 

Da meinet ber ^rieben, ber Weitere flTntfy 
(Ein inniges Streben nur, fid? 311 erfreu’u, 
Durd?bringet ba alle im febönen Derein. 


fyier nid?t ber Fimmel auf (Erben 3U felj’n, 

IDo mag bann fein 6aud? uns fyienieben umme^’n? 

EDie 3ie^’n ljier bie (Engel fo freunblid? hinaus, 

Unb Fommen fo glücFlid? 3um feligen bjaus! 

21 . Kamp. 



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2 


Je|tgebanhrn. 


lö ieftgebanlmi. 5s 

@bitor. 


ebanfen finb eö, bie ich aiteinattberreihen 
mödjte, foroie fie mir gefomtnen finb beim 
|>eranitahen ber fe|tlid)eu 3 c *t- 2Öer beß= 
halb eine laitggefponiicne '.ßbburtDtuitg flicht, ber 
fdjlage bicö '-Blatt um. 

2loer — Jeftgebaitfeit in unfern innen? 
203er fann beim in biefer leßten, betrübten 3eit, 
ball ©lettbö, Verbrechen, Schinerg unb £)ergeleib 
noch feftlidh geftimmt fein? Planen füllten mir, 
wie bie jubelt an ben VJauerti ^erufaletns; 
Sufee tljun in Sad unb in ber 91fd)e ; '-Bußtage 
galten, anftatt hohe Ueftjeiten bernnftaltcn. 

2llfo fpred>en nicht men ine, beneit bie 9iotf) ber 
Wenfc^enroelt gu bergen igefft. Unb roeitn mir 
uttö nurunter ben 'JDienfc^enfi.tbent uiitfchanen, 
roenn unfer Slid nur auf ber ©rbe unb bem 
Jreiben barauf haftet, ba erfpäht man aller= 
bingö üerhältnißimißig nur weniges, baö ben 
^efttagöjubel fchaffeit fönnte. 

vlber unferc &efte, baö ©IjrifttagS* unb 9teu= 
faljröfeft rufen unö ja gu: '-ttufgefchaut nach 
Oben. £>at ja fchott ber große fjefttagömann 
Cutter nefunnen: 

„Dom £jimmel hod), ba fomm id; her, 

3<b bring citd; gute, neue ITtäbr. 

Der guten ITtäljr bring id? fo fiel, 

Daoon id; fingen unb fagen tnill." 

. Unb als 3?rau Äätfje in etroaö freubelofen 
©ebanfen an einem 2Beihiutd)tSabeitb einmal 
fagte: ,,©ö ift bodj alles Jhctig auf ©rben. 
©teilt nid^t aud) ber ÜBeiljnnchtöbaum fd)on utt= 
ferS £errn ©fjrifti ftreug oor, £>err Joftor ?" 
Da antmortete biefer „Veroafjre, $ätbe. ier 
fteßt oielmefjr ben 'S?tuminbanm ttnfereö |>eU 
ianbö bar, Welchen oben in ber Spißc baS größte 
Sicht anbeutet, roahrenb eö unten fiufter ift, bie= 
toeil ba eigentlich 'ilbant unb ©Da fteben müßten, 
roie fie bie Solange gur Sünbe uerfüfjrt, meid)’ 
erftere {id) berbalbert um ben Stamm ringeln 
faßte. ®urd) ©otteö ©nabe ober bürfen mir 
baö Äripplein mit bem Stinblein ßinfteflen unb 
— 8?efttag galten." 

3fa mc|l, b’ruin bürfen unb foßen mir $eft= 
tag Ratten; b’rum finb bie 3?efttagögebnnfen nicht 
bläß berechtigt; nein e§ mär’ eine Sünbe, meint 
mir feine hätten. 93on Oben, bom ftimmel her 
fommt baö 3fefttagölid)t, bie ftefttagöfretibe unb 
Der Hart nicht aßeitt bie fjinfternijj ber ©rbe, 
fonbern befiegt fie aud). 

2Ber bie SäJelt in 3hm betrachtet, in welchem 
bas geben, unb ber baS Sicht ber flienfdjen ift, 
bem mirb baö Seib biefer 3eit meniger leibooll 
erfcheinen. ©r gemährt in ber triibften Sdjntcr= 
jenSfammer beit göttlichen Sichtftrahl; es fließt 


ihm im trodenften 233iiftenlanb ein h'mmlifdjer 
Vriinnguell, unb bie Äummerfteine beö ©rbetu 
lebeits merbett leicht, roenn man in biefem 
Siebte roanbeltib redjt üerftehen gelernt, maß baö 
Scbriftroort meint: „Me eure Sorge werfet auf 
3h»> bentt er forget für euch." öelbft in ber 
Jobtengruft fteljt beö ©hriftbaumö tjeüe Seuchte 
unb geugt baDoit, bafe 6r, baö Sehen, aud) itt 
bie fiufterfte 9tadjt Sehen bringt — „©hriftuö 
ber Dtctter, aßen ein £)eilanb unb fjreunb." 

3roar roirb baö tjeßfeheinenbe Sicht bon ber 
Jinfteritiß nicht begriffen, fonbern oerachtet unb 
betämpft. Oie fid) im Staube roinbenbe Schlange 
fleht nicht ab oott ihren 33erfucf)en, baö £aupt 
gtt erbrüdett, unb ihr ßtingen roirb bann unb 
roann auch oott geitroeiligem ©rfofge begleitet. 
9lber fie bringt eö bentt hoch nur gur fjerfen= 
oerrouttbuttg, unb bie fDtittterberheißunjg beroahr= 
heilet fidh täglich, baß beö SßeibeS Same ber 
Schlange Same ben Stopf gertreten roirb. ©iitft, 
gutti «d)luß ber £ei(ögefd)ichte, roirb baö Sicht 
bie ftmfterniß auf croig in ben 9lbgruttb ftürgen. 
25ßir fehlten ttttö nach biefent ©ttbfiege; mir freuen 
unöbaranf; fepen aber guflleid^^eute fchon bie 
Siege beö Sichteö. So oft eine c^eele bom Oobe 
gutn Sehen bringt, fo oft erhält featan eine 9iie* 
berlage; fo oft bie chriftlidje Stinte einen Slltar 
ber SBahrheit aufrid)tet, fo oft muß ein Stücf 
fjfinfterniß fittfett; fo oft bie 'JJiiffion einen 33oten 
in» öcibenlanb feitbet, fo oft ergeht att bie 3i»= 
fterniß eine erfolgreiche $rieg$erflärung; fo oft 
eine Butter ihrem Stiube bom etoigen Sichte fagt, 
fo oft roirb roieberum eitt empfänglich 5Jtcnf<hen= 
fjerg erleuchtet; fo oft ein 'fkebiger oott ©tjrifto 
geugt, eitt gläubig flittb ©otteö betet unb ein 
chriftiicher Sänger fingt, fo oft ift eilt Weilenftein 
beö Sieges über bie f^infternift errichtet. 

UÖir roarten nicht bloß auf ben eitblichett 
Irinmph; mir feßen ben Siegcögttg ttnfereö $eU 
lanbeö täglich Dor91ugen. 23}cj?halb betttt füllten 
roir nicht ^reubenfeft feiern ? 9lm hfrrlidhftett 
aber roirb biefe fjreube fein, roentt baö einige 
Sicht itt bir gutn Sichte geworben, roenn ©hriftuö 
itt bir ift bie Hoffnung beö etoigen Sebenö. 

9)Jit biefem etoigeit Sebett in mir feiere ich 
fröhlich 2ßeihnad)teit unb fröhlich 'Jlettjahr. @r 
ftillte baö Seib im alten, ©r trodnet bie ^hränen 
aud) im neuen 3dh*; ©r hat ©ebet erhöret, er 
höret mich imtnerbar; @r führte feineÄirche, 
unb 6r ift bei unö aüe Sage biö an ber 2®elt 
©ttbe; @r ift in aßen otüdeti unfer treuer ©ott 
gemefen, ©r roirb unö auch ferner führen, felbft 
über ben Job Ijinauö; benn er heißt „3efuö 
©hriftuö, geftern unb heute berfelbe, unb aud) in 
©migleit." 



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3 


PU «tburt (fljriltt. 



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4 


ttljriflb autn fdj tuudt. 


ßljriltbnumfiljmiidi. 



Had) 

^fmto $rarmte(. 

t. s J?ifolaS fommt halb 
unD Da ein herrlicher 
Gbriftbaum hcrftcrid>= 
tet uierben foll, ber 
nicht üicl foftcu barf, fo 
wollen wir fnr^ einige 
hübfche ®eforatioiten 
bes SannenbaumcS 
anbeuten, oon 
benen manche 
allerbiufld be= 
fannt fein wer= 
ben. 

5ür bie Gin= 
gangSthür beb 
©eibnahtS^ 
gimmerS Icißt 
fiel) leicht ein 
icböneS ®ranS= 
parent hcrftel= 
len, gu welchem 
Die Jtnaben in 
iteifer grauer 
Sappe eine paf= 
fenbe 3ufdjrift 
auSfhneiben,g. 
S.: «Gbte fei 
(Mott in ber 
frohe!" ober: «(Such ift heute ber freilanb geboren!" 
— Beber ber hohen Sudjfiaben wirb mit geöltem 
Sapier binterflebt, unb gur Beit burch bicht hinter- 
geftellte Siebter beleuchtet. ®aS XranSparent !ann 
etwa ben vierten ®beil ber «Ehür auSinahen unb 
nimmt beren gange obere AuSbebnung ein, wäbrcnb 
ber untere ®heil burch mit Nägeln befeftigte bide 
Sucher ober Sorbänge oerbedt unb oerbunfelt wirb. 
3n Dem 9taume, oon welchem auS bie Schrift ge= 
fehen wirb, barf fiel) felbftoerftänbüh fein Sicht be= 
finben. 

®eit Saum ftcllt man womöglich oor einen gro= 
feen Spiegel, waS ben Gffeft beffelbcn oerboppelt. 
®er übrige fRauin beS 3itntnerS wirb burh bie ©e= 
fhenftifhhen auSgefüllt, über welche fich hübfehe 
fleinc Sauben wölben fönnen, bie auS ®annengwei= 
gen, in Söpfe mit feuchtem Sanb gefteeft, hergeftellt 
unb mit Sichtern reich gcfdnnüdt werben. 

®er SSufpufe beS SaumeS felbft fann aufeeror= 
fcentlih oerjcfjieben auSgefübrt werben. 3n frühc= 
ren Beiten oergolbete man hauptfählich eine Menge 
Aepfel unb 'Jtüffc, fdjnitt Sapieritefee auS, flehte 
SBacbSlicbtcr mit oieler-Mübe an bie Bweige, an 
benen fie nie gehörig fefthalten wollten, unb be¬ 
hängte übrigens ben Saum mit fclbftgebadenen 
Sheefuchen unb Släfehen. freutgutage hat unS bie 
Snbuftric aufeerbem eine Menge reigenber Sahen 
sum Sbriftbaumfhmiuf gegeben. 

®a finben wir juerft allerlei hübfhe Gbrtft= 
baumieithter mit unb ohne Seberbefeftigung, in 
weihe buntfarbige Sarraffinfergen gefteeft werben, 
bie oiel längere Beit, alS ©adj^ftodlihte, brennen. 


Statt ber oergolbeten Slepfel unb 5Wüffe ober gum 
©ebrauh neben biefen hat man wunberfhöne 
©lasfugelu in allen Sarben, nebft ©olb unb 
Silber, aud) burhfidjtige, oon oorgüglicher ©irfung. 
®enfelben reihen fid) Die täufhenDen 92ad)abmungen 
oon jrühten an. Son ben neuen Sdmiudjachen 
oerDienen gläferne GiSgapfen in ÄriftaU unb 
Silber Empfehlung, ferner allerlicbfte filberfarbige 
©laSgloden, weihe bei ieDcr Serührung ber 
Bweige in oerfhiebenen Sönen Hingen. 

©ir laffen hier nun bie Schreibung einiger 
felbftgufertigenber AuSjcbuüidungojäcbelcben folgen. 

Sehr leiht berguftellen finb Ät ö r b ch e n, bie auS 
gebrauchten Softfarten ober Dünnem Gartonpapier 
gefd)nitten, mit einigen Stuften gur pafjenDen 3*omt 
gufammengenäbt werben, weihe Art Der Scrbinbung 
oiel Dauerhafter ift, als baS Bujammcnflebcn. Bum 
frenfcl wirb Die SflPPe hoppelt genommen unb Die 
Scfeftigung ebenfalls burh einige freftftihe ge= 
hübet, frat man in biefer ©eife 1 bis 2 ®ufeenb 
Ätörbhen angefertigt, fo werben fie innen mit weU 
feem, äugen mit filbernem ober buntfarbigem Sapier 
beflebt. ®ie Füllung biefer Ä erbeben gefchieht am 
heften burh fleine fpafehafte Bucferfiguren, Denen 
auh Bettel mit SerShen ober Sejiergegenftänbe 
beigefügt werben fönnen. 

Gin Saumfhmud, Deffen Schönheit niht leiht 
burd) etwaS anbcrcö übertroffen wirb, finb weifee 
Silien. 3bre Anfertigung, ift ebenfo leiht alS 
amüfant. Son gutem, bejonberö weifeem Schreib^ 
papier werben immer 5 bis 6 Slätter ciufeinanber 
gelegt, unb gur ftorm beS SilicnfelheS auögefhnit= 
teil. ©obl su merfeu ift iebod), bafe bie Siumen 
nicht in ber Mitte gefnidt werben, fonbent gang 
bleiben muffen. ®ic gleiche werben nun burh baS, 
an ber einen Seite etwas oorftehenbe Oi'anDcheu gu= 

I fammcngeflebt unb bie Spifeen ber Slätter bis gum 
Ginfhuitt über einen Sleiftift nad) aufeen umgeroüt. 
Bum größeren Shmud Der Siumen wirb nun noch 
ein — allerbüigs nicht ber 9iatur entjpredjenbeS — 
Staubfäbenbüfdjel hergeftellt, baS auS fehr oielen 
Streifen frlittergolb bcftcht unb mit einem feinen 
®ratb fowohl gufammengebalten alS auh in ber 
Spifee beS ftelheS befeftigt wirb. 

®aS Sefeftigen aller auberen Sad)en, befonberS 
beS BucferwerfS, fann man fid) aufeerorbentlih cr= 
leidjtern, wenn man bagu ftatt ber ©arnfäben ben 
bünnftengeglühten ®raht, fogenannten Siumen^ 
Draht, nimmt. ®erfelbe wirb in Stüde gefhnit= 
ten, baS eine Gnbe umfchlingt bao Ätonfeft, baS 
anbre ben Bweig. ®en bunfeln, gang feinen 
®raht fieht man am Abenb nid)t, unb Die Sahen 
fheinen jomit in ber Suft gu fhmeben. ®agegen 
machen bie käuflichen, fpiralartig gebrehten glan= 
genben ®rähte einen fehr ftörenben Ginbrud unb 
finb nid)t gu empfehlen. 

3ft nun in biefer SBeifc ber gange Saum fertig 
angepufet, fo fhlingt man alS allerletzte Serfhöne= 
rung noch ,,G hriftfinbleinS fr aar" um bie 
Spifeen ber Biocige. ®iefen garten, gauberhaft 
wirfenben Sd)inud hat man erft oor einigen fahren 
•auf ben Marft gebrad)t unb fanb bcrfelbe überall, 
wo man ihn anmenbete, ungethcilten SeifaU. ^eine 
lange Silbcrfäben giehen fid) im Sogen oon einem 
Bweige gum anberit, gart wie Spinnwehfdileier, 
aber im fiicbterglang wunbcrooU fhimmernb. 


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■«mitlif: 




Por XDeihrtadjten 


ZTun 3 ätjft bas Kittb bic (tage 
Bis 31 t bcr iteU’gen Zlacbt: 
„£icb IHütterleiu, 0 fagc, 

IPas mir bcr dtjrift gebracbtl" 
Hub menu bcr Hbcub graut, 

So ftcfyt cs oft im PunFelu 
Des <£tjriftfiubs ^liigcl fnufelu 
Pas burdj bic Scheiben fdjaut. 


illfommeu fjolbe IPocbcft 
Der iiatj’nbeu lPeiljnad?ts 3 eit, 
Wo taufenb fjcr 3 cn podjcit 
3 n ftiüer Seligkeit! 

<£> bringt mir euer (Slücf 
t>oü tjeimlidjem Belagen 
2 lus golbneit Kinbcrtagcit 
ZTur einmal nod? 3 uriitfl 



£)or SBtiljnadjtett. 


Zlun finnt unb forgt bie liebe 
Unb füfi ift it^re lUiUf’; 

XTlait fpiirt ein ftill (Setriebe 
3 nt fjaufe fpät unb frul?: 


Das Kinbleiti lad?t im draum, 
Die Ututter roadjt, 3 U fd^mliefen 
mit beimltdjent (Entwürfen 
Den bunten IDeibnadjtsbaum. 



Hun mag ber tDintcr ftiirntcn: 
Dtan fdjäfct fein ftdj’res Dad;»; 

Klag braunen Schnee fid? tbürmen: 
Dtan märmt fid? im (Scmacb; 

Dtan riicFt bei lampenfebein 
Um bes Kamines flammen 
ttur inniger jufammen 
3m trauten Kämmerlein. 


Hub ob ber dag ftcb Furzet: 
Dtan fit^t am di leb im Kreis, 
Den langen Kbenb roiirjct 
(Seplanber laut nnb leis, 

Dtan träumt unb ftüftert fad?t 
Don tanfenb ßerrlicbPciten, 
Die beim lieb ftcb bereiten 
3 nt bttn Pein rdiofi ber ttaebt. 


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Ber Peiljnod)t8flttn. 


7 


Unb ift bie Seit ooüenbet, 

Sie ftefyen roie im (Eraum, 

X^etgt’s: „Kinber, Fommt fyereiitl" 

Sie fetj’n tyr Füfjnftes fjoffeu 

Wie finden fte, geblenbet 

(Erfüllt unb übertroffen 

Dom golbnen XPuttberfdjein! l 

21m litten IPeiftnacfytsbaum. — 





„Elun, Kinber, foinmt fyereinl" 



Per Plcilfimdfteftmi. 

Sott 3t. SrieS. 


eibnadjten 
tonr’s nnb 
bie flartje 
üanbfcbaft 
inffieifige» 
fleibet. 
Sl'eit unb 
breit batte 
ber liebe 
©ott f?elb 
unb f^Iur 
jugebedt 

mit bem roarmen ©djneebette, barunter Inlett 
fteime unb ©räSlein toie fc^lafenbe Äiitber unb 
träumten »ott Srübling unb Sluferfteben. 9?ur 
bie SBöfllein bitten fnabpe 3eit, bocb formte ber 
Sater im C>immel auch für fie. £>in nnb ber 


im ffialbe unb unter ben ©eefen gab’S fable 
«teilen, too ber ©cf)nee nicht bingefatlen mar, 
ba lag noch manches öergeffene Äörncbeit nnb 
®eerlein, unb Dor ben offenen Drefcbtenncn mar 
eine reichliche Dafel flebecft für biele ©äfte. 

9tun mar’S heiliger ©briftabenb. Die ifölte 
mar nicht fo gar empfinblidj, menn man bie 
©cinbe in bie Saften ober unter bie @<bürje 
ftedtc. ©ine grobe, heilige «title breitete fidj 
über bie 2öelt. S3om SBalbe briiben t)orte man 
allerlei unbeutlicbeS klingen ; mar’S ein bäm= 
ntevnbev ©peebt, ober maren’S bie lebten Schlage 
ber ©olsfcider, bie nun auch fyeicrabenb machten ? 

Die ©onne fanf immer tiefer. 99?an fonute 
ihr in’S glübenbe 'htgefiebt feben, ohne ju blitu 
Sein, ^efit fchaut fie in bie fjenfter ber ÜWiible 
bort brüben, bafj fie ganj bergolbet aufleucbten ! 


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8 


Her Peüjnfldjtafhm. 


3eßt berührt fie ben ©aum ber Oannenroanb 
brüten auf bem ffahenjugc — bie 2Bipfel ragen 
roie jadige ©pißen in bie rotlje ©d^cibe! 3>eßt 
ift fie bahinter berf unten, über fie liegt nod) auf 
ben jenfeitigen Sergenjmb burd)i'öll)et ben auf« 
fteigenben Saud) ber öc^ornfteine. 

SIt)or beb unterließen ©eljöfteS fielen jroei 
Äinber, ein nabe unb ein Ntägblein; baS 
!jfaföble ift acht 3ahve alt, unb bosnischen jäljlt 
fehfe. 33eibe blidten mit großen, blauen Sugen 
in bie finfenbe ©onne. 35er 3fange bat eine 
rothrooflene ^ipfeltuüße tief über ben ffaahMopf 
gejogen, unb bem Stäbchen bat bie forglicße 
Ntutter ein Üüdflein über ben Jfopf gebunben, 
als bie Sfinber burhauS bingeben roollten, ben 
2Beil)nad)tSftern ju febeit. Öer tommt nämlich 
gleich hinter ber <©oitne her, wenn fie jur 9tub’ 
egangen, als müßte er bie ©hlaffammertljür 
iitter ihr fhließen. 

'über ber ©tern mußte gar nicht tommeit. 
OaS SOßarten freilich mar ihnen nicht fhroer, 
benn bie ganje Sßelt bor ihnen mar ja bofl Sicht 
unb ©lanj, nicht bloß bon ber untergehcnben 
Sonne, ionbern biel mehr noch bon ber 2öeih= 
nacßtSfonne, bie ihnen bie ©eele burchleuchtete 
unb burdjglühte unb crft recht ftrahlen follte, 
roenn bie anbere ©onne hinabgefunten. 

SBotn frühen Ntorgcit an mären fie boü un= 
auSfprehlih füßer SBeihuahtSgebanlen unb ©e* 
fühle geroefen. Schon beim ©machen hatte , 
baS 3faföble bor ffaeuben ganj merfroürbige | 
löne auSgeftoßen, fo baß 6lSd)ctt, noch halb im 
Oraum, meinte, ber ftaljn frühe in ber Kammer. 
Oanit hatte er ihr jugernfcn: „2Ba<h auf! mach 
auf! 2üeihnacht! SBeiljuaht!" 

£>ernad) hatte bie 33afe, bie immer megen ber 
©id)t mit berfriimmten Rauben am Ofen faß, j 
aber eine ganj beße ©titninc hatte, ein rounber« i 
fhöneS 2Beil)uahtSlieb gefungen, baS höb an: j 

Uebcr’m Kripplein ftefyt ein Stern, 

(Sieget aus ben milben Schein, 

(Sriiget 3 e fum <£tjrift, ben £Jerrn, 

Unb btc 3ungfrau fjolb unb rein 
fjätt’ bod? jebe Seele linb 
(Sottcs unb Klarten Kinb! 

$»nn mar ber üag ganj langfam hinge= 
gangen. Oie Ntutter hatte mancherlei ju fdjaffen 
gehabt, unb Nachmittag«? hatten beibc mit bem 
Äanbfchtitten einen ©ad SÖeijenmeljl für bie 
tfafttage aus ber Ntiihle geholt. OaS mar eine 
luftige ^nhrt! @(Sd)en hatte fidtj auf ben ©ad 
gefeßt unb mar roie hingeflogen, babei freilich 
aud) einmal jiemlid) unfanft heruntergeflogen — 
aber ba§ mar heute halb bergeffen, unb flugS 
ging es mieber bormärts. 

SIS aber ber ©ad bofl mar, ging’S bergan 
recht ferner. Sei bem @hufterf)äuShen an ber 
©de hielten fie ein menig au, um ju berfhuau« 


fen. Oabor ftanben jmei Äinber mit blaffen 
©efichtern unb blauen NäShen unb fahen recht 
freubloS unb berjagt aus. Ood) tarnen fie an 
ben Schlitten unb blidten neugierig auf ben 
fchönen Ntdjlfad. 

6S rnaren bes ©chuhfliderS Äinber, ©retdjen 
unb '-ßeterle. 3h r Sater mar bor etlichen SBochen 
an ber ©chminbfucht geftorben. ©ie hatten noch 
hier ©efchmifter, unb ihre Ntutter foßte nun für 
afle Srot fchaffen. OaS roat fehr hart! „3h* 
habt roohl SBeijenmehl geholt?" fragte baS ber« 
ftünbige ©retten; - „ei, ift baS eine Stenge!" 
©ie mochte rool)l benfen: „|)ätte bie Ntutter nur 
ein Heines Oöpfdjen, bann fönnt’ fie uns auch 
maS baden jum ffaft!" 

Saföble fah bie beiben armen ifinber mit 
feinen treuen, blauen Siegen lange an unb hatte 
aßerlei ©ebanfen, bie er aber nicht auSfprad), 
benn feljr rebegemanbt mar er nicht. 6is<hen 
bagegen fdjroaßte gern, unb ba fie bie bünnen 
I Äleiber ber armen Stinber anfah, fragte fie: 

I „SBarurn jieht ihr euch benn nicht märmer an ? 
fefjt ja beibe ganj blau unb berfroren aus!" 

ßlSchen mußte noch nicht, maS cS mit ber Sr« 
ntuth fei; ^atöble aber mußte eS fchon. 

Oa traten bem ©retdjen Ot)räuen v in bie Su= 
gen; fie faßte baS tjßcterle bei ber .fcanb, unb beibe 
gingen ftill unb traurig in bie offene £üttenthür. 

„$u," fagte ber 3fafob, „baS hätt’ft nich fagen 
iniiffen ! ©ie babeit’S ja nich beffer, fie finb ja 
arm!" „Sch!" ermiberte ©ISdpen, „ift baS 
fcblimm ?" Unb bann jogen beibe ben Schlitten 
munter ben Serg hinauf unb langten mit firah» 
lenb rothen Süden unb leuchtenben Sugeit bei 
ber Ntutter an. 

Nun, ba fie auf ben 2öeihnad)tSftern marteten, 
bachte ber Ijfange mieber an bie beiben armen 
fiinber im ©hufterhäuShen, benn gerabe ba, 
mo ber ©tern fommen foßte, lag baS JbäuShen. 
Uttb richtig, ba ift er! Oben am Nanbe beS 
©hornfteiiiS Mißt er auf! ©onberbar, menn 
Nau<h aus bem ehornftein aufgeftiegen märe, 
bann hätten fie ben ©tern nicht fehen tönnen. 

„£>ei! roie eS funfeit!" ruft ©Ischen. „2Bie 
gut, baß e§ nicht raucht!" Sialöble fagt nichts, 
aber er benft: „2Benn fie ba maS ju fohen hät« 
ten, bann rauhte eS roohl!" Onnn blidte er 
mieber auf ben fhönelt ©tern. ©eine ©trahlen 
tanjten orbentlid) über bem falten ©hornftein. 

, „Ou," fagte 6lSd)en, „in fo ’nem ^>äuShen hat 
i aud) baS 6f)riftfinb in ber .51 rippe gelegen, fügt 
bie $8afe. Cb baS .IJleiufte ba unten auch mo$l 
in einer Grippe liegt ?" 

Safob fhiittclte ben Äopf, baß ber jflunter 
an feiner rothen 9Jtüße h> n = unb herflog unb 
bähte fein Oljeil. Cann gingen bie Äinber in’S 
£>auS. ©ie feßten fih rehtS bom Ofen, linfS 
| faß bie Safe, alfo lag ber Ofen jmifhen ihnen, 
i unb bie ffinber bähten, baß bie Safe nichts hören 


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10 


Per IPriljnailjtaftetn. 


tonnte bon bem, roaS fie fliifterten. Xer 3uttge 
rebete bon neuen Stiefeln, Sebfudjen unb SiU 
berbud), bas ©läbdjen bon einer ©uppe init glä= 
fernen ©ugen unb paaren, bon einer Scßürje 
unb neuen Schüßen, unb bann feufäteu fie, baß 
eg gar nicht ©benb roerben rooflte. Xa rief bie 
Safe fie ju fiel), fie »olle ihnen was er}äßlen. 
„3hr beult tuobl," begann fie, „ber ©SeihnacßtS* 
ftern fei nicht größer geroefen als ber ©benb= 
ftern ? 3 ßr ©ärreßen! halb fo groß wie ber 
©ollmonb unb biertel fo groß wie bie Sonne! 
Sonft hätten bie ©Seifen im borgenlanbe ihn 
ja gar nicht fehen lönnen ! Unb alle 2eute in 
ber ganjeit 2 öett haben ihn gefeheti unb ift ein 
großes ©ermunbern nnb fragen gewefen, woher 
bod) ber Stern gefoinmen, unb WctS er 511 be= 
beuten höbe ? ©her bie brei ©Seifen ßaben’S ganj 
(jeitau gewußt, baß ber große König unb Deilanb 
ießt geboren fei, auf ben man fcßoit feit Saß» 
taufenben gewartet; ber liebe ©ott hatte eS ihnen 
ja funbgetßan, — unb barunt machten fie fid) 
auf bie 3leife. XaS war aber ’ne feßr weite 
Steife. Unb benlt nur nidjt, baS fei fo gewefen, 
als wenn ber ©ater bie ©raunen aus bem Stalle 
jießt unb fpanitt fie an ben ©Sagen, feßt euch 
brauf unb fährt mit euch burch bie Stabt! C, 
nein! 9luf großen Kumeelen finb fie geritten, 
bie ftnb noch ©HU fo hod), wie bie ©raunen, 
haben lange öälfe unb ’tten Heilten Kopf unb 
ittmenbig im Seihe ’tt ©Safferfad, baß fie nicht 
berburften. Unb bei'Jage mar’S Diel ju warnt 
jum Steifen, fo warm, als wenn ihr euch oor 
beit Sadofeit ftcflt. Xarmn mußten fie immer 
9la<ßt8 reifen, unb barttin hat ihnen ber liebe 
©ott aueß gerabe ben Stern an beit fjiinntel ge= 
ftellt, baß er ihnen bett ©Seg jeige. So finb fie 
glüdlid) nach ^erufalem getontmen, wo ber böfe 
König Aerobes regierte. Xa erfuhren fie, baß 
ber fjeilanb in Settjlehfm geboren werben fülle, 
unb rafcß machten fie fid» auf, folgten toieber 
bem Stern, unb wo ber ftattb, über bent armfe= 
ligett Stad, ba lehrten fie ein unb wunberten 
fid) gar nicht, baß ein fo großer König unter fo 
niebrigem Xacß füllte geboren fein. Unb nun 
gab’S eine ffrenbe! Xa lag baS Kiitb in einer 
Krippe unb itt ©Siitbeln gemidelt unb War hoch 
ein leibhaftiges KönigSfiitb. Xer Stern oottt 
hohen £>iminel beftrahlte es fo wunberhell, baß 
eS wie in lauter Sidjt gebabet mar, baS war fein 
Krönlein unb fein ©urpur! XaS wußten bie 
©Seifen and), unb barunt traten fie ihre Scheiße 
auf unb fd)enfteit bem KönigStinbe ©olb, ©Seih» 
rauch unb ©Ißrrbeu!" 

XieKinberlaufcßteu mit ungehaltenem ©tbent. 
©ISdjett hatte ißr Köpfchen an ber Safe Knie 
gelegt unb fdjaute immer tictd) bem fyenfter, wo 
baS ©benbrotß berglütjte unb ber Stern luftig 
flimmerte. 

„Safe," fagte baS Kittb, „ber Stern über’m 


cdmfterhäuScßen ift aber auch feßt groß unb 
feßön, unb brunter liegt oucß ein Kinb, beS 5)ße= 
terleS unb beS ©retcßenS ©rüberlein; ob’s Woßl 
auch in einer Krippe liegt ?" 

Gfje bie Safe antwortete, öffnete ber ©ater 
bie Xßür, unb bie Knechte unb ©lägbe fangen 
braußen auf ber Xiele: 

3ßr ‘Kiti^crfein Fominet, 

<D, Fommet öod; all’! 

§ur Krippe hcrFommct 

Unb feßt, roas in biefer hochheiligen Hadjt 

Der £>ater im fjiinmcl für ^renbe uns madjt. 

Xie ©lütter hatte brühen in ber heften Stube 
alles jurecbtgemacht, nnb mit 3 audjjen unb 
Springen ging’S hinüber. Xer ©ater ßalf ber 
Ironien Safe, bie tonnte nicht allein geben. 3n 
ber ©litte ftanb ber Xannenbaum, recht fo’n 
löftlicßeS Säumtßeit, mie’S ber liebe ©ott nicht 
feßlanfer machten laffen fann, mit blanleu ©a= 
beln unb einer Spiße, als wollte fie bireft in ben 
Fimmel hinein. Oben ober glänjte ein großer, 
golbener ©SeihnacßtSftern. ©Soßl hingen gol« 
bene ©epjel, ©iiffe unb weiße Silien in feinen 
3 weigeu, unb unter bem ©aum lag alles, was 
bie Kinber fid» gemünfeht: Stiefel unb Schüße, 
©uppe. Such unb große ©adete ber fchönften 
Sebfucbeit, in blaues ©apier gepadt unb mit 
rotßen Säubern umbunben; bod) hingen 3alobS 
klugen unocrmnnbt an bem 2Beißnad)tSftern, 
unb feine ©ebanfen gingen bunt burcheinauber! 
©on ber einen Seite tarnen bie ©Seifen angejogen 
mit ißren Kameeleu unb Sdjäßen, unb in ber 
^erne faß er baS ©ßrifUiub unter bem ©Sunber= 
ftern. Unb 001 t ber anbern Seite tarnen ©ret= 
eßen unb ©eterle mit ißren ©efeßmiftern, hungrig 
unb tierfroren, unb unter bem Stern lag baS 
Kleinfte in ber ärmlichen ©Siege. Unb ber 
©Seihnncßtsftern oben im Xannenbaum fing an 
ju rebeit unb 31 t fingen: ,,©eß bn auch hin, 
3faföb(e, wo bu ben Stern gefeßen, unb bringe 
btt auch bem armen Kinbe bon beinen Scßäßen, 
baS gefällt bem @ßrifttinbe! ©eh’ ßin, Soßn* 
lein, geß’ hin !" 

Xa nimmt ber 3 mige Kiff ben größten ©aden 
mit Sebtucßcn, ftedt ißit heimlich unter feine 
$ade, unb wie bie 2 'ußter ausgebrannt finb, 
nidt er noch einmal hinauf ju bem ©SeiljnacßtS* 
ftern unb fagt bei fid): ,,Sd) geß’ fdßon, bu lieber 
e>tern, icß geß’ feßon !" Xattn fcßleicßt er faeßte 
hinaus. @r miD tüchtig laufen, bann ift er in 
3 eßn ©linuten mieber ba. 

(>r gudte eifrig nad) bem Stern, aber ber mar 
nicht meßr ba, ftatt beffen ßob ließ bie boDe 
©loitbfcßeibe Kar nnb füll über bem Serge unb 
füllte alles mit ißrem 2i<ßt. Xer 3 <>tob rannte 
aus ScibeSfräfteu bem SchufterßäuSchen ju. 
©cß, ba war’S buntel unb traurig! ©lorgenS 
war bie ©lütter mit jmei feßmeren Körben auf 


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Her Peiljnadjtsftern. 


11 


ben £>anbel ausgegangen. Sie hatte Mild), 
Brot unb falte ftartoffelit für bie Slinber gurecht» 
gefteüt, iuft nicht reichlich, aber eS ging bocß. 
als eS nun aber bunfelte unb bie Mutter nicht 
fam, mürben bie Äinber gang traurig; Sicht 
tonnten fie nicht angünben, fo ßocften fie Dicht 
gufamineu im falten Ofenroinfel, am fdjöuen, 
bellen, heiligen ©hriftabenb. Unb menn fie 
gemußt, baß ihr Mütterchen unter ber ferneren 
Saft gufammengebrochen unb im HöirtßShaufe, 
mo man fie aus Barmhergigfeit aufgenommen, 
auf einer ©treu lag, bann mären fie noch Diel 
trauriger geroorben. 

$aS Jfleinfte in ber SOßiege mar bisher bas 
lujligfte gemefen. ©retchen butte ihm fürforg* 
lieh bie Milch in bie glafdße gethan. ®em ®e= 
terle mar ber &opf auch febmer gemorben, ©ret* 
eben aber faß neben ber UBiege unb bliefte mit 
ernjlen Slugen halb in ben Monbfdheitt, balb in 
bie Söiege, roo bie MonbÜraßlen bem fcßlafenben 
®rüberlein über’S ©eficht hufchten. ®abei 
fummt fie: „Som Fimmel hoch, ba fomm’ ich 
her!" unb horcht gefpattnt auf jebeS ©eräufch 
Draußen, ob’s nicht bie Mutter fei; baS £>erg 
pocht ihr unb guleßt fängt fie an gu meinen, 
©ei nur getroft, ©retele, ber SJeihnachtSftern 
bat über eurem ®adj geftanben, gaföble ßafS 
mit eignen klugen gefehn. ®a — jeßt aber 
fommt gatu geroiß ettoaS! „ 6 i, btt lieb’S Müt* 
terle, tote qaft btt’S eilig gu beiiten $inbent 31 t 
lomtnen!" benft ©retchen. ®a tlopft’S an’S 
genfter: „Mach’ auf, ©rete, mach’ auf! 3><h 
bring’ bir roaS Dom SBeißnachtSftern !" ruft eine 
©timme braußen. 

©retten eilte hinaus, Beterle folgt ihr rafch, 
unb bie anbern raffen fich auch auf. 

3afob, bift bu’S nur ? SMr meinten, 
eS mär 1 bie Mutter!" 

3afob ßört’S faunt, er ift itt’S monbbeglängte 
©tübeßen getreten. 2Bel<h’ ein Unterfd^ieb, ba* 
beim unb hier ' „Brennt ihr benn fein Sicht ? 
Unb roo ift euer SBeihnacßten ? Unb feib ißt 
gang allein ?" @0 fragt ber gunge haftig, aber 
feiner antroortet, bis baS meinenbe ©reichen ber= 
Dorfläßt: „Mutter ift gang auSgeblieben, unb« 
mit haben nichts mehr gu egfen !" 

5)a holt ber 3afob baS große Badet mit 
Bfefferfucßen heraus, reißt baS rotße Banb ab, 
ßeeft jebem einen mächtigen ßueßen in bie £>anb 
unb ftürgt babon! 2)er gunge meiß fattm, roaS 
er tbut, aber eins meiß er: ®ie ffinber föttnen 
unmöglich am fettigen 9lbeub allein bleiben, 
frieren unb hungern, unb baS alles ohne Sicht! 
®er 2BeibnacßtSftern hat ja übeif ihrem ®acß 
geftanben ! 

Safjeim roollten fie fich juft um ben 5£if<h gttr 
reichlichen STbenbrnaßlgeit feßen, ba üermißteit fit 
erfl ben jungen. „ 6 r roirb in ben Stall gur 
Bleß gegangen fein," fngt ber Sater. 


®a roirb bie ®hür aufgeriffen unb herein 
ftürmt baS gaföble, grab’ auf ben Sater los, 
fteht mit offenem Munbe, fpreeßen fann er noch 
nicht, er hat fich fchier allen 9ltbem meggelaufen, 
gurücf ging’S ja bergan. 

„$itib!" fagt bie Mutter, „roaS ift bir ge* 
fcheßen ?" Unb bie Safe befommt fchon baS 
3ittcrn, fie fann gar nichts SußerorbeutlicßeS 
Dertragen. geßt allmählig fommt ber gafob 
gu 2Borte: „®a — ba !" unten, im ©cßufter* 
bauschen, — roo ber ©fern ftanb! — ®ie ßinber 
— allein, im SDuitfeln ! ifein Sater, feine Mut* 
ter! fein ©jfen ! — fRicßtS als ber Monb! —" 
Allgemach marbS bann hoch bentlicßer; fie 
berftanben, mo 3|afob gemefen, maS er ba ge* 
macht, unb ber Safe liefen bie Sßränen über’S 
©eficht, rechte SBeihnacßtStbränen! 

®a ftanb ber Sater auf unb ging mit ber 
Mutter ftill hinaus. 91acß einer SBeile famen 
fie gurücf mit ©retchen unb ®eterle unb ben an* 
berti, unb gang eingepadt trug bie Mutter baS 
ßleiufte unb hegte unb roiegte eS, als eS meinen 
molltc. ®ann feßten fie ‘fich alle an ben Stifcß. 
(Svft beteten fie: .Somrn, £>err 3|efn, fei unfer 
©aft! barauf aßen fie, baß es eine Suft mar. 

©pät SbenbS brachte ber alte Sole bie 9tacß= 
rießt Don ber Mutter, unb bie braoeit Bauers* 
leute haben noch lange mitfammen beratßen in 
ber heiligen ©hriftneießt, maS babei gu machen, 
unb mic ber fJlotß gu mehren fei. gnbeß Jagen 
alle S'inber in feftem ©cßlafe beieinanber, bie 
gmei eigenen unb bie fecßS fremben. ®ie Sau* 
erSfraii hat ein großes Säger auf gemacht Don 
all’ ißren biefen geberbetten, ba liegen fie roie 
bie MäuSlein im &eu ! ®cr 3afob aber hat baS 
Beterle feft an ber £>anb gefaßt unb läßt auch 
im ©cßlaf nicht loS. 

9lm UBeibnacßtSmorgen gang früh hat ber 
Sauer bie Braunen eingefpannt, um bie arme, 
franfe grau gu holen. ©0 arg traut ift fie 
©ottlob ! nicht gemefen, nur gar gu matt unb 
mübe, unb baß ber Sauer fie heimgeholt, ift ißr 
mie ein Shutber gemefen. 9tIS bie ftinber et* 
machten, ift bie Mutter fchon bageroefen, unb 
mäbreitb ber gefttage finb alle gufammen 9öeiß* 
namtsgäfte geblieben beim gaföble unb ©IScßen! 

©päter aber haben audß noch aitberc gute 
Seute fieß iß rer angenommen, unb in 91otß unb 
gammet ift fie nicht mieber geratfjen. ®aS alles 
aber fam uom SffieißnachtSftern ! ®rum laffet 
uns alle, große unb fleine $inber, aus Doller 
Sruft anftimmen: 

Das tvo ’ge £id;t geht ba herein, 

«Siebt ber IDelt einen neuen Schein; 

<2s leudjt’t wohl mitten in ber tlacßt 
Unb uns bes Siebtes Umber macht I 
Kyrie eleif! 

(Deutfcber Äinberfreunb.) 


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12 


$tr fttllt btt 3fit. 



Pie fülle Her |eit. 


Sott 3. 8. »agier. 


a aber bie 3 e i* erfüllet 
warb, fanbte ©ott feinen 
Ir ©ohn," ©al.4,'4. Der £)auptmoment 
m ber ©rlöfmtg ift baS frommen ^efu in’S 
- v gleifh, feine ©rfheinuug in ber 3eitlüh= 
teit. DiefeS ift bas 2Bunber aller 2Buit» 
ber. 9UIeS, was ©ott in ber 28elt unb 
an ber gefallenen Wenfhhcit tßut, gehört 
mehr ober toeitiger pr 'Ausführung bie= 
feS einen tiefgelegten '-IManeS; unb beshalb 
ift bas kommen beS ©rlöfcrS baS große 
3 i e 1 ber alten, unb ber 91 u S g a n g 3 = 
p u n 11 bej neueren 3<üt, 3efuS ©hriftuS, 
©ott geotrenbarct im fyleifhe, ift ber 
große Wittelpunft ber gefammten Öe= 
fd)id)te ber Wenfhhcit, unb ber einzige ©hliif» 
fei pr Söfung ifjrer geheimnißuotlen SRäthfel. 
Ofpe ihn bleibt 'Alles ein unlösbares ©eheim» 
niß, in feinem Sichte toirb and) bas Dunfelfte 
erleuchtet, fürwahr, auch in biefem ©imte ift 
er „bas Sicht ber 2Belt". 

„28a3 hüben mir nun unter biefer Sülle ber 
3 eit" ober ©rfülluitg ber 3<üt p oerfteheit ? 

9tad) unferent Dafürhalten ein Dreifaches: 
e r ft I i cf), b i e 3«'!- welche ©ott felbft in feiner 
2 Beisfjeit unb nah feinem fouüeränen 28illen oon 
©wigfeit bap beftimint hatte; zweitens, bie 
3eit, oon toelcher bie ooin ©eiftc ®otte3 erleud)» 
teten Propheten getoeiffagt hatten, unb b r i t = 
tenS, bie3 c 't. in welcher bie Skrhättniffe in 
ber ÜRenfchheit im großen ©aitjen für biefeS 
größte aller ©reigitiffe befonberS geeignet ober 
günftig waren. 

Unterroerfen wir biefe brei fünfte einer nähe» 
ren ^Betrachtung. 

I. 2>er tmrcf) ben foubrrünrn SBillen @otte§ be» 
fHmmlt 3eitmomrut für bie (frfctjeinuug be i ©rlöfrrS. 

SBarum ©ott gerabe bie 3 e 't, in roetdjer 
3fefuS erfchien, unb leine anbere, bap beftimmt 
hat, tönneu wir ebenfowenig wiffen ober fagen, 
als wir wiffen fönnen, toarum ©ott bie 28elt 
ober ben Weitfhcn erfd&uf gerabe p ber 3eit, 
in welcher er biefe§ that. 3n '-Bepg folcher 
Dinge, welche ©ott al§ ©djöpfer unb 2Beltre= 
genten alleine angeben, ift fein fouoeräner Söille 
abfoluteS unb alleiniges ©efep. 3»' Ickten 
©runbe gehört alfo bas „28aS" uub baS 
„ 28 a n n" ber Sülle ber 3«it p ben berborgeneu 
©eheimniffen ©otteS, bie unfer creatürlicher SBer» 
ftanb nie ergrüubeu wirb. 

Wan fönnte Dielleicht fagen, baß ©ott feinen 
©ohn eben in ber 3<üt in bie 28elt gefanbt habe, 
in welcher bie Wenfhhfit für fein kommen reif 
war. 2Bir geben biefeS p, wie man weiter 


unten iefjen wirb; aber man barf nicht baS jur 
Urfache mähen, was wenigstens theilweife 2Bir= 
tung ift. Diefe Anfidjt hätte bebeutenbeS ®e= 
wicht, wenn ©ott, wie ein muffiger 3ufchauer, 
einfach hatte warten muffen, bis fih bie Wenfdj» 
heit burd) eigene freie ©ntwicfelung p einer 
gewiffen .£)öfje heraufgearbeitet haben würbe. 
DiefeS ift aber nicht ber Sali. ©ott hat bie 
gefallene Wenfhhfit nidt)t ganj fih felbft über» 
laffen, fonbern oon 2lnfnng an fort unb fort 
birett unb inbirett, unmittelbar unb mittelbar 
an ihr gearbeitet unb in ihr gewirft, fo baß fie 
mehr ober weniger unter bem Ir in fließe feines 
©eifteS reifte, wie bie Früchte am 3kume unter 
bem ©influffe ber ioitne. 

3 11 einer 2Bclt, wo einmal bie ©ünbe, baS 
©ottwibrige ©ingang gefunbeit hat, gefhiefjt 
woßl WanheS, baS nicht Don ©ott fommt unb 
uiht mit feinem 28illcn barinonirt; beim wir 
biirfen unb fönnen baS 23öfe, baS unter ©otteS 
3 ula||ung gefhieht, niht auf ©ott prücf führen, 
beim bas würbe bie ikrantwortlihfeit ber ©e» 
fhöpfe unb bie ©erehtigleit beS ©höpferS auf» 
heben, ©ott überwaltet 'Alles mit fold)er 28eiS= 
heit, baß felbft bie Söoeheit- ber ©ottlofen in 
Dielen fällen, wenn niht immer, am ©nbe mr 
Skrfjerrlidpng feines vtamenS unb pr ©r= 
reihung feiner 3wccfe beitragen muß, wie wir 
burd) manche Seifpiele aus ber ©hrift barthun 
fönnten. 22an beule an 3ofept)S ©rüber, an 
fRebucabnejar unb an Anbere. 2Bir glauben beS» 
halb, baß, wenn ©ott ben ©rlöfer p Anfang 
beS oierten, anftatt beS fünften 3ahrtaufeubS 
ber ©efdjidjte ber Wenfhhfit in bie 2Belt hätte 
fetiben wollen, fo würbe er es auch ßherlid) 
haben bewirten fönnen, baß bie Wenfhhfit S u 
jener 3fit für fein kommen reif gewefen wäre. 
2Bir fagen beShalb nod) ein Wal: Das „2ßann" 
ber Sülle ber 3eit gehört im leßten ©runbe p 
ben ©eheimniffen, bie fih ©ott borbehalten hat. 

II. 2>rr tmreti bie Beiffagimgrn ber Propheten an» 
gebeutete 3eitmomeut ber ©rfiheinuug beS WeffiaS. 

DaS foebeu unter 9!o. I. gefagte gilt auch in 
23e3ug auf bie 28eiffagungen ber Propheten Don 
ber 3e't ber ©rfheinung beS ©rlöferS. Wan 
fanit nid)t fagen: 2BeiIbie Propheten Don 
biefer befonberen 3cit gemeiffagt haben, b e S * 
halb mußte 3efuS in biefer 3cit fommen, als 
ob bie 28eiffagungeti Do.n ber 3eit bie U rfache 
Don bem frommen 3c'iu in biefer 3 e * * ge» 
wefen wären; fonbern man muß fagen: Die 
Propheten weiffagten oon biefer 3eit. weil 
3efuS in biefer befonberen 3eit fommen foüte. 
Der ©ott, welher bie Propheten burh feinen 


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Jlie Jillle btt jleit. 


13 


©eift erleudptete, fo baß fie in bie 3 ufunft 
ßpauen unb baS kommen 3efu Dertünbigen 
tonnten, war berfelbe, welker 3 cf um in bie 
2Be(t fanbte; unb pätte 3efu3 ju einer anberen 
Seit tommen folleit, fo würben bie tßroppeten 
audpauf eine anbere 3 c ü piugewiefen paben. 

AßerbingS, als bie SBeiffagungen ba waren, 
fo mußte bie ©dprift ou<^ erfüllt weroen, b. p. 
gpriftuS mußte bem, was Don ipm bur<p bie 
Propheten gefagt war, auch entfpredpen. 

Unter ben Propheten war eS befonberS Oatiiel, 
welker Don ber 3eit beS Kommens 2fefu be» 
ftimmt geweiffagt patte. 6t tpat biefeS befon» 
berS in feiner SBeiffagung Don ben „fieberig 
SBodpen", ftap. 9, 24—27. AIS biefe ^Jeriobe 
obgelaufeit war, ba ift bie Seit erfüllet gemefen, 
ba mar bie Sülle ber Seit pereingebrodpen, unb 
ber 6 rlöfer erfcpien auf 6 rben. 

m. Set bttrip bie ©erpältntffe in btt Utrafippeit 
geeignetfle Stitmomeut für bie (grfdjrinmtß 
bei SBettpeitonbeS. 

Oa» ©dpaffen unb ©irfen ©ottes ift jjewöpn» 
litp ein aßmäpligeS ober ftufenmeifeS; fein'fßlan 
fiiprt Dom kleinen jum ©roßen, Dom fieberen 
jiun ^>operen. OiefeS fepen mir fdpon in ber 
©(pöpfung ber SGBelt. 6 in jebeS Oageroerf mar 
eine Vorbereitung für baS fommenbe, unb baS 
©ante eine SBorbereitunp für bie 6 rfcpoffung 
beS uRenfcpen. 3 n ollen jenen ißerioben, bie ber 
©cpöpfung AbamS Dorangingen, mar bocp ber 
Ätenfdp bie fjauptfadpe im tßlane; er roar p a § 
3 i e l Don ber 3 e 'l an, ba ©ott fpraep: „65 
Werbe Sidpt!" bis ju bem Dtomente, ba er fpvacp: 
„Saffet unS ÜKenfdpen madpett." Oaffelbe ©efeß 
gilt audp in SJejug ber ©efcpidpte ber 9J?enfdt)peit 
Dom Salle im $arabiefe bis jur ©eburt 3efu in 
©etplepem. Unter allen Dorpergepenben Offene 
barungen ©otteS reifte bie Ateufcppeit peran, 
bis fie nadp ^aprtaufenben enblicp fäpig mar, 
bie ießte große £>auptoffenbarung, ©ott ge» 
offenbaret im Orleifc^e, aufjunepmen. AIS biefer 
3eitpuntt gefommen mar, ba mar in biefer 93e= 
jiepung „bie Süße ber Seit" pereingebrodpen. 

6 in Slidt über bie gefnmmte Offenbarung ber 
SBirfungSmeife ©otteS leprt uns folgenbeS: ©ott 
greift nadp Verlauf gewiffer 3 «itperioben, beren 
Oauer Don ipm allein beftimmt finb, auf eine 
befonbere SGßeife in ben ©ang ber Oinge ober 
ber ©efdpidpte ein, um bem Saufe berfelben einen 
neuen 3 m p u l S ober eine neue 9t i cp t u n g 311 
geben, ober um fie Dermittelft feiner fdpöpferifdpen 
2 Wa<pt auf eine pöpere ©tufe ober SJapn ju 
peben ober ju leiten. 6 in jebeS 9Jtal, wenn eine 
folcpe Seitperiobe nbgelanfen ift, fo ift in einem 
gemiffen ©inne eine Süße ber 3 eit perein» 
gebrodpen, in meldper baS fogenannte Ueber» 
natiirlicpe in ben Sauf beS fogenannten Aatür» 
licpen eingreift. 6 in foldper Seitpunft »ar es, 


als ber ©eift beS ©dpöpferS über ber SOBüfte unb 
Seere ber alten Urroelt ober Untadpt fdpmebte 
unb fpraip: „ 6 S werbe Sicpt"; ein anberer, als 
er na<p Verlauf geroiffer ©(pöpfungsperioben 
fpraep: „Saffet uns löten fepen matpen"; ein an» 
berer, als nadp Verlauf geroiffer CffenbarungS» 
ftufen ber 6 ngel beS £)errn oerfünbigte: ,, 6 'udp 
ift peute ber |>eilanb geboren." 3Jtit bem ftom» 
men beS 6 rlöferS warb in ber ÜDlenfcppeit wie» 
herum ein neuer Anfang gegeben, aber auep 
ein neues 3 < e l gefeßt. 2 öie bie Atenfdppeit für 
bie 6 rfcpeinung beS 6 rlbferS reifte, fo reift fie 
nun für feine §roeite' 6 rf<peinuitg als 9ti<pter 
aller SAenftpen. OaS wirb eine anbere Sülle ber 
Seit fein, roetepe aber nur bem aßroiffenben ©ott 
befannt ift. 

6 iner ber ftärfften Seroeife für bie ©öttlidpfeit 
ber cpriftlidpen üteligion ift ipre erftaunlidp fdpneße 
Ausbreitung im apoftolifcpen 3 f italter. ©ie 
mürbe ben Atenfcpen niipt mit ©ewalt auf» 
gebrungen, roie fpäter ber SAupamebaniSmuS 
unb tpeilroeife audp ber DtomaniSmuS; fonbern 
ipre Aitnapme mürbe ber freien SSJißenSentfdpei» 
buug ber SAenfcpen überlaffen. Audp mar nidpts 
in ipr, baS bem gefabenen SAenßpen feiner 
fleifdplidpen Aatur naip jufagte, roie biefeS bei 
ber Äeligion beS $oran ber Saß ift. Oie cßrift» 
lidpe ftirdpe mar Anfangs bie an aßen 6 nben 
miberfpvocpene ©ette, Apoftelg. 28,22. Unb bedp 
breitete fie fidp in turjer 3eit Don ^Perfien bis 
nadp ©panien auS, unb erfdpütterte ben alten 
Opron ber 6 äfaren, bis er anfing ju Wanten 
unb jufammenjuftürjen. OiefeS weift roopl pin 
auf bie neue göttlidpe $raf t, bie fidp in biefer 
ßteligion offenbarte; aber tönneu wir nidptiben» 
faßS pierauS ben ©dpluß jiepen, baß bie 9Aenfdp= 
peit befonberS reif mar für bie Sepre 3efu, unb 
baß bie SScrpältniffe im Ütömerreicpe berart Waren, 
baß fie eine foldp fdjnefle Ausbreitung beS 6 bange= 
lium begünftigten? 2Öer moßte biefeS bezweifeln. 

6 in ©lidf auf bie 33erpältniffe ber lDtenf<ppeit 
3 ur 3fif beS SebenS 3?fu eröffnet uns ein faft 
unüberfepbareS ©ebiet. Oie brei bebeutenbften 
93ölfer, bie in biefer SBejiepung itt’S ©eroiipt 
faßen, finb bie 3 fuben, bie ©riedpen unb bie 
Ütömer. Sebentt man ipre religiöfen, fojialen, 
politifepen u. f. m. tßerpältnifje, unb wie bie» 
Jelbeti mürben, rooS fie bamalS waren, fo fiept 
man bie Unmöglicpfeit, aß biefeS in ben engen 
9tapmen eines AuffnßeS 31 t brängen. 2öir be» 
gnügen uns beSpalb bie Anbeutungen gegeben 
31 t paben imb fdpließen mit ben SBorten beS be» 
rüpmien .ftircpenpiftoriferS Aeanber: „3ebe ber 
brei meltpiftorifcpen Aationen foflte auf eigen» 
tpiimlicpe Sffieife basu wirten, bem 6 priftentpume 
©oben 3 U bereiten; bie Suben Don ©eiten be§ 
religiöfen 6 lementS, bie ^eflenen Don ©eiten 
ber AMffeufcpaft unb $unft, bie 9tömer als SGBelt» 
perrfeper Don ©eiten beS politifdpen 6 lementS." 


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Sanct Hicolaus. 


^ lernet jVJctkiwd. 



Ja 

L^r Foinmt unb fcbant bic Kleinen an 
j . Uni> fpriebt: 3*7 r frommen Kinber, 
r 3i? r foüt mir alles eSnte tyaitl 
3 d? bring’ eud? für ben IDiitter 
liier Hepfcl unb Birnen unb inanbelPcrit, 
Scbhicbeu unb Hüffe unb gueferfteru; 

Da füllt euct? Kappen unb CEafdjcnl 

Die Kinber Flauben unb freuen fiel? fetyr; 
Dod? fiuftcr brummt ber Hltc: 

Hun gebt mir bic böfen Buben tjer, 

Die trag’ id? fort 311 m IPalbc! 

Der Pater fpridit: Siub alle bratv 
Hub brauchen u^eber §auf nod? Straf; 

Sie folgen unb lernen mit ^reubett. 

Da ftreiebt ber XTlärtcl fid? beu Bart 
Unb fagt: Das läjgt fid? tjöreu! 

Da rnirb auch, rneil fo brar it?r rnar’t, 
£t?riftPiubd>cn eueb befeueren. 

Hbe, it?r Kiuberl Bleibt nur hier! - 
Zlun fd?larft er roicber hinaus 3 ur CE^ür 
Utib ftolpert bie Stiege hinunter. 


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15 


<§in (Insel in einem geberrodt. 


din dngel in einem ilebctrodt. 


3rei uaifi bem (htgüfciicn non @. @. 



un, eS tljut mir febr 
leib, ober irf) habe baS 
58e|'te für ©ie geü)an, 
ba* man unter beit Um* 
ftänbeu tbim tonn." 

©S mar ber SBagen* 
fitörcr eines ©d)neff* 
gugeS auf einer öftlidjen 
©ifenbabn, metdjer biefe 
®orte an einen Steifen* 
ben richtete, ber mit ber 
Tafd)enubr in ber £>anb 
an ber Tlfüre [taub, als 
ber 3ns langfam in ben 
Satjnljof bon Softon fuhr. 

„3(4 begmeifle baS feinen Slugenblicf," lautete 
bie Slntmort. ,,©ie fönnen gemifj n icf)t fiir bie 
Serfpätung beS 3ugeS befdfjiilbigt merben. Ter 
anbere 3ug roirb toobl fchon abgefahren fein ?" 

„Ohne ^roeifet, bie 3eit ber ^Ibfa^rt ift fd)on 
längft üorüber." 

„Unb mann fährt ber näcfjfte 3ug ab, melier 
Slnfchlujj nach Cincinnati bat ?" 

„9tid)t bor morgen früh." 

„Stun, baS ift für inicf) entfd)eibenb. Tante 
3bnen febr." Sftit biefen SBorten ftieg £>err 
tfmliburton Tobb Dom 3«ge ab unb ging mit 
feinem £>anbfoffer langfam bur$ bie Steiben ber 
laut fdjreienben SJtietbfutfcher binburd). Cr mar 
ein gu guter Sbilofofft als bafs er fidb über ben 
febroeren Stegenergufe ber lebten Tage geärgert 
batte, melier bie Serfpätung beS 3ugeS üer= 
urfad)t batte; immerbin aber fab er febr itieber* 
gefiblagen aus unb feine Singen berrictf)en ©pu= 
ren ber tiefften Stübrung. (Sr mar eine inipo* 
nirenbe ©eftalt, fiinfunboiergig 3(abre alt, mit 
bunflem £mar unb Soll hart, ber febon längft ficb 
grau gu färben begann, blauen Singen unb 
frifdjem SluSfeben. 

Dnfel £>al —fo nannten ibn bie Jtnaben unb 
Stäbchen roeit unb breit — mar auf ber Steife, 
einem fjamilienfefte, meines am ©fjrifttog Slbenb 
inßincinnati gefeiert merben füllte, beiguröobnen. 
Sille feine berbeiratbeten Sriiber unb «Sc^tDeftern 
batten besprochen, fidb mit ihren Familien ein* 
gujtellen. ^iir ibn aber mar eS je&t unmöglich, 
an biefer fjeftlicbfeit Tbeil gu nehmen. TaS fjeft 
mürbe üorüber fein unb bie ©äfte fid) roieber 
gerffreut haben, ehe er bie „SBeftfönigin" er* 
reichen fönnte. ©S blieb ihm olfo nichts übrig, 
al» in ber fremben ©tabt Softon 9Beif)nad)ten 
|ii feiern. Unter anbereit ©efiibleu hätte er fid) 
in einet ffutfdje ober im ©trafseneifenbabn* 
Wagen in bie ©tabt fahren taffen. 3tefct aber 


bergidjtete er auf beibeS. fröhlich gefinnte Seute 
mögen fahren, traurig geftimmte geben lieber 
einfam beS SBegeS. Cr mollte menigftenS ben 
Serfucb machen, feine grofje läufdjung einiger* 
maßen binmeggumarfdjiren. 

£>err Tobb ging eine ©efd)äftSftraf;e entlang. 
Söelcb’ ein Thun unb Treiben ber mogenben 
SJtenfcbenmenge nimmt er hier mabr! ’3eber* 
mann ift in ber ©ile, fich auf ben Sefttag bor* 
gubereiten. „SBer taufen miU, muß beut’ noch 
laufen, benn morgen ift SefcbeerungStag," fchien 
ihm auf jebem Slngefidf)te geichrieben gu flehen. 
Ter Slnblicf intereffirte ihn bermafjen, baß er 
feinen Kummer bergnß unb gu fich fpracb: „SBie 
biele SJtenfcben finb hoch beute in ©ebanfen unb 
in Slrbeit bertieft, mie fie Slnbern morgen eine 
Ufreube bereiten tonnten. Unb mie gtücflid) finb 
bed) biefe Seute beute febon! Söie oft hört man 
fagen, baff ©brifttag ber glücflidbfte Tag beS 
gangen 3abreS fei; ift bem aber fo in ber Tbat? 
3 ft es nid)t ber Tag bor SBeibnachten ? " 

SSäbrenb £>err Tobb fich mit biefen ©ebanten 
befchöftigte, bemertte er gtoei fiinber bor einem 
@ngroS=$leiberlaben, bie fofort feine gange Sluf* 
merffnmfeit in Slnfpruch nahmen. Tie Äinber, 
ein Stäbchen bon grnölf unb ein ft nabe bon gehn 
Satiren, maren ärmlich aber reinlich getleibet. 

„SEßie biel baft bu befommen, Stuft) ?" frug 
ber Htnabe, als baS Stäbchen bie Thür beS CabenS 
hinter fich gugog. 

„SloS fieben TotlarS," antroortete baS Stäb* 
eben, mäbrenb fie einen ferneren ©eufger gu 
unterbriiden fudl)te. ,,©S maren bier Tußenb 
Stad)tf)cniben, mie bu roeißt, unb ber Stacberlobn 
ift gmei ToDarS baS Tujjenb; aber ber fjabri* 
taut fagte, bie Slrbeit fei nicht gut gemacht, ba= 
her gog er einen Toflar bom Sohne ab." 

„Ter Qfabrifant fogt eine Unmnbrbeit," rief 
Sen bödbft entrüftet aus, „unb idb geh« fogleidj 
hinein unb fage eS ihm." 

„Sich nein," ermiberte Stuft), „baS mürbe ja 
gar nichts mißen. Ter fjabrifant mürbe bir fein 
©eljör fdbenfen, unb am ©itbe befämen mir feine 
Slrbeit mehr bon ihm. — Slber bie Slrbeit mar 
boch gut gemacht, roenn mir fchon ber Stutter 
geholfen haben; benn bu baft recht fchöti auf ber 
iÖiafcfiiiie genäht, unb Staina fagte, bie ftnopf* 
löcher, bie idb nähte, feien eben fo gut, als menit 
fie fie felbft genäht hätte, benfe bir boch nur ein* 
mal, Sen, mir Trei haben in gmei SSodjen bar* 
ter Slrbeit bloS fieben TollarS berbient." 

„3ejgt fönnen mir morgen fein Turfebbinner 
haben," meinte Sen mit trauriger SJiene. 

„Sich nein," ermiberte Stuft). „3ch fab einen 


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16 


(Hin (fngel in einem ^eberroib. 


fetten jungen Sßclfcbhobn brüben im Gdlaben 
für ein unb einen halben Dollar, aber bu meißt, 
mir mtijjcn gmei Dollars fiir fjauSmictlje gur 
Seite legen, unb itäcfjfte 2ßod)e müjjen mir 
Sfofjlen taufen. 3$ bin gemifj, Warna mirb 
uns fugen, baß mir bieStnal feinen Säielfc^fja^ix 
für 3Beihnad)ten taufen föitnen." 

„So tafj unä beim meiter gehen," fprad) Sen, 
roüfjrenb er ooll Unmillen bem eifernen Sdjilb 
non „Seligmann & Go." einen fyiißtritt oerfeßte. 

fjerr Jobb batte feine Jäufdjung gang bei» 
effen, mäbrenb er ber Unterredung biefer beibeu 
"inber Iaufd)te. Gr folgte ihnen auf ber Straße, 
in ber Grmnrtung, nod) meitereS gu hören, mo= 
burdh er einen Ginblirf in bie <55efdE)icf)te biefer 
Santilie gemiitnen tonnte. Sie gingen an Der» 
fchiebeneit Slaufläben borbei, prächtige Sachen 
aller 9lrt nebft Setfereien roaren in ben tJenftern 
auSgeflellt, bod) hielten bie ff inber fich nirgcnbS 
lange auf. '-Huf einmal erblictte ,'perr Jobb eine 
große mit fetten folorirten Sucßftaben aitge» 
braute 9lngcige, melche baS Oratorium beS 
WeffiaS in ber Wufifljalle am Jienftag ?lbeub, 
ben 24. Segeinber, berfünbigte. Sie 9lugeige 
berfprath, baß ßerr Saug bie Orgel fpielen 
mürbe, baß bas Drdjcfter unter ber Scitung bon 
Jheobor JhomaS ftünbe; als Soliften folgten 
bie Flamen bon f$rl. JpurSbt) unb Garet), ber 
Herren ftratig 9ieminerß, Wpron 2Bl)ituei) unb 
Wabere mehr. 

„SaS ift cs!" fprad) £>err Jobb gu fich felbft. 
3 eßt muffte er, mie er ben Wbeub gubriitgen 
roollte unb er nerfprad) fid) eine genußreiche 3eit 
in biefer großen, frembeit Stabt. 

Sßäfjrenb fjerr Jobb bie Wngeige lieft, be= 
mertt er, baff bie beibeu Sfinber SRubt) unb Sen 
ebenfalls in biefclbe vertieft finb. 

„SaS finb hoch merfmürbige ftinber," buchte 
er bei fich felbft, „bie an ber Wngeige eines Ora= 
toriums ein foldjcS 3»tereffe offenbaren? 2öäre 
es eine GircuSangeigc, bann mürbe id) mich nicht 
munberu." 

„2Bie gern mürbe id) heute Wbenb ben WeffiaS 
hören," meinte Dfubp. 

„3<h aber and)!" fiel Sen ein, inbem er bie 
Wntroort burch einen laugen, tiefen tjßfiff ab» 
runbete. 

„Grinnerft bu bidj noch jener 5Rad)t, als mir 
mit tßapa uu b gjtama iu’S Goncert gingen, um 
Fräulein fRilSfon fingen gu hören ? Fräulein 
Garet) mar auch ba. fvräulein fRilSfon fang baS 
Sieb: 2Bcnn bie Sdjmalben heimroärts giefj’n." 

„3a, iCh erinnere mid) mof)l," erroiberte Sen, 
„Warna hat es nachher oft gefungen. Unb er= 
innerft bu bid) noch bcS fjrangofen, ber bie Sio= 
tine fpielte? SEßie hieß er bod); Slau Jom, ober 
fo etroaS." 

„Sieuptemps," ermiberie SRubt) laChenb, bie 
beS 3?rangöftfd)en etroaS tunbig mar. 


„3a, ja, baS ift ber Warne, ber fonnte aber 
| ben Sogen ftreicheit unb bie Siotine tangen 
machen, ei, ei," unb ber 3u»öc brüefte feinen 
Sforb an bie Sdiulter, maprenb er mit bem 
Sogen, ben er fich baeßte, eine Ötoulabe ausgu» 

| führen oerfuchte. „SJir hatten hoch gute Seiten 
gu £)aufe," fuhr Sen fort, „als Warna auf bem 
Siauo fpielte unb Sapa mit ber Siolitte fie be= 

| gleitete." 

„Sei ftifl, bitte," fiel fRubt) bem Sen itt’S 
SBort. 3hr •fterg mar fo gart unb voll, baß fie 
bie Grinncrung au baS frühere ©liid im elter» 
lidjctt £>aufe nicht ertragen fonnte. Unb bie Sf in» 
ber gingen ftillfchmeigenb meiter. '«Ruht) hatte 
unterbeffen ihre Jhränen abgemifcht, unb |>err 
Jobb hörte, mie fie leife vor |idj hi» bie fChönen 
2 ßorte fang: 

„£ugel fommt, fdjunngt eure ^'liigel, 

(traget mid; auf (tabor’5 liöp’n, 

Wo auf bem Dcrflärintgshiigel 
3 ttle fdjmerjcn fd;uelt ocrgeij’n." 

WlS .ftevr Jobb biefe Sporte hörte, fpraCh er 
bei fid) felbft: ,,3d) meiß eS mohl, bie Gngel 
tragen feine lteberröde unb feinen grauen Sart, 
aber id) möchte bod) fo gerne GngelSbienft an 
biefeit lieben Sfinbern ticffehen mib ihnen eine 
Sßcihnadjtsfrcube .bereiten." 

SBährenb er fo bad)te, gingen bie Sfinber in 
bie .ftalle eines großen JenementgebüubeS. Gr 
fchaut ihnen nach, wie fie im gmeiten Stodf eine 
Jhiir öffnen unb eintreten. 

fjerr Jobb mar fd)ou am fjaufe tmrbeigegan» 
gen, ba menbet er fid) eutfchloffcn um unb fiopft 
an bie Jf)iir, meldjc er bie Sfinber öffnen fah- 

Ser fleine Sen öffnete fie fofort bem frembeit 
Wanne. 

„Gntfcffulbige," fprad) biefer, „ich bin ein 
3?rembling hier, aber ich möd)te bod) beine Warna 
einen Wugcublid fehen, roeun fie nicht gu be» 
fdjäftigt ift." 

„Jreten Sie herein," lautete eine Stimme 
aus bem 3immer; cS mar bie Walter ber beiben 
Äinber, bie mir feunen lernten. 3hr ©efid)tmar 
bleich unb mager, boCh berrietljen ihre 3ügelRuhe 
unb Gntfch(offenf)eit. 

„GS ift eine eigentf)ümliche Saff)e, bie mich 
3h»en führt, Wabame," fprach $err Jobb, 
„bod) hoffe ich, baß Sic mir meine Sitte nid)t 
abfchlagen merben. 3hre beiben Sfinber öet= 
riethen heute Worgen, baff fie Wufif unb ©e= 
fang überaus hochf^äßen. Gine 9lngeige beS 
WeffiaS hat fie feljr intereffirt. 3d) tomme nun 
gu 3ff»en mit ber Sitte, 3ff« beiben Äinber 
heute ülbenb naCh ber Wufifhalle begleiten gu 
bürfen." 

„O, Warna!" rief Sen mit lauter Stimme 
aus. SRubt) fdjmieg, fCßaute aber bie Wutter mit 
bittenben Süden an. 


:ed by GoO^lß 



(Rn (Kugel in einem geberrodt. 


17 


J)ie Wtutter erwieberte betn gremben: „Sht 
änerbieten ift gemift anerfennungswerth unb 
Sie tonnten meinen Kinbern (eine größte greube 
bereiten, ober . . . unb bie Wutter hielt mit 
ihrer Webe inite. 

,,Widjt wahr," ergriff ©err Jobb ba§ 2 Bort, 
„Sie wollten hingufeften, ober ich tenne Sie 
nicht. 2)aS ift wahr unb feine berftänbige 
Wiutter oertraut ihre Kinber einem fremben 
Wanne an. ©ier ift meine Karte. — 'Jobb & 
lempleton, Wattamamteag, Waine/—todj baS 
ift nicht genügenb. J>o<h toir wollen fehen, ob 
wir uns nicht gurechtfinben unb ausweifen fön* 
nen. 2 öie IjeilJt She ©rebiger ?" 

„2öir gehören gur St. Wattbäus Kirche, un= 
fer ©rebiger fteiftt ©raun." 

„2öaS ift fein ©ornaine." „SoIjanneS, glaube 
idf>." „gohanneS ©raun !" rief ©err Jobb aus. 
„S<h tenne einen ©rebiger biefeS WamenS. gef) 
tenne ihren ©rebiger, feit fünf gafjren hat er 

K ' “ t Sommer mich oben im Staat Waine be= 
, wo er einige 2Bo<hen im SSklbe mit giften 
im fleinen See gubracffte. 2Bo wohnt ©farrer 
©raun ?" 

„3<h weift e§," rief ©en aus, „Wo. — neben 
ber Kirche an ber — Strafte," 

„Schön," erwieberte ©err Jobb. „Wadb bem 
Wittageffen fchicfen Sie ihren ©en gutn ©rebi* 
ger, um ju erfahren, ob er mich empfehlen tann. 
3 ch werbe ihn unterbeffen befucfjen. Sinb Sie 
bereit, im gaH ber ©rebiger mich tennt, auf fein 
SBort hin gljre Kinber mit mir in bie Wufif*' 
halle gehen gu laffen ?" 

„3$ wüftte leinen ©tunb angugeben, warum 
ich fte nicht gehen laffen foHte, Sie finb boch fehr 
gütig." 

„©los gütig gegen mich felbft," antwortete 
©err iobb, „aber ich bin bo<h genötigt, Shren 
warnen su erfragen ?" 

„Sohnfon." 

„SDanfe 3h«en feftt. Um halb acht Uhr heute 
Slbenb werbe ich wieber borfprecfjen, Slbieu." 

SUS ©err Jobb gum ©aufe hinausging, be« 
merfte er, baft baS nächfte 3immer unbewohnt 
ift. Gin Gtlafer mar eben befchäftigt, eine 
genfterfdjeibe eingufeften. Gs war ein fchmucfeS 
3immer, baS eben renobirt worben War. GS 
gehörte eigentlich jum 3 immer, in welchem grau 
Sohnfon wohnte unb mar mit bemfelben burch 
eine Jfjüre Derbunben. 

„Sft biefes 3 imnter bermiethet," frug ©err 
Jobb ben ©lafer. „Wein," lautete bie Antwort, 
„ffio wohnt ber Wgent?" „Wo. fieben Gourt 
Strafte." 

JBarum ©err Jobb biefe Grfunbiguna ein» 
holte unb rog er in bet nächften Stunbe fiep auf» 
hielt, wollen wir ieftt noch nicht erfragen. 2öir 
wollen ihm nicht folgen unb alles erforfdjen. — 
©egen ftJlittag finben mir ©errn Jobb im 


Stubirgimmer beS ©rebigerS ©raun, welchem 
er in Kürge ergäbt, was feine Wbfidjt ift mit 
gwet feiner fleinen Kirchenmttg lieber gu thun. 

„ JaS fieht Shnen boch nicht ähnlich," rief ber 
©rebiger aus. „2öer aber finb biefe Kinber ?" 

„Sie heiften ^ohnfon unb wohnen in ber — 
Strafte." 

„Sich ja," erwieberte ber ©rebiger, „ber ©ater 
biefer Familie war Kapitän eines ©anbelsfchiffeS, 
bas nach Slfrita fuhr, boch baS Schiff ging fcheU 
tern bor einem unb einem halben Sah«- Wan 
hat Don ber Wannfdhaft auch nicht ein ©fort 
betnommen, bont Schiff hat man bloS ben Jheil 
gefunben, welcher ben warnen feiner Jocffter 
„Wubt)" trug ; benn nach ihr würbe baS Schiff 
enannt. ©or ber Krifis taufte er ein ©aus, 
egaljlte bie eine Hälfte beS KaufpreifeS unb für 
bie anbere Hälfte ftellte er eine ©ppothefe aus. 
SllS ber Wann aber nicht heim tarn, unb baS 
©aus unter bem ©ammer oerfauft werben 
muftte, brachte es faum bie Summe ber ©pbo« 
thete. Seit einem Saht wohnt grau Sohnfon 
gur Wiethe unb ernährt ft<h nnb ihre Kinber . 
burch Wäljarbeit. Sie müffen fehr arm fein. 
Joch tlagen fie nie, unb fragen fich fo gut es 
eben geht burch, ohne auf anberer Seute ©ülfe 
Slnfpruch gu machen. Sie aber, ©err Jobb, 
fleinen ihnen boch borgetommen gu fein ?" 

„Sld» nein, ein folcher Strateget bin idb nidht, 
ich will bloS Souife Garet) unb Wt)ron ©Jhitnep 
beute Slbenb mit ben Ohren jener beiben Kinber 
fingen hören, baS ift alles, ©oben Sie bie ©üte, 
ein GmpfeblungSfthreiben an bie Wutter gu 
richten, ber Knabe wirb eS heute Wachmittag / 
holen wollen." 

,,©on ©ergen gerne," erwieberte ber ©rebiger. 

Unfer greunb Jobb berfchwinbet Wieber. SU* 
leS was wir bon ihm wiffen, ift, baft er im ©otel 
binirte unb ein Jelegram nach Gincinnati fanbte, 
baft er bem ftamilienfefte nicht beiwohnen tönne, 
inbbm ber Gifenbahngug fich öerfpätete. Gr 
fchrieb einige ©riefe an feine fleinen Weffen unb 
Wichten unb münfeht ihnen fröhliche Sßeihnachten. 
Sie Ginlaftfarten für baS fjeft waren beforgt 
unb er wartete ber 3*it ab, bis er bie Kinber 
abholen tonnte. 

Sm ©aufe ber grau Sohnfon war reges 2e* 
ben. Sh; ©rebiger überreichte bem fleinen ©en 
ein gufriebenfteuenbeS* GmpfdjlungSfcbreiben, 
welches ber gunge unter grohlocfeit nach ©aufe 
trug. Jie Kinber tonnten faum warten, bis 
bie feiger ber Uhr auf halb Sicht ftanben. 3m 
beftimmten 3eit ftellte fich ©err Jobb ein, mel* 
eher bon ber Wutter ber Kinber bemiüfommt 
würbe mit ben Söorten: „JieS mar ein Jag 
fpannenber Grwartung für meine Kinber, bie 
fich föniglich freuen, einmal wieber gur Wufif* 
halle gehen gu bürfen. ©eibe liebten bon Kinb 
auf ©efang unb Wufif auf eine leibenfchaftliche 


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IS 


(lin (Ingel in einem Meberroife. 


2öeife. $it lebtet 3 e 'l ober butten fie roenig 
©elegeußeit, foldjen f$eftcn bcisurooßnen." 

Jie Wufifßalle roar 3um (Srbriicfen angefüüt, 
«ein Siß blieb leer, fogar aller Steßraum im 
großen Saal mar eingenommen oon ben Stenn» 
beit ber ßimmlifdßcn Munft, oor ber großen 0r= 
gel faß baS Orcßefter au» 150 Wufiteru be= 
i'teßenb, 311 beiben Seiten maren Sine ppranii» 
benartig für ben Gßor oon acbtbunbert Stirn» 
men angebracht. Jßeobor JßomaS, ber Jirigent, 
batte bereite feinen Staub eingenommen. 

£>änbels Weifterroert, bet WeffiaS, baS mar 
baS Jßerna für biefe Gßriftnadßt. jubelt unb 
©Triften, Ungläubige unb fromme faßen an» 
einnnbergereißt, um biefeS «unftftüd 311 bören. 
£)erv Jobb ßörte beute illbeitb mit f ecßS Cßren. 
Unb mel<b eine 9 lugenroeibe mar es für ißn, 9 tu 6 p 
unb Sen 311 beobachten, mie fie fo begierig unb 
ent3üdt laufcbten. JaS Jenorfolo: „Jröftet, 
tröftet mein Sol!," macßte einen erhabenen Gin« 
brudt, unb ber Saß: „2öer mirb ben Jag beincr 
3 ufunft erleiben mögen," griff burcß. Jie 
ganse Serfammlung mogte bin unb ber, als ber 
oolle unb großartige GßoruS anftimmte: „UnS 
ift ein $inb geboren," unb baS Solo: „®S 
maren Wirten auf SetblebemS Fluren," „(Sbre 
fei ©ott in ber &öße," ergriff jebeS ^»erj, roäb« 
renb ber GßoruS „Sein 2focß ift fonft unb feine 
Saft ift leicßt," ben erften Jßeil beS WeffiaS 
abfcßlofe, unter bem SeifaU ber gansen Stenge, 
bie hier oerfainmelt mar. 

Jer 3meite unb britte Jßeil madßte einen nicht 
minber gemaltigen Ginbrucf. 9 tubß unb Sen 
oergaßen alle Seiben. Sie finb iiberglücflicß 
unb geben in biefem ©cfüble fpät in ber fßadßt 
an ber £)ant ißres SreunbeS Jobb fieser nah 
£aufe. 

„O, Warna," rief Sen aus, als fie ißn 31t 
Sette bradßte, „roäreft bu boeß nur aueß ba ge» 
roefen, icß mar fo ooll, baß icß ben Wunb. 311= 
halten mußte, idß meinte, icß müßte Oor fjfrcube 
3erfpringeit, fo ooll mar icß. 9 llS baS Solo ge» 
fiutgen mürbe — mie beißt es, 9 tubß ?" — „ 2 fcß, 
3 <ß, — 3 <ß roetfe, baß mein Grlöfer lebt V 
ja, baS ift es, unb icß glaubte, mein pcr3 roiirbe 
311 feßlagen aufßören, fo entjücft mar icß." 

„Wir aber," fiel SJhibß ein, „bat baS Solo 
oon 3?rl. Gareß nodß befjer gefallen: „Gr mar 
ber alleroeracßtetfte unb unroertßetjte, er mar fo 
beraeßtet, baß man baS 9 lngeficßt oor ißm ber» 
barg." 9 tidßt roaßr, Warna, biefer oeradßtetfte 
3efuS liebt aueß uns in unferer 9 lrmutß ?" 

„©emiß, mein «inb, er ift aueß unfer Steunb, 
laßt uns nur ißm oertrauen, er mirb alles rooßl 
inacßen. Jodß eS ift jeßt ßoße 3 eit, baß ißr 
einfdßlaft, morgen fönnt ißr mir meßr ersäßlen." 

Jet Worgen fanb bie Slinber im tiefen fiißen 
Sdßlaf. Jie Wutter feßaute ißre beiben Sieb» 
liuge an, unb mollte leife auffteßen. 9 tubß aber 


erroaeßte fofort, feßlang ißre beiben 2lrme um 
ißren^alS, roiinfdßte ber Wutter frößlidße SBeiß» 
naeßten unb fußr in leifem Jone fort: „ 0 , 
Warna, icß ßatte einen tounberfdßönen Jraum 
leßte 9 tacßt, unb icß muß ißn bir ersäßlen, eße 
bu auffteßft. Wir träumte, mir ftanben am 
WeereSufer, bicle Wenfcßen maren um uns ßer 
oerfamnielt. 9 luf einem ßoßen Reifen ftanb 
Sri. Garet) nnb fang mit einer ßimmlifeßen 
stimme: „ 3 cß meiß, baß mein Grlöfer lebt, 
unb er mirb mieß ßernaeß aus ber Grbe aufer» 
meefert," unb als fie an bie Stelle lam, mo es 
ßeißt: „Unb in ben leßten Jagen mirb er auf 
ber Grbe fteßen." Ja lam unfer lieber S<Uw 
aus bem SSaffer ßerauf unb lief auf bemfelben 
bem Ufer 311, unb $>err Jobb ergriff ißn bei ber 
£>anb unb führte ißn 311 unS; unb als er auf 
uns 3ulam unb bidß umarmen mollte, ba erroaeßte 
icß. 0 , Warna, hätten mir boeß unfern Sapa 
noeß." Unb Dtubß barg ißr ©efießt im Riffen 
unb erftiefte ißre Seufzer unb Jßränen. Jie 
Wutter aber, bellommen mie ißr #er3 aueßmar, 
faßte fiep unb tröftete ißre Jocßter, mie eben nur 
eine Wutter tröften fann. 

2 luf einmal erblicfte Süubß neben bem Sette 
auf ißrem Stußl etroaS UnermartetcS. Schnell 
fßrang fie auf mit ber S^age: „2Bem geßöreit 
benn biefe feßönen Sacßen ?" 

„Sie finb bein," ermiberte bie Stutter. 

„Sieß’ einmal, Sen, 0 Staina, mer ßat benn 
biefe Sacßen gebraeßt ? Sen! fieß, ßier ift ja 
aueß maS für ’bieß !" 

Jer tleine Sen fprang mit einem Säße aus 
bem Sette au feinen Stußl, naßm alles in ben 
5 lrm unb hüpfte 3itrücf itt’S Sett. Ja mar ein 
Sucß, ein feibeneS Jafcßentucß, für bie beiben, 
' 9 tubü ßatte einen feßönen ÜJläßtorb unb Sen eine 
Heine fiifte ooll f>anbroerfS3euge, an Sa<f= unb 
3udermer! feßlte eS aueß nießt, unb eine 9 ciim= 
mer üon einer Stonatsfcßrift, für baS gaii3e 
3aßr besaßlt, mar aueß ba. 

„2Ber braeßte uns biefe ©efcßenle, SJama ?" 
fragen beibe 3U gleicher 3«!- 

„feuer S«unb Jobb ßatte biefe Sadfete unter 
feinem Ueberrodt geftern Sbenb, auf bem einen 
Sadtet ftanb gefeßrieben: „Sür ben Änaben," 
auf bem anbern: „fjiir baS Stäbdßen." 

„SBarum maeßt benn ber Wann foldße 
Sacßen ?" frag Sen roeiter. 

„Söeil er unS beglüdlen mill," antmortete bie 
Wutter, „er ift roaßrfcßeinlidß einer ber Wänner, 
oon benen bie (Sngel auf SetßleßemS Slutc» 
fagen: „Unb ben Wenfcßen ein Sloßlgefallen." 

„ 2 !Benn er ßier märe," meinte Sen, „bann 
mürbe icß ißn tüffen. 28 irb er nießt mieber ßer» 
fommen ?" 

„Sielleiht mirb er nodß einmal üorfpredßen, 
er fagte mir, baß er nidßt oor Sbenb nah €>oufe 
leßren mirb." 


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Citt dngtl in tmm Seberrocfe. 


19 


Stuf einmal liefe SRubp alle ihre fdjönen Sachen 
gut Grbe fallen, umarmte i^re SJtutter unb 
fprad) unter einein Strom Dem Sfjrüneu: „Sich 
bu flute, füfee Sttutter bu, bu baft ja gar nid)t§ 
betommen, mar tun bat man benn bid) and) gang 
unb flar Derge||en ?" 

„(Sieb bid) nur gufrieben, mein itinb, euer 
©lüd macht mich fröhlich, ©etljeilte 3?rcube ift 
hoppelte greube. Vielleicht hat baS GljriftuSiinb 
au<b noch eine Qrreube unb reiche Sefcheerung 
für mich-" 

Schnell oerflingen bie SJtorgenftunben unter 
bem 3ubel unb ber Grgäblung Dom Oratorium 
ber oergangenen Stacht. 

„3emdnb gieljt in baS nächfee Zimmer," be« 
merfte Sen, welcher bon einem Auftrag mich 
feaufe fam. „Gin SRann trug einen Oifd) unb 
Stühle b««in; eine fonberbare 3eit umgu« 
giefjen!" 

„Sie werben aber auch SOßeibnachten feiern," 
ermiberte Stubp, „ich fah, wie fie immergrün 
unb ©uirlanben brachten." i 

Oie SJtutter hatte fich mit ben Uinbern Der« 1 
ftänbigt, bafe baS SJtittagsmaljl heute fpäter als j 
fonfe eingenommen werben* födte. SBaren fie | 
auch nidbt im Staube, einen Sßclfchhahn gu tau* , 
fen, fo patten fie bod) ein $uljn als Sraten für 
SRittag, unb mit Stüjfen unb Slpfelfinen Der« 
fpradjen fee fi<h einen guten Stadjtifdj. @ie 
brachten einige Stunben am Dorberen fünfter 
jm, ihre frönen Sücher betrachtend, bie £>err 
atobb ihnen brachte; unb bie SJtutter las ben 
Äinbern eine Grgäljlunfl aus ber SJtonatsfdjrift 
Dor, welche aüe brei außerordentlich feffelte. Oie 
SJtutter fafe bid)t am fjenfter, Sen faß neben ihr 
unb ruhte feinen Slrm auf ber SJtutter Sdjooß, 
wöhrenb er fie unperwanbt anfehaute, unb '«Rubq 
fafe ber SJtutter gegenüber. 6s mar ein lieblicher 
Hnblid für bie -Vorübergehenden, bie bie Scene 
in Slugenfdjein nahmen. 

Um halb ein Uhr Derliefe £>err Oobb baS 
fiotel mtb fchlug ben Söeg ein nach ber SBohnung 
Don grau ^ahüfon. Sliii Scollaps Square fieht 
er einen SJtann an ber Grfe unfchlüffig ftehen, 
ber halb fein Slngefecbt nach ber einen Stiftung 
unb bann mieber nach ber anbern menbete. Oer 
SJtann mar offenbar in großer Sertegenheit. 
9 (1$ £err Oob bem SJtanne näher fam, erblidte 
er in ihm einen alten ffameraben, ben er feit 
Dielen fahren nicht mehr gefehett hatte. 

,4>allo, hallo, Srab! Sift bu eS, ben ich hier 
fo unerwartet treffe!" 

„3fe es möglich- £>al Oobb ?" 

„3a, ja, bas ift mein Stame. SBie aber in 
aller 2Belt tommft bu hier her? Sticht wahr, feit 
fünfzehn fahren haben mir uns nicht mehr ge« 

fehen ?" .. , .. 

^ Q/ fo lange Wirb es her fein," ermiberte 

Srab. 


„2Bo hielteft bu bidfe benn auf, unb wie tommft 
i bu nach Softon ?" 

,,9ld), ich bin in großer Sertegenheit. 2öie bu 
! Weißt, mar ich feit fahren auf ber See. Sor 
1 gmei fahren erlitt id) Schiffbruch an ber SJeft« 
I lüfte SlfritaS. 34 erreichte baS Ufer, fiel aber 
in eine fdjmereJtrantheit, in welcher id) Wochen« 
lang gmifchen. Sebeit unb Oob ichwebte. SJtonate 
Dergingen, ehe ich meine £>eimreife antreten 
tonnte. Slls ich «ad) Senguela tarn, mufete ich 
einige SJtonate auf ein Sdjiff warten, baS nach 
Slmerita fuhr. Stad) einer langen unb gefatjr« 
Dollen .Steife tarn id) heute morgen endlich in 
Softon an; fogleidj fuchte id) meine Familie auf, 
Don ber id) in gwei fahren nicht ein üöort ge« 
hört hatte. 2llS ich aber an baS £>auS fam, 
welches ich bor gmei 3al)*en ben SJteinen taufte, 
fanb ich es Don fremben fieuten bewohnt. SJtan 
fagte mir weiter, baS £>auS fei unter bem £am= 
mer Derfauft Worben. Slls id) nach meiner ffa« 
milie frug, hiefe eS, Stiemanb miffe, Wo fie hin« 
gegogen fei. 34 fuchte bie Stachbarn auf, bie ich 
tannte, aber ich tonnte Don meiner Familie auch 
nichts auSfeitbig machen. 34 toerbe ohne 3meifel 
erfahren, Wo bie Steinigen Wohnen, aber wie unb 
wie bald — baS ift bie 3rage." Unb ber Don 
manchem Sturm gepeitfd)te Staun mifchte fid) 
bie Oljränen aus ben Singen. 

•frerr Oobb hörte biefer Grgählung feines 
ffreunbeS mit grofeer Spannung gu. Oer ©e« 
banfe burd)blißte ihn, bafe er am Gnbe heute ber 
Familie, bie er fennen gelernt hatte, nod) mei« 
tern GngelSbienft Derfehen fönnte. Gr frug ba* 
her: „SMe grofe ift deine ffamilie ?" 

„(Sin 2£eib unb gmei ftinber, Wenn fie nod) 
am Ceben find, unb id) fage dir, £>al, ein gutes 
Söeib, unb bie ifinber tönnen fingen wie bie 
J Serchen. — G$ ift doch hart, bafe ich heute fo 
I traurige SJeihnadjten feiern muß." 

„3afje SJtutf), Srab, beine ganiilie wirb fchon 
gu finden fein, unb Dielleicht recht halb. Saß 
uns einmal ein S?a<hfrage=Sureau auffuchen." 

.frerr Oobb führte feinen gjreunb Dor baS 
£au$, wo wir ffrau 3oh«fon mit ihren jtinbern 
am ffenfter im Sefcn Dertieft guleht gefehen hat« 
ten. Gr blieb Dor bemfelben fiepen unb machte 
bie Semerfung: „SBir werben dein SDeib unb 
beine gmei Binder bald fehen. Sift bu gefaßt 
genug, fee jeßt gu erbliden, Srab ?" 9)tit biefen 
SBorten richtete .£)err Oobb fein ©efedit in bie 

£)öbe. Sein ffeeunb folgte feinen Sliden- 

im Stu wollte er bie Oreppe hinaufftürgen, allein 
•frerr Oobb faßte ihn am Slrm mit ben Siorten: 

1 „Ueberrafdje dein 2ßeib nicht gu feljr, es tonnte 
1 ihr Schaben bringen. Saß mich guoor hinauf« 
gehen unb fie auf bein kommen Dorbereiten." 

„Ou feaft recht, £>al, aber mache es bod) ja 
furg, benn ich fann taum warten, bis ich die 
SJteinigen wieber begrüßen darf." 


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20 


Silber aus JUutfdjIanb. 


£>err Jobb Hopfte an bie Jf)ür. 9IIS Sen bie= 
feine geöffnet hatte, riefen beibe Kinber fofort: 
„2ßir bauten Shtten taufettbmal, £)err Jobb." 
jliefer aber unterbrach bie Kinber, inbem er fid^ 
mit ben ©Sorten an bie ©lütter roanbte: „Sht 
Ißrebiger erjäplte mir Siniges aus Sheer Set» 
gangenljeit, als idb ihn geftern befucpte. ©Me 
lange ift eS her, feit 3hr ©lann gur ©ee ging?" 
„©lepr als gmei 3ahre." 

„$aben ©ie feine ©a<hri<ht bon 3fljrem ©lann 
in biefer 3°<t erhalten ?" 

„©ein, ©id)ts als baß baS ©cbiff mit ber gan» 
gen ©lannfchaft unterging." ©IS grau ^ohnfon 
biefe ©ntmort gab, erbleichte if)r ©eficht. 

i>err Jobb fuhr fort: „gaffen ©ie ficb, ©la= 
bame. Obgleich ©ie nichts Dom Schiffe gehört 
haben, bin ich bodj nun im ©tanbe, 3htien ©a<h» 
richten gu bringen. Soeben traf ich «inen alten 
greunb, ber firfj auf bem Schiffe befanb. 3cf) 
braute ihn ^ier^er unb er fann 3h«en alle ©uS= 
funft geben.", 

©lit biefen ©Sorten öffnete ,£)err Jobb bie 
Jljür, unb Srabforb Sopnfon— ber Sater bie= 
fer gamilie — trat ein. 

Oie ©eene, welche nun folgte, wollen mir nicht 
betreiben. £>err Jobb ging teife bie Jreppen 
hinab, auch er wollte bie lange getrennte unb 
nun wieber oereinigte gamilie in ihrer greube 
nicht ftören.- 

©a<h einer ©tunbe fehl ich fi<h Sen gur ©lütter 
hin unb fliifterte ihr leife in’S Opr: „©lama, ift 
eS benn nicht halb ©littagSgeit ?" 

„Sich ja, mein ©ohn. 3fn unferer grofsen 
grreube haben mir alles ©nbere oergeffen. Unb," 
fügte fie langfam hingu, „ich befürchte, unfer 
£ühnerbraten ift gang oerborben." 

©o mar e§ auch, ©ein» Oeffnen beS Sad» 
ofenS ftellte- es fiep heraus, bah ber Sraten gu 
Kopien oerbranitt mar. 

,,©un," meinte bie ©lütter, „mir werben fchon 
etwas als Srfaß herftellen fönnen." 

©Säljrenb bie ©lütter noch rebete, Hopfte eS 
an ber Jljür, bie gum nädjfien 3immer führt, 
©lütter unb Kinber fchauten fich oermunbert an. 

,,©3aS mögen wohl bie ©aqibarn, bie eben 
heute ©lorgeit eingegogen, oon uns fchon wollen?" 
frug bie ©lütter ben heintgefommenen Sater, 
ber aufgeftanben mar, um bie Jhür gu öffnen. 

„OaS Sffen ift fertig, treten ©ie ein, treten 
©ie ein," lautete bie Segrüßunq. 

„©Seffen Sffen ?" 

Sffen," ermiberte ber fchroarje Kod) mit 
weißer ©djürge. „Sh« Sffen, baS heute morgen 
befteHt mürbe." 

„©Ser hat eS befteßt?" frug £>err Sohnfon. 
„Sin f)err in einem langen, grünen lieber» 
roct." 

„©Sieber eine Uebertafchung, unb gmar oon 
beinern greunbe Jobb," fiel bie ©lütter ein. 


Unb fo mar eS auch. $err Jobb hatte geftern 
baS 3tnrmer gemiethet unb baS ©SeihnadjtS» 
©littageffen auf gwei Uhr beftellt. Sin großer 
©Selfchhaljn bampfte auf bem Jifd) mit'allem 
Subehör für einen ©SeiljnachtSfchmauS. ©Sie 
glüdlid) toar biefe gamilie, mährenb fie bie erfte 
©lahlgeit nach jahrelanger Trennung mit ein» 
anber aß. greubentljränen floffen unb Oanl» 
gebete fliegen gu ©ott, bem ©eher aller guten 
©aben empor. 

©Sährenb beS SjfenS frug 9lubt> mit tiefftem 
©adjbenfen: „©apa, ift es benn wahr, ho ft bu 
£>errn Jobb fchon als Knabe gelaunt ?" 

„©ewiß, meine Jodjter. aber wie lommft bu 
gu biefer grage ?" 

„©dj, ich glapbte nicht, baß #err Jobb ein 
Wirtlicher ©lann fei. 3<h hielt ihn für 
einen Sngel im Ueberrod!" 

Kaum hotte 9lubt) auSgerebet, ba trat £>err 
Jobb wieber ein, melier fofort oon ben Kinbern 
förmlich überfallen unb mit Kliffen beftürmt 
würbe. Unter Sachen unb Jljränen ergählte man 
ihm, baß ütubp ihn für einen Sngel gehalten 
hätte. 

„©un," meinte fperr Jobb, „oießeidjt bin ich 
ein Sngel; mir aber ift eS nicht bewußt. 3d> 
weiß bioS, baß ich ein £>olghänbIer bin; .ich bin 
gefommen, fiebemohl gu fagen unb euch eingu» 
laben, mir nächften ©ommer einen Sefuch ab» 
guftatten." 


lilber a »0 bar neuen dnaugeliftym 
Bewegung in Peutfdjlanb. 

m \ ® on 

<L Stiß in Berlin. 

Kgemein betannt ift eS, baß 
Serlin hinter anbere ©täbte. 
Was ©eligion betrifft, weit 
gurüdfteht. ©Hein taum glaubt 
mau uns, wenn mir conftati» 
ren, baß Serlin mit feinen 
1 ,220,000 Sinmofjnern, unter 
Welchen weit über eine©liflion 
Soangelifche finb, nur 49 Air» 
Chen mit gufammen 40,000 
eißpläßen nnb taum 30,000 
Kirchgängern gählt. Ss finb 
im Oiangen 100 ©aftoren ba, oon 
welchen nur eine Heine 3ahl baS 
Soangelium prebigt. Jiefe treuen 
3«ugen ftehen hülfloS ben großen 
Sarocpien oon 20 — 60,000 Seelen 
gegenüber ba, unb finb berart mit ©mtSgefdjäften 



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Speife mid? mit Qimmclsmaitna . 
3 n fcem <£lenb biefer geit, 



Sei mein Sdjtoert unb Sdjilb unb Banner, 
Sonne ber (Sercdjtigfeit. 

(Slui öottcorbia.) 

___f» 


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22 


Pilber aus Sfutfdjlanb. 


überlaben, bafc cm£muSbefucl)e, ffranfenbefuc&e, 
an eine regelrechte Seelforge gar nic^t 311 benten 
ift. 2 Bie ein £)elb arbeitete ©ofprebiger Störfer, 
uni bie untern Sflaffen üou bev einen ^nod) 311= 
gängigen Seite, ber fociaUreligiöfen Seite 311 
erfaffen utib eS ift it)m aud) gelungen, eine fd)öue 
?lnga^l Arbeiter bem Gl)riftentf)um tnieber ge= 
neigt gu ftiinmen. „$rüf)er", fo fagte mir einer, 
„habe i<h nichts ^ealaubt, feit ich &errii £of= 
prebic^er Städter gehört habe, muckte icb glauben 
fönnen." — So fielen jept Siele. Sine wichtige 
Serfaminhmg fanb biejer Sage Ipe* ftatt, bon 
melier mir berichten möchten. 

2 )ie Jteunbe ber pofitiben Union 
berfammeft in Serlin. 

Union bebeutet bie preupifche 2 anbeStircf)e, 
meil fie aus Sutberifdben unb SReformirten be= 
ftebt, pofitiü nennen [ich Diefe gfrcunbe im 
©egenfap 311 ben fiiberalen unb tRaDifalen, mela;e 
in berfelben 2 öo<he in Serlin tagten unb auch 
gur Union gehören, beren Streben barctuf aus* 
fleht, bie Serpflidhtung auf baS ©ImibenSbc* 
fenntitip gu ftreicheu, fo öap ein jeher glauben 
unb lehren fann, innerhalb ben®rengen 
berÄirdhemie if>m beliebt. 

2Barum gehen aber biefe Seitte nicht aus ber 
Jtirdje? —ift ja gerabe ber ^unft; fie 
möchten bie Staubigen üollenöS hinauSbrücfen, 
Don ben Siiteru ber Kirche leben, aber ihren 
Stauben gerftören. ®ie Staubigen aber geben 
nicht hinaus, meit ihnen baS Solf leib tl)ut unb 
fie immer noch hoffen, biefe s -J 3 eriobe 311 über* 
miitbeit. Sei Sielen mag and) Staugel an 
©laubenSmiitl), bei ben Steiften Stängel au 
Sinigfeit ber .pemmfcbub fein. So Diel ftebt 
feft, baß mettn bie gläubigen eoangetifdjeit 
Shriften SeutfchlaitbS fammt unb fonberS ein* 
mal freimitlig hinausgehen ober hinausgegangen 
roerbeit, biefelben eine herrliche freie Kirche 
bitben fönnten unb es nicht lange anftönbe, bis 
baS Sott, meines jept fdjon ber ungläubigen 
Salbaberei mübe ift, bie großen Kirchen ieer 
ftehen ließe unb benfelben in ihre Kapellen unb 
fallen folgen mürbe. 

Sbe eS aber fomeit fommen fann, muß noch 
unter ber Saftorenfchaar oiel gefdhehen. Sie 
müßten t>or Slllem anftatt gufammengutommcn, 
um bei Sier unb iabafsbainpf 3U politifiren, 
ufammenfommen, um tniteinanber 311 beten itnb 
ich mit Straft oon Oben antbun 31t taffen. 
3fept ift fetbft ber beffere SLheil bon .ftaupt unb 
©fiebern nadh unferer langjährigen Erfahrung 
gu einem folgen Schritt nicht reif. 

2 Bir übergehen bie übrigen Serhanblungen, 
meldhe fehr langftielig, unpraftifch unb boctrinär 
gehalten mürben, unb bringen bie pauptfadhe, 
auf melche biete Semitther gefpanut marett. 
Sor ca. 200 Saftoren unb etwa 100 3uhörern 


entmicfette &err Or. ©^riftlicb feinen Sortrag 
über baS Ibema 

Zeitgemäße Stiftet 3 u r 6 r r e i <h u n g 
ber nnfirchlichen Staffen." 

Oerfelbe fprach ungefähr folgenbeS: 

3<h miü nur ein einleitenbeS 2£ort frechen, ba ein 
britteS langes Referat heut auf bie Verfammlung nahegu 
töbtlicb, mtrfen tonnte, angeregte grage ift baS 
Eentrum, bie grage aller grageii bä inneren SOTifftcn-, 
beren ^meefe alle auf bie i'öfung biefeS Problems gurüefs 
führen. £ie Erfaffung ober bie Vernachläjfigung biefer 
Aufgabe mirb gu einem prüfftein ber christlichen $reue 
überhaupt. Von bem Gelingen biefer Aufgabe hängt ber 
gortbeftanb ber Gemeinben ab unb je länger, je emfter 
mir baran arbeiten, befto unüberfehbarer rntrb baS gelb: 
b. h- befto mehr febärfen fich bie Vuaen für bisher noch 
oernachläffigte (Gebiete ber Arbeit. So oft man ein Ge* 
biet erfaßt, geigt ficb mieber ein anbereS. ge länger mir 
märten, befto fernerer mirb bie Arbeit. £er 2lugenblicf 
febeint aiinftig ; in anbem tfänbern merben bie unfirch* 
licken Staffen bereits erreicht, foUten mir nicht auch etmaS 
mehr thun tonnen? £er ftulturtampf bttrfte halb be* 
enbigt fein, er marte ja eigentlich nur noch auf ein ans 
ftänbigeS Vegräbniß, unb halb bürfte eS gu fpät fein gur 
Erreichung ber Waffen. 3$ möchte ihre Vufmerffamfeit 
auf brei fünfte lenfen: 1) auf baS Ungurekhenbe ber 
bisherigen firchlichen Veftrebungen, 2) auf baS, maS an; 
bermärtS gefehlt unb 3) auf biegrage: 2ßaS fönnen 
mir barauS lernen unb maS tonnen mir auf unfere Steife 
in’S Vkrf feßen? 5Bir überleben baS bisher geleistete 
nicht, mir befennen, baß mir in mancher fcinficht in einer 
auffteigenben iünie ftehen. rebe babei bon ber unter 
fchmierigen ^crbältniffcn eingeführten Äirchenfteuer, bon 
bem fegenSrcid)cn Wirten ber 0tabtmiffion, bon ben 
ÄiinbergotteSbicnften, ich rebe bon ber machfenben Seme; 
gung für 0onntagSbeiliguug, bon ber ^rebigtbertheilung 
an bie beS ©otteSbienfteS entbehrenben; ich beute an baS 
anmachfenbe ber SiinglingSbereine; ich gebenfe ber 
2lfple für bie Gefallenen unb freue mich bcS 2lnmachfenS 
ber chriftlichen Literatur. 2lber mit aU’ biefem finb im; 
mer nur eimeine gamilictt, gtategorieen unb Greife erreicht, 
nicht bie SJcaffen im großen unb gangen. TaS Ungu; 
reuhenbe beS Gefcpehenen geigen am heften unfere großen 
6täbte. gn Berlin g. 53. gehen bon einer Million ^3ros 
teftanten nur 30,()00 regelmäßig in bie ftirdie. gn 
5lmerifa fommt ein ‘Prebiger auf 6—700 Seelen, in 
Gnglanb auf 800, in £eutfchlanb (Stabt unb £anb gu; 
fammengercchnet) auf über 1800; in Berlin fommt auf 
über 8000 Seelen erft ein prebiaer unb ein ÄultuSlofal 
erft auf über 9000 Seelen. SßaS ünb auch bk 25 
Stabtmiffionäre mehr als ein freunblicher Anfang ? 9tacfy 
ber Analogie Bonbons müßten eS 100 fein. 2luch an; 
berSmo ift bie Gnttirchlichung fehr groß unb in bielen 
Orten gehen bie fpnfirmirtcn 3iinglinge felbftberftänblidh 
nicht mehr in bie .Hirche. ga, fte glauben ben öaupt; 
unterfchieb gmifchen .Hathoüten unb ^proteftanten barin 
gu fehen, baß bei ben erfteren grauen unb Männer, bei 
festeren nur grauen in bie Äirche geben. (!) 5lMe man 
früher oon 3 ube m un ^ ^eibenchriften iprcchen tonnte, 
fo fann man heut oon Efmiftenheiben fprecfien, ohne babei 
an bie ungetauften .Hinber gu benten. &ber ein noc^ 
bebenfüchereS Symptom ift bic ^onahme ber Verbrechen. 
5öer hat nicht mit innerem Erbeben oon ben monatlich 
30 bis 40 Selbftmorben allein in Verlin gehört. 3JHI; 
liarben oon Seelen haben heute gar fein 9ieligionSbebtirf* 
niß, maS fchlimmer ift als ber Unglaube. Uniere Ge* 
bübeten finb gleichgültig, unb unfere Pfarrer befehlest 
ftiüc Pergmeiflung; benn fie miffen nicht, mo fie anfangen 


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gilbet aus Jteutfdjlanö. 


23 


jollen. fln oielen Orten fte^t baS geifllictye Amt nicht 
tn*h r in fld)tung unb bie ©eelforge bejd?ränft ftd? auf 
emjielnc Hranfenbefuc^e. manchen C^emeinben fönnett 
bie ÖeiftlicDen monatelang md)t mal einen Pfennig (#c= 
halt betommen unb laufen l^ejatyr, ihrer Wohnung oer- 
luftig b u 0 «^n. öS tann nid)t |o fortgeben. Ote Strebe 
allein tann bie Piaffen nid)i mebr aurütfgehnmten, bie 
amtlichen Kirchen finb ihrer Aufgabe nicht mehr gewaty 
ien. ^e langer mir märten, befto gefährlicher mirb bie 
oai>lage. Haben mir bett Wutb, uns 3 U gefteben: bie 
Kraue ber JmfterntB maxien immer mebr. 21 her auch 
»ir wachjen in unjere gröberen Aufgaben binein unb 
mir muffen Hilfsmittel ftnben, bie Waffen $u getoinnen. 
Kommen fie nicht in bie «Kirche, io muß bie Kirche, fo 
minien mir $u ihnen gehen. Oie religiös Öefinnten oer= 
fcbließen ftd) $u je^r m jtch, bauen ihre Kircbe ju jebr in 
bie Kirche hinein, unb fo bleiben bie Waffen braujjen. 
6 s giebt oiele Öetftltche, bie fich gan$ leicht über taufenbe 
unb abertaufenbe oon ©eeleit hinmegiefcen, bie überbauet 
bon ber Kirche nicht angefafjt finb, mä^renb fie über eine 
einzelne oeele, bie etma Austritt, ein grobes Ha lloh 
machen. Sotoeit über bas Uttjureichenbe ber bisherigen 
Wanregel. 

lieber baS, roaS Xr. S^rijHieb unter 9to. 2 
berichtete, maS anbermärts gefcljiebt, 3 . 33. in 
Bonbon, üon ber Heilsarmee, üon üMoobp 2 c. 2 c., 
finb bie #auS unb £>erb ßefer unterrichtet. 
Seinen Sericht über bie Heilsarmee fc^liefet er 
mit folgenben SB orten: 

„Wögen bie ¥eute manchmal auSarten, mag manches 
bür lest erfcheinen, eins ift unb bleibt gennb: ^n oielen 
ötäbten haben bie ©etftlichen betennen müfjen: „Oiefe 
fceute haben bie unterften Klaffen erreicht, bte mir nicht 
erreichen tonnten." 

Xarauf fahrt Stebner unter 9lo. 3 fort: 

„Akts fönnett mir oon auSmäriS lernen tmb in’s Vkrf 
ie$en 1 VM 11 ft b u bieWaffen e r r e i ch e n, g ety e 
$u ihnen! in aufeer ti rch liehen Verfamm; 
lungen müffen bie Waffen erreicht tocr; 
ben, momit ja öott fei Oant in biefer Stabt 
ber Anfang gemacht ift. Söomögltch nichtftubierte, bie 
aber ooll Erbarmens, ooll üiebe *um Volfc finb unb bie 
$abe ber flehe befipen, müffen ba Auftreten. Womöglich 
muffen (Gleiche auf (Gleiche mirteu. Oie öanbmerfer 
tonnen am beften burch ^anbmerter, bie Kaufleute burch 
ihresgleichen, bie flichter burch 3 uriften gemonneit merben. 
M etnbringlichem, lebenbigem 2 öort, in totalen aller 
Art, in abmechjelnber iöeife, mit frifchen (befangen ntub 
gemirft merben. Oie Witmirfung ber Anmefeitben tann 
burch baS Witlefeu ber Schriftftellen, bie bielleicht an 
etnjelne oorher ausgethetlt morben finb, geftchert merben. 
$Öo es geht, bürfte nach *ent Vorträge eine mehr perfön-- 
liehe Vefprechutig bon Vortbeil fein. Oie Leitung gefchehe 
bielleicht burch freie Vereine Oie flngcfabten ftnb bann 
ben orbentlichen Seelforgem ju übergeben. Konfefftoneüe 
cpifcfmbigfeiten finb $u bermeiben. flur für ben Herrn 
Jefum tberbe gearbeitet, baS übrige finbet ficb. ’ Oie 
liaienhilfe muft mehr berangejogen merben. öS ftnb 
aenug berer, bie bte flebegabe beftpen. Ote ^Srebiger 
haben in ben Kirchen ben Kirchlichen ihre Pflicht gegen 
bie llnfirchlichrn mehr einjufchärfen. Vielleicht mären 
auch pertobifche freie Xh** : ober Kaffeeabettbe ju arran- 
giren, ober 3 rauen*Verfammlungen, mohtn bie 0 äug= 
Imge mitgebracht merben tönnen. Sltam ein Ktnb bann 
autp einmal anfängt 3 U mtmmern, nun, bann fprtcht ber 
fkebiger eben etmaS lauter, fluch kie ebriftliehe Literatur 
ift mebr in bie Käufer nu bringen. Sßir müffen anfangen. 
Sir biirfen unS nicht in enblofen Sorgen unb fragen 


ergehen, fonbern müffen frifd? unb muthtg anfangen unb 
uns bann 00 m frerrn ieiu treiben lapen. 6 s "tft eine 
^cbmacb, bafe bte beutfehen Stabte noch am meinen 
jurücf ftttb. Ergangen mir bie 2lrbeit ber Kirche burch 
eine 2lnuee bon traten. Ote Heilsarmee pocht auch an 
untere Oh orc - Oeffnen mir ihnen bic Pforten unb helfen 
mir baju, bafe bem beutfehen Volte bas (Shriftenthum 
jiirücfgemonncu mirb. Oas malte (^ott! flmen! 

s Jiad) Xr. Phriftlieb fprod) ^rebiger non 
3chlüntbach unb fd)ilöerte, mie in Vnurifa 
(Suangelifution getrieben mirb. £ofprebiger 
Ätöcfer oermährte fid) gegen ein Uebertrogen* 
moilen euglifcher ober anieritmiifcher s JJictboben 
auf beutfehen Stoben unb betonte, bah bas beutjehe 
SJolt, toeun es 511 einer allgemeinen örmeduug 
fonuuen muffe, nicht tjur einfeitig 00 m reügiöfen, 
fonbern Dom nationalen ätanbpuntt angefafet 
merben muffe. Xeuuoch erfannte er, bah 33eriiit 
unb namentlich beit burch ihn ber Socialbemo* 
fratie entriffenen Slnhäugern nid)ls fo noth thue, 
als eine grüublidjc (Somtgelifation, meshalb er 
®r. Don echliünbad} gebeten ^äbe, hierher 
tomnieu. lieber i?e^tcren gehen bie fonberbarften 
Öeriidjte. Xie (Sinen fugen, bie SJifchöfe hätten 
in einer geheimen Sipung befchloffeit, ihn al» 
Spion h^äbersufchiden, baniit er ber fiirche 
Siahn bred)e; bie Slnbern behaupten, er fei jur 
taiibestirdje übergetreteu. ßeines Dort SJeiben 
ift mahr. 

Säht ber £)err öS ihm gelingen, eine grobe 
(Srmerfung innerhalb ber fianbesfirdhe 311 Staub 
311 bringen, fo tönnen mir uns nur herzlich baju 
freuen. Xafür beten unb arbeiten mir feit 
3ah^u. 

6 i n e r e 1 i g i ö f e $ 0 11S D e r f a m m 1 u it g 
in 33er 1 in. 

Slm Slbenb beS erften XageS ber ermähnten 
S>erfammlung mürbe im Xi Doli in einem 
groben, Xauiettbe faffenben .Saale eine l*er= 
fammlung Don £)errn ^ofprebiger Stöder 31 U 
fammenberufen. SMehrere Safloren Don aus= 
ttärts — auch Xr. 6 hviftlieb unb Don Schliün« 
bach foüten hif^ änfpradjen halten. Xie 9leu= 
gierbe trieb uns auch hin- 3 U nuferer, unb mie 
mir horten auch ju ber beiben leptereu SRebner 
Ueberrafd^ung fabeu bie Seute regelrecht mie fie 
bei ihren politifd)en 3 ?erfammlungen immer 311 
thun pflegten, bei ihrem SMer, beimpften trop 
ber Sitte beS 2>orfipenbeu, Doran bie ^ßaftoren — 
ihren Xabafsgualni in bie $öl)e. Xauu fang 
man mieber 3 mifchen ben Vitfpradicn einen Ser^ 
Don „(Sin fefte 33itrg ift unfer ©ott". ^reilid) 
mirb ja bei ben goangeliiationsberfammiungen 
bas Sier unb ber Xampf megblcibeti, ob bann 
aber auch baS bierliebenbe ^ublitum lommcii 
mirb! — SBer nun Serlin tennt, f^ludt fo 
etmaS hinunter unb freut fidh, bah" bie Beute, 
meint auch unter politijeher Zugabe, fid) bod) 
noch ettoas Dom ßhriftenthum Tagen laffen. Xie 


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24 


$8eil)nad)t ouf betn JUeer. 


„berliner 3eitung" aber, ein befannteS bemo«! 
tratifcbeS lülatt, trieb barüber folgendermaßen 1 
ihren ©cbcrj: 

„(Sine ctyviftlicfysreligiöfe 55ol fö = 93 er- 
j a m m l u n g fattfc am 2 )ienftag s 2 lbenb, oon Jreunben ! 
ber pofitiom Union oeranftaltet, im großen ©aale beö 
Xiuoli'-lStabliffementö ftatt. (Sä Ratten fid^ bafelbft mohl 
an 1200 s J$erfonen beibertei ©ejchltttytö cingejunben, bie 
nach einigen einleitenben ©orten beä igofprebiger ©torfer, 
bas alte Kampflieb „(Sine fefte Vurg ift unfer ©ott" am 
ftimmten. 2 )ie zahlreichen im ©aal befinbüc^en ^ortraitö 
oerjetyiebener ©eifteS^roen mögen nicht menig erstaunt 
gemejeit fein, eine fo fromme unb anbäcfytige Verfamrm 
lung oor fiep 31 t jehen, bie bei einem ©lafe Vier geiftUc^e 
lieber fang unb zmijehen ber „gemanbt unb hurtig'' bie 


Kellner mit allerlei „©tärfungen" umher hüpften. 92adj= 
bem ^rebtger ü. ©chlümbad^ auS Slmerifa, ber frühere 
©encralfefretär aller beutfdjen Jünglingsoereine, eine 
erbauliche Slnfpradje gehalten unb §err 8 töder bie djrift* 
Ucfcfojiale Sentungsmetfe höchft etyarafteriftifeb gefdjilbert 
hatte, mürben bie ©läfer neu gefüllt unb 9tun banfet 
alle ©ott w erfcboll es mächtig burch ben ©aal. — (Srft 
am ©ontag übergoffen bie tonferoattoen Blätter bie bon 
bem s ^rebiger Kalthof im Vuggenhagen’jehen ©aale ab= 
gehaltene religiöfe Verfammluitg mit §ohn, meÜ nach 
ber religiöfen öanblung em Parteitag beim ©lafe Vier 
tagte, unb am Sienftag mufj bei ber pofitioen Union in 
©egenmart „bes frönen ©efchlechts" baffelbe paffiren. 
Vielleicht entfchulbigen fidj bie Herren, bafe fie nur menig 
geturnten hätten, baä öerjapfle Quantum mar iitbejj ein 
ganz anftänbigeä. — 9tun, mohl betomme eä!" 



iUciljuadjt auf bem Meer. 

JBou Karl Sattler. 

ob’ roobl!..." ,,2eb’ roobl!..." 2)ieS turje SBort erfc^oü, 
al» fic^ unfer ©d)iff roie ein ebern babinroßenbeS ©diidfal 
in Seroegung gefegt unb Hamburg mit feinen 
Rinnen unb Slburntfpi&en allmählich im 9tebel 
üerfcbroanb, aus bnnbert fteblen, als follte eS alles 
abtbun, roaS baS 4> er ä noch brütfen tonnte: olle 
breutienben 3udungen beS ©dnnerjeS, ber @nt= 
fogung, ber IDtutblofigfeit. 0 mie oerfc^ieben 
waren biefe 9lbf<biebSrufe! 8eberool)l bem lebten 
Stüde Snflenb, ber früblingSprädjttgen, fang» 
reichen ©tnbentenjeit. fieberoobl ber baumurn* 

. fdjatteten £>eimatb mit ben gemeinten ©räbern ber 
©Item, ben ülebenljügeln beS SR^eine§, bem 2an» 
nenbunlel bcS ScbroarjroalbeS, erilobeblümten 
£>eibe... Seberoobl!... 

2BaS biefcS £»nauSjieben in bie ©infamteit, 
biefeö fjinubergeben nach einer a<^ nod) fo fernen, 
fremblalten SBelt befonberS erfdjroerte, mor baS 
beoorftebenbe UBeibnacbtSfeft mit feiner befeligen» 
ben Harmonie ber .SßeibnacbtSberjen, feinem 
©^riftbaumfd)imnter, beffen Fracht bie meiften 
©djeibenben auf beimifebem Soben nie tnieber er» 
bilden füllten. 

Unb fo febtoanfte ba§ ©<biff bobin ... 3m 
ÜJteer erftieg unb üerfanl als bläulicher |)ügel bie 
^elfeninfel ^elgolanb, um ben Sug brnnbeten bie 
Stellen ber fRorbfee, 3age unb ’ERacfjte tarnen unb gingen, e§ febwanben bie buftocrtlärten reibe* 
felfen «ItenglonbS, unb enblidb, enblicb taufte am »oeftlicben ^orijontber le^te Streifen Europas 
unter — unb ba§ mar am © b t i ft t a g ... 

2 eb’ roobl! liebe§ @uropa, leb’ roobl!... 

SBeibuacbten inmitten ber einfamen $ra<bt beS DJteereS, ber 9J?ajeftät bet SBetlen, bem $uft 
meißfebäumenber 2 öogen!... 

©ine frifdje Srife jog bom gfeftlanb herüber, als tooflte fie ben ©cbeibenben ben HöcibnacbtS» 
jubel, ber aber febon iängft in ben fterjen triftete, naebtragen. $aS ©djiff feurfjte unb febofe, 
feitroärts geneigt, babin. ©S tarnen böfe ©tunben, roelcbe bie frifdbblübenbe Söeibnacbtsfreube 
arg befdbäbigteti. 


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Peihnadjt auf betn Pen. 


25 


5J?an horte baS 9tecbgen ber Slafien, ba§ 
Äaufehen b€t Secjel, baS pfeifen beS SBinbeS im 
iafelroerf. 3)ie Slatrofen, welche in ber Schön« 
^eit unb ben Schreden beS SleereS i^re fjeimatfj 
gefunben, patten Diel gu tpun. Salb aalt e§ 
bie Sdpietligfeit beS ©Riffes, halb bie Stiefe beS 
ÜReereS gu meifen, bann roieber unter „tjoi t>o !" 
„boi 1)0!" ein Segel aufgufjifieit unb ber pfeife 
bes Bootsmannes gu folgen, wäljtenb gumeilen 
ipringluftige Söogett über bas 33erbedf ftürgten 
unb minutenlang in fchmaten SUinnen Don allen 
Seiten abfloffen. 

Surdj ba§ Schiff buffte, ungeachtet bes üöeih« 
nachtSfefteS, baS büftere, bleifarbene ©efpenfi 
ber Seefranfljeit. 63 frocb in alle 2öinfet, in 
bie rotfjfammtnen, prunföouen Kajüten, wie in 
bie fahlen SRäume beS 3roiff nbecfs, überall fein 
Opfer iucpenb unb bie 2Beihnadjt§freube mot» 
benb. lieber bie Slänner in Schlafmüßen, bie 
grauen in Unterröcfen, ben im £>au3titte(, jenen 
in [filgpantoffeln — über alles hauchte es baS 
Beroufetfein einer trübfeligen ©rijteng. 2)aS 
alte Sleer braufeen freute fiep bc^fotnifdjen Strei« 
benS wie eines gelungenen SchergeS unb bie 
fd)eibenbe Sonne lachte ob beS abfonberlichen 
3<hau|pielS. 

gitblich legte fich bet 2ßinb. ®er mübe Ogean 
ftredte fich gut 9tut)e, als wollte er feine SBeife» 
naf sftimmung jur Schau tragen. Sur gu» 
meilen fdjiiumten noch einjelne Söogen mie lange, 
tiefe atbemjüae nach leibenfdjaftlicher (Erregung. 

3lu<h bie SSolfen hatten fich gleich fernen 
Segeln oergogen. 63 war allmählich bunfel ge« 
fflorben. 

StiH, wie eine mit Borfidjt getragene Kerge, 
gitterte ber Sbenbftern am Firmament; nach unb 
nach folgte baS äufblißen anberer ©ferne, bis 
enbtich ber gange nachtblaue ßimmel ^errlidh 
unb mt faßlich ho<h über uns tn feiner ganzen, 
gebeimrtißDollen Stacht erglänjte... SRajeftätifcß 
erhabene SleereSweihnacht!... 

Jdj beinerfte, mie auf bein Serbecf mcnfdjliche 
©ertalten auf tauchten, fich in bitnfeln Umriffen 
auf bem fnntertljeil beS Schiffes in ber Süße 
beS SteuerhaufeS abgeidpteten, wie e§ ba hinten 
gehehnniBDotl hin unb het lief- fid) halb fo, halb 
anberS gruppirte, bis plößlicß als polier, fräfti« 
ger, uierftimmiger, tiefergreifenber Slännet» 
gelang: 

<D bu fröhliche, o bu feltge 
cSnabenbrittgettbe tDcihnacbtsjcit! 
über bie monbbeftrafelten, fternenglißernben 
ÜÖogenbahinjitterte. $5ie ©dpffsfchraiibe raufchte 
babei ein wenig aufbringlicher, als wollte fie 
ihrerfeitS auch einen befdjeibenen Seitrag gur 
freier bieten, unb Don 3eit ju 3eit- fcßnalgten 
einige neugierige ftifehe empor. 

Jn wenigen Sfinuten hatte fid) baS Berbed 
mit Saifagieren gefüllt. Slänner, grauen, Kin« 


ber laufchten anbächtig ben befonberS burch bie 
Situation ergreifenben Klängen. Kaum waren 
fie Derhallt, fo begann eine herrliche ff rauen« 
ftimme: „O Saititenbautn, o iannenbaum —" 
unb ber gange aus aüen Sichtungen ber 2üinb= 
rofe jufammengewiirfelte 61)or — wetterge« 
bräunte Slänner, bereit milbe bergen fcßon 
manche milbe [führten ausgeführt haben mochten, 
frohe öfterreidjifche Kinberlärbdhen, blonbföpfige, 
anmut£)ftral)lenbe Jungfrauen Dom SR bein — 
fang begeiftert mit. 2ßar bas ein Don einer 
eigentümlichen Slifcfping Don 6rnfl unbfjumor 
burchhauchter ©efang! $en Sleerungeheuern 
mußte biefe fchwimmenbe 6hriftfreube, biefer 
melobifche ffieißnochtSgrufe gang Wunberfam er» 
fcheinen. 2lber ber 2BeiIjnad)tSjubet Hopfte nun 
einmal in allen bergen, gucfte burch alle Slbern, 
wetterleuchtete auf allen ©eficßtern. 

9luS bem Salon ertönte plößlich bie ©lode, 
bie Saffagiere hinabrufenb. Jebermann folgte 
bem um biefe 3eit ungewöhnlichen Signale. 
Sber wa§ erbtidten bie äugen!... $)ie gange 
feltge Kinberfreube erwachte in jebem feigen, 
brängte fich einfcßmeichelnb heran wie füße, laß« 
Derlangenbe Sippen: benn in jebem ©alon flim¬ 
merte ein mächtiger ©hrifthaum mit Judermert 
unb bergolbeten SRüfjen beinahe Derftwenberift 
behängt. 

SBelch erhabene ©inbrüde biefer Prahlenbe 
©hrifthaum ba braufeen in ber SBogeneinfatn« 
feit machte, bermag bie Jeber faum genügenb 
gu hefchreiben! gfvembe fDtenfdjen, beren bergen 
erft bie ©emeiniamfeit ber Sleerfahrt etwas 
näher rüdte, umarmten fich fröhlich, als bil» 
beten fie eine grofee burch bie Sanbe ber Siebe 
unb fjmmbfdjaft gufammengehaltene Familie. 
6 in Heines Stäbchen, wohl ein netter über« 
fprubelnber üüilbfang, ein Heiner bergiger 
©aufeminb, tbat gu gleichenffüfeen einen Sprung 
nadh bem anbern, luftig babei in bie fjänbe 
flatfchenb. 

Ja, freut euch nur, ihr lieben SJenfebenfinber, 
bereit nicht an bie trauten Crte bnhinten, bon 
beiten eiich jefet ber 91bgrunb bes SieeteS trennt, 
aber auch nicht an bie neue SBelt ba brühen, ber 
baS Schiff immer mehr entgegenpuftet. ienft 
nicht baran, es möchte fonft bie 2öeif)nacht§« 
freube fortflattern!... 

6in fchöneS, bornehmes, ruhiges SlanneS» 
antliß, in welchem ber Slunb fo feiten lacht, 
fcheint eS freilich bort am f<f)Wetlenben Ißolfter 
nicht unterlaffeit gu lönnen. Slan fann faft bie 
burch ben intereffanten Kopf giehenben ©ebanfen 
auf bem ©eftcht lefeit: 

®u afteS Stütterdjen baheim unb bu, liebe 
Schwefter, was werbet ihr in biefer Stuitbe 
madhen! J«h febe eure trauliche, Don einer weit« 
fchimmernben Sdpteebede umgebene ÜBohnung; 
©iSblumen blühen am ffenfler, Slumen ber 


s* 


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jteroijorlttr &d)rift|teUer. 


2 ß 


/ 




ffreube in euren£>ergen. ©ebenlt ibr mein l... 
— 0 wie wirb’s ber wilbfrcmben Seele ba 
brüben im Oualm uub ©ebraus ber grojjen 
Stabte ober in ber ÜBälbereiiifnmleitbes SÖeflens 
ergeben (... ffiirb iljm im inid)fteii ^aprc and) 
ein ©briftbanm ftrablen '(... 

(tßoin Jets gum tüieer.) 


Heimjorkcr SdjriftfteUcr. 

!öou m. Üßeiler. 

i ft an bie ftrennbfdjaft groifdjen 
©oetfje nnb Schiller epiunernb, 
tritt in biefem Greife baS 35er= 
bältnife gmifcbeu ©reene £alled nnb 
3iO|'epb SSobman Träfe üor unfern ölid. 
9tid)t als ob es audj hier eine fyrcnnbfdiaft 
gmeier ebenbürtiger 9Jteifter geroefen wäre, 
Träte war Weit ber gerinqcre boit ben 
'■Seibeu. ftaum aber wirb $öfllid)ereS in 
©oetbe’S 'Jfocbriif an Schiller, im ©pilog 
gum Sieb üon ber ©lode, gu finben fein, 
als ber Nachruf .jjaUed’S an feinen früh 
gefdjiebeuen 3?retiub: 

(SS grüne ftetS bein öügel, 
ftreunb meiner befj'ren Jage. , 

Sieb liebte, wer birb faimte, 

Sieg pries, Wer bid) nur nannte u. f. tu. 

^ Träte’* bebeuteubfteS ©ebidjt, “The Cnlprit 
Fny” oerbanfte feine ©ntftebung einem ®e= 
jprätb, welches Träte, Te ßap, ßooper nnb 
.ffafled an einem Sommertag beS ^atjreS 1819 
pflogen. 93oit ben fcbottifd)en ^liifjcn uttb bereit 


'fl. SSrnfe. 


ft. ®. .'t'oüccf. 

©ebrancb für bie Ißoefie burd) bie gasreichen 
romantifeben tßerbinbnngen mar bie '«Rebe, 
•ftafled unb Cfooper behaupteten, bnp unfere 
tfliiffe feine folche Stoffe bieten. Träfe, wie ge* 
wöbnlid), pertbeibigte bas ©egentbeil, unb gum 
®elcg feiner ^ofition berfafite er in brei Tagen 
fein “Cnlprit Fay ®ic Scene beS ©ebid>tS 
ift in bie ,f)od)ldnbcr beS .fmbfon neriegt, nnb 
all bie ffftille beS SebenS in 3?elb nnb ^luttj, bie 
jener ©egenb eigen, ift bureb ben ftauberftab ber 
bidjterifcben ^bantafie in eine 9irt Sommer* 
nadbtstraum bermanbelt. 9tur 25 3iabre alt, 
fanf ber Tidjter in’S frühe ©rab. 

2 Bie manches Ticbterleben ruft boeb immer 
mieber ben ithinfd) mad), es möchte bem ftiinffler 
gegeben gewefeu fein, unbetiimmert um baS täg* 
liebe 53rob, fid) mit Wittfee ber böchfteu ifunjt gu 
mibmen. ©erabe baS ©egentbeil bat man motjl 
oft für Aip ©reene .fmlled gewiinfebt. tpalled, 
1797 —18<>7, febrieb nerbältnifemcifeig wenig, 
aber baS Sinnige ift fo mertbboü, bap es fefer gu 
bebauern ift, baft ber Ticbter feine glcingenben 
©aben nicht beffer oermertbete. Ter oermög* 
liebe ©ebiilfe eines 3(ob. 3. 9lftor botte für bie 
9lnforbentnqen an fein poetifd)e§ Talent nur bie 
fatale Antwort: „Söogti bo<h nur ?" Tie Ißerie 
feiner Sprit: 3Rorco SßoggariS (Sotfaris) ftebt 
i biefleicht unerreicht in unferer Siteratur. 4?ier 
ber SBerfncb einer Ueberfepung: 

Marco Bouaris. 

Um 'Ulittcrnadjt in feinem £elt 
Ser Jurte um ber Stunbe träumt, 

Sa (ffrietfienlanb tu Anfi i|jm fällt 
3m ©taub, bas fgelb bem©ieger räumt. 

,'m Jraum auf feinem ©iegeäjug 
Jropbäen reich unb fdiön er trug; 


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flrtmjorhrr SdjriftfleUer. 


27 



£aU«fS RamiliensScgrAbuifspIat. 


3m bräunt umraufcfyt ifyn ^reiägefang; 

Sann blifct ein 3ting an feiner öaitb — 

Sann — König — na$ beim S^ron fein ©taub; 
Unb IjÖ^er, fyöfycr unbermanbt 
3n Sräunten er fid) fcfymang. 

Um SWitternacbl, in SSalbeSgrunb 
güfyrt ^öoyarid bie ©uliotenfcfyaar — 

Zreu, mie ifjr ©tafyl, im fyeilgen 93unb; 

©in £elbenbolf fürmafjr. 

Sa ftanb einft ^erfienä 33ölferflutfy, 

Sa tranf bie Grbe frofy ibr 33lut 
©inft an $tatääd Sag. 

Unb biefe tfuft, }o geisterhaft, 

©dhweilt jefct mit SJtutb, mit ^ömenfraft 
Ser ©ohne 93ruft, $ur mtterfchaft, 

3um alten öelbcnf^lag. 


’9?e ©tunbe fließt — bei* Sürf ermaßt: 

©£ mar fein lefcter Sraum; 

©rmacht — unb hört ber Sachen ©djrei: 
„Ser ftcinb! Ser $einb ! 3 U Sülf ’ ! .herbei !" 
©rmaebt unb ftirbt nod) in ber s J?acht, 

Umjifqt bon ©luth, bem ftlammenmacht. 

3ur gluckt läfjt Jyeinbevfchmert nicht Waum. 
Unb fterbenb nod; bernimmt fein C^r 
Klar auä beä Bürgen* graufem (Sl;or: 

„Wuf trüber, galtet ©tanb! 

Srauf — biä ber lebte geinb bahin; 

Srauf — bi$ mir frei $ur öeimatf; $iehn; 
Srauf — für ber &äter ©räber grün; 
gür öott unb SBaterlanb!" 

©ie [türmten fid; in’s ©cbmerterfpiel; 

2Rit Reichen marb bcfä’t ber ©runb; 


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28 


GIpijHag in bet ScmntagfdjuU. 


©ie ftegten — bocp ®oaaari3 fiel, 

©lutenb, jurn Tobe munb. 

Tie mengen 28affenbrüber fa^’n 
3^n lächeln, mie fie fiegreicp nab’n, 

2113 ityr §urrab ertönt; 

©afj’n, mie im Tob fein 2tug’ ftc$ fcplofj, 

Sinnig fein Seben3blut binflofc, 

2öie vladjt mit Wutye frönt. 

Komm in ba3 SBrautgemacb, o Tob; 

Komm ui ber Wtutter, menn beglücft 
Hum erftenmal, nach banger Wot$, 

Kinblein fie an’3 §erje brücft. 

2113 ©eucpe, bie bie geffeln bricht, 

©täbte oerbeert im Strafgericht; 

Komm al3 ber ©cbminbfucbt gift’ger 2Burm, 
@rbbeben3 ©tofc; in geuer unb ©türm; 
Komm, wenn ba3 §era fc^lägt hoch unb marrn, 
2Jtit 3ubelflang unb Tana unb 2Bein; 

Unb bu bift fcbrecflich ftet3 — ber ©ctymera, 
Ter ©eufeer, ©arg, gebrochene3 $erj, 

Ter 3)ienfchheit Dualen allerioärt3, 

©inb, ©chrecfen3fönig, bein. 

Toc$ für ben gelben, beffen ©c^mert 
Ter gretbeit ihren ©ieg errang, 

Tein Wuf tönt mie ^ropbetenmort; 

6r hört au3 ihm Serbetfcung toerth 
Runinft’gen Tante3 geierflang. 

Komm, menn fein Wul^m nun ift erfauft — 
Komm mit bem iiorbeer blutgetauft — 

Hur Krönung3ftunbe fomm — unb bann 
3p ihm bein ©lief, ber $eraen bricht, 
SötUfommen mie ba3 ©onnenlicht 
©efangnen in be3 Kerfer3 33ann. 

Tem ^änbebruef roarm, mie bie §anb 
Te3 ÖruberS, in bem fremben Sanb; 

Tein Wuf miUfommen mie ber ©eprei: 

„Tein bange3 ©ueben ift oorbei, 

Tu Söeltenfucher ©enua3!" 

2113 oon bem nahen ^almenftranb, 

S5om büfterekhen Tropen lanb 
Ter Söinb trug 2Bürge §aptia3. 

23o»ari3! mit ber {pelbenfcpaar 
Wu3 ©riedjenlanb3 glorreicpfter 3*it, 

Wuty’ fanft — fein ftolj’re3 ©rab fürtoahr 
Trägt felbft e3, meit unb breit. 

Wid}t hüllt e3 ficb in Trauerflor 
Um bich; nicht SBeibraucp füllt bie Sufi. 

Unb Halmen nicht, nicht ©arfop^ag 
Verehren beinen ©iegeStag; 

Glicht mimrnert Seicpengloäem©bor, 
öerjlofer Su;ru3 nur, ber ©ruft. 

Tocty liebenb benft e3 immerbar 
Tefj, ber be3 S$olfe3 Liebling mar. 
gür bich be3 Tid?ter3 §arje Hingt, 

Ter Wtarmor glängt, ber Sänger fingt; 
©eburt3tag3glocfentlang erfchallt, 

Tein Warne jeber ©äugling lallt; 
gür bich in feinem Wacptgebet 
Ter König unb ber ^Bettler flebt ;• 

©ein ©treiter in be3 geinb’3 Skreicp 
Um bich führt einen fräft’gem ©treich; 

2ln bich benft bie ©olbatenbraut, 

2öenn oor ber ©cplacbt ©efahr ihr graut. 

3n beinern Soo3 ben Troft fie fchaut. 

Unb fie, bie ©ohne bir gebar, 

Db auch ber 2lugen trüber Sölicf 
©rjäblt ihr traurige3 ©efehief, 

Ter 3ugenbfreuben Tobtenbapr — 


Unb felbft ba3 alte 2Rutterberj 

©iebt nimmer Waurn bem TrennungSfcpmera, 

2ln Troft ihr nicht gebricht: 

©epörft ber Freiheit nun, bem Wupm — 

Tetn Warn’, oer teelt ein Jpeiligtpum — 

Tein Warne ftirbet nicht. 

£>allecf hat bie @hre, ber erfte amerifanifche 
Tichter au fein, bem ein öffentliches Tenfmal 
errichtet mürbe. 


(Ujttfttng tu ber Somitagfdjule. 

®aw Sfartiit 

f it haben un$ mieber herfammeltr um mitein= 
anber ba$ febönfte geft ber gefte au feiern, 
bic fiinber mit iubelnbeit ©eraeit, mir Sltern 
mit frohem ©emiith. 

63 ift nicht ber ©eburtStag ettteS SBeifen, ©e= 
maltigeu ober Mächtigen biefer SBelt, bem mir eut= 
gegenfrohlodeu, nein, fonbern bem Tag jenes glürf= 
lichften aller 6reigniffe, mo ber gürft jener unfuht- 
baren 2Belt feine ©errlicbfeit uerliefe unb 3Kenfd)en- 
geftalt annahm, mo nicht bie 3Kenfchen ben ©öttern, 
fonbern mo ©ott ben 3Kenfchen gleich mürbe. 

O glücflichfter Tag aller Tage, bafj bu ie bev 
3Kenfchheit erfchienen bift! T)uxch 3ahrtaufenbe hin 
höre unb Jebe ich^ mie bu erhofft, erfehnt unb ge- 
meiffagt umrbeft. ©erolbe preifen beinen, ©lau* 
unb oerftummen, ohne ba§ ihre 2lugen beine T)äm^ 
merung erblicfen burften. SBir aber bürfen bich ev= 
fennen unb lieben. T)arum feiern mir auch fo gerne 
feinen ©eburtStag. 

6r fam in fein Sigenthum, aber bie ©einen 
nahmen ihn nicht auf, auerft nicht leiblich* fpäter 
nicht geiftlid). 

Ungefannt oon ber SBelt, aber befungen hon 
bimmlifchen £>eerfchaaren, angebetet unb befchenft 
oon morgenlänbifchen SBeifen, begann er fein 8eben, 
fein 2Birfen unb fern 35Bert. 

3afob’3 SBeiffagung, „unb bemfelben merben bie 
2Sölfer anhangen," ift uor unferen 2lugen erfüllt, 
beim fein ©cijt unb feine 3been haben bie 93ölfer 
burchbrimgeti unb befiegt, unb feine ßrlöfung hat 
bie Jßelt felig gemacht. 

25iv feiern heute ben ©cburtStag 3efu, nicht meil 
eS an bemfelben 2lepfcl, Wüffe unb allerlei ©efchenfe 
unb Wafchmerf giebt, nein, e3 ift ber ©cift unb bie 
3been unb ba3 8eben 3efu, unb bie Triumphe, 
melcbe biefelben über bie 2ßelt feierten, toelcher mir 
heute pebenfen, toeldien bie ©dnoachen aum SRaube 
unb bie ©tarfen aur ®eute mürben. 

T)icfe fiinber mit biefem 3cfu befaunt au machen, 
biefeS ift unfere 2litfgabe oon ©onntag au @onn= 
tag, beim obmohl er ben fingen unb naferümpfen= 
ben 93harifdern unb ©diriftgelehrten gragen Por- 
legte, rneldie biefelben nicht beantmorten fonuten, fo 
ftredt er aur felben 3eit feine ©anbe au3 nach ben 
nnfduilbigen unb einfältigen Kinbern unb fpricht: 
„Saffet bie Kinber au mir rommen unb mehret ihnen 
nidit, beim folcher ift ba3 ^pimmelreid)." 

3a, fagt man, biefeS ift fchon gut fürffinber unb 
ungebilbete Seute, aber glaubt auch irgenb ein 


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Putdj Srrungen jut Stoljrljftt 


29 


Obcrftct beS SolfeS an'ihn? ®er©eift unb bie 
3been 3efu finb nicht nur paffenb, um oon biefeit 
Snnbetn erfaßt unb oerftanben gu werben, fonbern 
auch hoch unb tief genu& um ben Jflügften in Ser= 
wunberung au fefeen. ©ie beadbmten unb bdnbig= 
ten ben ungefelligen SBilben, hanbeu aufammen 
mit heiligen ©anben bie Familie, grünbeteu ben 
Sau ber ©tdbte unb baS gefellige 3ufammenwobnen 
in benfelhen unb oerebelten bie Sölfer. 

SS ift ein ®eift unb biefelbe 3nfpiration, welche 
biefe ftinber biefem Fürften ihr 8oblieb erfdjallen 
laßt, unb welche ben tieffinnigen Älo^ftocf bewog, 
feinen „üRefftaS" au f(hreihen unb äHilton fein 
“Paradise Lost” unb “Paradise Regained”, weldfe 
Sincent be ©aula trieb, fi(h ber armen oerlaffenen 
ftranfeit anaunebmeit unb bie erfte praftifche ©ofpi= 
taU unb Jhanfenpflege au grünben. 

®erfelbe ©eift unb biefelben 3been, welche burch 
unfere einfachen ©onntagfchullieoer weben/ ergreift 
unS mit unwiberftehlicber®ewalt in©laife©aScalS 
erhabener Sbilofophie wahren SbriftentbumS, in 
8utharbtS fcharfer Sogif unb in bem gewaltigen, 
atle3 mit ftdj forheeißenben fRebeftrom eines $llesan= 
ber Sinei. 

®erfelbe ©eift unb biefelben 3been, welche biefe 
ihiaben mit Ehrfurcht erfüllt, baß fie ihr ©aupt 
entblößen, wenn fie biefeS einfache ©otteSbauS be¬ 
treten, erfüllt ben größten aller Slftronomen 3. 5Rew= 
ton mit heiligem ©thauer, wenn er.@otteS groben 


©tementempel betritt unb nie Diefen s J?amen auö= 
fpricht, ohne feinen ©ut abjunebmen. 

SS finb bie Früchte beffelben ©eifteS unb ber= 
felbcn Arbeit, wenn hier eine arme einfache ^Kutter 
ihre £inber in ber 3ud)t unb Sermabnung aum 
©errtt ersieht unb biefelbe au nüfelkben unb tugenb= 
famen SKitglieberu ber menfcblid)en ©cfcllfdjaft 
beranwaebfen, unb wenn bort oor fiebenaig fuhren 
bie bem beutfehen Solle fo unoergeßlidje Königin 
ßouife oon Preußen ihren awölfidbrigen ©obn 
JBilbelm, ben jefeigen beutfd)en Äaifer, oor ihr 
(Sterbebette ruft unb bemfelben bie treue 50?utter= 
banb auf’S ©aupt legt unb fprid)t: „äReiit Sohn, 
traue auf ©ott." 

•SS ift berfelbe ©eift unb biefelbe Sriebfeber, 
welche hier biefeS einfache ©cbulbauS unb bort ienen 
Tempel ber 3)?ufe errichtet, burch welche 9?apbael 
ber febmufeigen Farbe unb ußichel 5lngelo unb Sbor« 
walbfen bem falten SRarmor Sehen einbauchten. 

SS ift berfelbe ©eift unb biefelbe ©ewunberuug, 
burd) weldje biefe fiinber in einfadjen Siebern ihren 
.©eilanb preifeit, unb burch welche ber größte aller 
Äomponiften, ©anbei, in feinem ÜKeifterftücf 
„SWeffiaS" mit Baubertönen biefem 3)?effiaS ent« 
geaeniaudjat. 

3bm wollen wir heute fingen unb fpielen in 
unteren ©eraen, unb mit einftimmen in ber Sngel 
Sobgefang: ,,Sbre fei ©ott in ber ©öbe, JJriebe auf 
Erben, unb ben äRenfchen ein SBoblgefallen." 


i i r rTTn n 


Purd) Irrungen jnr Üaljrljrft 

fin t>eutf$-amtxi&auif$e$ 3fatnifien6ifb am bet Gegenwart. 
Sott 3 . 3. Keßmer. 


ie liebliche 
2Beib= 
nachtS- 
seit, baS 
gerdufdj' 
oolleStfeu- 
iabr wa= 
ren uor= 
über. ®ie 
2Bolfe, 
welche baS 
Ser-~ 

fchwinben 

mm 

über bie 
befreunbe- 
ten Fami¬ 
lien gebracht hatte, war noch nicht gewichen, ©ram 
unb Äummer oeraebrten baS ©era beS unglüefliräen 
SaterS. Sollet Seraweiflung gab er feine Sochter 
oerloren. Unb war eS nicht fo? 2Bar fie nicht mehr 
noch verloren, alS wenn felbft ber ®ob fie oon feiner 
Sette hinweggeriffen hatte ? 

Für 9Rina,ftanben neue ffdmpfe beoor. ®ie 
GameoalSaeit war am ©eranrürfen. SSflcm fprach 
aüem&ttö von bem beoorftebenben großen 2RaSfen= 


ball, weltherben eigentlichen©lanapunftber©aifon 
hüben follte. ©tiüfchweigenb fd)ien man ibre$thei(= 
nähme baratt alS feibftucrftdnblicb oorauSaufcfeen. 
®aau waren bie Sefuche eines iungen ätjanneS, 
©obn einer befreunbeten, aitgefehenen Familie in 
lefcter 3^it immer häufiger geworben. ®aß bie= 
felben weber bem Sater noch bem ©ruber galten, 
fonnteSRina fuh nicht oerheblen. Son anfebnli^em 
?leußern, gewanbt, oollerSBife unb ©eift, babei oon 
fledenlofem 9?ufe unb alS fleißiger ©efchdftSmann 
wohl angefeben, war er in allen mit erwachfenen 
Sechtern gefegneten Familien ein willfommener 
©aft. Sluch ÜWina mochte ihn wohl leiben unb 
fonnte fich bem 3«»ber feiner UnterbaltungSgabe 
faitm oerfchließen. Allein, einaelne gelegentlich hin« 
geworfene ©emerfungen, frioole ©ebene unb un« 
bebachte 9leußerungen oenietben ihr, baß er in bem, 
toaS ihr baS ©ochfte war, bie entgegengefefete ©eite 
oertrat. ®aß feine ©efuche oon ben ihrigen gerne 
gefeben würben, fonnte fie leicht wahrnehmen. 

2BaS follte fie tbun? —®en erften ©chritt in 
ben Sergnügungen unbßuftbarfeiten bcrJSelt hatte 
fie bereits gemacht, unb fdjon fab fie immer *ahl- 
reichere Fcffeln in ©ereitfehaft, um ftc an ben @6feen= 
wagen biefer 3eit au feffeln. SOBic fonnte fie ftdi 
benfelhen entließen ? ©ie batte geglaubt, bloS beit 



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30 


Purdj Strängen jur Pfnljrljeit. 


Oringcnbcn Bitten unb 5 >ordcdungen ber Shrigen 
eine Gonccffion 311 machen; fic wollte bloS in finb- 
lidjer Pietät ben SSünfcfien oon Sater unb Stüber 
flennten; ater jefet fall fie, bie SBclt wollte fie eben 
aan3 haben, ©atte fie hoch ©errn SSÜfenS in ber 
mhe gehabt, um ihn, um 3 iath fragen 311 fonnen; 
aber baju war feine ©elcgeuheit. 51 uch fühlte fie 
311 fdjüchtern, fich ernften, chriftlichcn Sreuubcu ihrer 
nächften Umgebung anjuocrtraucn. Gnblicb bacf)te 
fie wieber an Goufin SöhnnncS, unb ba fie überbicS 
ihm einen Srief fdwlOig mar, fo benüfete fie bie 
©elegcnbeit, ihn mit ihren ©rfjwierigfciten befannt 
au machen unb ihn um feine ?fnficht unb feinen 
9 tath 311 bitten. 

©ie Antwort liefe auch niefd lange auf fich wcir= 
kn. ©a bicfelbe für ihre (vntfchlüffe entfdjeibeub 
mar, fo fefeen mir bicfelbe oollftanbig her. 

. ..Godege, ben 15. Sanuar 18.. 

Siebe Goufine SRina! 

©einen lieben Srief habe ich erhalten. Sch fann 
bir gar nicht fagen, wie fefer cS mid> freut, au$ bem* 
felben 3« oernehmen, bafe bu noch immer aufrichtig 
bemüht bift, ®ott 311 bienen unb in feinen SBegcn 
31t manbeln. ©er ©err wolle bir ba$u in alten 
©tilgen Äraft unb ©nabe fefeenfen! 

©u fragft mich um meine Slnftcfet unb meinen 
Stotfe in beit @d)wierigfeiteu, 001t beneit bu umgeben 
bift. ©iefelben mögen fehr brüdenb für bid) fein. 
Grinnere bich aber, bafe mit nicht auf biefer SBelt 
finb, um gute ©age 311 haben, fonberit um für eine 
ewige ©errlichfeit 3ubcreitet 311 werben. Unb ba 
muffen auch Schmierigfeiten unb Xrübfale 311 unfernt 
Sefteu bienen. 3 ßa 3 aber beiite befonberen @d)wie= 
rigfeiten unb ben 2Beg anbetrifft, ben bu babei nach 
©otteS 2Bort 311 nehmen haft, fo will ich bir barübet 
offen meine Ueberaeugung mittheilen. 

5 lu<h in biefem ©tüde ift baS SBort ©otteS bie 
alleinige unb untrügliche SRuhtfdjnur unfereS ©an= 
beln^ unb SBanbelnS. SRun ermahnt un$ baffelbc 
nad) 1 Setri.2,11 auSbrüdlid): „Enthaltet euch oon 
ben fleifchlicfeen Süden, wehhe miber bie Seele flrei- 
ten." ©aan haben mir nun aud) bie Suftbarfeiten 
unb SSergnitgungen ber ffinber biefer 2Belt 311 red)= 
nen, al§ ba finb: ©ad, ©heater, weltliche Goncevte, 
GircuS u. bgl. Sch meife wohl, bafe häufig 311t Gnt= 
fdnilbigung beS ©efucfeS folcher ©läfee getagt wirb, 
bafe bafelbft nichts Ungebührliches oorfomrtte, unb 
Slnftanb unb gute Sitte aitfS Strengfte gemährt 
werben. ®aS mag in oieleit Süden auch wirf (ich 
fo gehalten werben. 9 lber baS ift noch nicht ber ein* 
3ige ©tanbfcunft, ben ber Ghrift einsunehmen hat; 
er hat itod) gans anbere®inge in Setracht 31t aiehen. 
91 Ö unfer ©hun unb Saffen, unfer Umgang, uitfere 
Sefchaftigung, unfereGrhoiungen, mit einem $ 5 ort 
nufere ganae SebenSrichtung, übt auf unfern Gha= 
rafter alS Ghriften einen grofeen GinSufi auS; bilbet 
benfelben 311 bem heran, waS mir wirtlich am Grube 
werben. Gutweber ift nun biefer Ginflufe ein folcher, 
ber unfer inneres geiftlidjeS Sehen förberi unb unfern 
Gharafter für baS Dieid) ©otteS weiter bilbet, ober 
aber er ift ein folcher, ber baffelbe hinbert unb tobtet 
unb unfern Gharafter für biefe fünbliche ®elt bil~ 
bet. ©u fclbft fühlft, welcher 5 lrt ber Ginflufe ift, 
ben biefe Suftbarfeiten auf bich aiiSüben mürben. 
Unb wenn ber ©err marnenb fragt: „$BaS hülfe eS ! 
bem SKenfchen, wenn er bie ganae 2Belt gewönne I 
unb litte Schaben an feiner Seele," fo aeigt bamit l 


ber ©err/ bafe mir um feineS ivbifchen ©cnuffeS 
willen baS ©eil nuferer Seele oerfchericn foüten. 

„ 5 lber," fagft bu, ,,id) thue es nicht auS Suft 311 
biefcit ©ingen, ich felhft habe feine Sreube baran, 
ich möchte nur burch meine Steigerung bie deinen 
nicht betrüben." Stürbe ber Ginflufe biefer ©inge 
ein weniger gefährlicher fein für beine Seele, wenn 
bu bloS auS folcher Urfache hingingeft? SlUlrbeft 
bu nid)t ie langer ie mehr in bie Suft biefer SBeit 
oerftridt werben? Sch gebe 311, bafe bie ©einen über 
beine Weigerung cvft unwillig werben mögen. 51 ber, 
„wer Satcr unb Butter mehr liebt, beim mid), ber 
ift meiner nid)t merth," foricht ber ©cw. Grregft bu 
burch beineu ©ehorfam gegen ©otteS SBort ihren 
Unwillen, fo ift baS eben baS fireuj, baS bu um 
Sefit willen 311 tragen haft. ©laubemir, liebe 3 Wina, 
ber ©en wirb beine ©reue gegen ihn unb fein SBort 
nid)t uubeiohnt (affen, unb bu wirft eS erfahren, 
bafe, wenn ber SBcg, ben er oorfhreibt, auch oodev 
©ornen 311 fein fd^eint, er betmod) jum Stieben unb 
3ur ©errliddeit führt, ©er ©err fegne itnb ftärfe 
bich. Sei nur treu unb oertraue bem ©errn, ber 
5 ldeS wohl macht. 

Sn Siebe bein Goufin 
SohanneS. 

©er Srief ihreS GouftnS übte auf Sttincf eine 
entfdjeibenbe SBirfung auS. ©er 9 ?cbel, ben eigene 
Unentfchloffenheit unb bie anersogeneit Sorurtheile 
ber Shrigen ihr über ben 9 Beg gelagert hatten, war 
oerfchwutibcn. ©ie fab nun ihren 9 Beg flar Oor fich 
unb ihr Gutfddufe war fd)ned gefafet. SBelt unb 
©ünbe oerflichten, fie mit unauflöslichen ffianben 
31t fcffeln, eS galt, benfelben gegenüber ihre chrift- 
Iicf>e Sreibcit 31t behatioten. ©och ihr ©er3 bebte 
beim ©ebanfen an ben ©türm, ben ihr Gutfcfalufe 
bei ben Shrigen heroorrufen würbe. 

©ie nädtfte ©elcgenheit, ba fie fich mit ihrer 
9 )?utter allein befanb, benufete fie, lim ihr ihren 
Gntfchlufe, an feinen Suftbarfeiten mehr ©heil ^u 
nehmen, unb dd) gang aur ftirche au halten, mit= 
autheilcn. 

,,©at bir S^hamteS gefchrieben ?" fragte Srau 
Sehmanu fogleich. 

„Sa," antwortete STOina, uttb übeneidde ihr ben 
Sörief. Srau Sehmann burchlaS benfelben naA s 
benflich, unb hie unb ba ftablen fich ©hränen auS 
ihren 5 lugen. 

„®it weifet, ÜHina," fagte fie nach 5 ?eenbigung 
ihrer Seftüre, „bafe unS SohanneS fehr werth gewor^ 
ben ift, unb wenn and) bein SSater hie unb ba 
meint, bafe er in feinen 5 lnfidden 311 fdwoff fei, fo 
weife id) bodi, bafe er grofee Wddun^ oor ihm hat. 
Sd) glaube felbft, bafe SohanneS im SRecfeten ift, 
wollte bir gerne helfen, btefe ©efellfdiaft 311 meiben; 
aber id) weife, eS wirb 9 ?ater fehr franfen. Gr hat - 
grofeen ©tola auf bid) tutb hoffte, bich einmal eine 
heroonagenbe dtode in ber gtofeen SBelt foielen 311 
fehen; barum hat er auch alleS für beine 9 lu 3 bilbung 
gethan unb fein Oofcr gefefeeut. Gr wirb nun ade 
feine $lane oernichtet fehen unb fehr betrübt fein." 

„©ewtfe," fagte 90 ?ina, „thut eS mir in ber Seele 
weh, ihn betrüben 311 müffen. SSater war ja immer 
fo gut 31t mir; aber liebe 3 Äutter, i^ fann nicht 
anberS; ich fann biefe ^ßlafee nidit mehr befuchen; 

I id) fann gar nicht baran benfen, oldte bafe eS mir 
I baS ©ers aufammenfÄnürt." 

I „ 51 m SBeften," meinte bie 3 Rutter, „bu dmcfcft 


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Pucd) Errungen für JUöljrijett. 


31 


felbft mit beinern Vater. Vielleicht, bafe e$ auch 
nicht jo fcblimnt ausfällt* wie mir es befürchten." 

Den nädiftcn Mbenb, al$ bie ^ycimiüe gemüthlid) 
bei Sifche jafe, fam ba3 ©efpräch wieber auf ben 
beoorfiehenben SWaofenball unb ©err Sehmann warf 
3Hma bie grage bin, wie c3 in biefer Vegiehung 
mit ihrer ©arberobe aubfähe ? 

3Bina fühlenb, baß ber gefürddete Mußenblicf gc= 
fommen mar, antwortete mit flopfenbem bergen: 

* Vater, entfcbulbige mich, id) gebenfe nicht gu biefem 
3Ha*fcnbaU gu ßchen." 

*®ie?" fuhr ©err Sehmann erftaunt auf, „höre 
ich rcd)t‘? Du will ft hoch gewife nid)t faßen, bafe bu 
ohne ©runb oon bem fchönften gefte ber ©aifou 
meableiben willft ?" 

2Wina, all ihren ÜRuth gufammennehmcnb, ant= 
wertete: „Sieber Vater, fei mir bod) nid)t böfe; ich 
habe mich währenb be$ lebten Valleä fo unglüdlich 
unb nachher fo elenb gefühlt, bafe ich mir oorge- 
nommen habe, feiucfolchen Vläfee mehrgubefucheu." 

©err Sehmann wollte eben eine ärgerliche Mntwort 
geben, aber SRina fuhr bittenb fort: „SD Vater, ich . 
weife, wie febr bu mid) liebft unb bafe bu mir nur | 
greube unb ©lütf bereiten willft, aber ich fann auf 
biefen Vläfeen feine greube geniefeen, id) glaube, e§ 
ift nicht recht unb (Sott nicht wohlgefällig, folche 
Suftbarfeiten gu behüben, ich habe lanße barüber 
nachßebacht, aber id) tonnte nicht eher gut Muhe 
fommen, bi* id) ben Sntfdjlufe fafete, biefelben ßang 
aufgußeben unb mich allein gur$ird)e unb gu@ottc$ 
SSort gu halten." 

? err Sehmann ftanb entrüftet oon feinem Stuhle 
unb faßte: ,,?|d) febe fchon, bat? finb wieber 
folche oerbrebte i^been, bie bir in SDcean ©rooe in 
ben fiopf gefefet worben finb. Sich wollte, id) hätte nie 
meine ©inwiUißung ßeßeben, oafe bu bahin ßinßeft!" 

Heinrich bemerfte: „Sßenn 90?ina nid)t gur 3Ka^ 
ferabe geht,Jo habe ich auch feine Suft, mich bafelbft 
fehen gu lallen, fühle überbieä feine befonbere MeU 
ßiuiß, mich bei ber Marrheit gu betheilißen." 

„So," meinte ©err Sehmann farfaftifch, „natür= 
lieh, ein ^ebeS tbut, wie e3 ihm beliebt. 3d) habe 
freilich Micbtö gefpart, um bie MuSbilbting meiner 
lochter gu oolleuben unb fie in ben ©taub gu fefcen, 
eine untrer gamilie würbige ©teflungin ber ©efcll= 
jehaft eingunebmen; nun aber baä gräulein naefc 
träalich fiubet, bafe biefeä wiber ihr ©ewiffen ßebe, 
fo rann fich ber Mite bcfd)eibeu." 

»SD Vapa," rief 2)?ina mit thränenüberftrömtem 
Mngeficht, iubem fie auffprang unb fid) an feinen 
©al* binß, „wie fann ft bu fo ßraufam fein, fo etwa§ 
,gu faßen. Du weifet, bafe bu mir mit 2Rutter mehr , 
biit, aläjie gange ©eit. ©ie ßerne will ich in 
allen ©tücfen bir eine ßeborfame Sechter fein; aber 
ich bitte bich, gwinße mich nicht m Dingen, bie ich 
nicht ohne Mnftofe meinet ©ewiffenS tbun fann. 
piefe Suftharfciten, wenn ich fie mitmadeen mufe, 
unb mein Unterßanß, ba3 fühle ich. Dcnfe an 
Meüo, wäre fie nie in fofcbe ©efellfchaften ßefommen, 
©en g— hätte nicht fo febmereä Seit) um fie gu 1 
tragen, ^d) bitte bid), lafe mich ©ott bienen!" 

„©chon gut," faßte ©err Sehmann, inbem er fich 
oon ihr loä mad)te, ,,id) febe fdwn, ee ift eine be= 
fchlovfene Sache, bafe bu beinen ©eg oon bem unf= 
rißen trennft. Da* ift bie©hriftlid)fcit bieferSeute, 
Oafe fie ©Item ihr eigene^ £inb ahfpenftig machen, 
freilich finb bamit meine liebften Vläne gerftört, 


aber ma£ fdjabet e§. 3nbeffen braudjft bu feine 
Surd)t gu haben. 3cb bin nicht Sorann ßenuß, 
| um oon meiner erwachfeneu Tochter baö gu er- 
gwinßen, wa^ fie mir au6 Siebe nid)t geben fann. 
Much will id) feines* SWeufdien ©ewiffen befdnoeren, 
i auch ba^ beine uid)t. 95Btnn bu benfft, bafe biefcs 
! recht ift, fo maßft bu auch beinen eigenen 2Beg 
haben." Damit oerliefe er mit allen 3eid)cn tiefer 
I ftränfunp ba^ 3immer. 

SBie tief bieje ©genc SKina oerwunbete; welche 
innere Kämpfe fie ihrocrurjaditen! Spälte ein ftrenßeo 
©ebot ihr 3wanß auferleßen wollen, fie hätte ftraft 
aefunben, bemfelben um ©ottcsuüllen gu wiber= 
ftehen unb bie Solgen auf fid) gu nehmen; wäre fie 
mit ©pott überfebüttet unb mit 33erfolßunßen be= 
broht worben, fie hätte ihr ffreug ßebulbiß auf fid) 
genommen: aber bafe bieienißen ihr ©erg oon ihr 
wanbtem, bie ihr bie Dhcuerften waren, barüber 
blutete ihr ©erg unb wer weife, ob fie biefe 3$er= 
fudjunß übenvunben hätte, hätte nid)t ihre Butter 
ihr Droft unb Unterftüfeunß gu Dheil werben laffen. 
grau Sehmann gehörte m ben Maturen, bie oot 
jebem ©türme ihr ©aupt beugen, aber babei feft im 
SBoben einer tiefen innern Uebergeußung unb ©e= 
wiffenhaftißfeit wurgeln unb baher nid)t weaperiffen 
werben fönnen. ^ohanneb’ SJrief hatte ihr bie Suft= 
barfeit ber 2Belt tu einem neuen Sichte gegeigt unb 
fie war übergeugt, bafe baffelbe bie SBahrheit war. 
3Hit 33angigfeit hatte fie bem ©türme entgegen 
gefehen, ben 2J2ina3 ©ntfehlufe heroomifen würbe, 
nun berfelbe aber ßefommen war, erhob fie guerft 
wieber getroften 3Ruthe§ ihr ©aupt. 

äßina hatte fich in ihr 3imnicr gurfufgegopen. 
©ben war fie im begriffe, ihr ©erg mit heifeen 
Shränen oor bem ©errn auögufd)ütten, al§ grau 
Sehu.ann eintrat, fie umarmte unb fußte unb ihr 
guflüfterte: „Minim c$ nidit fo fehr gu ©ergen, M^ina, 
ber SSater meint e§ im ©runbe niefit fo böfe unb er 
hat bich gu lieb, al$ bafe er bir lange gram fein 
fönnte. ©eine $läue finb allerbingb aefcheitert, 
aber er wirb gur Üebergeugung fommen, bafe eS fo 
am ©eften ift. ©ei nur treu, ©ott wirb bir fchon 
I binburd) helfen, ©einrich febeint bie Miwficht, nicht 
gur M?a6ferabe gu geben, gar nicht ungelegen gu 
fommen; Mellpö SSerfd)ivinben hat einen gu tiefen 
©inbrud auf ihn gemacht, alä bafe er fid) gu folcben 
3erftreuungeu aufgelegt fühlte. JBer weife, waö 
ber liebe ©ott noch mit uu$ oor hat." 

SD, wie fühlte fich M?ina burch bie treue SDhitter- 
liebe getröftet! SBie fd)lop fie ihr ihr gaiueö ©erg 
auf! Unb wie ftärften fich bie beiben fcpwad&en 
grauenhergen im inbrünftigen Öcbctc oor bem ©errn. 

Sage unb SBochen gingen bahin. SMina batte 
fid) ber ftirche enger angefchloffen unb war oon bem 
weifen ^rebiger auch gleich ber Keinen Mrbeiterfchaar 
einocrleibt worben, ©ine filaffc oon mittlerem 
Mlter, bie ihr in ber ©onntagbfdwle übertragen 
würbe, bot ihr ein intereffantcä Slrbeitöfclb, babei 
gab e^ fo mancherlei SBerfe ber Siebe unb ©arm- 
hergigfeit, weld)e fie and) burd) bie 2Bod)c in Mn= 
fprndh nahmen unb mit anberit ftinbern ©otte? fie 
auf’e innigfte oereinigte. Mn Vergnügungen unb 
Unterhaltung fehlte e^ ihr auf biefem 23ege nie unb 
fie fam nicht in Verlegenheit, wie fie ber töbtenben 
Sangeweile eines unbefthäftigten MütagSlebenö ent- 
fiiehen fodte. 

3u ©aufe würbe ber lebte ©tunn feiten mehr bc 


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32 


$0|tale Kebelftünbe unb ihre Hebung. 


rührt. ©einrid) Begleitete feine ©cbmefter öftere aur 
JTircbe. Gmilie batte ficB gleichfalls ber ©onntag= 
fcbule angefcbloffen, 2 llfreb mar Bereite in bie Sibel= 
flaffe oovgcrüdt unb oerfolgte uiit Sntereffe ihre 
Stubien. Qnfel ©ermann fam nod) oft auf Se= 
fudj, bod) blieb er ftetS nur furae 3 ett, unb obfefeon 
er gegen Mina unb bie Mutter btefelbe liebenbe 
Freunblicbfeit an ben Saß legte, u>ie früher, fo 
febien er oon etmaS in feinem ©emütbe gebrüdt ju 
fein, unb mar ßeßenüber feiner früheren fprubelnbeu 
Cebenbigfeit oft gerabeau einfilbiß. ©arrp3 Sefudje 
mären feiten gemorben. SSater batte in ben erften 
SBocben eine gemiffe Stätte an ben Saß gelegt, bie 
febmer auf Mina3 liebenbem ©emütbe laftete, bod) 
mar biefelbe halb feiner früheren fJrennbücBtcit unb 
Milbe gemichen; nur febr oer*inaclte ©emerfiutgeu 
beuteten an, bafe er Ming3 Gntfdjlufe noch feinet 
megS billigte. Gr mollte ihr aber offenbar in biefer 
^Richtung burcbauS feinen 3mang antbun. 

©err 92. batte bie erften SBocben gleichfalls feine 
Selmhe fortgefefet. 9 US aber Mina alle feine Gilt* 
labungen, ihn 31 t biefen ober jenen Sergnügungen 
31 t beßleiten, fonfequeut abfdjlug unb auf fein Se= 
fraßen bireft erflärte, bafe fie auS ©runbfafe biefelbcn 
aufßeßeben habe, batte er etmaS inbißnirt baßeßen 
feine Ginmenbungen gemacht, Mina batte ihm aber 
barauf mit einem offenen Sefenntnife ibrcS ©lau- 
bcnS ßeantmortet. .©err 92. fuebte baffelbc erft alS 
einen Scbcva aufauuebmen, alS ihm aber Mina oer- 
fieberte, bafe eS ihr bamit ooller Grnft fei, unb bafe 
fie 92id)tS tbun mürbe, maS biefeS Sefenntnife Süßen 
ftrafen tonnte, ba fpracb er fein Sebaucrn auS, bafe 
eine ®ame oon fo oiel ©cift unb ÖiebenSmürbigfeit' 
ficb folcb abßefd)inadten 3been bingeben fönne. (Sr 
batte barauf etma3 fall 9lbfcbieb ßenoinmen, unb 
liefe ficB feitber nur feiten feben; boeb eraeigte er 
Mina bei gelegentlichen Segegnungen feine ltix- 
ßetbeilte SteBtung. ©0 fcBien ber aanje Sturm, 
ohne bem glüdliefeen Familienleben befonberS Gin* 
trag 31 t tbun, oorüber gegangen 311 fein, alS ein 
neuer bie ©emütber in Aufregung oerfefete, ber aber 
©errn Sebmann* mit ber 9?id)tunß, bie bie ©einen 
einßefcblaßen batten, meü eher au oerföbnen ge= 
eignet mar. 

®aS gebrüdte ®cfen Onfel ©ermannt batte 
feine tiefliegenben, traurigen ©nntbe. ©arro mar 
burdj feinen leicBteu, unentfcbloffenen Gbarafter oer= 
leitet, immer tiefer in fcblecfete ©efeüfcBaften oer- 
ftridt morben. Oft fam er betrunfen nach ©aufe; 
bie unb ba blieb er audj ganac 92äd)tc auS; fein 
Safcbengelb reichte für feine Sebürfnifje längft nicht 
mehr bin. Son ba unb bort fatnen 9lnforberungen 
an feinen 3Sater aur Seaahlung oon ©cbitlben, bie 
er gemacht batte; baS ©efebäft mürbe oon ihm oer= 
nacblaffigt. Stile Sitten, Grntabnungeu, Sor= 
fte(lungen z ia ®robungen oon ©eiten feinet SaterS 
blieben erfolglos. SOBenn er audj bie unb ba einen 
Slnlattf nahm, fid) 311 beffern, fo maren feine guten 
Sorfäfce boeb halb mieber oerflogen. 

GincS SageS mar er oon feinem Sater auSgefanbt 
morben, um ©elber 31 t folleftiren. S)a er eine aiem^ 
lieb meite Slunbe au tnad)en batte, fo fiel eS meiter 
nicht auf, bafe er biS aum Schluffe ber ®efdjäftS= 
ftunben noch nid)t aurüd mar. 9US er aber aucB 
311 m 92ad)teffen nid)t erfdjien, mürbe fein Sater un= 
ruhig unb ging au*3, um nach ihm 31 t fueben. Gr 
fanb auch auS, bafe er feine ©efchäfte mirflidj er= 


lebigt batte, aber über feinen Serbleib fonnte er 
nichts entbeefen. SiS babin batte er noch nie irgenb 
mehfee @efd)äft3gelber oertintreut. 3 n ber ©off= 
nunß, er mochte unterbeffen nach ©aufe ßefommen 
fein, (teilte amh fein ^ater feine 5)?acbforfchunßen 
ein unb ging nach ©aufe. G3 mar bereits gegen 
11 Uhr, aber er mar noch nkbt ba. ©ehr unruhig 
begab fidi bie Familie au Sette; ber Morgen fam, 
©arro liefe fid) nicht bliden. Oer Sag unb mieber 
eine $ad)t verging, unb immer liefe fid) ©arro noch 
nicht feben. ffiaS mar mit ihm geschehen? Seinahe 
ieber SlnbaltSpunft, bafe er baoon gegangen fein 
möchte, fehlte. 3Ear auch bie ©umnie, bie er in 
©äuben gehabt haben mufete, nicht unbcträd)tlid), 
fo mar fie bod) nid)t bebeutenb genug, um anauneb= 
men, bafe er bamit baoon gegangen märe. Siel 
näher lag bie Sermutbung, bafe er in fcbled)te ®e= 
feüf(haft geratben unb beraubt )oorben fein modte. 

SUlcin bie Siacbforfchungen, meld^e bie ganae Fa= 
milie felbft mit ©ftlfe ber Soliaei anftcllte, ergaben 
fein befviebigenbeS fHefultat. ©arro blieb oer= 
febmunben. Ginige feinerÄameraben, bie aufgefucht 
mürben, behaupteten, ihn in gemiffen Sergnügungös 
lofaten oon ameifelbaftem Stufe gefeben au haben. 
ffiieGiuen molltcn ihn ba, bie Slnbern bort oer= 
laffen haben, Seiner mollte miffen, mobin er ficb 311 = 
lefet bingemenbet batte. ©0 oicl mx flar, er batte 
ficb mieber mit leichtfertiger ©efellfcBaft bevum= 
getrieben, unb bie Einnahme lag nabe, tafe er fd)liefe= 
lieh in eine Spiele ober ßafterboblc geratben fein 
mochte, mo baS ©clb, baS er bei ficb trug, ficberlid) 
baS raubluftige ©efinbel reisen mufete, bab folche 
Släbe ftetb frequentirt. 3 u ber 92ad)barfchaft einer 
Spielhölle behauptete man, gegen Morgen in iener 
Stacht einen oerbädjtigen $ämt, mie oon einem 
©ilfegefchrei gehört au haben, mäbrenb beb Sagb 
fei ein bebedter JBagen oorgefabren, eine auffallcitb 
lange Sifte fei in bcnfelben gebracht morben, bann fei 
ber fffiagen fchnell baoon gefahren. £)ocb meitere 
9?ad)forfd)unaen unb felbft eine fcbarfe©auöfucbung 
ergaben feine fiebere ^pur oon bem ffierfchmunbenen. 

2 Bod)cn lang bauerten bie 92ad)forfd)un9en. 3 cbe 
Seiche, bie aufgefunben mürbe, nahm man in äugens 
fdjein, bic ©ofpitäler, bie©efängniffe mürben burcb= 
fueßt — 5llleb umfonft. Onfcl ©ermann mar auf ’3 
Sieffte erfchüttert. 2Bie batte er fid) bie lefete 3eit 
bemüht, ben Unglüdlicben oon feinen oerberblid^en 
SBegen abaitbringen, aber er feßien alle ©crrfchaft 
über fid) felbft oerloren au haben unb oer 3 meiflunge= 
ooü ergab ficb fein Sater bem ©ebanfen, bafe er in 
irgenb einer Serbrecherböble ein Gnbe mit ©chreden 
gefunben habe. 


^o|ittle itebelftänftf tmb iljre 
$ebuttg. 

Sott 3. ^^(agcttlottf. 

II. 

/fein anberct Ucbclftanb, ii'dcliev für bic ©efe(l= 
jm febaft ßcfäbrlicü 311 merben brobt, ift bic »cr= 
1 lehrte Srsiebuns, bei welker bie 3;üchtifi-- 
macfuina für bah praftijibe Sehen entweber fjan; 
oerfänmt ober oernaibläfftgt wirb. 


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Soziale Hebelftöttbe unb Ujre Hebung. 


33 


35a muffen wir gleich Bet ber SBiege anfangen 
unb ben ©ebraudj beb 3u<fcrwerfeb, ber Sederbiffeu 
uub s J?afd)creien entfdveben oerurtheilen. ©itrdibie 
jdmblichen 3ngrebieiigiett, welche btefe ©iitge ge= 
wohnlich enthalten, wirb bab Slut oergiftet, ber 
SRagen gefchmächt, unb ber ©ruitb gut Feinfchmede= 
rei, Üeppigfeit, Schwächen unb Äranfheiten gelegt. 

3ft eb ein SBuiiber, bafe fo oiele $erfonen an 
©ibpepfie, Schwiitbfucht u. bgl. mehr leiben? 

3n ben fogenaniitcn fafbioitalen Steifen gehört 
eb togar nun fluten Seit, burch alle tböridjte 3?er= 
anügungeu ben (Seift beb$ochmutheb unb ber^uß; 
jucht frühgeitig in ben Siitbern gu werfen. Än 
Sotnineroergnüguiigbpläßeii mie Songjöranch unb 
Saratoga loerben mährenb ber „Saifon" Siitber= 
Balle abgehalten, Bei welchen bie juitflen $ärdjen 
Ärm in Sinn tum Sange aufmafdjiren, unb mit 
einer Selbftgefäüigfeit im ©aale umhenoirbeln, 
alb mären fte bie gefeierten Selben non taufenb 
Schlachten, unb bocB bat ber little Gentleman noch 
feine acht Sommer, unb bie 8abo, bie er am Slrm 
führt, nod) leine fechb Sommer hinter fich. 

$3ei einem folchen glangoollen Speftafel fielen 
einmal an einem Nachmittag 32 Sinber, oon ber 
übergroßen $>iße unb ber Slufreßting, in Ohnmacht. 

Oft enbet bie ßontobie mit 3attf unb Streit 
npifchen ben kleinen, unb burd) Schimpfen unb 
Serfeinbungeit ber thöriebten eilten unter einanber. 

©in s -öericbterftatter einer ber größten Leitungen 
New Norfb febilbert einen folchen 'Ball, aub welchem, 
bcT ituriofität JhalBer, nachftehenbe wortgetreue 
Uebcrfeßung ftehen mag: 

„©er galante 3unfer grebn, Sohn beb föerrn 
®oftor Ä. aub New SJorl, mar ber £elb beb 
Äbenbb. 3n ber Sieibuitg eilieb Stammfürften 
aub Schottland iboebgebirgen, führte er bie rei= 
genbe ©lonbine, 3*räuleiit ßlla SB., Socbter beb 
Sonora Bie SB., aub Sllbam), bie alb febottifebeb 
fRdbcBen gefleibet, ihre Nolle oollfominen Spielte — 
jttm Sange herein. ©ib gut SpätenStunbe machten 
fie iebeit Sang mit, unb obwohl nod) feiiieb bab 
neunte 3abr erreid)t hatte, fchien man hoch feine 
(Srmübung an ihnen gu Bemerfen." 

Unb bie Sitten flatfchten in bieföänbe unb riefen: 
*C mie febön! 2Bic brillant!" 

©iefe Sommeroetgnügungbpläße Scheinen gu 
©nitftätten ber Ueppigfeit, beb #ochmutheb unb 
ber Sittenoerberbniß, Bejonberb für bab aufwaefc 
fenbe weibliche fficfcblecbt gu werben. 

3n einer ber loeitoerbreitetften 3eitungen beb 
SBeftenb mar auf einer Seite in großen fetten Sud)- 
ftaben gu lefen: „©ab Slllerneuefte!" 

Schnell flogen bie Äugen über bie 3eilen hin, in 
ber ßrmartung oon groben ßntbedungen, 'ßriftn- 
billigen, Fortschritten anf bem@ebiete berSrgiebung, 
fiünftc, 9ßiffenjd>aften, Religion gu lefen, aber 
niditb oon alle bem. 

Cviiic Gorrefponbeitg aub Saratoga, in melcher ber 
Speiiegettel, bie 3Robe, bie Ängüge, ber Äitfmanb, 
bab oornehme Faulengen, befonberb ber jungen 
®äm<hen, in ben ©otelb gefchilbert mürbe, Ginige 
Sähe mögen hier alb ©robe ftehen, um gu geigen, 

* welcher Ärt bab Sehen bort ift, meld)eb ber jungen 
©amenwelt Ämerifab alb 3beal oorgehalten mirb. 
Sacbbem ber Seridjterftatter ben Sorbereitungen 
für einen »uSflufl unb ber gangen Partie junger 
T)ämdhen in oielcn üBerfchmangltdjen Ußorten ge= 


lobhubelt, fuhr er fort: „Sefonberb mar SRi& Steüie 
S?. ginn ßntgüden gefleibet. Sie trug einen creme- 
weißen £>tit, gang unb gar mit SSalleolilieu Befefet. 
®ab Ai leib war oon meinem 9)iuffclin unb um ben 
Siacfen mit foftharen oergilbten Spifeen befefet, bagu 
Spifeeitärmel, burd'welche man bie bcrrlicbfteit Sinne 
in gang Saratoga erblicfen fonnte. (Sine lange 
Schleppe wallte hinter ihr nieber, bie F»6e in reifen- 
ben parifer Schuhen, mit hohen, gang büniieii Slb= 
Säßen mit» feine meifjfeibene Strümpfe mit Oiofa- 
hanb-SeSaß." 

Slm nachften Sag ergatterte fich ber Scrid)ten 
ftatter unbenierft bab Sagebud) eineb fafhionablen 
®ämd)enb unb ma^te baraub folgenben Slubgug 
oon einem ®ag. 

„Saratoga, 20. Äuguft. SBar geftern nach bem 
langen Sangen leßte Scadjt gu mübe, bab ©aar noch 
gu widelu. 3Kußte eb' heute früh brennen laffcit. 
Srufl Jßeife unb hellblau geftern Slbenb, furd)tbar 
belieb Stau, nicht bab fabenfeheinige, mie bieSromnb 
eb tragen. ®en Fndier hatte ich mit Slau heießt, 
blaue Slumen im £»aar, blaue Sd)ärpe unb blau= 
feibcite Strümpfe. ®ie Frau beb fpaniSd)en ©e- 
anbten unb id) waren bie ßingtgen, meldie bie mciß= 
eibenen Äermelhanbfcbube trugen, bie bi^ über bie 
ßllbogen hinaufreid)en unb bie neuefte 5D?obe finb. 
^)abe nur ein wenig Schminfe aufgelegt unb bie 
Ängenbrauen gemalt. Saute weife nichtb baoon, 
aber fo ein Sibchen rothe Sdiminfe fann bodj gewiß 
nid)t fdiäblich Sein. ®ie Slubern braudicn ja noch 
mehr. Um 11 Uhr promenirte id) in bem neuen 
Ängug, ber geftern oon Sarib fam. Um 2 Uhr 
©inner, trug/ ein rofafeibeneb mit weißen Spißen 
BeSeßteb £leib> mit einer Sdjleppe eine $)arb lang, 
©ic Slermelhanbfdjuhe behielt idi an. Um 4 Uhr 
fleibete id) mich wieber um, bab ift bab britte 3Kal, 
unb heute Slbcnb fommt ber neue Sallangug an bie 
Dteihe. ©ie fiingb finb gmolfSage hier geweSen, 
unb haben 24 neue Ängüge getragen, fie erfdiienen 
nie gum gweiten ü)?al in bemfelben. ®ie SO?abatn 
Sader hat fich in bemfelben Slngug brei 3Kal hliden 
laffen, eb ift fchauberhaft, bafe eine gebilbete Frau 
fich nicht mehr um Slnftanb unb üWobe fümmert." 

Schüttle niefit fpottifd) läcfielnb ben ftopf, lieber 
Sefer, unb frage: Sßogu biefeb! ©ab gewährt einen 
(Sinblicf in bie moberne ©rgiehung unb bab Sehen 
eineb grofeen Sheileb ber tonangebenben amerifani= 
fden SKäbchen. 

9?atürlid) treibt nur bie fogenannte Shobbo= 
Äriftofratie, bie mehr ©elb hat alb Serftanb, mehr 
ßoehmuth alb Silbung befißt, folchen 3c»t, Äiorper 
unb ©eift töbtenben ©umbtig, aber biefe Scrichte 
werben oon taufeubeit jungen uiierfafiviicn, im 
Schaufelftuhl fich wiegenben ©dmefeen gelcfen, bie 
meinen nid)tb ißidtfigerb tfiun gu founen, alb bem 
fönrnbug nadiguahmen. 

©ie 3citungbheraubgeber laffen fich fold)e Sc- 
ridite ein Schon Stüd ©elb foften, weil eb ihnen 
Äbtiehmer fichert, ein Semeib, wie tief ber.<öang nach 
Neuerung unb 3Kobefud)t in ber ©amenmelt ift. 

©ab ift ber munbe Fled in ber Srgichung ameri= 
fanifcher Söd)ter, baß mehr 3eit auf ^leibung, 
Suß, Vergnügen unb eine oberflächliche Silbung 
oerwanbt wirb, alb auf bie Süchtigmachung gur 
ßrfüllung ber SflicWen, welche nothmenbig mit 
bem Seruf eineb SBeibeb, 3)?utter unb ©aubhälterin 
gufammenhängen. 3Banche junge ©ame enoirbt 


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34 


Soziale pebelftönbe unb tljre fiebung. 


fid) »war 'trefflidje ftenntniffe, unb tciftet in bem 
ergriffenen ftache DüdttigeS, aber fchliefclid) heiratbet 
fie bei .ber erften betten ©elegenheit bod), unb wa3 
nüfeen bann ihre fi'enntnifie, wenn fie bem ©au3- 
wefen nid)t oorzuftehen gelernt hat? 

(Sinetn praftifchen unb fehr oerftänbigen 9lrzte 
hatten feine ‘Sreunbe gerathen, eine wohlgebilbete, 
aber im Haushalt unerfahrene Dame zu heirathen. 
9113 er mir biefeS mittbeilte, tagte er: „JBozu foll 
ich biefe Dame heirathen? Um mir^ben ©dnllcr 
unb (Goethe oorzubeflamiren? (Sine <yrau t bie ba3 
S>au3wefen nicht fuhren fann, welche bie «’oehfunft 
nicht oerfteht, fann nie mein SBeib werben, unb 
wenn fie fonft alle fünfte in ber Sklt oerfteht." 

(Sr wollte nid)t bie traurige (Erfahrung jeite3 
jungen Kaufmanns, ber in einem befannten, un= 
gefähr 8000 (Siuwohner zählenben Stäbtdjen im 
SBeftcn wohnt, madien. Derfelbc fam eineei 3Äit= 
taget heim, unb fanb feine junge Srau meinenb im 
©djaufelftubl fifeen. (Srfdnrecft frug er: „Maggie, 
wa3 fehlt bir?" 

„Die 90?agb ift fortgelaufen, unb ich fann mit 
bem heften ©illen baS sDiittageffen nicht jubereiten." 

,,ü)^acbt nid)te, la§ unb zu beiner Stfutter gehen," 
unb bamit nahm er fie am 9lrtn unb führte fie heim. 

Dort angefommen, erzählte er ber Sd)wieger= 
mutter bab Sorgefallene unb fd)lo§ mit ben 2Bor= 
ten: „ÜHutter, bie SKaggie bleibt fo lange hier, bib 
fie tüchtig lochen unb ben ©auShalt führen fann. 
©obalb fte bab fann, lafj mich’b wiffen. Si3 bahin 
logire ich bei meiner 9D?utter!" 

gür bab golgenbe, welcheb geigen foü, wie oiel 
manche amerifanifchen Damen oom@au3wefen oer= 
fteben, ift ber Dieu> Mort „(Shriftian 9lboocate" oer- 
antwortlich. 

(Sine fafhionablc wohlgebilbete Sabn Softonb 
würbe plofelid) oon ihrer flbchin ocrlaffett. Da 
unternahm fte eb, ihrem £errn ©emahl eigenhänbig 
eine Daffe fiaffee ju bereiten, 9113 fich bie Sache gar 
au arg in bie Sänge aog, machte ber ©attc bie leife 
Anfrage, wie eb beim eigentlich mit bem fiaffee be= 
(teilt fei. Da antwortete bie grau ©emahlin unter 
©dduebzen unb Dhrdnen: „3dj weih nicht. 3<h 
habe bie Söhnen fchon oor einer Stunbe in ben 
ffeffel gethan unb fortwdhrenb gelocht, unb fie finb 
fein Sibchen loeicher, alb ba ich fie hiucinthat." 

* 2Benn bie Dbchter nid)t frühzeitig zur £)au3arbeit 
angeleitet werben, fo befommen de auch nie Suft 
noch ©ejehief baju unb Re flaniren lieber auf Sro= 
menaben umher unb fuchen burd) auffallcnbe Drache 
ten unb oorlauteb ©efeu fich bemerkbar zu machen, 
ftatt in bem eigentlichen ©irfungbfreife thdtig zu fein. 

Darum ziehen jährlich ganze ©(haaren oon Däm¬ 
chen unb Damen, beiten burd) eine oerlehrte (Sr= 
Ziehung bie Siebe z» ihrem eigentlichen Seruf ab= 
haubeit gefommen ift, nach ®afhingtoit, um ait= 
gethan mit allem möglichen erborgten mtb eigenen, 
ed)ten unb unechten ©chmud, bieföauptbeamtcn ber 
oerfchiebenen Departements um eine 9lnftc(lung zu 
bestürmen. SBochen unb 3Koitate lang nehmen fie 
zu 3ntriguen, Schmeicheleien, Sitten unb flehen 
ihre 3ufiucht, unb oft ift ihnen fein 5Kittel zu ge= 
ring unb zu oerädjtlid), ihren 3wedf zu erreichen. 

(Sine folche ©chaar nach Remtern hungriger 
Sßeiber umlagerte lebten Sßinter auch ben Sice= 
Srafibenten Daoib Daoi3 oon 3üinoi3. 5113 er 
ihnen wieberbolt bie Scrficherung gegeben hatte, er 


fbnite nichts für fie thun, unb ftch zum SBeggehen 
anfduclte, ergriff eine gefchminfte, in ©ammet unb 
©eibe gef leibete Sab t) feine $anb unb fagte: „Sie 
müffeit etwa3 für mi<h thun. 3ch bin am Ser= 
hungern!" Da3 war aber bod) bem gutmüthigen, 
biefeu Daoi3 zu oiel, unb er gab bem ganzen Shor 
bie folgenbe wohloerbiente Seltion: 

„Stamm fommen fie au3 allen SanbeStbeilen 
hierher, unt bei ber Regierung eine 5lnftellung zu 
erbetteln, ba bod) fchon Saufenbe hier ftitb, bie mit 
wahrem öeifebitnger bamacb oerlaugen. Sie feheu 
9lUe fo oerftänbig au3. JBarum gehen fie nicht hin 
unb lernen ba3 Soeben unb anbere .^au3arbeiten, 
wobmeh fte fid) ein ehrlid)e3 5lu3fommen unb wdter 
bie Stellung gearteter ©auefraueit ertoerben fönn= 
ten. Srgreifen fie ben häuslichen Seruf unb bie 
Seute werben ihnen nachlaufen unb fie anftellen, 
ftatt bafj fie ben Seuten nachlaufen unb 5Ö?onate 
lang feine 5lnftellung haben. SBenn iÄ in ihren 
Schuhen fterfte, wäre mir bie ©teile eiiteS admmgSz 
wertheu DicnftmäbcbeitS in einer guten Srnntlie 
taufenbmal lieber, a(3 ba3 lumpige 5lemtcben, ba3 
fie erbetteln wollen, unb in welchem fie feinen Sionat 
ficher finb." gür biefen wohlgemeinten Math 
fdnmpften bie Damen ben marferen 3Wantt in ben 
3citungen tüchtig au3. 

fragen nur nach ber Urfache foldjer traurigen ®r^ 
fd>eiuungen, fo mu§ al3 bie tiefliegenbfte bie oer^ 
fehrte (Srziehtmg3methobe in ber Samilie angegeben 
werben. 

Die S?utter nnrft im JßerftagSfleibe am Sacf- 
tifch unb ®afchzuber, wdhrenb bie Dochter im mo= 
berucit 5lnzuge am laoier fifet ober ©chmetterlinge 
malt; bie Butter focht, ndht, ftridt, ba3 Dochterdjen 
lieft im ©chaufelftuhle bie neueften Momane, unb 
n»enn e3 am Difche fifet, f^richt e3 feine Serwitnbe= 
riutg au3, bah Warna ba3 (Sffeit nicht ganz nach 
feinem ©efchmade getroffen hat. 

(Sin ©lüd ift e3 für ba3 Sanb, ba§ bie 8anb= 
beoolferung unb bie Sewohner Heiner ©täbte, fowie 
bie eingewanberte Seoolferung noch gröfjtentbeilS 
oon biefer falfchen (Srziehitngbweife ferngeblieben ift. 

Denn wenn einmal folche Dämchen bie Sfütter 
unb (Srzieher unferer Srdfibeitten, ©efefegeber unb 
Seamten fein feilten, möge ©ott unterem 8anbe 
gitäbig fein. 

Die Srage entfteht, wa3 wir Deutfchamerifaner 
gegenüber biefer oerfehrten ©rziehung unb Ser= 
hdtfchelung thun feilen. 

Darauf ift zu antworten: ®er ©elb genug hat, 
unb toeffen £6<hter Einlagen unb Cnft bazu befifeen, 
ber taffe fie in allerlei fünften unb SJiffcnfchaften 
unterrichten; aber bie föauotfache in ber öeran= 
bilbung für ben weiblichen Seruf ift eS nid)t. 

SBenn fie eine für Serftanb unb £>erz glei(hmdhige 
©dmlbilbung erhalten haben, wie fie ja faft in 
jebem Stdbtchen, befouber3 aber auf unfern beutfdj= 
amerifanifdjen methobiftifchen ^ochfAulen zu er= 
langen ift, lehre man fte bie ffunft, Kleiber zu 
madjen unb au3zubeffern, ba3©ait3wefen zu führen, 
eine gute Äoft zu bereiten, mitzuhelfen in ber.(Huber' 
erziehung, bamit fie mit bem richtigen Segriff, ©e= 
fchidliddeit unb Siebe in ihren fünftigen2Birfting3= 
frei3 eintreten tonnen. 

Seiber lehrt aber bie Srfahrung, bafe bie au3 ben 
höheren Sehranftalten fommenben jungen Damen 
wenig Sorliebe unb noch weniger ©efchidlidjfeü für 


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Jlrdjt muß Uedjr bleiben. 


35 


h&uSUcfte Sefcbäfti^ung haben, unb awar gröftten^ 
tbeilS beShalb, weil innen nie ©elegenheit fehlte, 
in biefein Sache unterrichtet unb herangebilbet 311 
inerten. 

©ürbe eS sich uidst lohnen, wenn untere Stnftaften 
and) ein Departement für biefeu Rwccf errichteten. 

So lange bie Serhältuiffe bleiben,, wie fte finb, 
ift daS Öeil nur au3 folcheit gamilieit au erwarten, 
in welchen oerftänbige SMiitter bie Dödüer heran- 
hüten 311 fittfamen Jungfrauen, tüdüigen ®au3= 
hälterinnen, arbeitfameit ©attinnen unb särtlicbett 
füttern, bie ben Salaft unb bie ©iitte au einem 
glücflichen ©eint machen, unb turch ihren ftillen 
Ginfluft au Sildneriniten be3 sittlichen GharafterS 
ihrer Umgebung, ber Glteru unb beS äßanneS greube 
werten. Dann wirb ihnen ton Jedermann <Sd)il- 
Icre 80 b mit greuben auerfannt werben: 

,,©^ret bie grauen! fte flehten unb Weben 

t immli|'d)e Wofen in’3 trbifc^e geben, 
lebten ber 8iebe beglücfenbeS $$anb. 

Unb in ber ©rajte süchtigem ©cb leier 
Äderen fte Wadjfam ba3 ewige geuer 
©djötter Gefühle mit heiliger öanb." 

Äuch in ber ©eranbilbung ber jungen SMänner 
für ihren aufünftigen Seruf ift man in eine falfdhc 
Wichtung gerathen. 

9Xanche Gltern fcheinen e£ unter ber ©ürbe 
ihrer Söhne au halten, ein ©anbwerf au erlernen, 
oter in einem Serufe thatig au fein, in weitem 
fic burch förperlidje ^nftrengungen ihr Srob ter= 
bienen muffen. 

Unb doch ift bie Setreihung beS SanbbaueS unb 
bie eine* ©anbwerfeS au allen Beiten alS eine ber 
ehrenhafteren Sefchäftigungen angefehen worben, 
ber gürften unb ©eiehrte mit Vorliebe oblagen. 
$aulu3 war ein Beltweber. Sei ben Wörnern trug 
ber SüTgermeifter eine ©ellebarbe, ber Sriefter 
einen ©ut, ber Web net ein Such, ber Schneiber 
eine Scheere, ber ©ulid)mteb ein Schwert, weldjeS 
tie tfennaeichen ber ffunft waren, ton ber fte fidj 
nährten. 

Seter ber ©rohe ton Wuftlanb aeigte alS ßaifet 
oft die Sdjuhe^bie er am WmboS alS Schmieb 
tertiente, unb'faate: „Die habe ich mir im 
Schweifte meinem 5fngeftcht3 erworben." 

tfaifcr ©ilbelm ton Deutfdjlanb ift auglcidj 
ein Sdüoffer, ber ftronprina, „nufer grifc", ein 
©ebriitiefcer unb ber junge Srina ein ©rateur. 

Wicht alle Stirnen tommen auf ben Dhron, ber 
Weichthum ift gar flüchtig, unb wer bann, auf fkh 
• jelbft angewiesen, bie ©efcbidlicbfeit befiftt, fich 
und bie Seinen felbftau ernähren, ift wohl baran. 

©er mit offenen klugen auf ba$ Dhun ber 
beranwachfenben männlichen Jugenb biefe3 San¬ 
des fchaut, wirb bie traurige ©ahritehmung ge¬ 
macht haben, baft ba3 Uebel immer mehr um Sich 
greift, ein bequemes ©ohlleben au führen, tor= 
nebm gejwfet, mit ber Gigarre im 3Kunb unb bem 
Spaaierstödxhen in ber ©anb einheraugehen unb 
einen Xufwanb m treiben, ben fic unmöglich in 
späteren Jahren mit bem ©ewinn ihrer Arbeit auf¬ 
recht erhalten fönnen. 

©enn ber ßebrer ober UWeifter fich mit ihnen ab- 
gemüht hat, baft Sie anfangen etwaS Serftänbnift 
nnb ©efefttrf 5 « haben, wollen fie ÜÄeifterlohn, 
fangen an in ihrem ©anbwerf ober Seruf au 


pfuschen, ftatt burch anhaltenben gfeift unb WuS- 
dauer sich die nöthigen Qualififationcn auauciguen. 
Daher rührt eS auch, baft die geschüttelten ©and= 
inerter unb Sachmänner gröfttentheilS bev eilige- 
wauberten Setölferung ober ihren Wadjfommen 
angehören. 

©enn ba geholfen werben foll, muft in ber ga= 
milie ber Einfang gemadit werben. Da muft ben 
Ätinberu Slrbeitsamfeit, gleift, fjiidat und ©ehorfam 
beigebracht werben, beim bie Gmbrüdc, weldse baS 
Äinb im elterlichen ©aufe empfängt, geftaltcn fei= 
nen Gharafter, bilben feine ©efinnung unb beftim= 
men feine ©eifteSrichtung. 

©enn wir belfere WfJenfchen erwarten unb dem 
Umfichgrcifen ber fittlichen ÄrebSfcbäben Ginhalt 
thun wollen, muft Pon ba auS geholfen werben. 
Die ganae Hoffnung auf Kirchen unb Schulen 
feften au wollen, ift thöricht, beim feiten faitu auf 
ein 001 t ©au3 aus pernachläffigteS ©emüth bafelbft 
fegenSreid) eingewirft werben. 


Hed)t muß bodj Hed)t bleiben. 

II. |)et 

(Sine gefd)id)tlid)e <£r;üt>Utiig nu» bem JBeitrtlter bes 
brei^igjäljrigcn ^rtegea. 

Wach beutfe^en Quellen bearbeitet Pon 

$an( Gugeu. 

SierteS Kapitel. 

Kebrrfallm unb Ubrrliftet. 

er alte greiherr oon ftohenheg ge= 
hörte au ber tleineu Buhl chren= 
werthcvStraftburgerSürger, bie 
mitten im «ttampf ber Parteien 
noch immer bie frühere Selbft- 
ftänbigfeit ber Stabt beumhrt 
wiffen wollten; er hatte fich aber 
fchon längst pon ben WathS- unb 
WcgierungSgcfdsäften mehr unb 
mehr aurüctgeaogen. Die Se^ 
tanntfÄaft mit ben beiben Srü= 
bem Watbob, fowie bie wichtigen 
Sluffcblüffe, weldic er bur^ baS 
Dotument erhalten, gaben ieftt feinen ©ebanfen 
eine anbere Widstung unb er beschäftigte fid) mfr ba= 
mit, bem hochmüthigen ©efen ber ©rafeit Pon 
.ftohenheg einen empfinblidsen Stoft beijubringen. 

Bunädstl fefcte er ben auf feinem Schlöffe oer= 
weilenben Äonrab pon ©obenheg oon bem 
Dafein be3 Dokuments in Äenntnift unb fügte 
eine Abschrift beffelben hinau. Der Sd)(uft beS 
SriefeS lautete: 

„ 5 ln ber ©abrbaftigfeit beS JnhalteS ift nid>t 
au aweifeln, benn berSerfaffer be3 DofumcntS wirb 
barin alS ein Gbrenmann beglaubigt, wie baS amt= 
liehe Siegel beiocift, baS dem widstigen Sdwiftftüd 
beigefügt ift. gebe Gw. Grlaucht eine ffiodie 
Sebenfaeit, follte ich aber nad) Wblauf berfclben 
feine befriebigenbe Antwort erhalten haben, fo werbe 



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36 


Jtedjt muß $edjt bletbetu 


ich su ©unften bcr hier in Straftburg anwefenben 
Brüber Üiatbob weitere Schritte tbun." 

s Jiad)bem ber Brief beförbert worben war, rieb 
fiel) ber alte Freiherr bergnügt bie ©änbe; er fannte 
ben unbegrensten Stols Konrabb von ©obenheg nur 
SU aut unb wuftte im Morand, baft ber 3om beb 
©raten in bellen Slammen auflobern werbe* beim 

I einc Snmilienebve war bebrobt. ®ab Verbrechen 
eines Ahnherrn warb bureb biefeS 'Dofument fo su 
aaen wieber lebenbia gemadjt, unb ber Freiherr 
ab im Weifte ben innern 3miefpalt ooranb, ber 
bem hoebmütbigen Koitrab beborftanb, fobalb er 
»on bem Vorhanbenfein beb ©ofumentb Kenntnift 
erbalten. 

9?och war bie *Jrift, belebe Koitrab ooit ibm er= 
halten, nicht berftrichen, alb fRubolf unb Slnbreab 
am fünfter bon einem ältlichen, äufterft fein ge= 
fleibeten äRantie angefprodjen würben. 

,,3d) bin ber Kammerbiener Sr. Srlaucht beb 
©rafen Koitrab von ©oheitbeg," begann er. „‘Dies 
fer bat bor einiger Seit einen Brief erhalten, unb 
lagt euch bureb mich bertünben, baß er gewillt fei, 
in Unterbanblunaen su treten; bodi tnüpft er bie 
Bebingung baran, baft er cb nur mit euch allein su 
tbun habe, bie Freiherren pon ©oben heg mü§ten 
bon ber Verbanblung aubgcfcbloffen bleiben, ja, er 
forbert bon euch fogar bab Sbreitwort, gegen bie 
genannten Verfallen nichts verlauten su laffen. Selb 
ihr gewillt, biefe Bebiitgnngen einsugebeu, fo habe 
ich euch in feinem Aufträge noch SDBeitereS su ber= 
fflnben." 

s )?ach einer heimlichen Berathung tarnen bie 
Brüber überein, fich ber Bcbingung beb ©rafen 
borläufig su fügen. 

„Sobalb bie Untcrbanblungen borüber," äufterte 
Slnbreab, „werben wir felbftberftänblich unfern lie¬ 
ben Vsirtb iit’b Vertrauen sieben, beim bann binbet 
unb fein (Sbrenwort mehr." atubolpf erflärte fi(f> 
bamit eiitberftanben unb wanbte fid) mit bem Bru^ 
ber wieber bem Kammerbiener sttr weicher, ttadibem 
er bon ihtteiKbie gewünfehte Verficherung erhalten, 
weiter fortfubr: 

„Sr. Srlaucht haben alb Ortber 3ufammenfunft 
bie Scheute beb fogenanuten Schnafenlochb, 
bab [ich bor ber Stabt, unweit beb SpitteUDborb, 
befinbet, gewählt. Der ©err ©raf witnjchen, baft 
bab Steübichein morgen 9lbcnb, nach Sinbruch ber 
9?ad)t, ftattfinbe, beim er will bon s J?iemanbeii ge= 
feben werben, ?litfterbem läßt er euch bitten, bab 
Dofuinent mitsubringen, bamit er fich bon ber 9led)t= 
heit beffelbeit überseuge. Sr hegt babei bie suoer- 
ftchtlicbe ©offnung, bah ein Vergleich su Staube 
fornine, welcher beibe Varteien befrtebige." 

„3ui Schnatento.h will er unb treffen?" riefen 
Beibe berwunbert. „9fun, wir wollen unb über jene 
Scheute mit bem jonberbaren tarnen ©ewiftheit 
verschaffen, unb fällt bie ?lubtnnft günftig aub, fo 
barf fich ber ©err ©raf unjereb Srfdieinenb berfichert 
halten." 

Dab feingefteibete ^Kännchen berneigte fich unb 
verliefe bie Brüber, welche gebanfenooü bem ©aufe 
it>reS ®irtheb sufdjritten . . . 

9lin 9iad)inittag äußerte 9litbreab gegen ben alten 
Freiberrn bie Bitte, ihm bab Dofitment su geben, 
ba er etwab barin nachlefen wolle. Obgleich etwab 
überrafcht, willfahrte ber freunblicbe Bfanit ber Bitte 
beb 3üngtingb, welker- fich wieber auf fein Stüb* 


eben surüdsog, um mit bem Brüber fich enbgiltig su 
beratben, ob man bem Steübichein folgen joüe ober 
nicht. 

„atodi ber Verficherung atidiarbb, ben ich foebeit 
barnach gefragt, ift bie Scheute ein ehrlicher Ort, 
unb ihr B>irtb, ©anb, ein ehrlicher üKann; unb 
fontit haben wir niditb su befürchten," lautete 9?u= 
bolfb Meinung. „Natürlich werben wir bem ©rafen 
nur bann einen Sinblid in babDofumcntgeftatten, 
wenn er fich aüein befinbet." 

„Selbftverftänblidi," pflichtete 9lnbreab bei. „Du 
ha ft Üied)t, wir wollen es* wagen." 

So ioar am anbern ?lbcnb unb bie Dämmerung 
bereite bem näclitlidien Dunfcl gcwidteit, alb unfer 
Brüberpaar bab Spittetöthor paffirte. Sßctiige 
Minuten fpäter erreid)ten fie bie Sd'ente. So- 
wohl im Srbgefdioffe, alb auch im obern Stod^ 
werte plänste Sicht, ein Reichen, bah man bornehme 
©efellfdiaft enoartete, beim eine ireppe hod) war 
bie Stube für bic Stabtgäfte. 

®ort befaub fidi iubeffen nur ein einsiger S^aft, 
beffeu 9leu§ereb nid>t eben fehr bertraucucrioedcnb 
ioar. 9lntlip seigte rohe 3üge unb eine nie- 
bere Stirne, unter bereu bufchigcn Brauen swei 
bunfle 9lugen funfelten. ^Oie reidu' .Stleibung pafete 
fddedit su bem gemeinen ©efidit unb lieft bie edigen 
Körperbewegungen in einem womöglich nod) un= 
bortheilhafteren l^idite erfefeeinen. ®ie beiben Brü= 
ber traten fdnoeigenb ein. 

„©ebrüber Diätbob tönte e§ bon ber bärtigen 
8 ippe ben 9lufommenbcn entgegen. ,,^ch bin Äton= 
rab bon ©oheuheg," fuhr ber cinfame ©aft fort, 
„laftt euch an meinem äifdie nieber unb un§ an bie 
Srlebigung beo@cfcbäfte£ gehen, ba^ unel heute hier 
Sufammen geführt, ©abt ihr bao ®otumcnt bei 
eudi?" 9f?ubolpf bejahte unb beutete auf ben Brüber. 

„BK'llt ihr mir borher einen Sinblid erlauben, 
ehe ich midi gegen euch äufeere?" „T»a§ war ja 
bon Anbeginn Sucre Bcbingung," antwortete 9ln- 
brea8 unb sog bas Sdiriftftüd herbor. ^Der ©raf 
griff barnach, 9lubrea$ aber sog cS rafdi surüd unb 
fagte: „Ddi gebe baö ®ofument uidit aub ber 
©anb." %\ bcmfclben 9lugenblide aber fühlteer 
unb fKubolf fidi bon hinten gepadt unb ehe fie nod) 
einen ©ilferuf aubftoften tonnten, war ihr Bcunb 
burch einen Knebel berfdiloffen. 3bre 9lnftrengun= 
gen, fidi beb hinterliftigen Ueberfallb su enoehreit, 
fdieiterten 1 an ber Kraft ihrer an 3«hl überlegenen 
©egner. 

„atafdi bab ®ofument in Sicherheit gebradit," 
raunte feinen ©elferbhelfern ber angebliche ©raf su, 
welcher in SBahrheit nur ein 9lbgefanbtcr Konrabb 
bon ©ohenheg war unb in feinem Aufträge geban- 
beit hatte. „Vorwärtb! 3n ber ©aubflur unten 
erfchallen dritte» — rafdi bab 35o!ument bem Kerl 
entriffen, er trägt’b in ber linfen Brufttafdie!" ?ln- 
breab bot feine ganse Kraft auf, ben ffiaub su ber= 
eiteln, nur su halb aber befanb fidi bab ihm fo 
werthboüe Sdiriftftüd im Beftfte ber ©egner. Sie 
hatten äufterft gefchidt ben Brübern {vcffeln ange= 
legt unb ftoben jeftt bie kreppe hinunter, unbetüm= 
mert baritm, baft ihnen mehrere 90?änner entgegen 
tarnen unb fie aufsuhalten fuditeit. Sie fcblngen 
fich tapfer burch unb batten halb bab ^reie geibon= 
neu. 2öie groft aber war bab Srftauneit ber am 
Bobeit liegenben Brüber, alb fie in ben 9Infontmen- 
ben ben alten Treibern unb feinen Sohn erfannten, 


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Jlfdjt muß fifd)t bleiben* 


37 


in beten ©efolge fid mehrere ©Ziffer befanben. 
ff 2Bü ift bao ®ofument?" rief ber alte greiberr, 
nadbetn man bie Stüber Don ben Änebeln uub 
gefieln befreit. 

„Wan bat e3 mir geraubt," ädgte Änbrea3, „nur 
fcbitcll bem ©rafen unb feinen ©elferobelfern nach' 
geeilt!" „Sao wäre eine oergeblide Stöbe," oer= 
lefete fcobatbeg uub fiiflte im Sone eiiteo leiten 
Sorwurf 8 hiugu: „So bat fid) meine Äbnung, baß 
ihr in eine gälte be3 beimtüdifdeit ftonrab gegangen, 
bod) beftätigt! Jßäre id nur gleid eud) gefolgt, al3 
ihr beute Äbenb heimlich ba 8 £>au3 oerlaffen, bann 
hätten fte ba3 92atbfeben gehabt unb mit ©obn unb 
Spott beimgieben muffen! . . . 9tön id) mill eud) 
toeiter feine Sorwftrfe maden," fügte er gutmütbig 
bingu, al3 er bie bezweifelten Slide ber Srüber 
fab, „weimfdott id) euer Sertrauen 311 oerbienen 
meinte. 8113 8lnbrea3 am geftrigen 9?ad)iuittag 
mir ba3 Dofument aboerlaugte, ftieg mir nnwill- 
fürlid) ber ©ebanfe auf, baß ber©raf möglicher 
ffieife euch 311 Überliften gefonnen^ei. 2 Bärc id) 
nur gleid mit meiner Änüdt offen beruudgerüdt, 
bod) wollte icb eud für ben galt, baß id) tnid irrte, 
nidjt webe tbun . . . 91 un laffen wir ba3 iefet, wir 
mülien eben 8 ift mit 8 ift oergelten unb Äüe3 auf= 
bieten, be3 geraubten 3)ofumcut3 wieber habhaft 311 
werben." 

3m Surgbofe be3 alten 81bnenfdloffe3 ©obenbeg 
ging e3 beute lehr lebhaft 311 . ©dinmtlicbe @ölt>- 
ner, Seamte, ®iener unb ftnedte erfdieneu feftlid 
aepufct, unb auf bem JBarttbunn batte ber Städter 
Softo gefaßt unb hielt febarfen 8ugau3, — ein beut- 
liebet 3 äcbeu baoon, baß man einen hoben ©aft 
erwartete. Seter ®up3 — ber foebeu über bie 
Bugbrüde febritt — war e3 fieberig nidjt, 3 umal er 
ftd beute mit Sefen unb 8 eiter 311 m ©doritfteiits 
fegen bewaffnet batte. „3>u bdtteft bir audb eine 
paffeitbere Beit wählen fönnen," brummte fein Ser- 
wanbter unb ©onner, ber Surgiwgt, al£ er be 8 
Surften anfiebtig würbe. „Wcvfit bu beim nicht, 
baß wir beute hier getffag haben ?" „ 3 a po^taufig," 
lachte Seter, „wenn ich barauf immer ütödftcbt neh¬ 
men wollte, fönntc ich wdbtenb einer 2 Bode faum 
ficben üiaudjfänge lehren, e3 ift immer etwa3 lo3. 
®od wad giebt’3 benn beute bei euch für eine geft= 
liebfeit ?" 

„Sentto oon ©obenbeg, ber jüngere Sru* 
bet unferer Srlaudjt, febrt beute oon feinem $rieg$- 
guge 3 itrüd," antwortete ber Surgoogt. 

„8113 ©eneral?" fpötteltc Seter. „Stärum febrt 
benn ©raf Senno gerabe iefet 3 uritd, wo ber ffrieg 
erft recht wieber beginnt? $at er oielleicbt Slngft, 
tobtgefeboffen ju werben ?" 

„©dwetg ftifl!" rief ber Sogt unwitfdj, „®raf 
Seitno fürebtet ftcb oor 9iiemanb, fonbern gab nur 
bem SBunfcbe feiltet SruberS ttad unb wirb beute 
hier in ber Serfleibung eine3 $anbel3mann3 ein* 
trcrren, beim fonft gelange e3 ihm fdwerlid, bie 
fdjmebifcben 8 inieit 311 paffiren." 

Som £burm ertönten jefetbrei langgegogene föorit* 
fignale, weide bie 8 lnfunft be3 jungen ©rafen per- 
fünbeten. Unb a(3 ber 8 efetere jebt bie ^ugbrüdc 
paffirte unb auf Äonrab gueilte, erfeboü ein lautet 
$ 0 ^ poit ©eiten ber Untergebenen. SErofebem 
Per ruftgefcbwäzte Seter ®up§ burdjau3 nicht 31 t 
biefer geftoerfammluna paüte unb feine Äleibung 
gegen ben SJufe ber geKbdfttg bin- unb bereilenben 


I Seamten unb ®iener grell abftacb, wtA er bennoeb 
| nidjt pom Slafce; feine Slidc waren mit größter 
8 lutmerfjamfcit auf bie beibeit Srüber .^obenbeg 
gerietet, ipeldje jefet miteinauber bie greitreppc em= 
por ftiegen bem oberen ©todwerf 311 , weld)eo auber 
bem ©aale nod) eine ÜJiengc fleiiterer ©eihäcber 
enthielt. ®ic greitveppe burftc unfer Seter nicht 
betreten, ba3 wu§te er au3 (Erfahrung, — bie Srü- 
ber wollte er aber feinen Slugeublid ati3 ben Äugen 
perlieren, bantit er ft<h überzeuge, in weld)e3 ©cinadi 
fie fid) begaben, ©dmell brüdtc er ftcb in einen 
SBinfel, um oor ben beiben ©rafen, bie jefet ben 
©ang binabfebritten, perborgen 311 bleiben; alb fie 
tebod) unter ber SEbüre ber britten fiammer per- 
]d)wunben wgreu, perlicß Seter fein Serfted unb 
eilte in bie grembengimmer beb oberen ©toefwerfb. 
®ort laffen wir ihn inbcfjfen unb begeben uub nach 
ber ftammer, in weldje bie ©rafen ©obenbeg ficb 
3 urüdge 3 ogen. Sennob dienen 3 eigteu ©roll unb 
Serbrufj, unb in wilbem Xoite rief er bem unweit 
be3 ftaminä ftebeitben Sruber 311 : „©3 bleibt eine 
ewige ©djanbe für unfer 8 anb, baß ber ©dioebe, 

a ber 3 ablreid)en ftarfen geftungen, feften guß 3 » 
i n permoebte." 

„ 3 ib habe bid) nicht gerufen, um bie Surg unferer 
Sdter por ben ©cbweben 311 fdiüßen, benn biefe 
haben mehr 311 tbun, alo ihre Kräfte burd) bie Se= 
lagerung un 3 ugdnglid)er Ser’gfdjlöffcr 3 U gerfplit- 
tern, — ich bebarf beine3 9tatbe3 unb männlichen 
9Hutbe3 tn einer gaiz anbern ©ade," enoiberte 
£onrab unb 30 g 3 ugleid bao ©ofument berpor unb 
tbeitte bem Svuber in auofübrlicbfter SBeife mit, 
wa3 wir bereite wiffen. ®ann febritt er mit ihm 
ber SEbüre 311 . £aum batte ficb aber bte 8 efetere 
hinter Seibett gefcbloffett, fo begann e3 im jfarnin 
311 rafdeln unb au3 ber Defrnung bufdte eine 
fdwar 3 e ©eftalt, bie mit ihrer gauft ben Srübern 
nadjbrobte. 

S3 war Seter ©up3. 6 r batte im Äamiit per= 
ftedt, ba3 ©efpvdd berfelbeit, fowie ihren Änfd)lag 
belaufcht. ©eine Äugen glitten jefet forfdjeitb im 
Bintmer umher unb ein leitet greuPenfdrei entrang 
fid feinen Sippen, benn auf bem SEifd lag ba$ 
®ofument. ©raffioitrab batte e§ Pergeffen, unb 
blipfdnell riß Seter ®up3 e3 an fid, barg e3 auf 
feiner Sruft unb trat ben 9?üdweg burd)’3 fiamitt an. 

@8 war bie böcbfte Beit, beim fdon öffnete fid 
bie Bintmertbüre auf ’8 9?eue uub herein trat Si on- 
rab. Uitwillfürlid ftreifte fein Slid ben Sifd unb 
beftürgt fuhr er gurüd, benn er war leer, ©v eilte 
hinüber, um ben Snjber gu fragen, ob er oielleidt 
ba 8 CDofument an fid) genommen habe, allein 
Seitno perneinte. Nunmehr entftanb eine greitgen^ 
lofe Serwirrung. ®ie ©rafen ließen fdtmntlide 
3 nfaffen be3 ©cbloffed por fid) bejdeibeit uub bc= 

S n mit ihnen ein febavfeeiSerbör. ^affelbe 
natürlid 311 feitterlei Sefultat, bi3 fdließüd 
einigen Seamten ber junge ©dortifteinfeger einfiel, 
ber poit allen gefeben worben war. 

„Wan fdafte ihn herbei!" rief Santo. 

3 )aS war 3 tvar balb gejagt, aber fdwer getbatt; 
^ietnatib permoditc ben ©dorttfieinfeger im©dloffe 
aufjuftöbern, bagegen perfünbete febr balb ber 
Sburmwädter, baß ber fdwarge ©efelle unten itt 
ber ©bene 311 fehen fei unb eiligft ben 2 Beg nad 
©traßburg Perfolge. 

,,©r unb fein Ättberer bat baS ©ofument 


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38 


$ed)t muß Hedjt bleiben. 


öcftoftlcn!" rief Senno, „unb gwar im Aufträge beS 
alten föohenheg! Sührt bie heften SKenner auS bem 
3J?arftall unb fefet ihm fd)leunigft nad)! Ser ihn 
einbringt, foü von mir reich belohnt werben! 4 

Senige Minuten fpäter jagten mehrere Leiter 
gum Surgthorc hinauf, ben SclSpfab abwärts. 
©aS fcharfe Auge beS Verfolgten hatte fie entbedt, 
unb währcnb fie in bem ©ebölg verfchwaubcn, baS 
ben untern Sheil beS Vergcs bebedte, bog er rafch 
non ber ©auptftrabe ab unb barg fich hinter einem 
Siebten Strauchwerfe, von wo er eitblich auf groben 
Umwegen erft fvät benbS nach Strabburg gelaugte. 

©aS ©ocument befanb fich nun wieber in ihren 
©änben unb fo gögerten bie beiben trüber, bie aus 
ben äRittheilungeu Veter ©upS’ erfahren hatten, 
bah ihnen von Seiten ber ©rafen nur gemeine 
©interlift unb 3)2euchelmorb brohe, nid)t länger, fich 
von ihren Strabburacr greunben gu trennen 4 inb 
wieber gu ben Schweben gurüdgufehren. 

©er alte Freiherr unb 3tichart> fahen bie Säfte, 
bie fie währeitb ber furgen Seit ihrer ©efanntfdjaft 
auberorbentlich lieb gewonnen, ungern feheiben, unb 
bem ehrlichen Veter ©upS traten fogar Xhrancn in 
bie Augen, als er ihnen bie &anb gum Abfdjiebe 
barbot. Am fonnenhellen Xaae hatten fRtibolf unb 
AnbveaS ben altehrwürbigen uWüufterthurm erbtidt, 
iefet war eS bunfle 32acht, alS fie auS ber alten Stabt 
wieber fchieDen, wo bereiuft bie Siege^ ihrer Ahn= 
herren geftanben war. Sie theilteu auf Seiten ber 
bis bahin fiegreichen fchwebifdjen Armee bie Sed>fel= 
falle beS breibigiähtigen SriegeS bis gut unglüd= 
liehen Schlacht bei 32 ör Olingen, in ftolge bereit 
bie faiferüchen Xruppeu wieber baS Uebergewidjt in 
©eutfchlanb erhielten, unb fich nun ftrantreich offen 
unb unßefcheut in bie beutfehen Angelegenheiten 
mifchte, währcnb eS bie Schweben bisher nur burd) 
©elb unterftüfct hatte, infolge beffeu fahen fich bie 
trüber 32athob genöthißt, auSguwanbern, unb gwar 
nach Shurbranbeitburg, wo fie eitblich gu bem tang= 
erfehnten ^rieben fanten; 3tubolf erhielt eine 
StaatSanftellung, todhrenb fich AitbreaS alS 9techtS= 
anwalt einer guten VrajiS erfreute. 3)2it bem alten 
jjreiberrn uitb Sicharb blieben fie in brieflichem 
Sßerfehr, unb eS erfreute fie ftete, toeitn ^ßeter ©upS 
einen ©rub beifugte. Snbejfen war biefe ßorrefpon= 
beug fchulb barait, bab bie Sruber SRatbob an ihrem 
gebcnSabenb noch einmal auS bem griebeit auf= 
gefchredt würben, ben fie fich nad) harten Sämpfen 
mühfam errungen hatten. 


SünfteS Sapitel.\ 

Straßburgs Herratß unb Kettung. 

3n ber groben ©allerie beS Verfailler SchloffeS, 
ieneS Prachtbaues, beffen Ausführung Cubwig XIV. 
nicht weniger alS 164 SDtillionen CivreS gefoftet 
hatte, wimmelte eS an bem heutigen üKorgen von 
Herren unb ©amen beS £>ofeS, welche alle ber 
Aubieng bei feiner 3J2aieftät beigttwobnen wünfdücn; 
AUcS ftrahltc in gldngeitber Xoilette, man fah nichts 
alS AtlaS, Seibe, Sammet, foftbare Stuben unb 
Sehern, diamanten unb ©rbensfterne. 

An ber ttörblichen Senfternifche ftanben gwei 
SKdnner, welche ein leifeS unb, nad) bem AuSbrutf 


ihrer dienen gu fd)lie§en, fehr ernfteS ©efpräd) mit 
einattber führten. ©er jüngere trug eine reiefc 
geftirfte Uniform, ber Aeltere oagegen baS violette 
geifttiche ©ewanb eines SürftbifAofS. ®ev jüngere 
war ber 3)2arguiS von 8ouvoiS, ber mächtige 
ÄriegSminifter 8ubnug XIV., ^( e jd) gefüvdüet unb 
gehallt vom gangen ©ofe wegen feiner öcrrfdmicht 
unb Anmahung. s Bei bem Äouig bagegeu ftanb er 
in grober ©unft, ja Subwig* nnbefchränfteS 3?er^ 
trauen geftattete feinen Stathfchlägcn nidü bloS auf 
alle ft'xiegSange!eßcnhciten, fonbern aud) begüglid) 
ber auswärtigen ^olitif einen groben, mehr unb 
mehr wadifenben ©inRub. SouvoiS war ia wie fein 
|>err von ber 3)2adit unb bem Oiechte Sranfveid)S, 
fid) auf Soften ber 3?achharlänber gu vergröbern, 
burchbrungen, iveShalh er benn auch bie (5voherungS= 
luft 8ubwigS burch feine Diathfchläge immer von 
3?euem wicber rege mad)te. X)er geiftliche SBürben* 
träger, ben wir heute in feiner ©efcüfchaft evhliden, 
gehörte ber frangofifchen Nation nicht an, foube^t 
war ein — ®^utfder, ber fid) nach '^nfailleS 
begehen hatte, um bem Sbnig Subwig XIV. jeine 
ergebenden ®ienftc angubieten. Sein 3Jamc fteht 
in ben Annalen ber ©cfchichte gleichfalls vergeichnet, 
wennfehon in feineSweaS für ihn rühmlider SBeife. 
Srang ©gon, ©raf von Sürftenberg hatte 
fid) in verhältnibmäbig fuvgcr Seit gu einem Söcih- 
bifd)of von Sollt unb Strabburß anfgefdnumtgen, 
war aber feit fünf fahren in bie DteidWadü erflärt. 
92ur heintlid) unb unter allerlei SSevfleibungen burfte 
er ftch auf ben heimathlidten hobelt wagen; wenn 
er eS aber that, fo gefdtah eS nur, um für S*rauf= 
reich ben Svioit gu fvielen. 8ouvoiS brach baS 
heimlidtc©efvräch, baS er mitSr. (vutineng geführt, 
iefet ab, ba bie Stimme beo bienftthuenben Sammet 
herrtt anfünbigte, bab bie grobe Aubieng beginne, 
©ic Slügelthüreu flogen auf unb unter bem 3?or- 
an tritt beS Zeremonien - 3)?eifterS erfdneu 8ub=- 
wißXIV., gefolgt von berSbnigin, ben bringen unb 
einem glängeuben ^offtaat^ Schmetternbe San= 
faren ertönten unb bio gum X^oben beugte fid) jefet 
3llleS ringSmnher. 

®ie SWajeftät banfte mit einem ftolgen fiopf? 
niefen, beim eine gröbere Bewegung geftattete ihr 
fdtoit bie SBucht beS ©etvaubeS nicht, beffen Sßerth 
an ©olb unb Zbelfteinen über gtvölf SKiUionen 
SivreS betrug. 8ubwig nahm bie ©ulbigungen ber 
Omtgelnen entgegen, aber alS ihm ber beutfd)eS»rft' 
bifchof vorgeftellt würbe, fvielte um feine 8iwen ein 
veräd)tlid)eS Sädteln, baS inbeffen nur von SouvoiS 
bemerft würbe. 

3US 8ubwig XIV. hinter ben Slügelthüren wte= 
ber verfdwunben war, lehrte er in feinen Pavillon 
gurüd, wo er bie SWiuifter gu cmvfäugen pflegte. 
©erSönig hatte fid) behagiid) in einen foftbaren 
Seffel gurütfgelehnt, währenb CouvoiS in geneigter 
Stellung unb mit bem AuSbrude tieffter Ergeben¬ 
heit fich alfo vernehmen lieb: „Schon im 2Befc 
vhälifchen Srieben von 1648 hatSranfreich für feine 
Xheilnahme am breibigiährigen Srieg baS Elfab, 
foweit eS ©efterreich gugehörte, abgetreten erhalten. 
?ift nun aber einmal ber Oberrhein unfere natür^ 
liehe ©reuge gegen ©eutfchlanb, fo mub eS and) ber 
32ieberrhein werben, baS erforbert bie ©röbe unb 
Ehre ber fraugöfifdien Ätone. 44 

©iefe Sorte genügten, ben Ehrgeig beS länber= 
gierigen 8ubuüg gu wedeu. 32ur tarn eS noch auf 


D i g i t i zed by V^OOQie 



Hedjt muß ürdjt bleiben* 


39 


bic Stage an, mie btefer Maub bemerfftelligt werben 
fenne. Die Antwort fiel einem ©totme mie fcoupoib 
nid>t ichmer unb er faßte fie in bie menigen ©orte 
tujammen: „iDiit ©emalt natürlich, aber unter bem 
Detfinantel beb Mechtb." ,,©irD aber bab beutKhe 
Meid) biefem fcheiubaren Merino fich fügen?" gab 
Vttbmig ihm tögernb juriuf. „Sire," »erfeßte ber 
Sriegbminifter mit einem verächtlichen 8äd)eln, „bie 
Bmietracht ber Deutfd)en, me Ute bas ©olf in feinb= 
lid>e Parteien terfplittcrt, legt all* ihre .Strafte labm. 
'Hon ©ganten unb ßnglanb haben mir gletd)fallb 
nichts tu befürchten, unb fo"— 

„©eilen mir haubeln ," nitfte berSlönig mobU 
gefällig. „©efchäfttgen mir bie CDeutfchen bureb 
Bujammenberufnng eineb Gongreffeb. s ?lber mäh= 
renb bie gelehrten Herren albbann ÜÄonate lang 
berathen, febreiten mir, tut ßhve unb tum Muhme 
Sranfreicb^, mr Mu^führung unfever glätte. ßiucu 
tlnfchein bebMerfiteb muffen mir inbeffen hoch haben, 
um bab (Slfaß vom »eutfehen Meute lobturcifeen." 

„3ch fühle mich aufeerorbentlich ghuflidj," ber¬ 
ichte Souooib mit einer tiefen ©crbcugting, „teurer 
miieftät jagen tu föntten, baß ein folcher bereite ge= 
funbeit ift." Dab Mitgefiriri ber ©Jaieftät ftrahlte 
»er innerem ßuttücfen, becb gleich Darauf berfialter¬ 
ten fich bic 'DMietten mieber unb bie bange Jyrage ent¬ 
glitt ben Rippen: „Dorit mie fteht’b mit... © trafe- 
hurg, biejer ©erle beb beutfehen Meicheb, beten 
©eilte fchen een meinen ©erfahren umfonft an- 
geitrebt mürbe? Srote unfereb guten Mechteb bürfte 
betAiaifer unb beim hoch, mabStrafeburg anbetrifft, 
Schmierig feiten machen/ 

„Darum tommen mir ihm lieber tupor, 9Kajeftät, 
unb bereiten ihm in feinem eigenen ©aufeSchmierige 
feiten, ^n Ungarn gährt’b fchoti lange unb eb be-~ 
barf nur eiueb fleinen ftünfcbenb, fo bredien bic 
Slammen beb Mufitanbeb gegen Oefterreich berpor; 
aufeerbem ift bet Surfe nidU abgeneigt, gegen bie 
öfterreidüicben ßrblattbe tu Selbe tu tichen. Unfere 
©efanbten in Sonftgutinopel finb eifrig bemüht, 
bab (Sifcn tu frinitieben, fo lange eb noch heife ift, 
unb lfm. s 3)?aieftät miffeu aub Erfahrung, melche 
SRacht bab frantöfifche ©elb in ftcf> fcftließt. ©e= 
milligen $ie ben Surfen unb Ungarn eine reiche 
Unterftüteung itub bic beiben #eere bringen gegen 
©ien vor. datier ßeopolb bürfte bann fchmerlich 
in ber Sage fein, gegen bie ©egnahme Strafeburgb 
fräftig tu proteftiren." 

„Bhr habt Mecht, ^oupoib," pflichtete Subrnig bei, 
„unb id) loerbe ßtterm treuen Mathe folgen. ?lber 
©trafeburg ift eine ftarfc Heftung unb bie ©ürger 
merben fich mit aller 2)?acht tur ©ehre fefeen; ba 
helfen itub bie Surfen unb Ungarn nichtb." 

„SRajeftät oergeffen, bah fio) unter ieber beerbe 
räubige Schafe beftuben." 

,/^hr meint, bafe auch ©trafeburg feine ©er= 
rät her habe? 4 ' 

Souooib beiahte. 

„Dann nennt mir einen Solchen!" 

„©raf ßgon von Sürftenberg, JVürftbifchof pon 
StrafebttTg," melbete iit biefem Mitgenblitfe ber 
bienftthuenbe Öauptmanu,. melcbet ben Gingang 
tunt ©aoillon bemaditc. 

Submig XIV. marf feinem Sriegbminiftcr einen 
erftaunten ©lief tu unb gab fobann bem Haupts 
manne einen ©inf, ben beutfehen ©ifchof eintreten 
tu lallen, 'Die hohe fdilanfe ©eftalt Sürftenbergb 


'fllitt bemüthig burch bie peöffnete Slügeltbür unb 
bie (Sminent ermartete in tiefgebeugter ©teüung bie 
3lnfprad)e ber üHajeftät. 

,,^ht fommt pom Mbein," begann ber fiönig, 
„mie fieht eb tu Strafe bürg aub?" 

„Sire," ieuftte ber fircbliche ©ürbenträger, „jebem 
guten ftatholifen blutet bas A>ert, meint er iehett 
mufe, mie bab perhafete Suiherthum bort ©ttrtel ge= 
fchlagen hat unb ber heilige ©ottebtcmpcl, bab 
prächtige fünfter, fich in beit Apättben ber Whgefah 
lenen befitibet. Saum bunbert fatholifche Familien 
giebt eb jefet tu Strafeburg, unb bennech betrachte 
ich eb alb eine heilige ©flieht, all* meine ©ca du auf- 
tubieten, Strafeburg unb feine ©emobner in ben 
Sdmofe ber allein fcligmadienbcn Suche turücftu* 
führen." ,,^d> tmeifle nicht an Sbrem guten ©ilieit, 
.Oerrjyürftbifdiof," »erfctetc lächetnb ber Wenig, „hoch 
bürften bamit nur geringe Mejultatc tu ertielen fein, 
menn nicht ein nod^ mächtigerer ©err hinter hinten 
fteht unb Sie in ^hrem ©orhaben unterftütet." 

iefev iD?ädAtige fteht jefet por mir," rief 3*ürften- 
berg in heudileviichcv ©egeifterung aub, „unb ich 
hoftc, bafe Sttbmig XIV. halb ernten mirb, mas meine 
fdnpadieti A>änbe gejäet haben, ja, bafe eb mir oer¬ 
gönnt fein mirb, Submig beit ©rofien als Ferrit unb 
Sönig in Strafeburg unb fein fünfter eintuführen." 

DerSönig nahm biefe A>ulbigung fteunblich ent= 
gegen, mcnnjthon er in feinem ^nnerften ben SOiann 
perachtete, meld)er um fchnobeu ©emimt fein cigeiteb 
©aterlanb Perrieth. 9luf einen ©inf Soupois' fuhr 
Jvürftenberg fort: „3d) habe bem .’perrn ftviegb« 
minifter ein Schreiben beb beseitigen frantöfijdieu 
Mefibeitten tu Strafeburg, .'perrn Srifchtnann, 
überbradd unb fönnett @m. 33?ajeftät aub biefen 
©?itthciluugeu am beiten erfahren, bafe eb um bab 
©ohl Strafeburgb nicht befonberb fteht." 

SttbiPtg XIV. zeigte fich fchr erfreut über biefe 
brieflichen Machrtchten; ber ©ijehof aber fuhr, auf 
einen miebevholten ©inf bebSriegbminifterb, meiter 
fort: „^m Mathe ber Stabt befinden fid) ^Männer, 
bie gern unb bereitmillig einer frantofifdien A>eit= 
fchaft ihre Dienfte mibmeit möchten, beim fie miffen 
nur tu gut, bafe Strafeburg meber auf bic Apilfe beb 
Metd^b noch beb Ataifcrs redmett barf. ©on biefen 
cinfichtbpollett Mathen empfehle id) gaitt befonberb 
ben ©tabtfehreiber ©unter bem ©ohlmollen 
(Sm. ©fajeftät." 

,,^d) erinnere mich feiner," entgegnete ber Aiönig. 
„©lauben Sie, ©err gürfthifchof, bafe man fid) auf 
biefen ©ünter perlaffcu fantt?" 

„(vr mirb enttücft fein, ßm. ©faieftät einen mich- 
tigen Dienft tu leiften. Dab bebeuteubfte ßlemeut 
ßlfafe iebod), )oeld)es eine frantöfifche öcrrfdiaft 
herheifehnt, hüben bie Satholifen, unb au ihrer 
Spifec hefinbet fiel) ber Sräger eines altabcligen 
Samiliennameub, ber bnreh mich ßm. SOJajeftät bit¬ 
ten läfet, ihm ©öchftihre ©nabe unb ©eachtung su= 
tumenben." 

„Ut]b mie nennt ftch biefer ßbclmamt ?" fragte Der 
Söitig mit erfichtlichem ^ntercffc. 

„@raf Sourab Pott ©ohenheg." 

„©ohettheg?" ipieberholte ber ©ionarch mit ge¬ 
falteter Stirne. „Sonberbar! jn einem früheren 
©erichte theilte ffrifchmann Unb mit, bafe fich unter 
ben ©iitglieberu beb Mathb ein öohenheg befinbe, 
meld)er ein gefchumrener ^einb Jvanfreichs fei." 

„Der £>err Mefibent fagte bamit nur bie ©ahr= 


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40 


Sfdjt muß fied)t bleiben* 


beit, Sire," erwiberte Sürftenberg unterwürfig, beS ränfevollen Submig, bie elfäfftfdjen Abete* 
„bocfe gehört biefex 9 H<harb Don Jpohenheg einer pefdjlechter 311 feinen Bafaüen gu machen, ja fogar 
verarmten Seitenlinie an unb wirb von feinen graf- ihre ©fiter ohne weiteres conftSciren su laffen, falte 
lieben Bcrmanbtcn veradjtet." fie fid) weigern, ibm ben fönlbigungSeib gu leiften. 

„9hm wohl, fo foll mir ©raf 5?onrab mitlfom= S^d) aber, mein tbeurer Srennb, gebe unfer geliebtes 
men fein. ÜBir rechnen alfo auf bie thätige 9Rit= , e>trafeburg nod) nicht verloren unb baue guverftdit- 
hilfe unferer brei BuitbeSgenoffen Sürftenberg, lieh auf bie ftitlfe beS ftaifers. Der gute DupS 
©ünger unb Jpohenheg unb hegen bie Hoffnung, ! wirb unS behülfüdj fein, ben verrätherifchen 3n= 
bafe mir burdj fie nodj weitere BunbeSgenojfen ge= triguen beS ©rafen Äonrab auf bie Spur gu fom= 
minnen." men, fo bafe mir feine Beftrafung bei bem faifer= 

Die lebten $Borte waren an 8 oitvoiS gerichtet, liehen ©eridjtShofe beantragen fönuen. ^Möglicher 
weld)er nunmehr in honigfüfeer fHebe bem Scharfe SBeife eröffnet fich unS bann eine AuSfid)t, gu unferm 
finu feinet hohen ©ebicterS Beifall sollte unb mit red)tmäfeigen ©rbe gu gelangen, unb in biefem Salle 
ber S^age fchlofe, welcher Danf bem föerrn Sürft= wäre eS freilich gut, wenn bu unS mit beinern iu- 
bifehof wohl für feine treuen Dienfte bargubringen riftifchen 9tathe gur Seite ftünbeft. Siegt eS baher 
fei. in beiner 9Rad)t, eine Steife nad) Strafeburg angutre- 

Subwig XIV. geigte bem beutfeheu Berräther feine ten, fo eite fo halb alS möglich hieher." 
föniglicbcörofemutb unb bewilligte bemfelben iäfer- AnbreaS war feft entfchloffen, ber Aufforberung 
(id) 60,000 givreS, wogegen Se. ©mineng bem Sife 9hd)arbS Solge gu leiften; in aller (Site orbnete er 
nige oon Stanfreich gelobte, nach Straften bie ßänbe feine ©efchäfte. Srofe allebem aber traf er erft im 
gu bieten, um Strafeburg von bem beutfeheu Reiche 3uli in Strafeburg ein. Der herglidbe ©mpfang, 
loSgureifeen unb Sranfreid) einguverleiben. welcher ihm von ben Sreunben gu 3;heil warb, be= 

Damit war bie folgenfcbwere Alibieng gu ©nbe fam aber burd) bie allgemeine SRifefiimntuna, bie 
unb ©gon von Sürftenberg verliefe, an ber Seite fid) ber Strafeburger bemächtigte, eine Trübung. 
ßouvoiS, freubeftrahlenben AntlifeeS ben Stönig unb ©ine ängftlicbe Schwüle lagerte über ber Stabt unb 
lehrte wieber nach bem von ihm verratbenen ©Ifafe am politischen Sporigont ftiegen büftre BBettcrwolfen 
giuiitf. Solgen )vir ihm auf beutfeheu Boben nad) auf. Die Stimmung ber Straßburger warb eine 
unb feheit wir unS in Strafeburg um. .Spier be= nod) gebrütftere, alS halb barauf verjdnebene fran= 
aegegnen wir einem ältlichen Bürgersmann mit göfifd)e Sruppenbemegungen im ©Ifafe ftattfanben 
freunblicben, wohlwollenben ©efichtSgügcn, unb in- unb gteid)geitig von vielen Seiten ber Stabt SBar^ 
bem )vir unfern Blitf noch einmal über baS vo(l= nungSbriefe gufamen. 9hd)arb von ©ohenheg unb 
wattgige Antlife unb bie treuen blauen klugen ftrei- noch einige anbere SRatbSmänner boten ihre lieber* 
fen laffen, erfennen wir unfern alten Sreuub Beter rebungSlunft auf, ben gefunfenen 9Muth ihrer 2 )?it* 
DupS wieber. bitrger wieber gu heben, allein ber Stabtfdweiber 

9Rit ber 3ugenb war eS freilid) bei ihm vorbei ©ünger unb feine Bartei rife ftetS wieber Alles etn, 

unb fein ehemals fo glattes 3tntlife hatte Salten be= was biefe watfern äHänner aufgebaut. 

_ fonimen, welche Beit unb Sorge hineingemeifeelt. So ftauben bie Angelegenheiten, ate Anbreaö 
* \ Der.spumor aber war ihm treu geblieben; nur wenn eines SageS mit bem alten DuvS bei fHicharb gu^ 
er auf bie S^angofen gu fvrechen fam, ging ihm bie faminentraf. Selbftverftänblid) brehte fid) and) bet 
heitere Saune auS unb er begann bitter ernft gu ber heutigen Mittagstafel baS ©efvräd) um bie Bu= 
werben, hatte ia hoch bie Art unb SBeife, mit iveU funft unb baS Schitffal ber bebrohten Stabt, 
eher bie frangöfifchen Befehlshaber, Durennc unb „3* fürd)te," rief Beter mit vor Born gerötheten 
ßoube, in bem ©Ifafe gemütbet, ben Strafeburgern SBangen, „bafe wir bur^ allgu grofee fWa^giebigleit 
bie Augen geöffnet über bie AbfidUen SranfreichS unfer Spiel ftfon auS berSpaub gegeben haben unb 
auf ihre Stabt. Die Batrioten fchloffeu fid) bem= eines 3)iorgenS als frängöfifefee Unterthanen er= 
gufolge immer enger an einanber an unb fo mar es wachen." w 3 hr fehtgu fd)warg," wibevfprachfliicharb, 
gefomuten,bafe aud) gwifchen bem bürgerlichen DupS „ber Äaifer läfet unS nid)t ini Stid)!" „Der Waijcr!" 
unb bem abeligen Sticharb von .öohenheg ein lachte DupS höhnifch auf. „$at ber SvnbifuS 
Sveunbfchaftsbünbnife beftanb. ^tach beS alten 1 Svanfe in 2Bicn etwaS ausgerüstet? .^at man auf 
©ohenhegXobe war s Jtid)arb in ben Biath ber Stabt i feinen Bortrag, ber flar unb bünbig bie fcblimmen 
gewählt worben, unb ba and) ber Schornfteinfeger- | Abfichten SranfreichS barlegte, etwas gegeben? 
meifter ein ©hrenamt befleibete, fo hatte fid) .frohen^ Biein! ber Äaifcr unb feine BDiiniftcr geigten fich 
heg feines SreuitbeS wahrlid) nicht gu fd)ämen. Aber I gegen alle feine Bitten unb ©rntahnungen taub." 
auch ber fernen Benvaitbtcn in Branbenbnrg, ber „Dennoch finb unS 9Jatf)rid)ten gugegangen, bafe 
beiben Brüber AnbreaS unb töubolf Oiatbob ge^ ber Aiaifcr heimlich rüften läfet," verfemte 9iicharb. 
bachtc er treulich. ©S war im Srühliug beS 3ahreS „DaS ift allerbingS wahr," ergriff iefet AnbreaS 
1681 gewefen, alS AnbreaS von SRicharb einen Brief baS ©ort, ,,bod) foll baS ^peer nicht Sranfreich be= 
erhalten hatte, in weld)em berSreuub fidiinbitterer brohen, fonbern bie Surfen in ihrem Bormarfch 
Äläge über baS gewaltfaine Borgeben SranfreichS aufhaltcn." ,,9?atürlid)," rief ber erregte Beter 
erging unb gleichzeitig bie ®ittheiluug machte, bafe I DupS, „mit Strafeburg hat eS ja feine folche ©ile; 
©raf £onrab von .sp oh enheg gegen itaifer unb i wenn nur ber ©ünger unb feine Bartei nicht csiftir^ 
9ieich ein falichcS Spiel treibe unb allem Anfchcine | ten. 3ch traue bem Burfcheu nicht, bin feftübcr= 
nad) gu ®unftcn 8 ubwig XIV. fpionire: ! geugt, bafe er fich bemühen wirb, bem fleinen &äuf= 

„Unfer gemeinfamer Seinb" — lautete ber Schlufe . lein patxiotiftfer SHänncr baS Seben berart gu er= 

Vi^feS Briefes — „cjiebt offenbar bie Sadfe beS fca\= fd)iveren, bafe fie ferner ben Sitzungen beS äRagiftratS 
ferS verloren unb fteht feinen ?cröfeeren Bortheil auf fern bleiben. Dann aber hat bie ©egenpartei freie 
Seiten StanfreühS. Siegt eS ia hoch in ber Abficht ©anb unb freies Spiel." 


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Jkdft maß $t4f l bleiben. 


41 


hoffen mit, bah 3br @udj in biefer Slnnabme 
irrt," äufceTte Änbreab. „Oa mit nun aber einmal 
aut bao fiapttel ber ©errätberei gefommen finb, fo 
theilt mit mit, mas 3bv über beu©rafen ftonrab in 
(rrfahrung gebracht habt." 

Reiter nod) nicht uicl," gab OupS ftinmmgelnb 
gurüd, „io oiel ftebt iitbeffen feft, bah er ©egiebungen 
mit bent fraugöfifebett Sefibenten 5rifd)tnann unters 
hält unb in Strahburg herumfpionirt. Sinnen 
Äußern hoffe td) ihm eine fjaüe gu [teilen unb bann 
jeUt ;M>r ©eitercS oon mir oernehmen." 

„3hr mollt unS fchou oerlafien, ©eoatter ?" fragte 
dticharb überrajeht, ba ber ehrliche OupS fiel) non 
feinem ©lafee erhob. ©enige Minuten fpätet-fah 
man ihn bureb bie Orufengaffe ber SiclauSbrüde 
unb beut Spittelthore gurenuen unb balb barauf 
näherte er [ich febon ber über eine SJeile oon Strafe 
bürg entfernten ©ogtei 3llfird). Oort angefommen, 
üblüpfte et j ermübet bureb bie 2lnftrengung beS 
iRarfcheS, fomie bie herrfdjenbe 3ulihifee, in eine 
©dteuite, bereit einer Slügel offen ftanb. Sadjbcm 
jid) ©eteT OupS übergeugt, bah anher ihm feilt 
menfcblicbeS ©efen in ber Sähe fei, flettertc er au 
ber Seite* gum ©euboben empor unb inad)te [ich 
fcbiteü et« Saget gureebt, b. h. er mirfelte fiel) berge- 
ftalt in bas ©eu ein, bah faft nid)t3 mehr oon ihm 
gu fehen mar uitb fcblief behaglid) ein. 

3Rehrere Stunben oergingen, ohne bah ber mübe 
©anberer ermaebte. 6 r muhte hübfd) lange ge= 
fcblafen haben, b«nn beim Srmadien lieh ihn eine 
Spalte in betöteftermanb am bunfeltt Firmament 
blibenbe Sterne erfenneit. (Sin ©efaitg, beit er 
hhon oorher im ©albfddafe pernommen, braitg au$ 
bent untern Saume ber Scheune unb ein matter 
Sicbtfcbein gum ©euboben herauf. Sehutfam unb 
leite näherte er [ich ber Oeffnuttg, ait meiner bie 
Setter augelehnt mar, unb fchaute hinab. Sur mit 
3 Rühe unterbrüdte er einen SluSruf ber lieber- 
raidutna, benn bie Scheune mar mit frangöfifchcn 
Solbaten flefüllt, gmifchen benen fich grangiSfaner^ 
iMöiube bemegten. 3 efet mürbe ait ba3 Sdjeunenthor 
geflopft unb baffelbe fofort geöffnet. (Sine 3Röndm= 
geftalt feblüpfte herein, fie minfte einem ber OrbcitS- 
brüber tmb näherte fidj mit biefent ber Seiter, bie 311 
bent ©euboben emporführte. Oie ©cfürd)tung 1 
$eter 0>up3, bah bie beibeit SrvangiSfaner mohl gar 
heraufflettern möchten, ermicS fid) glüdlicher ©eife 
als irrig. „9)?etn ©tmmel, maS hat ba3 $Kle3 gu 
bebeuten!" bachte er unb legte bie ©anb ait’S Ohr, 
batnit ihm ta fein ffiort bes ©cfpvächS entgehe, 
welche* bie beiben 3J?ötid)e iefet begannen. Oer 
Särm, bett bie $tieg3fnedtte bisher pollführt, hatte 
ein ment# nachgelaffen uttb io mitrb* e3. ihm mög= 
lidv mit (Erfolg beit 8aufd>cr 311 fpiclett. ©a8 er 
oernahm, mar in furgem folgenbeS: Sad) beut ©e= 
fehle bcs fdtlauen Souooiä feilten bie fvangöfifchen 
Solbaten, mit ba§ noch immer ftarf befehle nnb gut 
bewadtte Strahburg erobern 311 Jönnen, ud> als 
iVoitrhc perfleibct ie gu gmei unb gmei btirdt bie ocr= 
vfuebenen Obere hctcinfd)leid)cn unb int $rangis= 
fanciflcftcr fammelit. I 

taufig!" rief ber fdmell bie Setter herab- 
flettcrnbe 'jjeter Oup^ gähnefitirfcheitb, „ba3 ift ja 
eine gang heilkfe ÜJerfdtmörung! ?lber märtet nur, 
ihr füllt end> perrechnct haben, ober idb mill mid) 
fertan nicht mehr ^eterOupö neunett!" 
fflit groffer 2?orficbt fd)lid) ititfer greunb auS ber 


Scheune unb betrat bie Oorfgaffe. Oie Sacht hatte 
ftch berabgefenft unb ringsum mar Slüe^ ftill. Sur 
: einzelne mettige Sterne funfclten am ©origont uttb 
eo fiel ihm giemlich ferner, ben rechten ©eg gu fiit= 

| ben, meldier nad) Strahburg führte. e§ ihm 
aber gelungen mar, fehle er feine 3?eiue in Orab, 
um nod) oor Siitternadit ba$Stabtthor gu erreicfeeti. 

(Sö gelang ihm. Sein $Ulan mar iefct fir unb 
fertig. So fdmell al^ möglich eilte er nach bem 
Spitteltbore, mit beffett ©äd)ter er iit gutem 6in= 
peviiehnieit ftanb. 3tt büitbiger Sebe theilte er ihm 
baö ©iffenenöthige mit, morauf ber alte SEhormart 
ihn eiitlieh. 

Oebe unb eittfam lag ba8 £lofter ber Scctngi§s 
faiter auf bem üBarfüherplafee ba. Sur feiten 
hufd)te eine ©eftalt burd) ba§ eifejtbefdtlagene Shor, 
toelcheo mit bem auS ßidhettholg gefchnibten gmölf 
5lpofteln gegiert mar. Oer näcbfte Sag toar Por= 
über unb ber&benb fam. Oie bleifarbigen ©olfett, 
melche mährettb be^Sagö über ber Stabt gehangen, 
löfteit fid) in einen heftigen Segen auf, ber bie 
Strahen rafd) poii fpätcit Spagiergängern fäuberte, 
fo bah fie balb eben fo öbe balagett, mie baö alte 
AMofter am SBarfüherplafee. 

5Kom 9)?ünfterthurme fdilug e§ gehn ilhr, — ba 
taudite auf bem meitfcbeuleeren fßlafee, bem filefter 
gegenüher, eine ©eftalt auf, bie in einen SOtantel 
gehüllt ioar unb einen breitfräntpigen © 11 t in bie 
Stirn gerüdt hatte. 2U§ ber lehte ®lüdenfd)lag 
pevfhmgen, lieh fie einen furgen $fiff ertönen uno 
halb nachher befanb fich ein ebenfalls in einen 
Stantel gehüllter 2Bann an ihrer Seite. 

„Oie Stunbe ift ba," flüfterte Bieter OnpS bem 
herbeigeeilten 9lnbreaS gu, „mo allabcnblich gmei 
oevfleibetc Solbaten am Älofter angulangen pfle= 
gcit." „Sur gu," antmortete SlnbreaS eben fo leife, 
„unfere Seute fiub bereit. Sur ftill, id) höre Schritte. 
Sufgepaht!" Unb in ber Shat bogen jefet gmei 
ftrangiSfanermöndje um bie nädjfte Stvaheuede. 
Unfere Sreunbe traten ihnen entgegen unb OupS 
vebete fie an: „3hr feib fromme U>äter, bie in bem 
äUofter eine Sad)therherge hegehren. So fommt 
unb folgt unS," fügte er nach ^Bejahung ber ftrage 
hingti. Statt aber auf baS ßloftev gugiifteuern, 
manbte er fich ber in ber Sähe gelegenen ©affe gu, 
tmb faitin mar baS erfte ©auS erreicht, alS bie per= 
tappten Sölbner pon träftigeu Firmen gepadt unb 
ihr ivainb pon einem jtnebcl perfddoffen mürbe. 
Sad)bem man fid) ühergeugt,bah unter ben S^önd>S= 
futten gmei bemaffnete ^vangofen [taten, mürben 
biefelhen ber Äutten entfleibet unb fovtgeführt, 
mährenb OupS unb $lnbreas bie härenen ©eioaitber 
fich felhft ühermarfen. Sid)t lange bauerte eS, fo 
begann in ber nächften Sähe ber ftloftermauern ein 
I geheimnihoolleS Scheu unb Sreihen. Ountlc@e= 
ftalten hufd)ten hin unb her, bie fid) gegen bie 
Sc'auern bvüdteu unb bann rcgungSloS ftehen hlie= 
ben. 3cht ertönte bie ©lode an ber tölofterpforte 
imb gletd) barauf öffnete fid) ber Schieber beS fleinen 
ShovfcnfterS. 

„©er begehrt iefet nod) ßinlah?" fragte bie fchläf= 
rige Stimme beS Pförtners, „,3'oei S?önche, bie 
fidh toegen be6 Segens oerfpätet haben." 

„3ch mill euch gleid) bie Pforte öffnen," tönte eS 
im ftlüftertcu gitrüd, „hoch geigt mtr porher bie 
Slermel eitre^ ©emanbe^." ©ei biefen ©orten 
ftredte ber ©förtner bie ©aitb auS bem Sdjiebfens 


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42 


jlu laufe. 


fterdjen unb nadjbem er bie raubhaarige ffutte bet | benben 3)?annfchaft au, „nehmt tefet allen euern 
Sraiutöfaner gefühlt, raffelte er mit ben Schlüfjelu s 3)futh jufammen unb lafet euch burdj bie milben 
am iüunbe unb fcfeob ben Schieber in ber Pforte au. Sotbaten nicftt aurüdfchreden. Kämpfen mir ja 
fiaiun batte er aber bie festere geöffnet, al3 ber 1 Dod> für eine gerechte Sache unb gilt e£ bodj, 9Ser= 
fcheinbare Krieger, mit beut er baä furae ©efpräd) ratb unb Schurterei au vernichten. 9llfo muthig 
geführt, ibm in bie dritte ftiirate unb ihn fo fräftig ; voran, ©ott verläfet feinen braven Deutschen!" 
umfchlang, bafe ihm ber s M)em verging. Sine grofee I „2für ©ott unb ^Batcrlanb!" rief e£ im hellen' 
Slnjabt vermummter Banner brang tu bae fßfcrts I Sbor. Die ÄeUertbüre flog auf unb bie bemaff= 
chen, nur einen SBachtpoften bei bem inamifcben ©e nete Schaar brang etn. ym nächftcn Slugcnbliae 
feffelten aurüdlaffenb. fchon tobte ein erbitterter Atampf, benn bte 3rau= 

‘Die 8ift ^Scter Dup3’ mar gealüdt, bocb aalt e3 aofen hieben mit verameifelter 2Buth um fich. 
jefet noch, ben Ort auyaufunbfchaftcn, meiner bie rUÜcin trofc ihrer milben Sntfcbloffenbeit mufeten 
tm Allofter verborgenen Sölbner beherbergte. Der fie fdjltefelid) bod) ber feinblicben Ueberaahlmeicben 
3ufall tarn ihm hierbei au ßilfe, benn fie vernahm unb eö fid) gefallen taffen, von beit Siegern gefef- 
men einen milben aber entfernten ©efang, ber fett au merben. Die öefeteren ftiefeen ein tautet 
au£ ber Siefe beraufaufommen fd)ien. „©eben föurrah auä, benn ba§ Ailofter fammt allen feinen 
mir bem Sd)alle nach," fchlug s ?lnbrea3 vor, mo= Snfaffeit befattb fid) jefet in ihren ©änben. 
tauf ber ganae Srupp vorfiebtig unb leife ficb in am näd)ften borgen bie überrafchenbe Afunbe 
^Bewegung feste. Da eä nid)t rathfam erfrf>ien, einer Ailofterverfdnvbrung, gleidt einem Sauffeuer, 
eine Laterne anauaünbcn, fo irrten fie über eine burd) bie Stabt lief, gerietb bie Simvobnerfchaft 
halbe Stunbe in ben tfreua- unb Ouergditgen beä Strafeburgs in eine folcbe SButh, bafe ber 2Nagt= 
Allofter3 herum, bte fie enblid) vor ber eilenbefcfela- ftrajt ficb genothi^t fab, ba* .Si(öfter mit einer 
genen Sbür anlangten, bie in beit Atelier führte, groben ^Injahl ftabtifdjer Sblbner umfteüen m 
„^rcitnbe unb ©enoffen," Alliierte v $eter Dup3 taffen, benn ba£ erbitterte Solf mar feft gemißt, 
ferner am* moblbemaffneten üöürgerfbhncn bcfte= babfelbe au ftürmen. 


I» Saufe. 

®ou einer #an8frrm. 

Sitglifrijeit Vlitm * $nM»iitg für ShrlfHag. lj hineinthun; man binbet e§ ju, ftetlt e§ in einen 
fßfunb aitegemachte föojtnen, i ^funb reinge Sopf mit faltem SSaffer, tagt eS li Stunbe 
mafchene Kurrente, i ißfunb 3tinb£fett (suet), i fo(hen, unb er ift abermals fertig aum ©ebraud). 
$int feingerolttcn ^mtebad, 1 gefiebte^ 

SKcbl, 2 Ster, i Säße 3uder f i ÜKitefatnufe, l £>omii«j * ^nbbing. 1 Saffe aefochten falten 
Sheelöffel voll Sala, i Dheeloffel voll Sinnamon, ßominv, 2 Saffen füfic 2)Jilcb, 1 Sfeloffel votl mei= 
i Xheeloffel voll 2)Jace unb füBc WM) genug, um feen 3ucfer, 1 jheeiöffel voll ^Butter, 3 Sier unb 
ba^ ganae au einem Deig hera^aubilben mie Sup ein menig Sala. Da* gelbe von ben Siern, ber 
Safe. Dann nehme man ein Stücf ungcblcid)te^ 3ucfer, Sutter unb Sala mirb gut verflopft, ber 
ftarfe$ Saummoltcnacug unb thue ben Seig hin* A&ominv hincingerührt, bann bie füfce 3)?ilcb unb 
ein» man laffe etma^ fttaum, bamit menn ber 2cig aulcfct bie au Schaum verflopften (Sier, thue e§ in 
aufgeht, er ntebt feft ift, fonbern redjt (oder mirb. eine irbene Scbüffel, ftelle e§ in ben beifeen 93acf= 
Dann legt man ben Tübbing in einen Sopf mit ofen unb laffe e^ eine halbe Stunbe baden. Hn- 
foebenbem 2Baffer unb lafet ba^ ganae 6 Stunbcn ftatt ^ominp fann man and) gefod)ten 9tei§ neh 5 
fortmdhrenb foeben, man gtefet rod)enbc3 SBaffer men. ^ut bie Sauce nimmt man einen Sfelöffcl 
nach, fo oft e3 fid) verfodjt. Dann nimmt man vvll frifebe Butter unb etmaö mcifeen 3udfer, ver= 
ben Tübbing herauf unb halt ihn eine üDZinute flopft eö gut au einem leichten Schaum unb man 
in einer Scbüffel voll faltem SBaffer, barnad) ftetlt ee falt neben ben beifeen Tübbing auf ben 
nimmt nan ba^ Sud) meg unb legt ihn auf eine Siid). 
ftacfye Scbüffel. ^ür bte Sauce nimmt man einen 

Sfelöffcl voll fritebe Butter, einen Sfeldffel voll S«ti Safe. 5 ’Sier» 1 Saffe 33utter, 2 Saffen 
metfeen 3uder, einen Sbeeloffel voll SJieblf ein meifeen 3uder, 4 Saffcn genebteg 3Rehl, i Saffe 
mtnig ÜJhtöfatnufe, rhut bteicS in ein fleine£ füfec 2)hld), 2 Sbeelbftel voll 33adpulver, i Shee* 
33lcd)ge}d)irr, rührt eö gut burefeeinanber, man (bffel voll Sanilla. 3Ran verflopft ba^ ©elbe 
giefet etma& 95Beineffig hinein, um bem ganaen von ben Siern, ben 3,uder unb 39utter gut burch= 
einen angenehmen ©efdnnad au geben, unb fod)en= einanber unb ba^ ffieifee von ben Siern auf einer 
beS SBafier genug, um beinahe ein halbem $int flauen Schüffel au einem Schaum, ba3 ^öaapulver 
Sauce au machen, man lafet es einige 2)?al auf- tvirb mit bem "Dtehl burd) ein Sieb gefiebt. 2Man 
foefeen, mdhrcnb eö fortmährenb uifigcrührt mirb. tbut bie 3Kild) in ben Seig unb rührt eö gut burdj' 
2Birb ber Tübbing bet einer SRablaeit nicht ver= einanber, barnadj etma^ 9tRchl, bann etmaei von 
aehrt, fo fann man nach einigen Sagen baö reine bem Sierfchaum unb baö übrige 3Kehl, unb aulefet 
Tübbingtiuh nehmen unb ben falten Tübbing )-ben anbern Sierfchaum unb SSanilia. SKan mu§ 


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JJu fauft. 


43 


ted)t bebcnbc bamit umgeben, foitft wirb bcr 
ftud>cn nicht recht (oder; bann tbut man ben Jets 
in eine runbe tfuebenpfanne, bie tnwenbig mit 
8 d>maU ober Butter beftrichen ift, unb [teilt ben 
Studien in einen jiemlid) beiden Öfen, giebt gut 
Sicht, baft er nicht verbrennt. Diefer .Vtuchen muft 
ungerdbr eine Stunbe baden. Um $u prüfen, 
ob Sueben ober Brob gut burebgebaden ift, 
nimmt man aus einem neuen Beien einen bünnen 
Stengel unb fticht in ben töueheu hinein; bleibt 
fein ieig baran bangen, fo ift ber Ätudbcn gut 
burebgebaden; man nimmt ihn auS bem Ofen unb 
aus ber Pfanne, unb [teilt ihn mit bem unteren 
ßnbe auf ein Sieb. Der buchen bleibt um fo 
lodercr. 

gftue <So«mrr> 9 tettumrfl. ©ierju gehört baS 
feinfte üRcttfleifch (tenderloin), womöglich bon 
einem gut gemäfteten Sdfwetn, man nimmt 311 5 
2af[en fein gebadteS ftlctfd) 3 Daffen Sped, bas- 
felbe muft feit unb frijeb fein, man fehneibet eS in 
feine SSürfelcben, unb vermengt es unter bas gc= 
badte gleifd). 3u 6 Bfunb gebadtem gleifdj 
nimmt man 1 } Unje fein geftofteneS Sah, eine 
halbe Un$e weiften ober fdnoarjen feingeftoftenen 
Bteiter, unb ein Dram Salpeter. Machbcm man 
bas ©ewür 3 in baS ftleifd) getban, muft man es 
mit rein getoafebenen föänben gut unb lange 
burebeinanber verarbeiten, finbet man Sebnen, 
£äute ober barte Dbeile im ^Icifch, wäbrenb man 
eS verarbeitet, fo entfernt man bicfelbcn, bann 
verfugt man eS, ob eS recht gemurrt ift, unb bar= 
nach füllt man eS in wiblgereinigte, gut gewäfferte 
unb gcrucblofe, bidc, glatte $cttbärme, in welchen 
ftcb bie JBürfte am beften laftig erbalten, man 
fann beSwegen nur Scbweinebärme gebraud)en. 
DaS füllen ber Därme muft febr bebutfam ge- 
f (heben. 

üHan binbet ben ‘Darm unten 3 U, siebt ibn 
auf bie JBurftfprifce ober &örnd)cn, tbut baS 
Sleifcb langfam hinein unb brüdt cS bebutfam 
unb nur aUgemacb jtärfer an, bamit ber Darin 
nicht plafce, bie 2 Burft aber fo feft als möglich 
»erbe, wobei bie mit Öuft gefüllten Stellen 
mit einer Stopfnabel burebftoeben werben, !jc 
bener bie 2 Burft gefüllt, ie fefter unb bider fie i|t, 
ie beffer halt fie [ich, wo hingegen ®ürfte, welche 
lofe gefüllt finb, verborbene Stellen unb einen 
ftarfen ©efebmad erhalten. Sinb bie 23ürfte 
nach Angabe feft gefüllt, fo fönnen fie gleich nige= 
bunben werben; bei 3Rangel an Hebung aber ift 
ju ratben, fie eine Macht liegen 311 laffen, bann 
bebutfam, unb nvar nach beiben Seiten bin, fie 
buTcb Streichen fefter 3 U brüden, nene Bänber ba= 
ran $u binben unb bte erften absufebneiben. Slls 
bann bange man fie 14 Xage in einen mit fiuft 
verbunbenen fchwachen Manch von ©adiholbcr 
(wenn man fie haben fann) unb bewahre fie bän- 
genb an einem luftigen, froftfreien Orte. 

Bemcrfung: Den Salpeter hole man auS 
einer 3 lpotbcfe; benn wäre berfelbe nicht gut auf- 
bewahrt, ober feucht geworben, fo hätte er feine, 
»ttfliche äfraft verloren, unb bie JBurft würbe ba- 
btttch eine bleiche Sarbe erhalten. k }luch nimmt 
ber geringftc Jfroft ihr bie Sarbe unb ben Sßobl^ 
gefefcmad. ßvjt nach einigen Monaten ift fie fertig 
|um ©ebraud). 


t rifte SRilift. gür Dianböe, Nerven- unb 
arlachfieberfranfe ift fein ©ctränf beffer at$ 
beifte BJild). Dr. B. ßlarfe in Oftinbien gab ei= 
nem biarrhöefranfen tarnte, ber am Sterben lag, 
frifchc heifte Btilcb 3 Ü trinfen, nachbem alle übrigen 
3)?ittel fehlfd)lugen'; bie Ättanfheit nahm eine 
giinftige SBenbung unb in einigen 2 öod)en war 
ber Bcann wieber gefunb. Mur merfe man fid>: 
9Man läftt bie MJildj nicht fothen, fonbern bloft heift 
werben. Die güfte unb ben ^eib bes Traufen 
halte man warm, ba$ 3 immer aud), muft aber oft 
gelüftet werben. 

Äafettjiläfte. Um einen guten Mafenplafe 311 be- 
fommen unb bcnfelbett in Orbnung 311 halten, 
mu§ ber Boben gut bergerichtet werben; man 
büng-t im Spätjabr reichlich, pflügt ober gräbt ben 
2)^ift tief unter, ber Boben wirb um fo lederer. 
Der Bläh mufe troden genug fein, bau man ihn 
gut bearbeiten fann mit fMedftcn unb B>aUe, unb 
muft gan 3 eben gemadd werben. 3 ft bcr .s>erbft 
gclinbe, fo fann man im Jpcrbft ebenjo gut :)iafen 
legen, als im Jyrübiabr, nur bürfen bie 3 iafen 
nid)t bünn geftod>en werben, fonbern fo bid wie 
möglid). Bran legt bie Oiafenftüde bann iccht 
nahe unb feft neben einanber, unb foüten bennodb 
fleine Vödier ba 3 wifdjen bleiben, weld^e nid>t aus= 
gefüllt finb, fo thnt man am beften, man nimmt 
feinen ©runb unb füllt bamit bic fleinen Vödier 
aus. Dann nimmt man abermals eine >>anb- 
wal 3 e unb macht alleS recht feft unb eben. .V>at 
man biefe Slrbeit früh genug verriditet, che bie 
öerbftregen fommen, fo fängt ber Siafen gleid) an 
311 wad)fen. Soft muft ber ätafen mit einer Blalse 
gewalkt werben, fonft trodnet er im Sommer unb 
im hinter friert er auS. ^d) fenne eine Familie, 
bie legte einen groften Stafenplaft an im BJinter; 
bie Jl>itterung war natürlid) rcd)t gelinbe wie im 
^erbft, es regnete oft, ber JHafen blieb faft immer 
grün; int Sommer von 1881, ba faft alles aus= 
trodnete, fd)icn aud) biefer Blaft gan$ fahl unb 
troden, aber im barauf folgeitben Frühjahr ent= 
faltete ber Olafen ein fold) prad)tvcllcs ©rüit unb 
2 öachsthutu, baft man feiten feines ©leidteit fanb; 
nur merfe man lieh: Der Boben war reichlich ge= 
büngt. 3ft bas Sktter ungünftig im Spätjabr, 
fo büngt man bloft unb gräbt ben Boben um, man 
legt ben s 3 tafen int ftrübjabr; finb auf einem alten 
Wafcnplafce fahle Stellen, fo nimmt man ©raS= 
fameit unb mifd)t fie mit Slidte ober Sägfpähnen, 
b. b. gans feinen, unb in (Erwartung eines 
SchneelturmeS geht man suvor hinaus unb wirft 
auf biefe fahlen Stellen ©rasfanten; ber Sd)ttee 
unb Stegen treibt fie beffer in ben Boben unb im 
Frühjahr geben fie auf. (Ys ift eine Icidttcrc Ar¬ 
beit, als wenn man im ^rübiabr mit neuen 
Sfafenftüden ben auShcffert. ^Woch 311 be= 
merfen ift, baft man bei bem tfegen eines neuen 
SßafenplafceS äd)te N Jfafen erhält unb nid)t folche, 
bic voll Unfraut wudtern; 3 eigt fid) bettnod) Uit- 
fraut, fo sieht man eS heraus nach einem Mögen, 
ber Boben ift bann weich; bies ift aud) bie hefte 
3eit, im grühjabr ober Sommer baS ©raS 31 t 
idmetben, bcr Mafen trodnet nicht fo leicht auS. 
3ft bie Sonne brenitcnb im Sommer, fo läftt 
man bas ©raS einige Sage bünn ausgeftreut 
barauf liegen, bann tbut man gegen $bcnb mit 


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44 


Sonntagfdjufifehttotifiu 


einem fftedjen aUe$ aufnehmen; bet Shau fällt 
über 9?ad)t unb befeuchtet baS garte ©raS, unb es 
fängt gleid) mieber an gu machfen. 

Glättete. 2Jlan ift im SBinter oft Dielen @e= 
fahren wegen ©latteiS auSgcfefct. STOan nimmt 
einfad) Saig; ich nehme gemohnlid) oon bem, in 
meldjeS id) meine Sier perpaeft habe, grobes, billt= 
geS Saig, unb ftreue es auf bie Seitenmege unb 
por bie äbiir, baS Siä gerfprmgt augcnbiidlicb, 
unb man fann gleich ohne ©efaht barüber hinge= 
hen, ünb in einer furgen 3eit fann man mit bem 
23efen alles rein pufcen. 

grifrjgefattmer Srfinec. 3Ran tbut am beften, 
man fteht SßorgenS eine halbe Stunbe frü¬ 
her auf, unb in biefer furgen 3eit bringt man 
mit bem 23efen mehr fertig, als nad)her in gmei 
Stunben, menn ber Schnee feft gufammen getreu 
ten tft- 

Hin Kittel für aufgefprungene £änhe. STOan 
nehme etmaS abgefdjabteä SBienenroacftä in einem 
Meinen meithalfigen ©laje, *ein Stüd Schaffett, 
fülle ba3 mit Olioenöl, man ftelle e£ hinten auf 
oen Ofen unb laffe e8 fdjmelgen, unb e3 ift fertig 
jum ©ebraudj. 9Kan fann einige Stopfen Par¬ 
füm btnguthunr um ber Salbe etnen SBohlgerud) 
gu geben. 


ditte ^oöantoeifnug — feine Cuittung. Sin 

befannter ©efchäftSmann Pon hier fieberte [ich 
fäuflid) einige SBodicn gurücf ein Hnrecbt in einer 
Husftcllung in SanbuSfp; um feiner Sache gemt§ 
gu fein, mar e§ nothmenbig, bajj er einen Shcil 
be3 SBetrageS baraitf eingahlte. 9?ad)bem er 
fid) mit greunben berathen, entfebieb er bureb 
Sßoftanmeifung bem Sefretär 25 OollarS guge= 
gehen gu taffen. Sr eilte auf bie $oft, faufte 
bie Hnmeifung, meil er aber nur menig mit 
Hnmeifungen biefer Hrt pertraut mar, betrachtete 
er fie alS Ouittung für baS auSbegahlte ©elb unb 
legte fte forgfältig unter feine SBerthpapiere, ba^ 
mit ber Slnfauf nid>t rüdgäugig gemacht merben 
fönnte; er benachrichtigte bcu Sefretär brieflich 
pon ber Senbung be3 (Selbes unb erbat fich 9lnt= 
mort beim Smpfang; meil er ieboch feine 92ach' 
rieht erhielt unb bie 3eit ber HuSftellung fich 
nahte, telegrapbirte er megen ber Sache unb erhielt 
ben 23efd)etb, meil er fein ©elb gefanbt habe, fei 
fein Anrecht an anbere ^ßarthicen perfauft morben. 
Huf Smpfang biefer 9?ad)rid)t erflärte er, bafj er 
betrogen fei, unb um feine ^Behauptung gu beftä= 
tigen, geigte er feinen ftreunben bie $oftanmei= 
fung, ober Ouittung, mie er e3 nannte; feine 
<}reunbe lächelten unb fagten ihm, bafj eine Sßoft^ 
anmeifuna feine Ouittung fei, unb ba§ er bicfelbe 
in 3ufunft ben SBetreffenben gufenben muffe, an- 
ftatt unter bie SBerthpapiere gu legen. 


Sonntttgfdjul-Mtionen. 


Sonntag, 7. San. Slpoftelgefchichte 1,1—14. 

S>ic Himmelfahrt 

I. $ie ^trheifjung M 8ater£. (23. l— 8.) 

8 . 1 — B: Sin gang ber Slpoftelgefchichte. 
®a§ 5. ©efcbichtäbucb be3 S J?. S. heifit eigent¬ 
lich „Hpoftelthaten", meil fie im Unterfchieb pon 
ber in ben 4 Spangelien ergählten 8eben$= 
g e f ch i d) t e S h r i ft i gmar nicht bie gange Cebens= 
gefd)ichte aller Hpoftel, mohl aber bie hauptfäch= 
lieh burch bie SBirffamfeit ber gmei heroorragenbften 
berfelben, betrug (Äap. 2—14) unb SS au tu 3 
(Sap. 13—28) gefchehene Stiftung unb SSctbreitung 
ber S’ird)e Shrifti pon Serufalcnt über Hn= 
tiod)ien, Sleinafien unb ©ricchenlanb bis Dtom be= 
richtet, unb bilbet al3 SBerf beffelben 2>_erf a f ferS 
mit bem Soaugclium SufaSSin gujammenhän^ 
genbeo ©angeS. CefetereS ift bie „echte fWebe" nicht 
bloS ber 3citfolge, fonbern auch ber Sache nach, 
meil bie bort gejdjilbetten früheren Srcigniffe aus 
Shrifti irbifehern geben äußerlich unb innerlich 
bie ©runblage unb 23orausfefeung für bie fpäteien, 
b. h. für feine himmlifche 5öirffamfeit in ber 
ßeitung unb SBeiterbilbung feiner ©emcinbe finb. 
®aS Spangel ium pon Shrifto, feiner ißcr= 
fon unb feinem 2Berf, ift überhaupt bie „ed)te fHebe^ 


baS pornehmfte ©auptftücf aller 3Srebtgt, ber 2tngel= 
unb 2BitteIpunft Der gangen SCBeltgefchichte; eS rebet 
pon Hllebem, maS 3efuS anfing u.f.m., 
momit mieber niefit eine pollftänbig erfd)6pfenbe 
gebenSbefchteibiutg gemeint ift, bie gufaS ebenfo- 
menig ate SohauneS (^oh. 20, 30) geben molltc, 
ober auch nur fonnte (3oh. 21, 25), fonbern nur 
ein umfaffenber unb genauer, mahrheitSgemä&er 
Bericht über baS, maS er f ,beibeS, gu thun unb gu 
lehren" hatte, alfo über feine in Sbun unb gehren 
fich Pollgiehenbe SBirfjamfeit, mobei er lebte 
mie er lehrte unb lehrte mie er lebte, b. b. cbenfo mie 
burch fein SBort fo and) burd) SBunber unb SBerfe, 
burd) SBanbel unb SBirfen fid) aiS Sohn ©otteS 
offenbarte bis an ben Sag feiner ©inimefi 
fahrt. ®iefe, ber Subpunft beS SpangelimnS 
unb ber HnfangSpuuft ber Hpoftelgcfcbi^te ift ber 
gemeinfame SBenbepunft gmifdhen beiten unb mirb 
baher, obmohl Dort fdjon furg berührt, auch hier noch 
einmal auSführlid) ergählt. SBaS ^efuS auf Srben 
„anfing", mirb burd) fie nicht abgebrochen unb hört 
überhaupt mit bem Scblufj feines irbifeben SBerfo 
nid)t gang auf, fonberp mirb fortgefefet burch baS, 
ioaS ber erhöhte ShriftuS poni ©immel her in unb 
au feinen Hpofteln, für fie unb burd) fie alS feine 
©efanbtcn unb S3ePollmäd)tigte thut, meiche er 
hatte ermählet; mie bie SBelt fie immer ge^ 
mählt hätte unb mie fie bodj eingig paffenb für bie§ 


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Smmtögfdjul^ehtumen. 


45 


wichtige 2lmt waren: au§ peringen unb verachteten, 
aber einfachen unb lebenbig gläubigen Seelen, bie 
bemüthig unb einfältig ben Schafe ber 2Bahrbeit 
aufnehmen unb weitergeben, ohne ihn burd) eigene 
3uthat ui verberben. Die „Dhateit ber 9ipofter' 
als* feiner 3 teil Vertreter finb feine Dhaten, bie 
Hpoftelgefdndfte alS ©efebiebte ber Ätircbe ßhrifti ift 
ein Stücf feiner eigenen ®efcbid)te, alS ©efd)icbte 
beS verhärten ©ottcSfohneS in ber ©errlicbfeit bie 
Sortierung beS ©vangeliumS alb ©efebiebte beb 
fleifcbgeTOorbenen äWenfdjenfohnS in ber 9iiebrigfeit. 
DaS „aufgenommen warb" bezeichnet bie Him¬ 
melfahrt, obwohl fie ancb bie eigene Dhat (Shrifti 
ift (Suf. *24, 51) alS 2Berf DeS VaterS an ibm (wie 
äKarf. 16, 19 unb 1 Dirn. 3,16) unb zugleich alS 
eine uidht bloS räumliche unb finnlicbe, fonbern and) 
»efentlicbe ©rlöfitng, fofern er baburd) eine 
höhere Stellung, 3Sad)t unb SBürbe erlangte (Vhil. 
2,9fr.) Den 9lpofteln bat er Vefehl ge = 
geben, bie ,,Dbaten ber 9lpoftel" finb alfo nur bie 
Vollziehung beS „lebten SBittenS" beS febeibenben 
HeilanbS ©Matth. 28, 18 ff. üMarf. 16, 15.),bcffen 
SJidmgfett ber Veifafe bureb ben beil. ©eift = 
oermöge unb in ifraft beffelben, weil er bamit ge= 
falbt war (8uf. 4, 1. 14. 18.), hervorbebt. Ahlten 
bat er fid) nach feinem Seiben unb Durch baf= 
felbe bewährt unb vollenbet (Hehr. 2, 9. 10), le = 
benDig erzeigt alS ben Äuferftanbenen; hinfort 
ewig fiebenben CJtöm. 6, 9. Off. 1, 18); bieß war 
bie notbwenbige Vebingutig unb Vorbereitung für 
ihr Hmt al^Bougen (V. 8) .feiiteS gebettS, wie 
auch fonft feine 9tuferftcbung bie©runblagc unfereS 
ganzen ©laufend ift (1 Sor. 15, 14. 17 ff.); nur 
bie ©ewißbeit, baß er lebt unb ihnen unftdjtbar nab 
ift mit Äraft Siebt unb Droft (üMattb. 28, 20), unb 
zwar geftüfet bureb „mancherlei ©rweifungeit", b. b. 
Offenbarungen feiner fclbft, alfo auf untrüglichen 
Äeunzeicben rubenb,giebt ihnen ben2Mutb für ihren 
Äpoftelbernf. Vom 91 eich © otteS rebet er nad) 
wie vor feinem ÄreuzeStob, alS bem großen einigen 
Hauptgegenftanb aller feiner Sehre. 

®. 4 — 8: Sefete 3nfammenfunft 3efu 
mit ben Jüngern. $br Ort ift nad) V. 12 
ber Oelberg, ihre 3 e i t nach V. 2 ber 40. Dag nad) 
ber fluferftehung, alfo ber Dag ber Himmelfahrt, 
maS gut. 24, 49, wo baS Vleiben in 3eritfaicm 
»or Der lefeten ^ufammenfunft befohlen wirb, nicht 
miDerfpricbt, weil bort bie lefeten 9teben ohne ütücf= 
fiebt auf bie 3«itfolge furz zufammengezogen finb; 
iebenfallS waren alle 11 9tpofte( babei, ehe fie 
ihre Seelen fammeln fönnen, müffen fie erft felbft 
um ihn gefammelt fein. Der fdjwere Vefehl * 
m ber üMörDerftabt zu bleiben, ftatt ftcb in bie ge= 
jicberte öeiinatb ©aliläa jurüdmjiehen, weil von 
bort auS nach 3ef. 2, 1—3 unb Vfalm 50, 2 ©otteS 
3teicb auSgehen foll, wirb ihnen erleidftert bureb bie 
herrlidfe Verheißung beS heiligen ©eifteS, weld)e, 
nachbem Der verheißene üMcffiaS felbft fd)on gcfom= 
men mar, nun bie einzige unb größte nodj zu er= 
fälleuDe Verheißung blieb, bie, im 91. D. fdwn von 
«ütt Dem Vater gegeben Qoh. 44, 3. OSoel 3, 
1. 3acb. 12, 10), audj vom Sohne ben Seinen 
cü wieberbolt worben war (Suf. 11, 13. 12, 11 
onb befonberS in ben SlbfdjiebSreben bei 3oh.) unb 
burcB Die frfwn gefebehene, aber erft theilweife ©eu 
ieömittheKuna (8uf. 0, 55. 3oh. 20, 22) nod) 
erfüllt ift. SBegen beS ©egcnfafeeS 


Sur ffiaffertaufe beS 3oh./ bie bloS eine 
Vußtaufe unb Damit baS 9)iittel nt einer bureb 6r= 
fenutnib unb Vefenntnifj ber Sünbe gewirtten 
SünDciwergebung war, wobei iebod) ,V'h. felbft 
aiwbrürflid) fcboit auf bie burd) feine Daufe nur 
unvoüfommen abgebiibete unb vorbereitete ©eifteo= 
taufe beS ^effiafe binweift (gut. 3, 16), wirb bie 
©eifteogabe hier ebenfalls eine Daufe genannt 
als ©intaudjung in ein reinigeitbeS unb belebenbcS, 
in reid)fter Sülle auSgegoffeneo Slemeitt, bie aber 
int Untcrjdjieb vom Via ff er, baS blob äußerlich 
reinigt, eine baS 3itnere nidft bloS erleud)tente 
unb erwärmenbe, fonbern burd)glübenbe unb alle 
Sd)ladett wegfd)tneitenbe Sencrtaufe ift. liefet 
lange jc. ift abfichtlid) fo weit gefafet, um ihren 
©lauben sugleid) im ,,harten unb ßilcn" (2 Vetr. 
3, 12) gu üben, fie folleit wiffen, baß eS fommt, 
aber nkfet iv a n n ; von ihnen war viel verlangt, 
barum will ihnen auch ©ott juvor viel geben 
(umgefehrt: gut. 12, 48.). Sragten ihn jc. 
veranlaßt burd) bie vorangegangencii 2öorte 3efu 
felbft: weil er bie ©eifteStaufe alS nahe bevorftebenb 
bezeichnet, fragen fie nad) ber 3eit, weit er vom 
Dieid) ©ottcS gerebet (V. 3), fragen fie nach 
biefem unb jwaralS bem Öteicb 3f raelo, beften 
VMeberberftcllung im alten ©lause („wieber auf= 
rid)ten") vom eff iaS als theofratifAem Helbem 
tönig (15D?of. 49,10) envartet würbe, ber fein Volt 
wieber frei, groß unb berrlid) ntadft. Diefe an ficb 
wohlberedftigte Hoffnung unb Stage, auS Sehnfudjt 
unb 9lbmtng ber großen MeicbSsutunftGhrifti ftaut= 
menb, tveiSt ^efuS nid)t einfad) surüd; feine 9lnt= 
)vort: ©S g e b ü h r t cud) jc. ift göttlich weife unb 
menfeblid) sart, mehr belehrenb alS tabetnb, unb 
beftreitet nid)t baS 9ted)t m fragen unb au forfd)en, 
wie fchon bie Vtopbetcn thaten (1 Vetr. 1, 11), 
fonbern mir bie Vefugniß au w t f feit, wab ©ott 
ficb felbft Vorbehalten hat ©Matth. 24, 36), er be^ 
(tätigt bie übrigens ben Jüngern felbft nid)t zweifel¬ 
hafte ©ewißheit beS fotmnenben Reiches, unb 
befdwänft bloS bie vorwifeige 9?eugier nad) einer 
3 eit, unb weift ftatt'ungebulbiger 9Büitfd)e für 
bie 3 u f u n f t beffelben bie 9lpoftel vielmehr auf bie 
praftifeben Aufgaben ber © egen wart hin. Sür 
ihr SBtrten in ihrem Veruf feilen fie Üraft ent-- 
pfang eit burch ben heiligen ©eift, um eben biefeS 
fein 9ieich burch ihr3cugttiß von ihm Qoh. 15, 27) 
in immer weiteren Äireifen vom Wittclpuntt 3eru- 
faletn auS nid)t bloS bis an bie ©rettsen iianaanS, 
fonbern bis an’S (5nbe ber ©rbe verbreiten au 
fönnen; bennßhriftuS ift ber Heilanb ber ganzen 
28eit unb hat ein Hers für bie ganze 9Menjd)hcit, 
obwohl fein Volt feinem Herzen am näd)ftcn ftanb 
unb ben 9luSgangSpunft feiner ganzen HeilSthätig= 
feit bilbete (?loh. 4, 22). 

II. ier ®. 9-11 :®o 

er foldteS gefagt, alfo unmittelbar nad)biefen 
bie ganze Srbe unb SMcnfcbheit, 3«f»nft unb 28elt= 
gefebiebte umfaffenbeit SB orten erfolgt bicö i in m e U 
f ahrt, bie nirgeitbS fonft im 9?. D. fo genau unb 
aitfd)aulid)bargeftellt wirb nach ihrem boppeIten 
Hergang: bem a I (nt ä h l ig e n Sicberhcben beS 
Herrn „zufehenbS", b. h. fo baß man ihm eine 
28eile mit beit 9lugett folgen fennte unb bem barauf 
folgenbett p l ö fe T id)e n Hinaufgehobenwerben bureb 
eine (lichte, 2Mattb. 17,5) 2Bolfe, bem fidjtbaren 
Seichen ber perföitlidjen ©egenwart beS u itf idi 


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46 


Sonntagfd) Injektionen» 


baren ©otteb (2 üKof. 16,10). 51 iö f ic Um 
nad)laben, aljo nod) währenb bieies unoer= 
wanbten ©mporriditcnb ihrer 23lide ftanoeu awei 
Männer bei ihnen, ohne Zweifel ©ngel, wab 
fd)on in ihrem ploplidjen unoermerften Auftreten 
unb 23erjd)miiiben, sowie in ben weißen Afcleu 
beul alb Sinnbilb hintmliicber Feinheit nnb &ei= 
ligteit (Offenb. 7, 13) ließt; beftdtigt wirb bieß 
burd) ihre 23otfd)aft, bie neben einer fanften 2iü ge 
wegen beb bejd)aulid)=untbdtigen 2fad)blidenb in 
icl)iner 3 lid)cr 2M)inutb, ftatt beffen fie lieber mit 
freubigem üRutb nnb rüitigem ©ifer an’S 2ßerf 
ßeben sollten, bie herrliche 23 e r h e i ß u n ß ber fünf-' 
tißen ficbtbaren 2Bieberfuuft bei Selben mdd)tißen 
treuen nnb gndbigen ApeilanbS enthalt, bie ihnen 
eben jn ihrer 2lutgabe 5L)iutb nnb Alraft Scheuten, 
aber fie and) jum ©ruft unb thdtißen gleiß au= 
Spornen follte. 2i3ie treu unb freunblich ift bod) 
ber ©eüanb, fauni ift er fort, so ienbet er ihnen 
fchon bimmlifcbe 23oten; fie Jollen willen, baß er 
aud) im £>im mel ihrer gebeult, fie liebet unb für 
fie forßt, ja baß alles, was auch burd) fie, bie ge= 
riußen, oerachtcten jünger auf ©rben geschieht 
in ber sichtbaren 2I3elt, leinen Ursprung in her um 
fichtbaren bat, mo er iefet jelber wohnt unb aümdd)= 
tiß wirft unb waltet, uubbafe fie unter feinem 3d)ufc 
unb Segen ftehen! 

111. $ab©ebet nm ben heiligen @eifl. ®. 12— 

14: X)er O elberg, ber Sdjauplafe ber .'öimnieU 
fahrt ©hrifti, wie einft feinet ©ebctSfainpfeb (üKarf. 
14,26ff.), laß einen 3abbathweg=65tabien 
ober etwas weniger als eine 2 Meile oou Scrujalem ent- 
ferut; fein 2Biberfprud) mit 8 uf. 24,50, wo nur ßefaßt 
ift, baß er mit ben ^ungern auf bem 23eg nach 
SSetbanien hin, etwa 2 teilen oou ^erufalem 
entfernt, ^ing, nicht aber bah er ßerabe unmittelbar 
bort ßen Jpimmel fuhr, fowenigalS hier, baß bieß 
fchon am Anfang beb ßanjen „Öelberg" genannt 
ten ©öhenaugb gefdjah. ®er Söller (offenes 
Obergemach), alb ftiüfter aurüdgeaogenftcr 23lafe 
aewohulid) auch ber ©ebetbplafe, gehörte wohl au 
bem &aub, baS fie fchon 3oh. 20, 19 ff. aum 
23erfainmlimgSplab benufeten, nid)t aum X e in p e l, 
wie man nad) 8 uf. 24, 53 meinen fönute, beim 
borthin ßiiiß man blob in ben tdßlichcu ©ebetb= 
ftunben; ba beim fid) enthielten (aufhielten), 
b. h. jufammenhielten ohne fid) au aerftreuen, fom 
bem fich einmuthiß mit ©ebet unb ziehen bereiteten 
auf ben oerheißeneu ©eiftebempfanß. ®odj nid)t 
in ftolaer 2 lbfd)ließung, beim au ben 11 21 p oftel n 
(3Rarf. 16,14) fameu uod) bie anhlreicheu grauen 
auS ber 2tad)folge ^efu ( 8 uf. 23, 49. 55. 24, 10), 
worunter auch üK a r i a, 3 efuS 3Äutter, aubbrüdlid) 
genannt ift ( 311 m lehteumal im 21. X.), unb feine 
(4 leiblichen oerßl. uJiatth. 13, 55) 23rüber, bie 
früher feiitbfeliß ßeßeu ihn ßefinnt ( 3 oh. 7, 5), jefet 
feit ber 2 luferftebuug, wohl mit ben oielen 1 Sor. 
15, 6 ßenannten 2lugenaeußen berfelben, gläubig 
ßeworben waren, iebod) oon ben 2 lpofteln felbft 
beutlich untcrfd)ieben finb. ©inmüthiß, beim 
©inigfeit mad)t ftarf, finb fie beifammen in vlnbadü 
unb ©intraht; burd) bie 21 nbacbt wirb bie Sintradjt 
befeftißt unb ßeheilißt, burch bie ©intraebt bie 2 ln= 
bacht erwärmt unb ßeftdrft; auch bie 21 poftel faiißen 
ihr 2 Berf betenb an. 


Sonntag, 14. 3an. Slpoftelgefdjidjte 2,1—16. 

$>ie 5tuögic§ung öc« ^eiligen ©eifteö. 

I. ®ie fenrigtn jungen. (23. l— 3 .) 

®« 12. 3eit unb Ort: 2llb ber Xaß bet 
23finßften erfüllet war = beim ©intritt be 3 
iübijeheu 2 }finßfifeite^ be^ nad) 2 lblauf oou 
oollen 50 Xaßen ooui Xaße n a d) bem 23 a f f a h 
au ßeredjnet, ßebalteu werben mufete unb fomit in 
ieuem 3abr, wo ©hriftiw am Xaß oor bem 
2 >afjah alb au einem frreitaß ftarb, auf einen 
oonutaß fiel, ©b heißt barum and) im 21. X. 
„bab Seft ber 7 äßoeben", gried). 23entefofte, 
b. b. ber 50. (Xaß), woraub unfer beutfd>er 
2^ame „23fiiißften" abßefür 3 t ifi, unb würbe nur 
©inen Xaß lang fabbathlid) gefeiert mit Seftopfer 
unb 2 )arbriiiflunß oon 2 ©rftliiißbbroben auo 2 ßei= 
jenmebl; beim eb hatte eine boppelte25cbeu= 
tuiig: eine irbifche alb ®anffeft für bie im 
^Morgenlaub fd)on an jenem Xaß nach bem 23affah 
mit X)arbrinßung ber ©rftlinabgarbe (unbawar oon 
ber auerft reifenben ©erfte) oeßinnenbe unb fomit 
50 Xage fpdter bereits oollenbete (erfte) ©rnbte 
unb eine ge ift liehe alb ©rinnerunßofeft an bie 
in benfelben 2 )ionat fallenbe © efefege bun ß. 
> 8 eibeS ift ioid)tiß auch für bab gleichfalls 50 Xage 
nad) 6 hrifti 2 luferftehung ßefeierte unb fomit iebeb 
3 aht auf einen 3 onn tag fallenbe ehr ift liehe 
23fingftfeft, weil nun bie ©rftlinge oon ber g e i ft = 
l i <h e n ©rnbte ©hrifti auf bem arofjen ©rnbte= 
felb ber 2üelt (3oh. 4, 35) oon ben Vlpofteln bureh 
bie 23efehrunß ber 3000 gefammelt werben; 23fina= 
ften ift fomit ber ©eburtbtaß ber fidübareiu chrift= 
liehen flirche alb einer &ird)e aller Sollet 
COJiatth. 28, 19), wenngleich bie 2lpoftelßcjdnd)te 
felbft aimddift (£ap. 2 — 11 ) nur oon ber juben= 
chriftlidien 23rübergenieiube in Serujaleni, unb erft 
fpdter (Atap. 12—28) oon ber (Stiftung unb 21 U& 
breitung ber heibcn-chriftlidien ©emeinbe in 2 lficn 
nnb ©uropa beriditet. X)ab in ber chriftlidien Ai irche 
herrfd)enbe © e f efe aber ift nid)t mehr bao du§er= 
l i d) e 23uchftabenaefeh, fonbern bab burch ben heili- 
gen ©eift in bie fersen geschriebene innere ©e= 
wiffenbgefefe (herein. 31, 33). SOßdren fie alle, 
nehmlid) bie fdjon Itap. J, 14. 15 ßenannten, nicht 
blob bie nunmehr nach ber SGBahl beb üWatthiaS 
wieber oolladhlißen Slpoftel, beim biefe werben nach' 
ber 23. 14 beutlid) oon ben übrigen 2lnwefenbcn 
unterfchieben, (auch ld§t bie in S. 16 alb erfüllt 
beaeid)nete SGeiffaauiiß 3oel 3,1 ff. bie ©eiftebgabe 
nid)t alb eine beionbere 2 (mtbßabe nur auf ben 
21 poftelfreib befchrdnft erfdieinen, fonbern fefet alb 
©abe beb allßemeinen d)riftlichen 23 rieftcrthumb 
einen weiteren Spielraum ihrer SBirffamfeitooraub), 
einmüthiß bei einanber, ioie Äap. 1,14. 
unb awar ohne 3 tueifel wieber in bemfelben Apa'ub, 
wie bortnidit im Xempel, wie man anb ber 23. 
15 genannten ©ebetbftunbe fchließen wollte, beim 
bie ©eiftebaubgießung felbft muß biefem 3 eitpunft 
fd)on ooraubgegangen fein, unb oor bemfelben 
brauchten fie noch gar nicht im Xempel au fein unb 
nach bem griech. 2 Bortlaut heißt eb: fie faßen 
beieinanber, wdbrenb man beim ©ebei ftanb; 
auch bie 23. 6 genannte „SKenge" bezeichnet nicht 
nothwenbig bie Scftgdfte im Xempel, sie tonnte fich 


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Sonntagfdiul^ektumeti. 


47 


aud) auf einet geräumigen Stelle in bet 9tähe 
oerfammeln. 

8 . 2 : Der ä ugere 25 o r fl a n g: ©8 ge= 
iebah f d> ix c 11 , plöfelicb unb unoerfehen 8 , alfo 
au 6 für t'ic ba 8 ihnen £ap. 1 ,5 nur im allgemeinen 
als nabe beoorftehenb angefüubigte ©reiguiü er= 
wartenden jünger flän^ltc^ unoerinuthet unb über= 
rafebent, ein Stabil feit, ein füefeenbee nad) 25. 
6 auch fouft in ber (£>tabt oertummene 8 ©etöfe, ba 8 
mir o erg lieben wirb mit einem gewaltig baber= 
fabreuOen Sturmwinb. ©8 ift alfo nicht au 
einen wirf lieben SBinbftog ober gar ßhrbftofuu 
benten, fonOern an etwa 8 Uebcrnatürlkbe 8 , baber 
«oom ßimmel“ ftommenbe 8 (oergl. Suf. 24, 49). 
3 « biefem hörbaren Beiden unb üKittel ber 
©eijteämittbeiUinj fouiint bann itod) ba 8 f i dj t = 
bare bet feurigen Bungen: „man fab an 
ihnen“ u. f. w. (25. 3) feilte eigentlid) beißen: e 8 
erfdnenen ihnen (würben alfo oon ihnen felbft, nicht 
oen Ruberen gefeben) 3 iingen wie oon fteuer, 
b. b. nach oben fid) ipaltenbe „süngelnbe“ #Iam= 
men, bie ficb oertheilten unb oon oben ie auf bie 
©inseinen nieberliefjen, aber nur leudjtenb, nicht 
btennenb unb oerfengenb, alfo auch hier wieber nid)t 
materielle fteuerflammen, etwa 23libftrahlen ober 
elertrifche ©rfebein ungen, fonbent benfelbcn nur 
ähnlich. 2 Jeibe 8 finb alfo nur bie Präger unb 
25orläufer (oergl. 1 $ön. 19, 11. 12) be 8 ®eifte 8 , 
nicht er felber, nur bie für Ohr unb 51upc oemehm= 
lieben Offenbarungen feine 8 an ficb ftnnlidj nicht 
wahrnehmbaren 2 Befen 8 , aber ihrer $atur nach mit 
ihm unb feinen Söirfungen oerwanbt.’ (25er = 
gleicbung 8 punfte: ber heilige ©cift wie ein 
28inb (3ob. 3, 8) unbeareiflich unb unfaßbar nach 
Urfprung unb Biel, nicht einsufchränfen in feinem 
freien Sauf, wohl aber su erfahren mit feinen 8 e= 
ben 8 fräften, erfrifchenb unb reiniaenb wie ein 8 uft= 
hauch, aber auch nieberfchmetterno wie ein Sturm= 
winb, unb wie ba 8 ^euer alle 8 oersebreitb, burefc 
glühenb unb fdjmelsenb, aber auch erleuditenb, 
enoärmenb, entjünbenb wa 8 ihm nabe fommt, unb 
unaufhaltfam lieh oerbreitenb, fchon 2 3Bof. 3, 2 
Snmbol ber heiligen ©egenwart @otte 8 .) 

8 . 8 : ® i e innere 2 B i r f u n g :. © i e 
würben alle ooll heiligen ©eifte 8 , nicht 
Blo 8 theilweife unb ftücfweife wie fd)on bie Propheten 
be 8 21 . Zz.t fonbern in feiner gaiuen Sülle ( 3 oh. 
3, 34) wirb er ihnen su Sbeil, aucn nidbt blo 8 seit= 
weife, wie bort nur für gewiffe befonbere Bwcrfe, 
foufcern bleibenb a !8 bauernber innerer 2 Jeftb, ber 
aber immer noch im 2 Bach 8 tbum an Srfenntnife 
unb Bucht (^oh. 14, 26. 16, 3. 17, 17. 9töm. 8, 
14) ebenfo nothig al 8 möglich macht. 

II. ^rebigen mit aitberrtt (25. 4) ift 

nun bie unmittelbare 55ol$jeäugerung ber empfange¬ 
nen ®eifte 8 fülle, ihre SKittbeilung felbft war bort 
fchon unb ift beute uod) ein ftille 8 2 Biutber unb. 
oerborgeneä ©eheimnih; aber wa 8 i n ner 1 ich oot^ 
gegangen, muß ftch auch äu§erlich funbtbun 
^uf. 6,45), unb jwar sunädtft noch nicht oor ber 
2Belt (bie „®?enge" fommt erft25. 6 ), fonbern im 
gcfchloffcnen Alrei 8 ber ©leichgefinnten, in ber „®e= 
meiube ber ©laubigen“ felbft, baber auch ber © e = 
gen fta n b icneS 9leben8 sunächft noch nicht al 8 
ein eigentliche^ „25rebipen" unb belehren, fonbern 
al 8 ein Cohen unb greifen, ®anfen unb Sefennen 
SU benfen ift. ©einer Sorm nach war e 8 wie 


6 ff. beutlid) seigt, ein 9 teben in einer 9Kanchfal= 
tigfeit, oon oielen ihnen bi 8 ber felbft fremb gewe= 
fenen n e uen ('üKarf. 16, I7)©prad)eit im Un= 
terfdueb oon ber ihnen allen gemeinfamen unb 
woblbefannten galiläifdjen s DhuWart, wobei aber 
nid)t an eine oon iefet au unoevlierbare ober ooll= 
ftänbtge gelehrte Afenntnifj berfelben ober gar aller 
Spradjen, etwa sunt B'oecf ibree fünftigen W\ f= 
|ion 8 beruf 8 , fonbern wobl nur an einseine be* 
geifterte 2 ßorte unb 2 lu 8 rufe augenbli(flid)er ©nt= 
südung su benfen ift; banbeite e 8 fid) bod) iefet 
nod) nid)t um 3Kittbeilung an bie erft fpäter 
(25. 6 ) berjutretenben Srembliuge, wosu übrigen 8 , 
ba aud) fie alle sur 3 ubenfehaft gehörten 
(25. 5), and) fchon bie iübifche Sprache allein 
au 8 gereid)t hätte, fonbern nur um ba 8 2 luöfpre(hen 
ihrer eigenen ßrfabnmg unb ©timmung; su- 
gleich alb Sin itbilb, wie ber heilige ©eift $erj 
unb SKunb reinigt unb heiligt, Seele unb Sippen 
sugleid) weiht Qef. 6 , 7.), fo bah fie nun eine neue 
©pradjc reben: ftati su flud)en, beten, ftatt su 
läftern, fegnen, ftatt Sügcn bie SBabrbeit, ftatt. 
Sd)mähungen freginblid)e 2Borte reben, ftatt su 
(lagen, loben, unb ftatt su murren# banfen, aber 
and) alb 25or biIb, bah einft in ber gansen ge^ 
heiligten 3Kenfd)heit alle Nationen, Sprad)en 
unb Bungen ®otte 8 fKubm oerfünbigen follen 
(25hil. 2 , 11 ), fo ba§ burd) biefe Sinigung ber 
Sprachen ihre einftige Verwirrung unb 3er= 
theUung (1 3Rof. 11, 9) wieber aufgehoben ift. 

III. $ic Sßirfunß ahf’8 8olf. 8. 5-13: 
©d)ilberung be8 gemifchten ©inbrud8 be8 25. 4 
enannten auf bie in Serufalem anwefenben 3 u- 
e n a u 8 a 11 e r l e i 8 ä n b e r n , fo besetdmet in 
Unterfd)ieb oon ben 25. 9 gleid)fall8 angeführten 
eingeborenen ©inwohnern 3ubäa8, alfo au8= 
länbifche 3uben, bie theil8 nur oorübergehenb wegen 
be8 Sefte8 (5 3Kof. 16, 16) ficb bort eingefunben, 
theile, um bem Stempel immer nahe su fein, fich 
gans bort angefiebett hatten („su Berufalem w oh 5 
n e n b“). ©d)on bteß beweift, bafe fie in SBahrheit 
g o 11 e 8 f ü r d) t i g e 9N ä n n e r waren, oerlangenb 
nad) ©emeiufdbaft mit ©ott unb empfänglid) für 
alle basu bienenben ^pilf8mittel, wenn gleid) ihrer 
eigentliä)eu ^eimath nach ftrembe a u 8 allerlei 
25 o l f, b a 8 unter b e m ß i nt m e l i ft, b.h. 
au8 ber faft in allen Säubern oer ©rbe oerbreiteten 
iübifdjen ®iafpora („Berftreuung“ 3oh. 7,35), alfo 
ein oolf8thümlid) übertreibenber 2lu8brud wie ©ol. 
1, 23. 2?erheijieii war e8 aber fchon feit 5 2Nof. 
30, 1—6, ba6 ©ott fein 25olf au8 allen Sänbem ber 
©rbe wieberholen unb sufammenbringen werbe, unb 
bieß ift fchon hier bem erften unb triftigen Anfang 
nad) erfüllt. Sie würben o e r ft ü r j t = rath= 
lo8, oerwirrt burd) ben wunberharen 25orfall, b a 
fie höre ten, ein 3 cg lieber, baß fie (bie 
3ünger unb ihre ©eitoffen 25. 4) mit feiner 
Sprache rebeten, nicht al8 ob fie alle sutnal 
unb gleichseitig alle biefe oerfd)iebeiten ©pradjen 
gefprodöen hätten, benit fonft hätte 92iemanb etwa8 
Atlare8 unb ®eutlid)e8 oerftanben, fonbern ber ©ine 
in biefer, ber 2lnbere in iener, alfo in grofeer 3)iand)- 
faltigfeit unb 2lbwed)felung, nacheinanbcr unb im= 
mer nur fürs in wenigen Sähen, bie aber wie oer= 
fchieben geftimmte ©)loden in eine einsige grofee 
heilige ßarmonie sufammenflangeit, wenn aud) in 
maud&faltigen Sauten, bodj mit bemfelben ©runb^ 


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48 


Sonntagfd)uU|ektionen. 


ton, bem 8 ob@otte 8 unb feiner iefet eben gefchehenbeit 
herrlichen 3; ha teil ( 2 $. 11 ). 9ln bie ©teile ber 
anfänglidtcn Beitürsung tritt halb ein b opp e lte§: 
oermunPertes ©ritauncii, ia ©rfdjrerfen, baä fid> bei 
ben teilten in evnülicheo SJadibenfeu oermanbelt, 
theils aber and) bei auberen leidjtfinnig megmer- 
fcnber-Spott (23. 13); 23ermirrung unb ©ntfefecn 
ift fpraddo^, crft alä eä in 23ermuttbcrung unb 6 r= 
ftaunen übergeht, foinmt e3 su 2 Bortcn unb fie thcU 
len einander ihre SJluthmafmngcn über biefe$ ihnen 
pöllig unbegrdfluhe mit, gleidtfam ©iner Pont 9ln= 
beru duffdduB begebvcitb, mie eä beim möglich fei, 
baff bieje 91 Ile, bie fie bod) flau* gut afö 2 ln= 
banger 3 e)tt poit SJasarcth unb fd)on an ihrer 
SRunbart al$ ©altläcr crfaiiitten (SRatth. 2 6j 
71. 73.), unb von beiten fie red)t mohbmtifitcn, baB 
fie ungelehrte teilte unb Saien umreit ÜWap. 4,13), 
fo fprecbeit fotincn. ®ic fßarthcr, 3Mebcr 
unb Slamiter toohnten im fernen Cfteit Pon 
Elften, bann fomint v D?e fopotaittie it smifcbeit 
Suphrat unb Sigrid, unb tum ba nach 28eftett 
herüber 3 ubäa, Poit hier itad) korben hinauf 
ÄappaDocieit, $ontu£ tittb 9lfiett (iMcitt= 
afien), unb micbcr itad) O ften stirütf 23 hrpg tett 
nttb 23 a nt p btt l ie n ; ferner über’ö SMeer hinüber 
in 9 lfrifa bas uralte ©gppten unb bie ©ebicte 
pon (Ober ) 8 p bien mit berOauptftabt & preitc, 
eitblid) aus ly uropa bie 2 (usläitbcr tum Siotn, 
100511 noch a 1*5 2 ?crtreter ber fernen Unfein (ocrgl. 
Beph. 2, 11. 3ef. 51, 5) unb .s>albittfelit itod) bic 
Jlreter im fernen 2 Bcfteit, unb bie 9lraber im 
äufierften Süben, alfo attfjer Reiben auch bie 
Ähncn ber fünftigen SMuhatnmeban er, unb 
neben Söhnen 3fvaclä auch Äinber 33tnael3 gc- 
naiint fittb, fie alle alfo theilb geborene 3 ubeit, 
theilb erft au3 bem Ocibeitthunt su ihnen überge^ 
tretene 3ubettflcitoffen (23rofelpten). 28 ir 
hören fie u. f. m. bebeutet itidit etma nur ein 
0 ürmuttber, b. h. bah bic fHebenben jmar ihre 
eigene 9}hinbart gefprod)en, bieBubörer aber bie 
ihrige $tt peritehmeit geglaubt hätten, ma3 
fdjlicftlich auf eilte blofse Säufduntg hiitauäfämc 
unb übcrbicB nid)t ntinber uuittberbar, afö ein 
cigeittlid)e3 3 ptachumnbcr märe, fonbern mas 
biefe hörten, al3 fpredteu jene auch um r f l i cb, nehm^ 
lieh eine ihnen fclbft frembe Sprache. Mit 
uitferctt Bungen, suerft fällt ihnen alfo biefe 
eigenthümlicbc jorttt auf, Dann aber auch ber 
nterfmürbige 3 tt h a 11 , begleichen fie noch nie au3 
SRenfiheitittunb pcrnommeit hatten, beim bie „gro = 
6 ett Xhaten (Sottet fiitb feine gemöhnltchcn, fon= 
bem eiaenthütnlichc, cinsigartige, bie „©rofjthatcn" 
3chooa*$ (23falm 71, 19). 23 a 3 mill bod> 

ba 3 merben? mörtlid): ma$ föitnte bod) ba3 
fein molleit ($it bebcutcu haben)? 3 ut 3 ntterfteit 
getroffen ooit biefem auBcrorbeutlichcn ©reignife, unb 
lichtbar bemegt Pott bem auftcrorbcutlichcn ©iitbrud 
ber ihnen oöllig uitcrflärluhett, aber bcbcittfatnen 
Shatfache, bie fie meber läuatteit fönnett, itod) mol= 
len, fteheit ihr bic 9 (ufrid)tiggefiniiten mit ehrer= 
(nötiger Scheu gegenüber in ftillcm Sclbftbefinncn, 
ober ernftem Sraacit nach ihrem perboraenett Sinn 
ober ihrer möfiiidjen Jyolac; bie ßcidttfittniaen, 
©tcid)ailtiacn ober Scinbfelifleit aber perfd)lieBeit 
fiel) acmaltfam ber aöttlichen Offcitbarunfl, gichcit 
fie ihrer eigenen itiebriaett S)eraen^aefinnuiifl aemäB 
in’^ ©emeine herab unb ßteifen aur SBaffe be^ 


Spottet unb mohlbemuhter, abfichtlicher, falfcher 
Berbächtiamtfl unbi'efchulbifluitfl; att Reiben erfüllt 
fich 1 2Setri 4, 14. 

IV. ite $crt4ttß!tttQ M Vctrntf. ®. 14—16: 

2 lud) hier ift Petrus ber SteUoertreter unb Stimm¬ 
führer ber übrigen, in bereu Stauten er mgleiÄ 
rebet. ©r hob auf f eine © ti tu me, feierlich, 
in ber gcmiddigtit SBürbc eitteo 9 lpoftelö, um bem 
Spott ber ©inen ju begegnen, unb bie ttachbettf- 
lid)e Srage ber9lnbertt 311 beantioorten; hierbarf 
utib fann er iüd)t länger mehr fdnoeigeit, gegenüber 
einer folchcu boshaften äJcrläugnuitg nicht etma nur 
ihrer eigenen $erfon, fonbern ber2>crfoii unb Sache 
©hrifti unb feiner gantett ©emeinbe. (5r redufertigt 
fie gegenüber fokher 8äftcruttg smar iit mufterhafter 
Ä ürae, ba er feine ©egner mit ein paar 9Borte 
abfertigt, fein nad)hcriges Beugiti§ pon Shrifto aber 
mehr als 20 Berfe füllt, unb mit meifterhaftex 
Stube, ohne Schelten unb Berbantmen, fottbertt 
im ©eift tnilbett ©rbarmens unb äd)t epangelifcher 
Siebe, bie ohne ber SBabrheit etma^ au pergeben, 
bod) amh biefe erbitterten ^eittbe tto^ aus ihrer 
traurigen Berblenbuitg retten unb für ©hriftum 
geu'inuen möchte (Daher aud) bie freunblich ehrer= 
bietige 9lnrebc: „3hr 3ubeit, lieben 3)iänner"), 
aber bod) neben aller Schonung, bie aunädtft nicht 
ba^ Uttmahre unb Ungered)tc, fonbern nur bas Un= 
gereimte ihrer 9lusfage att’s Sicht fteüt, mit fchla= 
genber ©d)ärfe: ®icfe (b. h- ich, meine 3)M' 
apoftel unb bereit ©eitoffen) ftttb ttid)t trunfen 
je. k. ®ie britte © tuitbe ift 9)?orgeitS 9 
Uhr, mo felbft ein unorbentiieher 50^eitfd) ttod) am 
cheftctt nüd)teru ift, basu bie erfte ©ebet^ftunbe, 
gleichseitig mit bem 9)tcrgenopfer im Stempel, oor 
loeldter man, sumal an fjefttagen, ttidttä getiiefeen 
burfte; auherbem fatttt ia ein Struiifcner nicht eitt= 
mal feilte eigene Bunge mehr regieren, gefdmeige 
beittt in frettiben Bungen rebeit. ©ottbertt baS 
ift’ö u. f. m. = in biefettt ©reignth, ba$ freilich ihr 
in eurem Unglauben auch nicht attberä beuten föniit, 
ai$ burd) fiitnlofe ©eraufAung (oergl. 1 ©or. 14, 
23), ift oiclntchr erfüllt, ma^ bttreü bett Propheten 
3oel aupor (por bereits 900 3abren) gefagt ift. 
©ine 'Begeiferung ift alfo freilid) ba, aber nid)t 
jette f a l f ih e fleifddicbe, bie ihr „mähtiet", fonbern 
bie mahre burch ben fchott lättgft Perheihenett 
heiligen ®eift, sugleid) alfo auch eine SrfüUuttg 
Poit ©pb. 5,18. 


Sonntag, 20. 3an. Äpoftelgefchichte 2,37—47. 

Xtc (gläubigen. 

I. €ntffe 0ttther. ®. 37—40: ®te 28 tr!u tt g 

ber erfte tt 23 fiitgftprebigt (23. 14—36) mar 
eine burd)fcblagcubc, bem gröBten Sheil ber Bn 
hörer ging fie buvdi’S .Oers, b. h. fie gab 
ihnen befoitberS burd) beit Stachel in ihren lebten 
28orteit einen fcbmerslid^oermiiitbcttben Stid) iit’S 
Oers unb baS foll and) heute noch bicSBirfutig ieber 
ächten fßtebigt fein, nid)t bah fie nur in’s Ohr, aber 
aber am Oersen oorübergeht, mie ein perhaUeuber 
Slan^, auch itidf bloS über baS OetJ hin, mie ein 
fchmeichelnber 2Binb, ober eine ftreichelttbe Oanb, 
fonbern in’S Oers hinein unb burth’3 Oers hittburch, 


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SonntagfdjuUfektioneiu 


49 


wie ein ^lufenbcv ©life ober ein fcharfeS Schwert 
(Öebr. 4, 12), nicht blo$ ben Verftanb befdjäf- 
tigenb ober befriebigeitb, aud) ntdit bloSbaS©c = 
fühl anreflenb unb auftegeitb in flüd)tiger ober- 

! läcfclid)er Shlhtattö, fonbern ba$ © e ro i f 1 c n tref=» 
eub unb ben ©3 i 11 eit fräftig erfaffeitb# fo bafe es 
jubem bimhgrcifettben erlitten Vorfafe unb enb 
tcbiebeneit Sittfchlufe fommt, baS waS iefet 
©otteS JBide an bie Seele au ihrer Srrettung itt, 
auch mirflid) au tbun. ®iefe innere ©ercitfchaft 
aeigt fid) in ber oott aufrichtigem 3utraueit gegen 
bie äpoftel unb tcblidicm Sifer um bie eigene Se* 
ligfeit aeujjeitben Stage beS tiefften unb beutlidj 
ernannten £>oilibct>ftrfniffe3: „2BaS joden loir thuir' 
u. j. ui. SBoriit aber augleid) and) fd)on ber Äeiin 
beS ©la ubenS unb ber Hoffnung liegt, bafe ©ott 
auch ihnen nod) oergeben unb auredjtbelfen fönne 
unb wolle, VetruS aber fprad) jc. ®amit 
aeigt er Dem bereite Srnpfänglidjcn unb Gmoccften 
ben eoangeltj d>eit ö ei IStoeg mit einer bop^ 
gelten gotberung unb hoppelten 93er = 
hct§nnex: 1. Sr ocrlangt a) in itere fittlidje 
Umfehr(©ufee), aber auch b) äußeret ©efennt- 
nife au Shrifto unb Verpflichtung autn ©lattben unb 
©ehorfam gegen ihn, ben eben noch oon ihnen 33er* 
jehmähten unb oon ^jrael Verfiofeeiteit unb Ver¬ 
worfenen (Saufe), alto wefentlich nichts anbcrcS, 
alS waS auch fchon 3ohaitite3 bet Saufet unb 3efuS 
felbft (ÜKattl). 3, 2. 4,17. Matt 1, 15) alS erftc 
©eDutgung aumSintritt iit’3 &immelreid) aufgeftellt 
batte, benn ohne ©ttfec unb ©laubeit bleibt bie 
Saufe ohne Äraft, fjrncüt unb Segen. 5lber 2. 
«verfpridjt er ihnen auch »)bic Vergebung 
oerSunbc unb alS mit ber Vcrföhnung 
unmittelbar alS ifraft unbSrlöfuitg uttb föeU 
ligung oerbuitben; b)bie©abc be$ heilt' 
aett ©elftes, alfo biefclben, welche bie 91 poftel 
fchon empfangen haben, bie aber and) allen Sl n * 
beren ohne Uuterfdjieb (V. 17ff.) gilt, aundchft 
freilich ben 3ubeit alSÄittberit beS ©unbeS unb 
ber Verbeifeuitg (3,25), bei benen baher and) beren 
Srfitdung ait fangen fofl(8uf. 24, 47) unb aioar 
nicht blol beit iefei Sebeitbeit, foitbent auch ihren 
SRadrtommeit bis auf bic fpäteften ©cfchleditcr, weil 
biefelbe nicht bloS für ben gegenwärtigen 5tu= 
genblicf, fonbern audj für ade 3 ,ufun ft gilt, bann 
aber auch allen Völiern (©cibeit) in ber gerne, 
b. b. bie äitfeerlidj uitb innerlich ©ott noch fern unb 
fremb jtttb (ocrgl. Sph. 2,12 ff.). Sie hat alfo 
bie umfaffenbfte ©eftimmung für bie g a it s e ©Seit 
unb ihre fünftige ©cfdndjte, uitb ift weber rdumlid) 
noch acitlich bcfdjränft; and) baS fooicl ihrer 
u. f. io. fefet ntd)t bem Umfang ihrer 2Birffamfeit 
©tenaen, etwa intSiitit ber uitoibüfchen Sehre einer 
ewigen Srwdhltutg nur c i n e S S h e i l $ ber 
SSenfchheit }i\x Seligfcit, foitbent beaeidmet nur beit 
orDttungSmafeigen Verlauf in ber Verwirflidjung 
beS allgemeinen göttlichen $eil3rathfchluffeS, 
fofern nidht ade Völler ober Siit.aelne auf einmal 
auglcicb, fonbern ie au ber ooit ©ott vorherbeftimm= 
teri 3cit berufen werben, ©eaeugete er unb 
ermahucte, weilet mitSRedtfauf eine fofortige 
unb oödige Veränberuitg ihrer gaitaen bisherigen 
du&ereii unb inneren Stedung bringen muhte unb 
Daö Sifen fcfjmtebeit wodte, fo lang eS warm war; 
hoch ift auch biefe im Unterfdneb oon ber Antwort 
3ohanniö be3 SäuferS auf biefelbe grage (8uf. 3, 


10 ff.), hiev ed)t eoattgelifdi, ltidit au eiuaclne äufeere 
3 *orberuiigen unb eignen oerbieitftUche Seiftungeu 
burd)Uebernahme ooit aderlei ©efebcSwert gcfuüpft, 
überhaupt nicht fowohl alS ein harter grohnbietift, 
fonbern vielmehr alS eilte SBohUhat, alS heilfame 
©efveiung unb Srlöfuitg bargeftellt, au bereu frei¬ 
williger Sin nähme fie blob freimblid) aufgeforbert 
werben: Saffet eud) helfen x., nehtnlid) bitrch 
ShriftuS, alb eittaigen £>eilanb (Ätap. 4, 12). ®ie 
©itabe ift bie rettenbe 2Wacht, ber fich ber SHcnich 
nur aufrid)tig htnaugeben unb oollftdnbig au über- 
laffen hat; aderbingS aber muffen jeticSHcubefcbrtcn, 
um an bie ©emeiitbe fich anfchliehcn au 
föititeit, auoor oon ber SBelt innerlich unb äufjer^ 
lieh ftd) a uS f d) l tefjen (3er. 15, 19. 2 Siin. 2, 
19), um.wirflid) ein 9JeueS beginnen au feinten, 
mit bem Slltett oodftdnbig abfd)lie§eu uitb 
brechen, beim wenn man in beit gefdhrlidjen Striefen 
uub Schlingen oerführerifdjer ©efedfehaft hangen 
bleibt, fann ®otteS®eift nichts Rechtes, ©leibcnbeS 
wirfeit. 

II. SröhUihe gittber. ». 41-43: 5» a h nt e n 

baS SBort ait, biefer erftaunliche Srf olg oon 
©etri Vrebigt ift bie ßrfüdung unb baS ©egenbilb 
von Suf. 5,4—10. ?ln iettentSage,b. h. im 
Verlauf bcrfelbcn würben fie und) uitb nadi ooit 
ben 12 aipoftelit gemd§ bem ©efebl ßhrifti SOtatth. 
28, 19 burd) bie Saufe, worauf bann ttodi weitere 
©elehrung unb nähere Ünterriditung au folgen hatte, 
ber ©emcinbe eitiocrleibt, h t it a tt g c t h a n alS ihr 
erfter 3itwachS, natürlich burd) freiwilligen 
9 Xnfcl)ltt6, womit abernüht gefagtift, ba§ bie gattae 
wSKenge" (V. 6) belehrt würbe, j. ©. fchwerlid) bie 
V. 13. ©enanntett; weil fürbic©läubiggcwovbcnen 
baut alS bie Saufe giißlcicf) and) ein du feer lieh 
evfenitbarer, entjeheibenber Schritt auS bem 3ubcit= 
thum iit’S Shriftenthum war, fonnte auch ihre Suhl 
angegeben werben. 

42 beginnt ttadt beut du feeren 3uwadj§ 
bie innere ßntwidfung unb SebcnSentfaltuitg 
ber erfteit Shviftettgemeinbe itt ©cftalt einer ettg= 
oerbunbeiten unb ftetig aufammetthaltcnben ©anS= 
genoffenfd)aft: fie (bie 3000 V. 41) blieben 
oom Vfutgftfcft an beftänbig in ber Slpoftel^ 
lebte, worein fie ia bisher erft wenig eiiigcfübrt 
waren, tim nun auch barin au wadifen (2 ©ctrt 3, 
18), unb in ber ©emeittf chaf t mit ber fchon 
vorher befteheitben ©emeinbe im engeren Sinti (1, 
13 ff. 2, 1 ff.), unb im ©ro tbr cd)en bei ben 
pemeinfchaftiicheit 8 iebeSm a hlen, an bic fich 
tn ber erften 3eit wohl regelmäßig nad) bem Vor- 
bilb beS lefeten 5KahleS 3efu mit ben Seinen auch 
bie Seiet beS 51 b e nb nt a b lö anfcblofe, unb aumr 
in ihren eigenen Käufern (V- 46), hinter ver= 
fchloffenen Shüren (wie 3oh. 20, 19. 9)?arf. 16, 
14), alfo alS nach innen ^ufammengehörige, nach 
außen abgefchloffene Samilten, unb im ©eb et. 
®ie awei aulefet genannten ®iitge ftnb befottberS 
hervorgehoben alS bie beibett ©auptftüde unb©aupt= 
mittel chriftlicher ©cnteinfd)aft, wovon baS eine mehr 
leiblicher 9lrt auch mehr bie dufeerlidje, baS attbere 
rein innerlicher 9?atur bie geiftige ©emeinfehaft unter 
eiitanber (Vhil. 1, 5. 1 ©etr. 2, 17. 5, 9) itttb mit 
bem ^enn bezeichnet; nimmt man baau and) noch 
baS erfte ©lieb, fo erhält matt bic auch heute noch 
wichtigften ©runbbeftanbtheile adeS chriftlichen ©c 
meinbelebeuS: Vrebigt, Saframent unb ©ebet. 

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50 


SonntagrdjuHMtümen* 


Bei leßterem ift nidit bloS an bie beftänbige SEheik 
nähme am öffentlichen ®otteSbienft bnrd) fort= 
bauernben SEempelbeftich (2?. 46) subeufcn, fonbern 
auch an BtioaterbauungSftunbcn unb ©ebener* 
fammlungen bähe int. (SS !am au cf) bei ben 
noch außerhalb ber ©emcinbe ftehenben 3uben in 
3erufalem allen Seelen furcht an in golae 
beS wunberbaren BftugftereigniffeS unb ber plöß= 
liehen aber grünblühen Belehrung fo oieler Seelen, 
fo baß fie einen gewiffen Mcfpeft vor biefen ßhriften, 
aud) wenn man fie noch geringfehäfeig bie „Sefte 
berBasarener" nannte (24,5. 14. 28,23), befamen, 
wogu namentlid) auch bie nod) weiter folgenbeit, hier 
aber nicht im Sinselneit berichteten 3etd>en unb 
SBunber butdj bie 2lpoftcl beitrugen, in benen 
man fidhtbar ben Äittger (Sottet erfennen xnußte, 
unb woburch baS ftille SEBachSthum ber ©enteinbe 
oor Störungen burdj oorseitige Berfolgung gefiebert 
war unb bewahrt blieb. 

III. Die Kinigfnt ber ©lättbignt. ». 44-47: 

3 efet erft ift bott ber ©efamm tgemeinbe im 
weiteren Sinn (bem ©runbftamm unb ben 3000) 
bie SRebe; fie waren beieinanber, natürlich 
bei ber and) nadj 2lbsug ber geftgafte immer noch 
großen 3ahl nun nicht mehr in einem emsigen Sofal, 
fonbern in mehreren familienartig jufamrrenleben- 
ben, burd) Sinheit beS ©eiltet unb brüberlidte Siebe 
in SRühtung unb ©eftnnung eng oerbunbenen @e= 
meinfcbaftSgruppen; un!b hielten alle Xinge, 
bie bisher bie ©inseinen alS Briuateigcntbum bc= 
feffen, gemein alS Sigenthum beS ©angen, burd) 
Berfauf ber liegenben ©üter unb fahrenben $a be 
unb Bertheilüng beS ßrlöfcS unter bie '©efi^lofeit 
ohne Untcrfchieb, aber mit SRücffidjt auf baS teweU 
üge Bebürfniß („nadjbetn 3ebem 92oth war"). XieS 
ifi alfo bie fog. © ft tergemeinf ebaf t ber 
2lpoftelseit, nicht alS gefeßlidjer 3waug, fonbern 
nur al3 allgemeine, aber freiwillige Sitte, nicht 
überall, fonbern nur in 3,crufalem eingeführt, nicht 
eine unchriftlübe, wo eS gilt: „waS bein ift, baS ift 
mein," fonbern eine chriftliche, wo eS heißt: „waS 
mein ift, baS ift bein" (nach Hap. 20,35), bie 2MeS 
in ben Xienft helfenber Siebe ftellt, weil fie auf ben 
©eift ber Siebe gegen b i e 2t r m e n, nicht beS 
© a f f e S gegen bie Speichen ruht, wie ber 
moberne Kommunismus, unb wie fie nur im Steuer 
ber erften Siehe unb in einem oerhältnißmäßig noch 
{(einen HreiS möglidtr ia bei ber Erwartung ber 
nahm 'IBieberfunft Khrifti fogar natürlich war 
(Su!. 12,32ff.), für «nfer ießigeS gemifchteS nub 
oielgeglieberteS Staatlichen aber ficb oon felhftoer= 
bietet, wcnigftcnS ber äußeren Sonn nadj, wie- 
wohl ihr ©eift ber2t ädjftcnliebe unb Selbft* 
o e r l a u g n u n g auch heute noch baS einzige ©ei U 
mittel für bie focialen Schaben ift. ©etragen war 
fie vor allem oon lebenbiger ©otteSfnrcht: fie 
waren täglich unb ftctS beieinanber im Xe m p c l 
(Suf. 24, 53), b. h. wohnten regelmäßig su ben üb= 
liehen ©ebetSftunben bem gewöhnlichen offen t = 
l i ch e n © o 11 e S b i e n ft bei, baneben aber aud) 
bem BrioatgotteSbienft, namentlid) bei 
ben SiebcSntahlen hin unb her in ben Käu¬ 
fern, bie hieburd) su „©ütten ©otteS bei ben 
3Renfchen" geweiht würben; iebenfallS hielten fte 
baS ch r i ft t i ch e 2lbenbmahh baS mit bem i ü = 
b i f (h c n Opferbienft nid)tS gemein hatte, nur hier. I 
XaS „nahmen bie S p e i f e" besieht fich 1 


gleichfalls auf jene gemeiüfanten 3Rahheiten, wobei 
eS oermöge ber reidjlid) geübten ©aftfreunbfehaft 
unb ©ütergemeinfehaft aud) ben 2lcrmercn nid)t an 
ben nöthigen SebenSmitteln fehlte; unb gwargeiebah 
eS mit 8 o b © o 11 e S unb freübigem Xaitf (5 äRof. 
8 ,10), ohne Hoofhängerei 11110 in ©ersenSfreubig= 
feit (Bfalrn 34,9) auch ben leiblichen ©enuß 
weihenb su einem g e i ft l i ch e n Segen (1 Stirn. 
4, 5). Sic hatten ©nabe bei bem gati= 
s e n B o l f, wohl aud) bei ben „Oberften", in golge 
beS wohltbuenbcn (SinbrucfS ihres gottfeligen, ehr= 
baren unb frieblich - ftiüen SebeitS (lXim.2,2); 
aber auch © 011 läßt fid) 11 übt uubegeugt an ihnen, 
fonbern bie ©enteinbe täglich fiel) mehren, 
ihr SBachSthum hört alfo mit bem Bfiugftfegen 
nicht auf, fonbern geht, wenn aud) in fleinerem 
SRaßftab, bod) um fo ftetiger fort, nicht als natür= 
liehe Kntwidlung ber eigenen SebenSfraft, fonbern 
als BUrfung befonberer göttlicher ©nabe. 


Sonntag, 28.3an. Slpoftelgefdjidjte 3,1—11 

SBunberBare -fjeilfraft. 

I. brr Xhüre bc# Ztmptlü. ».1—5: Stuf 

baS erfte Stooftelwort, Betri Bfingftorebigt, (2. 
14 — 36) folgt bie erfte 2loofteithat, Bern 
2Bunberhcilung, alS befonbcrS heroorftcchenbeS ä9ei= 
foiel ber Hao. 2,43 genannten 3cid)en. BetruS 
unb SobauncS, ber 3Rann ber rafchen 5that unb 
ber beS tiefftnnenben ©ebanfenS, in ber erften 3eit 
ber cbriftlidhen Hird)e oor Berufung beS ©eiben^ 
aooftelS BauluS als ©auotaooftel ber 3uben 
neben 3 a f 0 b u S auftretenb (®al. 2,9), gehen audh 
bier©aitb iit©anb sufamnten, wie einft 3efuS feine 
jünger „su 3^'eien" gefenbet hat©Rarf. 6,7). CDie 
Hab. 2, 44 oon ber gangen ©emcinbe gerühmte 
Kinigfeit geigt unb beftätigt fid) auch am 3ummrnen5 
halten bieferBeibeit. Um bie 9. Stunbe, 3Uhr 
9?ad)inittagS, bie lefete ber nad) ©anielS Borgang 
(®an.6,11) gewöhnlichen brei täglichen ©ebetS- 
ftunben sur 3eit beS 2lbenbobferS (43Rof. 28,8), 
welche auch bie 2looftel gleich ber qansen übrigen 
gemeinbe (2,46) nod) einhieltcn. ®tefer su 3cru= 
falem fdion über403ahre lang (4,22) lebenbe unb 
barum allen wohlbefannte (2,10) 9Rann, lahm 
00 it SRutterleibe, würbe als ber allgemeinen 
302ilbthätigfeit bebürftig, an einen öffentlichen» oiel 
befudden Blaß getragen, um bort fid) feinen 8ebenS= 
unterhalt su erbetteln, eine nicht bloS bamalS üb' 
Ud)e 2Beife sur Berforgung foldjer Hrüoocl ©gl. 
Suf. 16,20), gegen welche bie 2,45 beseichnete ge= 
orbnete 2lrmenfürforge ber ßhriftengemeinbe oor= 
theilhaft abfticht. 21 n beS SentoelS Shür, 
gemeint ift weber ber bei ^erftörung ber Stabt burd) 
bie Babolonier mit sertrummertc falomoni jd)e, 
noch auch ber nach ber babnlonifdjen ©efangenfebaft 
an feiner Stelle burd) Serubabel neuhergeftetlte, 
fonbern ber nach Abbruch beS leßteren oon ©ero-- 
beS bem ©roßen größer unb otächtiger benn ie 
fchon oor mehr alS 50 3«hren begonnene (3oh. 2, 
20) unb erft fürs uor Eroberung 3crufalemS burd) 
bie SRömer ooüenbete Stempel. Xae „fchöne Slhüre" 
war baS in ber 9?äbe ber ©alle SalomoS (B. 11), 


"ütgttized by Googk 



(Hjronik ber ßegenwart. 


51 


wo audj Ver SEempelmarft ftattfanb, alfo nach 
Often ju gelegene aus! lorintbifcbem Srj gebübete I 
unb mit SUiengeflecbt iit getriebener Arbeit ge- 
fcbmücfte (Daher aud) Pforte ©ufan" = Lilien- 
tbor) genannte SEbor ber Ricaner, Das vom äu§er= ! 
itcn Xempelraum nach bem ittbrontbal hinan# 
führte. ®afj fic wollten gum (eigentlichen) 
SempeKgebdubc) bineingeben, nämlicb vom 
Borbof ber ©eiben au# über ben Verbot ber 2 Bei= 
ber. Betru#, auch hier wieber allein rebenb uub 
baubelnb, wäbrenb ^obanite# fdnueigenb jur ©eite 
jtebt, jab ihn au mit bem Bltcf bef Dtttleits 
unb bet erbarmenben Siebe um 3efu willen, nicht 
fteU unb veräcbtlid) wegfebettb, audj nt(f>t blo#* 
oberfldcbüd) unb gleichgültig über ihn binfebenb 
ober geringfehäfeig auf ihn berab, fonbern fo, bah 
ihm ber gaitse elenbe 3 uftanb be$ ©ülflofcn au 
©er$en ging, gcwi& audj fein aufälligcr, fonbern ein 
burd) befonbere Eingebung be# heiligen ©eifte# ver= 
anla&ter Blid, wobttrd) er inne wirb, bafc beute 
©ott bitrcb ihn etwa# aitfcerorbentlicbe# wirten will 
(vgl. 14, 9 unb 3ob.9,1). ©iehe unb an; er 
batte alfo bei feiner gewohnheitsmäßigen Bitte 
nicht einmal aufgefdjaut, iefet foll eine innere 
Sammlung feinet ©emüth# bewirft, feine 2 luf- 
merffainfeit auf bie 2 lpoftel gerichtet unb er burd) 
Slnbabnung einer perfönluben Beaiebung 31 t ihnen 
auf bie bevorftebenbe SBobltbat vorberettet, juglcich 
aber and) bureb einen offenen Blid geprüft werben, 
ob er für biefelbc wütbig unb empfänglich fei. 
3)aß er Etwa# » 01 t ihnen empfange, er 
benft alfo blo# an ein reichliche# 2 llmofen, ba# ihn 
melleicht für immer oon aller Both befreien unb be# 
weiteren Betteln überheben würbe, aber e# wirb 
tbm etwa# oiel ©errlid)ere# unb awar ungefudjt au 
Jheil. 

II. $ie ©cilnitg felfcft. 8.1—11: Silber unb 
@olb u. f. w., um bid) fo, wie bu beitfft, von bei¬ 
nern äRaitgel 511 befreien. @0 muß auch im# ©ott 
oft unfere eigenen 9Renfdjengcbanlcn serftoren, ba- 
mit wir feine ©otteSgebanlen verfielen, unb oft 
alle 2 liiSfidjt auf Sßenfchcnhülfe nehmen, bah wir 
um nad) feiner viel befferen ©otte#btlfe fehnen ler¬ 
nen. 23a3 idj aber habe u. f. w. traft gbtt* 
lieber Vollmacht, vgl. Stil. 9, 1 . 2Rarl. 16,17ff. 
3m tarnen 3efu Sbrifti b. b. in ber ffraft 
beffelben, bie er al# bie wunberbat wirlenbe Urfache 
feine# nunmehrigen Bermögen#, fid) au erheben 


! unb umheraugehen, au benfen ift, ft ehe auf unb 
I wanb le! ^affelbe SBort, wie im ättunbe Sbrifti 
1 ÜDtath. 9,5; unb rid)tctc ihn auf (vgl. 9Marl. 
9,27), um ihm au helfen, Die ncugefd)enftc ©efunb= 
! heit nun aud) burd) Befolgung ber eben empfange^ 
nen Sßeifung au betätigen unb fomit au beftdtigen, 
bie, al# Teilung eiltet lahm ©eborenen hoppelt 
erftaunlicb, unldugbar nur eine Jhat ber b ti r d) 
bie aipoftel wirfenben ©anb (Settee felbft ( 2 , 44) 
fein fonnte. 21 l # b a l b ft a n b c n lt. f. w., fie waren 
alfo iefct fähig uub tüchtig au ihrer natürlichen Ber= 
ridjtung, burd) ihre ©pannfraft ben Scib in feinen 
Bewegungen au ftüfeeit unb au tragen, fo baß er (ich 
alSbalb al# einen völlig ©enefenen erweifen 
fonnte (25. B). ben Tempel ging er mit 
ihnen, natürlid) au gemeiniamer $)anlfagung 
(Bfalnt 50, 23). 8 . 10 bilbet einen bebeutfmnen 
©egenjafe au bem früheren Verhalten berfelben 
3üben, 3oh- 9, 8 ff. ®aß ber ©cheilte fich au 
Betru# unb ^Dbannes hielt (wörtlich: fie 
fcfthielt), b. h. fie auf ihrem Bücfweg in bie ©tabt 
begleitete, ift ber natürliche Slusbrucf feiner Siebe 
unb bautbaren Berohrung, wie auch 3efu bk *wn 
ihm wieberbergeftcllten trauten nachaufolgen pfleg¬ 
ten; man fieht aber barau#, bah ihm nun nid)t blo# 
leiblid», fonbern and) geiftlid) geholfen war, 
wie ja biefe ganae@cfd)id)te febon vielfach ale B ilb 
ber bei ber Belehrung mit bem von ©eburt an 
unter bie ©ünbe gelnechteten SKenfd&cn vorgehen= 
ben Umwanblung burd) bab äUort ©otteb unb bem 
©lauben an Cbriftum angefehen worben ift, bie 
fid) bann aber auch in banfbarer Stehe unb gott- 
feligem SBanbel bewähren mu§. Sief a 11 eÖ 
Boll beim Berlaffen beb Stcntpelb nach bem 
©chliih beb ©ottebbienfteb au ihnen in bie 
©alle (bebecfter©äulengang)@alomonib, fo 
genannt alb einaiger nod> übriger 9 ?eft beb älteften 
JalomoniWen Sempelb (3ol). 10,23), ebenfaüb an 
oer Cftfeite gelegen unb fpäter (5,12) ber geto 6 hn= 
liehe Berfa nt mlungbort ber Ehriften. 3efet tvaren 
alfo Slugenaeugcn genug ba für biefe neue Erfüllung 
beb alten SBortb 3)carl. 15,31. Suf. 7, 22 , ioab bem 
Betrüb nun Beranlaffung giebt au feiner weiteren 
Berlünbigung» in ber er ein b oppel teb 3iel ver= 
folgt: a) Belehrung über Urfprung unb 2lbficht beb 
gef&eheneit 23 tut Derb B. 12—18, unb b) Mahnung 
aur Bufee unb Belehrung, alb emsige, aber noth- 
wenbige Bebingung beb ©eilb B. 19—26. 


■ -<ioC=0=C^(^-««•-- 

®(,ronik 5er (fifticnroflrt. 


Bie Me Belt bie ftinhe bnt&kt, bavon lann 
Sonett 3blanb, ber berühmt - berüchtigte Babeplab 
%ew JRvth ein Beijpiel eraählen. 2)ie bortigen 
©otehSelifeet haben fdwn feit fahren aüemoglid)en 
Sehmittel angewanbt, um bie 3)2enge nicht blob in 
ben SBoAen^ fonbern au^ an Sonntagen nach 
Gotten 38l«nb ju lotfeu. 

®ie Btcbiaer in 9?ew Bor! würben auf btefe 
©onntagSauSUüfle. aufmeifiam unb ftemmten m 
bagegen. 


2 )a führte ©ert Bitmap, einer ber Unternehmer 
am Sßanhattan Beach, einen gefebieft angelegten 
Blait aub. ßr lub bebeutettbe .ilaitaelrcbncr ber 
amerilantfchen SKetropole ein, in üHanhattan am 
Sonntag au prebigen. Unb bie —nahmen bicßin= 
labttng an. Bot fid) hoch eine ©elegenbeit, bab 
ßvanäelium ber ÜWenge an prebtgeit, unter mU 
eher fich ohne 3weifel Biele befaitbett, bie nie eine 
ftirebe betreten. 

Bach ber Brebigt würben bem Bebner jebebmal 


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52 


(Shrontk ber (Begetiwart 


oon bem Unternehmer #50 eingehänbigt. Tie Bre« 
biger gingen nach ©aufe mtb — mufften ttatürlid) 
su bcr auf ©oiteo ;j#lanb getriebenen Sonntag 
©ntheiltgung Schweigen. Tie Unternehmer aber er¬ 
achteten oiefc Strategie für einen fluten 3ug — uub 
(achten [ich in’# gäuftchen. 

SBirb bietfirche, unb werben einseine kirchliche 
®eineinfchaften niefit noch auf anbere SBctfe oon ber 
28ett unb oon 9lnberu auf ähnliche 2Betfe beitüfet? 

<£$ tft eine nokffanbige Xiebrrlage, meld>e bie 
rebuhlifanifche Partei biefe# Spätjahr erfuhr. 
Siegen ftch bie ©errat nun auch ihre 3Bunben mit 
Balfam wajehen unb cinanber bie ©chulb in bie 
Schuhe jchicocn unb [ich auf beffere Jage oertroften 
— bie Xhaifarbe änbem fie baburch nicht. 

Tie Utfachen biefer Sieberwerfung alle s» er« 
grünben, ift wohl Siemanbent möglich, fo fehr fiefi 
and) oielc in biefer Meldung bemühen. 

,3weierlei aber ift leicht au erfennen: 

1) ©räfiOent Slrthur hat baburch, bah er bie oon 
bem flemorbeten ©arfielo einßefd)laflene politische 
©ahn oerlieh, Diel basu beigetragen, bah er unb 
feine Bartei geschlagen nuirbe. Ofr hat bie bechfien 
Sleinter ber Buitbe#regierung mit ßeuten befefet, 
weldse ba# republifanifche Tiftatorcnthum reprä« 
fentiren, unb baburch sur ÜRiebcrlage wenigsten# in 
92cm £)orf unb Bamfoloanien oerholfen. 

Unb wie finb alle bie Brophetcn, bie immerbar 
bie 9öege ©otte# auf# genaufte ergrünben wollen, 
SU ©chanben geworben! 9116 ©arfielb tobtlkb oer« 
wunbet barnieberlafl, faßten fie, ©ott werbe ihn 
nicht fterben (affen, beim er fei ein sunt JBohl be# 
Sanbe# unumgängliche# ©rfovbernih. 91(6 er ge« 
ftorben war, faßten fie, ©otte# ©attb fei beutlid) su 
erfennen, beim wenn ©arfielo mit feiner ßeßen ben 
©üben ßeübten BeYfobnung#politif titto feiner 
„Bürgerregicrung" oier'^ahrc am Mtber ßcblieben, 
fo wäre e# fdtief gegangen — namentlich betrefft ber 
rebublifanifd)eit Bartei. 

Unb iebt, ihr brobhetifd)en ©erren? 
©eht ihr beim immer noch nicht ein, bah mit fuper« 
flußer Beruünftelei ©otte# ©ege nicht erßrünbet 
werben, unb bah feine ©ebanfen nnenblid) hoher 
finb al# unfere ©ebanfen? ©v, unfer ©ott, fifet im 
Steßimente, ba# ß lau ben wir oon ©erseit, mähen 
un# aber nicht an, bie ©inselsüße feine# ^Regimentes 
inSgefammt sn oerfteben. Afein Sienjch weih 
heute, wie ©ott bie Srmorbmtg ©arfielb’# unb bie 
SRiebevlagc ber rebublifaitifchen Bartei für feine 
SReicb#awecfe su lenfeit ßebenft. ©ernih aber ift, bah 
ber aHmächtiße ©err ©immelS unb ber ©rbe ben 
Thron einnimmt. 

2) 3ft eS offenbar, bah bie ÜRacht unb ba# ffiir« 
feit ber 9((cohol = gabrifaitten unb ihre# ©eere# ein 
©ebeutenbe# sunt 9lu#fchlaß, wenißften# in manchen 
ber Staaten, lieferte. Uebcrall, wo bie Temperen*« 
fräße in irßenb welcher ©eftalt in ben Borbergrunb 
trat, haben taufenbe SRepublifaner ßeßen ihre Bar« 
tei ßcftimmt, währenb folcfic Temofraten, welche 
{Reformen be# Trinfunwefen# müitfcbeit, eben bemo« 
fratifd) ftimmten, ober su ©aufe blieben, ©ine ßut 
unterrichtete, im Staate Jlnbiatta berau#ßeßebene 
Beituitg behauptet auf ©runb genauer 3ufatnmen« 
Wellungen, bah bafelbft faurn 2000 Temofraten für 
republifanifche Ganbibaten ßeftimmt haben fonueit. 

Sehnlich oerhält e# ftch auch in anberen Staaten. 


$ie ©anpfeertrettr De# grottfnfHrarartdst# wollen 
iefet, ba fie in 9tebraSfa feinen (Erfolg ersielten, eine 
anbere Stethobe sur ©rreidnutg ihre# 3wede# ein« 
fchlagen. Sie glauben nunmehr, Oah e# nur ein 
Stittel gebe, Ocn erftrebten Sieg su gewinnen; unb 
Oie# Stittel beftehe barin, Den Atongreh sur 
Baffirung eine# cntfpredjenben 9lntenbement# sur 
Bunbeooerfaffung su oeranlaffen. 9luf bie ©ewiit« 
niing fccr Buitbe#gcfefegebung feilten baher in 3u= 
fünft alle Strafte ber Befürworter be# grauenftimm« 
redit# bereinigt werben. 

9lber bie waeferen ©elbinnen — Fräulein S. B. 
9lnthono oorau# — werben fid) and) bamit nicht fo 
leicht burd)fd)laßen, fo lange e# ihnen nicht gelungen 
ift, bie öffentliche Steinung für ihre ©eftrebungen 
Stt gewinnen. 5)ie Sieberlagen, welche bie grauen« 
rechtler bei ben bi#her ooüsogeneit ©olfSabftimmun« 
gen erlitten haben, werben oon ben £ongrehmitg(ie« 
bern al# Beioei# betraditet werben, bah Oie grohe 
Stehrhcit be# Bolfe#, refo. ber ftimntbereebtigten 
Bürger, gegen ba# grauenftimmrecht ift. Sie 
werben fid) be#halb hüten, f ü r baffelbe einsutreten, 
in ber fehr richtigen Srwdgung, bah bie Unterftühung 
be# oorgefddagenen 9lmenbemeut# ihnen bei ihren 
(männlichen) jöäblern gar nid)t# nüfeen, wohl aber 
oiel febaben fonnte. 

Unb fclbft wenn, woran jeboch au# bem angegeben 
neu ©ruubc gar tiid)t su beitfeu ift, ber .tongreh ba# 
9lmeubement haffiren feilte, fo würben bie Beiür- 
worterinuen beffelben nodt himmelweit oou ber Ber= 
wirflichung ihrer ©Öffnungen entfernt fein. ®enn 
ba# 9lmenbement mühte, um Üted)t#gültigfeit su er= 
langen, nodi ratifisirt werben, unb basu bebarf e# 
bev Buftimmuug ber ©efehgebungen in brei Biertel 
fämmtlicher Staaten ber Union. Seummbswansig 
©taat#legi#laturen mühten alfo für ba# grauen« 
ftimmrecht gewonnen werben, um feine (Sinführtmg 
auf biefem SBege su ermögli^en. 

»ott bcr ©iuilbienft * Äfforw wirb gegemi'ärtig 
wieber oiel gerebet. ©ine Steform hätte unfer ©c« 
amtenbienft notbifl* ba# ift wahr, beim e# fieht niefit 
nur mit ber Sioral, fonbern au^ mit ben fteimt« 
niffeit oieler itnferer Beamten gans fchauberhaft 
au#. 3n biefem freien 8anbe, wo e# „jeber bi# sur 
©räfibentfd)aft bringen tarnt," glaubt eben auch 
^cbennann su irgeub welchem 9lntte, fei e# im ©oft«, 
Steuer«, ©ericht#«, ©d)ul« ober irgeub einem anbern 
®ienft befähigt su fein. Unb bann — uwsu toären 
beim bie ©arteten, bie 28ablfd)lachten, bie Siege 
ba, wosu babei ba# oiele ©elb au#gebeit, wenn nicht 
auch bie Beute, bie 9lcmter unter bie Sieger oer« 
theilt würbe ? 

Tie oolitifchcn ©arteien geben ber allgemeinen 
9Solf#ftimmung, bie fid) gegen biefett Unfug erhebt, 
auch in Soweit nad), al# fie oon 3?it su 3*it Be« 
fchlüffe bagegett faffeit. Tabei bleibt e# auch unb 
muh e# ber Sachlage nad) bleiben, bi# swei« ober 
breierlei gefdtieht: 

1) Ta# amerifanifebe Bolf muh fiefi feine Be« 
amten ersiehen, biefeibeit Prüfungen untertoerfen 
unb nachgähigteit mtb guter 9liiffftbruitg beforbertt, 
fowie e# anbere Bölfer and) thun. S?ag bie# auch 
fehr eurooäifch att#fehen, mag baburch auch ein Be« 
amten ftaitb eittftehen — bem 9(cmterunfug toirb 
nicht gefteuert werben, bi# biefe (Sinrichtung getrof« 
feit ift. 


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(fflronih brr Ärgenroart. 


53 


2) Solcher Sinticfetunfl aber ftnb oot allem unfere 
faft ungähtigen ©Bahlen hittberlidj. So lange in 
manchen Staaten alle 6 ©Ronatc gewählt unb Diel 
©elo auSgegeben unb Diele Hoffnungen auf ©eute 
barauf gebaut werben, foJange wirb man ooit or= 
Deutlich herangebilbeten ©eamten, welche ihr 3lmt 
behalten, ob biefe ober jene Partei flewinnt, nichts 
wiffen wollen. 

Sin 2Beg gur ßioilbienft - Nefornt ift beohalb bie 
Sftfchaffttng ber ©telwählerei. 9lber bis borthin hat 
eS noch flute ©Beile. 

Sir giftfreien in $wtfdj)tattb haben bei beit lebten 
©Bah (er. hoch lanae nicht ben groben Sies flewonneit, 
ben ne erwarteten. 3a, fte haben gar nichts ge= 
Wonnen, beim bie ^Regierungspartei ift offenbar ge= 
träftigt worben. DaS betttfehe Soll toill [ich eben 
hoch noch nicht mir nichts bit niddS in bie Hättbe 
biefer ©RaulftelPen begeben, unb ©iStnard hat noch 

Ä nicht fein ©ewidd eingebüht, wie hüben unb 
n non flewiffev Seite immer pofaunt wirb. 

Hefter Die jBnrgerredjtgfrage hat ftch auch ber 
gegenwärtige StaatSfefretär, toie fein ©orgänget 
©laute» betn 9tuSlanb fleflettüber fchr beutlid) auS' 
gesprochen. 

Der Äommiffion, welche bie ßntfd)äbifjungS* 
anfprüche amerifaitifcher ©ürger an Spanten $u 
prüfen hat, lieaen nämlich mehrere Salle Dor, tn 
beiten bie fpantfdjc Negierung fich weigert, bie be= 
treffenben Anfpruche nt befahlen, weil de baS ante* 
tifanifebe ©ürgerreebt ber Kläger nicht aiterfennen 
will. Sie hat g. ©. ttachflewiefen, bah Kubaner 
ftch nach New ©)orf beflabett unb bort ihre Slbficbt, 
baS amerifauifebe ©ütgerredd gu erwerben, auS* 
gefprocbett haben, bann aber ruhifl wieber nach Kuba 
gurüdgefchrt fittb. 9*2acf> ©erlauf pon fünf fahren 
haben biefe 8eute bann flcleflentlich eines aber* 
maligen ©efucbS in ben ©er. Staaten ihre atneru» 
fanifchen ©ür^erpapiere erhalten unb treten ber 
fpanifchen Negierung nun alS 9lmerifaner gegen- 
über. ©Rehr noch: Sie oerlanflen nicht nur ben 
Schüfe uuferer SuitbeSbefwrbcn, foitbern ertoarten 
auch, ba§ biefe (cfetereit bie fpattifdte Negierung per* 
attlaffcn ober felbft gwingen füllen, bie gwifdten 
Spanien unb ben ©er. Staaten beftehenben ©er* 
träae auf fte anguwenben. 

3u biefen 9liifprftcben hat nun StaatSfefretär 
Srelinghupfeu Stellung flettommeit, tnbem er bie 
Anwälte, welche bie ©unbeSregierung por ber er* 
wähnten ffommifflon pertreten, in folgeitber ©Betfe 
inftmirt: 

„DaS Staats - Departement befennt ftch nt fol* 
flenber Nuffaffitng: 

1) ©Beber baS Staats = Departement itods bie 
fioinmiffion hat fid) um bie ©rüttbe m befümmerit, 
bie iemaitb peranlaht haben, bie Natitralifation 
nach^ufttcheu. Die eingige Srafle, bie hier entfdnc= 
ben werben tnith> ift bie, ob eine ©erfon, bie ftch für 
einen naturalifirtcn ©ärger attSgiebt, wirflid) ita= 
turaliflrt worben ift. ©Bir haben hier feinVSefcfe, 
toeldteo perlangt, bah ber bie Naturalisation Nacb= 
[uchcnoc bie ©rüttbe angiebt, weldte ihn peraitlaffen 
feine Nationalität gu wechfeln. 

2) ©Beber baS Staats = Departement itcd> bie 
tfommiffton haben bie ©ewalt, bie Mnerfennung 
ber erfolgten Naturalifation Pott ber gorbetintg ab= 


hängig nt machen, bah ber ©ewerber por erfolgter 
Naturalisation fünf 3uhre lang ununterbrochen in 
ben ©er. Staaten attwefenb mar. Der ©etveffeitbe 
fattn pielmchv gang wohl feinen 2B o h n o r t in 
ben ©er. Staaten gehabt haben, ohne wäbrenb ber 
fünf 3uhre, toelche gwifdiett ber ßrtheilung ber 
erfteit ttitP ber gweiten ©ürgerpapiere oerftreidtett 
muffen, ununterbrochen in ben ©er. Staaten att = 
tuet eit b gemefeit gtt jein. 

3) fte in ©efefe in Seit ©er. Staaten erfennt ben 
©ruubfafe an, bah bie Naturalisation innerhalb ber 
©rengeit beS ©eburtSlaitbeS nur fo weit anerfanitt 
git toerbett braud)t, toie bie betreffenbe Negierung fie 
freiwillig anerfeitneit will. DaS ©efefe mad>t eS 
gang itit ©egentheil bem Staatsdepartement gur 
©flidd, ben entgegengefefeten Stanbpiinft eingutieh= 
tuen. 3d) fann baruttt nicht gugebeit, bah bie in 
Nebe ftcheube ß'ommiffioit, bie ihre©Raddbcfttgniffe 
atiS bem bieffeitigen Staatsdepartement unb auS 
bem fpanifdten 3)üiiifterittttt ber auswärtigen Än= 
gelegenheiten ableitet, überSvafleit entfdieibet, bie 
ttacif uitferen ©efefeeit Pont Staats = Departement 
gar nicht aufgeworfen werben bürfeit." 

beutfefee JüttgliugSftfl int Deutoburgertoalbe 
pom 23.-25. September, Pott 300 Delegirten ge= 
feiert, ift in oorgüglidter ßintraebt unb itt erhebettber 
©Seife perlaufen. Dreihuitbert ©ofatiiteit lubett gur 
©rebigt beS ©rof. Shriftlieb über 9D?atth. 5,13—16 
ein, 1500 ©erfonen bilbeten bie ©erggetneinbe, gang 
gu gcfdtweigeit pon beit 5— 6000 N^enfdien, bie Nadt- 
mittags ponDetmolb her gufamniengeftromt waren, 
um bie intereffanteit ^nfprachcn ber perfchiebenen 
Nebner gu bereit. — ßS würbe -über bie ©ringipieit 
ber JünglingSrereine perhanbelt, unb war matt fich 
flar, bah bie enge ©forte unb ber fchmale Sffieg gur 
Seligfeit aud) beit äüngliiigett nicht weiter unb 
md)t breiter gemadd werben bürfe, alS er einmal 
fei. — SS ftcht gu hoffen, bah bie geier biefeSftefteS 
eine neue ^Ittregutig für bie noch immer in ber ®nt* 
toieflung gurttdftehenbeit bentfehen 3üitglingSpereine 
bieten toirb. 

SonntagSrufee. ßtwa I600©uchbruder'©ehülfen 
haben am Sonntag, beit 12. September, in Sßien 
eine ©erfamntlung abgehalteit, um ©^efpredmngen 
über ihre Sage unb über bieSMittel giir©crbefferuitg 
berfelbett gu pflegen: Unter anberm würbe auch bie 
Slbfdtaffuug ber Sottn tagSarbeit oerlangt. 3u 
biefem ©uitfte bemerft nun baS Jßiener ,,©ater= 
laub' 1 in eiitettt Ceitartifel: „UitS will eS bebtntfen, 
bah Aufgabe ber legitimen Obrigfeit fei, ben 
©uchbrudergehülfeit in btefem ihrem ©eftrebeit burch 
gefefeliche ©Jahregeltt guporgufoutmen. ßS mürbe 
übcvflüffig fein, toollten wir tntS hier nodt über bie 
Nachtheile, über bie ©erwerflicbfeit ber Sonntags^ 
arbeit perbreiten. Die Heiligung beS SonntagS, 
bie ©efreiung pon fnechttfdter 9lrbeit an bemfelben, 
ift ein ©ruitbgefefe ber Sdtopfttitg; iebeUebertretung 
beffelben rächt fleh phpflfd) unb pfpdtifch. Die fapi= 
taliftifd>e ©efcllfdtaft, wekhe biefeu ©^hbraud) beS 
Nebenmeiifdien ergwingt; ber Staat, ber ihn bulbet, 
gieht fich nittthioillig bie ©arbaren, bie ©eftien 
heran, ioeld>e eiiift bie Strafe für biefen ^reoel Doll= 
giehett werben, ©ei fatim einem ©erufe ift aber bie 
SonntagSarbeit fo oenoerflich, wie bei ber ©u<h' 
brtiderei. Die ©efÄäftiguitg beS SefeerS ift noto= 


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54 


ületi|naif|ten. 


rifcfe eine hödjft uitgefunbe, feine 8ebett3baucr eine 
erfebredenb geringe. 3bm ift beim 3eituitgäbrude 
in weitem Umfange bie Sad)tarbeit auferlegt, weldte, 
wo fie übet baS uttabmciSlicbe Sebiirfni& ergwungen 
wirb, einer ber ©cbanbflede unfereS oon falfcber 
Humanität triefenben 3ahrbutibert3 ift. (Sr ift oer= 
urtbeilt, ben Sleiftaub Der Settern, bie oon kohlen? 
ftoff gefebwängerte 8uft eines biird) ©asflammen 
überhifeten SofaleS einguathmen. 92immt man bie 
fer fdtmer bebrüeften 9lrbeiterflaffe and) noch ben 
Sag ber Silbe, ber Srbolttng, beä Sebent in feiner 
Samilic, ben einigen Sag, ba ber Arbeiter, feiner 
öttlkben Cfcbcnbilbfcbaft jjebenfenb, ftdj ber Sr= 
ebung, Heiligung unb c&ittlUbung beS ©otteo? 
bieitfte3 bingeben rann, fo febänbet man wabrlkb in 
foldjem gcmiBbraucbten 3nbioibuum bie gange @c? 
fellfdjaft nnb ben Staat, welcher jurn 9Bäd)ter ber 
©ereebtigfeit beftellt ift. 

Ucbct ben üibcbfttljßtfbfl in ^nglanb oeröff ent? 
liebt ber Bericht be3 „(SomiteS gur Unterbringung 
be33J2äbcbeitbanbel3 inlSuglanb" erfd)rctfcnbcShat 
faiben. ®iefe3 (Soutite trat S2itte 1880 gufammen 
unb erfuhr fd>on nad) wenigen ffiod)en bureb grüttb? 
liebe Secbcrcben oiele Samen oon 3J2ännern unb 
Stauen, welche in fionbon ben S?äbcbenbanbel nach 
bein ^luslanbe betrieben, unb bie Sbreffen oon 50 
Käufern in ftranfreidj, Setgien unb fcollanb, mit 
betten iene ßonboner äßenfcbenhänbler in Serbin? 
bung ftanben. Sabbern ftdj herauägeftellt batte, 
baft bie englifebe ©efefegebung feinen au3reicbeubeit 
©d)ufe gegen folcben etnpörenben ©efebäftebetrieb 
■gewahre, ging SJr. ®per, oon welchem bie 2ln? 
regung gur Silbung be3 ßomiteä auSgegangen war, 
felbft nad) Srüffel, um bie bortigen Serbältniffe 


aus eigener Stnfdjauung fennen gu lernen, Crrfanb 
Oaft bie Unglüdlicben oöllig wie wiltenlofe ©flaoitt? 
neu bebanbelt werben, bafj fie — in’$ Serberben 
gelodt bureb faljebe Sorfpiegelungen — burd) ein 
fünftlidjeS Softem oon Sügen unb roher ©ewalt? 
that in ber Sdtanbe feftgebalten loerben, — auch 
wenn fie ba^ febnlicbfte Verlangen haben, ihrer 
fürebtertidjen Sage entnommen gu werben, ba§ bie 
Soligeibeamten mit ben Sßirtben im (vinoerftänb? 
niffe fteben. ®icfc mit ben eittfefciiebften (Singel? 
beiten belegten Sefultate ber Sacbforfdningen ocr? 
aitlafjten, ba§ fid) ba^lSomite inSevmanengerflärte. 
©ein föauptgwed ift, bie kenntni§ oon bem ft>fte- 
matifeben SMenfcbenhanbel itt’b gröbere Snblifum 
gu bringen, bie englijd)e Regierung unb bas englifebe 
Parlament bnrd) Petitionen auf bieo Treiben auf? 
merffam gu madten unb gur gefehlten Slbhülfe gu 
nötbigen. Bugleid) würbe befcbloffen, allc.Scbulbi? 
gen mit ©ülfe ber „Sritifd) = kontinentalen Ser? 
einigung gegen ba§ gefefelich gefdnifcte Cafter" gu 
oerfolgen, So gelang es im ®egetuber 1880 in 
erben tlidjer ©ericbtoocrhanblung bas Unglaubliche 
gu beweifen, ba& in SrüffelllSnglänberinnen unb 
2 Srangöfinnen in prioilegirteit unb oon ber Soligei 
überwad)ten Käufern ber ®d)anbe wiber SBiUen 
feftgebalten, unb bab an ihnen bie Serbredtett be& 
Seiruges, ber Urfunbenfäljdmng, ber Serfübnutg 
SMinberjähriger gur Ungudd, ber Sveiheiteberait' 
bung n. a. begangen loorben feien. ®ie ScbulbU 
gen traf bie gebührenbe Strafe. ®erStaatoanwalt 
felbft brachte bann nod) klagen gegen gwei 3nbioi= 
buen oor, oon betten ba^ eine ein Stäbchen oon 
16 fahren für 800 gr. oerfauft hatte, (^ntfeblicbe 
(Singelbeiten finb fdtott an ba^ £idjt gebracht unb 
ber Oeffentlichfeit übergeben toorben. 




Moderato # ®orl fteinetfe. 



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$8fil)nadjifn 

























56 


P(i^nad|ttn. 


i=±rq:==^-j=p=ta=: - »~5 

ttit — ©in front * mcr «Saiuber mi$ t»i« * ber, 2ln = bc^tenb ftau * * ncnb mufe id? 

tiHT _ 


M 344- 


W- 


L. h.Ll r ♦ 


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Ped. p 


* Ped. 


* Ped. 


* Ped. 


* Ped. 


I i 

* 


calando 




2*to. fctons. 


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Sin illuftrictes Jö tu iI i enb In11. 


giftet Tßtuib. §feßrit« 1883. ^weites ^eff. 


&£3 JV m $ Ij t i u. 


©bitor. 


f er feinen Sinn für Saturfcpönpeiten bot, 
wem nur bie Stairie, weldje breipig 
Sufpel Söeijen per 9(cfer trägt, prächtig 
bäuept, toen bie ©efepiepte mit ifjren ebrwiirbigen 
©eftalten niept feffelt, unb wer nur ein Singe 
bat für ein gerablinigeS, boflgepfropfteS Söaaren» 
bau», ber gepe tiicpt an ben 9tpcin. 


Jflöftern unb ©täbten roieber, unb fanb ibn noep 
berrli<per, als in ben Sagen ber ^ngenb; benn 
feitbem lernte icb baS ©ipriftroort berftepen — 
Silles ift ©uer. 335er mit einem bon ©ott er» 
leuchteten ©emfitp, mit bem £>errn Jlefu im 
fterjen bie SBelt befebaut, bem leucfjtet bie 
©cpöpfung feines ©otteS biel prädjtiger entgegen. 



SRiltxefcim unb S$(oß So&fliwtetoß* 


Slblcrt^urm in iRi'tbeSfcim. 
9iübeS$«mer jUoftev&of. 


< Hüt anberen Stenfcpenfinber aber werben ba» 
felbft für 3tug’ unb ©emütb, ©ebanten, ©efiipt 
unb ©rinnerung reiche Staprung ftnbeu, and) 
wenn fie nadpgerabe feine fentimentalen ©eptoär» 
mer finb. 

SJor bieten, bieten labten bob’ i<p mich gar 
mancpmal am SSater Slpein ergäbt unb bor noch 
nilpt gar langer 3«'t fob i«P ben perrlicpen beut» 
i<ben' Strom mit feinen Sargen, ©cplöffern. 


als anbern; beffen ßunftgenuß ift ein biel inni» 
gerer, als ber bcS ©ottentfrembeten; ber fiebt 
bie ©efepiepte unb ipte Scnfmale im Siebte beS 
IReicpeS ©otteS unb ber ©migfeit. ©S ift beSbalb 
ein epiegelwerf beS Satans, wenn er ben Sien» 
fepen börganfelt, bafj mit bem perfönlidpen 
©rfaffen beS £)errn 3>cfu ©prifti, mit ber 
SBieberaeburt, afle burep Statur, Äunfl unb 
Söiffenfcpaft gebotenen fwepgeniiffe berbannt 
5 


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58 


Sljritt. 



mürben, ©ernbe bn§ ©e^eiit^cil ift ber Suff: 
fie merbeu befto rtemif$reid)er. 

9luf ben Serfud) einer eiiißebenben SefdjrcU 
bum) fotl in bieten ^Müttern oerjidjtet werben, 
bn bie» 31 t roeit führen unb am ©nbe and) meine 
lieben fiefer laiifltocilen unirDe. Silber, Stilen 
au 3 ber Diatur, ber ©efdjic^te unb bem ireiben 
ber fflienfdben fallen üorijcfiiljrt werben, unb wer 
nodj 2 öeitere§ 311 miffeii iDilufc^t, für beit finö 
ja ber Quellen unb 
Sücber genufl t>or= 
battben. Sind) uht= 
beit {einerlei Ser* 
leid)e 3 mifd)eu bem 
Itbciu unb ben amc= 
ritanifdjen Strömen 
anc^eftellt werben, 
uttb jwav beöbalb, 
meilfold)e®ertileicb= 
unweit 311 nid)t* fitl)= 
ren, ba jebe3©ebilbe 
©otteSeiflcuartiflift, 
unb feine befonberen 
Schönheiten bat. 

@3 ift ein ©ben, 
ba» bem 2 Bauber*= 


rtefliid)tet habe, aufßegelfrt marb, berichtet jtuar 
ber ©cfcbicbUfd)reiber nicht. 31ber bie 
Sage bemeift bod), mie baS 33olf über ben ©eia 
unb ben fliaufameit ©erbäte bentt. 3 >ener 
Sifdjof foll berfelben i^eniäfi arme Seute, bie ibn 
in einer £unßcrsuoib äubriiißlidj um Srob 
baten, in einer Scheune buben uerbreiiuen laffett 
unb bei ihrem 3 ammcr<iefd)rci flefagt buben: 
„£)ört, tuie bie s JJtüufe pfeifen/' $ur Strafe 

bafiir warb er in 
feinem Salaft non 
Millionen kaufen 
beinutefuebt, unb 
eitblid) non ihnen im 
Hcüufetburm, wo* 
bin er geflüchtet, unb 
ben fic fdjluimmenb 
erreichten, auffle- 
f reffen. — SBabr* 
fdjeinlidjcr ift, bafj 
ber Waufetburm in 
älterer Qe\i ein 
s JJuuitb= ba§ ift ein 
3 olU$burm, mar, 
non bem auö bic 
ärofieit Herren non 


SDläufet&urm. — (S^rcnfeW. — Gingen. 


mann entgegenlacht, men» er Dort Stainj ober 
Stberid) mit auf einem Dampfer bei Sklluf 
in’S eigentlidhe Stljeingau hmeinfebifft. Sillen, 
Schlöfjer, Dörfer uttb Stabte reiben firf) faft 
jahlloS aneinanber unb toinfeu bir ju. 

3)ort brüben liegt ber Johannisberg unb baS 
f<f)on burdj $ar( ben ©roßen befannte tJtiibeS* 
beim. SBeiter hinauf Singen, bas Songfellow 
fo fdjön bedungen, unb bemfclben gegenüber ber 
burch bie (Sage befannt geworbene Stäufethurm. 
Dafj bet geijige (Srjbifdhof Don Stainj hier Don 
ben Staufen, #or benen er fid» aus feinem tßalaft 


bem „firämcrüoir, bas feine Skaten anf bem 
hi'hein beförberte, unberfchämte Jolle erhoben, 
feilte aber fiitb biefe Jauntönige mit ihren JolU 
beamten Dcrfchwunben. 

Singen beinahe gegenüber ragt bie SRuine 
(Sbrenfels empor, bie ebenfalls ein Stiicf 9llter= 
thum birgt, ^utereffanter aber ift baS weiter 
unten liegenbe 9tl)ei»ficin, wofelbft eS Dor 600 
fahren gar nid)t ehrenhaft herging. 5>ie Surg 
war ein Öiaubncft, welches ber rijeinifebe Stabte* 
bunb Snno 1£79 jerftörte, unb als eS bie Herren 
Ütitter nach SMeberaufbau ber Sefte noch toller 


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e 













Um JUjein. 


59 



trieben, crfdjien ber geroal* 
tige Staifer Shtbolpfe Don 
ftabSburg, ber fo uiefem 
Untoefen in ®eutfcf)(aitb ein 
6 nbe machte, am 9tf)cin nnb 
erliefe öoti feier au» bcn 23e= 
fefel gu ihrer £inrid)tung. 

»Stäuber finb e§, nid)t s Jtit* 
ter/ J ertlärte er. „SBaljre 
9titterfd)aft lebt efjrenljaft; 
rner aber mie ein ebrlofer 
Stäuber lebt, fall eljrlofeit 
2 ob fterben." llnb Der ge= 
redete fyiirft liefe ba3 vitter= 
lidje ©efinbel fannnt nnb 
fouber£ bei ber 2öengel3= 
fapelle auföängen. Sßrinj 
gfriebrid) Don H3renfeen bat 
ba£ Sdjlofe neu erbaut. — 
SBieberumeincßrinuerung, 
bie un§ rneit 
guriid in bie 
«ergangen* 
beit fiUjrt, 
gu 33erglci= 
efteu mit bem 
jepißen beut* 
ftpen Steicfee 
aufforbert 
unb aud) 
amerifaitU • 
fcfje Silber 
unb 3 uftän* 
be in’s ©e= 
bacbtitife 
geic^net. 

hinter 
bem 5)fäufe* 
t&urm rau* 
föen bie 
©irom* 
fdjneüen be» 

Singer 
2 odj*. $er 
enge, einem 
$e(fentI)or 
ähnliche 
(Eingang 
empfängt 
uns mit fei* 
nem anfire* 
benben ®e= 
ftein, auf 
öeffen ©tu* 
fen bie 9tebe 
roädjft, auf beffen Sorfprüngen bie alten Don 
beit ©djroeben unb ben gfronjofen mefer ober 
minder gerftörten Bürgen tuie ©djtDalben* 
nefter hängen, unb burdj bereu Xunnel gu bei- 


beu Seiten am Ufer 
bie Saljngiiße halfen* 
faufen. 

2 öir finb im ro* 
mantifdjften, befuti* 
(teuften, beriilfenteften 
2 t)eilefcey s 0 tl)cint[)aly 
— gmifdjeu Gingen 
unb ßoblenj. 3 ober 
^uiffagjer auf bem 
SJampfer ftel)t gleid)* 
fam auf beit 3 el)en; 
SeberntiuiH gollt un* 
geteilte äcnniube* 
ritng; felbftbie lieben 
Slmeritauer geben 31 t, 
bafe ber £)ub|on bod) 
gang unb gar uirf;t 
mit „biefem" 311 Der* 
gleidjeu fei. Stur 
einige 6 ng= 
läitber, bie 
Dielleidjt ben 
©pleeu Ijaben, 


JH^cinftciu. — ^o^itccf. — (Elemcud ÄapeUc imb 
3alfcuburg. 


bteibcit eisfatt unb flauen fautit boii ifjrei 
tUaret unb if)rcn Hinten auf. „2B aä boefi b 
um Jiljetn tfjun," meinte nidjt fo (jung unred 
cm beutfcfteS Srüulein, „fotdje giöflefidjtc 


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60 


Um Jtljfin. 


paffen Piel beffer an bie nebelige Sbemfe, benn 
|ier ber!" 

(S§ ift ein mmtberfiböner ©ommertag, unb 
uns fomntt immer ititb immer mieber baS ©folnt* 
mort in Sinn unb JMnnb: „Cobe beit Ferrit, 
meine «eeie." 2)aS ©d)iff paffirt Sord), ©orf)a* 
rad), Obermefel unb anbere altrbeinifdje Crte. 
3n ©oarSbaufen, ©t. ©oar gegenüber, fteigen 
mir au§, um einige ©tunben Umfd)ou ju £)ul= 


burcb unb derfteben unb fpredjen reibt orbentlid) 
beutfd), 

®ort (ebnt einer biefer ©äfte über bie ©rüftung 
beS Stammes. (Sr bot halb heraus, baß mir 
and) über’» ©teer geboren unb mir ftetjcn mit 
beut gefpriicbigen ©em = (Sitglänber fofort in 
Unterhaltung, in roeltber er uitS fagt, bau es 
ipm unb ben ©einen reibt gut am Ülbein gefalle 
— megeit beS lieben ©ounenfd)einS, bem milbeu 



£$unn imb $>om in 9(nberna$. 

ten. (SS ift bieS ein aus faft nur fd)öiten ©illeit 

beitebenber Ort, ber fid) langgeftrectt am itt deine 
binjiebt. Unb bie „Bürger"? 9tutt — bie 
fpredjen nid)t feiten gut englifib. (Sngliinber 
finb eS, bie Sftlt = (Snglatib menigftenS im ©om= 
mer berlaffen, um fid) am fRbein ju „fonnen". 
2(u<b Slmerifaner hoben mir getroffen, Biele 
biefer 2 lnglofn<bfen hoben fid) hier angetauft, 
brauen ihren Slbee in ©t. ©oar fo gut als in 
fionbon ober ©oftoit, finb treue Bürger ihrer 
fernen $eimatb unb fröhliche ©emobner 2 )eutfd)= 
lanbs. ©Jambe bleiben baS ganje 3Jabr b'n* 


3nnere« Ui 2tnbema<$er $ont*. 


$ 1 i m a, 

bem ruht* 
cjen Seben 

imb anbercr ©eitiiffe. 2 )ie monarchifdhe Sfeflie* 
runß fid)t ihn ni ü)t an, ift er hoch freier 2 lm*eru 
feiner. 2 )ie $icfelhauben ärgern ihn nicht, braucht 
er hoch feine 511 tragen; mit ben 93eamten fteht 
er auf recht ejutem öfufee, unb meint man freist, 
mie er benn feine amerifanifdE)en ©runbfäfce be= 
treffe ber ©onntaQ§heili(Utnfl/ ber SJJäjnflfeit ic. 
mit ben rheinifdhen 2 fnfdhauunc;en bereinige, fogt 
er uns mit freunblichem 2 äd)eln, ba&'er als 


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Um JSIjein. 


61 



ttnitarier fcfjon früher freieren 9 lnfd)auungm 
gehnlDigt, welche fid) in ber rhciitifchnt «uft 
nod) erweitert hätten. 

2öir tonnen itnferen ob biefer Unterhaltung 
auf jteigenbeu ©ebanlett nid)t nad) hängen; benn 
joeben tominen fein flefleibete ffnabeit iittb 9?iiib= 
d>en baher nnb fingen mit etwas fremblänbifdjer 
< KuSfpr«cf)e, fonft aber red)t gut: ,,3d) toeifj nicht, 
roasjoü es bebenten :c." 

„Siub baS englifd)e Äinber?“ fragen mir 
unfern ©etaimten. 

„3a wohl, welche, beren (Sltcrn beinahe baS 
ganze 3 ‘ihr l)ier wohnen." 

„Unb fie^ gebraudjen 
bie beutfche «prache ?" 

„2öenn fie am 3tl)ein 
to o b n e n , unb nicht 
bloS, wie Diele Gngläitber, 

Don Ort ju Ort reifen, 
ergebt es ihnen tote ©an» 
cröft’S Äiitbern in ©er» 
lin, bie nicht bloS beutid), 
fonbern fogar ben ©er» 
iiiter $ialeft (ernten, 
ßinft, fo hörte ich auS 
guter Quelle, befud)te ein 
jjfreuitb auä 9tero = €ng» 
lanb biefen ameritani» 
fdjeti ©efanbten unb be« 
rühmten ©efchid)t§fd)rci* 
ber unb hörte bie$iitber, 
roie fie bie Stiege herauf 
tonnnen, beutfd) plau» 
bern. 

„Stber ©ancroft," fagf 
ber ffreunb, „toirb benn 
in 3 brem fpaufc nicht 
ameritanifch gerebct ?" 

„SBeSbalb b?nn nicht, aber öon bem jungen 
®efd>led)t nur bann, roeitn cS baju fommanbirt 
roitb. 5DaS lehtjn ber ©erliner 2uft unb fangt 
bie Sprache in Sdfjule unb anberwärtS gleichfam 
ein. 6 § ift bamit, wie mit bem ©ogel, ber in 
ber Suft, roie mit bem fjfifch, ber im Ußajfer 
lebt; unb roaS anberS fönnen mir erroarten, als 
baß uniere $inber bie Sprache aufnehmen, 
welche fie gleichfain roie bie Cuft einathmen? 
2Benn fie röieber nach Slmerifa tommen, roerben 
fie fcfjon roieber englifd) reben." 

2 Bir miiffen jeboch weiter hinunter in’sSKbein» 
tljal, fonft hätten wir bem intercffanteii Slntcri» 
taner noch mehr abgelaufcht. t*r hatte gar 
manche ©ebattfen angeregt, bie — fid) weiter 
fbinnenb — hinüber reichten über’» ©teer, unb 
Beiträge jur Söfung fotdher fragen liefern, 
roebhe uns in ben ©er. Staaten oft nicht wenig 
befdjäftigen. 

3eboch — weg Don ben ©ebanfen jum Schein. 
Sopparb unb ©raubad) unb anbere Orte ziehen 


an uns borbei. Schloß 8 at)ned unb Stolzenfels 
Winten Don ihren £wl)en herüber, unb bor uns 
erweitert fid) ber prächtige Strom ju einem 
©eden, abgefchloffen burd) bie ©rüden jwifchen 
,U ob lenz unb ber trotzigen ©ergfeftung @l)ren= 
breitfteiu. 

•£>ier miinbet bie ©tofel in ben Sthein. So 
lieblid) jebod) baS üon if;r befpiilte ©taifelb and) 
ift, fo freunblich bie am Stljein gelegenen 9teb= 
gelänbe and) roinfen — hinter biefer ^crrlichteit 
ragt in biefer Umgegenb bie fteinigte Dont unter» 
irbifchen geuer gefdjaffene ßifel, liegt ber troft» 
lofe ©Jeftcrwalb, beffen föinber 
fid) ooit elenbcr 3nbuftrie fiira» 
merlid) ernähren. 

St)er aus biefen ©egenbeu 
nad) Slmerifa auSfoanbern faiut, 
ber thut es. Soeben fahren wir 
roieber an einem ber mit SluS» 
toanberern augefiiüten ©adet» 
fdjiffe Dorbci, unb baS $erj 
wirb mit ©Jcbmutb unb wiber» 
ftreitenbeu ©efiihlen erfüllt, in» 
bem wir bem beutfdjen, an einem 


©uro 2lnbernac$. — Stabttbor in ftiibcnta$. 

6 nbe be* Sdjiffe* gefundenen Ciebe laufd)en: 
„So leb’ beim tt>ot)l, bu füllet ^>aus!" wäljreub 
am anbern 6nbe bie beiitfcf)en ausroanbernben 
3?urfdje in ba» 2f)a( tjinausjubcln: f ,^eutfd)= 
lanb, $cutfd)lanb über Safdjentüdjer 

mefjen; £)iite werben gefdjwenft; $)od)rufe er* 
tönen unb au* bem bewegten £erjeu bringt ein 
inniges: ©ott fegne eud)! _ 

Leiter eilt ber Dampfer an Sd)löfferit, 
Stuinen unb Dörfern tiorbei, burd) ein anbere* 
ftelfcutljor bei 91nbernad) nad) bem burd) feilte 
Äircf)e betanuten Sinnig, ba*, mie foüiele 9tl)ein= 
orte, ebenfall* römifdjen UrfprungS (Sentin- 
cum) fein will. 91 (t ift ber Crt, baS ift ma^r, 
unb fernere Seiten bat berfelbe and) bitrc^= 
gemad)t, benn er mußte immer bie 3cdie be= 
^afjlen, wenn ber $of)enftaufe in ba* ©ebiet 
feine* Qfeinbe*, be§ (>r^bifd)of* bon itöln, ein= 
brad). ^ier fofl bie Stätte fein, an welcher 
Utonftantin ba* Strablenfreuj am Fimmel er= 
blidte, al* er 311 ooit Jlölit gegen s DJai‘entiu* 


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62 


Um Jtfyrin. 



gog, baffelbe Hreug, bnS er in feine 3?o(jne auf» 
nahm mit ber Teuife: in hoc vinces. Söenu 
biefer SÖa^rfprue^ einmal am gangen 9ibeiit gur 
bollen Söaljrheit wirb, wenn baS „Itreug" all» 
überall wirtlich gefügt hat, bann ift eS bort noch 
biel bunbevtmal fdjöner. 


»eufseves ccr .uudje m öinjig. 


9lnt Qfuße b<te $aifer= 
berfleS lient bie alte Stabt 
Sinj mit ifjreu mittelalter« 
licken Stürmen. Siemacpl 
feinen Slnfprud) auf romi= 
fd)e „©runblage", fonbern 
ift eine altbeittfcfye Stabt, 
tDe(cf)e Ui)on in früfyeflet 
3eit ber bcutfd)en ©etd)id)te 
Genannt luivb, unb bereite 
um’3 3fabr 1000 ^um rpcU 
nifeben Stäbtebunb Aborte. 

®er Ort mürbe in ben Kämpfen ber ©e^eiu 
Inifer ^3^iüpp unb Otto $erftört. 9lnno 1250 
gina Sinn an ben Sr^bifcbof Don $öln über. 

intereffantefte Wionument biefer Stabt 
ift bie aite bem 13. 3af)rf)unbert ftanunenbe 
9)lortutefird)e im fpcitc^otf)ifdt)en Stil mitmcrtt)= 
Dollen ©la^emälben. 

S5om nabe^elec^enen ^aiferbert^e aite c^cnicfU 


SttnereS ber flirre in <Sin$ig. 


auf baS gweite 9Jheinbeden, baS SUjrtljal mit 
feinen greifen unb ©urgruineti, unb namentlich 
auf bas am jenfeitigen Ufer liegenbe 9iemügen 
mit bem ©ittoriaberge, ber 9lpoUinariafird)e unb 
ber ©upeler 2ei. 

‘«Remagen, baS alte 9tigomagu§, beruft fid^ 
binfiditlid) feines UrfpruiigS auf einen unan* 
t cd) t baren 3*«Ö*n, ben 'Dteilenftein aus bem 
oaljve 102 n. Opr., laut meldjem ffaifer fDtart 
Slurelius unb 2. ©cruS bie ^»ecrftrafie üon 9tc* 
maßen nach ftöln gebaut, unb watjrfcheiulich ift 
bie tpfarrlivdjc auf ben ©runbmauern eines 
9iömcrbaucS errichtet. 

&ür frühgeitißc ©inführung beS ©Triften« 
tl)uni” geugt and) bie auf bem Reifen weithin bie 
©eaenb beherrfdjenbe Slpollinaristirche, benn luf 
i biefer $ölje ftanb fefwn im Sabre 1110 ein bem 
heiligen ÜDiartin geweihtes ©oltcshauS. SBunber* 
I bar |d)bn ift üon hier aus bie 9luefid)t auf baS 
bom Siebengcbivge begrengle Sieden bee SRbeinS; 
! and) auf bem ©iltoriaberge lacht bem SEBanberS* 
mann ft vornan f= unb abwärtsbisHönigswinter 
unbSlnbcvnad) eine prächtige Sanbjdjaft mit bem 
TradjcnfcIS, 9folaubsed unb- bem licblid)en 
9tonnenwcrth gu. 

91 nt Sicbeugebirge haben bie romontifeben 
£>errli<hfeiten, Welche ben 9thein fo berühmt ge* 
macht, ein ©nbe. ©ou ba 
burebftrömt ber ging gwnr 
febßnes, aber fladjes 2anb. 

9iid)t Weit üom Sieben* 
gebirge rul)t am linten Ufer 
baS ftillc ©onn mit feiner 
berühmten Uniüerfiliit, unb 
weiter hinunter prangt 
ftöln mit feinem unüer* 
gleiebliehen Tom, ben mir 
i'd)on früher in £>au§ unb 
£>crb üorgefiihrt hoben. 

SBenn bif aber einmal 
nach Höht tommft, mein 
lieber Scfer, fo hüte bid) 
üor gwei Gingen: 1) ©or 
ben großen Rotels — „Tu 
9torb" u. f. tt>.; beim ba 
giltft bu nichts Wenn ou 
nicht ein englifdjer ©aron 
bift, unb mufst bein gutes 
©elb für wenig „SBaare" 
laffen. 2) ©or ben ©den* 
ftebern unb Führern. Unücrfcf)ämtere, als bie 
.Ciohier, habe id) in ber gongen ©klt nidjt ten* 
neu gelernt. 9tid)te e§ alfo ein, baß bu gar lein 
91ad)tguartier in llölit braudjft. Ten herrlichen 
Tom fannft bu ohne Führer fehen, auch Wenn 
bu lein tKeifehanbbud) Ijaft. Tu wirft beim 9ln* 
fchauen bicfcS nhidjtigften 2öerfeS gotf)ifd)er 
©aulunft ungleich höheren ©enuj? haben, wenn 


man bie herrlidjfte 9luSfid)t auf bie ©afaltbriide, 1 bu allein bift, als wenn einer biefer uuauSfteh« 


D i g i t i z ed by 









%m Sljem. 


63 



lid^en 9 ??enfdjen bir bie Cl)ren botI= 
trommelt. 

9 luüer beni iiitüerglcid)iid)cn Tom 
giebt e 3 in ftbtn eigentlich nichts 311 
(eben, maß ben ffianberer, ber ficb 
ouct) anbete 3 tarne Befdbaut bat, luv 
fonberß feffeln tonnte. (S» finben fid) 
jmar l)ier eine Stenge (Gebeine ber 
^eiligen; meobalb bie Stabt and) bie 
„diüige* ($eilige) genannt mürbe. 
SBer aber ttrirb fidj) and) mit biefeit 
liebervefteii nienfd)lid>er ©röße ober 
Bigotterie eingetjenb befdjaftigcn moU 
len! Tte ft&lner Sammlung römu 
fd)er Hlltevtl)iimev mivb in oieieit Stu* 
feen Teutfcblanbß 
bei rncitem flbertrof* 
fen, unb mir bleiben 
ber Ue&erjeugung, 
baß bie einzige große 
SMerfmiirDigteit ber 
Tom ift. Ten be- 
fd)aiie Dir, mein lie¬ 
ber ßefer, memi bu 
'mal ba bin tommft, 
nid^t mit ameritani- 
feber vmft, fonbem 
mit beutfdjev 'Hube. 

©ebroudje l> Stun* 
ben bugu - unb bu 


mir)l nod) lange nicht fertig 
Damit fein. T niete bir ba'g 
©efainintbilb ein; ergäbe bicb 
an ben faft munberbaren 
(Singelbeiten unb tdueibe auf 
ba£ ©attge: „Tao ^at beut- 
fd)e ü uuft unb beutfdbe 
Baterlanbsliebe üoflbradfjt." 

3ebodb mir finb am 
(Snbe ber ßerrlicßeu 9 tf)cin* 
fahrt, meld)e 11110 in oieler 
$infid&t 311111 Segen geroor= 
ben ift, 1111b 11110 aufl s J?eue 
!lar gcinadd, meobalb ber 
Tätliche für feinen SRbeiit fo 
Begeiflert ift. .frier auf einer 
ber rbeinifdjen frohen mar 


e£ and), mo Julius 
Sturm fein prädb- 
tigeß Wcbidjt: „ fr a 11 e t Söß a d) t" 
Oer faßte: 

Tjaltct ÜJadjt! 

iräcbtcr auf ben hoben §iuttcit, 

Scib auf euer 2lmt bcbad)t! 

£aufd?t uub fpäbt mit fdjarfen Sinnen, 
haltet XlUicbt! galtet IDadjtl 

^ubm, beit uns Der licrr bcfdjic&cn, 
Hcibct mts Der ^citibc Iltacbt, 

(Trauet md)t Dem faulen ^rieben, 

Xialtct IPacbtl galtet TDadjt! 


ITlit ben IPaffcn au ber 
Seite 

£eae fid) bas Xicer 3 ur 
2Tad)t, 

Paß es fertig fei 311m 
Streite — 


|< 5 ilt cs Pcutfdgaubs ITTadjt 

Utlb (£b rc / 

Siebt bas aame Dolf ]ux 
Sdjladjt, 

j Wahllos ipic ber Saub am 
ITTccre: 


Ätnj: 06m* Stabtt^or. — 9t6etut$or. — (Srpcler £ci. 
Jlu* GrpU. ®ou ttvvcl nad? iKcmaßcn. 


haltet rDadjtlgaltet XUacbt! haltet Wacht! galtet ll^acbt! 

probt cfiefabr bos Heitres «Einig unb mit (Sott per-* 
<$rcn3cn, buubeu, 

Stoßt in’s fforn mit aller Wo gleicht uns ein ^\cicb au 
ITTadit, HTacbt! 

Daß bie blanfett Sd>u>crter ^>is ber Siegesfrang gc* 
glänzen! \ imiubeu: 

haltet XDacbt] haltet Wad)t! galtet XDad)t! haltet IUad?ti 


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64 


.futtjer unb JHesieq. 


£utfyer unb WesUy, 

ober 

ge* J&eifttfÄismus als gfejetl Äe* ®jesammtt:jef 0 vmattjcm. 

®om <£. 6 . g. (intfl. 

ie ©efcfeicfete beS '9)tetfeobiSmuS' belaftet mar; eS gab eine 3^it, mo bie ©emeinbe 
maefet einen Sfeeil ber allgemeinen bet* ©laubigen feilte unb if)r ©freien !am bor 
ftirefeeitßefefeiefete aus unb nimmt ©ott. 2 ) 0 , als bie 3 e ^ erfüllet mar, erfeob ber 
in berfelbeit neben ber 'allgemeinen' ßttäbiße ©ott feine £)anb, er ^riff befreienb feer* 
Deformation ben )piap ber 'be= itieber, es mürbe maf)r: „Gr fafee b’rein unb 
fonberen' Deformation ein. nafent fid) feines 53olfeS an." 

Menn mir hierbei Don gmei ©attungen ber Sie Deformation ift bod) maferliefe niefet eine 
Deformation reben, fo mill bamit niefet gefaßt blofee Sltenfefeentfeat, fie ift bor 2iUem eine ein* 
fein, bafe bie Septere bie Grftere auf bebe, bieU greifenbe ©otteStfeat. Dtenfefeen haben ßearbeitet, 
mehr mollen mir beibe als Sfeeile einer grofeen aber ©olt allein bat baS ©ebenen gegeben. 
Deformation anfcben, bei melier Der .poeite SDeitfdjen haben gefämpft, aber ©ott allein bnt 
Sfeeil ergäi^eitb unb boüenbS rciitigenb fid) bem ben Sieg oerliefeen. Gr ftebt babinter. Sie 
erften gleid)fam periobial anfefeliefet. Menn beibe I 9Jicnf<feen finb feine Merf^euge nur. ©ein mar 
Sßerioben geitlid) burcb über jmei ^aferfeunberte baS Merf. „Gr fabe b’rein unb nabni ficb fei* 
gefcfeieben finb, fo [eben mir barin, mie bei allen nes SßolfeS an." 

grofeen Meltereigniffcn, bie langfame aber ficfeer Unb meid)’ eine ©otteStbat mar bie Defor* 
iaufenbe, reifmerbenbe Gntmidelung ber gott* mation ? ©ie ift, als in ber erften ^eriobe, 3 u* 
gemollten Datfefd)lüffe. SaS Mort bcS Herrn näd)ft eine % 1) n t ber D e i n i g u n g ber 
finbet naefe ber erften DeformatiouSpcriobe feine ft i r efe e o o n ber f i efe t b a r 1 i efe ft e u U n * 
Dnmenbnng, meines lautet: ,,3d) brtbe einb nodb re in iß feit. Sie 2efere beS GoangeliumS 
t»icl 31 t faßen, aber ifer tönnt es jept nidjt tragen." marb oerberbt, ba ließ ©otteS ©nabe bie Defor* 
3n ber erften ^eriobe ber Deformation marb mation feereinfafereu, mie eine Murffcfeaufel, 
ber Gferiftenmelt burefe ©otteS Meisbeit nur fo mclrfie bie Senne fäubert. Ser ©otteSbienft ber 
Diel Sicfet ßeßeben, als biefelbe bei ihrem Don ber ftirdjc marb oerunftaltetba liefe ©ottesÖnabebie 
23linbfeeit operirten* 2luge tonnte ofene ©efafer j Deformation bereinfabren, mie ein Jener, mel* 
ber abermaligen Grbliubung ertraßeu. Sie ! d)eS bie Sdjfadcn binmeßnimmt. SaS geiftlicfee 
Deformation mufete fid) periobial entmitfelu, Slnit batte perleritt 311 bienen, eS mollte feerrfefeen, 
menu fie bem Solle oerbaitungSgevecbt merbeu Da liefe ©otteS ©nabe bie Deformation bajmifeben* 
mollte, unb ©otteS Meisbeit begann biefelbe treten unb bent ©errn feine £errfd)nft mieber 
bamit, bafe fie äitnäcfeft ben äußeren aßermeift erobern. ©otteS Mort mar berfcfeüttet, ba liefe 
in’S 2luge fpringeuben uon ©ott trennenben ©ott burcb bie Deformation ben verborgenen 
Sorbanß jerrife unb baS Dntidferiftentbum in Scfeap mieber feeben. Ser £)eilsmeg mar beit 
feiner ß’anjeit Jeinbfdjaft ßeßen bie Mabrbeit I Seelen berfüinmeri, ba liefe ©ott burd) bie De* 
unb baS £id)t bemaSfirte. fortnatiou mieberberftellen eine ebene Seifen, ©ie 

Unb jener Wann fiutfeer, baS Don ©ott er* | mar eine Sfeat ber Deinißtiitß Der ftirefee. 
mäfelte Meneng, biefe eifertte ^aue, mclcfee ben 1 So mar fie and) cine 2 fea t Der Gr* 
©tein ber Maferfeeit aus ben fiuftern ft lüften I neuer unß ber ftirefee. Dicfet «IS hätten 
ber römifefeen Hierarchie feerauSbrad), ift er nicht bie Deformatoren eine neue ftirefee ftiflen mollen, 
ber Gferifteufeeit ein Stofe ßemorbcu? 2lls3>Srael fie mollten nur bie alte apoftolifdje ftirefee mieber 
ßebeußt mar unter baS egpptihfee 3od), als eS , gur (Bettung brinßen. Sie feaben fein neues 
befefemert mar Don briideitber Saft, ba feufjteu ! ©Danßeliutn ßeprebißt, fie haben nur baS alte 
fie mie es feeifet über ifereDrbeit unb ifer ©efereien ©Daußelium mieber att’S Sicfet ßebraefer. ©ie 
Jam Doi ©ott. Sa tarn nad) langer ^nifuußS* , haben feinen neuen Grlöfer Derfünbißt, fie feaben 
geit bie ©tunbe, mo ©ott erfeörete ifer Mefeflaßcn nur ben alten tiub einsißen ©rlöfer, ber uns ße* 
unb mit rettenber £)anb feernieberßriff unb ba* fefet ift 3111 * ©ereefetißfeit, mieber 311 Gfereu ße* 
Don feeifet eS: „Gr fafee b’rein utib nafeut fid) braefet. Dber eben in biefent Diidßaitß auf bie 
ihrer an." alte Maferfeeit einpfiitß bie ftirdfee neues Seben, 

Gs ßab ja audfe in ber (feriftlicfeen ftirefee eine neue ftraft. 3 » ber ©elbftbefiunuuß auf iferen 
3^tbe» eßöptififeen 3o(feeS, eine 3^it, in melcfeer ßottßeßebenen Urfpriutß tfeat fid) ifer eine neue 
baS (feriftlicfee 93oIf reefet eißentliefe 31 ml ßeiftlicfeeu 3ufunft auf. ©0 mürbe bie Deittißunß ber 
fjrofenbienft feerabgefunlen mit fernerem Srud ftirefee 3 ur Grneuerunß ber ftirifee. 



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lutljn: unb Peslet). 


65 


3« 6 eiben aber lag eine Heim« 
fudjung ber Kirche. ©ott ^at fein Soll 
beimgefucfjt. ©r ift ben Seelen nacbgegangen, 
bie berlorett gu geben brol)ten. ©r bat guriid» 
gerufen, toaS fiep gu betirren brobte, ©r bat 
fein SBerl gerettet bor beiten, bie eS gu berberben 
brobten. Ueffeln, bie fidb um bie ©etbiffen leg» 
len, mürben gefprengt. Sanbe, toelcbe bie Seelen 
am ^rrtbuin feftbielten, tnurben gerrißen. ©e= 
bunben mar bie '-ßrebigt beS göttlichen SSorteS, 
fie mürbe befreit, ©ebimbeu mar bie Söabrbeit 
beS ©oangeltuinS an Srrthum unb ijfäffifc^e 
fiüge, fie mürbe erlöft. ©ebunben mar baS 
beutfdbe 33olt an fRotiiS Sßiüen, eS mürbe er» 
rettet. Sie ^Befreiung ber Kirche ftellt fidb bnrin 
bar. Unb barum ift bie erfte ^icriobe ber üiefor« 
mation ein Aadjbilb ber ^Befreiung, bie Stofe 
öoßgogen bat, in melier fiutber gum befreienben 
Stofe mürbe. 

Ser aßmetfe ©ott mäblt gur Ausführung fei» 
ner 9tatbfc$lüße berfdbiebene Sfnbioibueit, bie 
mit ihren großartigen ©ingelgaben beim 'ein» 
anber in bie Haidt arbeiten' ©otteS Uöoflen gur 
Soßenbung bringen unb als große Sbeile eines 
großen ©angen, ©roßartigeS leiften unb boß» 
bringen. Sie Schrift fagt: „eS giebt mancherlei 
©aben, aber cS ift ein ©eift." Ser eilte Stenfdj 
lann auSgcriiftet fein mit gemaltigen abminiftra» 
tioen ©oben, mit einer ftarfeit birigirenben 
Orübrerbaitb, unb babci beriettigett ©aben er» 
mangeln, meldje nötbig fittb, um feine Arbeit gu 
einem abgerunbeten boßfommeuen ©angen gu 
machen, ©eiten finbet man unter ben Stenfdben 
foldj’ ausgeprägte, beibeS oerbinbenbe SBegabung. 
fiutber, als Stofe ber erfteit jRefortiiationS» 
pcriobe, batte einen feurigen, gemaltigen ©eift, 
faß moflte ich fagen, eine raube ^etbennatur als 
Kämpfer für bie Sache ©otteS. 6r allein mar 
ber geeignete Stann, melcber mit energifcbem, 
lüfjnem ©riß baS «teuer ruber beS ledctt Kirchen» 
ßbißeS ergriß, um es mit bon ©ott gelcnfter 
Hanb burdb bie gefabrboßen Klippen pfäffifcßer 
SoSbeit, Uitmißenbeit unb ^ntrigue binburcb» 
guleiten gum fiößcrn Hafen. Seite 3eit mar eine 
unbeilfcbmatigcre 3 e >t boß Semeguitg unb 
Sfiibrlidbfeit unb nur Statuier, bott ©ott ge» 
barnifcbt mie ein fiutber unb ©enoffen, tonnten 
biefe SRiefeuarbeit beginnen, aber auch nur be= 
ginnen. Ser alte, ntorfdje Kirdjenbau beburfte 
einer griittblidben äußeren ttttb inneren Dteftau* 
ratiou. SieS aber Alles im 3 c >traunt ©iner 
©eueration gu bollbringen, mar ein Sing ber 
Unmöglicbteit, abgefetjen babon, ob fiutber, ber 
Stepräfentnnt jener erfteit ©emegung, mit feinem 
Ion ft ftarlcn ©ifenmefen bie 3artbeit berbuttben 
haben mürbe, bie oonnötben mar, um ben ber» 
leßiett heiligen in ner ft en ©runbmabr« 
beiten fRedbnung gu tragen. 

Sicht rnill idb berftanben fein, als ob ich fiutber 


überhaupt baS garte Auge abfprädje, nein! benn 
ohne baffelbe hätte er nicht entbedt, roaS er ent» 
bedtte. Sebocb fein Auge mar mehr baS Auge 
eines für feine Sache entflammten, iiberfdbaueit» 
ben, im ©angen operirenben Heerführers, ber 
für bie, boeb ben bollfoinnteiten Sieg gcroiitnen 
belfenbeu, Heineren Abtbeilungeit mäbrenb ber 
Schlacht fein befidjtigeitbeS Auge bat. fiutber 
mar ein großer ©etteral, aber ein lleitter Kor» 
poral. fiiitber rechnete mit ungcrlegten fffattoren 
bie Hauptfuntme bor unb überließ eS — meit es 
fo ©otteS SBifle mar — Anberen, baS Sechen» 
erempel bem Soll auSeinanberguIegen. SarauS 
gebt genugfant bie Anerfennung beruor, baß 
fiutber unb ©enoffen nach ihrer Art große geift» 
liehe Statbematiter marett, melc^e bie fiöfung 
ihrer Aufgabe, aber auch nur ihrer Aufgabe, 
fattben. 2*3 aS bureb fiutber, ben Statut ©otteS, 
gefdbab, mar tiidjt meßr uttb nicht meniger, als 
genau baS bon ©otteS Söeisbeit als jener 3eit 
erträglidb erachtete Stjeil, baS mit bem barauf» 
folgenben ein ©angeS gu bilbett batte. SaS 
2öort beS H f rrn hieß auch in jener 3eit: „3<b 
habe euch noch biel gu fngett, aber ihr löntit cS 
jeßt nicht tragen." 

Statteber, ber in ber bon mir ermähnten erften 
SeformationSperiobe leine periobe, fottbern ein 
boßettbeteS ©ottcSmerl erblicft; mancher, ber 
biefe ©eriobentbeilung ber ^Reformation eine 
attmaßenbe nennt; mancher, ber anftatt einer 
gmeiteit geriete ber ^Reformation, mie mir eS 
benennen, nichts ficht als eine feftirerifebe 23e= 
megttng, unb babci ©eiftlicber ober fiaienebrift 
fein miß, muß bie Singen bon ber oßcnbarlichett 
Söabrbeit abgcioatibt halten, metut ihm nicht bie 
Sbeiluttg utib Söidjtigfeit ber gmeiteit periobe 
als bon ©ott georbnet erfdjeint. 

©efenuen mir uns berfuchsmeife gu fiutberS 
^Reformation, als ber einattigeu ©oßenbung, 
bann mußte nach berfelbcit bie eitangelifdje Kirche 
jur ©inbeit gelaugt fein, gur ©oüfommetibeit 
tn ber ©djriftauffoffung gefomnien fein, eine 
fchladettlofe Kirche gemorbett fein, unb mar bettt 
fo ? blieb nicht bctS Sroftroort: „menn aber jener, 
ber ©eift ber Söatjrbeit tonnnen mirb, ber mirb 
euch itt alle SSatjrbcit leiten," noch in ibeilmeifer 
23cbeutung ? ©3ie ftebt cS nun mit ber einattigeu 
©oßenbung ? Stuf mcldter ©eite hätte nun bie 
Slnmaßung ben redjteu -Blaß gcfuttbeit? Stuf 
jener ©eite, bie ba bon fidj fagt, baß Jbr SEOeyf 
ein abgefdfloßeneS fei, ober auf ber «eite, bie 
hefebeibett fiep bettt fortentmidelubeit Satbfdjluß 
unterwirft? richte felbft! — 2öic fteßt es mit 
bettt ©briftentbum, baS fich mit eingefcbloffetieit 
©(hätten bjmmlifcber ©nabe begnügt unb bem, 
baS jene Schüße febett unb befühlen miß, baS 
Auge unb fierg baran meibett miß ? ©inb biefe 
barum ©eftirer, meil fie fid) an bettt 21'ort 
allein nicht genügen laffett moflett, fonbertt 


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66 


futljer utib JUrsirij. 


bi« burdj baffelbe auSgebrüdte ©nabe als ©insei» 
fapital in ißren ftersenSfchranf aufnefjmen rool» 
len? ri^te felbft! 

döafjt ift eS, baß burdj Suther unb ©enoffeit 
ber Schaß aus beit fpetulatiuen Rauben ber rö= 
mifd^etx (BaalSpriefter errettet mürbe; ift er aber 
aud) babtird» mie ©heißt 3Mut 311 m ©emeingut 
gemorbeit ? Stieben nidjt bielmehr noch manche 
na<h.SRom riecbenbe Fragmente, bie überhängeitbe 
berhergenbe Sede, mclcfje binnen ber 3faht= 
bunberte ftiidmeife abfiel? (Ricßt fage ich, baß 
Suther halbe Arbeit gethan, nein, bcn ißm burdj 
©otteS (Billen unb (Weisheit auferlegten UlrbeitS» 
tbeil bnt er boüenbet, aber auch nur biefeit Stjeit. 
Sen anberen friebtidjeren SLfjeil batte ein fanf» 
terer, mit ebenfalls großartigen ©oben anbercr, 
milberer 9lrt auSgefiatteter ©otteSmann ju boll» 
führen, nämlich 3ohanne8 2S e S l e t), ber 
nadjreinigenbe (Reformator. 

2 Bar einerfeitS Suther ber eifenfefte, fatnpfeS» 
muthige ©lauhenSfriegSmann, meidjer baS in 
feinblid)e $änbe gerätljene ©rhglaubenSlanb 
jurüderoberte, fo mar anbererfeitS (Besieh ber 
ebenfalls großgeiftige, aber fanftmüthige, be» 
mütljige, friebfertige ©laubcnSabminiftrator, 
meldber in feinfüfjlcnber SohanniScigenfchaft bie 
bern Solle rnohl übergebene, aber unerllärte alte 
©laubenStrabition unter bie (Beleuchtung gött* 
lidber Deutung brachte, unb fo baS (Boif recht 
eigentlich (Befiß ergreifen lieft Don bem eroberten 
Sanb, Don roeldjein uns gefagt ift, baß eS eilt 
gut unb rocit Sanb fei. 

©S mar eine geiftliche SBüftenjeit, in meldber 
(Besieh mirtte. 

3(n jener 3eit haben mir ben Sdjlüfjet ju ber 
beute fo mächtigen ßinlje ju fudjett; jene 3 eit 
erzeugte bie (Rotljmenbigfeit einer geiftlidjen (Rc= 
formation, unb mie einft Sutber bie alte ber» 
bedte (Wahrheit aufjubeden bemüht mar, mie er 
einftenS feilt 9lugeninerl auf bie Umformung 
beS berfrüppelten .fjeilStoegeS richtete, fo 30 g ein 
(BeS(et) reiitigeitb unb crfrifdjenb mit encrgifcher 
£>anb bie beit |»eilsroeg berhängeube Sede ber 
Sermeltlidbung ab unb beutete mit bom £>errn 
erleuchteten ©eift bie nnberftanbene, ober auch 
nicht berftanben fein geroofite nadte (Wahrheit 
nach ©otteS in bie heiligen Schriftroorte gelegten 
Sinn. 

(BaS ift eS beinnach 3 tt bermunberit, menn bie 
bamaligc laue, träge unb üppige ©eiftlicfjfeit mit 
2 lrgu§nugen auf ifjrcn Sol (egen fdjaute, unb 
bemfelbeit, als fie feine eutfdjieben eingefchlagene 
s Jtid)tung roaljmahm, baS Ukebigen in Staats» 
firchen bermirfte, ängftlich beforgt, ber burch ben 
heiligen ©eift angefeuerte Wattn unb feine ©e= 
noffen möchten ihrer behaglichen (Ruhe, in roeldbe 
fie ficb eingeltillt batten, gefährlich unb ftörenb 
merben! (BaS (Bunber, meitn baS arme, mager 
gefpeifte Soll gierig baS frifdje KRanna ber» 


fchlang gleich lederen Siffen, unb fuh nadh Sau» 
fetiben um biefeit ©otteSmann fdhaarte! 

SMe Sutper, fo hatte auch (Weslct) barunt feine 
Kämpfe unb Serfolgungeit 311 leiben. Sei ihm 
hieß eS auch, bie gottfelig leben (uub lehren) 
mollen in ©fjrifto 3(efu, niiiffen Serfolgung lei» 
ben. (Besieh, als ber bon ©ott ermählte Stann, 
blieb bemungeadhtet 3 ur ©rfüüung feines SerufeS 
— mie einft Sutfjet— erhalten, beim men ®ot» 
teS £>anb hält, bem mag bie (Belt nichts an» 
haben. So mürbe (BcSlehS (Reformation bie 
(Reformation ber (Reformation. 2luS bein Stif» 
tungSlanbe ber erften (ReformationS = tßeriobe, 
Scutfchlanb, lam bie (Reformation nach ©ng= 
lanb, um—mie munberbar ift boch ©otteS (Bai» 
ten — nach etma brei Saßrljunberten bon @ng» 
lanb, als bem £erb ber gmeiten Seriobe, roieber 
Seutfdjlanb p reformireit. 

©erabe mie jeßt bie Kirche SeutfdllanbS in 
ben tobten 3?ortiialiSinuS berfaflen ift, gerabe 
mie jeßt bort 311 m großen Sljctl bie ©eiftiidhleit 
in ben (Rationalismus berfunfen ift, gerabe mie 
bort baS lidjtfdjeue ©ulentljum bie Sonne ber 
©credhtigleit fdjeut, fo mar es, ja noch mehr- in 
ber ifirdje ©nglatibS beftellt, „als ©ott b’rein 
faße unb fich feines SolleS entnahm." (Wenn 
nun heute fich in Seutfdjlanb ein lüljncr Wann 
fänbe, ber 011 S ben (Reißen ber fdiodhmatten 
StaatSgeiftlichtcitherauSträte, berbnS©loubenS= 
bifir gegen baS Soll unb feine Smtsbrüber 
öffnete, ihnen fffludh unb Segen, Sob unb Seben 
borlcgte, an ihr ©emiffen appellirte, fie ernftlich 
ermahnte, iljuen ben alleinigen 2Beg pr (Ret= 
tutig aus ber heiligen Schrift nachmiefe, baS 
alte Sottcrmefen in eine gemiffc Crbnung ein» 
leitete, mürbe barunt biefer eblc Staun eine neue 
Sehre lehren ? (Rein, gerniß nicht, ca' mürbe nur 
baS ©iS micber 3 U SBaffer machen, Subftans 
bliebe Subftaus, aber 3?orm bliebe nicht fjornt. 
Unb RBeSlep mar ein foldh cblcr mutßiger URann, 
mclcher eS unter ähnlichen Serhältniffen magte, 
in bie j£obtengriifte 311 Reigen unb an ben ©e» 
beinett ber erfdhlngencit (Wahrheiten 311 rütteln. 
@r mar eS, ber nicht ben ©latiben änbern, aber 
baS unchriftlidhe Seben ber Wenfchen änbern 
mollte. ©r lam nidjt üon ihm felber, er üoH» 
brachte leine dRenfchenthat, fonbern als in 3(efu 
(Rameu eine ©otteStljat, beim ©ott faße b’rein 
unb nahm fich feines SolleS an. Unb analog 
ber erften Seriobe mar biefe Seriobe. 

$icfe ©otteStljat mar 3 unädhft eine (Heini» 
g tt n g ber ,(fir<he bon ber innerlichen Unreinig» 
feit. Sie Sehre beS ©üangeliumS mar eine 
trodene gemorben, barunt ließ ©otteS ©nabe 
feinen erfrifdjenbeit fümmelstbau hernieber» 
träufeln. Ser ©otteSbienft ber ifirdße mar eitel 
tfform ohne (Befen. barum fanbte ber |ierr fei* 
nen belcbenben ©eifteShaudh. SaS geiftliche 9lmt 
feljnte fich «eich ben (yleifchtöpfen ©gtjptenS unb 


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Pruber Peier. 


67 


lebte üppig, eS patte Derlernt gu bienen nnb 
wollte perrfepen, eS War fplaftrunfen, bn ließ 
©ott burp feine 9luSermäl)Iten bie Spläfer 
weden unb fie gur 93orficf)t mahnen. ©otteS 
Sort war Derflapt unb gab als ©lenfpenmort 
uubeutlipe Stöne non fip, ba gab ber £>err bem» 
felbeit feinen wahren Slang wieder. $cr#eilS= 
weg mar ben Seelen Derfümmert, ba lieft ©ott 
wieber perftellen eine ebene ©apn. — Sie mar 
eine Spot ber Steinigung ber Sirdje. 

So mar fie and) eine 21 )at ber G r n e u e r u n g 
ber Sirpe. Stipt als hätte Seslei) eine neue 
Sircpe ftiften wollen, er roollte nur bie alte 
apoftolifpe Sirpe mieber gur ©eltuug bringen. 

Gr unb ©enoften haben fein neues Güangeliitm 
geprebigt, fie haben nur baS alte GDangelium 
an baS Sieht Gb*>t'ti gur riptigen ©eleuptung 
gebrapt. Sie hoben feinen neuen Grlöfer ber» 
fünbigt, fie hoben nur ben alten unb einzigen 
Grlöfer, ber uns gefet)t ift gur ©creptigfeit, 
wieder gu Gfjren unb feiner berbienftbollen Gigen» 
fpaft gebracht. 3lber eben in biefem Sliidgang 
auf bie eigentliche Saprljeit empfing bie Sirpe 
neues Seben, neue Sraft. 3n ber «elbftbefin» 
nung auf ihren gottgegebenen Urfprung tpat 
fich ihr eine neue 3ufunft auf. So mürbe bie 
Steinigung ber Kirche gur (Erneuerung ber Jtirpe. 

3 n beiben aber lag eine £>eim|upung ber 
ßirpe. ©ott fahe b’reiu unb nahm fich feine» 
©olfeS an. (Er ift ben Seelen napgegangen, bie 
berloren gu gehen bropteit, er hat gurütfgevufen, 
was fiep J u berirren dropte. Gr hat fein Serf 
gerettet bor benen, welche eS gu Dernapläffigen 
bropten. ©ebunben mar bie ©rebigt beS gött= 
fiepen Sort» burep Unwiffenpeit ber uermelt» 
fisten Präger, fie mürbe befreit, ©ebunben 
war bie Saprpcit beS GbangeliumS an ©tift» 
Derftanb, fie würbe erlöft. 

Sieber Sefer, ber bu bip Gprift nennft, aber 
noep immer mit ©orurtpeilen gegen bie ©tetp. 
fTircpe behaftet bift, laffe bir tagen, baft, fo 
bu ein maprer (Efjrift im Sinne unb im ©eifte 
ber Scprift geroorbeit bift, bu füglich ©tetpobift 
peifteu fannft, benn bn paft bie einige '©tetpobe' 
gum Seligmerben eingefplagen, Welpe peifet: 
burp Siebergeburt jitm ©naben» 
ftanb ber ffinbfcpaft. 

Sutper unb SeSlet) finb gmei fiep munberbar 
ergänzende 6 parattere, bei welchen fiep SpillerS 
Sorte bewäpren: 

„IDeun partes fiep 31m; Starfen menget, 

Dann giebt es eilten guten Klang." 

Sapr ift eS, baft bor Sutper unb ScSlet) 
©tänner ber Saprpcit erftanben finb. Sären 
biefe a 6 er bie bon ©ott erwählten Serfgeugc ge» 
Wefen, fo hätte ihr Sirfen einen burcpfcplagen» 
bereit Grfolg als ©eleg gegeben, baft bie 3 eit 
gefommett fei, wo ber £err in feiner SeiSpeit 


fiep feines ©olfeS annepmen wollte. 3lber bie 
3 eit war nop niept gefommen. 

S)iefe ©tänner finb gu Dergleichen ben peH» 
leucptenben Sternen am tagenben fjirmamente. 
Sapr ift eS, baft bie ©egeumart unb bie 33er» 
gangenpeit mapre JJinber ©otteS pat unb patte, 
auep opne ©tetpobiften gu fein unb gemefen gu 
fein; wenn bem aber fo ift, fo trachten unb trap» 
teten biefelben auf orbuungSgemäfte <spd)rift= 
anweifung ipr Seelenheil auSgufpaffen, unb 
folcpe priftlipe ftirdjen ber ©egenwart, bie ba 
ernfteS Gpriftentpum pflegen, bie bn laufen auf 
bem allein Derorbneten Seg gur Seligfeit, pobeit 
immer gefpöpft unb werben immer fdjöpfett aus 
ber ©efamintfumme ber reformatorifpcu Gr» 
rungenfpaften. Sie fagen niept, bieS unb jenes 
nehmen mir feines UrfprungS wegen niept an, 
fonbent beitüften treulich alles (Errungene, opne 
bespalb ipren Stanbpunft gu Derlaffen. 


Prüftet Peier Hilft feine Mtm 

Step bem Giißllfpett. 


4n|er ©tanpem fo unwillfomniene Stag war 
cv gefommen, ba bie ©tiffionS = Toilette ge» 

k hoben toerben füllte. 

31 11 cp ©ruber EDicier war, wie iibliip peute in 
ber Stirpe. 3'n ber GrbauungSftunbe Dor bem 
öffentlichen ©ottesbienfte ergäplte er feine ©e= 
feprung. Gr pries ben fjerrn unter 2pränen, 
beffen ©nabe unb Segnungen ipn fpon fo Diele 
3 apre begleitet patten, „wofür," fügte er pingu, 
„wie id) glaube, icp wahrhaft banfbar bin." 

3nbem er bie Spanien mit feinem rottjen, 
feibeneti Satftupe abwifepte, begeugte er, baft er 
3llleS, was er befifte, ber SReligion gu Derbanfen 
habe, baft er in feiner fcpwacpen Seife uerfndje, 
bem ^errn gu bienen unb puffe, endlich feine 
lieben ©efepwifter alle im Fimmel wieber gu 
treffen. 

„©ott feqite biep, ©ruber ©leier!" fagte bet 
gutpergige Führer. 

„Gr ift ein alter ©eigpalS," flüfterte halblaut 
ber blöbfinnige „©ob" in ber töioterbanf, inbem 
er fiep hinter ben breiten Schultern eines Dor 
ihm fipenben ©lanne» Derbarg. 

2 )ie meiften ber 3lnwefenben patten bie ©e» 
merfung gehört; ba aber ©ruber ©leier etwas 
fipwerpörig ift, fo blieb ipm bie Semiitpigung 
erfpart. 

©ruber ©leier betete laut, ber £err möge ber 
©enieinbe Seben fpenfeu, bie Sünberpergen 
brepen unb bie ©efpmifter beleben, Don benen 
©lanpe fpon feit fep» ©lonaten fein ©efennt» 


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68 


Pie erjmungmf Jlrebigt. 


niß in ber Äircpe abgelegt hätten — unb 3 uleßt 
fprncp er in großem Grnftc mit bontiernber 
Stimme, inbem er ben Soben ftainpfte, baß bie 
ßitcpe gitterte unb bie ticinen ftiitber, bie eben 
herein tarnen, erfcprofen: „O £)err, gic 6 unferen 
Sjkcbiqern mehr SReligion, mirflicpe, altmobifd^e 
Religion!" 

®a ber öffentliche ©otteSbienft begann, faß 
Sruber Weier in feinem gemöhnlicpeu oiß. Gr 
mar nie miibrenb einer Srebigt abmefeitb, ob» 
fcpon, mie er oft mit einem Seufger tagte, bie 
Srebigten nicpt mehr mie früher maren. 

9lls ber Srebiger gum „ 3 meitenS" tarn, mar 
SBruber üJteier feft eingefcplaien. 

Gr träumte. Sein Wienenfpiel öerrieth, baß 
fein Sraum ein außerqeroöhnlicp »nichtiger fein 
mußte. 

Gr befanb fiep im Sorpof beS Rimmels, — 
beutlicp hörte er bie ßlänge hintmlifcpcr Wufif, 
unb bunt) bie etmaS offene Spür brangen Strafj= 
len ber |»e¥rlichfeit. 

Schon mollte er eintreten, als ihm eine ftrenge 
Stimme gurief: „£nilt Sterblicher! SRur bie 
©erccpten gehen ba.ein." 

3 uerft fühlte er entrüftct, aber feine 3 i'nge 
fchien gebunbeit unb cS mürbe ihm fonberbar ju 
Wutpe. 2)aS &erg ftanb ihm faft ftiH. 

„SBorauf grünbet fiep beine Hoffnung ?" frag 
ihn bie Grfcpeinung. 

„3cp >®ar auf Geben ein Gprift, biergig $opre 
lang," antroortete SBruber Weier. 

,,'$aS hüft nichts," mar bie ftrenge Stintmort, 
„haft bu feinen anberen ©runb ?" 

SBruber Weier bebte. „3<h höbe immer ber» 
fucht, meine Pflicht gu thun," flotterte er. 

„SEßir roollen fehen," fagte ber Gugel unb 
nahm ein Such bon einem Scpranf herunter, 
auf bein fi<h Willionen ähnlicher Sü<per befati» 
ben. ,,.£>ier mirb genau SRccpnung mit allen 
Sterblichen qepalten." 

Sruber Weier gitterte jeßt mie Gfpenlnub. 

2 )a£ Such öffnete fich gerabe ba, tuo fein SRame 
mit großen Sucpftaben obenan getrieben mar 
mit ber SRecpnung barunter: 

Sopannes Weier 
bem Mnnicptigen f ch u 1 b i g: 

3?ür Sehen unb Latein, 

„ feepgig Jfohre ©efunbheit, 

„ acht fräftige, gefunbe ifinber, 

„ eine gute 3 ?arm, 

„ Süöerihpapiere, 

„ ©elb auf 3 ntereffen, 

„ fircplicpe unb cpriftlicpe Sorrecpte, 

„ £>eil in Ghrifto, 

„ alle bie unauSfprccpliCpen Seiben beS 
£>errtt 3fefu 

unb fo meiter. MeS gufammen mehr roerth als 
biele SEßelten. 


Sruber Weier mollte bergehen. ,G§ ift Silles 
unbegabt," rief er gerfnirfCpt unb fiel auf ben 
Soben." 

„Stehe auf, betrachte beine 3aljlungen!" fpraep 
1 bie Stimme mit erfepreefenber Strenge, 
i Unb er faf), maS er in beit bielen Rohren ge» 

! than hotte — fo erbärmlich menig im Sergleich 
| mit ©otteS reichlicher Scrforgung: — er fap bie 
Sdjätse, bie er fiep ermorben auf Grben unb mie 
menig er getpan für bie Stlrmen unb für bie Sffielt 
ber Sünber. 

Sergmeifelt rief er auS: „SfitaS foll icp tpun ? 

■ 3<h hohe feine Hoffnung. Serloreut Serloren!" 

5)a berührte eine £>aitb feine SCpulter unb er 
! hörte eine Stimme: 

„SRoCp barfft bu gur Grbe juriieffepren. 9tacp 
monCpeu fahren mirft bu mieber fommen unb 
; an baS Sperleutpor Hopfen, oielleicht mirb es bir 
| bann geöffnet." 

i Sruber Weier ermadjte gerabe als man fang. 

, Wampe munberten fiep über bie nngemöhnlicp 
große ©abe, bie ei heute gab. 

Gr lebte noep gmaitgig 3apre, unb nie formte 
er genug geben. Ueberall, mo eS galt gu geben, 
ftanb fein SRanie mit einer icpötien Summe 
obenan. Gr boepte niept inepr auf fiep felbft, 
ionbern auf ben Stöunfcp beS pimmlifcpen SaterS. 
Gnblicp flopfte ber 2ob an feine ipitr, boCp 
braepte er feine gfurCpt mit fiep. GS berflärten 
fiep bie bleichen ^iiege unb fterbenbe Sippen 
fliifterten: „S£ie Störte ber ^errlicpfeit ift meit 
j geöffnet, icp fepe, iCp fepc burep ben Scpleier! 
GS ift meiner Seele fo mopl!" 


Pie errungene prebigt non 
Pertiarb föUpitt. 

Glngefaubt non ■£>. »iennfl. 

nter ber SRegierung ber Königin 
Glifabetp befam baS Jßort beS 
£>erru freien Sauf. Son Stltißen 
marb bem StBacpStpum beS ©lau» 
beuS unb reeptfehaffenen SffiefeuS 
in Gprifto fein .ftiuberniß in ben 
Sffleg gelegt. 9lber baS größte fginberniß ift über» 
paupt nirgenbS unb gu feiner 3 eit ein äußeres, 
fonberu immer gunacpft ein inneres gemefen: 
S£aS Serberbniß unb bie natürliche {Jeiubfcpaft 
beS WenfcpenhcrgcnS gegen ©ott unb feine ©e= 
falbten. Ter größere 2 peil ber Seprer, tneldje 
jeßt im Sonbe maren, nannte fiCp freilich „eban= 
gelifd)", aber bei fepr bieten oon ipnen toaren 
meber ©efiitnung noep SEßanbel bem Gbangelio 



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70 


Pie errungene JJrebigt, 


gemäß; eS beburfte nur ber ©elegenßeit, bamit 
an ihnen offenbar werbe: baff mit ber äußeren 
Unterwerfung inbie f>errfd»enb geworbene SBahr» 
heit ber natürliche £>ujj gegen eben biefe SBahr» 
heit noch nicht gebrochen, nicht ausgetilgt fei. 

3n Surßcun regierte jeßt an SöinftalS Statt 
ein anberer Vifhof, ein Soctor VarnS, wie man 
jii fagen pflegt, „ein wohlmeiiteitber SKann", 
aber jhmah, uitentfhlofjen unb fo wenig felbft» 
ftänbig, baß er unb bie Angelegenheiten feines 
ViStßiimS gaitj unter ber {>errfhaft anberer 
fieute ftanben. Siefer {»errfhaft Ijatte fi<h oor 
allem ber bifhöflicße Äanjler bemächtigt, ber 
auch VarnS hieß unb ein Vermanbter beS Söifcf>ofS 
mar, ein 'Dteufcß oon fo gräulicher $abfud}t, baß 
er burch ©efhente baS Steht beugen ließ unb 
tim ©elb Alles, Aemter unb VMirbeit, Vefreiung 
oon wohloerbienter Veftrafung uub unoerbiente 
Vegiinftigungen oertaufte. Sie Unorbnungen, 
Welche hieraus entftanben, baS öffeutlidje Aerger» 
niß, baS fie gaben, waren bei allen Veffergefinn» 
ten ein ©cgeitftanb innerer Vetrübniß. 

©ineS SageS fenbet Sr. VarnS, ber Vifhof, 
ju ©ilpinuS unb läßt ihm fagen, er folle näd)= 
jften Sonntag bie ÄirchenoiiitatioitS» Vrebigt 
halten, ©ilpin, melier fich fdjon feit längerer 
3eit ber Seelenpflege ber halbmilben Stortßuni» 
berläitber angenommen, hatte, follte eben um 
biefe 3e>t eine bringenb nöthige ^flicßtreife in 
9teabS=Sale unb Sine» Sale machen; er benadj« 
richtigte beShalb ben Vifhof oon beit ©rünben, 
bie ihn unoergüglih ju biefer Steife nötßigten, 
unb bat, baß <s?e. {>errlid)leit für bieSinal ihn 
entfcßulbigen möchten. Ser Vebiente, ber biefe 
Vitte bem Vifhof überbrachte, fagte bei feiner 
tRüdffehr: ber Vifdmf tja bc ihn angehört unb 
nid)tS barauf entgegnet, ©ilpin nimmt bieS als 
ftillfchweigeube 3uftimmuitg unb begiebt fich 
auf bie Steife. Sa er aber oon biefenoieber nad) 
{taufe fommt, hört er ju feinem Staunen, er 
fei Oon feinem Amte fnSpenbirt, beim einige per» 
föitliche Söiberfacher hätten ihm feine eilige Steife 
beim Vifdjof als SnborbinationS * Verleßuitg 
jum ftrafmürbigeit Verbrechen gemacht. SBenige 
Sage nachher würbe er aufgeforbert, nah 
©hefter * le *.ftront, bem alten Sßohnfiße ber 
Vifcßöfe oon Surßcun, ju lommett. ©r finbet 
hier bei bem Vifhofe bie ©eiftlidjteit beS SanbeS 
oerfammelt, unb jener forbert ihn auf, er folle 
nodj heute oor ihnen prebigen. ©ilpin entfhul« 
bigte fich, er fei ganj unoorbereitet hierher ge» 
Jommen, unb iiberbieS fei er ja jeßt eben bon 
feinem Amte fuSfpenbirt. — So hebe ich, fugte 
ber Vifhof, biefe SuSpenfion wieber auf. ©il= 
pin fährt fort fih gu entfdjulbigen unb gu bit» 
ten, man möge feiner, ber auf gar feine Vrebigt 
gefaßt fei, bieSmal oerfeßonen. Ser Vifhof er» 
miberte: ein SJtann, ber fo lange baS Amt eines 
VrebigerS oerfeßen hot, bet muß immer in ber 


Raffung fein, gu prebigen. Stoch einmal ber» 
fucht ©ilpin eine befeßeibene ©egenoorfteflungj 
ba wirb ber Vifhof heftig unb gebietet ißm, bei 
ber Vflicßt bes firdjlichen ©ehorfamS, er folle 
fogleih auf bie Stängel gehen. Siacßbeni ©ilpin 
nun noch einige Augenblide fich gefammelt hot, 
befteigt er bie Stängel, unb obgleich er gewahr 
wirb, baß SJiehrerc feinen Vortrag nahfehreiben, 
läßt er fich barin nicht irre machen. 

Sie Vrebigt wirb eruft unb nimmt eine immer 
ernftere VJeubung an bie hochgelehrte unb hoch» 
würbige Schaar ber bieSnialigen 3ußörer; beim 
©ilpinuS mar mitten unter bem Sprechen ber 
©ebanfe getommen, er wolle biefe ©elegenßeit 
benußen, um ben Vifdjof, bei melhem bisher 
alle Vorftellungeu unter bier Augen obnefffrucht 
geblieben waren, öffentlich ein bieVebeutung 
feiner Vfüht unb an bie hohe Verantwortlich» 
feit gu machen, weihe er burh bie Verwahr» 
lofttng berfelben auf fih liibe. Vor beni Schluß 
feiner Vrebigt wenbete er fih beSßalb an biefen 
.fX'rrn unb Vorflatib ber Verfaminlung unb 
lebet ihn alfo an: 

„3h muß nun, oereßrungSWürbiger Vater, 
meine Stebe an Sie rihten. ©ott hat Sie erhöht 
uub ginn Vifhof über biefeS Canb gefeßt; ber« 
eiuft wirb er Stedjenfhaft bariiber forberu, wie 
Sie biefeS Amt oerwaltet hoben. Von 3huen 
erwartet man eine Abteilung, eine Teilung jener 
Vlißbräucße unb jener Shäben, an benen bie 
Stircße bisher gelitten; ftatt beffen aber ereignen 
fih unter 3h rem Stegimeut Unorbnungen ber 
üielfahften Art. Somit nun ©ure {lerrlicßteit 
ferner nicht fagen fönne, Sie hätten oon allen 
biefen Singen ' nichts gemußt (bieS, fheint eS, 
mar bie gemöhnlihfte ©ntfcßulbigung, bie ber 
Vifhof bei Vrioatoorftellungen gebrauhte), fo 
bringe ich biefclben heute gu 3hten Cßren. — 
Sagen Sie nun ferner niht, baß biefe Verbrechen 
nur burh bie Sdjulb oon Anbern, ohne ißt 
Söiffen, feien begangen worben; benn Alles baS, 
WaS unter 3h r ? r 3uloffung burh Anbere oer» 
übt wirb, baS ift eben fo feßr 3ß« Sdjulb, als 
baSjenjge, was Sie felber oerüben. SeSßalb be¬ 
zeuge ici) in ber ©egenwart ©otteS unb feiner 
©ugel, foroie in ber ©egenmart ber SJfenfhen, 
baß Sie ber Urheber aller biefer Ucbel fiitb. 3o, 
an bem großen Sage bes ©ericßtS Werbe ih gegen 
eie als 3euge onftreten unb eS fagen, baß ih 
felber alle jene Singe gu ihrer ßenntniß gebraht 
habe, unb alle bie SJtänner, weihe heute miöß 
reben hörten, foHeit bann jugteih mit mir 3eug= 
niß gegen Sie ab legen." 

Siefe unerhörte fjreimüthigfeit feßte alle in 
Vemegung. Als ©ilpinuS aus ber $ird)e ging, 
oerfantmeiten fih feine ffreunbe (benn auch ju 
biefen gehörten SJfanhe unter ben heutigen 3 U * 
ßörern) um ißn her unb feßten ißn fänft unb 
jum Sßcil mit Sßränen ber Sßeilnaßme bar* 


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Pie Smitlj’fdje Pemetsmethobf. 


71 


über jur Siebe, bafe er nun fel6er ben SSift^of 
herau?gcforbert unb ihm bie lang gewünfd)te 
©elegenheit in bie #onb gegeben habe, i£)n ju 
[türjen. ©ilpinuö trat freimbiirf) ju jebem Don 
ihnen bin, briidte ihnen bie &anb für ihre i'icbe, 
Derfid)erte fie ober jugleich, baj), wenn nur feine 
Siebe bie 3i3irfung tljue, welche er bei berfelbeit 
beabfichtigt bnbe, er fid) gar nicht um bie folgen 
befüinmern wolle, welche biefelbe etwa für ihn 
haben tönue. 

Sen gaujen übrigen Sag hörte man Don nicht? 
fprecpen, als Don ber heutigen Gvebigt. Sie 
Weiften rühmten bieielbe, waren aber beforgt 
lim ben Grebiget. Sa? .fjofgefinbe be? Gifdwf? 
wartete fchweigenb auf ben 3lu?bruch ber Siacbe 
ihre? £>crrn. 

Stad) Sifcpe ging ©ilpinn? hin ju £>ofe, um 
bem Gifchof Dor ber £eimreife feinen 3lbfchieb?= 
befuch ju machen. „Wein £err," fagte ber 
Gifchof, „ich felbft gebente Sie in 3h r eni £>aufe 
ju befugen?" — Unb fothat er auch. (Sr tarn 
n ©ilpin, unb iamn hatte biefer ihn in ba? Ge* 
u<h?jimmer geführt, ba menbete er fid) ju ihm 
herum, ergriff ihn mit £eftigfeit bei ber £ianb 
unb fagte ju ihm: 

„33ater ®ilpin, ich ertenne e?, baß 3hr t>iet 
würbiger märet, Gifchof Don Surhain ju fein, 
al? id) Gfarrer in (Stirer ©eineinbe. 3$ bitte, 
oergebt mir mein begangene? Unrecht. 3<h weiß, 
3 hr habt fffeiitbe, aber feib üerfichert, bafi, fo 
lange ich Gifdwf Don Surhnm bin, feiner Don 
ihnen Such ferner Unruhe machen foll." 

Sie erzwungene 5ßrebigt hatte, ba? jeigten bie 
folgen, ihre ©irfung getfjan. 


Pie Smitl)T(i)e Pettmömetljoöe. 

Onfei SSühelm. 

#werr Semetriu? (fo wollen mir ben Wann 
M nennen, obwohl er feine? &anbmerf? fein 
Silberfchmieb ift, auf ? @elbma<hen ift er 
aber wie oerpicpt, unb jwar auf eine Söeife, bie 
Weber Don ©ott, noch bon eblen ttub recht ben* 
fenben Wenfcpen gebilligt wirb) hatte unlängft 
einer jahlreich befuchten SJtäBigteit?oerfammlung 
beigemohnt, bei melier auf warme, begliche 
unb überjeugenbe ©eife auf ©rutib be? gött* 
liehen ©orte? bie Sache ber Wäfiigfeit al? ©ott 
gefällige empfohlen Würbe, ftiirchtenb nun um 
etwaigen Gerluft, wollte Semetriu? eine fianje 
für feine Sache einlegen, unb bat hoher auch 
um’? 2Bort, wa? ihm gewährt würbe. (Sr be* 
gann bnrnuf folgenbermeife: 3b r Samen unb 
Herren! @b e ihr einen entfdjeibenben Schritt in 
ber eben Dom '^rebiger bort angebeuteten Stich* 
fung roagt, möchte ich euch bitten ju bebenfen, 


bafi bie borlicgenbe fffrnge auch eine anbere Seite 
hat, bie er euch nicht jeigte. (Sr führte nur Ge* 
weife gegen ben Webraud) geiftiger ©etränfe an, 
währenb hoch auch Sdjriftftelleu ju ©unften be? 
©eingebrauch? oorhanbeit finb. Sfoab tranf 
©ein, Don hem gefügt wirb: er erfreut be? 
Wenfchen £ierj; 3efu? fdjnf ©ein unb Abraham 
mürbe er übcvbradu Don Welchifebef, mnbrfdjeiu* 
lieh weil er ihn nöthig hatte, unb ber große Gau* 
lu? hat ihn feinem lieben Simotheu? ju trinfeu 
auempfohlen. Seht! Wit her Gibel läßt fich 
3111c? bemeifeit. — Stach her Smith’fchen Ge* 
wei?methobe! rief ba plößlid) 3emanb in bie 
Gcrfamntlung hinein. Was ben £)errn Semetriu? 
bewog — wahrfdjeinlict» buchte er fich fiege?» 
gewift mit biefer SJfctbobe — heil bermeintlichen 
©ehiilfen in ber Srintbcrtheibigung ber 33er* 
fammlung ju lieb hiefe SJtethobe ein wenig au?* 
einanber ju feßen. 6? gefchah in fform folgen* 
ber (Srjahlung einer ergö^lichen Gegebenheit: 

(Sine? fihönen Sage? be? Wonnt? Oftober 18.. 
fam ju £>ernt Grofeffor 3- f)err Smith, um 
bemfelben feinen Sohn al? 3agling ju empfeh* 
len, wobei bemfelben ber (Sigenname be? Sohne? 
uatürlidjermeife angegeben mürbe, ber, weil e? 
ein fo frembartiger Slawe, ben £>errn Grofeffor 
in jiemliehe Gelegenheit brachte, welche? &err 
Smith wohl bemerfte unb bnrum bem Grofeffor 
bie beruhigenbe(?) (Srflärung gab: ’S ift ein 
Gibelname, ja ja, ein Gibelname, £)err G*o» 
feffor. Statiirlicf) würbe bie Gelegenheit be? 
£»errn 3- nur größer, unb bie? briidte er wie 
folgt au?: 3<h habe bie liebe Gibel mehrmal? 
forgfältig burchgelefen, aber nod) nie biefen Sta* 
meitgefunben. ©err Smith ertlärte nun: Sehen 
Sie, £ierr ^ßrofeffor, al? bie? nufer einjige? 
$inb benannt werben follte, entftanb jwifchen 
mir unb meinem ©cibe ein längerer Si?put. 
Sie wollte eben einen recht heibnifchen Stamen, 
währenb ich mich Jur ©af)l eine? Gibeluamen? 
entfehieb. Stach längerem streiten willigte fie 
ein in folgenben Glan: SJtit gefchloffenen Slugen 
füllte burd) mich in ihrem Sabcifein allemal ber 
Suchftabe, auf heu bie Spiße be? jwifchen meinen 
3ähnen gehaltenen Stifte? beim jebe?maligen 
Ceffnen beute, jur Gilbung be? 3tnmen?Jienußt 
werben, bi? bereu jwölfe gewählt feien. So traf 
ich benn ber Steihe nach folgenhe 12 Guchftaben: 
S=i*f=f*n*n=o=w*i*t'Ch (fpridjSiffanowitfch). 6? 
i|l ein Gibelnatue, aber weil ber Stame ein Gi?= 
dien lang ift, fiirjen wir ihn ab unb rufen ben 
jungen „Siff"; aber e? ift ein Gibelname. So 
bie ©efdjichte. — So reifeen auch Wönner wie 
Semetriu? ©orte au? ihrem 3»fammenbang, 
um bamit irgenh eine ihrer 2iebling?ibeen ju 
beweifen, unb barum heiße ich feine ©eife: Sie 
Smith’fche Gewei?methobe. 


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72 


JJeiutjorker Srijriftjtellrr. 




Pwtjorkfr $djrift|UUcr. 

®oit ©. Sßfiter. 

^inc tjeröorragenbe ©teßung unter 
beit 9 Jerot)orier Siteraten her lebten 
©eneration rniljm (Sf)a 3 . £>offr 
nnrnn ein. .ftoffmann rourbe geboren in 
9 ten> ?)orf im ijaljre 180 G. (Sr abfoluirte 
ba§ ©olumbia Kollegium, jtubiyte, tuie 
3 fvuing, 3 furi§tmiben 3 unb berließ bie= 
felbe gleicf) itjni, um fiel) ber altgemeinen 
Literatur ju roibinen. (Ir publiäirte eine 
9 lnjaljl Lobelien tmb KrjäÖlungen unb 
einige Sammlungen ©ebict)te. 3 » 1833 
griiiibete erbaö belaitnte “Knickerbocker 
Magazin”; fpäter rebiairte er “The 
American Honthly”, “The New York 
Mirror" unb “The New York Literary 
World”, ©eit 1850 jog er fidj; burdj ein ©e= 
birnleiben genötigt, böllig au» ber Oeffentlirf)= 
feit jurücf. ©ein lt»rifcf)e§ ©ebid^t: “Sparkling 
and Briglit” mirb Don tßielen alö'tn feiner 9 (rt 
unübertroffen in ber euglifctjen Sprarfje ge= 
galten. 

9 lmerita§ größter Sieberbicfyter ift ©. tp. 


Geartet genuo Qoffmanu. 


(3. % STOornä. 

9 JtorriS. 93 on ihm fac^t ein Jfritifer: „ 9 ta<h 
allgemeinem Seifall, nicht na<h$ritif iftWorriS 
ber befanntefte ^idjter bes SanbeS. @r ift gerabe 
baS, maS bie dichter mären, mürben fie,* gleich 
ben gefieberten ©ungern ohne alle^ritif fingen, 
unb es ift eine @igentf)iiin(id)feit feines 9 tuf)mS, 
bau berfelbe fo gleichgültig 
gegen bie firitif fd;eiirt, mte 
ber Soge! in ber Suft. 
9 lid)tS tann eines feiner Sie* 
ber aufhalten. 6S ift leidet 
genug gu fugen, baj$ bie* 
felben leicht 311 bitten finb. 
©ie bergen ein ßtmuS, buS 
Stnbern fchmer mirb 311 ge* 
ben 1111b buS fie fidler 311m 
fernen 3ie( ber Popularität 
fenbet." 

©ein “Woodman spare 
tbat Tree” mollen mir in 
UeberfeBung beifügen: 

U«lt! Sdjotte kiffen $aum. 

fjalt! Sd^one biefen Baum! 
ZTicht einen gweig berühr’! 
SdmB meiner Kinbljeit 
(Eraum, 

Des Hlanncs Schüfe bafür. 

(Es pftaii3tc ihn mein 2 Jhn 
Por feine bjütte fdplicht; 
fcaj5 beine 2lrt nidjt iiah’n, 
Dcrlcfe bett Baum mir nicht. 


Den altbefannten Baum, 

Defe weiter Dom r>ou £aub 
IDohl rühmt ber (Erbe Haum 
IDUlft ftreefen bu in Staub ? 


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äeroijorher SdjriflfleUer. 


73 




31. >4!. ffliUis. 

nein, fütjrc rticf^t beit Streid?l 
Bod? lange bleib bie Krön’ 

XTachbar 3um Sterneureid? — 

Bie alte €id?e fd?on\ 

f^ab oft als Kinb geruht 
3n feinem Schatten Fühl; 

^ier trieb mit frohem IHuth 
Bas Schroefternpaar ietit Spiel. 

Bie UTutter Fügt’ ntid} l^ier, 

IPenn mir mar £eib’s gefcheh’n — 

Bereif? 1 bie (Ehrdite mir, 

Hur lag bie (Eiche ftefj’n. 

ITtein Sieben hält bid? feft 
lüie Hiitbc, alter f reunb! 

Bau Böglein nur bein Heft, 

EDo Sommer (Eicheln bräunt. 

UTein Baum! furcht’ Feinen I^arml 
Unb bu, fd?aff’ fdjnell bid? fort: 

So lang nod? Kraft im Krm, 

Bleibt er an feinem (Drt. 

3n engfter Kerbinbunq mit OTorrte ftanb 
Hatbanael SßifliS, 1806 — 1807. SBnr er 
auch ein TOeifter erften 9iange§, fo be* 
zauberte er bod^ feiner 3eit ba^ lefenbe ^Jublifum 
roeit nnb breit. 9 lnt glii(fli<hften mar er in leids¬ 
ten 9fuffä&en unb Stilen, in melden er bie $e= 
gebniffe in ber ©efeflftfjaft fdjilberte, überzogen 
mit einer biinneu Politur ber Dichtung. 9)ian 
faiin fief) beim Cefen feiner Schriften faum be3 
CFinbrucfe erroetjren, bag SBifli» in ber 5)?ufe bie 
Wildjtuf) fie$t, unb besbalb feine eblen Kräfte 
oft im Unbebeutenben jerfplittert. 2Bir geben 
auß feinen Dielen ©ebidjten ba» “Satu'rdny 
Afternoon” 


Samftag |lad)mittag. 

tBie meilt mein Kuge fo gern beim Spiel 
Ber muntern Kinberfdjaar, 

3<t? bereb’ mich babei, noch fei id? nid?t alt, 

Xl\d}t büttn nnb grau nod? mein Saar; 

Benit fröhlicher fdjlägt eines (Sreifcn ^er3 
Unb rafd?er ftrömt fein Blut 
0b jubcluber Stimmen SilberFlattg 
Unb glüeffprühenber Kugelt (Sluttj. 

^ab’ lange gelebt — halb acht3ig 3 a b r , 

Unb man fagt, id? fei fel]r alt — 

Bag mein £?er3 fei reif für beit Schnitter CCob, 

^u (Enbe mein pilgern halb. 

(Es ift ja bem fo — es ift ja bem fo — 

3 <h bin alt unb mein (Eubc nah; 

Bod? mein S c f3 nnrb noch marm bei biefem Bilb 
Unb meig bod? Faum, mie ihm gefd?at?. 

Spielt fort! fpielt fort! Kud? ich bin babei, 

Behüte (Eheil an ber f reube unb £uft; 

führ mit euch ben Schauer beim Fühlten Sprung, 

Kud? mir pod?t beim IPettlauf bie Brnft. 

DerftecF’ mich mit euch im bnft’gen Beu, 

Stimm’ ein in’s gebehntc Signal; 

Klein fug gleitet aus auf ber glatten f lur, 
(Erhebe mich lachenb oom fall. 

Bin 311m Sterben bereit, wenn mein Stünblein 
Fommt, 

Unb miü ja gerne bann getj’n — 

Bie HMt ift ja bod? ein trauriger 0 rt, 

Unb mein puls null ftille ftetj’n; 


(Sulinn <S. Verplanet. 


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74 


«to ferliner |rtc#tc. 


Dodj’s (Srab ift bunfcl unb bas ßcr3 erbebt 
Dor feinem fo flitftcrn (Et^or; 

Drum taufest es fo gern oor bem 2Ibfd?ieb nodj 
Der 3 ugenb frenbigem <£fjor. 

©ulian 6. ©crpland, 1787—1870, mar Der 
erfte ©merifaner, ber ficb in bem fdjmierigen 
Selbe ©batefpeare’fcber ßritit auSgeidjnete. 
©eine SluSgabe pon ©bafefpeare mit einem 
SebenSlauf unb fritifd^en Slnmertungen machte 
amerifanifdjer ©etebrfamfeit Sljre. G$ mar bie 
befte amerifanifebe ©uSgabe Don ©bafefpeare 
Por ber Don Slicbcub ©rant 2B^ite. ©erplantfs 
fcbriftftellerifcbe 'Arbeiten umfaffen baS fjelb 
öffentlicher ©orträge, ftaatSmännifcber ©bbanb» 
hingen, Seiträge gu ben leitenben ©lagaginen, 
©ebiebte k. ©ad) feinet: ©üdfeljr Pon einer 
europäifdjen ©ilbungöreife war er ^ßrofeffor ber 
©emeife beS GbriftentbumS in Dien» $ort. Sine 
SReibe Pon Sabren Pertrat er feine ©aterftabt im 
Gongrejj, bann war er ©taatsfenator. ©ebft 
anbern Remtern befleibete er Piergig 3>al)re lang 
ba§ 9lmt eines ©ige = ftangletS ber Uuiperfität 
Pon ©ew ?)orf. Ueberatl griff er beförbernb in 
bie Literatur feines ©aterlanbeS ein. 


diu Berliner pie=Bie. 


f ir höben in biefen ©füttern fc^ort öfters 
auf bie ©onntagfd)ul=Tbütigfeit in ©er» 
(in, wie überhaupt in gang Teutfdjlanb 
aufmerffam gemacht unb angebeutet, bafi filme» 
rita, baS Saitb ber ©onntagfdfulen, aud) bort 
noch etwas lernen fönne. 

Heute laffett. wir einen ©eridjt über einen 
Serliner ©onntagf<hul=91uSflug folgen, wefeber 
mit ber ©onntägfchule ber tanbeStircblicben 
©t. 3«fobigetneinbe unternommen würbe unb 
bem „©onntagfebutfreunb" entlehnt ift. 

„Iier Pierte ©uSflug mar ber 3flbreSfeft=9IuS= 
ffug. lie freier beS lynbrcSfefteS beftebt bei uns 
aus brei Steilen: bem ©uSfluge, ber in ber Siegel 
am ©littmod) bor bem ©tiftungStage (28. Suni 
1868) unternommen wirb, bem 3?eftgotteSbienjl 
unb ber ©aebfeier beS HelfertreifeS. 

TieSmal würbe „©rünau" (©tation ber ©er» 
lin=©örliber Sifenbabn, 2 ©leiten Pon ©erlin) 
gewählt, unb ber Slusftug auf ben 29. 3 uni feft= 
gefegt. len ©reis tonnten mir lanf bem Snt« 
gegenfommen ber Sifeitbahnbireftion für bie 
ffinber auf 80 ©f. (1 ©fennig = J Gent) mit 
Ätaffee, für bie Grmacbfenen auf 60 ©f, aber 
ohne Äaffee, ftefleit. ©emefbet butten ficb 966 
'ftinber unb 451 SrWacbfene. Um fl Uhr mar» 
flirten bie $inber in langem 3uge unter Irom» 
melwirbel unb ©feifentlang mit mebenben ©an» 


nern Pon ber $ird)e nach bem ©örli&er ©abnbof, 
wo man in ben bereitftebenben Sjtragug Pon 24 
Söagen ftieg, fuhr um 2 Uhr ab unb tarn nach 
20 ©linuten auf ber ©tation an, unb im ge» 
orbneten 3ug« unter ©ang unb Ulang ging e4 
bur(b ben grünen SBalb nach bem „©efetlfcbafts» 
bauS". Sange Sleiben Pon Stühlen, Tifcben, 
Staffen — unb, was mir bei früheren 3feft»SluS« 
flügen nie gefunben, in mehr als auSreicbenber 
Sfn'jabt, — ftanbcit bereit, fo bafi baS ffaffee» 
trinten mit einem ©lale ftatifinben tonnte, unb 
ba iebe Helferin ben Stifcb bebient, ber ihre 
Slaffennummer trägt, fo War baS Trinlen in 
gar furger 3eit beenbet. lann fanb bie Sin» 
weibung Pon gmei neuen Sannern ftatt. Son 
ber ©eranba beS ©aaleS herab richtete ein ©elfer' 
eine 9lnfprad)e an bie ffeftoerfainmlung, ergäblte 
fefiefnb pon ben rebenben 3eugen aller per« 
floffenen 3ab«: unferem ©onntagf<hul=©ater, 
bem ©orfteber, unb ben ©onntagfd&ul = Onteln, 
auberen ©eiftticben, bie ficb an ber Seitung ber 
©onntägfchule beteiligt haben, unb ben ft um» 
men 3eugen: unfern ©annern; biefelben mur« 
ben, fünf an ber 3abl aus bem ©aal auf bie 
©eranba getragen, gule&t erfebienen bie beibett 
neuen, bereu Hüllen unter Trommelwirbel unb 
taufenbftimmigem ©urrah ber ßinber fielen. 
Unb fie waren auch in ber Tbat prächtig: Pio» 
letter ©amietet mit golbenent Äreug, an ©röfee 
unb ©hönbeit bie früheren iiberragenb. Siebe 
©äitbe batten S£ag unb ©acht baran gearbeitet, 
um fie gum ffeft fertig gu (teilen; ihre ©lübe 
mürbe reichlich burch bie gfreube ber ßinber unb 
beS HelfertreifeS belohnt, ©lit einem Hu<h auf 
bie ©onntägfchule fd)lofj biefe Seiet. Unter bem 
©efange: ,,©3er will ein ©treiter 3 f fu fein" 
fammelte man ficb gum Slbmnrfcb nach bem 
prächtigen ©pielplafc, wo ficb Sung unb Sllt 
fröhlich herumtummelte bis gur Slbenbanbacht, 
ber — mit ©egug auf ben ©amen „©rünau" — 
©f. 23 gu ©runbe lag. ©lit $lang unb ©ang 
ging es bann gurüd gum ©abnbof. ©egen 9 Uhr 
langte ber 3ug an; auf bem ßircbplab flang 
mit 3apfenftrei<h unb ,,©un bautet alle ©ott" 
ber Sefttag aus.*) 

©lit lanf gegen ben £errn, ber ben ©uSflug 
über alles Srwarten batte gelingen laffett, trennte 
man ficb; alle ©tüben unb ©orgen ber Reifer 
unb Helferinnen, bie manche Wochenlang öorher 
batten burd)ma<ben müffen, Waren bergeffen, ja 
man backte oielinebr fchon an baS näcbfte 3al)r. 

9lm Sonntag, ben 3. 3uli, mürbe baS 
3abreSfeft in ber SJirche gefeiert, 800 Äinber 
unb uiele Srmacbfene waren gugegen, bie ©an» 
ticr, mit drängen geflbmüdt, im Slltarraum 
aufgefteüt. ©aftor Saade hielt ftatt ber 


*) ©erben bie amerilanifhen ©ic> 9 ticS auch oljo er* 
öffnet unb gefcploffen ? Sbitor. 


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PöbdjenbUbung. 


75 


ftcdedgefe eine SInflnracbe über ©falnt 103,1—5. 
w gem\jd)te ©bot beS ftelferfreifeS trug ben 
23. Sßfalrn öon GJrefl, bie SWotette: „SBeitn id) 
nur bid) Ijabe" bon Succo unb ben ©hoeal: 
,3Bitf bein Slnltegen auf ben £>errn," — bcr 
ftinberdfor: „Sanfet bem £>errn" bor. Sie ©e» 
meinbe fang: „©rojier ©ott, mir loben bich," 
„3eßunb will id) bell« finden" unb gunt Sdjlufj: 
„Stirn bantet alle ©ott". 

Sie gefellige Waöbfeier beS ftelferfreifeS fanb 
SWontaa, ben 4. 3uli tm Gonfirmanbenfaal 
flatt. ©in Jbclfer gog als Urian, („wenn 3e= 
manb eine Weife tbut") in ©erfen eine ©arallcle 

B 'f<b«n bem bor* unb bem bieSfäbrigen Jahres» 
unb erregte burd) feine broftifcben ted)ilbe* 
tungen bie Weiterleit ber Slnwefenben. 

SJiit bet Sonntagfdjule berbunben ift ber 
Sabeaberein; etwa 70 bis 80 Sonntagfcbülerin* 
nen naben unb ftriden für bie Sinnen. (Sie ber» 
fummeln fidj ieben gweiten unb bierten SWittwodj 
im SWonat. 

Sie ©ibliotbcf bon 467 ©änbeti toirb bon un» 
gefäbr 150 flinbern benußt. Sie ©ibliothefS* 
faffe batte eine ©ittnabme unb SluSgabe bon 
23 SW!., gefd)enft mürben 20 , getauft 69 ©änbe. 

SaS berliner ©bangelifche Sonntagsblatt 
batte im lebten 3afjre 250 Abonnenten; ihre 
3obl wädjft bon SWonat gn SWonat. 

Sie Sonntagfd)ulfaffe batte im 3 fabre 
1880 eine ©innahme unb SluSgabe bon etwas 
über SWart 1280. Sie GoUccten betrugen ins» 
gefammt SWarf 251.08, mobon bie SWiffionS* 
collecten bom 1. Sonntafle feben SWonatS mit 
SWarf 48.69 an baS SWiffionSbauS abfletiefert 
mürben. 

Für bie ©flege beS SWufifcorpS beftebt 
eine ftänbifle Gommiffion bon acht Reifem, bie 
einen Unterrirf)tSauSfd)uB bon brei SWitgliebern 
flemäblt bot- Sie Äoffe biefer ©ommiffion butte 
eine ©innabme bon SWarf 217.55, eine SluSgabe 
bon SWarf 199.40. 




J#abd|ntbUbtt« 0 *) 

S*n fiattifa ©. Kottweiler. 


be mit bie ©ilbung felbft näher betrachten- 
ift es am ©labe, einen furjen ©lid auf ben 
SSeruf unb SBirfungSfreiS beS SWäbdjenS, 
ober beffcr flefagt, ber Femt gu werfen, benn 
was bie Sfrou einft wiffen unb fein foll, baS mufs 
baS SWäbcben erft lernen unb Werben. SDBirb hier 


*) SHefer »rafiifcb« Sortrag Würbe bon ber Gon= 
ferm für ßrjie^una unb Sonntagfc^ule in Gtewtanb 
jur fluM itation empfohlen. 


bon ©eruf unb ©ilbung ber F*au gerebet, fo ift 
barunter nicht ein fbegieüer, fonbern ibr atlfle» 
meiner ©eruf, ihre aügemcine ©ilbung gemeint. 

Sroß allem, was in ben lebten 3ohwn über 
fyrnuenrcc^te unb Frauenberuf gejagt würbe, fo 
bleibt eS bennodj fcft, baß jcßt wie immer, ibr 
größter, widjtigfter, ber ibr bon ©ott berorbnete 
©eruf ber ber Grgieljung ift. 

©rgiebenben, berebelnben, bil» 
benben Ginfluß foll bie Femi ausüben, wo 
immer fie mit anberen, befonberS aber mit ber 
3 ugenb in ©eriihrung fommt, fei bieS nun in 
bem Familien* ober im ©efellfcbaftSfreiS, ober 
in ©erfolgung eines fpegiellen, fie aus tiefen 
greifen hinauSfüljrenben SerufeS. 

Sie Familie bleibt aber bor allen anberen baS 
wicbtigfte unb erfolgreiche Felb ber Frau. £>ier 
follte ibr ©influfj unbeftritten unb fie Königin 
fein. 

3 ft es wahr, baff bie erfien ©inbtiide bie 
bleibenben finb, fo haben fidjerlidj biejenigen bie 
befte ©elegenbeit bleibenben Ginfluß, entweber 
einen guten ober einen fd£>Iect»ten, auf foinntenbe 
©efcblecbter ouSguüben, unter beren ©flegc unb 
in bereu ©efellfchaft bie kleinen fteben unb er* 
Wadjfen. 3a ben Rauben ber Frau liegt baS 
Sdjidfal ber ©ölfer. 

3ft nun ber © e r u f ber Frau ein fo wi<bti* 
ger, fo ift eS nicht minbcr wichtig, bafe ihre 
©ilbung eine folcbe fei, bie fie fähig macht, 
benfelben auf bie befte unb tüd)tigfte SBeife gu 
erfüllen. 

3«beS SWäbdjen follte, wenn irgenb möglich, 
einen griinblidjen ©lementarfcbuUUnterricbt ge» 
niefjen. ©Item, bie ihren flinbern ohne bie 
äujserfte Sfotf) biefeS ©orrecbt entgieben, begeben 
ein große» Unredjt. Sie rauben ben flinbern 
baS, WaS mehr wertb ift als ©olb. 

3ft eS bem SWäbcben möglich, weiter gu geben 
unb fid) höhere flenntniffe angneignen, lim fo 
beffcr, bod) ift babei ja nicht gu bergeffeu, bafj 
griinbliCe ffeuntniß bon SÖenigem weit beffer 
ift, als oberflädhlidie ©efanntfCaft mit ©ielem. 
2 Bo einmal ein fefter ©runb gelegt ift, fann 
man fpäter immer weiter bauen, ift aber baS 
Funbament loder, fo fann baS £auS nie feft 
unb ftarf fein. 

Sie weiteren Stubieu füllten mit befonberer 
©orficbt gewählt unb Wiidficbt genommen wer* 
ben auf natürliche Slitlagen, ninftige ©läne, 
©eruf u. f. w. Hann nun ben foiiben flennt* 
niffen noch Fertigfeit in einem ober mehreren 
3 weigen ber feinen flünjte beigefügt werben, 
um fo beffer. 

Sod) and) hier foll ber äufjere Schein nidlt 
ber wahren unb grünblidjen flenntniß bor* 
gegogen werben, was nur gu oft gefd)ieht. 

3 ft ein fefter ©runb gelegt, fo foll felbftber* 
ftänblid) immer weiter fortgebaut werben. Ser 



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76 


Pas Ijintcrc (ffnbe bes Ölagens. 


©eift muß roadjfen, mit ber 3eit ©djritt galten, 
foD er nicht einrofteit. 

Sod) fann ein Stäbchen, baS and) in allen 
SMijenfchaftcu 51t Houfe ift, baS in öden 3 fit= 
fragen Scfcßeib roeiß, baS aber bloS au-3 Siidjeni 
gelernt fjat, nod) nid)t Dollftünbig gebilbet ge» 
iiannt merben; beim ba ibr SBirfungSfrciS 
meiftenS i tn -£>a n f e ift, fo muß and) ißre Sil» 
bung jum großen Sljeil eine praftißh ^äitslidje 
fein. 

Hier mirb bie gefellfd’aftliche Stellung fid) 
meßr geltenb machen, als in ber ©d)ulbilbuug. 
Sie Sod)ter Des armen SfanncS mirb natürlich 
einen meit affineren 9 lutf)eil an ben häuslichen 
Arbeiten nehmen miiffcu, als bie Sodjter beS 
reichen StanncS, 1111b obrooljl hier noch meniger 
als oben eine fiir alle paffcnbe 9 tid)tfd)imr ge» 
gogeit roerbeu fann, fo bleibt beuuod) StaitdjeS, 
' baS jebcS Stäbchen, fei fie reich ober arm, praftifd) 
auSjufüßren im ©taube fein follte. 

3 febeS Stäbchen follte griinblidje, prattifcße 
X?emitnife 0011 allen Hausarbeiten haben, ob fie 
in fpätereit fahren biefelbcn fctbft Derridjteti muß 
ober ob fie über Sienftboten ju befehlen haben 
mirb. 

2 öie manche Älage über Sienftboten mürbe 
nie gehört, mie manche Scrlegenßeit erfpart mer» 
ben, menn Samen mehr praltifchen Unterricht 
empfangen hätten, beim Sicmaub fann erfolg» 
reich regieren, ber nicht felbft baS Ausfuhren ge» 
lernt hat. 

Sun aber ift’S roahrlich genug, betifen mof)l 
Stauche. Sod) bei meitem noch nicht. 9 llleS 
maS aus Suchern 311 lernen ift, bie größte fjer» 
tigfeit in Stufif, im Stalen u. bgl. nt., bie befte 
praftifche Jtenntniß aller häuslichen Arbeiten 
mirb einem Stäbchen noch feinen Slnfpruch auf 
roahrc Silbung geben, menn fie nicht auch ben 
©tempet eines guten GljarafterS trägt. Semt 
meit bnooh entfernt ein gering 31t fchäjjcnbeS 
Gleinent ber Silbttttg 311 fein, ift ber tnoralifche 
mtb religiöfe Sfjeil berfelben gerabe baS, maS 
allein Snberen feinen mähren SBerth oerleiht 
unb bie Silbung 311 einer fegenbringenben Stacht 
erhebt. 

2 öer nicht im eigenen Öeben ein gutes Seifpiel 
giebt, betrf nicht ermnrten, Snbere für baS ©ute 
311 erziehen unb 311 beciitfluffen. 

SBäfjrenb nun theoretifche unb praftifche 
ßenntniffe, Derbunben mit einem feften mtb 
cßriftlid)cn Gharafter, bent Stäbchen ihren maß* 
reit SJertl) Derleiljen, fo mirb fie bennoch Don 
Sielen mißfannt unb unterfchäßt merben, roenit 
fie nicht rneiß ihren Sefiß auf bie befte unb Dor» 
iljeilfjafteftc SBeife 3U Dcrmerthen, b. I). menn fie 
nid)t vedjteit Slnftanb mtb Saft befißt. 

©ic muß miffett fief) überall anftänbig unb 
»ohlgefittet 3U betragen. 

©ute Sitten aber fönnen nicht butch ©elb er» 


fattft, noch aus Süchern erlernt merben. ©ie 
tntiffen burch Seobachtung, burch Sachahmung 
beS ©uten, burch Steiben ber fehler Stnberer 
gelernt unb burch täglichen ©ebrattcb 3ur 3roeiten 
Scitur gemacht merben. Stit offenen 'ilugen foü 
baS Stäbchen burch bie Sßelt gehen. 

Sa beult Dielleicht manches Stäbchen, hätte 
id) nur bie ©elcgenhcit gehabt, mie gerne hätte 
ich wir fine gute Silbung Derfcßafft, ober eine 
onbere, ja märe ich nicht fo arm, ober meine 
Umgebung mehr gebilbet u. bgl. tn. Sber es 
braucht feinem Stäbdjen ber Stutl) 311 finfcit, 
beim obroohl bie Silbung auf ber Stuttcr ©djooß 
angefangen merben follte, unb biefe Silbung 
eine oieifeitige fein follte, fo fann bennoch mit 
©otteS Hülfe unb burch eigene ernftliche 9 ln» 
ftrengmtg Sieles nachgeholt merben. Ser fdjon 
gelegte ©runb fann geftärtt unb auf betnfclben 
meitergebcint merben. ÜBenii nur jebcS Stäbchen 
erfcuneit unb bebenfen mürbe, mie fo feßr Sieles 
Don ihr felbft abljängt, beim ©clbftersieljung 
fpielt eine feßr roießtige Solle in ber Silbung. 

Stöge ©ott jebent Stäbchen helfen, ja er ioirb 
helfen, beneit bie fid) felbft helfen ihre ©aben, 
©ciegenheiten unb Umgebung auf baS Sefte 3U 
Dcrmerthen 311 ihrer maßren djriftlicßen Silbung. 


Pap filtere (ffiilie be$ jtöagen$. 

eiut «aßre &rfdii^te mm 8. 8. Wagtet. 


rans, ßaft bu maS geßört, mo eS Sepfel §u 
taufen giebt ?" 

„Sein, Stutter, nichts befonbereS; aber 
id) benfe, eS giebt Diele Slepfel bort gegen SEßoob» 
lattb 31t." 

„Skrum benfft bu fo?" 

„Söeil mir ber Üonrab Dorgeftern gefagt hat, 
baß bort große Slepfelbaum»©arten finb, unb 
ba muß eS bod) auch Diele Sepfel geben." 

„SaS ift gerabe nicht immer ber ftnll; aber eS 
mag ja leicht fein, baß es bort 5 (epfcl giebt. Ser 
Sater hat Jßeute Storgen gefagt, mir fönnten 
uns einige ©äefe Doll laufen, menn bu uttb idß 
fie holen wollten mit ben Ccßfen, er hat feine 
3cit ba3u. 3>dj möchte aber nießt‘fortfaßren, 
bis ich genau roeiß, roo eS Sepfel giebt." 

„ 9 Bie fönnen mir aber baS erfahren ?" 

„SBürbeft bu bid) fürchten, ’ntal gegen Sßoob» 
lanb hin 31t gehen unb feßen, ob eS bort Diele 
^epfel giebt ?" 

„O nein, Sfutter, idß gebe recht gern; ich flehe 
heute noch, menn bu eS nur roiuft. ©oll ich 
gehen, Sfutter?" 

„2lber heute mirb eS bod) fdjon giemlidj fpät; 



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hintere (ffnbe bet jSagent. 


77 


<5 iß fd)on neun Uhr, unb ber Weg ift weit, eS 
iß über je^n Steilen." 

„D nein, fDtutter, eS ift nid)t ju fpät, id) fann 
fchnell gehen. 3<b bin leßte Woche and) nach 
CiaftingS gegangen, unb mar wieber baheim, ehe 
eS 9tad)t war, unb baS war gerabe fo weit, 
^eute i|t auch fd)öneS Wetter; morgen fann’S 
regnen." 

„9tun, meinetwegen, bann mach’ bid) fchnell 
fertig; aber gehe ja nicht ju weit, baß bu beit 
Söeg mieber heim finbeft." 

„WaS beutft bn beim, Wutter; bu fprichfi 
gerabe, als ob biefeS baS erfte Wal Wäre, baß 
ich uon bafjeim fortgehe." — 

2)iefeS ©efpräcb fanb ftatt an einem frönen 
Oftobermorgen awifdjen einer Wutter unb ihrem 
©ohne, welker ungefähr bveijehit 3oßre alt 
fein mochte. $ie ©egenb, wo ffranj mit feinen 
6 Item wohnte, war barnalS noch eine fogenannte 
neue ©egenb im Staate 9Jt.; beim es ftaub nur 
hie unb ba ein SlodljauS, Don wenigen ((einen 
tfelbern umgeben, an welche überall ber große, 
große Urmalb grengte. 5)er Sater beS Heilten 
grrang hotte wohl auch fchon einen Saumgarten 
hinter bem £aufe angelegt; aber bie Säume 
waren noch gar ju Kein, unb eS fchiett bent ivranj 
wk eine ©wigfeit, wenn er an bie ferne 3eü ber 
3utunft buchte, ba biefe Säume Ülepfel tragen 
würben. Unb ooit ben 91epfeln war er citt großer 
greunb, wie ja bie nteiften flnabeit feines 9llterS 
finb. 

Äleibermedjfel beburfte eS nicht Diel, unb ge* 
mafchen unb getämmt war 3?ratij auch halb; 
gehn HJtinuten, nachbem bie Wutter ihr Jawort 
gegeben hotte, war er bereit, ben weiten Warfcß 
anjutreten. So groß war bei ihm bie fjreube 
unb (Site gewefen, baf? er gang Dergaß, wie einem 
Knaben feines 9üterS um bie WiitagSftunbe ge= 
wohnlich baS ©ffett fo gut fchinedt. Wit leeren 
Jafchen, was beibeS, Srob unb ©elb, anbelangt, 
fchritt ber Heine Wanberer bie Straße entlang. 

3uerft führte ber Weg gegen ©üben hin, 
bann bog berfelbe öftlich; unb als eS ungefähr 
elf Uhr jtt werben begann, unb er btirch bie 
offenen 2 hören mancher Wohnungen bemertte, 
wie bie gefchäftige fjauSfrau bie ßeffel uitb 
Sfnnnen auf ben Ofen fteüte, um baS Mittags* 
mahl Ci bereiten, ba buchte er erft baran, baß er 
Dergeffen hotte, ein ©tiicf Stob in bie 2afcße au 
ftecfen; aber er tröftete fi<h, baß er halb ben Ort 
erreichen würbe, wo er Diele 9lepfet ju fiitben 

^°füe" unb ba frttgerbiejenigen, beneneraitfber 
©fräße begegnete, ob fie müßten, wo Ülepfel au 
Derfmifert feien, gewöhnlich betam er auch bie 
oemfinfcfjte «uSfunft. 9ln eiifem ©cheibemege 
beaeanete ein Wann, welcher ihm fagte: 

’ffiemr bu jene ©traße, bie nach ©üboften 
füfri uiigefcihv brei Weilen Derfolgft, fo wirft 


bu auf beiben ©eiten große Saumgärten fin= 
ben, bort, höbe itß gehört, finb Diele itlepfel gii 
Derfnufen, unb and) billig." 

tfrang ließ fidh bie Dtainen ber ©igenthiimer 
jener Saumgärten fagen, unb fdilug bann bie 
ihm gezeigte Ütidjtung ein. SiS jeßt war er auf 
einer ihm betanuten ©traße gegangen, benn er 
war fchon einmal mit einem Widjbar biefelbe 
gefahren; aber ber Weg, ben ihm ber ffrembe 
geigte, war ihm gänglich uiibelannt. Ooch baS 
flimmerte ihn wenig; wenn er nur etwas ju 
cffen gehabt hotte. Öicfc ff rage fing an immer 
mehr 3uterejfc für ihn au gewinnen. 

Salb tarn er an eine Sriide, welche über einen 
Keinen, aber au jener ©teile bod) jicmlich tiefen 
ffluß führte. $ort feßte er fid» eine Weile nie. 
ber, um ein wenig auSguruhen, uub fchaute fin« 
nenb in’S Waffer hinab, in welchem er fich fpie» 
geln tonnte, benn eS ftänb faft gana ftille. Oer 
Heine ©trom war ihm nicht frentb, benn er floß 
in ber Dtälje feiner ^jeimatf) öorüber, unb hatte 
er fchon einige Wale mit anfceren Knaben bar* 
innen grfifeßt, ohne aber uiet gefangen au hoben. 

2llS jjrang fo finuenb in ben {fließ f (haute, ba 
ift eS ihm nicht im ©ntfcrntcfteu in ben ©inn 
gefommen, bah tt gwei Sage nachher an eben 
biefer Stätte eines ber größten 91 beitteuer feiner 
3ugenbgeit, ein 9Ibenteiier, baS er nie Dergeffen 
wirb, erleben foflte. 

Sfurge 3 f it nachher tonnte ffrana bie ihm an» 
gebeuteten Cbftgärten in ber {ferne bewerfen 
imb würbe auch baib gewahr, baß ein Wagen 
mit Sterben borinnen hielt, unb einige Serfonen 
befcßäftigt waren, Sepfel aufgulefen. ©r ftieg 
über ben 3aun unb nahte fich ben Seuten. 3u 
feinem ©rftaunen unb au feiner ffreube bemertte 
er, baß er Segte fanb, bie er au feinen Nachbarn 
aäfjlen tonnte, beim fie wohnten nicht fern Don 
bem £>aufe feines SaterS, unb waren, ohne baß 
{fraita etwas baüon erfahren hotte, hierher ge* 
fomtnen, um ülcpfel au taufen. 2)er Wann, 
welcher bie Siebtel Derfaufte, war recht freunb* 
lid), fagte (frana bie Sreife ber 9lepfel unb for* 
berte ihn auf, fo Diele Seßfel au effen, als er 
wollte, welches fid) biefer auch feine awei Wal 
fagen ließ, benn er hotte gewaltigen jünger. 

ffrana half ben WicbbarSlenten ihre 9lepfel 
auflefeit unb in ©äde füllen, unb burfte bann 
mit ihnen nach fjatife fahren, weldheS natürlich 
auch öiel fchneüer Don Statten ging, als baS 
Saufen. 

©ben ging bie Sonne hinter fdjönem 9lbrnb* 
roth unier, als unfer junger Uöanberer mit 
5lepfeln in ber 2afd)e unb ber guten Nachricht 
feine Wutter begrüßen tonnte, baß er Diel Cbft 
gefunben höbe. Dtachbem er eraäfjlt, wie eS ihm 
gegangen, wo bie 9lepfel feien unb wie er fo 
fcbnell heimgefommen fei, ließ er fid) fein ihm 
Don ber lieben Wuttevßanb DorgefeßteS Dlbenb» 


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78 


Pas hintere (Stritt bts JBagens. 


brot wohl f*meden, was auch feine gute Urfac^e 
batte; benn et batte ant Sittoge ni*t3 genoifen 
als ülepfel, tmb fo gut ibm biej'e au* gef*medt, 
fo mufete er' bo* bie 6rfabrung ina*eu, baß 
Srot unb Steif* beffcr finb, beit inniger j« 
ftiden, al§ bie heften 31epfel. 

Sen folgenben Sag brauste ber Sater bie 
0*fen, um bamit auf bent gelbe ju arbeiten. 
„Sann," fagte er ju Uranj, „tonnt ibr meinet» 
wegen 'mal fortfabren mit einanbcr; bie Odftfert 
tannft bu ja treiben." 

„O ja," berfi*erte granj, „bie 0*fen ber« 
ftebeu mi* ganj gut." 

3ln biefern Morgen mar ber Stimmet trüb, 
unb e§ fab aus, als tnenu e§ halb regnen rootlte, 
unb Stttnj fagte ju feiner Sutter: „63 ift gut, 
bafe wir beute ni*t fortgefabren finb; i* bente, 
morgen wirb ba3 Setter f*ön fein." 

„63 mag fein," fagte bie Sutter bie Sölten 
betra*tenb, „aber Diellei*t foinmt atubber Stegen 
erft morgen." 

Sem granj wollte biefe 31nfi*t ni*t ein» 
leu*teu. 

©o btobeitb bie Sölten an biefern Sage ju« 
weilen au* auSfabeit, e3 regnete bo* nur ein 
fleht wenig; unb am 31benb würbe ber fjimmel 
wieber flairer. 

Sen folgeitben Sorgen Wadjte granj febr 
frühe auf, was bei if)in etwa3 aufeergewöfen» 
li*e3 mar; benn eS fdjtnetfte ibm gewöhnlich ber 
©*laf nie beffer, al3 wenn e3 3 e 't war aiifju» 
ftebeu. Sie freute er ficb, al3 er ba3 f*öne 
Sorgenrotb bur* bie Sipfel ber Saunte wahr» 
nahm; unb er tonnte e3 fautn glauben, al3 ihm 
ber Sater fagte, ba8 fei nicht ba3 hefte 3ei*en, 
unb e3 mürbe mabrfcheinlich ito* bor 3lbenb 
regnen. 6mige Stauben fpater glaubte er e8. 

Sie 0*fen würben angefpannt, unb halb be» 
fanb fi* granj mit feiner Sutter unb bem tlei« 
nen Srüber*en Sobaitn, ber ungefähr jmei 
Sabre jäbleit mo*te, auf bem Sege ber 3lpfel* 
gegenb ju, SiefeS Stal butte granj ba3 Sittag« 
effen nicht oergeffen, fonbern fdjon bor bem 
3?riibftücfe bie Sutter baran erinnert, ja ba3 
6ffen nicht jit bergeffen. 

Ser Seg war faurn batb jurüdgelegt, ba fing 
e3 fchon an ju regnen, unb es war alle 3luSfi*t 
borbanben. baß e3 ein re*t regnerifcher Sag 
werben würbe. Ser 9tegenf*irm unb bie Sep» 
piche, welche auf be3 Sater-3 Statb mitgenommen 
mürben, waren nun wohl ju gebrauchen. 

31(3 fie an bie fdjon ermähnte Sriicte tarnen, 
ba erjäblte granj feiner Sutter, baß biefcS ber« 
fetbe glufe fei, ber nicht weit bon ihrer £>eimatb 
borüberfliefse. £>ätte nun gronj ^ier baran ge= 
ba*t, bie 0*fen bom Sagen absufpannen unb 
fie $u tränten, fo märe er mabrfcheinlich einem 
gemiffen „Ungtücte", ba3 feiner wartete, ent« 
gangen, wäre aber auch um eine fiir ihn feljr 


intereffaute 6rfabrung ärmer gemefen. 3lber an 
ba3 Sränfen ber 0*fen badjte er nicht, obwohl 
er bemerfte, wie ber alte SiU immer nach bem 
Soffer f*aute. Sielleicht ba*te er, bei fo naffem 
Setter tönne ber Surft ber D*feti nicht befon* 
ber3 grofi fein. 

Sa3 3tuflefen ber Stepfel war an biefern Sage 
feine fo angenehme 3lrbeit, als jwei Sage jubor; 
benn es regnete immer ein wenig unb baS ©ras 
war febr naß. Säbrenb bie 3(epfel jufammen* 
gelefen mürben, fafj ber fleine gobann im Sagen 
unter bem 9tegenf*irm, unb bie Ochfen liefen, 
bom Sagen abgefpannt, aber mit bem 3o*t 
auf bem fialfe, im Obftgarten umher unb Iiefeen 
fi<b baS ©raS wohl f*meden. • 

Sier ober fünf ©acte würben mit Slepfetn ge* 
füllt, unb ungefähr fo biele Olepfel, als in beit 
©öden waren, würben in ben hinteren Sfeeil 
beS leeren Sagenbettes getban. Urfa*e hierbon 
war, bafe graitjenS Sutter mehr 3iepfel taufte, 
als fie 31nfaugS im ©inne batte, fo bafe ihnen 
einige ©öde fehlten. 

Ser 31ufentfealt im Obftgarten nahm im 
©anjen nicht biel mehr als eine ©tunbe in 3ln* 
fpruef); bann ging’« Wieber ber fieimatfe ju. 63 
mag jmif*en ein unb jmei Uhr 9ia*mittag3 ge* 
Wefen fein, als grati} unb feine Sutter bie 
fjeimreife alltraten. 

Ser alte SiU fchritt rafch bormärtS, unb ber 
alte 3fim muhte na*, ob er wollte ober nicht, 
granj half ihm au* bie unb ba ein wenig mit 
feiner langen Uiuthe. 

„Sie 0*feir laufen aber," fagte bie Sutter, 
„wenn baS fo fort geht, bann tommen mir in 
guter 3 f ü beim." 

„3a, ber alte Sill weife, bafe eS heimwärts 
gebt, ber ift gar gefefeeibt," ermiberte granj. 

„$aben fie benn au* Soffer befommen im 
Obftgarten ?" 

„9cein, eS war fein Soffer bort, fonfl hätte 
i* fie faufett laffen. 3* laffe fie faufeu, wenn 
i* an bie Sriide fomine." 

„San fann aber bo* ni*t bur* ben 3?!«^ 
fahren ? 6r f*eint mir febr tief ju fein bei bet 
Srüde; unb auf ber anberen ©eite f*eint baS- 
Ufer febr bo* »mb fteil ju fein." 

„Sur*fabren fann i* ni*t, baS ift natürli*,. 
aber i* fpanne bie D*fen oom Sagen." 

„3a, baS mufet bu tbun." — 

ffraiij hielt fefer biel auf bie Ochfen, befonberS- 
auf ben alten SiK, wel*er au* eilt f*öner unb 
guter 0*fe war, unb feinem Sreiber gewöhn* 
li* auf’S Sort gehorchte. Sem gfranj mufete 
ber alte Sill au* oft als SReitpfcrb bienen, bent» 
wenn er ihn im 3dbe hotte, fo fefete er fi* auf 
feinen Dtiideii unb ritt juin ©toll. SiefeS liefe: 
fi* ber alte Sill ganj gut gefallen. Ser altr 
SiU war wirfli* ein fluger 0*fe, wenn man 
überhaupt einem Sbiere ein fol*e3 6igenf*aftS* 


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Pa» hintere (fnbe be» Pagen». 


79 


wort beließen barf; aber an einer bebeutenben 
Portion twn (Sigenfinn fehlte es ihm gu Seiten 
m«b nicht, befoitberS wenn ber ©ille feines 
IreiberS mit ben Sebürfnißen feines ©agenS 
in Konflift tarn. @iii fold>cr Älonflift faßte nun 
balb jum Ausbruch tommen, bei meinem aber 
nicht Der Treiber, fonbern Siß ben Sieg bauon 

&r Heine gfluß, über ben bie Srütfe führte, 
hatte auf ber einen Seite, mie fdjou angebeutet, 
ein ungefähr fünfzehn 3?uß hohes, fteileS Ufer, 
auf ber anberen Seite ein niebereS unb flaches. 
Oie Sriide führte beSßalb ein wenig bergauf. 
Worts, troßbem auf ber einen Seite ein auS= 
gegrabener fpoßlmeg unb auf ber anberen bie 
6 rbe hoch aufgeworfen war. 

911s fich ffrang mit feinem fjuhrwerte bet 
Stüde nahte, ba fing ber alte Sill an immer 
rofcber gu laufen, ohne baß fjram fogleich ent= 

( iffem tonnte, was er im Sinne patte; boch es 
oßte ihm halb tlar werben. 3 n ber ©iße ber 
Srüde, gerabe als fjrang ben ©agen anhalten 
wollte, um bie Ochfen abgufpaitnen, ba lentte 
bet alte Sill fdjnefl rechts ab, unb lief mit ©a= 
gen unb aüem bem ©aßer gu; ber alte 3 'm 
mußte mit, ob er wofite ober nicht, ftranjfchtie: 
Jbo\ ho! ho!" auS ooflem £>olfe, unb bie Utiutter 
fcprie auch: „C>alt! halt!" aber ba war tein £>al« 
ten. 3 n biel weniger 3 e *t, als wir brauchen, 
nm es 311 erzählen, ftanben bie Ochfen bereits 
bis an ben Seih im ©aßer. 3eßt erft gehorchten 
fte bem „£ 0 !" beS Treibers, unb ließen fi<h baS 
©affet wohlfchmecfeu. 

Oie oorberen ätäber beS ©agenS ftanben 
ebenfalls im ©aßer unb waren tief eingcfunten 
in ben Schlamm unb Sanb am Dtanbe beS 
fjlußeS. 

ginen ©igenblid faßen ftrang unb feine ©ut= 
ter mie oom Schrecten gelähmt auf ihrem Siße 
ohne ein ©ort gu fagen. fjfranj brach guerft bas 
Schweigen. 

„Oer miferable alte Siß, ber ift Schulb an 
ber ganzen Sach’." 

,,©aS ift aber jeßt gu machen?" frug bie 
TOutter ängftlich, „burchfahren tonnen wir boch 
nicht ?" 

„ 3 <h weiß nid)t, was gu tljun ift," erwiberte 
O'raitj, inbem er aufftanb unb umherfhaute. 
„©enn baS ©affer auch nicht gu tief wäre, fo 
fönnten wir boch nicht auf ber anberen Seite 
hinauf. £erumbrehen fann ich auch nicht, benn 
auf biefer Seite fteßt bie Sriide, unb auf biefer 
breht fleh ber 3fluß fo lurg, baß ich nicht (Raum 
genug ^abe. ©§ ift tein anberer ©eg, ber ©a= 

S n mul rüdroärtS mieber auf bie' Straße ge. 

oben »erben. Sielleicht geht baS. wenn mir 
bie »epfel tjxerabnehmen, baß ber ©agen nicht 

ffiiÄ'i fln We ® r kit. ® er Weine 3 oljann, 


ben bie ©utter auf bem Schoße hielt, mürbe 
auf ben Siß gefeßt, unb mäfjrenb fjrang bie 
Säde im ©agen aufhob; hob fie bie ©utter 
oom ©agen herab. OaS war balb gefächen. 
Oie Ülepfel, welche im ©agenbrett lagen, mußte 
man natürlich borinnen liegen laßen, ©ährenb 
biefer 3eit ftanben bie Ochfen gang ruhig im 
©aßer, unb 3 ?ranj meinte einmal: „bie beuten 
jeßt ruhig über ihre Oummljeit nadj." 

9tun galt’S, ben ©agen rüdmärts mieber auf 
bie Straße gu bringen. OaS mar aber teine 
Heine Aufgabe. Oer tleine 3ohann faß immer 
noch auf bem ©agenfiß. Oie ©utter griff in 
eines ber hinteren SFtäber, unb fjrang ftellte fi<h 
mit feiner fRutlje auf bie ©agenbeihfel gwifchen 
bie Ochfen, unb fing an, biefe auf bie Köpfe gu 
fdjlagen, baß fie ben ©agen gurüdfhieben foß. 
ten. Sie fchoben ben ©agen auch, aber nur tie« 
fer in ben Schlamm unb Sanb. 9lm Oarauf« 
fdjlagen unb Kommanbiren ßafS ffraitg ficherlich 
nicht fehlen laßen; aber afleS wofltenicpt helfen. 
3?rang ftieg mieber oon feiner Oeichfel herab, 
unb betrachtete ben ©agen oon aßen Seiten. 
Oa auf einmal blißte ein funtelnagelneuer @e. 
bante in ihm auf, unb er fagte gu feiner ©utter« 
„ 3 eßt weiß ich, was ich tlju’." 

„ftun, was benn ?" 

„3<h fpanne bie Ochfen ab, unb fpanne ße 
mit ber Kette au’S hintere (fnbe beS ©agenS, 
bann tönnen fie ihn ganj leicht auf bie Straße 
gießen." 

„3h weiß nicht, ob baS geht," erwiberte feine 
©utter bebentlich. Slber fjrang oerfidjerte: 

„OaS muß gehen; ich tann gar niht fehen, 
warum nicht. 3h nehme bann bie Oeidjfel, fo- 
balb fie aus bem ©aßer ift, unb lenfe ben 
©agen, bis er auf ber Straße ift. OaS ift auch 
ber eingige ©eg, mie mir ben ©agen mieber 
herausbringen." 

„9tun, bu lannjt eSterfuhen; etwas müßen 
Wir tßun; Wenn nur ber Sater ba wäre. 91bet 
wenn bu bie Cdjfen hinten anfpannft, bann 
nehme ich ben Kleinen oom ©agen; wer weiß, 
wie es gehen tönnte." OaS war auch ein glüd» 
licßcr ©ebante. ©ir meinen nicht Drängens ®e« 
bante, bie Chfen am hinteren Snbe beS ©agenS 
anjufpannen, fonbern wir meinen ben ©ebanten 
ber ©utter, ben {(einen 3 ohann herabgunehmen. 
Oenn wäre biefeS nicht gefhehen, es hätte ihm 
mabrfheinlih baS 8 eben getoftet. 

9tun ging 3 *ang an bie Arbeit, fein ©eifter. 
ftüd in Ausführung gu bringen. ©S nahm nur 
furge 3eit, bie Chfen Oermittelft ber Kette an 
bie hintere 9lhfe beS ©agenS gu fpannen. fjrang 
bemerfte, baß bie Kette ein wenig gu turglei; 
aber baS ließ ßh jeßt nicht änbern. (fr fteflte 
ßh neben bie Chfen unb trieb biefe ein wenig 
an. OaS ging ja gang Oortrefflid). Oie Oeihfel 
War bereits aus bem ©aßer. Oie ©utter mit 


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80 


$f. Sribune. 


bem _fleinen Johann auf bem Sirme ftanb ba* 
neben unb fab bem foinifchen Sn^rnjerfe ängft* 
lidj ju. Sfrattä trat ttun juriitf unb mit)nt bie 
Teicbfel in bie ftanb, um ben ©Jagen 311 teufen. 
Stun trieb er bie Ocbfen wiebcr ntt. Ter treibe 
Sfirn mar in feiner (Site; aber ber rafebe ©ill, 
burch bie bieten ftiebe auf ben ftopf nod) fettrU 
ger geworben, 501) fcbnell an. Ta befam ber 
faule Sfim einen Stoß bom llßoflen, ber il)n aus 
feiner Trägheit aufmedtc. Gr tpat einen Sprung 
uormürtS unb ber jmeite Stoß traf nid)t it)n, 
fottbern ben Sill. Tie ©Jirtung fann man fich 
leicht benfen. Kaum jel)n Sefunbcn tuaren ber= 
flanken, fo batte fjranj feine Teicbfel tnebr in 
ben Rauben, unb bie Cchfeit tiefen faft fo fcbnell 
als ©ferbe mit bem ©Jagen babon; 3 ?rattj batte 
bloS baS Stncbfebcn. Gr febrie loobl mit aller 
Mad)t: „fto! bo!" aber bie Ocbfen barten baS 
nicht. Tab bie SJtutter aud) febrie, leiüt fid) leicht 
beulen; bat ja fogar ber fleine Johann feine 
•Stimme böreit (affen, ol)ue eine anbere Urfacbe 
31t roiffen, al§ baß eben alles febrie. ©6er altes 
Sebreien unb Stufen half nichts; beim bie Ocbfen | 
Waren mit ibretn ©Jagen nod) nid)t weit c\e= 
laufen, ba flog bas ©Jagenhrett mit Siebteln unb | 
©llcm herab unb ber uorbere 2 beit bes ©Jagens j 
oben barauf, unb mit ben hinteren Stübern, 
welche ftürjten unb rollten, oft hinter, oft neben, 
oft auf ben Od)fen waren, liefen fie baüou. 
5rait3 Warf einen Seiteublid auf ben 3erbrod)e= 
nett ©Jagen unb eilte bann ben Cd)feit nach fo 
fcbnell ihn bie ©eine tragen mochten. Tie Mut* 
ter blieb bei ber ©rüde fteben; was fie mäbrenb 
ber 3 fit, bah jyratt3 ben Odjfett nachlief, bort 
tbat, weift Schreiber biefeS nicht. 

©iS Sranj ungefähr eine Mette juriidgelegt 
hatte, ba fanb er bie Ocbfen jitternb unb aus 
uerfd)iebenen ©Junben blutenb ant ©Jegc fteben. 
GS batte fie ein SJtanu, ber au ber Straße ar= 
beitete, aufgehalten, unb ftanb nun bei ihnen 
unb betrachtete bas fotiberbare gfuhrwerl. ivraitj 
erjdblte ihm faft außer Sltbem in wenigen ©Jor* 
ten, was gefebeben war. Gr ging mit ^ranj 
jiiriicf 3ttr ©rüde. Tie Ocbfen würben boran* 
getrieben, unb ber Manu 30g bie Stüber, wäb= 
retib gratis ein wenig fd)ieben half. ©IS fie an 
bie ©rüde tarnen, ba ftanb fd)on ein anberer 
Mann beim jerbrochenen ©Jagen. Gr batte nicht 
weit babon gearbeitet unb ben Barm gehört unb 
mar getommen, um 31t feben, was gegeben war. 

Ter ©Jagen würbe untcrfucht, unb 311m ©lüde 
ftellte eS fid) heraus, baß nichts serbroeben war, 
als baS lange Stiid $013, welches baS uorbere 
unb hintere ©überwert mit einaitber uerbinbet. 

©Jäljrenb bie Mutter mit bem Keinen Johann 
in ein StadjbarbauS ging, um fich Ju trodnen 
unb 311 wärmen, benn eS regnete immer ein Kein 
wenig, ftellten bie Männer ben ©Jagen wieber 
her. ’ Stach ungefähr 3Wei Stunben War alles 


1 wieber in Orbnung, unb nadjbem ben beiben 
: Männern ber berslidjfte Taut abgeftattet war, 
ging’S ber fteimatb 311, welche fpäi in ber Stacht 
erreicht mürbe. 

Tie SJtutter er3äblte bie gnii3e ©efcbidjte bem 
| ©ater, mäbrenb gratt3 am Ofen fab unb ftiü= 
; febmeigenb 3ul)örte. Ter ©ater fagte enblich: 
„Schlimm genug; feib nur froh, bafs eS nicht 
noch fchliminer abgelaufen ift; ihr habt immer 
! noch große Urfacbe, bem lieben ©ott battfbar 31t 
fein." 

TieSJtutter erKärte: „Mit bem Keinen grans 
fahre ich aber nie wieber fort, ba lann man nod) 
unt’S Beben tommen; baS nimmt einen Mann, 
ben alten ©ill 311 treiben." 

Gütige ©Jochen tiad)ber fuhr fie boeb Wieber 
mit gratts fort; wie wollte fie fonft aud) attberä 
t()un. — 

gratts bat fpäter bie Ochfen nie wieber an’S 
hintere Gnbe beS ©Jagens gefpannt, b. h- im 
bitchftäblicben Sinne beS ©JorteS; im bilblichen 
Sinne bat er’S wol)l mehr als einmal oerfucht, 
aber jebeStttal gab’S ein „Unglüd"; unb er 
möd)te einem jebett feiner Befer ben guten Stath 
ertbeilen: Spanne ben ©Jagen nie am 
hinteren Gttbe an. 


& j}. fribuitf.*) 

©pu Sßilliam V. ftrennb. 

f orace ©reeleß, ber ©riinber ber Tribüne, 
mürbe 31t Slntberft im Staate Stcw ftotttp* 
fbire im 3abre 1811 geboren. 3m 3‘'bte 
! 1834 gab er eine Leitung I)craiU|/ bie bett Stauten 
„Stew ff)orter" batte. 

I ©IS 3 ournalift batte er% bclanbere gäbig* 
1 leiten unb grünbete bann int Sab« 1841 bie 
„St. $. Tribüne“. 

Gr war ein mutl)iger ©ertbeibiger ber Tem= 
I peren3 = Sadje, ber grauenredjte unb ber ©h= 
febafftntg ber SKaoerei. 

Tie St. $. Tribüne war ebenfalls bas Organ 
ber iirfprünglidjcn repubtitanifeben ©artei (rndi- 
eul Republican Party). 

3 fn 1848 würbe forace ©reeleb 311m Gongreh 
erwählt, unb es wirb gejagt, baß eS burch feine 
©emithuttgen war, baß-©brabam fiincoln an* 
ftatt Scmarb ©nuo 1860 bie Stomination für 
©räfibent ber ©ereiitigtett Staaten erhielt. 

3 n 1872 erhielt ber ebrmürbige alte fterr 
felbft bie Stomination als ©räfibent Don ber 

*) Gin« gute Stbbilbung beS XribunesOebäubeS brach: 
ten wir in einem ber früheren Jahrgänge. 


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82 


jl. Sribune. 


©reenbader Sßartei, würbe aber nipt erwählt, 
unb eine furje 3 C ** uap ber.SEßahl braute bie 
Sßreffe ben SobeSbeript beS alten Jlämpen. 

©ine Slftien»©efeUfpaft ber 9t. Sribune 
unternahm eS, ju ©pren beS oerftorbenen 3our» 
naliften unb Staatsmannes oor einigen fahren 
ein SDtonument in ber ©eftalt eines ©ebäubeS 
ju errieten, feilte ftept nun baS Unternehmen 
gnnjlip bollenbet ba, unb ift eines ber fpönften 
intb botlfommcnften ©ebäube ber Stabt 9tero 
Dorf. 

Der Deutfpe roirb geroöpnlip als ein guter 
Spwabe betrautet, bop miiffen mir Mterifaner 
ein wenig jurüatreten, meitn mir an alle unfere 
großen Unternehmungen beitfen unb napforfpen 
unb erfehen, bafj ber beutfpe ßopf alle biefe 
Unternehmungen entmirft, unb ber 9lmerifaner, 
ber gewöhnlich einen belferen ©efpäftStaft be» 
fißt, bie 99tittel liefert, um biefe Unternehmungen 
auSjufiihren. 

So ift bieS au<h ber fjall bei biefem Unter» 
nehmen gcroefen, beim ber geniale 6b. 6. 9tapt, 
lllrpitett, pat bewiefen, baff er fein ©efpäftber» 
fleht, als er bie fHane für bieS riefige ©ebäube 
entmarf. 

Der erfte Streit beS ©ebäubeS mürbe fpon 
bor einiger 3eit bollenbet. 35er Eingang beffelben 
ift an Sßrinting fjoufe Square, gegenüber bott 
©ito £aü Bart mit einer {Jacobe (Sront) bon 
92 Suß 6 3ott. 

Mf ber füblipen Seite, gegenüber fJteunb’S 
Buppaitblung erftredt eS fich 100 fjufe, 
auf ber nörbli<hen Seite, gegenüber Srenp’S 
£>otel, 29 Sufi 6 3oH unb bie öftlipe Sinie ift 
176 fjuß lang. 

Der erftgebaute Speil nimmt einen fjläpen» 
raum bon 4500 Quabratfujj unb ber neuerbaute 
einen SRaum bon 5400 Guobratfujj ein. 

Der neuere Speil ift einen Stod höher als 
ber erft erbaute, unb fomit ift bas ©ebäube an 
ber fjranffort Street 11 Stodroert pop. 

Das ©ebäube ift feuerfeft (fire proof), in« 
bem alle Pfeiler bon Stein finb. DaS fjunba» 
ment bis jum 2. Stod ift bon fernerem ©ranit 
unb ber obere Speil bon gepreßten Bhitabelppia 
Badfteinen, berjiert mit ©ranit, gebaut. Me 
Senfter haben rollenbe fjenfterlaben bon Sifen. 
Die innere Mbeit ift bon hartem $olj. 

Die ©änge finb bon importirten 9Jtetlap 3'** 
gellt, berjiert mit 9)tarmor»Safelroerf. 3tu 
Heller befinben fip 2 35ampffeffel. 

3mei ©leoatorS fteigen ben ganjen Sag auf 
unb nieber jur 9lccommobation ber 9Jtietpenben 
unb Befuper, unb ein befonberer ©lebator für 
bie bei ber Sribune Befpäftigten. 


3ebeS Departement hat feine eigenen 3'mmer, 
Welpe mit all ben petffpiebeneit Speilen beS ®e= 
bäubeS in' Berblnbung burp Sprechröhren 
flehen. DaS ©ebäube enthält 150 3imnier bon 
berfpiebenen ©roßen, Welpe meiftenS alle bon 
profeffionetlen Seuten befeßt finb. Die Schreib» 
ftube (counting room) ber 3«>*iing befinbet 
fich im erften Stodroert unb ift 22 bei 75 fjujj 
arofe, gefpmüdt mit einem überlebensgroßen 
Oelgemäibe beS ©rünberS ftorace ©reelcp. 

Der Sabentifp ift bon 9)iarmor unb außer« 
bem enthält buS 3immer bie feinfte 9Jtöbelarbeit. 
Die 3immer ber ©bitoren befinben fich im 9. 
unb 10. Stodroert, welche gut beleuchtet unb 
bentilirt finb. 2fm 10. Stodroert befinben fip 
ebenfalls bie Stereotbpen=3immer, roofclbft bie 

? Hatten, fobalb fie fertig finb, auf einem nur 
ür biefen 3md beftimmten ©lebator nach bem 
fteHer beförbert unb gleich auf bie Treffen ge» 
tpan werben, bie 15,000 Mbrüde per Stunbe 
liefern. 

DaS 3immer ber Seßer ift 165 Sich lang 
unb hat eleftrifche Beleuchtung; eS arbeiten barin 
100 Seßer. 

Die ©efeflfpaft behauptet, baff fie bie beften 
Mcomniobationen einer Druderei im 3n» unb 
SluSlanbe befißt. Ebenfalls rühmt fie fiep beffen, 
bah fie bie eingifte 3eituna ift, welche mit eleftri« 
fpem Drapt jroifpen SJafpington unb 9tero Dort 
in Berbinbung ftept. 

fjür Befuper ber Stabt 9tew Dort roirb eS 
fich lohnen, biefeS ©ebäube in Mgenfcpein ju 
nehmen; befonberS angenehm in ben heifeen 
Sagen ift bie frifpe Suft, bie einem entgegen« 
fommt, roenn man bie oberen Stodroepte be» 

^)a3 ©ebäube ift born Seitenweg 150 Safe 
poep unb ber Spurm 265 Sup, welches ungefähr 
5 Sah weniger ift, als ber Spurm ber betann» 
ten „Srinitp ©purep". 

Bon biefer fjöpe bietet fiep bem Befucper eine 
popp angenepme 9luSfipt über bie Stäbte 9tett> 
Bort, Brootlpn, Staten ^Slanb unb Qerfep 
©itp. 

Dies ift nur eines ber Dielen elegant erbauten 
©efpäftspäufer ber Stobt 9tero Dort, unb im» 
mer werben neue errichtet, bie, wenn fie auep 
niept fooiel Släpenraum einnepmen, boep man 
möcpte fagen bis in ben fjimmel hinein gebaut 
werben. 

2Ber bie 9t. D- Sribune lieft, roirb leipt ge» 
wapr werben, baf} ber gewanbte ©bitor — 
Süßpitelaro SReib — bie fpönfte unb beft»gram« 
matifpe Sprape feinem bebeutenben fiefertreife 
liefert. 


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furdj Srrungm jur IBehrljeit. 


83 


Purd) Strittigen |ttr Plni)rJ)dt. 

£in bnttf^-ammßant^rs ;3famifienßifb aus Bet Gegenwart. 

®*n 3« 3* We&wer. 

Vin. ©ater unb £>einri<h mußten felbft hie unb ba 

einen Dag in ber 2öod)e p fparen, um benfelben 
onate finb öevgnngen. 'Cer fjrüh« in iljver ©efedfcpaft ppbringen; auch fanb man 
lina hatte bie @rbe in neues, e§ felbfioerftänblich, baß bie ganje Familie fiep 
frinheS ©rün gefleibet. Der über ©onntag bafelbft bereinigte unb felbft 
Sommer mar ihm gefolgt unb Onlel £>ermanu [teilte fid) einige 3Jtale mit ber 
heiß brannte bie ©onite in bie Dante bei ihnen ein. 

©tränen unb ©affen ber Metropole. Der jäf>r= „3 cp !amt bie ©infamfeit nicht ertragen," 
liehe 9lnSpg ihrer ©erooljner mar halb in bollem flogte ber Oitfel, „unb feit £>arrt) berloren ift, 
©äuge. Die ©inen flohen in bie Serge, bie muß idj h't unb ba SLvoft haben, unb ben fann 
Inbern an bie SteereSfüfte, bie ©ommerhotelS ich mir nur aus ben frommen Mgen StinaS 
waren halb überfüllt, bie pradptooden Sommer« lefen. 9lcp hotte £>arrt) beineit SBarnnngen ©e« 
refibeujen, au ben Ufern beS £mbfonS, roie am hör gegeben, fo wäre eS nicht fo meit mit ihm 
©unbe gelegen, hotte» faft ohne SuSnapine ihre gefommeu!" 

Scrooljner aufgenommen. 2Bem bie Stittel ober Der Kummer beS CitfelS ging Men tief p 
anberc Umftäiibe e§ nicht erlaubten, ber heißen fiteren, unb um fo mehr, als fein fjünfdjen bon 
Mnofphäte ber ©tabt p entfliehen, ber filmte Hoffnung fich jeigte unb fein Drbft in irgenb 
fich bamit fdjabloS p holten, baß er fich ben meinem Umftanbep finben mar. „©erloren", 
zahlreichen ©ergnügungSjügen anfcploß, bie täg« baS mar ber einjige unb boch fo fd)recflid)e ©e« 
lieh eine große Stenge hinaus in bie freie ©otteS« banfe, ber fich mit bem Mbenfen an ben Ser» 
natur brachten. Die prächtigen Dampfer, bie fchmunbenen berbinben ließ, 
ben Song 3s(anb ©unb ober ben romantifchen „Stätte er oovigeS 3af)r, anftatt feinen flame« 
fnibfou befuhren, toaren jeberjeit ood befeßt, rabeu in Song ©rand) unchplanfen, ben uäm« 
©icnicS, ©jcurfionen, ©ommernochtfefte maren liehen 2öeg, mie ©lina, eingcfcplagen, fo mürbe 
an ber DageSorbnung, 9tuber= unb ©egel=2Bett= es nicht ein foldjeS 6nbe mit ihm genommen 
führten, fjifcbpartien u. bgl. fanben ihre be= hoben. Diefe frommen Seute hoben oderbingS 
geijterten Sicbhober. 9lucp baS Solf beS &errn eigentbüniliche Mficpten, benen ich nicht gaiij 
mar feineSroegS müßig, hotte eS fid; boch pm bestimmen fann; aber baS muß man pgeben, 
©runbfaße gemacht, fid) in bie 3*it p fepiden. ifjrSöeg ift jebenfalls ber fidjerere. 
Salb in ibpUifcpen SBälbcpen, balb ant SteereS« Unb für fold) fd»macf>e ©haraftere, mie mein 
geftabe fummelte eS fich für einige SEBodjen, um £)arrt) einer mar, ift ber fiebere 2Beg immer« 
bem £>errn ein 3feft p feiern unb baS Seß beS hin ber beffere. Utbcr ich ftaiib bem armen 3un» 
©oangeliumS auSproerfen. gen felbft im Süöege." 

Ocean ©robe hatte mie geroöhnlich auch biefeS ©o mechfellen bei Cnfel Hermann beftänbig 
3ahr mieber eine bebeutenbe Stenge angepgen. Klagen unb ©elbfttwrroürfe ab. 91 n ben ©ot= 
Die hübfehen ©ommerroohnungen maren mit ieSbienften nahm er nicht allein ohne SMberrebe 
©äften angefüdt; bie luftige 3eltftobt geroamt theil, fonbern jeigte auch roirflicpcS Sntereffe in 
immer mehr an MSbepnung unb in baS Stau« benfelben. Doch fprach er fich nicht meiter über 
fepen ber Sranbuug mifchte fich ber Sobgefang bie Vorgänge in feinem Innern aus, unb bie 
ber ftinber ©otteS, bie ©ebete hc'l^öegierigcr [Jreunbe maren roeife genug, auch nicht meiter in 
Seelen unb bie flare unb fräftige ©rebigt beS ihn p bringen. 

©DaugeliumS. £err Sehmann lobte oft bie ongebörten ©re« 

Stina unb ihre Stutter hatten eS ohne be« bigten, [teilte aber immer ©ergleicpe an mit bet 
fonbere ©chmierigfeiten p erreichen gemußt, baß alten £>eimatb unb meinte, man fönnte eben fo 
fie fich für einige 3*U bem Snubhiittenfeft am gut ein gläubiger ©hrift fein, roie bort, ohne 
SteereSgeftabe anfdjließen burften. 3hre lieb« auf folche auffadenbe ffleife mit feiner SReligion 
lidjie SÖopnung oont nötigen ©ommer ftanb ©ropoganba machen p rooden. 
ihnen mieber pr Verfügung, unb menn auch ihr Heinrich fchloß fich feiner ©chmefter mehr unb 
Dätertidfer ^reunb, ^)err SöilfenS, biefeS Stal mehr an. 3>n bem Serfchminbeu SedpS hotte 
fehlte, fo hofi e f^ina in ber 3<U mit manchem er bie erfte herbe iciufcbung feines Sehens er« 
theuten ©otteSfinbe ©efanntfmaft gemacht unb fahren. Diefen ©chlag p überroinben, mar ihm 
oft Durfte fie folch e unermartet im Stabernafel Khmer. Die greuben beS gefedfdjaftlichen Sehens 
begrüßen. Slber auch aubere JÖefuche famen. erfchienen ihm mehr unb mehr abgefepmadt. 



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84 Purd| Errungen jur iBaljrljeit 


habet mar ihm feine Sdjmefter ein SRäthfcl. Sht 
inncreb ©lücf, ihre ©eiterfeit uitb 8iebenbmürbig= 
feit bei alt ihrer, mie er eb nannte, ftrengen Dteligiö= 
fität, überrafebten ihn. (S*r fühlte, bah fie (Stmab 
haben muhte, ba^ fie meit über bie Shorheiten, ä>cr= 
fudjungen uitb Mein liebfeiten ber 3*>clt erhob. 3Mehr 
unb mehr mürbe in ihm ber Söutifd) lebenbig, biefeb 
(Stmab audj du bejifeen. (Sr fuebte bie Wahrheit, 
©ie $rebigt, mie bie ©otteobienfte im Allgemeinen 
machten gröberen (Siitbrucf auf ihn; er nahm feine 
SM bet Sur ©aitb, er oerf liebte eb mit bciti geheimen 
©ebete. (Srft unler beut Anfdjcin allgemeinen Sntcr- 
effed gab er beit (Sinmenbungen feiner noch uncr= 
leud)teten Vernunft nnb feinen 3mcifeln bei feiner 
Sdjmcfter Aubbritcf. (Sr liebte eb offenbar, ooit ihr 
miberlegt du merbeit. (Siitgchenbere Untcrrebungen 
maren nidu feiten, unb mohl bemerfte fie mit inni- 

S er ©anfbarfeit, bah bet ©eift 6)otteb (ein 23erf in 
em ©erDen ihreb Srubcrb angefangeit hatte. • 
Sa, er Oefchlob^ feine Sommer = S>afam gatiD bei 
feiner Scbioeftcr DUDubringen. Aber noch eine anbere 
Ueberrafcbuug mar äRina Vorbehalten. Am Samb* 
tag Abenb, alb ©einrid) sunt Antritt feinet Urlaubs 
in Ocean ©rooe eintraf, fanb fid) in feiner Wejcll* 
fdiaft and) Goufiit Sohanneb, ber am 3)?orgcn un* 
ermartet jitm Sieftufte eingetroffen mar. S3cfonbcre 
Familienangelegenheiten hatten ihn nad) s J?em£)orf ! 
geführt, uitb einmal bort, befcblob er, fich einige 
SBodien bei feinen Freunben auhuhalten. 

„Ad), Goufiit Sohanneb, mie tomrnft bit hichcr?" 
rief SKina bod)em*eut atib, alb ihr bie Anfömmlinge 
nnermartet auf berSJeranba entjicgentraten * „25ill- 
fotnmen, millfointncn!" bamit itreefte fie ihrem Gou= 
fin beibe ©änbe entgegen. 

„9lun, ©ainpfcr unb (Sifenbabn haben ihre 
Sdjulbigfeit gethau, unb einmal in ©ceait ©rooe 
angcfoinmen, haben mich meine gefunbeit SJeitie 
oolleubb du beinern hübfd)en Heftchen gcbrad)t!" rief i 
Sohanneb lacbenb, inbem er bie ©ätibe $?inab er- I 
rabte unb herzlich brncftc. „Snbeffen haben mich 
Familienangelegenheiten .nad) s )tem SJorf geführt, 
unb einmal ba, bad)te id), meine liebe Goufine mürbe 
Sßichtb bagegeit haben, menn ich mich ihr micber 
einmal oorftellte." ! 

„2Bie freue id) mich, bich hier du fehen," fuhr 
SBina fort, inbem fie ben ©aft nach bem ^Sarlor 
Dpg, mo bereitb 2$ater, Butter unb Onfel ©ermann 
ftcb befanbeit. Auch hier fanb ber neue Anfömtn= 
iittg freubige Aufnahme, unb uad)bent bie gemöhn- 
licben ©rübe aubgetaufdit, unb bie gegeitfeitigett 
(Srfunbigungen nad) bem Siefinbcn ber beiberfeitigen 
Familien beantmortet maren, bemerfte ©err Ceh= 
mann- 

,,®u fiehft, mir finb hier auf guten SBcgett. SRiita 
lieb eb fid) nidrt nehmen, biefeb Sahr mieber nad) 
Ocean ©rooe du gehen, mo fie, mie fie fagt, ®c= 
funbheit für 8cib unb Seele gefuttben hat; tinb ba 
mir nun einmal Alle unter ihrem Pantoffel ftehen, 
jo blieb unb nichts meiter übrig, alb ihr nach- 
Dufolgen. 

„Sch freue mich," fagte Sohanneb, ohne auf bie 
Iefetere fchcr^hafte fflemerfung eiiiDitgehen, „(Sud) 
AUc hier du finbeit, unb 5Diina mieber fo mohl du 
fehen." 

„Sd) mübte feinet) angenehmeren Ort Dur Gr= 
holung alb gcrabc Ocean ©rooe," meinte Onfel 
©ermann; „hier faittt man bod) einmal mirflid) 


SRuhe gettiebeit unb ©rholung fiitbett. SRadj Allem 
haben fiel) aud) meine Anfidjten beDÜglid) biefer 
SMetbobiften geäitbevt; eb mag maitdje ©citcbler 
unter ihnen haben, aber aud) fchr S>iele, oor benen 
mir beit ©ut abnehmen müffeu. Sm Allgemeinen 
finb fie im 9ted)ten unb junge teilte thuit beffer, ftdj 
ihnen aiiDufcbliehcn, alb mit ber heutigen fogeuantt- 
ten ©cfeUidjaft du laufen." 

„©ann bcfud)t ihr feine 23ällc unb Sheater 
mehr?" 

' „©ab mill id) nicht gcrabe fagen; aber nach ben 
lebten ©reigniffen in uufercr Fvcttnbfdjaft fann eb 
unb Aicmanb übel nehmen, meint mir nnb für eiitft- 
mcileit aub ber ©cfcllfchaft DurücfgcDogcn haben." 

„Sbr habt bod) fein Uitglüd gehabt?" fragte 3o= 
hauiteb erfdjrodcit. 

„Unglücf genug!" ©ie Fveuitbc erDählten ihm 
nun oou bem ä>crfd)minbcii 9iclh)b unb ihren trau¬ 
rigen SMfürdduiigcn in betreff ©arro3. SobanueS 
mar über biefe A'achvid)tcn tief erjehüttert, enthielt 
fich aber eiuftmeilen beiotiberc S>ctiicrfungcn an bie= 
fclben du fnüpfcn, alb bafe er feiner Sraucr Au3= 
bruef gab. 

©a ber Abenb fchr fd)ön mar, fo fdjlug er SOcina 
tiod) einen SpaDicrgang oor, twtb biefe tim fo bereits 
milligcr atinahm, alb ihr bcrfclbe CSjclegcnheit bot, 
fiel) ihrem ©oufiit gegenüber tiod) mehr aubDU= 
jpred)cit. Sie tbeilte ihm ihre Ätciuiofe tinb Skr= 
fuchungett hinfid)tlid) ber gefeUfd>aftlid)cn Skt* 
gnügungen mit, ebcitfo meldteil ©nttdiluft fie gefaxt 
tinb mie fie bcnfclOeit aubgeführt habe, unb meldieb 
bie tiächftcn Folgen ihreb ©ntfdiluffcb maren. 
„SSahrfdieitilid)," meinte fie, „mürben mir noch 
grö§crc Sdjmicrigfciteii in beit 2£c^ getreten fein, 
meint bab llnglücf mit SRcllo uitb ©arro nid)tge= 
fdichcn märe, ©od) faittt id) barinuen nid)t ©otteb 
Fügung erlernten. Sd) mellte oiel taufeub 3Kal 
lieber, id) hätte ein härtere* tireiiD du tragen, unb 
bab llnglücf, bab tinb Alle fo tief barnieberbeugt, 
märe nicht gefd)chcn." 

„®n follft eb aud) ttidtt alb ©ottcb Fügung be= 
trad)tcn, bafe beine Ftcunbe oerloren gingen," jagte 
Sohanneb, „aber ©ott meijj aud) bab S3ofe Dum 
©uteit du meitbeit. ©en ©einen hat biefer crfchüts 
ternbe Vorfall Dureniften Mahnung bienen müfiett. 
©ieje ^Mahnung fam für beine Utnftätibc freilich 
gerabc Dur rechten ücit. Aber eb ift traurig, fchr 
traurig, bah ber 3äkg ber Umfehr erft über tolcheb 
Unglücf gehen muhte." 

9Jtina erzählte nun meiter, mie fie fid) nur mit 
ihrer fDhitter näher bcrßirdie angefddoffen habe, 
mie nachgiebig S>ater tinb Ottfel ©ermann nun 
feien unb mclche Untcrrebungen fie fd)ott mit ©eiu= 
rid) gehabt habe. 

„.©offe," fagte Sohattneb, „ber ©en hat gemih 
fein Söerf att ben ©einen, unb er mirb eb du feiner 
3eit aud) hinaubführen. Unb mab ©einrich attbe^ 
trifft, fo habe ich heute fdtott beutlich gefeheu, bah 
(Stmab in ihm oorgeht. Sd) glaube, er ift nicht mehr 
ferne oom 9teid)e ©ottcb." 

©er Abenb vereinigte noch bie gaitDC Fnutilie duui 
gemeiitfatiien ©ebete, rneUhem fid) felbft Onfel ©er^ 
maitit nicht entDog, uitb beffen Leitung Sohanneb, 
alb attgeheitbem $rebiger, übertragen mürbe. 

Für ©einrid) mar bie Anfunft ooit gotifin Sohan- 
neb oon grobem Söerthe. (Sr fd)loh fid) aufb innigfte 
an ihn an unb fchüttete ihm mieberholtfein ©erDattb. 


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Purdj Srrungen jur JBaljrljfit. 


85 


„3<b habe," faßte er eineS £aße3, „feit 5Wonaten 
bie Sibel mit '©ebaefet ßelefen. 3d) habe liiancbe 
Spötterei meinet Onfel3 unb inand>e ©inwenbun- 
aen aebilbcter Seutc aeßen ihren Rabatt ßehort; aber 
ich miijfe ßeftehen, je mehr id) barinnen leie, befto 
ehrwürbißcr erfdjeint fic mir, tmb loenit irßenb in 
ber Kelt Kabrheit 311 finben ift, fo ift fie hier cnt= 
halten, (93 unterließt audi bei mir feinem Zweifel, 
baft, wer nach ben ^orfdmften biefe^ ©ud)e3 lebt, 
ßlücflicf) fein inuft. 9(ber id) fann nid>t leben, uue 
ich jemals im ©talibe fein werbe, barnad) 311 leben." 

„Äein SWenfd) ift bam au3 lieb fclbft im ©taube. 
*X)aviim bat un3 and) 6)ott feinen ©eiftanb oer= 
beiden unb feine $haft ift in ben Sdnoacbeit mäd)= 
tiß." 

,/Ba3 habe id) and) aelefcn unb id) habe and) um 
ben göttlichen ©ciftanb aebetet, aber ßerabe bann, 
wenn ich bie heften ‘Borfäfee ßefafet habe, treten mir 
allerlei Kibermärtißfeiten in ben 'Keß, unb ßerabe 
bann fomme id) um fo fdmeller 31 t 55a llc." 

faßte 3ohanne3 lädiclitb, „ift eine prafc 
tiiebe 3liuftration m ben.Korten ber heil, ©dirift: 
„3)a3©ate, ba3 id) will, Da3 tbue id) nid)t, fonbern 
ba3 ©öfe, ba$ id) nicht will, ba3 tbue id). 3dt eleiis 
ber 'üSenfcb, wer will mich erlöfcn bon bem Sctbe 
btefeS Tobe3?" 9lber weifet bu auch, wie c3 ferner 
heiftt? „3d) baitfe ©ott burd) 3efum 
6 b r ift um." 

„3cb weife nicht, wie id) ba3 oerftehen foft." 

„Sieber ©cinrid), bu muftt bie beiliae Schrift nicht 
blo3 alß eine äiifammenfaffuna oon Sehren aufeben, 
bie wir ßlauoen, ober oon iBflichten, bie luir au3- 
üben tollen, ©ie ift oielmehr im weiteften Sinne 
linfereS ftufecS Seuchte unb ba3 Sicht auf nuferem 
Keae. ©ic führt un3 in unfer ftera; fie lehrt im$, 
un3 felbft m erfennen, bamit wir and) bie ßottliche 
©nabe recht erareifen möchten. 3» nn3 ift feine 
Ihraft 311 irßenb einem ©uten, wir finb oon 9?atur 
flau* unb ßar, burth unb burd) oerborben, werben 
aber ohne $erbienft ßerecht au3 feiner ©nabe, 
burd) bie (Srlöfunß, fo burd) 3 efuin Kbriftum ße^ 
fchehen ift." 

„3d> oerftehe," faßte Heinrich, „ba$ ift bie Sehre 
ber Sufee, be3 ©laiiuen3 unb ber fteiliamiß. 3d) 
fehe bie Kabrheit biefer Sehren ein, aber bie ent- 
fprethenben ©efühle maitßeln mir, um biefeit Keß 
|u ßehen." 

„(53 fommt babei auch nicht auf ltnfere ©cfühle 
an. ‘Die ©aaptfadje bleibt immerhin, baft wir ben 
rechten Keß ß e h e u, bie ©efüble feien, welche fie 
wollen." 

föcinridj fchien biefe3 nicht red)t 311 oerftehen, hoch 
oerforach er, ernftlich über ben ©eßenftanb nadjju 5 
benfen. 

‘Den folßenben Äbenb war ber ©eßenftanb ber 
'JSrebißt: „‘Eie ©efahren, benen nufere 
3ußeub anSßefcfet ift." Der fMmcr nahm 
Aiim Silbe ba$ ©eeuußebeuer, weldteS fürriidj an 
ben ©eftaben oon 9?eticnalanb oon 55ifdtern ße~ 
fanaeit rnurbe. (Sr befdwieb, wie baffeibe in ber 
liefe be3 3WcereS auf Scutc lauernb feine unßcheu^ 
ten /Vanßarme an3ftrccft unb aüe3 Sebenbiße, ba3 
in feinen fflercidj fommt, erfafet, unwiberftehlid) in 
bie liefe rieht unb ihm Slut unb Sehen au3faiißt. 
3 )ann wieS et hin auf ba8 Unßeheuer ber mobernen 
SBeltfiift. Ghc befdirieb, wie baffeibe in Beitunßen, 
%nm§ebiü8t Sßlafaten u. f< w. feine Sodfpeife au& 


fteüt; bann weißte er auf bie Saufenbe oon @aloon 3 , 
©piel = Rollen, Sbeater, ©diaububen unb 3 Ser= 
fluiißiinßoplabc, auf bie wohlfeile, .'petj unb ©e= 
mfitb oerßiftenbc Unterbaltuiißßliteratur, unb e\\U 
warf io ein furd)tbare3.Silb oon bem s Herbcrben, 
mit bem liniere heutiße 3 iißcnb hebrobt ift unb mit 
ber^beweßlidien Korten wie» er bin auf bic jaus 
fenbe oon blühenben ^enfebenleben, bic iabrliih in 
unferem Sanbe bem Uiißchcticr ber mobernen Kclt- 
luft mm Opfer fallen. Unb wer fann bieic» Her* 
berlen aufhaltcn? C5r M'ißte, bafe bic fDiadit ber 
Siufternife ihren 6 inftufe bi» mm (Silbe ber Säße 
ßdtenb machen werbe, unb baft e3 baher vor Allein 
ßeltc, für fiel) felbft unb bic ©einen ©idieihcit , 51 t 
fueben. Unb wo ift Sicherheit m finben, al^ allein 
beim •t'errn! 3cun erfolßtc eine crßreifenbe (Sr= 
mahnuiiß an bie3ußcnb, Schuh unb ©idicrhcit bei 
3efu m Indien, ber fein Seben audi für fie bahiu ße= 
ßeben. 3 inn ©d)luffc forberte er biejenißen, loelche 
entfchloffeu feien, ber ßefcihrlichcn Sufi ber Kclt ben 
SXhfchieb mi ßeben unb ©chufc unb ©icbcrbeit bet 
3cfu 311 fueben, auf, biejeo burd) Sluffteben 31 t be= 
3 eiißen. 

9ludi Heinrich loar unter benen, weld'e oon ber 
£raft be3 Korte3©otte3 tief evßriffen, anfßcftanben 
waren. 9lbcr nun folßte weiter bie (Sinlabmiß, 
ßerabe iefet Sicherheit 311 fudien, unb fidi 311 biefein 
8wecfc am Elitäre 3 » ßemeinfdiaftlidiem ©ebete 311 
oercinißen. — (Sein heftißer itampf entftanb in ber 
Sruft bc3 imißen 50?anne3. ffiie oft hatte er ßcßen 
biefeo Kefen am Elitäre rebeu unb felbft fpotten 
hören, konnte benn nur ba ©nabe unb &eil ioiber= 
fahren? Unb wa3 würben bic ©einen, wa3 feine 
ftreunbe unb Sefannten faßen, wenn er fid) ßleid)= 
falls fo oor ber ßamen Serfammluitß 311111 ©cbau= 
fpiele hinoabe? — 9lbcr ßeßenfiber biefen ©inflnfte= 
ruitßcn fühlte er audi, al3 wenn ihm iefet bae .^eil 
ßam befonberb nabe ftanbe; alo ßältc e3, iefet ober 
nie baffeibe 3 U erfaffen; er fühlte, bafe wenn er jefet 
oorßiitß, er ßleichfam bie Srücfe 3 urürf 3 tir Kclt 
hinter fidi abbrad). Unb war e3 uidit ßerabe bicieS, 
wa3 er eigentlich) thun follte unb and) wollte? 6r 
warf einen Slid auf feinen ßoufin 3ohanne3, ber 
neben ihm faft. „©oll id) mit bir oorßchcn ?" fraßte 
berfclbe. ^a^ ßab ihm neuen SD?uth: „3a, fonim 
mit mir!" flüftertc er, unb am ^Irinc fciiteo Srcuiu 
be3 fdiritt er 311 m Elitäre. Kic fein £>ei *3 Hopfte! 
wie er bie 9ltißcn ber ßaiucn 3>crfaminluuß auf fiefe 
ßerichtet fühlte! 9lber er fühlte aud), bafe er int Se* 
ßiiffe ftanb, fid) feinem bimmlifdien SSater 311 über- 
ßeben. (Sine foldie s 3icihe ©ottee^ war jeinem .'Oerteil 
fühlbar, bafe feine Seele ßleidifam in bcrfelben ,ter= 
ffofe, unb wabrenb ba3 ©ebet feines SreunbeS für 
ihn ßcit ßimmel fließ, überßab er fid) mit Seih unb 
©eeie bem #errn unb erfuhr ba3 innere Beiißuift, 
baft er aitßcnomiuen war auö ©naben in 3efu unb 
bem ©laubenSßebet feineS RrcunbeS um ©rlöfuuß 
für ihn, folßte fein ®anfßebet für bie ihm ioicber= 
fahrene (Sriöfmiß. 

©3 war fpät, a!3 bie Familie biefen 9lbcnb 3 itr 
fRuhe aiiiß. ®ie Sreubenthranen feiner ©dnoefter 
unb 5Kutter waren ^peinrid) hier idion ein füfeer 
©ewinn. Unb er fah, baft and) Satcr unb Onfei 
nichts ßeßeit feinen ©dnitt einmwenben hatten. 
Unb wie fdmell nun bie 3 wei Kodien in Cceait 
©rooe oerfloßen! Oft überfam e3 ihn, wie ein 
©rauen, wenn er an bie Serfudjunßen uubScbwie^ 


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86 


Jtordj 3nungm jur JBaljrbeit. 


rigfeiteu bed täglichen CcBcnS bachte. ©ürbe er 
treu bleiben? ©ürbe er ß'raft haben, audauharren? 
3ohaitned lehrte ihn, feine Hoffnung auf ben 31t 
feben, ber gefprodjeit: „3<h mill bidj nicht oerlaffen 
noch oerfäumen." ($3 mosten grobe ©erfuebungen 
imb heftige Kämpfe beoorftehen, aber auf feiner 
©eite ftanb and) nicht blöd meitfcblicbe, fonbern 
göttliche ©ülfe unb ©nabe. 


IX. 

%n$ SRitttd Sagcbtnft. 

7 . ©ept. 18 —, Schon finb mieber etliche ©odjen 
bahin gefdjuuinben, feit mir oon Oceait ©rooe 311= 
rütf finb. ©ie fchneU hoch bie 3cit oergeht. 9 lber 
meid) eine herrliche 3cit haben mir auch bort oer= 
lebt! ©ie erguitfenb mar bie frifche ©eetuft; mie 
majeftätifch raufeftten bie ©ogeit bed Dceand; mie 
lieblich grünten bie ©iefeit; mie pracbtooll lieb ed 
fich auf bem fleinen See bahin fchiffen! 9 lber mie 
herrlich maren auch bie©ottedbieufte, unb mie oiele 
chriftliche Sreunbe burften mir ba feitnen lernen! 

9 lber baß ©errlidjfte oon 9 lllem mar bodj bie ©e= 
fehrung meinet lieben ©ruberd Heinrich. O mie 
©rofted hat ber ©err an und gethan! SRutter fchliebt 
fich mehr unb mehr und an. ©ater fagte, er habe 
nichts bagegen, menn Heinrich ein mahrer ßhrift 
gemorben fei. ®ad fei jebenfalld beffer, ald menn 
er in fchlechte ©efetlfdjaft geriethe unb ein trüber 
Sieberlich mürbe. i)a ed nun einmal in unferer 
Stamilie nicht tnöglid) 3U fein fcheiue, bie golbene 
uBittelftrafte innc 3» halten, fo fei ber ©eg, ben mir 
eingefddagen hatten, immerhin oorAujiehcn. Onfel 
©ermann fd)ien tief erfchüttert 31t fein, ßr fagte, 
hatte ©arro biefen ©eg eingefd)lagen, fo märe er 
nicht fo elenbigüch 311 ©runbe gegangen. ®er arme 
Onfel! ©arrod ©erfebminben brüdt ihn immer 
tiefer barnieber. ßr fcftilt iefet menig mehr über bie 
ßanteraben, bie ihn oerführt, unb bann ald er auf 
gefährlid)e ©ege gerathen mar» ihn im ©tid)c ge= 
laffen hatten. 9luer er ergeht fich in ben heftigften 
©elbftanf lagen. ßd ift nur gut, baft fein web ihn 
311 beffern ©Öffnungen bcred)tigt, fonft mürbe er ber 
SSerAmciflung anheim fallen. 

2 Bir haben nun redjt fchöne ©tunben 311 ©aufe 
unb bie ©egenmart ßoufin 3 ohanned trägt auch 
nicht menig ba3u bei. 3 n etioa 3 mei ©ocheit mill 
er mieber aoreifen. ßd iu biefed fein lefeter Sennin 
im ßollege. Näcbfted Srühjaht gebenft er tn’d 
©rebigtamt eiii3utreten. Seiten Sonntag prebigte 
er iu unferer ßiitbe. ßr hat ber ©emeinbe fehr gut 
gefallen; aud) ©ater, JButter unb Onfel maren fei= 
tted 8 obed ooll. ©eftern 9 lbeitb mar berSingdmr 
unferer ©emeinbe bei und. ©ir haben unfere 
ßoangeliumd= 8 ieber beinahe burchgefungen. Eibele 
8 . unb Sophie S. fangen ein httbfcbed $ 5 uett; unb 
einige junge NJäntter bcflamirteu hübfdie ©tücfe 
aud ber geiftlicben ©oefie. ßoufin ^ohanned hielt 
eine Slnfpradje, unb beoor mir und trennten, fnieten 
mir noch nieber unb er erflehte ben Segen ©otted 
auf alle ?lnmefenbe. ©ater mar bie ganae 3 cit 
gegenmärtig unb fchien fehr erfreut 311 fein. Nachher 
fagte er: „Sokbe ©efellfdiaften laffe ich mir ge= 
fallen; ficherlicb haben fich 9 llle gut unterhalten unb 
berSBorgen mirb feine fdnoeren ßöpfe bringen." 
3 d) hoffe gaii 3 gemift, ber ©err mirb und noch 9 lüe 


in feinem ©ienfte oereinigen, ßoufin 3ohanned 
glaubt ed auch, unb fpridtf undbeftänbiguButh 311. 

©einrich fd)eint fich ber ©efellfdjaft, bie er in ber 
ßirdje gefunben hat, fehr au freuen. S)er3ung= 
männcr = herein sieht ihn fehr an, unb er fehlt in 
feiner ©erfammlung. 9 Beine 2 ßäbdjenÜaffe iu ber 
©onntagfdjule bereitet mir oiele ftrettbe; nur fühle 
ich mid) fo ungefdütft unb untüchtig, bie lieben Äin* 
ber fo red)t auf ben ©eg ber ©ahrhcit 311 leiten, 
©err ßarter, unfer ©uoerintenbent fagte mir aber, 
ich feilte bie ßinber 311 einem befonberen @egen= 
ftanb meined ©ebeted madien unb im Uebrigen 
auf ben ©erni oertrauen. S)ad mid ich benn auch 
thun." 

12. Seot. ©eftern mar ein fehr erregter Sag. 
ßoufin 3ohanned fam foät am Nachmittage nach 
©aufe mit ber Nachricht, bah er eine ©pur oon 
Nello S. entbetft habe. 3 n grofter Aufregung frag? 
ten 9 lllc: „©0? ©ad meifttbu mehr?" ßreraählte 
nun, er fei eben burch bie ©omero gegangen, ald er 
Anfällig auf bie entgegengefefete ©eite ber ©trafte 
geblidt habe. ®a fei ihm ein junged 5raueii3immer 
aufgefallen, bad in einen Negenmantel gehüllt, fich 
mühfam burch bad ©ebrängc manb. ßr habe ihr 
9 lngefid)t nid)t gefehen, hoch ihre ©cftalt unb ©al- 
tung habe ihn jehr an Nello erinnert. ®a fei auf 
ber Strafte ein ©efehrei entftanben, inbem ein fiinb 
nabesu überfahren mürbe; biefed habe fie oeraitlaftt, 
gleid)falffi nach ber ©trafte au bliden, unb fo habe 
fie ihr ©efidit ihm Augcmenbet. ßd fei Niemanb 
anberd, ald Nello gemefen, er habe fie beutlich er= 
fannt. ßr mellte ihr fofort nacheilen, allein ald er 
bie ©trafte freiten mollte, famen mehrere Jöagen 
in ben 2Beg, unb beoor er fid) burchAuminben im 
©taube loar, mar Nello oerfebmunben. ßr glaubt, 
fie fei in eine ©eitengaffe gegangen, unb ftellte fo= 
fort ßrfunbigungen an, tonnte aber Nichtd and* 
ftnben. 

©ir maren 9 lüe in grofter Aufregung. 9l(d mir 
ihn fragten, mie ihr äudfehen gemefen fei, mollte er 
erft nichtd fagen, enblidj geftanb er 311, baft fie ihm 
fehr elenb unb franf oorgefommen fei. ®ie arme 
Nello! ©ad mohl aud ihr gemorben ift? ©ir ent- 
fddoffen und, ihrem 93 ater oorläufig nidhtd 311 fagen, 
aber genaue Nadiforfchuitgeii aiiAuftellen, unb 3 o= 
hanned erbot fi^, feine ganse 3cit 311 biefem 3mec!e 
311 oermenben. 

22. ©ept. Nello ift enblid) aufgefunben morbeit. 
9 frme, unglüdlidje Nello! ©ie ferner hat fie ihre 
Unerfahrenheit unb ihren Setcbtfinn büften muffen! 

ßoufin 3ohanned hatte oorlefete ©od)e gan3 redht 
gefehen. 3 n, Nello mar in Nem Norf. 3 mar maren 
alle uitfere Nadjforfchungen erfolglod geblieben, 
©eftern ^Morgen iebodi brachte ber Sßoftbote mir 
einen ©rief, bei beffen 9 lnblid id) midi eined lauten 
©chreied nicht enthalten fonnte. ®ie 9luff(hrift mar 
oon Ncllod ©anb. ©ir hatten eben bad äRorgen- 
effen oollenbet; ©ater unb ©etnrid) maren nod) ba. 
3ohanued mar ben ?lbenb Aiioor abgereift, ©chncll 
rift ich beit ©rief auf. ßd mar eine ßinlage au 
©errn 3- bariu, ihre menigeit 3cilen an mich fau= 
teten: 

„Siebe ÜRina! Um ©otted ©armheraigfeit millen 
übergieb biefen ©rief felbft in bie ©änbe meined 
©aterd. ©ereite ihn oor, ich bin fehr franf unb 
elenb. O oerurtheilt mid) nid)t unb oerftoftt ntid) 
nicht! S)eineuitglücfliche Nello." 


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Gock (e 



Purdj JJmmijm }ur gfaljrljeit 


87 


3 d> eilte fogleich mit bem ©tiefe gu &erut g. 
Sr mar bereits in feinet Office. 2Bie et ben ©tief 
fahr erbleichte er unb muhte fich «or Shifregung auf 
ben Xifch ftüfeen. St miufte mit, mich git fefeen, 
bann erbrach et ben ©tief, laS ihn unb reidjte ihn 
mit. Sr lautete: 

„Sieber ©ater! 3dj mürbe eS nicht gemalt haben, 
mich ie miebet birgu nahen, nachbem ich bich fo tief 
beleibigt habe. Slber ich bin jehr franf unb fühle, 
baß ich nur noch furge 3eit gu leben habe. O, unb 
ich fann nüht fterben, eS fei beim, ich batf noch eht= 
mal beiu liebeS Slngeßdjt feheit unb beiitc ©er= 
gebung erflehen. O, ©ater, fomm git mir! 3 a, ich 
weiß, bah btt fommft, unb bah btt beitte unglftduche 
Mochtet noch nicht «ergeßen halt, itomm halb, halb, 
mit fterben gu helfen. 3ch mohtte S2o. 657 *©trahe, 
4. glur. © eilte arme Stellt)." 

4 >ert g. war tief erfchüttert, hoch hatte er fich 
ebneü gefaßt. Sr gab feinen Untergebenen ruhig 
eine ©efehle für ferne Slbmefenheit; bamt fagte er 
gu mit: „ 3 ch werbe SRefip fofort heimholen. SBoßeit 
©ie, grdulein Sehmann, noch weiter mir unb Stell« 
einen ©efallen thun?—©ann bitte, eilen ©ie itad) 
meinem ©aufe, taffen ©ie SteßpS 3tmmer herrich= 
ten unb jenben ©ie nach ©r. ©., bamit er hier tft, 
wenn mit anfommeit." 

O mie gerne faate ich gu. &err g. eilte nun fchneU 
weg unb ich begab mich nach feiner SBohming. SS 
nahm etwa gmei ©titnben. ©er ©oftor mar fchott 
angefommen, alS &ert g. «orfu«r. Sr ftieg tafch 
auS bet Sittiche unb tru$ bann auf feinen Sinnen 
#eü« herein, ©ie hielt thn feft umfdjlungcn, bis 
et Re in baS jubereitete ©ett gelegt hatte; iefet erft 
fchien Re auS einet ©etäubung aufgumacheu. ©ann 
blidte fie mich mit einem traurigen Sddjeln an unb 
fagte: „O, mie banfe ich bir, liebe üRüia, bah bu 
©ater gefdjidt haft unb felbft gefommen bift. O, 
ich bin lehr franf unb fo tnübc!" ©ie oerfiel gleid) 
in Schlummer. O, mie abgegehrt unb Sletio fah 
fie auS, unb mie brannten bie totben Siede auf 
ihren SBangen. ©et ©oftor fchütteltc ben ffopf 
unb unterfuchte Re genau unb jagte: „©ieSdjwinb- 
fucht im höchften ©tabtum." 

&ctr g. Wien unter bet Saft faft gufammen gu 
brechen. 3 ch fragte ihn, ob ich ©Jutter rufen foßte? 
„ 3 a," fagte et, „grdulein gehmann, rufen ©ie ihre 
SSutter, ba$ wirb baS Sefte fein, unb nicht wahr, 
©ie «erlaßen unö nicht?" 3 d) «erficherte ihn beffen 
unb eilte heim, ©ater mar gleichfalls gu föauje unb 
nach furger ©erathung mürbe befebloßeu, bah © 2 ut= 
ter mit mit SteßpS ©Rege übernehmen foßte. — O 
bie atme, atme 92eßt>!" 

• » 

* 

ffiir haben hier übet bie Umftdnbe ber Sluffinbuitg 
5Reß«S unb übet ihr trauriges ©chidfal SinigeS 
nachgutrageu. 

£>err g. butte, nadjbem er ben ©rief SteßpS 
empfangen, fogleich eine itutfebe genommen, unb 
mar nach bielem fötn- unb ^erfahren enblid) auf 
bem begeichneten ©lafee angefommen. ®aS £auS, 
auf welche# bie Kummer lautete, mar ein büftereS, 
hohes (Sebdube unb fchien gahlreidje ©emohner gu 
haben. St fanb bie föauStbür offen unb ftieg bie 
treppen hinan. Sluf bem brüten ©oben angelangt, 
trat ihm eine einfach gefleibete aber refolut auS= 
febenbe Stau entgegen, bie ihn fragte, maS et in 


bem ©aufe fuche? föerr g. erfunbigte fich nach 
grdulein 97cUt> g., worauf bie fjrau heftig er= 
miberte: „©iefeS &auS ift ein ehrlidjeS £>auS, unb 
eS wohnen nur orbentlkhe Öeute in bemfelben. 3BaS 
wollen ©ie bei ber iungeu ©atne, bie inbeffen erft 
einige Wochen hier ift unb traut liegt, SBcnn id) 
gemufet hatte, baß fie&errenbefiiche empfangt, mürbe 
id) fie nicht aufgenommen haben!" ©ie grau, iu= 
bem fie &errn g. in ben SBeg trat, fchien nid)t 
übel 8 uit gu haben, noch eine ißeile in btefer JBeije 
fort gu ganfen, allein &err g., inbein er fie unge= 
bulbig bei ©eite fdjob, enoibertc: „UmÖotteSmÜleu, 
gute grau, halten ©ie mich bod) nicht auf, ich bin 
ia ber ©ater ber jungen ©aine." 

„®er ©ater?" fragte biegrau erftaunt, „nun 
bann ift eS etwas anbereS. ©ann aber munbert eS 
mich, mie bie ©ante in bieiem 3 uftanbe bagu 
fommt, hier ein Untcrfommen gu fliehen." 3nbeffeu 
gab Re föerrn g. ben 2Beg frei unb rief ihm, mäb s 
renb er bie oierte kreppe erftieg, bie 2 Beifung gu: 
„®ie gmeite Shür liufS." 

5luf fein Snflopfen rief eine fchmache Stimme: 
„herein!" 3 «t itdchften Jlugenblide Raub er in 
einem ärmlich auSgerüfteten 3inimer, unb oor ihm 
auf einem bürftigen, boch fauberen Saget fanb fich 
eine blaffe SeibenSgeftalt, auf ihren Sangen bie 
fchatf abgegrengte oerrdtherifche heftijebe Rtöthe 
brennenb, baS teidje blonbe ©aar mar aufgelbft 
über bie £i|feit gebreitet, ©ei feinem Sintritte er= 
hob fie fich, ftredte bie fdmeemeihen, abgegehrteu 
Ärme nach ihm aitS unb rief in Jhrdnen auS= 
brechcnb: „O, ©ater, ba bift bu enblid)! O, @ott= 
lob, ba§ bu bein thörichteS ftinb, beine arme SHeßt), 
nicht oerftohen haft. O, oergieb, oergieb! 2Bie un- 
glüdlich bin id) geworben, bah ich bich «erlaßen 
habe." ©o fuhr bie fieibenbe nod) eine SBeile fort, 
ludhrenb fie liebreich mit ihren gingern burd) bie 
grauen $aare ihres ©aterS fuhr, ber erfchüttert an 
ihrem ©ette niebergefunleu mar, unb fein ©iäbchen 
in feinen Firmen hielt. 

„O, 9 ?cßt)!" Rüfterte ber gebeugte ©ater, „mein 
armeS $inb, fage mir, mie fommft bu in biefeit 
3 uftanb." 

©ie Singen S?eß«S nahmen einen fonberbareit 
SluSbrud au, bann griß fie gbgernb unter ihr Riffen, 
gog ein abgenufcteS ©cutelchen her«or unb entnahm 
bemfelben ein gerfnitterteS ©tüd ©apier, unb baS= 
Selbe ihrem ©ater reichenb, fagte fie: „®aS bat eS 
getbau! O, ©ater, ^laub’ mir, id) wollte mir erft 
nur einen ©pah bannt machen, aber mie furchtbar 
habe ich bcnfelben buhen ntüßen." 

$err g. warf einen ©lid auf ben 3 ettel unb 
fuhr mie «on einer ©chlange gebißen auf unb 
«ergmeifelnb bie ©dnbe über bem Stopfe gufammen 
fchlagenb, rief er auS: „So habe uh bir felbft bie 
©ahn beS ©erberbenS geebnet!" 

®aS ©tüdeben ©apier mar ein SluSfdmitt auS 
feiner eigenen 3eitung unb enthielt folgenbe Sin- 
geige: 

„Sin junger ehrenhafter SKann, «on gutem 
SluSfchen unb reichen Mitteln, münfeht bie ©c= 
fanntfehaft einer aebilbeten jungen ©amc 311 
machen, ©trengfte ©iSfretion gugefid)ert. Slbreße 
SB. £>. ©oftoffice." 

Sr fanntc biefe Slngeige wohl, .^err Lehmann 
mar gerabe in feine Office gefommen, als er bie- 
felbe angenommen hatte. Sr fah fie auf bem 


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88 


Purdj Errungen jur fflaljrljett. 


Oifche Ueflciif unb barauf binbeutenb meinte er: 
„9lber, lieber 3*., beuten Sie, baß fid) fplche 9ln= 
geigen auf bie i'ängc ber 3eit begabten? Oas 
bringt ja 3brc 3«itung in Serruf." Er batte 
baraut geantwortet: ,,9ld) wa3 flimmern fiel) bie 
Öeute baruin, braud)t ja 9iicmanb barauf gu ant¬ 
worten unb wab bie ©auptfacbe ift, biefe Singeigen 
werben gut begablt." 

Slengftlicb bliefte bic; Alranfe auf ihren Sater 
unb in Xbräiten auobredjenb bat fte in ben ruh 
rfnbftcn 9luäbrücfen um Vergebung, bi£ ein hef- 
tiger ©uftcnanfall fie beinahe gu erftiefen brohte. 
Oer Slnblicf ihrer Öcibcn brad)te ©errn 3- wicber 
gu fid) unb fich aufraffenb tagte er: „Sei ruhig, 
liebet Atinb, ich will bid) foglcid) nad) ©aufe neh¬ 
men, bort fannft bu mir bann ergdhlcn, wie Slllco 
gefommen ift." 

Oann öffnete er bie Obüre, um 3emanbcn hcr= 
bei gu rufen, Er fah bie grau, bte ihn empfan 
gen hatte, unten an Der Xreppe ftchen unb erfuchtc 
lie, herein gu foinmen. Sie war bie '-Kerntietberin 
ber Bintmer. (Sr bezahlte ihr bie’aufgclaufenc 
SOJietbe, lieg fich für 9?cUn einige Stärfungbmittel 
reichen, bann würbe fie gut in warme Ofuher ge 
widelt unb in bie Atutfche getragen, Salb war 
fie wieber in ihrem Hinunter, unb bie forgfdltigc 
pflege 3)?ina^ unb ihrer Butter weeften nod) ein¬ 
mal in (Stroaä ihre Vebenbfräfte. 

E3 folgten nun Oagc hci&cn Ala tupfet, ba bie 
Alraft unb Hoffnung ber ^ugenb oetgwciflungäoolJ 
mit ber tüaifchen Alranfbeit unb Dem lobe rang. 
„Sich wie jchredlich, nod) fo jung unb fd)on fterben. 
9ld) ich möd)te nod) fo gerne langer leben. s J0lufj 
id) bentt wirtlid) fterben ?" jo flagte fie oft in 
hergbred)citber SBeife unb e 8 oeburfte ber gangen 
Stanbhaftigfeit eineä gottlicbenbcn Öemütheb, 
bie Atranfe gu beruhigen unb fie auf ihr Eitbc, 
ba3 langfam aber unabwenbbar heran rüdte, 
porgubereiten. $n ihren Unterrebungen mit ihrem 
Sater tarn auch nach unb nad) baä Oidthfel ihree 
gebeimnifwollcn Serfd)winben3 an’3 Xage3lid)t. 

(§3 war eine traurige, aber nur gu oft fid) wie* 
berholeitbe ©ejehiebte. Sie war ein’ä ber Dielen 
Opfer, bie alljährlkh beut Ungeheuer be§ geheimen 
Serbred)en£ gur Seute fallen, ba3 feine gahlrcidjen 
gangarmc ftetö in ber 3ßcltftabt a liege ft reeft halt. 

Etwa 3 90Jonate oor ihrem Serfdjwinben hatte 
Slellp eiltet üDiorgen# g(eid)gültig einen Slid auf 
bie auf bein Sifcbe liegeitbe 3 citung ihree SaterS 
geworfen unb ihr Slicf blieb auf ber Oben be= 
geichneten Sin geige haften, ßangcweilc unb ein 
Slnfall toller ^aune reiften in ber Seele be$ 'JMab 
d)en$ einen Slan, fich felbft eine romantifebe Se= 
fd)äftigung gu Derfchaffen. „Oa3 wäre ein Spaß, 
biefe Slngetge gu beantworten unb ben Sd)reiber 
ein wenig gum Seiten gu halten." Sdntell fdmitt 
fie bie Slngeiae herauf unb Derbarg fie in ihrer 
Sörje, bann tdmeb fie ein buftigeS Sriefcbcn unb 
wart eä in ben Srieffaften einer entfernten Straße. 
3 hr ©erg pod)tc ein wenig; aber wie luftig würbe 
e£ fein, unter einigen gebeimnißDollen jlnitialien 
einen Meinen Sriefwechfel gu haben. Oie Ant¬ 
wort ließ nicht lange auf fich warten. E3 war 
eine fchöne ©anbfdirift unb bie iBorte waren fo 
gut gefeßt. Sid)erlid), ber Schreiber muffte ein 
gebilbeterSKann fein! 2 ßere$ wohl fein mochte? 
Sie fchrieb alfo wieber unb trofe be3 Allopfeits 


ibreäftergen* immer wieber. Stach jebem Sriefe 
nahm fie fid) oor, baß es gewi§ ber lefete fein folite. 
91 ber bie Antworten waren fteto fo intereffant, 
Doller ©eift unb tfebenäluft, baß fie nid)t abbrechen 
tonnte. Eitblich Dermochtc fie ed nicht langer 
über’3 ©erg gu bringen, fie mußte feinen bringen* 
ben Sitten nadjgeben unb ihm eine stammen* 
funft gewahren. 

Söelcb ein hübfd>er, intereffanter 3 )tann unb 
geiftoollcr ©efeüjcbafter er war! 2 Bic fchön er gu 
veben oerftanb, unb wie 3 utraucn erwedenb fein 
gangem Senehmcn war. Süherlich tonnte e$ 
uid)t$ Unrcd)teb fein, je unb je mit ihm gufammen 
gu treffen, unb wie begaubernb war c^, hie unb ba 
mit ihm ein Vergnügen aufgufuchen. 9 . 3 ie liebte 
fie biefen ®}ann unb wie fehr war er ihr guge= 
than. ^a fie tonnte nidd anberd al^ ihm oer= 
fpredien, bie Seine werben gu wollen. Unb fie 
bat ihn, gu ihrem Sater gu fommen, ficherlich 
uu M irbe er feine (Sinwillignng nid)t Derwcigern. 
9lbcr er meinte, ba£ hatte ja nod) 3 cit, feine 
Stellung fei nod) nid)t gefiebert genug, fein Äilemob 
heim gu führen, unb Dielleid)t tonnte beßhalb ihr 
Serfchr unterbrod)en werben. 93ohl regte fich 
92eUt)^ Ötewiffen. 91 ber er wußte ihre Sebenf= 
lid)fciten fteto in fo berebter iöeife gu entfrdftcn 
unb ba$ bkheimniß war ein fo jüßeö, bafe fte ben 
3auber nicht gu brechen int Staube war. 

(Snblid) fd)lug er oor, bafe fie im Stillen fid) 
initeinanber trauen laffen wollten, (vr fdnoor, 
baß er nid)t mehr ohne fie leben tonnte, unb geigte 
ihr Aiiglcid), baß ihr Satcr ihre Serhcirathung 
jefetbod) nicht gugeben würbe unb bah fie, wenn 
fie gu ihm tarnen, am (Snbe für immer getrennt 
würben. 2Bcnn fie erft oerheirathet feien unb er 
fehc, wie glüeflid) fie fei, fo wäre feine Sergeihung 
leid)t gu erlangen. Sie war gu wenig weiter^ 
fahren, um bie ihr gelegte Salle SU feben; bagu 
hatte fie ihren 'Kater unb ihre greunbe beftänbig 
gctäufcht unb fie fühlte feine Alraft, fich ben 3au= 
berbanben, bie fie umfdjlangen, jept nod> gu 
entgiehen, ihr arglofeö 63emüth war burd) füße 
Sd)tneid)elworte leid)t bethört, ihr ©erg flopfte 
gwar, aber bod) gab fie ihre Einwilligung, fid) an 
jenem DerhängnißDollcn 9lbcnb trauen gu laffen 
unb bann fofort bie ©ochgeitereife angutreten, 
nad) weld)cr er fid) gang gewiß mit ihr ihrem 
Sater Dorftellen wolle. 

Oie Orauung fanb in bem ©aufc eineä foge= 
nannten greunbe^ ftatt. Oie ©od)geit£reife führte 
burd) alle bebcutenbe Stabte bib weit in ben fer= 
nen JBeften. greiüd) war fie ein wenig lang= 
weilig. E3 war gugleich eine Wefchäft^reijc. 3br 
@atte mußte ben Oag über feinen Öejchäften 
nachgehen unb fie war oft einjam. 9)?anchnial 
tarn er and) Derftimmt gurücf; einige 9Male fd)ien 
er nicht gang nüd)tern gu fein. Ood) wibmete er 
ihr alle 9lufmcrffamfeit unb führte fie Don einem 
Vergnügen gum anbern. So gelang ee^, bie 
Stimme be^ Öewiffenö in ihrem ©ergen gu über^ 
tauben. 

Enblich lehrte fie nad) 9?ew JJorf gurücf, aber 
anftatt nun einen eigenen ©ausftanb gu beginnen, 
mietbete man fid) m einem Soarbinghaufc ein. 
„3hr Sater würbe ihr geiuiß einen eigenen ©au^= 
ftanb einrichten," meinte 9lellp eine^ 9lbenbS. 
„Oa^ glaube ich fauni," gab er fühl gur Slntwort; 


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Purdj JJrnmgen ;ur IBöljrljeit. 


89 


pudern fön ne »t »wir noch nicht daran deuten, ttnS 
ihm üorjuftcücn. SÄeine ©efcbäfte flinken in bcr 
lebten 3cit 511 fchlecht, alS baß ich großen Slufiuand 
machen fonnte, uitb bu luirft nicht wott mir werlan= 
(tcn f baf* icf) mich ihm in Verbältniffen präfentirc, 
wo bcr Slnfpvuch auf Uuterftübung, ihm baS Stcd)t 
gebe, mit Vovnntrfe au machen. CDu mußt dich ge= 
dulden, bis meine Vcvbältniffc fiel) gebelfert baben, 
waS hoffentlich nicht mehr lange bauern wirb." 

So muhte lief) Stellt) aufvieden geben. Slber 0 , 
»wie jehvte baS ©eiunweh an ihrem ©craett. llub io 
SNanchcS tarn oor, »waS ihre 8age peinlich machte. 
‘Sic 8eute im aioarbinghauS jafym fie oft fo miß= 
trauijeh au unb fliifterteu geheitnnißwoll unter= 
einander. Und ihr (Satte jeigte fid) oft io falt unb 
gleichgültig. 

Unb endlich faut ein lag, — 0 , ein Sag beS 
SrtjrecfenS, ber fie auS allen ©intmelu eiltet er= 
träumten ©(liefet in baS tieffte Slcnd, in Schaube 
unb Verachtung ftieß. 3Bir übergehen bie näheren 
Umftänbe, »welche au ber fchredlicheit ßataftvophe 
führten. Sie erhielt citteS SageS bie uiiinnftoß= 
liehen 23e»weiie, bah ihr angeblidjer ®atte bereite 
»erheirathet mar, unb a(S fie ihn aufs hochfte ent= 
Tüitet jur Siede itellte, leugnete er nicht allein nicht, 
foitdern fchmetterte fie and) mit ber SRittheilung 
nieder, bah ihre wcrmeintlicbe Stauung nichts an= 
bereS alS eine mit feinen freunden unternommene 
Srarce »war. 3hre bittern Klagen nahm er bloS 
mit rauhem ©dächtet auf unb amüfirte fich hcrjlo^ 
über den Späh, ben eS ihm bereitet, während 
freund ®. io trefflich ben Pfarrer fpieltc und fie 
tu der andcicötigfteii ©emütbSwcrfaffung SllleS alS 
haare SRiinae angenommen habe. Slber Slellt) 
fonnte den ungeheuren Vetvug, ber an ibrwerübt 
morden war, nicht fajfeu; aitternb, bebenb an allen 
(Sliedern trat fie 00 t ben heralofen SReufcben, unb 
indem die Shränen ihr ©efid)t uhevitromten, rief 
fie mit erftiefter Stimme: „O iprich, ftreb!" bu 
treihit nur graufamen Scher* mit mir, iprich cS 
auS, alle diele S)ittge ftnb itidjt wahr, fo graufam 
fonnteft bu nicht an mir fein, ein folcßeS Verbte= 
chcn fonnteft bu nicht an mir begehen, 0 iag’ hoch, 
eS ift nicht wahr." Slber er autfte gieihgültig bie 
Siebteln, dann fagte er: „Siitmal muhte ft bu hoch 
bie Sßabrbeit erfahren, io fannft du iic eben io gut 
iefet wifien. ®u haft fein gcfcfelid)eS $ed)t an mir, 
boch deshalb werbe ich bid) uid)t oon mir »weifen, bu 
fannft bei mir bletbeu, fo lange eS bir beliebt; ben 
betrug, wie bu jpridrit, wirb Siiemaud naebroeifen 
fönnen." Unb alS S2elfo mit einer ©eberbe beS 
SlbfdjeiieS [ich oon ihm wanbte, fuhr er inbignirt 
fort: „Sine junge S)ame, bie auf Anfragen in ber 
Bettung anhwortet unb heimlich baS .^>ait3 ihreS 
Vaters wcrläßt, mit einem fremden SKaitne au fol¬ 
gen, hat, benfe ich, genug hewiefen, bah fie auf daS 
©erebe ber ßeittc nichts gibt unb folfte nicht auf 
einmal bie Sugenbbelbiit fpieleit »wollen." 

®iefe graufautc Siebe brach wolleitbS ihr ©et*. 
3Xit lautem Stuffchrei ftürate fte auS beut Biinmer 
hinaus, unb ohne rcd»t au »wifien, »waS fie that, 
paefte fie baS wenige ©cid, baS fie heiah unb ihr 
©efrfnncibe atifamiiten unb ftürate auS dem ©aufe. 
3 hrem erften 3mpu(fc folgend, beftieg fie eine ßar, 
um na<f> bem ©aufe ihres VaterS au fahren. SS 
war ein langer 2Beg unb »wie betäubt fah fie in 
bem SBagciif faum eines ©ebanfenS fähig. @itb= 


lieh war fte ait ber ©trahe angelangt, eS »war be= 
reitS fpät, im 3immer ibreS VaterS brannte noch 
8 id»t. Sie legte bie ©attb an bie ©lode, ba bttvch= 
auefte eS fie wie ein elcftrifchcr Sdjlag unb fie fuhr 
Sttrüd. JBer »war fie beim ? ®uvfte fie beim noch 
baS $attS ihreS VaterS ihre föetmath nennen? 
.’&atte fie ihn nid)t fchnobe wevlaffen? .^atte fie 
nid»t ©chmach uitb Sthanbc auf fein ©aupt ge= 
häuft? ©ehorte fte nid»t au beit Vcmwvfetteu unb 
Vevftohenen ? ^Durfte fie beimfebren ? 

Sleitt, 0 »tein! VSie ber Sitgel mit bem ffam= 
tnenbeit ©chiwerte wer bcr Vfwvte beS VnvabicfcS, 
fo lagerte fid) ihre Süitbc wor bie Shftre ihreS wä= 
terltd)ett ©aufcS unb feheudite fie himweg. Ver= 
niebtet, froftelnb, tuiatthiprechlid) elettb üblich fte 
»wieder fort, ©djrecflidje ©ebanfen peinigten ihr 
©era, aber ein guter Sngel beiwahrtc fie wor bem 
SteuBerftcn. 3n einem 33oarbittghaufe fand fte 
für bie Slacht Zuflucht, ©eit folgenbett Sag wer= 
faufte fie ihr ©efebmeibe, bawott fonnte fie einige 
Beit leben. Sinn fah fie fid) nach SKrbcit um unb 
fand folche. 

@ie tuiethete ftd) ein Bintmer ttttb arbeitete für 
einige girmaS, bie ihre ©efd)icflicl)fett itt feinen 
Arbeiten bald erfaitnt hatten. 5lber eS »war ein 
havteS S3vob. Kummer, Sletie, ©cinnweh aerriffen 
ihr ©era, die ungewohnte, anftrengenbe Arbeit that 
baS Uebrigd. Stliche s Dlonatc fcbleppte fie fitb fo 
dahin, bann fanf fie auf’S ftranfettlager. Sfrcunb- 
IwS unb rathloS »war fie ber $cra»weifltmg nahe, 
endlich entfchlwh fie fid), ihren Vater au rufen. 

„O »wäreft bu. jette Stacht gefoiittnen, mein 8ifh= 
ling," fagte ber Vater. „S)u hift nicht allein 
Schuld an beinern Unglücfe. kleine ©orgtofigfeit 
und ©leichgültigfeit tragen mit die Schuld. 3d» 
habe ber Süttbe hülfreid)e ©attb geliehen unb fte 
hat fich furchtbar an tttir gerächt." 

„Ö Vater, »warum muftte ich fo thßricht fein, wor 
bem liebften unb befteit Vater ein ©ebeimni§ au 
haben ? Sich wevgieh, 0 fage mir eS noch einmal, 
baß btt mir SlUeS uevgebeti haft." 

• • 

SS folgten noch »weiter heiße Sage unb SBochen, 
»wo ein jugendlicher, »weint and) durch fdviweve Seiden 
gebeugter ©eift mit bem bittevften Verhäitgttiffe, 
dem Sode rang. 

„SOluß eS denn fein, baß ich fterben muß ttttb bin 
doch nod) fo jung, ad) fo jung?" fragte fie oft 
SOliita, »wenn fte an ihrer Seite faß. Und bann 
fonnte fie »wieder ihren Vater bitten: „Sich lieber 
Vater, laß mid) bod) nidjt fterben, 0 »wie fürchte id» 
mich wor betn Sode. O Sob! 0 ©rab! »wie falt! 
»wie fdjattrig! Sich Vater, geh’ doch nid)t wott mir 
»weg, nimm mid) in deine Sinne!" unb wcra»weifelnb 
flammerte fte fich au ihn an. 

ÜBer fattit biefen 3ammcr bcfchveiben! ®wd) 
leife, leife awg aud) itt bicfeS weva»weifclte ©era fuße 
©offnung ein. SWiita eraählte ihr poit der©evv- 
(ichfcit beS ©imntelS — fie aeigte ihr, »wie Swb unb 
©rab nur baS fileid ber Stevblicbfeit treffen, »wie 
aber bie Seele beftimtnt ift, in e»wtgcr ©enchltch' 
feit fortaulcben. Siuhig uitb ftille, wie einem 
SWärÄcit, laufd)te fie erft ber fftßeu ©immelSbot' 
fchaft. S)attn eraählte SOJitta wott bem guten 
©irten, ber auSgegangen ift, baS werloreite Sd)äf= 
lein au fuchett, unb ber eS, »wenn er eS gefunden, 


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90 


Per Äroßooter unb fein (SnheL 


mit Stuben auf feine Sirme nimmt unb jurfuf 311 
feinet föeerbe trägt. 2Bie leuchteten ba bie fitfeen 
tö'inberaugen auf, wie begierig fog bie Seele bie 
füfee SMilcfe beS gnabenreidjen (SoangelitunS ein. 

Bmar folgte noch ntanc()c bittere Stuitbe fd>u>c= 
ren ÄainpfeS. Salb, bafe bie alte 3ugeitbfraft 
mit bcm Sobe [tritt, balb bafe bie büftere Ser-- 
gangenheit uttbeiloerfüitbeub oor bie Seele trat. 
Slber SKina batte bie ßrlaubnife erhalten, ihren 
Srebiger 31t &ülfe rufen 311 bürten, (SS mar ein 
achter Unecht beS $errn, voller Siebe 5» beu itn= 
ftcrblidjen Seelen. O mie herrlid) mitfete er baS 
licbenbe, für nufere Sünben gcftorbeite @otteS= 
lamm 31t febilbern unb auch peiitrid) lernte an 
bem Sterbebette feinet 3 ugenbfrcuitbin ben Söertb 
ber foftlidjen Serie noch hübet fchäfeeit. Unb bie 
©ebete ber ftreunbe fliegen nid)t umfoitft 311m 
Dhroite ber ©nabe; ftiller Jriebe unb heilige (Sr= 
gebuttg in ©otteS SBillen tebrten mehr unb mehr 
and) in bicjeS &er3 ein. 

Unb näher unb näher rfnfte bie Stunbe ber 
StuRofung unb ftiller unb ftiller mürbe baS arme 
mübegebebte £>er3* SllS fie am lebten Sage eine 
3eitläng anfcheiitenb ruhig fdjlummentb bagcle- 
gen hatte, richtete fie plofclid) einen ftrahlenben 
Slidauf ihren Sater. Dann Rüfterte fie: „Sieber 
Sater, ich glaube, ©ott meint eS gyt mit mir, 
bafe er mich oon biejer SBclt abruft. 28 er meife, 
maS no(h auS mir gemorben märe. 3d) bin |o 
fchmaefe unb fo thoridjt." 3hr Sater moüte fie 
beruhigen, aber leifeabmehrenb fuhr fie fort: „Sa§ 
mich nur, lieber Sater, baS Sprechen fann mir 
StticfetS mehr fdjabett. Der gute &irte hat mich 
gcfuitben unb jebt bringt er mich heim. 3a, ich 
mochte heim, nur heim!" — „Unb Sater f balb 
fonunft bu aud) bu, — unb bann ftnb mir Sille 
mieber beifainen; Sftutter, Slntolb unb Snbia unb 
Sille, bie uitS oorangegaitgen ftnb. Sei getroft, 
Sater, baS Sterben ift mir ni(ht mehr bitter; ich 
gehe heim!" 

©egen SWitternadR fam bie StuRofung. Die 
Sfreunbe hatten [ich Stile in bem Sterbe 3 immer 
inten gefunben. Sdnuer röchelte bie Ster= 
; hoch hellen SlugeS unb lächelnben Singe- 
fidjtS oernahm fie bie Sröftungen beS Soange= 
liurnS. SllS bie SBorte erf langen: „Unb ob id) 
fchon manberte im finftern Shcilc, fo fürd)te ich 
fein Unglüd." Da lispelte fie mit ihrem lebten 
erlofchenben Obern: „(SS ift nicht mehr finfter, — 
eS ift helle, helle — 0 mie fchon! — 3ft baS Ster= 
ben? — O ich fomrne — ia, ich fomme!" — noch 
ein Seitfjer, ein feligeS Säbeln unb — eS mar 
oorüber. — — — — — — — — — 

ffiirb bie elenbe ffain 3 =Seele, bie mit tcuRifdter 
Sift biefe holbe SMäbdjenblumc tn’S Serberben 
locfte unb fich bann hohnladjeub oon ihr hinmeg- 
manbte, and) eine folche Heimfahrt halten ? ®e= 
mife, eS giebt eine ©erechtigfeit. ©otteS SRühlen 
mahlen langfam, aber fie mahlen trefflid) fleht. 
SSeldje Silber merben fich an bem Sterbebette 
eine 3 folgen SerbcrberS 3eigen, menn baS Slitt 
ber gemorbeten Unfchulb um Slachc fd)reit unb bie 
bitrd) feine Sdnilb Serlornen mit taufenbfachem 
SBehe bie abfdjeibenbe Seele oerfolgen! 





Per d&roßtiater nnh fein ßjiliel. 

äWärdjen mit einer 8e|re non 3 . 9t. 


S mar einmal ein alter 9Wann, ber 
mußte feinen fleiuen (Snfei märten, 
meil Sater unb SMuttcr bcm töinbe 
geftorben maren. Der Ai leine ntadtte 
feinem ©rofeoater oiel Siotl), beim 
er mar ein unruhiges fiiitb. 2BaS 
aber bem alten SNaitn am läftigften 
fiel, mar baS unaufhörliche ©eplauber beS Sl ita= 
ben, ber nid>t mübe mürbe 311 fragen unb ben 
©rofeoater tiidd einmal fein äNittagSfcbläfdjen 
madjen liefe, ohne ihn 31 t ftoren. iS :tneS SageS, 
alS ber kleine mie immer plauberte, ber ©rofeoater 
aber nidit 311 m Sdjmafeen aufgelegt mar, oerlor 
ber alte 3)?ann bie ©ebulb unb rief sornig: „So 
mollt’ ich bod), bafe bir bie Bunge erlahmte!" Da 
mürbe baS Ätiitb ftiU, tan 3 te nicht mehr um ben 
©rofeoater mie fonft herum unb plauberte nid)t 
mehr mit ihm. DaS mürbe bem alten äWanne 
unheimlich, unb er bat baS Äinb: „So rebe bod)!" 
SUS baS ßinb aber fort unb fort fchmteg, fchlug eS 
ber alte S3iann, ber behauptete, eS fd)unege auS 
3:rofe. Slber and) bie Schläge maren oergeb= 
lieh; ber muntre, plauberluftige £itabe hntte bie 
Spradie oerloren. — 

DaS nahm fich ber alte SKann tief 311 ©ersen 
unb tonnte feinen (Sittel faunt ttod) ohne Xhräitcn 
attfeben. 61 * fafe oft traurig, in ©ebanfen oer= 
tieft auf ber fleinen Sauf oor bem £aufe unter 
bcm Slpfclbaum. (SiiteS iageS fefete fid) ein frciu= 
ber ernfter S?aitn oon ftillem, feierlidtent SKefen 
au bem ©reiS unb fragte ihn nad) ber Urfadte 
feines fiummerS. SllS ber Srembe oeritomuten 
hatte, maS ben alten SMaitn fo traurig madje, 
blidte er ihm fo tief in bie tbräneitfeud)tenSlugen, 
alS mollte er ihm bis iit’S ©er 3 fehen, unb fagte: 
,,©S giebt ein S)iittel, burd) meld)eS bein ßntcl bie 
Sprache mieber gemimten fann. Du haft oon 
heut ab ttod) smei 3 ahre 311 leben. SNit einem 
oon biefeit 3 mei 3uhreit faitnft bu beu Sann 
lofen. Slber bebenfe bich mohl: fomic bu eS bc= 
reuft, bafe bu ein 3«hr beiiteS ScbenS haft opfern 
molleit, bleibt beiit (Snfel für immer ftitntm." 

Da freute fid) ber ©rofeoater unb faßte, er molle 
gern gleid) fterben, menn er bautit feinem lieben 
Sittel, ber ihn immer fo traurig unb bod) fo lieb- 
reich aitblide, bie Spradte erfaufen föttne. 

So mürben bie Scibcn mit ein 3abr hanbclS= 
cinS unb ber Srcutbe fagte beim Sdtcibcn: „Damit 
bu meifet, mer id) bin, fo miffe, ich bin ber $ob; 
halte bein SBort; heute über ein 3 ahr foittme id) 
mieber unb fefee ntid) 311 bir, aber ohne bafe bu ittid) 
fiehft." 

Sou ber Beit an meinte ber alte 2Rattn itidtt 
mehr, freute fid) auf feinen lebten Sag unb hatte 
nur bett einen Söuttjcb, bie Stimme feines (SnfelS 
noch einmal 31 t hören. SllS ber lefete $ag feineS 
Gebens gefoutineu mar, martctc er aut berSattf oor 
beut föauje auf ben grembeu. „Soll id) ihn and) 
nidtt fehen," badjte er, „ich u^erbe eS fcfeoit mevfeit, 
menu er Reh 3U mir fefet." 

(SS toar ein foitniger grühlingStag, bie Sluutcu 


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$ed)t muß $ed)t bleiben. 


91 


im ®artcn am ©aufc blühten buftenb, unb in bet 
blauen Suft fanacn Serchcu. Slbor fo fdjon eS and) 
auf bet Grbc war, ber alte 'sÜiaitu bereute fein Opfer 
nicht unb blicfte lädtelnb auf feinen ISnfcl# ber Per 
ihm auf bem ßrünen 9tafcit faß. 9S löblich aiua eS 
ihm u>ie ein faltet ©and) über baS ©efidtt, cnouvbe 
tobten bleich unb preßte bie ©anb aufs ©evz. Sa 
rief fein Gttfel voll Uebenber Miißft, inbem er beut 
alten Mann ^ärtfid) bie©anßcn ftvcicbelte unb ibn 
am ftopf faßte unb rührte: „©roßvatcr! lieber 
©roßvater!" unb ber ©roßvatcr blicfte baS fpvedteube 
fiinb noch einmal freuitblid) lacbclnb an, unb bann 
iteißtc er fein iveißeS ©aupt — unb war tobt. 9113 
auf baS laute ©einen mtb Stufen bcS ßnaben bie 
Macbbcmt berbeitamen, faßten fic: „Oer ift fcliß 
aeftorben; febt nur, wie freuitblid) fein ©efießt ift, 
baS jonft immer fo voll Trauer mar." 

■ # ■ — 


üedjt muH bod| üedjt bleiben. 

II. |>et fleimfidl« 

©ne <\rfit>id}llid)C (£r)äi)liin<i au« bem ^fiUltcr btt 
brcifjißjäljritten Mrifßca. 

Stad? beutfeßen Quellen bearbeitet von 
fßaul (Innen. 


© e d) S1 c 3 St a p i t e I. 

Pelfdje ®Udu. 

a m Sfußuft fatn in Golmav bet franaoRfche 
it*vioß6iuintfier MavquiS von SouvoiS an# be- 
aleitet von vielen hoben Offizieren unb SU 
plomateu. Gr überfdulttete ßerabezit bie 
Straßburger mit Sveuubfchaft3bctvcifen unb tbcilte 
ihnen mit, baß 8ubmiß XIV., vev @ered)tefte unter 
bett ©ererbten, ihn nach bem Glfafi eutfenbet habe, 
um beit lieben Gintvohnevn ber alten 9tcicb3ftabt 
fein Bebauern mcßcn iencS uitanaeiiehmen Vorfalls 
int 5jvanzi3fanerf(oftcv auSzubrüifen, unb ihnen bie 
SBeriidKrunrt* au neben, baß bic 9?erfd)tvbvunn ßanz 
neneit feinen Billett neplaitt tvovbeit fei. Seiber 
riefen bie falschen Gntfcbulbißunacn auch tuirflich 
beit ßcmiutfd)teu Giitbrucf bei ber Mehrzahl im Mathe 
hervor; man tvar entzfieft über baS freunbfchaftliche 
Gntneneufommen $vanfveid)3, itub alle ©arnuiißen 
Micßavb von ©ohcnhcßS, meldet biefe Schmeidtclcicn 
nur alluibeuttich buvd)fd)aute, tvareit in ben ©inb 
nefprod)cn. Oer Sorfdjlaß, an SotivoiS eine Se= 
putation abzufchicten, tvavb cinftimmin annenom= 
men, tutb bic beibett nutnefinnten Patrioten muhten 
eS iid) fonar ncfallen laffcn, bic nach Golittar zu enU 
feitbenbe Deputation zu benlcitcn. 9lnfaitß3 lehnte 
Micharb freilich entfchiebcn ab, als aber ein Sd)reU 
ben beß fraitzöfifdKn Ävien3mtnifter3 eintraf, baS 
beit ©imfch enthielt, beit Ferrit Midiarb von ßoheu- 
ftca perfbnlieh fcnucn zu lernen, muhte iinfer Svciinb 
bie auf ihn Befallene ©ahl annchmen. 

„Mnu tvobl, ich flehe nach Golmav," äußerte er 
baheim au SüibreaS, „allein ber luanevifche ftranzofe 
hü von mir bie volle ©ahrheit zu hören befommen!" 
®iefer aber rief feiuent Srcunbetvamenb zu: „Gincnt 


Miniftcr, tvie MarquiS von 8ottvoi$, bie ©ahrheit 
zu fanen, ift ein ©aflftürf, ba3 leicht Freiheit unb 
Sebctt foftcit fann!" „Mach* mir nicht baS ©evz mit 
unniifccn Af laßen fdjtvev, foubevit laß inid) hanbcln 
alS einen ehrlichen, beutfehen Mann!" evtviberte 
jener mtb ättbvcaö bviufte bafür beut hclbcnutiithißen 
Sreunbe Berührt bie ©anb. 

9lm nächften 2aße fuhr bie Deputation nad) GvU 
ntar ab tutb im MathhauSfaale zu Golmav ciupfiitß 
ber admachtiflc SouvoiS bie Stvc.ßburßer MathS- 
herren unb nahm mit hulbvollem Sächcln ihre 
untermürfißen SicßrüßuuSmovtc entßeßcn. Gr banftc 
im Manien feines Miouavdiett unb nab bev Depu¬ 
tation bie 5>ciTtcbcvuna, baß ttod) nie ein Sicn ifl auf 
3*vanfrcid)3 Sbroue ncfcffcit habe, bev e3 fo aut unb 
aufviebtia mit Stvaftbuva meinte, al3 Subvia XIV. 

Sie Häupter bev Mathobcvvcn neißteu fich banf= 
bar unb ehrfurchtsvoll, nur Midjavb von ^ohenhea 
unb bev SvnbifuS ffvanp blieben bed) aufacridjtct 
fteheit unb ber 93lid be3 erftcveit tvar fo herauf 
fovbcvitb auf beit franzbfifd>en Miiniftev Berichtet, baß 
biefer ihn untvillfuvlicb fvaßte, ob er einen Zweifel 
in feine ©orte fefee. 

„9lllcvbinB3," entBCBttetc Midtarb, „benu ein fvan= 
zöfifchcv ©cvvfchcv tvivb tutb fann nie eine Statt 
aufrichtiB lieben, bie von ©vuub au3 betitfd) ift." 
Unter beut ©efolße bcS MiavquiS cutftanb ein ®e= 
ttumncl be3 Mißfallens, unb alS jetzt ber fühlte 
©pvcdicr fein $aupt nach tiefer MidjtiniB tvenbete, 
cvbiicfte crbcnÖrafcn .(tonrab, beffen Biftiflcr 
IMid ihn Bcvabezu vevfdjliitBcn tvollle. Allein 
Midtavb evivibevte ihn nur mit einem vaädjtlidjcn 
Sädtcln. 

„3d> ßlaubc nicht," beBanit iefet SouvoiS von 
Meucnt, „baß alle ©tvaßbuvBcv Guere 9litfidd thei= 
len; id) bin vielmehr von ihrer ftluahcit ilbcrzciißt, 
bie ihnen faßt, baß fic iin ^nteveffe ihrer Stabt 
hanteln, ivenn fic fid) unter bie fdulbcnbe Madn 
JyranhcidiS [teilen. Ober ßlaubt 3hv auch ttidn 
einmal an iinfevc Stävfc unb ©ctvalt?" fußte bev 
Miniftcr mit nur fchlcdit verhehltem Uinvillctt hiit= 
Zit. ,,^d) bin fein 2her, ßcvv MaiquiS," anhvvY- 
tete bev utterfchvorfene Midmrb, „unb tveiß nur zu 
ßut, baß Rrattfvcid) zur Beit bie halbe ©clt bc= 
hcrrfd)t. Sa Subtviß XIV. vie§ 9(llcS zu Staube 
BcbvadU, fo hat er allcvbiitßS ben ^cinatncit N bcr 
©rofic' vevbient; ich tncinevfeitS ivunfdje, baß ivir 
Gliäffer ben Sltanz feines MuhincS noch utehicit fen- 
nett, inbem er uttS ©eleßcnheit aiebt, ihn and) v bnt 
©erechten' nennen zu bürfen. Straßbura chvt8ub= 
u'iß XIV. alS feinen ftavfcu unb mächtißcn Madi= 
bar, aber baS ift auch 9llleS, tvaS biefe freie 9Jcid)S= 
ftabt bem frait.zofifdjcit flönißc cntBCßcn briiißen 
fattit, betttt StvaßLuvß ift bcutfd) unb tvill bcutid) 
bleiben." Midrnvb fdnvicß unb eine unheimliche 
Stille folßte feinen ©orten. 

Sie ^licfe von SouvoiS ©efotße tvareit auf beit 
MarquiS Berichtet. Gr fnivfehte mit bcu Bahnen 
unb ieber ber 9ltnvcfcnbeit tvar barauf Befaßt, baß 
er feinem ©vintutc 8uft machen tvevbc, allein 8ou= 
voiS tvar ein vollenbctev Meiftev in ber Änuft bev 
iunftelliiuß. ©eniße Mitßenbltcfe ßenußtcu unb 
fein Bvrn tvar nicbevßebantpft, ein Sädteln um= 
fpiclte feine Sippen, tutb tvährcub fein ©aupt fich 
ßeqen Midtarb von ©ohenheß neißte, faßte er in bc- 
beututtßSvollein Sone: 

,,^d) erfud)e bic ©eneit Sfbßefanbten ihrer Stabt 


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92 


Jsedjt muß JJedjt blfiben. 


liniere freunblidrften ©rüfje 311 überbriiißeit unb ben 1 
^utcn (Sinmohncrn melbeu, ba& ©trajjburßb i 
©chicffal ©v. SMajeftät 8ubmiß XIV. an bab ©erj 
ßemad)fen lit. 3 Bir merben bie 9 >erlc beb (Slfaffe* | 
ßemifi lüibt aub bem Sluae oerliereit." 

Stuf einen 9 GB in f bcbmußiiib traten nun mehrere 
(Sbelfnaben vor, melcbe fammtene Aliffen tnißeit, auf 
beuen ßolbene (Sferenfcttcn lauen. i 

„@e. SWajcftät haben mich beauftragte begann 
Souooib abermals, „bie Herren Slbgefaubtcn burd) 
Terleihuiiß biefcb Sdmmcfeb 31t ehren, unb crfudie | 
id) bie ßefcfeäfete Deputation, naher 311 treten, bautit | 
id) fie eißcnbänbiß mit biejeu Metten jehmüefen , 
fauu." Slicharb oon ©ohenheß mar ber (Simißc, j 
ber ohne fid> 311 rühren auf feinem 9Slafee oerblieb, 
•unb leije oor fidi hinmiirmeltc: „3ch oerjoüre feine 
8uft 311 fraiuöfifdjeit (Shreti3cid)cit." Sluf beut Slntlife 
beb üMarquib erjehien eine neue 3m*ncbrothc unb er 
äufjerte mit bebeuber Stimme: „ 9 hm, ©crrStathb- 
herr ©ohenheß, ivotlen ©ic nicht and) naher treten 
unb bie Mette in (Smpfaiiß nehmen ?" 

„3dj oerjicbte barauf," lautete bie ruhige Slntmort 
Slicharbb, toährenb bab franjofikhe ©efolgc burd) 
SMurrcii feinem ßeheimeti Slerger 8uft mad)te, „beim 
eine Mette bleibt bod) immer eine Mette, maß fie nun ; 
aub ©olb ober (frifen ßcfdmtiebct fein, ©önnen ©ie i 
mir alfo meine Freiheit, ©err SJlarquib." | 

„.©in," entßCßiiete 8ouooib mit einem foöttifdjcn I 
Cachein, toobei er fein ßcrötheteb Slntlife bem ©raten j 
Alonrab gmoanbte, beffeti Singen eißenthüinlid) ! 
3minferteii. „Ohne jebmebeb ©nabcmeichen hart id) 
inbeffen einen folcheit (Shrciunann, mie 3hr feib, | 
nicht entlaffen, tuül ich mir nicht bie Uitßiiabe meu 1 
neb fönißlichen ©errn jiniehcu. ©eftattet mir ba- j 
her sunt menißften, (Such einen (Shrentrunf 51t bie= j 
teil, ber Deutfche trinft ia ßertie ben feurißen | 
SBebenfaft §vanfreichb." 1 

Diele Slufforberima fotinte 9 ?id)arb fdion bebS(n= I 
ftaitbeb halber nicht gurücfiocifen, er oerneißte fid) I 
unb 8ouooib minfte nach ber 6tfe beb ©aaleb, mo : 
©rafAtonrab ftanb. (Sin Sbclfnabe trat mit ßol= 
benen Seilern oor, auf beuen ein ‘JJofal unb eine 
ßolbene .Manne .ftanb. Der SWarquib fchenfte ein 
unb Stidiarb führte ben SJechcr 311m SRuitbe: ,,©ott 
fcöüfec ©trafeburg unb oeiicihc 8ubmig bem©e = 
rechten eine ßcfeßnete Sfeßieruitß!" „SBohl be= 
fonmt’b!" flüfterte ber (Shvenmann, melcher in ber 
(Scfe beb ©aaleb ftanb. 

Dtidiarb reichte ben 93 ccher 8ouooib turücf, toorauf | 
bie Deputation ihre ©eimreife mieber an trat. $od) 
aber mar fie nicht mcit ßefomuten, alb Sticharb oon 
©oheuheg fiel) plöfelicb uitmohl fühlte. 

„3hr jeht in ber Shat uiißcntein blafi aub," 
äußerte fein fjfreunb, ber Spnbifub S?ra nfe beforßt, 
„bie Slufreßuiiß mirb ©chulb fein." 

„Oh nein, nein," toiberfprach ber franfe Stathb- 
herr mit einem fdjincrslichen Cacßeln, „ich meift iefet, 
ba§ man mir 311 Goltnar einen Sranf ßereidit hat, 
ber mich in eine aitbcre TBelt beförbent foll." 

„Um’b ©imiitelbmillcn, mie fommtShr barauf?" 
rief ber ©pnbifub. 

Sllleiu Micharb blieb ihm bie Antwort fdmlbiß 
unb bat ihn nur, bah er ihn, alb man am fpätcit 
Slbenb ©trafehurg erreichte, fofort nad) ©aufe be~ 
ßlcite, ba fein Buftaitb fid) bebenflid) oerjdiliminert 
hatte. 9 )?an oradjtc Ihn hier foßleich m 93 ett, 
SlnbrcaS aber eilte 311m Slrjte, beffen ©ülfe man I 


fehr benbthißt mar. Danf ben Semühuiißeit be 3 = 
felben, fomie ber fräftißen SJatur be 3 Mranfen, er- 
holte er fid) laiißfam nad) brei SBocheti febmeren 
8 eiben 3 toieber, 1111b erft jefet theilte erben Sreunbcu 
mit, men er für ben eißcntlidjen ©iftmijeber halte. 
Der . 3 ovit unb bie JButh, in toelche 9 lnbrea 3 unb 
9 >etcr Dup 3 ßeriethen, mären fo ßemaltiß, bah bie 
beiben Wänner am liebften ben ©rafen Meurab in 
feiner i^urß aufßefudjt hätten, um ihm ben rnohb 
oerbienteu Cohn 311 ßcbeit. ©eilte fam e 3 inbeffen 
nid)t ba3U, beim 9 tidiarb 3 ©attin hatte für ben 
Slbenb ein fleiue 3 ^-eft t>\\x 3*cier feiner SBieber- 
ßencfuuß oeranftaltet, 311 loeld'em außer 9 lnbrca 3 
unb Dupo and) nodi ber 2 tabtfonbifti 3 franfe ße= 
laben loar. Die ©aftc hatten e 3 fiel) feft oovßcnouu 
men, heute einmal alle politifd)e©orße oon lieh ab= 
mfchüttelu, mec'halb beim and) toährenb beb 2)?ahle3 
im Aheife ber Smiube bie feftlidte Sjeubc herrfdite. 
9 iacb bcnifelhen erhob fiel) ber alte Dupb, uub fein 
©lab evhcbmb, rief er aub: „Caßt unb im ©uten 
loie im ©chlimmcn alb treue ©ohne unferb S?ater= 
laubeb feft aufainmen halten unb all* unfve firäfte 
baran fefeen, beu bbfeit S^einb oon unferer beutfdten 
©eimath fern 31t halten." 

„Dab mollen toir," riefen bie Sretmbe einftimmiß, 
bie ©läfer flaiißcn aneinatiber unb buinpf hallten 
bie ©chläßc ber 9 ){fuifterßlocfe 3» biefem Schtour ber 
Männer. 

„ 3 )?iiteruad)t!" faßte 9 ßeter Dupb erfchrocfen. 
„9Sobtaufiß! ba mivb’b Beit m 9 >ett 311 ßehen." „Cfi 
toab, 9Reifter," meinte Slubreab, „morßen ift ia 

©onntaß, unb ba fonnt S\hr aubfehia-." 2 BeU 

ter fam er jebod) in feiner Siebe nicht, beim in ber 
Seme ertönten plbfelitf) heftiße ©dtüffc. 

Sille lanfchtcu in hanßcr(Srmartimß. Dic©d)üffe 
miebcrholtcn fid) unb jefet bradjen Sille in bie $vaßc 
aub: „TBab hat bab 311 hebcutcn ?" 

SRidtarb oon ©ohenheß vid>tete Ttd) hoch empor, 
feine Sinnen flammten uttb feine Tvuft hob unb 
feufte fiel) fieberhaft. 

„TBab —bab bebeutet?" ädi3te er unter ßrofier 
Slnftreiißima, bann aber fd)rie er fcfnnevslid) auf: 
„Tcrratb! Herrath! ©trafebnrßb ©d)idfal hat fid) 
erfüllt!" 

Sille fuhren entfefet surürf unb ißeter Dupb ftot= 
terte: „Öihr meint, bafi — baft —" 

„Dafi jene ^lintcnfchüffe aub f r a im 0 f i f di e n 
93 üd)fen famen!" lautetebicSlntmort. „©ört! hört!" 
rief Slitbreab, „iefet fanden and) bie ©loden ber 
Mirdieit au 311 ftürmen!" Damit eilten fie nad) beit 
Senftcrn, fuhren aber erfdiredt 3urüd, ba jefet brei 
buinpfe, fchiocre Schiäße bab ©aub erbittern madt= 
teil. „Die Cärmfaitone auf bem 9 Ballc!" fdirie 
93 etcr Dupb. 

Die SJläiutcr ftürmteu auf bie ©trafie, unb halb 
laitßte ein TBächter mit ber ©ebreefenbfunbe au, baft 
bie Slheinfchaiiie 0011 ben Syraugofeit überfallen unb 
alle Bußäiißc ber ©tabt auf beibeit ©eiten beb 
©tromeb ftarf befefet feien. 

(Sine unfäßlidie Tenoirruitß bcmächtißtc fid) ber 
Ginmohiicrfdiaft. Die loaffenfähißcn ‘Türßer, uitb 
unter ihnen Steter Dupb unb Slnbreab, eilten auf 
bieSBälle, beim oon ben menißen ©olbtruppen mar 
bie ©älfte burch Mranfheit oerhinbert, Dienftc 31t 
thun, auch toar mir ein ciii3iöcr Offizier oorfeanben, 
um fie 3« befehlen. 

Slidiarb eilte mit bem ©pnbtfub granfe auf bab 


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Hedjt muß |Sed|t bleiben. 


93 


SRatbhauS, wofelbft ftch ber gefaminte 2)?agiftrat 
einfanb. ©aitz zulefct erfchieit auch bet Stabt? 
fehteiber ©ünzer, wcldjer ficb in bie ©obnung beS 
franzöftfdwn dieftbenten uerfü^t unb bieien mit bie 
tlrfacftc beS feiitblicf>eu Angriffs befragt batte. 

„Unb wie lautete bie Antwort SrifcbmannS?" 
riefen dngftlid) bie DtathSherrn. „Sr bat hoch unb 
heilig betheuert, baß er non ber ganzen Sache eben 
fo *.i>enig wiffc, alS ber 9Magiftrat." 

S)ie3 war benn aikb in ber Shat ber *?afl, beim 
goueoiS batte cS niebtlür notbig erachtet, ben 9Mi- 
beuten in baS ©eheimniß feiner friegerifeben Unter? 
nebmung einjuweihen, fonbern ihm nur bic ©ei? 
jung gegeben, ben Straßburger 'äBagiftrat bei et? 
matgeu beuurubigenben ©erüebten über Xruppeu? 
zufatnmen Ziehungen zu befd)wid)tigen. liefet fanute 
aber SRicftarb pon&ohenheg (einerlei StfuffiAt mebr, 
in jürneuber99ebe warf erben 9iat(v3berren ihren 
ffianfelmuth por, ber echter beutfeber 90?dnner eben 
fo uitwürbtg fei, alS bie fned)tifd)e furcht, mit ber 
fie ficb Pot bent ftolzen Sraufrcicb gebemütbigt. 
^ic ©efchichte," fcftfoß 9ticbarb feine jünbenbe 
SRebe, „wirb bcrcinft über ben Sali StraßburgS 
richten unb auch bie kanten ber^errdther ber9?adj= 
weit offenbaren ! 3|a, SSerrdtber ftub fie gewefen, 
Scrrdthcr!" biefem Augenblicf öffneten fid) 
aber bie ftflftgelth fiten beS SaaleS unb ein 33vei? 
facber Bürger ftürzte atbemloS herein. 

„©iebtige ®otfd)aften!" ftammelte er, bann fant 
er ermattet auf einen ibut bingefdwbencn Stuhl 
nieber. SS wdhrte eine geraume ©eile, cbe er ficb 
infoweit wieber erholt batte, uni ben ihn mit S*ra? 
gen beftürmenben SRatbSherreu gerecht werben zu 
feinten. 9?ur mit grober SKübe unb ScbenSgefahr 
war eS bem aufopfernben 9Mannc gelungen, nach 
Straßburg zu entfomineu, um ber bebrobten Stabt 
noch rechtzeitig bie freilich unbeiloolle, aber äußerft 
wichtige Sotfcbaft zu üherhriugen, bah CoupoiS in 
dreifach eingetroffeit fei, mit feinen gelammten 
gruppen heranziebe unb fiubwig XIV. auf bem 
©ege nach Straßburg fid) hefinbe, um bie ©ulbi? 
gung ber eroberten Stabt zu empfangen. 

Sine tiefe, tiefe Stille trat ein, nur einziges 9KaI 
bnreh baS fcbmerzlicbe Auffchlnchzen eiiteS 5Ü?aniteS 
tmterbrodten, ber feine SSaterftabt innig geliebt batte 
unb bem eS iefet zu 9Jluthe war, alS habe ihm ber 
unerbittliche Job eine-3 ber Seinen entriffen. 

SS waren bange, febwere Stunben, bie jefct über 
Stoßburg heraufzogen, unb ber freunblicb lacbenbe 
Sli<f, mit bem ber anbreebenbe Sonntag zu ben 
gemieru ber alten fReidjSftabt hereinlugte, erfchieit 
wie ein bitterer Spott auf ihr gratifeS fflefchicf. ®ie 
©loden, weld)c fonft fo berebt ber frommen ©e? 
tneinbe ihr: „ftomrn, foinin!" zuriefen, hlieben 
heute fttunm. Sin fleiiteS ©duflein SRcnfchen 
hatte ben iDfünfterthurm erftiegen, um eine fWiinb- 
fchau in baS ßanb zu halten, unb feuchten AugeS 
bemerfteii bie Armen, Paß im weiten Umfreife ber 
Stabt AlleS noit bewaffneten Schaaren wimmelte. 

5D?att fattn fid) benfeit, bah bieS bie ^eftürzuna 
ber Siitwofmer noch permehrte. „So foflen wir," 
hieß cS nun pfofetich, „unS alfobie fRiebertracbt unb 
ßinterdft f?raitfrcichS ruhig gefallen taffen ?" ,,©ir 
thun tinfcrc Pflicht," antwortete fWicbarb, „unb be= 
aeben nn3 morgen in bax3 ßauptauarticr ßoiwoiS, 
um gegen ben 99aub StraftburgS zu proteftiren. 
»üfct bie$ nichts, fo müffen wir uufere geliebte Sa^ 


I tevftabt bem Scinbe übergeben unb in SRuhc.unb 
©ebulb bie 93efd)lüffc beS flaiferS abwarteu." 

Srdge fdiwanbeu bie Stunben beS traurigen 
SonntagS bahin; bie Straßen waren zumcift men- 
fcbcnlcer. Sind) in 9tidmvbS ^paufeging eS ftill zu, 
unb mehr alS einmal äußerte er zu SlnbreaS: „ftdtte 
id) nur im ßntfevnteften eine Ahnung gehabt, baß 
eiji fo entfefelkbeS Scbicffal unfev Straßburg ereilen 
fonnc, icb uuirbc bid) wahrlich nicht berebet haben, 
beineßeimath zu oerlnffen unb hierher zu fommen." 
„COeitren wir iefet nidit baran," entgegnete ?(nbveaS 
herzlich unb bie ßanb beS ftreunbeS ergreifenb. 
„®vaf ffourab barf freilich über unS trium- 
phiven, ba ßubwig XIV. fcen (gieg errungen; hoch 
bin id) feft überzeugt, baßbereinft bieStunbc nahen 
wtrb, wo ©ott mit bem grd fliehen ©cfddechte ber 
.^ohenhegS Abrechnung halten unb auch ben 9?aub 
StraßburgS rächen wirb, benn er Idßt Seiner nicht 
fpotten!" 

Am 30. September würbe zu ?|flfirch bie Papi^ 
tulation unterzeichnet unb noch am fclben Sage er= 
folgte bie Sefctzuna ber ohne Schwertftrcid) evohet* 
ton Stabt. 99?it fchincvzoollcm Sd'wcigcn blicften 
bie Sinwohner auf bie einziehenben Srnppen, bereu 
flingenbeS Spiel fchlccht paßte zu ben Souen tieffter 
Sra^tier ^ cr l^oeften Sohne StraßhurgS. 3u ihnen 
gchorte'por allem 9?idiarb pon $ohenheg, ber fofort 
fein GntlaffungSgefud) einreidjte, nadjbcm bic^ran- 
Zofen eingezogen waren. 

(Vbeu hatte er bie amtlidie S^eftdtigung erhalten, 
alS 5?eter ®upS iu’S Zimmer ftürmte unb auSvief: 

„AnbveaS muß fo fdjnetl alS möglich Straßburg 
perlaffen!" 

„Oho! warum?" aab 9tidmvb ztirnd, wdhrenb 
AnbreaS ben Bunftmcifter erftannt onhlicfte. 

„©eil Straßburg jeßt eine framöfifd^e Stabt tft 
unb bev neuernannte ßommanbant feinen 93ran= 
benburg’fchen Spion barin bulbet." 

„Spion ?" rief AnbreaS außer ficb. „©er wagt 
eine folchc 9?icbertrdddigfeit zu behaupten ?" 

„?(e nun," lachte Bieter OupS grimmig, „ber eble 
©raf .ffonrab pon ftehenhea, ber ©uere Anwefen- 
heit erfahren hat unb Stich über bie ©renze gefdjafft 
wiffen will." 

„?|cb will bem Schürfen zeiaen, baß id) mid) Por 
ihm niefit fürchte," rief ber bebrohte AnbreaS, allein 
ffiicbarb [teilte ftcfi por bie Sbüre unb wehrte ihn 
mit ben ©orten ab: 

„Um beS $immetSwilfen, begieb bid) nidit in 
biefe ©efahr. S)er unreditmdßige 9Mißcr beincS 
SvbeS, mein lieber AnbreaS, ift fortan mit ßeib unb 
Seele ftratizofe unb fein ffCmia wirb ihn nicht nur 
fchüßen, fonbertt ihn audi in 9Kadd unb Anfeheit 
fteigen laffen. ®arum fei pernfmftig unb ftürje 
bich nicht mtithwiflia in ©efahr." 

„Oh, wie ohnmächtig finb )oit ®eutfchen hoch 
aeworben!" feufzte AnbreaS unb ging Tanafamen 
Schrittes zum Sifche znrücf. 9?etcr S)upS aber ließ 
ihm feine 3^it zu trübfcligcn fficffcctionen, fonbern 
mahnte baran, baß ©efahr im Verzüge fei unb An? 
breaS fchleunta Straßburg Perlaffen muffe, um einet 
fchimpflichen ©efangennahme zu entgehen. 

„S/och wie foH unfer ftreunb anS ber Stabt un= 
bemerft entfern men ?" fragte 9ficharb dngftTich. 

„S)aS laß meine Sorge fein," antwortete SPctcr 
^DupS unb holte ein Sünbel herbei, welches er por 
ber Shüre gelaffen hatte. 


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94 


Hedjt muß $ed)t bieibetu 


„2tber ich bitte(Siuft," rieffRicharb, alS bevBunffc 
meifter beit 3ubalt gu Sage geförbert, „baS ift ia 
bei ruhige Sutgug eiltet ^chorufteinfegerS! 3& c 
meint Doch nicht etwa, bah unfer greunb biefe 
SleiDer —" 

„Slngiebcn foü? J oollenbetc iJJ'ter CDuu3. „Mer^ 
binflS meinte uh baS, itnb er bat iieb ber ruhigen 
Fracht wahrlich nicht gu jehänten, beim in i(>r ftccft 
mehr Sbrlichfeit, alS in ber mit ©olD unb Silber 
überlabenen Uniform 8ouooi3!" 

„2Babr gesprochen, mein grettitb," rief 9lubrea3 
unb fchüttelte bem gutbergtgeu äRanite bie ©aitb. 
Oanit fehritt er mit bem Bünbä nach betn aitfto- 
henDcit älfooen, um Dort bie Berwaublung mit fich 
porgunebmeu. 91(3 er nach wenigen ÜJiiuutcu gu 
bett gceuitDen gurücffebrte, flatfchte OupS freubtg 
in bie ©änbe unb rief: 

„3br nehmt Such gang oortrefflich tu biefeit fflei- 
beru auS unb ich gäbe waS britin, tocitn ich Such 
al'i ©efellen haben fömtte! 3ebt nur noch eine 
Bortiou 3tuh, 1111 t ©efidjt unb .©äitben bie ©ewerf* 
färbe git geben, unb Stiere Betreibung ift beenbigt. 
3cb gebe Such baS ©eleite btS ienfeitS beS SRbcinS, 
unb wenn uitS ein neugieriger grangofe aitbält, fo 
geige ich meinen 3Reirterfcheiu bor unb fage ihm, 
bah 3bt einer meiner ©efelleitfcib, ber in Äcbl Ka¬ 
mine git fegen bat." 

„®aug gut fo," nicfteStnbreaS, „aber meine $(ek 
ber?" 

„Oie (affe ich oon einem attbern ©cfelleit nach 
Äehl Schaffen. SSefet aber 9tu& her unb bann fch(eu= 
ttigft fort!" 

3um gweiten s 3Ra(e faßten SHicharb unb 9tubtea3 
eiitanber 8ebewobl, unb wenn e-3 auch ein fchuterg- 
lieber 9tbjohieb mar, fo leuchtete benuo.h in ihren 
Seelen bie ©offmutg beS BJicberfebeitS auf, tum.il 
fiwit lüttgrt 'Jtichirb ben Sntfefjluft gefafrt batte, mit 
beit Seinen bie geraubte Baterftabl git berlaffcit. 
Oaun aber fottntc er fein bcffereB Bhitbergiel wäb= 
leit, als Branbeubtttg, bie neuc©eimatb’3ftättc feU 
ne-3 gcettitbeS. 3it biuaer Sorge fab er 9lubrea3 
fcheibeit; erft ant nährten Sage ctbmctt et erleichtert 
auf, alS ihm bitrcb Beter OupS bie ffimtbe warb, 
bah9tubrea3 ba3®ebiet beS SchwargwalbeS glück 
lieh erreicht habe. Oer Buuftmeifter batte föccht ae- 
habt, al-3 er gttrSile aufforberte, beim eine halbe 
Staube fpäter, ttachbem er ttttb 9liibrea3 baS ©au3 
oerlaffeit, toaren fraitgöfifche Solbateit erschienen, 
um ihn gefangen git nehmen. 

3miner fdjwüler toarb eS in Strasburg; fihoit 
Sttbe Oftober hielt 8itbwig XIV. mit bcin gröhteit 
Botnp feineS pradjtUebenbcit BeitalterS feinen fiegs 
reichen Sintu^ in bie aeraubte Stabt. Oie ©lotfeit 
lauteten feicrltch, bie ©äitfer waren auf Befehl feft* 
lieh aefcbmftift unb 001 t bem Obutmc beS Sßmtfter 
webten frangöftfehe Sahnen. 9KS ber gläitgeitbe 
Bug am fßortale beS OonteS angelaugt war, reichte 
ber Sbreitmann gftrftenbetg beit 3)Zaieftdten 
baS SBeibwaffer, fo wie baS ffintufh; gum ifuffe, 
ttitb bamit mar baS berrlichfte Oeitfmal ber mittel¬ 
alterlichen Saufunft wieber in bie $ditbe ber fatbo= 
lifheit Kirche gegeben. 3war batte ber frangöftfebe 
.fföitig, Sitbwig XIV., feinen neuen Untertbaiten bie 
freie Ausübung ibreS religiöfeu ©efeuntniffcS ge¬ 
lobt ; um fo gröber aber war bie Snttditfchung, a(S 
bie Sftrgerfchaft iefet bie amtliche .^uitbmichung er¬ 
hielt, ba§ fein Sßroteftaut wdbreitb ber 3tnwefeubeit 


Sr. SRajeftdt baS ÜRunfter betreten burfe. OaS 
war ber Hnfaitg ber Orangfale, welche fortan bie 
eoangelifcbeit 'Bewohner ber Stabt erbulbcn mubten. 
2 Bcr bagegen bem ©laubeu feiner Bdter untreu 
warb, fab fich nicht nur für brei 3abrc bon allen 
Steuern unb Abgaben befreit, foubern erhielt auch 
noch fliitgeitbeit Öohu. ÜÄit beut SRatbSberrn SRi- 
charb boit ©obenheg machte man furgeit Brogefi; er 
würbe für einen Gebellen erflärt unb oogelfrei ge¬ 
geben, fo baft eS ihm nur nach tmfdglidter 2Rübe 
gelang, nach Saigburg gu eittfomuten, gefolgt bon 
betn ehrlichen OupS, welcher treulief) alle ©efab= 
reit uitb Sntbebruugeu mit ihm tbeilte. 5liidh 
Der beutfehgefinnte SpitbifuS Sranfe fiebelte ftch mit 
beit Seinen im Schwargwalb au unb feinem SeU 
fbielc folgte noch ein attfebnlicher Sheil ber Bürger^ 
fihaft, bie boit beutfalfchcn graufreich nichts wtfTeu 
wollte. 

llitb Ocutfcfjtaub unb fein Äaifer btt (beten 
ben Staub? „3a," berfünben unS bie Blätter ber 
65ckhichtc. Allein ber allmächtige ®ott, ber bie 
©efehiefe ber Bölfer teuft, hatte baS ©efcblecht, 
welches ben an Oetitfchlanb berübteu Sd)iutbf ber= 
einft rächen foflte, bereits erfteben taffen; im fernen 
Often erhob ftcfj ber gtofee Shurf ürft, beffen 
fbätem Sitfel eS befchiebeit toar, bie berlornc SteichS= 
cinheit unb baS Slfaft wieber git gewinnen uitb auf 
beut Strajlburger fünfter wieber bie fiegreiche 
gähne OeutfchlanbS aufgupflangen. 


S te beit teS i?ap i tel, 

Peutfdje türeue. 

3m 3abr 1700 batte ffönia griebrich ®itbelm I. 
oon Breu&eit, obwohl pcrföitlicb fein grofter greunb 
uitb Berebrer m\ ©iffenfehaft unbffuurt, — beim 
„ber gefrönte Korporal," wie bie ©cfdiicfrte ihn 
nachutalS genannt bat, befaft nur für SineS Sinn 
uitb 3ntereffe, für baS Militär, unb inSbefonbere 
für feine „Sticfengarbe" in BotSbant, — fich ent= 
fchloffen, ginn ©lange feines neuattfblübenben 
Staates, nach bem Sutwurf beS groBeit beutfehen 
Bbilofopben 8eibnib in Berlin, eine „?(fabemie" 
git grtntben. Unter ihren SRitgliebern fcefaitb ficft 
auch ber Bjcofeffor ©ottbolb 8ebrecht^at= 
hob, ein Sohn tinfereS alten greunbeS ?lnbreaS, 
ber nach bem Siatibe StraftburgS unb ber beim^ 
tücfifcbeit Unterwerfung beS SlfaB, unter frangöft* 
f^e Oberhoheit nach ßburbranbenburg entfloben 
war, itm ber Siache feiiteS SobfeiitbS, beS ©rafett 
ffoitrab Poit ©obenbeg, eines ber beoor= 
guqterteit ©üitftliitge 8itbwigS XIV. unb feineS 
ffrtegSminirterS 8ouooiS gu entgehen. 

Oer ältefle Sohn beS BrofefforS, Sh r irt 0 p h 
mit Siatnen, ein hochgewachfeiter 3«ngling, gleich^ 
falls gtim ©elehrtenftanbe bertimmt, hatte baS Uit- 
glücf, bitrcb feine aitffallenbeÄörpcrgröBe bem Blidfe 
feines fföitigS uitb ber oou bemfelben überall auf- 
geftellten SBerber, welche ihm auS allen ©egenbeit, 
unb oft um fchwereS ©elb recht riefcitgroBe iitttge 
?Känitet iit feine 8ei6gatbe liefern muhten, auf fich 
gu gieben unb eS war hei ber ittgenblicheu Utterfaft- 
renheit beS „unpraftifdjeit" ©eiehrten Sogar einem 
berfclbeit, bem berüchtigten 3®erbeoffigier Bülücfe 
gelungen, ben Stubeuten Poit ber Unioerfität wcg= 


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95 


Hrdjt muß Uedjt bleibett 


lufangen unb ihn a(Seine3ietbe feinet 92egimentS Umgang gewohnt gemefen mar unb ja nur un= 
unter Die yeifchufaren ber ©otSbamer Greitabiere freiwillig Den gähnen folgte, enblich au biefetn 
einjureihen. Gleichseitig aber befaub fid) unter febr gefährlichen Schritt gebräunt, ber auebnabeju 
benfelbeu aud) ein ebenfalls wejjen feiner Unglaube mifttungen märe, unb befien fdfitejfiicbet glüdlidjer 
heben Gtöfje gepre&ter böhmitdier iDJufifnnt, ber Grfolg nur beut 3ufammenmitfen mehrerer gün- 
luftige 3 o \ e p b , in mekbein mir gleichfalls einen ftiger Umftänbc unb bem Mutb, ber Klugheit unb 
alten ©kannten miebererfennen, menn mir er= förperlicheu Stärfe namentlich beS böhmijdjen 
fahren, Daft er berGnfel beS früheren &ufarcn= Mufifanten su banfen mar. 
wachtineiftcrS Sofias Gbelbed ift. ^er erzürnte Atbnig fonnte ihm aber fein Gut- 

(SnDlicb treffen mir halb barauf in ©crlin uodj meichen jo wenig verseihen, ba§ er vielmehr AücS 
einen Dritten Mann, befien 92ame unS intereffirt. aufbot, feiner mieber habhaft su merben, ja fogar 
Unter Den vertriebenen „Sal 3 burger Galanten", auf feinen fonft fo bodjgcebrten ©ater, ber von 
welche uni ihveS euaugelijdjen (Glaubend mitten ber ganzen Sad)e nidUS mit&te, unverbienter 
ihr fchoueS ©atcrlaub unter bem ®rude beS fa= 33eife einen fo unoerfobnlichen marf, bafi er 
thohfeben GrsbijchofS Seopolb Litton von ihm jcbeS ©orrüden auf (einer Stelle unmöglich 
girmiau hatten surütflafien muffen unb nun, mad)te, ja ihm fogar feinen 92ang unb SBürbe 
swanügtaufenb an ber 3ahi, in ben fiänbern Äb= eincS MitgliebeS ber Afabemie cigenmädfiig ent= 
nigS #rieDricf) SBilhclm I. von ©teuften, ber ba^ 30 g. Grft fein Sohn unb 9cad)fotger griebrid) II., 
mala id>on Der &ort unb Sdjubhevr ber proteftan= bem bie Gcfdüdrte mit 92ed)t ben kanten beS Gro- 
tifchen GlaubenSgenoffen mar, 3uflud)t gefunben ften gegeben bat, mad)te auch biefcS llured)t leinet 
batteu, befaub lieh auch ein gemijfer Grmin ©aterS, mic fo manches anbere, baS vicüeidfi 
92atbob, ein ©ater beS©rofeft*orS unb ein92ad)= meniger auS bofcin ^Bitten, als auS ber ©e^ 
fomtne ieneS fleineij tfurt von $ oben heg, ichränftheit feines nur vom Solbatcnmefen be= 
ber alS Sohn einer ©ürgcrlidjen von feinem friebigten GefdnnadS entfprungen mar, mieber 
abelaftot 3 en Groftvater enterbt unb verfioften mor= gut, feftte ben ©ater mieber in feine alten Remter 
ben mar, a(S berjclbe erfuhr, baft er cinfi feinem ein, ja befetberte ihn fogar von Stufe 311 Stufe 
armen ©ater Murn hart von ©ödlinSau 3 ur flucht unb geftattete fpäter bem Sohne bie 92üdfehr in 
auS bem ©urgverlieft beS alten 9iitterfchloffeS feine preuftifdie ^eirnath. 
jpohenheg im Gliaft verhotfen hatte. 2Bir merben ©orerft. aber trieb fich ber Cefetere nod) mit 
unS erinnern, metche gefährliche golgen biete feinem greunbe 3ofeph im Glfäft, bem alten ©a^ 
glucht Damals für ben Grafen SBalbner von terlaube feiner Ahnherrn, herum. GS mar ihm 
Jpohenhcg hatten, Denn eben biefer Münthart mar gelungen, auf ber Damals hodibcrühmteu Strafen 
es ia gemefen# ber baS ächte Seftament beS alten burger Univerfität feine Stubien alS 92ed)tSge- 
Kaufherrn Michael 92a tb cb mit fich genommen lehrtcr 311 voücnben, unb fein ehemaliger tfcibenS= 
unb im ©ibüotfjeffaat beS ÄlofterS 9BaIburg genoffc in ber ©otSbamer Gavnifen batte eine 
verftedt hatte. 2)avon wuftte freilid) bamalS fein treffliche Stelle bei bem befannteu StabtmufifuS 
iunger Setter Äurt nichts, ber faft entblößt von Ger bei, einem 9?ad)fommen beS alten frommen 
allen Mitteln um ftch bem 3orne feiiteS Grofe= 92athSherrn ©crbel, befien mir uitS nod) von ber 
DaterS 311 entstehen, ieneS ferne Öanb hatte auf= 92eformationS3eit her erinnern, gefunben. Scibe 
fuchen muffen unb fid) Dort nach bem gamilien- Jünglinge hatten an ihm mitten ui ber frausofid) 
namen feiner Mutter ShiliPbine gleichfalls 92at= gemorbenen .'pauptftabt einen treuen bcutfd^ge= 
hob nannte; hatte Dorf) biefer 92ame fd)on von finnten greunb gemonnen, ber ihnen namentlid) 
ben lagen ber 92cformation her in Strasburg auch noch manches von ben immer nod) in ber 
fomobl alS in 23itteuberg einen fo guten itlang ^amilic fortlcbcnben Gerüchten über baS alte 
unter ben Guaugelifdjen gemonnen, bafe er bem Grafeugefd)lecht ber ^obenhegS unb bereit Sd)id= 
glüchtling aud) bei feinen neuen GlaubenSgcnoffen fale inittheilen fonnte. 
in Saljburg sur befien Empfehlung biente; GS ging nchmlid) bie Sage baS ädjteSefiamcnt 
nicht ininber aber aud) feinem 9iad)fommen Gr= beS alten 92atbob fei nod) immer in ber Ahnen- 
ivin bei feinen neuentbedten Sermanbten, ber gruft beS gräflichen StammfchloffeS verborgen, 
^rofefiorSfamilie in ©erlin, ia fogar bei feinem mohin eS cinft bie Grbtochter bcffelben, © hilip= 
jefeigeu fönigüd)en ©errn felbcr, ber ihm auf bie ptne, gebracht, unb vor ihrem £obe 311 Gimfieit 
©itten beS hvehangejehenen MitgliebS ber Afa= ihres nod) minberjährigen SöbndtcnS i2urt vor 
bemie behilflich mar# fein Gemerbe alS Judunadjer ben gierigen ©liden unb ftänben ihres habfüd)ti= 
auch in Die Marf ©ranbeuburg mit Schmung 311 gen SdjmieaervaterS, beS alten Grafen 3Balb = 
betreiben. ncr, verfieeft habe. ®iefe ©urg felbft, ber alte 

ffleniger gewogen mar unb blieb ber gürft bem gamiUenfib, befanb fich iefet in ben £änben eines 
Sohne DeS Grficteu, ßhriftoph, bem eS ge- ber cstremften fransofifeben ©artei gehörigen 
(imgen mar, währenb eines längeren Aufenthalts 92addommen beS alten beutjehen 2lbelSgefd)led)te, 
fccr preu&ifd&en SEruppen im Glfafi, mit feinem ber lange 3eit in ©ariS gelebt unb feinen ehrlkhen 
riejlaen greurtbc, bem luftigen ©feifer ^ofeph beutfehen 92amen bort in ben franaofifefan Sitcl 
(fcelbek auS ©öhmen, 31 t befertfren. ®ie fchlcd)te eines G 0 m te ba u n a ig ue vermanbelt hatte. 
Sehanblurtöf bie auch beSÄönigSLieblinge, feine Sd)on feine ©erfahren itonrab unbSJcnno 
Miefen von ber ©atbe, ober mie er fie felbft am von ^ohenheg haben fid), wie mir mifi'cn, um 
liebitcn nannte, feine „blauen Äinber" unter ber Submig XIV. unb feinem AtriegSmiuifter bei ber 
rohen (Gewalt iiiigebilbeter Gsersienneificr 311 er= jchmählidten Uebcrgabc von Strafeburg großes 
feu/ben hatten, hatte ben jungen Gelehrten, ber ©erbienft ermorbcu. Seither hatte bie gamilie 
von hau* auS feinere Sitten unb einen ebleren mcift in ©erfaiüe gewohnt, bis eS jefet bem jüng= 


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96 


$ed)t muß Udjt bleiben. 


ften ©prcßling, ®raf ©ictor eingefallen mar, 
gleidjfalld bie Straßburger Unioeri'ität au be= 
Sieben, wobei aud) teilt ©ater unb feine Scbmeftcr 
Jeanette ficb entfdUoffen, mieber in Die alte 
Stammburg im Slfaß übersufiebeln. ©ei bem 
ftolsen, berrifeben unb leibenfcbaftiidjen SBefeu 
bed jungen (Grafen unb feinem heftigen Born 
gegen bie Oeutfcben im Mgemeincn unb Med 
waS fRatbob hieß indbefonbere, tonnte ed nid)t 
fehlen, baß er, fobalb er unter ben ©tubenten 
etnen Sräger biefed bitter gehaßten kantend traf, 
aueb fofort mit Sbriftopb in ©treitigfeiten tarn, 
bie au einem .Bweifampf führten. S)a aber 3 o- 
fepb ftatt feine3 greunbed bie Jperaudforbevung 
annabm, fo gelang ed ©raf Victor nicht, feine 
glübenbe Stäche su fühlen. Stur jener fiel burd) 
gemeine ©interüft in feine ©änbe unb wanbertc 
in’d ©urgoerließ. ©alb feilte ihm aber burd) 
greunbedtreue eine wunbcrbarc Stcttung 511 Shcii 
werben. Sin alter fttiegdtamerab, ber ungarifd)e 
£>ufarenoberft SR an bei, ber fchon längere Beit 
im Auftrag ber öfterreidnfeben tfaiferin SJtaria 
Sberefia im Slfah tbätig gewefen mar, um baifclbe 
ju einer gemciufamcn Srbehung gegen bie franko* 
lifcben Unterbrüder unb sur Otüdfebr an bad 
®eutfd)e Steicb aufsumuntern, batte faum oon 
feiner (Gefangennahme gehört, ald er auch fofort 
einen ebenjo fübnen ald fd)laucu ©lan su feiner 
Befreiung faßte. Sr brachte ncbmlid) feine £>u= 
faren oerfleibet in bie ©urg herauf, ließ bann bie 
iebtere burd) ftc überrumpeln unb ben Werfer 3 o= 
fepbd fpreitßen. Mud) S b ri ft op b batte ficb bei 
biefem oermegenen ^anbftreicb, ber bem greunbe, 
ber ficb für ihn geopfert batte, tfeben unb Freiheit 
wieberfchenfte, um fo lieber betheiligt, ald er ba= 
burd) hoffte ©elegenbeit su befommen in bie ga= 
miliengruft ber feinblidjen Stammburg cinsu^ 
bringen unb ficb felbft baoon su ü bezeugen, ob 
bort mirflid) bad oerntiftte Scftament noch 311 fin- 
ben fei. ®od) mir laffen lieber ben Öefcr felbft 
biefe ©sene im alten Stamuifd)loh ber ©obenbegd 
miterleben. 

Mud ben glänsenben, reiebaudgeftatteten ©e- 
mäd)ern führte ein fd)inaler ®ang mehrere ©tod= 
merfe abwärts unb halb ftanbSbriftopb, nachbem 
er mübfam bie fernere eifcnbefdjlagene (SingaußS* 
tbüre geöffnet, inmitten bed 00 m 3)ionblid>t ge= 
bcimnißooll belcad)tctcn büftern StaumcS. ©ein 
©lief haftete an ben oerfebiebenen Särgen oon 
3 tnn unb Tupfer unb ber Steibe nad) nabte er fid) 
jebem Sinselnen, bie auf bem ®edel eingeara= 
benen Stamen ber barin SRubenbcit aufmerffam 
lefeub; überall begegnete er ein= unb bcmfclben, 
nur bie Vornamen wcchfclten. ®a aab ed einen 
SBalbner, SBolfgang, ©enno unb Sonrab oon 
^obenbeg. Mud) Sraucnnamen lad Slmftopb, 
bod) alle batten bem ®cfd)led)tc ber Roheit hegd 
angebört. 3 bnen galt bad 3 utereffe unfcrcS for^ 
fdjenben ftreuitbcd nidjt, ber jebt enblid) ben £>iit= 
tcrgrnnb bed ©emölbed erreid)te. Unb fiebe ba, 
bort ftanb in einer Sde, gänslicb ifolirt oon ben 
anbern, ein jinnerner ©arg, mit ber Muffdmft: 
„Statb ob", ©dfon glaubte Sbriftopb am Biele 
31 t fein unb bie lebte ©ebaufung ber Tochter feines 
Mbnbcrrn oor fid) au haben, febou gab er ficb bem 
©tauben bin, baß in biefem ©arg bad unter= 
jd)lagene Seftanient oerborgen fein merbe, ald 


plöplicb ein iäber Muffebrei feinen Sippen entglitt, 
beim hinter bem ©arge lauerte eine weibliche 
©eftalt, welche, ald fie fid) oon ihm benterft fab, 
bittenb bie gefalteten &änbc audftrecftc. 

Sbriftopb taumelte gurüd, währenb ber Seudjter 
feinen tauben entfiel unb bie £id)ter ocrlöfchten. 
©tnnbetäubt unb laut äd) 3 enb fdjloh er bie Mugen. 
2Bar cd ein Staunt ober entfefeUche 9Birflici)feit, 
bte ihn umgab ? Srft nad) einer ©Beile wagte er 
bie Mußen mieber 311 öffnen unb ein neuer Mufföhrei 
entrang ficb feiner ©ruft, Denn bie geifterbafte 
©ejtalt mar inawifchen oor ben ©arg getreten, 
währenb ihr früherer ©laß oon 3 mei männlichen 
Siguren eirgenommen warb. 

Unfer greunb ocrmodjte fein SBort beroorsu= 
bringen, bagegen rief bie meiblidie ©eftalt: „Uebet 
©armbersigfeit, oerratbet und nid)t ber milben 
Öorbc, mcld)e bie ©urg unferer ©äter beimgefuebt 
unb geplünbert bat." 

Sie©timme flang fo frifd) unb fugenblid), bah 
Sbriftopb fid) fagen mußte, Sllled gebe bi«r mit 
rediten Singen su unb nur ein feltjamer Bu= 
fall habe fein Unmcfen getrieben. Obwohl ber 
©ebreefen tbnt nod) in allen ©liebem naebaitterte, 
gewann er bod) fo oieUtraft, bie Srage beraudsiu 
ftoßen: „ 2 Ber feib ihr unb wie famt ihr hinter 
jenen ©arg ?" 

^Seiftet und bad ©erjprcdjcn ber ©crfcbwiegcn= 
beit unb 3 br follt Mlled erfahren," gab bie iung= 
fräuliibe ©eftalt sitternb uor furcht aur Mntmort. 
Sbriftopb erfüllte ihr ©erlangen unb fie fuhr fort: 

„ 3 br febt bie£od)tcr bed Somte b’^aunaigue 
oor Such, ©on ben einbre^enben ^ufaven oer= 
folgt, retteten mir und nad) ben inneren ©c= 
mädjern, bid bie fRäubcr audö bortbin famen. 
SBir gebad)ten nunmehr burd) einen unterirbifd)en 
©ang bad Sreie su gewinnen, batten aber bei 
unferer Süc ben ©d)lüffel oergeffen, ber bad gel= 
fentbor öffnet. Unfere ©erfolger blieben und auf 
ben Werfen unb und baber nidjtd übrig, ald bie 
3uftud)t in biefcd Srbbearäbnih. Sie ©efürd)^ 
tung meined ©aterd unb ©ruberd, baß bie geinbe 
and) biefed ©emölbe nid)t oerfd)oncn würben, cr= 
mied fid) allerbingd nur 311 gercd)tfcvtigt, beim 
einige berfclben brangen bid su biefer ©ruft oor, 
sogen fid) aber bei bem Mnbliae bed äobed feheu 
surüd. Mufatbmcnb oerlieh id) mein ©evftecf 
hinter einem ©arge, bid ein neuer Stritt ertönte 
unb mir nid)td anbered übrig blieb, ald noch ein* 
mal bie fdjaucrlicbe 3 uftud)tdftätte aufaufuchen. 
Sad Söeiterc ift Such befannt." 

Unaeaditct bed nur matten 8 id)tfd)immerd, ben 
ber 3Ronbfcbein oerbreitete, batte Sbriftopb in 
einem ber hinter bem ©arge oermeilcnbcn SRänner 
ben ©rafen ©ictor erfannt. „ 3 bt befinbet eud) 
allerbingd in meiner ©emalt," äuherte Sbriftopb, 
währenb ber ©raf ängftlid) auffeufste, „unb id) 
banbeite burdjaud nur gerecht, wenn ich euch an 
b;e ©anburen oerrietbe, benn ©raf ©ictor bat fo 
beimtüdifd) an mir gebanbelt, baß er wahrlich 
(einerlei ©chonung oerbient." 

„©cbenfen ©ie, junger 992ann," unterbrach ihn 
ber s.itternbe alte ©raf, „er ift ber ©obn eined 
©reifed, ©tab unb troft meiited Miterd —rauben 
©ie mir ihn nid)t für meine lebten Sage!" 

Sd mar ein fonberbared Öädieln, bad um Sbri= 
ftopbd Rippen sudte, ald er ießt ermieberte: ,,©err 


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üedjt muß Uedjt bleiben. 


97 


®taf von ©ohcnheg, aud) gegen ©ie vermag id) 
fein SNitlcib ju füllen, trob 3 h red hoben ältere 
unb 3 hver grauen ©aare. ©inb ©ie ja bod) ber 
Steiger cincd tSamilieimatnend, ber viel Unglücf 
über meine ebrlkben, bürgerlichen Vorahuen ge= 
bradjt; ift ed bod) nur b<»ö ©cfcblecfit ber ©ohenhegd 
aewefen, bad und um unfet guted Üiedjt betrog. 
®enn ©ie fehen in mir einen Nachfommen iened 
9Kid>ael Matbob, beffen Socbter beut jungen (Grafen 
von ©oheuheg redjtmäfeig angehaut mar!" 

®ie Ucberrafdmng bed alten ©errn geftaltete firb 
um jo peinlicher, ald er jefet erft ben Manien bed 
ffremben erfuhr. 3 n grober Verlegenheit ftotterte 
er enblid): „®ic Sage gebt allcrbingd, bafe bereinft 
von unfern Vorfahren ein Seftament unterfd)lagen 
worben fei, — boeb glauben ©ie mir, bie genaue 
Unterjucbung hat butdjnud bad ©egentheil ergeben 
unb jener Söalbncr von ©oheuheg in etelfter SBeife 
an bei* gamilie Matbob gehaiibelt. 3ubem bebenfen 
©ie, bafe mir für eine Shat, bie vor 3flhvhunberten 
begangen, unmöglich verantwortlich gemacht werben 
fönnen." 

ßhviftoph hatte zwar burdjaud feine llrfadje, bie- 
je» febr zuvcrfid)tlid) audgefprodtenen Verftcberuugcn 
bed alten (Grafen jo unbebiugt ©tauben zu fdjenfen. 
«ber in feiner ©eele flang bad ffiort bed ©ervit 
wieber: „Siebet eure fteinbe, jegnet bie eud) flucben, 
tbut wohl beneu, bie eud) beleibigen unb verfolgen !" 
unb biejed VBort behielt zulcfet ben ©ieg unb liefe 
ihn allen 3 orn, ©afe unb Mache vergejfen. Vielleicht 
hatte aber and) bie jugenbliche ©räfin mit ihren 
tiefbunteln «ugen unb Sein flehenben Vlide feinem 
ritterlichen (Sntjd)lufje ben «udfdjtofl gegeben, unb 
er tuufetc fid) felbcr ehviich gefiehen, bamer wahr- 
fcbcinlid> weniger nachfichtig gehanbeit baten würbe, 
wenn ftatt ber ungarifd)cn ©ufareu bie prcu 6 ifd>en 
ftameraben bie äiurg erftünnt hatten. 

„©ier ift ber ©chlüffel," äußerte er 311 bem in 
fanget (Erwartung laujdjenben jungen ©raten. 
^Beeilen ©ie fid>, beim iebe SRinute ift foftbar!" 

Vlifefchncll verfdnuanb ©raf Victor unb Ghriftopb 
fchaute ihm lädjelnb uad). «ber and ben ®acb= 
fparren ber Vurggebäube fdtlugeu flammen empor, 
bie mit MiefenfcbncUe wtichfen unb halb bad alte 
©tammjchlofe vermehrten.- 

©leid) einem fchweren biefen Mcbel lag aber and) 
bie näddte 3 ufunft vor bem jungen ©eiehrten. 
2 öad follte er beginnen? ©trafeburg, bie einzige 
Stabt, weiche ihm möglicher SBeife einen 2Birfungd= 
freid erfchlofe, war ihm bei ber wachfenbeu lieber- 
uiadtt berSramofenfreunbe, bie gleichzeitig mit bem 
«ngrifr bed Obcvften ÜMenfeel auf bad ©chlofe 
©oheuheg, ftch wieber ber ©enfdmft im Glfafe be¬ 
mächtigt hatten, verloren, er burfte ihr 3Beid)bilb 
nid)t wieber betreten, fclbft nid)t unter ber Voraus* 
jefeimg, bafe fein (Sbelmuth bie feinbjeligen ©cfiu- 
mingen ber ©vafen ©ohenheg gemilbert habe. 
Äufeerbem gingen auch noch feine ©elbmittet zu 
Gabe unb bad ©cfpenft ber Moth unb bed (Slcnbd 
taud)te vor ihm auf. ®cr troftrciche 3 uftfrud) bed 
giitmüthigen 3 ofcpft vcrmedite ihm unter folchen 
Verhältniffen niefttd sit helfen unb in höd)ft ge= 
brürfter ©timinnng erreichten bie Veiten ein ®orf 
in ber Mähe, wo fte ein llnterfommen fanbett unb 
ähriftoph aldbalb in einen wohltätigen ©ddunu 
incr verfallf unb 3 ofeph ald ein treuer ©üter feinen 
Sd)laf bewachte. ®er Sräumcnbc fchien in ber 


©eiutath su weilen, beim ein wahrhaft finbliched 
Sachelit belebte feine 3üge. Hub jo war ed auch. 
Gr jah fid) wieber in bem traulichen SBobuzitniner 
neben (Streut unb ©efehwiftern, unb bie Niutter 
eilte gefchäftig bin unb her. (Sr fclbft faß auf bem 
Stuhle am genfter unb jchlief, vernahm aber ben- 
noch alled, wad um ihn ber vorging. (Sr hörte laute, 
fchallenbe Svitte braufeen auf ber Steppe, er ver¬ 
nahm, wie bie Shüre aufging ttnb eine männliche 
©timine jagte: „®em ©immel fei ®auf, ba war* 
tdj enblid) angelangt! ©old) einen «uftvag übers 
nehme ich aber in ber Äriegdzeit nie wieber. Vkittg 
hätte gefehlt, fo wäre id) von bem ©olbatenvolf er= 
griffen unb aufgehängt worben, ©ier finb ver- 
fd)iebene Vviefe unb einer Davon ift and bem «ud= 
lanbe, — bie anbevit erhielt ich von bem ©ervn 
Vrofeffov unb bem ©errn ©tabtpfeifer." 

. . . Vrofeffor! — ©tabtpfeifev? . . . 

Ghriftopb fd)lug bie Slugeli auf. Gr befanb fid) 
nid)t baheim bei (Sltcvu unb ©efehwiftern, ed war 
nur ein lieblicher Staunt gewejen, ber ihn umgeben 
unb falt tutb öbe haud)te ihn bie grenibe an. «ber 
ber 39?atm, ben er iut Svaum fpveeben gehört, ftnnb 
vor ihm unb auf bem Sifetc lagen bie Vriefe, bereit 
er (Svwähnung gelhait. erfannte Gbviftoph 
bad ©dneiben and bem «iivlaitbe. (Sd trug bie 
©chviftzüge bed Vatevd. 3ofeph blirfte ftauncnb 
auf benSvetmb. 3Ead enthielt ber Vrief? SBaruitt 
brachen auf einmal helle ßrcubensäbvcn and feinen 
«ugen, toarum begann er zu zittern unb gerührt bie 
©äube zu falten? 

„Oh, iV'fcph," rief Gbviftoph attffpvingenb, wäh- 
renb er ben Ävetmb innig an fid) brüdte, „ber alte 
©ott lebt noch unb hat mid) nid)t vcrlaffcn! ®enfe 
bir, ich barf zu meinen Sieben itad) Vevlin juvücfs 
lebten, ber Völlig bat mich enblid) begnabigt. Gd 
ioar feine lebte ©anblung, bevor er mit feinem 
©cere nad) ©djlefieit unb Vöhmen aufbracb. «d>, 
©erzendfveunb, mm ift alle Sorge vorbei unb id) 
bin geivife, bafe fich and) für bid) bie ©nabe bed 
ftönigd erwivfen läßt." 

®a aber fchüttelte ber fd)lid)te 33öhme vcvneincnb 
beu Äopf tmb entgegnete: 

„Mein, Gbviftoph, ich feine nicht nach bem Vmtfeen- 
lanb zuvücf. 3u meiner Vvuft regen fid) wieber bie 
alten SGeifen cer ©eiinath, bie Sieber uteined Vol= 
fed, unb in mädUiger ©ehnfudjt zieht’d mid) zntfnf 
nad) ber Stätte, wo meine 2i>iegc geftanben. SBäreft 
bu etnfam unglüdlid) geblieben, jo würbe id) nicht 
von beiuer ©eite gewidjen fein, iefct aber bebavfft 
bu meiner nidk mehr unb fo zieht beim ber üjofcpb 
Gbelbecf mit 3)?enfeeld wilben ©ufaven nad) feinen 
hcimathli^eu Vergen unb SBälbcvn zurürf. Unfeve 
.©erzen bleiben ja bod) einanbev treu, mögen and) 
bunberte von 3 )ceilen zwifd)en und liegen." 

®ie Srennimg von bem treuen ftreintbe fant 
Ghriftopb unenblid) fd)wcr an, aber inbeui er fid) 
ber eigenen ©efühlc erinnerte unb bed ©eiinwehd 
gebachte, bad ihn feit ber Srennimg von Gltevn unb 
©efehwiftern nie gänzlid) vcrlaffcn, übenvanb er 
ieglidien 'äRifenmth unb fanb in bem ©ebanfeit 
Sroft, bafe ia Vöhmcn nid)t außer bev 9Belt liege 
unb er mit 3 ofcph in fürzerer ober längerer 3 eit 
wieber zufamnienfommcn fönnc. ©o fagten bie 
beioen Rreunbe einanbev Sebewohl; noch an bem= 
felben Nachmittage rüdte unfev ÜWufifant mit ben 
uugavifchen ©ufaren aud unb Ghriftoph, ben uichtd 


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98 


Per fterbmbe Httngling uni ins uerlorene Sdjof, 


mehr im ßlfaß feffelte, ßab tftnt für eine laitße 
©trecfe baS ©cleite. -MacObem er norf) oon beit 
©traßburßer SBcta unten brieflich ^lbfd>icb flcnoin- 
men, fuhr er leidjteu @eraen 3 Siß unb 9 Zad)t ber 
lieben föeiinath gu, bi -3 er ftc enblicf) erveiebte unb 
in ben Firmen ber ©einigen laß. Shränenfeudjteit 
SliißeS betrat er, oon filtern unb ©cfdjmiftern um= 
riußt, baS alte, tränte ©ohußetnad). 

©alb nad) fihriftophS ßintreffeu langte mit ©cib 
unb ßinb auch ber Setter ßrmiit an, um beit ßc- 
lehrteit &emt Softor m begrüßen. 

©ährettb bic fllücflicbcn 3 ) 2 enfdjcn in bent trau» 
teu ©ohnftübeßen fröhlich bei einanbermeilen, mäße 
ber SBorhaitß fiel) fenfen unb und erlaubt jein, ber 
Beit ooraiuufchreitcn unb bem Cefcr mitauthcilen, 
baß Shriftoph alSbalo eine 9 luftelluiiß erhielt, baß 
er und) Olüdfeßr beS ÄönißS griebridj U. oon biefent 
mit bem Sßrofcffortitel auSfle^eicbnet marb, unb baß 
er fpäter ber ßlücflid)e ©atte ber blühcnbeit £od)ter 
Setter ßrmiitS mürbe. 

©eit in ber {Jctne aber im frair,öfifch gebliebenen 
ßlfaß florirte nad) mie oor bie gautilie b’öaunaißue 
unb aueb bie jerftorte Söurß erftanb mieber anS ihren 
Strümmeru, unb amar in oerjüiißter unb fchöner 
©eftalt, beim ein prädjtiacS ©d)loß int Sftococo= 
©tote jehaute wen bent Seifen in bie ßbette hinab. 
Beiten unb üÄcufchcn luaren anbere ßemorben unb 
nur ber uralte beutfdje ©oben berfclbe ßebliebeit, 
auf meldjent feit Sahrßunbcrten baS Slßneitfdjloß 
berer oon ftoßenheß ßeftanben. 

(Snbe beS 3'oeiten SßeilS.) 


Per fterbeube $üii0ltii0 unb tms 
verlorene Sdjaf. 

fbinc meiner erften $farrftefleu," jo erzählte ein 
3® treuer, eitßlifdjer $aftor, ber nun attdj 31t feiner 
T 9 tube eiitßeßaitßen ift, „laß in bent milbcften 
Shcilc ber fdmneit ©raffchaft $errt) in Urlaub. 
9 Reiite ©emeinbe bcftaitb anS armen Seutcit. Sie 
©ohituitßen tu bem ßroßen, büitn beoölfcrteit 8aub= 
ftrid) laaeit jo jerftreut unb marett oft burd) ihre 
8 aße auf hohen, felftßeit Scrnabhäitßcn, in ©d>lud>= 
ten ober an Sümpfen jo fchmer 31t erreichen, baß eS 
für inid) feine leichte Sache mar, bie mir anoertrau= 
icn ©celeit perfön(id) feinten 31t lernen, ©ic mären 
bisher feßr oernachläffißt morben; oon ©cbulbilbutiß 
mar unter ihnen nicht oiel 31t entbedeit. Sie mcitiß= 
fteit fonitten lefen ober fdmeiben, unb oon ©otteS 
©ort hatten fte faunt etmaS ßehört. ßiit fleineS 
ÄartoffeU ober ©aferfelb hilbetc nteift ihren einaißcn 
fflefife, unb burd) bie 9 Zotß beS täßlidjen 8ebenS 
fchieitcn fic für alleS Rohere fo abßcftumpft unb 
ttnentpfänßlich 3u fein, baß mir meine 9 lufßabe, ihr 
Sßaftor 31t fein, eine trauriße unb ziemlich hoffnuitßS' 
lofe fdtien. 2 lber ßrabe, als mir aller Sßitth auS* 
ßehen mollte, ereißttete ftcb etmaS, baS mir toie ein 
©onneitftrahl an einem trüben 9 ?eßcittaße mieber 
Sretibißfeit unb ©offnunß aurücfßab. 

Jjd) faß am 9 lbenb eines falten SebruartaßcS oor 
bent Äuttiitfeuer meines fleineit ©obit3iinnterS, 
unb oon ber Slrbeit beS SaßeS auSrußettb, mar id> 


iit eines meiner ßeliebteit ©üdjer oertieft. Sa 
flopfte eS an bie Shür, unb meine SBirthiu melbcte 
mir, baß oor berfclben ein armer, ihr unbefauuter 
50 Zann ftehc, ber ntid) 31t fpredten münfdie. 3di ließ 
ihn ciutretcn. SS toar ein fchr ärmlich unb clcnb 
auSfehenber üJZeufch, ber ntid) bemüthiß um Ser= 
3eihtiiiß bat, baß er tnid) nod) fo fpät ftorc. ,M 
bitte, ^err Saftor," faßte er, „fontmeu ©ie bodj 
ßleich mit! ^ch habe einen ©ohn 311 ipauS, ber 
arme ^uiißc ließt im ©terben, unb id> möchte fo 
ßern, baß ©ie ihn befwbteit." — ^ch ftanb ßleid) 
auf, unb mietoohl eS fehr fpät mar, ntaditc id) midi 
bereit, ben armen 3 Mann 311 beßleiten. Söährcnb id) 
mid) in meinen mannen äBantel hüllte, madite mein 
©emiffen mir ffiormürfe, baß ich biefe aviueSantilie 
bisher nod) nid)t befud)t hatte. 

UntenocßS oerfudjte id) mit meinem ©efährteit 
iit’S ©efpräd) 31t fontmeu, aber er fchieit 31111t ©pvedten 
nid)t ßcneißt, unb mir leßten ben einftüubißeu ©eß 
ßröfitcnthcilS ftillfchmcißenb aurüd. 

SS mar ein befd)merlid)er ©eß, mandmtal über 
(teile .?)üßel, bann loieber burd) jÄlammißc ©iefett. 
ßnb(i(h machte mein Sührer ©alt an einem Serß= 
abhaitß, oor ber £hür einer ©litte, bie mic eine 
maßre SRobinfottShöhle in beit Seifen biitciiißehaut 
nub oon ber übrißen ©eit oollftättbiß abßefdiloffen 
mar. — 911 S toir cintraten, bemerfte id) auerft nur 
eine alte Stnu, toeldie fid) an einißeit ocrfxliiiintcn- 
beit Sohlen bic ©Anbe märmte, fid) aber bei meinem 
Sin tritt erhob, um mir ihren ©diemel anmbictcit. 
3 d) banfte ihr, beim in einem ©infei bcSBinimerS 
hatte id), auf einem ©anfeit ©troh licßenb, mit 
mettißen Sumpeii 3Ußebecft, ben Sranfeit entbeefh 
ben ich befuchen mollte. SS mar ein iuitßcr 9 )(enfch 
oon fiebtehu ober aefttaehn fahren, bem man eS an= 
fah/ baß feine Saac auf ßrben ßeaählt maren. ßr 
laß mit ßefdiloffenen 9 lußett ba, in einem 3«ftanbe 
äußerfter firfd)öpfmtß. liefet öffnete er bic iluaen 
unb ftarrte mich fd)ett unb oermunbert an. ?;ch 
rebete ihn ruhiß an, faßte ihm, tocr ich fei unb ridj= 
tete bann einiße einfad)e Svaßeit an ihn, um feinen 
©eelenjnftanb 311 erfenneu, fanb ihn aber ßäiultd) 
ttnmiffeitb in allem, maS beit ©lattben unb bie ©off= 
ttuiiß ber fihrifteu betrifft, ßr hatte moßl einmal 
etioaS oon ©ott unb 0011t jüitßften Säße ßehört# 
aber oon ber firlöfuiiß burd) ben ©errn gefüllt 
ßhriftum mußte er niditS, unb bie bid)tcfte Sinfter= 
niß umlaßerte biefe ©eele, bie an ber Pforte ber 
©mißfeit ftanb. — ?|d) mar tief betrübt unb faft 
rathloS. ©ie follte ich eS utadjen, biefen armen 
^üttßliitß, beit fd)on bie &ant> beS SobeS erßtiffett 
hatte, nod) jeßt in ber elften ©tunbe 31t bem htiuus 
führen, ber hoch and) für ihn feilt Seben hiitßeßeben 
hatte, unb ber ja itidit miU ben Sob beS ©ünberS, 
fonbern baß er fid) befehre unb lebe, ^ch fühlte eS 
mohl, baß id) nid)tS thun fonitte, ©ottfelbft mußte 
alles thun, unb fo erhob id) mein föera in flehend 
lid)cm ©ebet 311 meinem ffiatcr im ©imtnel unb bat 
ihn um ben ©eiftattb beS ßroßen SKathßeberS, feines 
heilißeit ©eifteS; bat ihn, mir fclbft ben ©eß 311 
meifen, auf melchem ich bie frohe s Botfdjaft 001t ber 
SBerföhituitß hiiteinbriitßen fönnte in bieS arme, 
umnachtete ©eutüth. 

9 ?ad)bem id) fo mit meinem ©ott ßeruitßeu, fah 
idj ben armen fitaitfen mit einem 93lid ooll 3 Kitleib 
an, unb fein 9 lnSbrucf mürbe freuttblidjer, alS i<h 
mit fünfter ©timmc ihn nun mieber anrebete: 


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Soziale KebelfJänbe uni iljre gebang. 


99 


„9Rcin armer 3iuific f bu bift feftr Iran!, id) 
füwbtc, bu mußt viel au3ftel)cn." 

ff3a r " jagte er mit Slnftrengung, „ich bin vedjt 
(cblimm erteiltet, ber duften nimmt mir ben SÜbem 
n>eg ttnb tbut mir meb!" 

ir&aft bu bcu pulten fcf>on lange ?" 

„Sld) ia, fdjon eine ganse SBcilc, beinab ein 3abt 
ifFäfdmn her, feit td) ibn befaui." 

„SBie baft bu bid) beim fo erfältet, mein 3unge ? 
3 d) hätte acbvid)t, ihr müfetet hier an bie raubeguft 
gewohnt unb vcd)t abaebärtet fein!" 

n%i) frcilid), ©err s J5aftor," antwortete er, ,,id) 
mar ber ftdrfftcn einer, bt3 su ber fcbredlicben St'acbt, 
— e3 mar gerafce im Sinter vorigc3 3<tbr, - ba 
batte fid) cin^ von 9Satcr3Sdjafcn verlaufen! iD^ein 
Sater hält ein paar0d)afc hierauf ben bergen, 
©avon leben u>iv. — SUfo cinc3 Slbcub3 beim 
©urdnäblcn febtte ciu3, unb ba fd)idte er mich au3, 

tß 5 » llldKMl." 

„©abei baft bu bid) alfo erfältet, mein 3»ugc?" 

„3^" fugte er, „c3 lag viel Schnee, ber SBinb 
ging mir btirdj unb burd); aber ba3 beamtete id) 
weiter nid)t, id) war fo inSlngft um ba3 Sd)af unb 
wollte c3 fo gern finbeu!" 

rrllub baft bu c3 bcun gefunben?" fragte id) mit 
fteigenbem 3ntercffe. 

rrO ia, e3 mar ein weiter, anftrengenber 9Barfd), 
aber id) hielt mid) lürgeubS auf, bid id) c3 gefüllten 
batte." 

»Unb mie baft bu c3 beim nad) ©aufe gebrad)t ? 
Sollte c3 benn gläd) mitgeben, ober batteft bu ba- 
mit nod) reebte 2)2übe?" 

„Sinn, id) traute ihm nid)t vcd)t, aufierbem mar*3 
aber aud) tobtmubc, unb ba hab* id)’3 auf meine 
Schulter gcuoutmcit uitb bab’3 nach ©aud gc= 
tragen." 

„$a freuten Re Rd) aber su$aufe alle recht, nidjt 
»abr, atd bu mit bem Schaf surfteffamft?" 

„M ia, 93a tev unb üÄutter, unb and) nod) viele 
anfcere, bic am nädjften 3Rorgcn tarnen, um nad) 
bem -3dkif su fragen, bie freuten Reh alle; Sie mif= 
fen ja, ©err ißaftor, in folchen Sachen halten bie 
Sacbbam febr sitfainmeit. (£3 tbat and) allen leib, 
tag id) bie lange, falte 2iad)t binbureb batte bvatiftcn 
bleiben infuteiu ©abei batte id) mir eben biefen 
ßuftcu geholt. SDZcine "IRutter glaubt nicht, bab 
ii micber gefitnb iverte; ©ott mein e3 — id) bin 
nur froh, ba& ich ba3 Sdm gerettet habe." 

ff 2Bic louubcrbar!" badjte icb. „3u biefer ©e= 
ftbidRc ift ba3 ganse Goangeltum enthalten: ©a$ 
Schaf ift verloren, ber Satcr ienbet feinen Sohn, 
um cd ah Rieften; ber Sohn gebt millig bin, bulbet 
atkS ohne Ä?lage unb opfert sulcht fein Scheit, um 
ba3Sdkif an retten; unb al3 er c3 gefunben bat, 
trägt er^ auf feinen Stchfeln jur beerbe jurud unb 
freut fid) mit feinen Nachbarn unb ffreunben, ba& 
baß Scrforenc gefunben ift." — SWeiit ©ebet ivar 
erhört, ber 23cg ivar mir burd) ©otte3 ©nabe ge= 
wiefeii 3lcf> legte bem armen fterheuben jungen 
tat fiaincu fceHVfrtan Öotte* au«, inbein irf> baju 
ferne eigene, ewmfenbe ®cjdjtd>tc knuMe 34 
las ihm bic uicr Sßevfe bc3 ln. Gamtc(3 beS ß»«n= 
aflimii-3 öufii^ vor, n>o bic_treue Sornfaft beS ©ir=- 
ltn ii'iT feine 3rf>aic io fcfv.'it fletchtlcett tutrb. ßt 
iemerttc foflfcirf» bic StcbnliAbit unb folfltc mit 
mit bem nrtMHcn Stntctcttc, ntS id) ihm beit «otten 
JifbcS &feitOniffc» «ftävte. Set fcett öffnete 


ihm ba3 SScrftdnbuiß unb tbat ihm ba§ ipers auf, 
bau er ba3 Sort, ba3 ihm gefagt mürbe, voll ftreubc 
aufnabtn. ©r fclbft marVn# verlorene Schaf; 3c- 
fud 6bviftu3, ber Sohn ©otted, ber gute ©ivte, ben 
ber 2>ater im ©iiitmel in feiner^armbersigfeit au3= 
gefanbt batte, um ihn su fliehen. 6r batte alle 
£>errlid)fcit, Die er beim ^ater batte, um ihn unb 
aitbcrc, bie gleich ihm verloren maren, su fliehen unb 
sn retten, ©leichmie er, ber arme 3unge, ohne 
Silage ben eifigeu Scbneefturm unb ben fcbneibcuben 
SBinb ertragen batte, nur von bem einen SBunfdie 
getrieben, ba3 Schaf su Rüben, jo batte ber bann= 
bersige ©cilanb allen ,^ab ber Simber, ©obn unb 
Spott unb Schmevscu erbulbet, ohne feinen 2)2unb 
su einem SBortber Silage aufsutbun unb batte sm 
lefet fein tbeurc3 geben bingegeben, um und 2Kcn= 
feben vom 3>crbcrben su erlöfcn, unb ivie ein guter 
©irte überlast er feine micbergcfunbcucn Sdmfe 
nun and) nid)t fiel) jelbft, labt Re auf bem gefäbr= 
liehen 9Bcge nicht allcin T jonbern tmgt fiefidjer unb 
voll g-reube in feinen Sinnen fclbft heim in bie 
biiumlifrijcn ©ürben. 

3)2cin armer fterbenber 3»nge fdjicn mie mit bur= 
ftenbem ©ersen allcd aufsunebmen. ©r verftanb 
allc3, er glaubte auch von fersen, ©inen fo beut* 
liehen 33ciocid von berSBirfung be3 heiligen ©eifted 
an einem SHenfdjenbersen hatte id) vorher noch nie 
gefeben. 

©er itvaufc lebte nur noch mentge Sage. 3d) 
fanb feine 3cit, ihm einen anbern Sheil ber hei¬ 
ligen Sd)vift s» Icfcit ober su erflären. ©ic vier 
©vangclien unibtcn in biefe vier SSerfe be3 8ufa3 
sufammen gehängt iverben. ©ft fonnte er nid)t3 
hören vor fdjrcdlicbcm, erftidenbem ©iiftcn; bann 
micber verfiel er für furse Beit in (dimeren Schlaf, 
aber fobalb er im Staube mar aufsumerfeu, cr^ 
freuten unb beruhigten ihn biefe vier Serfe. 

6 r nahm 3cfum ©hriftum in ftnblidjem ©laubeit 
ald feinen ©etlaub.au, unb oft betete er inbrünftig, 
er möge auch ihn finben unb gleich bem verlorenen 
Schaf ihn beimtragen in bie Sinne bed guten 
©ivten. # 

©r ftavb glucflicb, frieblid), faft iubelnb; unb bie 
SBovte: „3cfu3, mein ©cilanb unb mein ©ixte!" 
maicu bie lebten auf feinen gippen. 

Äennft bu biefen 3efu3 aud) ald beinen ©eilaiib 
unb ald beineft ©irten, lieber gefer? 

(9?aihbat.) 


Sajtale fCrbrUtaiibe unb iljre 
Hebung. 

Bm 3 . Sdjlaflfniattf. 

HL 

©ic ungesugeltc ©rmerb3fmht ift ein anberer 
Sd)abeit in nuferem Sßolföleben. 

Bmar bat berSd)öpfer beit 2rie6 nach Grmerb 
unb Sefib in biemcnfcblidje Siatur gelegt, beim er 
ift ein mäd)tigcr gaftor in ber ©ntmidlung unb 
SJereblung be3 2Kcnfchengejchled)te3. 

Slber ber 3ug su ermcrbeit unb su befifeen mu§ 
ubermacht unb regulirt merbeit, fonft mirb au3.Der 


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Sojiole Sebeljlfinbe unb tljre Hebung. 


berechtigten GrmerbSluft bie fdmöbe Grwerbsfud)t, 
bic uucvfattiid)c ©eminnfuJbt unb Habgier. 

SSoit biefer ©elbgier ift ein gvofjer Sheil be3 
9 Solfe^ wie oon einem wüften Taumel erfaßt. 3 n 
wilber £>e|$iagb wirb beut Dollar nad>f\eia^t, alä 
wäre cv baähocbftc ©ut, unb meint e$ and) auf ft'o= 
ften ber ©ejunbbeit, ber 3ufriebenhcit, Ghrc unb 
92ecC)tfcC:affcuf>cit gcfchicht. 

Ser gewöhnliche ftdtcve unb ehrbare 2Beg©elb au 
erwerben, ift fielen ju langfam unb müheocll, fie 
mellen fd)itell, ebne oiel 9 lnftrcngung reid) werben. 
Seähalb nehmen fie 511 aweibeutigen Mitteln, 51111 t 
^ajavb- unb öorfcnfpic!, lotterten, Slktten, Spc- 
fulationeti, fürs jitui ©cbwinbeltbum bie 3 uftud>t. 

9lllc3 mill reid) mevben, unb awar febneü mit etli= 
cC>en fühlten fingen ©riffelt, ob e§ auf bev 93övfe, 
burct)(Sortiert itnMarft, burdjerfd)winbclteStaatä= 
papiere ober Gifenbahnboub3gefd)ieht. 

©elb, ©elb, biel ©clb feil gewonnen werben, 
unb habet mivb alles auf'iSpiel gefefet. Selbft bie 
ärmere unb bemitteltere 3>olfsflaffc tragt bie flüjfi- 
gen paar (niubert SollarS au beu 93örfcumölfcn, 
um unter ihren 9 lnmeiiuitgen au fpefulircn, in giu 
teil unb Krediten papieren. So lange bann ein 
„ 93 oom" anbält, fiitb fie nominell bie ©eminnen= 
beit, bi$ auf einmal baä 9iab ber Spefulation fiel) 
rßcfwävtS brebt unb fie nicht nur ibrei ©emiitneä, 
foubevtt and) be3 eiugcfefeteu ©Jlbe-3 ocrluftig fiitb. 
ä$on biefent Sohwiubelthum ift ber Jpanbelsftanb 
au gvo&eiu Sheil ergriffen, trofe ben jo oielen mar- 
nenbeit i^eifpiclcn. 

^nt 3 ahre 1876 mürben iit wenigen Monaten 
bret Millionäre buvcb ihre waghalfigen ©pefula- 
tionen baufevott. 9lu3 ben taufenb s Seijpielcit, 
welche fo ved)t ba 3 tolle ©pefulationSwcfeit veprä- 
fentiven, fei hier nur ein 3 cvmäbut. 

3m äahre 1879 ftarb in Kalifornien ein gewiffer 
Mdiuttt) bettelarm, unb bod) mar er in feinem lie¬ 
ben mehrere Mal fteinreid) arme feit, 91U* oor 30 
fahren bet ©efcbaftötheil ©acramentoS uieber- 
brannte, mar er reid), beim er eignete oiele itauf= 
läben unb SBanrcn. SBährenb ba3 Jener noch 
wütbete unb 9 litbcre fid) über ben Skrluft grämten, 
beftieg er ein flinfc$ 35fcrb unb faufte alles 9iauhola 
unb alle Sägcntüblen in ber ganaeu Unigcgcnb. 
Mad) einem 3abr mar er buvcb biefc Spefulation 
ein mehrfacher Millionär. 9 ?ad) brei fahren batte 
er burd) eine Minenfpcfwlation alleS loiebcr eiit= 
gebftfjt. 

(Sin 3ahr fpäter gewann er burd) geborgte fflerg* 
merfaftien innerhalb neun Monaten eine Million 
^Dollars. 9?ad) brei fahren mar er wieber ruinirt, 
ttad) einem 3abt mieber ein amiefadter Millionär 
unb in ben lebten fahren feinet SebenS ein bcttel= 
armer Mann. 

Ser $anbcl tft für bie SBetreffenbeit fein ge- 
fttnber SSettlauf mehr, wie in früheren 3ahrhun- 
berten, foitbern ein unfinnig betriebenesSpiel, 
wobei man fid) fattut mehr 3eit aum ©Heit unb 
©d)lafcn gönnt, unb hoch am Gitbe fid) noch ben 
föalS brid)t. 

9lit bie orbentlidje pflege bes fiörperS, an Gr- 
holung, att bie hohem 311 tereffen beS ©eiltet unb 
ber Menfdjhcit ift gar ntd)t au beuten. 

Sie grofcen Stäbte werben immer mehr stt 
©ammclpläfcen folcher Meitfdieit, weldte ftd) auf 
fchnelle unb mühelofe SBeife jfteichthümer erwerben 


wollen, tinb ba bieS nur feiten Sittern gelingt, fo 
laufen fie in baS Säger ber Soaialiften über unb 
bilbeit aur3eit ber 9lrbeit3lofigfeitcin gefährliche# 
Glentent. Sie9lleltoerbefferungSpläite, welche bei 
ben S 03 taltftcufithrern mie $>ilac auS ber Grbe 
betoormad)fen, ocrmirreit ihnen aulefet ben Jiopf 
gatta unb gar, ba§ fie in ffiirthShäitfern uitb 
ßlitb^ bcrtimlungeru unb auf beit 9lnbruch beä 
golbenctt 3 citalterö warten, währenb ihre ftami= 
liett am $ungertud)e nagen. 

Gin &auptmittel, bie Grwcrb^ unb ^efifeluft 
unferer 9)coölfcrung in nupbringenbe ©eleife au 
letten, beftünbe barm, bafe bie bemittelten 9 lrbei= 
terflaffctt ber überfüllten grofeett Stäbte ihr ©elb 
ben unfichern Sparfaffen unb Spcfulationoin- 
ftitutionen entaögen unb Öattb bafür faufteit, uut 
e^ felbft au bebauen. 2 Ber einen feften Villen, 
9lrbeit«luft unb gefuttbe ©lieber hat, bringt e$ 
mit ber 3 eit auf bcitt Sanbe au einem gewiffeit 
9Bohlftaitb. 

®er Caitbmann tnu& au>ar and) fdimerarbeiten, 
befonberä fiitb bie erften 3 ahre eines 9 litjiebler£ 
auf unfultioirtcm Saube mitoicl Mühen perbun= 
ben, aber feine 9lrbeit ftellt ihm aud) fidtere Se= 
lohtiung in 9lusfid)t. Seine 9lrbeit füllt ihm 
Sdteune uitb Heller, Ätüd)e unb Sdtrein, bas Sanb, 
bas er fultioirt, bas 9>ieh, bas er pflegt, bieGrub= 
ten, bie er einheimft, bie ©ebäulid)teiten, bie er 
errichtet, fattn er fein eigen nennen unb baä erwedt 
Sclbftbertraiten, 3ufricbenheit mit feinem Sooä. 
91 us bent früheren Saglöhner unb Jpaitbmerfer 
wirb in wenigen fahren, wenn er oon feinen 
befonbern Unglüdsfallen betroffen wirb, ein uit= 
abhängiger datier, ber in 3tuhe unb Söebaglidtfeit 
lebt unb mit froher 3 uoerfid)t in bic 3 ufunft blieft. 

3n feinem Grmerb^aweig fiitb bie gehlfdjläge 
fo feiten al^ itn ©aueritftanb, uitb feiner bringt 
bei 5‘lcift uitb Gitergie fo fichern, wenn aud) nid)t 
ben größten Grfolg. 

Satifenbe oott 9lrbeitent in grofeett Stäbten 
rnüffen oont frühen Morgen biä autn fpäten 9lbenb 
oft bei ber brüefenben .^ipe unb fchwülen Suft in 
stauch unb Staub gehüllt, auäbalten unb fich 
abguälett» uitb wenn ber Monat herum ift, föttneit 
fie froh fein, wenn bie Jpauäntiethe, ber ©rocer, 
ber 93äcfer unb 5(cifd>cr beaahlt fiitb. Sie fiitb 
Mafchineit, mcld)e ben SBeutel feelettlofcr Gorpo= 
ratioiteit ttttb habfüdftiger Sabrifherrn füllen 
muffen, bainit biefe ihre Grwcrb^jucht unb mag= 
halfigett Spefulatioiten in nod) größerer 9lus= 
behnuitg treiben tonnen. 

Sic unruhigen 9Jörjenfpie(er brachten ben ge= 
fammten ^anbelsftaitb mehrere Male an ben 
9tanb bes 93anfcrotte^, währenb ber ©auernftanb 
in ruhiger ficherer äöeife bic gefunbe Gntwidlung 
ber ftiitanacn herbeiführen half. 

9llle 93cfd)lüffc ber politifdten Parteien, alle 
glätte be^ GottgreffeS unb ber gittanamänner 
toaren ttidjt im ©taube bas ^}aptcrgelb auf ben 
oollen 92emtwertb au bringen unb bic $art= 
aahlung aufaunchnteu, bi'3 bie ungeheuren ^Jko* 
bufte bes 9lcrerbattet auf beu SBeltmarft floifcn. 
Sa floji ©olb bei Millionen in’ö Saitb, bie ^att= 
belsbilana fdjlug jtt unjern ©unfteit um’ ttttb 
bie 9lbtragung unferer ungeheuren Staatöfdmlb 
fonitte mit beifpiellofem Grfolg unternommen 
werben. 


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SonntagfdjuUfekt tonen. 


101 


Huf bem ruhigen fianbfifcc vergeben bie tttopi^ 
fd)cn ^lane unb bic ungezügelte Grwerbfucbt, 
\nbem mau in beut georbneten fleißigen 23trfen 
ben 2Beg gefunben bat, auf welchem man zwar 
langjam, aber fid)cr zum 23efife unb 23oblftanb 
gerätb. 

®aS pvobateftc üXittel ift natürlich baS in ber 
Schrift, bcfonbcrS vom Hpoftel VauluS fo nacb= 
brüdlicb empfohlene: „GS ift aber ein großer Se= 
winn, wer gottfeüg ift, unb taflet ihm genügen." 

3ufriebenbcit, Seitügfamfeit finb Sd)äße beS 
HeucnS unb wer biefc befifet, ben vermag bie 
werböjud)t nid)t in Ueffeln au legen. 

9Kit ber 6rwerbSiud)t gebt bie Vrmtf- unb 
©enuftfudjt Hanb in Hanb. ®aS (Erworbene 
zur Verbefferung unb Verfcböncrung beS Gigen- 
tbumS, au größerer ^Bequemlichkeit im HauSwefeit, 
jur HuSbebnung an vetwenben, ift billig unb 
togar Vflid)t. 

GS ift nid)t baS fReicbfein, fonbern baS 9Jeicb= 
tbun, nicht baS Votnebmfcin, fonbern baS Vor- 
nehmtbun, worauf ber ©efellfchaft ber gröfttc 
Schaben envädjft. 

jaufenbe jagen beut Selbe nach, um'ein flottcS 
InsurtofcS tteben fübrcit, ben ftnnlichcn Vergnü- 

? ungen nadigeben unb allerlei lüften fröbnen m 
önnen. ÜMan nehme nur eine Leitung aur Hanb 
unb febe bie vielen Hnacigen für Vergnügungen 
aller Hrt, bie für bie Vcranftaiter eine profitable 
(Sinnabmequcüe fein muffen, fonft würben fie 
biefelben iid)t fo oft ucranftalten. 

Sei folchen 3utammcnfünftcn wirb in foft- 
fpieliaen Äleibern geprangt, bie feinften Speifcu 
unb ©cträufe werben veraebrt, baß oft an einem 
Hbenb ber faucr verbiente 23od)enlobn, ber mit 
Sier im ©efehäft erjagte ©ewinn veraebrt unb 
.verjubelt wirb. 

Hocbgefteüte, gutbefolbete Seamte haben ihre 
Stellungen zu ©eftecblicbfciten unb Unterfd)lcifen 


miftbratidd, um ben fiujuS unb bie verfcbwenbe= 
rifd)e f!ebenSwcife ihrer Familien aufred)t erhalten 
au tonnen. 

9Kand)e ÜRenfchen geben mit beut ^Dollar um, 
als waren eS feurige itoblen, bic ihnen Köcher in 
bie Xafd)e brennen, ober baS HauS in flammen 
fefceit würben * 

Sei ber erften Sclegenbeit muft eS für Staat, 
Vufe, äeeferbiffen unb tbörid)tc Vergnügungen 
auSgegebeu werben. 

‘Sic rafd)e Vermehrung unfercS nationalen 
23ohlftanbeS, ber ohne Sleidjen in ber Scfcbicbtc 
baftebt, bat natürlich viel baau beigetragen, ben 
Seift ber Vcrfcbweubung au werfen unb au nähren, 
aber ber 92eicbtbum unb SBoblftanb folltc unS 
Urfache werben, in frommer Semutb vor Sott au 
wanbcln, fonft wirb er unS alS Verächter feiner 
Süte feine Strafe au fühlen geben. 

9US 3frael aur 3cit beS falomonifdien 23ob(- 
ftanbeS Sott vergaß, verfchwanb ber 9teicbtbinn, 
bie 2)tad>t unb Hcrrlidrfeit beS VolfeS wie ber 
Schnee vor ben warmen Strahlen ber Sonne. 

9tom batte unermeftlidje 9teid)tbümer, uner- 
fcböpflidie Hilfsquellen, mächtige flotten, glän- 
aenbe SRilitärorganifationen, ein großes Heßwcrf 
von Sfeftungen unb Straften, unb bod) begann 
ber innere Verfall lange zuvor, ehe eS eine Vcute 
barbarifeber Horben warb, in jener 3?it, als bei 
feinen Vürgern SIcidjtbum mehr galt alSSeifteS- 
febäße, unb 3)iad)t unb Hettiter gefud)tcr waren 
alS Sitgenb. 

SSBenn bie (Sinfünfte von unfern Hilfsquellen, 
frud)tbaren ßänbereien, auSgebcbntem Hanbel, 
ergiebigen 2Rinen unSjiid)t unter ben Hänbcii 
verfdiwinben follcn, rnüffen wir ferne bleiben von 
Stola unb Ueppigfeit. 

92ur SotteSfurcbt unb dwiftlidje Giufad)heit 
fönnen unS auf ber 33abn beS SBoblftanbeS unb 
SlürfeS erhalten. 


-<■--* 0 » ■ 

Sonntflgfdjttl=# 'ritttonen. 


Sonntag, 4. gehr. 9(poftelgefd)id)te 3, 12-21. 

2>et giirft he« Sebent 

L Serlittgntntg M #eili(|ni. V. 12—15. HlS 
$etruS a 3 fab, baft lic fich über baS ©' 
fthebenc uemuinbevtcn (V. 11) unb fid) fo gar nid)t 
bareiu z» finben wußten, fonbern jo viel tfragenS 
barühor unter ihnen war, an twortete er alS 
gnvieDctung unbVefd)eib barauf: 23aS Willi¬ 
bert i l> v c li ch u. f. w., b. b. bleibet nur nicht 
gar fo fein* hloS au ber aufterorbcntlichen 6 r f ch e \= 
nmig bcS 23organgS unb bem bloßen Rümpfen 
Staunen ü&er feine euch unerflärlichc Hüften feite 
Men * o b c v iv a S f c b e t i b r a u f u n S u. f. 
w b h- hieibet and) nicht bloS bei ben meufcb= 
liehen 2 Berfacufl€ii haften, alS hätte irgeub eine unS 


inwohnenbe gebeimniftvolle Sitaft ober unfer eige* 
ncS Verbien ft (etwa wegen unferer befonbern 
Srömmigfeit) baS 2Bunber gewirft, ftatt in’S 3 n= 
n e re ber Sache einzubvingen unb eud) auf ben au 
befinnen, in beffen Dicnft wir bloS ftehen, bamit 
ihr uid)t in bie beibnifche Sünbe (Slöin. 1 , 25 ) vcr= 
faltet. Gr tabelt alfo nidit bie Verwunbcrung au 
fid>, fonbern nur ihre falfche Heufterung unb Vor= 
auSfeßiiug unb ihren wahren (Srfolg in bloftem ge= 
banfenlofem Hnftauncu. ©egenüber biejem ihrem 
Slrrthuin acigt er ihnen nun aber and) ben wab 5 
reit SufantmcnbangunbSadwerbalt: ®er6 )ott 
91 b ra h a ntS u. f. w. 9llfo ^ebovab, ber s Bun- 
beSgott febon ber erften Stammväter uitfcrS VolfeS, 
alS ber and ieiten brei Patriarchen bervorgegaugeneu 
12 Stämme 3ü*ael, bat fein $inb (eigentlich: 
Unecht, vergl. 9Kattb. 12 , 18 . 3ef. 42 , 1 ff.) ^e- 
fum, in beffen Stauten ia bie Heilung gefchab 


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102 


SonntagfdjuUfehtionen. 


(25. 6) Derf I&rt. Son bem eigentliihen Uvhe= 
ber bc^ 2BuitberS geht ©etruS alfo fofort and) gu 
bcifcit eigentlichen $ w ed ft bei*, nämlich ber ©cr= 
hevrliehung Ghrifti uub buvd) ihn nud) beS ©ater*, 
waS ja alS 2Äittcl 311t' ßrwedung imb Stärfuiig 
beS ©laubeitS an ©eibe (3oh. 11, 42) überhaupt 
bic Kbficht alter äöunber Ghrifti ift (3of). 2, 11. 
5, 20. 36. 11, 40.) 

SB eiche n ibrber rontifeften Obrigfeit, alfo 
bem „©ericht ber Hcibeit" (Suf. 18, 32) 311t ©oll= 
gichung ber SEobcSftvafe üheran twortet unb 
alS euren 2RcffiaS unb rechtmäßigen Jftmig per- 
l ä u a it e t h a b t, ocrgl. bie Vorgänge Por © i l a= 
t u 3 (Suf. 23, 2 ff. 3fob. 18, 28-19,16), namenb 
luü bei ber 2Babl gwiichcn 3efuS unb ©arra baS, 
um ber ©egenfaß gwifcheu bem $ e i l i g e n (= ®ott= 
geweihten, Suf. 4, 34) unb ©erechten (3ef. 53, 
11. $tol>. 8, 46) unb bem 311111 Xob berurtbeilteu 
Korber (2Barf. 15, 7) bcfonbcrS ftavf hevpor= 
tritt, ebenjo nachher gwtkben bau Surften beS 
8 ebe 11S (Hebt*. 2, 10. 12, 2. ^oh. 1, 4. 3,16. 
11, 25 ff.) unb bem X obte it beSfclbcn, unb bann 
loiebev umgefehrt gwifcheu biefem Sotten unb 
bem Kuferwedeit bon beu lobten, wo= 
burcf) er eben „üerflävt" (25. 13) uuirbe; uub gwar 
loirb alS Urheber ber 3(u?ermcdung auch hier 
loiebev, loicmohl auch ber Sob u baS Sehen in ihm 
felber hatte (;Vh. 5, 26), ber ©ater genannt, ioie 
W\tp. 2, 32, wäbreitb bie 21p 0 ft el ihre wahrheits¬ 
getreuen uub gttperläffigen 3c ugen fiub (l Gor. 
15, 5.) 

Gbcnfo ift aber auch baS Soll felbft jeßt Senge 
feiner ©erberrüchuiig burch baS eben gefchehene 
9Bunber, in welchem er ftch gleichfalls alS ben „Süv= 
fteu beS SebeuS" geoffeubart hat. ©ei bem g.iuseit 
©erhalt, ben ihnen ©etruS macht, um fie burch 
nachbrudliche Sriunerung -an ihre fdjwere ©erfüit- 
bigung au ^eju 311 aufrichtiger ©uße barüber 311 bc= 
wegen, ift etne Steigerung ihrer ©ebulb gu bcmcrfcit 
(überantwortet — ucrläugnct — gefreugigt), bie 
aitßcrbem noch in ein hoppelt helleS Sicht gcftellt 
wirb burch ben fchoit bcgeidmeteit boppelteit ©egen* 
fafe, einerfeitS gwifcheu 3cfttS, ber Milieu nur 
wohlgcthan ODlarc. 7, 37) unb bem Uebelthatcr 
©avrabaS, ber nur Unheil anrichtete, unb an- 
bererieitS gwifeben beu Reiben ©ilatitS, ber 
’ eit eit (oSlaffeit wollte, mtb beu 3ubcn, wcldie 
iejeu loSbateit(obwohl fie fein GigenthuutS= 
oolf, 3oh. 1, 11, nicht ©lieber einer frcmbeit 
Station waren); unb boch ift gevabe burch ihre 
Schult 1 3)tof. 50, 20 im höchftcn Sinn erfüllt. 

II. ®r ff} ber BAmaihttyr. ©. 16—18. Öurch 
ben ©laubeu au fernen 9tamen, b. b. 
auf ©ntnb beS G)(aubeuS ber 9(p 0 fte l an ihn alS 
beu Ferrit uub ©tcifiaS ^fvaclS (2,36), hat er, 
fid) 31t ihrem ©laubcnSwort (©. 6) befeunenb, be= 
(tätigt feinen 9t a nt e n a(S „Surft beS 8e- 
beitS" (25.15) unb Duell allcS .^eilS für fein ©olf; 
ber nachher genannte © l a 11 b c b 11 r <h i h u ift ba= 
pegeit ber burch bie 2Birfuitg feiiteS ©eifteS auch 
tn beut 8 ahüten fchoit bci’in erfteit Süd ber 
Stpoftel gewirfte ©lauhe. ©eim 3oftaitbfomutcit 
ber Teilung oevciitigte ftch alfo ein boppelter 
©laube: ber wirfenbe berSttpoftel unb ber 
e nt p f a tt g e it b e beS ©cheilteit, bie Heilfraft 

S elbft aber lag in beut ooit ieneit beteub aitgeriu 
eiten unb von biefen oevtraiienSooll angenommen 


neu 9tamen 3efu. Diefer ift wohl fchoit a it u it b 
für ) i ch f cl b ft ftavf unb wirfiam, fein inhaltS= 
leerer, wirfungSlofer, bloßer Schall, aber erft burch 
©ebet unb ©laubeit, ber alfo gleichfalls „fein leever 
28ahu" ift, loirb er and) bei unS mtb für unS wirf= 
iant unb ftavf; uub auch feine Gmpfänglicbfeit beS 
©laubenS wirft nur ber Jpcrr allein. 9luf beit 
iebarfen ©erweis (©. 13 ff.) folgt nun baS milbc 
herjgewiitncnbe SBort ber Siebe (baher and)©. 17 
bie oertraulich freuitbliche 2litrebe: „liebe© v ü= 
ber" gegenüber ber feierlichemften in ©. 12), benn 
fie folleit nicht persagen mtb Pcrsweifefit, fouberit 
glauben unb hoffen. 

®urch Uitioiffeitheit, foferit bie SBaffe 
beS ©olfeS wetiigfteitS ihn noch nicht alS baS, waS 
er wirflid) war, pollftänbip erfannt hatten, baher 
cS auch feilte benutzte Ginpovuug gegen ihn alS beu 
9 )tcffiaS war (pergl. Suf. 23 , 34 ); wie a ud) eure 
Ober ft c it (1 Gor. 2, 8) fügt er bei, um nach beut 
Gruft, womit er gupor gesprochen neben aller itoth* 
ipeitbigcn Strenge and) alle cittichulbigenbcn Unis 
ftanbe wahrheitsgemäß gut Sprache 311 bringen, ba= 
mit feine ©cfdiulbigimg feine ungerechte fei. 28 ic 
GhriftuS leib eit füllte, um eben burch bieS 
feilt Seiten uub Sterben fein ©olf gu erlbfcit (Suf. 
24 , 25 ff.), ift ber Hauptinhalt aller 2 t 5 eiffa- 
gung im 91 . $., wenn and) nicht pollftänbig. 
W(ar bei icber eingelneu, fo boch wenigftens in 
ihrer ©cfammtlieit; burch ihre Srf üll u n g pou 
Seitcn©otteS aber ift bie Schult beS ©otfS feinet 
tocgS aufgehoben, anbercrfeitS jeboeb eben bamit 
auch ber cingige 23 eg gur ©ergebung berfelbcn er¬ 
öffnet; eS ift alfo and) für fie noch ©ettung nt og- 
lieh tuib eben bavutii ©uße unb ©efchrimg 11 ö- 
thig(©. 19 ), loeil fie baS eiitgige Mittel gurGr^ 
langitng berjclben ift, baher folgt ttmt fofovt bie 
9 ltijforberuug hicjit. 

III. dr ift ber ^rldfrr (©. 19 ): ©etruS folget 
alS Schluß, auS bem bisherigen bic birefte fMuffor* 
bcruitg ber 3 nbcu gur iintern ©inneSänberung 
unb äußern Umfchr Pon ihren bisherigen bbjeit 
©Regelt (©. 13 ff.), alfo eine pra ftifd)e Kente¬ 
rung ihres gangen ©crhalteuS (©. 26 ), mtb 
begeidmet alS unmittelbare SSirfung berfelbcn eine 
ebenfo poKftanbigc ©erauberung ihres gegenwär¬ 
tigen unb gufflnftigen ©er bä (tni ff eS 311 ©ott 
in boppelter 28 eife unb gwav a) alS uächfte 
So (ge: bie KuStilguitg ihrer ©ünbe (baS ©ilb 
wie Gol. 2, 14 pou ber ©d)rift eine Urfunbc, g. ©. 
eines ©dntlbfcheinS, bie auSgelbfdit loirb), unb 
b) alS weitere Solge: bie nach Aufhebung 
ber Schutt nod) ferner su hoffeitbe ScgcnSgeii : 0 $. 
20 ff. 26 ), in bie er ihnen einen bie gange 2Öelt 
uub Bufunft umfaffenben (©. 25 ) ©lid eröffnet, 
©uße unb Scfchvung ift alfo bie 111111111= 
gängliche©riutbbebingung alles öeilS, fowoht 
ter ©Jegfchaffuitg bev pcrgangencn Sünbe, alS ber 
fünftigen ©egabung mit ben Schaßen göttlidjcr 
©nabe (©. 26 ), ohne biefc per} 01t liehe Grfah= 
r u njj ber 28 i c b c r g c b u r t faitit 9 ?ientanb in 
baS 9 teich®otteS fomrnen Qoh. 3 , 5 ), and) bie 
beu nicht etwa fdioit beSbalb, weil fie „KhrahantS 
Same" fiub, oielntebv gerate alS ©ettoffeit biefeS 
©uitbeS mit ben ©ätevn (©. 25 ) (teilt ©etruS biefe 
beftimmte fittlidic ^orbermtg beS ©laubcttSs 
gehorfautS au fie, (teilt ihnen aber and) unter 
tiefer ©orauSfefeung bie fid)ere Aufnahme in baS^ 


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SomitogfdjuUfekUoaeit« 


103 


felhc burdj bcn gerabe für fic, wenn auch nidjt 
a 11 c i u f bo d) jucv ft unb aunädgt alo i h r e n 
(läitgftvcvbciöcncu) üRcjftaS vorbattveneu unb le* 
benfcigcit &eilanb (©. 26) in gewiffe Auöfidjt. 
Daö neben Dem negativen Moment ber 43 uö e 
auch VaS iß o f i t i ve beS ®la u b c n '3 alS ebeitfo 
abjolut nothmenbig tit beni biblifdjeit ©ollbegriff 
ber ©efelnmng mit cingefdjloffeit ift, attd) weint eS 
biet nid)t auSoriicflid) genannt wirb, ergibt ftd) atiS 
Stellen u>ie iÜiarf. 1, 15 unb verftebt ftd) eigentlid) 
von felbft, iofern et ja bie belebeitbe wirfjameihaft 
für bie fittlidje UmÜcbr felbft unb iit^befonbcvc bie 
ftauptbetringung für beit Smpfaitg ber fmtbever* 
aebenben unb beiliaenbett ©otteSgitabe ift, worin 
färben (Si \\\ e l ne n fein perf onli d) er © cilS* 
befife befd)loffcn Hegt. $un weitbet ftd) aber 
©ctrnS im Svlgcnbeit auch uoeb ju ben für baS 
(S a tu e ber d) r i ft l i d) e it St i r dj e alS @e* 
meiitbe Sbrifti nt boffenben Seanunaen. 

VI. <gr iß twr ftänig, brr fomwt: ©. 20. 21. 
Die längft verheißenen (;>f. 35, 10. Dan. 7, 22. 
27. $ebv. 4, l. 9. ff*) unb baruut aitcb länaft er* 
fehitten Briten ber 6 rq ui dun g, in wehhen 
auf bie £ifec, ben Sturm unb Drang t>c3 ftantpfeS 
unb ber Xrübjal 9ttil>e, ftcicDe unb (Svlofnng folat 
(2 Jbeff. l; 7. 3?öm. 8,21 ff.), unb bie eralS wei* 
tcre berrlidte 3folge ber Sefeiming CB. 19) in AnS* 
Ütt ftellt, finb, a(3 fontnteitb vom Aitgeficbt 
beS Ferrit, als von ihm felbft au5aebenb 
betelcbuet, auch iveun fie bitrd) bie fittlicbe Dbat be6 
iWeitjcbeit bebt nat finb. ÜBenit er fenbeit 
ivtrb vom ftlutinel her, in fid)tbarer ffiieberfunft 
(Jtap. I, ll), Den, ber audjjefet ijuvorfdwii 
tu gläubiger Annahme feiner fünbenveraebcitben 
unb heUigenOcit (Siube a e p v e b i a t wirb, we l* 
(ber mu& ben öintmel ein ne buten, beffer: 
welchen muü ber föimntel einnebmeit, alS fein für 
ihn biMtimmter Aufenthaltsort (Sol. 3, 1.3), nadj* 
bem er ftd) bei feiner Himmelfahrt (2, 33) gefebt 
hat *ur Rechten (Sottet (oebr. 1,3). Daher* 
wiebergebraebt (aurüdaeftellt, iDhttb. 17,11) 
wirb alle# u. f. tv., b. b. ctUe von ber erfteit 
©ctbeiftmtg im ©arabieS an (1 3Roi. 3, 15) gege* 
beiten SBetlfaguttgett in ihrem auf baS lebte Silbe 
iieleitbeu Sinn erfüllt ftitb; aemeint ift alfo bie Beit 
ber fdjlteBlicbcn unb vollftänbigcn HeihSerfüllung 
am (Sitbe ber gegenwärtigen üöelt^cit (üKattb. 19, 
28) in bcin neuen Himmel unb ber netten Svbe (2 
©etr. 3, 13), wobei aber feiite3weg3 an bie fef>rift- 
tvibriae Sehre von ber fog. „ffiieberbringuita aller 
Dinge," b. b. an eine julefet eintretenbe Se f ec It* 
gung aller Sreaturen, auch ber ©ottlofeu, 


aber autn ©olf rebeten, ttebmlidj ©etruä 
unb Sobaitneb (3,1), an bie $ap. 3, 12ff. berich¬ 
tete ©rebigt be3 Srftereit noch wettere ©emerfun* 
peit unb Srntabnungen anfnüpften, traten ju 
tb neu bie ©riefter, bie ben Dienft ber levi= 
tifdten Dempelwadte verfabeit unb in beut 3u s 
fammeitlauf be^ ©olfe^ ©flidjt unb i)ied)t ju 
amtlichem (Sinfchreiten um fo lieber faben, alö |ie 
in bem bffentlidten Auftreten ber Slpoftel ohne 
Sefugnife 311m lehren eine ©erlefeuitg ihrer 
Stanbeöwürbe erfannten, unb ber ^aupt = 
nt amt beä Dempelo al^ ihr ©efeblbbaber 
(1 Sbroit. 24, 5. 8ut. 22, 4) unb Inhaber ber 
©olijeigegewalt, unb bie Sabbucäer. 

Die ©barifäer betrieben, wie eö fdjeint, nad)= 
bem fie buri^ bie Älreuaigung Sbrifti felbft ben 
ftauptfcblag auägefübrt batten, bie ©erfolgung 
feiner Angehörigen nid)t mehr fo ftreng, weil biejc 
la ba5 Cs)efefe 2Koft3 hielten, ohne gegen bic fd>rift- 
licbeit Sabuttgen aufsutreten, and) wenn fie bieje 
nicht mehr au beobachten fid) vcrpflid)tet hielten; 
bie ohnehin nur auä unwifienben (Saliläern 
(2, 7) beftebenbe Sefte mochte ihnen ttid)t febv 
aefäbrlid) erfdteinen, baber auch (Santaliel 
(5. 34 ff.) ziemlich milb, aber aud) etwa^ gering^ 
feväfeig über fie urtheilt, vielleidjt in abfid>tlid)cni 
©arteigegeitfafe gegen bie Sabbucäer, weil ber 
erftc Angrtffvoit biefett aubgegangen war. 

Den ^auptauftoü nahmen ttefetere aud) hier, 
wie fd)on 9Batth. 22, 23 an ber von ©etruö ge= 
lehrten (£ap. 3, 15), von ihnen aber geläuaiteten 
(ffap. 23, 8) Auferftehuttg von ben Dob = 
ten; alfo itid)t bai8 ©tinber, fottbern ba^ 
2B or t rief bcn SBiberftanb hervor, erft wenn ba^ 
ffiort von Sbrifto bem ©efreuaigten unb Aufer* 
ftanbenen *bem 9Henfchen per foul ich nah ge- 
brad)t tvirb, regt fiÄ ber ®ibcrfpruch feines uatür= 
liehen ipcneuS gegen bie gcttlidie SBabrheit. Hub 
f e fe te n fie ein, nämlich ©etvuä unb Johannes 
(©. 13,) H'abvfd)einlid) aud) beit ©eheilten (©. 10 
unb 14) unb awar in baS beim Dempel gelegene 
(?|er. 20, 2. 29, 26) allgemeine ©cfäugnip (Apo- 
ftelgefd). 5^18) biö an ben borgen, bamit 
bann ber hohe 9?ath (©. 5) über fie ®cvid)t halte, 
wa3 iefct nicht mehr gefdjehen fonnte, beim e$ war 
hereiti Abenb, b. h. nach 6 Uhr. Alfo mit 
fleifchlid)en SBafteit unb )vcltlid)er SWacht tvollctt 
fie baet ®cvf ©otte§ bämpfen, weil fie e^ mit geilt* 
lid)cn3Saffen nid)t hefämpfen fonnen; aber and) bie 
weltlid)e 90?ad)t hilft nichts, beim fo lange bie 
Säeutännev Shrifti im ©efängnift fddafen, wäd)|t 
ber Same bc-3 9BortS nur befto ftävfcr (©?avf. 4, 


aubmfen ift. 


Sonntag, 11. Seh. Apoftelgefchichte 4,1—14. 

Wur in Warnen ip .peil. 

I. 6rbt 9t*mt »$r» nrfftnf^trt. ®. 1—S. 3tt 

bereiften ®crfo(^«ng unb Serbaftung ber 
Jfooftef, unb twar mitten in ifiret SöcrurSarbett 
fMattf» 28, 19. 20), erfüllt ftd) bie 93orbctfagung 
Sbrifti (Wattfi. 10, 1« ff.); aber beinah and) bie 
bert gegebene ®ctt»etBung (®. 19). 3t (i fie 


26 27.) 

II. Stau glaubt ou H«(®. 4). j£em®erid)t 
ft ber bie näd)iie Süßere golge von ®etrt ®vcbigt 
feint mm ited> nadjtraglid) ber über ihre innere 
SBivtung: ® icl c tut t e t bcn eit tt. f. tu., alfo 
nidit n (1 e, beim 3?iclc bürten nur mit ben Obren, 
nirbt mit beut .öertcit, n> u rb eit g tä u big, b. h. 
non ber SSnhvbcit iitnerlid) überteugt, fo baft fie 
fidj beim and) äußerlich mt bie ©emeinbe anjdilofs 
fett, unb tn>ar bei 5000; fdion Üicip. 2,41 mar 
bic fleinc ©emeinbe bi? auf 3000 gemadifcu, in ber 
auf ®etvi ®vcbigt folgenben Beit, fdimerlidi g(eid) 
an bemiclbcn Sage, tarnen binjii nod) ivcitevc 2000 
fjftänner, baueben mobt aud) nod) eine entfprc= 
dtenb große Bat)t von Sreuten (1, 14. 5, 14). 


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SonntagfdiuUfehiionett. 


Ghviftub würbe auch hier beit Ginen sunt beit 
?lnbcvu 311m Slufcrftehcn (Suf. 2, 34), bie Gineit 
fautcu 311m obüißcit Suvdjbrud) unb aub bcr bloßen 
Scrwunbcuiiiß (3,10) jur Sewunbcruitß unb sunt 
©lauben, bei beit 9lnbcvcn baßCßett tritt jefct ber 
SBibcrftanb alb cnticbiebeite ftcinbfelißfeit auf. 

III. 3cfu Äame wirb bertfjeitiißt (S. 5—10). 
Sie Oberiten, 9lel.icftcu unb Schrift* 
ß e l e h v t e n luavcu 9)2 itß lieber beb hoben 92a thb, 
alfo beb hödiftcu ßciftlicheit ©cvichtbhofb, bcr ftch 
iefet in förmlicher unb feierlicher Slcnarfifeuitß, 
wahvfcheinlich in bcmfclbcn Saale, too fie cinft aud) 
definit sunt £obe ocvurtheilt haben (D?atth. 27,1), 
ocrfammclt, jene bcibeit alb Seprafentautcn beb 
Solfcb, bieSebteven alb Inhaber bcr ©cfefecbfunbc; 
basu noch bie ücbcutenbften unb bacunt mit Samen 
ßena nuten Vertreter beb Srieftcrftanbcb, uämlid) 
bie £> 0henpr iefter .£> ait na 3 uttb $ai5 
Phab, ber Grftere alb Schwicßcroatcr unb SSor- 
ßäiißcr beb Sebtcreit noch im Scfi& bcr £>ohen= 
priefterwüvbe unb beb Sitclb, biefer ber eißcntlichc 
Strdßcr beb ?lmte3* 

3ohanneb unb 9lleranber, swei toeitevc 
foult unbefannte ©lieber ber batualb rcßiercitbcn 
hoheupvieftevlichen Familie, aub bereit Ä'tcib btefe 
hochite cinRußvctdic Stelle fchott läitßeve 3cit befefct 
mürbe, jo Daß fie ßleichfant ein erblicheb Anrecht bar* 
auf hatte unb eine 9lrt 9(Dclbftanb bilbctc, 10031t 
toahrjcheittlicl) auch ber ftap. 19,14 genannte S f c 0 a 
flchörte, beim einen eigentlichen .ftohenpriefter biejeb 
Sameub ßab cb nie. ©eit 3’r 11 ja lern fautcu 
fie oon ihren außerhalb ber ©auptftabt ßclcßcncn 
Sanbhauieru. 

Sic (teilten fie oor ficf> f Inmitten ihreb 
fireijeb Qoh. 8,3), baß fie 0011 allen 100hl ßefcheit 
werben fonuteit, namentlich auch bcr sur Gonfron* 
tation mit hcrbciacsoßcne.Öchcilte (93.14). 9(ub 
10 eich er ©cwalt» b. h. euch 31t ©ebot ftchcnbcn 
ftraft unb Soüntacot, ober in loelchetn kanten 
unb9luftvaß, bentt jene 952ad)t habt ihr ja icbcitfallb 
nicht in unb oott euch jelbcv, fonbent fie muh euch 
buvch einen 9lnbcvn, in beffen Sienft thr nur ftchct, 
3iiv Sevfüßitnß ßcftellt fein* Offenbar beitfcu fie 
bavan, bafj bcr bei ber £)ciluttß aubßcforochcne 3cfub= 
namc (3,6) ivßenb eine ßchcimttißooll toirfettbe 
Saubcrforutel fei, ober aar, baß fie bab SBunbcr 
buvch bdmonijehe Ginjluffc (9)?atth. 12,24. 10,25) 
ßethait haben; bie ßcuau formulivtc Scrhbvbfvaße 
betrifft (iljo nicht bie Sehre ber 9(poftcf, fonbern nur 
ihre SBunbcvthat, unb Setrub richtet hernach (33. 9) 
feine Antwort nur auf leßtcre. 

Soll beb heil, ©eifteb, in biefeut fritifchcit 
Slußcnblüf mit befottberer Srcubißfeit unb Grleuch- 
tuitß burch benjelbcn aubßcrfiftct, Oßl. Äap. 13, 9. 
Suf. 12, Uff.; forach 31 t ihnen jc. Sic nun 
folßcttbe Scvtbeibißiuißbvebc zeichnet fieß loieber 
buvch ihre bejonnene maßoollc Scjdicibenhcit neben 
aller ernften feften Gntfchicbcnhcit atib, fie ift ooll 
SDiuth unb Semutbf 9Bävme unb ftlarhcit, ©eift 
unb ft'raft, Gif er tutb Siebe. Schon bie 9(nvcbc: 
3hr Obcvftcn beb Solfb, bcioeift bicb, fie ift 
nicht tvopiß uttb bodmiüthißj fonbern loürbiß unb 
chrcrbietiß, ßiebt aber su oerftehen, baß bab, ioab fie 
iefet thun alb Vertreter beb ßauscit 93olfb, für biefcb 
felbft, in beffett Samen fie hanbcln, ßefchicht, unb 
bie Serantioortuiiß für bie (Sntfcßeibuitfl 001t ßattj 
3^racl alfo aud) auf fie aurüdfällt. 


Gr oerläußnct ttidit bic fdjulbißc 9lchtunß oor beit 
Sräßevn beb 9(mtb, bereit Oiccht alb ßcfefeliche Obriß* 
feit er anerfenut, mochten fie auch pevf611 lieh ihreb 
9lmtcb unb feiner 9lchtmtß umourbiß fein. ©c = 
r ich te t über biefer 3I> 0 h l t h a l, ein feiner unb 
hoch fchavfer Stich = fonft wirb matt nur aitßeflaßt, 
wenn man Sbfcb ßcthan hat, wir aber, weil wir 
Öutcb ßethait haben (1 Sctri 2,20); aber itidit an= 
berb hat tttatt eb CShrifto aud) acmadit, 3oh. 10,32. 
Orud) unb allem Solf 3 k bracl, beffen Die- 
pväfcntantcn ihr feib, fei futtbßethan u. f. w. 
Offen unb frei, fühlt unb uttcrfdirocfeit ßiebt bcr= 
felbe Sctrub, bcr cinft 3cfutn oerlaiißitet hatte, hier 
Bciißttiß für eben bcnfclbcit 3cfub, unb macht ba= 
mit ßut, ioab er bort im Sorhof beb £>obciuntcftcrb 
bbb ßctuacht. 

3n betit DJanieu 3efu ßhrifti, nur in bie= 
fern allein unb in feinem anberen, wie ihr etwa beti- 
fet; wchhett ihr ßcfveusißt habet, batttü 
ßeht Setrub bcrcitb 001t bcr Scrthcibißtniß 5111119lit- 
ßriff über, wie jtap. 2,23. 3G. 3,14ff. Steht 
biefer k ., er beweift baniit, baß bie .^cilmiß beb= 
felbeit eine wilflicbe ihatjachc, fein trüßerifchcv 
Schein ift, unb beruft fiel) bafür auf fic felbft alb 
unjjattheiijcbc 9lußcit3ciißcn. 

VI. 3cfu Äarnc wirb ficflcn (SB. 11—14). 9?oc{) 
mehr alb febott S. 10 toiib hier bab 3ctißitiß Sctri 
5ttr 9lnflaßc, feine dichter $u ©cridjtetcn, bereit ßc^ 
toaltißeu 3rrthum tutb fcbtocrc Schulb er tro($ allcb 
billigen SJcfpeftcb Oor ihnen, alb bat rcchlmafuß bc^ 
ooüiitacßtißtcu ßeiftlidtcii Sorftaubcit unb ©cfcb= 
ßebent 3braclb aufviditiß unb uitumwtitibcii blofc 
ießt unb fie oor ben 9ltißctt beb Solfb 1111 b ihrem 
cißcitcn ©etoiffen befchantt unb branbmarft. 

©crabe fic, bereit ßbttlichcr SScruf eb ßewefen 
toarc, treue führet tutb Sflcßcr bcr G^cmcitibe gu 
fein, haben fich alb fcblccblc unb ßcwiffcitlofc ßirten, 
fic, bic ben ßciftlidjcit Seinpcl beb ©cvrn außurid)- 
tcit bcrcchtißt unb oerpfliebtet toarett, alb blinbe ur= 
thcilblofe Saulcutc betoiefen. 

Sab ift ber Stein tt. f. w., ttatttlich ßerabc 
bic Sßcrfon biefeb eben genannten 3cfub, unb nur 
Gr aubfcblieftlich, wie fd)on SDtatth. 21 42 9lnßüc^ 
liutß auf bic fficiffaßiniß Sßf. 118,22. ©er jtun 
Gcfftciu worben ift, oou©ott felbft buvch feine 
Slufcrtoccfuitß unb Grhbhunß (itap. 2,24 ff. 32. 36. 
3,15. 26) alb fold)cr atterfannt unb erwicfcit alb 
ber ©ottebfohn, ben er fiel) felbft üKatth. 26,63 ff. 
eiblid) beseichnet hat; ebenbavum ift aber auch bab 
Scfcnntitifi feineb 9camettb unb bab SBunbcrthitn 
in feinem Samen ttid)t eine ©ottcblaiißiiunß ober 
ftvafbarc Scfdnobviutß (59)2of. 18,9ff.) fonbern im 
Samen 3cfu wirb beb ©cvvn eißcncr Same attßc- 
betet, gelobt unb ßechvt, bcitit in ihm ift eben bie 
bevfonlidjc wefcnhafte©cßcnwavt@ottcb, ber fief) in 
ihm offenbart unb fuubthut; bie Slnrufuna fetneb 
Saittenb ift cbcitfooicl, alb bie 3chooal)b felbft uttb 
fontit bab Scfcitntnifi ber9lfwftcl gu ihm feine Scv^ 
icituna su falfchettt ©ottebbienft. Slllerbittjjb ftcht 
ihrer S-vebißt oou 3cfu nod) ein mddjtißeb ©inber* 
ttiß int 2Beß in bcr Scvacfituiiß biefcb 3cfimatncnb, 
bereu Schulb aber nur bie ßbcrfteit 3'^raclb felbft 
trifft, bic ihn fbrmlid) unb feierlich oerurthcilt unb 
ocvwovfcit haben, aber eben bicb Äcnnscichctt fcU 
nev Schmach tutb Schaube ift bcr SJcwcib ba= 
oon, baft ßerabc Gr ber ccbtc unb eiitjißc oon 
©ott f e l b ft erwählte ©runbftctn feiner 


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SonntögfdjnUfektionftt. 


105 


Wemeinbe (1 ^Jctri 2, 4. 6 oh. 2, 20) unb atle^ 
4 >ci(§ ift. 

So loirb baS 3ciißnt§ beS VetruS eine grofte, all= 
genuine ©eilSorebigt, bie er laut unb uner{d)rodeii 
nicht bloS oor unb für 3Srael, fonbern oor aller 
28clt unb für bie ganse SWenfcfjftcit hält. 3 hr 
Shcma ift: 3efu3 ShriftuS, ber ihr oon ©ott sinn 
Vtittel unb Mittler alles £>eil3 cilisig unb allein ge- 
aeben ift (1 gor. 1, 30), bleibt bieS and) auofchliefc 
lieh, trofebem baft 3 ^cl ihn oerad)tct unb als uns 
brauchbar lueggetoorfcn hat; aber 33rael3 Oberfte 
null VetrttS noch nicht richten, fonbern einlabcn, 
burch 3 hn fich felifl machen 311 laffen (ogl. 2 , 21 ), 
beim bie geschehene ©eiluitg beS gähnten ift nur 
Siunbilb unb Unterofanb ber in 3efit für Alle oor= 
hanbenen SRettiutg auS Sünbe unb £ob unb ber 
oon ihm gefdieuftcu geistlichen ©enejung, ogl. 5, 
31. 15,11. ®iefe Scitimiming (Ihrifti 3 ur.$cilS= 
quelle für al le SMenfdjcn auf ber ßaujen ©*rbe 
(tfaO. 2, 5), für bie 3-ubeu oorttehmlid), aber and) 
für bie Reiben (Stöin. 1,15) unb sioar mit ber 
ein 31 flen SSebingung beS ©laubenS an feinen 
überAüe3 erhöhten tarnen (5J5hil. 2 ,9ff.), beffen 
fteilS fülle fchon SDtattft. 1,21 beseidmet ift, ift 
eine unabanberliche göttliche Vcftimmung feinet 
ewigen ©itabenrathfchluffeS („fein aitbcrer Stame 
gegeben")* oon ber fich uitfleftraftdeiner ent* 
biiiben faitit noch barf. 

Bum Schluft folflt bie Schilberuitfl beS SinbrutfS, 
ben foiuohl bie Vcrfön liebfeit ber Aooftel unb inS= 
befonbere bie 9tcbc beS VetruS, alS audi bie ftille, 
aber befto ftärfer tuirfenbe üKacht ber ßrfdicimmg 
beS Seheilten, beffen unmittelbarer Anblicf allem 
febon, freilid) gan* fleaen ihre ^Berechnung, ihren 
Vlan oöllig vereitelte, auf baS Sonebriunt machte: 
Sie faheu aber an bie ft r e u b i g f e i 12 c. 
CDie unbefangene ftreimütbigfeit unb entfehiebene 
Sicherheit ihres umtimounbenen 3eugmife3 oon 
Christo erfüllte fte mit ftamtenbem Vefrcmbeit unb 
fchlitfl ihnen auch fühlbar flenufl in’S ©cioiffen, tote 
iebeS berartifle mutbige Vefcnntnift and) heute noch 
thut; f i e 0 e r m u it b e r t e u f i d), looher ihnen 
folche 2Bei3hcit_ unb 9)tadit beS UßorteS fomme 
(üMatth. 13,34 ft. 3oh. 7,15), benit fie loareu 
ßeioift, fchon «uS beut frtilicbten, einfachen Inhalt 
tmb ber fdjmucflofcn, funftlojeit ftorin, b a ft fie 
ungelehrte Ceute loarcn ohne rahhinifche 
©cbulbilbung unb utenfchliche SßciSheit (1 6 ov. l, 
17 ff.), unb fa unten fie 001 t früheren Ve= 
gcgiuutgen mit 3 efu her. 

Unb hatten nichts baioiber 31 t reben 
( 8 uf. 21,15), loeil fid) loebet bie 3bentität be3 früher 
©dahinten unb iefct ©ehcilteit, uod) bie Shatfädu 
liebfeit beS gefchehenen SßunberS, noch and) bie 
SBirflichfeit ber 001 t ben Aooftclit oefoitberS heroor^ 
gehobenen Auferftebung ßhrifti ( 8 . 2 ) lättgnen lieft, 
bie auch feinen fteiuben felbft fehr 100 hl bcnmftt loar 
(äüatth. 28,11 ff.). So ftetien fie ba in ihrer fläg= 
liehen Ohnmacht unb Verlegenheit unb müffcit fid) 
nad> biefem ftehlfd)lag unb beut erften Sieg ber 
jimgen ©emeitibe bantit hegnügen, bie Sadie ioenig= 
ftenS burch Verbot meitcrer Vrebigt tobt 3 ufchiocigen, 
Vantü nicht noch mehr Atiffebcn unter bem Volf ent^ 
ftänbe, alS fdbon burd) bie ftabtfuubig gcioorbene 
Gegebenheit felbft gefcheheu ivar, 1111 b baS Anfehcn 
ber Aooftel fid) nicht noch mehr fteigere unb befeftige 
(g 25 _I_ 17 ); allein bie SSabrbcit läftt fid) burd) 


feine Voliseimaftregeltt lote burch einen ©djlagbaum 
einbämmen (Aooftelg. 28,31). 


Sonntag, 18. gebt. Aboftelgefdj. 4,19—31. 

©laubenämutl). 

I. *rr befleflte|o|e Kat| (V. 19—22). ®ie?lnts 
loovt ber beibett 8 (ooftel ift and) hier loieber bet aller 
Vefdicibeuheit hoch ooll 6 ntfd)iebenheit unb bei aller 
fduilbigeit (Shrerbietung gegen bic redjtmäftige getft- 
ltd)c Obrigfeit ihres VolfeS bod) uod) mehr ooll 
Ghrfurd)t gegen ©ott bem föcrrit felber. 3)iefe er^ 
latibt ihnen nid)t, baS ihnen V. 18 oöflig loiber* 
rechtlid) 3ugemuthete, looriu eilt Verbot nidit nur 
be3 ferneren öffentlid)en Auftretens, fonbern fogat 
and) ber blofteit gnoahnuttg beS Samens 3efu felbft 
iit Vrioatgeforäd)eit lag, 311 erfüllen. >Jfid)tet 
jelbft 11 . f. iv., beim thr loollt unb follt ia bie 
9tid)tcr unb iOkifter in SSvacl (3oh.3, 10 ) fein. 
®amit aoocllircit fte an $cr 3 unb ©eioiffeit ihrer 
fteinbe felber unb 3 eigeit ihnen bic ©teilen 3 ioi jcbeit 
bem ©chorfam gegen blofte 9)^eiifd)en unb gegen beit 
lebciibigen ©ott. 2BaS ©ott gebietet, baö barf feilt 
üDlcnfch oerbieten unb umgefchrt. ©ott aber hat 
ihnen burd) ßhviftum gerabe baS gntgegengefefcte 
oon bem befohlen, loaS hierher hohe SJath oerlangt, 
unb eben baS oon ihnen geforbert, loaS biefer ihnen 
oenoeigern unb uuterfagen ivill (ogl. Äao. lf 8 . 
3oh. 15, 27). 

9tad) SMaftgabe biefeS göttlidjen VertifS bürfen 
fie eS nid)t unterlaffcn 001 t 3cfu 311 seligen, aber fie 
föitneu eS and) nidit ttad) ihrem eigenen inneven 
.OersenStvieb; eS loäre für fie ein fittlidieS Unvcd)t 
linb sugleid) eine Unmöglidifcit, ein ihnen oerföns 
ltd) gar nidit benfbarer Sali. ®aS ift für fie bie 
einfache Cöfimg bei bem fdjeittbar fo fdiioterigeu 
Streit 3 ioeicr VeYOflid)tuiigen, beS ©ehovfamS gegen 
©ott unb beS UntcrthanfcinS unter bic Obrigfeit, 
für bie übrigens fd)on baS SBort 3efu, 9)^atth. 22 , 
21 , baS red)tc Vorbilb gab. AllcvbingS oenoeigern 
fie tmithig uitb ftanbhaft ben blinben ©ehorfant 
gegen bie 3Renfd)eit unb toerben biefer äufterett Ver^ 
Ofiidjtttng untreu, aber nur, um befto treuer bie 
höhere Vflid)t unb ihren eigenftett inneren Vertu 31 t 
erfüllen unb laffen, um ber&auotfadie genügen 
3 ti tonnen, bie Vebenfadie fahren. Aber fie be* 
gnügcit fid) auch mit bem biogen V^oteft, ohne 31 t 
thatfäd)lid)er Oobofition fuh fortreifteu su laffen 
unb fiitb fogar bereit, felbft Strafe 311 leiben. 3hre 
gntfchcibttitg richten fie aber nicht bloS nad) ihrem 
eigenen ©eioiffeit, baS möglidierioeife atidi 
fdnoanfeit unb irren föitnte, fonbern nur nad) beut 
untrüglichen 2Bort ©otteS, unb baS 9?cdit ihrcS 
SSibcrftanbcS gegen bie Obrigfeit ruht barauf, baft 
btefc felbft, toenit fte ©otteS ©ebot aufhebt um ihrer 
Sabungcn loillen, fte bamit cigcittlid) fid) felbft auf' 
hebt, foferit fie mit ihrem eigenen Bwccf, nur ©otteS 
Wienerin unb Stellocvtrcterin 31 t fein (9?öm. 13, 
1—4), in SSibcrfortid) tritt unb fomit feilte biitbenbe 
Autorität unb fein Stecht auf ©chorfam mehr hat. 

Aber fie brohteit ihnen, ftatt ihrungercd)= 
teS Verbot surücfsusieheit, oevfdiärfcn fie eS noch, 
freilid) föniten fie bie für ben SBicbcrholuttgSfaU 


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106 


Sonntagf^ul^ebtumeiu 


in Sludftdrt geftellte Strafe vorerft noch nicht wirf* 
lid) verhängen, weil bted einen gefährlichen Slufruhr 
veranlaßt hätte. Sieben biefev Slugft vor bem SBclf 
mag fte aber and) eine gemiffe, wenngleich unbe* 
u>iiBte unb unfreiwillige ©d)eu vor bem bei jenem 
SBimbcr fo berrlid) geoffenbarten SJameu 3efu, 
beffen Sob unmtllfürlicb alter SMunb unb föerg er* 
füllte, von fofortigem tbätlidiem Sinfchreiten ah* 
gehalten haben. ®ie fd)einbar blöd beiläufige Sin* 
aabebed Sllterd bed ©chcilteit (über 40 3abre) 
ift abfidjtlicb beigefügt, um bad an ihm ©cTchebeite 
befto größer evfd)eincn du (affen. 

II. $if bftfttUftt fünfter (V. 23—36). Sind ber 
9J?itte ber laiternben unb brobenben getnbe im 
©ißmtgdfaale bed ©vnebriumd da men fie gu 
ben 3bren, b. b. au ben übrigen Slpofteln unb 
bem enteren Greife ber ©laubigen, bie fid) an bie 
3mölfe angefchloffeit batten (1,14.15) unbbieuatür* 
lief) mit liebevoller Xbcilnabnte unb namentlich mit 
treuer Sfüvbitte ihr ©djidial verfolgten unb baritm 
bad nädjfte Siecht barauf batten, von beffen fd)ließ* 
lieber 6ntfd)cit)iinfl möglichft halb genau unterrichtet 
gu werben. 

®a fie bad horten, nämlich bad SScrbot bed 
hoben Stathd, SS. 1B. „©otted Äiitber loben, wenn 
bie fteiitbc toben," vgl. ftap. 16,26; unb greifen gu 
ber heften SBcbr unb SBaffe, bem gemetnfamen ©e* 
bet, bad bie bervlidjfte unb fväftigfte Verheißung 
bat (SKatth. 18,19. 20). Ed ift bied bad erfte cf>rift= 
liebe ©eineinbegebet imSl.S., befonberd hervor* 
gehoben buvdi: einmüthiglid) o o v © o 11, mad 
beibed, bad fefte Sanb genteinfamer Siebe unterem* 
anber unb bie fefte 3uverfid)t unb Hoffnung ge* 
incinfameu © laubend unb Vertrauend auf ben Ferrit 
begeiebnet; fie alle erflärten fiel) baburd) ald mit bem 
©runbfaß jener beiben J&atiptapoiicl (V. 19) voll* 
ftänbig cinverftanbeit, wie auch fpäter micber, A?ap. 
5, 29. 

Unb fpradjeitx. Sinn erfüllt eine brünftiae 
unb gciftgefalbte Vittc um Afraft unb Seiftanb auch 
für ihr fernered apoftolifdicd SBirfeit. ®ie feier* 
iidje Slnrufuitg ©otted beim Vegiitn berfelben ald 
©dwpfer ber gelammten fiebtbaren SBelt (wie Afap. 
14,15. Off. 14,7. Sieh. 9,6) ift nicht ohne Slbfidjt, 
beim bie Erlöfung ald Steufdjöpfung fefet bie 
©dwpfung felbft fchon voraud, ebenfo bad Sieicb ber 
©nabe unb ©errlidtfeit bad ber Statur unb Slllmacbt, 
ber 2. unb 3. ^(rtifcl bed djriftlidieii ©taubend ben 
erften; außerbem ift eben bie in ber ©dwpfung be* 
wiefene Slümadit ©otted ber feftefte ©ritttb für bie 
3uoerfid)t unb Sreubigfeit bed ©ebetd. 

Durch ben SKuitb Davtbd, beim biefem 
mürbe, obwohl fein Staute ald Verfaffer nicht and* 
brütflicb angegeben ift, ber 2. Vfalm, beffen erfte 
gwei Verfe fte iefet in bem brehenbett feiitbfeligeit 
Verhalten bed hoben Statbed erfüllt faben, gugefebrie* 
ben. Unb wiber feinen Shrift, b. b. ben ©e* 
falbten (bebr. SHeffiad), ber fdwn bei ber Saufe ben 
heil, ©ctft ald befonbere Slmtdgabe em))fanflcn. 

Ueber beiu beiliaed ffinb, b. b. beiitcn 
uon aller Sititbe abflefonberten unb eingifl au bei= 
nein Oicnft aemeihten £ned)t, uni. Älap. 3,13. 26. 
'Sin bie ©teile ber oevfolflten Slpoftel fefeen fie alfo 
Sbriftum felbft, beim' bie Verfolauna feiner ©lieber 
auf Svben gilt im lebten ©runb bem bimmlijd) er= 
böbten ©aupt felbft (Äap. 9,4. 5) unb ihr Seibeit 
ift cAub bad feine (2ßor. 1,5. ßol.1,24); ebenfo 


an bie ©teile bed hoben Slatbd im Stflflemeinen bie 
beiben befonberd beaeidmeuben Slamen ©erobed, 
ald Vertreter ber „Albnige auf Srbcn" uub jBila* 
tud, ald Stcpräfeutanten ber „dürften"; mit.ben 
Reiben, nämlid) ben Stömeru. 

3 u t b u n u. f. m., menit aud) nid)t mit eigenem 
SBilfen unb SBillen, bod) oermoae bed über ihnen 
maltenbcn fl6ttlid)en ©efd)idd (2,23. 3,18), aber 
bamm bod) nidjt ohne berfönliche Verfd)iilbuna. 
Siehe an i h r © r o b e n (V. 17 unb 21), b. b. 
mit machenber gürforae, bab nid)td baraud entftebe, 
ald iuad für bie ©eineinbe felbft aut unb beilfaui ift. 
Unb a i e b b e i n c u A? n e d) t e n x. Sie uer* 
langen alfo nicht eine auaenblidluhe aemaltfame 
Vertilfliing ber Seinbe (Cuf. 9,54), ßletdjfam ald 
Obfer ihrer 9lad>e, fonbern nur ein um fo ftärfered 
3euani6 ber flotilicbeu SBabrbeit unb eine um fo 
fräftigere Srtocifung berfelfccn bur^ nod) meitere 
SBunbcraeicben, bamit babureb momoglidb auch 3ene 
nod) gu befferer ßinficht unb orünbli^ber Vefcbrnng 
fomtuen unb fich an ihnen fo auch bad ©ube jened 
Vfalind (Vf. 2,12) nod) erfülle. Unb ft rede 
beine ©anb atid, eben gnr SEivfung folch 
mädjtiger SBunbertbaten, bie ihre Vrebigt nach 
Ehrifti Verheißung (9Harf. 16,17ff.) auch noch 
burd> „utitfolgcnbe 3eid)cit" beftätigen unb befräf* 
tigen feilen (14, 3). 

III. £cr gittli^e Xrojler (V.31). Vemegte 
f Cd) b i e © t ä 11 e (vgl. ©aggai 2, 7), natürliih 
ebenfomenig mie flap. 2,2 bureb ein gemebuliched 
Srbbeben, fonbern ald 3etd)en ber fofortigen Er* 
boruug (mie 16,26 unb ähnlich 3ol). 12,28) ihred 
©ebetd, ald eined ©ebetd „im Spanien 3efu", bem 
bie unbebingte Erfüllung nach 3ob. 14,13 ff. 15,7. 
16, 23 ff. gewiß ift. 

Oed heiligen ©eifted voll waren fte 
allerbingd fchon am Vfingftfcft geworben, ed ift alfo 
nid)t bad Eintreten eined gang neuen äußeren, fon* 
bern nur bie innere VJicberholung bed erften 
Vfingftereigniffed gemeint: fie würben aufd Scene 
vom Vfingftgeift, ben fie fdmit bamald ein für alle* 
mal empfangen tmb nidit etwa ivicber verloren bat* 
ten, angefaßt unb ergriffen, wie burd) ein S?ad)= 
weben iened ©turmwinbd unb ber Airaft and bet 
£>6bc. Unb r e b e t c n bad SB o r t x., um fo* 
fort, auf ber ©teile, ihrem Verfaß, V. 19 unb 
20, getreu, ben Vorfaß bed © v n e b r t u m d, V. 
18, gu ©chanben gu mad)en. 3W i t ^ r c u b i g = 
f c i t = mit allem mir erbenflidxn Sfrennutb, gwar 
nid>t mehr wie 2,4 mit frentben 3ungen, wohl aber 
mit Vfalmen unb Sobgcfängen unb geiftlichen unb 
lieblichen Siebern (ßol. 3,16). 


Sonntag, 25. geb. Stpoftelgefchichte 5,1—11. 

Hnattia$ unb ©a^ira. 

I. $er Veirttg. V. 1—4. Slnaittad heißt 
entweber ald gricchifche fforin bed hebräifdjcit S2a* 
tuend 91 u a n i a (Sich. 3, 23) „ber &err gebeult", 
ober ift foviel wie Qa n a nia (Oait. 1, 6. 3er. 
28, 3) „ber £err begnabigt", alfo etwa = oem 
beutfehen 65ottbofb; ©a wbtra aber bebeu* 
tet „bie ©chöne". 


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SonntogfdjttUffhtioneii, 


107 


©erlauf te feine ©üter, eigentlich blog: aum93erfauf genötbigt ober and) nur aufgeforbert, 
e i n ©ut (©runbftüd SS. 3); man bat fid) bc§balb fonbern eg mar bei» eigener »öüig freier (SntfdUuß. 
bic Sache oft fo oorgefteüt, auch er habe mie bie 31 bet and) ba er wert au ft mar, bätteft bu 
ftap. 4, 34 (genannten, non benen nicht gefagt ift, mit bem ©elb noch gana nach belieben jchalten 
fie haben aut ihre gange $abe »ersichtet, fonbern unb malten tonnen, ohne baß irgenb Jemanb 
nur, fie haben ficb ihrer ie naebbem cg bag ©ebürf- einen Slnjprucb barauf, ober and) nur. auf einen 
niß ber Firmen erforberte, au bereit ©unfteu ent= 2heil bcfjelben hätte tnadten tonnen ober moücn. 
äußert, gieichfallg nur einen 2 b e i l feineg ßigen^ ® u b a ft n i d) t (fomobl bloßen) SHc n f d) e n 
tbumä hingegeben, unb fein Unred)t nur barin (üWarc. 9,37. Job. 12, 44), fonbern ©ott 
beftanbeu, baß er bieß Opfer blog mit 28 i ber- gelogen, ber tu feiner ©emeinbe gegenmärtig 
ftrcbeu, nicht aug freiem inneren Siebegtriebe, ift unb ihre Sache für bie feine anfiebt unb 
fonbern nur um eg Jenen gteicbjutbun, bar= nid)tg halb mitl (Wal. 1,12). 
gebracht unb baruin auch einen Sbeil beg ßrlöfeg $ic Strafe. (2>. 5—li). giel er ttieber, 
unterjdriagcn habe, mag er in fofern mit einem jugleid) mit bem bitrcb beg 3(poftelg Söort gemirf= 
gemißen Sdjeiu beg iRedjteg für nid)t jo belangrcid) teil ©cmiffcngßhlag auch »on einem unmittelbar 
halten tonnte, meil ja bie Änbercit eg jum 2beil aue ©otteg Jpanb tommenben töbtlidjen Sd)lag 
ebenfo mad)teu, nur bah Jene ebrüd) genug maven, (natürlid) md)t einem gemöbulidjcn „9Jer»en= 
für ihre nur t bei Imeife Selbftoerläugnung feßlag" in beg Scbredeng) getroffen, »ergl. 
men igfteng ben oollen ©reig an befahlen. l Sam. 6, 19. 2. 2 Sam. 6, 7; unb gab 

Allein fo läßt ftch bag nachberige ftrenge Strafe ben Seift auf, mörtlid): bauchte bie Seele 

Gericht nid)t recht erflären. ©cjfer faßt man bie aug. ®affelbe 2Bort ift auch ftap. 12, 23 ge= 
Sadje baher in ihrem unmittelbar nächften braucht, unb beseichnet and) bort einen g ema 11- 
fainmenhang mit bem Verfahren beg© ar n a bag f a me n Sob alg unmittelbare Söirfung beg 
(Üap. 4, 36ff.) fo: 3lnaniag berfaufte mie biefer ei ge neu perfbnlichcn (Sinfdjreiteng Sottet, 
jeingauacb ©cfifetbuin, um bei ber ©emeinbe $)ie Sache ift alfoaudi hier nicht fogu »erfteben, 
unb beit Äpoftcln ben Schein einer gleid) alg ob Petrus felbft bicfcö plofelidie ßnbe be = 

ßcn Opfermilligfeit au erregen; biclleid)t fogar, mir ft hätte (mobon ohnehin gar niditä baftebt), 
um ftch baburch eine ähnliche Stellung au fid)crn, fo baß eg alfo alg eine amtliche Slugübung ber 
wie Jener fie fpäter einnabm, nebmlid) bie eincg Mir eben sucht angefeben merben müßte, mie 
©rophetcn(ftap. 13, ll,»ergleid)eßpb.4,11). Atap. 8, 20ff. 13, 10ff. 8efetere bat ja nad) 2. 
ßr miU ihm gleich merben, menn aud) nicht an Gor. 13, 10 überhaupt gar nicht eine SHacbt au 
©tößc ber ©abe felbft, ba fein Slder »ieücidjt nid)t »erberben, fonbern au beffern. Sonbern eg ift 

ebenjo groß mar, aber bod), menigfteng bem Sdjein ein b i r e f t e g (Singreifen ber g ö 111 i cb e n 

nad), au ©roßc ber Selbftoerläugnung, inbem er Strafgered)tigfeit, bie ihrer nid)t fpotten läßt 
fichftellte, alg mollte auch er, mie ©arnabag alg (©al. 6, 7); ungefähr mieeinft bei ber ©cftrafnng 
ein ädjter neuteftamentlid)cr 8e»it (»eral. 4. beg 9? ab ob unb 31bi hu (3 SHof t lo, lff. 4 
9Hoj. 18, 20. 5 uHoj. 10, 9) auf a 11eg feigen* 2Hof. 3, 4) ober beg Ufa (1 febroit. 14, 10). 
tbumgre^t au einen perfönluben ©rioatbefib »er* So erflärk fid) aud) am beften bie große 
sichten. 9tun aber tbut eg ihm bod), mell fein fturd)t, bie über alle nod) außerhalb ber 
Jperasmar nicht an bein 51 der, moblaber an bem ©emeinbe ftebenbeit tarn (Cut. 7, 16). ®a fie 
Selb hing, binteunad) hoch leib um ben ©erluft bag höreteu, unbbaran moblmerfen tonnten, 
begiefeteren unb cr entmenbet (Stmagbaoon, baßber&err felbft feine SSohnung in biefer @e- 
be»or er ben (Svlog alg Opfer in bie ©emeinbefaffe tneinbe alg feinem heiligen Xetnpel aufgefchlagen 
entrichtet, giebt alfo ftatt beg ©anaen nur einen habe (©falm 82,1). feg ift bie heilige unb tiefe 
Sbeil, behauptet aber hoch, eg fei bie 0 e f a m m t* Sd)cu »or bem unfidjtbaren unb bod) fo mirffam 
ju tu m e aemefen. Unb amar mit 333 i f f en naben ©ott, ber ein »ersebrenbeg 5euer ift (£ebr. 
feineg SBei beg, fdjredlicheg „feingfein" »on 12,29. 5 S)^of. 4, 24). Unb mie bort jene.beiben 
amei ©begatten in Sünbc unb Schulb, bie bod) trüber,Jo mirb hier auch Slitaniag unb fpäter 
baaußing merben füllten, baß fie einanber in ben Sappbira (33. 10) »on Jünglingen aug ber 
Fimmel, ni^t in bie &ölle halfen! ©emeinbe (alg einer 91rt ©emeinbebiener) bc = 

betrug aber fprach, onenbar »om heiligen ftattet, mörtlich: aufammengelegt, mag fich 
Seift erleud)tet, f obaß er ben ganjeu mir! lidje n bauptfächlich auf bag Slnorbnen ber ft lei ber, 
Sadmerbalt fofort mit untrüglid)em»23lid »oll- aber auch ber burch ben gemaltjamen 2ob aug= 
jtäubig burchfehaute. 2)er Satan ift hier einanbergeaerrten ©lieber besieht; unb aumr 
genannt alg „ s i}ater (Urheber) ber ßüge" (Job. 8, außerhalb ber Stabt (8ut. 7, 12). 

44); ftatt ihm in ber Stunbe ber SBcrfuchung mit Ueber eine 2Beile, mäbrenb meldjcr bie 
Sehet unb ffiort ©otteg au miberfteben (Jac. 4, ©emeinbe mieber ruhig unb ohne Störung ihreg 
7. l. $etr. 7, 9), hat 9(naniag ihm »ielmebr ben ©ottegbieufteg (3 5Dtof. 10, 6g.) martete. 2>rei 
ffinlaß in fein J&ers nicht gemehrt, fonbern Stunben lang warteten fie duf bie fHüdfehv 
gemährt, (3*>h. 13,17. 8uf. 22, 3) unb ihn ber Jünglinge. Unb mußte nid)t mag ge= 
»oflftänbig banon fflefife ergreifen laffcn. 2) a ß f d) c b e n m a r, ba fie au bem bigberigen ©otteg= 
bu bem hei Ilgen ©eilt lügft, ber in ber in bienft nicht Stheil genommen batte, jefct aber 
ben Mpofteln (Shrifti alg Leitern feiner ©emeiube nad)fcben mollte, mag mit ihrem 9Haune, ber ihr 
auf ßrben aleiefefam ^leibhaftig", mie ©ott in au lang augblieb, gefcheben fei. Ja, fo tbcucr. 
(Shriito fel&ft (Sol. 2, 9) maltet, »ergl. 1 2beff. $icfc5lntmort auf bie prüfenbe ftrage bc§ betrug, 
4.8 3ü>oftelfl. 13, 2. 4. 15, 28. 20, 23. Ipätteft mie meit aud) fie in ben ©etrug ihreg SManncS 
bu bocö wofei u. f. w.-8*iemanb bat bi^ »erftridt fei, seigt bei ihr einen noch »iel »er^ 


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108 


Um Hämin. 


bärteteren Sinn, al3 bei 3enetn, ba hier bie Um= 
ftäube noch weit erfdnoerenber waren uub fte aur 
Sefinnung batten bringen füllen. 

9Jetru3 bejeiefmet ihr Sbun al3 ein 3} e r f u <h en 
b c3 heil. © c i ft c 3 , ob e3 nämlich nid)t bod) 
möglich fci f ibn bnrd) Süge unb betrug in über= 
lifteu, wie man etwa üDieitfchen tduidjen unb bin= 
tergeben fann. Siebe bie ^ü§e berer x.> 
ancb bic3 ift wieber nid)t fo sn fallen, al3 ob$etru3 
felbft ibr g(eid)iam al3 Siebter ba3 Sobesurtbeil 
fpräcbe unb ffraft feiner apoftolifeben Soümacbt 
bicfelbe wie 3luania3 suerfenne nnb gleichseitig and) 
wirtlich oerhängen lufivbe, fonbern oiehnebr äbn= 
lid) wie ba3@erid)t über bie 9totte ff ora b, 4 SMofe 
16, 25 ff., ba3 SDfofe swar gleicbfall3 mit oollfter 
Söeftimnubeit oorauofiebt nnb mit unfeblbarer @e~ 
wifebeit oorau3fefet, aber barunt bod) feine3weg3 
felbft oollsiebt ober and) nur befcblie&t unb oer- 
anlabt, fonbern nur a(3 ®efanbter uub beoollmäcb' 
tigter ®otte3 al3 fofort eintreteub anfünbigt. 92acb= 
bem $etru3 mit leiblichen 3tugcn gefeben, wa3 
©ott an 9lnania3 bereite getban bat, fann er nun 
and) mit g e i ft l i d) e nt 3luge oorau3feben, wa3 er 
cbenfo ficbcr and) an Sappbira nod) tbuu wirb, 
bie in gleicher, ia nod) gröberer ©ebulb unb Sünbe 
ift unb e3 bemgemäb auch ohne alle Sermeffenbeit 


unb Slnmafcung göttlicher Allmacht ober Sülwiffen- 
beit beftimmt oorau3f agen, ia er mübte bie3 
fogar anfüubigen, um feine nun febon sunt sweiten* 
mal unb nod) oiel fcblimnter angegriffene apofto- 
lifebe SBurbc unb Autorität ber ©emciube gegenüber 
SU wahren uub wieber berjuftellcn. 

Da tarnen bie Jünglinge, nämlich in 
bemfefben 3lugcubli<f wieber sur Sbüre herein 
unb trugen nun auch fie bin au3 — unb weld) ein 
fcbredlicbe3 „$inau$!" oergl. Offenb. 22, 15. 
ü)iattb.7,23: lieber bie ganse ©emeinbe, 
bie e3 nun hoppelt inne werben mubte, )oa3 e3 um 
fie felbft al3 heilige SBobuftätte ©otte3 etwa3 fo 
unerfefelicb heiliges fei, oergl. 4 SMof. 14, 5. 9. 1. 
©am. 6, 20. 3ef. 60, 18. Zugleich war aber bie3 
wohl oerbiente Strafgerid)t©otte3, ba3 bie Unbub' 
fertigen ohne Schonung binwegraffte, eine ernftc 
33ujjprebigt für alle anbern su itrenger Selbftprü= 
fung unb sugleicb eine notbwenbige ftarfe Sdmfc 
wehr für bie ganse ©emeinbe n a d) a u §en gegen 
etwaigen SMifebraud) ber cbriftlicben SBobltbätigfeit 
(4,34), oor allem aber nach innen gegen alle 
unb iebe Unlautevfeit, ©elbftfudjt, ©cbeinbeiligfeit 
unb ©eudtelei, bie gleich beim ©ntftebeu unterbrüeft 
werben mubte. 


Jim Hantln. 


ftlage M fittnreidjett ttttb toeitberithmten 6au§ 
©ad)$, ®djttbmadjtr %n Dumberg, über bie mb* 
bathfdiättber, Unm 1554, ift aber noch fo frifcb, 
al3 wäre fie erft 1882 gef lagt worben: 

Da3 oierte Such 2)?ofe faget flar 
8lm fünf sehnten: 31(3 nun war 
jfrael au3 3tegppten fort, 

Sßarb erfunben ein 3Kaun bort, 

Der föols faminlet an einem ©abbatb. 

Unb bie ihn funben an ber Statt, 

Die führten ihn su 3Rofe ein 
$or Slaron unb bie ©emein’, 

Denn c3 war noch nit au3gefprodjen, 

©o einer bat ben ©abbatb brochen, 

28ie man ihn ftrafen foll jur 9lad). 

Der £err aber su SMofe fprach, 

Dicfer äßamt foll be3 3wbe3 fterben, 

Um fein’ Sünb’ öffentlich oerberben. 

3bn foll fteinigen bie ©emein 
9lu§erbalb bem 8ager allein. 

9l(fo führt ihn ba3 ®olf bin 
33or ba3 Säger unb fteinigte ibn. 

3llfo ftarb er in grimmer SRoth, 

2Bie benn ber £>err 3Jiofe gebotb. 
ßier fd)au bu chriftlicbc 3Reng\ 

3Bie ©ott bat alfo hart unb ftreng* 

©eftrafet biejen armen äBaun, 

SBeldjcr bat ein 2Berf getban, 

Da3 an ibnt felbft war nüfclicb unb gut. 
Setrad)t nun felbft in beinern 3Hutbi 
Öb ©ott nidit auch ibn billig rächen, 

Dafj wir fo freoentlicb brechen 
Den Sonntag mit Safter unb ©ünben, 

Da§ er nit mehr ift au ergrünben. 


ßiner ob feiner ?lrbcit leiert, 

Darnad) er auf ben üDiontag feiert, 

Det 5lnbcre mit feiner ^aftorei, 

Der Dritt’ mit feiner ffrämerei, 

Dev 3Siert’ mit Äed)tcn, ©d)ic§en, fHingen, 

Der mtnff mit Sagen unb mit Springen, 

Der ©ed)3t’ mit ©offartb unb mit Sans, 

Der Siebent’ mit Spiel unb 3llifans, 

Der 9ld)t’ mit 3>öllerci uub Behren, 

Dev 9?eunt’ mit Slud)en unb mit Sdmwreiv 4 
Der Behuf mit Sacre3’ unb mit Boren, 

Der ©Ift’ mit Sobfcblag unb Tumoren, 

Der Bwölff mit argem (Sbebrud). 

Dod) wa3 ift uotb, ba§ id) iebt fuch*, 

Die Uehel fo am Sonntag gejebebeu, 

Sie finb fd>ainlofer aiuufeben 
Unb gröber, benn au SBerfciagen. 

Sollt uu3 benn ©ott nit grimmig plagen, 
2Seil wir be3 Sabbatb3 ßhre brcchcn, 
Unehren, entheiligen unb fdnoämen 
50?it sabllo3 uncbriftlid)en ©tücfen, 

3113 ob wir wären -DJamclucfen ? 

Die Obrigfeit muh fRechnung geben 
3$on folcbem uncbriftlichem Seben, 

3So fie mit ©traf* nit fährt barein, 

So ben Sonntag bricht bie ©emein*, 

Den ©ott oerorbnet bat basu, 

Dafj wir folfit haben unfer SRub* 

‘üHit^ieb, 3Kagb, ffneebten, ffinb unb 2Beib, 
3lud) bafe nit ruh* allein ber Selb. 

Die Seel’ foll auch fabbatbifiren, 

3?on ©ott ftcb taffen fein regieren, 

S n allem Ding’ wohl halten ftitt, 
nb ihm gehorchen, wa3 er will* 


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Hot H ämin, 


109 


©egekt I )ab auf fei« fruchtbar ©ort, 

Uno unb frei bamach richten fort. 

Kein weltlich ©efchäft laffen aut SEhür ein, 
©onbern allein mit ©ott leben gemein, 

Unb bajj bie folgenbe ©oche fromm, 

©ib ba& ber Sonntag wieber fomm, v 
Alfo oon Sünben fid) enthalten 
Unb ©ott frei in unb laffen aalten. 

Öab ift ber rechte ©abbath unb 9tub* 

? n biefer 3eit, baburdj mir 311 
)em Sabbath fommen uneerwanbt, 

®ort in ein ewig ©aterlanb, 

®a ewig 5RuV unb auferwadjb, 

®ab wünjdjt oon Nürnberg ©anbSadjb. 

Ueier frab Scrmbgen brr ftoibfdjilfcb finben mir 
in einem beutfdjlänPifchen ©latte folgenbe 3Kit* 
theüungen. ®te ©ebrüöcr S^iherren oon Ototh* 
fdjilP in Sranffurt a. 9K. haben iüngft ihr Sin* 
tommen jum 3 wecfe ber Sefteuerung angegeben, 
unb jwar bat ber jüngere ©ruPer nach biefer An* 
gäbe bab größere Sinfommen, benn er ift für bab 
laufenbe 3abr mit einem folgen oon 4,788,000 
®arf eingefÄafet. ©ährenb ©aron ©illp 9toth= 
fätlP biete Summe angegeben bat, mirb eon 
©aron 3Raier Karl ein Sinfommen eon 4,560,000 
3 Ratf eerfteuert. 5Wa<h biefen für bie ©efteuerung 
angegebenen 3 iff^rn würbe ©aron ©illo an icbcin 
Sage bie gan 3 nette Sinnahme oon 13,120 9Kart 
haben — eine Summe, mit ber eine Samtlie ein 
Jabr recht angenehm (eben tann. Sür iebe 
otunbe berechnet jtch bab Sinfommen beb Sarong 
Silit) föotbfchilP auf 546 Matt, für iebe SDiinute 
auf neun SfSarf unb bemnadj für iebe Setunbe 
auf fünfaehn ©fennige. ®ab lefetere Hingt am 
Snbe nicht febr hoch, — aber bab 3abr bat eben 
31,536,000 Sefunben ! ©enn ©aron Aothfdjilb 
oierüg 3 abte ber Selbftftänbigfeit für fein Öcben 
rechnet unb wenn er jährlich eine t>ode SRillton 
aubgibt, bann mürbe ieber ber beiben ©rüber, 
3inb auf 3io^ gerechnet, nach feinem SEobe unge* 
fahr oierhunbert 3Äilltonen ©hrf mehr hinter* 
lajfen, alb er feiner 3 ?it oon feinem ©ater ererbte. 


ber fuh aufrafft, feinen Sieben eor feinem (Schei¬ 
ben ein lefeteb Sebetoohl 3 U fagen, ergreifeu mir 
bie fteber, 3 hncn bic$)tittheiluug 3 U machen, bafj 
alle untere Srfparniffe unb Srrungenfdjaftcu, bie 
bab Srgebnijj unferet mübfeligcn Arbeit inner* 
halb einer Meihe eon fahren mar, nunmehr in 
bie ©rüche gegangen finb, in Sotae bcffcit mir 
unb leibet bemüßigt fühlen# aiib biefer fdjonen 
©eit ber faufmännifchen ©ünftlidjfcit fd)inera= 
erfüllt 3 U fchetben. ©roß ift ber ©dwtcneincb 
tapferen Kriegerb, ber ungeadftet feiner ©ahr* 
nebmung, baff feine ©affenbrüber fahnenflüchtig 
geworben, Pennod) mit übermcnfd)lid)er Anftren* 
gung ben Kampf auf'b Aeufjerftc fortfefct, wenn 
er fd)lie§lich unterliegen, unb auf ©nabe unb 
Ungitabe [ich ergeben muff noch gröber aber ift 
ber etneb ehrenhaften Kaufmannes*, ber feit beut 
Anbrmhe ber Krifib im 3'anuar b. 3- mit Auf* 
Opferung unb Selbftperleugnung ringt, feine 
taufmännifche Shre 311 retten, trobbem bab feine 
Kollegen bei Poller Kampffähigkeit bab Schlacht* 
fclb pcrlieben, — wenn auch er nothgebrungen 
iapitulircn mub. ®ic Seftüraung anläblid) bie* 
fe^ ßreigniftcS raubt unö momentan bie ©eiftcä* 
gegenwart unb bie 9Höglid)fcit, bie Sragmeite 
unferer ©d)mäche ergrünben unb oerfünben 311 fön* 
neu. Slüein mit hoffen bemnädjft un 6 PormegS 
mit ber Aufarbeitung bef Statuf eingebenb au 
befdtäftigen, mobanit mir 3bnen btfriebigenbe 
Auffchlüffe unb genügenbe ©emeife unferef reb* 
liehen ©trebenf geben werben, «©odmchtenb 
Scrmo & ßo." 

Auf beitt Sebm ^riebridj SBilhelm IT. folgenbe 
©eene fpielte fid) in einer pommcrfchen Sanbftabt 
ab. ©rabc alf baf ©ürgcrnieiftcrlein eine hoch* 
irabenbe Anrebe atir Segrüfning bef Königf be* 
gönnen hatte, erhob ein in ber 9?äbe befindlicher 
ßfel, ben feine burch bie Umftänbe geredttfer* 
tigte Siirücffcbung unb ©crnadüäffigung fränfen 
mochte, fein unmelobifchef ©efdjrei. „Still, ftill," 
Tagte ber König bem unbeirrt fortfahrenben ©ür* 
germeifter, „Siner nad) bem Anbenu" 


©olBoten lagen im lebten Sranfpaalfriea 
im ©interhalt. ®er Sine trug: „ffiefihalb bi|r 
®u benn in bie Armee eingetreten, Som?" 

„Sun," antwortete SEorn, „ich hatte feine Sr au 
unb liebte Pen Krieg." 

irSir" oerfebte ber Anbere# „ich hatte eine Srau 
wib liebte ben 3 rriebeu, alfo gerabe baf ©egen* 
theil." 


8aw et« Atnfntaitti in Amerifa ©anferott 
ma^t, fo mangelt folchem ©organg iebe ©oefie, 
ber ©cpulbner legt feinen ©laubigem feinen 
©tatuf Por, offerirt fo unb fc oiele ßentf auf ben 
Dollar unb bie ©cfdjidjte ift abgemad)t. ©eit 
gefühlpolier geht man im Königreich Stnmäitien 
ui fflerfe, bort oertünbet ber Sanfcrotteur feine 
^affite mit einem ber ©elegenheit angemeffenen 
rMorif^en Schwünge, welcher nicht perfehlen 
fonn, ben ©laubigem ihren ©ertuft minber fchmer 
erfefieinen m laffen. ©0 hat eine pon ber S«ma 
forme & go. in ©ufareft erlaftene Snfolpena^ 
inme fetaenben SBorttaut:. „SBeftmutbäBotl 
unb mit frampfhöff eic 3uaung eme^ Agonirenben, 


Abgefertiat. ©ot bem ©irth§hau 6 ftanben 
eine Anaahf luftige ©efcllen unb fahen ben ©far* 
rer betörtes* bie Strafte herauf fommen. Schnett 
würben fie einS fiA einen ©pa& au bereiten unb 
ben ehrmürbigen ©errn einmal in ©erlcgenheit 
3 ti bringen. Al§ nun ber ©farrcr bei ihnen por* 
bei fam, rebete Siner ihn auf folgenbe ©eife an: 
,„ßerr ©farrer: ©ir finb über einen wichtigen 
©egenftanb nicht gana im Klaren unb badften, 
©ie fönnten 11116 barüber wohl Aubfunft geben." 

„9?un, toab ift eb benn?" 

„Sb ift in ©eaug auf bab Alter beb SEcufclb, 
fönnen ©ie unb fagen, wie alt berfclbc ift?" 

,,©?eine Herren," Jagte ber ©farrer, „wie fön* 
neu ©ie erwarten, bafj ich mit folchcn ®ingeu 
befannt fein fott, ©ie müffen ihr eigeneb Samt* 
lienregifter halten." Sagte eb unb ging ruhig 
feineb ©egeb. O. 

Sine ©rabfdjrift. ©ürgermeifter ©aub Köfe* 
ring in Ortelbburg, 5Wcumatf, hatte gcwünfÄt, 
man feile ihm nach feinem 2 obe eine fchönc ©rab* 
fchrift fefcen; bebhalb bichtcte ihm ein ©oct beb 


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110 


%m Jtamitu 


©täbtdjenä folgcnbeä ©erädjeu, baä fidOcrticfe ge» 
eignet ift, bie 8ad)muäfeln in ©emegung au 
fcbeit. 

„©icr unnen liegt ©an8 ®öferiitg, 

®e fo fcheep up fine ©eene ging; 

O ©ott tnaf ein be ©hinten lief 
Un nemrn eit up in’t ©immelrief. 

®u nemmft bie ia be Kammer an, 

8at of beit oUcu ©od mit gähn." O. 

fl |at 3^«en gefdjractft. „Scib ntd§ig in allen 
Qingen" ift eine©orfdjrift ber ©ibel, melche aber 
nid)t oon willen befolgt wirb. Uebrigettä ift eä 
fchmer gu fagen, too gerabc bie 2Räbigfeit aufhört 
uitb bie Unntäbigfeit beginnt; bcttit ber 9Magcn 
mancher 8eutc befifet eine erftaunlidje uitb faft 
unglaubliche Seiftungäfähigtcit, uitb maä unä 
sehnmal fatt machen mürbe, märe fattm geitügenb 
beit größten ©unger mancher Ceute su füllen, 
©on beit 3citen beä römifeben Äaiferreicheä biä 
auf bie ©egeitmart hat eä eine gange 9ieihe ©ol» 
(her gegeben, melche im Sffcu Unglaubliches ge» 
leiftet haben. S3 möchte 9Ranchen intere{fant 
fein, einmal etmaä über biefe „gelben" gu hören, 
unb beäbalb gebe ich hier einige Singelheiten, mie 
ich fie hier unb ba berichtet fiitbe, ohne jebod) für 
bie SBahrheit biefer ©erichte mich gu oerbürgen. 

Ungeheure Summen finb für einseine (Berichte 
unb ©Jähheiten auägegeben morbeit. ©o mirb 
berichtet, bah bie Sifchauägaben beä ©Uelliuä fid) 
auf $5,000,000 in einem 9Ronate belaufen haben. 
(Sine iRablgeit beä ©eliogobaluä foÜ $100,000 
gefoftet haben, mähreitb ein eingigeä ©eridjt beä 
tt'aifcrä 92ero $150,000 foftete. 

ferner oerbradjten SRandje febr oicl ihrer 3cit 
bei Sifdje. Unfere amerifauifche (Site bei ber 
SRablgeit ift eine Sitte ber SReugeit unb ob fie 
eine ftolge beä Rortfchrittä ift, mögen 2lnbere ent» 
fdteiben. SChatfad>e ift cä, bab eä früher nichtä. 
Ungewöhnliches mar, ein biä gmei ©tunbcit am 
3afd)e gu fifeen. ®odj menn ©eidudjtäjcbreiber 
berichten, bab SRero, ber Spraitn, oftmals gmölf 
©tunbeit fpeifte, bah Siberiuä unb ©itettiuä beit 
gröBtcn Sheil ber 3eit, bie fie nicht im ©ette ocr» 
brachten, an ber Safel faben unb bau ©ontitian 
fortmähreitb etrnaS bei fid) hatte, um feinen ©un» 
ger gu ftilleu, fo geht baä nach unfern ©egriffcit 
beim hoch über bie ©reitgeit ber ©?äbig(eit, unb 
ber ©rabftein folcher 8eute follte bie 3ufdjrift 
tragen: „Sr lebte» ab ttttb ftarb." 

Äoinmen mir aber erft gu ber Quantität, bie 
berührt mürbe, fo mill benn aber bod) unS ein 
©efühl beä 3meitetä befdjleidteit, ob eä bcnit amh 
mahr fei. SJenit man gum ©eifpiel ergählt, bab 
ßrotoit oott 2Milaä einen gangen Odjfeit bei einer 
SRablgcit oergehrt habe, fo glaubt baä mohl 92ic» 
maitb. SRäber an bie ©rengen ber 3Röglid)feit 
fommt ber ©eriebt, bab ©erobon oott SRegara bei 
einer 3Rablgcit gmaitjig ©funb ftlcifch oergehrt 
habe. Slaubiuä 2llbtnuä ab auf einmal fünf» 
hunbert Reigen, huitbert ©firficbe, gehn 3Relonen, 
gmangig ©funb SScintraüben unb hunbert ©ebne» 
pfen. ®er berühmte ©iclfrab 3ofeph Äolitidcr 
auä ©affau (ftarb 1751) oerfchlang in fünf ©tun» 
beit gmei Äälbcr unb gmangig Quart 2Beiit. ©on 
einem Zubern berichtet man, ba§ er fid> oerpflichtet 
habe, ein gangeS £alb gu effen, unb bann, nadj» 


bem er bereits bie (gröbere ©älfte bcffelben in oer» 
fchiebenen 3»bereitungen oergehrt hatte, fprad) 
er: „ffiettn aber nun baä Sta Ib itid)t halb fomntt, 
bürfte cä hoch halb ein ©iädjen oiel merben." 
©or einigen Monaten ftarb ein 3Kanit, 92amcnä 
^Uejanber ©rant, genannt ber ©iclfrab oon ftin= 
berhoot, bem eä etmaä ©emöhnlicheä mar, ohne 
aufguhören gmangig ©fuitb feftc ©peife ttitb eine 
©aüone ©iilch .ober Äaffee gu oergehreit. Rünf 
©fuitb ©raten genügte bloS feilten Appetit gu 
reigeit. 

CSin gemiffer ßaret) oon SBalfhiH, genannt: 
„Qer SRann mit bem ©ummi^SRagenoer= 
)d)lang eine halbe ©aüone Stiftern unb oicr 3;el= 
ler ooll ßraderä unb erbot fid) nod) fed)ä Quart 
gu oergehren, menn 3emanb fie für ihn begahle, 
mogu iebod) ©iemanb 8uft hatte. 

w 9tom" 8amfoit oon Süenäoide, ©. 6., foll 
am lebten Sßahltage folgenbe ©egeitftänbe oer¬ 
gehrt haben : (Sin unb ein halbes ©icrtel Schaft 
fleifd), ad)tgehn ©iäcuitä, ein ©funb Ganbp, gmei 
halb gemachfenc ©ühner, fünf ©dringe, ein 8aib 
^oritbrob, trän! babei brei Quart SBaffer, unb 
behauptete bann, er habe noch nicht halb genug. 

(Shten nid)t gu oerachtenben fRioalen finbet er 
ieboch in 3ofhua ©opneä. Qerfelbe miegt gmei 
hunbert unb füitfgig ©fuitb, ift 60 3ahre alt, 
unb foll im lebten Sommer in Onaitcocf, ©a., 
ein SRittageffeit, beftchenb auä fünfgehn ©funb 
©chtoeiitcflieifd), einer brei Ru& langen RBurft, 
einer grofeen@anä, einem auägemad)fcnen ©uhit, 
einem ©ed ©üBtartoffeln, einem ®ubenb grober 
©iäcuitä, einem groben ©ie, unb fed)S Saffen 
ftarfem Äaffee oergehrt haben. 

(Siitcn gefegneten Sppetit mufj auch jener 8anb= 
pfaner gehabt haben, ber einmal bei feinem $ol= 
lator gu ©cittag fpeifte. 2113 bie ©auäfrau einen 
Seiler mit einem mädjtigen ©raten gum ©erum= 
reichen gab, eignete er fid) benfelbcit an mit ben 
2Borten: „2l(h, gnäbiae Rrau, baä bürfte bedj ein 
©iäd)en oiel merben." 

Sin ©raf ®. hatte ebenfalls guten 2lppetit. 
Sr oerfitherte allen Srnfteä nie in feinem Cebcti 
fatt gemorben gu fein. SiiteäSageä mar er bei 
einer hochftehcnben ©erfoit gur Safel gelaben. 

2 ) ^an molltc feine fceiftungäfäbigfeit auf bie 
©robe ftellen, unb beähalb hatten bie Qiciter 
©efehl erhalten, bem ©rafcit jebc ©d)üffel brei 
bis oier mal git reichen, unb bcrfclbe ab beim au^ 
im ©erhältitib. Srofcbem oerfid)erte er ttad) auf» 
gehobener Safcl nicht fatt gemorben gu fein, unb 
erflärte fid) bereit, eine grobe ©änfeleberpaftete 
für oier unb gmangig ©erfoneit ttodj-aufgucffen. 

3) 2it ©ülfe einiger R(afd)cn 2Betn oergehrte er 
bann aud) noch bie ©aftete. ßächelnb frug 
hierauf ber erlauchte SBirth: „5Run, Heber®., 
iefet ftnb ©ie mohl fatt?" ffiiebcrtim antmor» 
tete er mit einem ©ein. „®ann mub id) frei¬ 
lich barauf oergichten, ©ie gu fättigen," mar bie 
Srmiberung. 

Sin alter, feines guten Sppetttä megen berühnt» 
ter ©err, faßte eineä Sageä: ffiir haben foeben 
einen prächtigen Sruthahn oerfpeift, er mar auä» 
gegeichnet, bab mir mahrhaftig nur bie ffnodjen 
übrig geiaffen haben! 2Bie oiele maret ihrer 
benn ? „3*o£i, i^h unb ber Sruthahn." 

S. Ott. 


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tüponib bec Cegrnmart 


m 


tffyrontb der flkgentvart. 


$ie Itftttcr im Berlin «mH Biem unb anberen aufjufteffen, Die 8 maß bann unb mann richtig 
großen beutfehen ©täfcten haben fiel) oercinigt, um fein, öftere aber and) nid)t. ©olitifchc Parteien 
menigftcnS ©onntagSruhe 311 befotnmen. fterbeit ntd)t fo fdntell, mie fidj manche ßutc ©rü- 

Der ©cbrattch,bte ©efdjäfte ant Sonntag offen ber einbilben, unb neue, mirflidj lebensfähige 
3 u halten unb ttunben aller &rt 31 t bebtenen führte unb tljatfräftige ©arteien merben auch nicht im 
enblid) ba 3 ii, bafj bie meiften Arbeiter gar (einen §anbumbrebeu gefchaifen. 

Stuhetag mehr hatten. Die SMeifter, bie tfauf= DaS folltc man ftd) be 3 Üß(ich ber iefeigeit 
leute, bie SUbeitägeber haben Sonntag mie 9 ßerf= politifdjen Parteien merfett. 91U baS Stufen nach 
taß bie ftrenßftc Slrbeit oerlangt, bi3 bie Arbeiter einer neuen Partei, bie noch oor bem nächften 
fich gegen foldjeSflaoerei empörten, unb 3 mar mit ©räftbentenmablfampf orßaitifirt merbc, unb me- 
Stecht. ber mit ben Demofraten nod) mit ben Siepu- 

Da3 tommt unferen beutfd) - ameritanifdjen blifattern halte, ift red>t fchöit ©erebe, aber metter 
3*ttungcn, melche ben ©oitntagölärin, bdä offene nid)t$. Diejenigen, mcldje folcb präd>tigc 3Äcben3= 
halten ber SBirthfchaften am Sonntag u. f. m. arten führen, erinnern an baä ©prkbmort 00 m 
bertheibißen, ßaiu unb ßar ungelegen. Denn giiten ©ruber, ber ein fchled)ter SKufifant ift. 
biefe Arbeiter in Deutfchlanb fiub ein fprechcnbeS e>ic meinen e£ recht ßut unb heßen bie heften $lb= 
ffieifpicl bafür, ba§ wenn ber Sonntag einmal fid)ten, ohne etma$ 001 t bem ©efchäft, baö fie 
nicht mehr ßeheilißt wirb, ba3 helfet — wenn bie treiben, nämlich be3 politifchen ©orherfagcnä, oiel 
Gejchätte- nid)t an bemjelben -ruhen, aud) ber 311 oerftehen. 

Stuhcfc^beS Arbeiters halb abgefdjafft ift. hätten fie tiefe Sinfidjt in bie politifche ©ad)* 

Die bcutfch=amcrifattifd)en Bedungen betonen (aße, fo müßten fie erfeuncti, baß bie näcbfte 
jrnar in,-ihter Stoth, baß bie Arbeiter in Deutfd)= 9 Bal>lfd>lad)t für baä ©räfibentenauit smifdjen 
lanb nur ben Stuhetag ocrlanßen, nicht bie £>cilig= Dcmofrateit unb Stepublifanern ßefchlagen mirb, 
baüiutg t>e 3 ©onntagS, maä mir red)t gerne glatt= unb iefct — 311 Anfang be 3 3 ahre* ’83 nicht baran 
benmoUen. Slber ba^ eine fann nic^t ohne ba 3 311 bettfen ift, eine mirtfame politifche ©artei 311 
anberc beftchen. Der Stithc taß, ben bie politi- arünbcit. Slber bie guten ©rüber unb fchledbtcn 
leben Bettungen biefeS 8 anbe 3 befürmorten, ift ein SMufitanten merben mohl noch eine ßan3e 3 cit= 
Sonntag, an mclchem alle Sßirtbfchaften meit lang 001t ber neuen ©artei fingen, meldje ihren 
orten unb, ©icr in Strömen geträufen mirb, ba Sßräfibentcn ermählen jollte, unb •— mir muffen 
bie iainmufif nimmer aufbört, Dbeater aller 2lrt fte eben fingen lafjett. 

Speftafel machen unb man im allgemeinen tbut, 

wie man will. Brutale ®d)i»fkaiutgeu. SBcnn fich bie ©pa* 

Dae ift ber St u h e tag, ben bie meiften beutfcb= nier au ihren graufigen ©ticrgefed)ten, unb an* 
aincrifanifcben Beitungen empfehlen unb ber ihrer bere ©ölfer an anbern fchrecflicben ©chauftclluii- 
SReinung nach oon ben Arbeitern in Deittfchlanb gen laben, fo jagt man in ben ©er. Staaten nicht 
geforbert mirb. SBeitn e3 aber ben §errn 28ir= leiten: Da3 finb eben ungebilbete, uncbriftliche 
then unb ben ©d)aufpielern erlaubt merben joü, ©ölfer, benft aber babei nicht an ben ©alten im 
am ©onntag ihr ©ejehäft in ooüem ©d>mungc eigenen 5luge. 

ju treiben, mc&halb nidrt auch beit Sdunieben, 3 n feinem anbern Sanbe merben graufigere, 
Schuhmachern unb ©eifenfabrifanten ? empörenbere ©d)aufte(lungcn aufgeführt, alä in 

alle angegebenen ©rüitbe für einen St uh e tag ben ©er. Staaten. 3ebcr mag unb fann fein 
mit ©ieripeftafel unb Sheaterlärm finb IcereS, ober aitberer fieben riöfiren, mo unb mann er mill, 
eitleä ©erätmäb. ©old)eit Stube tag giebt eS unb überall mirb er ein fchauluftigeS ©ublifum 
ni4t. Stur iw beit 8 äubcrni mo ber Sonntag haben, ba3 ftch oft auö ben gebilbeten (?) Ätlaffcn 
geheiligt mirb, haben bie Arbeiter in SBahrheit aufammenfefct; uttb je brutaler bie 8 eiftuitg, befto 
einen Stuhetag unb baS ©olf mufe fitft ent- gröfeer bie B^hl ber ©chaulnftigeit. 

Wliegcn, ftrtftc ©ountag^geicbe ait 3 ititehmen ttitb 3n jüngiter Beit ift ber „S)teiftcrfd)u 6 " 31 t ben 
burSsufübreWf menn c3 einett Stuhetag haben grofeeit (?) 8 eifhtngeit imDheater hinsugefoimnen. 
will, ©ute ©dntfecit haben bem Seil nachgcahmt, unb 

Da§ fofehe ©efefee nidtt ausführbar feien, ift irgettb 3 emanbeit, ber fid> basti hergab, oft einem 
ebenfalls leeret, tb*3rid>tcS ©cfd>iuäfe. Sie merben grauenjimmer, mit ber©ttchfc einen Slpfel ootn 
intoitbon, in‘ ^Baltimore, in ©hilabelphia uttb Atopfe gefchoffeit; unb 3 mat nicht feiten rücfioärtd 
überall in ben 2 $cr. Staaten auögeführt, mo bie mit ©ilfe eine^ ©piegclö. 
toiMcti ßrateclev bic politifdte Ucbermad)t nicht ftürslid) nun fchoü ein folcher fchaufpielenber 
kitten CDiefe lefeterc Shatfache aber gereicht Schüfee, ©err Srapnc, eine S^aufpielerin bei 
Jifwnt iRolf acwiB nur 3 ur ©d)attbe. jold) gräulicher Öciftnng in ßincinnati tobt, meil 

^ baö ©emehr bie ©ere^mutgen be^ ©d)üben 

Säte Brüter, «Ber f<hled>tf Äufifnntm. Sooft tdufd>te; unb bie SJtenge anftatt mic gemöhnlid) 
7 * r:Hidtc djartei eine gro§c Stiebcrlage erlit- iit utiqehcureit 3uhe( att^ttbrechen, fah eine ©c= 
L S allcn CSrnftcS bauen gefno&n, eine morbetc. 

7, in arünben. alte fet abgelebt, neue ßineu anbern SJameit haben mir für folch fchänb- 

gtagen feien 31 * beantmorten unb neue Örunbfäpe liehe Spiele mit bem Sebett nid)t, unb Srapite hatte 

\ 


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112 


(Slpontk bet Ätgroroart 


gana recht, wenn er por beiu ©ericht fagte, er fei ein 
SÄörber tinb erwarte feine Strafe; beim e 8 üt bod) 
niditä alö ein aiW fdwöber ©clbgier geübter ©torb, 
ben biefe ©eiben ber ©üdjfe pcllbringeu, wenn 
biefe einmal beit gewöhnten Dienft perjagt. Stie= 
manb hat ein Siecht ÜRenfchenleben alfo 311 gefähr^ 
ben, unb bah 31 t folchem frevelhaften Spiel fid) 
2000 bi$ 3000 3nfd>auer perfammeln, ift ein gar 
fd)led)te33engni§ für uitfer gebilbeteS chriftlicheS (?) 

m t. 

3nm Schluffe awei fragen: 1 ) Um wie viel futb 
wir benn heffer al$ bie Spanier, welche an ben 
Stiergefechten Steube haben ? 2 ) Sollten nad) 

fold)cn ©orgängen (Shriftcnmcnfdjeu nodj fragen, 
ob e$ geftattet fei, in3 iheater 31 t gehen ? 

SSiffmfdjaft ttttto Smit$*$itr<hgaitg. Die 2Bif= 
fenfehaft geberbet fich häufig, alä ob fie unfehlbar 
fei unb bie Ungläubigen haben, fo oft fte bie ©ibcl 
angreifen wollen, gleich ben Spruch bereit: ba3 
Such ber Shriften wiberfpridjt ber neueren, untrug± 
lid)en SBijfeufchaft. 

Unb bod) ift’ä mit biefer großen SBiffenfchaft, fo 
bod) wir fie fclbft halten, nicht immer )o fehr weit 
her. Sehr vicleä hat fie noch gar nicht ergrünbet, 
unb wirb fie auch fo fd)ncll nicht ergrünbcit. ©ic- 
leä behauptet fie heute, um biejclbe ©chauptung 
morgen wieber uuvuiwerfen. Sie ift eben auch 
nicht allwiffenb, verfteht manches noch lange nid)t 
unb fann trofe ber größten 332ühe manchmal nichts 
ergrnnben. 

DaS lehrte 311 m ©eifpiel unter anberm auch ber 
lebte ©enu3 = Durchgang bitrdj bie Sonnenfcheibe._ 
Sille gebilbete ©ölfer ber (Erbe hatten ©eiehrte auf 
bie ©mitte gefanbt, wo ber Durchgang am beftcu 
beobachtet werben tonnte, um etwas über bie ©enitS 
311 erfahren, 001 t ber wir beinahe nodj nichts willen, 
obwohl fie 3 « unferem Sonnenfhftem gehört. 

Dieje auSgefaitbteit ©clehrten haben fich unge- 
mein angeftrengt — unb fo viel wie nidjtS herauf 
gebradbt. Doch — etwas entbeeften fie: 

1) Stab fie aufS Steue überzeugt worben, bah 
burch biefeS (Sreigniß bie (Entfernung ber (Erbe oon 
ber Sonne gemeffen werben fann. DaS wußte 
man aber auch früher. 

2 ) ©aßen fie eine Suftfchichte um bie ©enu3 
wahrgenommen. Sind) baS wußte man fchou. 

3) SBurbe feftgcftellt, baß ber ©enuS * SKonb, 
pon bem manche ©eiehrte uncrfdjütterlidj behaup¬ 
teten, baß er oorhanbeit fei, n ich t b a i ft. 

Unb baS ift alleS, waS bie SBiffcnfdiaft an ber 
©enuS entbeift hat. © 01 t bem ©landen felbft 
willen wir fo wenig wie früher; wiffeit noch nicht 
einmal, in wie viel Stunben er fich um feine Sise 
breht, benn bie bidite ©enu3-8uftfchid)tc fagt ber 
SBiffenfifiaft: ©iS hicher uub nicht weiter. So 
muff bie 2Belt 122 3ahre warten, bi3 e3 wieber einen 
©cmiSburchgang giebt, nämlich Slnno 2004; unb 
bann entbedtt bie2Biffcnfd)aft vielleicht wieber nirf)tS. 

2Bir fdhreiben bieS nicht, wiffeufchaftlichc 3or- 
fchuug 31 t oerfleinerit, fonberu nur um baruithun, 
baß aiuh fie befcheibeu fein unb gugehen follte, baß 
bem ©ienftbenfinb ©rennen gefefet fmb, an beiten 
cS heißt* „©iS hierher." 

KBo^itt her ®ojiaU#mu$ führt, baS fagt unS©ert 
SRoft, ber bitterej?eiitb aller beftehenben Ovbmiug, 
•ber in ben ©er. Staaten herumreift, täglich in fei= 


neu ©ranbreben. (Er wirb jwar pon beit Soaia* 
liftcn nicht alS einer ber3hren attgefeheu; wenn 
man aber bie focialiftifd)eu©runbfäfee beS äiißerften 
ftlügelS ftreng burchfübren würbe, tarne man ge¬ 
rade ba an, too biefer Schaijbmenfch fteht. (Sr fagt 
311 m ©eifpiel: 

„(ES hanbelt fid) heute nicht mehr baritm, ob eine 
Revolution autfbvecheu, fonberu wann fie auShre- 
d)eit foU. 

Selbft bie theoretifchen StaatSweifeu sweifcln 
nkht mehr an bem (Einen, baß bic Umwälzung fom= 
men muß, tröften fich aber bamit, baß nod) 3 aßr= 
hnnberte biS bahiit pergehen werben. So lehrte 
bie StaatSpbilofophie oft, unb manche haben fich 
geirrt. 3ui3a()vel792 peraweifelte ©iavat an beut 
©dingen ber großen franjöfifdjcn Revolution, er 
wollte fi(h auS ber ©ewegung jurüdkicheu, auS- 
waitbcrn; SDlarat irrte fid), beim fccl>3 Monate bar* 
auf würbe ber ilönig geföpft. ®ic Revolution 
hatte fid) bamalS in ba3 gieifd) unb ©lut be 3 ©ol= 
fe3 pon Sraitfrcich hincingearbeitct, uub heute ift 
fie perforiert in allen ©roletariern ber Srbe, Pom 
ruffifdjen ©aucru unb irifcheu Srarmcr bi3 311 m in= 
buftrieUcn Slrbciter jeber ©rauche. 'Die 3eit ber 
Dheorie ift porüber; ba$ Proletariat wartet blo 3 
ben geeigneten 3 citpimft ab, um bie ©anb auf 
Da3 3 U legen, waä fein (Eigcnthum ift. Die 3ett 
ber 5 lugfd)rifteu unb 3citung3artifel ift porüber: 
biefclbeu werben buvd) Dpuamit erfeßt. Rur @c= 
waltthat fann ber ©ewalttbätigfcit ben ©arauö 
mad)cn. 

3Ä will 3 «m Sdjluh meine 2 lnfidjt in fitr^e 
SBortc 3 ufanuneufaffen: (So hanbelt fid) für baä 
©olf inn eine öebenöfragc, unb 311 feiner eigenen 
Rettung miifj e3 ben imaginären ©ott, mit bem 
man e$ fo lauge bliub geleitet, pon feinem 2 Bolfen= 
himmel herunterftürjen, bie Scufel auotreiben, bie 
e3 fnechten uub fncbeln, ba3 golbene 3?alb 3 ertrüm= 
mern, mit anberen iJBorten, wa3 por 2 ll(em Rotö 
thut, ift 2 lbfd)affuug ber Stcligion, be3 S)tonopol3, 
bc3 ®apitalioimi3, ber politifd)cn Sprannei. 3 u 
biefem 3 toccfc heißt e3 aujammenftchcu." 

llnbTold)cm 3cug flatfchen beutjch^amerifanifche 
Arbeiter ©eifall! 

^in groftartiger SBohUliter in Deutfchlanb ift 
eine Seltenheit. Sticht weil e8 bafelbft etwa feine 
reiche Ceutc giebt, fonberu weil biefe ihr ©clb viel 
lieber behalten unb lange nicht fo freigebig fiitb al$ 
viele wohlhabenbe SBobUhätcr in 2lmerifa. 

Um fo uwhlthuenber ift e§ hie unb ba auch pou 
brübeit etwaS Pon pro§artiger SBohlthätigfcit 3 U 
hören. So 3 iunScifptel hat ein für$licb Perftor^ 
heiter ©ftrger ber Stabt ©armen, ßubwig Stingel, 
nachbem er lange 3ahre in hcrporraaeitbcr ©Seife 
fcgenoreich getoirft, 3 ulefet ©ermä^tuiffe für wohl 5 
thätige unb gcmeinnüfcige 3 wede in ber ©ehe poit 
1,226,000 9B. (3300,000) gemacht hat. m\x wählen 
nur einige berfclbcit auf: 400,000 3Jt. (3100,000) 
311 m ©au einer$ird)e in Unterbarmcu, 100,000 3 H. 
(325,000) für ein ©erpjlegiingähaiiä für bebürftige 
SRänner über 65 3ahrcn aiW ©armen, ebcnfopicl 
311 einem ©erpftegung^baii^ für ebcitfolchc grauen, 
45,000 S)t. (311,000) 3 ur Svrichtung einer 3?lein= 
fiitbcridjule in Unterharmen, 50,000 m. (312,000) 
311 m heften awetcr f(hon beftehenben Äleiufinber- 
fihiilen unb fofvrt biä 311 3300,000. 


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(Bin illuftrirtes IfamilienbUtt. 


fffter 'g&anb. 1883. p*itte$ <£eft. 








mar am 17. Septem6er 1835, 
baß Dr. 2B m. 91 a ft 9Jiitglieb 
ber Oljio Konferenz mürbe, momit 
biefeS Datum jum ©eburtstag be§ 
beutfcben 9J?etpobi§mu£ mtrb. 

2lu§ feßr {leinen, faft ljoff* 
nungsiofen Slnfängen ift burd) bie ©nabe ©otteS 
in nicht gang fünfzig Jahren in 21merifa unb 
im alten 33aterlanbe ein Sott gemorben, ba§ 
beute 58,000 ©ommunifanten unb 62,000 Sonn* 
tagfdjttler gäblt. fünf ^ö^cre Sebranftalten unb 
pei SBaifenbäufer gegriinbet b^ unb unter= 
hält, ein Sfircben=ßigentbum im SBertbe Don 
82,800,000 fein nennt, geh* 1 »eit Derbreitete 
3eitfcbriften patronifirt unb eine beutfdje Site* 
ratur befißt, wie fie taum eine anbere beutfdje 
Uircf)e in beit 25er. Staaten aufgumeifen bat. 

SBas jöunber, baß beutf<be9Retbobiften baran 
backten, gur Sb** ©otteä unb aus Danfbarfeit 
für Seine große ©nabe unb mannigfaltige 
iurcbbülfe ben 50jährigen ©ebenftag ber Stif* 
tting be$ beutfcben 3Retbobidmu5 zu feiern ! 

Da aber bie 3Jifcb. 9Jtetbobiften*$ircbe etma 
jur felben 3 ei * (1884) ba» £)unbertjäbrige Ju* 
biläuin ihrer Organifation begebt, fo mürbe ber 
Gebaute mach, in ben beutfcben ©emeinben biefe 
^entennirtlfeier mit bem fünfzigjährigen 3u- 
bilaunt be£ beutfcben WefbobiSmuS zugleich zu 
ieiern. 

Diefe 3fbee fanb entfprecbenben 21u§brucf in 
einem Don bem Drufteeboarb be3 beutfcben SBal 


9 


lace Kollegiums gu Seren im Juni 1882 ge* 
faßten Sefcbluß, melier babin lautete, baß fol* 
genbe 3uf<brift ben beutfcben Konferenzen oor= 
gelegt, unb na<b Einnahme ben SBifcböfen ber 
53ifcf). 9fletbobiften=$ir<be, welche mit ber 9lu3* 
arbeitung eines feftplaneS für bie £>unbert= 
jährige Jubelfeier beauftragt maren, gugefanbt 
merben foüte: 

„Shrmürbige unb melgeliebte SSäter! 

Jnbem mir unferer ©ergenSfreube über bie im 
Jahre 1884 abgubaltenbe Jubiläumsfeier 9 (u 3 = 
brud geben unb ©ott bem ßerrn bauten fürbaß 
bcifpiellofe ©ebeihen, moniit er unfere geliebte 
Äirdjc gefegnet bat, erlauben mir unS, Sie ad)- 
tungSoott auf einige ttmftänbe unb 23cbürfniffe 
innerhalb beS beutfcben ÜRetbobiSmuS aufmerf= 
fam 31 t machen, melcbe unferer llebergeugung nach 
in bem Slan $ur Seiet beS Jubiläums Serücf= 
fiebtigung oerbienen: 

91m 17. September 1885 merben eS 50 Jahre 
fein, baß Dr. SB. 9Jaft in bie Ohio Konteren* 
aufgenommen mürbe, unb ber bcutfdje SMetbobiS^ 
mu^ möchte alSbann baS fünfzigjährige Jubt- 
Iäum feinet SeftanbeS feiern. 

Da mir aber auch zugleich mit ber gangen Äirdjc 
baS Jubiläum ihrer Organifation begeben mollcn, 
fo bitten mir in bem oon Jbnen anSgebcnben 
9 ßlan angugeben, baß bie beutfcben SMetbobiften 
biefe beiben Jubileen oont Spdtjabr 1884 
bis Spdtiabr 1885 feiern merben. 

Sold)e 91norbnung mürbe unS ©elegenbeit bte= 
ten, betbe für unS fo bocbmic&tige, gefdjicbtlid)e 
Dbatfacben gu feiern unb mir batten alSbann 


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114 


Pas Jiinfjigjätjrige Jubiläum bts btutfdjtn Petyobistnus. 


auc^ bic nothmenbige Beit, linier isolf in grünb= 
lidjer SBeifc 311 foteßen BubiläumSgaben 5u ocr- 
anlaffen, n>cfd)e mir haben muffen, um Die großen 
3meae ber (Soangclifation bei* 2eutjcbcn burd) 
ben MethobismuS in duSfülmmg 511 bringen. 

Unfere Aufgabe mirb eine immer mächtigere. 
®ic Ginmanberung dom alten Paterlanbe über- 
flutbet baS i?anb. 2Biv muffen alles tbun, unb 
aüeS maßen, um biefe (vin man Derer für Wott unb 
ben MetbobismuS ui gemimten unb hoffen babei 
auf ben fräftigen Peiitanb ber gangen Äiircbe. 

Gin Mittel gur Grreidwng biefcs großen 
3mecfes ber Goangdifation ift Die 5eftftcUung 
unb Grmeiterung foldjcr Üehranftalten, in welchen 
junge Öeute für ben Miffionsbienft unter ben 
Deutfcbcn auSgebilbct merben. ißir muffen uni 
fern StiftungSfonb oergrößern, um ben gu gerinn 
gen©cbalt berProfcfforen unb bie iingulänglidjcn 
Vehdrafte ui oermebren; mir brauchen ©ebäulüfc 
feiten, Bibliotbcfen unb anberc Hilfsmittel, unb 
bitten Daher in Dem Dem beutfd)en MetbobiSinuS 
gemibmeten Paragraphen 3bresplaitcS bic^ehr= 
anftalten beS beutfdjen McthobiSmuS alS ©egen= 
ftanb 7 für bie BubiläutnSgaben Der beutfdjen 3Re= 
thobiften gu begcidjnen, mit ber Äilaufel, ba§ 
folche ©emeinben, meldjc eine fein* fd)mcre 3djul= 
Denlaft 311 tragen haben, ihre BubiläumSgaben 
thcilmciie gur Dfcbucirung biefer ©djulbcn be- 
nüben. 

9Uidj giebt e3 gemiß 3reunbe cugüfdjer 3unge, 
meldie, menn Darauf aitfinerffam gernadü, un3 
gemtfjlich in biefem großen ©erfe behülflid) fein 
mürben, unb menn in Dem oon ben Bifdjöfen 
auSgchenben plan foldjc 5*eunbe auf bie hohe 
©iebtigfeit unteres 3ubildum3'Untcrnchmcn hin- 
meifen mürben, fo mürbe einer großen Miffion3= 
fache Porfdjub geleistet merben." 

2iefeS Sofuntent mürbe bon ben Gentval, 
3t. Souis, 9torbmeft, ©eft unb Chicago beut« 
fd)eu Gonferengen einftimntig aboptirt. 2ie 
Oeftlidje unb ©übliche Gonfereng tonnten bor ber 
Perfammlung ber Pifcfjöfc nid)t mehr erreicht 
merben; aber eine gereich befud)te Prebiger« 
Perfammlung beS 5Remporter 2iftriftS ftimmte 
ber 3ufcf)rift ebenfalls bei, unb bie beutfdjen 
Methobifteu in ber ^üblichen Gonfereng unb 
CalifornieuS merben fid) jcbenfaüs freuen, fold)eS 
2oppe(t«3ubiläum gu begehen. 

3n bem fün(id) publigirten SubiläumSptan 
ber Pifchöfe haoeit biefe, mie gu ermarten ftanb, 
baS ©efud) ber beutfehen ©emeinben gemährt, 
unb geben an, bah bie beutfdjen Methobiften baS 
Jubiläum bon 1884 bis 1885 begehen merben. 

©eitere 5lnorbnungen biefeS bifd)öflichen 
biläumSplaneS laffen fich in golgenbent gufam« 
menfaffen. 

1) 911S dorbereitenbe Maßregel follen bie im 
3al)re 1883 tagenben Gonferengen einen Pre« 
biger ernennen, melcher als Ginleitung mäbrenb 
ber ’84ger Gonfereng eine ^ubiläumSprebigt 
halten foll, unb außevbem e>orge treffen gur 
Abhaltung meiterer ©otteSbienfte, menn es gmeef« 
Dienlich erfcheint. 


I 2) 3 u glei<h [ollen bie anno ’83 tagenben Gon« 
ferengen ein aus Prebigern unb ßaien beftehen« 
be* Gommittee ernennen, meldjcS mährenb Des 
3ubilaumSjahreS 3ubiläumS«Perfammlungeit 
unb Goimentionen innerhalb ber Gonfereng« 

! ©rengeu beranftalten foll, mie es gur Grreichung 
• beS gefteetten GnbgmecfS nötfjig fein mag. 

3) Machen bie Bifchöfe Darauf aufmerffam, 

1 baß obmohl ber ©otteSbienft unb bie Grbamntg 
, ber ©runbgug biefeS Jubiläums fei, bie ©e« 
meinben bod) auch miflig fein mürben, für große 
firchliche Bpecfe Cpfcr gu bringen, unb Damit 
baS unbehinbert gefcheheu fönne, empfehlen fic 
bie Abtragung briiefeuber ffirchenfchulben noch 
bor bem 3ah*e 1884. 

2ÜS H au bifiegenftanb für bie 3>i l &iläumS= 
gaben mirb bie GrgiehuugSfa^e empfoh¬ 
len, unb merben nebft ben firchlichen ©efell« 
fd)afteu gur Seförberung ber Grgiebung benannt: 
2. h e 0 1 0 g i f ch e ©chulen, unb folche 
Gollegien unb Uniberfi täten, melche 
bon ben derfchiebenen Gon ferengen 
auSerlefen merben mögen. 

3n gmeiter Cinie mirb bie Miffion«, bie 
©onntagfdhnt s / bie ftircheubau« unb bie 2Bai* 
fenfache 2 c. genannt. 

GS gef)t aus biefem plane hetbor • 

1) 2aß jeber Gonfereng bie # Fiction, fomie 
bie 9lnorbnung ber ^eftfeicr gäuglid) überlaffeit 
bleibt. 

2) 2ah bie 3ubi(äum§feicr in ben beutfehen 
Methobiftengcmeinbeu im ©pätfahr 1884 be« 
ginnen unb in jeber Gonfereng ein forgfamev 
^lan ausgearbeitet merben follte, fo baß bom 
^pätjahr 1884 bis ©pätjapr 1855 momöglich 
jebe einseine ©emeinbe mit einer mürbigen, er« 
hebeuben unb erfolgreichen 3(bbiläum$feier be« 
badjt mirb, mährenb in Gentralpunften UnionS« 
SSerfammlungen unb Gonbentioueu gmeefeut« 
fpred)enb fein mögen. 

Cefen mir bic ©efinnung ber beutfehen Gon« 
ferengen unb ©emeinben richtig, fo merben fie 
im SufnläumSjabr mit aller Macht bie Gr« 
gieljungsfache anfaffen. 2ie Slusbilbung tüch« 
tiger, junger prebiger, fomie bic ©erftclluufl' 
ber Möglichteit für bic bculfch«ameritanifdje 
Sugenb, fid) eine tüchtige chriftliche 9luSbilbung 
gu berfdhaffen, mirb heute allgemein als eine 
unumgängliche Dlothmenbigfcit anerfaunt. 2ic 
beutfd)en Methobiften hüben bie* ffraft, mit 
©otteS Hülfe, biefeS hohe 3ü't menigftenS an« 

| nähernb gu erreichen, menn es nämlich gelingt, 
lalle Dafür gu begeiftern, unb menn fie ihre 
I Mittel nicht unnöthigermeifc gerfplitteriu 

2aS ^iinfgigjährige 3-ubiläum beS bftitfehen 
1 MethobiSmuS bietet eine ©elegenhcit, nicht nur 
bie ©efchidjte beffelben bem Polle bor'gu führen, 

1 fonbern auch unfere hohe GrgiehungSaufgabe 
! ben Hetgen nahe gu bringen, mie fie mopl feinem 


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Pas madjt bir $Ußton aus beit Reiben ? 


115 


Kon un§ guni 3tt>eitenmal »erben loirb. Blögen 
mit biefe ©eleqenheit mit ©otteS £>ülfe aus« 
beuten unb bie Hoffnung nidjt auf $iilfe oon 
Stoßen, fonberu auf beit &errn, £>errn fe|jen, 
bet uns geigen mirb, baß mir eine offene 3hür 
unb feine ßraft haben, fo mir biefelbe nur 
anmenben. 

Biht oft genug fanit bie ©mpfeljtoitg unferer 
Bifcböfe roieberholt merben, noch oor 1884 mit 
alten ßirhcnfhulben aufguräumen, fobajj 
mir frei unb ungehiubert oon alten 
Sh u Iben, ober—feßen mir hingu, an« 
betn Unternehmungen unb Slnfprü« 
hen, im 3ubiläumSjahr beS beut« 
fdjen BtethobiSmuS gebetsooll unb 
mit aller © n e t g i e bie fo n o t h m e n« 
bige Befeftigung mtb Srmeiteruug 
ber Sebranftalteu beö beutfhen Bte« 
tljobiSmuS in’s9luge faffen fönnen. 


)9a* madjt die üifftou au* 
den $etdeit? 

Bortrag eines Aiffionär». 

3m «u*gu* für $a«S unb #erb tum Beo. 9ut|. 


I) $ie Btiffion mäht aus ben £ei= 
ben glicflihe Seute. 

begleitet mich im ©eifte noch ber BliffionS« 
jtation Botfhaodlo in Sübafrifa. 3fb führe 
euch bortbin, nicht um biefe Station auf Stoffen 
Bnberer ju erbeben, fonbern rneil fie mir gerabe 
für meinen 3»»ed bie bequemfte ift. — ©S ift 
früh BtorgenS bei Sonnenaufgang. 2öir febeit 
oon ben oerfhiebenen Sfraleu einen ftattlicben 
trupp Bieh nah beni aitbern fn’S $e(b auf bie 
SBeibe gieljen. Bor oiergebn Staaten, als bie 
Station angelegt mürbe, maren bie Seute arm 
roie eine ÄirhenmauS. 

töir febeu uns mciter um. 3)ort fährt ein 
Sdjmarger mit feinem Pfluge nad) feinem tiefer; 
bort fpannt fjreunb 3acob Btathbdtle feinen 
Ocbfenraagen ein. ©eht einmal nah ben um« 
liegenben heibnifhen Sfralen; ihr feht ba meber 
Bitoq noch Blagen. 

J) ie auf einem &o<bfelbe gelegene Station 
Botfhaodlo bat fdjledjte SBeibe; baS Bieh muff 
im SÖinter in’S roärmerc Bufhfelb, roenn es 
nicht oerhungern fod. Schiefe einer aber ein« 
mal mir nichts bir nichts fein Bieh in’S Sufch« 
felb, mo er feinen Biehplafc befißt. 2)aS miffen 
bie Seutcben Don Botfhaodlo. Sie taufen fid) 
alfo einen Biehplab im Bufhfelbe. 2Bo friegen 
fie benn baS ©elb per ? ®a3 haben fie fich enb» 


lieh erarbeitet. Unb feht eud) einmal bie Seut« 
| chett felber au, menn fie im SonntagSftaate gur 
; Sfivd)e giehen. Sinb baS bie oormals naeften 
Reiben '( 3a, ja, fie finb’S. 

! Slnf ben Sfraleu ber Station raimmelt es boit 
j jungem Bad)mud)S, ber fich fröhlich umhertum« 

: melt. ©eht auf bie ^eibeitfrale, ba finbet ihr 
im Berbältnih fauin halb fo Diel Sfinberfegen, 

| eine fjolge Don Stiubermörberei. Bantemdtje’S 
grau hat ihm ßmiüiuge geboren; mären fie 
i Reiben, bann märe eins ber Stinbleiu ober beibe 
1 umgebracht morben; nun bleiben fie (eben, benn 
eS finb ©hriftenfinber. 

$aSBöltd)en Dott Botffjaüdlo mobnt im f$?rie= 
ben; feine Btiffionäre finb feine Begliider unb 
Befhüfccr. ©S erfährt bie Blahrfjcit bes Spritch« 
morteS: „Unter’m Sfrumm ft ab ift gut 
roobuen." 

3h muh immer Iahen, menn gottlofe Blätter 
in bie SBelt hineinlügen, baß bie Btiffionäre 
barauf aus feien, „bie armen £>eibcnfd)afe gu 
fheren." SffiaS es roof)l an benen gu fhereil 
giebt ? Bun bie Station Botfljaodlo geigt gemifj 
Dom „Sheren" baS gerabe ©egentljeil. Bier 
biefe Seute fiel)t, ber muh tagen, es finb glücf« 
(i h e Seute gemorben. Unb biefe SegenSfruht 
ift eine ^Frucht ber Bliffioit. 

2) Sie Biiffion mäht aus ben £>ei= 
ben gebilbett Seute. 

Blir gehen in baS ftattlidje ShulhauS bon 
Botfhaodlo, nähft ber Stirdje toohl baS fhönfte 
©ebäube in gang SranSoaal. $a merben in 
brei Sllaffen etma 250 Sfinber unterrichtet. $ie 
| lernen lefen, fhreibeit, redjnen, fingen, oor allem 
| aber biblifdje ©efhihteu, fo gut tuie nur bie 
©briftentinber in $eutfhlanb. Blären fie uoh 
#eibeufinber, fo lernten fie Don allebem fdjmer« 
lih etmaS. 

Blir gehen Dom Sdjulhanfe nah bent Btif« 
I fionShaufe, roelhes ein Stiidcben baijinter liegt. 

I ®ort treten mir in baS BrbeitSfämmerdjen bes 
1 BiiffionärS. fi^en brei junge Burfheu üon 
Diergchn bis fiebgehn 3af)ren. 6S finb 'l ! räpa= 
rauben, bie gunähft gu Shulmeiftern ober and), 
fo ©ott ©nabe gäbe, gar gu tßrebigent auSge« 
bilbet merben follen. 2)ie lernen allerhanb gute 
Sfenntuiffc. Saht fie einmal ben ÜltlaS auf« 
fhlageu unb eud) bie ©ebirge Don 3lfien nennen, 
fie merben biefelben roifien. Cber Iaht fie ein« 
mal bie ©eige nehmen unb euh eine Btelobie 
Dorfpielen, baS Derfteheu fie auch. Cber Iaht 
fie auh aus einem beutfhen Buhe oorlefen, auh 
baS tonnen fie. Sie baten ihren Sehrer, fie 
feine Sprache gu lehren, unb er tljat es. Bon 
einem biefer Burfhen habe id) in beutfdjer 
Sprahe unb mit beutfhen Budjftaben gefhvie« 
bene Briefe im Befifc. ©in Bliffionär, bem ih 
einmal feine Schreibhefte geigte unb ber felber 
eine febr fhöne £>anbfhrift fhreibt, rief auS: 


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116 


Uns madjt bie Piffton aus ben $jtiben? 


„Der fcfireibl ja wie ein JJafliqrapb !" Serfe&en 
mir un§ im ©eiftc auf bie Station SßadmannS* 
tljal. Sa finben mir bort bie Wiffionäre oon 
ivauSöaal pr Spnobe oerfammelt. Stuf ber« 
felben roivb mit einem bom Wiffionär Hnotfje 
üorflcbilbeten Matedjeten, Rofepb ftd)od)oentien, 
©pmen abgebalten; er befielt es pr 3 '*f r > e= 
benbeit. Unter Slnberm hält er babei and) eine 
ißrebigt. ©r mar barauf oon ber WiffionS« 
gefedfdjaft in Sienft genommen. 

Hehren mir prütf nach 33otfbnö4Io unb feben 
uns um, maS bie Ceute auf- ben Oralen machen. 
SGßir lenfen unfern Schritt p ben ^ßoliteuten 
unb fommen nach ©aufe beS btinben Rohn 
Hateli. Ser lehrt feine Hinber lefeit, obmot)t 
er feinen Sudjftaben feben fann. ©r meid 
nämlich oon öfterem Slnbören bie ganje Ribel 
SBort für Sßort ausmenbig. Sein Rebler im 
SÖud^ftabiren entgeht ihm, er corrigirt ihn fo« 
fort. So fann ein SBlinber Seijeitbe lefen 
lehren. Ser Wann toeij? übrigens audb in ber 
SBibel tüchtig SSefcbeib: aus bem Steuen Sefta« 
mente fann*er gaitje ffapitel ausmenbig; Oon 
Scbriftfteden meid er fo gut aitpgebett, too fie 
ftebeu, toie nur ©hier. Sind] ift er ein 'f]f)ilologc, 
ber ben Wiffionär auf @igentf)ümlidjfeiten unb 
Reinheiten ber Spraye aufmerffam macht. — 
2 ßir geben p bem ©aufe oon Wartin Seoufbane, 
bem gefdjidten ©eroebrfcbmiebe. (Sr fcbmiebet 
auqenblicflicb nicht, fonbern fipt über einem 
getriebenen ©efte. SEßir blicfen hinein, eS ift eine 
Ueberfejpng ber fircblidjen ißerifopen, gefertigt 
Oon einem Wiffionäre. Sie fiebt Wartin burcb, 
um etroaige Sprorf)fe£(fer p berichtigen. 

Sodj laßt uns auch einmal ba briibeit überm 
Sache in Weifter Sabemann’S SBagenmacberei 
bineingucfeu. 2 ßir treten in bie erfte fRäum« 
liebfeit, ente Scbmiebe. Sa ftebt oben ber 
febroarje >»<bmiebegefed Slbam bei’m Schraub» 
ftod; ein Oon ihm reparirteS ®eroebrfd)(od liegt 
üor ihm; je&t bat - er ben fiötbfolbeu in ber 
©anb. 3BaS lötbet er benn ? Slecbformen p 
aderbanb gebaefenen Rigureit, bie auf ben SSßeib« 
naebtsbaum foden. Sßenntoir etmaS länger 
oermeilen, fönnen mir feben,’ mie ereilten eifer« 
neu Steifen auf ein SBagenrab jiebt. — SluS ber 
Scbmiebe treten mir in bie groeite SBerfftatt, bie 
Stedmaeberei. Sa ftebt mieber ein f cf) mar 3 er 
©efed. RafobuS, ber jirfett ab, febneibet p, ; 
bebaut, hobelt, u. f. m. SGßir feben unter feinen ; 
©änbett eine -löagenare entfteben. Ser Wenfd) 
mar oorbent febr bumm; jept fiebt man ihm 
feilte Summbeit mehr au. 

Slde biefe Singe, bie mir jept gefeben, finb 
eine Rrudjt ber Wiffion; fie jeigen, bafe biefe 
bem ©eiben 58 i l b u n g bringt. Silber maS 
hilft SBilbung, menn man nicht noch SejfereS 
bat? SEßir geben baber meiter: 


| 3) Sie Wiffion macht aus ben ©ei« * 

beit gefUtett Seute. 

Ser ©eibe roäcbft in berßüge grofj. SBie 
ftebt es bamit bei unfern eingebornen ©briften ? 
Rcb führe nur ein einjigeS Seifpiel an: Reh 
: batte einen Sttrfdjen im Sienft, ber bieft Hati, 
bon Wiffionär ©rüjner getauft. Serfelbe mar 
fecpS Rapre lang bei mir. @r gehörte nicht 
unter bie beroorragenben ©briften. ©ins aber 
muji ich anerfennen. R<b habe ihn in ben fecbS 
Rabrett nie bei einer Unmabrbeit betroffen. 

Ser ©eibe mäcbft in ber Unfeufcbbeit 
groß. ©S giebt unter ihnen Sßiele, bie oorbent 
5ßolbgamiften maren; jept führen fie mit nur 
einem SEßeibe eine cbriftlicbe ©be. RntUebrigen 
führe ich nur noch an, baß in ben jrnei Rubren, 
ba ich in Satfbaodlo pbraebte, fein einjiger 
Rad in ber über 1000 Seelen ffarfett ©emeiitbe 
oorfam, mo ein ©emeinbeglieb hätte roegett 
grober Siinbe miber baS feebste ©ebot öffentlidb 
auSgefcbtoffen merben müffen. Süßic ftebt eS mit 
ber 6 b r f i <b f e i t ? — Sßeitn i^ auf $atfba> 
o^to mit ber Ramilie auSging, batte ich nicht 
nötbig, oor ben StationSleuten bas ©aus ju 
üerfcbliefeen; eS fiel deinem ein, mir etmaS p 
fteblen. S9eit unb Sätfe blieben oft über 9ij»cbt 
auf bem ©ofe liegen; fie famett nicht abbattben. 

Rn ben Siamaittengräbereien maren unfere 
Sotbo=©briften befotiberS gefdjäpt als treue, p= 
oerläffige Seute. ©iner üon ihnen, Rohn Wa= 
laf^ng, batte fi<b bei einem englifeben „diggor” 
oermietbet. 

©ineS SageS gebt ber ©nglänber aus feinem 
3 elte unb läfjt aus SSergefelicbfeit einen rnertb» 
boden ©egenftanb offen baliegen. Rohn fornrnt 
hinein, fiebt ben ©egenftanb unb bringt ihn 
feinem Weifter mit ben SBorten: ,,©err, bu 
mufet bicfeS Sing nicht fo offen im 3ftte liegen 
laffen, fonft feben eS biebifebe Äaffern uttb fteb» 
len es." .,9tun," fagt ber ©nglänber, „bu bift 
ein guter 33urf<bc," unb ftedt ihn oon ba an 
als Sluffeber über feine übrigen febtoarjen Sir« 
beiter an. 

Rcb füge ben angeführten 3äflf« nur nodb 
bie ©rmähnung einer ©eobaebtuhg binju, bie 
i<b in Sübafrifa gemacht. Oft nämlich fonnte 
ich bei mir uitbefannten ©ingebornen fofort am 
©eficbtSauSbrud unterfdbeiben, ob ich einen ©bri« 
ften ober ©eiben Oor mir batte, ©in djriftlidbeS 
| Slngeficbt jeigt nicht mehr bie alte tbierifc|e, 
beibnifebe Stumpfheit: aus bem Sluge leuchtet 
etmaS oon einem anberem, neuen SEBefeit, ein 
3eid)en oon ber Ummanblung, melcbe baS ©üan« 
gelium im ©erjen üodbraebt. 

4) Sie Wiffion macht aus ben©ei= 
ben auch fcltge fieitte. 

@S ift Sonntag S3ormittagS neun Uhr. Sie 
©lode bat pm britten Wale geläutet, pnt 
Reichen, baß ber ©otteSbienft beginnt. Sie * 


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(franmrrs Pärhjrertljum. 


117 


&itd)e ift gebrängt Doll; &opf an $opf Ijoden 
Die Seute au? ber ©rbe. Wit bem jwcitcu Sciu« 
ten fiitb fic Don allen Seiten in langen bunten 
3ügen hfrdngeftrömt. Aus Dielen puubert 
weilen ertönt nun ein Sieb jum greife ©otteS. 
Nach ber Siturgie befleißt ber Jötiffionär bie 
ffnnjd. Wit faft athemlofer Stille laufchen 
bie Seutchen ber '-JJrebi^t, fein Auge bon bem 
Srebiger menbenb. Wan fiept eS, ©otte» 2 ßort 
ift ihnen ein ärunf SebenSroajferS, ber bie <&eele 
evfrifc^t. — 3)er ©otte»bienft ift Doriiber, man 
geht nach fjauS. fjie unb ba feßt fid) eine 
©nippe Seute am SOßec^e nieber. Söobon unter« 
halten fie iicf) ? Nicpt Don Sagesneuigfeiten, 
nein, Don ©otteS Wort. ba» fie foeben gehört. 
Wir gehen ben Seuten nach ttitf bie flvale. $a 
fjnben mir piet einen einzelnen Wann auf einem 
grelle liegeitb, ba» Neue Jeftament not fid); bort 
fißeu mehrere um baffelbe Such; man jucht fid) 
über TieS ober 3CneS Har 3» tuetben. ©dingt 
eS nicht recht, fo geht» 311 m Wiffionär, ber wirb 
um Auficpli© gebeten. Wieberum. @S ift an 
einem Wocpenabeitb. 3)ie ©lode ruft 311 t Si= 
belftunbc; etioa 200 Crwadjfeite berfammeln 
fich, um tiefer in ©otteS Wort eingeführt 3 U 
werben, welches ihres gußeS Seudjtc unb ein 
Sicht auf ihren Wegen geworben. 35a» muffen 
felige Seute fein, bie eS fo treiben ; fie 
leben ja in bem Worte, welche» bie Äraft ©olle» 
ijt fclig 311 machen alle, bie barau glauben. 
— Stwa alle Dier bis fedjS Wod)eit ift Sonntag 
AbeubS große AbenbmahlSfeier. 3)a briingeii 
fich immer 2 bis 300 Seute 311 m iifdje beS 
fperru. 3 ^ rer jmölf bis fünfzehn Inieen immer 
auf einmal Dor bem Altar nieber, um gefpeifet 
3 u werben mit ber fjiinmdsfpeife, um getränft 
3 U werben mit bem .friminelstraiif. 0 felig 
biefe Seute, bie ba hören, fdjen unb fcpmedeu, 
wie freitublidj ber fjerr ift. 

Wir treten an’S Sterbelager jenes alten Wüt» 
terdjenS, 3 U bem iih gerufen würbe. Sie forbert 
mich auf, für fie unb mit ihr 3 U beten. Als eS 
gefchefjen, fagt fie: „Wein &err, S e hmxi, ruft 
mich." NiCpt lange barauf mar fie 311 3hm ge» 
flangen. 

Ober treten mir an baS Sterbelager jenes 
Sente, ber, noch ein geibe, Don Angft um feine 
Seele erfaßt, Don feinem ffrale bei Wachcle 
geflohen war, um 3 U SotfpaDdlo Nupe unb 
gfrieben im£eilanbe 311 fuepen. Auf ber glucpt 
hatte er fi<h eine ftarle ©rfältung 3 uge 3 ogen; er 
fommt auf Sotfhabdlo an, um nicht lange bar« 
auf fich hmj« legen unb 3 U fterben. (Sr Derlangt 
getauft 3 U werben, um im ^rieben fterben 311 
fönneu; feine Sitte wirb ihm gewahrt, unb er 
fdjläft faitft in feinem fjeilanbe ein. 

Son ber Sotho, bie unter meiner Sflege ge« 
ftanben, weiß ich jehon SerfChiebene baheiht bei 
bem C>errn. Unb auf bem griebpofe 3 U Sotfha« 


Ddlo ift fd)on eine gans ftattlicpe Ansapl ©rüber, 
eine „Saat ber Wöhren." 3<P bin bejjen in 
guter 3uDerfid)t, baß bie Weiften felig 
e 111 f cp l a f e n f i it b. Wopl jebeut, ber mit« 
geholfen, Arbeiter in ben Weinberg beS ©errn 
311 beförbern! 


ifrnumcrö $lärttjrcrtl)iim. 

3ür |»auet unb gerb bearbeitet bon SB. ftöntfe. 



homaS C raumer würbe ben 2.3uli 
1489 in Asladon, Nottingham« 
fl)ire, (Snglanb, geboren. Nach 
bem 2obe feines SaterS fanbte 
ihn feine Wutter in’S 3cfuS Col« 
lege, Cambribge, wo er fid) feinen 
Stubicn mit großem gleiß mibmete. Schon 
im 3ah*e 1510 hatte er fid) eine Sehrerftelle 
im College erworben, bie er aber bolb burd) 
feine Serepdicpung Derlor. hierauf hielt er 
Sorlefungeu in Suctinghain College. ®iefcit 
fich ungepiuberter ergeben 311 fönnen, unb ber 
befonberen Sorge für ben fjauSfjalt enthoben 
311 fein, that er feine grau bei einem Ser« 
manbten, ber eine ©üftmirtpfCpaft hielt, in bie 
fl oft. Seine oft wieberpolten SefuChe bafelbft 
waren bie ©runblage 311 Cntftcllungen unb 
Serläumbuitgen feitenS feiner geinbe bei feiner 
nachmaligen Erhebung 311 m C^bistpuin San« 
terburp. 

SiS 3 um Stöbe feiner grau blieb er im 
Sudingham College tljätig, aber fogleidj nach 
ihrem Abfcheibeit folgte er einen Nuf in’S 3efnS 
College. 3eßt rid)tete er feine fjauptaufmert« 
famfeit auf bie Jheologie. Als Sehrer berfel« 
ben legte er großes ©ewiCht auf Kore Schrift« 
fenntniß unb geftattete feinem Äanbibaten feinen 
theologifchen ßurfuS ju fChlieften, ohne wohl 
barin hemanbert 311 fein, ©ewiffe Wönd)e, 
welche bie praftifepen SBahrheiten beS SBortS 
DernaChläffigt hatten, fiCh aber mit befto gröfje« 
rem Cifer ben fCholaftifchen Spibfinbigteiten 3 u= 
gemanbt, würben ihm beShalb feinb. 

Um biefe 3«it würbe bie (Sfjefdieibung beS 
ÄönigS ^einriCh VIII. pon Katharina Don 91ra« 
gonien üerljanbelt. 2)ie ffarbinäle Campeggio 
unb SBolfep hatten ben Auftrag erhalten, bie 
Angelegenheit bei 3 ulegen, ober ber Schwierig« 
feiten wegen 3 ogen fie bie Sache in bie Sänge, 
in ber fjoffnung, baß 3 e *t unb Umftänbe bie 
erwünfehte Spfung bringen werben. Ueber biefeS 
3 ögern wirb enblidj ber flönig unwillig unb 
entläßt ben Äarbinal Campeggio. 

Cine Sd’t in Cambribge trieb Cranmer nach 


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118 


ttranmer» $ftärti)rcrtl)um. 



St. SJtnri« Äircbe ju Dtforb. 


ber 9tbtei SBalttjam in ©jfejr. ©ier traf er beu 
3)octor @a ebner, fpater Vifchof oon Sßincbefter, 
unb gfor, nachgebenbS 93ifdt»of bon ©ereforb, bie 

} ur 3eit int $ienfte beS JfönigS ftanben. 3bre 
Interbaltung lenfte fi<h halb auf bie @^ef<^ei= 
bungSfrage. 6 rannt er äußerte bie 9lnficht, baß 
man ba§ Wort ©otteS in biefer Angelegenheit 
fragen folle, unb bebeutete, baß roeber 9tom, 
noch ein auSlänbifcher ©of, toobl aber ©nglanbS 
Uniberfitäten bie ©utfcbeibung geben follten. 
AIS ffoj: biefe Anfichten bem $ötiig mittbeiite, 
fotl er mit einem ffluch bctfjeuert haben: „®er 
Wann bot bas rechte Scbroein bei’m Cb* !" 

©ranmer tnarb an ben ©of berufen, erfreute 
fidj ber ©unft beS itönigS unb erhielt nach ©nt» 
lajfung WoijlfepS baS ©rjbistbum bon ©an» 
terburß. 

„Wir fehlen alle mannigfaltig," beftätigt fidb 
auch am 2eben ©raitmerS. ©ein Weißlings» 
eib, fein Verbältniß ju ber ©befcßeibung Völlig 
Heinrichs bon Anna Volpn, fotnie gu ber Ver» 
urtbeilung beS 3oßn fffritb unb 3oan bon $ent, 
finb nicht ntoralifcb rein; aber tnenn man be= 
bentt, baß er in ber römifchen ffircbe ergogen 


tourbe, unb fich nur burcp einen ernften ffarnpf 
biefein ©iitfluß unb ben barauS berborgebenben 
Vorurteilen entminben tonnte, fo mirb man 
geneigt fein, ein nadjfichtigeS Urtbeil ju fällen. 
Stroß allen feinen Fehlern mar er bocß ein Wann 
großen VerftanbeS, bem ©nglanb bornebmlid) 
ju berbanten bat, baß eS bie Vibel befißt. 

Aad) bem Stöbe ©cinricbs VIII. unb ber 
Stbronbefteigung ber tatbolifcben blutbürftigen 
Königin Waria, mürbe eilt gerichtliches Verfaß* 
rcn gegen ©ranmer eingeleitet. 

55r. VroofS boit ©löucefter, ein VeboDmäch* 
tigter beS Jfarbinal ^ßola, tarn im ©eptember 
beS 3abreS 1555 in Begleitung jmeier Abgcorb» 
neten, meliße ihm im Aarnen ber föniglicßeit 
Wajcftät beifteben follten, ben ©raumer ju ber» 
hören. Als ©ranmer Dorgefiißrt mürbe, erroies 
er ben Vertretern ber töniglichen Würbe alle 
Achtung, aber ben Vifchof bon ©louceftcr ließ 
er unbeachtet, meil er bie Oberhoheit beS ^ßapfteS 
in feinem Vertreter nicht anerfennen mollte. @r 
tagte: „3mei ©erren tann unb roill ich nicht 
bienen; gubent habe ber IfJapft feine angemaßte 
Wacht mißbraucht, inbem er bie Anorbnungen 


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Granmrrs 3Härttjrertl)um. - 


119 


be§ £>errn GbriftuS geänbert, baburd), bafi er 
ben Saien ben Ä?clc^ im Menbmafjl entgog, bie 
©ottcSbicnfte in einer beut Solle unDerftöublicben 
Sprache hielt unb bie 9Jiad)t beanfpru^te, IRe« 
genten abgufefien." Vogesen befcbulbigten ibu 
Sroot» unb bie Mgeorbneten Martin unb 
Scorrp unter 9litberem, baff er bein ßönig, um 
feine eigene Seförberung gu fiebern, flattirt unb 
baß er Sambert wegen Säugnung ber StranS« 
fubftantionSlebre Derurtbeilt unb jejjit fie felbft 
berwerfe. 

Granmer wies bie 9(ufcbulbigung, nad) bem 
Grgbi»tbum Ganterburt) geftrebt gu hoben, ernft 
gurüd, geftanb, bafe er feine 91nfid)t über bie 
MenbmablSlebre geänbert unb and), bafi er fid) 
jWeimal Derel)cli<ht bobe. 9!ad) langem .£>in= 
unb |)erreben forberte ibn SroofS auf, binnen 
80 Sagen öor bem Sapft gu erfebeinen, um gegen 
Dorliegcnbe 91nfd)ulbigungen fid) gu Dcrtbeibigen. 
Gr willigte ein, fo man ibm feine fyreilaffuug 
au» bem ©efängnijf fiebere. 3m Februar 1565 
fanbte man Sonner unb Sb'rlebp, ibu wegen 
feiner ©cigeruttg nad) 9tont gu geben, abgufeben. 
obgleich man ibu bie gange 3eit <« ber ©efan« 
genfebaft gebalten batte. ©an tleibete ibn in 
feinen Dollen bifd)öflidjcn Ornat, worauf ber« 
felbe, und) ber Sorfdjrift ber (Zeremonie ber 9lb= 
fejning, ibm ftiidmeife abgenoinmen würbe. 
®abei geberbete ficb Stornier fred) unb gefühllos, 
Sbirlfbp hingegen, ber ein ^freunb GranmerS 
war, geigte grojfcS ©itleib unb ücrgop Diele 
Sbränen. Granmer felbft fdjien Wenig baDou 
angefoebten gu fein, erilärte Dielntebr, baff er fidj 
freue, enblid) fein Scrbältnifj gur püpftlidjen 
Äircbe gelöft gu finben, er ertenne aber bie 9(uto= 
rität beS SapftcS nicht an, unb appcllire Don 
feiner Gntfcbeibung au ein allgemeine» Goncil. 

Sou jejit an bearbeitete man ihn auf alle er« 
benflidje ©eife, ihn gum ©iberruf gu bewegen. 
Merlei Sorftellnngen würben gemacht, biele 
Scrfprcdbi'ugen gegeben, fein Sehen follte ihm 
gefdjenft fein, felbft Seförberung würbe iit 9luS= 
fid)t geftellt. ®iefeS batte enblicb einen entfejj« 
lieben Grfolg. Gr untergeiebnete ben ©iberruf 
unb fcbloj? benfelbeit mit ber Grflärung, baft er 
bie-3 ans freiem Slntrieb gut Grlebigung feines 
©ewiffenS getban habe - . Mer ber .{inft ber $ö« 
nigin warb bureb biefe ®bat nicht gefüijnt. Sie 
befcbloft, ib f < bennodj gu opfern. „Gs fei gut," 
meinte fie, „für feine arme Seele, bafe er Suffe 
getban unb wiberrufen, aber baS allgemeine 
©obl uerlange, bafi ber ©auptoerbreiter Don 
Irrlehren fterbe." Gin Sefcbl, ihn gu oerbren« 
neu, würbe erlaffen, unb ba man mit ber 9luS= 
fübrung gögerte, folgten anbere, biefelbe gu be= 
fdblennigen. ®em Graitmer enthielt man biefe 
Mfid)t, unb hoffte burch Ueberrnfdjuug mit bem 
©(heiterbauten, ihn gur Sergweitlung gu trei« 
ben. ®od) festen er eine Mnung Don bem Se« 


Dorftebenben gu haben, benn er febrieb ein Ian« 
geS ©luubenSbctenntnijf, wie eS fein ©emiffen 
unb uidit feine ftird)e ihm eingegeben. 

91m 21. ©ärg führte man if)ii in bie St. ©a= 
ria»$ird)e. ®r. Gole hielt eine Srebigt, in wel« 
eher er baS Serfabren ber Königin in ber Ser« 
urtbeilung GranmerS rechtfertigte,- befonberS 
aber bie Setebrung ®r. GranmerS als ein ©er! 
beS ©eifteS ©otteS bartbat. Gr fprad) barauf 
bem Seruvt heilten Sroft gu, unb felgte ihm Unter« 
ftüfcung burd) Steffen in 91u»fid)t. Granmer 
ftanb unter ber gangen ^Prebigt befefjämt unb 
tief gerührt. Sadjbein Gole feine Srebigt be« 
cubct, lebte er bingu: „Sriiber, baf; Siemaitb 
biefes ©anneS Belehrung begwcifele, follt ihr 
ihn felbft rebeu hören. 3« Granmer: „3cb bitte, 
mein .ftcvr, baff Sic jefit baS SäugftDcrfprocbene 
halten, nämlich offen 3bren ungcbeucbclteu ©lau« 
ben betennen, fo baff alle ©enfeben wiffeit, bafe 
Sie ein rechter ffatbolit finb." Graitmer er» 
wiberte: „®aS werbe ich gerne tl)uu. ®arauf 
fiefj gum Solle wenbenb, fagte er: ,,©ute Seute, 
meine tbeuren, geliebteitiSriiber in Gbrifto! 3d) 
erfuche euch beglich» gum allmäcbtigeu ©ott gu 
beten, bafs er mir äße meine Süitben, Welche 
gablloS unb grojf finb, Dergeben wolle. GineS 
briidt mein ©ewiffen mehr als alles 91nbere, 
worüber ich, fo ©ott will, fpäter mehr gu fagen 
haben werbe; aber fo grojf unb biel auch meine 
Siinben fein mögen, fo bitte ich and), betet gu 
©ott, bafi er fie mir nad) feiner Sarmbergigteit 
Dergeben möge." Gr Iniete nieber unb hielt ein 
ernfteS Suffgebet, baS er mit bem Sater«Unfer 
fdjloff. ®ann folgte eine ernfte fJtebe an bie 3n* 
Ijörer, worin er guerft Dor ber ©eltliebe warnte, 
als einer fjreinbfdjaft wiber ©ott, bann gum ©e» 
borfam gegen bie bürgerliche Cbrigfeit ermahnte, 
gum britten fie gur redbteu Siebe untereinanber 
aufmunterte unb enblid) biejenigen, bie Diele 
©iitcr haben, auf SufaS 18, 24. 25, 13obanneS 
3,17 unb 3afobuS 5,1.—4 ernftlid) binwieS. 
Gr fuhr bann fort: „®a idb jc^t aus Gnbe mei« 
neS SebeuS, an welches ficb meine 3ufunft tniipft, 
in welcher ich entmeber mit bem .fievrn GbriftuS 
ewig in ffreuben leben ober in ewiger Sein mit 
bem 2eufcl in ber .£>ö((e (eben werbe, angefom» 
men bin, fo werbe idj meinen ©laubeit frei, offen 
ohne Färbung unb auch ohne fRüdfidft auf baS, 
was ich in bergangeuen 2agen gefagt ober ge« 
fdjrieben haben mag, betennen: 

„3<b glaube an ©ott, ben allmächtigen Satcr, 
Schöpfer Rimmels unb ber Grbe lt. f. w. 3<b 
glaube jeben 91rtifel beS fatbolifeben Sefenut« 
ttiffeS, jebeS ©ort unb jeben Saf», bie mtfer 
.fjerr 3efu» GbriftuS unb feine 9(poftc( im neuen 
unb alten üteftoment gelehrt haben. 3e^t tomme 
id) gu bem, baS mein ©ewiffen mehr als alles 
9lnbere befdjmert bat. 3<^ habe eine Schrift 
Derfafft, weld)e ber ©abrbeit guwiber ift, nnb 


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Digitireef by VjOO9l0' 































































































































































(franmtrs Pärti)tertl)um. 


121 



JDenfmal ber Wärt^rer. 


✓ 


biefe Schrift, bie roobl meine £>anb fiefdfjricbert, 
aber mein £>erj nic^t geglaubt bat, getrieben 
au3 furcht oor bem Dobe, in fjofftutng, mein 
geben ju retten, miberrufe ich je^t. @3 finb 
alle fold)e mieten unb Rapiere, bie ich feit 
meiner Sbfepung gefebriebeu unb oiele3 Uiu 
wahre enthalten. Da meine £>aub bur<b biefeS 1 
Schreiben gegen #erjen3überjeugung gefiinbigt 
bat, fo foU fie au<b perft bie Strafe erleiben, 
wenn id) 8 iun ^Pfabl tomme. Stit aSejuct auf 
ben Sapft befenne i<b, baß i(b ihn als Ghrifti 
gfeinb, als 9lntidjrift, mit aßen feinen fallen 
Sehren öerroerfe. 3f<b halte feft an ber Sehre 
oom ©atramente, mie ich fie in meinem Suche 
flecien ben ©ifdjof öon Sßiucbefter barfletban." 

Die 3ubörer flauten ficb oerrounbert unb 
entfett an. Standje hielten ihm feinen 2Biber= 
ruf oor. 9tnbere befchulbiflten ihn ber Heuchelei. 
Die ®eleljrten unb £)ocbgefte[lten mürben 
mätbenb, um fo mehr, ba fie (eine 3tad)e üben 
tonnten, beim felbft ber febteebtefte Stenfcb tann 
in biefer nur einmal fterben, unb bie3 
Serhängniß foüte ihn jept ereilen. @3 blieb 
alfo nichts übrifl, a(3 ihm Sorroürfe p machen 
unb ber Heuchelei p befdplbigen. 9lber bie3 mar 


bem Grattmer nicht einerlei, ©eine Stöbe, bie 
er fidj gefleben, empfanb er fchtoer. „9(<b, meine 
Herren," fagte er, „beutet meine Stellung nicht 
fo. Sisber habe ich bie aiufrichtigteit geliebt unb 
bie 3?nlfcbbeit gehabt, nie habe ich mich juüor 
oerftellt." Gr meinte bitterlich- $ie Aufregung 
1 roarb immer gröber, man miitljete unb beulte. 
Gole felbft fchrie: „©topft ben flepermunb!" 
Stau rib ih» au3 ber Kirche pm Scheiterhaufen. 
s i(uf bem Siege tonnte et ficb nicht enthalten, ba3 
Soll p ermahnen. Sn bem Slap angetonimen, 
roo früher aitbere Stänner um ihres ©InubenS 
millen Derbrannt mürben, fprach Graumer ein 
furjeS ©ebet, entf(eibete ficb bi3 auf fein lobten» 
bemb, gab ben Umftebenben bie.^anb, ließ fiep 
mit, ber eifernen ftette binben unb machte [ich 
auf fein Gnbe gefaßt. Der ©cheitcrbnufen marb 
.angepubet, ba3 ffeuer griff um ficb, enblich tarn 
e3 feinem Opfer näher. IJcft ftreeft Prämiier 
feine £>anb, bie ben SMberruf unterzeichnet hat, 
in bie flamme unb hielt fie feft, bis fie oor ben 
Sugen be3 Solte3 oerjehrt marb. ©ebulbig unb 
feft mitten in biefer Qual richtete er feine klugen 
gen tpimmel, einmal um3 anbere ben SuSfprucb 
ioieberholenb: „Diele £>anb hat gefünbigt, biefe 


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122 


Hit aud) mir oergeben. 


Hanb bat gefüttbigt!" SJtit ben SBorten beS hei* 
ligen Stephanus betete er: „Herr 3efu, nimm 
meinen ©eift auf." Gublidj tarn bie Grlbfung. 

@o enbete im 67.Sebensialjre SLbomaS Gran« 
mer. Gr mar ein SJtann großen Fleißes, guter ' 
UrtljcilSgobe unb ^crrlidjfter Äenntnijje, ber 
troß feiner ©ebrcd)en unb Schmähen einen 
frommen Sinn unb reblidjeS ©emiitb batte, unb 
ein Seben ber' Siebe unb SBoljltbtttigleit führte. 
Gr manbette öor ©ott unter ben SJtenfdjen be= 
mütbig unb fauftmütbig. ®er große Statel an 
feinem Seben mar fein leßter galt; bocb erhielt 
er bafür Don bem bie Vergebung, ber einftenS 
p bem Sd)iid)er fpradE): „Heute mirft bu mit 
mir im ißarabiefe fein." 


Pie audj mt tiergeben. 

Gine Grjäbfung aus A m e r i f a. 

S»r H«uS unb £erb tun <®#Itriu§. 

ie batten nun fdjon über breißig 
3aljre neben eitianber als Stadjbarn 
geroobnt unb in biefer 3«it maiube 
greub’ mie auch manches Scib ge« 
tbeilt. 3m alten Heim maren fie 
Schulfameraben gemefen unb batten 
• nebeneinanberftebenb bie Gonfirmation empfan« 
gen. Aber noch ftärfere Sanbe berfnüpften fie 
miteinanber. GS mar ein großer gefttag im 
3)örflein, als HanS ©erbart unb ßonrab fjrieb» 
lieb am felbeu Sage bie beiben Stödjter beS alten 

t ofer pnt Sraualtare führten. Sßarett bocb bie 
eiben rneldje non ben braöfteit unb belicbteften 
Surfdjeu, unb faft mollte fid) etmaS mie Steib in 
manchem 9Jtäbd)enberjen regen, als fie fo fdnnud 
unb ftattlid) oor bem Elitäre ftanben. Salbei 
maren SJtarianne unb fiätf)d)en bilbfehöne SJtäb« 
epen unb batten einen recht chriftlidjen @inn oon 
ihrer oerftorbeneu SJtutter ererbt. 

2)a tarn bem £>anS einmal ber ©ebanfe, nach 
Amerifa auSproanberm 2ßar ja bod) ber Schul, 
ten Sörgel babin gezogen unb batte fid) in eini» 
gen 3apren «in eigenes £>eim erroorben. HanS 
tbeilte feine ©ebanfeit bem $onrab mit. ©iefer 
batte bcitfelben tpiait fchon eine 3eit(ang bei fid) 
überlegt unb ba SÖeibe nur p amerifa«luftig 
maren, fo mürbe halb ein Uebereinfommen ge= 
troffen. 2)er alte Hofer gab feine 3uftimmung, 
ba ihm bod) ber Aufenthalt im 2)orfe burch ben 
Üob etlicher Äinber unb pleßt feiner ©attin 
oerleibet toorben mar. Gr mollte mit feinen 
•fiinbern pfjen, um im fernen Sanbe momög» 
lieh feinen Schmer* begraben p Jönnen. 

S)as Sanb, mie audj »b« fonftiges Gigeuthum j 
fanb Ääufer p billigen greifen. Salb mar > 



man mit Sacf unb Sacf auf ber fcbmierigeit 
Steife. Sa§ Sanb ber Hoffnung mürbe enblicb 
erreicht. Stach furäem Aufenthalt in Stern Dorf 
ging eS lanbeinmärtS bem barnalS noch fernen 
SSeften p. 

3 in fiiblichen 3'tbiana mar es, mo man ftd) 
eublidj mitten im SCßalbe in einer noch fpäriid) 
angefiebelten ©egenb nieberliefe. S)as mar ein 
Unternehmen, in ber Sßilbniß ein fjeim p 
grüitben, ben hupten SSalb *u lid)ten unb ben 
jungfräulichen Soben urbar p machen. GS 
foftete manchen fauren Scpmeißtropfen, manche 
berbe Hiebe. Allein HanS unb Uotuab ftanben 
fid) einanber treu pr Seite, unb SJtarianne unb 
Äütpdjen halfen pelbenmütljig mit. ileiit S)un» 
ber, baß fidj im fremben, milben Sanbe baS 
Heimroep einftellte. 

®aS Sefte oon Allem mar, baß fie täten ©ott 
unb ihren ©lauben mit in bie SMIbniß genom« 
men hatten. £er alte Hofer toarb ber Sriejler 
beS Kaufes. $ie alte moblgebrauchte Sibel, baS 
©efangbudj unb 3op. Arnbt’S mabreS Gpriften« 
tbum mürben oft beroorqefudjt. 3)a mürbe be= 
fouberS Sonntags baS SOßort ©otteS gelefcn unb 
burch ben 23alb erfchallten bie iflänge eoange« 
lifdjer Sieber. 

3apre Ooll Oon Gntbebrungen unb unfäglichen 
Sefcpmerbcn fiub mittlermeile oerftridjen, unb 
in biefett 3npren ift manches anbers gemorben. 
GS blühte bie SBilbniß mie eine Stofe. Sreite, 
lacheitbe gelber, grüne SBiefen unb graSreidje 
SBeibeit, auf benen frieblich baS Sieh grafete, 
maren an bie Stelle beS unmirthlicheu SöalbeS 
getreten. SDaS Slocfpüttcben, in bem ©erhärt 
unb grieblidj mit ihren gantilien unb ihrem 
Scpmiegerbater gemobnt batten, mar längjl Der. 
fchmunbeit. $afiir ftanben jmei ftattliche Käufer 
ba, ein febeS bon anftänbigen garmgebäuben 
umgeben. fEort auf jener Slnböbe ftanb baffelbe 
ßirchlein, baS noch beute bafteljt, unb ber grieb. 
bof babei, in bem fchon fo mancher ©rabflein 
bie Stuheftätte ber Heimgegangenen bejeidhnete. 
Auch ber alte Hofer ruhte ba Oon ben SJtüben 
unb ben Sorgen feines SebenS. Gr mar im 
grieben p feiner 9tul)e eingegangen. 

SJtancheS mar anbcrS, aber nicht AHeS mar 
beffer gemorben. ®iemeil bie Sanbfdjaft ben 
Stempel beS griebenS unb ©ebeibenS trug, 
maren rauhe Stürme burch bie $er$en gefahren 
unb hatten auch manches Her} gefnieft. 

Stacbbem etroaS SBohlftanb einaefebrt mar, 
bauten fich ©erhärt unb grieblid) jeber ein eige» 
neS Haus. $aS mar auch uöthig gemorben, 
benn es hatten fich inbeffen bie gamilienglieber 
oermehrt. 2)er alte Hofer hielt fich einen Stbeil 
ber 3eit bei ©er'hart, ben anberen bei grieblicb 
auf. 2)aS ging auch leidht, benn bie beiben Häu» 
fer ftanben nicht fern Oon einanber. $a unter« 
hielt er fich mit feinen muntern Gnfeln unb 


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ffu oud) mir otrgebrn. 


123 


Snteliuneu, oerfertigte allerlei ©fjielfadben für 
|le, erjagte ihnen anmutige ©efcbidhten aus 
bem alten ©aterlanbe uub gab ihnen Anroeifun* 
gen gut Sröimnigfeit. 

Doch folltcn )id) über biefeS SÖitb beS SriebenS 
balb bunfle ©chatten lagern. ©erwart mar bou 
©atur aus nic^t leidet erregbar, aber mürbe er 
einmal erregt, fo nahm eS gemötjnlicb eine lange 
3eit, bis er ficb mieber gufrieben gab. Srieblid) 
bagegen tjatte eine feljr bem eg liehe ©atur, mürbe 
überaus leidet erregt, füllte jeboch balb mieber 
ab. @3 mären febon bie uub ba Heine ©eibungeu 
borgetoinmen, bie aber ber alte Wofer immer 
balb gu fcblicbten mußte. Allein mit ber 3eit 
»erlor er immer mefjr feinen ©influß auf bie 
beiben ©tänner. 

63 mar im ©ßätberbft; baS 2öelf<blorn mar 
bereits abgetanen unb ftanb in ©dijobern auf 
bem Selbe, ©erbart batte unter feinem ©ieb 
ein ränleootleS ©taultljier, baS fcboit mannen 
Schaben angeriebtet batte. • 6ineS AbenbS über» 
lieb ©erbart eS feinem älteften ©ohne Dom, 
baS ©ieb in bie Stalle gu treiben unb gu füttern, 
ba er roegen mancherlei ©efcfjnften erft fgät bom 
©täbtdjen beimtommen fonute. Ulm felben Abenb 
fanb im naben ©dbulfjaufe ein „Stelling ©tatdj" 
Patt, an bem ficb Dom beteiligen mellte. 'Dar¬ 
über aber oergafj er gang unb gar feines ©aterS 
Auftrag nnb ließ baS 93ieb auf ber Düeibe über 
©ad)t. Da gefdjab eS benn, bafs „Dobbin", baS 
TOaultbier, ben 3 fl un niebermarf unb in f?Frteb= 
lidjS UBelfdbfomfelb binüberfprang, gefolgt bon 
ben ©ferben, Äiiben unb ©cbmeinen. ©iS 
gegen borgen mürbe giemlicbe ©ermüftung an* 
gerichtet. 

Als Srieblid) am borgen ben ©(haben ent» 
betfte, begab er fi<b gornentbrannt, troß beS 3u* 
rebenS feines ©cbmiegerbaterS, gu ©erbart bin* 
über. 6s entfpann ficb ein immer heftiger mer* 
benber ffiortroecbfel gmifeben ben ©eiben, Srieblidj 
mürbe immer gorniger, unb bergaß fid) gnleßt fo 
meit, bafe er feinem ©cbmnger einen mächtigen 
Sauftfcfilag in’S ©efiebt oerfeßte. DaS mar 
faum gefdfjeben, als er gur ©efmnung fam unb 
tiefe ©d)am über feine Dbat embfanb. ©erbart 
mar nun auf baS £ödbfte aufgeregt. ©on feiner 
mittlermeile berbei gefommenen ©attin aufge« 
batten, ermiberte er ben ©djlag nicht. „SBarf, 
baS fod bor ©eticht gefchlichtet roerben!" rief 
er bor 3orn bebenb bem ficf> entfernenben Stieb* 
lieh nach- 

6S berrfchte bie gröjjte Aufregung in beiben 
Samilien, mie auch in ber gongen ©adjbarfdbnft, 
als ber Sorfaü befannt mürbe. Da mollte Wofer 
mieber alS@cbiebSri<bter gmifeben feinen ©ebrnie* 
gerföbnen gerieben machen. 3ebo$ biefes fötal 
{(heiterten feine Semübnngen. Srifblicb bereute 
fein übereiltes ©enebmen unb mollte gern Ab« 
bitte tbifn unb fich nnSföbnen, ©erbart aber mar 


unb blieb unoerföbnlich. ©ergebenS mareit bie 
Anftrengungen ber©a<hbarn, mie auch beS©re* 
bigerS. Umfonft mareu bie Dbraneit feiner ©at* 
tin, er blieb unbemeglidf). 

Der Sali tarn oov baS ©ericht, unb nach tan* 
gern ©rogeffireu, baS ©erbart nur immer mehr 
erbitterte, batten fie ©eibe bie ©rogefsfofleit gu 
tragen, ©erbart blieb mittlermeile uon ber 
$ircbe fern unb iiberliefi bie £>au3anbacbt gäng* 
lieh feiner ©attin. 63 fdjien, als ob er ent* 
fchloffen märe, fiel) nie ’gu üerföbnen. Der alte 
Wofer hielt fiel) fortan nur bei Srieblid) auf. 

©o oerftricbeu etliche Sabre. Der alte Wofer 
lag auf feinem ©terbelager uub lieb ©erbort gu 
fid) rufen unb befchroor ibn, oon feinem W«fi 
abgulaffen. ©erbart aber lieb ficb bon ben ©}or* 
ten beS ©terbenben nicht rühren. 6s halfen 
alle ©orftcllungen nichts, ©tit biefer Saft auf 
bem bergen mußte ber ©reis bie Dingen fd)lieben. 

$nunt mar bie mübe |)ülle im ©rabe falt ge* 
morben, fo entbrannte ber Streit auf’s ©eue 
über baS lleine ©ermögen, baS ber ©erftorbene 
flinterlaffen batte. Die ©eridjte mürben aber* 
mals in Anfßrud) genommen unb mubten ben 
3 mift entfeheiben. 

Smmct grimmiger mürbe ber £>afs in ©er* 
bart’S Seele, unb frab an ihm mie ein Strebs* 
fd)aben. ©ein ©efidjt nahm eine biifiere ©ciene 
an unb fein ©enebmen berrietf) innere ©ul)e« 
lofigfeit. Weiterleit mar faft aus feinem Waufe 
gemichen. ©eine ©attin feufgte unter ber Saft 
ihres ShimmerS. ©otteS ©egen fdjien auch in 
irbifefjen Angelegenheiten gemichen gu fein, 
©latidberlei Unfälle unb ©erlufte lehrten ein, 
bie ihn noch mehr oerbüfterten. Die beiben jün* 
gcren Stinber mürben balb nach einanber oom 
©eroenfieber babiit gerafft unb Dom lambfte in 
ber SunbeSarmee im fernen ©üben. 

Der Sf rieg nahm ein ©nbe unb Dom lehrte 
als baS eingige iiberlebenbe ftiub feiner 6!tern 
beim. Aber er brachte ein roiifteS, lafterljnfteS 
Sßefett ginn großen Sf ummer feiner ©lütter mit. 
6 r flickte bie rohefte ©efeKfdhaft auf unb nahm 
Dbeil au ihrem milbeu Drciben. ©o tarn es, 
baß er eines AbenbS auf einem Dange mit einem 
gefürchteten tRaufbolbe in ©treit gerietb unb 
Oon ihm erftodhen mürbe. 

©teinermeidhenb mar ber Jammer beS ge* 
brodheiten ©lutterbergenS über biefeit nieber« 
fdhmetternben ©chlag. Auch ©erbart mürbe tief 
erfdjiittert, als man bie blutige Seiche feines 
älteften ©obiteS b«>mbra(hte. ©ein ©emiffen 
folterte ihn unb roarf ihm oor, am fchredlichen 
6 nbe feines ©obneS mitfdhulbig gu fein. DaS 
Dafein mürbe ihm unerträglich. Sa feinem 
inneren barg er eine Wälle. DaS ©ilb beS 6r* 
morbeten fdjmebte ihm Dag unb ©acht oor ber 
©eele. 

Da fafste et ben ©ntfdjlufs, feine Sarm gu 


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124 


$0ie aud) nie otegtben. 


berfnufen imb weiter nach bem Weften gu jief)en, 
beim ber Wifenthalt in ber ©egenb war ihm 
gur Qual geworben. 91ber eS füllte eine 355en= 
bung geben. 

9US fie eitteö SlbettbS bor bem ffaminfeuer fo 
einfam faßen, unterbrach 'Marianne bie peinliche 
Stille, inbein fie ihren ©atten mit mehmütfjiger 
3 «vtlichfeit anrebete: „ffomm bod) morgen wie« 
ber einmal mit mir nach ber ff irebe, Johann," 
fprach fie, „bn bift jeßt faft fchon gehn 3 aljve 
lang nicht mehr mit mir in bie ffirdje ge» 
gangen." 

@3 lag eine Macht in biefem gärtlid) ge« 
fprochenen Sormurf, ber fein hart geworbenes 
4 )erg nicht wohl wiberftehen tonnte, ©rinuerun« 
gen an glüdlichere Dage tauften in feinem ©e= 
miithe auf, unb eS mar ihm gu Mutlje, als muffe 
fein &erg gerfpringett. 

„Witlft bu nicht, Johann?" frug fie Wieber, 
ba er nicht geantwortet hatte. 

©S fchien ihm unmöglich, ihre Sitte abgu« 
fälligen, unb boch fiel es ihm fo fchwer, fie 311 
gewahren. 

„9lun, wenn bu eS einmal burcbauS haben 
will ft, fo will ich lieber einmal mit bir gehen," 
antwortete er nach einer Saufe. 

3ur Sermunberung ber Wimefettben war 
©erhärt am Sonntag Morgen wieber in ber 
Kirche nach jahrelanger 'Jlbmefenljeit. Dort faß 
er in ber leßten Sa nt unb fah berftört barein. 
©S war ihm fonberbar gu Muthe. War eS bo$, 
als ob bie Sltmofbäre beS ff irdjleiuS wie ein mil» 
beS Dhaumetter auf fein erfrorenes .£>erg ein« 
wirfte. (Sr fah fjrieblich in einer ber oorberen 
Sänte, aber bieSmal fühlte er nicht baS fjeuer 
beS fjaffeS in fid) auflobern, wie fonft, wenn er 
feiner aitfichtig mürbe. Der Srebiger mar ein 
fctjlichter ffneeßt ©otteS, ber mit einfachen Wor» 
ten, aber mit Salbung bie göttlichen Wahrheiten 
bortrug. ©S war ber 22. Sonntag nach Drini« 
tatiS unb bie Srebigt hanbelte oom Sdjalfstnecht. 
So einfach wie fie war, fo brang fie bo<h gleich 
einem gmeifdjneibigen Schwerte tief in ©erfjart’S 
Seele ein. SefonberS erfcfjütterten ihn bie Worte: 
„Unb überantwortete ihn ben Reinigern." Da 
tarn es ihm bor, als ob er in ben berfloffenen 
fahren felbft etwas bon biefen Seinigern er* 
fahren. 3 fn feinem $ergen wogten bie ©efüble 
mächtig. 6 r mar tief getroffen. 

3 >n fich gelehrt ging er fdjweigenb heim an 
ber Seite feiner ©attin. Seine Unruhe mürbe 
an biefem Dage aufeerorbentlid) groß. Die Worte 
ber Srebigt höhten in feinen Ohren nach wie 
ein beftänbigeS ©cho. @r badjte an bie Sor« 
ftellungen feines fterbenben SchmiegerbaterS, 
bor feinen klugen febmebte baS Silb feines er« 
morbeten Sohnes unb bie abgehärmte ©eftalt 
feiner ferner geprüften ©attin. 3 u feinem 2 fn« 
neren ioberte ein heißer ffampf. 


Die 9ta<ht brach enblich herein, aber fie brachte 
ihm feine 'Jtuhe. Sein ©ewiffen peitfehte ihn. 
©r warf fich in feiner Dual auf bem Saget um« 
her. ©ublid) tonnte er es nicht mehr auShalteu. 
©r fprang auf, fleibete fich an unb lief mitten 
in ber Wacht gu ^lieblich hinüber. 3 um erften 
Male feit fahren betrat er bie Schwelle unb 
flopfte an, währenb fein .j)erg hörbar pochte, 
ffrieblich ftaub auf unb tarn gur Dbüre. 311S er 
©erhärt erfannte, lub er ihn ein, in’S 3immer 
gu treten unb güitbete ein Sicht an. 

Sie blidten einanber fchweigenb an. 

„ffannft bu mir noch bergeben ?" würgte enb. 
lieh ©erhärt herbot, unb babei fing er laut gu 
ichluchgen an. 

„Sou ftergen gern l" rief fjfrieblich unb bol 
ihm bie fjanb bar. 

„Sch! wie habe idj mich au bir unb an meinem 
©ott oerfünbigt. Mein Sehen ift mir gur £>öüe 
geworben, ich fantt eS nicht länger ertragen," 
fprach ©erhärt. 

„Soit mir foll bir 9ltIeS gern bergeben fein," 
fügte tfrieblich. 

„grieblich, millft bu nicht mit mir beten, baß 
fich ©ott meiner erbarme!" 

^rieblich war froh, baß es mit feinem Schwa« 
ger fomeit gefönt men war. ©s entfpann fich ein 
wahrer ^atobsfampf. DctS war einmal ein 
Schluchgen unb <&d)reien um ©nabe! Das ber« 
fteinerte #erg war enblich botlftänbig ger« 
fnirfcht. 

©S graute ber Morgen fchon, als ©erhärt 
mit erleichtertem £>ergen fid) auf. ben Heimweg 
machte, fühlte er boch wie ein gang anberer 
Menfch. Die Saft, bie ihn gu erbriiefen brohte, 
war abgemälgt, bie ffetten waren aefprengt unb 
er warb enblich wieber frei. 911S Marianne baS 
Sorgefallene erfuhr, ba wollte ihr artneS #erg 
wieber jubiliren unb fie pries ©ott aus boller 
Seele. 

Otiiljrenb mar bie Sgene, als am nächften 
Sonntage ©erhärt nnb fjrieblich neben ein« 
anber am 'ilbenbmablätifche Inieten unb heiße 
Dheätten weinten. Da blieb faft fein 5litge in 
ber ffirdje troden. ■ 

©S war eine fchmierige Seftion für ©erhärt, 
bie er in ber Schule bitterer ©rfabrung gu ler« 
nen gehabt hatte, aber fein nun banfbareS £>erg 
hatte beten gelernt, wie nie gubor: 

„Sergieb uns unfere Schutben, 

wie mir unferen Schulbigern 
b e r g e b e n." 



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Jir Hurtigkeit bet Itleinkinberklaffe. 


125 


Pie Ütd)tt0heit bet liettikitiber- 
UlaflTe.*) 

3«r §an8 nnb §ert tioit fuguft Reffet. 


f ie fe^r roid^tiq baS gange ©onntagfdjut» 
mer! ift, barüber ijt heute faum ein Eprift 
im 3wetfel; eben beStjalb ober ift bie 
Äteinfinberftaffe febr micßtig unb gwar: 

1) SOBeit in berfelben bie Steinen, abgefonbert 
Don ben größeren ©(Gütern, nad) ihrem fjaffungS» 
Dermögen burrf) befonbererS geeignete Sehr» 
methobe, gum Seifpiet 3lnf<haiiungSunterrid)t, 
Ergäljlungen unb begleichen unterrichtet »erben 
fönncn. 

2) 3n ber frühften Sugenb ift bie Empfäng» 
lichteit größer, als in irgenb einem anbern Sitter, 
baßer bie Siothmenbigfeit, bie £crgen frühe mit 
bem ®uten unb ©öttlidßen angufütten. SBenn 
eS in biefem Sitter nicht gedieht, fo nimmt baS 
4>erg baS Söfe gang Don feibft in fich auf. Es 
ift Dor allen Singen micßtig, bie $inber in bie» 
fern SebenSatter auf bie redete Sahn gu leiten, 
benn roie bu ein ßinb gemßhnft, fo haft bu e§. 

Sopola, ber ©rünber be» Sefuiten «DrbenS, 
fagt, baß bie erftcn auf baSßinb gemalten Ein» 
brüdte gerabegu unberechenbar feien. 

3uiii Seifpiet: Stuf einer ber hofften ©pißen 
beS fyelfenqebirgeS, mehr als 10,000 fjfuß über 
bem SieereSfpiegel, befinben fich gtoei Duetten 
in io geringer Entfernung Don einanber, baß fie 
mit roenig Stühe mit einanber berbunben wer» 
ben tonnten. Sie eine fließt in öftlidfer Stiftung 
in ben Sater ber ©tröme unb in ben Steerbufen 
Don Sterifo: bie anbere in mcfttid)er SRicßtung in 
ben E olitmbia = fftuß unb burdf biefen in ben 
ftitlen Cccan. Um bou ber Stünbung beS einen 
öluffeS gu ber beS anbern gu gehen, mürbe eS 
nöthig fein, eine Sergfette bon über 10,000 ffuß 
ju überfteigen unb eine Entfernung bon menig» 
ftenS 5000 Steilen gu burchmaubern. Unb hoch 
maren beibe einft bie nädjften Sacßbarn. Äeine 
Don ben beiben Duetten hotte anfänglich eine 
befonbere Steigung für bie eine ober anbere Stich» 
tung. ©eringe Slnftrengungen mären genügenb 
geroefeit, um bie öftliche Duette mefttid), unb bie 
ioefttiche öftlich gu leiten. Slehnlich berhält eS 
fich betreffs ber frühen Ergietjung ber $inber. 

3 t Sludj begiiglich beS ©ebeiljenS ber ©onn» 
tagfchute ift bie Ä?teinfinberftaffe fehr micßtig; 
benn menn bie Siebe gur ©onntagfchute recht 
frühe in bie ßergen gepftangt roirb, ba mirb bie» 
felbe faff ohne SluSnatjme auch im fpäteren 
Sitter eine beftänbige fein. Siefe grüßgemon» 


') acuf empfebtwnS ^ ©onfewttj für ©rjiefjung unb 
tecnntögfcßute in (SoanäBiße, Jjnb. 


neneit unterfcheiben fich feht Don benen, roelche 
erft im oorgerüdten Sitter gur ©chute tommen. 
-Sie Seßteren roerben gar leicht üeranlaßt, burdh 
Serfprecßunqen unb ©efcßente bon-einer ©onn» 
tagfchute in bie anbere gu manbern, fo baß mir 
feßt fcßon in unferen größeren ©täbten eine Strt 
©onntagfchuUSrampS hoben, metche fich reget» 
mäßig gur Sic»Stic= unb Skihnacßtsgeit ein» 
ftetten, aber auch ebenfo regelmäßig mieber ber» 
fcßminbeit. ES freut mich, fügen gu tonnen, baß 
Don ben ffinbern, bie mir in ber Sergangenßeit 
in SouiSbilte in bie jtteintiuberflaffe aufgenom» 
men hoben, beinahe ade ohne SluSnaßme bie 
©chute regelmäßig befuchen, ohne baß mir ihnen 
irgenb toelche Setohnung in SicfetS ober harten 
gu geben brauchen. 2ßir fiub baher auch meniger 
ber Ebbe unb fftuth beS SefuchS auSgefeßt, als 
manche anbere ©Aulen. 

Studh für bie ©emeinbe ober ßircße ift bie 
ßleinfinberftaffe michtig, meit folcße Hinber nicht 
nur in ber ©chute bleiben, fonbertt auch bie 
ßircße lieben lernen unb biefelbe als bie ihrige 
mähten. 3<h betrachte biefeS als einen Sßuntt 
bon großer SBicßtigfeit begiiglich ber Äteinfinber» 
Haffe, ©purqeon fagt, baß aus 2700 Stitgtic» 
betn feiner ©emeinbe nie eins auSgefchtoffeit 
toorben, bas er als ßinb aufgenommeii. 

4) 3ft bie ßteinfinberflaffe mistig, meit hier 
am beften bie Siebe gu ©ottes SBort geroecft mer» 
ben tann. SicßtS ift für bie Steinen fo an» 
giehenb, als bie ©efcßicßten ber Sibet, befonberS 
beSmegen, meit fie für baS finblidje gaffuitgs» 
bermögen fo gut Paffen; aber auch besroegen, 
meit fie bem macßfenbeit Serftanbe beS Sinbes 
beftänbig neuen ©toff gum Sacßbenfen geben 
unb neue i^been gu ©einüthe führen, metche auch 
ber Serftanb ber SSeifeften nicht erfdjöpfen tann. 
Saher entftcht eine beftänbig macßfenbe Siebe 
gur Sibet unb mer tann bie ffotqen folget Siebe 
berechnen auf firchlichem unb bürgerlichem ©e» 
biete ? 

5) 3fn biefem Sitter fönnen bie Äinber leichter 
gu 3efu geführt merben, als in irgenb einem 
anbern. Stag biefer ©aß and) nicht febem fo 
recht einleuchten, fo beruht berfelöe bod) auf 
©otteS Sßort unb ber Erfahrung. SaS Stinb 
mag bicfteicht mit bem Serftanbe nicht SttteS 
faffen lönnen, allein es fann Don bergen lieben 
unb liebt auch- ©ieh nur, mie fdjoit baS tteinfte 
$inb feine Slermcßen ausftredt nach ber Sperfon, 
bie eS liebt, obgleich es bir baS SBarum nicht er» 
Hären fann. Stan benfe gum Seifpiet nur an 
bqS Stübchen, Don bem tßaftor gunfe ergätjlt. 
ES mar 6 ober 7 3jahre alt unb fam gu ihm, um 
gu bitten, gum Slbenbrnaßt gugelaffen gu merben. 
Ser Snftor begann eine Srüfung mit ber gtlei» 
nen, metche in manchen Stiiden nicht beftanben 
mürbe. „Stein $inb," fagte |>err ffunfe, „ich 
fann bidh nicht gum Slbenbmaht gutaffen, fo 


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126 


3m jbidplanb. 


lange bu nicht bcffer unterrichtet bift." Sa 
traten ber At leinen fd^roere, beifee .Sferäneit in 
bie 91ugen mib fie faßte: „£>err '-Pfarrer, wenn 
ich audfe niefet alle %l)xe fraßen beantworten 
fann, fo weiß ich bocfe, bafe id; beit grofeen, fluten 
£cilaitb |efer lieb feabe." 

„0," fefet finite feiuju, „welch flrofe totürf 
Sfeeologie bat micfe biefe Illeine gelehrt!" 

6) Sie Kleiufinbertlaffe ift e i n 'IRittel, baS 
©laubenS» unb ©ebetsleben beS .Minbeä gu er» 
werfen. SaS Kinb betet unb fllaubt mit oer» 
traucnSDollcm bergen. Statt biefeit ©ebanfen 
weiter aiiSgufüferen, will td) eine ^Begebenheit 
erjäbie alles SaS in lieb fcfeliefet, baS iefe 
euch ju £>erjen führen möchte. ©inft War ich 
fefer tränt. Ser 5trjt machte ein fefer erufteS 
©efiefet. kleine ©attin wollte bie Hoffnung 
anffleben, unb welche ber kleinen ftanben wei» 
nenb um baS Säger. Sa tomint mein fleiner 
Knabe aus ber Schule, (ir bemerft, bafe etwas 
Säuberliches im £>aufe Dorgefet, liefet bie rotfe» 
fleweinten Hingen unb fragt, toaS eS beim fei. 
Wau antwortet ifem, ber Safer fei fefer tränt 
unb würbe wofel halb Don ben Kinbern in ben 
£)immel gefeen. 

„Wichts ba," fagt ber Kleine, „$a barf noch 
nicht fterben. Wir brauchen ifen noefe." Unb 
barnit tniet er fich. an baS Sett beS 23atcrS, 
nimmt beffeit £>anb unb faßt: „ißa, weifet bu 
nicht, wie bu uns fagteft, bafe wir nur gum £>ei» 
lanb beten follen, unb bafe ©r immer feöre? 
SaS werben wir jefet tfeun, unb @r wirb bi<h 
niefet fterben laffen." — Ser Sater lebt feeute 
noch unb feabe iefe bieS '-öeifpiel nur beigefügt, 
um gu geigen, wie bei ben Kleinften baS ©lau« 
beitS» unb ©ebetsleben geweift werben fann. 

Unb follten wir, geliebte Seferer unb Sehre» 
rinnen ber Kleinfinberflaffen, in unferm '-Beruf 
tleinmütfeig werben, ba wir hoch wißen, Wie 
hochwichtig berfelbe ift ? Wit niefeten ! ©ott ift 
bei uns unb fegnet unfete Hlrbcit, wenn wir 
auch bie fjriidhtc niefet immer fogleidj fefeen. 
Saturn mutfeig oormärts bis gunt feligen ©nbe. 


iferer £>crrfcfeaft auch Wüfee gaben, alles Seutfche 
auSgumergen. 

Scfeon in ber golbigett 3ugenbjeit finb wir 
gerne hinüber ge.oanbert über ben Dtfeeiu in bie 
frühere beutfefee SReicfeSftabt Strafeburg, bie mit 
ifereit ©iebelfeaufern, ifereit truminen ©affen 
unb oor Mein mit ifereni wunberbaren Wiiiifter 
immer einen eigentümlichen 3auber auSübte. 
hinter Strafeburg aber liegen bie Sogefen mit 
bem Ctilienberg, bem £eibentempel unb anberu 
^errlicfeteiten; unb wenn einmal bortfein ein 
Msflug gemacfet werben burfte, fo war beS $iu 
bels teilt ©nbe. 

Sreilich feerrfdjten bamalS bie fjrangofen, bie 
fRotfefeofen, wie fie bie beutfefeen Knaben nannten 
im tfteidjSlanb. SaS wurmte fefeon bie Suben 
unb fpater haben fie ©ebanfen gehabt unb auch 
auSgefprodfeen, wie fie im Siebe niebergelegt ftnb: 

„3m ©tfafe, über beut :Kbeute, 

Xa Wohnt ein 8 ruber mein, 

ST'ie tbut’e baS £*crj mir preffen, 

©r bat eS {(hier »ergeffen, 

SBaS Wir etnanber fein. 

SDlein armer, guter SSruber! 
ßaft bu bicb benn rerträlfcbt ? 

©eraubt bon ben g-ranjofen 
Iräpft bu bie reihen Jöofen — 

3ft auch b«m §«*3 wrroälfeht?" 

©in fo intereffanteS, altbeutfdfeeS Sanb tonn« 
ten Wir niefet linfS liegen laffen, als wir brüben 
Waren über bem 2J?eere, namentlich jefet niefet, 
ba ber beutfefee ffteicfeSabler barüber wefet. 2Bir 
Waren wäferenb ber lefeten ©uropareife gweimal 
im Otcidfef-Ianb. ©iumal betraten wir baffclbe 
Dom fcfeönen Safel auS; baSanbere mal feferitten 
wir Don ber $falg, wo wir uns Speier, fReuftabt, 
Saitbati, SrifelS unb MbereS noch einmal an» 
fefeauten, Darauf loS. 

Cb fie wofel orbentlicfe „bitfdfe" geworben finb, 
bie alten, lieben Strafeburgcr, buchten wir, als 
ber feerrlidjc 9Rünfter anfiefetig würbe, unb fan» 
ben tiacfe wie Dor ben unDerwiiftlidfeen ©Ifäffer, 
ber, ob unter Sranfreicfes, ober SeutfcfelanbS Safe» 
nen ben alten Dteim in’S $erg gefeferieben feat: 


|tn Meidjölanö. 


dbitor. 



t’ber Seutfcfee intereffirt fiefe für baS 
„fReicfeStanb," für©lfafe unbSotferin« 
gen, baS man gewöhnlich baS „fReue 
iReicfeSlanb" feeifet, aber eigentlich „alt" 
nennen fotlte, benn eS ift uralter i 
beutfefeer ©runb unb Soben, unb ber I 
bortige beutfefee Stamm tonnte nie feine Säter i 
üerleugnen, fo fefer fiefe bie Sraitgofen wäferenb ' 


„<5traf*burger bin idj itn tmü’S blitoe, 

Söemt’S anb’re nod) fo affictyt trih?e." 

fann ben Sinn berer in ben 9teicf)3= 
lanben beutlicfyer be^eiAnen, als bieS alte Sers= 
lein. Sie finb Dor 9lUem unb in erfter Siinie— 
Straßburger, (Slfäffer, Cotfjringer; ob mm ber 
beutfd)e, ober ber ^ranjofeufaifer ©emalt über 
fie bat. So toar eS oor 30 3'af)ren, unb alfo 
ift eS b^ute nod). Sie toiffen, baß baS 9teicb§= 
lanb eine oielbegebrte ^umele ift, unb baS 
bat ihnen Don jefjer eine 9trt fouberbiinblicbeS 
Selbftgefiibl oerlieben, baS fidh felbft unter ber 
^rerfenSbetrfcbaft ber fran^öfifeben JReoolutiou 
nicht oerläußuet bnt. Sie haben eine reiche 


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3m jbidjslanb. 


127 



©efdjichtf hinter fiel), in welcher ihre 9Jhnen oft I ^tofjenftaufen, haben auf ©trofebur^ unb boS 
mäd)tifle ihattraft unb gäbe 9tn$bauer bewiefen, j (gange jegiae iReicbsIcinö iivofse ©tiicfe gehalten 
ba§ alte beutfche fReicb aber fiel) als bie Ot)iu i unb benfetben Diele Vorrechte Derliehen. £>an= 
maö^t geiegte, unb fo ift es ihnen nicht gu Der» bei, ©enterbe unb ^ltbuftrie blühten in ber 
arflen, wenn fie etwas auf fich halten unb ben ! beutfehen Steicbsftabt unb Umcgeeienb unb als 
.Ditfcben" ein wenifl fcheel aufeben. ©trahburjg im fünfzehnten S'abrbunbert ben 

Die alten beutfehen ffaifer, namentlich bie ©ipfel feiner fötacht erftiefleti, ba wehte ihr 


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128 


3m $eid)slattfi. 


tt>eifec§ panier in ben JhiegSaüaen unmittelbar 
hinter bem faiferlichen 9lbler. Tie ©tabt prägte 
ihre golbtien unb filberncn 'IRünjen, uub fchlofe 
'-Bünbuiffe mit durften unb ftouigen, ja felbft 
mit bem töaifer. 

Taju blüljteu Stint ft unb Siiiffenft^aften mie 
in nur roenigeit Stabten. Ta fang Heinrich 
non Sanfeuberg leine geglichen Sieber, unb 
©eiter bon Sfaiferöberfl hielt im fünfter feine 
berühmten '-jirebigten. Stucf) ber ©rfinber ber 


noch al§ freie Stabt unter ben beutfchen ßaifern, 
aber nicht fepr tauge. Subroig XIV. gelüftete 
nach biefer „ftrone," uub baS beutfehe '.Reich mar 
fo ohnmächtig, baß es müffig jufehen mufete, 
als biefer fjnrft 1681 Straßburg mitten im 
Stieben mit frangöfifc^en Truppen - beferen ließ 
unb jjranfreid) einoerleibte. 

Tie granjofen haben baS fReicbStanb—einige 
StuSuahmeu abgerechnet — „gebätf<he(t unb ge. 
tätfchelt," um bie.Tcutfchen früujöfifd) ju machen. 



Dtilicnbag mit Älofter. 


Siuhbrucfevfuuft, Johannes ©uttenberg, lebte 
lange in Strafeburg, unb bie erfte beutfe^c Söibet 
mürbe 1466 bafetbft uon Johannes 'Dcentelin 
gebrudt. Tie ^Reformation fanb in biefer Stabt 
mofet borbereiteten '3oben unb mürbe unter 95ta= 
gifter WattfeiaS 3etl beinahe ohne SBiberftanb 
eingeführt. 

3llS nun Teutfchtanb burd) ben 80jährigen 
Shieg fo fehr herabgetommen mar, mußte es im 
roeftphälifchen fjfrieben 1648 jugeben, bafe ganj 
Sotferingen unb faft ganj ©tfcife an ^nintreict) 
abgetreten mürben. Strafeburg berbtieb bamalS 


5fn ben Kriegen beS erften fRapoteonS hoben 
biete tapfere fReichSlänber, mie j. ©. ber ©enerat 
lieber feinen 9tnhin geteilt unb es gefdjah bon 
franjofifefeer Seite MeS, um fie mit ^rantreidh 
jit berfchmeljen. Ob bieS je gaitj gelungen, 
bejmeifeln mir, obmofel mamher @(fafe.8othrin. 
ger auf f^ranfreich ft o l j gemefen fein mag. 
ießten ©runbe aber galt unb gilt in erfter Sinie 
ber bereits angeführte fReint, maS aud) gar nicht 
ju bermunberit ift. 

2Öie aber ftefet’S benn heute in jmeiter 
fiiuie hinfichtlich beS beutfehen '«Reiches? fRiut— 


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3m jiridjslaub. 


129 


fo, fo. ©ehr begeiftert ift baS Soll in ben 
meid)Slanben für baS neue (Regiment noch nicht, 
obroohl es f<hon länger als ein Fahrgehnt bar» 
unter fteljt. $aS beutfdje (Reich hat groar aüeS 
(Mögliche gethaii, um Sie roiebergeroonneiten 
Äiuber mit ihrem ©dfidfal gu Berfößnen. 3lber 
fie fühlen [ich buch noch gu fefjr als bie Ueber» 
rounbeneu, fo fetjr Diele Foinilienbunbe tniipfen 
fie an fjrcmfreich, gu biele geroerbliche Fntereffen 
mußten burdj ben SBedjfel geftört toeröen, unb 
gu fehr tour ber Glfaß*Sothringer gewöhnt, mit« 
leibig auf baS arme, ohnmächtige „$itfd)lanb" 
311 Khanen, als bah ie^t fchon eine allgemeine 
Steigung bafiir gu bemerten märe. 

Singeiite biefer geraubten SJinber finb groar 
immer beutfd) geblieben unb bie 3 aljt berer. 


(Regiments ertennen, aber aus Furcht barüber 
fc&roeigen. 

betreffs beS 9teid>eS ©otteS hotte baSGlfaß 
neben biel Unglaube, feichtem ß^riftenthum unb 
, 2eid)tfertigteit immer eine 'ilngaljl ©otteStinber 
aufguroeifen, toelche fidj in ber Siebe tljätig er« 
roiejen. 2 Ju<h heute finbet fid) in biefeit Greifen 
reges, d)riftlicf)eS Sehen. Sermehrt ober hoben 
j fidj bie|elbeit burch 9tnroefenSeit ber beutfehen 
! (Beamten nicht befonberS. „©eben ©ie," fagte 
j ein alter ©traßburger Gljrift auf einer Gifen» 

I bahnfahrt gu mir, „roenit auch bann unb mann 
I ein frommer beutfd&er ©eneral an ©otteS SJort 
i feft hält, fo haben hoch bie meiften Seamte unb 
! Cffigiete beS (Reichs mit bem Gbriftenglauben 
I gebrochen. 3 a, fj e fielen fogar begüglid) beS 



Der ^eibentem^el. 


welche gerne gttm (Reich gehören, hat fich feit 
1870 bermehrt; aber eS finb bieS immerhin nur 
Singeine, ©roßer ift bie 3abl berer, welche im 
©eheiinen gerne bie Sorttjeile beutfdjer Ginrich» 
tung anerteunen, aber eS ber Seute unb beS 
„SüfeS" wegen ja nicht berlauten (offen. ©0 
fagte mir mein ©eroäfjrSmann, Saftor £>. SJtann, 
Don ©traßburgern, bie ihre Stinber mit Freuben 
in’S beutfdhe non ber Regierung geleitete ©hm» 
nafiuin fchidten würben; aber mit einem ©eiliger 
ljingufeßen: „(Dian barf ja nicht; unb fo müffen 
mir bie Silben in’S frangöfifdje Sribntgbmna« 
pum fenben; obwohl bieS lange nicht fo Diel 
leipet, als baS beutfdje." 

„SJtan barf ja nicht," mit biefem ©aße ift 
moljl bie ©efinnung Dieter Glfaß«Sothringer 
begeidjnet, welche manche Sorjüge beS beutfehen 


Familienlebens Bielen unferer frangöfifdjen Se= 
amten nad). $>iefe $eutf<he finb groar ftramm im 
$>ienft, fonft aber fieht man fie nie in ber&irche, 
außer, menn fie einmal bagu commanbirt roerben. 
©ie leben bei Gommanbo auf ben Slmtsftuben 
nnb auf bem Gjergierplaß, fonft aber Biel gu Biel 
in ihren ©efellfdjaften, im Gafino unb nicht bei 
ihren Familien. SüaS übt leinen guten Ginfluß 
auf bie Siirgerfdjaft aus." 

2 Bir laffert bie Hoffnung, baß biefer Sruber» 
ftamm einft noch bu«haus d)riftlid) unb ächt 
beutfdj merben roirb, leboch nicht finlen gnb 
fßredjen mit bem dichter: 

JSertoädiSt gu einem Stamme 
®ie« Soll einft unb bie« 2$al, — 

®lüflt eine Jteubenßamme 
Stuf ®r»in8 6 fiten mal." 

10 


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130 


(Sin btutfdjtr Sirnfon. 


3 ebo© — mir finb ja brinnen in ©traßburg, 
ber munberf©önen (?) «Stabt mit ihren trummen 
©tragen unb hoben ©äufern unb rufen alte 
Erinnerungen mach. Sort ift bie ©teinftraße. 
2 öir tennen fie ni©t mehr; benn bie alte marb 
bei ber Selagerung jerftört, unb mit ber fran* 
jöjif©eit UriegSentf©äbigung marb eine prächtige 
neue,©trage ^erfteftettt. SaS ©teinthor, mie 
überhaupt alle Qfeftungsmerfe, (namentlich im 
Sorbmeften ber ©tabt) finb meit über bie alten 
SBälle hinauägerüdt, unb meit braußen liegen 
rings um bie ©auptfeflung 13 ftarfe neue fjrortö, 
3—5 englifcpe Steilen bon ben Shoren entfernt. 
SBenn baS bie ffranjofen mieber einmal nehmen 
moüen, mirb e§ Diel Slut toften. 

SDie Urone ©traßburgS, ber poetifpfte aller 
gothif©en Sauten, prangt noch in ber alten 
©errli©feit, an bet man fich nicht fatt feben 
tann. Einige SatreS ftehen in ber auf baS Sor« 
berportal julaufenben ©traße unb ftaunen baS 
Saubentmal mit feinen ©pißen, Spännen unb 
Sbürinchen unb feinen hnnbert ©tatuen an, unb 
Spränen rollen über bie SSangen biefer Stän« 
ner. 2Bahrf©einli© hoben fie einftenS hier ge« 
meilt, gehören jeßt ju beuen, rneldje nicht im 
beutf©en Stei© leben roollten, finb nach bem 
3?riebenSf©luß auSgemanbert unb betrauten fich 
nun auf einer Söanberung nochmals bie <3©öpf» 
ung ErminS bon ©teinba©.- 5ßir bebauern fie; 
finb aber bo<h froh, baß bort oben bie beutfche 
Sahne meht. 

Such Steh mit feinen blutgetränften @©la©t« 
felbern haben mir auf unferer jfoeiten SBanbe» 
rung befugt; finb bei ©rabelolte unb ©t. Sribat 
geftanben, mo fo biele ber preußif©en ©arben 
ben ©eibentob ftarben, unb haben bort, mie am 
Sapoleonftein bei ßeipjig beS ©©riftroorteS ge» 
ba©t: „Serlaffet euch ni©t auf Sriirften; fie fön« 
neu ja nicht ©elfen. Senn beS Slenfpeti ©eift 
muß baoon unb er muß mieber 311 t Erbe merben; 
aisbann finb oerloren alle feine 9lnf©läge." 

3 febo<h — bon biefen ©cpla©tfelbern, mo bie 
Sölfer mit einanbet rangen unb ©ott ber ©err 
regierte, bielleicht ein anbermal. 


€in örtitfdjer Simfott. 

gür ©ans nttb ©erb um ®. ©außer. 

jb ein 3eitalter in ber ©efchichte beS beutfdhen 
SolfeS bietet fobiel SntereffanteS, Se» 
^ lehrenbeS unb SBunberfameS, mie baS 
Slittelalter mit feinen fdjroffen ©egenfäßen im 
©taat, ber Uir©e unb bem focialen ßeben. — 
EinerfeitS litt baS arme Soll bon ber geiftlidjen 
©ierar©ie unb Anmaßung ber fatpolifcpen Srä» 


laten unb anbererfeits bon ber rohen ©ematt 
unb graufanien Sefpotie ber tegierenben fjfür» 
ften. Obgleich baS ganje beutfche Stei© 8 üm 
heiligen römifchen Stei© gehörte, mar hoch bie 
Secentralifation beffelben fo groß, baß es bom 
Uaifer bis herab jutn fleinften Staubritter ober 
ber geringften Surgbogtei in bunbert unb ober 
hunbert felbftftänbigen ©taaten unb ©tüät©en 
jerfplittert mar. Saß es bei biefer bielföpfigen 
Stegiererei ju immermährenben 3miftigfeiten, 
Heineren ober größeren Uriegen fam, ift leicht 
begreiflich. 3 « ben bur<h bie ©efchichte mit* 
geteilten meltgef©i©tli©en Ereigniffen haben 
fi© noch eine Stenge Segebenbeiteit jugetrageit, 
bie im SolfSmunbe erhalten blieben unb bon 
benen ich auf meinen Dielen Steifen oft reben - 
hörte. Es giebt bom Scbenfce bis nach ©inter« 
pommern, bon SreSlau bis Uöln mohl feine be« 
beutenbe ©tabt, melchc ni©t in ihren Slttnaleit 
intereffante Epifoben bon jener 3eit aufmeifen 
fann. SefonberS mareit es bie römifchen Srä» 
laten, mei©e bie ©©mä©e ber römifchen Uaifer 
mit ber ihnen eigenen Schlauheit auSjunüßen 
berftanben, inbem fie fi© geroiffe ©ouberänitäts» 
rechte ju erroerben mußten, bie fie bann nicht 
feiten in einer SEBeife gegen baS arme Solf panb» 
habten, mie es ber graufamfte Sefpot nicht beffer 
hätte thun fönnen. 

SEBer nach bem alten Uölit fommt unb unter 
anberen intereffanten ©ehenSrciirbigfeiten, bereit 
bie ©tabt biele befißt, auch ben Sotn be|u©t, ber 
mirb bur© jmei Silbmerfe, bereu eines an ber 
Sorberfeite beS ErferS, baS anbere an einem 
Erfer im Innern beS ©ofrauitieS bie pelben» 
mütpigen Spaten beS SürgeruteifterS b. © r p n 
bargeftellt fepen. Sur fepr SBenige miffen, roaS 
biefe beiben Silbmerfe, bie burch bie 3eit f©on 
feßr gelitten haben, 311 bebeuten haben unb bo© 
ift bie ©ef©i©te, bie fie bereroigen follen, nicht 
nur höchft intereffant, fonbern läßt uns auc© 
einen Slicf thun in jenes na© fo Dieter Stiftung 
rohe 3eitalter, mie feiten eine. Sie in ber @e» 
f©i©te enthaltene Spat beS SürgermeifterS ift 
ein e©teS 3ei©en jenes SürgerthumS unb föhnt 
uns ein menig mit ber Stoppeit jener 3 ?it — 
mel©e bon fatbolifcher ©eite noch bie perrli©e 
genannt mirb, — bem Uebermutpe ber macht» 
gierigen Sfälaten unb bem ©tegreifpelbentpum 
ber Stitter aus. 

Sie ©efehiepte ber rheinifepen ©täbte ift fajt 
einzig unb allein ein Uantpf beS aufjirebenbeit 
SürgerthumS gegen bie ränfebolle Unter» 
brücfungSpolitif ber geiftlicpen Spraitnen, roel©e 
fi© menig um ben Uaifer fünimerten, ja ge» 
miffermaßen beffen Ütegenten maren. 

Ein fol©et perrf©fü©tiger ^Prälat mar au© 
Uonrab bon ©o©fieiten, ber 1237 bem ernior* 
beten Engelbert I. auf bem Ersftuple na©folgte. 

©o mie Engelbert I. eilt meifer, tü©tiger unb 


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(Sin beutfdjer Simfon. 


131 


einiicptSDoUer fjürft unb ^rieftcr mar, fo war 
ftonrab ba§ ©egentheil pictöon, uttb et braute 
es glüdlid) batjin, baß bie Kölner fiCp fielen feine 
Gingriffe in ihre Wunigipalberfaffung Detmahr» 
ten itttb unter WatpiaS Don Döerftolg etiblidj bie 
Waffen ergriffen. 

ftonrab gog mit (jeereSmaCpt gegen bie 9te= 
beflen, mußte aber eine fcpmüpliche Nieberlage 
etleiben. 

Noch mehr gegen bie Uttberfchämteit aufge» 
bracpt. bie ihn fetbft ju befiegen wagten, aber 
bot) belebet, DerfuCpte er mit Sift, maS ibra burd) 
©emalt nicht gelingen Wollte. Gr brachte eS ba= 
in, 3 TO * e t ra< ^l unter bie Sürger ju fäen unb 
<b b'erburcb bie £errfd)aft über bie Stabt an« 
gueigneti. 

©ang in feine ffußtapfen trat fein Nachfolger 
Engelbert II. aus bem &aufe ffaifenburg. Sie» 
fer ließ bie bie Stabt uitifchließeitbcn Sollwerte 
noch mehr befeftigen unb mit Gruppen befeßeit. 

3war erfannten bie Sürger jeßt, wie fcpmach» 
boll fie fi<b batten überliften taffen ; aber bie 
Wacht, bie ber Grgbifdjof aufftellte, fcbücbterte 
fie ein, unb murrenb jwar, aber bod) furcbtfara, 
orbneten fie fid) feinen NuSfprüdjen unter. 

' IBIS aber bie fjerrfcpaft beS Srälaten immer 
brücteuber würbe, erhob ficb ein fcplicpter Wann, 
Gberparb, unb rief bie Sürger gur Ginigteit auf 
unb giim Kampfe gegen bie Unterbrücfer. 

Ser Sürgermeifter Don ©rpn Dereinigte feine 
Worte mit benjenigen beS eblen Gberpatb, unb 
wie ein günbenber ö?unte taufte in aller £>erjett 
ber ffreipeitSgebante auf: bie Sturmgloden Wur« 
ben gegogen unb mit ihren beulenben klängen 
mifcbte ficb baS Älirren ber Waffen unb baS 
ftampfgefcprei ber Sürger. 

ftöln mar in ein ffelblager umgemanbelt. Sie 
Sollwerte ber Spraitnei fielen, unb bie Stabt 
mar frei. 

Ser wutbfcbnaubenbe Stälat fammelte ein 
‘ £eer unb gog gegen ftöin. (Sr mußte aber 
unterbanbeln uttb bie Necpte ber Sürger aner» 
tenuen. 

Engelbert II. 30 g in ftöln ein. Gr Derfant« 
melte bie $äiipter ber Sürger, um fiCb an ihnen 

! u rächen, fdjloß er fie berrätberifcper Weife in 
einem Salaft ab, ber augenblitfltcp Don feinen 
Struppen befeßt Würbe. 3 »gleich warf fein 
Srnber eine beträchtliche Schaar Semaffueter 
nach itöln; aber bie Sürger, burcb biefe Se= 
wegung aufmetffam gemalt, warfen ficb auf 
bie Seßteren, fprengten bie Shore beS SdjloifeS 
unb nahmen ben berrätberifdjen Sriefter ge» 
fangen. 

3mar ließen fie ihn quf hohe Setmenbung 
hin mieber giehen, aber er mußte geloben, nie 
mehr bie Stabt gefäprben 311 wollen. 

^reilkb baChte ber GrjbifCpof nicht baran, fei» 
nen Schwur halten gu wollen. Gr fann im 


©egentheil auf Wittel, wie fein Sorgängcr burcb 
Sift 311 fiegen, unb oor allen Singen ben matteren 
Sürgermeifter unfd)äDli<b ju machen, benn bie« 
fer, baS wußte er, war bie Seele ber gangen 
Sürgerfdjaft. 

Um ihn hinweg gu fcbaffen, erfann er folgen» 
ben tüdifcpen Slan. 

Gr befaß in feinem 3winger gu Sonn — wo 
er refibirte — einen Söwen, melier nadh ftöln 
Derbracht würbe. 3^* Somprobfte mußten ben 
Sürgermeifter einlaben, um ein SerföpnungS» 
feft mit ihm gu befpredjett, unb ihn Derlodcit, in 
beit 3winger gu treten, in bem man bett Söwen 
einqefdjloffen hatte. 

Ser Sürgermeifter munberte fiCh gwar über 
bie Ginlabung, bie ihm wirtlich Don ben beiben 
erlefenen ißröbften gufam, aber im Sertrauen 
auf fein gutes NcCpt, unb geftüßt auf feinen bie» 
bereit Wuth, fchlug er bie Warnungen feiner 
ffreunbe in ben Winb unb folgte berfelben. 

Nadjbcnt man lange getäfelt hatte, führten 
bie geifilitbett Herren ihren ©oft umher, um 
ihm bie ftunftmerfe gu geigen; babei öffneten fie 
eine 2büre, unb als er harmlos nid)tS SöfeS 
ahneub eingetreten mar, fehloffen fie biefelbe 
augenblidlidj mit einem fchabenfropen £wbn» 
gelädjter hinter ihm gu. 

©rpn, welcher erft mit Grftaunen, bann aber 
mit Gmpörting unb Gntfeßen bie nieberträchtige 
ffalle erfannte, in bie man ihn gelodt hatte, war 
noch mehr entfeßt, als er beS Soweit anfieptig 
würbe, ber in ber gangen Wajeftät feiner ange« 
bereuen Wilbbeit ihn mit tobtfuiifelnben Süden 
anfah, bor junger unb ©ier heulte unb feine 
Senben mit bem biifd)igen Schweife fd)lug. 

Ser intitpige Sürgermeifter in feiner ©eifteS» 
gegenmart, mit ber er bie Situation fchtteü über« 
faß, hatte nur 3«>t, bie Sinfe in ben Wantcl gu 
püflen uttb fein Schwert gu gieheit, als ber tobt« 
ließe Sprung nach ihm gefäafj. Sf«ilfänell 
aber fchob ©rpn betn Söwen, als er gur Grbe 
tarn, ben (inten Nrm itt ben Nachen uttb bohrte 
ihm bie ßlinge in bie Weichen. Wie ein utibe» 
mttßter ©ebanfe hatte er bie Spat Dollbrncht, 
uttb beftürgt Don bem Siege unb bebenb bor 
Aufregung tuiete ber leicptoermiinbete Söwen« 
befieger neben bent Derenbeten Sh'« nieber unb 
banfie ©ott aus tieffter Seele für feine Neltung. 

Sange Stunben harrte er, maS nun gefäepen 
werbe. Sa aber brüllte bie Sturmglode mieber 
unheilDertünbenb über bie Stabt. Waffenliirnt 
inifäte fiep in ihre ftlänge, unb halb barattf 
mürben feine ffreuttbe Don ben gitternben Stob» 
ften nach bem Saal geführt, wo ber eble Sürger» 
meifter neben bem erlegten Spiere ftanb unb ben 
Sürgern bie fjänbe entgegen flredte. 

Gin Wuthgefcprei ging bttreh bie Stobt, als 
man ben Serratp Dernahm. Sie beiben Sröbfte 
würben aufgehängt, ber Sürgermeifter aber im 


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132 


Hus brat frbra bes Jffarter« llattidj. 


Sriumphe nach £aufe gebracht, roo er halb wie« 
ber bon feinen Wunben genas. 

®ic 93ürger flagtcn beim ffaifer. 3)er Grg» 
bifchof fcbwur natürlich alle ©titfchulb ab, unb 
nannte eS ©erechtigfeit, bafj bie 23ütgcr bie 
Glenben beftraft, baS Reifet, fie aufge^ängt 
batten. 

2)ie Sift bagegen, bie niebere ©olfstlaffe gu 
gewinnen nnb neibifct) gu machen gegen bie ©a= 
trigier, gelang if)in nur gu gut. G» entgünbcte 
fid) ein ©iirgertrieg, in meinem bie Partei be» 
Grgbifd)ofS unter ber ©nführmtg beS ©eneral 
WeifenS, beS ©rufen bon Simburg unb Gngel« 
bertS SSerwanbten, bie bon tJalJenburg, gefcblagett 
würbe. 

®ie Ooerftolgen, bie ^Partei ber ©a trigier er= 
rangen einen bollftänbigen Sieg, warfen bie 
tJrembeit aus ber Stabt unb gewannen bie ber« 
bienbeten unb burd) ben Grgbifchof betörten 
©titbürger wieber auf’» ©eue gu einem Sürger« 
bunbe. 

Um ihre ©lacht gu bergröfiern, fchloffen fie 
SEruß« unb Schußbüitbniffe mit ben ©rafen bon 
©elbern, ©erg unb jfaßeneüenbogen. 


welche auch bon ihnen gu Sc^ieböridjtevn gwifcßen 
ber «tabt unb bem Grgbifcßof ernannt wurben. 

Gngelbert, beffen Wutl) fich bei jeber neuen 
©iebcrlage mehrte, fiel nun bie mit ber c&tabt 
berbünbeten ©rafen, befonberS ben bon 3üli<h, 
an unb berheerte beffen ©ebiet. 

5)er ©unb fammelte baher fein Deer, unb eS 
Jam gwifcheu ihm unb bem £>eere be» ©rülaten 
in ber Gbene bon 3ülpidj unb Sechnich gur 
Schlucht, wo ber fein £>eer pcrföit lieh Jornman« 
bireube (£vgbifd)of nicht allein befiegt, fonbern 
auch gefangen genommen würbe. 

SDer ©raf bon Jülich führte feinen fjeinb im 
Triumphe in Äölit ein unb feßte ihn bann auf 
ber ©urg ©iebed au bet ©uljr gefangen. $ort 
mußte er gur eigenen Schmach unb gum Gr« 
gößen ber ©urgbemohner jeben Stag einige 
Stunbeit in einen ftäfig itieberfteigen unb fidj 
feheit (affen. 

Später, auf bie Sürfpracße beS eblen Albertus 
©tagnuS, guerft Sehrer in ßöln, bann ©ifdjof 
bon ©egenSburg, ließ ber ©raf feinen ©efange« 
neu frei; boch biefer überlebte feine ffreilaffung 
nicht lange; er ftarb an gebrochenem — Stolge. 





lüge aus bem J? eben bes fdjntäbirdjeti Pfarrers flattidj. 

gär £anö unb #trb tiou ©ßiltpp $anlu§. 


erabe gu ber 3eit, als ber ©ietiSmuS 
im übrigen St)eutf<blanb ermattete, 
alfo in ber ©litte beS oorigen 3al)t* 
hunbertS, begann er in Württem« 
berg burd) 3- 91- '-Bengel unb feine 
Schiller erft recht aufgublühen unb 
verbreitete fich über einen nicht unbebeutenben 
Stfjeil ber ftiibtifchen unb länblichen ©ebölterung 
Württembergs bis gum Infang beS jeßigeit 
3ahrhunbert§. Unter ben geiftig herborragenben 
©tännern, bie ber bamalige ©ietiSmu» herbor« 
brachte, unb bon beren Wirtfamfeit heute noch 
in Württemberg bie Spuren beutlich wahrgu« 
nehmen finb, ifi nicht ber begabtefte wohl aber 
ber boltsthiünlichfte ber ©tünebinger ©farrer 
fflattid). 3)ie eigentümliche Hirt, wie er wirfte, 
bie in mancher ^inficht an bie Weife be» Sofra» 
teS erinnert, unb bie bon nicht geringen Grfol« 
gen fomobl in feiner Sthätigteit als Grgieher, 
wie auch als Seelforger begleitet War, läßt {ich 
am beften aus Seifpielen etfennen. GS füllen 
baher hier einige 3üge aus bem fieben be» eigen» 
thümlichften unter ben fchwübifdjen ©rebigern 
unb Seelforgern beS borigen SaljrhunbertS 
folgen. 

®er airdjweihgeiger. 

3u fyiattid) Jam eines 2age§ ein ©tann fei« 
net ©emeinbe, ber fich fiatt burch Arbeit lieber 


als ©tufifant bei <£>od)geiten unb ffirchweihen gu 
ernähren fiicßte, imb beJannte feinem ©farrer, 
baß er fich über bas ©ewerbe ein ©ewiffen mache, 
aber er fei ein armer ©tann unb tonne biefen 
©ebenberbienft wohl brauchen. Gr möchte baher 
ben £>emi ©farrer bariiber befragen, was er 
baooit halte, ^lattich erwiberte: „$0 h.an i bo 
jeßuitb (eine ©ebensart, bie er fich angewöhnt 
hatte, um fich beim ©eben nicht gu übereilen), 
nur fortgegeigt!" SDer ©tann ging unb feßte 
fein mufitalifcheS ©ewerbe fort, ©ach einiger 
3eit Jam er wieber unb fagte: „Gr fei boch nicht 
ruhig, er möchte feine Seligteit boch nicht ber« 
fpielen, aber einträglich fei’S boch, unb er tonne 
bei feinen bielen ffinbern biefen ©usfatl ber Gin» 
nahmen fanrn entbehren." Qflattich antwortete 
abermals: „5)o tjan i bo jeßunb, nur fortgegeigt!" 
©a<h einiger 3 e it t«w ber ©tann gum britten 
©tale wieber unb befanntc mit fichtborer greu« 
bigJeit: „Gr habe eS bem £)errn ©farrer wol)l 
angemertt, baß eS ihm mit feinem ©ath nicht 
recht ernft gemefen fei, unb baS habe ihm noch 
weniger ©uhe gelaffen, unb barum habe er jeßt 
feine ©eige gerfchlagen. Gr wolle fich nun mit 
feiner f)änbe ©rbeit nähren." 2)a antwortete 
fjlattich: „®o han i bo jeßunb, ich h«ü’ wohl 
gewußt, bafe er Jeine ©uhe meljr helommen wirb, 
bis ecPs $anbwerJ mit ber ©eige gang aufgiebt." 


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&us bem ftbtn be# Pfarrers flattid). 


133 


Set belohnte Sfircfegäitger. 

üftatticb fab Sonntag für Sonntag unb fonft 
aud) nod) rcgelmäfeig einen iDtüncfeinger Surfer 
in ber ,Ä?ir<^c. Allein meiftenS fcfelief er wäferenb 
beS gangen ©ottcsbienfteS; {ebenfalls mar öon 
einer Sejferung im Söanbel bei ibm nichts gu 
[eben. Sa liefe ibn glatt ich tommen unb iefeenfte 
ibm ein ^aar Scfeufee. Ser fDlantt mar Der* 
rounbert unb tonnte fiefe oor Staunen nid>t er» 
bolen. Sa gab ibm glalticfe ben 9luffcfelufe: 
„So bau i bo jefeunb, baS ift, meil 3fl)r fo fleifeig 
in bie Itircfee gebt." 5113 ber UJtann fiefe bnrdb 
baS 2ob febr gefcfemeicbelt fühlte, fo fuhr Qrlat» 
tiefe fort: „GS ift nur, bafe Sb* nicht in allen 
Sfeeilen in Schaben tommt. 9tufeen für Guer 
£erg unb SBanbel nehmt Sb* boefe feinen mit 
aus ber ßirefee. Sarum habe ich gebaut, ich 
wolle Gucb bo<h wenigftenS ein 'fSaar Scfeube er» 
fefeeti, ba Sfer bei Gutem oergeblicfeen $ird)en» 
geben bo<b wobl fefeon manche gerriffen habt." 


Sa 8 Ubrengemicbt. 

9113 fi<h einft 3eraanb bei glattich beflagte, 
bafe ibm immer neues Ureug unb neues Selben 
auferlegt werbe, bemerfte glatttct): „‘Senf, bo 
fean i bo jefeutcb, ber ÜJtenfcfe ift eben mie eine 
Ubr. 2öenn biefe geben foll, fo mufe man ibr 
ein fchwereS ©ewiefet anfeängen. So roitt oft 
aueb baS geiftige Sehen *be§ fÖtenfchen nicht recht 
in ©ang fotninen, bis bem SebenSrabe ba§ riefe» 
tige SeibenSgewicfet angebäitgt ift." 


Ser flüchtige Sträfling. 

Um feiner unfeheinbaren Äleibung mitten 
mürbe glatticfe eines SageS auf ber Strafee in 
SHüncfeingen oon einigen gubrleuten, welche aus 
ber geftung 9l3perg tarnen, für einen aus ben 
bortigen ©efängnijfen entflohenen unb mit Sted» 
briefen oerfolgten Sträfling gehalten unb wohl» 
meinenb ermahnt, fiefe boefe eilenbS weiter gu be» 
geben, ba man ihn überall fu<be. glattccfe er» 
wiberte (äefeelnb: „So ban i bo jefeunb, ich bin 
freilich auch wie mir ade, ein entlaufener Sträf« 
Iing, aber ich gebe, um mich oor ihm gu ftellen, 
ob er mich noch annebmen werbe." 


i bo jefeunb, TOab^en, bas feat nidjtS gu fagen, 
ich nehme bir’S nicht übel, aber wenn bu auch 
oon einem gilben einen SiebeSbienft oerlangft, 
fo mufet bu ihn nicht fefeimpfen, fonft tonnte er 
bir’S abfcfelagen." 

S a S neue 5ß a a r Strümpfe. 

Ginmal tarn ein £>anbwerf8burfcbe in’S -Pfarr» 
bauS in ÜHüncfeingen, unb. flehte glatliefe um 
Strümpfe an. „Gr höbe noch weit beim, feine 
fDtutter wohne noch 2 Stunbcn hinter Gflman» 
gen. Gr fei auf feiner SPanberfcfenft bi« au ben 
Ütbein borgebruugen unb fei jefet wieber auf bem 
Heimwege. Sie güfee nun würben cS wobl noch 
auSbalten, benit fo oft er fie auch wunb gegan» 
gen, feien fie immer wieber geheilt, aber feine 
Strümpfe wollten nicht heilen, unb ba wiffe er 
nidjt, wie er mit biefen gefeen bei feinen weben 
güfeect OolleubS nach 4)nufe tommen folle." Sa 
gebt ber Pfarrer bin unb holt ihm fein befteS 
'■Paar Strümpfe. Gtliche Sage nachher bemertt 
bie Hausfrau, ben Abgang unb fragt: „Sieber 
9J?ann, feaft bu baS neue tßaar Strümpfe aus 
bem haften ba berauSgetban ?" „3fo," fagte er, 
„ich habe fie einem armen fjnnbmertsburfdjen ge» 
fchenft." „Gi," fpriefet bie grau, „warum feaft 
bu ihm benu gerabe beine guten unb niefet lieber 
ein tpaar fchlechte gefchenft?" „So ban i bo 
jefeunb," antwortete f^lattich, „fcfelecfete batte ber 
^anbwertSburfche felber." 

Ohne Schube. 

SSon einem 5tu§gang tarn glatticfe eines 9lbenbS 
ohne Schube, nur in ben Strümpfen naefeftaufe. 
9ltleS ftaunte, unb feine grau fragte gang auf» 
geregt: „Sag’, WaS bat es benn gegeben?" 
Sächelnb antwortete glatticfe: „So fean i bo 
jefeunb. Ser 2Bcg, worauf ich ging, war gang 
totfeig. Stuf einmal fant ich auf einer Seite fo 
tief ein, bafe ber Schub mir fteden blieb, unb 
ba ich ihn trofr aller iftüfee nicht feerauSbringen 
tonnte, fo buchte ich: mein einer Schüfe, ben'icfe 
noch feabe, hilft mir nicht Oiel; brum ift’S baS 
Sefte, iefe giebe ihn auS unb ftetle ifen neben bran. 
So feat ber ginber bann hoch gmei Scfeufee unb 
tann fee brauchen." 


Ser oermeintlicfee !gube. 
glatticfe madfete einmal einen einfamen Spa» 
giergang im gelbe. Sa fiefet ifen ein ÜJJäbcfeen, 
baS eilt Sünbel gcitter gefammelt batte unb 
fonft weit unb breit Wiemanb entbedte, ber ihr 
hätte auffeelfen tonnen, bon ferne unb rief ifem, 
ba fie ifen für einen gilben hielt, gu: „HDtaufdjel, 
feilf mir boefe auf!" glatticfe antwortete: „GS ift 
reefet, iefe will fommeu." 9lber wie erfeferidt fte, 
als er nafee tarn, unb fie entbedt, bafe eS ifer 
Sfarrer ift. Sie entfdfeulbigt fid) unb bittet um 
Sergeifeung; glatticfe aber antwortet: „So fean 


SaS gute 9llmofen. 
glatticfe wollte einmal feinen greunb, tßfarrer 
Staubt in tßflugfelbt, befudfeen unb fragte, im 
Sorfe angetommen, an bem bortigen SBafchbauS 
bie SBäfdfeerinnen nach bem neiefeften 2Peg in’S 
'Pfarrhaus. Siefe gaben ifem 9luSfunft, fefeten 
aber, feiner geringen ffleibung wegen ihn für 
einen Bettler fealtenb, feingu: „?ja, gef)’ Gr nur 
in’S tpfarrfeauS, ba befommt Gr ein gutes 911« 
ncofen." 9tach ber Segrüfeung fagte fflatticb gu 
feinem ffreunbe: „Senf, bo fean i bo jefeunb, t<fe 
feabe gehört, bu gebejl fo gute 9llmofen feer, gieb 


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134 


Bugenboereine. 


mir auch eins." $er Sfarrer ermiberte: „Skr 
bat bir beim baS gefugt?" fjlattid) berfefcte: 
„®eine S3üfd)eriitneii. 3)aS gute 9llmofen fofl 
aber fein, baff mir uns barüber befptechen, maS 
©ott uns armen Bettlern allen fdjon an 911« 
mofen gegeben bat uitb in alle ©migteit geben 
mill." 

3)er 9?ocf nad) §Iatti<hS ® efchmact. 

Skil 3?(attid) immer in fo geringer ßleibung 
einljerging, fo (ub ibn einmal eine angefebene 
fjrau in Stuttgart ein unb erbot ficb, ibnt einen 
neuen, eleganten 9toct jum ©efchenf tnacben ju 
laffen. glättich entgegnete: ,,©r bante tmn fjcr» 
len für folches SBobiroolIen, aber er tonne ben 
atorf nur annebmen, menn er ganj nach feinem 
©efdjinacf gefertigt fei." Stuf bie grage, roaS 
beim fein ©efchmact in biefer $jinficht berlaitge ? 
antmortete er: „2)o tjan i bo jejjunb, menn bie 
mir einen 9tocf aus feinem Stuch unb nach ber 
Stöbe machen laffen roollen, fo müpte er auf 
feber Seite eine grobe $afche hoben, mobon bie 
eine beftänbig mit SechSbäfcnertt, bie anbere mit 
©reibähnern gefüllt märe. $enn menn id) in 
folcb’ febönem iltod getleibet einberginge, fo mür* 
beu bie Settler nicht mehr mit mir jufrieben 
fein, menn ich ihnen bloS einen ganjen ober pal» 
beit Äreujer fdjentte." 

-. •- 


lugeitiwreine. 

{für §a«8 unb §trb non fionifa ©. Kotbtueiler. 

cjrlurih einige Scmerfungen, bie ich fiirjlich 
bötte, tarn icb jur Stnficbt, bnjj noch Siele, 
unb barunter grofse gremtbe ber ^ugeitb 
febr im Shinteln finb in Sejug auf 3»genb« 
bcrcine, über 9lrt unb Skife ber Rührung ber» 
fetben, fomie über ihren Stufen. 

Stief überzeugt bon bem SDÖertb eines root)l= 
georbneten <$riftti<$cn 3ugenböereinS für eine 
©emeinbe, unb miffeitb, roeldje |)ilfe ein foldjer 
Serein merben tann jur inteflettuelleu unb geift» 
lieben StuSbilbunq ber 3ugenb, mage id} eS, 
©tmaS über ben ©egenftanb ju fagen. 

©S mar mein Sorred)t, etmaS mehr benn ein 
3ahr ©lieb eines fofdjeit SereinS in einer unfe» 
rer ©emeinben ju fein, unb and) mit ber frühe» 
ren ©efebiebte unb bem llrfprung biefeS SereinS 
betannt ju merben; icb hotte fomit ©elegenljeit, 
bie Siebt» unb Schattenfeiten tenuen ju lernen. 

3um Slnfang ift natürlich ein 91 n f ü b r e r, 
ober tonnte man fagen, ein 91 n r e g e r nötbig, 
um bie Uebrigen für bie Sache ju intereffiren. 
3fn ben meiften Stillen roirb bieS ber Seiger 
fein müffen. Sknn auch bie ©lieöerjabl ju 9ln» 


fang tlein ift, fo braucht besmegen ber *Dlut| 
nicht ju finfen, Slnbere merben mit ber3eit auch 
angejogen merben. 3ft ber ißvebiger auch 2ln» 
führet ober Slnreger geroefen, fo braucht er nicht 
Sorfifcer ober Sräfibent ju merben. ©in tbätigeS 
©lieb foüte er fein, unb menn möglich, in feiner 
Serfamtnlung fehlen. 6r ift oftmals bie befte 
Serfon für baS 9lmt bes ßritiferS. @r tann, 
mo er eS nötbig finbet, ben Seamten mit 9tatb 
helfen, ohne jeboct) als eigenfinnig ober atlju 
biftatorifcb ju erfcheinen. 

Unfer Serein berfamntelte fieh möchentlich; bie 
erfte Serfammlung beS StonatS mar ©efdfäftS» 
oerfammlung, bie übrigen roaren literarifchen 
9lrbeiteu unb ©efängen gemibmet. 3«be Ser» 
fammlung mürbe nom Sorfiper mit ©efatig unb 
©ebet eröffnet. $er Setretär führte ein ge» 
naueS Si'otofoll bon jeber Serfammlung, hielt 
auch ein ausführliches SÜegifter über ben Sefuth» 
bie gefovberte unb bie gelieferte Slrbeit, fomie 
über 3oblung beS monatlichen SeitragS, ber, ba 
mir ein Jtlafjjimmer in ber iJirche gebrauchten, 
unb unfere 9luSgaben gering maren, bloS auf 
5 Gents per ©lieb gefetjt mar. 

©in bom S r äfibenteu ernanntes literarifdjeS 
©omite hotte bie 9trt ber Arbeiten unb bie ©lie» 
ber, bie fie ju bringen hatten, ju beftimnten, nnb 
liiupte in ber ©cfchäftsberfammlung berichten 
für ben fommenben Stonot. Skr Setretär hotte 
bann bie Setreffenben ‘jeitig ju benodjrichtigcn. 
Statürlicb bürfen bie gorberungen, befonberS ju» 
erft, nicht atlju hoch geftellt merben. 

Skr feinen 9lnffap ober Sortrag liefern tann, 
mirb millig fein ju beflamiren, ober auch etmaS 
SnffeitbeS aus einem Suche ober einer 3eilf<hrift 
borjulefen, maS einem grojjen 2heil nuferer 
beutfd)=ameritan ifchen Sugenb fchon ferner genug 
erfcheinen mag. 9luSjüge aus Sklt» ober ff ircheit» 
gefdgdjte ju machen, mag Stanchem nicht fo 
fchmer fallen, als felbftftäubig einen Stuffah ju 
fchrciben, unb hat ben fWu^en, bafe eS jum 
Stubium anregt unb 3ntereffe an ber ©cfdjichte 
ermedt, befonberS menn fich bie in biefeu 9luS= 
jiigen befprochenen 3eiten, SBoche nach S?o<he 
an einnnber anföhliepen. |>ier fei beincrft, ba^ 
eS fehr münfdhenSmerth ift, einige gute gefehlt» 
liehe, fomie anbere S33erfe anjufchaffeit unb fo 
ben ©runb ju einer SereinSbibliottjef ju legen. 

3 ft hie unb ba bas Srogtamm nicht genügcitb, 
um ben 9lbenb nuSjufüllen, fo ift eS nid^t un» 
fchidlid), jtoei ober mehr ©lieber aufjurtifen, um 
eine freie Unterrebung ju holten über irgenb 
etmaS, gerabe, als hätten fie einanber jufäüig 
getroffen. $ieS ift oftmals amüfont unb ju 
gleicher 3eit fehr bienlich jur Serbefferung ber 
fo häufig oortommenben Sprachfehler. So'tarnt 
auf intereffante unb boch nüfclidge Söeife ber Ser» 
ein geführt merben. 

Siler es noch nie mit angefeljen, mürbe taum 


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135 


faß mid) frUße tjäceti beine tfnabe. 



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136 


Ufriha. 


glauben, radier fjorifd^ritt gemacht werben 
tann, auch wenn bic Steibe nur alle 4—6 Sßocben 
an jebeS ©lieb fommt. 3<b b‘i&e fchon gefeben, 
bab folcße, bie nicht Teutfrf) fcbreibeit tonnten, 
mit englifdjen Sucbftabeit fchrieben. Slnbere, 
beneit baS Teutfche febr fchwer mar, fchrieben 
erft in ©ngliid) unb überfeßteit bann in baS 
Teutfche. ©olcße, bie man guerft faurn bewegen 
tonnte etmaS üorgulefen, faßten halb SJtutb etwas 
ju fcbreiben. 

Toch abgefeben bom intefleftuellen SBertl) ber 
Vereine, finb fie nicht obue anbereit Stußen. Tie 
3(ugenb will unb wirb Unterhaltung hoben, 
ginbet fie biefelbe nicht in ber SJiiche, fo 
fuebt unb finbet fie biefelbe in ber SB e 11. 

Beiher gu Siele finb auf biefe Steife fchon ber 
ftirdbe oerloren gegangen. 3n biefen Sereineu 
wirb bie ^ugenb mehr mit einanber betannt 
unb wirb fefter als ®angeS oerbuuben, als bieg 
burch anbere bloS gefeüige 3uftmwenfünfte gc» 
fchiebt, bie oftmals mehr Unheil als oegen mit 
jtdb bringen. 

Turch ein wenig SJtiibe unb ©elbftDerläug» 
nung tonnten in febr Di/len ©emeinbcit folcbe 
©ereilte gegriinbet werben, bnreb bie mancher 
Süitgling unb manche Sfungfrau angeregt wer» 
ben möchte, ihre SJtußcftunbeit beffer gu Der» 
mertben, als es bisher gefaben ift. 



ö3lftih«.BS 

gfir ©an« nnb ©erb bou 3 . ©. ®djaal. 


ein SEbeit unferer ©rbe b«t in ben 
(eßten ^abrgebnteu bie Slufmerf* 
famteit ber wifjenfcbaftlichen gor» 
fchung mehr in Sufpruch genom» 
men, als Slfrifa. Unb obgleich 
gerabe in biefem Stelttbeil fid) ber 
©erb ber menfehlicben Kultur finbet, welcher fei» 
ner 3eit einen unberechenbaren ©ittflub auf bie 
©ioilifation SIftenS unb (SctropaS auäübte, fo 
blieb biefeS mertwiirbige Sanb hoch bis auf bie 
leßten 2(abrgebnte noch ein DerfiegelteS Such für 
bie Stelt. Tiefes ift um fo auffatlenber, ba 
bodj bie weifefteit SJtänner ©riedjenlanbS lange 
Dor ßbrifii ©ebuvt Steifen burch ©gppten unb 
anbere Streite SlfrifaS machten, um ihren ©eifi 
burch bie hier befannten ©chäße beS StiffeiiS gu 
bereichern. 

©erobot, ber Sater ber ©ef<bi<hte, welcher 484 
Dor ©brifti geboren würbe, ©at fchon eine febr 
umfoffenbe Scftbreibung eines groben 2heile? 
Dom nörbtichen Slfrifa binterlaffen, welche fich 
bis auf nnfere 3eit als febr guoerläffig erwiefen 
bat. (Srft burch bie Tbätigfeit ber SJtiffionen, 


welche in nähere Serbinbung gu ben in biefem 
merfmürbigen ©rbtbeil lebenben Söltern traten, 
unb namentlich burch bie Steifen SiüingftoneS 
würbe baS ^ntereffe ber wiffenfcbaftlicheii Stelt 
für eine genauere Stenn tnißSlfrifaS machgerufen. 
Slber fo grob waren biefe Unternehmungen unb 
bie Opferwilligfeit für biefen 3wedf, baß im 
leßten 3obrgeb>U faft fo Diel geleiftet mürbe für 
baS beffere Serftäubniß beS inneren SlfrifaS, als 
Wcibreub ber Dorbergegangenen gehn 3at)r» 
bunberte. 

Slfrifa ift ca. 3t Stal fo grob wie Europa, 
unb enthält £ alles geftlanbeS ber gangen ©rbe. 
StaS bie pbbfifaliftbe ©eftaltung biefeS Stelt» 
tbeileS betrifft, fo fteßt biefelbe, beibeS ber intie» 
ren (Srfcheinung wie bem äußeren Umfange nach, 
grobartig auf biefer @rbe ba. Sebenfeit mir, 
baß biefer ßrbförper ber Sänge unb Sreite nach 
ca. 5000 englifdje Stteilen mißt, fo finb wir hier 
in unterem weiten Slmerifa faum im ©tanbe, 
uns bierDon einen ridjtigen Segriff gu machen, 
eS fei beim, mir bellen, nach einem Sortrage 
Don SteD. 3- O. StteanS, einen Sergleicb mit 
unferem eigenen Sanbe an. 5000englif<heS)tei* 
len finb gleich einer fiinie, bie wir Dom ©olutn« 
bia=gluß über unfern Kontinent nnb über ben 
Ccean bin bis an bie Stufte Urlaub gieben. U 11 S 
will nufer liebes Slnterifa oft faft unermeßlich 
erfcheinen. Slber bie Stiifte ©obara ift allein 
gröber als bie Sereinigtcn Staaten öftlicb Don 
ben gelfengebirgen finb, nnb gebnmal fo grob 
als Teutfcblanb. Slfrifa wirb mit Stecht ber 
beibefte Stelttbeil genannt, ba bie ©onnenlinie 
benfelben faft in gtoei gleichmäßige SEljeile, einen 
nörblicben unb fiiblicfjen, febeibet. Sier fünftel 
beS ©äugen liegen im tropifchen Stlima. Tie 
beibefte ©egenb b^finbet fich jeboch nörblic© Dom 
Slequator in Stnbien, wo bie @rbe nach ©cb' 
©rbtnnbe „geuer unb ber SBinb eine glamme 
ift." Sebod) troß ber im ©angen genommen 
hoben Temperatur SlfrifaS wirb biefe große 
©iße burch eine giinftige Sobengeftaltung, bie 
3nbl unb ©röbe feiner ©ce’n unb gliiffe febr 
neutralifirt, was befonberS Don ber füblicßen 
©älfte gilt. Tier Soben erbebt fich burchfchnitt» 
lieh etwa 1500 gub über bem Steeresfpiegel. 
Unmittelbar auf ber ©onnenlinie befinbet fich 
ein Serg, fo hoch alS^ber ©tont Slanc, beffen 
©ipfel mit ewigem ©chnee bebeeft ift. Stebft 
biefem b«t Slfrita noch anbere Serge Don faft 
eben fo grober ©öbe als biefer, welche nicht 
wenig gur Slbtüblung ber fengenben ©oitnen» 
ftrablen beitragen. Ter @ee Uferewe (Sictoria 
Stpanfa) ift gröber als ber ©taat Stern $orf, 
unb liegt 3800 gub über bem SJteer. Ter ge* 
ringfieber afrifanifchen ©aupfTiiffe, ber 3ambefi, 
fommt unferem gefeierten SJtiffiffippi gleich. 
Stach ©tanlep bot ber ©ongo aÜein 4000 Stet« 
(eit fchiffbareS SBaffer. 


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Afrika. 


137 


Der Wiger, welcher etwa 200 englifche 5JJeilen 
Don ber atlantifchen Küfte im ©ebirge entfpringt, 
piept faP über einen fo großen gliidjenraum 
bin als ber ©ongo. Unb wem ift ber Wil, an 
bem WtofeS gejtanben unb ber boit ben alten 
©gpptern göttlich oerebrt würbe, bem s J(umen 
nach nicht befannt? Diefer betanntefte aller 
ölüffe, beffen Urfprung in Dunfel unb ©age 
gebullt blieb bis auf unfere 3eit, foll allein 
eine Sänge haben, welche bem elften SL^eile un= 
fereS ©rbumfnngeS gleich fommt. 

Diefer große Uöafferreichthum WfrifaS fhiißt 
feinen ©oben oor Wusbörrung, unb Perleibt bem« 
felben nebenbei eine außerorbentlihe fruchtbar* 
feit. Webft nuferen befannten 'Gerealieit — 
ffiaigen, Hafer, ©erfte gebeifjen hier WtaiS, 
Kartoffel, Weis unb faft alle flüchte ber anberen 
©rbtbeile, nebft oielen WahrungSmitteln,. bie 
nur hier einfjeimifch finb. fjiir bie ^abrifation 
unb ben £anbel liefert Wfrifa Dabacf, ©aurn« 
mode, ^>anf, Äaffee, 3«cfer, 3nbigo, ©Ifenbein, 
Straußenfebern unb noh manche anbere wichtige 
HanbelSartifel. Die ©traußengucht unb ber 
Hanbel mit Elfenbein werben riefenartig betrie* 
ben, nnb werfen enorme ©ewinne ab. 

Die Dhiermelt biefeS ©MinberlanbeS hat für 
ben Waturforfher einen 3auber, wie bie feines 
anberen SBelttheileS. Wn Wtajeftät unb 3 a hl 
pebt fie einzig in ber SBelt ba. 

Hier hot ber Wiefe ©lephant, ber alljährlich 
bem ©Ifenheinhänbler taufcnbe bon Opfern lie= 
fert, feine ßeimath- Hier fchreitet ber König 
Söroe, als gürft beS ©hrecfenS, majeftatifch 
burch 2Balb unbDicficht bin, ohne bou©iraffen, 
@nus, 3ebraS, OuaggaS, Antilopen, ©tein« 
böcfen, Wffen, £>t)änen unb Seoparbeu gu reben. 
©benfo burchlauft ber Wiefenbogel Strauß hier 
wie im fjluge bie SBüften unb ©benen biefeS 
ffiunberlanbeS. Kurg, hi« erfcheint bie Watur 
in ihrer ©eftaltung unb mit ihren ©rgeugniffen 
überall inajeftätifch unb ftaunenerregeitb in ihrer 
(BrÖße unb Wtannigfaltigfeit. 

Die Sebölferung WfrifaS ift, obwohl bon fehr 
ungleicher Dichtigfeit, in golge ber giofjeit SßJitfte, 
beiinoch faft unglaublich groß. Ungefähr ber 
fedjste Dheil ber gefammten ©eelengaljl unferer 
©rbe foflen hi« wohnen; unb gwar an manchen 
Stellen fo bicht, baff auf eine beutfdje Ouabrat» 
meile 10,000 ©inwohner fommen. 

Der 9lfrifa«Weifenbe wirb nicht bloS am ®e« 
jfabe beS mitteflänbifchen WieereS, fonbern felbfl 
im Innern biefeS SBelttheilS bon großen unb 
blühenben ©tobten begrüßt, welche oft 150,000 
bis 200,000 ©inwohner gählen. 

Wach ben ^Berichten SBinwoob Weabe’S, welker 
|u berfchiebenen Wlalen mehrere 3aljre an ber 
SBeftfiifte WfrifoS wohnhaft war, fann man, 
bie große ÜBüfte ausgenommen, bon ©ierra 
Seonie bis nach Dunis reifen unb ieben Wbenb 


in einem Dorfe ober einer ©tabt übernachten; 
unb in ben größeren ©täbten fogar HanbelS« 
leute finbeit, welche im ©taube finb gu irgenb 
einer 3?it, gegen gute ©ürgfchaft, $150,000 in 
baarein ©elbe gu leihen. 

fco mannigfaltig wie bie Watur, finb auch 
bie ©ölferfc&uften, welche biefen ©rbtheil bcwofj» 
nett, an äußerer ©rfheiitung, ©prache unb ©ul« 
tur. ©o wenig ber schotte ein Dürfe, troß ber 
Wehitlichfeit ber Hautfarbe, ebettfo wenig ift 
jeber Wftifaiter ein Weger. ©S leben fogar 
©öfter im nötblicheit Wfrifa, welche bon ©ach* 
berftäitbigen gur weißen Waffe gegäßlt werben. 

Wach ©ierer werben bie ©oller WfrifaS in 
Hottentotten, Sufchmänner, Weger, Hamiten 
unb Semiten eingetheilt. Die Hottentotten, 
bereu Warne ©totterer bebeutet, unb bie ©ufh* 
männer, beren WamenSurfprung noch in Dunfel 
gehüllt ift, bilben gufamnten eine Wtenfchenraffe, 
bie in Horben gerftreut im ©aplaub wohnt, ©ie 
finb bon ofergelber ffarbe, Heiner ©tatur unb 
haben einen längeren Kopf als bie Weger. 

Die Weger Wohnen bom ©übvaubc ber ©a= 
hara bis gu bem ©ebicte ber Hottentotten unb 
©ufchmänner, bom Wtlantifchen bis gunt 3nbi» 
fcheti Ccean. Die Hautfarbe burchläuft alle 
©chattirungen bon ©benljolgfhwärge bis gur 
heUen WJulattenfarbe. ©arth foll fogar fupfer« 
rotfje Weger gefehen haben, ©ine eigene Slbtijei« 
lung ber Weger bilben bie Koffern in ©iibafrifa, 
welche an Körperbau unb 3ntelligeng unfere 
hier wohneuben Weger weit über treffen. Sibing« 
ftone Wollte fie in biefer H'uf'eht fogar ber 
geegraphifchen ©efeüfdjoft ©ritanieuS gleich» 
ftelleit. 

Die Hamiten bewohnen baS nörbliche Wfrifa 
bis gum ©üben, unb bie Küftenlänber nörblich 
bom Wequator. ©ie werben in brei Hnnptgweige 
gegliebert: ©erber, ©gqpter unbOftafrifaner. 

Die ©emiteu, welche ben öftlicben Dheil bon 
Wfrifa bewohnen, unterfcheiben fich bon ben 
Hamiten burch reicheren ©artmuchS, fchmalefiip« 
pen, fcharf gegeichnete ©rauen, meift gebogene 
Wafe unb einer boit leichtem Dunfel bis tief« 
braunen Hautfarbe, ©ie tarnen meiftenS aus 
Wrabien herüber unb bilbeten hier im abeffini« 
fchen Hoehtanbe ein fefteS Weich. 

©Me man in Wfrifa ©ölfer trifft, welche för« 
perlich unb geiftig ebenbürtig mit ben bollfom» 
menften unb gebilbetften ©ewohneru ber ©rbe 
baftehen, fo trifft man auch mieber anbere an, 
welche ber untersten ©tnfe angehören, unb unter 
biefen follen fich iogar ein ©efchlecht bon 3*oerqeti 
unb WlbinoS, b. h- lichtfcheue Wleuf^en bon im« 
natürlicher fjarbe mit röthlichen Wugeti fiuben. 

Seiber finb bie bürgerlichen unb gefellfchaft« 
liehen ©erfjältniffe WfrifaS, wenige Ausnahmen 
abgerechnet, berart, baß fie baS chriftliche ©e« 
müth mit ©djauber erfüllen. Deffenungeachtet 


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138 


Afrika. 


hüben felbfl biefe ein Ijödjft intereffanteS ©tu» 
bium mit fetjr praftifc^cn Aefultaten für baS 
©hriftentljum unb ben WiffionSeifer ber ftirctje. 
2üo jebodß bie 3uftünbe beffer flehen, ba mürben 
biefelben burch ben ©influß beS 6tjriftentfjum§ 
unb ber WiffionSthätigfeit ber Äirct»e ginn Seffe» 
ren um» unb neugeflaltet. ©o fleht g. SB. bie 
©übfpiße AfrifaS, melcpeS ungefähr um biefelbe 
Seit, mie Amerifa colonifirt mürbe, auf gleicher 
©tufe ber Gioilifation ber SBölter ©uropaS unb 
AmerifaS. Oer 3teifenbe finbet bafelbft Shinft, 
Siteratur unb SPiffenfchaft mie in feiner §ei» 
matl) Der treten. Unb burch ben H°nbel unb 
Serfeßr mit cioilifirten SBölfern mürben manche 
anbere ipeile AfrifaS, raenigftenS in einen halb» 
cioitifirten 3uftanb umgemanbelt. 

Jebocp, troft allebem, mirft baS ^>eibentbum 
mit feinem Aberglauben unb feinen blutigen 
©reuelfcenen noch immer einen tiefen ©Ratten 
auf biefeS mastige Sanb; unb gmar in einem 
fotctjeu- '•JJiaBe, baß Afrifa, troß feiner Sauber» 
maffe, feinen pbpfifalifdjen Sortheilen, feinem 
Aeicbtfjuin unb feiner gahllofen Seoölferung, 
faft gar feinen ©influß auf bie übrige SJBelt in 
unferer 3?ü anSiibt. 5Bie ein giftiger Wehl* 
tßau bat boffelbe bisher bie fcpönften Hoffnungen 
biefeS füßnen SöelttheilS gebleicht unb oernichtet. 

Ju ben Oheilen, in melden fiep noch bie Ur» 
guflanbe beS Heibentbum^ oorfinben, bat baS 
meufchliche Seben faftißh gar feinen iiöertb; 
biefeö ift befonberS an ben Höfen ber Könige 
unb Springen ber Stall, rnelcpe nicht bloS bei ihrem 
SBegräbniffe, fonbern fogar bei fürftlichem ©in» 
pfauge ©tröme menfchlichen SlnteS fliegen laf» 
fen. Sei’m Oobe eines Sfiirften merben oft 
Oußenbe föniglicber grauen unb Jungfrauen 
lebenbig begraben, unb über benfelbeit ©flauen 
mie ©djlaibtoieb hüigemorbet. 

Oie Wenfcbenfrefjerei hfrrfdjte fdjon in man» 
eben Obeilen in folcbem ©rabc, baß man noch 
im Jahre 1859 Wenfdjenfleifcb öffentlich auf 
Wärtten feit bot. Unb noch heute ift fie im 
Jnneren beS SanbeS hertfehenb. 

AIS ©tanlep ben ©ongo hinabfuhr, traf er 
mehrere Wale auf ßanibalen, melche feiner 
Wanufcbaft beftäubig auflauerten, fie mit Kriegs» 
hörnern, ©peeren unb '-Pfeilen begrüßten, unb 
ihnen mit beiBbungernber Segier guriefen: 
„ jleifcf) rnoflcn mir, euer Jdeifd), mir merben 
heute Jfleifih in Wenge haben." (Sin frangö» 
fifiher Wiffionär, melcher 5 Jahre unter ben 
SofutoS mirfte, unb mährenb biefer 3eit üiele 
Höhlen befitcf)te, fanb in manchen berfelbcn, 
roclihe als Steftorte bienten, ©chäbel, ©diulter» 
fnoiben unb Wenfcßenfleifcb aufgehäuft, bis bafs 
baS Slut alte Aijjen unb Soren beS ©efteinS er» 
füllte, mit melden es in SBeriihrung fam. 

SPielroeiberei ift ein Hauptcbaraftergug beS 
häuslichen Sehens, rneun man überhaupt an 


manchen Orten noch bon einem häuslichen Sehen 
reben barf, ba mancher aftifanifche ftraal eher 
mit einem SPiehftaü als mit einem HauS ter« 
glichen merben muß. Jeber Wann befißt, me» 
nige rühmliche Ausnahmen abgerechnet, fo oiele 
Söeiber, als er eben nur im ©taube ift gu er» 
halten; bie lauft unb Oerfauft er, mie ber Sieh* 
gücpter fein Sieh. JebeS 2Beib ift eine ©llaoin 
unb jebe ©flaüin ein Sßeib beS AfrifanerS ohne 
aüe Berechtigung. ©ammerou fließ mährenb 
feiner Steifen fogar auf einen Ort, an meinem 
bie Sielmeiberei einen folcheit fibeußlicbeu ©ha* 
rafter angenommen hatte, baß ein Äönig San» 
ten, ©oufinen, Stickten unb felbft feine eigenen 
Söchter in feinem Harem hielt. 

9tä<hft ber Bielmeiberei berrfeffle bie ©flaoerei 
hier immer in fehreefenerregenber SBeife. Alles, 
maS mir je in unferem Sanbe oon biefer Änedj» 
tung oon Wenfchen gehört, hält feinen Sergleich 
mit ber ©raufamfeit beS ©flaoenbaubelS im 
Jnnern AfrifaS aus. ©Itern oertaufen ihre 
Wiuber oft mit ebenfo roenig ©efühl, als ber 
Sauer feine ©djmeine. Unb bie ©tlaoenhänbler 
treiben bie armen ©Haben gufammen unb burch 
baS Jnnere beS SanbeS mit einer ©raufamfeit, 
mie fie fein Äubtreiber AmerifaS im ©taube ifl, 
gu thun. Sioingflone fah gange Seihen berfel¬ 
bcn burch Aflgobeln an einanber gehaft, in H>m» 
ger unb Ourfl, burch baS Jnnere beS SanbeS 
treiben, unb menn fie ermattet hingefunfeu, ohne 
alles ©efiihl mie ein ©tücf Sieh erbosen ober 
einfam oerenben. 

OaS ©chlimmfle Oon Allem ifl, baß auch hi« 
mie unter allen beibnifchen Sölfern bereits alle 
biefe ©reuel unter ©<huß unb ber '-Pflege ber 
Abgötterei flehen. Oer '-Priefter unb SBefctjmörer 
übt einen unumfehränften ©influß auf bas Seben 
unb alle bürgerlichen unb focialen Sevhältuiffe 
aus, unb biefe beberrföl er nach bem AJillen beS 
dürften ber Jinflerniß, in beffen Oienfte baS 
Heibenthum fleht. 

Oie chrifllicße Wiffion finbet hi« ein großes 
unb michtigeS 3?elb gur Arbeit. Unb tröf» ber 
Unfeuntniß beS SanbeS unb anbern ©chmieiig* 
feiten hat fie aflbereitS fdjon ©roßeS geleiflet. 
©ange Söffer beS füblidjen AfrifaS unb anbere 
Äiiflenberoohner, melche noch bor meitigen Jahr« 
gehnten Wenfchenfreffer roaren, finb hfute Ser» 
ehrer beS Strenges unb beiniithige Ghviflen ge« 
morben. SiS in baS erfl burcl) Sioingflone unb 
©tanlep entbeefte H«S biefeS geheimnißoollen 
SanbeS hat man in ben leßteit Jahren baS pa¬ 
nier beS SfreugeS hineingetragen unb erfolgreich 
aufgepftangt. Unb mie auf ber einen ©eite 
alle roirflicheu fjortfehritte gur ©rforfchung unb 
ßibilifirung AfrifaS Oon ber unermiiblidjen 
Ohätigfeit ber Wiffion abhängig mareu, fo mirb 
auch feine mahre 3i>tunft oon ihr abhängig 
bleiben. SBenit aber Afrifa erfl beS Herrn ift. 


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Purdj jSrtungrn jur üaljrljfit. 


139 


bann wirb biefer SBetttheil aud) JU einer foldjen 
Stellung in ber SDßelt peraiiflereift fein, roelcfje 
nicht mehr doii ber cioüifirten SSBelt ignorirt 
Werben tonn, fonbern eine 9Jiacf)t biiben, mit 
ber afle übrigen Nationen unb SBölfern ju red}* 
neu fabelt, „©üter, ifl bie 92adi)t fcf)ier pin!" 


Purdj Irruugctt jur pfnljrljeit 

&iu betttfch-auterißanifches ^famitienbitb 
aus bet Gegenwart. 

Sir Han« nub § erb bou 3. 3. Stegmer. 


X. 

S /^j^onate finb roieber babin gefChroun* 
\#/l. tien - ®' e ^tuffinDunfl 9MpS, 
Jvl>IB '& r unb i()r (Sterbebette 

batten in ben befreunbeten 3 a* 
milien einen tiefen Sinbruc! ge* 
macht. 9lellpS Suter ging ftill 
feinen ©efdjäften nach, bodj mar er bei 2 eh= 
inannS beinahe ein täglicher ©aft. $er innige 
täntßeil, ben fie an feinem Ungliide nahmen, 
bcfonberS aber ber ©iiifluß, ben fie auf feine 
ungliitflidje Jochter auSgeübt hatten, rooburdj 
ihr Sterbebette no<b ein fo frieblidjeS unb ge* 
fegneteS gemorben mar, hatte ihn mit unauflöS» 
liehen Siinben au fie gefeffelt. 9lber fein ©e» 
fdjäft mar ihm entleibet unb es mar fein fefter 
©utfchluß, baffelbe fobalb als thunlid) ju Dev» 
taufen unb üorldufig auf Steifen ju gehen. 353aS 
bann weiter mit ihm werben foflte, baS fie Ute er 
in ©otteS ©anb; beim an fRelltjS Sterbebette 
hatte er gleichfalls bie Stichtigfeit afler ©üter 
biefer @rbe feinten gelernt unb fein mißliches 
Suchen hatte ihn burdj ©otteS ©nabe gum giiicf* 
liehen giuber ber ^|3crle Don großem Siertbe 
gemacht. Seine geheime Hoffnung ging bahin, 
halb mit feinen lieben Soraitgegangenen roieber 
Dereinigt ju werben. Unb mer feinen mitben 
Slicf unb feine jerfaüene ©eftalt betrachtete, 
tonnte fuh allerbiitgS bes ©ebanfenS nicht er« 
mehren, baß feine Sage auf Erben gejählt fein 
mochten. 

©err Sehmann wohnte regelmäßig bem ©ot= 
tesbienfte in ber .ffirdje bei unb nahm an allen 
Sorgäitgen in ber ©emeinbe lebhaften Sntheil. 
Oiifel .©errmanu begleitete fie oft bahin, ober 
er ftellte fich mit feiner ganzen fjamilie bafelbft 
ein. ©außS Serfchminbeu nagte unabläffig au 
feinem ©erjen. „SBenn ich nur roenigftenS 
müßte, waS auS ihm geworben ifb?" fprach er 
oft, „aber fo fanit ich feine 3t»he finbeit. O, 
es ift faxt, ein ilinb auf foldhe SÖeife ju Der* 


lieren, unb boppelt h«tt, fi<h felbft fagen ju 
miiffen, bu haft eS felbft auf ben Sfab beS Ser* 
berbenS augeleitet!" 

QaS ©au§ bergfamilie SebmnnnS mürbe mehr 
unb mehr ber Wittelpunft einer ernft gefilmten, 
unb hoch freubig geftimmten, cßriftliebeu ©efell* 
fd)nft. 2 ln ben Sonntag fRaehmittagen unb oft 
auch an ben SBodjennbenben fammelteit fich bie 
3 ?reunbe im großen '-ßarlor. Sieblicß ertönten 
bei’rn fflauge beS '-Pianos bie füfjen 3ionSlieber; 
Erfahrungen aus bem chriftlichen Seben, inter« 
effante Seftüre, chriftlidje unb meitfchenfreiiiib* 
liehe Unternehmungen boten eine unerfchöpfliche 
Quelle chviftlicher Unterhaltung unb manches 
2ßert ber Siebe ging Don biefem ftreife aus, 
manche mißliche Einrichtung unb manches ge* 
fegnete Unternehmen faub hier feine elfte 9lu* 
reguitg. QaS IRäthfel, bes ScbenS 3reubeu unb 
Snnehmlichfeiten in wahrhaft djriftlidjer ©efel* 
ligfeit ju genießen, fanb hier feine’Söfung. 

9Rit Eoufin Johannes pflegte Wina einen 
intereffanten Sriefmechfel, beffen Inhalt ©e* 
meingut ber ganzen Familie bilbete unb oft ju 
ben intereffanteften ©efprächen Seraulaffung 
gab. ©arrtj’S Sdjidfal mar es einzig, bas im* 
mer unb immer roieber wie eine bunfle SBolfe 
über ber gamilie feproebte. $>od) auch biefeS 
IRäthfel fällte noch gelöst werben, freilich in 
einer Söeife, welche bie fchrerfliChften Sefürd)* 
tuiigen ber Familie beftätigten. 

Eines WorgenS roar ©err Sehinann nach bem 
Sriihftücfe eben mit ber Settüre ber angefomme* 
neu 'JRorgeuseitung befchäftigt, als er plößlich 
mit einem SuSrnfe beS SchrecfenS Don feinem 
Siße auffprang unb offenbar auf’s ©ödjfte er» 
regt baS 3immer burcßfCßritt. 

„9SaS ift’S ? 2öaS hat es gegeben, Sater ?" 
tönte eS Don allen Seiten. 

„ 3 dj glaube, mir haben hie* bie fo lange ge» 
fuebte Spur Don ©arrt)!" antwortete er. „Ob 
Dufcl ©errmann biefeS roohl fCßon gelefeu hat ? 
— O, eS ift fChrecflich!" » 

9llle brängten fich herbei, um DlähereS jn er» 
fahren, fo baß©errSehmaun fich geuöthigt fah» 
folgenben Söeric^t Dorjulcfen : 

,,')ln ben Ufern doii Song 3slaub, etliche 5Rei» 
len oberhalb bem Qorfe 5lftoria finb bie Ueber* 
bleibfel eines menfChlichen Körpers aufgefunben 
worben, unb baS unter Umftänben, welche eS 
beinahe außer 3 meifel erfcheincn laffen, baß hier 
unter bem Schleier eines aufebeinenb unburch* 
briuglichen ©eheimniffeS ein gtaufiger Worb 
üerborgen liegt. S)ie Guitbedung mürbe in fol* 
genber 2l3eife gemacht: 3mei in ?l|toria lebeitbe 
Sörüber, Don 33eruf f^ifcher, hatten fich leßten 
Qonnerftag mit einem fleineit 92uberboote auf* 
gemacht, um bem Straube entlang nach 2 reib* 
hol} ja fucheu. Welches nach einem Sturme unb 
311 geroiffeti 3 c>ten ber Srluth reichlich an ben 


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140 


Purd) Srrungen ;ut Paljrljrit. 


©tranb geroorfen toirb. Sähe ber fogenannten 
Soroerß»©ai ftieg ber eine ber ©rüber an’S fianb 
utib ging langfam bem ©tranbe entlang unb 
las ba» heruinliegenbe £oU jufaminen. Oie ©ai 
macht ^ier einen Meinen (Sinfchnitt unb bie öft= 
liehe ©renje bitbet ein ©tüd ©tarfchlanb, baS 
eingejaunt ift. Oer anbere ©ruber ruberte eine 
turje ©trede hinter bem erfteren am Ufer hin, 
als er an biefer ©teile ein ©tüd £>0(3, roie bon 
einer Stifte tjerrührenb* gerabe über bie 2 Bajfer« 
linie heroorragen fab- Oa3 Ufer roar ^ier circa 
6 3 fujj hoch- (Sr machte feinen ©ruber auf baS 
&0I3 aufmerffam; biefer tarn herbei unb riß eS 
loS. Oann fagte er, eS freute baffeibe bon einer 
langen Stifte fjerjurüljren. ©ei näherer Unter» 
fucfjiing fanb er, baß bie Stifte (StroaS enthalten 
muffe, allein Schlamm unb $otfj ^inberteit iljn, 
ben ©harofter ihre» ^nljaltä ju erfennen. Oie 
©rüber bereinigten ficf) nun jur Unterfuchung 
ber ©eiche. Oer (Sine ftieß 311 biefem 3 wede 
ein Suber in bie Stifte unb als er baffeibe ju» 
rüctjog, tarn ein langer Stnod)en 311m ©orfchein, 
ber augenfcheinlich bon einem mettfdhlichen $ör« 
per herrühren mußte. 

„%h," rief er, „baS ift ja bon einer Seiche." 
Oorf) tboöten fie bie ©ad)e noch näher unter, 
fliehen unb riefen einen anbern ©lamt her» 
bei, ber in ber Sähe mit einem fleinen ©oote 
fifdjte. Oerfelbe befaß an einer langen ©lange 
ein ©dljöpfneß. (Sr fließ biefelbe glei< 3 $fa(Iä in bie 
geheiinnißoolle Stifte unb roieber erfdjienen bie 
graufigen Ueberrefte eines inenf^lidhett UörperS. 

Oie brei ©tänner begaben fich nun fogieich 
nach Sftoria, um bon ihrem fdjredlichen Süinbe 
Snjeige 311 machen unb bie ©olijei machte fich 
auf, um bon ber Stifte ©eftß 311 nehmen. OaS 
ging inbeffen nicht fo leicht. (SS fanb fich, baß 
bie Stifte 3ur ffluthseit fich unter Sßaffer befanb. 
Oa.iu mar Re 6 fjuß tief, eingegtaben unb über» 
bie» mit Steinen unb ffeisftüden befchroert. 
3mei ©ial unterbrach bie heranbriitgenbe ffluth 
bie SuSgrabnngSarbeiten unb erft bei’m britten 
©teile gelang es, bie Stifte, bie babei in ©tücfe 
ging, bem Saitbe 311 entheben. Stuf bem Süden 
liegenb fanben fich bie Ueberrefte eines ©tanneS, 
ber nahesu 6 fjuß hoch unb non fräftiger ©eftalt 
getoefen fein muffte. Oie fjleifchtheile roaren 
größtenteils bereits oerroeSt unb menig mehr, 
als bie nadten, mit Schlamm bebedten ©ebeine 
übrig geblieben, ©in fiodj im hintern Ofjeile 
beS ©chäbelS, offenbar öon einer Stugel herrüh» 
renb, machte es roahrf<heinli<h, baß ber ©erftor» 
bene auf geroaltfame SfBeife 3U feinem Oobe ge» 
foinmen mar. Ueber bie ©erfönlidhfeit beS (Sr» 
morbeten unb bie Stüter beS muthmaßlichen 
©torbeS enthielt bie ftifte feine ©pur. Oocf) 
bei einer näheren Unterfuchung fanb fich unter 
bem Schlamme oerftedt ein bünner, golbener 
tfingerreif mit einem grünen ©teine." 


©iS hierher mar #err Sehmann mit bem fie» 
fen beS 3 eitungSberidhteS gefommen, als ©tina 
erregt auSrief: „(Sin bünner tfiitgerreif mit 
einem grünen ©teine! Sch, einen foldjen hohe 
ich io geirrt) in Dcean ©rooe gegeben." 

„ 3 <h glaubte, fo (StroaS oon bir gehört 3U 
haben," antmortete fjerr fiehmann, „barum 
bachte ich auch gleich an $arrt), fobalb ich oon 
bem Singe las. 9 lber maS ift nun 3U thun ?" 

Slle gaben ihrem (Sntfeßeit unb ihrem (Sr« 
ftaunen SuSbrud; es mürbe hin unb her ge» 
rathen, bis man eublidj 311 bem (Sntfdhluffe tarn, 
borläufig Onfel #errntann feine Sacfjricht bon 
ihren ©ermuthungen 3U fenben, bagegen foüten 
£err fiehmann mit ©tina fi<h nach ber Office 
beS ©oronerS begeben, um ben Sing unballfäl» 
lige anbere Ueberbleibfel in Sugenfchein ju neh» 
men, unb fich fo felbft 3U iiber3eugen, ob ihre 
©ermuthungen begriinbet feien ober nicht. 

©ilig mürben bie nötigen ©orbereitungen 
getroffen unb halb befanben fie fid) auf bem 
©Jege. ©om ©oroner mürben fie nach ber 
©torgue gemiefen. Oafelbft angefommen, teilte 
ihnen ber Söärter mit, bie Ueberrefte feien ber 
2lrt, baß an ein ©rfennen ber fieidhe nicht 3U 
benfen unb 3ubem fei ber Snblid fo fchredlia), 
baj} er nicht raten fönnte, biefelbe in Sugen» 
feijein 311 nehmen, am menigften in ©egentoart 
einer Oame. Oer Sing habe fidh noch an einem 
Singer beS ©etöbteten gefunben; er mieS ben« 
felben bor unb ©tina fanf bei beffen Snblid bei« 
nahe in Ohnmacht; fein 3 *®eifel — es War ihr 
Sing. 

Stille begaben fidh bie ©eiben su Onfel &err« 
mann unb teilten ihm fo borfidjtig als möglich 
bie fchredlidhe ©utbedung mit. (Sr roar gefaßter, 
als man eigentlich ermatten fonnte. ©tonate 
lang hatte er umfonft auf Sachrichten oon fei» 
nem ©ohne gehofft; als aber feine folche fam, 
als bie aufgefunbenen ©puren barouf hiubeu» 
teten, baß er fidh '» fdhledhtcr ©efellfdhaft aufge» 
halten unb feinen 2Beg 3U gefährlidhen fiofali« 
täten genommen hatte, ba mar er 311 ber Ueber« 
jeugung gelangt, baß er bort roabrfcheinlich 
feinen Untergang gefunben habe. Oie Suffin» 
bung feiner Ueberrefte mar nur bie Seftätigung 
feiner furchtbaren Sljuung. 

©tili mürben biefe traurigen Ueberbleibfel 
beS noch ®or nicht langer 3 «ü fo fräftigen unb 
lebensluftigen, jungen ©tanneS bem ©cboojje 
ber (Srbe übergeben, freilich hatte biefer fjunb 
beit Sadhforfchungen ber ©olisei einen neuen 
Impuls gegeben. (Sine ©anbe falfdher Spieler 
unb 3U jeber 3 ;hat fähiger OefperaboS mürbe in 
jener fiofalität abgefangen unb eine nähere Un» 
terfudping ergab, baß feine Seraubung unb 
(Srmorbung unsroeifelhaft ihr SDBerf mar. 3 « 
einem ©ergnügungSlofal, baS oon leichtfinnigen 
jungen fieuten ftarf befudjt mürbe, hatten ihn 


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Putd) Smingen ;ur IHaljrljett. 


141 


etliche bet ©attbe beobad^tct, nachbent fie roabr* 
genommen, baft et eine bebeutenbe Summe ©eU 
beS bei fich trug. Sie Ratten fich an ibn heran 
gemacht nnb mußten ibn gu immer ftärferein 
j.rinfen gu beranlaffeit. 9llS feine Ramerabcn 
roeggegangcn mären, (odften fie ibn nach jener 
Spielbüde. fRachbem fie ibn erft burcb etliche 
©eroinnfte geföbert hotten, fingen fie nn, ibn 
burcb fnlfdjeä Spiel auSguplünbern; aflein et 
mar nicht j‘o betrunten, baft er nicht roabtgenom» 
men butte, baß Setrug geübt mürbe. (Sr be* 
fcbulbigte auch bie ©efellen beffelben bireft unb 
berlangte Satisfaftiou; nun mar auch fdjnefl 
ber absichtlich herbei geführte Streit fertig, in 
bejjen ©erlauf er fein borgeitigeS (Snbe fanb. 
SBer aber beit fatalen Schuß abgefeuert butte, 
tonnte bie Uitterfudjung nicht berauSbringen, 
roie eS auch au binreidbenben bireften Seroeifen 
mangelte, bie ©anbe beS abfidbtlidben SötorbeS 
unb SRaubeS gu überführen, immerhin roaren 
genug gefeßlidje ©riinbe oorbaitben, um fie für 
mehrere 5$abte in feften ©emabrfam gu bringen. 

giir Dnfel Hermann mar es freilich eine 
Sache bon mitergeorbneter ©ebeutung, bafi ber 
Sinn ber bürgerlichen ©eredbtigfeit nicht ftarf 
genug mar, ben ©torb, ber ait feinem Hinbe be» 
gangen roorbeit mar, gu fübnen. 2öaS ihm fo 
oft Stiinbeu beS bitterften £>ergeleibeS berurfachte, 
baS mar ba§ ©eibufetfein ber eigenen ©erfdbul» 
bung un bem Untergänge feines Sohnes. 

„2)er arme 3unge!" faßte er oft, „bei feinem 
fchroachen ©borafter bütte er befonberS eines 
feflett inneren 4>olteS beburft, um ihn gegen bie 
Skrfucbungen, bie ihn umgaben, gu ftäblen. 
flnftatt felbft ihn gu bemfelben anguleiten, bube 
ich es in meiner ©erblenbung gerabegu berljin* 
bert, baft er ben eingig mabren nnb feften ©ult 
feines SebeitS finben tonnte, unb als ich enblicb 
meine Stborbeit erfannte, butte baS ©ift ber 
Sltifflärung, baS ich ihm felbft eingeträufelt, fein 
©eroiffen unb feinen ©erftunb fo biirchfreffen, 
baß idb teinen ©influfe mehr auf ihn auSguüben 
im Stanbe mar. Unb fo lieft er fidh immer mehr 
bon feinen Seibenfdjaften beijerrfcben unb mürbe 
ein Spielball feiner leichtfertigen ffameraben. 

SBabrenb aber ©ram unb Hummer um ben 
berlotnen Softn fein inneres bergehrten, ging 
ber ©eift ©otteS immer tiefer mit iftm in’S ©e» 
rieht. (Sr fab, baft eS nicht bloS bererbte ©ei* 
gungen unb 9Infi<hten unb aus bem Sumpfe ber 
fcufflärung aufgelefene Sinroürfe roaren, maS 
ihn fo lange bet SBabrbeit ferne gehalten butte, 
fonbern bie Sünbe, bie in iftm roobnte, bie ©er* 
borbenbeit feiner eigenen SRatur, bie ihn bie 
ginfternift mehr lieben liefe, benn baS Sicht. <5r 
mußte tief, tief hinunter, ber Onfel Hermann, 
in feiner eigenen SBertbfcbäßung nnb Selbft« 
achtung, 9tber bie göttliche 3ücbtiguug ermieS 
fich für ihn als gum Segen unb gum Sehen. 3n 


langem, beifeen Kampfe rang fidh audb biefe 
Seele binbureb gu ber mabren unb barum mich 
fo beliebe» greibeit ber fiiitber ©otteS. Unb 
mie er ftetS ber MeS leitenbe ©eift in feinem 
£>aufe gemefen mar, fo mürbe er jeßt feiner ©at= 
tin unb feinem jiingern Sohne, unb auch ©tun* 
ehern feiner greunbe ein SSegmeifer gum $inu 
mel. 91 ber, maS hätte er barum gegeben, baft 
er fidh früher ber 3 ll <bt beS heiligen ©eiftcS 
untermorfen butte, bebor ber gefräßige ©iolocb 
ber ©eitlu ft fein Hittb berfchlungen! 

XI. 

3mei 3ubre fpäter. — 3n einem fdbönen 
Sanbftäbtcben beS norbmeftlichen Illinois ift eben 
ber junge ©aftor an feinem t>aufe »orgefabren. 
Stoffelbe, in bübfdhem Sanbf)au§=Stt)ie erbaut, 
ftebt etroaS bon ber Strafte guriidf in berfelben 
Umgäunung, meldbe auch bie Hircbe umfaftt. 
SRedljtS gur Seite befinbeit fiel) Stall unb Scheune, 
linfS bom #aufe ab, am anberen,Silbe beS giem* 
lieb weit auSgebebnteit ©runbftiicfes ftebt bie 
einfndfje unb boch gefchmocfboll gebaute fyvanie« 
Hircbe, mit einem fchlanfeu Jbürmchen gegiert, 
auf beffen Spiße ber bwhfdb bergolbete Hnopf 
gar lieblich int Sonnenlichte ftrablt. SDaS bem 
©farrbaufe gugetbeilte Stürf beS SanbeS ift in 
einen lieblichen ©arten nuSgelegt, roähvenb ber 
übrige in SRafen gepflanzt unb mit 3ierbäunien 
gefebmiieft ift. ©S ift ein richtiges ©fobell tion 
einem Hircbeneigeutbum, baS praftifch ©iißlicbe 
mit bem Schönen unb ©ngeneijmen aufs ©efte 
mit einanber Herein igenb. 

©eim ©orfabren beS SnggtjS ift eine junge 
ff rau mit bübfeben ©efidbtSgiigen unb einem 
freunblichen Sächeln auf ben Sippen aus bem 
£>aufe getreten. Sie eilte auf ben ©nfömmling 
gu, ber fie freunblich begrüßte unb einen Hilft 
auf ihre Sippen brüefte, bann aber fofort an bie 
ÜIrbeit ging, fein ©ferb auSgufpannen, baffelbe 
in ben Stad gu führen unb mit adern ©otb* 
menbigen gu berforgen. ©äbrenb biefer Arbeit 
blieb bie junge grau bidf)t an feiner Seite unb 
grage unb SMntroort folgten in rofefter 9Jufeiu» 
aitbetfolge unb befunbetett, roie nabe bie ©eiben 
gu einanber ftanben. 

„2Bie bot fidh benn mein grauebeu in ber 
3eit meiner 9Ibmefenbeit unterhalten ? £>nft bu 
fein ^eimroeb befommen?" fragte ber junge 
©atte angelegentlich- 

„O nein!" ermiberte bie junge grau errötbenb. 
,,©on .£>eimraeb höbe ich nidhts gefpürt, hotte 
auch feine 3eit bagu. ^>eute roaren fdbon meb* 
rere grauen aus ber ©emeinbe gum ©efudhe ba. 
Sdjro. SR. faßte, fie roodten einmal nachfebeit, 
maS bie junge grau ©aftor mache, unb ob fie 
ihr nicht in irgenb etroaS gur ^anb geben föniu 
ten, unb bann fchien es ihnen febr am bergen 


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142 


Punt) Prangen ;ut Paljt^eii 


gu liegen, mir ©tutb gu madjett, unb fic faßten 
ginn Slbfcßiebe, meint id) in irgeub einer ©acße 
if)ver Unterftiißnng mtb ißreS StatljeS bebürfte, 
fo füllte id) mid) breift nn fie roeitben. ©iub bie 
Seute liiert freunblid) ? Unb ßeftern Stacbmittag, 
als bn fort mareft, machte id) etliche Söefudje. 
©ie tleine Simt 3- geigte mir beit SBeg. SBir 
ßinßeit jnerft gu ber alten ©tutter SB. ©ie fdjeint 
feljr fehlend) gu fein, aber fie mar fo froh unb 
bautbar, als ich il)r ein Kapitel aus ber Söibel 
oorlaS unb als id) noch mit ibr gebetet hatte, 
liißte fie mid) mit Dielen ©hräneu unb rief mir 
nod) beim SBeggdjen nach: „©ott fehlte ©ie, 
liebes fliitb!" fjrau ©., oon ber bu mir gefaßt 
baft, ift oon ihrer Jhanlljeit nod) nicht hergeftellt, 
bie Seute fcbeineit nicht oiel oon einer fluten, 
fvdftiflen Sßfleße gu oerftebeu. 3d? habe ihr am 
Slbenb noch eine gute ©uppe gefaubt. ©aitn 
mar idj and) bei ©i.’S. ©ie ffinber hoben ben 
ßeudjhuften; id) habe ihnen einige ©tittel ge» 
geben unb bie SJtutter getröftet, bie feßr mübe 
imb auch etmaS oerbroßen gu fein fdjeint. O, 
Johannes," fdjloß bie junfle ffrau ihren ©e* 
riebt, „eS ift bod) Diel fftotb unb ©lenb in ber 
SBelt!" 

„©ein ift fo. ©afür finb mir aber auCbba, 
um uns ber ©orge unb Slot!) unferer SJtit. 
menfcbeit fo oiel roie möglich angunehmen, unb 
e§ fdjeiitt mir, bu bift entf<blo|fen, in meiner 
Slbmefenbeit alles ©rnfteS als mein Sßifar gu 
aintiren." 

„Sieb bamit ift es ni<bt meit her. 3<b bin froh 
unb bantbar genug, menn ich nur ©traaS an ben 
Seuten tbun tann." 

SBäbrenb biefer Unterhaltung mar baS ©ferb 
oerforgt morben, ber ©aftor gog nun aus bern 
Suggl) ein ÄötbChen unb überreichte eS feiner 
8?rau, inbem er faßte: „Sitten feßönen ©ruß 
pon ©(broefter ©. unb ba f<bi<fe fie bir ©troaS 
in ben Haushalt!" 

„Sieb, fieb’ mal," fagte bie junge ff rau, nnd)» 
bera fie baS iJörbdjen geöffnet, „bie fdjönften 
©ier. ©ie Seute müffen bid) febr lieb hoben, 
baß fie auch gu mir fo gut finb." 

„3a," fagte Johannes, „unb ©djmefter ©. 
fagte, fobalb fie in bie ©tabt fomme, mofle fie 
bir au<b eine $enne mit gmölf großen ffüdjlein 
bringen, fo baß bu halb beinen eigenen ©eflügel» 
ftanb hoben mirft." 

„3ft baS nidjt prächtig!" antmortete bie junge 
ff rau, bann fuhr fie ladjenb gu plaubern fort: 
„SBer hätte baS gebaebt, baß icb noch einen ©e» 
flügelbof haben roerbe. SBenn baS meine Se= 
fannteit unb ffreunbinnen in SB. mühten. ©iS 
©tutter fommt, bin ich f<bon eine halbe ff arme» 
rin!" ßier fiel ber jungen ff rau baS fertig ge? 
mnebte ©benbejfen ein, barum brach fie ihr ©e= 
plauber plößlid) ab, unb nötbigte ihren ©emnbl 
in’S #auS, mo fie ihn fogieich an bie reid) be» 


feßte ©afel mieS, um mit ihr baS Slbenbeffen 
einjunebmen. 

SBäbrenb beS ©ffenS berichtete ber junge ©atte 
Oon feinen ©aftoral. ©efueben unb ben ©r« 
fabrungen, bie er babei gemacht batte. 

„_3Cb bin froh unb bantbar," meinte er guleßt, 
„baß ficb mir ein SBeg geöffnet bot, unter ben 
©eutfeben gu arbeiten. 3m Sillgemeinen finbe 
ich unter ihnen oiel mehr ©efanntfd)aft mit 
©otteS SBort unb mehr ©brfurebt oor göttlichen 
©iitgcn, als unter ber eingeborenen ©eoölfernng. 
SBie mein ©ater immer ergäbt, miiffen fie 
braußen ftrenge barauf febeit, baß 3ebertnann 
in ber cbriftlicbcit ^Religion gut unterrichtet merbe. 
Stur ©ineS finbe icf), baS troß Slllem für baS 
SBer! ©otteS ein großes fjinberitiß gu fein febeint. 
©ie finb febr felbftgerecbt. — SBeil fie getauft 
unb fonfirmirt finb, fo meinen fie, an ihrem 
©briftentbum fönne Siiemanb einen groeifel 
hegen, befonbers menn fie fid) babei nod) gut 
$ird)e holten unb amb nur bolbmegS ficb orbent« 
lieb auffübren. 3Rand)e nehmen eS gerabegu 
übel, menn 3emaitb anberer SJteinung ift. @s 
hält fo ferner, bie Sente gu überzeugen, baß 
SBiffen unb innere ©rfabrung gmei gang üer« 
fcbicbene ©inge finb, unb baß man bis ©rftere 
hoben tann, roäbrenb baS #erg in ber ©bot ben» 
noCb ferne ift oon ©ott." 

„3a," meinte läcbelnb bie junge ffrau, „bu 
meißt, mie reichlich ich biefe ©rfnbrnng auch gu 
^rnufe machen mußte. 3nbeffen, menn fie erft 
einmal gur ©rtenntniß ber SBabrbeit toinmen, 
bann ift auch ein ©erlaß auf fie." 

„3a," fagte ber junge ©atte, „gerabe au ben 
©einen bot ©ott ein großes SBuitber getban, 
unb barf uns biefeS auch ftetS neuen SJtiitb unb 
neue Hoffnung geben, baß auch nufere Slrbeit 
unter ihnen nicht oergebliCh fein mirb. SBir 
hoben and) hier in unferer ©emeinbe fraftig be» 
lehrte Seelen unb liebe Stinber ©otteS unb auch 
binfidjtlicb ber Uebrigen mirb es fidh geigen, baß 
baS SBort beS £»errn nicht leer gurüd lontmt." 

©öS ©efprä^ ber beibett ©atten mürbe bi« 
bureb ben ©intritt eines älteren, ebrmiirbig auS» 
fehenben SltnnneS unterbrochen, ben bie junge 
grau freunblicb mitllommen hieß unb ber oom 
©aftor mit großer ^uöorfommenbeit bebonbelt 
mürbe. ©S mar einer ber ©orfteßer ber ©e» 
meinbe, auf ben ber ©aftor, um feiner gebiegenen 
©rtenntniß unb feiner nüdjternen Slnßbouungen 
miQen, große ©tiiCle hielt. Stacbbem er feinem 
©ergnügen über baS gute SlnSfebcn ©tinaS SluS« 
brud gegeben, moreit fie halb in ein angiebettbeS 
©efpräcb über bie 9luSfid)ten beS SöerteS ©otteS 
in ber ©egenb im Slügemeinen Oertieft. 


Unfere aufmerlfamen Sefer merben baS junge 
©aar im ©farrbaufe gu 8. längft erfannt hoben. 


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Piird) Srruugen jur JÜJaljrljfit. 


143 


— 3a, unfete ©tina ift too^lbefteflte ©farrfrau 
im SBeftcn geworben; mitten in einer foft au§» 
Schließlich tion Seutfdjen befieöetten ©egeub. 
UnD menn ißr auch erft baSSeben auf bem ßaitbe 
etroaS einfam erfhien, fo bentt fie bod», baß ißr 
2ooS auf’s lieblicßite gefaflen ift. 3hr Johannes 
ift ein aufmerffamer, liebeooßer ©atte unb ein 
frommer unb eifriger ©eelforger, bem ber £>err 
halb bie £erjen ber anoertrauten ©enteinbe gab. 
SBeibe finb auf baS 3nnigfte in bem ©inen unb 
$öd)ften oerbunben: 

„3hm 5« leben, 3h m 3 U ßerben; ' 
Musjnjielj’n unb für 3h n 
Seelen a»t3Uwerben I" 

aber wie baS Me§ fo gefommen ift! 28aS bie 
©Itern ju biefer ihnen etwas unerwarteten Sßer= 
biitbung fügten. 2Bie fich bie weiteren ©djidfale 
bet in unferer ©Höhlung angeführten Familien 
geftaltet hüben ? Sa§ möchten Sßiete ohne 3wei= 
fei noch erfahren. 

5fuit, bie ©ef<hi(hte ift nodj nic’ht jti ©nbe. 
Staun fie es jemals wirb, wer fnnn es fagen! 
6o lanqe gfamilien fidh entwideln unb ftetS meu 
ter aushreiten, fo werben fie and) ftetS neue ©e* 
ßhidjte machen, aber bie £üde, weiche in unferer 
©tjöhlung jwifchen bem jute^t berichteten trau* 
eigen ©reigniffe unb bem ibpßifchen Silbe im 
Sitfange unfereS ©djlußfapitelS liegt, mag ein 
SuSjug aus SDtiitaS Sagebuch bofleitbs auSfiiQen: 

17. Oftober 18—. 

„©nblidj in unferem eigenen Safjeiin ange* 
langt! @S ift ein eigenthümlicheS ©efühl, feinen 
eigenen £>auSftanb anzufangen. Johannes fngte, 
er habe fich fchon lange barnach gefehnt. Stun, 
ihm tann man eS nicht übel nehmen; als einzeln 
jtefjenber fDlann einer ©emeiitbe oorzufteljen, ift 
feine Äleinigfeit, unb bie ßettte fheinen audh 
fehr jufrieben, baß er fich eine ßebenSgefäljrtin 
angefdjafft hot, wenn es auch nicht eine folche 
aus ihrer eigenen ©litte war. 

2Bie boch alles fo wunberbar fich gefügt hnt. 
Unb ich bin nun fo weit bon ©Item unb ®e* 
feßroiftern entfernt, freilich liefen fie mich «n* 
gerne ziehen; aber ba es Johannes für feine 
©fließt hielt, feine Slräfte bett zahlreichen Seut* 
fchen ju wibmen, welche bet ftetS nnfdjweflenbe 
Strom ber ©inwanberung nach bem fernen 
ffleften fenbet, fo wollten fee nicht länger bnqegen 
fein, unb machten bloS zur ©ebingung, bah wir 
nicht gleich au bie äußerften ©renzen ziehen fofl« 
ten. ©o hat fich benn hier eine paffenbe ©teile 
gefunben, unb ba manche frifche 9lnfiebf?r fich 
in ber ©egenb niebergelaffeit haben,- fo hnt er 
hinreidjenb ©elegenljeit, feine ßieblingSpläne in 
äuSführung zu bringen. 

Söie aber ©Des fo gefommen ift! — 3ch habe 
fo lange nicht mehr in mein Sagebuch gefchrie« 
ben, unb jefct, ba Johannes oft bon |>aufe ab* 


wefenb ift, miß ich bie ©elegenljeit benußen unb 
bie entftanbenen 2üden ausfiiflen, befonberS ba 
nun ein ganz neuer abfehnitt meines 2ebeuS be* 
gönnen hat. 

ach, welch ein fdjtedlicber ©djlag war eS, als 
bie traurigen Ueberrefte ©oufin £>arrt)’S auf* 
gefunben würben. 3<h habe Cnfel £>ermnnn 
feit ber 3eit nie mieber fröhlich gefehen. 6r tarn 
oft iu uns, um Sroft zu fudjen, unb ©ott 2ob, 
er fanb ben einzigen Sroft, ber für ihn bor* 
hanben war, ben Trieben ©otteS für feine ©eele, 
ber ba höhet ift, benn alle ©ernunft. 2Bie er 
borher bon feinem Unglauben fein fjefjl gemacht 
hatte, fo trat er auch jejit mit einem offenen Sc» 
fenntnifje beS £errn unter feinen greunben unb 
©efanuten auf. Oft erntete er baoon Spott 
unb #oljn, aber er Wußte biefeit Spöttereien in 
einer SBeife zu begegnen, welche biefelben halb 
Zum ©Ißmeigen brachte, unb ©tandjer, ber erft 
gefpottet, geftaub ihm fpöter ein, baß er am 
©nbe bo«h Stecht haben möchte. Cb ber bon ihm 
auSgeftreute ©ante in biefen freigebigen Streifen 
noch Iebenbige Früchte trägt, wer fann es wiffen! 
2ßir hoffen eS; fchon ©tauchet hat unter ber 
©pöttermiene nur bie Unruhe feines £>ei'zeuS 
berborqen unb ift fdjließlid) boch ZU einem ernft* 
liehen frorfdjer nach ber SBaßrljeit geworben, 

Sie ©einen ergaben fich alle bem fjerrn zum 
©igentljum. Sie ftiße, fdjiicbterne Saute würbe 
noch eine freubige Sefennerin beS ©omenS beS 
|>errn 2fefu. ©eb hat fich gleichfalls ber Stirche 
angefhloffen. 6r hat überhaupt einen biel 
ernfteren unb feftcreu ©harafter, als ber arme 
#arrp unb berechtigt zu ben fchon ften fjoff* 
nungen. — aber baS ftiße ßeiben OnfelS über 
feinen berlorenen ©ohn brach enblich felbft feine 
fdjeinbar eiferne ©onftitution. ©eine ©efunb* 
heit fing ott zu wanfen unb baS ©ertoeufieber 
raffte ihn fchnefl hinweg, ©origen fterbft haben 
mir ihn zur Stube gebettet, ©ater fieljt mit Sieb 
Zu feinem ©efcßäfte unb Sante ift bie meifte 
3eit bei uns. 

3u #aufe hat fich afleS auf’S feßönfte ge* 
orbnet. ©on ©äßen unb Sheatern, bie mir einft 
fo Diele Stampfe berurfachten, ift feine Siebe mehr, 
©ater geht zur Stirche, bazu ift er bei mehreren 
moljlthätigen Unternehmungen fo ftarf betheiligt, 
baß feine freie 3eit mit ©Jeden ber Siebe bofl* 
auf in anfpruch genommen ift. Sazu hat er 
noch OnfelS ©efchäft zu leiten. ©S märe ihm 
biefeS faum möglich, wenn Sieb fich nicht weit 
über feine 3afjre ben Umftänben gemachten er« 
weifen würbe unb ©ruber fjeinrid) in ©aterS 
eigenem ©efcßäffe eine fo fräftige ©tiifje wäre, 
baß ©ater gebenft, ihn nädjftenS förmlich zum 
Sheilhaber zu machen, befonberS ba Slusficht 
borhanben ift, baß er halb fich einen eigenen 
£>au§ftanb grünben wirb. 3n ber Stirche ift 
^einridj ein angefeljenes SJtitglieb unb führt 


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144 


iurdj 3trungen jur üoljrljeit. 


eine 3u0enbtlaffe, bie unter feiner Leitung 
beS befteu ©ebeihenS erfreut, '-öruber 2llfreb tft 
gleichfalls ein eifrige» DJtitglieb berfelben. 33or= 
läufig terut er noch fleißig. $od) t)at er 3oh<w* 
neS anüertrnut, bafj er ju ftubiren toüivfdje uitb 
einftmalS gleich ihm bas ©oaitgelium bcs #rie« 
benS jii ocrfüitbigen hoffe- J)er ,f)err mag auch 
biefeä üerfe^cn. 

©inilie, unfer einftiger, tleincr 23ilbfung, ift 
nun recht groß unb gefegt. Sie t)at itjr £>erj 
frühe bem |>errn gegeben unb nimmt jeßt ohne 
3*oeifel ju &aufe meine Stelle ein. 

fiepten Sommer maren mir brei ÜJtonate in 
Ocean ©roüe. ©3 gelang uit$, ein eigenes 
Räuschen für uns ju tniethcit. 0, es mar eine 
herrliche 3eit. Später, SBrüber unb 9teb brachten 
alle ihre freie 3eit bei uns ju. 3 l1 hleeiche 93e» 
tannte tarnen ju uns unb für mich mar biefe 
3eit eine befonbere Segenöjeit. 

©leid) ju Anfang tarn auch ©otifin 3ohnnneS 
unb er fah aus, als ob er etmaS SefonbereS auf 
feinem £>erjen hätte. Unb baS batte er dud}. 

©leid) bei unferm erften Spajiergange am 
Straube fpradj er oon feiner ©eineinbc unb ber 
fJtotbmenbigfeit, eine Lebensgefährtin ju haben, 
(ich tDäre gerne bor Sd)am baoon gelaufen, aber 
er hielt mich feft) unb mie er mich fd)on lange 
tenne unb fein $erj mir immer jugeneigt ge» 
mefen fei unb mie fchön er es fia) auSgemolt 
habe, mit mir für ben £>errn ju arbeiten, ©nb« 
lidj tarn bie 3?rage, ob ich ihn lieben fönne unb 
ob ich fein 2Mb roerben wollte ? — Stuf bie erfte 
3rage hätte ich gleich mit „3a" antworten fön» 
nett — beim fo lange ich ihn fenite, freute ich 
mich immer fo fefjr, ihn ju fcben unb ju hören; 
aber befonbeiS feit ich ben £>ctrn fuchte, mar er 
mir ber treuefte Seratfjer unb ich fanb immer 
eine folc^e Uebereinftimmung jroifchen ihm unb 
mir, als ob mir feit lange jufammen gehört 
hätten. 2lber baS tonnte ich ihm in jenem 2lu« 
genbtide hoch nicht fügen unb auch feine jroeite 
fjfrage nicht gleich beantworten. $n meiner 
iüerroirrung mußte ich nichts SBeffereS ju fagen, 
als: • „2Ba3 merben 2Jater unb ÜJtutter bnju 
ägen ? " „SDarf ich mit ihnen barüber reben ?" 
ragte er gleich, unb um nur toSjufommen, 
agte ich: „3a, rebe erft mit ©ater unb IDJutter." 
Üöir maren unterbejfen mieber ju £>aufe ange» 
fommen unb ich fdjlüpfte ftill in mein 3immer 
unb fdjüttete mein £>erj oor bem £>errn aus unb 
erft bn fühlte ich fo recht, mie theuer mir 3o= 
hanneS mar unb mie gerne ich ihm folgen mürbe. 
9lber ich übergab bie Sache bem £>errn, ber auch 
meiner ©Iterii 4>erj lenfen tonnte nach feinem 
SBoßlgefaflen. 

211S 'fliutter in’S 3immer tarn, umarmte unb 
tüßte fie mich Järtlid» unb fagte gerührt, mäh« 
renb 3?reubenthränen in ihren 9Iugen perlten: 
„ftßeine liebe, liebe SWinal" ©nblidj erjählte fte 


mir oon Johannes ©erbutig unb mie bamit ihr 
ein lieber Ütfunfch erfüllt fei, benn „Johannes," 
fagte fie, „ift mir fd)on lange ein lieber Sohn 
geworben." Sann erjählte fie, mie ©ater ge» 
fngt habe, wenn er fid) boch einmal oon mir 
trennen müßte, fo mollte er mich am liebfteit 
Johannes geben; meint es nur nicht fo meit meg 
märe.—O, ich bin foldjer Liebe gar nicht merth- 
2tber baS ift ja auch bie ©iite meines ©otteS, 
bcifj er mich Uumürbige mit ben Siemeifen feiner 
©üte unb Liebe überfcbiittet. 

®ie ©Hern brangen in Johannes, eine Stelle 
im Often ju fuchen. 2tUeiu er feßte ihnen bie 
©riiube auSeinaitber, bie ihn für fein jeßigeS 
9lrbcitSfelb beftimmten, fo baß fie es für Un« 
recht hifllen, biefeS jur 2}ebingung ber 6r jiillung 
feiner 2Siinfdhe ju machen. $a mir teilt 9luf« 
fchen auf bem 'fMage machen mollten, fo be» 
gnügteu mir uns mit einer ftilleu SkrlobuugS» 
feier, ju roelcher nur bie nädjfteu gfreunbe ein» 
geloben mürben. Johannes blieb einen fDionat 
bei uns. ©3 mar eine 3eit heiliger Stille unb 
eliger 3?rettbe. 2öeldje ipiäne unb ©ntfdjlüffe 
ür bie 3utunft tourben ba gefaßt. ©ott gebe 
ju Mein fröhliches ©ebeiheit. 

Johannes ging bann nach 6aufe, um MeS 
ju meinem ©mpfange einjurichten. 5)ie paar 
Ktonatc gingen fchnell, fchnell oorüber unb als 
er mieber tarn, feierten mir ein heiteres £>och= 
jeitsfeft, — bei melchent freilich bie Sthränen ber 
IBehmuth nicht fehlten, inbein mir ber flinge» 
gangenen gebachten, bie mir fo gerne jii 3eugeit 
unfercS ©lüdeS gemacht hätten. — «o fchtoer 
mir auch ber 2tbfchieb aus bem lieben ©Item» 
häufe mürbe, fo mar er boch burd) bie Hoffnung 
eines balbigen 2BieberfehenS oerfüßt, benn baS 
inupte Johannes oerfprecheti, baß ich ben mich« 
ften Sommer baheim jubringen follte; auch (iah 
er biefeS SBerfpredjen um fo lieber, ba er felbft 
joffte, fich für längere 3«it am lieblichen UteereS» 
tranbe ju erholen, ber mir felbft jur ©eburtS» 
tätte eines neuen Lebens getoorben mar. 

9luf bem ©ege nach unferer neuen ^eiiuath 
führte mich Johannes auf eine 2öoc£»e in fein 
elterliches ©aus. O welch «ine Sfreube, feinen 
ehrmürbigen ©ater, feine liebeoolle DJhctter unb 
feine freunblicheit ©efchroifter fennen ju lernen. 
fDtit ihräneit ber fjreube umarmten mich Stile 
unb bei’m 9tbenbgebet flehte ber ©ater fo in» 
brünftig um Segen unb #eil für midh unb für 
unfern jungen ^auSftanb, bap ich ganj baoon 
überwältigt mürbe. Äein SQßunbet, bafe 3o» 
hanneS fo ein tüchtiger HJtann geworben ift. — 
3<h weife, bafe idh an ihnen ©ater unb IDtutter 
haben Werbe, auch roohnen fte nicht fo meit ent« 
fernt, baß mir ni^t öfters bei ihnen einen Sefuch 
madhen tonnten. 

3m fjrühling aber tommt ÜJtutter unb Schwe» 
fter ©milie, um uns in unferer neuen $eimath 


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Jlerleumbung. 


145 


aufjufucheu. 2 Bie id) mid) barauf freue, ©ntilie 
fc^rcibt mir jcbc 2 Dod)e unb id) ömtefjme Me?, 
wa? im ff reife meiner Vetannten borgeht. 06 
e? immer fo bleiben wirb '! 

3 ohanue? meint, ba? fei nidjt wahrfcheinlidj. 
3 <h werbe mich mehr unb mehr Ijier angewöl)« 
neu, neue Vetannte unb neue tßflühten werben 
mid) in Mfpruch nehmen, bann werbe ber Ver» 
feljr weniger lebhaft werben, ober bie Siebe 
»erbe bleiben. — Sd) fann mit bu§ faum bor» 
fteüeu! 3tber gewiß, bie Siebe bleibt. Söeldje? 
audj bie 23ege fein mögen, bie wir ju geben 
buben, ober bie Grfaljrungeit, bie wir machen 
müffen; bie Siebe bieibt. ©rftbie ewige, gött« 
liebe Siebe ju un?, bonn unfere Siebe jmn £>ernt, 
unb burd) biefe Siebe geheiligt, bie Siebe ju all 
ben Unfrigen, ju allen §reunben unb Vetannten, 
unb eublid) bie Siebe 511 adelt Wenfd^m; — u n b 
bie Siebe ift ba3 © r ö ß e ft e l 
©nbe. 


P e r U um imt 0. 

„2)u fodfl falfcber&nHage nic§t glauben, baß bu einem 
feottlofen SJeiftanb tyuft, unb ein falfc^er 3 cu 0 e fcifr" 
2 SKofe 23,1. 

„6ei ferne fcon falfdjen Sachen." 2 3Jtofe 23, 7. 

Tier „Vofton ffieetlb Mbertifer" fagt: „ 2 öir 
2 l hoben oft ba? Otätjffel gehört: 2 öer ift bie 

n Vtutter bet ffüdjleiit, bie £>enne, welche bie 
6 ier legt, ober bie ^>enne, welche fie au?brütet ? 
Unb nun ift e§ befriebigeub, eine gerichtliche 
Snlfcheibuitß über biefe h^'itte 3 ?rage lanbwirtt)» 
fchoftlicher SiUigfeit $u hoben. ©in ©inmobner 
bon SBeft ©tratforb, Gönn., hotte eine £>eitne 
Don einer befoitbent ©attung, bie fich auf be? 
Hachborn ©runbftücf berirrte unb bort ein 9toft 
Doll Gier legte, ©ine anbere £>enne, bie betn 
Sigenthümer be? Sanbe? gehörte, nahm ba? 
Hejt in ©efifc unb briitete«ibie ©ier au?. Sa 
gerietljen beibe 9taihbarn in einen Streit über 
bie ffüchteiu. 9to. 2 oertaufte biefelben an einen 
brüten, 9to. 1 Oerfchaffte fich einen ©inlöfung?« 
befehl, unb bie Sache tarn bor einigen Sagen 
jnr Verljanblung, mit einem gefdjicften 9tbbo« 
taten unb bielen beugen. Sa? ®erid)t entfcjhieb, 
bie &enne, welche bie Gier au?gebrütet, fei bie 
rechtmäßige fötutter uub Wie? bie fflage auf 
©inlöfung ab." 

„ 6 ? ning al? ebenfo feftgeftedt bon bem ®e= 
richt?hof be? gefunben Vtenfdjenberftanbe? be« 
trachtet werben, baß eine Ißerfott, bie eine ber» 
leumberifche ©efchidjte wiebererjählt, ebenfo fehr 
bie SJiutter berfelben ift, al? ber erfte ©rfinber— 
bie 91u?brüterin ift fo fehlest wie bie Segerin, 
wenn nicht fcfjlechtcr. 


Ser, welcher juerft bie Süge fdjmiebet, ift 
fidjer fdjulbig- aber wenig ober gar teilt Scha« 
ben würbe au? feiner Styot entftehen, wenn c? 
uidjt ^erfonen gäbe, bie willig wären, feine 
Verleutnbung ju hören uub ju glauben. Unb 
felbft bann wäre ba? Unglüct gering, wenn nicht 
bereite Sungen ba wären, um bie @cfd)ichte bon 
Ort ju Ort ju tragen unb fo hp§ Uebel ju ber« 
breiten. SBenit e? wahr ift, baß ber fehler fo 
frfjlimm ift Wie ber Stehler, fo ift ber, welcher 
eine Süge glaubt, ebenfo fdjulbig, wie ber, wel« 
d)er fie auöfprichl; wie biel mehr ift beim ber 
ein 9Jiitfd)uibiger an bem Verbrechen, welcher 
bie Süge wiederholt uub iii Umlauf febt. Uub 
hoch wirb bie? fehr gebanfculo? getbou, unb 
wenn bie Verleumdung toiberlcgt ift, fo bereuen 
bie 9)tenfdjen feiten, fie wiebererjählt ju hoben, 
obgleich bie? eine Siiube ift, bie fie bor beut 
9tid)tcr oder ju berantworten holen werben. 

VJeitn id) auch ben Solch nid)t gemacht höbe, 
fo bin ich boch be? 9Jiorbe? fchulbig, wenn ich 
einen VJeiifdjen boniit erfteche; wenn ich nicht bie 
91nflage erbacht hole, fo bin ich boch ein Sheil« 
nehmet an bem Verbrechen, wenn ich bem 9iufe 
meine? 9täd)fteu fd)nbe, inbem ich fie wiederhole. 
Um un? gu hüten, fcaf? Wir nicht in biefe? Uebel 
fallen, ift e? baf Sidjerftc, fehr ungläubig in 
Vetrcff aller böfen ©criidjte ju fein unb unter 
teinen Umftänben fie felber itiuherjutrageu. 
©3 giebt £>unbe, beren Vergnügen c? ift, allerlei 
Singe herbeijuholen unb ju tragen, aber e? ift 
nicht nöthig, bafj wir un? ju biefen herabwür* 
bigen, inbem Wir eine folche Mfnaljme über« 
nehmen. 

Vlautu? wodte bie ©rjähler uub bie ßörer 
bon Verlcunibuiigen gleidjnüijjig burdb Mfbän« 
gen beftraft hoben, bie einen bei ber 3 *mge unb 
bie auberit bei ben Ohren. VMr würben halb 
Vtangel an |)olj ju ©algeu hoben, wenn biefe? 
Wißigc Urtheil au?gefiihrt würbe, aber e? thut 
nicht nöthig, baß fid) irgenb einer bon un? ba? 
9ted)t erwirbt, in biefer ©efetlfchnft ju baumeln. 
Vknn Selcphbiie uub '.Uliluphoue noch weiter 
au?gebilbet werben, fo werben wir genug .fjörcu 
unb SSieberhören hoben, unb e? wirb weife fein, 
baß wir un? ber Saubbeit befleißen, wenn au» 
bere fchwaßen. 6 ? würbe wenig berloren fein, 
wenn wir alle unfere Vofale iii ftumme Vuch« 
ftaben wanbelten unb unfer Sifchgefprich mit 
einem V«nft fhlöffen. 

Sa? nächfte 9Kal, wenn bie “fchwarje $enne 
ein 6 i legt, laßt fie felbft barauf fißen unb ihre 
eigenen ff iichlein aii?briitcn. ffein oernilnftige? 
VJefcu wiinfeht, Stiefbater liner Süge ju fein, 
ober al?ffaßcnpfote be?Seufe(? jubieiieu, wenn 
e? ihm gefällt, gute SKcnfcheit im fffeuer ber 
Verleumbung ju röfteit. Ser 91u?rufer in ber 
Stabt Sonboit hot ein ehrenoolle?*91mt, aber 
ber allgemeine 91u?rufer für bie Stabt ber Siige 
11 


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146 


„£eten faumet nid)t. ” 


ju fein, ift ni^t münfdjenSWerth; biefe Dlrbeit 
fommt im Sauge gleich nad) ber beS gewöhn» 
liefen Angebers." (Sachbar.) 

-——— 

„Peten föumft iiidjt.” 


©raf Dlleranber bon Slöürttemberg befnnb fid) 
einmal in bem bclannten nnb oft genannten 
SBabeort 2euf in SBafliS, einem ber henlichften 
Kantone ber Sdjmeij mit fchroffen Sergen nnb 
tief eingefchnittenen 3:^ätern. ©erabe über ben 
Säbern bon 2euf erbeben fid) gewaltige, faft 
fenfreebt auffteigenbe ftelswänbe. ©inen folcijen 
Dllpengipfel wollte ©raf Slejanber in SegleU 
tnng eines ffiihrerS ertlimmen. 'Schon waren 
fie Ijo.b oben, als ber Segleiter einer Keinen 
Kapelle inbrdngte. Ser ©raf erwartet nach 
bem Verhalten beffelben ein befonbereS Kuitft» 
wert in ber Kapelle ju finbeit, erblidt aber ftatt 
helfen mir ein ganj einfaches Starieubilb. „SaS 
ift baS wahre ©nabenreid)!" ruft ihm ber Staun 
in tiefer Dlnbacfjt nnb hoh«m ©rnfte jn. Ser 
©raf war tief gerührt bon bem innigen ©lau» 
,ben beS Dllten; bie feierliche Stille tingS umher 
unb bie aotteSbienftliche Stätte bringen auch 
ihn iit’S Sadjbenfen, unb er fagt fid) felbft: 
„SJie biel fd)öner ift baS fchlichte Kirchlein, als 
all’ bie Stocht ju DSailanb unb in ottbern hohen 
unb bielgerühmten Somen ber ©fjrifteuljeit! 
Sort bie fchwarjen unb geftieften Sieden, hier 
ber Seppich bon glänjenbem Schnee unb grü» 
nenben Slninen. f^iivwn^v, nod) eine fchönere 
ffßölbung nnb ein höherer Saumeifter! Sort 
bie trübe simpel, hier bie Sonne als 2eud)te!" 
SBährenb feine ©ebaitfen fleh fo fortfpinnen, 
betet ber Rührer. ©S wirb lange, unb ber ©raf 
tlettert hinter ber Kapelle bis jur Sfuppe beS 
Reifens empor nnb wartet unb wartet . . . Ser 
Rührer fomint noch immer nicht. Ser ©raf 
wirb aümählig ungebulbig unb fagt bor fich 
hin: „3e&t $1)1’ idjitoch bis hunbert, bann rufe 
ich ihn- — Sod) nein, er mag noch »beiter be= 
ten!" ©r $hlt noch einmal hunbert unb wartet 

Wieber fünf Stinuten.-Dluf einmal athmet 

er fchwer. ©S wirb ihm fchmarj bor ben Dingen; 
wie bon Stillioncn Sönnern ober Kanonen» 
fdjüffen fnallt es ihm bor ben Ohren, unb 2a» 
wiuen fiefjt er ftiirjen. @r felbft bleibt uitber» 
fehrt. Son einem nahen Serge mar eine häu» 
ferhohe ffelsmanb auf ben ongrenjenben ©letfcher 
geftiirst. SaS war aber eben berfelbe, über 
welchen fie jefct hotten Stehen wollen. „Senft 
euch" — 14 fchlofj ber ©raf feinen $reuitben 
gegenüber nie ©rjählung — „beult euch einen 
feittrcchfen Reifen wie ben Strafjbnrget Stirn» 


fter, unb biejen nieberfallenb auf einen hohen 
©letfcher; bann lönnt ihr euch ungefähr ben 
Knall borfteller. 3<h fühlte mit einem Seal 
einen Schlag auf bie Schulter, ©rfchrcden 
fchoite ich um. ©S ift mein Führer. Unb jefct 
beutete ber Stann hinab auf bie Kapelle, wo er 
fatitn noch geftanben unb fagte wieber: „SaS 
ift baS wahre ©nabenreid)!" — Unb wirtlich, 
hätte er einige Statuten fürjet gebetet, ober ich 
ihn früher abgerufen, fo mären mir fd)ott auf 
bem ©letfcher gemanbelt unb bann ficher Per. 
loren gemefen. (Sachbar.) 


muffen'* feilt. 


S er Superintenbent S. in U. fah eines SageS 
an feinem Suite unb fchrieb. Sa trat ju 
ihm eine alte gläubige xöittme herein unb 
fhüttete oor ihm ihr £>erj auS. „Sie miffeu," 
fagte fie, aber in plattbeutfcher Sprache, „baß 
ich lange front gemefen bin unb nichts hob« Oer» 
bienen tönnen. Sun [oll ich fccbsSpolerStiethe 
bejahen, habe aber nichts. 2öaS ju thun ? 3<h 
habe meinen lieben fjerrn 3«fmn gebeten, ©r 
möchte mir fed)S Sljoler fct)enfen uub 6r hot 
auch ja gefagt." ,,©i," fagte ber Superintenbent, 
„wie ba ?" „3a," Perfekte fie, ,,©r hot gefagt: 
'iöas ihr bittet in meinem Samen, baS will ich 
thun/ 3<h höbe ihn in feinem Samen, im 
©laubeit an fein Serbienft gebeten unb ba fann’S 
ja nicht auSbleiben. Sun wollte ich ®i« bitten, 
bah ©<« oit bie Segierung fchreiben, bamit ich 
baS ©elb befontme." „3a," fagte ber Superin« 
tenbeut, „wie faitn ich baS thun ? Sie Srgicruitg 
lann nicht jebein, ber ©elb braucht, etwas 
fd)iden." „€)," entgegnete fie, „es befommt ja 
hoch fo manche Küfterfrau eine Untcrftiijjuug., 
2öaS ich 3hneu foge, fchreiben Sie mir; ich be« 
fomme fetjon and) etwas." „Su bift aber feine 
Küfterfrau," fagte ber Superintenbent, „beren 
Staun ein Dlint befleibet hot." „Sfjut nichts," 
perfekte fie, „fdjreiben Sie nur." Keine Süiber« 
rebe half. Ser liebe Stnnn tonnte bie tfrau 
nicht ouberS loS werben, er nahm ein Srotofod 
auf, fchrieb einfach was fie gefagt, erflärte, bah 
er fie nicht hätte loS werben löniien, unb bat für 
fie um fünf Sholer, nicht barait gebenfeitb, bah 
fie fecfjS gefagt hotte, ©r lieft ihr baS Schrei» 
ben oor unb fragt: „3ft’3 fo gut?" „Se!" 
fagte fie, „feS möten’t finn, &err Superinten» 
bent." „Sch," oerfefste er, „baS habe ich »er» 
feljeti, abänberit lann ich nicht uub juin noch 
einmal Schreiben höbe ich feine 3«it. Seftehft 
bu auf beinern Kopf, bah ich höbe fchreiben 
miiffen, fo will ich mich auf meinem Kopf befteljen 


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(fffriflian 3fürd)t«jott ©ellerts ®effament. 


147 


unb jle^en (affen was ich gefcffrieben habe." 
„(Ru," ermiberte fie, „feS frieg’f bo<ff!" Ia<fft 
freunblich «nb gebt. 3« ber 2Bod)c iff eine ©r= 
iiauiingSffunbe in ber ftircffe. Sie dllte fifft, wie 
immer, anbäcfftig an ihrem alten ©lojje bor ber 
flanjef. (Rad) ber ©rhnutmg tritt ffe ju bem 
Superintenbenteit heran unb fragt ibn ffeimlid): 
„Sff’t f<bon ba ?" Sie erhält eine berneinenbe 
Sntroort. 5tber halb baranf empfängt ber «Super» 
iutenbeut ein Schreiben boit ber (Regierung, unb 
lieft ju feiner ©erwunberung auf ber dlbreffe: 
„hierin fecffs Sffaler ßaffenaumeifungen." 6r 
öffnet unb finbet richtig fedjS SE^aler.. „dluf 
3breit dlittrag," ffeifft eS in bem Schreiben, „be= 
willigen mir ein für affemal ber armen SBiltme 
fecffs Sffaler Unterffüffung." SBuitberbarer^err, 
benft er, mie erbörft btt bocb fo pünftliib beiner 
©laubigen einfältige ©ebete! Su mufft bocb 
ben ©laubeit ber fjrau noch ein Wenig prüfen, 
benft er roeiter. dllS fie fommt unb fragt: „Sff’t 
fcbon ba ?" antmortet er: „3«!" langt fünf 
Sffaler heraus unb legt fie bin. ,,©i," fagt fie, 
„f)err Superintenbent, feS möten’t finn, viicfen’S 
man rut." Unb er muff iffr nun ben fechften 
Jffaler auch geben. (Riebt roaffr, fuhr ber er« 
läfflenbe ©nffor fort, baS iff eine prächtige ©e= 
fcfficble. «Sie iff aber noch nicht aus. 

©in ©rebiger itt Sommern baeffte auch, als er 
bie ©efeffieffte in biefem Frühjahr hörte: SaS iff 
ja föfflicb- Sff her £)err fo freuttblich, erhört 
er alfo ©ebete, fo barfff bu bich ja auch nur in 
beiner (Roth an iffu meitben. 6r brauchte näm» 
lieb gerabe 1000 Sffnler, nicht für ff<h, fonbern 
für eine berroanbte Familie, bie fieff in ber gröff« 
teil (Roth befanb. 6r bat ben litben 3efum, ba 
er gar nichts hotte, er möchte ihm bo<h 1000 
5holet für biefe Familie fcffeiifeit. (Der treue 
fierr gab iffnt in’S &erj, baff er ein Senbfchrei» 
ben unfertigen foflte an barmherzige Samariter. 
Sarin mar in aller ©infalt bie (Roth ber befag« 
ten Familie gefcffilbevt unb gebeten, mer 5 ober 
10 iffaler hotte, ber möchte fie hergeben unb 
foüte fie, falls ber £>crr einmal fo meit helfe, 
auch mieber hoben; baS ©elb müffe aber, roenu 
ber Familie geholfen fein foflte, irt zwei 9Ro« 
naten jufammen fein. ©r‘ feffiefte bieS Senb. 
fchreiben an einige fyreuttbe unb (ieff eS bitrdj ffe 
Don £ionb ju £>anb meiter febiefen. Sa (amen 
halb ©riefe bon Oft, SBeft unb Siib mit 5, 10, 
50 Sffaler, unb als ein dRonot ju ©nbe mar, 
toareu 500 Sffaler jufammen, beim Silber unb 
©olb iff’beä &errn, unb er lenft bie £>enen, mie 
bie (EBafferbädje. dtber ba fam eine Scitfang 
auch fein Seut mehr. „dRutter!" fagte ber ©ve» 
biger gagenb zu feiner grau, „nun iff’S moffl ju 
©nbe;" pber fie erinnerte: „©ater! feS möten’t 
finn!" unb gleich hotte er mieber guten dRutlj. 
9lls ber zweite dRonot zu ©nbe mar, waren bie 
erbetenen 1000 Sffaler zufommen unb ber ar¬ 


men Familie War geholfen. SBie baS aber ben 
©rebiger in ben Staub gebeugt bor bem tbeuern 
Ferrit 3efuS, fügte er hinzu, mie im ©lattben 
geftärft bot, baS bebarf Wohl leinet dluSeinanber» 
feffuug. 

„§u 3 C P> h' n » oertrau auf 3hn, 

€r ift ber ItTann, ber helfen fann, 

Sein fjerj ift t>oll (Erbarmen 
mit alten gciftlid; Ilrtnen, 

Unb tuas fie gläubig fTeffen, 

Das läfjt €r audf geftbehen." 


©Ijriflian prdjtegott ©flirrt' * 
teftnnwiit. 

^eff höbe mir angelegen fein (offen, befennt 
< 9 $ ©ellert in feinem Seffament, baS ©efte zu 
lefen, toaS bie ft lüg ft cu unb ©erniiuftig« 
ffeit unter bett alten SBeijen bon ©ott, (Religion 
uub Sugenb, bon ben dRitteln znr (Ruhe unb 
3uf rieben beit unb bem böcbften ©nte beS dReu« 
feben gelehrt haben. Sh bezeuge auf mein ©e= 
roiffen, baff alle ihre RBeiSljeit gegen ben Unter» 
riebt ber Offenbarung gepalten, Schatten uub 
Uitgemifibeit, bödjffenS ein bimtter Schimmer, 
öfters aber Sinfterniff, Sfforljeit, dlberglaute 
unb Uitfinn iff. — 3<b höbe fünfzig Sabre ge» 
lebt unb mannigfaltige dRüfffeligteiten beS 
SebenS erbiclbct. Sch habe nirgenbS mehr Sicht 
in Sfinfferniffen, mehr Stärte, mehr Sroft unb 
dRuth in Sciben gefunben, als bei ber Cuelle 
ber Offenbarung. SiefeS bezeuge ich ouf mein 
©eroiffen. —Sfb höbe fünfzig Soffre gelebt, uub 
bin mehr als einmal an ben ©forten beS SobeS 
geroefen. S<b habe eS erfahren, baff nichts, nichts 
offne dltiSnabme, als bie göttliche Äraft beS 
©briftentffumS bie Schrecfeu beS SobeS befiegen 
hilft; baff itidffS, als ber ©taube an unfern 
^eitanb unb ©rlöfer ben bangen ©eift bei bem 
eutfcffeibeiiben Schritt in bie ©roigfeit ffärfen, 
unb baS@emiffen, baS imS anltagt, ffillen fann. 
SiefeS bezeuge ieff, als bor ©otl! 

€tns ift ZTotfj! mer ^at btes <Etite ? 

Per allein, ber 3efunt t^at. 

3efum traben, maef^t alleine 
Selig, frötjlidj, rillig, fatt. 

IPer 3efunt ermäßet, l }at 2Wes erforen; 

IPer 3cfum oerlieret, Ijat 2Iües üerloren, 

Pod? ftubet ifyt mieber, mer fuc^etmit ^lei§. 

Unb mer bemalt, ber beljält auef? ben preis. 


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148 


Hed)t muß üedjt blribrn. 


Ilrdjt mulj Mt blribeu. 

III. p«5 nmltergefiinbrnc gfflaratut. 

<£in <B>rfrt)id)lftbilö au« brr £ftt brr brutfdjrn 
£d)inad) iinb <£rl)f buiig. 

pr $tui# uub #erb non faul innen. 



6 rftcö ftapitel. 

Pie Jludjt ans Paris. 

3 mar ber SBinter be3 IgapreS 1793 
bis 94 unb ber £>initttel becfte mit 
feinem meinen, meinen Seicpen* 
titele bie blutigen ©puren, melcpe 
9kri3 tagtäglid^ aufgumeifeit,patte. 
Der 9lbeitb mar finfter unb bie fpäv= 
liipe Seleucptunft nicht im ©taube bie perrfepeube 
Dunfelpeit gu oerbräufteit. Die ttnfreuublkpe 
Sßitteruiift mochte fipulb baran fein, baft ba» 
fonft fo belebte ©tabtbiertel an biefeut 91benb 
öbe unb auögeftorbeu ba -lag. 9lti3 meiter gerne 
ließ ficb bitftefteit non 3^* 3ti 3 e U ber miberlicpe 
Siirm Reiferer SRäitner* unb fjraueuftimmen 
oeruepmeu; unb gar imtn<pe3 Verbitterte unb 
bebte bei biefeu 'Jonen, bie an ba» ©ebriill miU 
ber Jpieie mahnten, menn fie nad)3Mut leipjen. 

©elbft ein innrer ®lanu non etlichen groaitgift 
fahren berinocpte fiep be» ©cpaubeut 3 nicht gu 
ermepreu unb 30c] fih Weil non bem genfter ber 
{(einen Stube guriid, melcpe er im nierten ©torf= 
merfe eiltet befcheibeneu £>ättfe» bemopitte. 

„58epe mir," baepte er feufgettb bei fid), „meint 
ich einem biefer ^öbelpaufeit in bie öäitbe fade!" 

Der iiiuge 9)iaitn, melier feit fünf fahren 
in ^ari» nermeilte unb ba» ff unftpanbmerf eine» 
93ilbfd)niper» betrieb, faitute bie ©Freden ber 
9teno(utiou au3 eigener 9litfcpauunß; patte er 
ja hoch ben ftürmifcpeu ©eenen in ber National* 
oerfammluitfl beigeiaofmt unb ber ropeit 
93ehaub(ung fein tniiffen, bie beiit fcpmacpeit 
ÄJöuig SubmiflXVI. non feinem $olfe gu Jpcil 
ftemovbeu mar. ©eit jenem Jafte ber 6ntiebri= 
gung gingen bie SBeflen ber ©mpöriutft aber 
iioch nm SBieleö höher. Den 9Inblid blutiger 
©eenen, mie fie fiep jefet täglich in $ari$ abgiu 
fpieleit pflegten, Dermocpte ber junge Silbfcpnifcer 
itiipt lauter mepr gu ertragen, unb er ftinft ba= 
per mit bent 6utfcpluffe um, ba3 an £)eiifern 
reiepe $nri3 gu neriaffen unb und) feiner öfter* 
reicpifcpeit £eimatp guriidgufepren. 

Der Sarin in ber gerne mar jept nerftummt, 
unb ber SJemopner be» {(einen ^intmerö manbte 
feine 9(ufmerffamfcit ber aufgeheiiben Jpüre 
gu, burep melcpe üiabame 9Jteuuier, fein SBirtpin, 
eintrat. 


„63 mirb bafe 3>pr 6ucp auf ben äßeft 
maept," bekamt bie paftere Sßittme, „neun Upr 
ift Darüber, unb epe^pr bie 9tue Stopale erreicht, 
fbnnen mir um eine ©tunbe älter fein." 

Der junge 9)tann blidte unfdhlüffig nor fi(p 
pin, SMabame SMeunier bemerfte e3 unb fupr 
baper in ihrer 9tebe fort: 

„ 3 pr merbet bocp#nicpt mieber manfenb fte* 
morben fein unb 6 uer gegebene^ Sßort al3 6 prett* 
mann auch palten ?" 

Der 3immerperr mich bent Dormurf3doden 
33lide feiner SSMrtpiu au3, polte tief 9ltpent unb 
eiitgeguete: „63 ift linrecpt, bap 9JJarioit niept 
auf meine 9tiirflepr geroartet pat; fie mürbe ntiep 
bann (cicpt burep 33eautmortuitft einiger graften. 
001 t ber Unruhe befreit pabeu, melcpe bie ftepeim* 
nffmolle ©efdpiipte in mir ergeuftt." 

„ 6 i ma3," fiel Wabame SReunier im Jone 
ftutmiitpifteu ©cpeltett3 ein, „meine ©djmefier 
yjtarion ift (ein SBafcpmeib, ba3 jebe3 ©epeint* 
nijj meiter tlatfcpt. SBon ipr miirbet Qpr feilte 
Silbe tttepr erfahren pabeu." 

„3fpr bagegen fepeint um 9JJariou3 ©epeimnifc 
511 miffen," meinte ber junge SWann unb mad)te 
einen fcpmacpeit Serfitd), itt beit fflieitctt ber 
Sßirtpin gu lefett. Diefelbeit blieben jebeep utt* 
beränbert unb in perbent Jone ftab fie jurüd: 
„9tein! 3cp micberpole 6 ucp, bap ich ni(pt3 meife, 
a(3 ma3 i<p 6 mp bereit *mitftetpeilt pabe. 
9JJariott erfupr oor ein pmuc Ja’ften rott mir, 
baft 3P^‘ Reifte oerlaffeit unb nach Cefierreicp 
jurüdtepren Toodtet. ^eute fam fie in ber Däntr 
merunftsflunbe mit oermeititeit 91ugen 511 mir 
unb befd)mor miep, 6 ud) 31 t bevntögen, fepon 
biefe 9tacpt, unreinc3 barmherzigen 9i'erfe3 mil* 
(eit, bie bluttriefenbe .frauptftabt gu berlaffen. 
©odtet 3 Pv mirfliep ein fo guter, ebler 9Jienfdp 
fein, mie Marion ipn bteper in 6 ucp oermutpet, 
fo ermartet fie 6 ucp gegen gepu Upr im Calais 
93ntneoide. 9lde3 SÖeitere follt 5tpr bort er* 
fahren." 

„9tun moplau," rief ber junge Wann nadj 
einer SBeile furg entfdploffen, „fo mid icp e3 
maften! ®effer noch heute bem falfdpeu ^ßariö 
ben Stüdeit äuftemanbt, al3 morfteit, mo e3 Diel* 
leicpt fchoit gu fpät ift. 9)ieitte menigen 4 >abfelig» 
feiten finb halb ftepadt." „Sßollt 3;pr niept ba3 
9totpmenbiftfte gleich mit 6 ucp nepmett?" ftab 
bie SBirtpiu *u bebeitfen. „SCßer meip, ob (Such 
noch fo Oiel 3 ^'ü übrig bleibt, um pieper guriief« 
gulepren." 

Der 3imnterperr ttidte beiftimmeitb tufb ftanb 
halb nachher reifefertift ba. TOabame 93ieunicr 
trat jept auf ipn gu, erftviff feine 9tccpte unb 
faftte mit bemeftter Stimme: „@ott ftebe 6 ucp 
feinen ©egen unb laffe 6 ucp ftlüdlicp bie $eimatp 
erreichen!" 9?ou biefem 5Bunfd)e begleitet trat 
ber Silbfcpniper feinen SBeft an, ber ipn in bie 
9hie 9topale fiipvte, mo er im tiefen ©epatten 


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$edjt muß Sedjt bleiben. 


149 


bei Calais Sruitebille berfdjtoanb. Sängl btt 
auSgebcljntcn 3?ront bei alterthümlidjen ©eböu» 
bei, bal fouft am 9lbenb glänjenb beleuchtet ju 
|ein pflegte, brannte Ijeute nicht eine einjige 
fiateine, unb fo glich *3 in feinen Umriffen, 
welche fiel) am ©ud)t()imuiel abtjoben,- einem 
fchroarjen 'Jliefenfarqc. Selbft ber fteinerne ©or» 
bau, unter welchem bie oorfaljrenbeu ©quipagen 
ju halten pflegten, tag heute in fyiufternifi ge» 
hüllt ba, unb nur im ©ortierftübd)en, bal jid) 
unmittelbar neben bemßingange befanb, brannte 
ein einfamel Sicht. Set portier, ein im Sienfte 
feiner ^»errfr^.ift ergrauter Siencr, begrüßte 
freundlich ben 9(nfömmling unb führte ihn fo» 
fort bie mit bieten SEeppidjcn gefrfjmucfte SEreppe 
empor. 31« einem ber toeiten Sänge öffnete ber 
9llte eine 3immertl)ür unb erpichte ben fremben 
jungen ©lann in bein ©ernad) bie $errfd)aft ju 
enoarten. 

9113 fi<h ber ©ilbfdjiiijjer allein befanb, ftürm» 
ten bie ©efiiljle ber 9lngft, ber bangen Grmar» 
iung unb ©eugierbe burd) feine ©ruft. 3unäd)ft 
laufchte er nah ben wilben Sönen, bie et braujjen 
berttomnien, hoch tiid)t3 unterbrach bie im ©alail 
herrfdjeube Stille. ^eftt erft fajjte er fich ein 
£>erj unb fap fich in bem eleganten ©emache 
fdjiidjtcrn um. Sie fd)W.irjgeKeibcte grauen» 
gcftalt, welche jept bie ©orf)ünge ber bem ©in» 
gang gegeniiberliegenben Slfür auleinanbcr 
fdjob, pafite jeboch nicht ju bem ©laitj bei ©e» 
mah3, bielmehr bereinigte fich bie ernfte ffarbe 
ihre3 ©em.mbel, foroie bie tiefe SErauer ihrer 
©efidjU.'iüge ju einem ernften, faft büftcren unb 
trüben ©iiee. ©lit einer £)anbbemegung lub fie 
beit ©.ift ein ©lafc ju nehmen, ©rft |e{st, Wo 
ber fiidjtfch.’in ber 9lmpel auf ba3 9lntli|j ber 
©larquife fiel, ertannte ber ©ilbfdntifcer bie 
auperorbeuttiche Schönheit ber noch jugenblichen 
grau. 

„Surdj ©larion erfuhr ich, bafj Sie ein ßanbS» 
’mann Don mir fiub," begann fie mit ihrer melo» 
bifdjen Stimme. „3u bienen," lautete bie 9lnt« 
u»ort bei ©aftel, ber 9lngefichtS ber frfjöncn 
^errin bei $aufe3 ungemein üerlegen geworben 
war, „Oefterreidh ift mein ©aterlanb — eigent« 
lieh ©öhmeu.. .bod) bin ich nicht bort geboten." 

©in fanin fichtbarel fiächelit h<if<h*« über bie 
trüben ©efidjtljüge ber ©iarquife, bann fuhr fie 
fort: „Sie finb mir all fianblmann boppett 
milltoinmen unb ich betreibe Sie, bafc Sie nach 
bem fdjönen Oefterreich juriidfcljren bürfen." 

„könnten ©W. ©naben bal nicht and) ?" fragte 
ber öilbfehniper befcheiben. Sie ©iarquife -fdjiit» 
telte traurig bal feböne $aupt unb ihre tief= 
blauen 91ugen lämpften fichtlich mit Sfjränen, 
mühfain fäfete fie fich unb nahm bal ©efpräd) 
wieber auf. 

„Sie nennen fich ©belberf? ... Sinb 
Sie bielleicht eilt 9lbfömmliug bei abeligen @e« 


fhlechtel, bal in Oberöfterreich fein Stamm» 
fdilof! hat?" 

„3th-.-ich glaube nidtjt," ftotterte ber junge 
©lann, „beim mein ©ater ftanunt aul ©öhmen, 
wofelbft mein ©rojjbater Stabtpfcifcr war." 
Sie Same warf plöfjlid) einen ©lid auf bie Uljr, 
bie feitwärtl auf einem prad)toollen ©iarnior» 
famiufiinl ftanb, unb tief: „Sic 3 e 't entflieht 
nnb ©ile that noth ... 3ft 3huen *> er $ibed 
Shrel ©efudjcl Iji« betamit V" wanbte fie fich 
plcplidj bem ©afte wieber ju. Serfclbc berneiute 
unb tljcilte ber ©iarquife bal SBenige mit, mal 
er bon ©labame ©ieunier erfahren. „Sa, ja," 
tief bie Herrin bei Kaufes in wärmerem Sone, 
„©iarioit ift eine treue, berfd;wiegcue Sieuetiit. 
Surch fie erfuhr id) aud) bie ©ijrlichfeit 3h veß 
0' hnrnftcrS, £crr ©belbed, unb nachbem id) Sie 
perfönlid) näher leimen gelernt, h f !l c auch ich 
bie fefte 3uberfidjt, bafi ich 3hnen, bem Sanbl» 
manne, bertrauen barf unb lieber fein lann, bon 
Shneit nicht berrathen ju werben." 

fieopolb ©bcltcd ftarrte bie bornchme Spreche» 
rin jnerft erftauut an, bann aber (oberte mächtig 
bie flamme ber ©egeiftenmg für bie bornchme 
Sanblmänniu in feiner ©ruft empor unb er ge» 
lobte ber ©iarquife unbcrbrüchlidjcS Stillfdjirei» 
gen. „3hrer ©erfdjwicqenljeit bin i<h fidjer," 
äufjerte bie ©iarquife, fügte aber glcid) mit einem 
fdjwcrcu 9ltt)cmjuge tjinju: „©erbe id) aber and) 
auf Shre £>ilfe rechnen tönnen? 3<h h<ibe all 
eine ber ©efpielintten ber uugliidlidjcn «önigin 
©lari» 9(ntoinctte eine freubcnreid)e S'igenb ber* 
lebt unb folgte gern ihrem ©hmfdjc, all fie mich 
nach ©erfailtcl an ihren $of berief. So warb 
ich ber ^leimath ungetreu, ja, brach getbiffer« 
mafecu mit ihr, ba ich bem ©larquil Sruncoiflc 
bie f)anb reifte. 9luch in fUaulreich lädjelte mir 
bie Sonne bei ©lüdl, ich fdjctifte meinem ©at» 
ten bor jehn Saljrcit ein Südflerdjen unb bie 
Keine Souifon War unfere griifjte ffreube»" 

Sie ©iarquife bebedte fuh abermals bie 9lugat 
unb fe^te erft nad) längerer Ißaufe ihre ©tit« 
theiluna fort: „9ltcr ad)! bie wilben Stürme, 
Weldje feit bier 3al)reu in ©aril wütljen unb 
ben 4>of unb uni jmangen, bal fd)öue©erfaillel 
ju berlaffeu, brauften auch über unfere Häupter 
bahin. ©rlaffcn Sie c! mir, Shunt alle bie 
wibrigen Sccncu ju fchilbern, unter beiten wir 
feitbem ju leiben gehabt. Umfonft befd)wor ich 
bie Königin, bal frebclljafte sparil ja bertaffen 
unb mit mir nach Ceftcrreid) juriidjutchren; ber 
Stolj ©tarie 9lntoinette’l gab bicl nidjt ju, bis 
fchlicjjlich bo<h bie flucht gewagt würbe, welche 
fo überaus unqlüd(id) enbete. Srrp allcbem 
glaubten wir nidjt, baft bie ©ntartnng belfran» 
jöfifchen ©oltel fo weit gehen werbe, fclbft bor 
einem fiöniglmorbe nicht jurüdjufchreden. 2Bir 
hatten uni oerrechnet. Ser ©aum ber ©eooltition 
mufetc, wenn er gebeiljen follte, mit bem ©Inte 


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150 


ließt muß ließt bleiben. 


jui ItönigS getriinlt werben» unb fo fiel baS 
ftaupt bcs avmeit Submig. Stunnteßr war ber 
Üufaiig gemaßt, mib ber Pöbel burfte fiß 311m 
plntbab vüften. 3cf) aßnte es, baß anß mein 
©atte als iejjter Sprofje eines ulten 9 lbel 3 « 
gefd)leßtes augellagt werben würbe, — feit 
gejteru fßmaßtet er im Sterfer unb halb wirb 
and) er if)m 311111 Opfer fallen! 3 ß werbe mei« 
neu Sittmenfßiner3 nic^t lauge 311 ertragen 
haben," fuhr fie fort. „Pou put linterrißteter 
•Seite weif) iß, baß bie blutige Steiße and) an 
bie grauen ber ßiugefßlaßteten Opfer fommen 
wirb, SJtarie 9 lntoinette folgt alsbalb bem ßö. 
nige naß ... unb iß meinem ©atten. 3$ 
fürßte miß nißt oor bem Oobe," fügte fie mit 
einer bittenben Bewegung gegen ©belbed, ber fie 
unterbrechen wollte, ßi 11311, „nur baS Sßidfal 
meiner Souifon, meiner lieben, {feilten Souifon 
beliimmert mich tief. 9 leßnliß wie iß, beult 
nucß bie Königin, unb nufer ßeißefter Sunfß 
gipfelt bariu, baß wir unfere Ütiuber nach Oefter« 
reich gerettet feßen, eße aucß für fie baS fiirß« 
terliße ßereinbricßt. So aber finbet 

ftcß ein fo treues. mutßigeS ^»erj, baS ein folcßeS 
Sagniß unternimmt V 

Oie 'jjiarqu ife blicfte bei bicfeit Sorten ben 
jungen Pilöfßuijjcr fo burßbriugeiD au, als 
wollte fie in feiner Seele lefen. (Sc oerftanb 
ben geßeimen Sinn ber grage, eS warb ißm nun 
flar, warum man ißu in baS Palais Pruneoille 
gerufen unb er eutgegnete mit fefter, weuufcßon 
bewegter Stimme: 

„(SS ift fcßöit 001t SJtarion, baß fie, Slngefißts 
ber Pebroßung ißreS Keinen Pfleglings, an einen 
armen Purfßeit gebacßt ßat, in beffen ©ruft ein 
folßeS mutßigeS £>erj fßliigt. £icr ift meine 
£>anb, grau fDlarqnife, ich ftrenge alle meine 
Äcräfte au, bie Keine Souifon 311 retten. 9 lber 
wie fallen wir aus bem Stßlo)) unb ber Stabt 
enttommen ?" 

„( 5 $ ift SlfleS 31U gluißt oorbereitet," fußr bie 
glüdliche SJtutter fort, „unb obgleich baS Palais 
bon Poli3eifpioiten bewußt wirb, werben Sie 
mit meiner Souifon bennoß glüdliß eutfommeu. 
SJtarion foll 3 ßiien baS Steigere mittßeilen." 

„Unb bie ifinber ber flönigin?" fragte ©bei« 
bei in gefpanitter Erwartung. „SaS gefcßießt 
mit biefen?" 

„Stoß haben mir ben plan 3U ißrer glncßt 
au§ bem fJerler nicßt erfontten," gab bie SJtar* 
quife befümmert 3uriid, „boß ßofft SJtarie Stil» 
toinette oou'ißrem faiferlicßeit Steffen grans, 
baß er reßtaeitig £>i't(fe fenben wirb. Oie leßte 
Pitte, Welche iß an Sie ßabe, mein junger 
grcunb, geßt baßiu, einen Prief ber ungliid« 
ließen Königin bem Äaifcr bon Oefterreiß 31t 
überbringen, bainit er bie entfeßliße Sage meiner 
feßmergeprüften gremtbin leimen lernt. Sollen 
Sie aucß bieS auf fieß neßmen?" 


©belbed ßebaeßte fiß feinen Slugenblid, beim 
baS Sßidfal ber löniglißett gainilie fßnitt ißm 
gleißfalls tief in’S #er3. 

Oie Oßüre öffnete fiß unb ßerein trat SJta« 
rion. „jpaft bu bem armen ilinbe baS Stölßigfte 
mitgetßeilt V rebete grau 001t Prunebiüe bie 
treue Oienerin an, weldje ftutnm mit bem Stopfe 
nidte, ba Oßriuen ißre Stimme erftidten. „So 
geße iß jeßt 311 meiner füßen kleinen," erflcirte 
bie SJtarquife naß fur3er Paufe. „Perftiinbige 
inswifeßen fjerrn ©belbcd bon nuferrn Plane 
unb ben babei 311 beobaßtenben PorfißtSmaß» 
regeln. 3 <ß teßre halb mit Souifon ßießer 3U« 
riid, benn bie ßeit eilt unb mit jebet Stunbe 
wäßft bie ©efaßr." * 

Stoßbein bie fierrin baS ©emaß berlajfeit, 
trat SJtarion auf ben jungen Pilbfßnißer ju, 
fßiittelte ißm bie £mnb unb fagte mit großer 
4 ?er 3 lißleit: 

„3ß ßabe miß in 3ßnen nißt getäufßt, £err 
Seopolb, Sie finb ein bracer, guter SJtenfß, bem 
©otteS Soßn unb Segen nißt auSbleiben wirb." 
Sie tßeilte ißm hierauf in ausfüßrlißfter Seife 
bieSJtaßregelu mit, weiße 3ur glnßt ber Keinen 
Souifon getroffen waten unb naß beiten fiß 
(Sbelbcd genau rißten mußte. 

„ 9 luß 3 ßr 9(ii3iig bebarf einer Slenberuug," 
fßloß SJtarion, „Sie feßen uoß immer 3U uiel 
naß einem Slriftotratcu auS" unb mit biefeu 
Sorten fßob fie ißn in ein Keines Stebengemaß, 
wo alles Stötßige 3U einer Pertleibung beS jun« 
gen SJtauiieS bereit laq. SJtarion wartete auf 
ißu im 3inmter ber Ptarquife unb 3eigte fiß 
mit bem «leibermcßfel 3ufrieben. 3" ber Oßat 
foimte ©belbed jeßt für einen äßten Stepubli» 
lauer gelten. Oie £>aare ßatte er fiß tief in 
bie Stirne gelammt unb auf ben Stopf eine rotße 
3nfobiuermüße geftülpt, wiißrenb umbeuCber- 
törper in feinem buiitelguiueu grad eine breite 
toreifarbige Pinbe gefßiungeu war. ©ug an« 
liegeube Peinlleiber unb Stappenftiefel üolleube«' 
teii ben feltfamen 9111311g. 

Palb naß ©bclbed trat miß bie SJtarquife 
in’S ©emaß, boß crftauiite ©rfterer, als er au 
ber Seite ber fßöneit grau einen Stiuibcn, ftatt 
eines PtcibßeuS erblidte. Oer 3 >rtßum löfte 
fiß iubeffeu halb; bie SJtarquife ßatte, ber grüße« 
reu Pequemlißfcit wegen, ißr Oößterßen als 
Knaben berlleibet. ©S War oorauSsufeßen, baß 
bie glnßt bis an bie Oftgrense granfreißS nißt 
oßne £>inberniffe oor fieß geßen werbe, ja, eS 
fonnte fogar ber galt eintreten, baß bie weibliße 
ftleibung Souifon auf ber Steife liiftig, woßl gar 
oerberbliß warb, grau 001t Pruueoille ßiin» 
bigte bem Pilbfßnißer ein eiferneS Itaftßen ein 
unb erflärte ißm leife, baß baffclbe Oolumente 
enthalte, weiße für SouifonS 3 «lunft Oon gro* 
ßer Sißtigleit feien. „ 3 ß erfuße Sie," fßloß 
fie in innig bittenbem Oone, „Jtäftßen unb 3n« 


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itrdjt muß $rd)i bleiben. 


151 


halt meinem bei ©Jiett lebenben ©ruber, bem 
Grafen 3tuerftein, auSjuliefent, an meinem mein 
armes Kinb einen jroeiten ©ajer finben wirb." 

Stach biefen ©Jorteu trat fie bon (Sbelbed ju. 
riicf uub nun erfolgte eine äbfcßiebSfcene, welche 
auch bem jungen ©ilbfdjnißer baS ©Juffer in bie 
äugen trieb. $ie Kleine meinte, fcßmiegte fiit) 
immer bon Steuern mieber au bie ©tarquife unb 
tief in betjjerreißenbem 2one: 

„Ob, SStama, liebe ©lama, laß mich nicht bon 
bir! &aft bu mich beim gar nicht mehr lieb?" 

„©leine Souifon mar ftets ein brabeS Kiitb," 
begann jeßt ©tarion, [ich gemaltfam faffenb, 
„fie mirb auch jeßt ber armen ©lama fjreube 
bereiten nnb biefem ©Imme l)itr folgen, ber ein 
lieber Sfreunb bon mir ift." 2)uS Kinb fdjüt« 
telte baS Köpfchen, ben jjals ber ©lütter bon 
Steuern umfchliitgenb. „®ie ©lama faitn ohne 
ben ©apa ©arid nicht berfaffen," fpracb ©larioit 
Weiter. „$)anit »arte ich, bis ber ©apa jurüd» 
lommt," erfldrte ßouifon. 

„®aburdj eben ftttrjeft bu beine gute ©lama 
in ibr ©erberben," rief bie treue ©tarion mit 
ihrer lebten Kraft. „Qrolgft bu nicht auf ber 
©teile hier meinem fyreuube, fo bringen bie 
häßlichen SStänner mit ben rotljen SJtüßen in baS 
©alaiS, morben, fengen unb rauben ustb. führen 
bie ©lama für immer bon bir fort. 3)anu fiebft 
bu fie niemals mieber —" J5ie bermochte nicht 
toeiterjurebeu, benn ber löchmerj brach ihre 
Stimme.' 3)en beabfichtigten 3™ed aber hatte 
fie burdj ihre ©orftetlung erregt, ßouifon 
blidte ftarr bie ©lütter an unb brach bann in 
ein bitterliches ©Jeiiien aus. Die äug ft, baS 
fiiebfte auf ber ©Jelt ju berliereit, wenn fie fidj 
noch länger bem ©ebote roiberfeßte, lief} fie bie 
©eben, einem fremben ©lanne ju folgen, über* 
Winben, unb fie flüfterte: „©lama, ich roill folg« 
fam fein, — oh, laß bein fleineS ©läbchen nicht 
jn lange alleiir." 

3>ie arme ©lütter lächelte burd) Dfjränen, noch 
einmal preßte fie ihren ßiebling an ftdj unb be» 
fahl ihn in briinftigem ©ebet bem ©djuße ©ot* 
teS; bann übergab fie ihn Gbelbcd, meiner auf 
einen ©Jtnf ©larionS fchnelt bem äitSgauge ju* 
fchritt, um fo rafch, als möglich, baS ©alaiS ju 
betlaffen. Die in leßterem ein. unb ausgehen« 
ben ©erfonen mürben jeboCß oon ben in ber Stäbe 
laueruben geheimen ©olijiften fCßatf beobachtet 
unb troß ber republitanijchen Kteibung ©belbeds 
machten fie mit ihm teine äuSnaljme. ©lüd* 
licbermeife mar man jeboCh im ©alaiS barauf 
gefaßt gemefen, unb obmohl ©belbed bemertte, 
baß brei ©olijifte« ihm nachfdjlidjen, blieb er 
boCß rußig unb banbeite feinen SnftruEtionen 
gemäß. 

ßtroa in ber ©litte ber ütue Stopale ftanben 
mehrere ©liethtutfChen, bon benen ber ©ilb* 
fdjnißer eine anrief. Der Stoffelenter tarn mit 


feinem ©efäljr fofort heran, ßbelbed nannte als 
baS 3iel ber fjahrt eine ©traße in ber innern 
©tabt unb flieg hierauf mit Souifoit in bie 
Kutfche. ©JäJjreuöbein waren bie brei ©oliiiften 
heraugeEonunen unb meChfclteu mit bem ©lietb* 
Eutfcher ein paar ©lide beS ßinberftänbnifjeS. 

Stach einer langen fjfahrt hielt ber ©Jagen in 
einer ©eitengaffe bor einem alten, fefjr bau* 
füUia auSfehenben ßaufe. ©belbed erfuchte ben 
Kutfcher, ben Klopfer an ber £auSthüre in ©e* 
megung ju feiten, ©alb ließen fi<h in bem in* 
nern 3(ur ©Cßritte beruehmen unb ein ältlicher 
SJlaun erfdjiett, ber große äehnlichfeit mit bem 
©ortier beS ©alaiS ©runebiDe hatte. (Sr fpielte 
ben Ueberrafchten, feinen ©Cßmiegerfohn unb 
(Sutel — wie er (Sbelbed unb bie Eleine Souifon 
bejeidjnete — noch <» fo fpäter StaChtftunbe ja 
feßen, uub eilte fobann mit bem berfleibeten 
©läbchen über ben ©orfaal einem 3iu"»rr ja, 
beffen SLßüre er halb offen ließ. 

febelbed ftanb noch auf ber ©traße, um bem 
SJtietßfutfdjer ben Fahrpreis ju jaßlen, ba er 
aber in ber Duitfelßeit bamit nicht juredht fom* 
men tonnte, fo erfuchte er ben Stofjelenter, ihm 
in baS offenfteßenbe 3iu<mcr bc§ ©rbgefcßoffeS 
ju folgen. Der Kutfdjer nidte unb begab fid), 
an ber ©eite (SbelbedS, in baS bejeidjnete ©e* 
mach. Kaum hatte er jeboch bie ©djmelle bef* 
felben Übertritten, als er fi<h ßinterrüds gepadt 
unb Iräftig borwärtSgcftoßen fühlte. ©leiCh* 
jeitig marb bie offenfteßenbe SLIjüre in’S ©Cßloß 
geworfen. 

„(SS gefdjieljt bir nichts," raunte beni ©efef* 
feiten bet greife Wiener ber ©tarquife ju, mäh* 
renb jmei anbere träftige©tänner, bie alS@ärt» 
nergehülfen im ©arte ©ruitcbille’S tßätig ge* 
mefen, bie ©tride noch fefter anjogen. ,,2'Jir 
Wollen nichts, als beiuen ©aß unb beiiten weiten 
KutfChcrmantel." 

2)ie ©rieftafChe, in Welcher bet Kutfdjer baS 
wichtige $otument berroaßtte, mar balb gefun* 
ben unb roanberte fammt bem KfcibunqSfiiid 
fofort in ©belbedS ©efiß. ,,©o, unb jeßt fCßleu* 
nigft fort," fagte ber alte treue Wiener jufrie* 
bengeftellt, „beim bis morgen früh niüßt 3hr 
fCßon weit bon ©ariS fein." 

3njmifchen hatte (Sbelbed ben KutfChermantel 
umgeßangen, bie ©eitfdje beS SloffelenterS bom 
©oben aitfgcnommen, uitb ben ©od beftiegen. 
Stonn erfolgte ein turjer ©bfeßieb unb gleich 
nachher mürbe baS fchmhjliche ©Jeinen beS im 
©Jagen fißenben SSldbcßenS bou bem Stollen ber 
SRäber übertönt. 

$aS gefährliche Unternehmen, jn weichem fiCß 
©belbed hatte gewinnen laffeit, mar nun boü« 
ftänbig im ©ange uitb es galt jeßt SJluth uub 
unb ©efonnenheit ju jeigen, benn nur auf biefe 
©Jeife bermodjte er baS ©erfprecheit, welches er 
ber ©tarquife in ©etreff SouifonS gegeben, ein* 


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152 


Hedft muß jied)t bleiben. 


juljaften. ©alb lag ©ari8, bie Stätte ber 
Sd)reden, fjinter ben Oteifeubeu. Ser initge* 
noinmeue ©aß batte bei’ni ©affiren be§ St)ore§ 
(jute Sieuftc geleiftei uiib ba» innere ber '.Uiiet[)= 
futfcfje tu.n - itidjt einmal oifitirt roovben. Sie 
aufgcftellteu 28dd)ter batten jeßt Sag uiib 9Jadjt 
genug git tbun uiib loaren froh, menn ber 38a* 
gen eine» oerbiiubeteu ©JietbfutfcberS fie ber 
tUtiibe flenauer Unterfud)ung enthob. ©efattb 
fid) mirtlidj etma» ©erbad)tige§ barin, fo flab 
ihnen ber Dioffelenfer fc^ou ein geheime» 3ci<b *'• 
fjür bie in ber Umgebung non ©ari» fleleflcnen 
Stabte unb Sörfer reifte ber ©aß be§ ©lietf)* 
tut über» gleichfalls au»; fpäter fab fiib ©belbed 
jebod) flenötbiflt, jebe Octfcb.ift gw bermeiben, 
beim iiberafl nahmen bemaffuete ©iirger unb 
©atrioten jeben anlaugenben gremben in eilt 
fcbarfe»$heugoerbör, betätigten feine aint(i<ben 
©apiere unb ©rieffchafteit unb fd)lugen in tan* 
gen Siften itadj, ob fid) fein ©ame nicht als ein 
Derbiicbtifler barin befinbe. Sie Sicherheit 2oui* 
fonä fliufl ©bet beet über 2lfle8 unb er bequemte 
fid) lieber gu {troffen Untmeflen, als baß er fie 
irfteitb eiltet ©efafjr niujfejjte. Sieben Potte 
Sage butte bereit» bie gaijrt gcmiibrt, a(» am 
nd)teu bie ©eifenben fich © t r a fl b u r g näher* 
ten uiib © r m i n § berühmter ©au, ber beulidje 
Soitt, aut fernen £>origont einporftieg. Ser 
©iünftertburm biente ©belbed gcmifferntaßeu 
als 23arnuitg3geicbeu, ba er ibnt bie ©idjtung 
angab, melche er tt i db t Perfotgeu burfte. ©r 
bog batjer bon ber breiten 2aitbftraße atsbatb 
ab unb uerfotgte einen ©ebeitmeg, ber ficb füb» 
öftlid) nach einem 28albe gog. Serfetbc mar 
halb errcicbt; ba fid) jebod) bie gabrftraße noch 
mehr üerengte, fo flieg ©belbed Pom ©od ber* 
unter unb ging neben beut ©Jagen ber. SaS 
Suitfel beS ©falbes breitete ficb immer mehr unb 
mehr über baS ©efeibrt, boeb louvbe bie berr* 
fdjenbe Stille gar bctlb burdj ein fräftigeS „$al* 
lob!" unterbrochen, baS uoit gmei oerfd)ieöenen 
Seiten ©rmiberuug fanb. 

„©roßer ©ott, ma» ift ba§?" flüjierte ©belbed 
erfchredt Por ficb bin unb bedte unmitlfürlicb ten 
28agenfc(j(ag mit feinem ©iiden. gn bemfelben 
Slugeublide raufebte e» aber aueb fdjon in beit 
©iifcbeit unb halb fa() ber ©ilbfdjniJjer ten 28a* 
gett Pou einer 3ofjl milb aitSfebeitbcr ©Jänner 
umringt. „3Ber feib 3br ? ©fo Joutint 3b r 
ber? 38a» hobt 3br ba brinnen int ©fagett?" 
©in folcbeS Surcbeiunnber oon fragen (türmte 
jeßt auf beit ratblofeit ©belbed ein, mäbrenb er 
fid) Pon ber SBagenthüre meggebrängt fab unb 
gmei ber ©Jauner bie gitternbe Öottifon aus bent 
Sintern holten. Sie rotlbe ©efellfcbaft bebiente 
fid) ber beutßhen Sprache unb biefe befannten 
Sötte ber ^eimatb oerliebeit bent jungen ©ilb* 
feßnißer neuen ©Jutl) unb neue flraft. 

„3urüd, ©erroegene!" fd^rie er bem ©aare 


gu ( toeldjeS ficb feiner Scbußbefofjleiten bemädj* 
tigt hotte, „©fie 3be ottS meiner ifleibttng er* 
fcfyt, bin id) ein guter ©atriot, uitb biefeS Üinb 
hier ift meine Scbmefter. ©in echter grau* 
gofe überfällt feinen 2aitb§maun nicht mie eilt 
'Jtauber." 

„3tij gratigoS," lärmte bie Schaar, unb jefjt 
erft evfanute ©belbed, bafi er es mit elfäffifd)eu 
3 igemtern gtt tbun hotte, bereit Häuptling, ein 
bod)gemad)fcner, fräftiger ©Jattu mit einem 
langen ©follbarte in gefpaitnter ©rmartuiig ben 
beibeu gefangenen greinben eittgegenfah. 


3>ociteS flapitel. 

Pie Sdjrecfeettsberrfdjaft in Straßbarg. 

3luf bem breiten 2Balbpfabe, melcber Pott einem 
in ber ©äße gelegenen ©ergfcbloffe in bie 9iie* 
berttng führte, ritten in ber©iorgeubnmmeruitg 
gmei ©Jänner. Ser ©eitere oon ihnen hotte 
mehrere Sage auf bent Sdfloffe gugebradjt, unt 
eine ©erföhnung mit bent ©igeutßüiuer angu* 
bahnen. Siefelbe fdjien gcglüdt gu fein, beim 
ber Schloßbm, ©raf b’&aitnaigue, ritt dn 
ber Seite feines ©elftes, beS ©anlicrS Sind* 
beim, um ihm ba§ ©eleite uorf) Slraßbtirg gu 
geben. 3nt Shale angelaugt, ließen fie bie 
©ferbe in eine fdmcllere ©angart übergeben.* 
©S mar bie§ um fo uötbiger, ais fie bie clfäffi* 
f<he Cmupiftabt noch fvüb aut ©Jorgen erreichen 
moüten. yjttr gumeilen giigelteu fie ben Stab 
ber ©ferbe, menn baS Pott ihnen geführte ©e* 
fpriid) einen befottberS miebtigen ©egenftanb be« 
rührte. Saffelbe banbeite oon beit betritbenben, 
unbeilbrittgenben ©orgüngeti iit Strafsburg, in 
teffen ©Jauern gleichfalls bie 'Jleoolutioit tobte, 
genau nach bem ©orbilbe, mie c§ ooit©ari§ au» 
gegeben morben mar. 

„3ch höbe bie» ?l(le§ tomineu febeu," üufjerte 
ber ©raf, ein ©Jaitn oon etlichen oiergig fahren 
unb ein guter ©riftotmt, gu feinem ©egleiter. 
„gern fei e» pon mir, bie ©erbienfte 3b«3 
greunbes S i e t r i d) gu beftreiten, bennoih gab 
er btirdj feine allgtt große grcibcitsliebe beu ?lii= 
trieb gu ber Scbrcdcnebcrrfchaft, bie jefjt über 
Straßburg unb baS Glfaß bereinbriebt. Schott 
al§ er por brei gabreit gttm ©ürgermeifter Pon 
Straßburg gemäblt mürbe, foitbcrte ich mich mit 
meiner ©artei fofort oon feinen Oielen grettitbeit 
ab. ©Jan fdjmabte mich beöbolb, ich befallt fo 
manches horte 3Bort gu hören, felbft 0oit3bueii, 
©err Sürdbeim." 

„28er hotte aber auch beuten föitnen," ftid)te 
fid) ber ©anfier gu entfcbulbigen, „baß bie Singe 
in Straßburg eine fo febiimme SSfenbung nehmen 
unb bie 9Jepo(ution»inänner ben Sturg meines 
Portrefflichen greunbeS hfrbeiführen mürben ?" 


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Jtfdjt muß $ted}t bleiben. 


153 


Oer ©raf lachte grimmig in fi<h hinein uub 
rief mit großer Sebhaftigfeit: „©eit bem Oage, 
wo 3br fyveunb einem Wanne, wie Eulogius 
©djneiber, bie Eutlabung, fich in Straß» 
burfl ausufiebeln, iiberfdjirfte, faf) id) bieS bor» 
auS; benn ich roufjte, bufj biefer bevhaßte Oeutfche 
jroar eine flnte Ergießung genoffen, troßbem aber 
eine leicßtfinnifle ^ugenb hinter ließ hotte, unb 
baß er, feiner vebolutiouären 3 beeu halber, fei=- 
neS SlmteS als ©rofeffov in '-Bonn entfeßt mürbe. 
2öaS aber ttjat Euer Sreunb Dietrich ? (Sv Inb 
biefen ©törenfrieb ber bürgerlidjeu Orbmnifl, 
beffen [ich feine eigenen Sanbsleute entäußert 
hatten, nach ©traßburg ein. £)ätte er freilich 
geahnt, baß ©chneibev nur ju balb fein grim» 
miflfter fffeinb unb ein gliihenber ©ertßeibiger 
berSteoolution merbeit mürbe, fo märe bie folgen» 
fcßwereEinlabuiig ficherliih unterblieben." „Oh, 
Sie hoben leiber nur 311 Stecht," bevfeßte ber 
Sanfier SEiircf^eitu fchnterjlid). „Stoch öor 3fa^= 
resfrift mürbe Stiemaub fleglaubt haben, baß ein 
Ehrenmann, mie Oietrich, ber mir baS ©efte ber 
©tabt gemollt, uub ben bie Semohner berfelben 
auf alle erbenfbare ©Seife geehrt, baß ein foldjer 
Staun burch uiebrige ©erlüumbung geftüvjt 
loevbeu tonne!" 

,,©ie haben gefehen, baß ©djneiber mit fei» 
nem Slnßang ft© bamit nicht jufrieben gegeben 
hat," lächelte ber ©raf fpöttifd). „Oietrich mürbe 
tum ber Stationalberfanimlung in Sntlagejuftanb 
berfeßt uub mürbe unter ©ebeduitg nach ©oris 
oerbvacht loorben fein, hätte er fich nicht biefer 
Schmach burch bie flucht entzogen." „(Sr mar 
aber Ehrenmann genug, ufn fich menige Wonote 
fpiitet freiwillig ju ftellen," fiel Oiircfheim rafch 
ein. 

„Unb welche ©ortheile hatte erbauon?" fragte 
ber ©raf, mitleibig bie Sldjfeln pefenb. „(Sr 
rourbe nach ©ariS gebracht uub bafelbft in’S ©e= 
fängitiß ber Slbtei gefeßt, um nach einigen 
SBochen nach ©traßburg juriicfgebracht unb aber» 
malS eingefperrt 311 werben." 

„Sergeffeit ©ie bodj ia nicht bie ©emeife treuer 
Slnbünglichfeit uub ©erehruug, welche bem ehe» 
maligen ©iirgermcifter miihreub feiner £>nft 311 
3:heil geworben finb," tief Oürdheim unb jügelte 
gemaltfam fein Stoß. 

„2öaS ttüßen alle (Sheenbejeugungeit, wenn 
baS Sehen burch eine mächtige Partei bebroht 
wirb?" äußerte geringfcßäßig ber ©raf. „Oodj 
wir wollen hoffen," fügte er in gemeffenem 2 on 
hinjn, „baß bet jeßt erfolgten ^reifpredßuug 
OietridjS nicht eine neue Sin finge folge. Stoch 
möchte ich für bie Sicherheit feines StopfeS nicht 
garantirett." 

OaS ©efprädj fanb hier feinen Slbfchluß, benn 
iürefheim Oerfiel in ein büftereS Stachfinneit, in 
Welchem ihn ber ©raf um fo weniger ftörte, als 
auch ihm allerlei ©ebanfen über ben gegen» 


märtigeit fchlimmett ©tanb ber Oinge burch ben 
ftopf treujten. UnroiUtürlid) gaben bie beiben 
Steiler ihren Stoffen bie Sporen, fo baß es nun» 
mehr in ßharfem ©alopp auf ©traßburg p= 
ging. SJtan hatte fid) ber altehvmürbigen ©tabt 
bis auf Schußweite genähert, als Öürtfheint, 
mit bet rechten £>anb bieSlugen befchatteub, plöß» 
lief) begann: 

„Oäufcßt mich baS matte Sicht beS SJtorgeitS, 
ober ift baS Sheuj bom Wünfterthurm oer» 
fchmuitben ?" 

Oer ©raf folgte mit feinen ©liefen ber an« 
gegebenen Stidjtuug unbermiberte bann in großer 
Erregung: „ 2 Baf)rhaftig, eS ift gegen eine große 
Slatobiuermüße Dertaufdjt worben! ©Bäßreub 
3 ßrer Slbmefeuheit, ,ßerr Oürtfbeim, fcheiueu in 
©traßburg wichtige Oinge borgefalien 311 fein." 

Oicfe ©efiirchtung traf leiber nur 311 feßr ein, 
wie bie beiben Steiler olsbalb erfahren füllten. 

©öbelßaufen jogen lärmenb unb StebolutiouS» 
lieber fingenb burch bie Straßen, boeß tierfolgten 
alle ein uub baffelbe 3 H nämlich ben ©arabe» 
plaß, wo .mäßrenb ber leßten Stacht bie in ganj 
gvanfveid) eingeführte ©uillotine auf ^d^em 
©chaffot errichtet worben mar. 

Unfere beiben Steiler, bereu Erftauneit immer 
mehr wuchs, ließen fich willenlos bon bem 
Wenfd)enftrome fortreißen uub erfuhren auf 
bem SBege nach bem ©arabeplaß, baß Eulogius 
©dpeibev and) im Elfaß bie Einführung bon 
StebolutiouSgerichten burchgefcßt habe, auS fei» 
ner.bisherigen Stellung gerieben unb bon bem 
neuen ©ürgermeifter S)touct 311 m öffentlichen 
Slnfläger ernannt worben fei. Oer ©raf warf 
einen bielfagenben ©lief auf Oiivefheim, welcher 
ferner auffeufste. ©eibe SMinuer fannten bie 
furse ©roseßart ber blutigen 3tebolution£gevid)te, 
bereu Urtheil entmeber auf Oob ober ©evweifung 
aus bem Sanbe lautete. Eulogius Sdjueiber hatte 
nunmehr fein 3 »el erreicht unb fonnte in ber 
Eigenfcßaft eines öffentlichen SlnflägerS einen 
Seben, bev ihm luftig erfeßien, bem ©chaffot 
überliefern. 

9lm heutigen SJtorgen füllte bie feierliche Ein» 
meihung ber ©niflotine erfolgen. 3um Cpfer 
waren drei junge ©nrfeßen äuSerfehen, welche 
gegen bie ©cfcßlüffe bev SchrecfenSmäuner re» 
beiiirt hotten. 

Stoch on bemfelbeit ©ormittage würben auf 
©cßneiberS ©efeßl 30 1)1 reiche ©erhaftmtgen bor» 
genommen. Er hotte eine Sifteanfertiflv.i laffen, 
welche bie Stameu ber ihm berbächtig erfcheinen» 
ben ©erfonen enthielt, unb es fiel ihm bei feiner 
SJtachtfteflung nid)t fdiwer, unter irgenb einem 
©ovmanbe bie erforeneu Opfer berljoften 3 U 
laffen. 

Oer ©raf b’£>annaigue ßanb gleithfollS auf 
biefer Sifte, 3umal er fein ^iehl barauS machte, 
baß ißm bie ©Mllfürherrfchaft ber ^afobiner ber» 


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154 


Heißt tnufj Heißt bleiben. 


haßt fei. ©iö^er war er inbeffen Sdjneiber uub 
feinem Sufjang gefcßidt auSgewicßen. $>er 
öffentlidje Snfläger batte itju uub 3lürcfüeint 
unter ber gur ßinricßtung ^erbeifleftrömten 
Stenge bemertt. Ma$ berfelben ritt er auf baS 
(Paar gu unb faßte mit unheimlich leifer Stimme 
uub funfetnben Sugen: „©3 mirb (Sud) freuen, 
(Bürger £>aunaigue unb Üürdheim, baß 3ßr 
bemnäcbft ©elegenljeit erhaltet, (Stieb als gute 
Patrioten gu erwcifeit. Fd) feitne (Suere wohl* 
toollenbett ©efinnungeit gegen mich unb bie Sache 
beS (BaterlanbeS, feib baber gewiß, baß id) 
©uerer nicht »ergeffen werbe." Mach biefen 
©orten teufte er fein ipferb ab unb fprengte 
baoon. 

$ie boppelfinnigen ©orte beS 3atobinerS 
»erfehlten meber auf beit ©rufen, noch auf ben 
(Banfier ihre ©irfung, unb in fdjtoerer Sorge 
um bie 3ufunft trennte fichJjaS (paar.- 

©twa um bie nämliche Stunbe, n>o b’#au» 
liaigite ber Stabt ben Süden Waubte unb nach 
feinem (Bergfcßloß gurüdritt, langten in ber 
Stabt gmei Siänner an, welche ooit bem (parifer 
(Blutrath nach bem ©(faß eutfenbet uub mit ben 
auSgebeljnteften (Bollinarf)ten oerfebeit worben 
waren. Sie nannten ftcb S a i n t - 3 u ft unb 
SebaS unb gehörten gu ben oevtrauteften 
Fremtbeit beS berüchtigten SobeSpierre. 
©iner ihrer £>anptgwede ging bahiu, ben 58er» 
fehwöruugen ber ariftofratifdjeit (Gegenpartei 
ninhjufpiiren unb beit fran}ö|ifdjeii ©eift im ©(» 
faß gu beförberit. Stonet begegnete ben beiben 
©ewalthaberu überaus freunblicß unb erfuhr 
Don ihnen, baß fie bie Spur gweier Flüchtlinge 
entbeeft hatten, auf beren ^abljaftwerbuitg 
SobeSpierre einen namhaften ^3 re iS gefeßt. 

„2)er eine ber Flüchtigen ift ein junger Oefler» 
reicher," fuhr ber berebte Saiitt»3uft fort, „ber 
Wahrfcheiitlich im ^ntereffe feiner Regierung gu 
(Paris fpiouirt hat, begleitet »on einem gehn» 
jährigen, als ffitabe oedleibeten Stäbchen, ber 
Sochter ber Starquife be 'Sruneoille, beren ©e» 
tnahl in (Paris hingerichtet worben ift. 2113 SebaS 
uub ich abreiften, warb au<h bie Starquife ber» 
haftet unb ihr £>aupt biirfte ingroifdjen ebenfalls 
unter ber ©uiHotine gefallen fein. ®aS Calais 
Warb ftreitg »ifitirt unb fein ©infei unburch» 
flicht gelaffen, ba SobeSpierre »iel baran lag, 
einige wichtige $o!umente in (Befiß gu befom» 
inen. Sille Machforfchungen blieben jeboch ohne 
©rfolg, unb er ift jeßt übergeugt, baß bie tpa» 
piere »on ben beiben Flüchtlingen mitgeführt 
werben." 

„Sie foKen nicht entwifCßen, wenn (Bürger 
Saint»3uft mir ihre Spur angugebeit oerrnag," 
»erfeßte (Maire Stonet mit großer ©ntießieben« 
heit. ®ie beiben ©ommipre theillen ipm nun 
mit, baß fte bie Stiettjfutfdje, beren fid) bie 
Flüchtlinge bebient, wenige Stunben »or Straß» 


bürg in ber Feme bemerft hätten. (Das ©efäßrt 
fei ihnen jeboch bei einer (Biegung beS ©egeS 
wieber aus ben Slugen gefoinmeit, inbeffeit unter» 
liege es feinem ß^eifel, baß bie (Berfolgten be» 
reits in ber nächfteu Madjt ben (BerfuCß wagen 
Würben, bie Sljeinbriide gu paffiren." 

Stonet »erfprach, bie nötljigen (Maßnahmen 
gu treffen, um beS ^aareS habhaft gu werben, 
©ine Stunbe fpäter erfdjien »or bem geftrengen 
(Biirgermeifter ein wettergebräunter Scann, ber 
im Slnfang ber (Biergiger fteßen mochte unb beffen 
Ürad)t ben 3ig f i | >t fr häuptling »erfiinbete. (Deo» 
net hatte ihn fdjon gu wieberholten (Malen in 
Straßburg gefeljen unb fid) »orgenomuien, bei 
günftiger ©elegenljeit ihn angurebeit, beim bei 
bem Stanb ber $inge tonnte man feilte (Banbe 
leicht gur (Berftärfung beS (ßöbelS brauchen. Stil 
großer Frcunblichtcit fragte Stonet ben 3<gf uner 
baßer nach feinem (Begehren, unb biefer crgäßlte: 

„Deute erfchieit ein Fwmber, mit einem iJna» 
ben an ber £>anb, in uuferm Säger, er theilte 
mir mit, baß er aus (Paris läme unb bem ©ngen, 
ben er in einiger ©ntfernung flehen gelaffen, 
fah man auch bie weite Seife an. $er F«mbe 
fudjte mich über ben ©eg auSguforfcheit, ben er 
nehmen ntüffe, unt bas rechte Sljeinufer gu er» 
reichen. 3d) aber war fdjlauer als er unb gab 
ißm ausweidjenbe Slutwortcn. S(n enblicß gog er 
eine bide SBrieftafche Ijeroor, bie mit (ßapiergelb 
gefüllt War —" 

„(Befanben fich niCßt auch ^ofutnente barin ?" 
unterbrach ihn (Monet fjaftig. 

„3 ja, ich glaube wohl, ©r Ijänbigte ntir ein 
paar biefer (Banfnoten ein unb bat mich, ihm 
mitgutheilen, wie er es Wohl onguflellen habe, 
um währenb ber näcßften Macht glüdliCß über 
ben Sljein gu fommeit." 

„Slha ... alja!" rief (Monet triumphirenb. 
,,©ie lautete beine Slntwort?" 

„(Bürger," erwiberte ber Häuptling unb fraßtt 
fiCß baS bärtige ßinn, „ich Würbe ihm »icllciCht 
ben richtigen ©cg bcfChriebeit hoben, wenn feine 
(Belohnung .nicht fo wingig ausgefallen wäre. 
So aber fagte iCß ihm bloS, er folle ficb biefe 
Macht, punft gwei Uhr, gu bem {»agenauerthore 
hereinfchleidjen unb fid) bann ttach (Morgen gu» 
wenben, fo werbe er an eine Ueberfaljrtsftelle 
beS SljcinS gelangen, ©r banlte mir turgmeg 
intb berließ mit feinem ßnaben unfer Säger." 

Unter einer Stenge »on (Büdlingen »erließ 
ber Häuptling baS SathhauS, unb Stonet ließ 
bie gange Macht Straßburg unauSgefcßt be» 
Wachen, ©nblidj erfchieit bet. (Morgen, unb halb 
nahte auch bie Stunbe, wo bie an ben Stporeu 
»ertfjeilten Solbaten ihm (Bericht gu erftatten 
hatten, hoch gegen alles ©rmarten erfdjienen fte 
mit leeren ^änben, benn Mientanb War währenb 
ber Macht burdj eines ber 5höre gefommeu. 9lfle 
(Borfehrungen, welche Stouet im (Berein mit ben 


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31« Storni*. 


155 


oeiben Gommiffären nunmehr anorbitete, blieben 
ohne Grfolg, — bie beibeit gliicßtlinge liefen ficf) 
itirgeitb# bliden unb f(bienen üon bem Grbhobeu 
öerfcßrounbe« ju fein. Ser 3ifl f unerhäuptling 
jeigte große ©ermunbernng, als er non Wonet 
ba# Utäßcre erfuhr. Gr gelobte ihm ober, feine 
gauje Wucht unb OrtSfenntniß anmeubeu ju 
roolien, um ba# ©erftecf ber beiben glücßtliuge 
ju erforfcheit uub bomit mar bie Angelegenheit 
Dorläufig abgethau. 

Wit biefem Sage begann in Straßburg fo 
recht bie eigentliche <Sdhre<fenShevrfd>oft. ©ou 
ber uiel gerühmten greißeit ber Stepublit mar 
rnenig ju fpüreu, bagegeu empfonben bie ©ürger 
mehr unb mehr ba# fnecßtifche 3ocß, unter ttel* 
cße# bie blutgierigen greiheitämänner fie beug* 
ten. Saint* 3uft unb Wonet gaben fich baniit 
aber noch feineSmeg# aufrieben; fie gingen einen 
Schritt meiter unb roeihten auch ben 9teft non 
Seutfcßthun!, melcßer fich noch im Glfaß oor= 
faub, bem Untergang. Wan fcßalt bie beutfche 
Sprache eine barbarifcße unb nerbaunte fie au# 
alten Attenftücfen unb 3eitungen, bie Schilber 
ber ^anbmerfer unb Jffauflente mußten non jcßt 
an bie fraujöfifche ©ejeicßnung tragen, unb für 
bie Straffen, ©läße unb Stabtthore fourben attin 
großen 3;heil frembe republitanifcße tarnen ge* 
imihtt. 3a ber Aatioitalhaß ging noch meiter, 
Saint*3uft unb 2eba# erließen an bie meibtiche 
©eoölfermtg Straßburg# bie Aufforderung, ber 
beutfchen fianbeStracht ju entfagen, unb fie hatte 
leiber bie gemünfcßte Söirfuitg. Gine große An* 
Saßl non grauen unb Wäbcßeu beeilten fi<ß, i^fc 
altbeutfcßen foliben Scßmucffachen al# potrio* 
tifihe ©oben auf bem Altar be# „franjöfifchen 
©aterlanbe#" nieberjutegen, mie fie läitgft fchon 
ihre nätertiche Wnnbart abgelegt hotten. Auch 
Gulogiu# ©cßneiber legte bie £>änbe nicht müßig 
in ben Scßooß unb troßbem, baß feine 3«<t jeßt 
fehr genügen mar, nergaß er hoch feine# heftig* 
ften ©egner# be# ©rafen b’£>aunaigue nicht, 
roetcher bisher noch ftraffrei ausgegangen mar. 
Gutogiu# Schneiber martete nur noch eine gün* 
ftige ©e(egenheit ab, bamit er bann um fo fuße* 
rer ba# auSerforette Opfer oernidjten fönne. 

G# mar roenige Sage fpäter, bie Schloß* 
famitie faß beifammen unb bot bem Auge ba# 


freimbtichfte gantilienbilb bar. Sie ©räfin, eine 
ftattlicße, fcßöne grau, ber ältefte Sohn 9t a ou 1, 
ein fcßmaraäugiger, fünfaebnjähriger giingling, 
in beffen ©eficßt§aügen fich fchon jeßt eine tnänn» 
ließe Gnergie ausprägte unb fein achtjähriger 
©ruber 2 o u i 8, auf bem Scßooße be# ©ater#, 
melcfjer lieblofenb über ben braunen 2ocfenfopf 
be# Steinen ftrieß. Sa# ©efpräch, fonft mit ben 
unheimlichen Greigniffen ber ©egenmprt fich be* 
fchäftigenb, breßte fich heute um ßarmlofe Singe. 
Wan fcherjte mit ben Siubern unb freute fich an 
ihren Antmorten. Sa fanb plößlicß ba# gentüth* 
liehe ©laubern einen grellen Abfcßluß. ©3über 
2ärin tönte au# bem Schloßhofe herauf. Ser 
©raf eilte an’# genfter unb erbleichte, benn er • 
blidtte auf eine Ansaßl 3afobiner uieber, in bereu 
©efeflfcßaft fich Saint.guft unb 2eba§ befanbeit. 
geßt eilten mehrere Siener in’# 3> ln mer unb 
melbeten haftig, baß fie ben ©rafen oerhaften 
unb ftch be# Schlöffe# bemächtigen mollen. 

So# mar ein ©liß au# bciterni ßimmel. gin 
erften Augenblicfe bmhte ber ©raf an SBiber» 
ftnnb, hoch fah er fofort ein, baß berfelbe miß* 
(o# fein unb bie 2age ber gamilie nur öerfcßlim* • 
mern mürbe. • 

„28ir miiffen ber ©emalt meießen," rief er 
fiitfter, bie jitternbe ©attin fanft umfaffenb. 
®leicß barauf eilte er nach feinem 3imnter, mo 
er ein gefeßnißte# Schreibpult auffcßloß, bem er 
Söertßpapiere unb gumelen entnahm, gn groß* 
ter Gile mürben nunmehr bie merthooflften ©olb* 
unb Silber * ©erätßfcßaften jufammengerafft, 
bann raunte ber ©raf feiner fuß in einen Wan* 
tel büflenbett ©attin ju: „Aach bem geheimen 
©ange!" 

©Jettige Winuten fpäter ftiirmte Saint.guft 
mit feiner &orbe bie große greitreppe herauf 
unb brang in ben berfelben gegenüberliegenben 
©runffaal ein, mo er jeboeß Aiemanb mehr fanb. 
Sie# fachte ihre bliube SBnth nur noch mehr an; 
gleich tigern briiflenb unb ben Aamen be# ©ra* 
fen tufenb, tobten bie greißeitSmänner oon einem 
©emaeß in’# aubere, bi# fie fcßließlicß iune mur. 
ben, baß ber ©raf mit feiner gamilie fpurlo# 
oerfdjmunben fei. 

(gortfetung folgt.) 


Jtm Statut«. 


ffriefcri* Ut Srafre utto ber 

Srriebrirf) fcet ©rofec im 1760 eine WflAt in 
bem Keinen ®orfe ©tan))ib snbradjte, mnfuirte et, 
nmS er fclbft im gelbe m tfnm preßte, bei offenem 
genftet auf bet glötc. 2)a oetnabm et im ©efcüfdj 
nntex bem genftet ein ©etäufd), in golße beffen et 
buiauäfabi unb bemetfte nun, mie ein SWenfö ftcb 


fotßfam an bet 9Rauct tetbatß- „2Bet tft 6t?" 
friift bet fiöniß batfeto. ®et atmcScbelm in oodem 
Sanernftaat fam dnßftlid) betoot unb ftotterte: 
„SWaicftät, icb, id) bin bet ©tmonfect fffliitot!" — 
„@o! Unb n>aS mill Gt beim?" inquirirte bet 
niß. — „©alten *u ©naben, ÜRaieftät#" antumrtete 
benmtbiß bet ©cbulteßent, „i(b habe fo oicl baoou 


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156 


Um Hämin. 


gehört, baß Sure SDJajeftät fo gut Slöte fpielen, unb 
ba td> ein Sveunb ber 9Nufif bin, |o hak ich cö ge= 
wagt mid) hiebet au fchleidjen, um auaubören!" — 
„92a, bann bleibe (Sr nur ftehen, wenn’S 3hm ge= 
fällt," berfeßte ber Ä'önig gütig. Sriebrich machte 
bie übrigen ftenftcr nod) auf unb fpielte feine 4BeU 
fen, ohne fid) ftören au taffen, fort. ,811$ eS fübler 
mürbe, trat er enbtid) an bie Scnftcr heran unb 
wollte fie fcbließen; ba ftanb ber ©dmlmcifter im= 
mer noch, anbädjtig ben ©ut in ber &anb. „92a, 
wie hat eS 3hm gefallen, Stantor?" frug ber ffönig 
leutfelig. — „O, äBaicftät," rief ber biebere 9)tufif- 
fritifer entaüdt hinauf, „baS hätte id) 3bncn mabr= 
haftig nicht au ge traut" ©er Völlig lachte 
heit auf unb eraählte fpätcr noch oft bie urfomifebe 
Scene, wie ber oerlegene ©orffdjulmeifter in feinem 
hödiften SciertagSftaat baftanb unb ihm in feinem 
Sntaucfen biefc Schmeichelei aurief. 

©ie ftomntttttiffeit. „^a, bu rebeft immer bon 
©leid)heit unb ©ütertbeilcn, allem id) fefee ben 
Salt, mir haben gethcilt, unb ich, id\ fpare meinen 
Stbeil, hoch bu berfdjwenbcft ben ©einigen, maS 
bann?" — „®ana einfach! ©ann thcilcn mir 
micber!" 

Änlturfortfißritt in ber ©djule. 9ßie weit bie 
ffinber in ber ßultur borget“dritten ftnb, mag man 
auS folgcnber ^robe erfehen. Sin Lehrer in £bü= 
ringen giebt Unterricht in ber beutfdjen ©brache, 
läßt Sähe bilben unb giebt einen ©oppelfaß mit 
bem Sinbcmort „aber" auf. ©ie $inber befinnen 
fid). ©a auf einmal erhebt fid) ein siemtief) bodj- 
aufgefcboffeneS 9Räbdjeu unb fagt: „©roß genug 
bin id) 311 m fteiratben, aber nod) 3 U iung." 

SBiffen unb ©rWtffeit. (Sin fcljmeiaerifdjer $re= 
biger pflegte au lagen: ,,©ie 8 llten hatten ein @c= 
miffen ohne SSBiffcn; mir haben baS SBiffen ohne 
©emiffen." 

©a8 wo^re ©lud. (Sin ©djutbube ertebigte bie. 
Aufgabe, einen Sluffaß über: ,,©aS mahrc ©lüd" 
311 berfaffen, folgenberntaßen: „SBenit man aum 
Seifbiel beS ©onntagS früh fortgegangen ift, ohne 
ben (Eltern etmaS au fagen unb fommt bann erft 
SlbenbS mieber, fo hat man große Slngft, befonberS 
auf ber ©reppe unb bei ’111 klingeln. Sinbet mau 
bann aber bei ben Sltcrn eine größere Shccgefelt 
fd)aft, fo ift man wahrhaft glüdlicß." 

8 e h t e r: SBarum ift baS 9Beermaffer fataig ? 

© cf> ü l c r: SBeil fobiel Häringe barin finb. 

ffio$ bie fdjöitjie Stuß! fei? hat befanntfiefi ein 
großer SDluftfer bamit beantmortet, baß er fagte, er 
miffc feine 9Kufif, welche ihn jemals in feinem Ce= 
ben tiefer bemegt unb inniger erfreut hätte, alS baS 
erfte Schreien feincS erfteu JlinbeS. ©iefer ©011 
habe feine ©eele mit ©immclSgemalt ergriffen mie 
niemals ein anberer. StmaS StehnlicheS geidjah 
bor nicht langer Beit in einer rafd) auS bem Soben 
gcwadjfenen uorbamerifanifdien ©tabt, in meldjer 
ftd) 3 war fd)on eine mit ameifelhaft guten Kräften 
befeßte Ober befanb, aber Stauen unb ftinber um 
ber Unfertigfeit unb Unficherheit ber Scrhältniffc 
mitten nod) fehr feiten waren, ©a gefdjah eS eines 


©ageS, baß währenb ber Oberuborftellung auf 
einer ©allerie ein fleiueS ffinb au fchreieu aufiug. 
(Sinige wollten megeu biefer untiebfamen Störung 
ungebulbig werben; ba erhob fich aber ein 9Nann 
bon mäd)tiger Sigur unb rief mit gewaltiger 
Stimme ber 9)Jufif unb ben Sängern au: „©0 feib 
bod) einen Slugeublid mit eurem ©ebubel ftill, ba 
fdjreit ia ein Alinb! fo loaS ©chöneS habe ich feit 
3abr unb Sag uid)t mehr gehört!" Unb SltteS gab 
ihm Seifall, baS itinbleiu muficirte eine SBeilc 
allein, unb erft al$ eS eine Saufe machte, ging bie 
Ober ihren ®ang weiter. 

8Ba£ ift ein Äfforb. 3wei $erren auS bem 
ffaufuiannSftanDe ftreiten fich über bie mufifalifdien 
©chöuheiten beS ncueften 2BerfeS bcS Sabreuiher 
3)?ciftcrS. „9tch, maS berftchen ©ic baoou!" ruft 
enblich ber (Sine nad) längerer ©iScuffion, ,,©ie 
wiffen ia nid)t einmal, maS ein ruhtiger 8lfforb 
ift!" — ,;3d) bitte fehr," entgegnete ber Änberc eut= 
rüftet „25 Svoacut !" 

Sn S»ß bon ©au gronci^co nah 9teto*9orf. 6in 

©eiteuftüd au ©eumcS berühmten „©baaiergang 
nad) ©bracuS" hat füralich ein öOjähriger (Salifor- 
niev, 92amenS ©euiS (SollinS, geliefert, mehhev ben 
SSeg bon ©an .SvanciSco nach 8?ew=Sorf ber Sa* 
cifteSahn entlang binnen 93 Sagen au Süße au^ 
vücflegtc unb bamit eine SBette bon 3500 ©ollarS 
gewann. 81m 1. 3uui um 10 Uhr SiorgenS mar 
(SollinS bor Saufcnben bon Sufd)auem ooit ©an 
SranciSco aufgcbrochcu, am 4. ©cbt. Di'admiiUagS 
traf er in 92cm=g)orf ein, mo feine 81nfunft eben¬ 
falls ein bon ben Sritungen fdjon aum SorauS 
berfünbeteS ©dmufbiel mar. (Sr hatte einen 2Beg 
bon 3255 englifchen SOJeileu aurüdgelegt. „3m 
habe mid)," eraählte er bem Serichtentattcr bcS 
$>?cw=8)orf $cralb, „auf bem ganaen 3Bege neben 
ber Sahnlinie gehalten; id) hätte bie ©trerfe in 
100 Stagen aurüdlegen feilen, unb ba id) fie binnen 
93 Sagen aurücflegte, fo bin ich burd)fdmittlid) 35 
cnglifche (über 7 beutfehe) teilen im Stage gegan¬ 
gen. Sei 92ad)t habe id) gefdilafen unb auf jeber 
Sahnftation eine 9'iuhcbaufe gcinad)t, loährcnb bie 
©tationSdjcfS mir bie 9(nfunft in einem eigenen 
Süd)lein befcheinigten. (Sin Scrtreter ber gegen 
mid) SBettenben fuhr auf .ber Sahn unb traf mich 
berabrebeter SBcifc alle 24 ober 36 ©tunben auf 
einer Sahnftation, um bie (Eintragungen im Süch= 
lein au controliren." — ©ie Sahnaüge bebürfen 
befanntlich für bie ©trede ©au SvanciSco bis 9?em= 
?)orf, welche (SollinS in 93 Sagen 3 » Suß aurüd= 
legte, faft eine bolle 2Bod)e. 

©ie ©tterlinge. ©iefe ©efd)id)te habe id) mir 
bon einem lieben, treffließen S)2anne fdneiben laf= 
fen, welcher äRagiftcr Johann 2)2atthcfiuS hieß, ein 
Sreunb unb ©ifd)geno|fe beS 3)2artiu Suther war 
unb ießt feit 300 3«hren begraben liegt, ©eine 
®efd)id)te aber ift nod) fo frifd), alS märe fie 
geftern bom Saume gepflüdt, unb lautet folgeu= 
bermaßen: 

(Sin Sperling hatte brei 3unge in einem ©chwak 
benneft. 2Bie fie nun flügge waren, ftoßen böfc 
Suben baS 9ieft ein, fie fommeu aber alle im 2ßin- 
beSbrauS babon. 9lun ift bem 91lten leib, weil 
feine Söhne in bie Sßelt fommen, baß er fie nidßt 


D i g iti z ed by Goc - : 



Itamin. 


157 


3 tiDor oor allerlei ©efahr oerwarnet unb ihnen 
etliche ante gehren ooraefaat habe. 

Stuf Dem ©erbft foutmen in einem SBeijenader 
Diele Sperlinae aufammen; aüba trifft ber Sllte 
feine bret 3ttttaen an, bie führet er mit ftreuben mit 
ftd) heim. Sich, fpviebt er, meine lieben Sohne, waS 
habt ihr mir ben Sommer über Sorae aemarijt, bie= 
weil ihr ohne meine gehre oon mir im SBinbe baoon 
faiuet. ©övet mein 2Bort nnb folaet enreni ©ater, 
unb fehetcuch wohl Dor: Keine ©ößeleiit haben aud) 
öro§e-©cfährlichfcit au$,mftehn. _ 

Darauf fraßt er ben älteften, wo er fiA ben Soim 
mer über aufaehaüen nnb wie er fid) ern&hrt habe? 

— habe midi in bie ©arten ßchaltcn, Staupen 
unb SBüvntleiu aefudit, bi3 bie ftirjeheu reif wur= 
ben." — Sich, mein Sohn, faat ber ©atev, bie 
@chita 6 etweitf ift nid)t bö3, aber e3 ift arofjc ©cfahr 
babei, bat? bie ÜHenfcben mit gift bid) fanden. 
Darum habe forthin betuer wohl Sicht, unb fouber= 
lieh, wenn geute in ben ©arten umbcraeb’n, bie 
lanac, arüne Stanaeu traaen, fo inwenbia hohl 
Hub unD oben ein göchlcin haben. — „3a, mein 
©ater, bie fenne ich wohl; oben auf ba3 göcblein 
wirb ein arüneS ffllatt aeflebt, baf? wir Sperlinae 
un3 barauf fefeeit unb bineinfalleu." — (Si, mein 
Sohn, fprad) ber ©ater, wo haft bu biefeS aefchn ? 

— „ln eineo Kaufmanns ©arten habe ich biefc-3 
gefehlt." — Unb ber SSatcr oerfefet: ftauflcut’ ae- 
fcbwtitb’geilt’; bift bu um biefe SBcltfinberaewefeu, 
fo haft bu iöeftacfcheibiafeit ßemiß ßclcntt. Sieh’ 
nnb hraud)’‘i nur recht unb wohl, unb trau bir nid)t 
?u Diel! 

Darauf befraaet er ben anbern: 5Bo haft bu bein 
SBcfcit aehabt?— „3u ©ofe," fpridit ber Sohn. — 
Unb e3 antwortet bev ©ater: Sperliua unb alberne 
©ößd bienen nicht an Diefem Ort, ba Diel ©olb, 
Sammet, Scioe, SBchr, ©arnifri), Sperbev, ßattaeit 
unb ©laufftfie finb. ©alt bu bid) befchciben 311 m 
8 toj?ftall, ba man ben ©afer fdiwinaet, oberba man 
briühet, fo fanit bir*3@lücf mit ßutent Trieben auch 
bein täqticf) Störulein befrijeren. — „?la, ©atev, faat 
biefer Sohn, wenn aber bie Stalljnnaen ihvcSdjün= 
aen unb SRafchen in*3 Stroh biuben, ba bleibt and) 
Staucher hänaen." — 9Bo haft bu ba3 aefeben? 
fante ber Sille. — „gu ©ofe, bei ben Stof?buhen." 

— O mein Sohn! ©ofbuben, böfe ©üben, ©ift 
bir 311 ©of unb haft feine Jfebern ba actaffen, fo haft 
bu ziemlich ßclernt; bu wirft bich in ber 2 Belt wohl 
wiffeu austueifeit. Doch fieh bich um: bie SSölfe 
freffeu auch manchmal bie aefcheibten ©ünblein! 

(Sublid) fommt ber ©aler au ben iünaften Sohn: 
bu mein liebc*3 ©acfelueft, bu wareft allezeit ber 
9(lbernfte unb Sdnoächfte; bleib bu bei mir! bie 
9Be(t hat oiel arobev unb bofer ©öael, bie fvumme 
Schnäbel unb drallen haben, unb nur auf arme 
Sößlein lauern, fie 311 oerfcblucfen. ©alt bich 3 » 
bciiteS ©(eichen unb lie*3 bie Sptnnlcin unb Stau¬ 
pen dou ben ©äumen nnb SHauern, fo bleibft bu 
lana in ^rieben. — Sßorauf ber ifutßfte Spcrlina 
antwortete: „Du mein lieber ©ater, wer fid) nährt 
ohn’ anbver geut* Srf)abeit, ber fährt auten 9ßca, 
unb fein Sperbev, ©abicht, Slar ober 28eib wirb 
ihm fehaben, fonberltdi, wenn er fich unb feine ehv= 
liehe SJabvuna beut lieben ©ott alle Slbenb unb 
SRoraeit actreulid) befiehlt, weld)er aller 2Balb= unb 
Dorfoöaelein Schöpfer unb ßrhalter ift, ber and) 
ber iitngen Staben ©efdjrei unb ©ebet höret. Denn 


ohne feinen SBUlen fällt and) fein Sperliua ober 
Sdmeeflocfen auf bie ßrbe." — 

©So, fragt ber ©ater, haft bu biefeS aelernt? 

Antwortet ber Sohn: „ 2 Sic mich ber ßrof?e 9 Binb= 
brauS oon bir wcßrijj, fam id) in eine ft ird>c r ba la 3 
id) ben Sommer bie fließen unb Spinnen oon ben 
Scnftcrn ab unb hörte biefe Sprüche ptebiacn. Da 
hat mich ber ©ater aller Sperlinae ben Sommer 
über ernähret unb behütet oor allem Unalütfc unb 
ßrimuiiacn ©öaelit." 

Der ©ater fprad): Dvaun, mein Ticbcr Sohn, 
füeaft bu in bieiiirchen unb hilfft Spinnen unb bie 
fiimmenben Slieaeit aufräumen, unb 3 ivpeft 311 ©ott 
wie bie iuugcit Staben, unb befiehlft bid) bem ewißen 
Schöpfcv, fo wirft bu wohl bleiben, unb wenn bie 
aanse 23elt Doller wilber unb tücfifd)er ©öacl wäre. 
Denn wer bem ©errn befiehlt feine Sad)’, fehweißt, 
leibet, wartet, betet, brauritt ©litupf, thut ©emadt, 
bewahrt ©laub’ unb aut ©ewiffen rein, bef? will 
©ott Sdtufe unb ©elfer fein. — So hat ber alte 
©pevlina ßcfprorften. 

®iit brntfdler ^nubebrtu! brachte einem 90?atirer 
in ©rftivt nidtt acriitßc ©erlcacnheit unb für feine 
Serhältniffe gienilid) hohe ©clbfoften. ®r miifj 
näutliri) einem Biutmevmaint, befielt ©anb er bet 
einer ©cacanuna fo überntäfiia brüdtc, baf? bev 
Daumen auSßcrcitft totirbe, allwödtentlid) l 2 S)tarf 
unb 3 ?oar fo lanae sal>leti, bi3 fein Sreunb wieber 
arbeitofähia ift. 

Breite im ftleiitm. ffiom feliaen ©välat Detiuaer, 
bem tiefen Schviftfovfdter, wirb folgende bcnfwüvbiae 
?lncfbote evsählt: ßr liebte e3, 311 3 cttcu Slbcnbä 
hinauf 3 u achcn unb in ber Stille ber Stacht, 311 m 
Sternenhimmel atifblicfenb, 31 t beten, ßinft an 
einem Samftaa Slbeitb bealeitete ihn auf feiner 
näd)tlid)cu SBanberuitß ein ßanbibat, ber bei ihm 
wohnte. Sie alnaen aufamnten auf ben ©ipfcl ciueS 
©craeS. Dort ftanb Octinger eine lanae ©>cile 
fdtweiacub, in tiefe ©etrachtuna Dcrfunfcn. 3n fei¬ 
nem ©ealcitcr regte fich untevbeft ein ©crlanaen, nt 
wiffeu, woran Octinaer wohl ben feit möae? ßr 
meinte, berfclfte fei aewifc bantit befdmftiat, irgenb 
ein ©eheimnif? berSheoloaie au eravünben, ober ein 
©roblern bev ©hilofophic au löfen. ßrbradtalfo 
enblid) baS Stillfdtweiaen unb fragte, ob er ftch 
wohl bie Freiheit nehmen büvfe, bem ©errn ©vä= 
laten einen SBunftf) auSaufPvcchen?—„Ö ia!" war 
bie Slntwort. — ,,?id) mödtte wohl aern wiffeu, wor= 
über ber ©err ©rälat eben iefet nadtaebadtt hat?" 
— „Jch habe ßerabe an bie frommen SBciber ^ 
bad)t," erwiberte Oetinaer, „bie in bem Dorfe hier 
unten wohnen unb heute, al3 am Samftaa Slhcnb, 
bie SScrltaaSfleiber ihrer SJtänner unb Söhne att3= 
fliefen, bautit fie am SKontaa alcid) wieber achraudit 
werben foitnen. ^d)bad)te: welch* eine autc £Boh= 
miua werben bie bort oben crlanaen, iubem fie fo 
aeringc unb befchwerlidjc Dienftleiftunaen bis in 
bie Stfadjt hinein mit ©ebulb unb Svene, iut®ehor- 
fatit aeaeu ©ott Dollbrinaen! Unb id) wuttfehe nur, 
baf? eine foldic SBohituitß, wie bie eine erlaitßctt, 
auch mir einft 311 Sheil werben möchte!" — SBclcheit 
ßinbruef biefe fririiehte, einfältiae, unb bod) fo er= 
habene Slntwort auf beit ftvaacr ntadjte, läftt ftdi 
benfcn. Schveib’3 audj in bein ©ct 3 , lieber 8 efer! 
Don 3K. in ©. hcrrührcitbc ©erfe: 


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158 


Samitogf^ttl^elitioneti. 


SRartha ähnlich fid> im Sienft verfteißen, 
Siet) oft bunberttaufenbfach ver 3 ioeißen, 
Sahin, bortbin feine ©anb auSftreaen, 
SMiffionirenb mirfett, Seelen meden, 
Opfern, preb’aen, weithin tbcilen, ratben, 
Sieb cntfddieuen felbft m ©clbentbatcn: — 
ftorfebe, ob ba3 bem ßebübret, 

Sen ©ott ßeme niebriß fübtet? 


Kleiber jliden—Sieber, moflfft bu ftnfeen ? — 
Seinen Stall beforßen, Sfinblcin puben, 

©cm ermäbleit baS» maS hier verachtet, 
SBäbrenb man nacl) bem, ma3 Wotb ift, trachtet; 
SMaß, meint mir ancb Obißcä nicht fd)elten, 
Soch in 3efn Stoßen mehr nod) ßelten, 

Ser fo boeb bie Semuth liebet, 

Sic ftch tren an kleinem übet. 


» 




^oitntagfifyul -Mtioittn. 


©onntag, 4. 2Rärj. SCpoftetgefdjidjte 5,17—32. 

$odj meljr Verfolgung. 

I* 3 « ©efittfliiiß (fB. IT— 18 ). Wad) ?lbmen= 
bunß ber erften ä it fte reit ©efabr einer SSerfolßtniß 
unb (Sinfefeiinß berSlpoftel unb ber erften in netc n 
©cfahr einer Sefledniia ber ©emeinbe felbft bnrd) 
Sclbftfud)t unb ©cud)etci, folßt nun ba 3 erfte 
fieibenberSlpoftel umGbrifti millen, aber and) 
bie 3 ßereiebt ihnen felbft unb ber ©euteinbe nur 
311 neuem Seßcn. Ser ©ohepriefter ift 
mabrfdjeinlich ber aud> 4 ,6 juerft ßcnamite ©an- 
na8, obmobl factifdj ffaipbaS regierte. 

äieibe unb überbauptbic hohepriclterliche fJainUic 
ßehorten 3 mar 311 ben SJSbarijäern; aber ba3 rafd)e 
Uuiftcbßreifcn be3 ShriftcutbumS lieb fte attßcit= 
Ididlid) ihre SSarteiftelluiiß vetßeffett unb ficb ßeßcn 
biefen ßemcinfamen Seittb mit ihren jonftißcn ©cß= 
nein, ben Sabbucäent, vevbinben, von benen 
{ebenfalls, mie fd)on r?ncr elftere nod) inilberc 9(n= 
lauf ßeßeu bie Slpoftel (ffap. 4 ,1 ff.), fo and) biefer 
weite* bereits ftärterc, ßemaltfamerc unb leiben^ 
d)aftlid)eve auSßina, ba cS fie ia länßit fdjon vcr= 
broffen batte, ba& bie Slpoftel von 3efu, alS bem 
Sluferftanbcncn, 3 eiißten (ftap.4,2). 

Unb mürben voll (SiferS, marum ßerabe 
iefet biefer SanatiSmuS attfS neue fo heftiß anSbrad), 
ift nid)t ßeffaßt; bod) mub ihre ©anblimßSmcife 
iebenfallS auch irßenb einen äuficren Slnlaft achabt 
haben: mabvfdjeittlid) ßlaubtcn fie bem maebfenben 
Stofehen unb Umfana ber neuen ?ehrc unb Kirche 
nid)t länßcr mehr rubiß Aufehen m föitnen, fonbern 
enblicj) cntfd)icbenere Sdjvittc baßcacn thun 311 
nutfjen, um montößlicb nod) 311 verhüten, bab bie 
refißiojc SJemeßuiiß, von me(d)er fdjon ßans 3evu= 
falem unb baS umließenbe 3ubaa ergriffe« )var, 
fid) 3 ulefet aud) nod) über baS ßefaimntc Israel er¬ 
ftrede, mie cS iitSbefonbere in <yolße ber fortbaiicrn= 
beit'unb fid) ftcißcrnbeu auberorbentlid)en Sßunber; 
tbaten ber Slpoftel (SS. 15) 311 befürchten )var. 

Sic leßten bie©ättbe an fie, b. h. lieben 
fie bitrd) bie „Sietter" beS ©ohenrathS cinfeben, um 
fie bann am anbern Saß vor ©erid)t 31 t fteften unb 
311 verurtbeilen. 3n baS ßemeine ©cfäußnib, 
3U SSerbreebern aller Slrt; „aber bie SSattbe ftnb 
prciSmürbiß unb bie Setten ehrlich, bie man um 
ßbrifti SBillen träßt." 

1L 3mientpel(®. 19—25). Slbcr ber (Sttßel 
beS ©ertu wirb ben StpvfUin vom ©imrael her 


3 ttr ©ilfe ßefanbt (Vßl. SSfatot 34,8), hier nicht blo$ 
alS 3Berf$cuß ber allßemeinen üöcltreßierunß ©ot- 
teS bcS 9S a tcrci r fonbern aud) ber befonberen ®na- 
benleitunß ©ottc-S be$ Sobneö, unb barum nid)t 
nur in bie (Sreißniffe beö ßcwöhnlicben 9tatuv= unb 
@efchid)t^verlauf§ einßreifenb, fonbern and) in ben 
©anß bc§ 9teid)e§ ©otte§ unb bie ßntwidlunß fei= 
ner Äfirdic auf Qrrbcn. 63 ßiebt ein ßöttlid)e3 
„Slber," ba3 alle i # ift unb 9Kad)t be3 S9?enfd)en 31 t 
Spott unb Sdjanbeu madbt, Vßl. 19Wof. 50, 20. 
^}fafm 2,4. 

3n ber Stacht, bieStunbe ift nicht näher bc* 
ftimmt, nadj$.21aber mar e3 eher fdwn ßCßn 
ben iWtotßen hin. Serfelbe tbat bre Sbüre be3 
©efänßuiffcö auf, morauf fie fid) hinter ihnen 
micber fd)lo§, ohne baft bie SBädder von allen biefen 
Sorßänßcn auch nur ba3 ©eviußfte bemevften ($. 
23). Sie Slpoftel ftanben nad)hcr vor bem ©ohen= 
ratb ßan3 anbcr3 ba, menn fte fid) vollfommcn frei- 
milliß ßeftellt hatten 08.26), al3 wenn fie al3 ver¬ 
haftet votßcführt movben mären. Sa3 SBunber ift 
alio fein 3medlofe3, fein Btved laß eben in biefer 
ihrer fflefreinuß felbft, nicht aber in ihrer vollftäit= 
bißen ©emabruuß vor aller Strafe, mirb aljo auch 
burch bie nachfolßenbe 3üd)tißuuß uid)t mieber 
aufßchoben; bat bod) aud) ^efu§ felbft Streike 
leiben muffen, mie viel mehr alfo feine ^fuißer! 
ODfattb. 10, 24. gut. 6,40). Sind) er hat einft feine 
fteinbe 3 »crft burch biege SJennmiß feinet S?amcn§ 
311 Stoben ßefd)laßen unb bod) burften fie bann 
.©anb an ihn ießen! (3oh. 18,4ff.) Saft aber nad)= 
her beim SSerbör meber bie Slpoftel felbft, nod) ihre 
Widder auch nur (Sin 28ort von bem ßefdebeneu 
SSunber faßen, erflärt fid) leid)t unb ift fein S3emeiä 
ßeßcn bie mirflicbe Shatfüd)lid)feit befielbcn: bie 
Echteren molllen natürlid) biefe Urfad)e ihrer eißenen 
SSenviiTmtß unb Watblofißfeit (SS. 24) nidit auch 
nvd) fclber befonberS bervorbeben, bie (Srftcvcn aber 
: hatten 2Bid)tißere§ au thun, a 18 blo^ Tiber bie Slrt 
unb SBcife ihrer Sefrjiunß au§ ber Unterfuchunß^= 
haft au beridden, nämlid) ihr ©lauben§befenntui§ 
SlitßcfiddS be§ ßaiiAen Svncbrium§ noch einmal 31 t 
mieberholcn (SS. 30ff.). Ser 3ivcd ber Sefreinnß 
ift alfo vollftänbiß crrcidd: bie ^ünßer felbft finb 
in ihrem ©laubcnömutb ßeftärft, ihre fjeinbe aber 
in ihrer völlißen Ohnmacht blofjßcftellt. 

Sretct auf mit aller Stcintüthißfeit, miebi§= 
her, unb rebet int Sernpel (b.b. int äuhe= 
reit SSorbof bcffelben) jtim $ol!, alfo ßauA 
offentlid) unb unverhohlen, nicht blo 8 31 t ben ©lau= 
bißett, mie früher,Äap. 4,23, alle 2Bottcbic)e3 


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SonntagfdjuUfehtionem 


159 


8 ebenS, baS tut ©laufen an Ghrifhtm, alSben 
©efrcusigtcn uttb 9(uferftanbcncn gegeben ift (ähn* 
lieb Äap. 13, 26). ©o fpricht ber Gngcl, weil er ber. 
bintmlifcfen Seit beS 8 cbcnS angehört, in bcr cS 
feinen Dob giebt, unb er bartim auch nur für baS* 
ieuige ©tun unb Dbcilnahmc bat, waS 8 eben beißt 
ttnb Sehen bat. Da$ Cefen iit Gbrifto, beut Sehen* 
bigott, ift auch bcr Gngcl ^vcube unb ewiger 8 ob* 
gefang, in baS aurf) fic „gelüftet bineinju|d)aueit" 
(I93etri 1 , 12 ). 

$on 3 c r u f a (c in füllten bic apofiet nicht 
weichen, fo lange bie ©chulb bcr Oberften noch nicht 
pott unb bie ©ebuib ®ottcS über ibnen noch nicht 
erfeböpft mar, bort füllen fie fortaeugen, fü lange eS 
itn93olfe wcnigftenS ttürf) ein empfängliches ©evj 
für fie gab, ähnlich wiefpäter93nuluSin Gorinth, 
Äap. 18,9 ff. Singen fie, ooit ihrem £>auS attS, 
in baS fic ftch cjnftwcilen begeben batten, früh# 
fchon ttarf) ber OTüYgcnbämmcruitg, in beit £ ent* 
Del, trennten ftch alfo aurf) hier ttürf) nicht von beut 
flcmcinfamcn .fteiligtbum ^SraclS, obmübl 2$raclS 
©äupter fie $u tobten fuchtelt. 

Der o b epriefter aber fam, noch ohne 
Jlbnung ooit bem ©efchebencu, in baS int hohe* 
prieftcvlirf)en SJJalaft gelegene ©ibungSaintnter beS 
©tmcbriumS MRattb. 26,15 ff.) unb bie mit 
ihm waren, feine Snutilie unb foitftigcit 9 lit* 
bänger, 93imbeSgeitoffen unb ©elferSfelfer (93. IT), 
unb rief a u f a tn nt c u b e u 9i a t b m feiev* 
lieben uitD förmlichen Rührung beS 93toaeffeS unb 
9>erurtbeilting bcr 9lpoftel; unb alle Seite* 
ftcn x., alfo auch bieienigen, melcbc foitft nicht aum 
©pnebriutn gehörten, eS mar alfo nicht bloS eilte 
gewöhnliche 9 ßlenarfifeung beffelbeit, fonberit eine 
«ußcrorbentlich oerftärfte. D a S © e f ä n g tt i 6 
fanbett miroerfchlofien, bieS gefchab mit 
allem Steife, batnit 9tieinanb bie ©efängnißmächter 
einer gabvläffigfcit int Sutt bcfchulbigcit tonnte. 
Sfenfo abficfetlicl) ift bie 93entcrfung beigefügt: unb 
bie ©u ter bra u§en ftcbeit, bantit itäut* 
lieh auch nicht bic leifeftc ©pur eiltet 93erbacfetcS auf 
fie falle, alS hätten fie fie abftrbtlicb etttmifcheu 
laffen ober gar entführt.* Dicfe 9tcbe (93. 25) fällt 
nun wie ein 93lifeftrahl unb Donncrfcblag hinein 
in bie ftol$e 9?uhe unb flcifeblicfee Sicherheit beS 
©ohenvathS mit feinem bodjniüthigen 9lmtSbünfel. 

Der © a u p t m a tt n b e S % e nt p e 16 (ber 
lentpeltoarfje) ift befonbcrS genannt alS .ftaupt* 
fethetligter, beim er hatte (Äap. 4, 1 ) bic (Sinterte* 
ntng ju beforgeit unb aurf) bie weitere ©träfe au 
oollitrecfeu gehabt. 9ß a S hoch b a S werben 
f o 111 e = welchen weiteren Fortgang unb fcblicß* 
liefen 9(uSgang bie ©acbe itorf) nehmen mochte; fie 
tonnen alto felbft nicht läugneit, bah ftchtbar eine 
höhere £>attb hier ciitgegriffcn, aber eS fällt ihnen 
nicht ein, fiefe felber fchulbig unb ©ott bie Gbrc au 
geben, fie finb nicht einmal begierig, Näheres au er* 
fahren, weil fie fürchten, noch tiefer baooit im ffie* 
wiffen berührt au werben; cS ift ihnen nur unt firfj 
felbft, ihre gefährbete 9Macht, Gbre unb 8 eben (93. 
26) au thun. Dg f ain Giitcr bar, ein tut* 
berufener unb unwidfommeiter 93ote, ber ihnen bie 
9teuigfeit überbringen und, fei’S in böfer Sbficbt, 
*ttm ftch an ihrer 9tieberlage au rncibcn unb fte öffent¬ 
lich bem ©pott preiSaugebcit, fci*S in guter, um 
ihnen auf bieSput berGntflobencn au helfen, „benn 
wo cS gilt (Shriftum unb bie ©einen auSiuliefertt, 


ba finbet ftch überall leicht ein oerrätberifcher 
3ubaS." 

III. ®dt bm Math (93. 26—32). Da ging 
hin, nach bem Stempel, ber $ a u p t m a u n 
unb holte fie# nach bem ©ericbtSfaal, tt i eh t 
mit © c w a 11 , fonberit nur einfach mit Sorten 
fie porlabcttb, b a m i t fie n i cf) t g e ft e i n i g t 
w ü r b e n, falls fie nämlich noch einmal, wie fchoit 
93. 18, $attb an fie legten. 9lber fie folgten auch 
ohne ÄwattgSmaßrcgeln freitoillig, benit bie wunber* 
bare Befreiung marf)tc fie auf'S 9?eue gewiß, baß bie 
Oberften ihnen nichts anbaben bürften; fie beugen 
fiel) gifo im ©chorfant, benn „©otteSfurcbt vertreibt 
alle 9Kenfrf)cnfurrf)t." ®ie grofe ©unft beS 93olfeS 
erflärt ftch theilS auS bem Ginbrurf bcS gefchehenen 
SunbcrS, fowie ihrcS niiithigeit BeugniffcS, theilS 
aber and) namentlich auS ihren vielfachen Sunberit 
(93.15ff.), bic gaitaen. Sramiticu unb ©emeinben 
eine Soblthat waren. 

Unb alS fie fie brachten, nämlich aum 
hohepriefterlichen ^ 5 alaft f fragte fie ber&ohe* 
prieftcr, ttirfrf etwa nach bem Suitber ihrer SKet* 
tmtg unb noch viel toeniger nach beut Inhalt ihrer 
$rcbigt, benn er ift froh, ba§ er fic nur wenigftcuS 
U'iebcr in feiner ©cwalt hat, fonberit er ferbert 
fRerf)cnfrf)aft über ihr 93crbaltcn, b. h. ihren Uugc* 
horfam gegen fein früheres 93erbot (4,21), baS fie 
fo wenig gehalten haben, bafe fie oielmebr g a tt 3 
3 crufatcm erfüllten mit ihrer 8 ehre 
unb am Gnbe gar einen 93oltSaufftanb erregten 
btirch ihre 8 ehre oon Ghrifto a(S beitt längfioerheific* 
neu 9)?effiaS (ßap. 2,36. 3,18ff.) ttnb fo fetn 
931 u t über fie bringen alS eines uttfrfjulbig 
ftiitgericbteten, baS nach 9tarf)e au ©ott fchreit. Ob 
bcr ©oherath ein SHccht hatte au ienent Verbot, ii>irb 
gar nicht unterfurfjt, unb fo baS 9?cvhaltett ber 
Spoftel gleich pott Pont herein alS Ungehorfaut uttb 
9 Biberfpenftigfcit gebranbmarft; auf bie Sache felbft 
geht er abfichtlicb gar nicht ein, ein 3 eichcn fcineS 
böfcit ©eioiffenS unb ber geheimen Slngft, uwhl in 
Grinncrung an 9)?alth. 27,25. 

93ctruS aber (wieber alS Sortfübrer) attt* 
w 0 r t e t e unter 3 uftiuimung ber übrigen 9lpofte(: 
nt an tu 11 6 ©ott mehr x., alfo gana baffelbe 
wie frftott 4,19 ff. unb awar bieSntal ohne alle wei* 
teren ©emerfttngcit, wie bort noch, uw er wettigfienS 
an ihr eigenes ©cwiffeit appelürt unb ein 9Bort 
ehrerbietiger 9 lnerfcnnung bcr rechtmäßigen, toenit 
auch unrichtig hanbelnbcit Obrigfeit beifügt. ®aS 
gleiche Sort, baS bort ben © rf) l u ß ber 93erbanb= 
Itmg hilbet, au bem mau fie gewaltfam gebrängt 
hatte, bilbet hier fcbon ihren 91 tt fit it g, womit ge* 
fagt werben fod: wir haben bamalS fthott euer 93er* 
bot gar nicht gelten laffen, ihr fönnet unS alfo füg* 
lieh aurf) nicht alS Ucbcrtreter beffelbeit anflageit, 
ba wir rechtzeitig unb rechtmäßig bagegen proteftirt 
haben. ®ie Gntfrftiebenheit ber apoftolijcbcn 93er* 
tbcibiguug mäcbft mit ber toarftfenben Gntfrftiebeit* 
heit ber hohepriefterlichen 5 ?cinbfchaft unb Grbitte* 
rtntg; ja fo wenig finb bie 9 lpoftel gewillt, ienent 
jjnterbift einfach firft au fügen, baß fie pielmchr iefet 
gerabe 9tngeficl)tS ihrer dichter felbft Poit Ghrifto 
aettaeit. 

Der ©ott ttitferer 93ater x. Dann 
liegt noch eine ftillfchwcigcnbc ftnerfennung ber 
immer noch beftehenben Bufnuintengchörigfeit an 
bemfelbeit 93unbeSoolf, beffen ©lieber auch bic 


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160 


Sonntagfd)uUj?fhtionen. 


©egncr finb; eben barum marc aber and) für biefc 
in bemfelbcu ^ejud nod) bad £)eil 31 t finbeit, in 
mcldwm Die Slpcjtel cdgefuuben. SJetrud betennt 
ganj offen ieinen kanten 3c j ud (ald Den tbeuev- 
ften unb jeligftcn, ocrgl. Map. 4, 12 ), mäbrenb Der 
ipohcpvicfter suoor ihn gan 3 ocrächtlid) nur „bicf er 
SRcnfcb" genannt batte, aber er erfpart bcmfelbcn 
au cf) jo menig ald früher Den üßormurf Der ©chulD 
an feinem fcbmadmcllcu unb fcbmerioollen Mreu 3 cd= 
tob (ocrgl. 5 SRof. 21, 22 ff.), meil eben nur im 
S r f c u n e n Der ©dutlb auch für ihn unb feine ©e= 
noffen nod) ber einzige 2Bcg jur 513n 6 c unb iüc- 
februna lag, Der auch ihnen naef) S>. 31 unter 
ber einzigen Sxbingttug bed ©laubend angc- 
boten unb gezeigt mirb. Unb ber heil, ©eift, 
nämlicb: ift aud) ein Beuge feiner Srlmbung, ocrgl. 
3 ol). 15, 26. 


©onntag, 11. SJtärj. SIpflg. 6, 1—15. 

$>te fteben 9lu$erömf)lten. 

I. $ie Sieben (55. 1—7). Sluf bad erfte 8 e i- 
ben ber Slpoftel oon Slufjcn ber folgt bie 
erftc (Spaltung ber ©emeinbe im 3 h= 
nern unb bereu Ueberminbung burd) bie Stiftuna 
bC'S Slmted ber Sllmofenpflegcr ober SBcrmalter bed 
©emeinbegutd für Sinnenimeefe unb amar loirb su= 
nadnt berichtet: 

a) Ser Sin fab 3 » ihrer ßinfefcunn: ®a ber 
3 fing er SSielc mürben, alfo gcrabe in einer 
Beit, am bie fortgefefete $rebigt ber Slpoftel (Map. 
5, 24) uuD ihr ©laubendmutb im ©rbulbcn ber 
©cbinacb Khrifti ficb befonberd fräftia ermied unb 
bie ©emeinbe rafcb unb mächtig junahnt, trat plbfe* 
Ud) ein Uebelftanb beroor, ber oiel fdjlintmer mar, 
ald alle bisherigen SSerfolgungeu Don ©eiten ber 
fteütDe; Denn Dieje neue ©efabr brobte non ben 
eigenen ©liebem, unter mclcbc fiel), ie ^al>lrcid>cr 
fie mürben, befto leid)ter unb häufiger auch allerlei 
unreine (Elemente eiitfcbleicben founten. 3 c milber 
unb liebreicher für bie d)riftlid)cu Sinnen geforgt 
mürbe, befto eher mochten fid) beim auch SOianche 
aud Sigcunub unb Jrägbeit einfinben, ba indbe- 
fonbere bei Dein macbjcuDeu Unfun ber ©emeinbe 
bie ludberige regelmäßige Slrmenfüriorgc (Map. 2,45. 
4, 35) auch gro&ere Sdnoierigfeitcn mit fiel) brachte, 
fo ball baburch mirfüd) mambe Scrfcben oorgetom- 
men fein mochten. 

6 d erhob f ich ein SOturineln, ein STOurrcn 
ber Unjufricbcnhcit cvft leifer, bann immer lauter, 
bei ben ©riedien (.Qellcniftcu, b. b. audläm 
bifeben 3 uben) miber bie Hebräer, b. h. bie 
in 50 a l ä ft iit a felbft aeborenen unb anfäffigen 
3dracliten. Slllerbingd maren and) bie Srfteren 
(menigftend übermieaenb) ihrer Slbftammuna 
nad) 3 uben, batten aber ihre fteimath in läppten, 
Sprien, Mleinafien u. f. m. (Map. 2 , 7 ff.) unb 
rebeten uid)t araindifd), fonbern aricchifch 
unb batten auch fonft manche frembe Sitten, ®e= 
brauche mibSlnfcbauuuaenanaenommcn. Sa rum, 
bah ihre SBittmen ie. Siefen ©runb gaben bie 
^elleniftcn menigftend ald fBormanban, bie eigcnt= 
lid)e Itrjache loar aber mobl eine gemiffe fcboit oor- 


her oorbanbene nationale Siferftuht auf bie Hebräer. 
Sie tägliche £> a nbre id) u n a ift Die Skrfor= 
gung mit ©peife u. bergl. 

©ine abfid)tlid)e öintanfebung ber Sludläm 
ber aud Stolj (mic es fleh 3 . 5U. 3oh. 7, 35 seigt), 
ober gar fcinbfcligcr ©efinuung gegen fie ift natür¬ 
lich uid>t anjunebmeu, eher ein Mangel an genü- 
genDer_ perföiilübet $)cfanntfrf)nft mit ihren 
Dürfniffen, ba fie ihren SBobnfife oicllcidn nod) 
nid)t lang in 3 erufalcm batten unb man fid) auch 
Der pcrfchiebcncn ©pradjen megen mit ihnen nid)t 
fo lcid)t oerftanbigen tonnte. Sie SBittmen 
gcrabe tonnte Dieb um fo eher treffen, ba fie bci’in 
^audoater felbftftanDig bie Slnlicgcn ber gamilie 
geltenD machen unb nadnoeislidi oertreten tonnten; 
um jo empfiublidjer mürbe eb bann auch oon Der 
Partei ber 8 anbslcute empfunben. ©obaun mirb 
berietet 

b) ber Hergang bei ber 9?iabl ber SKuiofen- 
pfleger: Sa riefen bie Bmblfe u. f. m. ©ie 
hatten gan* red)t nad) bem®runbfab lSbeff. 5,22 
(oergl. 1 6 or. 4, 3), ber ©adje nid)t nur einfach 
ihren Sauf 311 laffbn, ober Den fid) regenben Slrg= 
mobil ftillfcbmeigenb ahuimcifen, fonbern Dem Uebcl 
au Dei'SSursel ahiubclfeu unb bie Ouelle Der Mla= 
gen 311 oerftopfen, inbem fie an ©teile ber burd) bie 
eiuftmcilen oerdnberte ©ad)lage ungenügenb ge- 
umrbenen ©iuridjtung eine neue unb beffere febten, 
bie Da3 Vertrauen and) ber Unbcfricbigtcn micbcr 
gcioinnen tonnte, ohne auf ber anberu ©eite 3 Ser- 
badjt unb Slnftoft 311 erregen, unb barin liegt eine 
grobe burd) ben heil, ©eift gemirtte apoftoliidje 
23cUbeit. SDJan mellte burch SEbciluug ber 
Slrbcit ta'3 ©cfdjäft erleichtern, 3 ugleid) aber and) 
bie Slpoftel felbft Oon einem ungehörigen unb babei 
bod) febr 3 citraubcuben Sicbenamt befreien. Slber 
fie banbclu babei nicht eigenmddjtig für fid) 
allein, fonbern tbun ibrcÄnfidden unba3efd>lüffc 
aud) ber ©emeinbe funb unb smar ber ganzen 
©efammtgemeinbe ( f rb ie 3)?enge ber 3 um 
ger u ), nicht alä ob alle(Sin.^elnen ber S>erjannn= 
hing beigemobnt batten, fonbern nur bie netlv 
loenbige Slu 3 ahl paffeuber Vertreter beiber betbei- 
ligten Parteien; Denn maö für bie ©emeinbe 
gejdjiebt, feil aud) burd) fie gcfd)eben, oon Slmt^- 
büufcl unb ©hrgeij loiffen Die Slpoftel nichts. 

SaS SB ort © 01 teS u u ter la f fen u. f. m. 
SMSber batten fid) biefe mobl atid> fchon beliebig 
pemdhlter ©ebülfen 3 ur Slrmcnpflege bebient, 
Kbt brauchen fie aber bie 3 ii eigentliche © te 110 er* 
treter, um nicht baS ihnen ia gunädift unb 3 umeift 
befohlene (Map. 1 , 8 ) Schrämt alljufebr 311 oer= 
finden ober gan 3 3 U ocrnad>läffigcn. Slber ihre 
SBabl mollcn fie nicht allein auf fid) nehmen, 
fonbern bie ©emeinbe foll aus ihrer eigenen 5D2itte 
mürbige SOMnncr oorfd)lagen, bie bann oon 
ben Slpoftcln formlid) an ge ft eilt merben Kmm 
teu; unb 3 ioar erflären biefc fiel) jener gegenüber 
gaii 3 offen über ba^ f ma‘S fie nid)t mollcn unb maS 
fiemolleu. 9itd)hoollen rührt aber nicht aud 
Süeguemlidjfctt ber, fonbern aud ©emiffenbaftigteit, 
meil fie cd oor ©ott nid)t glauben oerantmorteu 3 » 
tonnen, unb nod) oiel meHiger aud ipochmutbf ald 
ob ihnen bad „Sienen" ald jold'ed 311 gering gemefen 
märe, be*eid)nen fie bod) and) ihr gciftlidjcd 
Slmt nad)ber felbft (58. 4) ald ein „Sienen." 

SJur um fid) für biefed 3 eit unb freie ©aub 31 t 


-— - 



$onntagfd)ul;j?ehtionm. 


161 


fcbaffen, motten fle bieftürforge fur’ö 8 eib(idje 3 war ift fie fehr paffenb al3 eine ©hat be3 ©lau- 
Slnbcrn überfallen; aber nid)t beut beliebigen Bu= bcu3gehorf arnö gegen ben &eil3willcn ©otte3 
fall, fonbcrit einem ftänbigeit 91 int. ©afür in Ghrifto beaeirfmet, weil gerabe bei ihnen ein ftar= 
machen üe aber brei SSebingungen namhaft': fer 23illeu3cntfcbluß 311 einem folcb entidjeU 
1 ) ein gute3 Gerücht, allgemein anerfannte benben Schritt gehörte. 

-Dicdjtfdjaricnbcit be3 Gharafter3 1111 b SBanbcl3, II. ®tepbattttMS>. 8—15): 9ßar ba3 SMsherige 
bainit man nid)t Slnlaß habe an ihrer ©reue mtb gleid)fam nur Sinlcitung unb S3orgefchichtc für 
3uverläfiigfcit 31 t awcifelit, fonbcrit fie Gebern ben Bericht über Stephaitu3 „al3 beit leucbtenbften 
volle3 Vertrauen einfl 6 ßcn (l Stint. 3, 7); 2 ) voll Stern in jenem Siebengeftirn ber Sllmofenpflcger," 
heiligen ©eifte3, alfo auch voll warmen fo beginnt nun erft bic eigentliche &auptgc= 
Gifcr3 für bie Sache, nicht parteilicher SSorlicbe fdjichtc, bie Sraählung Pont erften cbriitlicbeit 
für einzelne fßerfonen, unb 3) SBei3heit, SMärtprer, ber mm für eine Beitlang fo febr in 
b. h. bie ©abe f ihr 9lmt praltifch ait 3 ugreifen unb ßintergrunb tritt, bah felbft bic Slpoftel hinter ihm 
fegcnärcich 3 tt vcrivaltcn, W 03 U noch mehr al3 ber verfd)winbeit. Bucrft fehett wir: 
bloße „gute SBille" gehörte ober gar nur ein „gute3 a) feine g ci e g 11 e te SS i r f f a in f ci t nebft 
Sera." Offenbar ift alfo ihr 8 lmt bon vornherein fm^cr Schilberung feiner SScrfon unb feines ($haraf= 
nicht auf3 bloße 9llmofcngebcn bc)cbranft, fottbern tcrS: SS 0 11 Ö l a u b c 11 3 1111 b Äl r ä f t c, wie 
umfaßte auch bie Scclforge bei ben SSctrcffcnben. fchon SS. 5 von ihm gerühmt batte. SBo ber heil. 

SBtr aber tt. f. w., naebbent un3 fo Beit unb ©cift unb ber lebcnbigc©laube ift, ba fehlt cs auch 
ffraft ungcfdimälert für uitfcrcn Hauptberuf ge* nicht an allerlei ©nabengaben unb befonbern Straf* 
laffen ift, wollen ihn nun auch mit befto ungetheil* ten (vcrgl. 4, 33). 

tcrer Hingabe erfüllen, unb amar itad) feinen beiben ©ie SSunbcr ttitb große Beiden ver* 
Sauptfeitcn: ©ebet unb SSrebigt, wobei richtete er ohne Bwcifdaunädift tu Slusübung fcincS 
oa3 Srftcre al3 ba3 SSicbtigfte abücbtlid) voran- 9lmtc3, in ber Sßflege ber Slrmcu, firanfen unb 
fteht unb bcibc3, bie Fürbitte für bie ©emeinbe wie Sleitben, wo ihm Gelegenheit genug gegeben war, 
ben pcrfönluhcn Umgang bc3 SSrebigcr3 mit©ott in mancherleiSioth biitciit 3 ubliaen, wo feine ivbifche 
umfaßt, wobiirch er felbft erft von oben fdjöpft, Hülfe au3rcid)te unb ie treuer ttitb gewiffenhafter 
was er prebigenb itad) unten mittbcilt. er e3 mit biefem feinem eigentlichen SScruf nahm, 

Unb bie Siebe tc. ©er SSorfcblag gebt befto mehr tonnte ©ott ihm auch noch ©rößerc3 
alfo awar au3 von beit Slpoftclit al3 bcfcblicßcnbeit, gewähren nadj bent ©runbfaß 8 uf. 10,16 unb ihnt 
übcrBwecf unb Umfang, ©ragweite uitb9Sorau3= neben bem ge ift liehen Slnit auch leiblidje 
fcfemtg be3 neu 311 ftijtenbcn 91 inte 3, wirb bann SSuitbcrfräfte an vertrauen, bic ihm awar fdmit 
aber ber©enteinbesurPrüfung unb Sinnahme burch bie apoftolifd)e Haubauflcgung al3 befonbere 
übcrlaffcn mtb leßtever auch bie SBahl ber einacliteit 9lmt3au3rüftung mitgetheilt ivarcit (SS. 6 ), aber 
SSurfouen übertragen, ©iefe waren iebenfall3 bodj auch wieber erft burch feinen eigenen©laubcit 
au3 beiben betheiligten SSartcicn genommen, viel- gemedt (2 ©im. 1 , 6 ) unb in ^Bewegung gefeßt wer* 
Icicht fogar numerifeh gleich vcrtheilt, bic brei erften ben mußten. Obwohl felbft fein Slpoftel, thut er 
etwa beit öellcniften, bie brei nädiften ben Hebräern bodj ohne eiferfüdjtigc Sinfpradje ber 8 cßtcreit bic* 
unb berScfetc beiben augleich ungehörig, fofern er fclben SSuttber wie bic Slpoftci ($ap. 5, 15. 16) 
awar nad) ©eburt unb ©eintath au3 ber Sfrembe unb rebet auch hernach mit bemfelbcn ©eiftc ber 
flammte, aber al3 ^ ut> engen off e ober fog. 2Bci3hcit(SS. 10 ), ber3citcit verheißen iiiibgefd)cntt 
»SSrofclt>t ber ©eredjtigfeit" vodftäubig bem S3olf worben war. 63 folgt nun 
Israel einperleibt war. ©a alle Sieben g 1 1 e* b) feine grimmige 91 n f l a g e: Unb 
db i f dj e tarnen tragen, fdjeint man ben murrcitbeit ft a n 0 e n a u f tt. f. w. ©urch Sßcib ttitb 332iß- 
fcelleitiitcn entgcgcngcfommcn 311 fein, inbent man gunft getrieben wegen feiner bervorragenten ©hä- 
lautcr 8 eute nahm, bie ihnen an Spradje unb 3n* ttgfcit unb ber ihm burdj SBunbcrfräfte unb bcfoit- 
tcreffe am nächftcn ftanben. bereit ©aben ber Grfcnntniß unb Diebe Aiithcilcjc- 

SSon @tephanu3 ift im folgcnbcn Slbfdjnitt, worbeuen SlwSjcidmung, wohl aber auch auglctdj 
von SS hi li PP n 3 Äap. 8, 5 ff., 26 ff. unb 21, 8 ff. au3 Surdjt, bic ©emeinbe möd)te ftch noch weiter 
nod) bie Diebe, bic anbein finb unbefannt. ©ie au3brcitcit unb in beut Streben, bie3 möglichft 31 t 
eigentlicße Ginfefcu 11 g in’3 9lint unb bic Sßeihe verhinbern. ©tlicbe von ber Sdjuteu.f.m. 
für baffclbe gcfdjieht nun aber wieber burdi bie SBahrfdicinlidj hotten bie nadihcr ©enanntcit alle 
9(poftel felbft burd) ©aitbauflegung (1 SDiof. ie Sine (befonbere) Smiagoge in Serufalcm, wo 
48,14) unb ©ebet über ben Srwähltcn (13,3), e3 imSanacit 480 gegeben haben foll, möglidjcr* 
um bie ©abe be3 heil. ©eifte3 ihnen noch gana be= weife gehörten aber auch bie brei Srftcn aufam^ 
fonber 3 für ihr 91 ntt (4 S)iof. 27,18) 311 erflehen men 31 t Silier unb berf eiben Sdntle. ber 
(vergl. 8 , 15 ff.), wenn fie fie auch für ihre SS er- r ö in i f d) afrifanifdien unb bie awei Seßten ebeitfo, 
f 0 n bcrcit3 hatten. Snblid) wirb aud) noch fur^ aur g r i e d) i f d) afiatifdien. 

c) ber Srfolg unb Segen ber neuen Sin- ©ie Sibertiuer finb bie namcntlidj unter 
ridjtung erwähnt: ©a3 SBort ©ottc3 nahm SSompcjuS nadj Dioin gcbrad)tcn, nadihcr aber wie* 
311 an 9lu3breitmtg, tnbem biefelbc vor Slllem bei- ber freigelaffcncn frieg3gefangcnen?liibenunbbercn 
trug 3 ur©cfd)wichtigung berbrohenbenSntaweiung Diachfommen, bie fpäter großcntheil3 wieber in ihre 
ber ©emeinbe unb aur Srwcdung cinc3 befferen unb alte ©cimath aurürftehrten, theilweife aud) in Dient 
fricblidiercn ©innc3 in ber Sinigfcit bcs ©eifte3. Ttd) anficbcltcn (ffap. 28, 17 ff.); S vre ne in 
©ie SScfehrung vieler SSrieftcr ift befonber3 Obcrfvrien unb 911 exa 11 bria in Sgvpten ivaren 
licrvorgehoben, weil bics bi3hcr itod> nid)t ber Jyall fehr ftart Von jubelt bevöltert, ßvltcien, eine 
gewefen, ießt aber erfüllt ftd) aud) 3ef. 53, 12 ; unb Sßrovina in Älcinaficn, au bereu Sdjule auch ber 

12 


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162 


SonHtagf^uUfehtionen. 


bort, in Jarfu3> geborene Vau(u3 (7, 59) gehörte, 
unb 91ficn bet meftlite lüftenftrich 33orberaften3. 
U n b befragten i i d) (bi3putirten) mit S te= 

h a n u3, um ihn burrt) allerlei fpifefinbigeStreit= 
ragen über reügiöfe Dinge in ihr Sieh ju sieben, 
mie cinft ben ©errn 3e[u$ felbft. 91 ber alle bieje 
Umtriebe halfen nichts, beim ber (Seift 3*1« ßbrifti 
mar nach feiner Vcrbei&ung öuf. 21 , 15 auch in 
Stephanus mirffaut unb felbft bie ©egiter mufsten 
meuigfteu3 anerkennen, bafj eine |old)e ,,geiitige 
SRacbt" ba mar unb mirfte, auch menn fie fte nicht 
al$ ben heiligen (Seift kannten, habet e3 hier 
auch blo3 „(Seift" beiöt. Sie tonnten ibut mobl 
miberfpreeben, aber nicht miberfteben unb 
menn fte amt ooit feinem Beugnifj ber iliabrbeit 
nicht überseugt mürben, fo mochten fie bot fiel) nicht 
meiter mit ibm einlaffen; naben aber bennoit ihr 
3 »el nicht gan$ oerloren, fonbern greifen, mieber 
gans mie eiitft bei ßbrifto felbft su ben flcifcblichen 
SBaffeit ber 8 üge, meil fie mit ben geldlichen ber 
SEBabrbeit nicht3 erreichen fönneu. 

Die 9lu3fage ber offenbar ooit ihnen beftellten 
unb beimlifcher ffieife baut oorbereiteten SRäuuer: 
9Bir haben ihn gehört x. erinnert gleich* 
falls an eine ähnliche ränfeoolle 'Behauptung gegen 
beit ©errn felbft (oergl. üSatth. 26, 61; 27, 40) 
unb follte, gcfiiffentlicp in ber ganten Stabt per* 
breitet, baut bienen, fomobl bei’in 33olf Uitmiüen 
gegen StepbanuS su erregen, al3 amt bie ätufmerf* 
Jautfeit beS ©otoerrath3 auf ihn su lenken; meil Re 
feiner Sache nichts anbabeit fönnen, mollcit fie 
menigftenS feiner V erf on fitabeu, aber mit©ülfe 
Äuberer, um nicht ihre Stachfutt blo§suftellen unb 
fleh felbft su gefährbeit. 

3hrc 9tbfitt mirb erreicht: Sie erregten 
b a 3 33 o l f su einem Aufruhr gegen ihn unb bie 
91 e 11 e ft c n tt n b S cb r i f t g e l e b r t e it, alfo 
bie 3Ritglicber be3 SpnebriumS 311 m amtlichen 6 iu= 
ftceiteit unb Abhaltung einer au&crotbeutlicbcn 
©erittSfiöung. Unb riffen ihn bin, att3 
beut oou ihnen felbft oeranftalteten 33olf3getümmel 
führten fie ihn iit’3 ©efänguijs, mobl naebbent fie 
fit htesu auSbrucflit hatten 33o(lnncht geben laf- 
feit. 9U3 Auflager bei’rn ©dicht erfteinen babei 
biefelbeit fall eben Beugen mie 33. 11 . 

Diefer 98 e n f et) (oeräcbtlit) hört n i 11 
auf k. Schon oou 33ornhereiit ift nitt mahr- 
fteinlichf bafs ein 98aitn ooll ©laubenS unb heil. 
®eifte3 (33. 5) basu ooll ©nabe unb 2Bci3heit unb 
unbefcbolteneu 9tufe3 fich fomeit füllte oergeffen 
haben, e3 unabläffig su feinem eigentlichen ©efchäft 
ju machen, in läfternben 93erläumbungen gegen ba3 
3 ubenthum, beut er hoch felbft früher angehört 
hatte, feinblit aufsutreten, ia fogar frech gegen 
9llle3, ma3 einem frommen 33raelitcn ba3©eiligfte 
mar, su ftelbe su sieben, mie beim aut feine gaitse 
Spätere 33ertbeibigung3rebe ($ap. 7) ba3 gerabe 
©egentbeü eine3 folcpen 3ranati3mu3 seigte. 9lbct 
auch bie oou ihnen sunt Bemei3 oorgebratten an= 
gebliten eigenen Weiterungen be3 Stephanu3 
felbft: 3 e f u 3 0 0 n S2 a s a r e t h k. märeit ie= 
beitfalB blo3 0 c r e i it s e (t e SBorte gemefen unb 
bemiefen fontit menigftenS fein beharrliches 
Sichauflebnen gegen ba3 Subenthum unb trugen 
noch oiel meuiger eine Spur oon leibenftaftliter 
Schmähung beffelben an fit* 98ag fit aut oiel- 
leicht ihre Beftulbigung an irgeitb etma3 Jbat= 


fätliteS, übereilt ober mifjoerftänblit ©efprod>c- 
ne3 angelehnt haben, fo mar fie iebenfallö grell 
übertrieben unb abficbtlit entstellt. 3 m ©egcit- 
tbeil seigt oiclutchr ihre eigene 9lu3brucf3- 
meije „b i e f e r 3 c f u 3 0 0 n 92 a s a r e t b," bie 
fte ibut in ben 98uitb legen, mährenb er felbft 
fiterlit fo fich nitt auSgefproteu haben kann, 
einen bitteren Jon be3 SpottS, unb ba3 „9len= 
bern bie Sitten k." ift fogar eine grobe 
ölige,-beim bi3 iefet hatten fiel) bie ßhrtftcu not 
gans an bie ©ebrämhe unb Övbimugcn ber 3 ubeit 
unb ihve3 ©efefceS unb ©ottc$bicnfte3 gehalten. 

Die Stellung be3 SlephaituS mar fiterlich gans 
bicfelbe »oie bie bes VatiluS (bla p. 25, 8 ), bie er 
Später gleitfallS gegen einen gans ähnliten Vor* 
murf su oertbeibigen hat (Äiap. 21 , 28). (inblit 
ift aut not bie Siebe oou 
c) - f e i 11 e r h i ui tu l i f ch e n 33 e r f l ä r u it g: 
Sic f a b e u auf ihn mit gejpannter ßimar* 
tuug, ma3 er auf bie ftmeve Auflage enoibern 
merbc, baoou er ja in ihren Slugcn ftou fo gut mie 
überführt mar, alfo mohl aut mit einer gemiffcit 
Stabenfrcube 1111 b in ber Stillen Hoffnung, fie mer- 
ben etma3 oen 9lngft unb Streifen, 92athlofigfcit 
unb Verzagtheit, i]orn unb 3ngrinmt fehen; aber 
im©egeuthcil, fcinSIngcfitt ftrahlte ihnen entgegen 
m t e c i n c ö © 1 . g e 13 91 n ge f i 11 , nicht nur 
lmtn 9lii3biucf männlichen 30?uthc3, fiegreiter 
geifterung unb heiliger ©cuiütbäruhc, ba3 fit bar- 
auf Spiegelte, fonbern übcrgofjen oon einem himm* 
liftcn Öitt al3 SlUbcrftein bc3 auf ihm ruhenben 
©eiftc3 ber ©crrlitfcit (1 fßetv. 4, 14). ©r, ber 
ber Öäftcruug 9)2ofc3 angeflagt mar, scigt aut jene 
Klarheit be3 9liigefitt3 9)2ofe3 (2üOcof* 34, 29 ff.), 
etu £ctvcth für bie Sahrbeit oou 2 6 or. 3, 7. 8 ; 


Souitt., 18.50lärs. 9lpoftelg. 7,54—60; 8 ,1—4. 

2>er erfte djriftlidje SWärt^rer. 

I® ärfiti ttwb Step|anu3 (7,54—56). Da fte, 
bie 9)2itglicber be3 ^pohenrath3, Sold)e3 höre* 
teit, uämlit bie lepteu SB orte ber ooraugeheuben 
92cbe be3 Stcpbauu3 1111 b bie bort 33. 51—53 ati 3 - 
gefbroebeneu 3Jormürfe, ging e3 ihnen burd)3 
©ers, aber nitt mie bovt£up. 2 ,37 sur (Snocdimg 
aufrittiger 93ufie unb tebenbigen @laubeu3, imb 
fontit sur göttlitcn Jraurigfeit (2ßor. 7,10), fon¬ 
bern mic Äap. 5, 33 nur sur meiteren inneren 33cr= 
ftodung unb 33erftärfuug ihrer 3Buth, fo bafe fie oor 
3 ont unb Verachtung bie Bähtte su laut me n - 
bei fien (pgl. $f. 35,16. 37,12), menn fie aut für 
ben 9l«genblicf nod) nicht magteit mit offener ©c- 
malt miber ihn einsuftreiten. Sah er auf gen 
©immel, bulbenb unb glaubenb, betenb unb 
hoffenb gegenüber oon all ihrem milbeit ©rimm. 
33 01 ( heiligen ©eiftc3 mirb feine Seele 
gerabe im 9(tigcnblid ber hötftcn ©efahr unb 92oth, 
erfühlt jefet lebenbtger.al3 ie s.u feiner Stärkung 
feine Äraft unb feinen Veiftanb im ©ersen. 

9lufu'ärt3 blieft er uat ber Stätte ber emsigen 
nod) möglichen ©ilfe unb Rettung (ogl. Vf. 121 , 1 ); 
mie im Bttftaub berßntsücfung (2ßor. 12,2. 4) ift 
auch fein leihüd)e3 9luge aufierorbcutlichermeife 


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Sontttagfdjul^ehtionetu 


163 


Befähigt, über bie gemöhnlicheit ©dwmfen be§ iv- 
b i | d) c n ©efid)tefmfeS bcu ß c t ft i g c n 33licf beS 
©laubcns binaiifbeben 311 fön neu bis 31 U» bimiiw 
iifd>c 11 Sid)tglait 3 ber i>cvrlicl)fcit ©ottcS, 
mo bicfer felbft uitb mit ihm ber aufevftaubeuc unb 
Mrflartc Öcilanb mohnt unb thront. Sonft ift ge¬ 
wöhnlich uem einem Sifeen bcrjelbeu bic Mebe, 
hier abfichtlid) von einem Stehen; ieneS ift Sad)e 
beS Königs unb Stichtag, biefeS bes Kämpfers unb 
&elfcrS, bev für fein verfolgtes 4>olf fiel) erhebt, 
gerabe in bem Slugenblid, mo eS 311 m erften blutigen 
SDtärtprerthum geht. 

II. &tet>ft*nug mtb (7,57—60). © i e 

febrieen aber (aut, um cS uninöglid) 311 
madien, ba§ er noch mciter rebe unb hielten 
ihre Ohren 31 t, um feine SB orte menigfteuS 
nicht 3 U hören, in benen bereite ein erfter Sviuutph 
imbSicgeSruf über fie fuitb mirb; unb ftießen 
ihn 3 ur ©labt hinauf, um ihn bort au&cv= 
halb berfclben 3 u fteinißen, mie and) fein SMeifter 
fe(bft außerhalb ber ©tabt gefreu$igt mürbe; viel^ 
leicht gefchal) eS bureb baS itadmtalS feinen Manien 
tragenbe fog. ©tcphanSthor, int Olten ber Stabt 
ßcßcu baS Äibronthal hinauf. 

©eine Sßortc fteißcru a(fo nur ihre Seibenfchaft 
noch inehr, beim fie scigen ihnen, mie ber non ihnen 
verworfene 3efu3 bod) wtrflich ber nun erhöhte 
wahrhaftige ȆZeffiaS 3Srae(S ift, unb nun erfolgt 
her lebte gewattfamc SluSbruch, inbem fie nicht ein¬ 
mal mehr ba$ Snbe ber ©crichtSverhaitblung unb 
bie gälluna be$ UrtheilfpruchS abmarteu, fonbern 
einen 93otfeaufflaitb erregen unb ihn unter bcin 
Stoben unb Samten beffelbcn sur ©tabt hinauf 
bräugen. 

©in Stecht 3 ur eigenen ©ollftreduug ber StobeS= 
ftrafc hatten fic befanntlicb nicht mehr ( 3 oh. 18,31); 
cS ift alfo ein St ft millfürtidjer SBolf^tuftis, freilid) 
meinten fte felbft tn blinbein Sifer eine (Sott ge¬ 
fällige Jhat gegenüber bem ©otteSläftcrcr gethan 
311 haben. 

$)ic 3eugeit (biefelben natürlich mie 6, 13) 
malten nach jübifchent ©efefe ben erften ©tein auf 
ben Slngeflagten merfen (3*>h.8, 7. 53)iof. 17, 7), 
beShatb legten fic ihre (Ober=) ffleibcr ab, 
bam.it ihnen biefe babei nicht binbertich feien. © a u= 
luS mar vielleidH alS Stbgcfanbter beS J&ohenvathS 
augegeit (22,20). $erv 3 cf n u. f. m., merfwür* 
bißiit einmal, ba|, mährenb StcphauuS in fci= 
ner aamen oorangehenben Siebe ben Mauten Ghvifti 
felbft nid>t nennt, obmohl er ihn unaufhörlich ge- 
ptebigt hat, alS ben Manien, in bcin allein alleS 
$eil 311 finben ift (4, 12 ), ihn nun aurfi wirflid) auS= 
bricht unb fid) fo mit beut Mauten gtiglcicB and) tum 
©laubeit an bie maluhaftige unb mefentlidw ©ott- 
heit feineS SträgerS befenut, beim nuriu®ottcS 
föänbe allein famt ein ©laubiger ftcvbcnb feine 
©cele befehlen, unb fobann bie völlige lieber- 
einfttmmung biefeS feines letten SBorteS mit 3cfu 
lefetem SobeSntfc felbft (SufaS 23, 46; pgl. $falnt 
31, 6 ). 

3 n ben SBorten „fdivie taut" ift ber game 
ftraftaufwanb feines ffllaubcnS unb feiner inbrfm* 
ftigcu Siebe auSgebrücft, bic ihn auch auf bie .ffnice 
niebertog. ‘Dergleichen ftimmt and) feine lebte S3itte 
für feine SVeinbe gam mit bev Fürbitte bc3 ©ervn 
am Ifreus überein (Siif. 23,34) unb fchon S( u g 11 ft i n 
hat barauf aufincrffam gemacht, meld>e tftud)t fie 


trug, loenu er fagt: 㣊tte StephanuS nidit alfo 
gebetet, jo hätte bie jfirdje nimmermehr einen ^}au= 
lu3 befommen;^ unb ähnlid) ein aitbcver alter Slu3* 
leger: „fauiit liegt bev elfte 3eugc tobt unter beit 
©teinen, jo ift ber 3 meitc fchon in bev SOiache." 

(S-utld)ticf er, abfid)tlid) bc 3 cid)iiet Sufa§ fei¬ 
nen &ob mit biefem äUort, ba3 fo gar nicht auf fein 
blutigcb CSnbe 311 paffen fdidnt, um su geigen, ba| 
eb benned) tiefe aücv ©vaufamfeit feiner Jycinbe ein 
fanfteb, ftillee unb feligcö gemefen fei, unb ev buvch 
feinen ftaubbaften ©lauben unb bie@ottc3fraft ber 
©itabc bennod) aud) im ©fliegen uod) herrlid) ge= 
liegt habe allein feinetMameuö (Stephanu3 = 
Ävone) müvbigcv ©clb. ©atilub aber (alfo ber 
fchon 7, 57 ermähnte Jüngling) hatte 2B 0 h l = 
gefallen jc., eigentlid): ftimmte ihm bei, mar 
gans bamit einoevftanben ( 3 oh. 16, 2 ). S>on hier 
ging e3 aber mit ihm halb nod) meitcv obmäitö: 
Äap. 8 ,1. 3 ift er bereits ein Verfolger bev ©hviften 
gemevben, alfo von bev ftillcn ftveubc unb bem tutifei^ 
gen Bufcheu juv thätigen 3)c itmivfung fovtgcfchrittcn; 
fein ©oblgcfallen ging alfo tiefer als bloS bis 311 t 
Sbcfricbigung perfönlidicn $affcS, mie eliva bei ben 
Slnberen, bic nad) gefdiehcnev Steinigung ivahv= 
fcheiulid) fidi gufricben gaben, 3 ugleid) ift bgmit 
aber and) angc 3 eigt, bah er StephanuS befiev per« 
ftaub unb richtiger tasivte, alS bie anberen alle: et 
erfanntc gam mohl, mie ocrgcblich cS fei, mtvbiefen 
©inen l e i b l i ch 3 U tobten, loenu in Slnbcven fein 
©eift bod) fortlebe, unb fo bvadite er cöbahin, baß 
ttod) am glcidien Sage ( 8,1 mövtlich: an icnentSagc, 
nid)t bloS: 311 ber Beit) fid) eine graufame S?er= 
folguug gegen bie ©cuieinbe erhob, ber man bisher 
blcS mit Scheu entgegen 311 treten gemagt hatte. 

III. ©iiuluK nuPbie^enteiube (8, 1 —4). ©ine 
gr 0 fie SSevf 0 (gu 11 ig buvch bie mm miebet in bie 
Stabt 3 uiütfgefchvte SSolfSmeugc, »reiche bie ohne 
Bu'eifcl an ihrem gemöhnlidjen SSerfammlungSort 
im ©ebet vereinigte ©emcinbe überfiel unb geioalt^ 
faut auScinarberjagte. Unb fic aerftreuten 
fid), namentlich in golge bev meiteren Schritte 
(5>.3), alle, alfo auch bie übrigen 6 Sllmofcns 
Pfleger (6,5), ohne bie Slpoftel: nur fic allein 
verliehen 3erufalent and) iefet nod) uid)t, benn bic 
rechten Wirten halten auf bem Sßvftcn auS, and) 
menn bie beerbe felbft auSeinanbcr läuft; fic bleU 
ben ftchen glcid)fant alS bie lebten chvmürbigen 
©äulcnrcftc beS 3 erftörtcn ©otteStcmpelS. 

3n bie Sänber (Sanbfdwiftcn) 3«bäa unb 
©amatia flohen fic suuäd)ft, nid)t bloS alS ben 
nächftlicacnben nach bev aiiSbrürflidjen SBcifuug bcS 
©errn (SMatth. 10, 23), fonbern auch nad) beut 
Sftathfchlufi ber göttlichen SSorfchung, um iefet fd)on 
ben Uebergang bcS ©vangclimnS von ben 3ubcn 311 
ben Reiben vovtubcrcitcn (vgl. 14). ®icfc noth= 
iveubige ©ilc ihrer B*lud)t verhinberte and) bic ©c^ 
mcinbe felbft an ber SJcftattinig bcS StcphanuS.- 
®ahev b e f d) i cf t c n ihn g 0 11 c S f ü r d) t i g e 
SMänncv auS ben 3«ben felbft (vgl.2,5), bic 
eS nicht mit ber aufgeregten SWengc hielten, fomenig 
alS bie tmei SMitglieber beS SmicbviumS, bie 3efum 
felbft begruben (MicobcmuS unb 3vfcph von SlrU 
mathia) mit bem übrigen .ftohenratb. 

Sie umreit alfo in Sßahrhcit gottcSfürditig 
unb Mtänncr, bie rnuthia ©oti mehr fürchteten 
1111 b ihm gehorditen, alS SMcufdicu, unb bei benen 
bie frühere fviebluherc ©cfimtung gegen bieGhriften 


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164 


jlu Haufe. 


(2,4/. 5,15ff.} nod) fortlcbte» im ©egenfafe au beut 
finftevcu pbarifäifcbeit Weift bei SaultW unb beit 
übrigenSeilten am* bem .'pobenrath. (Sine groftc 
(&’id)en=) $lagc, ttad) bem Vorgang von 1 iOtof. 
50 f 10; e3 beweift bie$ icbenfallo ben tiefen Gitt- 
bruef, ben fein gottfeligcr ©anbei unb fein feligeä 
Gnbe auch auf fic al3 unparteiliche Beugen gtmadrt 
batte. _ 

3tfftovtc bie ©euteinbe, inbem er in Seinem 
fanatijehen ßtfer alle3 aufbot, um ihre (Stiftern in 
rjerufaleut unmöglid) au inad)en. (Sr befebränfte 
ftcb nid)t mehr bavanf# Sie auf öffeittlidjer Strafte 
G.tfiugreifeu, jonbertt brid)t mit ©ewalt in ihre 
■eigenen Käufer ein, wohl in Begleitung oon ©e^ 
riebtebienern, bie tbm bet öobcratb baju bewilligte 


(26,10) unb bcmäd)tigt fid) ebne Uuterfdneb 9111er, 
bereu er babbaft werben fanu, um fie aunädtft in 
Untersuchungshaft au bringen, bis baoSobeburtheil 
über fic gefprod)cu ift — ein rütffid)tslofes unb belüg 
ungeredrtfertigtes Vergeben gegen frieblid>e Bürger, 
bas aber bereite bas genaue i>orbilb be3 Späteren 
Verfahrens ber 3 n <! u i j i t i o n geworben ift. ® i n= 
gen um, ttämlid) von tineui Ort aum anbern, 
nid)t sufriebeu mit ihrer eigenen augenblidlkben 
Rettung unbSidierbcit, fonbern begierig, bem ihnen 
hierburd) ju Sheil geworbenen göttlichen ©iitf au 
folgen unb baS (Soangcliunt auch über bie ©rennen 
feiner bisherigen Verfünbigung hinauf weitet 311 
verbreiten. — ,,©aä SMut ber Slßärtprer ift ber 
Same ber Äirche." 



lui 

®ou einer 

(Srjifljmtg. (®te (Sntfchiebenbeit ber 
SDluttw.) ®a3 Mbeitbeffeit oerfpatete fich in ber 
©obituug bc3 £>errn SÖlcrwin in fflofton. fyrau 
SOierwitt faft beim Steuer unb wartete auf bie Burüds 
funft ibre3 äßanneS oom ©efebäft. ©illie unb 
9lnna fptangeit wilb imBiututcr umher, warfen bie 
Stühle um, weld>e ©cfabr auch leiber ber gebedten 
Safel brohte. 

„Sflubig!" rief $ratt 2Rerwin iu’3 3immer hinein* 
„9litna, offne beinern 3Sater bie Sbür unb ©illie, 
rufe baS ußabdjen." 

„©er Vater hat einen 9}ad)tfdjlüffel, unb fattn 
bie Sbür felbft offnen," fagte 9(nna unb fiel über 
ihren trüber her, welcher ein Stüd Spieljeug Pott 
ihr batte. 

Gmnfibet trat $ert 9ßerwin ttt*3 Bitnmet unb 
fe^te fid> au’3 Reiter. Salb folgte baS äßäbdjen 
mit geröftetem Srob in einer &anb, unb in ber 
anbern einen Sopf voll Oiabm; bie Äfinbcr Por Un¬ 
art faft auftet fich, liefen gegen ba3 2ßäbcben, wcl= 
cbe3 baburch fein ©leicbgcwidjt perlor, unb ba$ ge= 
*öftett Srob auf bett Seppid) fallen tieft. Graürnt 
ging ftrau 3)Jerwiit unb gab ben tfinbern Serbe 
Ohrfeigen. „So etwa3 habe ich noch nie gefebett! 
^br feib gewift bie fcblimmftcn fiittber, bie e3 giebt, 
Jibr feib eine wahrhaftige Slagc! 3ch wollte ihr 
wäret beibe meilenweit entfernt! ?$cb faittt e3 nicht 
begreifen, wie c3 tommt, baft ich fo böfeßinber habe, 
©eh* iefet an ben CXifcö unb fcht nt/ baft ihr euch gut 
betragt. Jibr mad)t c3 eurem Vater gewift Sehr att^ 
pvitehm, ber ben ganten Sag für cudj arbeitet unb 
jefct heim fommt, unb finbet baS £au3 in einem 
foldjen ©urebeinanber, ba$ Gffen perborben, ben 
Seppid) ruinirt." EO?it btefett SBorten trieb fie bie 
ft'ittber att ben Sifcb. G3 waren wirflid) fchöne 
fi'inber, nur etwa3 blaft unb fcbwädilicb; aber ieftt 
— mit einem zornigen finfteren 65cficbt unb ttnge= 
tämmtem ©aar, machte ihr 9lu3feheit einen böchft 
uubefriebigenben Ginbrttd. Sie festen ftcb hin unb 
afien ohne ein ©ort nt reben; fo auch bie Gltcnt. 
Gnbticb fagte fyrait 9)?erPin: „©illie, ift nicht fo 
piel Pon biefent fiud)wt, ift and) etwas 23rob unb 


a u ft, 

$an£fr*it. 

Suttcr, unb btt 9lnita, follft nicht fo Piel Süfteb 
effen, bu baft iefet fdwn mehr, alo bir gut ift." 

„Srob unb Sutter fduueeft mir nidjt," enoiberte 
ffiillie int mürrifeben Sott, „unb toa3 tnii nid)t 
jebmerft, fanu id) nidit effen." Unb Slitna, ohne 
thre 9Mittter einer Antwort su toürbigen, aft pon 
bem Gingcmadttcn, bi3 nid)t3 mehr ba war. 

©er 9lbenb perging fo uitheimlid), wie er begann. 
9cacb bem Gffen ging c3 an ben Süd)ertifd), ba bie 
ftittber ihre Sd)ttl ^ Öefttonen für ben nächftcn Sag 
ju tnadjen batten; aber fic faften unruhig ba unb 
waren aoritig gegen einanber, unb ber 35atcr, nach 2 
betn er pergebiid) oerfuebt batte, eine halbe Stunbe 
au lefett, legte bie Bettung bin unb feftte fiel) tief 
feufactib att’3 geuer. 

„SKutter," frug ©illie, „wo liegt Surin?" 

„Otdj weift e3 iefet gerabe nid)t; fliehe c3 auf ber 
ffarte auf." 

„^d) fann ttid)t; e3 Sinh eine fold)c 5Kaffe Heiner 
ÜRameit barauf, unb wa3 mehr ift, id) werbe cö nid)t 
thun. G3 macht nichts att3, ob meine Seftiou and) 
fehlerhaft wirb, id) bin tefet fo weit unten in ber 
filafic, baft ich gerabe fo lieb bort bin, wie fonftuw." 

„Whttter, ift „gut" ein Gigenfd)aft6= ober ein Um« 
ftanbSwort?" frug 9lnna. 

,,©ie folftc id) ba3 wiffen? ffannft bu ba3 nicht 
in oer ©rammatif lernen?" 

„9ceiit, ich fann nicht," fagte 9(nna*. 

„©aitit ftubire beine Sücher, unb bcläftige mith 
nicht immer," fagte bie SButter. 

©ie Sftchcr tourben loeggelcgt. G3 war neun 
Uhr» bie fiinber oerlicften baä Bintmer unb gingen 
au Sett. 9litna flagte über ftopffchmeraen uttb fd)alt 
©idic, weil er ihren ©la$oogel aerbrochen hatte. 

9?achbent bie Gltern eine halbe Stunbe bafaften, 
ohne ein ©ort au reben, wattbte ßerr SScrwin fid) 
au feiner 5?rau, loclche aut Sifd) faft unb ihr ^paupt 
auf ben Slrnt ftüfete; bie Näharbeit war ihr atio ber 
©aub gefallen. 

,,.Oele»e," fagte er, „warum betragen unfere Sin- 
ber fich fo? !3d) wüitfd)e eine angenehme, freunb= 
liehe, ruhige ©eintatl). baute bicfcä ©atto unb 


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Ju Hauff, 


165 


ließ e3 pracfttooll au3ftatteu, id) oerforgc eud) mit 
altem auf’3 Riefte unb benttod) finb mir ftöd>ft utt= 
glüdlid). Uub e3 fommt aüe3 burch bie ungegogenen 
Hinter." 

5rau üRcruuit fdjautc ihren $DJann ctma3 un¬ 
willig au. „©eitn bie Hinter bofe fiub r ift e3 nid)t 
aud) theilioeife beine©chulb? ©uchft bu Re gutn 
©chorfam anjutciten, wie bu foüft?" 

„©ie famt id)," ermiberte er, „bin id) nicht bcn 
flauen 2ag au ber ?Crbcit? Sott ich bie turje 3eit, 
bie ich gu meiner Srbolung übrig habe, nod) oer- 
wenben, mn biefe unartigen Hinter 31 t erdeheu? 
©ie lieben mich ie^t khon wenig genug, höre höd)ft 
jetten ein frcunbti^e^ ©ort bon ihnen, unb tuic 
märe c3 noch, wenn ich ben $lbeitb im ©ebclteit mit 
ihnen gubrächte. ©eitern $lbenb ging ich nach ©aufe 
mit ©errit ©efton (nnferem alten §reunbc); ber= 
fetbe ift jo bejehäftigt, mic id), unb bie (Srgiehung 
feiner fünf Hinter liegt gang allein feiner grau ob; 
aber meid)’ ein.Unterjdiieb, Helene! freute unb 
©lüd ftrablte au3 bcn @efid)tern, jo intelligent, jo 
licbeooll gegen einanber, jo ruhig uub gehorfam 
gegen bie ©Item! 3 ch hatte Hoffnung, fotoerben 
meine Hinter auftoachjen, aber tiefe Hoffnung ift 
längft gejeheitert; ie älter fie toerbcu, ie fchltmmer. 
3<h mfiniche, baß bu ihnen $lbenb ein anbcrc3 3im= 
mer giebft, ich mag fie nicht mehr um mich haben." 
Sachtem ber Vater jo gcfprod)en, ging er tief feuf- 
jenb auf fein ©drtafgimmer. 

ffaum war er fort, jo brach Sran 9Hermin tu hef= 
tige3 ©einen att3. ©ie mar bi3 aur’3 3nncrfte er* 
fchüttert. Sie bemitleibete fiel) felbft unb toar er* 
sürtit über ihren 9Kann unb ihre Hinter. „3ch mar 
erft Rebengclm ^ahre alt, al3 idj einen SRaitit hei* 
rathete, ber üiel älter toar als id) unb be.shalb auch 
oiel oerftänbiger; unb tote foitnlc.er ertoärteit, baß 
ich oerftänbe Hinter gu crjiehen, ba ich felbft ein 
»ergärtelteS, oergogcne3 unb halbgebilbcte3 'üRäbchen 
war? ©0 feilte ich /Ut tiefer großen Arbeit bie noth= 
wettbige Selbftoerläugnmtg unb 9lu3bauer her* 
genommen haben? Sollte e3 ertoartet mürben, baß 
ich alle meine iugeitblicbenJyreubcn für aitbre opfere?" 

Unb toäbrcnb fie fobad)tc, weinte Re um jo mehr. 
(53 ift wahr, Srau SWenoin hatte gu früh geheirathet, 
ber Anfang mar baruiu nicht, toa3 er hätte fein fön* 
neu, aber fte mar eine Srau oon ©cfühl unb Gnt* 
fehiebenheit. 3 hre ©ebanten fchlugeit jefet eine 
anbere Dichtung ein. „$lber id) liebe meine Hinter, 
unb ich liebe meinen 2 Rann. 3 d) bin ihre 2 Rutter 
uub feine Srau; unb oerlaitgt nicht bie $?atur, ©ott 
mtb mein eigen ©erg, baß id) meine ^Richten beRer 
unb treuer erfülle, mie bi3 bahin? O, toie glüdiieb 
märe id), wenn ich meine Hinter fönnte gewinnen 
unb gur Sefferung anleiten, ©ettn ich meinen 
SRann beglüdctt unb feine ©eimath angenehm 
machen fönnte! ©eldje Opfer toäre id) nicht willig 
gu bringen ?" 3hr $(utlife leuchtete, al3 Re fo nadj* 
bachte, aber ber SRüdblid entmutbigte Re. 

„3d> bin breifitg 3abte alt," jagte Rc, „$lnna ift 
gtoölf unb ©iliie gehn, unb meint ich mid) audt 
beRertc, tote joll ich e3 bei meinen Hinbern anfangen ? 
Sich! id) fürd)tc, c3 ift oergeblid)e Arbeit." 

Srau uBcrtoin mar leiber nicht entfdueben rcligiö3, 
unb bennodj hatte Re in ber lebten 3cit, gwar tut* 
regelmäßig, hoch ernftlid) im Verborgenen gebetet. 
3cfet aber janf Rc bemüthig nieber, unb brachte ihre 
Sorgen, ©üttfdje unb Anliegen oor ©ott. ©ie 


betete toie ©alonto unt ©ei3heit unb ©nabe, beim 
Re fühlte toie nie guoor ihren hohen Vcruf, mtb baß 
e3 ihr allein burch ®otte3 Hraft itnb ©cisheit tnög* 
lieh ift, ihre Vflkhtcn 31 t erfüllen. $113 fie aufftanb, 
regten fid) neue ©efühle in ihrer 33ruft; fie toar be¬ 
ruhigt, ermuthigt uub fd)aute toieber hoffnungsooll 
in bie 3 ufunft. 

$lut näd)ftcii 2Korgeit ging Re 311 ihrer alten 
ftfmtnbin Svau ©efton, unb offenbarte ihr ibre©e= 
fühle unb ?lbfid)ten; Svau ©efton mar eine grojb 
bergige, oerftäitbige unb fromme fjvau. ©ie hörte 
mit inniger Shetlnahuic 31 t, ermuthigte Re unb gab 
ihr 9tath; nad) einer langen Vcfpredtung ging grau 
9)?ertoiu micbcr nad) ©aufc. $(it icuent $lbettb, 
nad)bcm ihriDtann mtb ihre Hinbcr 3111 * 9tuhe ge* 
gangen, nahm Re Stinte unb fteber unb fdjrieb fol- 
genbe Regeln nieber: 

1 ) ®e3 2age3 evfte VRidjt joll fein: (Sin ©cbet 
31 t ©ott um ©eioheit unb Hraft, meine Hinbcr 
ridjtig anatilctten unb 311 ergieheu. 

2 ) ©erbe meinen Hinbern nie micbcr erlauben, 
abficbtlid) gegen meinen ©illett gti haubein unb 31 t 
miberftreben. 

3) ©ill id) mid) beftreten, ntidj nie toieber buvch 
©cfül)l3aufregungcn hinvei&cn 311 laRcn, bainit ich 
burd) flitthe unb Ueberleguug 311 einem ridRigen 
Urthcil gelange. 

4) ©erbe id) täglid) einen 2hei( meiner freien 
3eit 311 m eigenen Unterricht benüfeen, bamit id> ba= 
burd) gefdiidtcr mcvbe, meine Hinbergu unterrichten. 

5) 3d) will ocvftidKMt, mein eigenes Sempevament 
311 übermadten, fretmblid) unb milbe fein unb mid) 
auch für bie fleinften ®iuge meiner Hinbcr intern 
effiren, bamit id) ihre Siebe gewinne. 

6 ) Uintöthige 9tuhe ober Sefen oon 9Jooellen fok 
len in 3 ufunft oerntieben werben, ebcitfober Vefitd) 
oon großen ®cfellfd)aftcn unb Vartic 3 , un b bie 3 rit, 
bie ich baburdt gewinne, feil bagu oermanbt toerbcu, 
bie ©eimath für meinen 9)iann uub meine Hinbcr 
angenehm m machen. 

7) 3<h will in 3ufunft mehr auf bie ©cfunbhcit 
meiner Hinbcr adtten, uub toerbc mid) über biefcit 
©egenftanb burd) Vüdtcr unb erfahrene Vcvjonen 
befragen uub berathen laffen. 

8 ) ©ill ich nid)t burd) Schlfdilagen meinc3cvften 
Vcrfud3 mich entmuthigen laffen, fonftvn fovt= 
fahren, tm feften ©latiben an bie Verheißung be3 
©errn für fold)c, meld)e ihre VRidjten treu unb gc= 
miffenbaft m erfüllen fudtcit. 

$113 bie Butter mit ©dneiben fertig toar, fdueitcn 
ihr biefe Vorfäfee auf bem Vaptcr freilid) vedtt for= 
mal. ®a3 ©chrciben berfclbeu toar nicbt3, aber Re 
hatte biefe Vorfäße im ©cvgcn; Re legte baher ba3 
Vapier gufamtnen unb fdtloß es gur Cfrinncumg ein, 
fürbcn^all, baft Rc fpäter toieber ©cfahr lief, in 
bie alten ©emohnheiten gurüdgufallcn. 

$lm näd)ftcn 2Korgen frühftüdten Rc toie gewöhn^ 
lief), $lttua unb ©iliie famen gcrabe, al3 ihr Vater 
00 m 2 ifd> aufftanb; beileibe ging auf eine 9?eifc, 
umoicr©od)en abmefenb gu fein; aber ba3 blich 
ben .Hinbern gleich, fein $lbfd)ieb3gru& beut Vater, 
ber Reh tag für tag für Rc abmühte. „Vvingc mir 
etma3 ©dwnc3 mit!" unb „Vringe mir ehoas ©chö= 
nc3 mit!" riefen Re ihm Veibe git, unb mit biefe« 
©orten fefeten Rc Reh au ben tifch. 

„©0 ift beim mein Haffee?" frug ©iliie. „®ies 
fe3 weiße 3ei»ß ift bod) fein Haffee." 


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166 


(Sßrottih ber Äegemtmrt. 


„9?eitt," Tante bie 5Kutter, ,,e3 ift 9Wild) unb 
Sßaffcr. 3d> wüttfdje, baß bu c3 trinfft; e3 iftbeffer 
fftrbid)." 

»Unb ich will ffaffee," Tante ®ißie in einem ent= 
Tcfticbencn Sou, f riint> id) werbe nicht3 ?lnbcre3 nch= 
men," bamit ftreefte er feine £>anb au3, um ficf> fei-* 
bev gu helfen. 

„ jraae ben S?affee hinauf," faßte grau SRerwin 
gum ®ienftmäbd)cn. ®er ffaffee würbe htnau3= 
ßetraaen. 

„ffio ift mein ßeröftete3 ©rob mit Sßurft?" fuiß 
?lnna. 

„®u betommft biefeu SRorßcit beibe3 nicht; bort 
ift ßute3 ©rob unb ©utter. ®u fannft etwa3 
gleifcb bagu haben, ober and) ein ßetodite3 Gi, wie 
bu wißft." 

,,3cb wüttfdie feinS oott beiben; id) will ©Surft, 
unb wenn ich bie nicht haben fann, wiß id) nid)t3." 

,,®erabe wie bu wißft," erwibertc bie üDiutter 
faltblütiß. 

®it ffiüber fdmuteit jefet ihre SRutter unb bar= 
nach eiitauber an; fie tonnten ber Sfiutter Gntfd)ie= 
beuheit nid)t beßreifeu. Sie baten, brohten unb 
fuchten auf aßerlei ©Seife gu erlaitßcu, wa3 fie 
wüufdffeu, aber umfonft. 3Kit finfteren ©eRcbtern 
erßabctr Re fid) ettblid), uttb aßen, wa3 oor ihnen 
ftanb. 

ifÄber ich n>ei§ ein3," faßte SBißie, „wenn ich gum 
5)?ittaßeRen nid>t haben tarnt, wa3 ich miß, werbe 
id) lieber ©itnaer leiben. Schon feit einer SBoche 
habe id> nicht mehr ßebabet, unb werbe e3 and) nidtt 
mehr thun; and) werbe id) heute 92ad)inittaß nicht 
in bic Schule ßehen. ©ater ift oerreift, unb ich 
werbe gu .ftattfe bleiben unb fpiclett; bu auch, Stnna ? 
Sticht wahr?" 

Huna war oeßfontmen wißiß, auf biefeu ©lau 
cinwaehen, unb fo verließen fie ba3 3»nnner. 

Seim 9Rittafleneu war ihre Ungufriebcnhcit uoch 
um ein ©ebeutenbe* ßeftießcn. ®ie ffinber ßinacn 
gmar 9iachmittaß3 tu bie Schule, aber mit Unwillen 


unb Born, ©eim Slbenbeffen ßiitß e3 nicht beffer, 
unb weil ber SRutter föanblunß3meife bi3 bahiu 
blo3 im Siedffßcben beftanb, fo tonnte fie iefet nid)t3 
mit ihnen aiwridßen, ben freunblidteu ©Sorten ber 
ßuten Butter beßeßneten fie mit ber arbßten ©leid)- 
ßültißfeit. Stad) einem red)t toilbett Spiel, tu wcU 
che3 bie SRuttcr nicht eingußreifen waate, ßiitß c3 
att’3 Stubiren, bod) ehe fie ihre ©lieber nahmen, 
fteßte bie SRuttcr gmei Stuhle hin, hieß bie ff inbet 
fid) barauf fefeett unb fefete fid) ihnen ßcßcuüber. 
3hre Slitßen waren feucht unb ihre Stimme bebte, 
al3 Re anfittß gu rebett, bod) gelaitß e3 ihr, Reh gu 
beherrfdtett. 

„S3?einc ff inber," faßte Re, »ich liebe eud) herglidt, 
unb euer ©ater liebt eud) and). 3hr feib nufere 
ffinber. ©Bit wuitfdtett eud) ßlüdlid) gu ntad)cn, 
ttttb ba3 tonnen wir nid)t, e3 fei benn, baß ihr brao 
feib. ®er liebe©ott ßab euch ttn3, um euch nüßlidj 
gu ergiehett. Gr hat ben ffinbern befohlen, ihre 
Gltcrn gu lieben unb gu ßeboreben. 3br feib ießt alt 
ßcnitß unb oerftebt biefe3. 

3d) war ttod) eine febr iuttße SWutter, al3 euch 
ber liebe ©ott un3 fchentte. 3d) war fclbft ttod) xwu 
wiffettb unb unaditfam. ^dj bin iefet älter unb {ehe 
bie golaen be3 CcichtRitn3 unb ber Stadißiebißtcit. 
3d) habe ©eobadffuitßen aitßcftellt, habe ßclejett 
unb nad)ßebad)t. 3<h )oerbe iefet probirett, eud) gu 
ergiehett, unb ba3 erfte, worauf ich befteben werbe, 
ift, baß ihr mir folßt. 3<b ßlaube famti, baß ihr 
ttiid), noch euren ©ater fo liebt, wie ffinber ihre 
Gltcrn ßcwöbnlid) lieben; e3 maß fein, baß ihrc3 
nie thun werbet; aber ihr müßt un3 refpeftireit unb 
ßehordjen." 

®ie ffinber hatten bic SRutter oft ßereigt unb er- 
gürnt burd) ihre Unarten, unb fie würben bafür be- 
ftraft; — aber hier fabelt fie ein, baß e3 Reh um ein 
ucuc3 ©riugip hanbelte, unb fie horten mit ber 
ßrbßteu Slufmertfamfcit gu. 

(ßovifctuma folgt.) 


___—I Pr r_ 

Chronik 5er C^eßenwart. 


®ie Wethobiften in ßanatoa Rrebett eine Scteitti= 
ßitna an, unb haben ernftliche Sdwitte bagtt ßethan, 
wa3 wir al3 ein ßute3 Blichen ber Beit begeichncn. 
(53 beftehen in Ganaba nid)t wenißer al3 vier oer- 
fd)iebette methobiftifchc ©emeiitfdtaften, weldte gu 
einer leben3fräftiaen ff irdtc ocrcinißt, aewiß oiel er= 
folßreicher gu wirten im Staube wären; näntlid) — 
bie Ganabifdte Wcthobiftenfirdte, bie primitive $?e= 
thobiftenfirdte, bie ©ibeldwiften unb bie ©ifdwfliche 
SOJethobiftentirche. 3*i her Cchre Rnb biefe ffirdien- 
ßemeinfdtaften alle ciniß# im ffirdtetireßinicnt aber 
finbeit fid) fold)e Unterfdtiebc, baß bic aiißcftrcble 
©ereinißititß benn bod) nid)t fo ßattg leidtt gu Staube 
gu briitßett ift, unb e3 würbe be3halb eine ©afi3 gu 
finbett fein, auf io:ld)er bie ?lnfidffcn unb ©runb' 
falge über ffinbenreßiment ßcßenfcitiß actoahrt wer= 
ben tonnen. ®ie einen fehett in ber ©eiteral-Gon^ 
fereng bie Geutralßewalt —Rnb alfo Uuioniften, bie 


attberen woßett bie 9?ed)te ber jährlichen Gonferengen 
tiid)t ßefchmälcrt wißen; bic einen leßcu ©ewidtt auf 
bic Öencralfuperintenbcntur, bie nubern auf ba3 
©aftorat *c. 

®a3 mit ber Sache. beauftraßteGommittce ßlaubt, 
baß alle biefe ?lnfchauunßcn unb ©ruubfäjge gum 
fHcdttc tomincn tonnen, unb hat ein Sunbfdneibcn 
an bie ©emeiuben unb Gonfercngeit erlaffen, in 
weldteut bie © a f i 3 ber © c r c i ti i ß u tt ß nie- 
berßeleßt ift, unb bie ©etreffenben aufßeforbert ivcr- 
ben, barüber abgufiimtnen. Woßett fic gu ©oU 
um 5öci3heit nnb Grleucbtuitß bitten, ©cßrüubcte 
Urfache gum ©eftehen oon oier metbobiitijeheu @e= 
meinfd)aften in Gattaba tonnen wir nicht entbeefen. 

(fine 0ountaßRhul*Goutifutiott in ber ©erlitter 
^omfHftßfttpeKe! 2Ber hätte and) oor 25 fahren 
baran ßcbad)t — bie SBelt breht fid) hoch unb ©ot^ 


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(Sfjronik ber Segrmoart 


167 


teSrcicfe ifi bodj ftcgreich. 8cfete3 ©pätiahr warb 
alfo bie oterte ©oitntagfdmUßoitPention ber per* 
einigten Sonntagidmlen SeutfchlanbS in Berlin 
gehalten, au welchem 3wccfc bic SomftiftSfapelle 
fteunbliam bewilligt würbe. Sic Xbcilnabme 
war eine jehr rege, unb bie Statiftifcn wie anbete 
Sladmd)teu erfüllten bie Gouocntion mit frö(>ltd>cr 
Öoftnuitg. Sie SMartcn, Schienen, SdrfcSwig« 
$>olitcin, Spommeut, Oftpreu&eit, s 45vopiniSac()jen, 
Steinen, Äöuigveich Sachfcn unb SRittcl=Scutjd)= 
lanb waren oertreten, jclbfi Sliga unb/ilkag fehlten 
nicht. SaS ßommittee hatte für bic bieSiährige 
ftauptPcrfammlung Awci cinjcblägigeShcmata auf- 
gefteilt. SaS erfte lautete: „9Bie finb bic ©in- 
berniffc, welche in flcincn ©cmciitben, iuSbcfonbere 
Sorfgemeinbcn, bie ßinrichtimg ber Sonntagfchule 
cntgegenftchcn, au überwiiibeu ?" ?yfir biefe^ S£(>cina 
waren Spalter Barche auS ffültfchm unb SJaftor 
©lücber auS Sorfhain hei ßble Ärone im Äonig= 
retih Sad)jeit au ^Referenten erwählt worben. SaS 
Amcite Shenta enthielt bic Srage: „SkaS ift $u 
thun, bamit bie Sonntagfchule mehr unb mehr ut 
ba3 jJewugtfcin bcS größeren dmftlidjen^ubUtuntS 
gehradjt wirb?" SaS Shema war fßrof. S. Gaffet 
auS ^Berlin unb fßaftor Sic3nteper auS Bremen 
übertragen worben. Ccfetercr iftburdj feine: „93rasi3 
ber Sonntagfchule" befamit geworben. 


$ut <£|*r*fte ©ambettaS 31 t Aeichnen ift fcfiwct; 
benn er würbe im ficben wie nach feinem Stöbe fo 
wcrfchieben beurtheilt, ba& cS unmöglich wäre, ein 
richtiges Sharafterhilb von ihm 3 » erhalten, wüüte 
man nicht, bah biefe ocrfdjicbcitcit öcurthcilungeir 
beit berfchiebenen Stanbpunftcn bcr Scurthctler 
entfpriugen. Sie einen fabelt in ihm einen Staats¬ 
mann fonbergleidjen, bic anbevn nur einen gewöhn« 
lid)en Kolititer; bie einen biegen ihn beit groben, 
emsigen ^Patrioten ^rranfrcidjS, bic anbern nannten 
ihn feibftffichttg; bie einen jagten, er bereite einen 
jRachcAitg gegen Scittfdjlanb oor, bie anbern, er 
beitfe nur an Trieben; bic einen Ijie&cn ihn einen 
Seutfcbcnfreffer, beit anbern war er lange itid)t 
billig genug gegen bic Sciitfdjen. 

3BaS war nun ©ambetta ? SBait betrachte ein- 
mal fein ©tlb in 3abrgang 6 unferer ©djrift, 
3. 184, wofclbft aud) fein 8ebcnSlauf jJiAAttt ift, 
unb man wirb fd)oit barauS auf einige Gbaraftcr* 


lüge fcblie&eu tonnen. 

(Sr war oor Stllern SfraitAofe, ein gfühenber 9ßa= 
triot unb Awar feiner 001t beiten, wcld)e bic 93 ater= 
laitbSliebe Aum SJorwanb nehmen, baS 9 Satcrlanb 
AU berauben. SaS gereicht ihm 311t Ghrc, Slic= 
utaitb, and) ber beutfdjeftc Scutjche folltc eS ihm 
Atiut SSorwuvf madjen, bag er ein Sranjofc war, ber 
Stanfvcicf) über SUleS liebte. 

Sobann bejah ©ambetta ein jRebnertalent, wie 
eS nur ciitAclnc Männer aufAuwcifcn haben, filar 
unb fdiarf in ber grormulirung ber begriffe war er 
hmrcigcnb in hecfcftcm ©rabc unb hatte, währenb 
crrcbctc, feine iJnbörcr in oölligcr ©cwalt. ©err 
SBafftbtiriic, bcr frühere©ejanbte ber 93er. Staaten 
in ißariS, lagt uon ©ambettaS 93crebtfamfeit: ,,3d) 
habe ©amhetta gehört, alS er iit ber Stationalocr; 
fammlmta gegen ben jogenannteit StaatSftreid) 
»ad»ahoii§ fpwd). Sicje Siebe wirb ficber alS 
bic bcbeutenbftc, bic er ic gehalten, bcAeidmct wer= 
ben. 3dj f>at>c feit bem Sabre 1840 faft alle he* 


beutenben Stcbner unfereS 8anbeS unb einige bcr 
herühmteften Stcbner (SnglanbS unb SranfreichS 
gehört, aber id) um6 fageit, Pa§ ich nie etwas ge¬ 
hört habe# waS aud) nur entfernt mit bcr bamalS 
001t ©ambetta gehaltenen Siebe perglichen werben 
fann." 

©amhettaS aitbeve ©aben waren ebenfalls bc= 
beutenb. Gilt iDlattn, ber, nad)bcm baS Äaifcr« 
reid) in Srüntmer gegangen, bie faifcrliche Armeen 
gefangen ober Acvfprcngt iparcn, foglcicb und) bicfeit 
ISreiguiffeit beit gcjimfencit SKutb bicjcS ^olfcS 
heben, Armeen auS bem ^boben ftanipfcu, ftc flei- 
ben unb organifiren, unb unter folchctt Umftänben 
einen bebeutenben SSibcrftanb hcrftcKcn tonnte: 
ein fotchcrSRann mufetc uid)tungcwöhnlid)e3ähig= 
feiten haben. 

Seine Ghrlichfcit würbe währenb biefer 3cit- 
periobe (währenb feucr Siftatur) auf bie härteftc 
^5vobe geftellt, beim er gab batnalS allein ^Millionen 
auS, unb alS feine Scinbc nachmals ftrenge Uutcr- 
fttd)ung anorbuctcn, ergab eS ftd), baft an feinen 
Singcvit and) fein Äupfcrftücf hängen geblieben. 

SaJ feilt Gharaftcroilb ncbcu biefen gläitAenbcn 
Gigcnidiaftcn aud) Schatten Acigt, ift felbftverftänb- 
Iicp. SiiditS au fageit Pon anbern ftttlid)en©cbrcchcn 
thcilte er bie Siaiiottalfchler feineS93olfeS: Umiber* 
wiublichen GhrgciA, leibcnfchaftlirte buvdj ben 91»= 
genblid evAeugtc Grregmtg, bie oft feinen jonft flareit 
Sülid trübte, unbcfwränftcS Sclbftpcvtvaucn, unb 
oielleicbt auch einen angeborenen bitteren ©aß gegen 
Scutfchlanb. 

©ir fageit „picflciditaud)," weil auS feinen ©aufc- 
lungeit buvcbauS nicht beroorgeht, betp er, wie 
manche aubere SraiiAofcit, Scutfchlanb glüheub 
haßte, and) wenn bie Scutfchcu ßljafrßotbvingcn 
nicht hätten. So t. 5B. erAählt SEBafhhurnc: 
»3ch mad)te bie pcrföitlühe 93efanntfd)aft ©mit' 
bettaS, alS biefer nadj ber Slbfcbung SRapolconS 
baS 3)?iniftcritnn bcS ^nnern übernommen batte. 
3cb war» tuic Sie wijTcn, mit bent Schube bcr 
in ftranfrcich Icbcnbcn Seiitfchcn betraut worbcit 
unb hatte bcr früheren faifcrluhcn Slcgtcrtutg ge^ 
gcitübcr bamit einen fchr imangeitcbmctt ©taub. 
Sie Slvt unb SBcife, in ber bie taifcrUd)c Siegic= 
rting bic in fjranfvcich Icbcnbcn Scutfdjctt bc= 
hantelte, war niiht allein pöllig wibcrftimig, fon- 
bcrit ftanb auch iit unmittelbarem SKiterfpruehc 
mit ben anerfainttcn ©mitbfäben beS9Sölfcrrc(htc§. 
3uerft wollte bie franAöfifchc SJcgicnmg Jeinent 
waffenfähigen Seutfcheit bic Grlaubntö geben, 
Sfraitfrctdj 31t Perlaffen. SllS Gntfchulbigung für 
biefe gaitA ipillfürltdjc uttb oö(ferrcd)t$wihiac @itt= 
Weibung führte Re an, baft eS namentlich iit jßariS 
pon iungcit fräfttgeu Scutfd)eit wimmele, bie, weint 
man ihnen bie Slbreifc geftatte, bcmitächft bie SSaf- 
fen gegen Sranfrcich ergreifen wtubeit. 3ch batte 
über biefcit fßunft lange Äueciuanbcrfcbungcit mit 
bem auswärtigen 9lmt unb fefete eS fcblicfjlich bttreh, 
baft bie Stegierung ihre erfte (Sntfchcibuitg gtirüd- 
nahm, freilich nur, um fte buvd) eine aitbcrc, pict 
imnteitfchlichere a» erfcbcit, wonach alle Seutfcheit 
auS JJranfrcid) aiiSgcwicfcn würben 1111b fofortbaS 
8aitb perlaRen follteit. Siefcr graufantc 23cfchh 
pon bem iit 93ariS allein 30,000 Sentfdje, Sltäitner, 
ftraueu uitb Äiitber, betroffen würben, mufite für 
Satifeitbe pon Samilicn teil pölligen Sluin Atir 
Solge haben unb bie Schwicrigfcitcn, mit bcitcit ich 


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168 


(Kljroitih ber @egmn>art. 


gu fäinvfcn batte, mürben ßerabegu unüberminblith. 
©a trat ber SRcfticrunflöii>ea>fc(ein unb tri) befchlofe, 
tniri) verfönliri) an ©ambetta, ben neuen Miniftcr 
bco Innern gu menbeu, in beffen ©evartement bie 
hier berührten ftraßen fcbliefjliri) cntfchicbcn merben 
mußten. ©ambetta batte bamat3 niri)t bie minbefte 
Srfabrmtß in Sermaltunß3außcleßcnbcitcn unb e3 
mar minbeftenä fva^Iid), ob er im ©taube fein 
mcvbc, ben in’3 Unermejjlicbe ßcftcißerten 9lnforbe- 
runnen {einer verantmovtlichen ©tellunß ßereri)t gu 
merben. 

91(3 iri) meinen erften anttU(T>en Sefurij bei bent 
neuen Minister machte, faitb ich einen junßen Mann 
von mittlerer ©röiie tntb ©tärfc (©ambetta ift fvä= 
ter erft febr ftarf ßcmorbcn), mit angenehmen 3Ka= 
nieten, ©ein ©cfiri)t mar bübfeh; er truß lanßeS, 
fcbmargeS foaar unb einen »ölten Sart. 3<h fefetc 
©ambetta bie ßangc 9lnßelcßcnhcitau3cinanbcr unb 
mar angenehm übcrrafcht ooit ber ©cbuellißfeit unb 
©chärfe feiner 9(uffaffunß. Sr billigte fofort ben 
©tanbvunft, ben iri) ber faifcrlidjcu SWcßieruuß 
gegenüber eingenommen batte, unb brüritc feine 
Stheilnahmc mit ben von bent 9(u3mcifunß3bcfchl 
betroffenen ©eutfri)en au3. Sr verfvrari) fofort, 
baß er, ma3 in feinen Kräften ftche, tbun molle, um 
bie Caae ber armen ?lu3gemicfenen gu erleichtern, 
unb mir einigten unSbahin, baß ieber©eutfrf)e, ber 
einen Saft von mir habe, auf K'oftcn ber frangofU 
feften SRegicrunfl bi3 gut beutfehen ©rengc acfri)afft 
merben folle. ®a$ gefeftab bettn auch fortan unb 
meine fehmere unb verantwortliche Slufgabc -mürbe 
mir baburri) bebeutenb crleiri)tert. ©ambetta bin 
iri) aber für fein cncrgifcbcS Sinfcbreitcn ftct3 gu 
großem ©anfe verpflichtet geblieben." 

hieraus acht hervor, baft©ambetta bie ©eutfebeu 
nicht haßte, fo febr e3 feiner SatcrlaubSlicbe unb 
feinem Sbrgcig auch barum gu tbun fein mochte, 
Si3marcf unb Moltfe beruntergufriegen. 

Ob ©ambetta einen 8larijefricg in nächster 3cit 
beabsichtigte? 2Btr glauben e3 faum. Mochte fein 
fvangbfifcbeS Slut auri) bagu treiben, fein flavcr 
Slia, wie feineSrfabruna mußten bavon abratben. 
SJebcnfallS aber märe er ber Manu ßcwcjcn, bic 
Srangbfen gu entflammen, unb Siämarct foll bei 
ber Nachricht feinet 3;obe3 ßefaßt haben: „ftranfs 
reiri) bat einen großen Mann verloren; mir aber 
tonnen rubißer fcblaten." 

$a$ fafffoiilftiicl foll jefet auch in 9?cu>=S5orf 
aufßefübrt merben. 3n biefem ©viel mirb be= 
fanntlidj baoCciben unb Sterben unferc3$ci(anbc3 
auf ber Sbcaterbühne barßeftellt. ©iefer ©ebrauri) 
führt in’3 Mittelalter gurürf, mo in ber foßenanuten 
ftaftengeit in Surova folri)e ©viele von ben Srie= 
ftern in ©eene gefefct mürben, um bem Soll ba$ 
Seiben be3 föerrn gu veranfebaulirijen. ®a aber 
biefc ©viele febr mißarteten, mürben biefelben viel= 
arf) verboten. 9iur in einißen Orten erhielten fie 
iri); fo g. S. in Slmmergau in Dbcrbaiern, mo 
baß Saffionßfvicl alle 10 ^ahre aufßefübrt mirb 
tmb- SHcifcnbe aller 9lrt gu SEanfcuben angiebt. 

©tefcß ©viel foll nun auri) in 9icm=2)orf auf bic 
Sühne fommen. Stiebt um ben Seutcn relißiöfe 
©ebanfen beigu bringen; nic()t um baß 8eibcn unb 
Sterben beß &errn ben Sergen cinguvräßen; nicht 
um bem Sbriftcntbum ober ber Kirche Sorfcbub gu 
leiften. ilri), nein — an all baß benfen bie Unter¬ 


nehmer nicht, ©ie fuhren baß Safftonßfvicl auß 
feinem anberen ©runbe auf, alß ivcil fie ©elb, viel 
©elb, ©ärie voll ©elb bamit verbienen mollcn. 
®a3 ©eiliße mirb babei in ben Kotb ßcgoacu, ba3 
hoebfte ©ut, bao bie Mcnfchbeit bat, gum ©efvotlc 
ßemari)t. 9lber ma3 mari)t ba3 ben Sbcaterunters 
nehmern au3! ©ie merben ©elb verbienen unb viele 
tboiicbte Sbriftenmenfihen merben biefe SrijaufteU 
lunß ibre3Srl6fer3 ebenfalls anftarreu, ohne baran 
gu benfen, melcber ©obn baburri) auf ihn ßebauft 
mirb. 

3mar bat ber 3Bat)or von 9cempört bie Srlauh- 
niß gut 9luffübrunß bc3 $affionbfviel3 niri)t er= 
tbeilt; mer aber fann faßen, ob baffclbe biefer 9Bci= 
ßeruna gum Srofe nicht aufßefübrt mirb. £>eutgu= 
taße febeinen ja folcbe Verbote eißentliri) nur ba gu 
fein, um verlacht gu merben. 9ccm=S}orf ift ieboch 
in biefer Segiebuiiß beffer beftellt al3 Sincinnati, 
unb u>ir hoffen, bafe bie 9luffübninß beo s 4>ajjion§s 
fviel3 für immer unterbleibt. 

üta SiVilbim^QIrffh beftebt alfo jefet in ben 3>cr. 
©taaten. fterr Senbleton bat e3 bem Sonßreft vor- 
ßelcßt, biefer bat eS anßcuommen unb bevSrafibent * 
ßut ßcbcißcn. 9llfo mürbe bie „Sill" gum ©ejefe. 

SBa3 enthalt beim baffelbe? Manrijeö ©ute. 
Sxamcn follen bic 8cute hefteben, mclcbe fiel) 
um Slemter bemerben, ihr Sbarafter foll in Se= 
trarijt fommen, bic Sonßrcfjleute Sollen nirijt mehr 
ben uäri)fteu heften burc()fri)mußßcln büvfcn. 9111 
bie$ ift rcrf)t, ßut unb jebon, unb mir freuen un3,#' 
ba§ fo viel en*eiri)t ift. 91 ber allgußrofje Srmar- 

tunßcn beßen mir nicht, ©er ^auvtfebier uuferc3 
bivberißen ©vftem3 ivat ber, bah ber Sivilbicuft 
abhänßiß mar von bem Sluofatl ber volitifrijeu 
SBahlcn. Unb baran mirb burch ba3 neue ©efefe 
fo ßut u>ie niri)t3 ßcanbert. Keiner ber unter ba3 
ncueöcfcfe fallenben Scamten ift firijev, bafe er feine 
©teile bcbdlt, mcitn eine anbe\*e volitijri)e Sartci 
an’3 9tubcr ßelanßt unb ma3 bie 9lnftellunßcn an= 
belanßt, fo merben auri) unter bem neuen ©efefe 
trofe aller 2Bettvrüfunßcn von einer revubtifanijeben 
9(bminiftration Dicvublifancr, von einer bcmofratU 
friicn aber ©emofraten aiißcftcllt merben. 3cbori) 

— bie$ ©efefe ift bori) eine ©runblaßc für Dtcfovm, 
auf melcber fvätcr meiter ßebaut iverbeu fann. 

Sie Smtyerettgftefehe iu fformegfi. SWormcßcn 
ift nur nommcll eine Monardjie, ba3 8anb bat faft 
ßang revublifanifri)e ^nftitutionen unb bori) ßiebt 
e3 in biefem freien 8anbc eine Sefrinanfuiiß be3 
9(lfobolverfauf3, mie fie fonft nur noch in ben Ser. 
Staaten unb hier nur tbcilmcifc gu finben ift. 

©ie Srlauhnif; 2Bcin unb Sier gu verfaufen ift 
von bem ©viritu3= unb Srijnavovcrfauf buvdjau3 
(getrennt. 9llle ©otel3 haben bie crftcre, bori) nur 
febr meniße, felbft in ben ßroften ©tabten, haben 
bic lebtcrc. Scrtaußt bort ber DJeifcnbc nach Sier 
ober 2Bein, fo erhalt er biefelben fofort, beftellt er 
aber einen Soßnaf, fo antmortet ber Kellner mit 
9lcbfelguden, ober er muh märten, bi3 biefer ©etränf 
auS einem 8abcn ßcbolt mirb, )velcl)er bie fvegicllc 
Srlaubnijj bc3Srauntmeinverfaufe3 bat. Keinerlei 
Sranntmcin barf — felbft in ben bagu berechtigten 
gäben—iu ber 3cit gmifchcn fünf Uhr 9tari)mittaß3 
am ©onnabenb unb acht Uhr fv«b cuu Montaß vcr= 
tauft merben. 


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V 


? 


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9«r 0r®(|* $Uwq>f. 


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§fftn JSanb. 


Hptit 1883. 


Viertes «&eft. 


-Hcöör fpeA&e ^ctiupf. ^N* 

- 0*0 - 

( 3 um Sitelbilb). 

SJticfr a&> kw 

iw ^aiwp^ew &ei^tioteji’w, 
gj^^wtjeoi bu, fiiz- wiicfi mit c|letew, 
l^twö IVäftäi w>eiwc/wi> aw iwit 
§^ww tc& iw (|wuv imb |a^w, 

^&&cp, fi^K/fc §^atei>! !>a^m. 


^cp, bw hänvpfest wwc, kw ^uie, 
fj^a/fvr.e<> |eW wvü betw ^ab, 

|gwi> beiw ^cftwei^s 'ue/jwwewtji wit c^fwte, 
^qXxtX wvicfv bc^we g^CKyoe Spotfi. 

bie ^iiwbc^ bicfo wicfvt wetfem, 


^ownii eiw |[w<jet bicfv stä/^IWw. 


--«*- 

Pie ftrgamfation bet üfdj. Üetlj. Hirdje. 

«bitor. 


I. inrittg« Jlttfffttg*. 

S m 3o^re 1784 mürbe bie Sifcfc. TOetf). aus beten SBirfen ©emeinben entjtanben, bas 
Jtirche organifirt, baS Reifet, fie Sßort ©otteS auf norbamerifanifchem ©ebiek 
erhielt barnatS eine firchliche 53erfaffung, berfünbigt haben, nämlich Stöbert ©trarobribge 
roäfjrenb man bie © r ü n b u n g beS unb fjauptmann ffiebb. 

9JtethobiSmuS auf 1766 jurücfführt, in ©trarobribge tarn nach ben beften Quellen nicht 
Welchem 3ah« unter ©mburq in iRempotf bie [bätet als 1765 nachSlmerifa (unb maljrfiheinlid) 
etile ÄlajTe gebilbet mürbe. früher) unb hielt als eifriger Sofalprebiger fo= 

Obgleich nun bie ©rünbung bet Äirche gleich nach feiner Ulnfunfl öffentlichen ©otteS= 
Don biefem 2>ahr batirt, machen eS bie neuften bienft in feinem &aufe. konnte er fich auch 
Soridjungen ieboch mehr als mahrfcheinlich, baß meber als Sanbmirth noch als ©efchäftSmanu 
fchon früher *) jroei methobiftifche Saienprebiger, befonberer ©rfolge rühmen, fo hatte ihm ©ott, 

._ ber £>err, einen glüljenben SBerbeeifer für ©eelen, 

•> 9 c*c< 9 ’« unb tB^ttcficM sitttamtcu t#M nun wo^«r. ein erbarmungSDoüeS 4>erj für bie in zRarplanbS 

13 


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170 


fit Organtfation btr fifdj. ftrtlj. fitdjt. 




Stöbert «Stniiobiibfle. 

bamaliger S33i(bitiB berfommenben 9litfiebler ge= 
fd)enft. 91(3 feuriger Urlauber mar ©trambribge 
nicht bamit aufrieben nur itt feinem £)aufe 51 t 
prebigen, fonbern errichtete am Sams Sach in 
greberidßountt), SJtarijlanb, eine rohgejimmerte 
Slodfirche, an meldjer öfeufter unb Spüren fef)U 
ten unb bie 
nie Pollenbet 
mürbe. Wan* 

(he ©efdjichtS* 
fthreiber Da* 
tiren biefen 
SauinS3tuht 
1764. — 9Bie 
betn aber auch 
fei, geroiß ift 
es, baß ber= 
feibe bie erfte 
Kirche mar, 
in melcher ein 
Wethobi fielt* 
prebiger baS 
Sßort ©otteS 
im ©ebieteber 
Ser. Staaten 
bertimbigte, 
bemtbie Sub* 
fcriptionSlifte 
für bie 2BeS= 
let) SJapeüe an 
ber ^ohnStr. 
in s Jtero=$orf 
mürbe erft Robert 


1768 eröffnet. Igeboch mar ©traro= 
bribge’S Slodtirche, mie Sifdjof 
Simpfon tagt, nie baS ©igenthum einer 
Wethobiftengemeinbe, auch mürbe ba* 
felbft teilte foldje organifirt, roaS erft 
fpäter gefchah- Sie 93(ocftircf)e mürbe 
anno 1783 burch eine SteinfapeDe er= 
fept, me(d)e im Sahre 1800 nochmals 
umgebaut marb, Don melcher auS im 
felben 3 fahre bie große benlmürbige @r* 
medung geleitet marb, unb bie heute noch 
ftebt. 

Soll beS heiligen ©eifteS unb Doll 
©laubenS 30 g ©trambribge Don 9lit[ies 
belung 311 91nfiebelung, inbem er nicht 
nur in feiner großen, brei fpätereGouiis 
tieS umfaffenben ©raffchaft beftanbig 
Don Crt 311 Crt baS ©bangelium .pre= 
bigte, fonbern and) oft — Warplanb, 
Selaroare, ^JennfplDanien unb Sirginia 
befud)te unb ben fpäter nachfomnteuben 
fReifeprebigent ben 33Beg bahnte, greis 
lid) litten barunter feine irbifchen 93e* 
rufSgefdjäfte uidjt menig unb hätten feine 
greuube nid)t geholfen, fo märe es ihm 
unb feiner gantilie übel ergangen, ©r 
aber bertraute in einfad)em, fiitblichen ©lauben 
feinem ©ott—unb ber ließ ihn nicht 311 Sdjaitben 
merben. ©r ftarb 1781 in großem grieben. 

Ser anbere Caienprebiger, ber mol)l ebenfalls 
fchon bor ©mburt) baS Sßort ©otteS in 9lnterifa 
Derfünbigte, unb befjeu 9trbeit ebenfaÜS ben 


6tral9bribfle’§ SSIodfircfc. 


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Pie $rganifation brr Pifdj. Ptrtfj. Jtirdjr. 


171 



$ic Stcin-ÄapcUe. 


Örunb jur fpäteren (Scmciubcbilbung legte, mar 
fjaiiptmaitn 2 Bebb- ■seiner Sopferteit unb 
yflidjttreue megen in ber engtifdjeit ©ritiee fjod)= 
gefdjiibt, fam er mit feinem fRegimente 1745 
nod) »merifa, geidjnete fiel) in mehreren 3 d)lad)= 
len gegen bie Sfranjofen ritfjmlirf) au», bertor 
bei ber (Srftürmung «cm 8 oui§burg am ©t. 
Sarovence ein fHuge unb ging nad) ©eenbiguttg 
ber franjöfifdHanabifdjeu jfriege mit feinem 
(iominaitbo nad) (Snglanb guriief, mo er in einer 
oon 2Se»(et) gehaltenen ©rebigt erroedt unb halb 
barauf befetjrt mürbe, ©egabt mit ungemöf)n= 



$nuptmnrm 2B<bb. 


lieber Serebtfamfeit unb au^geriiftet mit oielcrlci 
Senntniffen unb fchäpbareu (SigcnfcC;aften er= 
tfjeilte ihm 2 öe§lep bie ßrlaubnijj zu pvebigen, 
üou melcfjer ber tapfere, reiche £>auptmanu überall 
eifrigen ©ebraud) machte. 

©alb barauf mürbe Säkbb mieber nad)9(merifa 
unb jmar nad) 9llbant), im jepigen Staat s Jtem= 
$orf, berfept, tue er 311 6 nbe be3 Jahres 1765 
unb fomie 17GG öffentlichen @otte»bienft in fei* 
nein £)aufe hielt unb im felben 3 apr (Smburp 
unb ©arbara £)ecf in 9tem=^)ort auffanb unb in 
9iem=©ort unb Sone] 3§(aub burch feine mach* 
tigen ©rebigten fo Diel Wuffeljen erregte unb in 
großem Segen mirlte. 6 r burchreifte ^etfet), 
ifcelamare unb anbere Staaten al» UJerlünbiger 
be$ ©üanfleliumö unb ift ber ©ater be* 9)ietho* 



«arbam <jSecf. 


biSmuS in ©hilabelpl)ia. ©Bieber nach (Snglanb 
Zurücfgefehrt, fefcte er bort feine fo reich gefegnete 
©ßirffamfeit foit unb ftarb, mie er gelebt, am 
21. iecember 1796 im hohen Filter unb im 
Triumph be§ ©laubenö. 

So bebeutenben Sinflufc jebodj Strambribge 
unb äöebb auf bie ©rünbung be3 9J?et()obi3mu§ 
inSlmerifa ausübten, fo finb bieXeutfdh* 3 frläiu 
ber Sarbara £)ecf unb ©hilipp Gmburt) (9(m* 
burgX bod) al» biejeitigen zu bezeichnen, meldje 
bie erfte metfjobiftifche ftlaffe organifirten, alfo 
bie erfte methobiftifche ©cmeinfdjaft grünbeten 
unb jronr anno 1766, mefefjalbgan^ richtig mar, 
bap ber ©tetljobisnuiS anno 1866 fein Rimbert« 
jährige» ^ubelfeft feierte. 3> rt h^ e 1766 mar 


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172 


Pie ©rganifation bet Pifd|. Pletlj. Pirdfe. 




^ilip ©mbur^. 

e§, ate Barbara £>edf in ^eilifler (Sntrüftunfl bie 
Karten itjrer Sajibsleute in’S ^euer marf unb 
ben fiaienprebifler, ^1). (Srnburty, auf feine 
$fltd£>t aufmerffam madjte, für bie ©celen ber 
S3ermafjrloften ju formen. 3ni 3af)re 1766 
Ijielt 6m6urb bie erfte ^ßrebiflt in feinem un= 
fd)einbaren ääuSleiu ju 9tem $orf (ftafcrncn- 
flaffe, jefet Park Place). biefem 3>aljre 
mürbe flleidj nadj ber erften Jßrebiflt bie erfte 
9)tetl)obiften=Ktaffe formirt; in biefem $al)re 
verlebte ba§ flehte, (jeriitfle |>äuflein feine ©ot= 
ieSbienfte itad) einem flemietl)eteu ßröfteren, cben= 
fattö an ber verrufenen ftaferneiiflaffe t]ele^e= 


®mburty’8 SBo$n$au*. 


(Rigging I/oft.) fcatelbot’cu. 

bie fleine ©eineiube im ^afjr 1768 in bie neu» 
erbaute ©testet) = Aapelle an ber 3lof)u (Strafe 
iiberfiebette. ©arbara £>ccf mar bie mutljige, 
betenbe Seele, ^auptmanu 26cbb bie teitenbe, 
freigebige |>anb beS $ird)enbau8, 
ohne toelcbe jene fiircfje bamalS 
faum gebaut morben märe, ©ar» 
bara flehte $um £ierrn unb erhielt 
nur eine Antwort — „es mirb ge» 
tingeit". SBebb ging mit bem 
£)errn hinaus ins Sehen, um ba 
für bie Sad)e ju mitten, unb ber 
ftimmermann ©mburt) faßte mit 
©ott an. 2öo aber ©ott ber £)crr 
alfo mit in ben ©unb genommen 
mirb, ba gelingt es. Unb es ge» 
lang. $ein ©rod)ttcmt>el mar es, 
baS öierjig ffuß breite unb fecßSjig 
3?uß lange Sfirdhtein—aber bie ar» 
men Seute hotten bodj ein ©otteS» 
hauS, —baS am 30. Oftober 1768 
unter Sob» unb SJanfpfatmen bem 
breieinigen ©ott gemeiljt mürbe. 
Ratten bie ©änfe beS üirdjleinS 
aud) feine Sehnen unb bie ©aHerie 
fein ©elänber unb mußte fi<h bie 
©emeinbe aud) gefallen taffen, ihr 


nen 3 'mjner. £>icr fanb ftaubtinann ffiebb 
bie 1 )eutfd) = Urlauber unb ihre 3 ufjörer 2 titno 
1767 unb ooit hier aus mürbe ber Umjug nach 
bem 2 afelboben (Rigging lofi) an ber ©MlliamS 
Straße in 9 tem 2 )orf beranftattet, boit mo aus 


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Pie feiet t»e# heiligen Ubenbmahle*. 


173 


mit fo grof$en Opfern erbau* 
teS fjircplein als emfacpeS 
SrioatpauS in ben Ätabtre* 
giftern eintragen ju fepen, 
beim bamalS burften '){icpt* 
©pisfopale noch feine &ir<pen 
bauen — fo betannte ficpbod) 
©ott ber £>err ju ihr unb 
tpat hinju gur 3apl berer, bie 
ba felig mürben. 2>ie ©tabt 
Wem s ,J)orf gäplte bamalS 
20,000 Sinroohner; in ben 
jeßigen Ser. Staaten wohnten 
etroa brei Millionen ©eiße. 
MeS mar im ©erben begrif* 
fen, gering unb Mein, unb fo« 
mit patte ber StetbobiSinuS 
(Gelegenheit mit ben ihm um« 
gebenben Serljältniffeit fich 
unter bem ©eiftanb beS all* 
mächtigen ©ottes gu entroi* 
dein. 



Söcaletj Äapctte, 3oftn Strafte, 9lett> 2)ori. 


3ene Slocffircpe in ber ©ilbnifs ©artjlanbS 
ijt bie Stutter oieler punbert Stempel, in welchen 
taufenb «timmen baS „©pre fei ©ott in ber 
Clöhe" fingen. Ms jenem ärmlichen Räuschen 
an ber itafernengaffe gu Wem $orf ergoß fich ein 
Strom euangelifchen fiebenS unb ©trebenS, bef* 
fen Ära ft ^eute bis an bie ©üben ber ©rbe Der* 
fpürt mirb. Unb jener irifche Sauer, unb biefe 
einfachen $eutfdj=3rlänber finb nur Selege gu 
bem eroig mähren ©chriftroort: „fflaS fcfjmach 
ijt bor ber ©eit, baS hat ©ott erwählet, baß eS 
gu ©chanben mache. Was ftarf ijt, unb baS Un* 
«bete oor ber ©eit, unb baS Seradjtete hat ©ott 
erwählet unb baS ba nichts ift, baß eS $u nichte 
mache, roaS etwas ift, auf bah fich bor ihm fein 
tfleifch rühme." 

-•- 

fir frier 5e* f|elligett JUienft* 
tnal)lf0. 

Sott ®eo. »ttth. 

f nter allen ©itteln ber ©nabe, bie unfer £>err 
3efu§ 6h r >ftaä gur Seförberung beS cfjriji* 
fiepen ©laubenS unb fiebenS feiner ffircpe gege* 
ben hat, ift bie 3?eier beS h^iliflen MenbmahleS 
für ben ©priftenbefenner unftreitig bie beben* 
tungsoollfte unb wichtigfte fjanblung. ©ie be* 
beuiungSboll biefe freier ift, geht aus ben ©or* 
ten beS fjerrn 3efuS felbft herbor, bie er in jener 
berfjängnißDoflen Wacht, ba er berrathen warb, 
ben Jüngern gegenüber bei ber ©infeßung biefeS 
©aframenteS auSfbrach: „Webmet, eff et, 
baS ift mein Seib, ber für eudj 0f= 


brochen wirb, . ®aS ift ber SJeich, 

b a S neue S£ e fi a m e n t i n m e i n e m S l u t, 
baS für euch bergoffen wirb, ©ol*- 
<heS thut, fo oftifjr eS trinfet, gu 
meinem ©ebächtnife." ©ie wichtig biefe 
£>anblung ift, geigt ber 9(poftel Saulus in fol* 
genben ©orten: „$)er Wtenfcp aberprüfe 
fiep felbft, unb alfo effe er oon bie* 
fern Stob unb trinfe bon biefe in 
$ e l <h. $ e n n m e l cp e r u n w ii r b i g i f f e t 
unb trinfet, ber iffet unb trinfet 
ihm fei ber baS ©er ich t, bamit, bah 
er nicht unterfepeibet ben 2eib beS 
fjer rn." 

Obgleich fchon mehr als adjtgepnbunbert 3apre 
berfloffen finb, feitbem ber £>err 3efuS jene in« 
haltsfchweren ©orte fpraef), fo ift boch bie Seiet 
beS heiligen MenbmafjleS ^eute noch fo frifch, 
fo (ebenbig unb befeligenb für £>erg unb ©einiith 
als gur 3eit ber erften ©hriftenheit. Me au* 
beren ffeierlichfeiten unb ©ebenttnge bcrliereii 
ihren Weig unb werben burep ben Sauf ber 3 e >t 
aflinälig berbrängt. $)ie freier beS heiligen 
IlbenbmahleS aber bleibt ewig neu unb gereicht 
Men, bie eS würbiglich genießen gum ttnauS* 
fprechlicpen ©egen. Unb warum wohl ? ©eil 
GpriftuS baffelbe jebeSmal mit ben ©einen feiert 
burch feine gnäbige ©egenmart. Staper fepreibt 
auch ber Wpoftel SauluS: „St)er gefegnete 
ff e lcp, welchen wir fegnen, ift ber 
nicht bie © e m e i tt f cp a f t beS SluteS 
©hrifti? 3)aS Srob, baS wir bre* 
cheit, ift baS nicht bie ©enteinfcf)aft 
beSSeibeSGprifti?" 

$er ©runbgebanfe in ber freier beS I;ei liegen 
MenbmahleS ift alfo biefein nach bie ©e= 
meinfepaft mit beni£>errn. ©hriftuS 


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174 


Pie ?eter bes heiligm Hbenbmal)lf<. 


offen 6art fidh auf eine gang befonbere SBeife; 
fein Seib unb fein SSlut wirb nach einer himm« 
lifd^en unb geglichen SBeife im ©lauben em« 
pfangen unb gen offen. SÖetradhten wir ferner 
bie SRuhe unb SBiirbe ber ffeier beS ^eiligen 
SlbenbSmaljleS. flier f(baren fidj ©laubenS« 
genoffen, ©leichgefinnte in bem ffterrn uin fei« 
nen 2ifdj. 2ie oerfdhiebenen greife unb ©taube 
beS tnenfchlichen SebenS werben wäljrenb ber 
f$?rier beffelben gfeidjfam aufgehoben unb aus« 
geglichen. 2er Unterfd^ieb jwifchen Steidh unb 
Itm, ©rofj unb $(ein, ©elefjrt unb Ungelehrt 
berliert fich im ©ange jum 2ifch bes £errn. 
©in ©ebante nur bemächtigt jtcb fämmtlicher 
©ommunifanten. @3 ift ber ©ebanle an ben 
liebenben ©rlöfer, ber fich in ben 2ob baljingab 
jur ©rlöfung armer ©ünber. 2ie Slbljängig« 
feit oon biefem einen SOtittler jwifdhen ©ott 
unb ben Blenden unb bie © 1 e i <h h e i t Silier 
Oor bem, ber fern Slnfeljen ber ^|5ecfo« fennt, baS 
ift baS ©efübt berer, bie fidh bem 2if<he beS 
£>errn auf eine roiirbigc SBeife nahen. 

SBie wichtig unb wie herjergreifenb finb bie 
©rinnerungen, bie währenb ber 3?eicr bes ^eili= 
gen SlbenbinaljlS in ber Sruft bcS ©oinmuni« 
faitten machgerufen werben! @3 finb bie ©rin» 
tterungen an bie spaffionSgefdhidhte beS ©errn. 
2aS heilige Slbenbmahl weift hin auf baS Samrn 
©otteS, welches ber SBelt ©ürtbe getragen hat, 
auf beffen unfäglicheS Selben unb fdhmachoollen 
2ob am ÄreujeSftamm. @3 erinnert an ben 
reinen unb heiligen SJlenfdhenfohn, ber als SBütge 
für uns bie ffluthen beS göttlichen ©erichtS über 
fich hereinbreihen lieft, ber, obwohl er oon feiner 
©ünbe muhte, für uns baS ©dhulbopfer würbe, 
bamit wir Trieben hätten unb burdh feine SBun« 
ben geheilet würben. 

2aljer ift baS heilige Slbenbmaljl baS ißfanb 
ber innigen Siebe 3(efu ju uns armen SJlenfdhen. 
3frgenb ein ©reigniß feines thatenreidheS SebenS 
hatte ftdh baju geeignet, 3>efu Siebe jur ©ünber« 
weit ju betätigen, deines aber wäre fo über« 
jeugenb gewefen unb fönnte ben ©iinber fo beu« 
gen unb bred^en, wie bas ©ebädfjtnifsmahl bes 
Seitens unb ©terbenS $efu. 

2ie SBorte, womit ber Sipofiel Johannes ben 
SSeridht bon ber fjfußwafdhung ein (eitet, finben 
ihre Slnwenbung auf bas ^eilige Slbenbmahl: 
„SBie ber $>err hatte geliebet bie 
©einen, bie in ber SBelt waren, fw 
liebteer fie bis anS©nbe." 3fn ber 
fjriißwafdhuug berherrlidhte fich bie bienenbe 
Siebe beS £>errn j U ßen ©einen. 3fm heiligen 
Slbenbmaljle aber offenbart fidh bie 1 e i b e lt b e, 
fich felbft hingebenbe unb aufopfernbe 
Siebe beS fteilanbeS allen armen ©ünbern ge« 
geniiber. Siebe ift ba§ ©eheimuiß bes heiligen 
SlbenbmahleS wie überhaupt ber ganjen £iei(S= 
Offenbarung ©otteS in ©hrifto 3»efu. 2er fterr 


ift im Siegriffe, feinen SeibenSgang an ju treten, 
[ich in ber ©iinberhänbe ju übergeben, er, ber 
fidh bewußt ift, baß ihm ber Suter SllleS in feine 
£änbe übergeben. 3n SBahrheit aber übergiebt 
er fich in ber ©einen fpänbe; für fie läfjt er un« 
auSfpredhli^eS Seiben über fidh ergehn; für fie 
ftirbt er, fein 2ob gereicht ihnen jum ewigen 
Sehen. 3nbem er fein Sehen für fie hingiebt, 
wirb et ganj ber 3hrige unb fie oöllig bie ©ei« 
nen. ©o überwinbet er burdh bie Siebe ju ben 
©einen, bie ihn erfüllt, im S3orau§ baS beoor« 
ftehenbe Seiben unb ©terben unb giebt ihnen bie 
wahre SBebeutung. 

SBie ernft unb feierlich ift für uns ber ©ang 
jur ©rabeSftätte unferer Sieben, bie burdh ben 
2ob uns botangegangen finb! UnOergehlidj» 
finb unS bie lejjten ÜKomente ihres SebenS. SBie 
iheuer ift unS bie ©rinnerung ihrer lebten SBorte, 
bie fie fterbenb nnS juflüfterten. Slni ©rabeS« 
hügel jieljen fo manche ©eenen aus ihrem Sehen 
unb 2obe lebhaft unb ergreifenb an unterem 
©eifte üoriiber. ©benfo erinnert uns bie freier 
beS heiligen SlbenbmahleS an ben SluSgang beS 
SebenS 3efu. SBir fommen jum 2ifdhe beS 
ßerrn erfüllt oow ©ebanleit an 3fefu unaus« 
fpredhlidhe Siebe, bie er ui uns hat unb bie in 
feinem Seiben unb 2ob fidh an aUerbeutlidhflen 
offenbart. 

©einen 2ob alfo will 3efuS im heiligen 
Slbenbntahle berfünbigt haben, unb Wie bie 3iin= 
ger beS ^)errn bie ©infeßungSWorte beffelben erfl 
uadh feinem 2obe unb Shiferftehung Oon ben 
2ooten red)t ju begreifen unb ju fdjcißni wu|= 
ten, ebenfo finb biefe SBorte jebetn fiinbe ©otteS 
befonberS löftlid) unb ergreifenb, fo oft er fie im 
©ennfs ber geweihten ©lemente wieberholen hört. 

2aS heilige Slbenbmahl ift aber andf) ein S|3fanb 
ber ununterbrochenen ©emeinfdhoft 3efu mit 
ben ©einen. 3n jebem toiirbigen Slbenbmahl§' 
geitnß nahet fich ber |)erv felbft ben ©einen unb 
fpeift fie mit feinen ©egnungen unb erfüllt fo 
feine SSerheifeung, bei ihnen ju fein alle 2age 
bis an ber SBelt ©nbe, auf eine ben ©lauben 
ftärfenbe SBeife. 2ie SBahrheit biefer Sßerhei« 
fsung wirb aufs Steile beftätigt unb bie £off= 
nung, ben ftönig einft in feiner ©dhöne jju fe» 
hen, belebt. 3ö, StidhtS ift im ©tanbe, baS 
Heimweh ber gläubigen ©eele nadh bem ^immel 
fo ju erweefen, als biefe feierliche £>anblnng. 
3efum einft ju fdhauen wie er ift unb mit ihm 
biefeS SWahl neu gu trinfen in beS SSaterS 9leich, 
baS ift bie heifse ©ehnfucht ber' ben fjeilanb lie« 
benben ©eele. 

2er ©ennfe beS heiligen SlbenbmahleS ift feine 
©adhe ber freien SBillfüht oon ©eiten beS ©hri» 
ften, fonbern eine Pflicht, welche ihm ber £err 
felbft auferlegt hat. 3>oar wirb unS in bem« 
felben nichts bargeboteu, was unS nicht auch 
außerhalb bem ^eiligen Slbenbmahle burdh baS 


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per linbenjnieig. 


175 


göttliöße ©Bort bargeboten mürbe, nämlich: ©er« 
gebung ber ©ünben, ©tärlung beS ©laubettS 
imb Sraft jur Heiligung. 3m heiligen 9lbenb« 
maßle aber wirb unS baS alles auf befonberS 
einbringlicße SDßeife naße gebracht. ©o wie mir 
außerhalb öem ^eiliflen ©benbrnaßle fa)on 93er= 
gebung ber ©ünben erlangen, fo erhalten mir 
am üfcße beS iperrn bie feierlich |te ©erficberung 
baooit uttb bie in ©ejug auf bie täglichen lieber« 
tretungen notßroenbige 6 r n e u e r u it g biefer 
'SBerßeißung. @o mie auch außerhalb bent ßei= 
ligen ©benbinaßle ©törfung beS ©laubenS ge« 
toonnett mirb, fo bient bentfelben 3 ro ede eine 
ivinblung, roelcßc uns auf bie augenfcheinlidhfte 
2Beife ©ßriftum als unfern ©rlöfer* unb ©elig« 
inacßer barfteHt. ©oroie mir außerhalb bent 
heiligen ©benbmaßte an unferer Heiligung ar« 
beiten unb barittnen fortfahren fallen in ber 
fjfurcßt ©otteS, fo giebt uns biefeS ©aframent ben 
lebenbigften Antrieb unb auch bie Srnft baju, 
bie ©5elt fammt unfer f^leifdh unb 33(ut ju über« 
toinben im ©tauben an ben, ber für ttitS bie 
Sffielt übermunben hat. Oaher mir auch fagen 
tönuen : fo geroiß mir bon biefem ©robe effett 
unb auS biefem Selche triufen, fo gemiß toiffen 
mir, baß ©ßriftuS burch fein Seiben unb ©ter« 
ben uns bie ©rlöfung oon ©cßulb unb ©erbamm« 
niß erroorben unb uns alle Segnungen feines 
OpfertobeS gefiebert hat. ©5er baßer im ©lau« 
ben baS heilige ©benbtnaßl empfängt, macht 
Unfprucß auf alle Segnungen beS &errn, unb 
ro-r baffelbe oßne 9lotb perfäumt unb beharrlich 
nicßt feiert, macht fi<ß burch foldßeS ©erhalten 
überhaupt ber ©nabe ©otteS unmürbig unb ün= 
empfänglich. $aS heilige Ibenbmahl nicht 
feiern ju rootlen, heißt ben £>eilanb beracßten 
unb b.tS burch ißn bargebotene £eil ju perfchmä» 
ßeu. 

©o bebentließ unb ftrafbnr eS iß, baS heilige 
Stbeitbmaßl ju oerachten, ebettfo traurig finb bie 
folgen beS unroürbigen ©ettuffeS befleißen, fei 
eS in unbußfertigem, unoerföhntem ober auch nur 
gleicßgiltigein 3uftanbe beS |>ergenS. „®enn 
welcher unmürbig iffet unb trinlet, 
ber iffet unb trinfetihm felberbaS 
©ericßt, bamit, baß er nicßt unter« 
fcßeibet ben ßeib beS £errn." ©uf 
bie Ofrage, mie man ficß jur Sommunion Porbe« 
reiten fad, cmtroortet SElfamaS & SempiS in fei« 
ner Nachfolge ©ßrifti mit folgettbeu ©Borten: 
„©enteilte mit tiefem ©cßmerje, baß bu noch fo 
fleifcßlich unb meltlicß gefinnt bift, fo ungetöbtet 
in beitten ©Jeigtingen, fo Poll böfer Öüfte, fo un« 
beroacßt in bei’nen äußeren ©innen ; noch fo oft 
perroicfelt in fo mancherlei tßörichten ©inbilbun« 
gen, fo faßr geneigt jum ©eußerlicßen unb fo 
unacßtf'am auf baS innerliche; fo fertig jum 
Sad^en unb jur 3etftreiiung, fo hart ju SEßränen 
her Steue unb Serfnirfcßung, fo fcßnell hinge« 


riffen ju jeber Freiheit unb ©entäcßlichJeit beS 
tffleifcßeS, fo träge jutn ©rnft unb brünftigem 
©ifer, fo begierig bleues ju hören unb ©cßöneS 
ju feßeit, fo fraftloS baS ©erachtete unb fiebrige 
ju ergreifen, fo gierig piel ju haben, folarg gum 
©eben unb fo geijig jutn ©eßalten; fo unbe« 
bacßtfam im ©eben, fo unentßaltfam im ©cßmei« 
gen, fo ungeftünt in ©anblunaen, noch fo taub 
für ©otteS ©Bort, fo eilig jur atuße, fo langfant 
jur ©rbeit, fo macßfam bei leerem ©efdjroäße, fo 
fcßläfrig bei ©rbauung, fo träge jur ©öaeßfam« 
feit im ©ebete, fo eilfertig eine Sache ju enbigen, 
unb. fo jerftreut, roo ©ufmertfamfeit erfordert 
mirb; fo feiten ober gor nie gcfammelt, fo plöß« 
ließ jutn 3°ru beroegt, fo reijbar ©nbern roeße 
tßun, fo geneigt ©nbere ju richten, fo jirenge 
©nbere ju beftrafett, fo auSgelajfen im ©lüde, 
fo Perjagt im Unglücf, fo reich on guten ©or« 
faßen unb fo arm ein Erfüllung berfelben." ©5er 
fo feine ©ebreeßen befeitnt unb bemeiut, ben fe« 
ften ©ntfdßluß faßt fein Sebcn ju beffertt unb ficß 
ganj unb oßne ©orbeßalt bem 4?erru jum Opfer 
barbringt, ber ift roürbig jum SEifcße beS fterrtt 
hiujujutreten unb baS ©alrament beS fieibeS 
unb ©lutes 3efu ©ßrifti ju feinem £>eile ju 
empfangen. 

(SS ift ©efaßr Porßauben, baß baS heilige 
©benbrnaßt bon ©eiten Pieler Sircßenmitglieber 
Perfäumt mirb unb eS märe ju müitfcßen, baß 
toir jur altfircßlieheit ©itte jurüdfeßrten unb 
jum «Eifcße beS £ernt öfter gingen, als faßt ge« 
bräucßlicß ift. 

-. «- 

Per £iiii>eii|wei0. 

Sür §*u§ tittb ferfc tnm f WW 

©ine erjä^lung auö bem 14. SÄ^^unbert 

ber erften Hälfte be§ 14 . 3 fa^r^unbertö 
lebte in 9 türnberg ein 9 Hann, 9 lamenö 
^ainb, ber gmar feinen beneibenätnertljen 
3 unamen führte, — man nannte iljn ben ©rin* 
bi^en, meif er in feiner Sfu^enb ftarf mit biefem 
Uebel behaftet mar, — ber aber burd) feine eble 
©efinnuncj unb fein menfcf)enfreunbli^e§ SPBir» 
fen bie böcbfte Sbfftung bei feinen 3 e *^ e noffen 
unb ein a^f^nete§ ?lnbenfen bei ber 9 tad)melt 
fiit ermarb. @r ^atte feine 2 BoljnunQ in einem 
©arten bor ber ©tabt unb erholte ftcb ßerne nach 
be§ Stafle§ £aft unb |)i^e mH ben ©einigen im 
©chatten feiner Säume. $ort faf; er audh eines 
91 benbS im ©ommer beS Jahres 1320 mit feiner 
liebenSmürbigen unb innigft geliebten CebenS* 
gefährtin auf einer hölzernen Sauf, mährenb 
i feine SJinber in frö^lidhem ©piele fid) ergöpten. 
i 6 r mar über fjclb gemefen unb faum erft mieber 


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176 


$tt finbenjroetg. 


nach ©aufe getommen; beßßatb füllte et fi<ß im 
Äreijr bet ©einigen boppelt gliidlicb. Um fo 
meßr fiel eS ißm auf, baß ^iite ©attin nicht fo 
beiter wie fonft fid) jeigte, utib es brängte ißn, 
fie }u fragen, ob ißt etwas Unangenehmes tutber= 
fahren fei. „0 nein," antwortete fie, „bieS 
nicht, aber ich bube biefen borgen, mäbrenb bu 
fort warft, etwas hier gefeben, maS mich gang 
erfcbiittert bat." 

„Unb was ift baS?" fragte er erftaunt. 

„©eißelbrüber," erwiberte fie, „burcßjogen bie 
'Stabt in einem langen 3uge. Me gingen Der» 
biiltteit ©aupteS. 3eber trug eine ©eifeel Don 
Stiemen in Der ©ctnb unb bamit peitfcßten fie 
unabtäffig unter ©eufjen unb iBeinen unb unter 
Ibfinaen Don SBußpfalmen unb unter Anrufen 
ber SBarmberjigfeit ©ottes ihren entblößten 
Stüden bis auf’s 33tut. Selbft bie Singen ber 
©ärteften tonnten fid) ber Übranen nidgt ent» 
batten." 

„leb fo," oerfeßte ©ainß, „jeßt begreife i<ß 
beine Stiebergefdjiagenbeit. 3<ß tenne bie Sache; 
fie ift neu bei uns. 3fn Italien ift fie fdjon 
lange betannt. ®a bot febon Dor jmei 3 a ßr= 
buriberten ber Mt eines 0ominifanertlofters, 
tjjetruS üamiani Don Staoemta, bie ©eißelung 
atS (Buße für bie Sünben auf baS üringenbfte 
empfohlen, unb fein '-Beifpiel unb ber Stuf feiner 
©eiligfeit Derfchaffte feiner ©rmaßnung ©in» 
gang, fo baß fofort ©eifilicße unb Baien, SStän» 
net unb SBeibw anfingen mit 3tutßen, Stiemen 
unb ftetten gegen ihren Seib ju mütljen. Selbft 
durften ließen fi>h Don ihren Seicßtöätern geißeln 
in ber SJteinung, baß mau bureß Selbftpeinigung 
auch bei ber größten Sünbenfdjulb ber ©ölle 
entfliehen fönne. 3000 ©iebe, üertünbigten bie 
ißriefter, unter Mfingen Don 30 Sußpfalmen 
gelte für ein 3aßr unb 30,000 für 10 3aßre 
Süße. So rühmte fich febon Dor 200 3ub«<i 
eine itatienifebe SBittwe bureb Setbftpeinigung 
für 100 3fabre Süße getban ju haben, inbem 
fie ficb nicht weniger als 300,000 Streiche gab. 
3eßt foinmt bie ©nie auch ju uns. Üßeutung, 
fteft unb ßriegSnotp einerfeitS unb ber Serfall 
ber ftireße unb beS SBolfS anbrerfeitS, haben ihr 
SSabit gebrochen. Iber fage mir, glaubft bu 
auch, baß man fo wirtlich ©otteS SBoßlgefallen 
erwerben unb ber Strafe ber ewigen ©eredjtigfeit 
entfließen fönne?" 

„©(aubft bu es nicht?" üerfeßte bie Sfrau. 
„üiefe SSuße hat bodj, wie man mir fagte, fo 
gewaltige Sßirfungen, baß Uneinige ficb Der» 
föhnen, 2Bud)erer unb Stäuber baS ungerechte 
©ut jurüdtgeben, noch unentbedte Serbredjer ihre 
SJerbredjen befennen?" 

„3a," antwortete er, „baß ber Slnbtid eines 
folcßen MfjugS bie ©einütber mächtig ju er» 
greifen unb ju erfchiittern im Stanbe ift, bas 
jeigt bein eigenes ©eifpiel. Mein baS beweift 


für biefeS in ft<h felbft un» unb mibernatürtiche 
Üreiben nichts. SBollen wir ©ott wirtlich ge= 
fallen, fo müffen wir ihm im ©eift unb in ber 
SBaßrbeit bienen unb nicht auf biefem SBege. 
üaruin fei beruhigt unb tümmre bi<h nicßt weiter 
um biefer Sache wiüen." 

©inige Üage nach jener Unterrebung über bie 
©eißelbrüber machte ©aiuß mit feiner ©attin 
einen Spajiergang auf bas Schloß, bie Steigs» 
Defte genannt, üaffelbe ift feinem Sleußeru nach 
noch beute erhalten, liegt auf einem ©erge unb" 
gewährt bie meitefte Msficßt. Stuf ber ©öße 
angefommen machten fie ©alt unb erfreuten fich 
am Slnblid ber herrlichen Stabt unb ißrer in 
ber (Beleuchtung ber Meitbfonne munberfeßönen 
Umgebung. 0a ergreift bie fjrau überwältigt 
Don biefem Mblid bas SBort unb fagt: „3Bie 
feßön ift bie Statur! 0 ich begreife jeßt, wie 
Weißt es ift, was bu gefagt: 'üaSUn» unb 
SBibernatürlicße fönne nicht baS 2Baßre unb 
©ute fein. SBer ©ott gefallen wolle, mü||e ißm 
im ©eift unb in ber SBaßrßeit bienen/ " 

„3a, freilich," erwiberte ©ainß, „baS war 
auch ber SBeg, ben bie ©ßriften in ber 3eit ber 
erfteu Siebe gingen. 0ie wußten Don SBall» 
faßrten, tßroceffionen unb ©cißlerjügen nichts. 
0aS ©injige, was fie Dor atleu anbern SHenfcßen 
auSaeidjnete, — baS war bie Siebe. $ie|en 
Stupm mußten auch ißr« fveiube ihnen (affen 
unb ißnen bewunbernb baS 3 ei, gniß geben: 
'Seßet, wie fie einanber lieben!' üiefe Sie» 
beStßätigfeit ber erften ©ßriften war noch in 
ber Sltitte beS britten 3wb r buubertS ber ßer» 
borftedjenbfte 3 l, g in Mein, was fie tßaten. 
3n Stom, wo neben bem größten Steicßtbum bie 
bitterfte Irmutß ßerrfeßte, unterftüßte bie ba» 
malige ©emeinbe ber ©ßriften allein meßr als 
1500 Irme aus Beiträgen, welcße bie Siebe bei. 
fteuerte; unb als bet bamalige ^käfett, ein ßab« 
gieriger SJtann, Don bem üiafon SaureutiuS 
bie luSlieferung beS ©emeinbefcßaßeS oetlangte, 
fo fiißrte ißm biefer eine SJtenge Don Ilten, ®e» 
brecßlicßen, luSfäßigeit unb fonftigeu Innen ju 
unb fagte: '®ieS ift unfre Scßaßtaininer, ßiet 
bei ben Irmen (egt bie ©emeinbe ißre Scßäße 
nieber/" 

„3a," ergriff bie ©attin jeht baS SBort, „baS 
ift ergreifenb feßön, aber haben fie biefe Siebe 
nur unter fich 8 e ü&t ober auch an Inbern, an 
ben ©eiben ? " 

„0 freilich auch an Inbem," erwiberte er. 
„Unter ber Stegierung beS UaiferS ©aflienuS 
war in fjolge üon Urieg Üßeiming unb eine 
Derßeerenbe 'Beft ausgebrochen, unb biefelbe 
ßerrfeßte namentlich in nlepanbria auf’s ^ureßt» 
barfie. 3)a mar bie fyureßt üor Infieduitg ju» 
leßt fo groß, baß bie ©eiben, fobalb fid) bei 
3emanb bie erften Spuren ber jfrantßeit jeigten, 
eutweber ißn aus bein ©aufe ftießen ober boeß 


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litt finbeupoeig. 


177 


toor ihm flogen unb ihn hilflos ließen ließen. 
Qalbtobte mürben auf bie Straße geworfen, unb 
bie ©eftorbenen blieben unbegraben liegen unb 
routben Don ben £>unben gefreffen. Stur bie 
Gfjriften malten es anberS, fronten ihrer felber 
nid)t unb fugten bie Üfranfen in allen Einteln 
bet Stabt auf jinb pflegten fie mit eigener £>anb, 
fpradjen ben soterbenben Svoft gu unb beftat» 
teten fie mit aller Sorgfalt. 33iele ftarben in 
fjolge biefer SiebeStljätigfeit; allein roie Diele 
auch Don ber Seuche angeftedt mürben, immer 
traten rnieber Slnbre an ißre Stelle. 33iS an’S 
Gnbe ber '#eft hielten fie unermübet au§ unb 
opferten mit 3?reuben ißt Seben im Sienfte ihrer 
Ütebenmenfchen, gleicßbiel ob es Reiben roaren 
ober ©Triften. So hielten eS bie Ghriften gut 
3eit ber erften Siebe." 

„Stun fa," berfeßte biefjrau mit gehobener 
Stimme, „fo roollen mir in ihre gußtapfen tre» 
ten unb nicht, um ©otteS ©unft gu geminnen, 
uns felber mehe tljuu, fdnbern, um ihm in feiner 
Siebe ähnlich gu merben, unfern 9tä<hften, bie 
in bem Glenb finb, mohlthun unb SBarmfjergigfeit 
erroeifen, fooiel mir fönnen,—baä fei unb bleibe 
unfer SBeg gu ©otteS ©nabe." 

„Simen," antroortete &ainß, „barauf gebe 
ich bir bie £>anb unb miß es mit ber Spat be« 
weifen." 

Sräume finb Schäume, fagt baS Sprichmort, 
unb atlerbingS enthalten Sräume meiftenS nur 
ein ©emifch Don rounberfeltfamen ©eftalten unb 
f^nelt mecpfelnben Silbern ohne $lan, ohne 

t roed unb Sebeutung. 3« unb fe aber nehmen 
räume auch einen höhnen Gljarafter an unb 
erroeifen fid) als ©efteßte unb Sifionen, in benen 
wirtlich gufünftige ober Derborgene Singe fid) 
enthüllen befonberS bei Staturen, bie, roas fie 
fuchen unb anftreben, mit ganger Seele erfaffen 
unb bem 3«!«» baS fie einmal borSlugen hüben, 
mit Doller, ungetheilter Straft entaegenfteuern. 

Sine foldje Statur, ein ganger Scann mar auch 
ber eble £>ainß. Gr hatte gelobt, ben 2öeg, ben 
einjl bie erften ©haften gegangen, gu gehen unb 
ftanb feitbem mit biefern ©elübbe feiner Seele 
auf unb legte fich mit ihm auch roieber nieber. 
GS begleitete ißn in bie Slrbeit .unb befeßüftigte 
ihn, menn er fich ^»he gönnte. So mar eS 
auch, als er eines SageS in feinem ©arten mit 
allerlei Slrbeiten befcßäftigt mar unb enblicß er» 
miibet Don ber Sonncnhiße im Schatten eines 
SinbcnbaumS, ber feine Sfefte faft bis gnr Grbe 
nieberfenfte, fich nieberließ, um auSguruhen. 
Staum lag er im ©rafe, fo flogen feine ©ebanfen 
auch bem SieblingSgegenftanb feiner Seele gu. 
„Selig finb bie Sarmhergigen, benn fie merben 
Surmbergigfeit erlangen," hieß eS in feinem 
Innern; „allein mie greifft bu baS an ? Woher 
bie Stittel nehmen, um etroas, maS auch ber 
Sltühe roerth ift, auSguführen? Sich mie Diel 


©elb mirb für IßeterSpfenniae unb niebrige 
3mede unter bem Schein beS ©otteSöienfteS ge» 
fammelt! O roenit id) es hätte, ich moüte ©olb 
unb Silber anberS anroenben !" 

Unb fiehe, biemeil er folcße ©ebanfen in feinem 
eblen bergen h'» unb her bemegte, fdjlief er ein, 
unb mährenb er fdjlöft, träumt er feljr lebhaft, 
baß an einem gemiffen SMaße ein großer echaß 
Dergraben fei. Sa macht er roieber auf, unb 
roaS er geträumt, ift ihm noch fo lebhaft oor 
ben Slugeit, baß er nicht umhin faitn, einen ber 
nächften Sinbengroeige abgnreißen unb auf bie 
Stelle fjingulegen, um fid) biefelbe gu begeidjnen. 
Salb fcßläft er roieber ein unb fiehe! ba träumt 
ihm baffelbe noch einmal. Sa rauf erwacht er 
roieber unb ergäbt ben Seinen, bie inbeffen hin* 
gugefommen maren, ben feltfamen Staum, unb 
roie er gefonnen fei, wenn feine Slhnung gur 
SBirflichfeit-mürbe, ben Schaß für bie Sinnen 
gu berroenben. Stun gruben fie ba, roo ber Sin» 
bemroeig lag, nad) unb fiehe! ber Sranm roar 
4oat)r. oft barfei ten aller Slrt unb alteSJJüngen 
in großer SJtenge unb bon hohem SBerthe tarnen 
u Sage, unb Sitte ffanbeu unb ftaunten unb 
onnten eS faum glauben, baß eS Wirtlich* 
feit fei. 

Sie Stuitbe bon bem Schaß, ben tpainß in 
feinem ©arten gehoben, burdf)fief in einem Sin» 
genblide bie Stabt, unb in allen Käufern unb 
bei allen 3ufammenfünften fprad) man babon. 
Ser Schaß bilbete baS SageSgefprädj. 91 ur 
gingen bie Slnfidjten, maS ßaiuß nun tßun 
ioerbe, gar feljr auSeinanber. Sie SJfeiften neig» 
ten fich gu ber Meinung, er werbe fich ein Schloß 
bauen, Söagen unb ^ßferbe, Unechte unb SJfägbe 
einthun unb als ein großer Jjjjerr fein Seben 
herrlich unb in ^reichen gubringen. Saß er, 
als er ben Sraum ben Seinigen ergählte, babon 
gesprochen, er fei gefonnen, wenn ber Sraum 
roaljr mürbe, für bie Sinnen etwas gu tljun, ber» 
lautete wohl auch, aber man legte fein großes 
©emießt barauf, unb Stiemanb badßte baran, baß 
StamfjafteS gefcßeljen werbe. Sa ronnbte fich 
fjainß auf einmal an ben Dtatlj ber Stabt unb 
fam um bie Grlaubniß ein, ein ftofpital gu 
grünben. Senn für fich ben Schaß ausguben» 
ten, baS fam ihm au$, als er ihn in £>änben 
hatte, nicht in ben Sinn. 3?ür bie Slermften 
unter ben Slrmen, für Sllte unb ©ebrechließe, 
nicht mehr Arbeitsfähige, fjülfslofe unb Skr» 
laffene follte er oerroenbet werben. 

Gine ffreiftatt für ben fReft ihrer Sage, eine 
bon ber Siebe berflärte 3ufIuchtSftätte, eine lieb» 
ließe ^eimath follte für biefe Unglüdlidjen in’S 
Seben gerufen unb nach beni ©eifte, ber bie 
erften ©haften gu ihren berounbrungSroürbigen 
Seiftungen befähigte, ber „£>ofpital gnm heiligen 
©eifte" genannt werben. 

3rür 100 Slrme biefer Slrt rourbe baS £>au& 


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178 


Pa< ftrtpeil ein» Jünerthaners Über Jleutfdjlanb. 


einfleridbtct. So Diele foHten ba freie ff oft unb 
USopnung fiitben, in ffranfpeiten gepflegt unb 
mit Srgneien üerfepen roerben. (fr feiber aber 
gog in ein grofteS ©dpauS am Starfte, baS pun» 
be'rt 3faf)re fpäter au bie Familie Kloben tarn 
unb gegenwärtig nocp ber Bloben» (Stauen) ©of 
genannt roirb. 3)ie ©ainften aber führten dou 
ber 3eit an als Stoppen in Silber einen grünen 
Siubeugweig. 

9tlS baS ©ebäube fertig war unb bie Scpaar 
Don alten unb gebrecplicpen 9lrmen ihren feier= 
licken ©ingug in bieS ©aus ber Barmbergigfeit 
hielten, oerfäumte ©ainft es niept, feine treue 
©attin mitgunebnten, unb als ber 3>'Ö üon 
Wanteuben ©reifen unb gitternben alten Seüttern 
Durch bie Straften gum ©ofpital fiep bewegte, fie 
an ben ©eiftlergug gu erinnern unb gu iftr gu 
fagen : „91 un was macht beim biefer 3ng für 
einen ©inbrud auf beiu ©emütp ? niept wapr, 
and) einen ergreifenben unb erfcpütternben? aber 
anberS woljl als jener. 2>as ©rgreifenbe unb 
©rfcpütternbe biefeS 3ugeS ntacpt nicht nieberi 
gefcplagen, fonbern erhebt bie Seele, macht nicht 
ein trübfeligeS ©erg, fonbern ftimmt eS gu feliger 
Bewegung, benit hier brauepfi bu niept mit Ün« 
gliidlicpen unb Serbienbeten gu weinen, fonbern 
hier fannft bu biep freuen mit gröblichen unb 
Sobenbeit, baft ©ott fo gut für fie geforgt." 

-. •- 

Pa* Krtljeil eine* Jlmmltaiier* 
iibn pnitfdjlanb. 

©bitor. 

angweilige, nieptsfagenbe Seifebefcpteibun» 
gen, Seurtpeilungen unb Sbnrtpeiluugen 
über Söller unb ihr SUjun; furg — unrei» 
feS, wertplofeS 3eug wirb in ©eftalt üon Stig= 
gen über Sanb unb Seute in folcper Stenge über 
baS gebulbige Sefepublitum auSgefchüttct, baft es 
nur feftabe ift um baS fepöne Rapier unb bie 
25ruderfcpmärge. 

Namentlich muft ©eutfcplanb bereinigen Uu» 
fug immer unb immer wieber über fiep ergeben 
laffeit. Sermeint boep— nichts gu fagen Don 
aitberu — beinah jebeS junge Dämchen, baS ein» 
mal eine Seife auf einer beutfepen ©ifenbapn 
gemacht, ober fecpS Stunben in einem beutfepen 
©aftpaus Derweilte, baS beutfepe Soll gu leimen 
unb tbeilt nicht feiten feine Skispeit in einer 
gebulbigen 3eitung freigebig aus. 

Um fo wobltbüenber ift es gur Sbwecpfeluitg 
auch einmal auf baS gereifte, auf üielfacpe Se» 
obaeptung efeftüftte Urtpeil eines gebilbeten, un= 
parteiifcbeu StanneS gu ftoften. ©in folcher Se» 
urtpciler ift ©err Snbrew 2). SJpite, Sräfibent 
ber ©orneü Unioerfität unb ehemaliger ©efanb» 


ter ber Ser. Staaten in Berlin. Seriell» hielt 
förglich °or ber Smctilanifcpen ©eograppifepen 
©efellfcpaft eine Sebe über 2)eutfcplanb, unb bat 
in berfelben fo unparteiifebe Urtpeile abgegeben, 
fo gritnblicbe Belanntfcpaft mit beutfeben Ser. 
pältniffen bewiefen, unb fo freimütig baS So» 
bcitSwerthe anerfanut, baft unfere Sefer ficb 
freuen Werben, etwa# Daraus gu Dernebmen. 

9I(S tüdltig gebilbeter 9Rann faftt er baS 
beutfepe Soll in feiner ©efammtbeit auf, reiftt 
alfo niept einzelne 2peile Don bemfelben loS, um 
baran feine Sanbglofjen gu hängen; er betrach» 
tet Serftältniffe unb Umftäube im Safnumten» 
bang mit ihren Urfacben; er giebt ©cfamtnt» 
einbrüde unb Seflegioneu, onftatt 2agebucp= 
notigen; er oerarbeitet baS gefammelte Staterial 
gu einem Silb, auf welchem Diel mehr Sicht als 
Schatten gu fiitben, unb baS in fo pellen färben 
gemalt ift, baft Diejenigen 2)eutfcpen, welche eine 
©pre barin fucpeit, ihr ©eimatplonb fortwaprenb 
mit Scpmuft gu bewerfen, ficb »or biefem Smeri» 
laner orbentlicp fcpämen füllten. 

„2)a§ wiebererftatibene beutfdje Seid)," fagt 
©err 33>hitc, „ift eine gefcpicptlicpe Spatfaipe, wel» 
eper auch wir in Smerifa fRecpnuug gu tragen ha* 
ben, unb bie fiep feit einem halben ^aprpunbert 
Dorbereitet bat. ©S war ein gewaltig Singen, 
au§ ber 3erbrödelung ber ©onföberation gu Dem 
mächtigen ©inheitsftaat gu gelangen. Unb bie» 
fer ffampf ift bis jeftt erfolgreich burepgeführt 
worben. ®eutfcplanb ift praftifd) eine Union 
unb gwar eine mächtige unb gefürchtete. Seine 
politifcpe Sebeutung ftept in ©uropa in erfter 
Seipe; fein ©anbei pat feit 1866 einen gewal» 
tigeit Suffcpwiing genommen ; feine 3fitbuftrie 
würbe äufterft DerDolltommnct unb bie inili» 
tärifepe, Wie finangielle Starte beS beutfepen 
Seines grengt gerabegu au baS JBunberbare." 

2)aS Hingt gang anberS als bie boshafte ff rit* 
telei, welcpe piergulanb unb Drüben bie „Sotben" 
über ipr eigenes Saterlanb loSlaffen. 2Beil ni^pt 
alles erreicht ift, was fie fiep oorfteüten, weil baS 
beutfepe Seicp niept uaep jebem beutfepen ffopf 
formirt werben lonnte, haben Diele 2)eutfcpe naep 
acht germaniffper Stanier baran perumgunör» 
geln, opne bie SBelt je mit einer lebensfähigen 
ijbee beglüdt gu haben. Stag ©err SBpite auch 
bie Sicptfeiten etwas gu fepr in ben Sorbergrunb 
brängen unb bie Schotten gu Diel iiberfepen — 
im groften ©angeit ift fein Ürtpeil boep ein riep» 
ligeS, was immer auep unDermüftlicpe beutfepe 
ffritteltöpfe bngit fagen mögen. 

Seinape noch mehr aber als baS beutfepe Seicp 
wirb ffrürft SiSmard gelobt. „2)er beutfepe 
SeicpSlangler," fagte ©err Sßpite, „Darf mit 
Secpt ber ©tgieper feines SotteS genannt wer» 
ben. ©r pat baffelbe politifcp ergogen. ©r bat 
eS gelehrt, baft bet alte BunbeStag abgefepafft 
werben lonnte opne ben Staat git fprengen. 



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&fterjubtl 


179 


9?<idj>em baS 95otf burdj man^etlei (gjperimente 
bic (Sinpeitju erringen fuc^tc, patbiefer flrofee 
Wann ben SEBeg jurn gezeigt. Snbere pa= 
ben gefcpmärmt, er erfpäpete baS (Streitbare; 
aubere jintmerten ^brafen, er betrat bie Sapn 
ber Spät unb joa baS Soll — baS oft roiber* 
ftrebte — mit. (Sr glaubt an bie &anb ©otteS 
in ber ©eftitte, unb bot feinen ungläubigen 
Saitbsleuten gezeigt, baß bie #onb ©otteS aut 
in ber beutften ©eftitte ift, unbbie§ift iptn 
bot anjuretnen." 

3miften bem beutften (ReitStag, ber franjö= 
fifc^en Kammer unb bem aineritaniften © 011 = 
greß ftellt £>err Söpite feine Sergleite an unb 
ppt ben erfteren in Dielen ßinfüpten t>ot. „(Ss 
ift einer ber beften Peratpftlagenben Körper," 
fagt er, „bie es aie6t. ©eine fteftigleit, Uitab= 
pängigfeit unb Söiirbe flögen jebem intelligenten 
Seobatter Sttung ein. Wan pört meber über, 
flüffige, niept s ur @a<pe gehörige Sieben, not 
leibenftaftliteSluöbrütetoie in ber franjöfiften 
Kammer, not ift bie fopflofe Ueberftiirjung 
aineritanlfter gefetegebenber Körper Porten be= 
tannt. jt)ie Witg lieber beS IReitStageS liegen 
nitt in ben anftoßenben Säumen herum, not 
finb fie in ben StegierungSbureauS, um Slemter 
)u fifteu, fonbern fie beftnben fit. beutfter ®e» 
roijfenpaftigteit gemäß, in ihren ©ißen. 3 roar 
giebt eS bort mehr als jrnei politifte Parteien, 
aber bie ©elbftftänbigteit jebeS Slbgeorbneten ift 
fo groß, baß bon feinem Sorteijmang bie Siebe 
fein fann." 

Sn äpulüper SSßeife fprat fit ber Sebner 
über bie ftrammen, pflittgetreuen beutften Se= 
amten aus, bie ihre ©ate grünblit öerfteben. 
Unb ber in Slmerita fo bielfat gegeißelten beut» 
ften tßreffe ftellt er folgenbeS Seugniß aus: 
„$>ie beutfte treffe fiept gang unb gar bon 5jßer= 
fonalfacpen ab, unb jerrt nie 3familien.Slnge« 
iegenpeiten oor bie Oeffeutliipfeit. 35aö ©enfa* 
tionS.I$lement wirb bon ihr faum je auSgebeu« 
tet. ©paltenlange Worbgeßpitten, ©fanbale 
unb ftmußige ©eenen bleiben ganj unbeattet. 
©ie bepanbelt allgemeine SEbatfadben, befpritt 
eiitjufüprenbe Waßtegeln unb giebt rupig unb 
loürbig ipr ©utatten barüber ab." 

©o gar inerfmiirbig, wie manten anbern, 
bäutt e§ un§ nadjgerabe nitt, baß biefe Siebe 
bon ben ameritanifepen 3 u börern mit großem 
Sei fall aufgeuommen unb ber Sebner oft burt 
lauten SfpplauS unterbrochen mürbe. £>err 2Bpite 
rebete bor einem auSerlefenen, gebilbeten Snb= 
litum, unb baju not bor ©eograppen, beren 
Aufgabe e§^ft, bie 2öelt fennen ju lernen, unb 
roelfpe miffen, baß hinter ben Sergen immerhin 
not Seute mopnen, bon beneit man allenfalls 
etmaS lernen fönnte. ©erabe bie gebilbetfte 
Klaffe ber ameritaniften, mie jeber anbern Se» 
bölferung ift eS, melipe (StmaS nitt beßpalb gut 


ober fdplett peißt, meil e§ englift. beutft ober 
franjöfift ift, fonbern barum, meil es folf 
Sräbitat roirflit berbient. ©ölte Wen. 
ften finb toillig überall unb oon allen ju lernen, 
©ie ertennen bie Wängel ipreS £>eimatp(anbeS, 
unb jroat um fo mepr, je mepr fie baffelbe lie¬ 
ben, unb mötten bie Sorjüge anberer Söller 
in ipr eigenes Saterlanb berpflanjt fepen. ®er 
Ungebildete ober ftalbgebilbete aber begnügt fit 
bamit, Kapital mit feinem „£urrap ©olumbia" 
ju ftlagen, ftedt mie ber Sogei ©trauß ben Kopf 
in ben ©anb, mäprenb ipm ber Säger auf ben 
fferfen ift unb glaubt mit bem Sternenbanner 
alle ©täben peilen ju tönnen. (Sin folter 
Wann gefällt fit felbft, unb manten anbern, bie 
aut nitt mepr fönnen mie er; nüfelit ober ift 
er bem Saterlanb bunpauS nitt. ®aS finb nur 
biejenigeti, roelte, mie ßerr SBpite, mit gliipen. 
bem Sotriotismus im fersen, pinauStreten auf 
bie £otmatt, Umftau palten, fammeln unb 
oerarbeiten unb baS alfo ©emonuene iprem Solle 
barbieten, bamit es aus ben (Srfaprungen, (Sr. 
rungenftaften unb (Sinrittungen anberer Söl« 
ler etmgS ju feiner Sßoplfaprt geminne. 

-. »- 

ßfteijuM. 


2luf, jubelt, it^r £eute! 
£obftnget in ^Jreube, 

Da§ <£fjriftus crftanM 
3auci?3t, ba§ €r fein £ebeu 
^iir uns t^at gegeben, 

Den (Eob übermanbl 

tlid?t fonnten galten 
Die finftern (Seipalten, 

€r t^ob ftei? 311m £idjt! 

So tief €r geftiegen, 

So fyoci? ift Sein Siegen 
3n Reil unb (Seric^t. 

Die mächtigen gelben 
Unficbtbarer' IDelten, 

Sie bienen bem Sofyn. 

Das £amm, bas gefdjladjtet, 
3P mürbig erachtet, 

§u erben ben Cb ron - 

0 felige IDonnel 
Die Sonne, 

Sie bienbet nidjt me^r. 

Die Sd?n>3cbften ber Kinber, 
Die 2lergjten ber Sünber 
(Setjn freubig einher. 


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180 


Per Plenfdj unb fein Heim. 


Den Sünbern — bte Sdjanbe 
Den (tobten — bie Banbe 
<£r brad? fte entjmei 
Dertraulid? nun tpagen 
IDir „ Pater" 311 fagen, 

<£r machte uns frei. 

<£r fpridjt für bie Seinen 
<£r macfyt fie 311 Heilten, 

Cr jttllet tfyr £eib; 

<£r trägt fte burdj’s £eben, 

Dort fte 3U umgeben 
DTit lidjtem (5efd?meib. 

So jubelt, ifjr £ente, 

£obfittget 3*t m faute, 

Daß <£r eudj erftanbl 
Jaucht, baß €r gegeben I 

Sein tiimmlifdjes £eben * 

§um fidjeren pfattbl 

(bjermamt oon ber (Solfe.) 


per JHenfdj unb fern $eint. 

ffir §ou« nnb §erb non $r. #. NiemenMneiber. 



S roar ein ftürmifc^er 9iobember» 
abenb. 25er früfjjeitig eingetrof» 
fene Aßinter jeigte fid) in feiner 
unangenehmften ©eftalt, unb ein 
feiner, frofliger, mit jahlreidjen 
' ©djneefloden untermifdgter Siegen 

liefe e§ fel6ft bem gegen SEBinb unb Söetter ab» 
gehärteten Oberförfter 91., meiner feit Oielen 
fahren in einer ber anmutfeigften ©egeitben beS 
frönen ©chroabenlanbes mit 2reue unb Um ficht 
feines Amtes geroartet hätte, als einen roahren 
©enufe erfcheinen, am 3iele feiner Sßanberung 
angelangt jn fein unb ben Aufenthalt im freien 
mit einem roirtfjlichen Obbache oertaufefeen ju 
bürfen. 2Bir fefjen ihn eilig auf fchön gebahn* 
tent gahrroege burch eine geräumige Sarfanlaae 
einem einfa’m gelegenen ftattlichen Sanbljaufe 
»ueilen. 25ort finbet er bei feinem ©intreten 
ftetS eine Heine, auSgeroäblte ©efellfchaft feiner 
beften §reunbe oerfammelt, welche ben Derfpä» 
teten Anföntmling mit aufrichtiger greube be» 
roiHtoinmnen; roar er boefe wegen ber SBieberieit 
feines SBefenS, feiner gefaflfcbaftlichen ©aben, 
feiner gebiegenen SMlbung in allen greifen ber 
©efeflfd&aft ein ftetS gern gefeljener ©aft. 

9Jtit feinem ©intreffen roar bie ©efeDfcfeaft 
Dofljäljlig geworben, Schon feit fahren nänt» 
lidj Ratten fid) eine An ja 1)1 ber gebilbetften 9Jtän* 
ner ber nahegelegenen Oberamtsftabt unb iljter 


Umgebung ju einem Sfränjehen oereinigt, welche 
es fiCfe 8ur Aufgabe machte, in monatlichen 3«« 
fammentünften, bie abroedjfelnb bei ben Der* 
fchiebenen fDtitgliebern Des '-BereinS abgehalten 
würben, einige Stunben gefelliger Unterhaltung 
mit einanber ju Derbringen, unb bei biefeit ©e» 
legenbeiten auch fragen Don allgemeinem 3>n* 
tereffe in freunbfchaftlich ungejioungener ®e» 
fprechung ju behanbelit. Unter ben '-Berfant* 
melten erwähnen wir neben bem bereits ©inge» 
führten, ben würbigen '-Pfarrer, beit Arjt, einen 
Jjenfionirten ©ameraliften ber ©tabt, ben ©e* 
fchichtsprofeffor beS bortigen ©t)innafiumS, ben 
Stebncteur einer bafelbft erfcfeeitienben roiffen* 
fdjaftlichen 3fUfdhtift unb eine Aujaljt ber lei« 
tenben ©efcbüftSmänner beS gewerblichen, blü« 
henben ©emeinroefenS. 

2aS Äräitjchen hotte l’ich an jenem Abejibe 
n bem trauten £>eim eines ber 9)Jitglieber, eines 
irebfamen unb erfolgreichen SanbroirtfjS ju* 
ammengcfuubeu, unb es roar biefes ffeim gauj 
baju geeignet, alle Anroefenbeit in bie beifüg* 
lichfte Stimmung ju oerfe^eit. 2)raufeen tobte 
baS winterliche Unwetter; bas machte bie ©tim» 
mung ber Serfammelten, welche fiefe in bem an* 

f enepm erwärmten, reich erleuchteten Salon beS 
reunblidjen ©aftgeberS ficher geborgen fühlten, 
nur noch behaglicher. 

Salb nach ber Anfunft beS DberförfterS trat 
bie junge, anmuttjige £jerrin beS Kaufes herein, 
um ju ber im Speifejiinmer aufgetragenen 
ÜJtahljeit einjulaben, unb willig folgten bie ©e» 
labenen ihrer freunblidjen Aufforderung. 

2>er £ausroirth fo wie beffen ©ehülfin hatten 
ihr 9)Jögli<hfteS getljan, ben gefd)äfeten ©äften 
bie ©hren beS Kaufes ju erroeifen, unb in ber 
beften Stimmung lehrten biefelben nach aufge* 
hobener 2afei in ben ealon jurüd, um nun jur 
eigentlichen Aufgabe beS AbenbS überjugehen. 

hiebei führte ber Starrer, als ältefteS 'Dlit* 
glieb beS deinen A reifes, ben Sorfib, unb nach* 
bem berfelbe mit einigen freunbfdjaTtlidj ermun* 
ternben SGßorten ben 3n>ed ber 3nfamtnenhinft 
feftgeftellt hatte, begann ber profeffor, welchem 
bie Aufgabe jugefallen war, ben Atiffafe Des 
AbenbS ju liefern, fofort auf bie bem Aränjchen 
Dorgelegte fjrage einjuaehen. 

„SBerthe tjfreunbc! 3n bem traulichen £eim, 
baS uns heute Abenb fein gaftfreunbliches 2hot 
geöffnet hat, in bem wir inmitten aller nur ge* 
roüufdjten Anneljmlichteiten beS Sehens uns jur 
gewohnten ^Bereinigung jufammengefunbett ha* 
ben, follten wir uns iganj befonberS angeregt 
fühlen, mit fiuft unb Siebe uns gerabe mit bem 
Don unferem roiirbigen Sorfifeer angebeuteten 
2hewa ju befajfen. . 3ft eS boch eine 3rage, 
welche mit ben iDienfCfeen, ober beffer gefügt, ber 
3Jtenf<hbeit in innigfter Serbiitbung fleht. Sffiobl 
giebt eS 25inge im menfdjlichen Sehen, welche 


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Per fHtnfd) unb fein $eim. 


181 


höhere Snterejfen beS WenfcbenbafeinS berühren, 
ober roobl nur wenige, welche in bem engeren 
greife beS täglichen SebenS fi<h gu aflen feiten 
me^r geltenb machten, unb auch gegenwärtig bei 
ber fte'ts roachfenben Seüölferung ber ßrbe unb 
ben ftetS fid» fteigernben Wnforberungen beS 2e= 
bertS mehr auf eine etngeljenbe ©rwäguna 9ln= 
fprucb ergeben, als bie »rage, wie ber Wenfh 
wohne. 

„2Bir föpnten, um bie Sebeutung unb Strag- 
weite biefer Frage angubeu* 
ten, barauf binweifen, wie 
biefelbe mittelbar ober un¬ 
mittelbar tjineingreift in fo 
gar manche Begebungen 
beS WenfcbenlebenS, wie fie 
ihren ©influfe auSübt auf 
baS Familienleben fowobl 
als auch auf bie 2Bot)(fabrt 
ber eingelneit Wenfhen ; 
wie fie einwirtt auf baS 
fociale 2ebeit unb wie enb* 
lieb auih baS fittliche fieben 
unb 2Bob (ergeben ber Waf* 
fen nicht bon biefer Frage 
unberührt bleibt. ®o<b bie* 
feS wäre ein gu weites, ein 
gu reiches ©ebiet, baS wir 
in ber tunen, uns ange» 
wiefenen Seit nicht i u 
burchmeffen bermöhten; 
barum loffen ©ie uns bie 
für bie SiScuffion gewife 
nicht unbanf bare ©eite 
ber Frage auffajfen, wie 
unb woburch ber Wenfcf) 
nach unb nah gu ber mo* 
bernen SOßoljnung getorn* 
men fei. 

„Weine» ßracbtenS ftnb 
eS, um nun fofort in biefe 
Sahn ber Unterfuchung 
eingulenten, bor adern äu* 
feere Serljältniffe, welche 
ben Wenfchen im lefeten 
©runbe beranlafeten, ja 
beranlaffen mufeten, in ir= 
genb einer SBeife fid) ein 
£eiin, ober fagen wir gu* 
nähft nur ein Ö6bach gu berfdjaffen. <5s war 
biefeS eine gebieterifhe Forberung in feinem 
Äainpfe uni bie ©gifteng. $)aS Sbier Würbe 
bon feinem ©djöpfer gu biefem Kampfe bur<b bie 
9tatur mit ben gegebenen Wittein ber 2tbmebr 
auSgerüftet; ber bernunftbegabte Wenfdj aber 
fab fidj angewiefen, bie erforberlichen Wittel 
aus ber ihm untergebenen 9tatur felbft gu ge¬ 
winnen. 

„©eben wir nun gur Förberung unferer Unter* 


fudjung auf bie Eingaben guriief, welche bie guber* 
iäffigfte Urtunbe über bie älteften Seiten beS 
WenfcbengefhlecbtS, bie SBibel, uns in bie £anb 
giebt, fo finben wir, bafe ber erfinberifhe ©eift 
ber Wenfchen fchon febr früh biefer 5lnforberung 
beS Sehens gerecht gu werben berftanb. ©efet 
nicht, um hier nur anbeutungSweife gu erfahren, 
bie £>erfteflung eines SaueS, wie eS bie 9lr<he. 
■Jtoab’S war, notbwenbig eine grofee 9teibe ber* 
mannigfaltigften ©rfinbiingen ber Sautljätigteit 


$üttem2Bo$iiung ber SWeuf^cu. 

borauS, unb bewahrheitet fidj biefe SotauSfefeung 
nicht in befonberS nachbrüctlicber Sßeife burdj bie 
Sthatfache, bafe fd)on hunbert Sabre nach ber 
©ünbfluth ber Sau ber ©tabt Sabplon unb je* 
neS SthurmeS, welchen bie 9ta<htommen fRoah’s 
in titanifdjem Uebermutfje bis gu ben SBoIten 
binaufgufüfjren fich oermafeen, in Angriff ge* 
nommen werben tonnte ?" 

„Sft nicht auch fdwn Shnen, meine Herren," 
unterbrach hier ber Sfarrer ben ©preeber, „ber 



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182 


|ler 9trnfd| unb fein Heim. 



©ebanfe gefommen, als fei uns in biefein oer» 
meqetten Serfutfje menfchlidhen UebermutljeS in 
gemijfem Sinne ein Sdhlüffel gegeben juin 33er= 
ftänbniß jener gewaltigen Sauten aus uralter 
3eit, wie fie uns tfoeils ermatten fiitb, theilS aus 
ihren9tuinen noch ihre einftige ©röfje betunben?" 

„@S ift feljr rool)l möglich," fuhrnunber'fko« 
feffor fort, „baf? ber in ber jerftreuten Stenfdhheit 
fortlebenbe ©ebanfe jenes SaueS in ben gaf)l= 
reichen üöuitberroerfen ber Saufunft ältefter 3eit 
feine '-Berförperung gefmtben hot- 3)o<h feeren 
mir nun roieber jü unferem Schema jurüdf. 
Sisfjer haben wir nachjuroeifen berfudht, bajj ber 
fÜtenfch als folcfjer firf) ein Obbach ju fudf»en ge» 


^elicniuo^nuug. 

nötfjigt mar unb wie er biefer Aufgabe gerecht 
ju werben oerfuchte. ®od) berläjjt uns hier her 
fjaben, ben bie heilige ©efcfjidhte und in bie §anb 
gab. ©an* unbemittelt tauchen aus bem 93öt= 
tergemirre bie älteften ©ulturftaaten in ber ©e» 
fdjichte bor unfern 9lugen auf, ohne baff eS uns 
möglich wäre, aus ben mageren Ueberlieferun» 
gen, menigftenS für unfere 3*r>ecfe, befonberS för» 
bertibeS Material ju gewinnen. 2öir fehen uns 
baher genöthigt, unfere Unterfuihung nach 9lna« 
logie beS ©ntmicfelungSprojeffeS, wie er heute 
noch in bem gortfchritte ber ©ibilifation fich 
abfpielt, fortjuführen. 


,,©S tann wohl als thatfädjlicf) feftgefteüt gel» 
ten, baß Siehjinht unb Stdferbau bie urfprüng» 
lichfte Sefdhäftigung ber fDtenfdhen roareiK 9luf 
biefen Sahnen ber SebenSthätigfeit treten unS 
noch bie Sotriarchen ber heiligen @ef$id)te ent« 
gegen. ®er Sefiß beS Wirten finb bie beerben 
unb bie ©egenb ift bie hefte für ihn, welche fei« 
neu beerben bie auSreichenbfte 9taf)rung bietet. 
9tid)t lange nun burfte ber £irt in berfclbcu 
©egenb bleiben. ®r muhte bielmeljr, fobalb baS 
ffelb abgemeibet war, mit feiner beerbe weiter 
äiehen unb ein frifdjeS fuchen. 5Do er eine 3eit» 
lang oerweilte, ba fällig er fein 3^lt auf. ®S 
beburfte baju bloS eines grofcen, feften Stabes, 
ber in bie ©rbe gefterft, unb 
ber SBeflcibung, bie an bem» 
felben bermittelft Heiner 
Stäbe nadh allen Seiten aus« 
gefpannt mürbe. $iefe Se= 
fleibnng befianb anfänglich 
aus Shirrhäuten, fpäteraber, 
nadh ©rfinbuug ber Spinn» 
unb SBebefunft, ans Sinnen. 
Unter folchen' tragbaren 3el« 
ten wohnte bet £irt mit 
SQßeib unb ßinb, ruhig unb 
bergnügt, umgeben Pon fei» 
neu Qeerbeu, bie in fröhlichem 
©ebränge um ihn h?r wei« 
beten. $ie ©ibel nennt nnS 
Sabal als ben erften, welcher 
unter gelten wohnte. £>eute 
noch finben wir foldje Wan» 
bernbe ^irtenfiämme in ben 
SPüfteneien 2lfrifaS unb 
9lfien, Welche, jebe bleibenbe 
SBohnftätte berfdhmähenb, 
bon Ort ju Orte sieben unb 
überallhin ihr leicht beweg« 
licheS Cbbadh mit fich führen. 

„$urdh ben 9lcferbau fo» 
bann befam ber SDienfd) einen 
feften, bleibenben SSkhnjifc. 
®er 9ldfer erforberte feine un« 
auSgefeßte pflege. ©rfdhlug 
beshalb bet bemfelbett eine 
£>ütte auf. ®iefe war anfänglich gewiß fei)r 
einfach, ©ingerammte Stäbe mit 3n>eigen unb 
©efträuch burdhflodhten ober mit Sfbierfetlen be= 
beeft, bilbeten wohl bie erfte £mtte, weldhe ben 
Sanbmann gur erquidfenben 9tuhe cinlub, wenn 
er am 9Ibenb mit Schweife bebedft bon feiner 
Arbeit jurüeffehrte. Mehrere foldjer Jütten 
jitfammeit, bie nach unb nach fefter unb geräu» 
miger würben unb fo ben Uebergang ju ben 
Käufern machten, bilbeten baS erfte 3)orf, baS 
fich mit ber 3 p i* i u einer fleinen Stabt ermei» 
terte." 

„©rlauben Sie, #etr Su>f«ffor," unterbrach 


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litt Penfill unb fein geim. 


183 



hier einet bet anmefenben ©efd[|äftsleute ben 
Sortrag, „ich las oor Äurjein in bet miffen* 
fchaftlidhen 3 eitfdjrift, welche unter ber Leitung 
unfereS gefcgäßten fJreuitbeS Bier betauSgegebcit 
Wirb, baß in berfchiebenen Öänbern Europas, 
fomie in 2 tmerila 4 >öplen—nur tJelfenmohnun» 
gen aufgefunben worben ftnb, beren 9llter fidj 
wohl nic^t mit ©enauigfeit beftimmen lägt, 
welche aber unjweifelhaft einem ' fepr frühen 
Zeitalter angehört haben müffen. 2 Bie ertlären 
wie eS nun, baß Stenfchen biefen SBeg jur ^>er» 
jtetlung ihrer SBohnungen eingefchlagen haben?" 

„Saß es ju einer :§eit, welche gäitjlich außer 
bem Sereidje ber ^iflorifc^en Ueberlieferung 
liegt, Stenfdhen gegeben habe, bie anftatt Jütten 
Überläufer ju bauen, ihre 
3 uflucht in hä()ten fud)= 
ten, ift eine bur<h bie tn 
Seigien, ©uglanb, 3frartf= 
reich unb 3)eutfch(anb ge* 
machten 3 ?uitbe bon uraU 
ten aus ©tein bereiteten 
ffi.-cfieugeit, ja fogar oon 
Speifeüberrefteit in foldjen 
höhten fejtgeftetlte $hat* 
fad|e. $t(3 Erllürung 
bietet ftd) gattj naturge» 
ntäß ber ttmftanb bar, baß 
biefe 9taturöölfer, roelche 
an Eioitifation, meiner 
Knftcht nach, noch hinter 
ben Somabenüölfern ju* 
rüdfteheu, ber ftunft ftd) 
ein Obbach ju bereiten 
noch uitfunbig, bie ©eie* 
genbeit, welche ihnen bie 
Statur bot, ju einem Ob* 
bache ju gelangen, benuß* 
ten unb fo, ben Shiereit 
gleich, in höhlen ber 
Serge, ober wo immer ftch 
folche finben mochten, ein 
Unterfommcii juchten. — 

Slnbers jebod) oerhält es 
ftch mit ben grelfenbemoh* 
nern, beten jum ifjeil großartig ausgeführten 
Sauten unS in berfdjiebenen Serritorien Storb* 
SlmeritaS entgegentreten. Slud) biefe weifen je* 
benfallS auf eine feljr frühe 3 eit in ber ©ef<htcf»te 
ber URenfchheit jurücf, aber baS Soll, welches 
fte bewohnte, erfreute fi<h ohne 3 n>eifet eines 
weit höheren ©rabeS ber Gioilifation, als bie 
Stomabeit ber alten unb ber neuen 3 f it jemals 
{rr<icht haben. Erforberte eS boch, abgefehen 
üon ben Slnjeichen einer hohen Gultur, welche 
ftch in reicher Qrülle an jenen Orten erhalten ha* 
bett, junt minbeften einer gemiffen Seroofllomm* 
nung ber SEBerfjeuge, um biefe SBoljnungen 
herjufteQeti. Soeale Serhöltniffe, wie bie bro* 


ÄffariftgdJ ffiohn^au*. 

möglich in Wenigen erflürenben Störten uöllig 
geregt ju werben oermögen." 

Oa biefer Sorfcßlag oon Stilen mit beifälliger 
3 uftimmung aufgenommen würbe, fo fuhr ber 
Srofeffor in feinen Erläuterungen wieber fort. 

„9Bir hatten oon ber hanb ber ®efd)id)te 
nachgewiefen, wo im Saufe ber 3eit fich allntah* 
lig aus urfprünglich tleinen Anfängen bie ©tobt 
herangebilbet hatte, $jiemit war in ber Ent* 
wicfelung ber menfdjlichen Stohnüerhältniffe im* 
ftreitig ber bebeutfamfte Schritt gesehen. Stuit* 
mehr wirften gar üerfchiebene Momente, wie 
llimatifche Serhöltniffe, gefeflfchaftliche Snfor= 
berungen, 9teid)thum unb ©efqmacf ber Eiujel' 


henbe ©efahr Oon ©eiten ber fffeinbe ober Ueber* 
fchtoetninungen, welche j. S. in Segppten bie 
großartigen fjelfenbauten beranlaßteit, mögen 
bett erften unb £>auptai}laß 3 U folchen unb ahn* 
liehen Saumerfen gegeben haben." 

„Stödjten nun nicht, §err Srofeffor," fiel 
hier ber Eaineralift ein, „auch bie berühmten 
Stahlbauten, welche ben gelehrten Sltertbums* 
forfchern fo biel ju beulen gaben, auf ähnlidje 
Serattlaffuttgen jnrücfjuführen feilt ?" 

„©icherlich, boch wenn ©ie erlauben, wollen 
wir ben oon Shnett angeregten ©egenftanb, ba 
er bon gattj befonberetn ^ntereffe ift, jur aus* 
fiihrlidheren Sefpredjung an einem anbetn Sbettb 
jurüdlegen, ba mir ber Sebeutung berfelbeu un* 


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184 


Per Ptenfdi unb fein peim. 






2lltgriecbif($e§ 9Bobitbau$. 

nen, auf bic mciterc SerOofltommnung berfclbcn 
ein. 3(i* i'frijt lebendiger 2Bcifc müffett fo §. S. 
biefe totalen einroirhingen einen (äuvopäet be= 
tüf)_ren, meiner auf auSgebcljnten Steifen bie 
oerfdjiebeneit cioilifirtcn Sänber befudjt ijat. Oie 
Sauten beS fer= 
nen Orients mit 
Ufrcin biden @e= 
niiincr, ifjren 
flauen 2)arf)eru 
»erben beit an 
europäifdje Sau» 
ffple ©emötjnten 
SlufangS freinb» 
artig anmuttfen, 
a6cr gar halb 
mag er fid) gu 
bem 3**fl c ffönb= 
niffe genötigt 
fetjeit, baji eben 
biefe bitten Stau* 
cm ben beften 
Sdjtiti gegen bie 
erfi|laffenbe Stifte 
beS ftlimaS ge» 
roäf)ren,baft biefe 
flauen Oitdjer, 
mcld)e ibm fo 
unflott erfdjei» 
nen, e§ ib*n ge» 
ftatten, unter bem 


©djufce ber Sdjatten fpen» 
“ = — benben Seinmanb bem füfeen 

_ dolce pur niciito ber Orieit- 

talenjid) Ijingugeben." 

„Sie ermahnten, tnenn 
id) mid) nid)t irre," fagte 
hier, als eine S<u*fe j m 
Sortrage eingetreten mar, 
ber SlÜirtlj beS Kaufes, tuel» 
d)er bieder mit gefpannter 
3iufmertfamfeit ben 9tuS» 
fübrungen be*9luffatjcS ge» 
folgt mar, „baf; and) ber 
©efdjntad, ber jtunpfinn 
eines SolfeS einen beftim» 
meitben ©influj; auf bie 
£>erfteUung unb Semoll» 
tommnung ber nicnfd)lid)cn 
SBobnungen gehabt tjabe. 
9tun laS id), falls icb mid) 
nid)t irre, por langen 3al)= 
reit einmal, bafi bie Käufer 
ber alten 9tt()cner, beS an» 
erfannt funßfinnigften Sol» 
teS aller feiten, bennod) 
einen auffallenben Stängel 
beS fonft fo pod) gepriefciten 
atbenifdjen fiunftfiitnS an 
ben Sag gelegt fiätten. Säufdjt mid) meine 
Grinnentng, ober nid)t, unö meitn nic^t, mie er» 
tläreit Sie biefe Ijödjft auffalleitbe 6rfd)einung?" 

„3(f)r ©ebäd)titifs mar Serien burdjauS treu. 
©S ift mal)r, bafi gu Sitten, ber ipeimftättc ber 


SBauevntyaud im bairitc^cn ^octojcbirge. 


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Per SJenfdj unb fein |titn. 


185 


ebelften, erbabenftenßunft, bet ftolgen Seherin ,,©aS war bie Sehaufung beS heibnifdjen 
eines SartljenonS, bie Süofjnljäufer, felbft ber ©ermatten. ©o<h will es uns nidt)t fheinen, 
Weiten unb Sorneljmen, in einem burchaus als paffe biefe S^ilberunfl noch heut gu Sage, 
unfcpeiitbaren, einfachen Stple errietet gu wer» einer ©figje gleich, auf manche ^Bauernhöfe, wie 
ben pflegten. ©od) biefeS patte feinen ©runb fie uns wohl auf unfern Steifen im füblidjen 
tljeils barin, baß ber ©rieche eigentlich nur ben ©eutfdjlanb, g. 58. im bairifdjen fwdjgebirqe 
Hbenb unb bie Stacht im 
#aufe gubrachte, fo bajj eine 
geräumige unb fcpöne 28ot)« 
nung lein Sebürfnijs für 
ihn war, theils auch barin, 
baß es, wenigftenS bis gut 
Seit beS ißeritleS, gefeßlich 
»erboten war, ißribathäufer 
mit ardhitef tonifhem 
©chmucf gu oerfehen, bamit 
bie ©empet als Sßoljnung 
ber ©ötter ftets einen we» 
fentlicpen SSorjug bot ihnen 
behaupten feilten. Unbneh» 
men wir ni$t auch in bieten 
unferer alten beutfehen 
©täbte, wenn auch nicht in 
fo auSgefprochener SSßeife, 
ähnliche ©rfepeinungen 
wahr? SJtitten in einem 
©ewirre enger ©affen mit 
unfehönen Käufern, ftojjen 
wir bielleicht gang unber» 
muthet auf eine fhrdje ober 
auch wohl ein ©taatSqe» 
bäube, baS uns burch nta* 
iejiätifdh erhabenen ©h)l 
gu ftaunenber Semunberung 
hinreißt. 

„©eftatten ©ie mir nun 
noch fdjließlich meine $er» 
ten, in möglichfter ftürge 
auf bie SOBohnungSoerhält» 
niffe beS beutfehen SolfeS 
eingugehen, ba gerabe biefe 
bon befonberem Sfntereffe 
für uns fein miiffen. £>eben 
wir gunädhft bie nationalen 
SJtertmale beS altbeutfcpen 
£eimmefen§ herbor, fo mar 
bas germanifdje SßoljnbauS 
halb in halb über ber ©rbe 
gebaut, ©ie SBänbe beftan» 
ben entmeber auS fdjlichtem 
Sachwert ober waren auch 
wohl, nach Slrt ber amerita« 
nifdjen Slocfhütten, aus Saumftämmen aufge» entgegen treten ? ©a ftnb biefelben Stiegel« 
fchic^tet. ©aS ©ach beette man mit ©troh ober wänbe, beren ©teile hie unb ba rauhe ©lein« 
©hilf, welches bann in ber falten SafjreSgeit mauern einnehmen, ba ift baS fdjlichte ©troh* 
burch «in* Schichte ©ünger berbichtet würbe. *bacb. ber ©fall, bie ©djeune, burch ein unb 
©efonbert bom SBohnbaufe ober an baffelbe baffelbe ©ach mit bem SBohntjaufe berbunben. 
angebaut, ftanben bie ©elaffe für baS Sieh unb „SluS biefen bürftigen Serbältniffen feboch 
ben ©etreibeborrath. * Wuchs mit bem Solle auch fein £>eim heraus. 

14 



fterrat^of in $rantrei$ unter bat 9Xarotvingem. 


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186 


Central $ohfc. 


Um nur in baS mittlere Stabium bet ©nt« 
midlungSgeftitte beutfter«2Bol)tuing§Derf)ült= 
niffe hineinjugreifen, fo finben mir, baß fit 
j. 39. im carolingiften 3citalter bie Hütte jum 
geräumigen Haufe, ja ju einem mit ^aflifaben 
iimgürteten Häufercomplej erweitert bat. 2)a 
feßen mir ju einem Slnroefen bereinigt: baS 
Herrenhaus, baS grauenljauS, baS 39abehauS, 
baS fleUethauS, ben flornboben, ben Speicher, 
bie ißferbe», 9tinbPieh=, Stof» unb Stmeine» 
ft alle, ein in jeber 39ejiehung ftattliteS, folibeS 
Slnmefen, baS bon ben behäbigen IBermögenS» 
berhültniffen beS ©igentljümerS 3 eu 8 n >ß abiegt. 

„Slot inniger mutbet uns baS beutle Heim 
ber fReformationSjeit an, in meinem folibe Sau» 
art fit paart mit ©eftmad unb IRüdficbt auf 
SBequemlicbfeit beä häu§lid)en SebenS. Genien 
mir uns in ein folcheS Heim baS anmuthige ga» 
milienglüd eines Sutljer hinein, fo tritt uns 
bamit recht eigentlich baS Urbilb einer monnigen 
beutfchen Heimath entgegen. 

„Unb nun, meine Herren, brauche icb Sie 
moijl nicht mehr auf bie Sßanbelungen pinju« 
meifen, melche fich feither in ©eutftlänbs äßoh» 
nungen bolljogen haben, 3hnen nicht mehr bie 
ibaratteriftifcben ©igenthümlichleiten beS mober« 
nen HeimS bor lugen ju führen, barjutljun, 
melche Stploeränberungen ißlaß griffen, mie 
baS macbfenbe Streben nach SBohnlitfeit unb 
©omfort ber tphhfiogitomie beS beutfchen HaufeS 
unterer 3«it ihr eigentümliches ©epräge ber« 
lieh, ftann ich bot auf baS traute H e *nt hin» 
meifen, baS uns heute Ibenb aufgenommen hat. 
SRöge es, unb ich glaube, meine greunbe ftim» 
men alle mit in biefen 3Bunf<h ein, möge es 
unferm geftäßten 35ßirthe atlejeit eine 33erge« 
flätte beS reinften beutfchen HauSglüdfeS fein !' ; 
Silit biefen tiefgefühlten SOßorten beftloß ber 
SRebner feinen 33orttag. 

Slachbem nun bie ©efeUfdjaft auf 33eranlaf« 
fung beS 33orfißerS bem '-ßrofeffor einen OanleS« 
beftluß ootirt hatte, ergingen fit bie SRitglieber 
beS ßräitichenS not «ine SBeile in trauliter 
Unterhaltung, in roelter fie bielfat auf baS 
©efjörte 39epg nahmen, ©nblit riiftete man 
fit jum lufhrut- $er Sturm hatte fit mitt« 
iermeile gelegt. Har ftien am roollenlofen Him» 
mel ber vJlonb auf bie frieblite ©rbe herab unb 
beleuchtete unfere greunbe mit feinem hellen 
eteine ben nättüten Heimmeg ju bem im 
Stale gelegenen Stäbtten. 


„gleift unb 39(ut lottti baS SReit ©otteS nitt 
ererben." Sßenn man ben alten SJlenften not 
fo brab macht, tommt er bot uitt in ben Him» 
mel. $aS SRiftbeet fommt nitt in’S 3immer, 
fonbern bie ftöne 39lume, bie b’rauf mätSt; ben 
lefer, bie ©rbe trägt man nitt in bie Steune, 
fonbern bie grutt. 


General Saldi. 


et ftrecflitfte latljolifte ©eneral im 30fäh» 
jährigen flrieg mar Hold, beffen Slame Diele 
3fahre nat feinem Sobe nur mit Stau» 
bem genannt mürbe, unb ben ber flaifer in ben 
©rafenftanb erhob, roeil er fo borjüglit bie 
Ausrottung beS '-firoteftantiSmuS oerftanb. ©r 
Derfutle nitt lange, bie ftörriften ©Dangeliften 
ju belehren, fonbern ließ fie ftaarenmeis tobten, 
melte Derbienftlite Hanblung nat Anfftt beS 
flaiferS mohl einen ©rafentitel mertt) mar. 
IRatürlit mürben bie Unglücfliten Dor ihrem 
Stöbe gemartert unb ihres Sefißthums beraubt, 
Don bem ©raf £>old ben loftbarften Sheil nahm 
unb ben 3teft feinen Kroaten unb ^anburen 
überließ, ftein laiferlicher ©eneral ging mit 
feinem H eere borthin, mo Hold gemefen mar. 
Sie meinten latenb, mo er gemeibet, ba matfe 
in fahren lein ©ras. 3tn ber $hat, roohin er 
ben guß gefeßt, hinterließ er eine entfeßlite 
©inöbe, unb höufig ließ er Ortftaften nur beS 
Spaßes halber anfteden. SRan tann fit benlen, 
mie Alles bor ihm floh unb nur Eßenige ihm mu» 
thig Stanb hielten. SDeren ©nbe mar meiftenS 
ein entfeßliteS. 3a, bie latljolifte flirte befißt 
bide Heiligenbüter, in benen ber Helbenmutlj ber 
erften ©hriften, ben H«iben gegenüber berittet 
mirb, mie fie troß graufamfter Oualeit ihren 
©lauben nitt berleugnen mollten. Unb biele bon 
ihnen maren fromme unb heilige SRärtprer, ju 
benen aut mir in ©hrfurtt aufbliden, toenn mir 
fie aut nitt ju unfern Stußheiligen erlorett 
haben; aber bie römifte flirte begnügt fit nitt 
bamit, bie SJtärtprer ber erften 3ahrhunberte 
nat ©h r >fti heilig ju fpreten, fonbern hat fft 
fpäter not manterlei Heilige auSgefutt, melte 
nittS meiter mie fromme Seute maren. Slein, 
mir lennen folte öciltcjf|jre<hung nitt, fonft 
gäbe eS unter ben Opfern fiolds mante, bon 
beren Stanbhaftigfeit im ©lauben fit biel er« 
jählen ließe, unb benen biedeitt ber römifte 
Heiligenftein nitt fehlen mürbe, menn fie fo 
bartnädig am latholifteu ©lauben fefigehalten 
hätten. — 9lun, biefleitt hat ber liebe ©ott ein 
golbeneS 39ut, in meltem unfere SRärtprer Der« 
geitnet ftehen. Sie merben eingegaitgen fein 
}u unferS Herrn ffreube. 

®ot mir roollen uns not einige 9lugenbtide 
mit^fieinrit H°Id beftäftigen. @r flammte, 
o Stmat, bon ebangeliften ©Item, aber er 
hatte längft feinen ©lauben abgeftmoren, unb 
ben latholiften angenommen, greilit fagten 
feine ©enoffen bon ihm, baß er, menn er be» 
trunlen fei, niemals miffe, melcher Religion er 
angehöre. 3m nütternen 3uftanbe aber ftrebte 
er eifrig bamat, ben ftatholiften »u jeigen, 
mie er für ihren ©lauben ftrebe. 3** biefem 



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Äenetal Ijoldi. 


187 


3wed batte et fich einen rohen, ünmiffenben laffen. Sin fä<bfif<heS ebangelifcheS Regiment 
SDtönch tommen lagen, welcher nach Sroberung fprengte mit lautem ©efdjrei auf ben a)iatft= 
einet - ebangelifchen Stabt fid) auf ben 3Jtarftplaß plaß, bie Stabt mit einem Schlage bom geinbe 
feßen unb '-8eid)tjettel feilbieten mußte. Sinige befreienb, ber in eiligfter flucht baS Söeite fuctite. 
Kroaten fdjlugen bie Trommel baju, unb eine ©raf £old entging nur mit Stotty ber ©efan» 
Stunbe lang wartete biefe ©efellfdfjaft, ob nid^t genfcbaft. Sr batte, am StatbbauSfenfter fte= 
etliche Sinröobner tommen mürben, bie burch benb, bie Scene auf bem 2)tarttplaß gu lange 
Srtaufung beS 33eicbtgettelS fich bereit ertlärten, angefebcn unb barüber bie 2l3ad)famfeit ber» 
ihren ©tauben abgufcbmören. Saß biefe ®ei<f)t= geffen. 9lber er fchwur, baß er noch einmal 
gettel mit fernerem ©elbe begablt roerben mußten, nach flauen tommen roolle, unb fein Schwur 
oerftebt fi(b oon felbft. Obgleich baS 3lbfd)Wö» festen in Srfüllung gu geben. SaS Ärieggglücf 
ren beS ©laubenS bor qualoouem Sobe errettete, fchmanfte bamals ftart bin unb ber, halb mußte 
fanb fi<b nur feiten 3emanb, ber bem 9ötön<h flauen mieber bon ben Saufen aufgegeben 
einen 3«ttel abfaufte: meiftenS gingen bie Sban« merben, unb £old lagerte ficb in ber 9lälje. Sie 
gelifdjen mit ©leicbmutb ben fcgrealic^en Seiben Stabt gitterte. Scbaaren bon SSetern ftrömten 
entgegen, welche bet gkofoß beS ©eneralS über in bie Kirche unb ©ott erhörte ihr ©ebet. Ser 
fte berfügte. fcbredlicbe ©eneral ertranfte an einer peftartigen 

öefonberS in Sacbfen häufte ber wilbe ^oldt Kranfbeit, welche et fich im müften Sagerleben 
fürchterlich: 3?aft febe 9ta<ht geigte ein glübenb» gugegogen. Sa geigte e§ ficb, baß er, ber nur 
rotber geuerfäein am ©origont, baß eine Stabt £ a & unb S3era<btung gefäet batte, nur baffelbe 
ober ein Sorf oon ben roilben Kriegerbeerben mieber erntete, deiner feiner Offigiere nabte 
angegünbet fei, unb gitternb ftürgten bie Sban« ficb ihm, feine Siener berließen ihn; nur ber 
gelißben bei §oId§ wnnäberung in bie Kirchen, 2lrgt unb ber tßrofoß gittgen bann unb mann 
um bort Schuß gu fueben. 9lber auch biefe bei* gu ihm, ber halb befinnungeloS bor Slngft 
lige 3uflu<bt3ftätte mar bor ben rohen Scbaaren mar. 

ntdbt ficber. Ser graufame fjelbberr, welcher fo biele Seben 

So erfchien ©raf £>old einmal mit einem 9te» auf feinem ©emiffen batte, gitterte bor bem Sobe 
aiment in flauen, einer Stabt beS fä<bfif<ben unb berfptad) bem 2lrgt große Schabe, wenn et 
SJoigtlanbeS, unb nachbem er im 9tati)bauS ihn mieber gefunb machen Wollte, liefet be= 
Quartier genommen, feßte fich auch hier ber ge» beutete ihm aber gleichgültig, baß feine 9lugen« 
roiffen» unb gefüßHofe uJlöncb bor baffelbe unb bliefe gejäblt feien. Sa brach €»olcf in laute 
liefe burdb bie Trommel ben «erlauf ber Seicht» SerWünfchungen feines eigenen fünbbaften 2e= 
jettel betannt machen. Son ben Sinroobnern benS auS unb berlangte laut iammernb nach bem 
tarn 9tiemanb, nur bie groei ebangelifchen ©eijl» Slbenbrnaßl. Stan fdjidte nach bem Htöndj, 
lieben, welche ber ^fetbberv mit graufamem £obn Welcher gitternb bor ber 9lnftedung ben Kopf in 
batte jur Safel befehlen taffen, würben bon bie Sßür ftedte; aber bei feinem Slnblid fluchte 
einem Fronten berbeigefübrt unb mit lautem ber Kranfe auf’s Sntfeßlicbfte. Sr fei eoan» 
3Butbgef<hrei bon bem tüdifeben 9Jtön<b empfan» gelißb, febtie er, unb oerlange baS Saframent 
gen. Sie erftbienen nämlich in botler lutberifdjer m beiderlei ©eftalt. Sie Oberften feines ^ecreS 
imtstracht unb weigerten fich entfdfieben, bie» gudten ungebulbig bie tHchfeln, als fie baS Se» 
felbe abgulegen unb ihren ©lauben abgufdjwören. gehr beS Sterbenben oernabmen unb meinten, 
' Sann würbe noch ber reidjfte SitatbSberr beS er fönne ohne 9lbenbmabl jur ^pölle fahren. 
StäbtchenS berbeigefcbleppt, unb als au$ biefer Stur einem jungen ffäbnricb ging ber SBimfch 
Weber feine Schöße betflf^n noch tatbolifch beS ©eneralS, welcher immer lauter nach einem 
merben moQte, begann bet erfte ©rab ber SEortur. ebangelifchen ©eiftlidjen berlangte, gu bergen, 
Siefe beftanb barin, baß ber tjßrofofj große bä« unb er fanbte Silboten in bie umliegenben Crt« 
nifebe Soggen auf bie Unglüdlichen beßte. 3KS fdjaften, - um einen Saftor gu holen. 9lber nir« 
ein tiefiger £unb Inurreitb bie Saßen auf bie genbs war ein ^ßrebiger gu finben; fie hotten 
Schultern beS StatbSberrn legte unb ihn mit gum Sbeil tbr Seben eingebüßt ober waren ge» 
blutgierigen Hugen anftarrte, begann biefer gu flohen. Stur in flauen befanb fich noch einer 
gittern unb oetfprach fein ©elb bergugeben unb ber IfJaftoren, auf ben $old bie §unbe batte 
feinen ©lauben abguftßwören. Sie beiben $a» beßen laffen. Obgleich noch nicht gang berge« 
ftoren baaegen blieben ftanbbaft bei ihrer 2Bei» ftetlt bon feinen SOBunben, ertlärte er ficb bereit, 
gerung, feibft als bie ftunbe fie anpadten unb mit bem Soten gu geben, 
ebnen bie Äleiber bom Seibe riffen. Sie blu» 9llS er gu bem ©eneral geführt mürbe, lag 
teten fdjon aus bielen SBunben—ba fdjmettcrten biefer im $ieberfä)laf; als ber $aftor aber an 
trompeten bot bem Shore ber Stabt, unb mit fein Säger trat, erwachte et, unb fich aufrichtenb, 
einem wilben ffrtudj mußte ber ©eneral feinen ertannte er ben ©eiftlichen, weldben er batte mar» 
Seuten SBefebt geben, oon ihren Opfern abgu» tern laffen. „SÖift auch bu getommen, um mich 


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188 


Harre, meine Seele. 


bei ©ott ju berflagen?" fdjtie er roilb, „habt ibr 
beim alle fein ©tbarmen mit mir ?" 

Umfonft berficherte ber Saftor, baff er ihm 
herjlid) gern baS gegen ibit begangene Unrecht 
berjeilje. $>olcf hörte auf fein berupigenbeS 3“* 
reben. fÖtit fcpauerlidjen fjflütheit überfcpüttete 
er ben ©eiftlidjen, fein SDafein berroünfd)enb, 
unb als eublich ber ^Liaftor begann laut baS Sa= 
terunfer ju beten, fließ ber ©eneral einen inatf« 
erfchiitternben Schrei aus. 

(Sä mar fein lefftcr. — Heinrich &olcf mar 
tobt unb au ihm erfüllte fi<b ©otteä SBort: 
„Sehe aber ben ©otttofen, bcnn fie finb boäpaf» 
tig, unb eä roitb ihnen bergolten roerben, roie fie 
eö berbienen." (fltachbat.) 


|arre, meine Seele. 


rre, meine ©eele, $arre be* $erm! 
e« i$m befere, bilft er btx§ fo flcm. 

f ie oft hohen mir biefeä Sieb bo<h fcpott ge= 
fungen! roie (ieb hoben mir eä mit feiner 
föftticfjen SDlelobie! Äber eä mirb unä nod) 
lieber merben, roenn mir ben fötann, ber eä ge* 
bidjtet hot, fennen lernen unb aus feiner Sehens« 
gefchichte erfahren, baff eä nicht ein fiinfilicheS 
SBIiimtein auä ber Stubirftube, fonbern bie Frucht 
eines bielgeprüften Sebenä ift. 

©äfar fötal an helfet ber fötann. ©ein 
3Sater, ein ©enfer, mar ein ebrenfejter #err; 
aber er log, roie bie ganje 3eit, in ben Sanben 
einer bürren SerftanbeSreligion, Äucp (Süfar, 
auägeftattet mit ben glänjenben ©eifteägaben, 
hörte bon feinen Änabenjahren bi§ jur ©tunbe, 
roo er auäftubirt hotte, nichts bon bem füfeen, 
»ähren Iteru beS Soangeliumä. ©eine erftcn 
fßrebigten roaren troff ber bortrefflichen 3eugniffe 
in feiner Jafdje boch nur ©preu, ohne nah» 
rungäfräftigen SBeijen. ©otteä SBort erfchien 
ihm, roie er geht, langweilig, läng ft beraltet, 
bis ber ©eift ihm bie Slugen öffnete, uub er an= 
betenb in bie SEiefe ber göttlichen (Srbarmung 
bineinfdjaute. ©r roar bamolä #aupttehter ber 
fünften ftlaffe beS ©bmnaftumS in ©enf. Skiä 
roar auä ber ©tobt ©albinä geworben! 2fn ber 
.ftirche rourbe leeres ©troh gebrofdjen, unb auf 
ben ©affen erfdjofl ber ©ehret: „lieber mit 
3efuä ©hriffuä!" 

3« Oftern 1817 trat fötalan jum erften fötale 
mit feinem ebangelifdpen ©lauben öffentlich auf 
ben Sion. ©r prebigte, roie eä fßauluä getban 
hot, bafe ber fötenfdj gerecht werbe ohne beS ®e« 
feffeS fSBerfe, allein burch ben ©tauben. Daä 
War ein .Qeulenfchfag für bie gefammte rationa« 
liffifche ©eifflichfeit ber ©tabt. ©djon anberen 
XageS rourbe er amtlich aufgeforbert ju roiber» 
rufen, ©eine eigenen ©Item entfernten ft<h 


bon ihm ; felbff feine Utau war bamalä tief be= 
trübt über fein Äuftreten. ©r blieb unerfdjüt« 
terlich- Ohne SBeitereä rourbe ihm bie ftanjel 
unb baä öffentliche fßrebigtamt berboten. fRicfft 
genug, bie ©eiftlidpfeit feßte eä burch, bafe er auch 
bon (einem Schulamte, worin er ganj unbeftrit» 
ten ein feltener föteifter war, abgefefft rourbe. 

©r wohnte um biefe 3«it mit feinen fünf 
Äinberit in einem £aufe, welkes er bon feinem 
33ater getauft hotte, ©in 2heil ber ffauffumme 
mufete unweigerlich befahlt roerben, ba ber Sa= 
ter felbft bringenbe Skcfffelöerbinblidjfeiten ein« 
gegangen roar. Sein ©elb in ber fiaffe, feine 
Äpnnng, woher eä fommen fotlte; nichts als bie 
geroiffe ÄuSfidjt, in wenigen Sagen amt« unb 
brobioä ju fein. „#arre, meine ©eele, harre beS 
£errn!" 

9ia<h einer fitacht boll Ängft unb brünffiger 
©ebete ging fötalan am fötorgen beä Sageä, roo 
ber auägcfteflte Sßecfffel berfnüen roar, in feine 
Älaffe. S®ährenb beä Unterrichtes flehte er ftitle 
ju ©ott, ihm einen Ägäroeg auä ber fJtoth ju jei« 
gen. Sa erfchien an ber Spür beä ©chulfoaleä 
ein Urember, ber ihm rointte. ©ä war ein 
burcpreifenber ©nglänber. , „3<h habe," fagte 
biefer, „bon 3h rer Stoth gehört unb fomme, 3h* 
nen bie ©umme ju bringen, welche ©ie nötbig 
haben!" föiit biefen SBorten brücfte er baä 
©elb in bie &anb beä ©rftaunten unb ging. 

Um in feiner Sßoterftabt baä reine ©otteöroort 
nicht ganj betjhmimen jn laffen, begann föta» 
lan, aufeerhalb ber fötauern eine Äapelle ju 
bauen, freilich ohne ©elb unb ©ut; benn 250 
Uranien, baS ©efdjent eines 3rlänberS, roaren 
fein aanjeS Äapital. 5lm 19. fötärj 1820 rourbe 
baS Uunbament auägeroorfen. 

Unter ben Arbeitern roar ein U«in>iDiger, 
Uelij fitäff mit fltamen, welcher burch fötalan 
jum lebenbigen ©lauben geführt, bamalä als 
©olbat in ber ©enfer Ueftungägarnifon ftanb. 
©r hotte fidj aus Sanfbarteit erboten, in ben 
ben Sagen unb ©tunben, roo er feinen Sienfl 
hatte, an ber ÄapeDe ju arbeiten. Sei ben er» 
ffen ©patenftiehen, bie er that, fanb et eine 
ßupfermünje, baranf ein ©äemann mit ber la« 
teinifdpen ^nfcferift: Ejaotura lucrum, auä 
bem Serlufte ©eroinn! fötalan, bie fötünje fe* 
henb, fagte: „®ie mit Slhtänen fäen, roerben 
mit Uteuben ernten!" fJtoch an bemfelben Sage 
erhielt er bon Srübern auä SBiirttemberg burch 
bie Soff 30 Souiäbor mit ben SBorten : „©ine 
©eihülfe jum Sau ber fötauern 3 eru folemä." 
S)aä roar aber für lange 3<it auch ÄUeä, roaä er 
für ben Sau empfing. 

Älä berfelbe halb fertig roar, muffte fötalan 
bem Saumeiffer eine beffimmte ©umme jafflen. 
6r hotte ff<h on jroei reiche Ureunbe geroenbet, 
bon benen er mit Sicherheit £>ülfe erwartete. 
Äm fötorgen brachte ein Sriefträger btei ©cffrei. 


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Darre, meine Seele. 


189 


ben. ©lit ©ajt öffnete ©talan bie beiben, auf 
roelchen er bie ©anbfdjrift ber ermähnten greunbe 
erfannte. Sie enthielten feinen fetter, nur ben 
auteit ©atfj, öon feinem Vornehmen abjuftehen. 
gr gab fie feiner grau unb faßte: „Der, melcher 
nicht roiU, baß mir fjleifch für unferen ©rm hot» 
ten, mirb roohi ju Reifen roijfen!" „2öaS mirb 
beim," faßte bie grau, „ber britte ©rief erljal« 
ten ?" ©ialan öffnete ihn. gin Sßedjfel bon 
2500 fronten fiel ihm entßeßen, bon roarmen 
äöorten ber grinutljigung begleitet; ein ganz 
Unbefannter hatte ihn ßefanbt. ©alb barauf 
fain, gleidjfadS bon unbefannter ©anb, ein ©rief 
aus Süö=3canfreich mit 50 SouiSbot unb ben 
UBorten: „gS fieht gefchrieben: Dehne beine 
Seile lanß! ©ber es fteht auch gefchrieben : 
Stecfe beine ©ägel feft! (3ef. 54, 2.) „SBenn 
©des bricht, ©ott oerlaßt uns nicht!" 

©odj oft hat ©lalan auch nach ©odenbung ber 
Aapede bieS erfahren. (Sin fchroereS fieiben be» 
brücfte ihn. Sein ftebeniähriger Sohn Sfocelpn 
mürbe, maljrfcheinlich in tfoige eines gefährlichen 
Sturms, bon bem heftißften ©eroenleiben befal- 
len, roelcheS fi<h bis ju furchtbaren Ariimpfen 
fteißerte. Die frönen, geiftooden 3üge beS 
Anaben boten einen ^ammerblicf, menn bie 
Äranfheit ihn fchüttelte. Der ©ater, feft im 
©tauben, hoffte juoerfichtlich, bur<h anijaitenbeS, 
inbrünftißeS ©ebet ©enefunß für baS ßeliebte 
Ainb bon ©ott ju erfämpfen. ©dein baS Sei« 
ben flieg nur höher, ©talan mar mie $er« 
fcpmettert. Das ©Juffer ßinß ihm bis an bie 
öeele. 

„gr roufete noch nicht," faßt fein Sohn, ber 
bie ßebenSgefdjichte beS ©aterS ßefchrieben hat, 
„baß biefe 3»ahre beftimmt maren, nicht um ihn 
einen neuen Triumph feiner ©laubenSgemißheit 
burch bie ©eilung beS ßieblingS erleben ju 
laffen, fonbern um ihn in bie lange, fchmerjenS« 
reiche Schule fchmeigenber, finblicher Demütf)i= 
flunfl unter ©otteS geroaltige ©anb ju nehmen." 
©lalanS ©usfehen mürbe mie baS eines ge« 
fnicften ©obres. „Starre, meine Seele, hm« 
beS ©errn!" 

gnblich fain bie grbörung, anberS jroar, als 
er gebacht halte, aber fetiger, rounberbarer. 2fe 
herjjerreißenber bie ©otlj beS AinbeS mürbe, um 
fo ^errliciher offenbarte (ich in feiner jungen 
Seele ber ©bglunj ber groigteit, bie geljetmniß« 
»olle ©tadjt friebeoollen, freubigen ©laubenS. 
Die brei Sterne feiner ©acht maren bie immer 
öoit ihm roieberholten brei Sprüche: roiU 

bidj auSerroählt machen im Ofen beS glenbs!" 
„©Jierool)! er ©otteS Sohn mar, hat er an bem, 
baS er litt, ©efjorfam gelernt." „2Bir müjfen 
burch Diele Trübfale in’S ©eid) ©otteS ein« 
gehen !" ©eun 3aljre touchS baS ßeiben; neun 
3abre rou<h§ auch bie ©ottinnigfeit beS Anaben. 
„Sie gut ift ©ott!" faßte er einft ju feiner I 


©lütter, „ich fühle ihn ganz nahe, unb ich meine, 
ich fönne mit ihm reben, mie mit bir!" S3on 
feinen namenlofen ßeiben fprach er nur, um 
©ott ju banfen, melcher ihn baburdh an fein 
©nterherj gezogen habe. „©<h," faßte er, „meine 
©rüber unb Scijmeftern finb noch mitten in ber 
Seit unb ihren eitlen ©erfudjnngen, unb ich 
bin bem allen burch bie Araft meines ©eiianbes 
fchon entriffen. O, icfi bin meit glüdlicher, als 
fie ©de!" — ©m 26. Januar 1846 mürbe ber 
Anabe bon feinem Schmerzenslager in bie felige 
gmigfeit felbft geführt. 

©uht lange barnach begann bei bem fräftigeit 
©lalan jenes fchmere ßeiben, meines, mie baS 
feines Sohnes, 3fah« lang hi«bur<h machfenb, 
ihn mit folchen Schmerjen folterte, baß er mit« 
unter ju ben Seinen faßte: „@ebt hinaus, meine 
Sieben, ber ©nblicf biefer ©oth ift nicht für 
euch!" „©iS ich jung unb ftart mar," äußerte 
er ein anbereS fötal, „mar ich in ber mächtigen 
©anb ©otteS ein eiferner ©ammer, um bie 
Aiefel ju jerfchlagen. 3feßt hat er mich auf ben 
©mboß gelegt, mich felbft ju fchmieben!" geuer 
thut mep; aber „größer als bet ©elfer ift bie 
©oth ja nicht." 

©talanS hoffenber ©laube ftrahlte in folcher 
Sicbtbarteit, bah ber ©rjt eines Tages ju feinem 
Sopne faßte: „So eben habe ich gefehen, mobon 
ich oft teben hörte, maS ich aber noch niemals 
mit ©ugen geflaut hatte. Sefct habe ich cS 
fo gefehen, mie ich biefen Stocf felje, ben ich in 
meiner ©anb halte!" „Unb maS ift baS?" fragte 
ber Sohn. „3<h habe," mar bie ©ntmort, „ben 
©lauben gefehen, ben ©tauben nicht eines Theo¬ 
logen, fonbern eines ©hriften. ©tit ©ugen habe 
ich ihn geflaut!" 

©bgejehrt, unbemeglich lag ©talan in ber 
lebten 3 f 't auf feinem ©ette; aber in feinet 
Seele mohnte ber ©immel. „gr ift eine ©eali- 
tät, eine ©ealität!" faßte er. ©alb barauf mie« 
berholte er ^meimal nacheinanber: „©ein, nein, 
cS giebt ferne Solfen an meinem ©immel." 
©m- 8. ©tai 1864 ging es jitm Sterben; TobeS* 
färbe lag auf feinen 3ügen. ©lößlich leuchtete 
aus feinem ©ntlifc ein Strahl innerer ffreube. 
Der pflegenbe Diener brach baS feierliche Schmei« 
gen unb rief: „0 feljt, feht, roelche Schönheit, 
roeldje ©errlichteit!" gine ber Töchter antmor» 
tete: „5n biefem©ugenblicf ift bie Seele unfereS 
SaterS in baS©nfchmien ber himmlif^cn ©lorie 
eingegangen!" 

gmige Treue, ©etter in ©oth, tetf auch meine 
Seele, bu treuer ©ott! 



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190 


3L jiilforb Hall unb fein Perlt. 


*. Pilfor* JEjrtH uni feto JBtrb. 

Siir ©au* nub ©erb bim 3. 8. ftagltr. 



f er ift 91. 2öitforb ©ad? SerhältniBmäfng 
nur wenige ber Sefer non ©aug unb ©erb 
mögen biefen Wanten aucf) nur gehört 
haben, gefdjmeige etmag Wähereg nou biefent 
merfwürbigen Wtaitrte, bcr ihn trägt, miffen; 
beim biefer Warne wirb erft feit einigen Monaten 
in weiteren Streifen befannt, unb grnar borläufig 
noch nur in ben Grei¬ 
fen eitglifcher 3uitge. 

2Bir gmcifeln aber 
nic^t barait, bafe, 
tnenn biefeg 3apr= 
hunbert fein Gilbe 
erreicht bat, 9t. 2öil* 
forb ©all mit gu 
ben gewaltigften unb 
einflufereid)ften ©ei* 
ftern beffelben ge* 
gäl)lt werben wirb. 

3a, manche fitib fo 
fanguiuifcb, ihn ab 
ben ©tern erfter 
©röße in bemfelben 
gu begegnen. Ob [ich 
biefem fo berau^ftelli, 
barüber taffen wir 
bie 3utunft ent* 
fibeiben. 

Unb worauf grün* 
bet man biefe 9ttt= 
fiebt? ©auptfäd)licf) 
auf ein mertwürbi* 
geg s 3ucb, bag 91. 

SBilforb ©aÜ nor 
einigen Monaten 
fcbrie’b. Diejeg ©mb 
trägt ben SEitel: 

The Problem of 
Human Lite, Here 
and Hereafter. 
ift ein miffenfebaft* 
liehe»,philofophifbeg 
unb apologetifcbeS 
9öert, in weichem ber 
9lutor bie berfd)iebe= 
neu materiatiftifeben ©pfteme ber bebeutenbften 
miffenfchaftlicbeit ©roßen unferer $c\i mit ge* 
Wattigen ©ammerfeblägen zermalmt. 

Gine ©figge beg Gebens biefeg großen Wtanneg 
mag ben Sefern üon ©aug unb ©erb nicht ohne 
3fntereffe fein; benn wer hört ober tieft nicht 
gern don bem Sebeng* unb Gittmicflungggang 
einer bebeutenben 5perfönlicbfeit. — ^otgenbe 
Sebengffigge haben wir aug engtifchen Duellen 
bearbeitet. 




1. %. Jöiiforb TjaUs £eben. 

9t. SBitforb©aU würbe geboren ben 18. 9(ug. 
1819 im iownfbip 93atb, ©teuben Gountp, im 
©taate Wem=?)orf. ©eine Gttern waren febr 
arm, unb ber 35ater ernährte feine fünf fittnber 
bureb ben Grtrag feiner Jagelöhnerarbeit auf 
ben farmen anberer 
ßeute. Oie gange 
©egenb war bamalg 
noch wilb unb nur 
fpärlid) bewohnt. 
Oie fleißige Wiutter 
fpanti unb wob fetbft 
bag 3^ag für bie 
fileiber ihrer Sin* 
ber. Oafe eg ba, mag 
Währung unb filei* 
bung anbelangt, 
fpärlicb genug in ber 
Samilie herging, ift 
leid)t eingufeben. — 
©obalb ber Heine 
9Biiforb ciitigerma* 
Ben h^angewadbfen 
mar, mußte er bie 
Samilie burch 9lrbei* 
ten auf ben Sannen 
ber Wachbarn mit 
berforgett helfen. 9tn 
Schulunterricht unb 
Wugbilbuttg beg ©ei* 
fteg war unter fol* 
eben 9?erbältniffen 
nati'trlid; nicht gu 
beuten; benn eg mar 
feine ©cbule in ber 
Wabe unb fehlten 
and) bie Wtittel, um 
©cbulbüdjer gu tau* 
fen. 

Um biefe 3eit tarn 
feiner Whitter 93ru= 
ber, 9tbner ©atlja* 
map, auf 93efucb gu 
ihnen, um ben 2öinter über mit 3agb gugu* 
bringen. Gr brachte ein neueg ©ernebr mit, 
unb an ©irfeben unb anberem ffiMlb fehlte eg in 
ben bitten Urwäibern jener ©egenb auch nicht. 
Unb ba 9tbner ein auggegeiebneter ©<büße war, 
fo hatte bie ©all Samilie jenen SBMitter mehr 
Sleifcb gu effen alg gewöhnlich. S?ein SOßunber, 
bafe bie $inber gu ihrem Dnfet, ber ihnen Wian* 
heg aug ber großen weiten SSelt ergäblte, auf* 
blidten alg gu bem größten Wtanne, bon bem fie 





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%. Pilforb $aU unb fein |8rrk. 


191 


ie gehört Ratten.— Oer Ontel gewann ein reges 
Snterefie für ben munteren, aufqeroecften, brei= 
geljnjäbrigen Änaben unb bat bie Gütern, ben» 
[eiben mit ibm geben gu laffen. ©r oerfprach 
ibm eine Slnftellung als ißferbetreiber am ©rie 
Äanal gu Derfchaffen. Oafj ber Heine ©ilforb 
»itiig mar, braucht nicht gejagt gu werben; hotte 
er Dorf) nun 9luSfi<ht, bie weite, weite ©eit gu 
feheil, oon welcher ihm ber Onfel fo Sieles er» 
gählt hotte. Oie ©inwiHigunq ber Gütern mürbe 
nach einigem 3ögern erlangt, unb bann ging’S 
nach ©eneoa im Staate 3tem»$orf. 3 um ©Hidt 
beburfte eS nicht Diel Schulweisheit, um ein 
tüchtiger ffanalboottreiber gu werben. 

ffünf Sommer lang war ©ilforb, ben man 
Damals gewöhnlich ©edf nannte, mit ißferbe» 
treiben befchäftigt. Slber ber Sohn War Hein, 
unb an ©elegenheiten, baS wenige ©elb loS gu 
werben, fehlte eS auch nicht, unb.fo fam eS, baß 
©ilforb nichts erübrigte; unb in feinem acht» 
ehnten Sabre ftanb er fo arm unb mittellos bei 
einem Sferbgefpann, als fünf Soh« guDor. 
Um biefe 3eit traf eS fich, bafi er in einer f<hö= 
nen moiibhellen stacht, auf bem Serbed eines 
ÄanalbooteS, mit einem Srebiger ber ©piScopal» 
lirche in SRocbefter, eine ernfte Unterrebung hotte 
über bie ernfteu [fragen feiner 3«tunft. Oer 
gute SJtann fagte bem Jüngling, b rt jj p a § 3; re i s 
ben ber tpferbe am Äanal nicht feine Seftim» 
mung fei, er foHe fich eine anbere Sefdjäftigung 
fuchen. Oer ©ntfdjluh war fchneü gefaßt, ©il» 
forb gab fogleicb feine Sefchaftigung auf, um 
einen anberen SebenSberuf gu fliehen. 

SJtit feinem ganjen ©rfparniß, fieben Dollar, 
in ber Oafche eilte er gu ffuh über Sanb feiner 
fteimath gu, atlwo bie s JJtatter ben ©anberer 
mit offenen Sirmen empfing. Stur für turge 
3eit oerweilte er in ber Sloctfjütte feiner ©Item, 
unb bann war ber ©ntfchluß gefaßt, nach bem 
fernen ©eften gu gehen, um bort fein ©liicf gu 
fuchen. SJtit einem jüngeren Sruber machte er 
fich i« ffuß auf ben ©eg, um nach Ohio i u 
gehen. Ohio würbe bamals noch gum fernen 
©eften gerechnet. Oie gmei manberten Sag 
nach iag bis baS wenige ©elb, bas fie hotten, 
auSgegehen mar, bann hielten fie an unb arbei» 
teten für einen Sncffieinbremter, bis fie mieber 
©elb genug hotten, um bie Steife fortgufefeen. 

SllS fich bie beiben Jünglinge im weftlichen 
Sheile beS Staates befanben, trug fich eine $lei= 
nigteit gu, welche aber hoch für SBilforb oon 
großer Sebeutung werben follte. OiefeS ©reig» 
nife mar nichts mehr unb nichts weniger, als baß 
er feinen fjfuh an einen Stein ftieh unb fein 
Sein baburch fo üerlejjte, baß er nicht weiter 
gehen tonnte, SJtit ber ©ülfe feines SruberS 
erregte er bie näehfte ©ohnung, ein SlodhauS 
im ©albe, unb bat, baß man ihn unb feinen 
Sruber über Stacht behalten möchte, ben £>auS» 


tjerrn Derfiehernb, bah fie ©elb genug hätten, 
um für ihr SogiS gu begahlen. Oie ©anberer 
fanben unter biefen Umftänben Aufnahme, ob» 
wohl ber Hausherr fie SlnfangS mit bebenflichet 
SJtiene angefchaut hatte. 

OiefeS Heine fDcißgefchicf follte ber ©enbe» 
punft in ©ilforb’S Sehen werben. Oer Se» 
mohner unb ©igenthümer beS Kaufes gab oor, 
ein ißrebiger Des ©bangeliumS unb gur gelben 
3eit Slrgt unb Schullehrer gu fein. $n ber 
Slbenbunterrebung Würbe er betanut mit ber ©e= 
fchidjte ber jungen SJtäntter, gewann eine befoit» 
bere Steigung gu bem lahmen ©ilforb, unb ba 
biefer am anberen SJtorgen noch nicht gehen 
tonnte, fteUte ihm ber Hausherr ben Antrag, 
bafe ft» mährenb ber Sruber alleine weiter reifte, 
bei ibm bleiben unb in bie Schule gehen foüte, 
für iroft unb SogiS tönne er bie itühe füttern 
unb melten unb ffeuerholg fjouen. ©ilforb 
nahm ben Slntrag an. Sein Sruber nahm 9lb» 
fdjieb Don ihm unb ging weiter. 

3um erften SJtole in feinem Sehen, obfdjcm 
bereits ad)tgchn 3ahre alt, ging nun ©ilforb 
in bie Schule, unb wenn eS je einen fleifsigen 
Schüler gab, fo war er eS. SJtit ganger Seele 
warf er fich in feine Stubien. Son jeber Stunbe 
Seit mürbe ber hefte ©ebrauch gemacht, ©r 
machte foldje gortfchritte im Semen, baß man 
ihm nach anbertljalb fahren rieth, bie ff orming» 
ton Slcabemp, welche bloS einige SJteilen entfernt 
mar, gu befuchen. ©r rechnete ab mit feinem 
ffreunb unb ©ohlthäter, bem Schullehrer, unb 
mit folgen Kleibern, wie er fie eben unter Um» 
ftänben betommen tonnte, aber ohne ©elb in 
ber Oafcbe, machte er fich ouf ben ©eg gur Slca» 
bemp. SJtan nahm ben jungen SJiann, bem bie 
Sache feiner geiftlidjen Sluebilbung fo ernft War, 
gerne auf. Unb nun ging’S auf’s Sieue an’S 
Stubiren. ffüt feinen SebenSunterljalt unb 
©elb für Sücher fpaltete er ffeuerftolg bei einem 
ff armer in ber Stachbarfchaft, unb um bie baburch 
Derlorne 3f't nachguljolen unb mit ber illaffe 
Schritt gu holten, muhte bie Stacht herhalten. 

So trieb er eS fedpS SJtonate lang, uno am 
©nbe biefeS 3eitraumS empfing er Dom Ißräfi*, 
benten ber Slnftalt ein ©ertifitat, woburch feine 
Oualifitation als Sehrer einer Oorffchule Dor» 
guftehen begeugt würbe. OiefeS Ootument hotte 
großes ©emicht bei ben angeftellten ©jatnina« 
toren, welche ihm behhalb in ber Prüfung Der» 
hältnihmäßig nur fehr wenig ffragen Dorlegten. 
ÖiefeS war fehr gu feinen ©nnften, benn Stie» 
manb als er fannte bie Sücfenhaftigfeit feiner 
Schulteniitniffe. Salb finben wir ihn als Seh= 
rer einer schule Don fünfgig Schülern. SJtanche 
biefer Schüler waren junge SJtiinner, welche nach 
feiner Slnfidjt beffer qualifigirt gemefen mären, 
ber Schule oorguftehen, als er felbft. Slber burch 
unermübliche, nächtliche Arbeit gelang es ihm. 



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192 


JL tUilforb Dali unb fern IHerk. 


feinen ©Mülern im ©tubium immer einige 
©dritte boran gu bleiben. 

Ter Hennin lief gut ab, unb bie TrufteeS 
gaben ifjm ein TanteSfcpreiben jum abfcpieb. 
3m ©oinmer ©dfüler, im SBinter fieljrer — fo 
ging es einige 3a|« lang, ©päter befchäftigte 
er ftd) Diel mit ben Stagen beS gufünftigen Se» 
benS, unb ein grünblicfjeS ©tubium ber heiligen 
©chrift war bie Soige baoon. Tann wanbte 
er fich bem 5ßrebigtamte gu, unb gehn 3af)te lang 
reifte unb prebigte er als ©bangelift, wo immer 
er ©elegenfjeit 'fanb Berfammlungen gu halten. 

«uf 'Begehren hielt er manche öffentliche TiS* 
cuffionen mit hetborragenben ißrebigern beS 
UnioerfaliSmuS. TaS ©rgebniß biefer TiScuf* 
fionen War ein Buch unter beni Titel: Univer¬ 
sal ism against Itself (UnioerfaliSmuS gegen 
fuß felbft). Tiefes SBerf fanb eine fold) günftige 
Aufnahme, baß in gwei bis brei Saßren biergcg 
Taufenb berfauft würben, ©päter würbe baS 
2Berf berlegt bom Bteth. Boofconcern in ©in* 
cinnati, unb wieberum taufenbe bon ©remplaren 
berfauft. ©eit gwangig 3ah«n war e§ außer 
Trud. ©egeuroärtig arbeitet ber autor an 
einer neuen iluSgabe biefeS SBetfeS. 

Bad) ber Verausgabe biefeS Buches gegen ben 
UuiberfaliSmuS gog fich SBilforb VaQ wegen 
©efunbhfitSrüdfichten boin öffentlichen Seben 
gurücf, unb brachte ben größten Th«il ber leßten 
breißig 3ahre im fernen BJeften in ber Büße 
beS Seifengebirges gu. Sange hörte man nichts 
bon ihm, bis er bor einigen 3aßren mit feinem 
Buche: The Problem of Human Life, Here 
and Hereafter, mieber an bie Oeffentlichfeit 
trat. Bad) 3ah«äfrift erfd^ien bas 2Berf in 
jweiter bergrößerter 3luSgabe, unb oon biefer 
gweiten SluSgabe würben in bem furgen 3f't* 
raume bon gmeiSaßren gweiunbbreißig Taufenb 
©jemplare getauft, ©iner foldjen Berbreitung 
in fo furger 3«it tarnt wohl fein anbereS miffen* 
fdjaftlicßeS 9Berf bon fich rühmen. 

Tie in biefem SBerfe enthaltenen anficßten 
riefen bereits eine folcße TiScuffion ßerbor in 
Seitfcßrifteu unb wiffenfchaftlichen Greifen, baß 
ftcb ber autor bewogen fühlte, ebenfalls eine 
^eitfcßrift herauSgugeben, in weiter feine au* 
fuhten oertheibigt unb bie angriffe ber ©egner, 
an welchen es natürlich auch nicht fehlt, erwibert 
Werben. Tiefe 3eitfct)rift trägt ben Titel: 
“ Wilford’s Microcosm : A Religio-scientific 
Monthly devotod to the Discoveries, Theo¬ 
ries, and Investigations of Modern Science, 
in theirbearing lipon theReligiousThought 
of the Age; With other matters of general 
interest.” Tiefe 3 e 'tfch r >ft erfcheintjnonatlich 
in Bamphletform oon 32 Cdab * ©eiten bie 
Bummer, unb foflet ein Totlar baS 3aßf- ©e= 
genwärtig (1883) ift ber ©bitor in einer ©ontro* 
berfe übet bie Beroton’fche ©rabitationSlehre be= 


griffen, welche et meifterhaft führt unb in mel* 
(|er er mit füßnen Schlägen BtandßeS gertrüm* 
mert, baS feit mehr beim ßunbert 3ahtf>* Bie* 
manb in 3weifel gegogett hat. Tiefe 3eitfdjrift 
hat im gweiten Saß« ihres BefteßenS bereits 
eine ©irculation bon gwölf taufenb Bummern, 
unb gewinnt immer mehr Sreunbe. 2öir fömten 
fie beftenS empfehlen, wenn auch nicht alles, was 
barinnen erfeßeint. Tie beften artifel fließen 
aus ber Sfber beS ©bitorS. 

TaS Sebanon Baflep ©oHegium berlieh £>errn 
SBilforb Vaß in anbetracht feiner bebeutenben 
wiffenfchaftlichen Seiftungen ben ©hrentitel Pb. 
D., Todor ber Bhilofoßhie. 

©egenwärfig wohnt unb fchreiht er in Bern* 
?)otf. abreffe: Be. 23 Barf Born, B. ?). 

2. H. üilforb $aU's $rrh. 

Tiefes Sßert liegt bor uns auf bem Stifte, 
unb gwar in ber gwangigften rebibirten auSgabe. 
TaS gange Titelblatt lautet: The Problem ot 
Human Life: Embracing (ho “Evolution 
of Sound ” and “Evolution evolved,” with 
a Review of the six great modern Scientists, 
Darwin, Huxley, Tyndnll. Hacckel, Helm¬ 
holz, and Mayer, by A. Wilford Hall. T>aS 
Sormat beS BJerfeS ift Cctab, 524 ©eiten jlarf. 
BJenn bon einem wiffenfchaftlichen Bferfe biefer 
©röße in einem Safran me bon ungefähr brei 
3ahren über neuniutbbreißig taufenb ©jemplare 
oertauft werben, fo muß biefeS feine wolflbe* 
grünbete Urfacße haben. 

TaS Grfte, baS bem fiefer auffällt, fobalb er 
biefeS Buch öffnet, finb auf einer ©eite bem 
Titelblatt gegenüber bie fechS Bilber bon T) a r= 
min, Tpaball, V l *rl e h» V e lwholg, 
Väctel unb Btaper (.nicht ber oerftorbene 
Bobert BJapet, fonbern ein bebeutenber Bhhf'ter 
in amerita). Tiefes finb bie Biefen auf mif* 
fenfchaftlidbem ©ebiete, benen BMlforb wie ein 
moberner Taoib mit feiner ©cpleuber entgegen* 
tritt unb ihnen ben Ärieg ertlärt, unb gwar auf 
folche nachbrüdlidje SBeife, baß eSnurGrftaunen 
erregen fann. @0 gefchicft gebraucht biefer mo= 
berne Tabib feine ©djletiber, mit folcher Btä* 
cifion entfenbet er feine ©teine, nub fo gewaltig 
finb bie ©djmerthiebe, unb gtoar meiftenS mit 
ben feinen ©egnern entwunbeneu SBaffen, baß 
man leßtere oft bebauern möchte, fo wenig man 
auch mit ihren anfichten ipmpathifirt. 

B5ilforb ift unbarmhergig in feinen angriffen, 
tollfühn in feinem Unternehmen. @r bebt bor 
nichts gurücf. 2Biffenf<haftIi<he Theorien, an bie 
bie SEßelt feit fünfunbgwangig 3ahrhunberten 
geglaubt, bie in allen ©cbulen gelehrt würben, 
legt er auf benamboS feiner Uutcrfudjung, ger* 
triimmert fie mit bem Vatnmet feiner fiogif, 
gertrümmert bann bie Brocten, löfl ben ©taub in 


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%. iSUforb $aU unb fein ütth. 


193 


Dunft auf, welker bot ben ©lugen beS erftaunten 
SeferS oerfdjroitibet. 

Das ©Bert jerfäöt eigentlich in brei Steile 
obroobl ber ©erfaffer es nicht fo eingetfjeilt bat, 
onbern nach fortlaufenben Kapiteln), ober man 
tonnte auch fügen, eS feien brei ©üc|er in eines 
gebunben. Der erfte 5Ef)eil (S. 1—72) ift ein* 
Ititenb, uitb banbeit non bem gegenroärtigen 
Stanb ber roifienfchaftlicben fjorfcbungeu, befon* 
berS in ihren iBejiebimflen pr chriftlichen 9te» 
ligion; ber jroeite (S. 73—350) banbelt 
oon ber allgemein angenommenen ©Bedentbeorie 
beS Schulte 3 ober oon ber ©tbfurbität biefer 
ibforit; ber britte Db*ü (S. 351—524) ban* 
beit oon Rädels Urjeugung unb DarromS Des* 
cenbenjtbeorie u. bergl. 

Das eigentliche 3<el< baS ficb ber ©lutor ge* 
ftecft bat, ift, mie er im ©orroort felbfi fagt, p 
jeigen, baß baS ©ei ft liebe, Unroägbare unb Un* 
jtcbtbare gerabe fo roefenbaft ober fubftantied 
ift, als baS ©Sagbare unb Sichtbare, hierauf 
grünbet er fein großes Argument für bie ftort* 
bauet ober Unfterblicbteit ber Seele. Seine 
Kritif ber ©Bellentbeorie beS Schalles ift bloS 
beSbalb bem ©Berte mit einoerleibt, um p jeigen, 
mie es eigentlich mit manchen ber SRefultate ber 
fogenannten ejatten ©Biffenfchaften befteHt ift; 
unb nur bejtfjalb bat ber ©erraffet bie ©Beden* 
tbeorie beS &<hadeS, anftatt bie beS Sietes, ber 
£iße u. f. ro. ber Kritif unterjogen, weil fie nie 
ernftlicb in 3 ,Be 't e l geigen mürbe unb im ©Id* 

E meinen als bie unumftößlidjfte ber rniffen» 
aftlicben Theorien betrautet mirb. Diefe 
©Bellentbeorie beS Scbades (unb inbirett auch 
bie beS Siebtes, ber pipe u. f. ro.) mirb mehr als 
jertrümmert, unb haben auch fdton bebeutenbe 
Brofefjoren ber ©bbfil in ©Imerifa, in einigen 
prallen ganje 3?atuftaten, mie berichtet mirb, feit 
(sricheinen biefeS ©BerteS bie alte ibeorie faden 
taffen, unb bie neue angenommen, melche bann 
babin lautet, baß ber Schad, ähnlich mie ber 
@eru<b, etroaS SubftantiedeS ift, unb nicht bloS 
bie ©emegung einer geroiffen Subftanj. 

Der ungleich roertboodfte SLbett beS ©BerteS 
iß unfereS ©rachtenS ber ießte, in roelchem ber 
Serfaffer bie UrjeugungStbeorie Rädels unb bie 
DeScenbenjtbeorie DarminS unter baS Secir» 
ineifer feiner Sogif bringt, ©luf eigentbümliche 
©Beife gebt er proege. ©emöbnlicb läßt et feine 
Segnet (Datroin, £>ujlet) unb £>äde() felbft 
reben, in ihren eigenen ©Borten ihre Dbeorien 
formuliren; bann behauptet ©Bilforb baS birette 
Segentbeil unb ruft feine 3 ei| gen, um ©ebaup« 
tuiig p flöhen, unb biefe 3eugeit finb — roun* 
berbar genug — eben roieber biefelben ©egner. — 
Damit bemeift er aud) (maS febon ©brarb Oor 
fahren behauptet bat), baß Datroin (unb ©on* 
forten) ber roiberfprudjsooüfle Schreiber ber 
neueren 3*>t ift* unb baß bie DeScenbenjtbeorie, 


maS inneren ©Biberfpruch unb ©Ibfurbität anbe» 
langt, eine ©odlommenbeit erreicht bat, bie im 
anjen Domän beffen, roaS ber menfcbliche ©eift 
eroorgebrad)t bat, ihres ©leichen flicht. 

©Bir freuen uns, baß auch enblicb einmal in 
englifcher Sprache eine geroaltige ©ombe gegen 
biefe Sfeftung beS mobernen Un* unb ©Iberglau* 
benS (benn bie Darroin’fche DeScenbenjtbeorie 
ift nichts ©InbeteS) abgefeuert morbeit ift, unb 
biefeS foroeit mit auSgejeicbnetem ©rfolge. 3n 
beutfdber Sprache ift biefeS fchon früher unb 
öfter gefcheßen. ©Bir erinnern bloS an bie 
©Berte oon ©brarb, ©Bigatib, ©faff, £)uber unb 
anberer. 

Unb bod) merben Staufenbe unb aber SEaufenbe 
an biefer Sbforie, an biefem ©lauben feft bal* 
ten; unb roarum? $rof. gr. ©faff bat biefe 
tfrage üor noch nicht langer 3eit am Schluffe 
eines ©ortrageS (Die SEbeorie DarminS unb bie 
Dbatfachen ber ©eologie) treffenb beantroortet. 
©tachbem ber ©rofeffor nachgeroiefen batte, mel* 
eher ©Biberfpruch jroifeben biefer SEbcorie unb 
ben ©rgebniffen ber fforfebungen ejriftirt, fährt 
er fort: „Darroin batte am ©ube feines SucbeS 
gefügt: 'Daher nehme ich an, baß mahrfcheim 
lieb ade organifchen ©Befen, bie je auf biefer 
©rbe gelebt haben, oon irgenb einer Urform ab* 
flammen, roeldjer baS Sehen perft oom Schöpfer 
eingebaucht roorben ift/ unb hotte feine Splbe 
baoon gefprochen, baß auch ber ©tenfd) in bie 
9teibe biefer ©Befen geböte. Diefe beibeu ©unfte 
adein beburften in ben ©lugen ber grennbe ber 
SEbeoti* einer ©erbefferung. ©Benn fie nicht 
ben ScböpfungSaft ooUfommen befeitige, fo helfe 
fie nichts, meinte ©ronn, unb fie flehe unb fade 
mit ihrer ©Inmenbung auf ben ©Jtenfcben, fie 
habe leinen ©Bertb ohne biefelbe, fo äußerte ficb 
£>ädel. Kann man offener eingefteben, baß es 
einem in biefer ffrage nicht um bie ©Bahrheit p 
thun fei? ©Ber einen ©taßftab anlegt, mie 
^Ȋdel, barnach eine Dljeorte beurtheilt, ob fie 
für feine pbilofophifche ©Beltanf^auung oer* 
menbbar fei, ober nicht, ber jeigt eben bäburch, 
baß ihm nitbt mehr bie ©.'ahrbeit baS £)ö<bfte 
fei. ©IIS eine SBnftration bap mag bie DI)at* 
fache bienen, baß biefelben ©Jänner, melcjbe oor 
bem ©rfcheinen beS ©ucheS oon Darroin bie ein* 
beitliche ©Ibftammung ber oerfchiebenen ©ten* 
fchenracen leugneten, fofort bie ©inbeit ber ©Ib» 
ftammung aller ©Befen bon einem Urmefen 
annabmen, nicht meil biefelbe als roaljr nachge* 
miefen mürbe, fonbern meil biefe ^)t)pothe|e noch 
beffer in bie materialiftifche ©Infcbauung paßte, 
in noch fchneibenbereni ©egenfaß pr diriftlidjen 
©Beltanfchauung fleht. Das ift ber roahve©runb 
ber ©InjiehungStraft ber Darmin’fcben Theorie, 
unb Sie merben, roenn Sie baS im ©luge beljal* 
ten, fich nid)t mehr rounbern, baß biefelbe auch 
fernerhin als ein träftiger Srrtbum, ber ©iele 


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194 


Pilber aus btt foangelifdjm Pemegung. 


Derfühd, erweifen Wirb." — 2Bem eS aber nicht 
um eine materialiftifdhe ©kltanfdhauung, nicpt 
borum gu tbun ift, ©ott aus ber ©cf)öpfung unb 
aus bem ©emiffen gu Derbannen, fonbern allein 
um bie Ußaljrbeit, ber wirb in 91. Sßilforb ©all 
einen fixeren unb gemanbten Süljrer finben. 
hierin liegt bie ©ebeutung biefes merfmürbigen 
©tanneS. 


PUder au 0 der etum$eltrd)e» 3t- 

tOf0U!10. 

g«r ©auf nnb ©ert tu« ®. SBetß in ©erlitt. 


P enn man im 9luSlaitb Don einer 
ebangelifdhen ©emegunfj in 
in Deutfchlanb fprid^t, fo [teilt 
man fidf) barunter große Er« 
mecfungen Dor, in meinen gange 
©cfjoaren gur ©uße unb gum 
©tauben an ben ©errn l^efum fommen. Es 
wäre ja Unrecht, wenn man in 9lbrebe [teilen 
Wollte, baß baS überhaupt nicht gefchiefjt. 9tber 
borerft gebt eg noch nicht fo tief. DaS religiöfe 
Seben bewegt [ich, äbnticb wie in ber fatho(if<h?n 
Sirdhe in ihren befferen 3«iten, Dorerft noch mehr 
in 9«erten ber 9Bohlthätigfeit unb bie Segriffe, 
baß man fchon in ber heil. iaufe ein wieber« 
geborener Eh*ift wirb unb nur auf biefe wieber 
gurücfgeben barf, baß jeber ©etaufte als ein 
©brift nngufefjen ift, wenn er nicht burdj feinen 
SBaitbel beweift, baß er abgefallen ift. Daß man 
in ber ©eichte 9Ibfolution nnb im heiligen 91benb= 
mahl ©ergebung ber ©ünben immer wieber 
empfängt, (offen ben ©ebanfen an bie 9toth= 
Wenbigteit burchgreifenber ©rweefungen nicht 
auffomntcu. 

ferner boügieht fich in Deutfchlanb 9l(IeS weit 
langfamer, als in 91nterifa. 3fn einem Sanbe, 
in bem e§ 1000 3afjre alte Sirchen giebt, in 
welchem es ©aftoren giebt, welche beii ©roß« 
Dater confirinirt, ben ©ater getraut, ben ©nie! 
getauft haben, in meldjem 30—40 ^aljre lang 
berfelbe ©rebiger biefelbe ©fnrrei hat, — in 
einem foldhen hält man fich an alten ©emohn« 
beiten unb ©orurtheilen. 3ft eS ba ein Sßun» 
ber, wenn ber ©JethobiSmuS mir oftmäblig er« 
ftarft ? — 93aS ~ix bringt, erfefjeint bem ©oll 
ja neu unb was neu ift, fagt ber ©auer, 
taugt nichts, ©ater unb ©roßoäter haben baS 
auch nicht gehabt unb haben auch flelebt. (Reu 
erfcheint in mancher ©inficht bie alte Sehre Don 
[Rechtfertigung unb ©eiligung burch ben ©lau« 
ben allein, baS 3eugniß beS heil- ©eiftes, noch 


neuer bie ©ebetSberfammlungen, Staffen unb 
SiebeSfefte, neu ber ©ebanle, baß man auch 
geben foll für ben Unterhalt ber ©emeinbe, benn 
in ber SanbeStirche beforgt ber «Staat baS 9lDeS 
unb man mechfelte, ehe man gur S irdße ging, 
ben Sreuger in gwei halbe gum „Opfer." 91m 
allermeiften aber ift unfere Saienthätigfeit in 
Segug auf baS Ermafjner« unb ©rebigtaint. 
Daß unftubirte Saitn Serfammlungen abhalten, 
baß „©dßufter unb ©d)neiber" prebigen — was 
ift baS unb wo foll baS hinaus? 

Sein SBunber, wenn auch lefctere noch fiel gu 
lernen haben, ehe man fie in umfaffenber ©Jeife 
Derwenben fann wie in ©nglanb: Unfer ©olf 
ift überhaupt nicht gur ©elbftftänbigfeit ergogen. 
jßeber in Sircbe noch in ©taat war eS in Örb« 
nung, baß 91nbere als Dom ©taat 9(ngefteUte 
baS Söort ergriffen, erft baS leßte^ohrgehnt hot 
eine freiere Saft gebracht. 

[Rur in ben ftiüen greifen ber ©ietiften un« 
terhielt man fid) über ©otteS SBßort unb betete 
mit einanber, Don ber Suche aber würben 
foldje ©erfammlungeu ängftlich überwadjt. 9lu<h 
giebt es folche nur in ©übbeutfchlanb unb einem 
Dljeit ber SRheinprooingen. Unter ben 20 ©fil« 
lionen in ©orbbeutfdjlanb ift bie freie Saien« 
thätigleit faum nennenSmerth. 91üein eS beginnt 
gu tagen, ©tan erlennt, baß es anberS werben 
muß. 3war befebräutt fich bie Saienthätigteit 
jeßt noch meift auf baS ©ammein Don ©fiffionS« 
beitragen, ber 9lrmen= unb Sranfenpflege, bie 
©ertheilung Don cpriftlichen Schriften u. f. w. 
©elbft bie Dhätigteit ber ©tabtmiffionarc be« 
rührt gu wenig baS geiftliche ©ebiet. Doch fdjon 
bie © o n n t a g f ch u l e tat ber Saienthätigfeit 
auf geiftlichem ©ebiet ©ahn gebrochen. 9lengft« 
lidß haben fidh beßbalb fachliche «Stimmen er« 
hoben unb bedangt, bie ©elfer unb ©elferinnen 
follten nur ihre ©ruppen überwachen, bie Sin« 
ber überhören, baS Sehren aber bem ©afior 
überlaffen. Das mar beS ©ubels Sern in bem 
©treit, ob bie ©onntagfchule nicht umgetauft 
werben unb Si ubergotteSbien ft heißen 
follte. 9lflein b i e © o n n t a g f <h n l e hat ge« 
fiegt unb ba in ben ©erliner firchlid)eu ©oiin« 
tagfdjuilen ©iemanb am ©onutag lehren barf, 
ber nicht in ber ©orbereitnng mar, müffen auch 
ben ernfteften Sirdhenmännern bie ©ebeitfen 
fchwinben. 

Pertljeilung d)rifUid)er ©eitfeßriften. 

©eit 5 fahren befteljt hier eine Draltatge» 
fellfchaft unter ber Seitung beS ©aron D. Ungern« 
©teruberg. Diefelbe hält 4mödf)entli(he 3ufam« 
mentünfte, wobei über bie Erfahrungen bei’m 
Drattatoertheilen berichtet unb neue ©tuuition 
bertljeilt wirb. Dur$ SReifengenten ftidjt fie 
auch auswärts ©titgtieber gu gewinnen, bereu 
3af)l f>dh au f nahegu 5000 beläuft, ©erbreitet 


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195 


Pilber out btt ebangetifdjen Bewegung. 


rourben bis jeßt naljegu 3 Wiflionen SEraftate. 
Diefe ©dfeltfcbaft roirb fräftig unterftüßt bon 
bei Sonboner Draftatgefeltfcbaft, welche baS 
Uebeteinfommen mit ihr getroffen bat, ibr ge* 
iabe fobiel gut Unterftüßung gufommen gu taffen, 
bis fie feloft aufmacbt. Gin anberer Serein 
bat ficb gebilbet unter #ofprebiger ©töder’S 
©organg gur SBertbeitunfl bon gebrudten ©re» 
bigten an Drofchfentutfdjer unbGifenbabnbeamte 
unb anbere ©onntagStofe. 3llte ©rebigten bon 
beioäbrten ©otteSmännern toerben neu aufgelegt. 
SBer ©rebigten bertbeitt, tauft ficb biefelben gu 
einem Pfennig unb berfdjenft fic unb biete 
oon beneti, welche fie gefcbentt befommen, fucben 
Stnbern roieber bie gleiche Söobttbat gu ertoeifen. 
©on 600 Gremplaren flieg bie ©ertbeilung in 
einem 3abr auf 11,000 unb biete fleißige ßänbe 
helfen ben ©tabtmiffionären in biefer SEbätig* 
teit. Daran fdjließt fi<b jeßt baS neue Unter» 
nehmen oon fjerrn &ofptebiger ©töder, bie beit, 
©cbrift mit ©nmerfungen berfeben, in eingelnen 
Sbeilen gum ÄoftenpreiS git berbreiten. ©iS 
jeßt ift ber Prophet Obabja (@ 5 Pfennige) 
unb ber ©rief ©auti an ©bilemon (@ 3 ©fen= 
nige) erfcbienen. ©ehr intereffont ftnb bie ©n* 
mertungen gum leßtern: I. ©uS ber 2Belt bor 
unb nach ©^rifto. 1) @f labenletten; 2) 3©aS 
jagt baS ©Ite SEeftament über bie ©ftaberei? 
3) Das 3>teue SEeftament, bie <briftli<he JHrcbe 
unb bie ©ttaberei. II. ©raltifd)e Söfung ber 
©flaoenfrage burcb ©t. '-Pauli ©rief an ©bile* 
mon. 1) ©ebunben burcb Siebe, berbunben gu 
Siebe. 2) Die &auSgenoffenf<baft. 3) Das 
Zentrum. 4) SBeilanb unb nun. 5) Durch 
Siebe bie fjreube. Ober im Obabja: 2öem 
bienft bu? 1) Sreibeit, ©leicbbeit, ©rüberlichfeit 
u. f. m. 

Sine bebeutenbe ©ngabl Draltate mirb ferner 
bertbeitt burcb unfere eigene ©emeinbe unb burcb 
bie ©aptiften unb in ber [Regel -finben fie mittige 
Abnehmer. Der ©ertiner tieft gern unb oft ift 
baS ber eingige 2Beg, benfelben mit bem Gban* 
gelium betannt gu machen. — ©einabe hätte i<b 
ben ©ereiti gur ©ertbeilung cbriftticber 3 c >t= 
fcbriften bergeffen, roelcber fonntäglicb 60,000 
Gjemplare beS ©ertiner ©onntagblattS unter’S 
©ott bringt, in ähnlicher SGßeife mie Oben. 

JLut einem Slinbenljaus mirb rin Betbaus. 

3m korben ©erlinS fanben feit 3«bren im 
„gürft ©(lieber" berüchtigte SEättge ftatt. Sor 
14 Dagen taufte ein Gommittee oon cbrifttichen 
greunbeit gum ©reis bon 139,000 Wf. (etroa 
$35,000) baS große £>auS am 2Bebbig ©(aß an, 
um barauS einen ©ainmetort für christliche Ser* 
eiuStbätigfeit gu machen unb meines ben ©amen 
„ ff r i e b e f ü r ft" trägt. Darüber fchreibt ber 
SeicbSbote bom 18. 3anuar : „Das chriftticbe 


©ereinSbauS „griebefürft" beginnt unter ber 
tbatfräftigen 3nitiatibe beS ©aftorS b. ©djtüm* 
bacb unb beS ©aftorS Dieftettamp unter ©ffifteng 
bieter ernftgefinnter ©tänner aus alten ©tauben 
bon ber hoben ©riftotratie herab bis gum arm* 
ften Arbeiter feinen gefegneten Ginfluß gu ent* 
falten. — ©m ©onnabenb conftituirte [ich ber 
©erein, nahm bie ihm borgetegten Statuten an 
unb mahlte feinen ©orftanb, ber aus 11 ©er* 
fonen befiehl: barunter ber ©raf ©üdter unb 
ber ©aron bon UngenuSternberg, außerbem 
Sebrer, ©eamte, fjanbmerter unb Arbeiter. Die 
©ufforberung gum Gingeicpnen in bie ©ereinS* 
tiften, bie in ben bon ©. bon ©cbtümbach arran* 
girten religiöfen ©erfammtungen im ©orben ber 
©tabt in ber lebten 3eit regelmäßig erfolgte, 
gab in manchen «reifen, mie mir in Grfabrung 
gebracht haben, ber ©efürdjtung ©aum, eS fönne 
fidf um eine ©ettirerei banbetn. SEBie grunbloS 
biefe Sefürdjtung ift, braucht gar nicht erft ge» 
fagt gu roerben, boeb fei gur ©erubigung ber 
änaftlicben ©emütber hier gugefügt, baß ©. b. 
©gjlümbacb „ber fretnbe ©rebiger," mie er bon 
feinen 3ubörern bietfach genannt roirb, nur im 
©uftrag unb meift unter ©ffifteng bon ©ciftlicben 
ber SanbeStirche arbeitet unb fpridjt. Das ift 
ber hefte ©emeiS für bie Sopalität unb Streue 
feines ©JirtenS." 

Baftor oon $d)lUmbod|. 

©eit 1. ©obember mirlt ©r. b. ©chlümbach 
unter bem ©cbußbeS £>ofprebigerS ©töder unb 
eingefiibrt bon Dr. Gbrifilieb in ©erlin, unb 
groar im äußerften ©orben in ben ©arochien ber 
,©agaretb unb 3ionSgemeinben, beren ©rebiger 
ihn eingetaben haben, ©on unferer Äapelle 
finb biefe ©erfammlungen H ©tunben entfernt, 
meSbatb mir roenig ©elegenbeit batten, ihn gu 
hören. Die erfte ©erfammlung, ber ich bei* 
roobnte, ©nfang ©obember, mar bon 400 ©er* 
fonen, bie leßte, Witte 3anuar, bon 700 ©erfo* 
nen befucht. GS roerben babei gur großen ffreube 
beS ©olfeS ©antep=Sieber gefungen, nach ber 
frohen ©otfdjaft. 3n ber ©eget hält einer ber 
©aftoren eine — teiber manchmal febr lange — 
©nfprache, bann folgt b. ©chlümbach. ©ott bat 
biefent ©ruber bie ©abe oerlieben, bie £ergen 
munberbar gu überzeugen unb gu eutgünben, unb 
febon manche ©eele mürbe burd) feine ©rbeit hier 
belehrt, bie bann roieber in ben fircblicben ©?än* 
ner* unb [yrauenbereinen ben guten ©amen 
roeiter tragen lönnen. Da er ben Ginfluß unb 
bie Unterftii|ung ber fircblicben Greife hier ge* 
nießt, fo hoffe» mir, baß feine ©erfammtungen 
immer noch größer roerben. ©iS jeßt ift nichts 
gefächen, bie Grroedten inniger unter einanber 
gu berbinben, ein Unternehmen, roeldjeS mit 
©Mißtrauen angefeben mürbe, ohne roeldjeS 


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196 


„Pri ben fSmen.” 


aber ber bleibenbe ©rfolg in grage fteht. 5)ie 
tirdjlichen SBiätter SerlinS f4weigen o. ©4lüm* 
• fca4’S Arbeit tobt, worüber fogar ein politif4eS 
Statt feine ©ntrüftung geäußert bat. 

Stauche möchten oietleicbt fragen, warum nicht 
wir Stetfjobiftenprebiger auf gleiche SBeife wir* 
ten? 2Bir antworten: 2öir wollen ein SDßetl 
griinben, baSSeftaub bat für bie 3ufunft. 3Bir 
wollen bie burch unfere Arbeit (Geretteten nach 
ben Sorfchriften ber heil- Schrift pflegen unb 
biefelben benüßen, bamit fie uns helfen wieber 
Snbere jum f)errn au führen. 2Bir tönnen aber 
{eine ©eeleu pflege üben ohne ©emeinbe* 
bilbung. ©obann mähten wir eine pernta* 
n e n t e ©oangelifationSarbeit in unferm SSater* 
tanb begrünben, baS ift auch nur benfbar, toenn 
Wir®emeinben im Süden haben, bie uns betten. 
„ K i r 41 i 4 " wirten hieße ferner uns trennen 
öon ber eigenen ilirche; aber—wirten Wir benn 
nicht „ t i r <h 1 i ch ? " t?ür bie SanbeSfircbe allein 
arbeiten, hieße unS auch unter bie Sorfdjriften 
ber 8aitbeSfir4en unb beren ^aftoren (teilen. 
S)ie heißen aber ni4t alle: ©töder, $ieftel* 
tamp, Straft je. — baS wiffen w i r am Selten. 
— 2öir haben jubem feine Suft, unfern ©amen 
in ben 3öinb ju ftreuen, unfere turje SebenSjeit 
ju »erbringen, um an einem ohnehin baufälligen 

t iauS ju arbeiten, uuS welchem bie Sejferen ber 
anbesfirchen fi<b f4on fang hinauSfeljnen, unS 
unter eine Stirne ju ftelien, bie bo4 nur „Safto* 
renlirche" ift unb oon einer gefchloffenen ©e» 
meinfchaft oon ©läubigen nichts weiß. Sieber 
wollen wir uns burch ben Serg bon Sorurtljei» 
len hinburdjarbeiten unb nach Dlußett fcheinbar 
weniger tpun tönnen, aber für bie 3ufunft befto 
ficherer bauen, als einen firchlichen ©elbftmorb 
begehen, benn unfere ©emeiubebilbung aufgeben 
hieße nichts DlnbereS, als baS unb bamit tpäten 
Wir unferm Saterlanb einen fchlechten 2)ienft. 

SlnberS fteht eS mitSr. o. ©chlüm* 
b a c^. ©ott hat ihn fo fichtlich in biefe Arbeit 
hineingeführt, baß wir uns nur freuen tönnen. 
2Bir hätten ihn ja lieber auf uuferer ©eite, wo 
auch fein Werj ifi, er fönnte unS eine fehr große 

t ülfe fein, boch wünfchen wir ja auch, baß baS 
eich ©otteS tomme innerhalb ber SanbeStirchen 
unb ©eelen ju ©ott geführt werben, jumal es 
nicht in unferer Stacht fteht, jene Streife ju er* 
teidfen. 


„$et ben ptnen ” 

gür dauS unb derb berichtet. 


ergangenen SBinter hatten berliner Srbei* 
ter, meift focial * bemotratifcher gätbung, 
eine SBerfantmlung im Dienen ©efeüfchaftShauS 
beS Kottbufer SfjorS in Serlin einberufen. Ser* 


golber ©malb wollte fi<h gegen allerlei Sefdhul« 
bigungett rechtfertigen unb hatte aftch 4>errn 
Wofprebiger ©töder eingelaben. $>iefer, ein 
muthiger Siann, ging hinein in bie £)öh(e. @r 
würbe theilS mit SeifaU, tpeilS mit 3if4«n 
empfangen. $)er 3roed biefer 3«ilcn ift nun 
ju jeigen, welcher Waß unter bem ^Berliner 2lr* 
beiteroolf gegen bie Seligion wohnt, 6r fpra4 
ungefähr wie folgt: 

Steine Qfreunbe! 34 banfe 3hnen für bie 
©hte ber ©inlabung; war aber heut Sadjmittag 
im 3weifel, ob ich tommen fönnte, weil man in 
ber Srbeiterjeitung fdjteibt, baß oon mir bis in 
bie fjortfchrittspartei hinein nichts für ben Ar¬ 
beiter ju hoffen fei unb baß ich nur bie Arbeiter 
für bie chrifttich fociale Partei werben woüe. 
(Stuf: ©ehr richtig!) 3)aS finb unwahre Se* 
bauptungen. (Unruhe, Unterbrechungen, Stufe: 
3ur ©äche!) Sun biefe Serfammlung ift ja 
einberufen jum 3«rüdweifen falfcher Sehaup» 
tungen. 34 glaube, baß ©ie mich bgju einge* 
laben haben. @S ift nicht wahr, baß ich nichts 
SnbereS wollte, als nur bie Arbeiter für bie 
tonferoatioe ober <hriftlicf)=fociale Partei ju qe* 
Winnen. 34 erfläre oot ©ott unb meinem ©e* 
wiffen— (®roße Unruhe, äßiberfpruch k.) 34 
erfläre, baß i4 ©te ju meiner politif4en unb 
religiöfen Ueberjeugung jurüdgeminnen will; 
aber ni4t gegen, fotibern für 3hr 3'ttereffe, 
jum Seften ber Arbeiter felbft, na4 ber Ueber» 
jeugung, bie i4 mir aebilbet habe. (Stumnlt, 
SBiberfptuch.) ©töder: 2)aS Se4t hat Sie» 
manb, meine ehrli4e Ueberjeugung in 3meifel 
ju jieljen. ®ie Krage, bie bireft unb feierli4 
an mi4 geratet, miü i4 ebenfo beantworten: 
i4 erfläre, baß idj mit ^»etrn ©walb webet 
münbluh no4 f4*iftli4 iemalS ein SSBort über 
bie ©ewertf4afts* Bewegung gewertet! habe. 
34 mifl nicht bie ©timmen ber Arbeiter. (3wei* 
felnbe Sufe, Unruhe.) 34 halte eS für orbinär, 
einen Stenf4en auf feine SBahlftimme hin an» 
jufehen. 34 miß ben ganjen Stenf4en, bann 
habe i4 feine Stimme au4- (öeifaü. Weiter¬ 
leit. Sßiberfpru4.) ®ap mir bei ben 2Sahlen 
fo niete ©timmen gewonnen haben, liegt bo4 
an bem Vertrauen, bas bie Seute ju uns gefaßt 
haben, liegt bo4 baran, baß fi4 fo üiele Stänner 
mit ootler Klarheit unferm Srincip angef41offen 
haben, (Kortwährenbe Unterbre4ungen, bie 
fi4 häufig ju anbauernber Unruhe, ja jum to* 
benben Särm fteigern.) — Wert K o n r a b er« 
mahnte mit großer ©rregung bie AiiWefenöen, 
bo4 ni4t bie Sebefreiheit mit Süßen ju treten. 
®er Sorfißcnbe Sieflänbet bat ebenfaüs wieber* 
holt um Sulje. ©töder fei bo4 ui4t gefotumen, 
um ben Arbeitern Komplimente ju nta4en unb 
ihnen na4 bem Stunbe ju reben, fonbern um 
feine Steinung ju fagen. — Sa4bem bie Siehe 
wieber einigermaßen hergefteüt mar, fuhr Wert 



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Sugenb* unb tBeltlidje Vergnügungen. 


197 


©töder fort: ©afe bie gortfd)rittSpartei mehr 
für bie Arbeiter getljan haben foü, als bie ©on* 
feroatioen, beftreite ich, baS fann man nur ben* 
Jen, wenn inan mertblofe abftrafte greibeiten 
für micbtiger hält, als ben Slnfprud) ber Arbeiter 
auf Arbeit unb auf Schuß unb Serfid)erung, 
bie Arbeit als bloße 2Baate gu begegnen, ent* 
fpringt einem fcbamlofen Sringip. 5tein, bie 
Arbeit ift bie fittlicbe, perfönlidje ©bätiafeit eines 
unterblieben ^3tufe oeS UnroidenS) vJtenfhett, 
mit ber er feine unb feiner gamilie gjifteng 
frijtet. ©ie Arbeit mit ÄaufmanitSroaare Der« 
gleichen, beißt bie Arbeit entwertben unb ben 
Arbeiter entehren, ©agegen opponiren Sie unb 
mit. (Seifad.) 34 habe oon bernünftiger 
geroorbenen Sogialbemofraten gefprochen. (9tuf: 
5tamen!) 5tun eS finb in bet ©emerffegafts. 
bemegung bod) oernünftigere ©ebanfen gu ©aae 
getreten. ©S giebt bo<h Sogialbemofraten, iDelctje 
ber ^Regierung bie £>anb reifen (Stürmifcbe, 
anpaltenbe Unterbrechung), nidjt um mit ber 
Regierung burcb bid unb bünn gu geben, fon* 
bern um Im Serein mit ihr in beftimmten ein* 
»einen gragen b«S Stahl ber Arbeiter gu fdjaffen. 
®aS ift ein gortfdjritt gum Seffern gegen bie 
bloße fogiale ftritif, gegen bie meitgebenben 
Släne einiger ©ogial'.ften. 

„®aS Unoernünftige ber ©ogialbemofratie be= 
fleht in bem fjafe gegen baS itönigtbum unb 
baS ßbriftentbum (Ungeheurer ©umult). ©ie 
Sernünftigen fudjen fiet» auSguföbnen mit ben 
gaftoren, bie baS Stahl ber Arbeiter motlen. 
®aS ift baS beutfdje Staifertbum. (Unruhe.) 
©en 5tadjroeiS erbitte ich bon 3bnen, melcbe mo= 
berne '.Regierung ben Arbeitern mehr geboten 
bat, als bie beutfdje. StaS motlen Sie benn bon 
ber Sebolution? (fiärmenber Slibetfprud). 5tn= 
baltenbe Unruhe. SMeberbolte ^nterbention beS 
Sorfißenben.) StaS motten e>ie mit 3b«m 
ätbeiSmuS, mit 3b«r ©otteSläugnung? (Unbe* 
fdjreiblicber fiärm.j 

„@S giebt fein Sud) auf Srben, baS bem ge* 
funben SogialiSmuS günftiger ift unb bem Stahl 
beS Arbeiters förberlicher, als bie Sibel, (SRa* 
fenber SMberfprud),) unb eS giebt feinen 5Jcann 
auf ©rben, ber mehr 3b r greunb ift, als ber 
in ©etblebem geboten ift. (Minutenlange, ftür* 
ntifche Unterbrechung, ©rmabnung beS bereits 
beiferen Sorfißenben.) Sie haben feinen beffern 
§freunb, als ben ©rlöfer 3efuS ß^riftuS. (Stür* 
mifdjer SMbetfprucb.) 6t fagt: ©er vJJenfd) 
ift nicht ©igentbiimer, fonbern nur Sermalter 
feiner ©ilter, ber Menfd) fotle nicht unabläfftg 
irbifeben ©ütern nadjjagen unb jeher foU feinen 
jRädjjlen lieben als fid) felbfl. 2Benn Steidf» unb 
Hrm biefe Jfbeen halten, märe bie fogiale grage 
nicht auf grben, fonbern eS märe allgemeiner fogia* 
ler griebe unb eS märe beffer als jeßt." (Seifad, 
SMberfprud), 3'f4«n, anbaltenbe Semegung.) 


©er Sbgeorbnete St a i f e r mürbe mit ftürmi* 
febem, lange anbaltenbem Seifall begrüßt, unb 
manbte fid) erft gegen '.Richter, ber bie Serliner 
Arbeiter ber Soligei benungirt habe, ftimmte 
Stöder gu, auch ben ©Borten ber Sibel, münfebte 
fie aber mehr iu’S ©Jrattifd^e überfeßt unb fprach 
bann oon ber (Sinfcbränfuitg, bie er fich feines 
SarteiftanbpunfteS halber auferlegen müffe. 

©er Solijeilieutenant löfte beßbalb bie Ser* 
fammlung auf ©runb beS § 9 beS Sogialiften* 
aefeßeS auf. Zahlreiche SfuiS ertönen. Un» 
befchteiblicber Särm bauerte an, ©rampein, 
Schreien, pfeifen, 3ifd)en, roäbrenb fich bie 
li ©aufenb bem SuSgange gumälgten. Utiun* 
terbrochene <ßod)§ auf ben Sbgeorbneten ffaifer 
ertönten. 5tad) längerer Zeit bringen Sd)uß= 
leute in ben Saal, ber fich langfam leerte. 
Suf bem Äottbufer Slaß fuchten oiele berittene 
Schußleute bie uttenblid) bielen Menfdjen, bie in 
©ruppen heftig geftifulirenb unb bebattirenb 
umberftanben, gu gerftreuen. 


lugenb- unb nidUidje f er- 
0itö$un0en. 

gftr §«KS unb §erb ttati 3. 3 . Mn. 


Qlunge unb alte 6briften finb täglich ber ©e* 
JjM fahr auSgefeßt, burch bie Sünbe betrogen, 
irre geleitet unb gum fjoll gebracht gu mer* 
ben. ©ie täglichen SerufSgefd)äfte bringen faft 
einen 3eben in Umgang mit leicbtfmnigen, roelt* 
lichgefinnten, ja oft boshaften unb lafterbaften 
5Jfenfdben. 3b« ©baten fiebt man, ihre ©e* 
fpräcbe hört man. 5ficbt feiten machen foldje 
leiebtfinnigen, bie Sünbe liebenben Menfcben, ben 
©briften gur 3>flWr>be beS Spottes unb bet 
Seradjtung; ober fie loden, reigen unb fchmei* 
cbeln ibni unb laben ihn freunblicb ein, an ihren 
gfeflen unb ©elagen ©heil gu nehmen. @S mirb 
ihnen oorbemonjlrirt, mie herrlich es fei, bieS 
unb jenes Sergnügen mitgumacben. 6s fei ja 
5ldeS fo unfchulbig unb fchabe ja 5?iemanben 
etmaS. So merben bie Schlingen gelegt, bie 
gaben gefiedt. So mirb bie roeltliche Suftbar* 
feit, bie unfchulbig feinfodenben meltlidben Ser* 
gnügungen, ber hrifHichen 3ugenb angepriefen. 
Siele finb in bie 5leße gegangen, anbere finb 
noch in ©efabr fich bineinioden ober auch treiben 
gu taffen. 

3BaS finb benn aber nun baS für Sergnü* 
gunaen, bie jlörenb, fcbäblich, ja oerberblich ber 
djrijtlicben 3ugenb merben fönnen ? StfaS bat 
man fich unter roeltlidjen Sergnügungen oorgu* 
fteden, oor benen man 3ung unb 3Ut marnen 


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198 


äugenb; unb nirltltdje JJergniigungen. 


foü ? 6s ftnb baS folcpe Vergnügungen in ber 
SBelt, welche feinen fittlitb*bilbenben, ben ©eift 
beS Vtenfcpen oerebelnben ©influß auSüben; 
wopl aber baS ©egentpeil bewirten. Ourcp 
foIdf>e weltliche Vergnügungen wirb bas £erj 
unb bie s 43&antafie beflecft, Vtoral unb gute Sitte 
gewöhnlich ju ©rabe gebracht. ©S werben babei 
foldje £anblungen begangen, welche ben Sin* 
fcpauungen unb ©runbfäßen beS ©bangeliumS 
bcm innerften 2öefen nach wiberftreite'n, unb 
einem ertöften, in baS normale Verpältniß ju 
©ott wieberum gebrachten SJtenfcpengeift nur ju* 
Wiber fein fönnen. ©ine {Jeftlicpfeit, ein Ver* 
gnügen, ju bem man ben funblofen ©rlöfer nicht 
einlaben, ihn nicht um feinen Segen bitten, noch 
nach bem ©enuß banfen fönnte,, ift ein gefäpr* 
lieber Ort für einen (Steiften. ' Oie fünblicpe, 
finnliche ©enußfutpt, wie eS baS tfleifcp, bie 
fünbhafte Statur beS SJtenfcpen gern haben mag, 
ift 3iel unb 3wecf alter folcper Vergnügungen. 

Stile Vergnügungen, alle Suft unb ffreube, 
auch wenn fie in einem noch fo unfcpulbigen 
©ewanb erfepeinen follte, wobei man jeboep nicht 
©otteS ©pre iw Sluge hat, noch ihn bamit ber» 
herrlichen fann, fiub gefährlich. Sie finb nichts 
SlnbereS, als berjucfertcS ©ift, welches früher 
ober fpäter oerbcrblich fiep erweifen wirb. 

Oer Slpoftel nennt biefe Weltliche Vergnü* 
gungen, biefe Suft unb greube, nach benen bie 
ttinber biefer SBett fchmachten, rennen unb fageu, 
ffleiftpeSluft, Slugenluft, hoffürtigeS SCßefen unb 
Seben. Jn biefem ift alles weltliche, finnliche, 
fenfationelle unb luftige ireiben unb Verlangen 
eingefcploffen, wie bie Äinber biefer 2ßelt bie 
Süfte beS jJleifcheS ju befriebigen fuepen. 

Oa nenne ich nun baS fepeinbar luftige, ge» 
fettige 3ufaminenfomnten unb Jufammenfißen 
in ben SöirthSftuben ober in ben ©ärten, wo 
ba§ Vier in Strömen fließt, wo 3oten geriffen, 
wüfte ©efänge gebrüllt, unb eine für foldje 
Vtenfdjen unb Viäfte paffenbe SJtufif geblafen 
wirb, welche bie gefunben Sinne berwirrt unb 
fdjlummernbe Seibenfchaften wach ruft. Oort 
wirb ein weltliches Vergnügen genoffen. 

Oer moberne Oanj, mit ober ohne Starren* 
tappe, biefer JubaS unb Verräter ber Jugenb 
in unferer 3«it ber fo fept fcpmeicpelt, liebfofet 
unb gepflegt wirb, unb bie confirmirte unb un» 
confirmirte Jugenb bem Seelenmörber gewöhn* 
lieh überliefert, gehört mit ju ben weltlichen 
Vergnügungen. 

©omöbien unb Vbffenfpiele, wie fte in ben 
Opeatern aufgeführt werben. Wo baS meifte nur 
Heuchelei unb Verkeilung ift, wo bie böfen Sei* 
benfepaften geeignete Staprung finben, wo baS 
Steroenfhftem zerrüttet unb bie tppantafte in bie 
ffieberpiße getrieben wirb, finb tm bollen Sinn 
beS SBortS weltliche, finnliche Vergnügungen. 

harten», Villarb«, Siegel* unb SBürfelfpiele 


finb befonberS, wo um ©elb gefpiett wirb, Vie» 
ien ju einer unbänbigen Seibenfdpaft geworben.. 
SJtit biefen Oingen hat ©ott nichts gemein, fann 
eS nicht fegnen noch gut heißen, Paper gehört 
folcpes ipun unb Oreiben ju ben weltlichen 
Vergnügungen. 

Suft, Siebe, ©efatlen unb Vergnügen haben 
an bem Sefen Don fittenlofen 3eiH<priften unb 
Vücpern, bie ©ier unb Sucht nach Siebes», ©nt* 
führungS»,. Staub* unb 5)?orbgefcpicpten,_mo 
häufig baS Safter überfirnißt, ja glorifijirt wirb, 
ift ein Vergnügen, Woran nur ein ftinb biefer 
SBelt ©efaUen pat. Oiefe geiftige ©enußfudjt 
wirft pöcbft »erberblicp- Sticht nur wirb bie 
foftbare 3eit nußloS bergeubet, fonbern ade 
eblen ©efüple unb gute Sitten werben erftieft unb 
juleßt getöbtet. 2BaS Slrfenif in bem SJtineral* 
reich, ber StacptfChatten in bem Vflanjcnreicp, bie 
Hpäne unb SHapperfcpIange im Opierreicp finb, 
baS finb bie fdjlüpferigen, fittenlofen Schriften 
in ber Siteratur unb für ben ©eift beS SJtenfdjen. 

Vergnügen unb SVoplgefalleu an übermäßigem 
ßleiber* unb Siopfpuß ju haben, fteif unb pup* 
penartig einperjuftoljiren, gehört mit ju ber 
Slugenluft unb bem (in ber Schrift) gerügten 
poffärtigen SBefen unb Seben. SBeber ©ott 
noep eia bernünftig benfenber SJtenfcp fann ©e* 
fallen baran finben, wenn SJtenfdjen raus unb 
brein fcpmien, wie ein Stälbcpen, baS feinen Stopf 
aus einem blüpenben Stofenftraucp perausftreeft, 
ober wie ein aufgepußtcS VeffCpen perumwebelt. 

SJtaucpeS mag wirflidh ein- unfcpulbigeS Ver* 
gnügen fein, unb auch ber cpriftlichen Jiigenb 
geftattet fein, wie tfifepen unb Sagen, Seiten 
unb fahren u. f. W., wenn man babei nicht baS 
oierte ©ebot Übertritt. 

Vor folCpen Vergnügungen' foll bie CpriftliChe 
uqenb gewarnt werben. 3ft benn wirtlich 

efapr, baß fte »erführt unb irre geleitet werben 
fann? Sinb benn fepon welche mit fortgeriffen 
worben ? Haben fepon welche bon biefem über* 
juderten ©ift gefoftet ? Seiber ja ! Opatfacpen 
reben laut babon ! ©inige biefer berberbliCpen 
Vergnügungen werben bon Vtantpen fepon prat* 
tijirt, bon «Inbern bertpeibigt. Unferc üüge* 
meinen Siegeln unb ©efeße, bie babor warnen, 
finb ju einem tobten Vucpftaben geworben. 

Oaß allbereits bon bielen Chriftlicpen Seuten 
ber fenfationelle Sefeftoff mit ©ier unb einem 
wahren Heißhunger berfcplungen wirb, ift be* 
fannt. Vtan wirb wopl niCpt irren, wenn man 
behauptet, baß berariigeS Vergnügen, woburep 
bie tfleifCpeSluft fo fepr genäprt unb entflammt 
Wirb, mehr Schaben unter ber Siigcnb anrichtet, 
als irgenb ein anbereS fogenannteS weltliches 
Vergnügen. Oaß fiep in einer ftirepe Wie bie 
unfere mit 1,700,000 ©liebem, worunter einige 
punberttaufenb Sünglinge unb Jungfrauen 
finb, feine englifcpe Jugenbfcprift, mit entfepie* 


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4 


199 


Jlugmb* unb «eltliipr Vergnügungen. 

bfner religiöfer 5£enbeng, aus Stängel an ßefern 3ti biefer ©rfaptung liegt ipre moratifcpe Straft, 
Ratten tarnt, ift ein trauriger Seroei» Don bem um ber Siinbe überhaupt roiberftepen gu fön* 
Derbotbenen ©eicpmacf an gefunber Literatur, nen, unb roo eS gilt, entfliehen Stein fagen gu 
®ie Golden Hours unb baS Ladies’ ober tönnen, roenn Sodungen unb Serfucpungen an 
National Repository mußten eingeftellt roet* fte perantreten. SBeitn fie fiep nodp niept als 
ben au§ fötangel an Sefern. ©lieber betrachten unb angefcploffen finb, fo 

$aS 2anb ift mit Derberblidper fiiteratur über* fuepe man fie für bie ©emeinbe ju geroinnett. 
feproemmt; bie Herausgeber Don folgern Sdpunb 2)ann gebe man ipnen, roenn immer möglicp, 
roerben reidp; bie Slbnepmer —bie Sefer ipr ©elb Sefcpäftigung im firdplidpen HauSpalt. £a= 
lo» unb geroöpnlidj tnoralifcp bantrott. Sin bie* burdp roerben fie an baS ©ute geroöpnt, ipr 
fern Uebelftanb finb ©Item, tßrebiger unb Seprer dpriftlidper Gparafter toirb auegebilbet, gute ©e* 
nicht wenig fcpulb. ©S roirb niept genug über roopnpeit roirb bei ipnen eine SJtacpt. 
biefen Seinb geroadpt, ober man Derfäumt gur 2. SJtan Derfäume nidpt fiep felbft unb ben 
reepten 3«it ein enifdpiebeneS Seto bagegen ein* alten, erfaprenen ©priften es immer roieber ein* 
gulegen. Stocp mepr: man giebt opne Scheuten juprägen, baß ipr Seifpiel gunt ©uten ein ge« 
ber ^ugenb foldpe berberbliaje Scpriften in bie roaltiger gaftor ift, bet Sugenb auf bem guten 
£anb. ©S ift fdpon foroeit getommen, baß Sü* 2ßeg fortgupdfen unb für ben Herrn gu er* 
(per Don folcp gefäprlicper Stenbeng in Sonntag* giepern 2)aS böfe Seifpiel ift oft baS größte 
fdjul * Sibliotpefen niept nur fdbon eingefüprt, Hinberniß in ber Slrbeit unb pat fdpon päufig 
fonbern mepr unb mepr entfdpieben berlangt bie Semüpungen Dereitelt. 
roerben. 3. Statt belepte unb roarne öffentlidp, befon* 

$r. Söife, ein großer Sonntagfdpulmann unb berS aber auf eine bätcrli&e SCBetfe priDatim, bie 
3ugenbfreunb in unferer Äirdpe, ber fdpon man» liebe Sugenb Dor ben ©efapten, unb man bette 
djes ftpöne unb gute Sudp für bie Ijjugenb ae* ipnen baS Sdpäblicpe foldper weltlidpen ©enüffe 
fdprieben pat, unb baper mit unferm tirdjlicpen auf. Stan madbe fie mit ben traurigen Sei* 
Hauspalt roopl bertraut unb betannt ift, pat fpielen unb ©rfaprungen berer betannt, bie, roie 
mrglidp in einer unferer 3eitungen—bem Sun- ®emaS am ©lauben Scpiffbrucp gelitten unb 
day School Journal — auf biefen fdpreefliepen biefe SBelt roieber lieb geroonnen paben. Sin 
Uebelftanb aufmerffam gemadpt unb roarnenb foldpen Seifpielen feplt es ja leiber! niept. 
feine Stimme erpoben. ßr fagte unter Slnberm: 4. Stan barf roopl audp auf bie ©efapr pin* 

„Slls bie Sößne ber Sroppeten gu 3eiten ©lifa’S weifen, roeldpe üble folgen es paben tarnt uttb 
Don bem ©emüfe aus bem Stopfe effen wollten, fdpon gepabt pat, einer ißerfon gum ©pebunbe 
feprien fie: 0 Stann ©otteS, ber S£ob im Stopf! Hanb unb £erg gu geben, bie feinen religiöfen 
$ie burdp Jfrrtpum mit gefäprlidjen ffräutern Sinn, fonbern nur einen Sinn für roeltlidpe 
gemifdpte, ungefunbe, ja giftige Speife tourbe Sergnügungen pat. Hier tönnte idp eine Sin« 
Don benen entbeett, bie guerft baDon aßen. @S gapl Seifpiele ber traungften Slrt anfüpren. 
beburfte ein SBunber oon .©lifa, um baS ©ift 5. SWan übe Sorfidpt, baß matt bie 2fugenb 
in jener SJiaffe gu neutralifiren. 3fdp pabe gu» nidpt Don fidp abftößt burdp allgu große, folbaten* 
ten ©runb unb baS 3eugniß Don glaubroürbigen mäßige Strenge unb fdpulmeifterlidpes 5)rein* 
unb fadpDerftänbigen Serfonen unterftüßt midp, fapren mit barfdpen, unüberlegten Sorten, 
gu fagen, baß es wenige SonntagfdpuUSiblio« 6. Statt aeftatte ipnen, ja ermuntere fie 3u= 
tpefen giebt, roo man bei einer Sidptung unb fammentünfte gu paben, roo fte auf eine gefelltge, 
Prüfung nidpt roürbe gu bem SluStuf genötpigt cpriftlidpe Seife fidp amüfiren tönnen. Oeftere 
roerben: „0 Äiripe ©otteS, ber Job ift in biefer Sontttagfdjul* unb Sugenbfefte, roeldpe mit ©e« 
Sonntagfepul*Sibliotpef." fang, $eflamationen gewürgt finb, roären fepr gu 

„©S ift bie pödpfte 3«t, baß biefem feelenbet* empfeplen. 3?reilidp muß gute Slufiidpt geübt 
berblitpen SBefen unb Treiben ein entfdpiebeneS roerben, bamit fie nidpt ausarten. 

Halt entgegengerufen wirb. ©S giebt feinen 7. SJian ermuntere gum Cefen guter Südper; 
fteperen unb fdpnetleren 3Beg, unfere Sugenb bem Südper, bie für ben Serjtanb unb baS Hetg ge* 
Untergang unb bem Serberben gu überliefern, fdprieben finb. 2Bo eS tpunlidp wäre, roürbe ein 
als ipnen geftatten, foldpen Sdpunb gu lefen, ßefeberein ein fepr gutes 'Dtittel fein, bie Sefe« 
einfaep weil eS ipnen gefällt, fte amüfirt unb fte Iujt gu roeefen. ©ine Don bem Seiger für bie 
großes Sergnügen baran finben." So Tpridpt 3fugenb paffenbe Sorlefung bon 3eit gu 3eit gu 
unb roarnt ein SJtann, ber weiß, roas er fagt. palten, möcpte audp eine gute SBirfung paben. 

SBelipe Sdpufcmittel mögen nun ba in Sin* 
roenbuna gebradpt roerben, um bie (priftlidpe 2fu» 
genb Dor biefem Steltfinn gu beroapren ? * 1 

1) Stan fei unermüblidp unb rupe nidpt, bis 
unfere Sugenb gum Herrn grünblidp beteprt ift. 


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200 


9cd)t mnfj Hedlt bleiben. 


Jfced)t WttÜ bod) $cd)t bleiben. 

III. J)as wiebergefunbene §:eßament. 

(Ein ®tfd)td)lisbilii «ne brr 3rit brr brutfd)tn 
Sdimnd) mib (Ererbung. 

Sur #au§ n»b §erb kttt ©anl ©ttgra. 


drittes Kapitel. 

IJerftedite ptänr. 

Jfl o* einmal flirrt uns unfere Srgäljlung aus 
«, bem berwelfchten ©Ifaß auf ben „märtif*en 
@anb" unb na$ 33 e r I i n in einen uns 
woljlbetannten f??amilienfreiS gurücf. 

(Sin lebenSmüber ©reis fünfte fi<h bort an, 
aus biefer Welt gu fReiben. Wehr als a*tgig 
grühliuge batte er tommen unb grünen gefeljen, 
e6enfo b’iele |>erbftftünne waren aber au* über 
fein jeßt tableS £>aupt babin gebrauft. ©otteS 
©aterbanb batte ibn gnäbig bef*üßt, batte ibn 
fanft unb rubig burcb’S Selten geführt unb ibn 
bie Stage beS NuhmS fcßauen laffen, welche 
fjriebrich ber ©roße über baS Heine ©reußenlanb 
gebraut. Slber auf bie fonnige 3eit war eine 
überaus trübe gefolgt, benn ber treue Wächter, 
welcher fo forgfam fein Saterlanb behütet, ber 
große Ittönig, wanbeite nicht mehr unter ben 
Sebeuben unb bie ©rengen beS SanbeS ftanben 
jebem ©egner offen. So lagen um’S Stabt 1808 
bie ®inge im beutfehen ©aterlanbe. ©S war 
begreiflich, baß ber fterbenbe ©reis, Gtjriftopb 
Natbob, fi<h na* jener biminlifcben Nube feinte, 
wo ein ewiger yfriebe waltet, batte er bo<b am 
©nbe feines bielbewegten SebenS noch baS Sluf* 
treten beS_mä<htigen ©robererS, Napoleon I., 
unb bie Schmach feines beutfehen ©aterlanbeS 
erleben müffen, baS nach ber unheilboüen 
©(bladst bon 3<na bem ftemben länbergierigen 
Sefpoten ficb beugen mufite. Sfmmer Weiter 
brang ber jiegreicbe fforfe oor unb gwang burch 
ben f*ma*ooilen Stieben bon St i l f i t griebrictyS 
beS ©r. ©roßneffen unb Nachfolger, flönig 
fjriebrich SDÖilbelm III. bon ^Breufeert, ihm mehr 
als bie $älfte feines SanbeS abgutreten, Wo er 
nun als gefürchteter Stprann feine gfrembberr» 
fefjaft aufj*lug. 

„Nun finb wir allein!" fpradj auf bem fteim* 
weg bon beS Sllten Seqtäbniß fein gleichfalls 
als ©rofeffor ber alten Sprachen unb ©efchidjte 
am SfoadbimStbaler ©bmnafium angeftellte äl» 
tefte Sohn gu feiner ©attin unb feinen beiben 
bereits ermaebfenen ffinbern, bem acbtgebnjäb* 
eigen 3 o b a n n e S, welcher biefen Namen gur 
©rinnerung an feinen ©erfahren erhalten, bet 
einftmals ein eifriger jünger CutberS gemefen 
war unb feiner etwas jüngeren ©<bwejter2)ora, 


einem gefreiten, munteren Weibchen. SDabeim 
angelommen, fanben fie gwei reu nbe ihres 
fjaufeS, ben alten £>auptmann © ö ß e, ber 
fttmintlidje ruhmreichen Schlachten beS fiebeit» 
jährigen ßriegeS mitgemaebt batte, bis ein 
©<hufj iit’S ©ein ihn gwang, ben ®ienft aufgu* 
geben, unb ben erft feit einem 3«b« in ©erlin 
als ©ommanbant beS Seibbufarenregiments an» 
geftellten Wajor © d) i 11, nebft einem jungen 
Wanne, bem troß feiner ©ioiltleibung ber ehe» 
malige Wilitär fofort atigufeben war. 

„©ugen!" ertönte es aus bem Wunbe bon 
SfobanneS, ber mit Wutter unb ©chwefter ein» 
trat unb fofort in bie Sirme bon Schills Se» 
gleiter eilte. „@elt, baS nenne ich eine Ueber. 
rafchung?" rief ber Wajor, Wäbrenb er bie Sin» 
fommenben ftumm begrüßte. „Sie feben, lieber 
Johannes, baß 3b* öfreunb fein Wort gehalten 
unb ©ie no* in biefem Sfaßre in ©erlin aufge» 
fudjt bat. ©r barf wohl nunmehr auch hoffen, 
baß © i e 3b* ©erfprechen löfen?" 

Johannes beutete lächelnb auf ©ater unb 
Wutter, ber Wajor aber fuhr rafjh fort: „Um 
3h« ©inmiHigung gu erhalten, wirb fein fchwe* 
reS ®ef*üß nötbig fein, ©ugen bat jfbnen 
biel gu enäplen, lieber Johannes, nehmen ©ie 
ihn mit fi<h auf 3b* 3<nitner. 3* t»erbe in* 
gwif*en bie 3eit beitußen, 3h ne n ben gewünfd)* 
ten Urlaub gu erwirfen." 

©r folgte ber freunblichen ©inlabung ber 
Hausfrau unb ließ fi* an ber ©eite ihres @at» 
ten nieber, wäbrenb ©ugen, ber ingwifeben einige 
©egrüßungSworte an bie $amcn gerichtet, feinen 
Slrm in ben beS 3?reunbeS febob unb mit biefem 
baS 3'ntb>« berließ. 

©ugen bon £irfchfelb batte feine mi* 
litärißhe Saufbahn als £>ufarenlieutenant be» 
gönnen, biefelbe aber wieber fallen laffen, als 
Napoleon fi* jum 3wingberrn ©reußenS auf» 
warf. £)irfcbfelb fühlte fi* außer ©ianbe, bem 
berhaßten fjrangofentaifer ben ©ib ber Streue 
gu leiften, unb nahm baber mit noch bielcn Sin* 
bern feinen Slhfchieb; ©ebid hatte ihn im Nat» 
bob’fcben £taufe eingeführt unb ©ugen mit 3o* 
hanneS fchnetl Sfreunbfchaft gefdjloffen, benn in 
ber ©ruft Seiber glühte biefelbe heilige ©ater* 
lanbsliebe. 

©läßlich berfdjtoanb jeboch ^>irf<hfelb ohne 
Slbfchieb aus ©erlin, unb 3ohanneS erfuhr bou 
bem Wajor ©chifl nur, baß ber greunb fchleu* 
nigji nach bem @ute feiner Staute habe abreifen 
müffen, in biefem 3ah« aber noch «inen ©cfuib 
in ©erlin abftatten werbe, wenn Johannes ihm 
berfpräche, für einige Wochen fein ©aft auf bem 
©ute bei ©tenbal gu fein. $aß 3ohanneS mit 
gfreuben gugefagt, haben wir bereits erfahren, 
unb wir folgen jefct bem fjteunbespaare, baS 
Strm in Slrm na* bem 3intmer bon 3ohanneS 
fchritt. 


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Hfdlt muß |led)t bleiben. 


201 


Der freubige WitSbrud, wetten ba$ SBieber» 
feöeii inni*f4felbS@eficbtSpigen heroorgerttfen, 
muckte jeßt einer evnfteven 'iltiene '-Blaß. (Sv jog 
beu fjremib auf einen 3tu 1)1 neben lief) niebev, 
erfaßte feine Siebte nnb begann: „34 bin ein 
Wnberer geworben, feifoem mir mtS nicht ge» 
feljeit. Da» (Sleub bcv ^cit unb nnfere briirfeitbe 
Sage haben meinenGntichlußgereift. 3fn Spills 
©eiellfchaft ma4te irf) bie löefauutfc^nft eine» 
oortvefflicken 'JWanneS, befjen $erj bei bem Wn» 
btiefe. De» gefue4teten 33oterlanöeS gleidjfaü» 
blutet. Du mirft meinen 33imbc$genofieu, ben 
nauptmauit QFriebricb Äarl ö o it ft a 11 e , 
in Stenbal fennen lernen." 

„SButtbeSgenoffe?" roieberljolte 3 0 hanne8 er» 
ftaunt. 

„WllerbiitgS, mein ffremib, nnb irf) hoffe, bidj 
gleichfalls ben Unfrigcit beipiljlen pt biirfen." 

„Den Gütigen?" oerfeßte 3of»amie3 fopf» 
fdjiittelnb, ,,idj öerftelje bicb nicht." „Welcher 
WatcrlaiibSfrcnub," fnljr Ctivfcflfelb in bereifter» 
tem Done fort, „ertrüge mofj( ben Jammer nn» 
fere» gefnechteten 33o(fS, ohne baS ©efübl na4 
3tad)e pi empfiitben ? 3 m 33o((e gäfjrt’S, man 
fefjiit fitf» nach einer ©elegeufjeit, baS franjöfifche 
3ocß abjnfdjütteln. 9Cnf biefe fBetheiligung beS 
WolteS batten mir ttnb haben nnS baS SBort ge» 
neben, möglichl’t gleichzeitig einen allgemeinen 
Wufjtanb pt erregen. Der ©rauufdjweiger Her* 
zog orgauifirt jit Wadjob itt 3}ö(jmen ein gfrei« 
roilliaencorp», Hin mit beinfelbeit in Wittel» 
te.itfdjlanb eiupifalloit; ©djill bri(f)t mit feinem 
Wegiinetttf, roeldjein tagtägli4 neue ftreiroillige 
tmiröineit, itacfj ber Glbe auf nnb ftatte unb id) 
überrnmpelit bie Heftung Wagbeburg. Wun, 
loa» fagft btt pt unferin platt ?" 

„(Sr ift fchön," räumte SohaitneS ein, „aber 
auch fefjr tolltiibn." 

„Wur beut Wutfjigen gebärt bie Söelt" — 

„SBeitn er genug SBerbiinbete bot, bie iljm 
untcrftüßeitb ptr Seite ftefjen." „Unb haben mit 
bie nicht ?" gab ^irfchfelb jurücf unb erhob fidj. 
„Du» bcutfdje «olf märtet nur auf ben giiitftigen 
Wugenbl'cf. gegen feine Reiniger fid) ju erheben, 
e» mirb fid) uns frettbig entließen, unb roahr» 
lieh, f§ ift ftarf genug, ben ffrranjmanit über ben 
Wbeiit 5» jagen. SBie fteßPS, ftrennb, miflft bu 
nufer treuer SuubeSgeiioffe merben?" „©öitnc 
mir 3eit, ruhig über bie Sache nacbzubenfeit," 
ermiberte ^oheintteä freimiitljig. „Dein 33er= 
trauen haft bit teinein Unroitrbigen gefchenft, ich 
werbe eS zu fd)äßen miifen." 

Hirfchfelb geigte fich mit ber erhaltenen Wut» 
wort ttn gif rieben unb lehrte peinlich berftimmt 
mit Johanne# zu ber ©efellfchaft ptriiet. 

3d)i(l laS fofort in feinen Wieneu, rief aber 
troßbem ben beibeit $rcmtbeit pt: „Scib frohen 
WtutheS, ftiitber, — ich habe Johannes ben ge» 
wiiufchteu Urlaub bcrfchafft. 3ßt tonnt noch 


heute nach Stenbal atifbrechen." Die Gltern 
trieften beu beiben jungen Wänuerit freunblidj 
pi, mübreub Dora fid) an beit geliebten 33 ruber 
fthiniegte unb ihm bie SBorte pifliiftertc: 

„@ar pt lange barfft bu aber nicht fort» 
bleiben, beim joitft reife ich bir nach uttb hole 
bid) ptriief." 

Win näcbften Dage fuhr Hirfchfelb mit 3o» 
haniteS noch Stenbal utib erreichte fpät am Wbenb 
bas ©ut ber Dante. 

Gilt Diener mclbete bem Sicutcuant, taf; im 
Schlößchen — mie ba» fehmnete Herrenhaus ge» 
nnititt murbe — ©efellfchaft fei, pi Ghreit ber 
©räfiit uon Ciibbeiiau, bie Por einigen Dagen 
aus Cefterreich angelangt. Hiifchfelb evfnnbtqte 
fich »ad) ben übrigen ©iiften, beim er hoffte iiis» 
geheim, baß fich ftatte barunter befinben würbe, 
bod) nannte ber Diener nur einige Damen nnb 
Herren auSbent Gioilftanbe unb fchloß Utchelnb 
mit beu SDprten: 

„Der H«vr Gommerjieurath Gerf fehlt natiir» 
lieh and) nicht, obwohl er Don ber gmibigcit 33a» 
voneffe feine Giulabimg erhalten hat." 

„Selbftoerftänblid)," bemertte ^>irfrf)fctb iro» 
ttifch- „®er ift beim biefer Herr Gerf ?" fragte 
SlohauneS neugierig. 

„Wim," ermiberte (tichelnb Hirfdjfelb, „Herr 
Gerf gehört bem utofaifdjen GJlauben an unb 
befißt ©elb genug. Wuf gut bentfeb heißt er 
eigentlich H>efch nnb er ftammtPon einem 3ubcn 
gleidjeu WanieiiS, ber miihretib ber ^Belagerung 
WagbeburgS im breißigjähvigett ftriege Dillp’S 
Spion gemefei! fein toll. Diefev WofeS Hiefd) 
legte beim at:d) ben ©rtinb jum Weidjthum fei» 
ncr Wnchfoinmeii, iiibent er ben pliiiibernbett 
Heeren uachp'g unb ihnen pi Spottpreifen ihre 
!Beute abfaufte. Wit 33ernchtimg gebcuft man 
ncch heutigen DogS biefcS '-Patrons, besljalb ift 
eS crflärli^, baß ber jeßige Wachfoinme fid) nach 
einem anbern Waiftett fcljute. WIS reicher IBanfier 
modte er ja hoch eine gemiffe Wolle in ber Stabt 
fpieleit. er erfah fich Wapolcon pi feinem Hflbeit 
unb Wetter au§ unb iiberichte beu beutfdjcu 
Hivfd) ins tSraujöfifche. Gin Ditel war für ihn 
ebenfalls halb gefimbett tmb fo entftaub ber bc= 
rühmte Gommcrjienrath Gerf. habe bir bie 
©efchidjfe nur beSßalb mitgctheilt, bamit tu bid) 
in ©efellfchaft be» müvbigcit WaimeS nicht ju 
potriotiidjen Weutcruiigen hinreißen läffeft, beim, 
mie gefagt, er ift ein gliitjeubcr Verehrer Wapo« 
leouS, troß feines „weichen" HerjenS, beßen er 
fich ho> jebeut ^Cnlnffc rühmt." 

„Wannte ber Diener nicht auch beit Warnen 
einer Dame, welche gegenwärtig hiev bermeilt?" 
fragte Johannes. 

„Wichtig, bie ©räfin Sübbeuau. 3ch feinte 
fie nicht, foitbern weiß nur, baß fic bie Öje» 
ntahlin eines hohen öfterreidjifcheit OffiperS 
ift, ber jur entfernten Söermaubtfcfjaft meiner 


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202 


Hrdjt muß jtrdjt blrtbrn. 


2 mite gehört. Tie junge grau warb fcfeon 
lüugft erwartet." 

Tie (Srmübung ber Steife liefe bie greunbe 
halb ifeve Stufeeftatt aufiuifecit^ erft am mibeven 
SJtovgcu liefeeu fie fiel) bei bev fcdjlofefeerrin me!« 
ben, bev Paronin (Sfcfewege, toeldje bereite 
mit ihren beibeu ©äffen beim grüfelliitf fafe. 
Stad) bev gegeufeitigen Porftellung nahmen und) 
bie beiben jungen SJiänner an bem Tifcfee plafe. 
3m Hellauf bev Unterhaltung äußerte £)irfd)= 
felb: „'-Bitte, j£>evv (Sommergienrath, „bavf iefe 
nidfet 3 fere ©iite für miefe in Slnftmid) nehmen, 
©ie tonnten ntiv einen ©efaden evmeifen." 

„£evauS bmnit, Sie mijjen ja, iefe befifee ein 
weidjeS £>erg." 

„ 3 dfe langweile midfe nämlich gong entfefelidfe 
nub möchte gerne miebev in bie Slrince eintveten. 
Horljer luiti iefe miv abev bie ©adfee ein wenig 
mifeheu nub beffev fvanjöfifd) lernen. TeSfealb 
feabe id) bor, nach SStagbeburg gu neben, Sonn« 
ten ©ie miv bovt mit eininen ©liibfefeluiigen gur 
©eite ftcfeeit ?" 

„SticfetS leichter als baS," vief bev Hantier er« 
freut, „id) loill ©ie bei nden meinen 3 ?venitben 
einfübven. beim es fveut mich, bafe ©ie cnblicfe 
beffern ©inueS geworben finb unb in bie gvofee 
Slrntee eintveten wollen, weldje bev «Q'aifev nnv 
n Stuhni unb ©ieg fiibvt. 3 <fe will ©ie ein* 
üferen bei meinem ffveunbe, bem ©eneral oou 
SJticfeaub, wetebev ift bev ©otibenteur non SStagbe« 
bürg, nub iefe will fie entführen bei meinem 
frreunbe, bem gefürchteten Gfeef ber '-ßolijei, bem 
©enerolcomntifjär Woifej, unb noefe bei biefeit 
anbevu ^vcunben will i<fe ©ie einfübven. 2öaS 
tbue id) niefet fiiv ben Steffen meiner Hebens« 
wiivbigeit ^fveunbin) ber '-Baronin bou ©fefemege, 
id) bub’ ja ein weufeeS #erg." 

lieber baS Slntlife ftirfcfefelbS flog es Wie ein 
Hliti. (Sv banfte bem Hantier auf baS 3*>bor= 
bominenbfte unb fügte baS Hcrfpvcd)cn binju, 
in wenigen Sagen bei ibm in Htngbeburg gn er« 
febeinen. 

„Stattirlidj werben ©ie abfteigen in meinem 
£niufe," niefte (Seif woblwollenb. Tod) madjte 
ber Sieutenant bon biefer (Svlaubnife feinen 
©ebvaucb, was feinen ©önnev cinigcrinafeen ber« 
ftimmte. 

Ta bev Cfommergienrath mit Stadfemittage 
wieber in feinem ©.jefeäft fein wollte, fo beruh« 
fdjiebete er fiefe alsbalb bon ber Haronin unb bev 
©efellfcfe.ift. Ta« Stollen feines ©ageuS mar 
taiim in bev fyerne berbaflt, als ein ftattlidjev 
Steiler bem ©ifelöfufecit fid) näherte. Tev j$vembe 
moefete^ein Tveifeigcv fein unb fd)ieu, nach ber 
alten ©olbateniniilie gu fdjliefeen, fviifier bem 
fDtilitärftanbe angeljört 311 haben. Tie fefteu 
Sinien beS tiefevnften SlntlifeeS geigten an, bafe 
ber fväftia gewaefefene Htmin fdjon maintjen 
©cfeidfnlsfturni übermuubeit hatte. ©äfercnb er 


fidjh bem £)errentjanfe näherte, unterhielten fiefe 
©irfcfefelb nub Johannes mit ber.©räftn 2 üb« 
b e 11011 , weidfee jefet plöfelidfe ben fiieutenant 
frag: 

„Stellten ©ie mir nidfet 31)«« pfreunb als 
einen Ferrit Statbob bor ?" Sluf &irfcfefclö§ He« 
jafeung fufer bie junge fd)5ue grau jefet gu 3 ®= 
feanues geweubet fort: „Tiejev Slawe ift mir 
311 m Ceftern bon einem SJtaune vüfemenb ge« 
umint worben, bem id) großen Tauf fcfeulbe, 
ja, id) fann wofel fagen, mein 2 eben bevbanfe." 

„Unb wie nennt fiefe bev SBaeteve ?" fovfefete 
3ofeanneS. 

„Seofeolb bon ©belbeef; er ift fotoohl wegen 
beS gvofemiitfeigeu ©djufeeS, ben er mir in mei« 
item gefeilten 3 nfeve gutfecil werben liefe, als ber 
wichtigen Ticufte halber, bie ev bem öfterrcidji« 
fcfeeu ftaiferhaufe geteiftet, geabelt worben, ©r 
ergüfelte mir biel bou einem Statbob, weidfeer ber 
ffrenub feines ©rofebatcvS getoefeit fei —" 

„©11113 reefet," fiei3ohanneS lebfeaft ein, „and) 
iefe eutfinue mici), bafe mein ©rofebater einen 
©belbec! erwähnte." 3°l'i trat bie ©errin beS 
Kaufes, Söorouiii ©fdjirege, mit bem fremben 
SteiterSmaun ins 3>mmer. „Stifte . . . alter 
tfrcuitb!" vief ^>ivfd)felb miffbvingenb nub ftreette 
bem ^aiiptmanii bie £>anb mit ben SBorten ent« 
gegen: „©eien ©ie feerglid) willfoinmeu!" 

Tie ©täfiit Sübbemiu betrachtete beu netten 
Sfnfommling fefev aufuievtfam, befjen fdjöneS, 
niäimlüfe ebleS Slntlife ifer fofort Vertrauen ein« 
flöfetc. ©ie inert e es ben beibeu ehemaligen 
Cffigiereit an, bafe fie fiefe gern allein oiiS« 
fbreifeen möifeten, 1111 b crl^b fiefe bafeer mit beit 
SfÖorten: 

„3d) räume ben Herren baS gelb, ©ie haben 
fiefe gewife als gute Teutfdje fo SJtmnfeeS 311 
fagen. Was eine fjran 301 'in niefet hören tarf. 
3 nbeffen eilen ©ie bmnit, beim iefe fefere halb 
mit einem wichtigen SBricfc guriid, ber für beu 
fierrit ^auptmann bon Satte beftintmt ift." 
©ie berueigte fid) leid)t unb ergriff ben Slrni ber 
neben iljr ftchcnbcn '-Baronin, in bereu ©efell« 
fefeaft fie baS 3<mmcr betliefe. 

Ter {vmptmaim waubte fiefe jefet an 3ohau= 
neS, bon weldjent ifem bev Sieuteiiaut biel Stüfein« 
lidjeS ergäfelt, 1111 b fragte ifen, ob er bon iferetn 
Unternehmen wiffc. „fjveunb ©tigen feat mir 
SllleS bertrauenSboll mitgctfeeilt," erluiberte 3o= 
haniieS in feiner befefecibeuen SBeife. „Sind) mein 
ffierg blutet beim Slublicf beS gefucdfeteten SBater« 
(anbeS unb iefe würbe gern burefe eine mannhafte 
Sfeat meinen Patriotismus begeugeu, boefe fühle 
iefe niiefe bei meiner 3 i>gcub itcefe 311 fifewaefe 
ba 3 ii." 

„©erben ©ie ein ©lieb ber Sette, bie 311 
fdjliefeen tui.v im '-Begriffe ftefeen," rietfe ifem 
Satte bätevlid), „bann erftarten ©ie burefe baS 
leuefeteitbe l'eifpiel 3fe»'cv PtinbeSgenoffen." 


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üfd)t muff JleZt bleiben. 


203 


„2foßt ftitl baboit," mahnte ftirfZfelb, „iZ 
böre dritte, bie ©rüfin fomnit guriief." 

@o mar es nudj. ©ie hielt einen Derfiegelteu 
©rief in ber £>unb, beit fie an Watte ftnmrn 
überreizte. 

,,©on nnferin ^o^en ©önner, bem #ergog 
ftriebricb Üöilbtm Don ©rauufZmeig!" rief ber 
pauptmanit. „2BaS mag er uns gu ntelben 
haben ?" 

„©ielleiZt roünfZt er gu loiffen," begann bie 
©räfin mit einem lierfiirfjen SüZelit, „roaun 
©Zill mit feinem 9tegimente auf Orient tmb 
fyuiptmann Watte nub Sieutenant ^irfZfelb 
bie gfeftniig ©tagbeburg überrumpeln." 

Sie brei ©titulier prallten erfZrotfeit guriidf. 
©ie fabelt ihr ©ebeimuiß an eine fyrau Der* 
ratbeit, bereit fraitgöfifZe £>ertuuft fie gu einer 
tfeiitbin ber SaZe Seulfd)lanbS machen mußte. 
GnbliZ las Watte beit ©rief, er lautete: 

„#crr Wamerab! —SurZ bie Ueberbringerin 
biefeS ©djreibeit», ^ran ©räfin Souifoit Don 
Sübbenaii, merbeit ©ie groei miZtige ©tittljei* 
limgeii erhalten, bie für unfer gemeinfameS 
Unternehmen dou großem ©ortljeil finb. Zubern 
iZ ©ie erfiidje, ber ffftau ©räfin ibr üolleS ©er* 
trauen gu fZeufeu uub fie als eine eble ©uubeS* 
genoffiit ber beutfZen ©aZe gu betrauten, bc= 
grüße id) Sie u. f.io." 

5t im mehr geigten fiZ bie ftreunbe erft reZt 
erftauiit. Sie ©räfin aber fagte jcßt in eruftem 
Jone: ,,©or 3b>ten ftebt eine Slnbäitgeriit ber 
frangöfifZeit WönigSfamilie, bie niZtS roiifen 
mag Don jenen ©olisbegliitfent, jnie fie gur 3eit 
ber 'JteDotution in BfraitfreiZ gehäuft, uoZ Don 
einem corfiiZeit Gmportöntjnling, beffeit mibe* 
grengter Gbrgeig beit ©egriff dou „©aterlanbS* 
liebe" faunt bem Söortlaute naZ fennt. 3Z ftelje 
baber ftranfreiZ Kilt feiitbliZ gegenüber, uitb 
lD'ibe gern meine fZmaZen Wriifte einer Station, 
welche, ioie bie beutfZe, auf ben ©turgDtapoleou 
©ouaparte’S bebaZt ift. 3Z Ö«be 3bueu mit* 
gutbeileit, baß OefterreiZ gum Wriege gegen 
tfraitfreiZ feft entfZIoffeit ift tmb Gnglanb bie 
Saitbuitg Don Sruppeu fomie eine reiZe Unter* 
ftiißuitg an ©elo gugejagt bat." 

vtimutcbr brach ber 3fu6e( toS, an bem auZ 
Johannes tbeilnabm, ber jeßt Watte förmliZ er* 
fuZte, ihn in beu WreiS ber ©mtbeSgenoffen 
auijunebiiteit. ©in Iräftiger £>aubfZlag beS 
fMuptmannS bilbete bie ©ntroort. 

„Sa nufere ©ugelegenfjeit fo gut ftebt," er* 
griff jeßt $irfZfeib baS SBort, „fo mage iZ mit 
einem fiibueit ©laue berüorjutretcn, ben iZ b<u= 
fiZtliZ ber Ueberrumpelmig ©tagbeburgS er* 
founeit. Würg gefügt: iZ toifl bie Seftimg doii 
Jnneit heraus erobern." „Uub mie beim?" 
frug ber Qauptmaiiu Watte. „9luf bie eiufaZfte 
SBeife," gab ©irfZfelb gur Wutmort. „3Z be* 
mühe miZ/ ben beutfZen Sljeil ber ©efaßungS* 


truppen für und gu getoiitnen, DerfZaffe mir bie 
©Zlüffel gu bem einen ober aitbent $aupttbore, 
feße miZ in ben ©efiß ber ©efZüße, bcmaltige 
ben an 3abl geringen ©egner — unb bie fjeftuug 
mit ihren reiZen ©orrätben ift unfer. ©elbft* 
DerftanbliZ reZne iZ babei auf 3 b« ©fitbilfe, 
Sreuub Watte, ©ie tnüffen mit 3Ören ©tarnt* 
fZafteit biZt oor ©tagbeburg flehen unb auf ein 
gegebene» 3 c 'Z«n burd) bie geöffneten Shore 
eingieben. ©lein GntfZlufj ftebt unmaiibelbar 
feft, — morgen reife iZ nach ©tagbeburg uub 
gebe uuDergiigliZ ait bie WuSfübruug meines 
planes." 

„Uub iZ folge 3Ö»en öalb nach," rief bie 
©räfin lebhaft, ber baS füllte ©JagnifjbeS Sieu* 
teiiant» gu gefallen fZien. „Unfer tbcuerer £err 
Gommergieiiratb ©erf loirb auZ mir fein 
„meid)eS ©erg" offenbaren uub iniZ in bie £fa= 
milieii feiner ^reimbe, meiner Sanbsleute, ein* 
führen. Sann, ^err Sieutenant, operireit mir 
getneinfZaftliZ, ©ie als SeutfZer, unb iZ als 
— tjraugöfin." 

©ie laZte uub £>irfZfelb fiel luftig ein. Ser 
ernfte Watte aber mahnte gur ©or|id)t uub luarnte 
namentliZ Dor bem ©oligeiZef ©t o i f e g unb 
beffen ©pioneit. „3Z fürchte baSÖcfinbel uid)t, 
fo lauge uns 9tont6erg erhalten bleibt," er* 
roibertc ^irfZfelb uub fügte, fid) gur ©riifiit 
rocnbeiib, erläuternb bingu: ,,©o lautet nämlid) 
ber 9tame eines SaiibmanuS, ber ehemals in 
Sienften meines ©ater» ftanb. Gr leiftet als 
Spion unfernt Unternehmen grofjen. ©orfZub 
unb binterbriugt uns alle 9liifd)liigc ber geljci* 
men ©oligei." „2ßie ift bieS aber einem fo fd)liZ= 
teil ©tanne möglich ?" fragte bie ©räfin erftauiit. 
„Saburcb, baß er in Waffel felbft in beu Sienft 
ber geheimen ©oligei trat." „SiefeS SBagniß 
fanu bem braüen ©tann febr gefabriiZ merbeit," 
Derfeßte bie ©räfin. 

„Gr meifj eS; boZ bangt ihm niZt für fein 
Sehen, .ba er es für feine ©fliZt erachtet, ben 
©turg ber fraugöfifZen ©emaltl)crrfZaft mit 
berbeifiibren gu bolfon. Stomberg ift iiberbieS 
Dorläufig in fein SörfZen gurüdgefebrt, um für 
aöe Sülle feine ©aZen gu orbuen uub für bie 
3ufunft feines Diergebufährigen SödjterZeiiä gu 
forgen." 

,,@o gebe benn ©ott unferm Unternehmen 
feinen Dollften ©egen," fagte Watte mit einer 
ernfteit f^eierliZfeit, moraiif bie brei ©taillier 
fiZ bie ^>änbe reizten. Sann fragte er ^)ir|"Z= 
felb, mo berfelbe in ©tagbeburg abgufteigen ge* 
beule. 

„33ei bem SBeinbänbler ©Zraber, bem 
alten ^reiinbe meine» feligen ©aterS," Derfeßte 
ber Sieiitenant. 

„Uub maS gefZießt mit 3b*cm 3? re mibe 3o» 
banneS?" 

„Gr begleitet tniZ naZ ©tagbeburg." Unb 


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204 


$rd)t muß Jtedjt bleiben. 


wirtlich melbete fchon einige Doge fpäter ber 
Diener beS geftrengeu ©tagbeburger ©oligei» 
continiffarS ©toifeg gmei Herren, Don benen in» 
beffen mir einer bem Eljef ber ©oligei befannt 
mar. Der lange, hagere Wann ruugelte bie 
©tim, mobnrdj bie tiefliegenben binnen noch 
weiter in ihre £)öhlen guriicftraten. „©ante beS 
anbern ScfuChS?" ffießber mißtrauifChe ©toifeg, 
beffen (auernber ©tief nnb fpiße'Jtafe fortmährenb 
©errat!) nnb Worb gu roittern fetjienen, Ijeruor. 

„£>err Eugen Don £>irfd)felb," erroiberte ber 
Wiener. „Er bittet um bie ©nabe, in ©efell» 
fcfiaft beS Cperrn EommergieurathS Eerf bem 
£>errn ©eneral * Eommijfär feine ©ufroarhutg 
machen gu biirfen." 

„Üteinfommen!" 

Der Diener entfernte fich nnb gleich nachher 
traten bie beiben ©einher herein. „®nten Dag, 
mein ©efter," grüßte mit lauter Stimme ber 
Santier nnb eilte auf ben ruhig bafteßenben 
Woifeg gu, beffen prilfenber ©lief auf £nrfchfclb 
ruhte. „Sie beleihen, baß mir Sie fo früh 
fchon ftören, hoch mußten mirbiefe geitige Stunbe 
Wühlen, um Sie noch gu fjmtfe angutreffen." 

,,^d) bin heute allerbingS etwas preffirt," Der* 
feßte ©toifeg. ben ftopf nach aufwärts bengenb, 
,,bod) bitte ich, ©laß gu nehmen. Söomit faitu 
ich bienen ?" Der Sefuch folgte ber Einlabung 
mtb Eerf begann mit ©öunermieue: 

,,.£>err Don Jfiirfdgfelb ift ber ©effe einer ftreun* 
bin ’joii mir nnb hut gegen mich ben SÖuufch 
auSgefprodjen, in bie ruhmreiche ?lrmee bei? 
großen Napoleon eintreten gu bürfen. ©orerft 
gebentt er hier in Wagbehurg gu bleiben, um 
burCfj meine ©ermittlung in ben boruehmen 
frangöfifchen Greifen eingeführt gu werben nnb 
fich in ber frangöfifchen Sprache gu bernofl* 
tommneu. ^d) titte für ihn um Ighr 3öof)l* 
wollen." 

„(Sine fo worme Empfehlung 3f6rerfeit§ ge» 
niigt mir," fagte ©toifeg trorfeu. ©ach furger 
©aufe fragte er ben fiieutenant plößlich: „Sie 
nennen fich fjiirfcßfelb? Der ©ame ift mir nicht 
nnbefannt. Dienten Sie nicht als Offner im 
preußiftben £eere ?" 

fjirfdgfclb bejahte es nnb fam einer Weitern 
ffrage beS ©oligei*EommiffürS 3 iwor, inbem er 
äußerte: „Die bebeutenbe ©erringerung beS 
beutfdjen £>eereS machte hunberte boit Offneren 
üherfliiffig." 

„ffiarum traten Sie bann nicht gleich in bie 
frangöfifche ©rtnee ein ?" fragte ©toifeg, beffen 
fcharf beobachtenber ©lief auf £)iri<hfelb ^nftete. 
„Darf ich offen fein ?" waubte fiel) ber Lieutenant 
lücßelub an ben ©anfier. „So Diel Sie mofleu," 
betljeuerte Eerf, baS £>aupt gur Seite neigenb. 
„Der ,£>err ©oligei commiffär ift ein Ehrenmann 
unb hat, wie id), ein weiches £>erg." 

„©ein benn," äußerte £irf<hfelb im Done 


größter Cffenhergigfeit, „fo will ich 3hnen oenn 
betennen, &err ©toi feg, baß ich bis üor ft argem 
ein ©egner 3 hier fiegreichen Sanbsleute gewefeu 
bin, baß bas ©enie ähreö ruhmreichen ftaiferS 
aber meine ©efinnung Dodftänbig umgewanbelt 
hat. leime feine größere SeßnfuCht, als fei. 
neu tfahnen gu folgen." 

„©raoo! ©rabiffimo!" tlatfdhte ber entgücfte 
©anfier. 

„Entfchulbigen Sie!" ertönte inbiefem ©ugen» 
bliefe eine etwas heifere, aber ungemein fünfte 
Stimme. 

£)irfd)fe(b fah fiCh um unb erblicfte an bet 
Dhiire einen hohen frangöfifchen Cffigier, beffen 
fchneeweißeS &aar nnb gutmülhige ©efiCßtsgüge 
ihm etwaö EßrwürbigeS gaben. 

,,2BelCh’ glücf lieber !" rief ber ©anfier 

nnb fchnellte Don feinem Stuhle auf. „©rollt' 
ich boCh Ew. Ejceüeng noch heute früh mit mei* 
nein Schüßling hier einen ©efuCh abftatten unb 
um 3hr freunblidjeS Wohlwollen für brnfelben 
bitten." 

„Darf iCh erfuchen, miCh bem jungen £>errn 
jeßt gleich Dorguftelleit ?" erwiberte bei: alte ©ti* 
litär, worauf ber gefällige Eerf fChmuugelnb be* 
ganu: 

„Seine Ejrcefleng, £err ©oubemeur Don 
W i ch a u b, mein greunb." Sobann beutete er 
auf feinen Scßüßling, in Domehmem Done beffen 
©amen nennenb. Snbefjen hatte ©toifeg burCh 
bie ©locfe feinen Diener herleigerufen, bemfelben 
einen geheimen Sluftrag gebenb. 

„.C'ierr Don £>ir|cbfeib perweilt fCßon längere 
3eit hier in Wagbehurg ?" hüftelte ber alte ©ou= 
Dernenr. „Erft feit geftern, Ercellerg." „Sinb‘ 
im ©afthof abgeftiegen ?" „©ein, fonberit.un* 
weit ber ^auptmadje, bei bem Weinhnnbler 
Sehr ab er." Woifeg faltete bie Stirn unb 
fagte mit ftrenger ©mtSmiene: „DoS ift leine 
gute ©breffe, bie Sie fich ba gewählt haben. 
Schraber ift als ein ©tann befannt, ber bie 5 ran* 
gofen bitter haßt." 

„Das habe iCh nicht gewußt," entßhulbigte fich 
fiirfchfelb, „ich war iierrit SChrober bie ©iief. 
ficht, mein Cuartier bei ihm aufgufChlngen, fchon 
infofern fCßulbig, als er ein greunb meines 
SaterS gewefen ift." 

„|ierr Don ^»irfchfelb gebenfen alfo bei uns in 
Wagbehurg gu bleiben?" fragte ber freunblidje 
©onuerneur weiter. Der Lieutenant bejahte 
unb Eerf ergriff bie giinftige ©elegenljeit, wie» 
ber einmal baS ffiort gu führen unb in ge* 
fchwäßiger Steife bem ©onuerneur Cie ©bfichten 
unb SBünfChe $irfd)felbS funb gu thun. ©tichaub 
feßien an bem jungen ©tonne ©efadeit gu fin» 
ben, weshalb er ihm auch freunblidj entgegen* 
fam unb baS ©erfpredjen gab, naCh Wögjicfjfeit 
feine ©tiinfdie gu berncfficheigen. Dann modjte 
fich ber Lieutenant wieber auf ben Heimweg. 


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$td|t muß bleiben. 


205 


„3$ b«t* beute einen Sieg errungen, of)ne 
baß id) bas fd)toere ©eia üb ins Greifen gu führen 
notfjig gehabt b all e," vief er bem gremibc unb 
©attr »djraber gu, welche in gefpanuter Pr« 
Wartung beit Mitteilungen fjivfcbielbs laiifcbteu. 

„MeS gang fchöu unb gut," nicfte ber ©ein« 

bditbler, „aber-Moifeg ift ein flauer 

TOenfd), barum feien Sie uorfübtig, mein lieber 
pugett." 

Sie ltächfifolgenbeu Sage benußie ber Lieute« 
nant bagit, fid) beS ©obiwollenS Moifeg’S unb 
MidjaubS oollftünöig gu ueriicberu. 9luf Scbra« 
berS ©at& führte er and) 3<>h«nneS bei bem Pbef 
ber ©oligei ein, benn es tour bejfer, biefer erfuhr 
bureb brn Lieutenant bieMwefeubeit beS jungen 
9t a t b ob, als burtb bie geheime ©oligei. Moi« 
feg geigte fitb and) gegen ^obauneS gudorfoin« 
tommenb, bejfeu Sfugenb bou ootn herein fein 
Mißtrauen auftommeu lieft. 

$irfcbfelb unb Johannes begleiteten ibn fogar 
öfters auf feinen Spagiergängen, bie er gewöhn« 
litbam e>pätuacbmittagangutretenpflegte. Md) 
beute uitternabmeu fie einen gemeinfcbaftlicben 
Ausflug unb ftblugen bie Lanbftraßc ein, welcbe 
nach Schönebecf fiii)rt. ©mt bort tarn ein £>au= 
firer mit einem jungen Mäbchen, baS feine Sod)» 
ter gu fein feßien. 91 iS berfelbe an ben Spagier« 
gättgent doriiberfebritt, grüßte er mit lauter 
Stimme, bei beren Slang £>irfcbfelb ftufete. Pr 
blkfte beu ftrentben genauer an unb fein ©lief 
begegnete bem feiuiaeit unb fofort mußte er, baß 
er 9tpinberg dor fitb batte. 

Ser Lieutenant dennotbte nur ferner feine 
innere Unruhe gu berbergeit; er fürchtete, ©om» 
•erg tönue, ba er unmöglich ahnte, baß fein ©e« 
gleittr ber derfebmißte Moiiej fei, derratfjen, mit 
ihm befunnt gu fein. Mein ber ©auer blieb 
ruhig unb gab fid) ben Mfcbein, als ob er ben 
jungen £>errtt ginn erften Mal in feinem Leben 
fdbe, bann fdjob er feinen £>aubfarren weiter. 
Moifeg bliefte ©ater unb Sochter gebanfenboll 
nach, bamt fagte er gu feinen beibeit ©egleitern: 

„Ser Mann bot ein äußerft fd)laueS Mge. 
3<b traue all ben Menfcben nicht, welche als 
ftaufirernnb berg(eichen im Laube beruingieben. 
derartige PJefdjäfte finb in ber Siegel nur ©or= 
wanb, um geheime ©bfiebten unb 3>»e<fe gu ber« 
bergen. ©Bie gefügt, ber fcßlaue ©lief jenes 
Mannes flößt mir Mißtrauen ein — ich »erbe 
ihn feßarf beobachten laffen." ©irfchfelb mar 
jeßt feft badon iibergengt, baß Moifeg noch in 
berfelben e>tunbe ber gelammten ©oiigei ©efebl 
ertheilen werbe, ben frembeit £>aufirer anfS ©e« 
naueftc gu beobachten. Umfomebr mußte bem 
Lieutenant baran liegen, möglicbft halb mit 
Äontberg gufamntengutreffen, um benfelben gu 
toarneu. Man batte baS Sßor roieber erreicht, 
»o foebeit bie ©aeße unters ©emebr trat unb 
ber ©blöfuttg ^arrte. Moifeg grüßte ben fatim 


dreißig 3aßre gäblenben Offigier febr gudor» 
fommeub unb äußerte gu £>irfcbfelb, mäbreub er 
fich mit ihm unb 3obanueS bemfelben näherte: 

„3<b will Sie 3ßrem fünftigeit ßßef dor« 
ftelleit." 

Ser frangöfifdje Oberft fam bem ©enerol« 
Pommiffär uerbinblich einige Schritte entgegen 
unb cröffnete baS ©efpräcß mit ben ©'orten: 

„Stach ber ©efebveibung beS ©eneralsMichaub 
gu fcßließeii, führen Sie mir in biefem jungen 
Manne hier £>erru tum f)irfdbfelb gu." 

Ser Lieutenant bejahte, unb Moifeg ftellte 
beu frangöfifeben Polonel als Pointe b’&au« 
itaigue dor, biefer aber beutete mit einem 
©tiefe au, baß er auch bem feitwärts ftebenben 
3ohaiiueS dorgefteflt gu werben wiiufche. ©ei 
©ennung beS Samens „©atbob" ginf te ber Polo« 
nel leicht gufammen, aber auch in ber Seele don 
Johannes fdjien etwas dorgugcljem £>irf<bfelb 
beobachtete ©eibe unb eS wollte il)u bebiiufen, 
baß etwas geinbfeligeS in ber Stimme bcS ©ra« 
feit liege, als biefer jeßt au SohanucS bie ffrage 
richtete: 

„Stammt 3b« Samilie aus bem Plfoß?" 

Mf bie bejabenbe Mtmort hin gog fich her 
frangöfifdje Offigier febr falt guriief, worauf 
Moifeg mit feinen ©egleitern ben ©eg in bie 
innere Stabt fortfeßte. 5lu<b ihm war ber üble 
Pinbrncf nicht entgangen, ben bie ©orftetlung 
beS jungen ©atbob bei bem Polonel berdor» 
gebracht. #irfcbfelb ließ baS Mißtrauen beS 
©oligeidjefs jeboch nicht auftommeu, inbent et 
ihn rafch in ein ©efpräd) berwiefette unb nach 
bem ©rafeti frag. 

„Pr ift ein großer ©iinftting ©apoleonS," gab 
Maifeg etwas nacbbenflich gur Antwort, „allein 
mit ©echt, benn einen toflfüljneren unb für ofrauf» 
reich begeifterteren Offigier giebt eS faum in ber 
9!rmee. Pr bot wie ein Löwe iu ber Schlacht bei 
3ena gcliimpft, feine ffameraben neunen ihn 
baber auch nur ben „wilden 9taoul." Pr bot 
noch einen jüngeren ©ruber, ber gleicbfollS im 
Öeere bient, aber ihn bei ©eitern nicht erreicht. 
Pr ftammt aus einem uralten ©belSgcfdjlccbte 
im Plfaß. ©ielleicht,, baß non bortljcr 91 a o u 1 
b’$an itaigue ben ©amen 3b«ö greunbeS 
fennt ?" 

^jirfcßfelb gücfte bie ©chfeln, Johannes aber 
ertoiberte rafcf): 

„Unfere ©orfaßren hoben im fechSgebnten 
3obrbuubert in Straßburg gelebt, wie benn 
überhaupt ber ©ame ©atbob elfäffifcß ift." 

Sa man baS ^>auS Moifeg’S erreicht hotte, 
trennte man fich. 3fßt erfuhr 4>irfd)felb oon 
3obonneS bie dolle ©ahrbeit, nämlich, baß 
gmifcbeu ben beiben Familien b’^aunaigue unb 
©atbob fchon feit naßegu brei 3ohrhuuberten ein 
töbtlicher i>aß beftebe, ber bur$ ein unterfchlage* 
neS Seftament herdorgerufen worben fei. 


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206 


Heißt muß Sedjt bleiben. 


„3<h ocrmng bir ba? Wifeere nidjt ju ersäufen," 
fcfeioß 3obaune?, „bagegen wirb e? mit ©er« 
gnitgen mein ©ater tbun, wenn bu uit? in ©er« 
iin ioieber befucfeft." ,,3d) fjiitte jeßt auch jiim 
9lubören bev ©efefeidjte Weber bie uötbige 3 e >* 
nocß SRuije," geftanb hirftfefelb offen bergig, „benu 
id) bin- um SRomberg beforgt, 1111 b flirrftle Woi« 
fej’? <&ch(anbeit. 3ebenfa!l? will id) beit brauen 
Warnt warnen." 

3n ber Sfeat Rettte h’tfdjfetb einfige ÜRach« 
forfdjitngen wegen Utomberg au, bocij batten 
biefelben nid)t beu gemünfdjten ßrfotg, mtb ob« 
wobt hirfcßfelb tagelang burtb bie Straften 
Wagbeburg? irrte, ftiefe er Weber auf fRomberg 
noch auf beffen 3ocfeter. Schon glaubte er, baß 
ber oorficfetige Wann bie Stabt wicber berlaffen 
habe, als fuß ibm plößtidj, beim ©iegen um 
eine Stroftenede, eine frembe f)attb auf bie 
Schulter legte. 

ßrftaunt wanbte ficb hirfcßfelb um nnb er« 
btidte eineu ältlichen Wann mit langen grauen 
paaren nnb einer ©ritte. Sie biirftige ,tf teibung, 
fowie ein ©unb mitten, beu ba? ältliche Wänn» 
eben unter bem 9(rme trug, ließen hirfcbfelb 
baranf fcbliefeeu, baß er e? mit einem ber nieten 
Schreiber ju tbun tjnbe, bie in ben jablreidjen 
ffliireau? befchäftigt waren. Wedjanifcb langte 
nufer greunb in bie Safdje, um bem ftremben 
ein 9t(mofeu p oerabreicben, boch biefer fchiittette 
ben ifopf nnb fagte: ,,©id)t fo, |)err ßugeti bon 
f>irfd)felb." „ha, fRotnberg!" rief hirfchfelb 
hocherfreut, bie £>anb be? enblich 9tufgefunbenen 
herzlich fchiittetnb. „Sodj fagt, wo habt Sb* fo 
lange geftedt?" „St!" ftiefe SRomberg beroor, 
„auf ber Strafte borf man foldje Ungelegen« 
beiten nicht üerfeonbeln. ffi'ißren Sie mich nach 
3ferem Quartier." Safelbft angelangt, brachte 
hirfchfelb, nachbem er ben ebvlichen Sanbmaint 
mit Johannes näher betanut gemacht, ba? ©e= 
fpräd) jimächft auf bie 9lngft, welche er bei feiner 
©egegnnug mit fRomberg Por bem Show ber 
Stabt auSgeftanben batte. 

„^iitet (juch t>or biefein Woifej," rief er fRom« 
berg warneub p, „beim er bat ©erbacht gegen 
Such nnb fucht Such p umgarnen." „©eife 
wobt, Woifej läßt nach mir forfchen, be?ljatb 
oerbarg ich mich auch bi« bei einem guten 
tf reiiube, bi? ich wir biefe neue ©erfleibung an« 
gefchafft. 9lber auch ähnelt mißtraut er." 

hirfcfefelb nnb Johannes blidteu ben Sprecher 
betroffen au. 

„Wein fyreunb b'«>" fuhr fRomberg fort, 
„ein grunbebrlicfeer .Wert nnb im fersen gut 
beutfcfe, bat, Pon ©otfe getrieben, in bie perbaß« 
teu franjöfifdien Sieufte treten mitffen. Snrtfe 
feine fd)öne Sdjrift unb Ä^enntnife beS fjranjö« 
fifcben bat er ben ©often eine? erften Schrei» 
ber? bei Woifej erhalten. Surdj ihn erfuhr 
ich’§." 


„©erwiinfcfet!" rief hirfchfelb, mit bem ffufse 
fiampfenb. „9lber auch gegen mich," fügte ütom« 
berg finfter feinp, „bat bie ©olijei ©erbacht ge» 
fcfeöpft unb läßt mich überwachen, ohne bafeid) 
weife, bon wem. Sa? Schlinimfte aber ift, bafe 
mau ahnt, wa? im ©erfe ift, bie fRamen ber 
^Parteiführer aber gliidlicher ©eife noch nicht 
fennt. 3cb will baber nach ©erlin, um ben 
£>errn Wajor Pon Schiß unb feine ©enoffen ju 
warnen." 

|>ir|<hfelb fchritt in tiefer fRiebergefchlageubeit 
burch? 3’nnmer, wäbrenb 3ofeonne? miitblo? 
auf einen Stuhl gefunlen war. ßitblich blieb 
ber Sieutennnt Por 9toin berg fteßen unb fragte 
ihn nach feiner Sochter. 

„3ft e?ßuerßrnft, bafe fie fich hier ein Unter« 
fommen fuchen fofl ?" 

IRomberg fchüttelte ben $opf unb erwiberte 
mit einem fdjweren Seufzer: „ß? war bie? nur 
eine 9lu?rebe bem neugierigen Woifej gegenüber. 

3cb habe fie bie?mal mitgenommen, weil ich mich 
nicht Pon ifer p trennen Permochte, ß? ift eine 
9lfenimg in mir, al? füllte ich ba? Wäbcheit nicht 
mehr oft feben. 9lufeerbem bat fie felbft fobrin» 
genb. mich begleiten gu bürfen, bafe ich e? ifer 
nicht abjufchtagen permochte. Unb bennocß fann 
ich fie nicht weiter mit mir nehmen, benn bie 
©efnhren, welche ich bon hi« bi? ©erlin $u be« 
ftcben habe, fiub ju grofe unb gu Piele." 

,,©o foll ©ertrub hi« in Wagbeburg blei« 
ben?" fragte hirfcßfelb tbeitnabmäPoII. „©et 
meinem fjfreunbe," erwiberte fRombttg acbfef« 
judenb. „ß? bleibt mir feine anbere ©afel." 

„ßi ^reuttb," rief £>irfd)felb, bem e? wie ein 
Slife über bo? 9lntlife fuhr, „bringt fie hierbei 
jnni ©ater Schrober, hier ift fie Pötlig ftchetJRi 
aufgehoben." fRomberg brtidte bem ÖWitenant/ * 
gerührt bie £>anb unb gab bamit fein ßinuerff^ 
fiänbnife ju erfentten, bann jog er ein ©latt ©a/^ 
pier berpor. 9tuf ben fragenben ©lid be? Sieu^r 
tenant? fagte er: , 

„ß? ift bie? bie Ülbfdjrift einer geheimen ßa= i 
binet?orbre be? ffönig? Pon ©reufecii, in welcher 
3?riebrich ©ilbftm offen au3fprid)t, bafe ba? be» 
brobte ©aterlanb nur burch bie £>ilfe mib Opfer 
bc? beutfdien ©otfcS gerettet werben fönite, unt^ 
bafe be?batb Unternehmungen, welche fi<h gf«<n 
bie franjöfifche ©ewaltberrfchaft richten, Pon ifem 
gerne gefcben werben würben." 

hocherfreut griff hirfcbfetb nach bem ©apicr. 
„Siefe wenigen 3fii fn toerben mir für meine 
3wede mehr mißen, at? ber befte ßmpfefelmtg?» 
brief, ba bie ©ürger mehr ©ertrauen jn unferm 
Unternehmen gewinnen werben, wenn fie er« 
fahren, bafe ber Äönig baffelbe gutfeeifet nnb 
wiinfcht!" rief er freubig. 

911? fech ©ertrub gegen 9lbenb mit ihrem ©ater 
einfanb, worb ihr ber gaftlichfte ßmpfang ju 
Sfetil- Senitod) blidteba? junge Wäbdjen traurig 


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üilijflm. 


207 


bor fuß nieber; ber 91bfdjieb Pont Kater, bie 
Sreuniiitg auf unbeftimmte 3 eit, erfüllte ifjre 
batigetibe Seele. 9luch fie batte bie biiftere 
9fbuung, baß fie be« Kater nicht mieberfeljen 
füllte. E§ maren fdjmere 9(iigenblide, al« Kater 
uub Pachter boit einauber Kbfchieb nahmen. 

„Kfntfj, meine ©ertrub," flüfterte 9tomberg, 
all’ leine Äraft jufammennebmenb, „toeube ben 
SBIict nach oben, beim ©ott hilft ben Seinen! 
3 <h laffe bich hier bei unten Ktenfcheu jnriic! 
uub lehre, roeitn e« be« $errn Söiile ift, halb 
roieber, tun bich mit mir ja nehmen. Ktutfj, 
Kläbdjen, —Kiuth! 9luf KMeberfeljeu!" 

„$ort!" fchloß ©ertrub leife, ben Klid jum 
£>tmmel richtenb. 

5)er Sieutenant mar fRomberg uefolut. 3 >it 
bem Korhaufe anuelanut, rannte ihm biefer }it: 
„3dj muß fcbleunigft bie Stabt berlaffen, uitb 
*roar noch biefe Kocht. 3 ‘h merbe einen Ummeu 
über ©arbeleuen nnb Stenbal machen, um bein 
{tauptmaitn .Watte 9l(fe« getreulich jn berichten, 
ma§ ich hier oernotnmen habe. — Sebett Sie 
wohl, €>err Sientenant, nehmen Sie fi<h meines 
armen .ftinbe« an uub . . . uub," feßte er mit 
bor SBefjmtith ftoclenber Stimme hiujtt, „roenn 
ich nicht roieberfehreu füllte, fo Beben Sic ihr 
hier bie geringen Erfparitiffe, roelche ich mir im 
Saufe ber 3eit juriidgelegt habe, — fie fiitb ber 
armen ©ertrub gan*e« Erbffjeil." Somit hält» 
bigte er bem oor Schmer* ftuinrn baftehenbeit 
fjirfdjfelb ein Keine« Kaddjeu ein. ©ebeuuten 
\wiupte#fchritt er ber fjouSthüre ju, maubte fich 
bafelbft noch einmal um nnb rief: ,,©ott mit 
3hnen, mein ffreunb! — geben Sie mobil — 
1 ©rußen Sie mir mein Xtinb, meine ©ertrub!" 
Sam» mar er oerfchmunbeit. 

* -»- 


!8 i I ll c I m. 

(Sine ©pifobe au« bem lebten beutf<h=franjößfchen Jlriege. 

Kon ®. O«toalb. 


\ (M af Sorf beftanb etroa an« einem Sußenb 
cv Käufer, ttnb in bem größten berfelbeit laßen 
1 mir auf Korpofteit. Äaiim bierfjunbert 
Schritt bor un« befaitb fid) fine ftarfe 91bthei« 
lunfl 3 r au*ofen in einem bon einem SBaffcr* 
graben unb Erbmall umgebenen geräumigen 
Schlöffe. Unfere Stellung fpraitg niimlich in 
feßarfer Spiße au« ber Korpofteuliuie heran« 
unb erforberte be«halb unfere boflfte 9fufinerf= 
famfeit, ba mir bei einem plößlidjen 9liigriff 
bnreh überlegene Strupßenmod)t leicht überflügelt 
merben lotinten. gür biefett ff all hatten mit 
Keftßl, un« in ben einige fjunbert Schritte hin« 


ter bem Sorfc angelegten Sdjüßeitgrabeit juriid« 
jujiehen unb bort Kerftärtung abjumarten. 

Sa« boit utt« befeßte ©eljöft, ein anfef)itli(hfr 
Kachthof, mar bon einer folibett Steinmauer 
umgeben, uub biefe Kleiner hielt un« gleichfant 
felbft eingentauert. 9lußer ju bietiftlichen 3medett 
burfte feiner beit fftiß au« bem ©eßöft feßeit, 
unb mo bie« untimgiiitßliih nothmenbig mar, 
mußte e« mit ber größten Korficht gcfcbeheit. 
Senn unfere heißblütigen ©egner lugten fcharf 
au« uub nahmen e« fdjoit gemaltig übel, memt 
fich nur eine Ktiiße au einer ber jat)Ireid)en, in 
ber Klauer angebrachten Schießfeharten jeigte, 
rächten and) foldjeit Kormiß ftet« burd) einige 
herübergefchidte Äugeln, ohne inbeffeit mit ihrem 
leichtfiunigen Schießen nuferen Seutett ihre üble 
©emohnheit abjugemöhuett. 

Kur ein eiujiger unter un§ burfte e§ mögen, 
fich gaitj frei unb unbehelligt bon feinblidjeit 
Äugeln außerhalb be« ©ehöfte« ju beroegett. S« 
mar aber auch ber einzige unter un«, meldjer 
fraitgöfifche Uniform trug, obgleich ihm baruuter 
ba« §erj gut beittfch fchlug. E« mar KMlljelm, 
unfer Saufburfdje, Safelbeder, SOaffentrüger, 
für*, toa« mar er nicht, biefer s fkad)ljunge boit 
brei*ef)it fahren mit ben rothen Klangen, ben 
treuherzigen 9lugen, bem pfiffigen ©efichtlau«« 
brtid nnb bent fich in allen Sagen ftet« gleich 
bleibettbeit ruhigen Sädteln ? 911« mir auf bem 
28ege nach bein ÄriegSfdjauplaße Kerliit paffir« 
ten, hatte ber Heine Sdjelm, mährenb fich ber 
3ug fchon in Kemegung feßte, plößlid) mit faßen« 
artiger ©efdjmiubigfeit einen bou nuferen Seu« 
ten befeßteu Klagen erflettert, mar bort einem 
bärtigen 2 M)rmann in bie 91rme geflogen unb 
bon biefem fidjer aufgefangen, auch tVoß ber 
nachgefdjidteit Kroteftc be« Kahubeantten ener» 
gifch feftgehalten morben. 

So mär KMlhelm einer ber Uitfrigen gemor* 
ben, hatte alle ©efahreu uub Kefchmerben be« 
ffelbjugeö ftanbhaft mit uu§ getbeilt unb mar 
in ber ganzen 3 eit ttiemal« berbrofiett unb tniß« 
inuthiggefeßenmorben. tfiiribn marba«Ärieg§« 
mefen eitel Koefie. Sein elaftifcher uub ftapl« 
harter Äörper ließ ihn Entbehrungen, mibrige 
Klitterung unb erfdjöpfenbe Klärfdje mit einer 
Seid)tigfeit ertragen, um bie ihn mancher KJehr« 
mann, ber fdjoit ben britten gielbjug mitmachte, 
bcnciben mochte. SKilhelm mar eteit fein ber« 
meichlidjte« Klutterföhncheti. 35ie ©efaljr, burdh 
ein all*u järtliche« Ktutterfjer,* ber’ärtelt 311 mer« 
ben, mar für ihn nicht borhnnben; beim feit 
langen fahren machte fein Klutternuge mehr 
über ihm, uub ba fein Kater — meint ich mich 
recht erinnere, ein Kerliuer $rofd)fenfntfd)er — 
burch feine biettfHidje Kefchäftigmtg beit größten 
2heil be« Jage« bent ^)aufe fern gehalten mürbe, 
fo mar ber 3uttge mehr auf ber Straße nl§ iin 
©aufe aufgemadhfett unb hatte fich auf biefe 


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208 


üill)rta. 


©Seife ju fernigem unb in feinem ©Iter feltenem 
felbftftänbigen ©Sefen eutmidelt. fjrrcilirf) mar I 
es. ein große? ©liid ju nennen, boß bei bem 
©taugel häuslicher ©rjieljuug in bem roilb auf» 
gemacßfcueit .Quabeii ba? £>ei'i nirijt lertoilbert 
mar. ©ein, ba? mar e? nicßt! Dieben feiner 
bof)en potriotifeßen ©egeifterung befaß ©MKjctm 
eine mahrljaft riibrenbe ©utherjigfeit unb Selbft» 
lofigteit. ©Senn mir nach langem, anftrengen* 
bem ©tarfeße nufer 3icl erreichten unb feber bie 
Gelegenheit jmn ©uSruheu midtomnten hieß- I 
bann jeigte fich ©Mlßeli» in feiner ganjeii ©röße, 
bann fab man ihn, ber feine ©rmiibuug ju feit* 
nen ftßien, mie ein ©Siefel behenbe hi» »»b her 
laufen unb fich in einer langen Sette Don ©er* 
richtungen mißlich ermeifeit, mie ©Saffer holen, 
Feuer änjünbeu, hier einem lang ßingeftredten 
©k’hnnnnn ben ©toittel überbreiteu, bort einem 
bie Stiefeln atiSjieheit. Unb ba? mürbe oft Dan 
bumoruoflem ©efeßmäß begleitet unb ging ihm 
fo fünf doii ber £>aitb, baß man fich munberte, 
ihn an einem beftimmten Orte unb in einer be= 
ftimmten Xßätigfeit ju finben, ba man ihn bod) 
eben an einem ganj anbereit Orte unb in ganj 
anberer Xßotigfeit gefehen hotte, ©tan fonnte 
faft mahnen, er fei ein fleiner ©iiom, ber in 
imppelter ©effalt helfenb einherfchritt. 3it einer 
©ejiehung mar freilich ©Silhelm einem ©noin 
ober £)eiujelinünncßen recht unähnlich. ©Säfjrenb 
nämlich biefe fleinen, fleißigen ©tarcßcngeftalten 
ihre ©Snnbertljätigfeit nur bei Dtachtjeit obliegen, 
mar ©Mlßelm bes ©acht? ein abfoluter ©idjtS* 
naß. Xcnit fobalö bie Sonne untergegangen 
mar, lehrte muh bei ihm ber Sanbinann ein, 
unb hatte ihn einmal ber fünfte ©rm be? Sdjlaf* 
gölte? umfangen, bann mar e§ ein Sauftftiief, 
ihn mieber ju ermuntern, fehr erflärlich, ba als* 
bann bie erießöpfte ©atnr be? noch im ©Sad)?* 
thum Stehenben ba? ihr in regftcr XageSarbeit 
beftrittene Stecht um fo entfhiebener geltenb 
machte. Xaß aber bie ©acßtnibe be? guten 3fun= 
gen eine möglicßft fanfte unb uugeftörte fei, ba* 
für forgteu biejenigen, melcß: am Stage feine 
unermüblichen Xienfte roiflig hinnahmeu. ©lehr 
al? einmal höbe ich gefehen, mie bie ©3etjrleute 
bem auf hortein ©oben erfdjöpft ©ingefcßlofeneit 
ein Stroßloger unterbreiteten ober feine uadten 
Füße unb feinen unter einer fnbenfcfjeinigen 
3ade fröftelnben Sörper mit ihren ©tänteln be- 
becflen. ©her auch in anberer ©Seife mürbe für 
nuferen fleinen fjreimifligeu treulich geforgt. 
Dtamentlich flott eS, bie gar nicht felbmäßige 
©liSrüftung be-3 armen ©urfcßeit — er hotte fich 
in ber Stljot barfuß unb mit einer biinnen, fabeu* 
fcheinigeu fjaefe befleißet, un3 angefchloffen — 
in etma? aufjubeffern. Xetnjufolge Derfahen mir 
ihn, fobalb e3 anging, mit Schuhen unb Striim* 
pfeu, unb nachbem mir in Sanrgemiinb eine 
große ©taffe fraiijöfifcßen ©tmeebebarf? erbeutet 


hotten, mählten mir barau3 für itnferen San?« 

I ciilotten einen neuen fraujöfifchen ©eubarmeric* 
fraef nebft eutfprechenbeu ©eiuKeibern unbSopf. 
bcbeditug. So fam c3, baß ©Silhelm in fran» 
jöfifdjer Uniform eiußerftoljirte. Xaß übrigen? 
tem Keinen Snirps bie für einen auSgemacßfei.en 
©tcnfdjen berechnete Umhüllung in baufeßigen 
galten um ben 2eib fdjlotterte unb bie langem 
Fradfcßöße mie bie Schleppe einer Xu me auf bem 
©oben fchleiften, tbat ber ftoljeit Freute, mit 
| meldicr ber alfo ©cgliidte auf feine neue ©u?= 
ftaffirung blidte, feinen ©intrag. 

©Sir hatten ©nfongS ©erfuihe gemacht, ben 
fleinen ©agabunbeu mieber in bie ^»eiuiatf) ju* 
riid ju birigiren. SJÖir miefen ihn barauf hin, 
bafi ber ßrieg lein ßinberfpiel fei, baß ein ftiitb 
in bie Sdptle unb in ba? £>au? gehöre, unb baß 
er feinem ©ater burch feinen ©Seggang fchmere 
Sorge bereiten mürbe, aber mir prebigten tau* 
ben Ohren. ©r hotte barauf immer mir bie be* 
ftimmte ©ntgegnung: „Xct ©aterlanb jeßt bor 
©nterii, uu icf mill nich Dor nifd)t ©Sillem getooft 
finb." Xer ©ebanfe an eine in Sorgen jiiriid* 
gelaffene ©iutter mürbe.— ba? läßt fich nuitel)* 
men — ben gutherjigeit 3»»fien mol)! halb auch 
ohne nufer 3»th»» nach |mufe jinüdgetrieben 
hoben, ©ber um ihn forgte fich fein jnrtlicße? 
©tutterherj, unb ber ©ater, bem er auf nufere 
©eranlaffuiig mittels ©oflfnrten Dtachricpt über 
fein ©crbleibcn geben mußte, reflamirte ißn 
nicht. ©IS ©elchruitgen nichts fruchteten, unb 
©Silhelm ber Xrchung, ihn jmangcmeflb jurüd* 
jufd)iden, nur bie ©Klärung entgegenfeßte, bann 
merbe er es bei einem anbereit 2ruppentbeil Der* 
fliehen, ließen mir ihn gemähren in ber ©oranS* 
feßung, baß ber erfte lange©tarfch ober ba£ erfte 
©iroat feine ©egeifteruug erheblich abfiihlen 
mürben. ©Sir hotten uns getiiufdjt, unb noch 
bem erften langen ©tarfch unb bem erften ©iroaf 
hatte ber Einige fd;oit fo innige ßamernbfchaft 
mit ben ©Sehrleuten gefd)loffen, baß auch biefe 
fid) nur fchmer mieber Don ihm getrennt haben 
mürben. So mürbe beim gegen fein ©erbleiben 
bei ber 2nippe fein ©infpruöh »lehr erhoben. 

©ielleicht mar eS ber fRefpeft Dor bet lanbS* 
mämtifchen Uniform, Dielleicht auch baS ©titleib 
mit ber nugenfebeinließen ^ugenb be§ Derfappten 
©reußen, maS bie fffranjofeu Deranlafjte, biefem 
baS auSfchlieftliche ©riDilegiuin eiitjuräumen, 
fich bor ihren ©ugeit unb Dor ber ©tiinbuiig 
ihrer Öemehre ganj frei ju beloegen. ©nfnngS 
bangten mir für bie Sicherheit beS Keinen Söage* 
hälfe? unb Dermohnten ihn ju größerer ©orfid)t, 
aber ba? mar in ben ©5inb gerebet. Xer 3unge 
fonnte einmal feine furcht, unb feine Itner* 
fchrodenheit hotte feßon mieberßolt bie Feuerprobe 
beftanben. 

Uebrigen? mußten mir auch ben Fritjofen ju 
ißrent 2obe naeßfagen, baß fie fuß bie möglichfte 


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ÜKiljtlm. 


209 


Schonung ihrer Sanbdfeiite gar tßflidht gemocht 
batt.'ii. Btenigfteud glaubten wir bie Beob« 
achtuug gemailt gu haben, baß fie ed auf» ängft» 
liibfte beruiieben. bei ihrem häufigen auf und 
gerüsteten freuet bie freufter ber gegenüber» 
iiegeub.'u Dorf Säufer gu treffen. Die leßteren 
waren nämlich noch gum flehten Dbfile — bie 
weiften Dorfbewohner Sutten längft ben un« 
heimlichen Boben uerfaffett — tittb gwar aus« 
fcplieftlicb von gang alten Renten bewohnt, welche 
entweber burch bas Dllter uitb bie gehäufte 9totb 
in oöüige Stumpfheit berfuufen waren, ober 
bereu £ilflofigfeit unb ©ebrechlichfeit fo groß 
war, baft fie bad Berbleibeu in ihrem, wenn« 
gleich Don ©efabr für Seih unb Sehen bebvohteit 
•Daheim boch noch ber DluStoaitberung ins Unge» 
wijfe hinein borgogeit. Dtber bad fotlte nun anberd 
werben. D>enn foebett war ber 'Befehl eingetrof« 
feit, bad Dorf bon feinen testen Bewohnern uu» 
grfäuint gu räumen. Diefe Waftregel erwied fich 
mit SKiicffivtt auf bie Sicherheit ber Seute felbft 
old uothmeubig. nochbem für ben frall, baft wir 
linieren Dorgefcbobenen ©offen jti berlaffeit ge« 
gwungen fein tollten, Dlitorbitung getroffen war, 
bad Dorf fofort in ©raub gu fchiefeen, um bie 
frraitgofeu gu Derhinbern, fich barin feftguniften. 
3u biefem 3>oede war hinter bem Dorfe eine 
fraitalftange aufgerichtet. Soberte ’aon biefer bad 
frlainmengeichen auf, fo hatte bie bor bem näch» 
fteit riicfmärtd nuferer ©teüung gelegenen Dorfe 
aufgefteltte fchwere Batterie fofort ihr oerheeren« 
bed freubr auf unfer Dorf gu richten. Ueber 
biefem hing alfo bereitd bad Damofledfchwert. 

infolge bed genannten Befehled, welcher fo» 
fort bon £>atid gu £>aud befauut gemacht worben 
war, entmirfelte fiih nun aldbaib bor nuferen 
Singen eine ©reite bed ^nmmerd, welihe, moch« 
teil wir auch ähnliched gewohnt fein, uitfere 
innigfte Dh*ih'ahwe erregte, ©in halbed Dußenb 
Warntet unb frrgueu, bom Filter gebrochen unb 
bon 9fngft unb Kummer oergehrt, fammelten 
fiih. einige leife flagenb, anbere in buinpfer 9fe« 
fignatioii auf ber Dorfftrafte. @ie, bie nid)tS 
mehr in biefer SBelt gu hoffen hatten, bie Diel» 
leicht nur noch nach einem ftilleu ©hiheben gum 
©terheit berlnngten, fotlten — fo forberte ed bad 
eiferne ©efeß bed ffrieged — ihren miiben Seih 
weiter fchleppeit in eine uitgewiffe, harte unb 
imwirthliche frrembe! 2öad mochten fie empfiit« 
ben. ald fie jeßt ihrem in ber Bitternift bed 
Scheibend hoppelt geliebten Daheim, wetched bad 
harthergige Ungeheuer bed ff rieged erbarmtnigd« 
lod gu oerfchüngen ftch anfebidte, einen leßten, 
gögernben DIbfchiebdgrnft guwarfeit! 

Unb nun manfte bad fiänflein mit feiner 
biirftigen £>abe, welche einige in einem Biiubel 
auf bem Süden trugen, anbere auf einem ffar« 
reu bor fich herfnhren. bem 9ln3gange bed Dor. 
fed gu. Sflmählich loderte fich bet 3«fl; bfnn 


bie Saft bed geretteten ©uted erwied ficdO für bie 
gefcbwäcSteu ff reifte einiger faft gu groß. (Silier 
aber blieb gang guriid, ein hoetjhetagter ©veid; 
feine ftnifte fchieneu fchon jeßt gu beringen. 6r 
fejjte fich auf ben Staub- be» ffarrend, welcher 
feine geringfügige #abc barg, unb hielt ber« 
gweifelub bie ^änbe oord©efid)t. So biel rüflige 
ff ruft, fo biel theiluehmeiite ^ergeu waren beut 
Unglüdlidjen nahe, aber uon und bnrfte feiner 
Stäcijftenpflicht an ihm üben. Unb bod) warb 
iSm £>ilfe! ©iuBaar fräftige, jugenbliche&änbe 
erfaßten bie weifen £)änbe bed ©reifes unb rieh« 
teteu ben ©ebtocSenen empor, hohen bann hurtig 
ben ffarren auf uub fchoben ihn riiftig weiter, 
währenb ber ©reid mit einem bantbaren Blid 
auf feinen Reifer in ber 9fotfj, ber fein anberer 
ald unfer brnoer BMIhelm war, ltiiibinm nach« 
hiufte. Balb entgog bie BMnbttng ber Saitb« 
ftrafte bie bon £>aud unb 4»of Bertriebeuen un« 
jeren Bliden. 

Dad war am {Radjmittage gefchehen, unb jeßt 
lagerten fchon bie ©chatten bed91 benbd über bem 
beröbeteu Dorfe. Da grg ed auf berfelbeit ©trafte, 
welche bor wenigen ©luuben ber mübe früh ber 
fteimatblofcn berührt hatte, wie eine Sßolfe auf 
Bergedhängen, buufel, geräufcftlod, langfam 
näher. ©d war ein Sruppenfommanbo and bem' 
nächften guriidliegenbeu Dorfe. Balb barauf 
riidtc ed borfichtig in unfer ©ehöft ein. Wit ihm 
mar auch BMlhclm guriidgefehrt, nachbem er 
jenen alten Wann bid in eine ber lüichften Crt« 
fchaften, wo berfelbe ein Uitlerfommen fanb, be« 
gleitet hatte. Dad ffomntanbo hatte bie 9luf= 
gäbe, alle in bem berlaffenen Dorfe etwa noch 
borfinblichcn Borräthe an &eti, ©troh u. bgl. 
oufgufammetn unb fortgufchoffen. Die Warnt« 
fchaften Würben bemgufolge bon ihrem friihrer, 
einem Sieutenant, gu genauer Durchfudmng ber 
©cSöftc bertheilt unb begaben fich »tun aii ihr 
©efeftäft, bei beffeit Beforguug ihnen bie größte 
©tille gur ©flieh» gemacht war. $cb hatte mich 
bem Sieutenant bei feinem Umgänge burch bad 
Dorf angefcbloffen, unb nachbem wir balb bi«, 
balb bort in ein ©eljöft eingetreten waren, fton« 
ben wir jeßt bor einem nicht unanfehnlichett 
gweiftödigen £>aufe, unb ich bemerfte, baß in 
einem {Raume bed Oberftoded ein mattes Sicht 
brannte. Dad lieft ben ©d)fuß gu, baft fich bort 
fourngirenbe Seilte befetnben, welche eine ber 
mitgebrachten Satcrnen aiigeftedt haben mochten. 
Witbin betraten wir bad £>auS, arbeiteten und 
im Dunfein eine gebredjlidje Dreppe empor, fan» 
ben bie Stbür unb betraten ein matt erleuchtetes, 
geräumiges ßimnier, welches burch bie Ueber« 
fülle bed barin angehäuften Wobiliard uub in 
wüfter Unorbnuug nmhergeftreiiten ftnuSge» 
räthed bad Dinge beleibigte. 9luf ber Diele mar 
faum noch ein freies ©laßcben gu erfpäheu: alles 
war boflgepropft bon Wöbeln, giften, Schachteln, 


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210 




Hiidjeugerätben, Oedeu Oiid)ern, Sefen, fnrj, 
was fid) fonft i» einem georbneten £)iiuSWc|en 
auf Dcvtdiiebcne Säume smedentiprehenb äev= 
tfjeilt, »mir f)ier sufammeugebüuft. Sber war 
baS ein ntenfhlicbes SLliefen ober ein fteiuerneS 
©ilo, maS bovt brühen au ber entgegeugefeßten 
©faub mit tiefbuvdjfurdjtem @elid)i 'unb ftieven 
Sagen regungslos auf einer buntbemalten 2abe 
faß ? 

„ffrau," rief id), als ich mich bon meiner 
Ueberrafdjmig erholt batte, „maS foll boS beißen? 
3ft ber ©efebl, auc\eitblictlicO baS Oorf 
31 t berlaffeu, nicht 3 ugegangeu ?" 

,,©faS flimmert mich 3b r ©efcf)l ?" flaug eS 
jeßt bon ber 2abe ber mit tiefer, bartet Stimme, 
toie bon ©läuueriminb. „ 3 h bin hier auf 
meinem ©igeneu unb ftef>e auf meinem nuten 
Secbte." 

„Sber haben Sie benn niept berftanben, baß 
biefem Oorfe ber Untergang brobt ? ©Jollen Sie 
fi<b unter feinen Krümmern begraben taffen ?" 

„©feint micb’S gelüftet, roerben Sie mich toobl 
nid)t baran binöern. Sie haben jiinflereä ©lut 
ohne ©rbarmen bernoffen, maS flimmert Sie ber 
Stob einer alten, abnelebteu ffrau?" 

„Ol)örid)te3 ©efhwäß! ©Mr fcblaneit nur 
©hinben, fomeit es baS barte ©ebot beS ihicgeS 
forbert, aber mir fdjonen, mo mir föitnen. Öer 
©efebl, baß biefer Ort nerättmt merbe, entfbrinnt 
Iebiglid) ber humanen Südfiipt auf beffeu fricb« 
lidbe Semobner, genen melcbe mir feinen ihnen 
führen." 

„Unb baS nennen Sie human, eine alte ffrau 
ans if)rem £>aufe p treiben, in bem fie geboren 
morbett ift, unb in meinem fie fi<b 311 fterbeu 
febnt?" 

„ 3 h febe, «ie moflen feine ©ernunft anneb« 
men; man mirb Sie 311 Ubiern eigenen ©eften 
mit ©emalt bon hier entfernen muffen." 

„©erfueben Sie’S," rief hier bie fonberbare 
3 ?rau mit einer an ©fabnfinn greujenbeit ©)utb. 
„©ferfett Sic mich mie einen 0unb au§ meinem 
C>atifc; i<b fomme mieber. Sie miiffen mich erft 
tobtfcblageu, um midi loS 311 merben!" 

3 fd> fdb bie ffrucbtlofigfeit weiterer ©erpanb« 
hinnen mit biefer balbwabnfinnigen eilten ein, 
batte auch feine 3«it baju übrig. Sie in fiitftc« 
rer Saht getualtfam fortfiibreti ju laffen, märe 
311 hart gemefen. ©lochte fie alfo borläufig bis 
morgen bleiben. So lehrten mir bem #ctufe ben 
Süden. 

Oie Sequifition mar iupnfcbcn beenbigt; fie 
mar, mie 31 t erwarten ftaub, faft fruchtlos atiS= 
gefallen. ©SoS an ©orrätben gefunben roorben, 
mar nicht beS SufiiebntenS mertb. So hatte 
benn baS ßommaitbo auf feinem Siidmarfcbe 
nichts 311 tragen außer feinen ©taffen unb einem 
©errounbeten. Oenit ich muff noch ermähnen, 
baß bie tfraityofeit, melche troß aller bieffeits be« 


obadjteten ©orfiept bo<h eine ungeroöbnlicbe Se« 
megitng bei uns mabrgeuouimeu buben mochten, 
plößlid) ein heftiges feiler auf nufere Stellung 
eröffneten, bem leibet ein ©tauu 311 m Opfer fiel. 

©tma eine halbe Stunbe niodjte feit bem Sb« 
3 iige beS SfommanboS Perfloffen fein, als ©Ml« 
beim bie ©fahtftube betrat unb fid) mit halb 
oerlegcner, halb Perbroffener ©liene bor mich 
biupftanjtc. 

„Sun, ©Jilbelm,'' faate ich, „bu fchläfft noch 
nicht ? 2SaS ift mit bir ? Ou fiebft ja aus, als 
ob bir bie ©eterfilie Perbagelt wäre. ^eranS mit 
ber Sprache: SöaS ift loS?" 

„Sifcbt iS loS," erwiberte er, „et iS man bloS 
Souis ba." 

„1'onis?" rief ich erftaunt. „©Me fomntt beim- 
ber in fpäter Sbcnbftunbe hierher auf itnferen 
gefährlichen ©offen?" 

„3a, id perftebe et och uidj," entgegnete ©Ml« 
beim. „Oer 3riufhnabel bähe od) lieber bei 
©futtern bleiben unb©lild)fiippe päppeln follen. 
@r will partout iuS Oorf rin, unb ba bat ihm 
ber ©offen falt gefteflt." 

Ohne weitere ©rflärungen absuwarten, ließ 
ich 2ouiS ins ©fnd)t 3 immer füren. 

2ouiS mar ein bübfeher, fhlanfqewodjfeitcr 
Jfitabe, sartcr als ©Mlhelm, aber etwas größer 
unb ihm elma gleicboltcrig. ©r flammte auS 
bem etwa eine ©iertetftuube 3 uriidliegeubeit 
Oorfe, mo mir fürs 3 iibor im Ouartier gemefen 
waren, ©r mar uns mithin fein ftrember; mir 
batten ben aufgemedten, 3 iitraulid;eii ©urfdjen 
alle gern; nur SBilbelm mar ihm feinb. 3 h 
batte bie beiben jugeublicheu gelben eines SageS 
befhäftigt gefunben, ben sroifeben ihren beiber« 
feitigen Sationen entbrannten ffrieg cmi minia¬ 
ture barsufteden, unb bie ficb miitbcnb in ben 
paaren fiiegenben nur mit ©liibe 311 trennen 
permodjt. ©in politifher Streit füllte nah 3®il* 
belmS Eingabe 311 m Sbbruh ber bis babin swifhen 
ihnen beftanbenen freunbfhaftlihen ©esiebungen 
geführt haben. 3Bic fih übrigens bie beiben 
ij>eißfporne, P 011 benen ber eine lein ©fort bcutfh 
fonnte, mäbrenb ber anbere nur über ein paar 
ftarf ins ©erliuifhe übertragene fransöfifhe 
Spradjbrodcu perfügte, überhaupt 311 perftänbi» 
gen bermohteu, ift mir bunfel geblieben, ©iel« 
icid)t batte ihr Streit gerabe bcSbalb, weil fie 
fih nicht oerftänbigen fonnten, einen fo bißiflfit 
©barafter angenommen. 

„OaS ift ja ein unöerboffteS ©ficberfeben, 
SouiS," rebete id) ben mit ucrlcgener, boh eine 
gemiffe ©ntfhfoffenbeit uerratbenber ©iieue por 
mir Ste,beitben an. ,,©faS roillft bu hier auf fo 
gefährlichem ©oben unb 311 einer Stunbe, Wo 
anbere beineS SlterS fdjon fhlafeit ?" 

„©leine ©rofeniutter holen, bie hier allein im 
Oorfe 3 iiriidgeblieben ift." erwiberte ber ffnabe 
mit feftem Oone unb treuherzigem Slid. 


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„Deine ©roftmutter ?" fragte id) erftaimt. 

ft baS bie alte Dame, welche bort btiiben in 
bem Ctaufe mit ben jroei Sinben bor ber Dpüre 
wohnt ?" 

„Das ift fie." 

„9lber ba Wirft bu Wohl «mfonft gefommen 
fein; fie hat mir eben felbft erflärt, baß fie gar 
nicht baran benft, üon hier fortsugeljcn." 

„9lber fie muftl" 

„£>a, ha, ha! ©ehe mir einer einen Keinen 
ÄnirpS mit einer graften (Seele! 9lber fage ein» 
mal: Sieft bidj beine Shctter fo leichten ^erjen§ 
311 fo gefährlichem Unternehmen auljiehen ? Du 
weijjt boch, baft es hier alle nafenlang blaue 
Söhnen regnet ?" 

„Weine Wutter weift nichts baboit!" 

„Ei ber taufenb, baS nenne ich aber feljr un= 
überlegt. Dacpteft bu nicht an bie 9lngft, bie fie 
um bi$ haben wirb?" 

„Die fffreiibe, wenn ich mit ber ©roftmutter 
heimfehre, wirb mit fo gröfter fein." 

„2Bie glatt bn baS hiiifpricpft, als ob bu fcpon 
gewonnen hätteft. |mft bu auch ein 9fecept mit» 
gebracht, ben Eigenfinn ber alten 'Jame 311 
brechen ? Sun lieb füll mir’S fein, wenn eS bir 
gelingt, fie mit guter Wiene bon hier fortjubriu» 
gen. SBJir wollen gleich einmal ber Unholben 
einen Sefucp macheii." 

Damit machten wir beibe uns auf ben 2Beg. 
SSJährcnb wir borficptig bie Dorfftrafte bahin« 
fchritteu, erzählte mir SouiS, baft feine ©roft« 
mutter eine böcpft wunberliche ffrau fei, was id) 
bereits muftte, baft fie feineSmegS in ärmlichen 
Serhältni||en lebte — baS hatte mir auch Won 
eingelenchtet — imb baft fie feit fahren mit fei» 
lter Familie jerf ollen fei, weshalb er fie auch nie 
im £)aufe feiner Eltern gefehen habe. Er felbft 
fei freilich mit feiner Wutter bisweilen jum Se= 
fach 311 ihr hiniibergegangen, fie hätten aber ftetS 
einen etwas fühlen Empfang bei ihr gefitnben. 
Den ©riiub biefeS SerhaltenS glaubte ber $ nabe 
batin 311 finben, baft bie alte ff rau eine itnüber» 
wiubliche Sbneiguttg gegen feinen Sater hege. 

3 it 3 Wifihen hatten wir baS fiauS erreicht. ^cp 
iiberseugte mich, baft oben im 2 Bobn 3 intmer norf) 
Sicht brannte. Die £>auStljür ftaub offen. © 0 = 
halb wir jebodj bie finftere Dreppe hinauf,iiifteigeu 
begannen, hörte ich 0011 oben her baS ©eräüfch 
eines im ©chloft herumgebrehten ©chlüffels. Die 
9llte hatte 1111 S bie Df)ür bor ber Safe suge» 
fchloffen, beeilte fich auch gar nicht, biefelbe auf 
meine wieberholte Sufforberung 311 öffnen. Erft 
als fie bie ©timme CouiS’ hörte, welcher erflärte, 
er fei gefoinnien, ihr eine Sotfchaft bon feiner 
Siutter 311 bringen, näherte fich bie 9llte 3 ögernb 
ber Digit 1111 b begann fchweigenb an bem ©cplüffel 
311 brehen. 9(ber jeftt ereignete fnh baS ©onber» 
bare, baft baS ©chloft ben Dienft berfagte. 3dj 
war fehr geneigt, bie SBiberfpenftigfeit beS left» 


teren mit ber Söibbfpenjtigfeit ber Sewoljnerin 
in Serbinbung 311 bringen, unb gab bcShalb 
meinem Unwillen gegen biefe lauten, euergifdjen 
SuSbrud. ©ie bulbete meine Sorwiirfe ohne 
©egenrebe unb fuhr fort, fich mit bem ©cplofje 
absumühen, welches benn auch enblidj, imd)bem 
meine Ungebitlb ben böchften ©ipfel erreicht hatte, 
feine ©chulbigfeit tpeit. 

„Söcirum berbarrifabiren ©ie fich benn?" re» 
bete ich bie 9llte beim Eintreten an, noch unter 
ber SBirfung beS unangenehmen EinbrudeS, ben 
baS lauge Sparten -im ^inftern auf mich gemocht 
hotte. 

„ 2 Beil ich feine ungebetenen ©äfte miinfche," 
lautete bie miirrifdje Entgegnung. 

„ 3 u folgen rechnen ©ie natürlich mich," fuhr 
ich lädielnb fort, „aber ficher boch nicht meinen 
Keinen ^Begleiter." 

„Sun, ben gerabe nicht." 

„Daun hätten ©ie aber fdjnefter öffnen füllen." 

„2BaS fann ich bofür, baS baS ©epoft fo fehlest 
funftionirt?" 

„3ft bieS ber ffafl, fo füllten ©ie überhaupt 
3 l)r 3 >mmer unoerfchloffen laffen. ©laubeit 
©ie, baft 3hnen hier jemanb bon 3hreu Sieben» 
fadjeit etwas fortholen wirb ? SJcitii uns aber 
bie DienftpfMcpt swingt, in biefeS Zimmer ein« 
3 ubriugeu, fo wirb auch 3hre bcrfcfjloffene Dpür 
uns ben 2 . 1 ? eg nicht beilegen!" 

„ 3 <h thue, was mir beliebt," fproeft bie Wa= 
tronc, inbem fie mir einen ©lief töbtficpen £>offcS 
Siiwarf 1111 b fidh bann au Sljren Enfel wanbte. 

Sfeiue Wiene berrietp fyretibe über baS SBieber» 
fehen mit biefem — feine freunblidje Segriiftung 
hatte fie goii 3 überhört — unb aus bem Done, 
in weldjem fie 311 ihm fpradj, Kong nur ein ©e* 
mifch uoit Serwunberung mtb Unwillen. 

„Du hätteft and) am Doge fomnteii fönnen. 
ES ift unberaiitwortlich bon beiuer Wutter, biep 
fo fpät noch aus bem fiaufe 311 fchiden. Unb was 
helft bn mir beim fo SMcptigeS 311 lagen ?" 

„ES ift ihr fo bange um biep, weil bu nicht 
mit ben anberen fainefi, bie heute bon hier fort« 
gesogen finb." 

„Sange! @0 toll wirb’S wohl mit ber San« 
gigfeit niept gewefen fein, ©ie hat ja beinen 
Sater; ber wirb fie febon tröfteu." 

„ffieiftt bu benn nicht, baft Sater nicht mehr 
bei uns ift? Er ift eines WorgenS noch Weft 
hineingegangen, unb am 9(benb ift er nicht wie« 
ber gefommen, weil an biefem Doge gerabe bie 
Sreuften hier einrüeften nub einen Siegel bor» 
fchoben unb feinen mehr h«anS nub hinein lie« 
ften. Unb wir wiffen gar nicht, wie’S ihm geht 
unb ob er noch lebt. Das ift es ja eben, was bie 
Wutter fo trübe unb franf macht, nnb barnm 
fehnt fie fi<h fo nach bir. Sie möchte boch jemanb 
haben, mit bem fie fich anSiprecpen fann. Unb 
eS ift ipr ein fo fcpredlicper ©ebanfe, baft bu hi« 


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212 


iBityrlm. 


fo «dein jitrücfgebliebett bift. Sie fprecßeit ja, 
baS Sorf foll eingefcßoffett merbnt. Sa fannft 
bu bocß gar liiert länger hier bleibeit. SDon icß 
bierbergegangen bin, meiß bie 9Jlutter gar nießt. 
?£ 6 er icß tonnte ihre 9lugft nießt länger aufebeit, 
unb nun bin icß hier, bieß ^eintau^olcn." 

„Plicß beim holen!" fugte bie Ptatroue mit 
einem ©emifcß Don Spott unb Ptitleiben. „Unb 
beSßalb ßift bu fo meit gelaufen bei nacßtfißla» 
fenber 3 «U unb jmifeßen bie feinblicßeu Pajo* 
nette hinein? Su bift ein guter 3 unge uttb 
tfjuft mir leib. 9lber beitte Plüße mar umfonft; 
ich bleibe hier." 

„9lber bu roidft bocß nießt abroarteu, bis bie 
Preußen ihre fjeuergefcßoffe auf bein £>auS 
fchleubern?" 

„ 2 Barum nicht? Sie Preußen hoben unfere 
£eere gefchlagen; hier fteßt eine alte ffrau, bic 
ihnen Stoß bietet. 3<ß laffe mich nicht ajuS 
meinem 6 igeittf)um pertreiben. 3 <ß höbe fejnc 
fyreube am Safeiu mehr; bie Schrecfeit beS 
Krieges hoben ben testen 9teft baboit in mir 
aufgejefjrt. 3<ß frage nichts nach bent Stöbe; ich 
bleibe hier." 

„Sann bleibe ich oueß hier!" fugte ber Knabe 
in eutfchloffenem Sone. 

„Su?" fagte bie 2llte permunbert, unb ihre 
harten 3üge nahmen einen milberen SliiSbruef 
an. „SaS geht nicht! Pintin Pevnunft an, 
SoniS! Su bift ju jung junt Kanonenfutter; 
geh’ heim ju beiner Platter!" 

„fftießt ohne bieß!" 

„ 3 iß höbe einen 6 ib gefcßmoten, euer £nuS 
nicht ju betreten, fo lange bein Pater bariit ift." 

„3cß meiß nicht, rnaS bit gegen meinen guten 
Pater hoft; aber menn’S bloß baS ift, fo ßoft bu 
ja gehört, baß er nießt ju ^>aufe ift." 

Sie Sitte lachte unb fagte, inbem fte ben hüb» 
feßen Knaben mit einem faft an 3örtlicßfeit 
grenjenben ©lief attfah: „Suitge, bu töunteft 
einen faft beftßmäßen." Sann foonbte fie fieß 
au mieß mit ben PJorten: „Peßmeii Sie ben 
Knaben mit." 

„Picßt gegen feinen Sßiden! @r mirb bon 
felbft geßett, menn Sie geßen!" entgegnete icß. 

„3ft es beim maßr, baß baS Sorf in Pranb 
gefcßojfen roerben foll ?" 

„3eben Slugenblicf tarnt bie Potbmenbigfeit 
baju eintreten!" 

Sie Sitte roarf tnir einen SSIicf ju, als ob fie 
mich für btefe Parbctrei adeitt oerantroortlicb 
machen mode, falj bann eine SBeile bebentlicß 
unb beforgnißood auf ißrett (Sittel unb ließ fich 
juleßt alfb oernehmen: 

,,©ut, i<h mid gehen. 316er icß bin heute ju 
matt unb gebrochen unb itt ber Pacßt fortjnge* 
ljen, mürbe ntieß tobten. 2 Bir rnoden bis ntor» 
gen früh märten. Su fannft bir’S hier für bie 
Pacßt bequem machen, piaß ift ja genug in 


biefem 3immer. Slber mer feßafft mir bieS hier 
fort?" 

Sautit jeigte fte auf baS müfte Surcßeiuaitber 
Don Mobiliar unb ©erätß, mit meinem baS 
ganje 3 immer angefüllt mar. 3 <ß mußte Uicßeln. 
Sie Platrone, rneldße ttaeß ißrer (Srtläruug ben 
lob oevaeßtete unb feine fyreube aut Safein 
hatte, oerrietb plößließ ein fefjr lebhaftes 3 nte= 
reffe für ihr altes ©eriimpel, melißeS fie moßl 
beShalb hi« jtifammengebäuft hotte, unt ißr 
Puge baratt ju meiben unb eS fidßever iiberroa* 
eßeu ju fönnen. Piedeicßt enthielt auch jette 
buntbemalte, feft oerfcßloffette Silbe noch mau» 
cßeS Pkrthbolle. 

3cß maißte ber Stilen begreiflich, baß icß ißr 
leiber feine Sienftleute jtir Perfügung ftedeu 
tönne, rieth ißr, baS mirflicße SBcrtßDolle unb 
leicßt transportable in einem SÖünbel jufant» 
meujitpaefeu, um es ben Schultern ißreS ritfti* 
gen ©enoffen aufjuluben, unb fiigle 311 ihrem 
trofte bie ©rmartung ßinju, baß und) Peenbi* 
gütig beS Krieges für bie ben frieblicßen Piir* 
gern jugefügten SSerlnfte bon ben Siegern @r* 
faß geleiftet merben mürbe. £>iemit Perließ icß, 
naeßbem icß beut milderen SouiS bie £>anb ge* 
fcßüttelt unb ißm eiitgefeßärft hatte, auf mög» 
ließft frühen Pufbrucß am ttäcßfteit borgen be* 
baeßt 31 t fein, baS 3immer, beffeu Stßür fofort 
hinter mir feft perfcßloffen mürbe. 

3n ber folgenbett Pacßt glaubten mir in bettt 
feinblicßen Säger eine ungemöhnlicße Sltifregutig 
mahrjuneßnten. Scßott bie laute KriegSmufif, 
mit melcßer bie tfranjofeit bie ßcveinbrecßeiibe 
Pacßt ju begrüßen pflegten, Hang uns heute 
uoeß milber unb pbantaftifeßer als gemöbttließ. 
Saju fliegen häufige ätafeten brühen auf; mir 
berftanbeu ihre aeßeimnißpode tflammenfchrift 
uiißt, aber mir lafett aus ißr fooiel heraus, baß 
fifß uns gegenüber etrooS Porbeveitete. 9lncß 
fließen unfere Patrouillen mieberßolt auf feittb* 
liiße Patrouillen unb fattbett biefe auffadenb 
ßißig unb unteriteßmenb. Solcße 91njei<ßen er? 
feßieneu uns mie Santpfroolfen, bie einem 93ul* 
fatt entfteigen, fießere Porboteu eines balbigeit 
ShiSbrudjeS. Socß nerging bie DJacßt oßne Stö* 
riing. 

91m näißfteit Plorgen bebeefte ein bießter, 
feßmeret Siebe! bie fflur, melcßer fieß gegen bie 
heftigen Singriffe ber flar am $imme( fteßenben 
Sonne einige 3fit ftanbhaft behauptete. Slber 
ißre Strahlen trafen ißn gleich fißneibigen 
Söoffett bodß ju heftig. @r bäumte fieß moßl 
broßettb gegen bicfelhe auf, aber bann fviiinmte 
er fieß mie ein Sffiurm unb oerfantt uerjroeifelnb 
in bent Poben, bem er entftiegen mar, tuäßretib 
bie ^immelSfönigitt baS eroberte ffelb trium* 
pßierenb mit ißretn roftgeit Sicßte erfiidte. 

Slber ber geräufcßlofe Kampf jmifeßen Sonne 
unb 9lebel fodte nur baS Porfpiel eines attberen 


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gHlprlm. 


213 


ÄampfeS gewefen fein, melier ftd^ jept, freilich 
weniger gerdufcploS, abfpielte. 9Jiit lautem, 
roieberpoltem Hurraruf begannen bie fjrrangofen 
in bicpteu aepareu, meldet ber 'Jtebel bisper uu» 
fetem ©liefe uerpüllt patte, gegen uufere Stel» 
Iminen oorjuftiirinen. 2rür uns war baS feine 
Ueberrafcpung; gu iprein Gmpfange mar bie»* 
feitS alles oorbereitet. 2öir ließen fie rupig 
palbioegS peiaitfommen unb fanbteu ipucn bann 
eine fo woplgegielte aaloe entbleit, baß fie in 
iprem Anläufe plöplidp innepielteu uitb fiep in 
einen ©raben warfen, um nns boit bovt aus liiit 
einem &agel boit Äugeln gu überfepiitten, ber 
uns jeboep in unferer rooplgebedien Stellung 
fafl gar feinen Scpaben gnfilgte. 

©liidlicper war ipr Singriff auf uufere linfe 
Sfebeufelbwaepe gemefeu. Diefe, in einem fleinen, 
itngeuügeub gefieperteu ©epölge gelegen, fap fiip 
naep turger, tapferer ©egeitbwepr gegen weit 
überlegene Druppeninaffeit ginn '«Riidguge genö* 
tpigt, unb nun begann für uns bie ©efapr ber 
Ueberflügeliutg in immer bebenfliepere 9täpe gu 
rüden, wiipreub auepber Jeinb bor unferer gfront 
fup mepr unb mepr oerftärfte. Da mußte beim 
ber ©efepl ginn fRiidgnge gegeben werben. SCßäp» 
renb unfer Häuflein, immer feiptenb unb febe 
Deduttg benupenb, fiep langfant aus bem Dorfe 
heraus entmidelte, wanbte icp miep, oon einem 
Unteroffigier begleitet, gu ber pinter bem Dorfe 
aufgeprianjten Ofanalftanbe, um biefelbe ber 3fn* 
ftruftion gufolge, unmittelbar natpbem baS Dorf 
»ollftdnbig oon meinen Seuteit oetlaffen fein 
mürbe, in Sranb gu fteden, als SBilpelm pinter 
mir pergelaufen fain unb mir gurief, er glaube, 
Souis ünb feine ©roßmutter feien notp im 
Dorfe. 3dp patte bisper gar feine 3eit gepabt, 
biefer beiben -Perfonen gu gebenten, loeicpe iip 
übrigens, meiner SBeifintg entfpreipeub, längft 
in jttperet 3?erne bon bem Dorfe rnipute. 

„So lauf’, was bu fanuft. unb übergeuge bi<p 
felbft," rief icp bem guten jungen gu. „Siitb 
Fie notp ba, fo jage fte augenblicflitp fort; fonft 
futb fie oerloren!" 

DaS £>auS ber alten i?rau lag in einer bon 
ber öanptftrafee im reepten SBinfel abfpringen* 
ben $duferreipe unb mar mit feiner uuS guge* 
feprten $rout groifepen ben baS Dorf umfdumen« 
ben ©dunteit oon unferer Stellung aus beutliip 
gu ernennen. Sluf biefes £>auS jagte SBilpelm 
tu wie ein gepepteS SBilb über baS freie fffelb, 
meldpeS gum Dpeil fdjon non ben Äugeln beS 
allindplidp oon linfs per immer näper rüdenben 
J.'iuöeS beftriepen würbe. 

3ngwiftpeii begann uufere Sage für ben Sin» 
geitblid bebeitflitper gu werben, obgleiip mir 
imrep baS ndipfte 9tepli eine geringe ©erftdrfung 
erpalten patten unb in unferem Stiiden, freiliep 
noep weit entfernt, bie SReferben fieptbar mürben. 
3<p blidte, wenn autp bie ©orgäuge bei ben 


tJfeinben meine bolle Slufmerffamfeit in Slufprnd) 
napmen, uurnpig nad) bem £>aufe piniiber, in 
Welcpem ©ilpelm eben berfipwunben war. 3cßt 
fain er aus bemfelben wieber perauS, aber — 
allein, uub fein ftereotppeS Sätpeln war jept in 
bem SluSbrud oon Sing ft unb Siprcden unter» 
gegangen, als er, in jäpem Saufe auf uns gu* 
ftürgenb, mit geOenber Stimme ausrief: „Sie 
tonnen uicp ’rauS! Det Seploß iS berjrodelt! 
(Sin ©eiil Gin ©eil! 

„(Sin ©eil! (Sin ©eil!" pflongte fi<p ber Stuf 
Weiter boit SJluitb gu fötuub. Unb fofort eipob 
fiip aus bem Scpüpengraben, weleper ingwifepen 
bie mcifteit ber Unferigen niifgenommen patte, 
einer ber Äämpfer mit einem Sdjangbeil in ber 
0anb, lief bem Äitabeu entgegen unb fdpleubertc 
ipm wie ein DisfuSWerfer bie ftpneioige ©affe 
ju, um bann fofort feinen ©laß wieber einjiu 
nepmen. ^m 91 u patte ber brabe Suiige baS 
wutptige 3nftrument ergriffen, unb fepon legte 
er in pfeilgefipwinbcm Sauf ben immer ge* 
fäprlicper wertenben SBeg jum gweitenmal ju* 
tüd, wäprenb feine bunten fytadftpößen luftig 
im SBinbe pinter ipm perflatterten unb feine 
SBaben bearbeiteten. 

„Gile, SBilpelm, eile !" rief itp ipm naep. 3» 
jwei ©tinuten muß baS ftniial brennen!" 

©lein 3uruf war fiterflüffig ; benn bem gu* 
ten Snogfn Potte bie Slngft um bie Gingefcpiof* 
fenen, unb wrpl namentlitp um benjenigeu, ge» 
gen welcpen er geflcru ncep eine feiitbfelige ©e= 
finnuug gu pegen fipien, ben §iiß beflügelt. Gr 
leiftete in ber Gilfertigfeit baS Sleußerfte. 9Jtir 
aber würbe bange um bie Gingrfdjlofieueit uub 
um ben waderen Änaben felbft. SBenn baS 
atettuugewert fiip bergögerte, io ping ipr Sebeit 
nur noep an einem Saben. Die ftpwere ©atte* 
rie bort pinten auf ber ©öpe war nur beS ber* 
abrebeten ^cicfjen» gewärtig, um ipre berniep* 
tcnfccn ©efipoffe auf bie Käufer be§ Dorfes ju 
werfen, welipeS bei feiner bcrpängiiißmüßig ge» 
ringen SliiSbepnung ein fepr begreitgtes 3>i’l 
abgaü, unb ba opitepin, wie wir wußten, bie 
Gtitfernung gwifepen ©atterie unb Dorf fepr ge» 
nau nbgemeffen war, fo tonnte gunevficptliip an» 
genommen werben, bafi jeber Scpuß bon bortper 
ein fidjerer Dreffer fein werbe. 

Die ^raujofen patten in beu gnlept eingenont» 
menen Stellungen eine ©eile gerupt unb be* 
gönnen jept wieber borjuriiden! 9ioip piellen 
einige meiner Sente baS lepte, bcreingelt liegenbe 
©eljöft beS Dorfes befept; eS war bie pöipfie 
3cit, fie bon bort ’iirüdgiirufen, unb als bieS 
gefd)epen war, war bamit auep ber Slugenblid 
gefommeu, baS Sanal an ju fteden. Unb 2öil* 
pelin befanb fid) noep iit jenem unpeilbollen 
.iiaufc! 

GS war für miep einer jener fureptbaren, im 
Äriegc fiip oft genug micberpolenbcn Slugenblidc 


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214 


gefommen, wo fid) bic «Stimme ber Stcnfdjlich* 
feit gegen baS ©ebot ber militärifchen ©fließt 
mifbäumt. Sieben mir ftanb ber Unteroffizier 
mit bem ^euerbranb unb fab ermartuugSuoll 
auf mid). 9tod) flögerte ich, ben Sefefjl ju ge* 
beu, welcher uiclleicht baS JobeSurtljeil für brei 
uufchulDige, iit beu ©ereidj beS Kampfe« nur 
Zufällig gezogene ©teufchen einfchloß. Unb uu* 
ter biefeii befanb fich einer, ber nnferem tperjeu 
fo nabe ftanb! Uub biefer ©raue füllte bielleicbt 
in bem 9lugeitblide, roo er baS mit Selbftauf* 
Opferung unternommene 9tettungSmerf uollcn* 
bete, einem jähen 2obe überliefert merben, roäb* 
renb ein nur fetunbeitlangeS 3 ö geru ibn retten 
tonnte. 34 jögerte! 

„QaS ftaitnlaugenblidlich aitfMen!" rief mir 
ber in einiger ©ntferuuug bdrbeifprengenbe 
©orpofteitfoiitmanbeur ju. 

,,©ott fei ihnen gnäbig!" backte ich unb fchau* 
berte. 

Uub fdjoit pingelte bie 3?lainme an ber ftrob* 
befleibeteu Stange empor, unb faft unmittelbar 
barauf entlub fiiß hinter utt» bie ©atterie mit 
gewaltigem, mir in bie tieffte Seele fdjneibeuben 

ratb-'u. ®ie mächtigen ©cfcßoffe flogen pfdjenb 
über unfere Vtcipfe biutoeg uub fielen fehmctleritb 
auf bie Qädjer Des inpöifchen fc^on ftart bon 
fffcinben gefüllten Qorfe». 3eber Schuß War 
ein lieberer Sreffer geraefen, aber baS #ou3, an 
welchem jeßt uitfer aller ©liefe hingen, mar uit* 
berührt geblieben! 

9toch immer fein Sßilbelm jn feben! ©ine 
zweite Salue erfolgte mit gleich berheerenber 
SÖ.rtung wie bie erfte. ®a3 fJtachbarhanS mar 
getroffen, aus bem zerfcf>metterteu Dach flieg 
eine 9Bo(t: bon Staub unb Qualm empor; 
aber jene Stauern, welche bie brei Sienfchm 
bargen, waren auch biefeSmat oerfchont geblieben. 

„9Bo bleibt nur Üöilbelm! @r ift berioren!" 
flang es unruhig uub theilnahmbotl aus bem 
Schiißengrabcu. 

„@t ift gerettet 1 ©ott fei QaitU ©rabo, 
Söilbelin!" 

Unb ba war ber Srabe! ©ben trat er au» 
ber £>au3thiir, uub hießt hinter ihm folgten bie 
beiben aubereu, Du roß fein oefjerpe» ©ingreifeu 
ihrem gefährlichen ©efanguiß ©utriffeuen. ©rft 
wenige Schritte lagen po'iicßen ihnen unb bem 
berlaffeu.'ii <f).iuie, ba traf auch biefeä baS ber* 
berbenfehwere ©efeßoß. HÖilfjelm fah fich ruhig 
um unb uiefte befriebigt. 

freilich tbar baS fouberhare Kleeblatt noch 
feineSroegS außer aller ©efahr, beim Äugeln 
pfiffen tiuch über ben fltaum, welchen fie jeßt 
burebmoßen. 9lber SBilßelm. obgleich für feine 


©erfou gleidjgültig gegen ©efahr, jeigte fich jeßt 
ängftlicß bemüht, fifiue Schußbefohlenen mög* 
licßft fchnell au» bem Schußbereich pi bringen. 
6r bog bon unferer Stellung feßarf pir 'Jted)ten 
aus, wo noch bie borliegenben Raufer Des Qor* 
fe» unb benmächft ein Keine» ©ehölj leibliche 
Qecfuug gewährten. 3ubent er immer mehrere 
Schritte ben beiben anbereu borauSlief, fchien 
er auch baS Stittel entbedt pi haben, bie hinter* 
her feuchenbe, gebrechliche, obwohl bon ihrem 
©nfet fräftig unterftiißte 9llte pi möglicßft ge* 
fteigerter ©tarfchgefcßmmDigfeit anjutreiben. ©r 
trug nämlich ein aufchulicßeS ©üubel auf bem 
'Jtiicfen, unb ber Umftanb, baß er biefeS ©ünbel, 
auf welches bie ©lide ber 9llten ftarr gerichtet 
blieben, bisweilen ber Icßteren mit tomifdjer 
©ontominc hinhielt, ließ wohl ben Schluß pi, 
baß barin ber mefentlidjfte 3nßalt jener buntbe* 
malten 2nbe eingefcblofjcn war. So freien beim 
jenes ©ünbel eine ähnliche Stolle pi fpiclen, wie 
ber hingehaltene 2ederbifjen, mit welchem je* 
manb ein unfolgfameS jßier hinter fich her* 
lodt. QaS fah nun ollerbiugS rc<ßt brollig aus. 
Unfere 9lufnicrffamfeit würbe jeboch biircß cm* 
ftcre Qinge pi fehl' in 9lnfpru<h genommen, als 
baß wir bem 9lbmarfd)e beS fouberbaren Älee* 
blalteS mehr al» einen flüchtigen ©lid hätten 
feßenfen tonnen. 91(3 ia) mich nach längerer 
3eit wieber nach bemfelbcn umfaß, faub id) baf* 
felbe außer Schußbereich jenem hinter uuS lic* 
genbeu Qorfe mit feiner fdjmercn ©attcrie, be* 
ren ©efdwfje eben noch ollen breien ©erberben 
gebroht hotten, feßou erheblich näher geriidt. 

9l(S ich ©Silßelm mehrere Stunbeu fpäter, 
lunhbem baS @efed)t für uns gliidlid» beenbigt 
war, wicberfah, log auf feinem ©cfictjte wieber 
fein gewöhnliches ruhiges fächeln, ater es war 
jeßt ta» üertlärte 2äd)e(n beS 2obeS. ©ine 
Äugel hotte bie junge ^lelbenbruft mitten im 
bicfjteften Äampfgcwiihl burd)bcl)rt. 9cad)bem 
er bic bon ihm ©crctteteu heimgeleitet, war er 
felbft heimgegangen. 9Bir tonnten ihn nicht 
befjer ehren, als inbem wir ihn inmitten meh* 
lerer aitberer ©efallencn begruben. Gr hotte 
mit feinen älteren Änmeraben ^ait ^elbenmuth 
unb Sapfcrteit gewetteifert, er mar mit ihnen 
pigleich in ben fichöneit 2ob fürs '©aterlanb ge* 
gangen, er hotte eS nun and) berbient, wie ein 
wirtlicher Ärieger in einem Äriegergrabc pi ru* 
heil. 9llle, bic ihn fannten, trauerten tief um 
beu ©erlnft biefe» einjigen Sfnabeit. ©inpg ? 
©iitjig bielleicht in feinen wnnberbaren. ihatcu 
unb Schidfalen. feine ©efinnung ftanb uiü 
fteht ©ott fei ©reis! — nicßt einjig in Der beut* 
fchen 3ugeub ba ! (Qaheim.j 



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$onntagfd)ul=#elttiontn. 


215 


$onnta$r(||ul -fektionen. 


Sonntag, 1. 9tprit. SSpftg. 8,14—25. 

©tntott ber tauberer. 

I. $le ©abe M heiligen ®ei{le#. (33. 15—17). 
®. 14: ©amariat Mit biefem Manien wirb 
hiev tebcufallä md)t bl oh bie Stabt, fonberu ba3 
8 iub Samaria fcejetdmct. ©er Ueberßattß be3 
©ortco©ottc3 ju ben Samariter« unb bie ßläubißc 
Annahme bc3 GvanßclimnS von Seiten berietben 
bilbet eine wichtißc (Spoche in ber ©efcbid)tc ber 
ftirebe, weil bic Samariter, al3 Mifchvolf guä 
Israeliten unb ©eiben, bon beit 3üben a 13 Scftircr 
tmb Äicfeet anßefchcn waren. 2lu3 bieiem ©runbe 
fanbten bie 9 lpoftcl Metrum unb Johanne, bie her- 
vorraßenbften aus ihrer Mitte, m ihnen. ©ah 
®ctru3 ltub 3|obanne-3 von bem 9lpoftcU6o(lcßiiiin 
ßefanbt würben, beweift übrißonS, bah and) 
$etru$ fiel) ber ®cfammthcitbe3 9ipoftcl=Sollcßiiim‘3 
unterorbnete, woburdj bie römikhe Sehre von bem 
Primat be3 9 lpoftclS $etru3 unb iomit auch beä 
$abfte£ wibcrlcßt wirb. 

®. 15—17: ©ie Samariter, welche burd) be*3 
33hilippu3 SSirffamfcit ßläubiß geworben waren 
unb fiel) batten talifen taffen, hatten nad) 33. 16 
ben b e i (i a e n © c i ft it o d) n i d) t empfang 

g en. (Dieicn empfinden fie erft burd) bie guv- 
itte u n b ©anba u floßuuß ber 9 lpoftel 
(33. 15. 17). 

©iegHaflc, warum niefit (ßbiUppuS felbft ihnen 
ben heiligen ©eift mitthciltc, ift verfefeieben beant= 
wertet worben. SrftcnS würbe angenommen, 
baf? ber ©eifteSmittbcilunß erft ein tangerer fate^ 
djetifdjer, burd) bie ?Cpoftel ju ertbeilcnber Unterricht 
habe voranßebeu muffen — eine 9lnfid)t, weld'c 
burd) 9 tpftfl. 2 unb 10 wiberleßt wirb; *wei te n3 
würbe anaenommeu, bah bie9lpoftel nur ben Sank 
alt ben ©iafonen al3 5Mmad)t übertraßcn hätten, 
wa3 ieboch jeber biblikhm Siearflnbuna entbehrt 
(vßl. Stpßft. 9, 17). ® r i t ten 3 wirb au3 unterer 
Stelle bei* richtige Scbtuh aewßen, bah bie 
31 p o ft e l allein fgftifch bic ©abe bejahen, 9ltt= 
bereu ben heiligen ©eift (burd) ©ebet unb $anb- 
auReauna) ju ertheilen, wobei mau bann aber nid)t 
an bie ftille befehrenbe Jhätißfcit be3 heiligen ©eU 
ftc3, fonbem vielmehr an bie fefeon ff ap. 2,4.43 u. a. 
Ö. erwähnten aujicrovbentlidjen ©nabenaaben *u 
beuten hat. (®icfc alfo — unb nicht ber (Seift 
ber Äinbfchaft — waren e3, wa3 bie 9lpoftel hier 
ben b e f e h r t e n Samaritern nachträglich noch er- 
theilten. ©ierutit ftimmt bann auch 33. 19 fehr 
aut, wo Simon aerabe biefe. ben 91 poftein vorbe¬ 
haltene Wabe: 91 nbem ben heiligen (Seift ju er= 
theilen, um ©elb von ihnen erlaufen will. 

©ah aber bie 9lpofte( allein biefe ©ciftcSaabcn 
ertheilen tonnten, entfprach ihrem SJerufe al3 ©rfnt- 
ber ber Äirdje. 9lpftß. 9, 17, wo ber „^üitßcr" 
9lnauia3 bem Saulu3 bie ©änbe auffent unb biefer 
febou vor feiner laufe mit bem heiligen ©eifte er¬ 
füllt wirb, haben wir icbcnfaflä in erfter Sinic an 
ben (Seift ber ffinbkhaft m beuten. (Die anftcror= 
bentlichen ©enterben finb übrißenS and) in ber 


apoftolifdjen ffirdje nidjt allen ©fäubißen nn ©heil 
ßeworbeu, wcnußleid) fie batnahS viel häufiger n>a= 
renale Deute. (Die ©auptiache ift iebenfalhS, bah 
nur ben ©eift ber ffiubfchaft befifeeu. üßefifecn mir 
ihn unb erfahren feine heilißenbe unb befcliacnbc 
Sßirfjamfcit an unferen ©ev$eit, fo haben wir alle 
Urfad)e bantbar m fein, wenn wir au.b bie anher= 
orbentlichen ©cifteSßabcn nicht befifeeu. „freuet 
eud) nid)t barüber, bah euch bie Teufel unterthan 
finb in meinem SRamcn, freuet eud) vielmehr bar= 
über, bah eure Hainen im ©immel anaekhrieben 
finb!" ( 8 uf. 10 , 20 ). 

II. Simon her tauberer. (33. 18 — 25 .) ®. 18 . 
19: 9llo Simon bie auherorbentlicfeen 3ä5irfunßcn 
ber©anbauflc(uinß ber 3lpoftel fah(nämlict)bic3leu- 
hcruiißcn ber bejonberen ©eiftc^ciabcn, namentlich 
be$ ^unaenrebeuo), verjuchte er, burd) ©elb fid) 
ßleid)falh3 bic ft’raft m erfaufen, 9lubern biefe 
©aben mitthcilen sn tonnen. Offenbar hatte er 
biefclben gleich ben Abrißen ©etauften felbft em= 
pfänden. (Dte‘3 ßeht beutlid) barau^ hervor, bah 
er nicht biefe ©ciftc^aben [ich erfaufen will, fonberu 
bie apoftolifchc 3Sollmad)t, biefclben 91 it b e r e n 
Mi ertheilen. (3?on biefemVorhaben be^3au s 
bcrcro Simon hat befanntlid) im Mittelalter jeber 
Äauf imbfBcrfauf ßeiftlicher Sßürben ben 9?amen 
„Simon ic" erhalten.) 

Saht man bicSunbcSimcnS nur al§ 3i*rthnmSs 
fünbe, fo bleibt bie harte 9Jebe beo (ßetvu^ unbc= 
arciflicf); aber fie war eben nicht bloh 3 rrthum§ s 
fünbe, fonberu Sünbe bee ©evsciio, wie ihm jßetruä 
ftrafenb nadnveift. 

®. 20 : (Die SBovtc: (D a h b u v e r b a m m e t 
werbeft mit'beinem Öclbe, bebenten nad) 
bem ©runbtext fo viel ivie: „Tein ©elb fahre mit 
bir in’3 33erberben i< ober „ßche mit bir ui ©runbe." 
(Der 9(uSbruct ift Weber von ber farblichen (vrcom= 
muntfationr nod) von ber ewigen S>crbammnifj ui 
verftchcm weil ba^u bie folßcnbe 3 ?uf;ermahnunß 
nid)t paflen würbe. Tie SSJorte finb vielmehr rela= 
tiv ju faffen: „Tein ©elb vetbevbc mit bir, fallo bu 
bich nid)t befferft." 

©ic ©abe ©otte§ ift bic 33. 18 erwähnte 
Macht, 9lttberen ben heiliaen ©eift 311 ertheilen. 
313a6 freie ©nabe ift, betrachtete Simon al^ Cuelle 
ber 6 hre vor Menkhen unb bcs ßnverbeo. Tiefe 
e i ß e n 11 i d) c Simonie: bem 3Vruf mm Tienft am 
Reiche ©ottco (b. i. ba*3 fird)Ud)e 9(mt) al3 ivbifche 
(vrwevb;3quellc ju hcßchrcn, ift nod) iveit häufißcr, 
al3 bie im Mittelalter foßeuanntc Simonie, )oo man 
fid) 33 frnnben vom ftaifer cvfauftc. „Tafibu 
verbammt WQrbcft" 11 . f. w. Tick 33ovte 
fpricht 33etru3 in hcilißcm 9lhfd)cu vor bem @ci| 
unb ber ©cuchelei, bic fid) fo fdmobe felbft vevvatheu 
hatten, unb in ber (Srinucruuß au bie Mahnuna 
be§©cmt: „Umfonft habt ihr’o empfanaeu, umfonft 
follt ihr« ßeben." Tie .Machfolßev (ßctvi" haben 
nicht immer fo aebacht, ßefprochen unb ßchanbelt. 

®. 21 : © u f 011 ft weber D h c i l u.}. w. 
Mit biefen ©orten ßiebt 3 ktru 3 bem Simon auf 
feine Sitte (33. 19 ) einen abfchläßigen 33 eicheib. 
Simon foü feinen Theil haben , ati biefem ©orte" 


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216 


Sonnta$fd|uU|ektioneii. 


b. h. ait bet Sache, t>ou welcher bic SRebe ift, näm* 
lieh bcr apoftolifchen Sollmaeht, bie ©abeit be3 bei* 
(igcit ©ciftc-3 9litbern mitautheilen. ©er fein 
ibeit uitb 8oo3 in ben binnen btefer ©eit fiuht 
unb fiubetr hat feinen Sheil an ben geiftlicben unb 
einigen ©fitem. 

De in & er t i ft nicht recht ich aff feit, b. 
b. aufrichtig. Simon batte ftchau Ghrifto' belehrt, 
aber nicht oon gangem föeraen. Da3 6 hriften= 
tiv.im war ihm wertb geworben, aber nur um fei¬ 
net tiefen 8 :hrinhalt$ willen, nicht al3 ©eg $ur 
Seligkeit. Gr glaubte, aber fein ®laitbe ging 
nicht oon einem bußfertigen ®er$cn au3. Gr wollte 
ba3 Sbnftenthum um ciite3 felbftifc()eu 
willen; fein 9lnfehcit, fein 3ch war baä Grfte, wa3 
er fuchte, nicht Shriftuä. Darin beftanb feine 
Unaufrichtigfeit. Üiücfbalt^lofe Äufrichtigfeit ge= 
gen fleh fclbft unb gegen ben Jperrtt ift bie uner= 
läßticße Sebmguitg einer echten 'Belehrung; wo fie 
fehlt, fommt e3 nur au einer halben Suhe, einem 
halben ©tauben —511 einer Srh-inbclchriing, be= 
ren Heuchelei unb innere ©altlofigfcit bei ben fpä= 
teren ©laubenSproben nur 311 halb offenbar wirb. 

@• 22 : Darum thue Sit he. Daß Se= 
tru3 an Simon bie Äufforbcrung aur Selehritng 
richtet, acigt, bah er ihn noch nicht al3 hoffitititgSlol 
aufgegeben hat. Da3 ift bet ©cift bcr Siebe Ghrifti, 
bie *alle3 hoffet" unb gerne auch ben oerworfeuften 
Siutber noch gerettet fahe. 

Sitte ©ott, ob bir oergebeit werben 
möchte. s Jficht blo3, weil bie Selehritng be*3 
Simon ungewiß ift, fonbevn wegen ber Schwere 
ber oon ihm begangenen Sunbe ttcllt SctntS bie 
SKöglichfeit einer Vergebung a(3eine uugewiffehin. 
Dennoch ermnthigt er ben Simon, um Bcrgctuiiig 
au bitten. Der Grfolg biefer Stufforberung muhte 
bann aeigen, ob eine Vergebung itod) möglich war 
ober nicht. 

®. 23: Die Suttbe war bei Simon föerrin be-3 
©illen3 geworben; baher erfüllte ihn bie abfchlä= 
gige Antwort Sctri mit Sitterfeit, unb in biefer 
Stimmung war er fo gebunben, bah er bie ©ahv= 
heit be3 oon Setru3 ©efagteu nicht anuicvfennen 
oerinochte, ihm oielmehr fchlccbte 'äKotioe (nämlich 
äRißguuft) in feinem .speraeit anbichtcte, ihn alfo 
ungerecht beurthciltc. Diefe ©ebanfen moch¬ 
ten fich in höhnifchcn ©eberben wohl auch äußerlich 
au3fpre(hen. Daher lagt ber 9tpoftel (nach bem 
©runbtest): ,/Bchfehe, bah bu in eine (wahre) 
©ade oon Sitterfeit unb in Scrftvifimg ber Ungc- 
rechtigfeit hiuciugcrathcu unb nun barin befiitblidi 
bift." Die bittere ©alle be3 ©affcS muh bitrch 
bittere Suhc, alfo eine Sitterfeit bitrch bie anbere 
oertriehen werben; bann eift (äht fichbie Sühigfcit 
be3 Goaitgelium3 fehmeefeu. 

®. 24. 25: Ohne Giitbrucf blieb bie Stvafvebe 
Setri nirl)t. Simoit’3 Srofc war buvcb bie Gut-- 
laroung wcnigfteiiS für ben SlugcnMuf gebrochen. 
Gr, bat bie Äpoftcl um ihre Fürbitte iin ©efühl, 
bah fein ffiefcit ©ott uicf>t gefallen fönne. 9 lber 
bie Sürbittc Slnbcrer allein thut’3 nicht; wer ©nabe 
bei ©ott fiubcu will, muh fclbft beten, unb wenn 
er fich auch noch fo unwürbig fühlt, mit bem Bött- 
ner rufen : „@ott fei mir Sünbcr gnäbig!" Daß 
Simon um bic Fürbitte ber 9lpoftel nacbgcfucht 
habe, um fclbft nicht beten au müffen, fteht nicht 
im Sexte. Die 9(bficf)t feiner Sitte an bie 3lpo= 


ftel war, au Perhüten, bah bie oon Setro angc* 
tünbigte Drohung eintrete. Ob er fi(hbann eviift- 
licb befehrte, ober ob e3 bloß bei einer augenblicf- 
liehen Demütbigungiblieb, ift nicf>t gefügt. 

©a3 ^uftinii3 ÜRavtpr eraäblt, baß nämlich 
Simon fpäter nach Soitt gefommen fei, unb fich 
bort „al3 ©ott" habe oerehren (affen, beruht auf 
SRißbcutung ber Bitfdmft einer Säule, welcher ei¬ 
ner fabinifchcn ©ottheit gcioeiht war. Die fpä^ 
teren fivcblicßen Srabiti oneu, weldjc Simon bcr 
3auberer al3 Gra=öätettler fchilberii, ftiib oollcnbS 
unauoerläfftg. ©ir wißen fomit über bie fpätevc 
Stellung Simon# au ßbrifto nichts ©cwiffcS. 
Saft fcheint e3, bah er fich wirtlich befehrte; bemt 
einen abermaligen Abfall aum Söfen würbe 8 ula 8 
faum oerfchwiegeu haben. 


Sonntag, 8 . 9(pvi(. SÄpftg. 8 , 26—40. 

$l)tltwii8 unb ber tämmerer au$ äRofc 
tcnlaitb. 

r. 2>«8 fitfttt bf« »orte». (5ß. 26 — 33 ). S. 
26: Der Gngel be3 Ferrit rebctc mit 
Sbilippo. ©ic grofi unb tbcucv ift bie Scfch- 
rung einer einigen Seele in ©ottc3 9lugen ! Um 
ben ffämmerer aum ©lauben au bringen, fenbet er 
einen Gugel an fßhilippuS, unbbicfcvmuhauSbcm 
oolfreichen Samarien auf bie wüftc Straße eilen, 
loelchc oon ^erufalem nacl) ©aaa führt, um bort 
einem befümmerteu Süitber ben ©eg au Ghrifto 
au aeigen. ©aaa, eine bcr fünf .s>auptftäbte ber 
Shilifter, an berSübgrcnae flnnaan3, eine Stunbe 
oom Wittellänbifchen ®cer gelegen, war fchon öf¬ 
ter in ben Kriegen aerftört unb nachher immer nue- 
ber hergeftcllt werben. Bur Beit Mu war bie 
Stabt wieber blühenb; bie ©orte, bie ba wüftc ift, 
muffen baher auf ben ©eg beaogen werben. 9?tir 
geographifch u^eift ber Gngel bem ShilippuS fein 
SRcifeaiel an, ohne ihm au fügen, wa3 er bort au 
thmt habe, ober loen er bafelbft treßcu werbe. Da 6 
war eine Uebung bc3 ©lauheu§. Der SRiffienS? 
beruf ift ja überhaupt ooraugoweije ein Arbeiten 
im ©lauben unb ©chorfam. 

®. 27: Gr ftanb auf unb ging hin 
ohne au fragen: warum? Da$ ift © lauben §ge= 
horfaut. Unb fie he. 9Rit biefem ©Örtchen 
oerfefet un 3 8 ufa 6 lebhaft auf ben Sdjauplafe ber 
Scgehenhcit. ißhilippuö ficht ben Sremben auf 
feinem SReifewagcn baherfahven, bcr wahrfdieinUch 
hinter ihm herfain unb bett Sußgäugcr ein holte. 
Der 3Rann war feiner ßerfunftnacl)?(e th i opi er 
( 8 uth.: 9 )?ohrentanb), b. h. au3 bem füblicl) 
oon Ggopten gelegenen >>ochlantc, U'clche3 ba3 
heutige 9?ubien, Gorbofau unb 9lbcffrmien umfaßt, 
unb befielt 9Ritte(punft bic ^itfcl 9Reroe war, wo 
nach ben Sriefeit be3 StiniuS oiclc ^ahre lang 
Sürftimteit regierten, bie beit tarnen anbacc 
führten, fl'aitbace fdiciitt bentnad) nidtt Gigcit- 
naiite, fonbevn 9lmt3namc au feilt, wie Sharao. 
8ufa*3 heacidmet ben 9 tciieitbcn al3 einen „Gunu- 
Acn" (Serfchnittcncn). Da bcralcichcn 8 cute an 
ben orientaliidten .^öfeit gewöhnlich au Öofbicnftcn 
oerwaitbt tourben, hat bcr Sluhbtutf «Gimud)" häu= 


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äountagfdiul^fkttoiietu 


217 


fig bie allgemeine Söebeutung: ©ofheamter. ßin alle ßehrcr bic Erinnerung, bie Seelen hauptfäcfilid» 
bebet beamtet unb reichet ^Machthaber mar bet in bie EifenntuißShriftibeS®efveu$igtcii unbSlufs 
ftäminctet jebenfadS. Ta et uad) Scrufalem ge= erftanbenen einaufübreit. TieS »wirft in bev Siegel 
fommen »war, um bort aii 3 iibeten, bürten mir an= nicht alS alle 3)toralprcbigten. „Siehe, baS ift 
nehmen, ba§ et ein SJtofelpt in »weiteren Sinn, ein ©otteS ßamni, baS bet Sßelt Sünbe trägt!" TieS 
SJrofelpt beS ThorS, peiwefen. Seiner abftam= »war bie $üwtfd)aft, mit »welcher einft and» bic ißätet 
»nung nach haben »wir ihn aber iebenfadS nid)t alS beS SDietbobiSmuS bie SDiaffen beS SSwlfcS beiwegteu. 
— in Äethiopieu geborenen — Suben, ionbern alS Ter Sinn wen 3$. 33: ^ n fei n er 91 i cb rig= 
echten Stetbiopier, iomit alS 91 cg er 311 benfen. feit ift fein ©evidit er h a beit u. f. »w. ift 
8 . 28: auf feinem Stdiemagcn fifeenb, laS ber fwlgeuber: Sn feiner tiefften firniebrigung »warb 
Säum ben Propheten 3efajaS unb a»war »wahr® baS Strafgericht, baö ©ott über ihn ftatt über uiiS 
fäjünlich in ber griecbifchen Ucbcrfcfeung ber Sep= ergehen ließ, wen ©ott aufgehoben, »worauf feine 
tnaginta (LXX). SUS hoher »Beamtet einet mach* (Erhöhung aufiug. Tiefe befteht barin, baß fein 
tigeu fföuigiu »war er beS ©riedjiKbcn ohne 3u>et* fidjtbarcS ^eben won ber Erbe »wcggcnom= 
Ui mächtig. men ift, unb er bafür eiwigeä Scbcn cmpfau= 

TaS ißort ©otteS ift bie befte Meifeleftüre, nicht gen hat unb bte SDlacbt, auch unS lebenbig 311 ma= 
bloS auf ber »wfiitcn Straße won Serufatcut nach eben. 

©aaa, fonbern überhaupt auf bem 2Bege burch bie II. $ie Aufnahme $i®rtr$. SS. 34—38. 
3?it jut tSmigfeit: a. 9Jhn wery}ißt babei bie S3e= 8 . 34 unb 35. Ter ftitecht ©otteS, ber gcbulbig 
fchmeroeit beS 'IBegeS; b. mau blnft nicht neben fid) leibeube unb herrlich geredrtfertigte, »wie ihn Sefa= 
auf werboteue ißfabe; c. mau fnüpft baburch gefeg= iaS 53 fd)ilbcrt, ftanb wer bem Singe beS frommen 
trete äteifegefellfchaften an; d. man fomint babei SßilgcrS. 31 ber »wer bao fei, ob ber Prophet felbft 
wonwärtS auf ber rechten Straße 31111 t feligcn 3iel. ober irge»ib ^emanb fonft, baS »wollte er gerne »wif* 
%\x bem Aammeret aeigt üch ber Segen ber Treue fen. Ta »war beim bem SßhilippuS bie befte ©cfe= 
im JKeineu. Taß er feine geringe Erfenutniß won geuheit gegeben, bem »wahrheitfuchcnben, hcilSwcr= 
bem ©otte Sftncl^ fo »wohl aniwenbet, um ernftlid) taugenbeu 9)?aune ßhriftum au werfünbigen, ben 
Sinn Stnbeteu ben »weiten 28cg nach Jterufalein au Süubeiiheilaub, ber burch feinen Tob ber äBeltbaS 
Sieheu unb zweitens auf ber Steife feine 3cit nun ?cbcit gieht. Unb fein Sßort fiel auf feinen un** 
Öefeit beS SEBotte^©otteS fo treulich aitSaufaitfeu, fruchtbaren 99oben. Ter fiätmnever glaubte unb 
lohnte ihm ©ott bamit, baß er ihm ben Sßhilippu3 fanb in biefeni ©lauben Diuhc für feine Seele, 

fanbte, bet ihm ben s 3B.*g beS .$ei(S acigeu mußte. 8 . 36: 6 Swerfteht fid» won felbft, baß SJhitippuS 

8 . 29 unb 30: auf äutrieh beS heiligen ®ei= fid) in feinem ©efpräch mit bem Äiämmerer nid)t auf 
iteS näherte fich SShilippuS bem 2 B vg:n bc3 Ääuts bie Sluolegung ber worliegenbeu SSrophetcnflellc bc= 
meteri unb h* 3 rte, baß bcrfelhe in bem Sßvophcten fchränfte, fonbern halb auf ba3 ©wangelium won 
3ßfaia3 (a3. Ohne Sntfchulbigung unb mit freu- ßhrifto überging, »wobei er ihm namentlich auch ben 
biger Äühnheit bringt SßhilippitS in ben ©etacn3au- SBeg aum .v>cil burch Siuncoauberutig unb Taufe 
ftanb be$ ÜRanue-3 ein, ben ihm ©ott in ben IBeg auf ßhriftuni (2, 38) gezeigt haben »wirb. .CMerauÖ 
geführt. Stritte Snoeite ftnb hlwb unb fchüchtern, erflärt fich bie 9?itte bc§fiämnierer@gana natürlid). 
unb e^ hält fch»wer, baß eine folehc Seele fich won Ta ift Sßa ffc v. 63 mußte fich alles fo fchitfeu, 
felbft hei einem Sehrer »nelben fodtc. Tarmn muß »wie e$ aur 6 k»winnung beS fiämuicrcrS unb aur ra= 
mau ihnen nachgehen unb ©ott um SBeiSheit hit= fchen SSoUcnbung be3 ©nabemwerfcS in ihm nothig 
ten, einen rechten Singang in ihr $er$ au ftitbeit. »war. 

SSerftehft bu auchr »wa-3 bu liefert? Tiefe JB. 37: QHaubft bu won ga 113 cm #er= 

t :age beS SJhiliwpuS ift »wichtig für unS ade. 1 . 3 cn. Ter SSotgang mit bem heucblcriichen Si= 

ie feßt woraus, baß »wir bie »Sibd leien, ^fft men mwditc beu SShiliPPuS wwrfichtiger mad»cn, unb 
biefe SSorauSfcfeimg richtig, ober hefchämt unS bic- ihn wevaulafien, aufs SJeftimintcftc auf ein gau- 
fer halbe .^eibe? 2 . Sie betft un-3 auf nufere na= aeS Sera beim ©lauben an bringen. Ta er aber 
tätliche Sliubheit. . Tenn »wie oft bleibt un-3 ber fah, baß bev »wahre ©laitbe, »weint auch nicht woll= 
tiefe Sinn beffeu, »waS »wir (efen, werfchloffeu? 3. 

©ie treibt unS, ben rechten StuSlegcr au fuchen, ben 
Seift be-3 ©etrn, ber auch nnS SShilippnS rebete. 

8.31: Ter Äämtnerer, »welcher auS ber #ragc 
beS SJhilippu^ baS SSertrauen gefihopft hat, baß 
biefer nicht nur baS tedjte SSerftaitbniß ber Schrift 
befifee, fonbern auch geneigt fei, ihm a(S Rührer au 
bienen, enwibert mit chren»wertber Offenheit, er fünnc 
freilich beit Sßrophcten niiftt werftehen, »wenn ihm 
Siemanb aitleititng baau gehe, erfucht aber augleid) 
beu 'Bhilippu-3 bei ihm Sßlafe au nehmen, »waS bie¬ 
fer auf ber Stelle thit. 

8 . 32 33: Tie Stede, »wc(d»c ber ffSm* 

merer gelcfen hatte, »war ^ef. 53,7 u.f.»w. 6 r 
ift »wie ci n S cha f aur Sd)lachtbanf ge- 
führet it.f.»w. ©otteS Singer »war’S, ber gerabe 
auf biefe Stelle beutete; beim bie Summe ber gan= 
mx chrtrtlicheu SBahrhcil iftßhriftuS, berßruiebrigte 
unb Erhöhte (Sßhil. 2, 5—7). hierin liegt für 

16 


ftänbig cutiwicfelt, fo Wcch bem £eime nad) wovhan= 
beu »war, fo werfagte er nid)t baS Saframent. Ter 
©taube, »welchem bic S3uße ober bie SoSfaguug won 
ber Sünbe worangeht, ift bie «ncrläßlidic 23cbiit= 
gung, »wie ber Taufe, fo ber Sliifnahuic in ba-3 
SHcidh ßhrifti überhaupt. Ter red)tc ©lauhe ift— 
aber nicht eine bloße 3uftiiumung, ein bloßem Sür= 
»wahrhalten ber Cehren beS ßhrirtcnthumS, fwnbcru 
eine pcrfönlicbc rürfhaltSlofe Selbfthingabe an 
ßhriftuni, »welche eine wollige Unterorbnung beS cU 
gelten SBidcnS unter ben SEidcu ßhrifti in fid) 
fd)(ießt. 3d» glaube, baß 3cfuS ßhriftuS (Lottes 
Sohn ift. TaS © l a 11 b e n S b e f e 11 n t n i ß ge= 
hört aur Taufe nach uraltem 65ebraud) ber .ftivehe. 
SSon unmünbigen Minbern freilid) fann ein folcheS 
nicht gefovbert»werben; unb bennod» »weintbie Jtirrfic 
ihnen bie Taufe nicht, »weil ßhriftuS felbft ihnen 
baS ©immclreid» unb bamit auch WaS 3dchen beS 
Eintritts in'S Himmelreich, bie Taufe, aufpvidft. 


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218 


Sonntagfiliul^rktiotim. 


ö. 38: Sic ft i egen tun ab. 25ahv?d)ein= 
lid) mürbe bie Xattfe in btefem |Jal(c buvd) Unter; 
taueben pollgogcn; fcod) liefee e3 ftd) immerhin and) 
beuten, bajj Sßbilippu3 beu Äätnmcrcv, im ißaifer 
ftcbcnb, befpvengte. Die ankere ftorm ber Xante 
ift gemik pou unteracorbncter SJcbeutung, fonft batte 
uu3 ber £>err in jeiueui 3Bortc bcftiuuuteve turnet; 
fuug hierüber gegeben. 

III. 3Da$ ©lud M Erlösen. 93. 39 uub 40. 
®. 39. D a f i c b e r a u f ft i e g e n, pevjdppanb 
s $hilippu3 plofelid), io bak ber Äammcrer ibn 
nid)t mehr su (Sefnbt befaiu. 9ßbi(tppii3 mürbe 
nad) 913bob entvfnft unb hm bort erft mieber 
311111 SSorfdjein. 913 bob, norbmcftUd) Poit ©aga 
gelegen, mar gleichfalls eine ber fünf ©auptftabte 
ber Ablüfter. Die muitberbar vafd>e (Siitviitfuug 
be3 9Sbilippu3 mürbe Pont Seifte ©ottc3 ge= 
mirft, ber ibn, mie bamat3 ben S*lia3 (2 Äon. 18, 
12; 2, 16), mit über na tür lieber 9Mad)t bmmegrik 
unb entführte. 

“Der Ää mm er et aber fefete feine Steife auf ber 
Strake nad) ©ata fort, unb gmar Poll ftre 11 = 
bin feit. (Sr batte ShriftumflefunbeiMinb in ihm 
bie Vergebung feiner Süitbeu. 2Bo aber 93erge= 
buna ber Sünbeu ift, ba ift geben unb Seligfett. 
Dod) lag ber ©ruitb ber ftreubigfeit be3 9Kanne3 
nid)t allein in beul $ei(, ba3 ihm 311 Xhcil gemot; 
ben mar, fonbevu and) in ber plolglicben (Sntrücfuna 
be3 Suanaeliftcn, meid): ihm gut befonberen ©tau= 
beu3ftävfung biente. Denn e3 mar ihm nun, a!3 
märe ihm ein Siigel poiii Fimmel sunt 9teifegefcll= 
febafter gugefebieft morbeit unb nun mieber per= 
fdjmmtbcn. Unb fo mar c3 ia and) in ber SEbat; 
beim ma3 anber3 mar für ihn 9M)ilippu3 al3 ein 
ftviebeii3eugc(, beu ihm ©ott getankt? 

®. 40: 93ou 9l3bob an ber ©re 113c be3 ®()Uificv; 
lanbe3 burduog nun 55hilippu3 bie gange Äüfte 
®aläftina3 bi3norbmärt3 juutÄarmel, mo Säfa= 
rea lag, unb prebigte in allen Stabten 
ba3 Spaitflclium. Säfarea ift hier (im Unter; 
fdjieb poit Säfarea ^Jbilippi an ben 3orbanqucllen) 
bie Oefannte am SMittelmecve gelegene Stabt, welche 
ber Sife ber iübifd)eu fßrofuratoren (ganbpflegcv) 
mar. Sie mar pon ©erobe3 beut ©rokeit erbaut 
unb beut 9luguftu3 gu (Sbren Säfarea, b. b. ffai* 
ferftabt, genannt morben. $\\ biefer Stabt blieb 
93bilippu3, unb nad) faft breifng fahren finben 
mir ihn, 9lpftg. 21, 8, mieber bafcloft mit feinen 
Xodjtern. 


Sonntag, ben 15. 2lprU. Slpoftelgefd). 9, 1—18. 

€>ault ©efeljrnng. 

I. Saul ber ©erfolget* (V. 1. 2). Xer Anfang 
ber Ergäblung Pon $auli Vefebnmg meift beutlicb auf 
Kap. 8, 1.3. gurüd. Saulu3 mütbete („at^mete 
^Drohungen unb Vi 0 r b") fo lehr gegen bie <Ef>ri= 
fteu, bak er fid) liiert mit ber Verfolgung in Scnifalem 
(pgl. Kap. 26, 10) begnügte, fonbern and; bie au*mär» 
tigen Gläubigen gu oernichteii ftrebte. X a m a * f u 3, 
bie alte ftauptftabt pon SPrien, etma 140 engliiebe SDiei* 
len norböftlicb pou >;uiälem gelegen, mir p.iicb ©e= 
merbe unb franbel, fomie burd) feine parabieftfehe Vage 
meit unb bveit berühmt, Satyre 64 Por Cbrif:t mar 


e3 burd) $ompeju3 bem römiftbeit SReicbe untertoorfen 
unb gu bei ^rooing Sprten gejcblagen morben. Schon 
feit ber ^errfebaft ber Seleucibeit batte Xamaäfuö eine 
gablreicbe jitbi)cbv C^imoobnerfcbaft. Xiefe Stabt fafelc 
Saulue in e) 9luge, Pielleicbt meil er Pon einer grökcic» 
3abl ©Triften bbrte, bie ficb bort aufbielteu, ober meil er 
felbft Verbinbuugen bort batte. 

©. 2: Um bie § briften in Xama3 1 u3 feft= 
nehmen unb gebunben nach S^ufalem abfübren gu tciu 
nen, mo fie por öerid)t gefteUt merben foUten — erbittet 
er ficb uorn Jpobeupriefter Gmpfeblunge 
unb Vo Umaöbtöbriefe an bie Spnagoge in 2“a= 
ma3fue. Xer bamalige $0 bepr ieficr mar matr: 
fcbeinlicb Xbeopbiluö. Xie auslänbifcben Suten 
erfannten bie Autorität be3 öobenprieflerd in Jmnalcm 
uub be3 Spncbrium3, beffen Vorfiber er mar, freimütig 
al3 bi:d)ften (9evid)t3bof m religioien Dingen an, unb ba 
Xama3fu3 bamalö (pgt. 2 ilor. 11, 32) unter einem ben 
3uben febr geneigten dürften, bem 9lreta3, ftanb, 
fonntc ber öobepriefter leiebt bie Abführung ber Triften 
au3 biefer Stabt nach Serufalcm burebieben. 

Sauluö mar ein ftrenger ^barifäer, im Oefeb unfträf= 
lieb, al>er eben barum Perfolgte er mit Erbitterung bie 
P e r m e i n t e n @cfebe3Perrätbrr. Er glaubte @ott ba- 
mit einen Xienft gu ermeifeu. 9tber je ber gaua- 
ti3m u3 ficb fleigert, befto mastiger mirb ba3 % lei id> unb 
ber Vienfcb gum blutbürftigen, morbfcbiiaubenben 
^bic^. So ging’3 bei Saulu3. 9lber bie ©nabe tiek 
ben perbleubetcn Verfolger nidjt au3 ben 9lugen. ©crabe 
je^t, ba e3 auf’3 Veufierfte mit mit ibm gefommeu mar, 
griff fie ein, ibn gu retten. Xarum ift Sauluä ein glem 
genbe^ Vcifpiel ber auch ben Pergmeifcltften Sünber fu-- 
cbenben unb rettenten Sünberliebe ©otte3. 

II. Seine »rfebrnng (V. 3-9). ®. 3. 4: Erft 

in ber Väbe pon Xamaäfuä mirb Saulu3 aufgebalten 
unb ermreft. Xie ©efabr für bie Ebriften in Xama3fu3 
mar bringettb, bei* geinb mar Por ben Shoren, aber mo 
bie 9iot(; am grillen ift ©ott am näebften. 2lm bellen 
Viittag (22,6) umleucbtete ben Sauluö plöplicp ein i'idbt, 
beller al3 ber ©lang ber Sonne. Ser Verfolger ftürgte 
übermältigt gur Erbe nicber, benn ba3 Vid)t mar ein giebt 
p 0 m § i tn m e I, ein l'icbtglanj, mie er ©ott umgibt, 
unb in bieiem Vicbtglang erfebien ibm ber §err, mie an3 
Äap. 9, 17. 27 unb 1 Kor. 15, 8; 9, 1 beutlid) b ero <> ri 
gebt. E$ mar nicht ein Sraum, nicht ein blök innerer 
SeclenPorgang, fonbern eine mirflicbe Erfcbeinung 
b c 3 91 u f e r ft a n b e n e n. — Ein boppeltc3 Vicht ftrablt 
aud) b^nte noch bei ber Vefebrung eine« Sünberö Pom 
.^immel in’3 öerg: 1) Xer erfebredenbe Strahl be3 aötts 
heben ©efebe3; 2) ber tröftlicbe Strahl ber epangelijcben 
©nabe. 

Saul! Saul! Xer mieberbolte einbringlicbe 91a-' 
men$ruf Pom öerru mahnt ben Sauluö 1) an feinet 
^ergen3 Verfebrtbeit unb 2) an be3 öerrn ©nabenabfiebt 
mit ibm. Saul ^eikt ja „ber pou ©ott Erbetene.“ 
2(1$ einen oon ©ott Erbetenen, al3 fein Eigcntbum refla^ 
mirt hier 3*1 u$ ben ipütbenben Verfolger feiner ©e- 
meinbe. a 3, P e r f 0 1 g ft b u m i ch ? 2ß a 3 ? b. b. 
marurn ? al3 mollte ber feerr fagen: 2Öa3 habe ich bir 
getban ? mornit ^abe ic^ bid» belcibigt, bak bu mich in 
meinen ©liebem fo burftiglicb Perfotgft ? Sie erfcbrerf= 
lieb müffen Saul bieie Sorte gedungen buben? Er 
batte für fein Xbun vr>oI?l Vob unb Veifatl Pom ftimntel 
ermartet, — unb fiebe fein Sirfen mirb Perflucbt, fein 
Eifer für ©ott eine Verfolgung be3 gejalbten ©otte3 unb 
formt ©otte3 felbft genannt. 

©.5: Ser bift bu, frerr? Xiefe 5 ra 9 e 
bak Saulu3 ben öerrn nicht fofort erfannt but, roiemobl 
eine ?(bnung, mer ber Erhabene fei, gleich mit bem 3uruf 
fein ©emiffen burebgudt buhen mirb. Ser bift bu? 


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So nntagfd) ul»jMtio tun 


219 


Sauliid mill ben $erm lennen lernen, ber ihm fo blöfc* 
lieh in ben 2öeg trat, Gr miberftrebt nicht, fonbern fragt 
nach ©ott. ©ielc fielen auf berfelben Stufe bed inneren 
hebend. Sie tragen einen Stadel in {ich, ben fie nicht 
lod inerben tonnen. Sie ahnen, baß fte nur in Ghrifto 
»eil finben fönneu, aber fie füllen fich non ihm noch ge* 
[Rieben. D, fragt auch ihr: öerr, ioer bift bu ? gragt 
im Gebet, fucht in ber Schrift, unb ber §err mirh fich 
euch offenbaren. 

3$ bin 3efu3, ben bu nerfolgt. Gin 
ichredlühed “i<ht ging bamit bem Saulud auf: Gr« 
ftend über ben öerrnSefum, n) baß er lebe 
ald ber gen §'unmel Grlöfte; jioeitenS über f i ch 
(elbft, a) haß er in fünbiidjer ©erblenbung miber 
©ott geftritten, b) baß er eben barum nicht nur bergeb* 
lieb gearbeitet, fonbern auch ©otted TOßfallen auf fich 
herabgezogeit habe. 

3(9 bin 3 *fud. SÖad biefer gefuduame bem be* 
teerten Saulus gemefen, banon fehnteefen toir etmad, 
toenn auch inir eine Stimbe gehabt haben, ino und 
jum eriieu 4)tal mich ein: „ 3 $ bin 3 *!’ud!" fo burchd 
firn ging, baß loir unfere Sünbe in ihrer fc^aucrlid)eit 
©roße, aber auch bie ©nabe in ihrer über bad größte 
Sünbenoerbcrben triumpbirenben Allmacht tennen ge* 
lernt haben. 

Gd mirb bir fchmermerben loiber ben 
Stachel (b. h- ben mit jdjarfem Stachel berfehenen 
Steden bed Sreiberd) ju loden ober audzußhlagen. 
Ser Sinn biefer ©Sorte tft offenbar: Gd toirb bir fermer 
foerben mir zn miberftehen. ©ton hat gefragt, ob biefed 
2Öort nicht Darauf hiuroeffe, baß Saulud loirtlich ge* 
yo u u g e n mar, bem Stufe bed öerm zu folgen. Sie 
»nttoort auf biefe grage giebt berSlpoftel felbft (26,19), 
tw> er bor bem König vlgrippa bie ©efchichte feiner ©e* 
fehrung erzählt, unb babei bemerft, baß er ber himmlt* 
fchen Grfcheinung nicht ungehorfam gemefen 
fei, rnomit offenbar bie greihett feiued killend bor* 
audgefebt ift. So unumfehräntt auch bie ©nabe mirtt, 
fo mirtt fie bod) nur auf eine freie ^erjönlichfcit, mclche 
ebeufomohl üermag bie ©nabe anzunehmen, ald fie bon 
fuh ju ftoßen. 

©. 6 : Gv fbrach mit 3 *ttern unb 3 agen. 
Saulud ift iibermunben; aud bem brüllenben Bornen ift 
eingebulbiged *tomm geworben. Saulud mirb nun „^Sau* 
lud," b. h- „Hein," unb muß befenucn: „Sn bift mir ju 
ftartgemefeu unb haft gewonnen," 3* 1 *- 20 , 7. Sad 
teru iinbßageu ift bad pichen bußfertiger 3 erfnirfchuug. 
3lber bereitd mirb auch fe^ou ber ©laube in Saulud ge* 
boren, beim er nennt ben mm ihm verfolgten 3 efum fei* 
ueu „hm* li," beffeu ©Sille fortan fein Sieben beherr* 
fchen ioU. fcerr, mad milIft bu u. f. m. 3 a 
biefer grage muß ed bei jebem SMeußhen fommeii, menn 
er nicht auf emig berloren gehen mill. Saß mir uufereu 
©litten bebiiifltmgdlod bem Villen Gbrifti uutem>erfen, 
bad ift bad Kennzeichen einer mahreu ©etehrung. 

Stehe auf unb geh« in bie Stabt. Sad 
«Ite ift vergangen. 3 cfu« fprkht jefct ald $err 311 
Saulud unb biefer folgt ihm milüg, ald märe er fchon 
feit 3ahcen fein S i e u e r gemefeit. 

0. 7 : Kap. 22, 9 erjäblt $*mlud felbft, fcheiubar im 
Siberfbruch mit nuferer Stelle: „Sie fahen bad Xiicht 
unb erfchrafen, bie Stimme aber bed, ber mit mir re* 
bete, hörten fie nicht." Sied ift fo ju berfteben: fie fa* 
ben bad Üicht, aber feine ^erfon, hörten ben &mt, ber* 
fttuiK-n aber leine Söorle. 

C. 8 uw* 9 : boriibergebenbe ölinbheit 

bed Saulud fotlte ihn bon ber aiißenmelt abfchließen, 
bamit er ganj allein märe mit ftch unb feinem ©ott. 
fktulud felbft enthielt fich bveiSage lang aller Wahrung. 
S 11 biefeu brei Sagen lämpfte er ben ©ebeldfainvf, ben 
3 afob ciuft au ber gurth bed 3 abbof gefämfjft hatte 


(35. 11 ). g ü h r t e ti i h n n a ch S a m a d f u d. So 
hatle er fich feinen Giujug nicht gebacht, ©ebunben 
mollte er bieGyrifteu aud Samadfud fuhren, mm führt 
ihn ber §errjclbft ald einen ©ebunbenen in bie Stabt. 

III. Seine ©ffeßrung (1>. 10—18). ©.10: ©au* 
lud fchieu in ben brei Sagen feiner ©linbheit ganj ber* 
laffeu, mar ed aber nicht. &er treue $irte ba|äumt 
bad miebergefunbene Schaf feinen Stugenblicf, fonbern 
hat fchon bad SBerf ju feiner Slufrichttmg bereit. 31 n a* 
tiiad mar fein berühmter Lehrer, fonbern ein einfacher 
Sniiger. S)er gelehrte ^h al 'if äer ungelehrten 

Ghrifteu 311 m Lehrer befommen. SBäre ^eirud ober ein 
anberer großer Styoftel gu ihm gefaubt ivorben, fo hätte 
Saulud baburch emerfeitd ftol*, anbererfeitd Von menfeh- 
Uchem 2 tn|eben abhängig merbeu föuiien. 

©. 11: ©ehe hi» in bie©affe, bie bahei* 
ßet bie©erabe (Luther: bie Süchtige), ©ott leimt 
alle ©afjeu unb meiß, mer barin mohnt unb mad bariu 
Oorgeht. Siehe er betet. Samit giebt ber §err 
ben ©ntnb an, marum er ben Sltianiad fenbe. „Gr be* 
tet," alfo ift er fein ^öfterer 3 ^’fu unb fein Verfolger ber 
Ghrifteu mehr, fonbern hat bad Schmert meggemrrfen 
unb bie mehrlofen $änbe tu griebeu gefaltet. >Der ^err 
blieft mit üiebe herab auf bad ^erbrochene Äevj, bad im 
©ebete Dor ihm liegt; barum foll auch bie©emeiitbe ben* 
jenigcit nicht mehr ald einen ©erlernten meibeu, hon 
bem ed einmal heißt: Siehe er betet! fonbern ihn Diel* 
uiebr mit herzlichem Grbarmeit aufnehmen. 

©. 12 : 2 i>ie munberhar ift bao 3 »einanbergreifen 
ber göttlichen ©nabenmufungen! öier zeigt ber$»err bem 
2 lnaiiiad ben betenben ^laulud unb biefati miebetuiu bat 
hülfreich ftch ^ahenben Shtaniad, im ©efichtc. Solche 
außerorbentliehen Offenbarungen mürben bem Saulud 
ju Sheil um feined giifiinftigcti apoftolifrheit ©etufed 
mtUeu, bamit er fagen fönnte: „3ch habe'rd hon bem 
fjxrrn empfangen " 

©. 18 — 16 : 5 u bernGinmanb bed Slnaniad unb 
beffeit ©efeittgung burch ben .verrn ftn'icht fich bie fiub* 
liehe Stellung ber gläubigen Seele £u ihrem Grlöfer in 
riihrenber Steife aud; 2luaiiiad fbrtcht mit bem Jpevrn, 
mie ein 9)iann mit feinem gmmbe. ©.16. Sief er 
i ft m i r 11 . f. m. Saulud ift zum 21 p 0 ft e l ber föei* 
ben beruj^n. SBic bie übrigen 2 tf?oftel, fo ift auch ^äu* 
lud hon^fu unmittelbar ermählt, berufen unb ind 2 (mt 
geießt morben ; nur berief ber Griöfer jene im Staube 
ber Gmiebrigung, biefen aber im Staube tcr Grhöbung. 

©.17: >Oie 2 tnff)rache bed Slnaniad ift ein 9)iuftcr 
baftoralcr 93?elöl;cit. üieber©rubc r—fanftmütbi^e 
Sielte —, borfperrhat mich gefanbt — ein 
gingerzeig nach oben, oon mo bem reuigen Siinbev bie 
hülfe fomrnen muß —, b e r b ir e r f ch ie 11 e n i ft — 
eine ermutbigenbe Mahnung an ben bereitd gemachten 
2 lnfang bed ©uabenmerfd—a u f b e m 5&> e g e u. f. m.— 
eine fchonenbe Grinncnmg an ben alten Siinbenmeg —, 
baß b u mie ber f e h^nb unb mi t bem beit igeu 
©eifte erfüllet merbeft — eine tröfilicfce feinmet* 
fung auf bad berrliebe 3 tri ber ©imbenarbeit ©rtted. 

©.18: Siie 2 Biebererlangung beo ©efichtd uar ©or* 
bote unb ^ßfanb ber © e i ft e dt a u f e, uelche Saulud 
mahrfcheinlich burch ©ermitteluug ber 5ü ! afci1aufe cm* 
^fangen follte. Sie Icßtere fanb termutblich in einem 
ber glüffe, 2 lmafta ober ^pbarbhet^ ftatt. melche Slacmau 
feiner 3^it fo hoch gerühmt hatte. Stoch ^ er Saufe uabm 
Saulud m t e b e r S p e i f e zu f i ch. Sic 3^ ü i er 
Sraurigfeit unb bed ©lißfambfed mar nun herüber. 
Ghriftud mar in feinem .»erzen eingefebrt unb mit ihm 
©ergelutng ber Sünben unb ein neued feliged ©laubend* 
leben. 


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220 


&onntagfd)uUJtVhtionM. 


Sonntag, ben 22. Sprit. Spftg. 9,19—30. 

Saulus öerfuitbigt C^riftunt. 

3)ie oorliegenbe Beftion umfaßt einen 3 c itraum Oon 
brei Jahren, o:n bern Jahre 37, in Welchem ©aulud be* 
fe^rt Wurb:, bid gu bem Jahre 40, in welchem ec badeifte 
Wal wieber nad) Jecufalem fam. (Sin großer Zfytii biefer 
3eit fonrnt jeöoch na:h ©al. 1, 15—17 auf einen 3luf= 
enthalt ^huli in Arabien, weiten Bufad gänglkh uner* 
wähnt tä&t. 

I. Saud ftüMcit. (35.19-22.) B. 19-20. 
©ogieich naij feiner 'Befeurung trat Baulud in ben © 9 * 
nagogen oon 3)amadfud auf unb prebigte © h r i ft u m, 
baß er ber ©ohn ©otted fei. (Sr oerfünbigte 
alw bie Wüliauität Jefu, aber in ber höheren Bebeutung, 
wie bad ©hriftenthum ben Wefftad fennen lehrt, unb rote 
er ihn felbft in feiner Bete irung fennen gelernt hatte. 
3örd ihn bagu trieb, roar einerfeitd bie Biebe gu feinen oer* 
blenbeten ©tammedgenoffen, bie in ihrer i^or^eit ben 
eri:f}ienenen Wüfiad «ermarfen unb bad öeil oon ftd^ 
fließen, Wüted ihnen fo nahe roar, anbererfeitd bie ^iebe 
gum öeilanb, ber ftcb feiner fo gnäbiglid) erbarmt hatte, 
©d bte» nun bei ihm: „Jh glaube, barum rebe ich." 
©o ift*d feilte nod) bei neu beehrten ©eeleit. ©ie fön* 
nend nic^t für fich bemalten, wad ber §err ©robed an 
ihnen getrau hat- 2)ie Biebe brängt jte, ed Anbern mit* 
gutheilen, bamit auch biefe burch ©hriftum Qerettet wer* 
ben möchten. 

B. 21 : ©ie entfetten fich — nehmlii) bie 
ungläubigen Juben — unbfprachen: 3 ft biefer 
u.f.ro. i)er Verfolger ber jungen ©hriüe tgemeinbe roar 
plößlich ^ einen bemüthigen Jünger ^cfu umgetoanbelt 
roorben; ber Wann, ber nach Sanudfud gefomtnen roar, 
um bie ©giften gefeffelt nach Jerufalem gu fchlebten, 
trat nun fiihn unb crfchrocfett auf unb oerfünbigte in ben 
©tynagogen ber Jubeit, bab Jefud ber Weffiad unb ber 
©ohn ©otted fei. 2)ad war’d, worüber bie Juben f i cb 
entfetten, Wörtlich in ©rftaunen gerieten. Auch 
heute noch entfett fich bie 3öelt, roenn ein offener geinb 
©hrifti, ober auch ein tief gefttnfener ©ünber bürd) bie 
Wacht ber ©nabe ©otted belehrt unb in einen 3 e ugeit 
feiner rettenben Bicbe mngeroanbelt roirb. 

©. 22 : ©au lud Warb je meh r fr äftiger. 
3B?r ba hat, bem roirb gegeben. bab er bie ftülle habe. 
2 ):e befte 3öiberlegung berer, bie au bem ©rnft unferer 
Befehrung gweifeln, tft bad 3öachdtbum im neuen Beben. 
Söabrfheinlich ift 35. 22 bie ©teile tn bem Berichte bed 
Bufad, Wo ber ©al. 1 , 1 &erwähnte Aufenthalt Bauli in 
Arabien eingufchalten ift. 2)ie ftille 3urücfgegogenheit in 
Arabien biente bem Apoftel gur 35orbereitung auf feinen 
erhabenen Beruf; bort empfing er bie ootte Audrüftung 
mit ben mancherlei ©eiftedgaben, Welche ihn gu feiner 
roeltberoegenben apoftolifeben 3öirffamfeit befähigten, 
©ein erfted 3*ugnib oon ©brifto (35. 20 ), roar nur ber 
ftergendergub eined begnabigten ©ottedfinbed, bad, oon 
feuriger \?iebc gebrungen, auch Anbern oerfünben ntub, 
road ©hrii’tud ihm geworben. 2 )ie eigentlich apofto* 
l i f ch e ^hätigfeit begann erft nach feiner Aücffehr aud 
Arabien (35. 22). 

©r trieb bie 3 uben ein, b.h- er brachte fie in 
35erroirrung burch ben Aach w e id aud bem Alten 
% e ft am en t, baf; 3 eiud ber Weffiad fei. ßr ftreitet jeßt 
nicht mehr mit fleifchlichen, fonbern mit gecftlicben 2l5af* 
fen, mit bem 3öorte ©otted, über welche* ihm ber ©eift 
©hrifti bad rechte £icht gegeben, ©aburd) brachte er bie 
3uben in 35erroirrung unb 35er(egenheit, weil fie feine j 
Beweisführung nicht gu «überlegen oermosten unb boit 
ben ©chlu&faß nicht gugeben Wollten. Um bie 3Siberfacher 
bed ©h r i'’t c wtbamd mit (Srfolg gu roieerlegen, l'ebarf ed 


mehr ald bloß natürlichen ©charfftnn unb ©elehrfamfeit; 
ed bebarf ber ©rf»ihnmg üom öeil in ©hrifto, baft man 
mit ^aulud fagen fann: „^efud lebt in mir." 

II. ^ic Wathflellungett «er 3u&en. (35. 23—25.) 
©. 23: Anfangs erroeefte bad 3 *uguifj bed Afjofteld nur 
©taunen unb 35ecrounberung (35. 21 ), halb aber ging bad 
©taunen in ©rbttterung unb ^einbfd^aft über, gumal 
I man, burch feine Beweisführung and, bem Alten ieftn* 
ment in bie ©nge getrieben, fich befc^ämt fühlte, ©o ift 
bad natürliche Wenfchenherg. ©rft hört ed auf bie 
Stimm: ber Wahrheit aud Aeugierbe; aber ed fuebt bie* 
felbe budb ©^erg unb «eichtfinn ober burch allerlei 3 ?er= 
ftanbedgrünbe gu entfräften. ©elingt ed nicht mehr; 
j bringt fie mit unroiberftchlicber, richtenber ©noalt i.Vd 
l §er 3 tyiwein, bann roanbelt fich Me Aeugierbe in O rbit* 

- terung unb öaf;. Unb wer biefen fcaffe Aaum giebt, ber 
[ ftöftt bie Akihrheit unb mit ibr bad fteil oou fich unb 
I berfinft um fo tiefer in bie tfnechtfchaft ber ©ünbe. 

©. 24: ©d Warb ©a ulo tun bgethan. ©au* 
lud roar ehebem in bem böfen Aathe ber Juben geWefeu, 
bie jünger Jefu gu tobten. 3 eßt 'erfährt er, geroifjgu 
feiner recht feligeu Befchämung, bafe bie juben ihm felbft 
nach bem &ben trachten, ©r burfte Anbered nicht er* 
Warten, foatte ihm hoch ber §err beftimmt ooraudoer* 
fünbigt, baß er werbe oiel leiben müffen, um feined Aa* 
men Willen. Auch toir bürfen und nicht rounbern, wenn 
bie 2 Belt und haßt unb «erfolgt, benn ber Jünger ift nicht 
größer ald ber Wcifter (Joh- 15, 20 ). 

©ie hüteten aber. Aud 2 ilor. 11, 32 ergiebt 
fich, baf* bie Bewachung ber fyovt burch ben Vanbbfleger 
bed üönigd Aretad gefchah. Beßlerer War ben Juben 

K unb mit bem .'öohenbriefter Sbeopbitnd befreun* 
»raud ed fich leicht erflärt, bab fein ©tatthalter in 
$amadfud ben juben bie gur Bewachung ber Xbore 
nötbigen ©olbaten gur 35erfügung fteüte. ^ie geinbe 
Wachen Xag unb Aacht, um ben Aboflel gu fangen; aber 
ber )büter Jiraeld ichläft unb fchlummen auch nid>t unb 
Wacht noch beffer über bad l'eben ieined Äne^tcd. itönig 
Aretad hat feine ©chergen ben JJeinben ©brifti gur 3ter* 
fügung geftellt, aber ber ftönig aller Könige h«t feinen 
©ngeln befohlen, über feinen Auderwählten gu Wachen, 
bab ihm fein fraar gelrümmt Werbe (Orgl. Jef. 8 , 10). 
3Benn ©ott Will, fann er bie ©einen Oor ben Aachftel* 
luugen ihrer Jyeinbe Wohl beroabren. Alan benfe nur an 
bie brei Wänner im feurigen Öfen, an Daniel im Vö* 
Wengraben. Unb roenn er nicht Will, bann rnitb ber 
£ob feiner heiligen gur 35erherrliWung Ieined Aamend 
unb gum öeil ber 3öelt gereichen. Öad Blut ber Warth* 
rer War ber ©ame ber Kirche. 

©. 25: ©ie lieben ihn in einem .ftovbe 
h i n a b. ©aulud, an bem ber frerr febon folcbe Bknber 
pethan, oerroirft hoch bad einfältige Wittel nicht, welches 
ihm bie Briiber gn feiner Aettung auboten. ' Atan foll 
ni^t 3öunber oon ©oü erwarten, wo man natürliche 
Wittel anWenben fann. 

III. ©aitlttd in ^emfalem. (35. 26—30.) ©. 26: 
aber ©aulud gen jerufalcm fam. 
Aach ©al- 1,18 War ed brei Jahre nach feiner Befe^ 
ruug. Sie fürchteten fich &or *^ m. 35on 
©eiten ber ©briften em oergeihlifher Argwohn; fie moch* 
ten benfen, leine Belehrung fei eine blobe ^vinie, eine Vorf* 
foeiic, um fie befto leichter oerberbengu fönnen. Jür Bau* 
lud aber war ed eine heilfame Bnifung. öart freilich 
Wubte e* für ihn fein, bab er, faum ben $yeinbeu entron* 
nen, oon ben Jüngern nicht angenommen Würbe. Aber 
feined früheren hebend emaebenf, Wunbert er fi<* nicht, 
bab man ihn meibet unb fürchtet, ©r erträgt biefe Be* 
banblung gebulbig. S)arin geigt fich *>ie ©ebtbeit feiner 
Befehnmg, bab t>er, Wclcber trüber io graufam' Wüthete, 
nun 35erfolgung unb Beratung ruhig erträgt. 


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$onntagrd)ul°j?rlttiontn, 


221 


8 . 27: 8 a r u a b a S aber (ber als öettemft aus 
©ppern nielleicpt jcpo.i früpec mit SauluS befannt gewe= 
fen) n a p m i p n 3 u f i cp. (Sr mag mit feinem freimte 
liefert fciobeSbienft ber traurigen Seele beS gurüctgeftofee? 
iien ÄiuluS mpt als ein B a r n a b a S, b. p. ein „Sopn 
be$ XrofteS" erfepienen fein. So Weife ber öerr beit 
Seinen auep in ben bitterften ^cibeitStclcp immer einen 
Xropfm bei Xroftei 511 fepütten, namentlich burep bie 
treue^iiebeeines gleiepgejinitten JreuitbeS. ISr führte 
ipn gn ben Slpo|teln (stadial. 1,18 mar nur 
$etruS gegenwärtig unb JafobuS, ber trüber beS öerrit) 
unb ^erftreute burep ©rgäplung ber BefeprungSgefcpicpte 
$auli bie Befürchtungen ber Jünger, Welcpe balb in tyau? 
luS ein auäerwäplteS Viiftjeug beS §ecrn eefannteu. 
©ut, wenn am ©nbe mrpe an ©mein orfuitben wirb, als 
man ipm anfangs jugetraut! 

8.28: Gr ging mit ihnen aus unb ein, 
mürbe alfo als Bcuter aueifaniit Sie ©eit bleibt 
Uartnäcfig an ben früheren Siinben bever hangen, tnolc^e 
fxch burep ©ort unb ©anbei als toa^c^aft befehlt erwet? 
jen; bie christliche xiiebe aber öergißt, wai ber Belehrte 
ehemals gemeieu ober prent oielmehr bie ©nabe, toelcpe 
ihn aus eiuem Sünber in ein &iitb ©oiteS umgewaubelt 
hat. 

8 . 29: ^ßauluS prebigi nicht nur in Jerufalem, 
fonbent befpriept fi:p <iu:p bejouberS mit ben © r i e cp e u 
(.pettemften), gerabe fo Wie weilaub SteppauiuS, über 
teffen Xob er fiep gefreut patte, unb ber nun in ipm 
größer wieoer auferftanben ift. SaS fiitb ©otteS ©un* 
bertoege in feinem Veicp. 

8 . 30: 9ßeue Verfolgung unb neue Rettung. Sie 
Bruber, welcpe fiep erft Oor benv befeprten SauluS ge« 
füreptet, müpeit ficb nun mit treuer jjiebe um feine Stets 
tuug unb füpreii ipu guuäcpft na.p ©afarea, boit wo er 
fup naep feiner §.tmaip Xarfeu in ©tUcienbe? 
giebt. 

IV. Sag fBaipglftttt brr ©emeinbe. 8.31: So 

batte btc ©emeinbe grieben. Sluf ben Sturm 
fommt immer auep wieber ein Stupeftünblein für bie 
Hirepe. Sa gitt’S gu pjlangeit unb ju bauen. Sie 
©emeinbe baute fiep. ©aS ift ©rbauung? 
Ser ©prift ift burep bie ©ieoergeburt auf ©priftum, ben 
©ifteiit beS ^eilS, gegrünbet. Über toie bie ©eburt nur 
ber Äufaug beS leiblicpeu Gebens, fo ift bie ©ieberge* 
burt mir ber Anfang beS geijtlicpeu Gebens. Ser 
©runblegung muß bie fortbauerube ©rba uuug, 
bie Heiligung, folgen. ©ie in ber ©iebergeburt, fo m iß 
au:p in ber $eiltgung g Ö111 i cp e S unb m e n f cp l i? 
cbeS ©irfeu ^anb iu&aub gepeit. SieS beutet auep 
2ufaS an, inbem er niept nur oon bem ©anbei ber 
©laubigen inbergurcptbeS § e r r n rebet, fonbem 
auep oon bem Xrofte beS petltgen ©eifteS. 
SeS ©eifteS Xröftung unb Stärluug aber erflept fiep bie 
©emeinbe wie ber einzelne ©prift im ©ebet. ©0 baS un* 
terbleibt, wo eS überhaupt an ber fortbauemben ©rbau* 
ung feplt, ba mufe baS neue &ben Wteber erfterben in 
©priftenperjeu, ©priftengemeinben unb ©priftenböltent. 


Sonntag, ben 29. SCpril. 3lpftg. 9, 32—43. 

$etri SBunbertoetfc. 

Stacpbem ^auluS Jerufalem berlaffen patte unb mäp-' 
rertb er ficb in XarfuS nufpielt, maepte ^etruS eine Vift- 
tatiouSreife ju ben lleugegrün^eten ©emeinben. Bei bie- 
fer ©elegeiipeit fam er auep uaep iipbba unb Joppe, Wo er 
bie m nuferer Öeftion erjaplteu ©unber berrieptete. 

I. fetrut in 29 bbo. 8. 32—35. Spbba liegt 


in einer fepönen Wellenförmigen ©bene, Welche einem mit 
Del unb geigenbäumen bepflanzen ©arten gleicht. Ser 
alte Staute £pbba ift peute ttoep in bem Stnmen beS Stäbt^ 
cpenS^ubb ober iiibb erfeu nllidj, welcpeS böepftwaprfepeim 
Ücp auf ber Stelle beS epemaligen ^pbba fiept. 

© r fam g u ben heiligen, ^eilige werben bie 
©prifteit im Stcuen Xeftameitt niept feilen genannt, niebt, 
Weil fie bereits oollfontmeit vettt unb füttbloS finb, feit- 
bevn weil fie ftep ©prifto 311 m ©igentpum geweipt paben 
unb oon ber ©eit auogefonbert ftitb, 

8 . 33: S a f c l b ft f a tt b c r e i n e n 9)t a n it u f.w. 
^ödpft wabifcpetnlicp war SleneaS ein ©lieb ber ©es 
metube. 4lucp unter ben „^eiligen" trifft man noep 
Äranfe an, auep geiftlicp Mranfe. Sie itirepe bepält im= 
mer tiocp etwas üa^aretpmäpigeS, Wo fteio ©iner betn 
Slnbern als ÄranfenWärter bienen mu&. ©priftuS aber 
ift ber Slrjt, Pon bem Teilung unb l'ebenofrajt auSgept 
für 2 lüe. 

8-34: SaS ©ort beS^etvuS: 2leneaS, JefuS 
©priftuS maepe (naep bem ©runbteyt: „macht") 
b i cp g e f u it b, ift ein ©ort apoftolifeper Semutp:'Je* 
fuS ©priftuS tput’S, iiicpt ich. Ser erpöpte CprifiuS 
Wirft peute nod; iit feiner ©emeinbe fort. ©S ift aler 
auep em ©ort ftcgreicbett ©laubenS: ©r in a cp t, niept 
er maepe — biep gefuiib! Von bem ©laubeti beS ©eläbm* 
ten ift nicptS gejagt. $etntS pat niept uaep ibm'ges 
fragt; aber er ift unftremg als Oorpanbcn oovauegefept. 
Jft boep ber Jlranfe em ©lieb ber ©emeinbe — ein ©läu* 
btger. 

Stepe auf unb bette bir jelber. ©0 wir 
in btefen geringen Sagen an einem Jtranfenbett um 
§üife beten, fo cS ©otteo ©ille Wäre, ten Üranfe» ater 
gur ©ebulb ermähnen, ba faitn ein ^etiuS bem 2 lauaö 
anfiinbigen: bu Wirft gefuitb", ja „bu bift feten ge^ 
funb!" — Sa tann ein i'utper in {einem £eibcnglauben 
bem tobtfranfen SKelancptpon befeplen: „Su muftt leben, 
bu barfft niept fterben !" Utbi tgenS paben auep bie ^l^ofiei, 
Wo eS fiep um bie Teilung einer leibl ieben Kranlpeit 
panbelte, nur bantt 0011 iprem ©unberglauten ©ebrautp 
gemaept, wenn fie bie Xlebeigeugung patten, baß bie 
luna gur Verherrlichung beS 9tamenS ©otteS gereicbeu 
werbe, fonft niept (tu gl. Vptl.2,27). Veim©etet um geift- 
liepe ©enefung, um Teilung ober Heiligung ber Seele, 
fommt bieje grnge niept in Vetracpt; ba Wiffen Wir, baft 
Wir alkgeit naep ©olteS ©illen beten, unb bafi bie ©rpö^ 
runa unferer Bitte ftets gu feines Samens ©pre bient/ 

8 .35: Sie golge ber Teilung beS lapmen ^ieneaS 
War eine perrliepe. Viele befeprten fiep gu bem Jperru, 
burep welcpen baS ©unber an bem in ber Stabt tfpbba 
unb in ber umliegenben ©egettb, ber ©bene Sarou 
(Sarona) woplhefannten lapmen gejd^epm War. Jn 
biefem gälte alfo erwies fiep baS ©unber als ein ©eg? 
Wetfer gu ©priflo für Viele; Wie oft aber bleiben bie 
©unber opne ©trfung! Sie pevrliepften Cffenbarun? 
gen ©otteS bleiben frucptloS, W<nn man ipnen baS §crg 
nicht willig auffcpliefjt. 

II. 8 etru« in Jo|i|ie. (V. 36—43.) 8 . 36: 3 u 
Joppe war eine Jüngerin. Joppe War 
eine alte ppiliftäifcpe Stabt auf ber ©renge beS Stam? 
meSSan. Jm Sitten Xeftameut piej fie Jappo (bie 
Scpeinenbe). Schon in ben früpeften 3«tten War Soppe 
ber wieptigfte feanbelSplap ber gangen paläftiuenfifehen 
Hüfte, ber eingifle ^ajenort für baS innere ^aläftina, 
befonberS für Jentfalem. Ser öafen ber Siabt ift ge? 
geiiWärtig giemlicp bevfanbet unb baper feiept unb nitipt 
gang ficbev, fepeint jeboep in friiperen feiten beffer geWe? 
fen gu fein. $ieper liefe ber Honig & 1 r a m bie Gebern? 
ftämme Dom Libanon trauSportiren, wel^c gum Bau 
beS falomomfoben SempelS beftimmt Waren (2©pron. 
2,16), benfelben ©eg maepte naep bem ©yil baS Baupott 
für ben gweiten Xempel (®fra 3, 7), unb ber ^roppet 


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222 


3u $aufr. 


3ona# beftica hier ein bhönigijche# ©chiff, um oor bem 
Herrn gu fließen (3cm. I, 3). ©egenwärtig Reifet bie 
©t*$t 3 n r f a unb hat eine gum grofeen Sh*il <hriftliche 
©eoölferung oon etwa 15,<XX) ©eeleu. Hier wohnte eine 
fromme ^iin^erin Warnen# X a b e a ober X a b i1 h a, 
b. i. bie ©adelte (Luther: „Weh"). (r# ift ein eblo# 
chriftliche# tfrauenbilb biefc Sängerin, welche an oeu 
Wrrmften unb ©erlaffeuften, ben 93tttmen, ©utc# getban 
hat, fo oiel fie tonnte. 3war mar fie, wie e# icheiut, 
felbft mit erheblichem Vermögen au#geftattet; um fo lick 
lieh« aber erfchien ft* in ber (Smfigfeit unb ©elbftoer* 
(eugnuug, mit welcher fie burch weibliche Arbeiten bie 
Woth bec 9lrmen gu linberit unb bie Xbränen ber ©etrüb* 
ten gu troefnen fucht. Hierin erweift fie fich al# eine echte 
Süugerm beffen, ber ihr felbft unb aller 33elt guerft Irr- 
barmen ergeigt hatte. Zweierlei hebt 3ufa# an Sabea 
beiouber# hflwor. (Sr nennt fie eine 3ün ge rin— 
ba# beutet auf beit ©laüben, ber mit Whria gu 3*fu 
ftiifeen fifct unb rühmt oon ihr, bafe fie o o 11 guter 
33 e r! e u it b 911 m o i e it gewefen fei — ba# begeich- 
net bie 3ie be, bie bem öerrn in feinen ©riibern bient. 
0ie War ooll guter 53erfe. tiefer 9tu#brucf 
beutet au, bafe bie guten5Berte in i h* waren, gleich- 
fam mit ihrer ©eelc oerWachfen. Sa# ift aber eben ba# 
9Ccchte, (Shnftlich* an ben guten 53erfen, bafe bie gange 
0eele be# Wtenfchen fich htoeinlegt, bafe nicht blofe bie 
Haub etwa# giebt, etwa# thut, fonbern bie ©eele felbft, 
unb bafe, Wa# mau tbut, oon Hergen geht. 

©.37: (Srft al# Sabea ftarb. Würbee# recht offenbar, 
Wa# für einen ©ebafe bie ©emeinbe an ihr gehabt hatte. 
Ueber ihre Kranlheit unb ihren Sob berichtet ber (Soan* 
gelift nur in wenigen 53orten. 9lber gewiß ift ber Herr 
auch Än i^rem Uranienlager unb ©terbebette gewefen, 
wie er gubor in ihrem ©ebet#fämmerlein, wo fie al# feine 
3üugerin gefniet, unb in ihrer Arbeit#ftube, wo fie in 
feinem Sieiift ben 9lrmen Wödfe genäht, nicht gefehlt hatte. 
3Bie bu lebft, fo ftirbft bu. 

©. 38: Sie (Sntfermmg 3bbba’# hon 3obb« beträgt 
nur neun englifche ©teilen. • 9luf ein 9Bunber oon ©etro 
hofften bie 3ünger Wohl laum, fie oerlangten gunädjft 
nur nah feinem SufbntdJ. (S# ift fd?on oiel gewonnen, 
wenn in einem Sratierbau# nur hergliche# ©erlangen ba 
ift nach Sroft au# ©otte# 5Bort. 

©• 39: 3m Xrauerhäufe fanb ©etru# bie beiben 


Streife oertreten, mit welchen Sabea im 3eben oerbunbeit 
gewefen war: bie (S h r i ft e n g e m e i n b e, ber fie felbft 
angehört hatte, unb bie wenigften# theilweife nicht gur 
©emeinbe gehörigen 33 i 11 w e n, beren 33ohlthäterin fie 
geweien war. Hinterlaffene gute 33erfe finb bie beften 
i Weliqiuen ber heiligen. Sabea batte nicht umfonft in 
ber 33elt gelebt, baher ber tiefe ©chmerg ber 3iinger unb 
bie X h r ä n e n ber 33 i 11 w e it. Sieie X hränen finb 
ein fchöne# 3eugnife 1. für bie ©erftorbene unb ihre 
( Viebe; 2. für bie Hinterbliebenen unb ihre Sanfbarfcit. 
| ©. 40 unb 41: ©etru# wie# erft Sille hinan#, um 

I ungeftört fich bem ©ebet gu wibmen. Wach biinftigem 
| ©ebet auf ben Jtnicen wenbet er fich fobann gu ber Beteln* 
unb ruft ihr gu: 0tehe auf! unb fiebe ba: bie ©erftor- 
bene lehrt in’# Veben gurüd. Wun ruft ber Slpoftel bie 
9luberen, bie Ghriften unb bie 33ittioen wieber herein, 
um bie burch ©otte# Äraft 9luferWecfte ihnen lebenb oor* 
gufiellen. Sa# 33einen ber 33ittwen uni bie ©erftorbene 
hat 3ufa# erwähnt, ihr 3auchgen über bie 33iebcrer* 
Wecfte befchreibt er nicht; ba# war unbeschreiblich. 

Sie 9luferwec!ung ber Sabea ift ein ©ilb ber (SvWccfung 
eine# 0linber# au# bem geiftlichen Xobe. 33ie ©etru# 
follen alle ©rebiger be# (Soangelium# im ®ebete bor Öott 
Äraft unb fvreubigfeit haben; mit bem 33orte ©otte# in 
bie tobten Hergen bringen; bie 9lufgeWecften burch Hank 
reichung aufrichten unb Weiterleiten (© 41) unb an# 
tobten 0iinbern lebenbige Heilige jum ©reife ©otte# unb 
gum (S^emhel für 3lnbere barfteuen (©.41), — ba# ift 
bie Wufgabe eine# Siener# (Shrifti. 

©. 42 ttitb 43: ^ie 9lufei weefung ber Xabca Würbe 
natürlich in ber gangen 0tabt ruchbar unb 
©iele Wurbeiugläubig an ben .Herrn, ©e- 
tru# Oerliefe baher 3 og>be nicht gleich lieber, fonbern blieb 
längere 3eit bafelbft. (Sr wohnte bei einem ©erber 
0 i m o n, welcher ohne 3toeifel ein (Shnft toar. Taber 
fonnte ihn ber Wpoftel auch nicht etwa feine# ©ewerbe# 
halber für unrein achten, obwohl bie# nach rabbinifcbm 
Söcgriffelt ber ^all war. ©ott fiehet ba#Herg an, niclu 
ben irbifchen ©ieruf ober bie 0tellung, Welche ein Wenfc b 
in ber ©efellfchaft einnimmt. Saber War auch ba# Hau# 
be# ©erber# 0imon, ob auch Oon Wtenfchen unangefeben, 
hoch im Himmel unb oor ben ©ngelu ©otte# betonut imb 
Wohl angefchrieben. 




5 m Hauff. 


©ott einer 

^rgiehnng. (^fortfe^tmg) „3ch loerbe auch iefet ferne 
lange Webe halten, noch euch für ba# oergangene ftrafen, 
Wir haben jefct blo# mit ber ©egenwart unb 3‘*funft gu 
thun. ©iele Singe, in Wellen ihr euch bi# iefct erfreu* 
tet, werben anber# Werben. 3"h felbft werbe anber# 
Werben, ich werbe nicht biefelbeWtutter fein, al# Oor einer 
3öoie gurücf, i h hoffe eine beffere gu werben. 3<h bin 
im (Smft, Äinber, unb ihr feib bei^e alt genug, um mich 
gu oerftehen. 3Berbet ihr euch nuu gleich mit mir oer- 
ftänbigen, fo ft>art e# euch Wtühe unb bereitet mir 
$freube" 

„SWutter/ 1 fagte SBiHic, tnbem er feine SWutter mit 
©erwunberuug anfehaute, „ich bin beinahe froh über ba#, 
wa# bu iagft. 3^ üebe biif geuüfe mehr al# bu benlft. 
unb bin nicht fo böfe al# bu gtaubft; e# febeint mir oft, 
bafe bie Unarten fornmen, weil bu fie erlaubft 3^h fagte 


$ait#friti!. 

ber Wnna fchon fünfgigmal, bafe ich Wünfchte. bu Wür* 
beft uit# gum ©eborfam gwingen." 

Wnna fagte nicht#, fchieu aber eine 3*itlang in ©e^an* 
fen oertieft. GnH ich fagte fie: „3rf> wünfebte öfter, bafe 
iib Wäre wie (Slife 53cfton; ich Weife aber nicht, Wie (cb 
e# anfaugen foll, mich gu beffern, ich Weife, ich Werbe böfe 
unb ungufrieben fünfgig :»lal ben Sag, ich * ann e# nicht 
helfen." 

„©# ift einer ba, ber un# allen helfen fann, wenn n>ir 
feine Hülfe fuchen. 3afet un# ihn bitten, Äinber." ©ie 
fnieten nieber, unb mit thränenbem 9luge erflehte bie 
SWutter beit ©eiftaitb ©otte#. Sie flinber Waren fehr 
naefebenf mb un^ lernten tbre ^ieftion im ©tillen. Sie 
Butter entliefe fie freunblich unb Wünfchte ihnen eine 
gute Waht. 9lm nächften Worgen würbe bie neue Orb* 
nung im Hau#wefen eingeführt, ^eau Wterwin ftanb 


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|u Haufe. 


223 


e h auf, ging ind Bettgimmer bet Kinber, um bagu gu 
tit, bafe fte fich orbentlidj wufcbeit ttitD attgogen, unb 
OerlangL* 0011 ihnen, auf Die beftimmte Stunbe gum 
grühftücf fertig gu fein. Speifen, welche ben Kinbern 
nic^t guträglid) waren, WurDen ni4t aufgetragen, bafür 
aber eine namhafte Koft eingeführt. Bor ber S4ule 
wurde beit Kinbern eine halbe Stunbe gum Spielen er* 
laubt, nach bei* 9tacpmittagöfcfyu(e wieber. Sei Stegen* 
weticr Würbe ihnen gu biefem 3>oect ein befonbered 3m is 
mer eingeräumt. Sie Mutter ecaminirte gehörig bie 
Stubieu Der Kinber, taufte fid? biefelbeu Silber unb übte 
ftch an gwei Stunbeu, um biefelbeu gu bemeiftem. 

Sie Kinber lernten aber au4 ihre Mutier refpeltireu, 
ald fte fafyen, bafe fte nicht nur mehr Wufete ald fte, fou* 
Dem oftmals mehr-ald ihre Lehrerin. 

Soweit gut genug. 2lüed biefed brachte bie Mutter mit 
gleife, Saft unb Stufopferung fchon fertig. Gd erforberte 
blöd ein gefnubed Urtheil unb etwad mehr Slnftrenguitg. 
2lber — mit ber moralifchen Grgiebung, Welche bie Mut* 
ter fo ernftlich unternommen. Gd War nicht fo leidet, 
richtige Rringipien unb ©runbfähe in bie Jorgen ber Kin* 
ber eingupflangeit, weil bie Mutter bid bahin gewöhnlich 
naebgegeben hatte. Seit hartuäcfigeit SBiUcn gu brechen, 
bielingebulb gu heben, unb iiatt böfer Gewohnheiten gute 
gu bewirten, ging fchwer. Unb hoch tonnte ein ftrenger 
Seobacbter ben trrfolg nur bewunbern, unb aeigt biejed 
Har, Wad loirfliche (sntf.*hicbenheit oermag. Sad frühe 
Slufftehen wie bad Slbenbgebet Würben feftgefefet, unb ob* 
wohl bie Mutter ihren ftüibcrn oiel 3eit fepenfte, Würben 
babei bie häudlicpen Pflichten nicht ocrnachläffigt, fon* 
bem noch gewiffenhafter erfüllt 
3hee (rnergie that fleh im gangen Haufe funb, unb fte, 
bie bid bahtn nur für eine jchwache ‘perfon galt, Würbe 
oon ihrer Umgebung unb ihren greunben geachtet unb 
bewunbert. Hätte fie aber nicht in ber erften Sßoche ihrer 
$robe ihre gattge straft angeioenbet, ihre Pflichten nach 
©ewiffendübergeuguitg gu erfüllen, unb Durch’d ©e&et bie 
Kraft bagu erlangt, io Wäre fie erlegen, unb ed Wäre 
fchlimmer geworben ald guoor. Manchen Kampf hatte fte 
mit ben Kinbern gu Kämpfen, aber öfter noch lämpfte fte 
mit fich fclbft. Gntfchieben fein ohne Harte, gu güchtigen 
währenb bad Herg in iüebe entflammte, ©ebulb gu üben 
unb ftch felbft unb anbern gerecht gu werben, erforberte 
Diel Kraft. 

grau MerWin War bei ihrer neuen öaudorbnung fe^r 
einfuhtdoott, unb erlaubte nicht, einen feben fleinen fehler 
and Xagedlicht gu giehen. Man4ed Würbe überfehen in 
ber Hoffnung, Dag, wenn einmal grünbliche Reform unb 
©ebörjam Üöurgel gefaxt in ben bergen ber Kinber, fich 
biefe Singe anberd geftalten würben. 

Gined »benbd waren bie Kinber fehr unhöflich gegen* 
einanber, ald fte ihre Aufgaben lernten. Sie Mutter 
artete ed nicht. 

Süllie ergriff ohne gtt fragen bie Safet unb ben ©riffei 
feiner Schwefter. „34 will bie Safel haben/' fagte Söillte, 
„ich Will meine Rechnungen audmaepen, unb ich Werbe 
nicht hinaufgehen, bie rnemige gu holen, fo lange ald beute 
baliegt unb btt fte nicht bräuchft." 

Beibe ergriffen bie Safel. 3lnna, Welche amftärfften 
war, ergwang biefelbe, worauf SBillie fie fchlug; 2lnna 
fchlug wieoer gurücf. Sie Mutter hatte biefed mit an* 
gefehlt. 

„Kinber," fagte fte, „legt bie Safel nieber unb lommt 
her gu mir." 

3hre Stimme hatte einen traurigen Sou. Sie Kinber 
Wagten ed nich', ungehorfmu gu fein — fie tarnen, aber 
nur um einanber gu befchulbigen. 

„Stuhig," fagte bie Mutter. 3hre Stimme War fanft 
unb traurig. Sie Kinber gehorchten. „2lnna, fchaue mir 
ind ©eftdbt, unb ergählc mir beit gangen Hergang ber 
Sache, unb fage mir bie SBahrbeit genau." Slima fühlte, 


baft fie bie SBahrheit fagen nmfete, unb ergählte Wie fid) 
bie Sache Der hielt. v 

„MiUie, jefet lag mich höten, Wad bu m fagen h&fi." 
Sluch BKUie geftaub ber Mutter bie gange SBahrhcit. 

„Meine Kinber," fagte bie SJtutter, „ihr habt beibe 
Scpulb unb betbe Strafe oerbient, aber ich tyoffc auf eine 
3ett, Wo ich cuc ^ nicht mehr firafeu brauche, ©efteru 
brachte euch eiiue Unart um eine Spagierfabrt, welche ettcb 
ber Datei geben Wollte, unb Slbettbd War ich genötigt, 
euch gwet oerfchiebene 3immer gu geben, unb ich mufjtc 
allein hier fi^en. Siefen Morgen mu^te ich euch ftrafen. 
(£*d febmergt mich, euch S u Süd>tigen, aber biedmal inufe 
geftraft Werben, ^ier fc^t euch einmal ruhig an ben Sifcb, 
unb bentt nach, auf Welche Meife ich ©träfe an euch 
OoKgiehen foll." 

„^Jiuttcr," fagte Söittie, ich Weijj, Wad bu meinft, aber 
ed tft bie fchwerftc Strafe, bie bu au und bollgieheu tannft. 
Mug ich 3lnna uig Bergeihung bitten?" 

Sie Kinber flauten fich etnanber an. SBilXic War ein 
offenhevgiger Knabe, er bemerfte etwad in ben ©efichtd* 
3 ugeit ferner SchWefter, bad ilnt bewegte. „Slnna," ftam* 
mclte er, „willft bu mir oergeben? 34 War am meiften 
im Unrecht" 

„34 habe au4 Uure4t gethan," fagte 2lmta. 

„Mutter, Willft bu und Oergeben?" riefen beibe wie aud 
einem Mitnbe. 

„34 Will," fagte fte, „jefct geht unb lernt eure 3luf* 
gaben." 

Sie Mutter War gegWungen, um ihte ©efüljle gtt oer* 
bergen, in ein anbered yintmer gu gehen über biefen erften 
Sieg. „§ilf mir! o hilf mir anuil;alten!" 

Unb am Slbertb banfte fie tmöcbet für ihre Kinber 
bem lieben ©ott, ber bie guten ©ebanfett in ihnen erWccfte, 
unb bat, bajj ber ©cift ber üicbe in ihnen Wa4fc, bid alle 
4re ^anblungeu baoon burdbbrungen Wären. 

Ser uä4fte Sag imbSlbcno würbe auf eine angenehme 
2ßcije oerbradjt. Sie Kinber lernten ihre £cftionen. 
2öiuie fu4te Ocrgeblic^ eine geraume Seit auf ber Karte 
na4 einer Stabt im fub[i4en Guropa. Sie Mutter !am, 
geigte ihm bie Stabt, theilte ihm mebrered mit oon ben 
GinWohncrn unb nannte ihm beven ^auptfabrifaliond* 
gweige. „Sattle, 9}iutter," fagte Millie, „bu Weifet bodj 
Oiel." 

3luf biefe SSkife fu4te bie Mutter ben Kiubern gu bei* 
fen, Wenn fte fdjwicrtge üeftioneu hatten. 2ln biefem 
vlbetib fühlten fich bie Kinber mcl;r für Mutter hinge* 
gogett, ald ie guoor. 3h r * ®eftänbig!ett unb ft4erc feal* 
tung, bie Manuigfaltigfcit ihrer Kenutniffe, bte jefjther* 
Oortrat, hob fie bebeutenb in ben Slugen oer Kinber, unb 
fte liebten unb a4teten fte um fo mehr. Sie Mutter faf; 
oa fo freunbli4, fo Itebeooll, ihre eigene 21 vbeit liefe fic 
liegen, ja felbft eine freunbliie Ginlabung fdüug fte aud, 
bamit fie einen angenehmen Slbenb bei ihren Kitt rem gu* 
brä4te. Gtu Wohlthuenber Ginflufe freien fi4 über alle 
gu erftredfen, Welker fie in gemeinfamer i'iebe unb Har¬ 
monie oerbanb. Sie Kinber f4auten bie Mutter erwar* 
tungdooll an, enbli4 fagte 3l'ilüe: 

„3lUe lommt ed, liebe Mutter, bafe bu und bed Slbeubd 
Oor bem S4lafengehen gar leinen Kufe mehr giebft? 
SBillft bu ed nicht heute Slbenb thun?" 

3a, meine lieben Kinber! Gd War heute ein febr 
gliidlicher Sag für mich." Mit biefen SBorteu lüfete fie 
bie Kinber her*li4. 

„Mutter," frug Slnna, „Wann lommt ber Bater nach' 
Haufe?" 

„3n einer 3Bod;e." 

folgt.) 


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224 


Jla# $d)t»albt!il)äu»d)tn. 




3nntg unb nictyt ju fönett. 


as j^cltnralbenhättsrltetf* 

Xigtuug #ttl Wttßf Mn Gruß Orbljarbt. 









P mf 


1. Su net s teä Sctyroalbenfyäuäcfyen, 2öie ftelrft bu fo at = lein ? SGBo fmb fte benn ge* 

2. Ser Schnee liegt auf bem öäuekljen, Sie £rau * er toofynt bar * in, Sie X?ie - ber finb oer* 

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1 blie * ben/Sie 93i> * ge lein, bie lie * ben, Sieeinft $ter flo = gen aud unb ein, Sie 
flun s gen, Sie eimftens ^ier ge * fun * gen; 2lcfy al * le greu * be ift ba * fyin, 2ldj 

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einftenS flo * gen auä unb ein? 
al * le ftreu 1 bc ift ba * fyin! 




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*3* -r t ~r * -v *y • • 


3. Sie Sögeleiu finb braufeen, 

2ton »aus unb fteimatl) fern; 

(Sie fangen Söonnelieber 

Sabeim oiel lieber loieber 

llnb pflegten ba it»r Heftchen gern! 


4. JBill’4 ®ott, e§ nabt ber grütyling, 
0 ÖäuScpen, riifte bicb! 

33alb fommen fic geflogen, 

Sie Sänger ^eimge^ogen; 

Sann freuen 2tlt’ unb $uugc fiel). 


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by-Gc -g - 





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*»r 



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St?« iJt 


K tt t tu o r t auf bas „ S rf? n> a I b c n 1 ? ä u s d? e u." 
für Ijous unb Derb non lj. £ 


€Ws rauftet unb finget — fie Fommen! 

Das rointerlid? (Hoben oerfjatft, 

Durd? tueldjes bu oftmals beFIomtnen, 
€in etnfamer pilger, gemaltt. 

(Es 3 iel]t hieb, es rufen bie Sieben 
§um F}änsd?en am See bort fo traut; 
Du fjajt es, ido bu aud? geblieben, 

3 m (Eraume fo oftmals geflaut. 


Unb halb, bei bem Kbenbrottileud?t«n, 
Da 3 ieljejt 3 ur fjeimatl? bu ein; 

Kus Kugcn, ben miibcu, ben fernsten, 
€rglän 3 et bes IDieberfetyt’s Schein. 

Doch taufd?’ —noti bes Rimmels portale 
(Ein Sieb raufdjt fo mächtig unb tjefjr, 
3 m braufenben 3 ubeIs(Ef?orate 
Kuf TDogen bes IHeeres baber: 


„Die ruanbernben pilgcr - fie Fommen 
Ktts (Eriibfal unb Kämpfen unb (Srausl 
XPiUFommcn, mitlFommen, ifjr v frommenl 
Beim Dater auf emig 3 U Fjaus." 




IT 


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226 


Pit Pt. ,3ofepp (£ook Jt’ängftbrkanntes beitätigt. 


Pie pr. loffplj GooJt fmtgftMuinnttf befliitigt. 

«bitar. 


r. ©oof, ber berühmte, roettbefannte ameru 
fanifpe SRebnet unb Seftürer, f»at in beit 
lebten 3»a^ren bie alte 2öelt burpreift, unb 
bafelbft, als gebilbeter Wann unb fparfer 23e= 
obad^ter bie ®iitge nipt, luie fo niete ÜReifeube, 
mit bem allcroberfläptipftcn 5öiicf bcfpaut, fon« 
bern ift etroaS tiefer eingcbrungen ais niete un= 
fcrer CanbSleute gu tpuii pflegen, tncnn fie @u= 
ropa bereifen, mtb eben beßpalb aup §u anbern 
SRefultaten gefommen. 

3fn feinen unter bem Stitel “Advanced 
Thoughta in England and Gerinany” bcfaitn» 
ten Sorlefungen nerneint er, baß ber OarroiitiS» 
muS non ben beften kentern ber atten 3öe(t als 
baä Non plus ultra aller ißpilofoppie angefepcn 
roirb, fagt uns, baß Speitcer’S Üpeorieit burp» 
aus niept baä (Snaitgclium ber beften ©eifter 
©roßbritanien’S feien, ba| Strauß’ Wptpen» 
Pppotpefe in 3)eutfplanb ein nnrüpmtip ©rnb 
gefunben, baß roelpc ber iiicbtigften beS beut« 
Ipen SolfeS auf ben piftorifpen GpriftuS gu» 
rtyctlommen unb ernfte ©priften baran benfen, 
eine beutfpe ftreifirpe gu grünbcn. 

Elftes bieS unb 9te^n(icf»eS nerfünbigt 3)t. 
©oof im 2one einer neuen Offenbarung, unb 
atS folpc inerben feine ©ntpüllitngen and) non 
nieten piergulanb angeftauut. S3ir motten nicht 
in 9tbrebe fteflen, baß ipm biefe ©ntbeduugen 
bietleipt roie foeben erfpäpte poffnung§«@itanbe 
borfommen, unb miffen, baß fie nieten feiner 
Sanbsleute unb auch lnanpcm $eutfp»91mcri= 
taner Hingen roie neue OffeubarungSmuftf; 
benn gar gu niete Seutc fiitb atlgu fepr geroopnt 
brüben tebiglip nichts attberS gu |et)en, als ben 
graffeften Unglauben, bie fpmapbollfte 3pran= 
nei unb bie gröbftc Skrtpierung, roetpcS Urtpeit 
auch bann oft nipt umgeftoßen roirb, wenn fie 
felbft brüben geroefen fiitb. 

Sie haben Europa nur aufs Cberftäptipfte 
gefeheu unb inareu roeit entfernt, fiep Wüpe gu 
nehmen, autp ben Seiten beS IklfcS gu tauften. 
Sie finb g. S. bem Wanne gleich, wetper nur 
bie weltliche, ober gar bie SPanbliteratur Hirne» 
rifaS liest, mir iii bie amerifanifpen ©oncerte, 
bie Speater ober gar f8arietiesȣ>a(len gept, bie 
gräuliche Worbftatiftif unferer Staaten ftubirt, 
auf Sötten fiep gierlicp brept, mit ben Serfdjroen« 
bern fproelgt unb bie Sanfrotte nacpgäptt; unb 
nun aus biefen Seobacptungeu unb ©rfaprun» 
gen — opne mit ben ©uten, frommen unb Se= 
fien ber Ser. Staaten in Scrüprung gelommen 
gu fein, opne bie Wapt, roetepe piergulanbe bas 
©priftentpum entfaltet, lennen gelernt gu haben 
— fein Urtpeit über bie Ser. Staaten abgiebt. 


Saufenbe unb Hlbertaufenbe paben aus bertei 
Urfacpeit — weil fie’S eben iticpt beffer roifjen, 
Or. ©oof’S Äunbgebungen als eine neugeöffnete 
2öett begrüßt. ÜJer aber mit bem SRiitgen ber 
©eifter röirflip auf bem Saufeubeit bleibt, wer 
bie Literatur ber alten SSett aufmerlfam Der« 
folgt, Ptüdgug unb fjortfpritt ber einen unb an» 
bern fßartei genau beobachtet unb fiep burp baS 
©efeprei ber Wenge niept Dcrblüffen läfet, bem 
finb bie bou $r. ©oof bertünbigten Oinge alte, 
läugft betannte. 

©r pat groar baS ungroeifelpafte Serbienft, 
biete fRiptroiffcnben auf biefe ©rfpeinungen in 
einer Söeife (auep etwas bombaftifcp) aufmerf» 
fant gemaept gu pabeit, bie fo fcpnell niept ber» 
geffen werben roirb. Hlber roirttiep fReueS pat 
er nipt entrollt, fonbern nur Sites benen frap» 
pant bargeftettt, Welpen baS fiängftbefannte neu 
ift. 

SBetper betefene Wann roiijgte g. S. nipt, baß 
bie bon Strauß aufgefteüte Wptpenpppotpefe 
fpoit lange per ein Segräbniß erfahren, auf roel« 
pc§ ein Stuferftepen Unmögtipfeit ift! ftreunbe 
unb fjeinbe ber geoffenbarten SReligiou laptcn 
fpon längft über bie Strauß’fpen SPantafieu 
unb fRiemanb in ber roiffcnfdjafttipcu 2ße(t pat 
fein Sehen 3efu je at» epodjemopenb in bem 
Sinne angefepen, als ob bon bemfetben fpöpfe» 
rifpe ©ebänfen ausgegangen feien, roclpie 2Bir» 
luitg eS aup immerhin auf bie Wenge gepabt 
haben mag. ©ine ftrife rief bie Straufe’fpe 
Wptpenpppotpefc perbor, bieS ift roapr. Stren» 
nungen fanbeit ftatt, $albpeiten unb llnttarpei» 
ten Würben übcrttmnben. Wan fap, baß bie 
Straujj’fpe Sapit nirgeitbS atiberS pinfiipreit 
fönne, als gum atpeiftifpen geuerbap unb gum 
matcriatiftifpen Oarroin unb in biefem Sip» 
tungSprogef? ging bie Straufj’fpe Wptpenpppo» 
tpefe läugft in Stüde. S3enn alfo ^r. 

© 00 t ben a11ber Wptpenpppotpefe an« 
fiinbigt, fo proftamirt er eine fReuigleit, Welpe 
bor 2 5 pr e 11 ftattgepabt uttb Wenn 9tie= 
nmnb anberS bie StrauiVfpen Wptpentpeorien 
abgefptaptet pätte, fo pat er es in feinem groei» 
ten SJerte, in roetpem er fip offen gum San» 
tpeiSmuS befennt. felbft getpan. 

9tft bieS ift bereits ein Siertetjaprpunbert bor 
ber roiffenfpafttipen 5öett unb rourbe aup in 
ettglifpen Stättern öfters befpropett, pat atfo 
feinen 91nfprup auf fReupeit. 3ubetn Or. 
©oof aber bie Sepauptung auffteflt, bafe man 
bis gunt 3npt 1858 feine geniigenbe 9lntroort 
auf ba§ bon Strauß berfaßte ficben 3fefu ge» 
pabt pabe, mapt er fip eines SpnißerS fputbig. 



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|9ie Pr. 3ofejil) Äooh fängltbehannte« betätigt. 


227 


ben man bei einem fo weitgereifteu, belcfettett 
'Wanne benn boch nicht erwarten füllte. SJaS! 
bie gläubige SMffeiifcboft hätte non 1835 bi» 
1858, alfo 23 3}al)re lang, nidjts OrbentlicheS 
gegen baS Strauß’fche Wachwert berDorgebracbt! 
2Bciß benn ber berühmte Dottor nicht, baß be= 
reits im ^aljre 1830 fHirleß, Ofianber, fiattge, 
Cwffinaiin unb anbert Strauß entgegentraten. 
Ober tjat er nicht gelcfeit, was ät)olut unb 
Seanber 1837 geschrieben, unb mit welchen 
fdharfen Staffen Dhierfd) Stnito 1840 lämpfte! 
3m 3>a^re 1842 jebodf) erfchien bie erfte Auflage 
Don EbwarbS „Urit'il ber Soangelifchen ©e* 
fe^ichte" unb Derfeßte ber Whthenhhpothefe mit 
wuchtigen Hritilhiebeit einen töbtlichen streich, 
Don bem fie fich nie wieber erholte. 2BaS aber 
etwa noch Don Seben in ihr geblieben, baS löfch* 
ten Difchenborf, ©eß unb anbere bermaßen aus, 
baß bie Wbtheuhhpothefe fd)on löngft in ber 
Bumpeltaminer Derroftet ift. 2öaS Dr. Pool 
unter einer geititgenben Antwort Derfteht, 
wiffen wir nicht, meinen aber mit taufenb atu 
bem, baß bie Schriften ber genannten Wäntter 
bem Strauß jur ©eitüge geantwortet hoben, 
unb fittb griinbtich betannt bamit, baß er fd)on 
langeher fo Dötlig erbrüdt ift, baß fein 2 ßerf in 
neueren Bearbeitungen beS SebenS 3efu foum 
noch Beachtung finbet. 

Die “advancod thonglits” in Deutfchtanb 
fittb alfo bereits ein Bierteljahrhunbert über bie 
WQtbenhbtwtbeff hinaus. Unb ähnlich Derhält 
es fich betreffs beS Darwinismus. 2Bie Diel 
iaufeitbe berfelbe auch immer aus ber Wenge 
gefangen genommen hoben mag, welch’ neue 
Offenbarung er auch oberflächlichen ©eifteru ift, 
fo haben bie Beften ber Böller fich hoch immer 
gegen bie Berthieruitg beS WaterialiSmuS ge* 
fträubt, unb jebent, ber fich Übeneugen laffen 
will, bemiefeti, baß eS eine SBelt beS ©eiftcS giebt. 
Such biefe BerTütibigung ift leine neue Ent* 
bedang, fonbern löngft belannte Beuigfeit. 

DaS, was auf beS berühmten BaturforfcherS 
3foaf BeWtonS ©rabmal in ber Sßeftmiiiftcr» 
abtei ju ßonbon gefchriebett ftef)t: „Des afl» 
mächtigen SJlajeftät Derl)crrlid|te er itt feiner 
Bhilofopfjie; bie Einfachheit beS EDangeliumS 
jeigte er itt feinem SBanbel" — baS bewahr» 
beiteten fd)ott löngft troß Darwin unb £kicfel 
hunberte ber heften 3nnger ber ©iffenfehaft. 
DaS, waS Oerfter, ber berühmte Eittbeder beS 
EleltromagitetiSmuS, bezeugt: „Eine gefunbe 
Baturanfchauung seigt uns baS ganje Dafein 
als ein uttenblicheS 2Bert ©otteS. Die Batur» 
roirlungeit fittb ©otteSwirtungen; bie Batur* 
aefeßc finb ©otteSgebanfeu," — baS ift baS atte 
©laubenSbelenntitiß Dieter, bei benett man “ad- 
v&nced thouglits" fncht, tutb Dr. Eoot fpielt 
mit feiner Bertiinbigung ben binfenben Boten. 

Darwin unb feine Nachbeter tonnten ben alten, 


guten ©laubctt an ben allmächtigen Schöpfer, 
an welchem HopertiiluS, ©alilei, Hehler, #er» 
fchel, Sgafij tutb ßnnbert anbere ältere Batur* 
forfcher fefthielteu, nie aus ben “advanced 
thoughts” ber Stielt herbannett. SBelche ber* 
fetben ftanben immer auf Seite ber hl- Schrift. 
Der berühmte Slftronom Wäbter (geft. 1874) 
3 . B. ergriff bei feinem leßtctt £>nuSunt 3 ug in 
^antioher bie Bibel mit beit '-Worten: „Bor 
| allem anbern foll biefeS Buch juerft in unfer 

t auS lontmcn. 3d) tniü es felbft hintragen." 

ttb auf feinem toterbelager fdfrieb er noch bie 
SBorte: 

„<£s ift nur lTlenfchentrciben, toeten man ben 
Hutjm anfdiaut; 

Dod; cti'iij ift unb blcibeub, was (Sott felbft 
aufgebaut." 

Bohner, welcher in feinem HosntoS ben Dar» 
WiniSmuS in populärer SBeife bloßftelit, fagt: 
„Bur eiufeitige Hopfe, bie nicht Baturforfcher, 
fonbern Buturjcvbuxflcr fittb, Dermeffett fich, bie 
Spuren beS bettfeubeti ©eiftcS in ber Statur 3 U 
| täugnen." 

Slußerbcm hoben — Don Englänbern abgefehen 
— Waper, Höttiter, Boltman, BJigattb, Bfctff, 
£>elmljolß unb Diele anbere Baturforfdjer baS 
Unfinnige ber Darwitt’fdien Dheorien lättgft 
nad)getoiefen uttb ftanben fdjott lange welche hon 
ben Befteit beS Botts auf ihrer Seite; fo baß 
hon einer neuen Offenbarung biefer Dljotfache 
burdßtuS nicht bie Bebe fein lattn. 

Stuf einem attbent ©ebiete, auf bem beS 
praltifchen lirchlichen ScbettS hätte 
Dr. Pool allerbittgS weniger belannte Dl)ot» 
fadjen anfiihreit lötuteit. tStber bieS ift nicht feilt 
ftaef), unb fo hört er nur auf einigen Stubier« 
ftuben, baß gläubige Ehriften in Deutfchlanb an 
bie ©ritubung einer fyreifirdjc bettfen, was aber 
ebenfalls früher fchott 3 tun öfteren berichtet 
warb. £nitte er gerabe in biefen H reifen ein 
wenig geforfdjt, fo wäre er auf baSSslerl ber 
i tt 11 e r c tt W i f f i 0 n geftoßeit, bie fi^ itt iteufter 
3eit in Deutfchtanb, geräufdhioS jwar unb ohne 
SlufhebettS 311 machen, aber fetjr bebeutettb ent« 
widolt hat, unb hätte, wetttt and) nicht über ad- 
vunced thoughts, fo bod) über neue, er* 
freu 1 irf)e Dhntfachen berieten lönnett. 
Der Deutfche wirb feinem Staturcll gemäß int* 
mer ein forfcher bleiben, uttb nach wchts uttb 
littlS einige advancod tliouglito 311 Jage för* 
bem. 3 m ©011301 aber hoben bie gläubigen 
Dhcotogen DeutfchlanbS, fowie chriftlid) gefiitute 
Saien, in beit Icßtett 3 ahvjchntcii eine entfliehen 
praltifdje Bichtung eingcfd)tageu. DaS 3 u «fl = 
beutfehtanb hot lief) mit ber Bibel in ber einen 
unb mit miffenfchoftlicher StuSriiftung in ber 
anbern £)atib — unb Ehtiftuin im — 

auf ben Bobett beS realen BotlSlebenS gefteüt. 


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228 


Stifter aus btt eoangelifdjrn Petoecjung. 


unb hier Sßerfe, Anftalten, Unternehmungen 
linb ©efdlfdjaften aller Art geraffen, bie beim 
©efchanen und) ben in ©rftaunen fetien, loeldjcr 
bie unb ba mitielft befcheiben gehaltener ©erießte 
(Sinbiicfe in biefe Arbeit erhielt. SBeitn ber be» 
rühmte ©r. ©oof bolb mieber noch ©eutfcßlanb 
wanbert, fo ift ihm gcrabe biefer — ber ©oben 
beS praftifchen, lirc^lidtjen SebenS — ju empfeb» 
len, unb er wirb bei fleißigem ©efchaueu nicht 
foroohl Advanced Thoughts, al§ Advanced, Fade 
borführen fönnen. 

Silber mis ber etmiigelifdjen Pe= 
roeguiig. 

Jfür #an« mb #erb non 6. SBeft in ©erlitt. 
II. 

$<mntng0l)eiligung. 

rfreulid) ift’S, baß eS auch auf bie» 
fern ©ebiet [ich 311 regen beginnt. 
Schon lange befteljt eine ©erbin» 
bung junger ßaufleute hier, melihe 
bie Schließung ber öffentlichen ©e= 
fchäfte 311 m 3 >el fich gefteeft haben, 
©iefelben haben auch biete ihrer 
©rincipale bafitr gewonnen unb an ben ©eichS» 
tag ergeht eine ©etition bebeeft mit 6000 Unter» 
fcfjriften nnb folgenben SfufjaltS: 

„ 3 n ©rwägung, bah es für bie in faufmän* 
rtifd^en unb gewerblichen ©efehiiften thätigen 
©erfonen, gleich allen übrigen ,(Haffen ber ©e= 
bölferung bon ©otfjwenbigfeit ift, gur Hebung 
ihre§ StanbeS. gur fVörberung ihres fittlichen 
nnb förperlichen SBohleS, 31 er Srfüttung religiöfer 
©flirten, foroie 3 iir SBeiterbilbung einen gefeß» 
lieh normirten ©nhetag 31 t haben," bitten bie 
Unterjeichneten: „'©er hohe ©eichstag möge ein 
©efeß erlaffen, welches bie Schließung berjfauf* 
mclitnifchen nnb gewerblichen ©efhäfte an Sonn» 
unb Feiertagen anorbnet. Ausgenommen bon 
ber ©eftimmung bleiben bie für Seben, ©efunb» 
heit, ©ilbung unb (Srßolung ber ©ebölferung 
heftehenben Anftalten unb ^nflitutionen." 

©iefe letztgenannten Ausnahmen öffnen aller» 
bingS eine Wenge .friuterthiiren; boch ift erft 
eins erreicht, fo fann man fpiiter noch weiter 
gehen. Schwerlich aber wirb bie ©etition @r= 
folg haben, benn fic faßt einfeitig nur eine 
(Haffe in’S Auge, wäßrenb Sccfer, Weßger, ©ro= 
biantläbenbefißer, (Miter, Seßrer unb eine 
Wenge anberer Stänbe, welche bem Sehen, ber 
©efunbbeit, ©ilbung unb ©rholung bienen, im» 
mer noch fonntagSloS bleiben. So 3 . ©. haben 
bie ©ifenbahnfdjaffiter nur je ben fiebenten 


Sonntag frei unb oft wirb ihnen auch biefer 
burch (Sjtrajüge u. f. w. genommen. 

Per Pagabunben=Potlj, 

welche eine gang bebrohliche £>ölje erreicht hat, 
fuchte ©aftor Dom ©obelfchwiugh entgegen gu 
arbeiten, inbem er bie Kolonie ©JilljelmSborf 
begriiubete, wofelbft Gebern (Gelegenheit ju ehr» 
lieber Arbeit, namentlich auf bem Sonbe, gunächft 
ohne Sohn geboten wirb. $n ber Hoffnung, 
baß noch anbere Derartige” Oolonien begrünbet 
werben, übernahm S. tönigl. Roheit ber ,0\rou* 
pring bon ©reufeen baS ©rotectorat über baS 
Unternehmen. Auch ©aftor Don ©obelfchwingh’S 
©iafoniffen*Anftalt ift befannt. 

Per ,Japke7d|e lall''. 

3war gehört biefe Sache eher bem fojialen, als 
bem chriftlichen ©ebiet an. ©och hat bie Sache 
genug Staub nufgemirbett unb barum fei fie 
auch hier fürs erwähnt, ©er reformirte ©rebi» 
ger &apfe ift einer ber eifrigfteu (fanipcn ber 
chriftlich fojialen nnb nnfijübifchen ©artei. 3 um 
©rogramm berfelbeit gehört es auch S« erftreben, 
bah 3 l, ben nicht ©ichter fein folleit über baS 
beutfehe Solf. ©hotfache ift es, bafe fie fich. 
Dielleicht nicht ohne ©lau, in ©taffe 311 m ©ich* 
ter» unb AbDofateiuStanb brängen, fobaß bie 
Gßriften fich mehr «ab mehr jurücfjieljeu. ©odj 
“what is the matter”, ©rebiger .ftapfe foüte 
in einem 3c>tungSftreit als 3eiigc fungiren unb 
ben 6 ib oblegen. 6 r aber fragte ben ©ichter, 
er möge erft ihm fügen, ob er auch deutlicher 
Gonfeffion fei. Seine Weiming war —er wolle 
ben alten djriftlichen @ib, mit bem 3 nfoß „burch 
3 fefum ßhriftum u.f.w." ablegeit unbbaStöitne 
er nur Dor einem Gljriften thun. ©er ©ichter 
Derweigerte bie AuSlunft unb ba ©rebiger £apfe 
fich 3 « fchwören weigerte, würbe er jn einer 
©elbftrafe Don 300 W. — 311111 hßd)fteu Straf* 
maß, unb gu ben (foften ber ©erlegung beS 
©erminS Derurtheilt. 

„Aber fonnte ^>err £)apfe nicht, ba er bodj 
einmal Dor einem ©ichter ftanb, oer nicht im ei* 
gelten, fonbern in beS Königs ©amen ben @ib 
Don ihm Derlangte, benfelben leiften?" Uitfere 
Weinung ift, baß er baS aderbingS hätte thun fol* 
leit, gumal er auch ben chr i ft li che n ©ichtern nicht 
in’S .fterg feheit fann, unb matidjer babei ift, ber 
nicht einmal an einen lebenbigeit ©ott glaubt, 
gefchweigc benn an feinen Sohn. ©S lag hier 
mehr ein politifdjer Sdjacljgug bor, ber, fo lange 
bie ©leichberechtigung aller beiitfd)en ©eichsbiir* 
ger wahr bleibt, was wir boch hoffen, total Der* 
fehlt ift. ©och biefe ©leidjberechtigung hat bei 
oielem Sicht, auch <h« Schattenfeiten, bie man 
in’S Auge faffeit muß, wenn man ben bicfgelä* 
fterten Wann begreifen will, ©ie neue ©efeß* 
gebung hat, um alles unter einen $ut gu 



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gilbet aus bet eoangelifdjen gttoegung. 


229 


bringen, bie alte GibeSformel, welche djriftlidjeit 
Gharafter trug, abgefCßafft. ©tan fchmört icgt 
nur, noch bei (Statt, bem 9(Umäd)ttßeit. ©011 ba 
an fam bie gluth jübifc^er DtedjtSgelehrter über 
uns, unb baS Semußtfein, Don 3 u b e n gericß» 
tet gu merben, bie |icfj in toerOrtltnifetnäBig großer 
9Iugahl in biefen Staub brängen, Derleßte baS 
cbriftlidje ©emußtfein tief, um fo mehr, ba in 
©erlin 45,000 3üben moljnen, meldje baS ©rä= 
fibium bes ©tagiftratS, bie ©reffe, bie ©örfe, 
bie größten ©efdßifte, bie fdjöttfteu Käufer in 
Mnben haben. Die djriftlid) = fociale ©artei 
faßte batjer unter bem ©orfiß Don fterrn £>of» 
prebiger 3 toder folgenbeu ©efchluß: 

„Die Steigerung unfereS ©arteigenoffen, beS 
£etrn ©vebiger $äpfe, Dor einem jiibifchen ütidj» 
ter einen Gib gu fchmören, ift, obmohl fie bem 
gelteitben Stecht nicht entfpr'tcfjt, boc^ für baS 
d)tifHid)=beutici)e ©emußtfein ber berechtigte 9luS» 
brud einer ©emijjenSnoth, melche gegen bie 
obrigfeitlicßen «Stellungen ber gilben proteftirt 
uub' gugleidh ben erroiinfcbten 9lulaß gu einem 
bringeubeit Grfuchen an bie ^Regierung unb ©e» 
feßgebting flieht, ben djviftlidjen Deutfdjeu ba§ 
Stecht mieber 511 oerfdjaffeu, ihren cßriftlichen Gib 
nur oor Gpriften fdjmöreu gu biiifen." 

$ated)ismnsftrtit im Sabifdjrn. 

Saben ift noctj eine ftarfe Sing bes Stationa» 
li§muS. 3®er fennt nicht ben fluten .freibelberger 
Äate<hi§muS? Derfelbe mar ber ®t)itobe gu 
fromm, unb fie befchloß einen neuen eiitgufüh* 
ren, au§ toelchein MeS auSgemergt fein foll, maS 
entfchieben rechtgläubig ift. Gine 9lngal)l babi* 
f«her ©emeinben bat an ben Oberfirdjenratl) 
eine ©etition um ©eibebaltmifl beS alten pofiti» 
Den Äatecbiämuä fleriditct. Diefelbe mürbe nicht 
nur abgefchlagen, fonberu bie ©farrer, meldje 
fie mit untergeiebnet batten, erhielten auch noch 
einen giemlich fdjarfeit ©ermeiS unb mürben be» 
fbulbiflt, ,,ib« ©flicht nicht richtig erfaßt unb 
geübt ju hoben," mährenb fie hoch nur ben Der* 
fajfungSmäßig erlaubten ©öeg ber Sitte betraten. 
5 )ie Äirchenbebörbe ertlärte fogar, bie betreffen» 
ben ©eiftlicben hätten ihre ©emeinben belehren 
fotlen, baß ber neue Katechismus fliit unb „aus 
bem GntroidluugSgnng ber SanbeSfircße feit ber 
Union gu ertlären" fei. Das „Sabenfche Kirchen» 
blatt" bemerft hierzu: „'Damit ift nichts©nbereS 
berlanflt, als baß bie betreffeuben ©eiftlicben 
ihre - eigene Uebergeugung guin Cpfer bringen 
unb gegen biefelbe hanbelu follen. 3aS ift ein 
©erfahren uon «eiten einer liberalen Rird)en= 
behörbe, melcbeS menifl liberal erfebeint. 3 cm ft 
rebet man in ben proteftantenDereiuliihen Rrei« 
fen fo Diel Dom ©enieinbebenmßtfein, bem Stech» 
nung getragen roerben muffe. ©Jarum läßt 
man biefen ©emeinben nicht ben alten RatecßiS» 
muS, in roelchem fie allein ihres $ergenS Ueber» 


geuguug finben ? 3«« heißt eS, bie fircßliche Gin» 
heit muß gemährt merben. ©her bie ©efennt» 
niffe fdjafft mau ab, baß in ©egug auf bie £>eils= 
thatfachen ©JorgenS ©ein unb ©tittagS 3® auf 
ben Rangeln gu hören ift. Damit ift unb bleibt 
bie Ginbeit gerftört, unb auch ein neuer KatedjiS» 
muS ftellt fie nicht mieber her." 

git (Soangelifdge ^Uian}. 

3;n Serlin fanben in ber erften Dollen ©ßoehe 
be§ neuen Jahres höchft gefegnete ©erfamm» 
lungen ftatt. 3ü>ar feine © e b e t § Derfamm* 
lungen — beim fo meit finb mir noch nicht — 
aber hoch rebeten unb beteten je gmei Derfchiebene 
©rebiger an febem ©Lbeitb über bie Don ber 
Mittag Dorgefchlagenen ©egcuftäiibe in ermed» 
lidher ©Seife. GS mürben in einer ©Joche 18 ©er» 
faminluugen doii 36 ©ebnem gehalten, unb eS 
fei ’ ginn ©ahnt ber ©erliner ©titglieber ber 
GDaiigelifdjen Miang gefügt, baß fie auch an 
unferm fleincit Häuflein hier nicht Doriiber» 
gingen, fonberu bem ©lllianggebanten burdj ©luf» 
nähme beS ©rebigerS in’S Gomite unb burd) 
Uebcrtrngung einer ©Infpracße ©luSbrud gaben, 
©lud) ber ©aptiftenprebiger mar ginn Gintritt 
in’S G 0111 ite * aufgeforbert roorben, hot es jeboch 
abgelehnt. 

gtetl)obi|tifd)es. 

©SaS thiin aber bie ©tethobifteu ? fo beiden 
©taudje. ©ottlob, eS laufen gut? ©erießte ein 
Don Dielen Segirten. 5;aS SofungSmort, roomit 
bie Dcreinigte ©rebigerDerfainmlung ber brei 
metbobiftifchen ©emeiiifchafteu auSeinanbergiiig: 
„9luf jebem ©cgirf eiiicGrmedimg!" geht in Gr» 
füllung. ©ud) in ©erlin finb mir nicht müßig- 
9Senn mau aber irgenbroo einer ©eineiitbe Un= 
recht tf)ut, ihre ©rbeit nad) bem 3 'imachS an 
©liebergoßl gu beurtheilen, fo märe es hier. 
3 mar hat fid) nufere 3 «hl Derboppelt, unb mir 
haben jeßt 100 ©titglieber, hoch ber SBeggug 
ältancßer in entlegene ©tabttljeile ober nach ouS* 
märtS, ber ftete iffiechfel in ber 3ohl ber jungen 
fieute, bie mir für eine 3 eit fi<h hier aufhalten, 
macht eine ftete Grmedung bei 1111 S gur ©oth» 
menbigfeit, um nufere 3 .ohl botlgu halten. $a» 
her mrrb ©erlin ftetS ein Sorgenfinb bleiben, 
menn eS nicht an mehreren Guben befeßt mirb, 
fo baß ein 2heil beit anbent fließt. ‘Den ©nfaitg 
bamit haben mir gemacht. Gine moljlmollenbe 
jübifdje ^ame überließ uns einen Saal in einem 
©eßöfte Don 1400 Seelen auf ein ©ierteljaßr 
gratis, ©tit 2 bm>erfaiiimlungeii lodten mir an 
Derfcßiebenen 91 ben ben 1000 Derfchiebene ©er» 
fonen, eilte uub junge herbei unb prebigten unb 
fangen ihnen baS Goangclium. 'Daraus ent» 
fprang möchentlichc ©rebigt, eine Sonntagfdjule, 
bie jeßt im ©Sinter üon 150—200 Rinbern be» 
fucht mirb, eine 3?lidfchu(e mit 90—100 ©täbdjen 


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230 


Umrrikattiftye Juguögel 


unb im 9l4kbecein bon grauen, ©otteS Obern 
roeljt jefct Uber bas arme botn Unglauben <ie= 
bienbete SSolt unb eine fd)öne (Srmeduug unter 
ben älteren Äinberu ift im ©äuge. 'Eie S3ctebv= 
ten beten täglich miteinanber. (Sine ©cbwefter 
befugt als ©ibelfrau bie i?eute non £)auS ju 
£>auS. Oocb gebt baS ©emeinbebilben bei ber 
fcbredlichen Unmiffcnbeit unb Skrtouimenbeit 
ber fieute nur langfam unb mir treiben Diel mehr 
SJtiffionSarbeit bi« im Storben. Oer ©aal toar 
unS-getünbigt roorben — ber Oeufel wollte uns 
einen ©treicb fpielett. SBir ipielten ibm bann 
jroei — mir einigten uns im 'fkeiS mit bein 
£)au3f)t'rrn unb bleiben mieber unb mietben im 
Vertrauen auf ©otteS gnäbige .fiiilfe noch einen 
aubern ©aal im ©üben ber ©tabt, an ber 
©renje ooit Stirborf. 

(fine Icuct)t bes öhumenifd)en |itett|ot>i(ten= 
(foncils. 

Sine liebliche Jrucbt beSfelben finb bie fcbon 
öfter in SBürttemburg beranftalteten 3ufantmen* 
fünfte ber ißrebiger ber brei metbobiftif<ben ©e» 


meinfdbafteu. (SS b?«f<kt kolbe (Sintradjt, nicht 
nur auf bein Rapier — icb meine in bereit brei 
SMättern, fonbern amb in ber ibat. Stuf ben 
11. 3?ebruar mar ein gemeinfamer 33uj}tagau8= 
gefcbricben. „(Srnfte 3eikn," büßt eS n. 91. im 
9tufruf, „finb bie über uns gefommene fjngel, 
©eroitter, SRegengüffe, große UnglüdSfälle, Ue« 
berfcbmeinmungeu. Stiir molleil baS Xanten 
nicht üergeffen — bie gute fjanb ©otteS mar mit 
uitS, beim er bat uns ©ieg unb ©egctt gegeben 
unb unfere ßircbengemeinfcbaften nehmen eine 
91cbtung gebietenbe, nieücictjt nodj incbr93eforgniß 
erregenbe ©tellung ein, aber es fehlt uns an ber 
rechten, angreifenben, erobernben unb bann auch 
beroabrenben Südjtigfeit. Oiefe ©aben tonnen 
mir nur burcb eine reiche SluSgicfsung beS beili* 
gen ©eifteS erhalten. SBir hoben ju trauern 
über unfere ßerföulicbe uuboUfommene 9lmtS« 
auSrüftung unb unfer noch fo mangelhaftes 
geiftlidjeS ilebeu. SBir haben gemeiufame ©ün« 
ben §u betennen, gemeiufame ©cbäben ju befei« 
tigen unb um eine gemeiufame SluSgiefeung beS 
heiligen ©eifteS ju flehen." 3n einem folgen 
Söinbesfäufeln ift ber fjetr. 



Jlmmkanifdj* Jugtfogel. 

gier $auS uub £erto bon Xr. ß. g. $autnS. 


T*r amerifttnifdbc SWobin. (9lotl>brufi.) 


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^tnmhanifdjt JugoögtL 


231 


„Sine Schroalhe madjt feinen Sommer", unb j 
bod) freuen mir uns ftct», roenn mir bie crfte : 
Schroalhe mit ihren fchlanfeti Flügeln bie Suff 
burcheileu unb in ben fühnfteit äiknbungeu balb 
hier» halb bortfjin, balb auf* balb abroärtS fchie* 
Ben fehen, als jubelte fie öoü 2uft unb Selig* 
feit bem roiebergefehtlen Frühling ju. „Sine 
Schmalbe macht feinen Sommer", auch fiele I 
Schmalben; aber roenn ber Frühling in’S S2anb 
gezogen ift, roenn bie männeren Soiinenftraljlen 
baS ©ras unb bie lieblichen SrühüngSblüinchen 


feen Schleier oerhüllt — blöfclich fiub fte ba, bie 
munteren Frühlingsboten unb erfüllen f^elb unb 
Söalb mit Siuft unb Sieben. Unb roer, ber einen 
Sinn hot für baS Höchen unb Sieben in ber Ufa» 
tur, freut fich nicht beS munteren ©ru|eS, mit 
meinem biefe ffinber beS ©efangeS roieber in 
ihrer alten .fceiinath eiitjiehen ! 

SS bebarf baher rooljl feiner Sutfchulbigung, 
roenn mir bem geneigten Siefer bieSmal einige 
ber befannteften unb beliebteren 3ngoögel nnfe* 
rcS SanbeS in ißort unb SBilb oor Hingen führen. 



Gteffofte Uioffel. (Mottled Tlirusli, Brown Thrnaher.) — SEBalbbroffel. (Wood Tlirusli.) 


roacbgefiifgt haben unb an Saum unb Straud) 
bieilnoSpen fproffen, bann lehren bie Sdjroalben 
mieber unb mit ihnen unb gum 2()ei( fd)on lange 
öor ihnen bie übrigen geflügelten SBanberer, bie 
fi<b bor ber Söiuterfälte nad) bem roarmen Sii= 
ben geflüchtet fjatten. $ort Ijflben fie bie 5öin= 
termonate gugebrad)t; aberfaum beginnt in un= 
feren mittleren unb nörb(id)en Staaten ber 
ftrenge SBinter bem $rüf)ling gu meinen, fo er= 
madjt ein gebeimnißuolleS Stegen unb drängen 
in ber fleineu Sruft unb eine gewaltige Seim* 
fudjt nad) ber Stätte, ba fie guerft ba* Siebt ber 
SBelt begrüßt, ergreift ba§ muntere Sölfcben, 
baß fie nid)t länger ferne bleiben .fönnen. • Unb 
ob ber grimme ffiinter auch nur langfam meiebt 
unb oielleidjt ein oerfpäteter öibneefaH ba£ frifd) 
aufgefpro&te ®rün noch einmal mit einem mew 


SMr beginnen mit bem Ciebling unferer Sfiiu 
berroelt, bem amerifanifeben 9t o b i n, ber 
meift fd)on mit ben erften Frühlingstagen bei 
un§ cintrifft. 9tad) 9lrt ber iroffeln, beren 
Familie er angebört, febeu mir bann ben großen 
grauen Sogei mit rotfjer Sruft auf bem Soben 
umberbüpfen, unb gmar gewöhnlich in Slbfäßen. 
Semerft er etwa* 9luffallenbe§, fo febneüt er ben 
Sibtoang nach oben unbgurft gleichzeitig mit ben 
klügeln nad) unten, mie e§ untere 91bbilbung 
geigt. SBirb er aufgefd)eud)t, fo flattert er in 
anfdjeineub täppifeber SBcifc über ben Soben 
bal)in, mo mögl’nb non einem Sufd) gu anbern, 
bat er fid) aber einmal gu einer gemiffeu £)öbe 
erhoben, fo ftreidjt er mit aufterorbentlicber 
Scbnelligfeit bureb bie fiuft. Seine ^ Währung 
beftebt in ^rüebten, Sämereien, Büfetten unb 


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232 


Umtrihantf^e 3iigoögel. 


SBütmern. fDtit Vorliebe halt fid^ ber 'Jtobiit in 
ber 9 tiif)e nteufc^lic^cv Söohnungcn auf, .faft 
fifjeint eS, als fucf)te er gefliffentlidj bie ©cfell* 
fdjaft ber fDienfdjen. $)afür genießt er aber auch 
gemößulith bereit ©unft uitb ©chufc, imb rno bies 
ber gall ift, wirb er außerorbentlich gähnt. 2>aS 
SBcibdjcn legt 4—5 Hier üon hellblauer Jarbe. 
3n 9—10 SLagett fchlübfen bie jungen ÜÜögeU 
(heu aus imb roerbeit bann Don ben ©Ilern mit 
göttlicher Sorgfalt gepflegt, bis fie groß genug 
finb, felbji für fid( gu formen, morauf bas (Slterit* 


' ©taaten an, unb bann Dernehmen mir oft, be= 
fonbers in früher DJtorgenftunbe, feinen ntelo* 
j bifchen ©efang. 3 nt '-Benehmen unb ber Sehens* 
; meife hat bie rothe $rofjel oiele ülehnlichteit mit 
bem 'Jtobin, nur ift fie oiel furihtfamer als bie* 
fer unb berbirgt fi<h baljer gerne in niebrigem 
iBufchmert. Sluffallcnb ift, baß nufer SBogel 
mährenb feines SöinteraufenthaltS im ©üben 
niemals fingt. (Sr fcheint in biefer 3«it an einem 
brüctenben fteimroeh gu leiben, roelcheS ihn erft 
bann mieber oerlaßt, menn er bie fyrühlingslufl 



Staltimorcbogtt (Baltimore Oriole). — JlafcentHtytt (Cat-Bird). 


paar nid)t feiten noch ein gmeite» 9Jtal brütet. 
3öie bie ineiften 2)roffeln, fo ift auch ber 9tobin 
ein angenehmer Sänger, obroobl er in biefer 
£>infidjt bon Dielen feiner begabteren SSertoanbten 
toeit übertroffen toirb. 

3Die größte $rojfelart in ben bereinigten 
Staaten ift bie gef iedte ober rot^e3)rof= 
fei. Sie mißt Don ber Spiße beS Schnabels 
bis -juin Schmante napejit einen 3 mß- ^b* ©e* 
fieöer ift oben rötblicb grau, unten gelblid) weiß; 
über bie fjlü^et Rieben fi<b ^roei roeiße Streifen, 
bie burd) einen fibroar^en 9tanb beroorgeboben 
toerben, unb bie Sruft ift mit Dielen bunflen 
gierten befäet. 6 rft Anfangs 9Jtai tommt-biefer 
ftattlidje, aber fdbeue S3ogel in unferen nörblicbeu 


ber nörblicfjcn Staaten atbmet. 9teben ber rotben 
2)roffeI jeigt unfer 33ilb noch Die Dcrmanbte 
Sßalbbröffel, meldjegleichfalls 31 tben heften 
Sängern unfereS SanbeS ftäblt. 2>ie s ^alnie in 
ber Äunfi beS ©efangeS aber gebührt Dor allen 
amerifanifeben SingDögeln bem gleichfalls ber 
©roffclfamilie gugebörigen S p o 11 o o g e 1, 
beffen Sang an SReinfjeit unb gülle beS ioneS 
nur roenig hinter beit glötentönen ber euro* 
päifcben 9iad)tigall gurürtftebt, roäbrenb er in 
ber 9Jtannigfaltigfeit ber SangeSmeifeit Don fei* 
nem anberen SSogel erreidjt roivb. 2 >ennjn ber 
9 lacbabntung’ frember Söeifen befißt ber ^>pott= 
Dogel eine uubeftrittene 9Jteifterfcbaft. 
feiner ber fd^önften 3Jögel 31merifaS tjl ber 


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Umerihanifd)' Jugoögel. 


233 


7£ 3oH Innige oraugegelb, fcbarladjrotb unb 
fchwarj gefärbte Saltimoreöogel (Balti¬ 
more Oriole). Diefer prachtbolle Sogei zeigt 
eine ganz befonbere ©cfdpdlühteit in ber Sin« 
fertigung feines Steftes. Daffelbe bilbet einen 
8 — 10 3»ll langen Sad, welcher meift in be= 
beutenber £>öbe iii ber ©abel eines 3weiges auf« 
gebangt ift. 3»* Uebrigen ift ber Sau oevfd)ie= 
ben je nach bein Saitbe, in meinem ber Söget 
roobut. 3» beit fiiblichen Staaten befteljt bctS 
Steft aus fogenanntem „fpanifchem SJtoofe" unb 


Staupen unb Jtafern, toelcbe fie bon ben 3mcigen 
unb ©tattern ablefen ober fliegenb oerfolgen 
unb mit großer ©cfd)idlichteit crbufchcn. Schon 
frühzeitig iiu 3 ah« treten fie il)re SJanberung 
nach Dein Silben an. Dann fiebt man fie oft in 
bober Suft, meift einzeln, unter lautem, tönen« 
bent (Sefcbrei unb mit großer 8ile babinfliegen. 
6rft gegen Sonnenuntergang feilten fie fid} nach 
l geeigneten Säumen bernieber, fmben boftig etwas 
I fcblafcn, friibftüden unb feiert bann 

I ihre Steife fort. 3b* ©efang ift einfach, ober 



(Wurbler). - «Solbfmt (Coldüi.ch, Yellow-Bird). 


ift fo loder gebaut, baf? bie Saft überall leicht 
binburcbbringeu fann; baS 3nncre enthalt auch 
teinerlei wärmeitbe Stoffe, ja ber Sau toirb fo« 
gar auf ber Storbfeite ber Säume angebracht, 
ffn ben nörblidjen Staateit bagegen toirb es an 
Sroeigen aufgebängt, toelcbe ben Strahlen ber 
Sonne atisgefeßt finb, unb innen mit ben toärnt« 
ften Stoffen auSgetleibet. DaS 3;hier richtet ficb 
alfo ganz nach beut .Oliiua ein. Das SBeibdjen 
legt 4 — 6 Gier. Stad) 14tägiger Sriitung ent« 
fblüpfen bie 3ungen, unb brei SJochen fpäter 
fmb fie flügge. Seoor fie auSfliegen, hängen fie 
ficb oft an bie Slußeufeite bcS SteftcS au, unb 
fhliipfen aus unb ein wie bie Spechte. Die 
Slabruitg ber Saltimoreoßgel beftetjt in Saum« 
fruchten aller Slrt, unb wenn biefe fehlen iit 


äußerft angenehm wegen ber f^ülle unb beS 
JOohliautS ber wenigen Däne. Der hefannte 
ft et ß e n 0 o g e t (Catbird) gehört ber Familie 
ber Droffeln an unb berleugnet bereit Slrt in fei« 
ner SebenSweife feiiteSwegS. SluS feiner Stube 
aufgefcbrecft, floßt er einen Sdirei aus, welcher 
an baS 'DJiaucn einer jungen ftaße erinnert — 
baher ber Staute „ftoßenoogel". 

Si'enige unferer gefieberten Sieblinge finb fo 
allgemein befannt unb gefcfläßt wie ber ame« 
r i f a n i f d) e © o l b f i n f, ber fid) burch ffiröfle, 
©eftalt unb fjarbe als ein „naher Serwanbter" 
bcS ftannrieimogelS erweift, unb baher auch bau« 
fig als „toilber ftanarieiwogd" bezeichnet wirb. 
Das öefieber beS ©olbfititen ift fd)ön citronen« 
gelb, Schwanz unb Schwungfebern finb glänzenb 


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234 


jtmtrihnnifd)' 3ugoögel. 


f^tnarj. Dies ift jcboc^ nur bas Sontmcrfleib 
bes männlichen Sßofletö, bie Sarbe bes 'J^eibdjenä 
unb mährenb ber £>erbft» uitb SBintermonate 
auch beS Wänncheuä, ift ein fd)lichte3 0lioeit= 
braun. 5rüh, meift fchoit im Wärj, crfrfjeint 
ber ©olbfint in größeren ober tleineren Sdjioär» 
men wieber in feiner nörblicjhen £>eimath. 3in 
3lpril legt baS SL'eihchen fünf loeifsliehe gier, 
toeldje am ftumpfen Silbe braun punttirt fiitb. 
$er fjflug beS ©olbjtuleu ift wellenförmig, aber 
leicht unb jiemlich fcjhuell. Seine ^iahviuiji he» 
fteht oorjüglidj in Heineren Samen. Sein ©e= 


burchfriechen fie auch bie bidjteften öedeit mit 
unnachahmlicher ©emanbtheit. 3hr §lug ift in 
ber Siegel fdjwerfällig unb toanfenb, woraus es 
fiel) erflärt, baß fie außerhalb ihres fchüfcenben 
©ebiifd)eS äufierft fdjeu finb. 4Ule Slrten ohne 
Ausnahme finb oorjiigliche Sänger, unb etliche 
finb wahre Weiftet im ©efang. 3« ben fchön» 
ften Wirten biefer fjamilie gehört bie ©olb« 
©raSmÜcfe (Golden Warbler), weldjt ftd) 
bei ofehgrauer ©runbfarbe burch bie rothgolbene 
Färbung beS Scheitels unb ber erften unb jwei« 
teit ÜReihe ber glügelbectfebern auSjeidjuet. 



ßolibvt (Htimining-BIrd). — Vlautoogel (BHie-Bird). 


fanc; ift fdjmad), nber angenehm unb Don be= 
beutenbeni Umfang. 3n ber ©efangenfdjaft 
er fid) eben fo gut, mie ber Slauarienbogel, 
auch geminnt ber ©efang gefangener Sögel halb 
aufcerorbentlid) au Starte unb 2Hannigfaitigtcit. 
Sieben bem ©olbfinfeu erbliden mir auf unterem 
£)o(gfcf)nitt eine © r a § in ii cf e in hängenber 
Stellung. $i* ©raSmiirfen bilben eine ^aI)U 
reiche Familie, beren einzelne 9irten einanber 
oft fo ähnlid) finb, baß fie nur ferner unters 
fcf)ieben merben tonnen. fiebhaftc Srärbun^ ift 
feiten, menn aud) nicht (ländlich auSgefdjloffen. 
91uf bem Soben finb bie ©raSmiidcu cbenfo un= 
beholfen unb fremb mie bie ®roffcln auf ihm 
beimifch finb. 3>m ©ebiifch bagegen bemeifen fie 
ihre Sleifterfdjaft. Siunter unb bemegungSluftig 


90?it menigen SJorteu ermähnen mir fchließlid) 
noch ben 93 i a u u o g e l unb ben fi o l i b r i, 
meld)e unfer lehter ©olguhnitt barftetlt. 

®er aumuthige Slaubogel, ber fchon in 
ben erften marinen Frühlingstagen auf ben 
höchften 3meigen ber Säume ober auf 3äunen 
unb freiftehenben Sfoften fitjenb, bie 2 öne feines 
herrlichen ©efangeS in bie laue FrühliugSluft 
hinausjubelt, gehört au ben befannteften unb 
beliebteften Sögeln unfereS SanbeS. ®ie Ffflrö* 

; beS Slaimogels ift auf bem Süden unb auf ber 
Oberfeite ber Flügel unb beS Schmants ein tie* 
feS himmelblau, unten ift bie ©runbfarbe ein 
i fchmftrulichcs Sraun, nur bei bem Siänndhen ijt 
bie Sruft lebhaft *iegelrotf) gefärbt. 3)ic@d)ön* 
heit feine« ©efieberS, bie Snmuth feiner Se- 


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3m alten $d|loft ?u Stuttgart. 


235 


wegungen unb bie Sieblidrfeit feines ÖefougeS 
machen ben '-Blauoogel jurn Liebling aller Autitr* 
freuiibe. 9tod) ühöner aber an ©eftalt unb f?fär= 
innig ift bev S\ o l i b r i. tiefer tleine IBogel ift 
ein wahres 'Alieiftrrftiid ber Utatur. Seichtigteit, 
Schnelle, ©emanbtheit, Aumutb unb reicher 
Schmud — alles ift biefent Keinen Siebling ber 
Aatur ju 3l^eit geworben. 3Ber bliebe nicht be= 
ttmnbernb ftetjen, wenn er eines biefer lieblichen 
©efchöpfe erblicft, wie es fchwirrenb burch bie 
Suft fließt, fich in ihr wie burch 3a«ber f^ft- 
bält unb noit SJluine ju IMitme gleitet, glänjenb, 
als märe es ein Stiirf beS IRegenbogenS, welches 
fo lieblich ift, wie bas Sicht fclbft ? Sange glaubte 
man, baß ber Jttolibri nur non bem iponig lebe, 
welchen er nad) Art ber Schmetterlinge aus ben 
IBIumen fauge. Tiefe Anfidjt hat fich jebodj als 
irrig erwiefen. Stießt ber £>onig, foubern bie 
Keinen Snfeften, bie fich in beit ©lumentelchen 
befinben, hüben bie £>auptnabrung biefeS wun* 
berbaten ©efchöpfes. (Ss giebt Derfcßiebene Wirten 
ftolibriS, beten ©röße in weiten ©rennen 
fdjwanft; benn einjelne tommeu ben Keinften 
Sienenfreffern an SeibeSgewicht gleich, anbere 
finb tauut größer als eine fjummel. 3» ben 
größeren Wirten gehört ber bei uns (ebeube no rb« 


amerifanifehe Kolibri, beffen ©efieber 
auf ber Cberfeite grün mit ©olbfchimmer, an 
SBruft unb £>alS tarminpurpurfarbig ift, unb 
beffen Schwung* unb Steuerfebern purpurbraun 
gefärbt finb. Tie 35erfuche, ffolibris in ber ©e« 
fangeitfchaft ju erholten, finb bis jeßt alle fehl* 
gefcßlagen. TaS äHjerifche Seben biefer freien 
iffinber ber Suft uub beS SonueitfcheinS faitn in 
bem bumpfeit ßäfig ber ©efaugenfchaft nicht 
geheißen. Ter Äolibri tnufj frei unter freiem 
j£>immel leben ober — fterben. 

4c>iemit fei’S genug filr bieSmal. 2Bir wollen 
uns freuen ber munteren itinber beS ©efangeS, 
bie nun mieber bei uns eingepgen finb, unb bie 
2ßeiSßeit unb Siebe beffen preifen, ber fie unS 
jur Saft unb greube erfcßaffen hat. Ter SSater 
im £>imntel gewährt feinen Stinbern nicht nur, 
was ju ihres Sehens Stotßburft gehört; er er* 
quicft auch Auge, Cßr unb £>erj burch bie 2Bun* 
ber ber Siatur unb werft baburch ben Sinn für 
baS Schöne in beS Wenfcßen ©ruft. Tie @rbe 
ift Doll ber @fjre beS fjerrn, unb wer mit offenem 
9luge um fiel) febout, erfennt auf allen Schritten 
baS SEBolten beS Allmächtigen, in bem wir alle 
leben, weben unb finb. 




|m ulten ?ti Stuttgart. 

Sa« ©ujtau Strittig. 


S mar im Igah« 1849. Ter bobifdje 
Slufftanb war eben mühfam unter» 
briirft worben, aber ber gehoffte 
fRüdfdflag auf bie ©emiither ber ! 
Stebellen unb ihre (Sinfchüchternng burch 
ben ftegreießen (Sinjng beS 'Urinjen 2Bil= 
heim oon ipreufeeit ließ fich in SBürttem* 
berg noch tauut oerfpüren. Iler ftönig 
Don SBürttemberg lebte feit einiger 3*ü 
in ftiller 3nriirfgejogenheit auf feinem 
Schlöffe in SubwigSburg. Unter ben fö« 
niglicßen Gruppen ßerrfeßte noch ba unb 
bort ein Don ben fReuolutionäreu eifrigft 
genährter ©eift ber SBiberfpenftigfeit unb ' 
Sferbroffeuheit. Ten Sicherßeitsbienft Dor ' 
ben föniglichen Schlöffern in Stuttgart, ; 
fomie Dor ben bortigen StaatSgebäuben hatte 
bie Sürgermeßr übernommen. Auch ich war in 
biefelbe eingereiht. Wit Kingenbem Spiele 
waren wir an einem SantStag Nachmittag auf 
ber Scßloßwache aufgejogen. Wirf) traf als 
einem ber Süugften, obwohl ich fdjon feit brei 
fahren mofjlbeftallter (Shemanit war, bie Auf* 
gäbe, im innetn .f>of beS alten SchloffeS bei bem 
finftem gewölbten ©ang, welcher Dom £ofraum 


jur Silbertammer führt, in ben Wittern ad) tS* 
ftunbeu Don jwölf bis jmei Uhr ben SBachtpoften 
ju bejiehen. Khirje 3eit üorher wollte gleichfalls 
in ber Witternachteftunbe ein Äamerab eben 
bort bie „weiße grau" gefeheu haben. 3cß ge* 
hörte Don früher gugenb nicht ju benen, bie 
man „giirehtepuße" ju nennen pflegt. Allein an 
jenem Abenb gab es fich ganj Don felber, bajj 
nufere ©efpräcße in ber Skcbtftube auf baS 
Kapitel ber aufgetlärten unb unaufgeflärten 
©efpenftcrgefchidrfen fich teuften. 2öir faßen 
unfere 3wö(f, weift gute ©efannte, ini großen 
Söadjtlotal, linb fuchten uns bnrd) allerlei 'f. ! lan= 
berei bie 3eit ju Dertreiben, bis uns um jwölf 
Uhr bie 'fktrouiUe jum Tienfte abholcn füllte. 

„Ah bah," rief einer ber ©enoffen, als baS 
Wärdjen Don ber „weißen grau" Don einem ber 
Aitmeienben im Tone großen ©rnfteS unb tieffter 
Ueberjeuguug jur Sprache gebracht worben war, 
„niemals werbe ich folcbeu Gingen irgenbwelcheu 
©tauben bei weifen. Tenn noch nie in meinem 
Seben, unb ich Jdble heuer ben fünf jigften Som* 
mer, iftmirbaSminbefteOorgetommen, was fich 
nicht, wenn es auch Anfangs unheimlich unb ge* 
fpenfterbaft fd)ien, fpäter auf bie natürlidjfte 


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236 


3m allen Sdjloß ju Stuttgart. 


Weife aufgeflärt hätte. 34 war ein Dierzehn» 
jähriger Äiuilic uub tollte in einem ölten hoben 
unb geräumigen '-Pfarrhaus bie Serien ju» 
bringen. Oas £>aus mor ehemals eine -Probftei, 
nnb manche unheimliche WföuchSgefcbicbte, bie 
fidb bafelbft obgefpielt, batte ans einem grauen 
9lftenftoß ber ^kobfteiregiftratnr ifjreii Weg 
unter bn§ tßublitum gefunben.’Oie Wtöucbe mit 
flirrenbeii Jtctteu au Firmen unb deinen, follten 
nach allgemeiner Woltsfoge am hellen liebten 
Sage bie Jreppeu heruntergefchliirft fommen 
unb hinten in bein fogenonnten /Jolterfäinmer» 
(ben berfchwinbeit. 9luch wollte man öfter« ein 
berjjerreifeenbeS 9le<hzen unb Schluchzen Don 
bortfjer Dernoinmen haben. Oer in meinem 
9llter ftebenbe Sohn be« ebrwiirbigen Jtforr» 
berrn ging nun mit muthroilliger Schobenfreube 
barauf aus, meinen jüngeren '-Brubcr unb mich 
baS ©rufein -tu lehren. (Sr fdjlief mit un§ in 
berfelben Stube, welche ber ftolterfammer be» 
naebbart war. Schon ben Sag über batte er 
uns auSerlefene ©efpenftergefchiihten erzählt, bie 
ihm nächtlicher Weile wiberfahren fein follten, 
uub mit einigem Sangen febon betraten wir baS 
fragliche Schlafzimmer. ©ben als wir, mit 
9Jiiibe bie ©rinnermig an baS ©chörte itieber» 
fämpfeub, eiufchlafen wollten, begann ber 
SfarrerSfobn au« feinem Sette heraus behaglich 
aufs neue: mir follten ja nicht erfchrerfen. wenn 
gegen zwölf Uhr ein ungewöhnliches ©eräufdj 
iin 3immet fich Dernebmcii loffe; um biefe 3eit 
pflege ber unter ben Scttftelleu fich anfbaltcnbe 
©eift fich aufzurichten, bie Settftelle auf feinem 
Würfen in bie .frohe zu beben, nnb bafelbft mit 
unheimlicher ©efebminbigfeit im ffreife tanzen 
zu laffeu. Wenn er bicS ffimftftiirf an allen 
Sewobnern beS Schlafzimmers oollfiihrt habe, 
pflege er mit einem bonneräbnlicben ftracb bie 
Stube zu oerlaffcn, unb ber ©efpenfterfpiil habe 
für bie Wacht fein 8nbe gefmibcn. Sag ber 
jüngere Sruber unb ich in jener Wacht im 9(ngft» 
fdjweiß gebabet unb eng aneinanber gefcfjmiegt 
ber Singe harrten, bie ba fommen follten, wirb 
euch erflärlidj erfcheinen. Unb wenn je einmal, 
fo hätten wir in jener Wacht ©efpenfter feljen 
uub hüten müffen, benn unfere Shantafie war 
erljit)t genug, unb Wagen unb Ohren waren 
aufs äußerfte gefpannt, als bie Sljurmgtocfc um 
bie Wlitteruachfsftnnbe aushob unb ber zwölfte 
©locfcnfchlag ertönte. Ooch alles blieb ftuinni 
jeßt wie znDor, unb ber ©eift fchieu in jener 
Wacht feinen Würfen fchonen zu wollen." — 
Stein Webeufißer ergriff barauf baS Wort unb 
fügte: „Unb ich bin ganz berfelben Wnfidjt unb 
überzeugt, baß in hunbert fallen bon angeblichen 
©eiftererfcheinungen neununbneunzig Stal eine 
ganz natürliche ©rflärung beS Sorgefatlcnen 
fich ergeben würbe, wenn bem ©eßeimniß ernft» 
lid) z« Seite gegangen unb baffelbe auf feinen 


©runb erforfcht mürbe. 34 war' oft in ber 
! gliirflithen Sage, burch meinen Seruf in Raufer 
geführt zu werben, bie in Seziehung auf @e= 
fpeufterfput übel berüchtigt waren. 34 habe 
auch in ben unheimlichfteu Stuben manchesmal 
eine Wacht burebmadjt, uub niemals etwas ge» 
fehen ober gehört, was entfernt einer ©eifter» 
erfcheinung ober einem ©efpenftergeräufctj ahn« 
lieh gefehen hätte. Sagegen hat zur Seftcitigung 
meiner öorhin auSgefprochenen Wuficht meine 
Shitter manchmal folgenbeS ©rlebniß erzählt. 
Sie faß in bem erften 3aßre ihres ©ßeftunbeS 
beS WbeubS einmal allein zu fraufe. 3hr ©atte 
war in ©efeflfchaft gegangen, unb bie Ijanbfeften 
©efellen, welche ihm in feinem ©erbereigefchäfte 
Oienfte leifteteu, waren gleichfalls zu einem ©lafe 
Sier über ben nahen Wheiit gezogen. Sie Wtutter 
faß fpinnenb in ber Weihe ber Shiire am Ofen; 
nur ihr fitrrenbe« Weibchen unterbrach bie un« 
heimliche Stille. Oa war’« ihr plößlnh, als ob 
bebäChtige Wtännerfchritte Don ber ireppe her 
Zu hören wären. 3mmer beutlicher Dernahm fie, 
wie’S bie obere Jreppe herabfani, unb jeßt ber 
Shiire fich näherte. 3ugleich nahm fie wahr, 
baß bem erften Stanne auf bem ffnße ein zwei« 
ter folgte, unb bem zweiten ein britter, unb fo 
fort, bis fie Don entfeßlicßer 9lngft ergriffen Dom 
Stuhle auffprang, ba« ftenfter öffnete unb noch 
frilfe in bie fctjwarze Wacht hinausfpähte. Sange, 
hange Wtimiten harrte fie fo unb wagte es nicht, 
fich limzubrefjen unb in baS 3immer zuriirfzu» 
Mirfen. ©üblich fah fie ben Wachtmächter bie 
Straße ßerabfommen, unb war fcßoit burch fei» 
nen Wnblirf nicht wenig erleichtert. 91IS er in 
ihre Wnhe tarn, rief fie ihn unb bat ihn, für 
einen Wugenblirf heraufzufommen, ba e« ihr im 
fraufe nicht ganz getjeuer erfcheine. Sie warf 
ihm zugleich ben frauSfchlüffel hinab unb hörte 
ihn gleich barauf mit feinem berben knotenftod 
bie Jreppe herauf fommen. Sie ging ihm jeßt 
mutßig entgegen unb erzählte ihm in ffiirze ihre 
Wahrnehmung. Woch in biefem Wugeitblirfe 
holperten bie unheimlichen Schritte bie obere 
jreppe herunter. 9tlS aber bie beiben mit bem 
Sicht bewaffnet unb in begreiflicher töeflommen« 
heit näher traten, —welch’ eine Uebcrrafchung 
warb ihnen bereitet! Oa lagen etwa zwanzig 
Sohfäfe unten an ber Jreppe unb jebeit 91 ugen» 
blid tarn ein neuer nachgeroflt. Oenn oben auf 
ber Wihne, wo fie aufgefchichtet lagen, war eine 
biefer Schichten zufammengeftürzt, unb einer um 
ben anbern ber runbliChen Oiebe fuchte bie Jreppe 
hinunter baS Weite. Oie Stutter ftanb erft 
fpracßloS, bann ober brach fie mit bem Wacht» 
Wächter in ein munteres Sachen aus, baS fich noch 
lange fortfeßte, als eben jeßt ihr treuer frauS» 
wirth heimfehrte, unb zu feiner nicht geringen 
Ueberrafchung‘Wachtmächter unb ©attin um bie 
Sohfäfe Derfammelt fanb." 


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3m alten $d)loß ;u Stuttgart. 


2 37 


„©ang ähnlich," fiel ber loftor, unfer £>err 
Lieutenant ein, „ift’S uns oor einem halben 
gafjre in unfetem neu erworbenen Spitale er» 
gangen, ©leid) in ben erften ©ochen mertte ich 
je unb je berftörte ©efid)ter, wenn ich flacht» 
elf Uhr ginn oorgefchricbcuen ©unbgang in bas 
©arteg immer bei: Sfranfeupflegerinuen trat. geh 
fragte enblich nach bem ©runbe ihrer furcht. 
Ia theilten fie mir mit, baß ein feltfameS @e» 
räufch in ber ©rt boit ©täunerfchritten in ber 
©titternaehtsftunbe auf ber oberen Ireppe fid) 
bernehmen (affe, unb fo oft fie aud) fchon nach» 
gefeheii hoben, fie hotten nichts finben tonnen, 
mas baS unheimliche ©eräufdj ertlarte. geh holte 
mir hierauf meine Flinte bon $aufe unb be= 
fchloß, mit ben ©ärterinnenju machen unb um 
jebeit ©reis ber Urfache beS Spilles auf bie ©pur 
gu tommen. Sturg bor ©titternacht oernahmen 
mit bentlich burch bie offen gelaifene Spalte ber 
Iljüre, mie fehr langfame, aber gewaltig auf» 
tretenbe 'Uta mtertritte bon ber oberen ireppe 
her fich hören ließen. geh fit)li<h, mit ber Flinte 
bewaffnet, an bie Ireppe, welche burch boS Sam» 
penlicht beS ©orriborS mäßig erhellt mar, unb 
fiepe ba: ein mächtiger fdjmarger ftater bog in 
bentfelben ©ugenbliet um bie @cfe ber Ireppe 
unb plumpfte öon einem Iritt jum anbern, bis 
er plößlidh meiner unb meiner Qftinte anfichtig 
Würbe unb eilettben SaufS ju feinem oberit ©er» 
fied juriicttehrte. ©un nahm ich ben Oranten» 
Pflegerinnen felbft nicht übel, baß fie oon bem 
nächtlichen ©epolter in großen Schrecfen berfeßt 
worben waren; benn nie hotte ich gebacht, baß 
eine ffaße einen bem ©tännertritt fo ähnlichen 
©ang aunehmen tönne, wenn ich & nicht mit 
meinen eigenen klugen unb Ohren beobachtet 
hätte. Oer $ater war bom früheren £auSeigen» 
thümer, ber in bie gerne gezogen mar, guriict* 
gelaffen worben unb ift halb barauf ber wohl» 
gepflegte greuitb unb SiJjüßling unferer Äran* 
tenfchweftern geworben. Seiber Währte ihre 
greube an ihm nicht lange; benn eines lageS 
fanb man ihn tobt auf ben Schienen ber in ber 
©affe oorbeifüfjreitben ©ifenbahit. (Sr hatte fich 
eines ©benbS auf bie Schienen gefeßt unb mar 
oon bem borbeifaljrenben überfahren mor» 
ben." 

®er Oottor fdjlof} feine (Srgählmtg mit ben 
©orten: „OaS eine ©Ja! ift’S ein fiter, baS 
anbere ©tal finb’S Sohtäfe, welche einen gang 
natürlichen GtrflärungSgrnnb für ben bermeint» 
liehen ©eipeufterfpu! abgeben. Unb wenn ein» 
mal -in ber Unterhaltung etwas auf’s lapet 
tommt, baS einer mirtlidjien ©efpenftergefchichte 
ähnlich fleht, fo ift mir merfmürbig, baß man 
immer nur non britten ergäfjlt. bie folche un« 
heimliche Oinge erlebt haben, ©fir ift noch feine 
,(Überfällige unb glaubmiirbige ©erfon begegnet, 
bie mir fagen tonnte: ich höbe biefe unb jene 


, linge gefeßen unb erhört, bie ich mir nur er» 
Hären tanu, wenn id) an bie Gfiftenj unb baS 
Treiben oon ©eiftern ober ©efpenfterit glaube, 
in ber ©eife, mie fich baS Shntefpeare benft, 
welcher befanittlid) |>amlets ©ater als ©eift auf* 
treten unb fagen läßt: 

3<h bin beines Paters 

Peröammt auf eine gcitlang ZTa<hts 3 u toanbern, 

Unb (Tags gebannt in eru'gc K feiicrgliit, 

Bis bie tjerbrcdjcu meiner §eitli<hfeit 

bjinmeg geläutert finb." 

„loch, hoch, lieber loftor," meinte nnfer 
©achtmeifter, „ich felbft habe fo etwas erlebt, 
baS ich in baS Stipitel unheimlicher ©eifter» 
erfcheinung einreihen möchte, wenn ich gleich 
nicht leugne, baß fich bielleicht eine natürliche 
(Srllürung finben läßt, gm fflofter O., wo 
meine ©ermanbteu wohnen, würbe iibereitifiim« 
menb bon bieleit Dljrcngeugen, bie länger ober 
türger im £aufe aus» unb eingingen, allnächtlich 
um bie ©eifterftuube ein fchliirfenbeS ©eräufch 
Wahrgenommen, baS oon einer läugft uerftorbe» 
nen ©ebtiffin ober ©omie, bie feine SHulje im 
©rabe gefunben, herrühren foflte. äBieberßolt 
Wollte ein lienftnuibchen fie felbft bei läge ge» 
fehen hoben, mie fie in ©onuentracht unb mit 
bent Srebier in ber £ianb bie Ireppe tjrrabtam 
unb burch Öen langen ©ang gtir Slloftertirche in 
ihren allgu langen ©antoffeln oormärtS rutfehte. 
©ei meinem nächften ©efueß bat ich mir als 
eine befonbere ©efälligteit aus, in bem an ben 
©ang anftoßenben 3>mmer, wo fich baS ©e» 
räufd), ber Sage nach, am beutlichften bernehmen 
ließ, fdjfafen gu biirfen. geh nahm in jener 
©acht ein intereffanteS ©ud) mit mir in baS 
Schlafjiinmer unb achtete, ballig angefleibet, mit 
Spannung auf jebeS ©eräufch, baS fid) etwa bor 
ber Ihiire bernehmen ließe, ©or jmölf Uhr 
blieb alles ruhig, ©ber gleich bornach ließ fich 
bentlich erfennen, Wie jemmtb in ©antoffeln ober * 
©anbfdwhen bebächtigait meiner Ihiirborüher* 
ging unb bie Iljür öffnete, welche bom ©ang 
bireft in bie ifirdje führte, geh eilte alsbalb mit 
bem Sicht an bie Ifjür, tonnte aber lebiglich 
nichts mahrnehmen. gd) unterfuchte bie in bie 
bie .ßirrfje fiifjrcube Ifjiir, bfe ich deutlich in ben 
©ngeln fich hotte brehen hören; aber ich fonb fie 
gefcßloffen unb ben ©iegel borgefchoben. larnuf 
gog ich mich auf mein giutmer gurüct unb horchte 
abermals gefponnt, boch ohne bie minbefte gureßt 
gu empfinben unb bei gang normalem ©uls» unb 
fjergfcßlng. ©ach einer halben Stunbe hörte ich 
abermals bentlich bie ftireßenthür gehen, gm 
©u mar ich an meiner Ihür. ©ber mieberum 
mar aüeS mie gubor in Drbnung unb ich tonnte 
mit ben ©ugen nichts ©erbäeßtiges entbeefen. 
loch mar es mir, als ob ich heit rutfehenben 
©ang fchon bon ber Ireppe her oernähme, unb 


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238 


3m alten Sdjloß ju Stuttgart. 


als ob baS fpufenbe SBefen icbon roieber ben 
Müdjug angetreten batte, 3 n ber nadifton Macht 
hörte id) jur felben Minute baS oerbäcßtige ©e* 
rüufd) uitb jroar, ba id) bieSmal früher auf ben 
©ang getreten roar, fo beutlicß au mir ooriiber 
tommen, bafe jebe Täitfihiing meinerfeits aus* 
gcfchloffen ift; and) bie Üfird)eutbür ädjjte roieber 
in ihren oerrofteteu 'Mügeln. Mud) bieSmal aber 
fahen meine Magen amh nicht bie ©pur einer 
©tenfchengeftalt, nur roar eS mir in bemMugen* 
blid, als ber rutfdjenbe Tritt an mir ooriiber 
tarn, al§ ob ich oon einem falten fiuftjug ange* 
haucht roiirbe." — 

3<h felbft follte übrigens in ber nämlichen 
Macht noch erfahren, roeicheti ©eljörS* unb Gm* 
pfinbungStäufchungen man in nnbefaitnten Dtäiu 
men auSgeießt ift, unb roie leicht fich auch folc^e 
Eilige, roenn man ihnen auf beit ©runb geht, 
auf natürliche Stßeife fpäter auftlären. 3<h bin 
überzeugt, bafe auch baS eben oom SBaefjtmeifter 
©rjählte, roenn man näher nacßgcforfcht hätte, 
ju etroaS ganj Matiirlichein geroorbeit roäre. 

©littlerroeilc roar es halb jroölf Uhr geroor* 
ben. Tie 2Bad)e trat in’S ©eroefer unb eS ftanb 
nicht lange an, fo befanb ich mich auf meinem 
©often im £>of beS alten ©d)loffeS. Ter 'iBiitb 
blies falt boit Morben her, unb machte bie ©i= 
tuation noch unangenehmer. MlS bie ©otrouille, 
bie mich auf meinen Soften geftctlt hatte, außer 
Hörweite roar, begann ich meine Sinie rafch auf» 
unb abjufchreiten, um gegen bie junehmenbe 
Sfälte anjufämpfen. Steine ©chritte hallten laut 
roieber in beut oon hohen ©lauern umgebenen 
£>ofraunt. ©lößlidj roar es mir, als hörte ich 
ein ©efliifter hinter bem höljernen Thor am 
©ingang beS unterirbifchen ©eroölbeS. 3d) 
horchte aufmerlfain am ©chliiifellocfe unb fanb 
meine '-Wahrnehmung nur ju fefer bestätigt. 
roar überzeugt, bafe id) es hier jroar nicht mit 
einer ©efpenftererfcheinuug, etroa ber roeifeen 
8?rau, ju thuii hohe, roofel aber mit einer freole* 
rifeben ©erfchroörung, fa roohl gar mit einem 
©inbruchSoerfud) in bie Silberfammer, unb blieb 
beShalb ftrainin an ber Thür feftgcroitrjelt, ohne 
mich ju roeiterem $in* unb £>erroanbeln ent* 
fchlicfeen ju fönneu. 3d) mochte roohl eine ©ier* 
telftunbe lautlos fo geftanben haben, als ber 
bifitirenbe Offizier erfchien, unb auf fein ©e= 
fragen, ob nichts ©erbadjtigeS oorgefallen fei, 
über meine '-Wahrnehmungen furjeii Bericht er* 
hielt. Much er briiefte jeßt fein Cfer in gefpann* 
ter ©rroartung an’S ©chliiffelloch unb fanb 
meine ^Beobachtung burchauS beftätigt. 3a- mir 
hörten jeßt beibe mehrmals beutlid) bas Jöort 
„6oup" in ber hinter bem £oljtbor fliifternb ge* 
führten Unterrebung. Mafd) entfchloffen allar* 
mirte ber Offijier ben greifen ©cfelofefaftellan 
unb beorberte bie nächftftehenben SWacben auf 
beit ©laß. Ter alte ©lann roar faft nicht ja er* 


roeefen. ©nblich erfchien er, begleitet oon jroei 
Tienern, mit bem ©cßlüffelbunb unb einigen 
JBiublicbtern. ©r öffnete bie Pforte, inbeffen 
roir uns im fjalbfreiS um ihn [teilten, ©onber« 
bar! ©S roar nirgenbS eine ©pur oon Serbach* 
tigern ju finben. 3Bir gingen in alle ©efen 
leudjtenb burd) ben ©ang unb faitben ant ©nbe 
beffelben bie eiferne Thür, welche in baS eigent* 
liehe ©ilberfammergeroöibe führt, unb bereu 
©cfelofe üöllig uiiberfeljrt unb in ©rbnuiig. HL'ir 
lehrten jurüef in ben ^ofraum, fchloffen bie 
^oljthüre abermals ab, hatten aber faum ben 
echlüffel umgebrebt, als baS ©eflüfter aufs neue 
unb fo beutlid) fid) oernehmen liefe, bafe felbft 
ber etroaS fchtoerhörige Äaftellan es hörte unb 
ganj betroffen unb angftooll in unferer ©litte 
ftanb. 3Bir öffneten bie Tljitr roieber unb traten 
abermals in ben finftern ©ang. Teutlidj oer* 
nahmen roir nun auch hier ein 3miegefprä<h, 
baS jroifchen jroei ganj in ber Mähe befittblicfeeii 
©erfoneu geführt roerben rnufete. Tod) in biefem 
Mugenblicfe lachte auch fdion ber fontrollirenbe 
Offijier laut auf unb beutete auf ein bon uns 
bisher nicht bemerftcS genfter, faft an ber Tede 
beS ©eroölbeS, burd) welches ein fcßiirfer Suftjug 
ftrid), welcher bas ftenfter ftoferoeife auf* unb 
jumachte. SÖar baS genfter gefchloffen, fo hör* 
teu roir baS ©eflüfter nicht mehr, ©obalb eS 
aber ber SÜiub roieber aufftiefe. War es ganj 
bentlich ju oernehnten. Ta roanbte fich einer ber 
herbeigerufenen SBochtpoften, bej jnoor am 
©chloffc in ber Mäße beS Theaters poftirt war, 
an ben Offijier unb fagte: „©chon feit einer 
halben ©tunbe flehen jtoei ©lanner im eifrigften 
©efpräche unten am Theater. ©S ftnb roohl 
©chaufpieler, beim ich höbe fie mehrmalcn oon 
Theatercoups unb Mehitlicfeeiit reben hören." 
Ter Offijier beftätigte biefe ©eobad)tung, eilte 
aber boefe mit rafcheu ©»ßritten hinaus, um ju 
febeit, ob bie ©eiben noch jeßt ihr ©efpräch fort* 
feßteu. Mach furjer ©ntfernung tarn er, bies be* 
ftätigenb, jurüd, unb roir alle iiberjeugteu uns, 
bafe roir nichts, als biefe Unterrebung gehört 
hatten, unb bafe Oon einem ©iitbrud)SOerfud) in 
bem ©ilbergeroölbe roeit unb breit feine Diebe 
roar." — 

Tiefem ©puf*©rlebnife beS ©ürgerroefermau* 
neS füge ich J»r ©erubigung für äugftliche ©e= 
miither noch baS folgenbe launige ©tiiefeben aus 
ber MintSprayiS eines gefcheiten CberamtSrichterS 
bei. Terfelbe hofft öernominen, bafe in einer 
feiner richterlichen ©eroatt unterfteflten 2anb* 
gemeinbe eine ©efpenftergefchichte baS Tages* 
gefprüd) bilbe, unb alt unb jung in ©chrecfen 
unb Dlngft oerfeße. ©eim nächften Muggerichte 
behielt er bie ©emeinberäthe beshalb nodh länger 
auf bem Matfehoufe, als bie ©eridjtSgefchäftc 
fchon alle erlebigt waren. 6r fragte, woher eS 
benu fomme, bafe fie heute fo berlegen bagefeffen 


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Pie ttrganifation brr Sifdj. Peil). Birdje. 


239 


feien, unb fid) fo eigentbümlidj }ugewintt unb 
jngeflüfiert (jabeit. Öange wollten fie nicht mit 
ber Sprache berauSrüden. 511 § aber ber Ober» 
amt3rid)ter non bem älteftcn ©emeinberatb auf’s 
entfd)iebenfte Wushmft über ba§ ©ebeimniß Der» 
langte, begann berfelbe enblid) fc^iidjiern fol» 
genbe Siebe: „SBenn Sie e§ bcnn eben Riffen 
wollen, £>err OberanitSrid)ter, fo will id) 3l^nen 
eben bie feacbe turj unb gut offeriren. Unfer 
alter £>err Pfarrer, ©ott bab’ ihn felig! — er 
ift ein b«rjenäguter Wann gewefeit! lauft im 
Äircbenrocf unb mit ben weißen Säffd)en am 
bellen läge oben am 2i5albe§fauiu, wo er fo oft 
im Sehen feine ^rebigt ftnbirt bat, große unb 
deine haben ibttgefeben." Oie anbern ©emeinbe« 


rätbe ftimmten nun eifrigft ein, unb felbft einige 
ber 5lnwefenben ließen es fid) uid)t nebmen, fie 
wollten ben ©cift felbft unb leibhaftig gefeben 
haben. Oer Oberamt§rid)ter erfunbigte fid) hier» 
auf genauer über Ort unb Stelle ber ©rfcbei» 
nung, unb meinte enblicb, baß ber '-ßlaß in ber 
Ohat i» feinen ©erid)tsfprengel gehöre, ©r rieb» 
tete fid) jcßt am Oifcpe auf, feßte fid) grabitätifch 
in spofitur, fcblng gewaltig mit ber Sauft auf 
ben Sifd) unb ertlärte mit weithin oernebmlicber 
Stimme: „Oer erfte, ber ben ©eift wieber fie()t, 
ergreift ihn im fWameu be§ Orüvfteit unb liefert 
ihn mir Dor ba§OberamtSgerid)t ein." Spracb’3 
311 ben uerblüfften Säuern, unb alles ©efpenfter» 
gerebe batte nun ein ©nbe im Oorfe. 


-•&>--' 

Pie Orgaiiifation ber Pifdj. Ißetl). iirdje. 

(Itoitor. 


II. gtAmfrf «OT Me ©xiftenj. 

» ie Anfänge jur ffircbengrünbung waren bie 'Jteifeprebiger antamen, ba§ ©bangelium in 
gemacht worben, unb wie bie erften | alle ©egenben beS fianbes, foweit es banialS 311 » 
Saienprebiger in 9tew $ort uub Warp» gänglid) war. Sn feiner 'Jlnorbnung bat fid) 
lanb baSSolf mit ben Sehren unb ©in» j bie äikiebeit uub £>eUfid)tigfeit ÜBeSleps beffer 
ricbtungen beS Wetbobismus befannt bewahrheitet al» in ber Seniißung beS Saien» 
machten, fo trugen aubere tiacf) ihnen U 011 ©tig» ©(erneutes jur Saftoralarbeit, unb bie ©efd)id)te 
lanb unb Srlanb eingewanberte Saien, noch ehe 1 ber ffircpe weift in biefer Se§iebung Seftionen 



Srfte 3Wet&obiftett*Confcr<:uj. 


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240 


Pie ®rganifation bet ?ifd). Utetf). Pirdje. 


nad), welche nid)t fo fdptell oergeffen loerben atnerifanifdjen 9Jtetljobi§mu§, toeld^e äljatfadje 
fotlten. bie Arbeiter au» bem üaienftanbe fo flar er« 



©o Ijodj jeborf) bie SBirffamfeit biefer Opfer« 
frettbigen Sofalprebiger audj ju fcpa&eu ift, fo 
mären bie imfiingtidien (Srfolge bocf) eigentlich 
meljr oorbereitenbe Sd)ritte jur ©riiubung be§ 


fannteit, baf, fie fetbft — $auptmann SBebb 
bornn — um tjkcbiger aus ©«glaub baten. 
„2öir bebiirfen," fdjtieb bereits im !3aljre 17(58 
Stljomag Sfcaplor, einer ber erften ff irdjenüorfteljer 







































JHf ©rganifation ber lifd). Peil). $ird)t. 


241 




in 9teu> $ort, an 2Be§Ioi), 

„einen fähigen unb erfahre* 
neu Ißrebiger, luclcfjev fo= 
roofjl bie nötigen Salente 
al§ ©nabe für bie Ausübung 
feinet 9lmte§ Ijat. 2öenn 
öa» notlftuejibige IReifegelb 
liiert befdjafft röcrben fann, 
fo werben mir tinfere Siede 
unb ^entbett »erlaufen, um 
au» beut @rlö» bie lieber» 
faljrtSfofteu ju bejahen. 

(i» finb fo Wiele fkrfonen 
mid) beut UBorte ©otte» be= 
gierig, baff unfer SBerfamm* 
iuugsort — SRiggin Soft — 
bie iettten fed)» 2Bod)eu nid)t 
bie iialfte ber herbei ge* 
flrömten fieute ja taffen 
oermodjtc." Später gingen 
äljnlidje ®efiuf)e und) 6ng= 
laubab, mofelbft biefeftilfe* 
rufe in beu ®rebiger»@ou* 
ferenjen üielfadje Grroagung Pcranlajften unb 
2Be»let) baja beftimmien, orbinirte '-ßrebiger 
nad) 2tmerifa ju fenbeit, ioeld)eu jeboef) ber fiaieti* 
prebiger SBilliam» worouäeilte, ber unter faft 
iibermenfd)lid)en 'ilnftrenguugeu beu ©ruub jur 
,<tird)e in 35irginien legte. 

3u ber 26. oon 3iol)n 2Be§(cp ja 2eeb§ in 
Gnglaub gehaltenen ©onfcreuj unb 25 Jjabre 
nad) ©vüubuug be§ englifdjen f)Jiet()obi»mu», 
alfo im ^nljre 17(59, fagte 2Be»(ep ,ui beu 35er* 
fammetteu: „3n einem briugeubeu ©efud) unfe* 


inneres ber ßapeUc au StraiubeiTt? ©affe. 

rer trüber in 9?em ?)orf bitten biefelben um 
3 ufenbung einiger 9)fiffionäre. 2 Ber ift bereit 
in jenes roeftlicbe 91rbeitsfelb 311 treten?'' 

damals aber bot bie Steife nad) 91merifa Diel 
größere ©efabrett als jept, and) mar es feine 
ftleinigfeit für bie im ©anjen 311 folrf;cn 9Jtif= 
fionSuuteruefjmungeit mettig borbereiteten me*= 
ietjanifeben $rebiger in ber fernen meftlidjeu 
SSMlbnife eine ffirdje 311 pflanjen. 9(u» biefen 
©riinben antmortete Dorerft Stiemanb auf 2Be§= 
lep’y $rage. 911» er aber beit mid)ften SJtorgeu 

um 5 Ufjr über 
beu 2 ert prebigie: 
„ 3 (b l)abe ftinber 
auferjogeu unb 
erhöbet unb fie 
finb oon mir ab* 
gefallen;" — ba 
jebmaub bie Sau* 
gigfeit be» £>er= 
3 eit§ unb mehrere 
«Stimmen aut* 
morteteu itt glatt* 
6 en§ ' mutbiger 
(Sntfcbloffenbeit: 
„#ier bin ich." — 
Stidjarb 93oarb* 
man unb 3 ofepb 
^Jilmoor mürben 
auSerlefeti unb fie 
3 ogenüber»Weer. 
Sie finb bie erften 
orbinirten Steife* 
prebiger be» ante* 
rifaniftben 2 Jie= 

jpavtltty im OhfäiiflniB tljOöiSmuS. 


18 


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n 



mcfl§ ju ben 

9i e i d) e n 

imb 5litue= 
fefjcncn. 2 )ad SBieflenfieb bed Steidjcd 
ßilt and) f)iev: „Sa* Unebele oor ber SBelt imb 
ba§ $evad)tete bat er ermäßet, imb ba§ ba 
nid)tö ift, bafi er jn nickte mad)t, ioa$ etroa* ift." 
Wud) erfuhren bie erften Wctbobiften, mie alle 
ft inber ffiotted, baft fteinbfdjaft ift aroifdjen be* 
ÜÖeibed ©ame imb ber ©djlanße ©ame, imb 
bafi ©ieberaeburt imb imerneuerted Wenfcben» 
roefen im SBiberfprud) ju eiuanber flehen. Sa$u 
tarn, baft innerhalb ber Keinen unb meit 3 er* 


f)err mar mit ben Seinen. Ratten MeWctfjo* 
biflcn fein Tod), unter bem fiebrebigen fonnten, 
ober Derfdjloft man ihnen 2 bür unb Jbor, io 
berfünbiflten fie bad Söort unter freiem fcimmd, 
in ben Straften ber Stabt ober in ber ffiilbnift 
bed Urroafhft; leate man fie in’o ©efdnßnifi, fo 
riefen fie bie fieute tum bort an# j|ir SBufce; 
fehlte bie 3kiide über ben glufc, fo fchtnamni ber 
Weibobi ftenbrebiejer bureb bie Stellen; imb fanb 
er fein Cbbacb, fo leiste er fein ^aupt tnie 3 afo 6 
auf einen ©teilt. 

„25>a§ mifl und biefer Lotterbube fachen ? 33er* 
fd)lie[;t ifint eure Käufer!" rief ein cinflefcbener 
©iirner Baltimore*, a(§ !^obn $infl, einer ber 
Saienprebnier, fid) nach einem Serfammlunftd* 
(ofal in ieuer ©tabt nmfah. Wber !^obn $inft 
prebißte bod). Wn ber @de ber ftrenrfiftrafte 
fanb er einen ©tfunicb, ber fid) „ben ©baft an» 


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Hit ©rganifotion brr 15ird|. fHetlj. Birdjf. 


243 


feljen mollte" unb feinen 9lntbb3 al» Mangel be= 
mißen ließ. s ?llfo mürbe bie evfte Sßrebigt in bie= 
fein „£>erb" be» WethobiSniuS gehalten. Die 
gmeite Don einem an Gcfe ber Galbert= unb SaU 
timore=Straße aufgeftellten Difcpe au§, mobei 
b-:r Wutt) bce ^rebigerS burcf) betrunfene Wilig= 
folb.iten auf feine geringe s ^robe geftellt mürbe. 
— 3u fünf 3>af)rcn bon biefer 3^’it fjntte ber 
WethobiSmu» iit jener Stabt fo feften guß ge= 1 
faßt, baß bie jährliche Gonfereng in Baltimore 
gepalten werben tonnte. £)cute aber erficht fiefi 
gang in ber s 3tiific jenes ^lafce», mo bie Sd)miebe 
egeftanben, einer ber priiefiti^fteu Stempel in beit 
$ereinigteu Staaten — bie Womit fernen Wc= 
tfiobiftenf irefie. 

Die erfte amerifanifdje Gonfereng ber Wetbo= 
biftenpreDiger trat Diittmocl), ben 14. 3uli 1773 i 
gufammen unb mäprte'gmei Dage. 9lSbuTp unb 
Stanfin maren bereits in 9imcrifa. Der 33er= 
fammlungSort, bie bamalige St. ©eorg§fapelle, 
beftaub ans 4 SBänben unb bem Dach unb er= 
mangelte jeglicher innerer Ginrichtung. Die ba= 
matS gefammelte Statiftif ergab eine ©cfammU 
fiimine uoit 1160 Witglieberu, bon melden bci= 
nafte bie Hälfte in Warplanb mof)nten. feilte 
gäfjlt man fünf Millionen 9Jietfiobiften in ben 
bereinigten Staaten unb Ganaba. Da§ bamalige 
Gonfereng = ^ßrototoll ift für fientic^e Gonfereng= 
oefretare eine mafirfiafte Cafe febnfitd)tiger Gr» 
frifchung. G* umfaßt mit Ginfcpluß ber Sta= 
tiftifeu eine cg an ge Citabfeite! 

Die erfte in Baltimore an ber Stramberri)= 
©affe (1773) erbaute Wethobiftenfapelle mar 
bamal» bie befteimgeridjtcte ber entftcfienbcu 
Üircfic — unb bie mar fiöcfift einfach. 

Slber bie el ften Wetpobiften fdjajgtcit fiefi gfiid= 
liefi. folcf)c .Qircpeit gu befitjen. G3 maren ihre 
ftatbeövalen unb Gentralpunfte be» überafl fiiu 
auägebepnten iffionSnepeS. 2B»e mir bereits 
igeleben, mußten fie fiefi inciftenS mit noch biel 
befcficiöencren v }kebigtpläßen begnügen. 3a — 
felbft ba» Glefancgniß biente al» Mangel unb 
mürbe bornehmlid) bon bem eifrigen, oft heftigen 
Cvirtlct) bagu benußt. 3m Slrei»gcfämguiß gu 
Dalbot, birginien, megen feiner SluSfäUe gegen 
bie Sftaberei gefangen gehalten, prebigte er 
burefi ba» ©efeingnißfenfter. Oft famen feine 
3u mrer gehn bi» fünfgebn Weilen meit, um ihn 
gu hören. Da» SSort be» £>errn bemie» feine 
straft. 3?iele belehrten fich gu ©ott, unb bie 
gange Unngegenb marb bermaßen erregt, baß 
feine fteinbe enblicf) froh maren, ihm nicht nur 
feine Freiheit gu geben, fonbern auch bieGrfaub* 
niß gu ertpeilen, auch fernerhin gu prebigen. 
„Seßtere ©nabe/' meinte £>artlet), „hatten fie fiefi 
erfpareu fönnen, beim e» ift ja mein Stuf bon 
©ott, bie fievrlid)e Grlöfung fuub gu machen, unb 
ba fönnen biefe Wenfchen meber etroa» babon 
noch bagu tfiiiu." 


91ucfi bie jeßt bielfad) fo gar fein eiugeridjtcten 
fiagerberfanun(ungen maren anfänglich fepr prU 
mitib. Der in feinen Wanieren rauhe, aber 
außerorbentlicp erfolgreiche Saienprebiger Slbbott 
ift ber 33ater berfelbeit. Gr prebigte in 9tem 
3erfet) mit fo munberbarein Segen, baß Daiu 
fenbe ihm guftrömten. Oft mar fein Cofal groß 
genug, bie Wenge gu faffeit. Da gog man bei 
gutem Setter einfad) fiiuanS in ben näcfiften 
£>ain unb hielt ©ottesbienft. 9licfit feiten maren 
bie Scute bermaßen begierig itubcrmcrft, baß fie 
and) nad) tagelangem faft unauSgefeßtem ®otteS= 
bienft niefit nach öaufc gehen mollten. Abbott 
mußte Statt). „©ept in bie nocfiflen Raufer gu 



21rretinuig eine« SHetbobiften. 


Verberge unb fommt morgen früh mieber," fagte 
er. SolcficS maren bie gang einfachen unb ebenfo 
natürlichen Anfänge ber Sagerberfammluugeu. 

Stebft mancherlei Stampfen bereitete ber au»= 
gebrochene UnabhäugigteitSfrieg ber jungen 
Kirche biele unb große Scfimierigteiteu. Gr 
bradjte ihr aber and), mie bem gangen Sanbe, 
bie Gntfd)eibung, bie Uuabpüngigfeit. Seglet) 
erfanute, baß iiachbem fich *>ie 9lmerifaner bie 
Freiheit erfämpft, e» unmöglich fei, ben Wetpo-- 
bi»muS boin Wutterlanbe au» gu leiten unb gu 
regieren, unb tfiat Schritte gur Organifatiou. 
Die 3Jifd). Wett). Äirdje mar bie erfte, meld)e in 
ihrem ßirchengefeß bie Unabhängigfeit ber 3?er* 
einigten Staaten anerfannte. Sie tierlor gmar 
burcf) bie Steoolution alle non SBe»lct) gefaubten 
^rebiger — mit 9lu»nahme Slöburi)’» — unb 


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244 


(Bin Hon aus ber $jeimatlj. 


erlitt babuvcp großen Vcrluft, tourbc aber auch 
oon frcntber 'Jiuffidjt befreit. ‘Sa fo Diele 9Ke* 
tpobiftenprebiger fiep als gute Gnglätiber erwie* 
fen, gerietpeu alle 'JJlctpobiftcn in Verbacpt, eS 
mit beit Jciubeu beS BattbeS 3 U batten, tonrben 
aber eben baburcp }ur (Sntfrfjeibung getrieben 
nnb toarfen bas 2ooS mit ihren 2anbSleutett. 
Vit Cppofition, Vnflageit uub Verfolgungen 
fehlte es tüdhrenb beS VefreiiinqSfqmpfeS niept. 
Vlancpe Vletpobiftcu tourben tiiit gewöhnlichen 
Verbrechern in’S ©efängitijj geworfen ober mit 
Knüppeln, Stiemen unb Veiifd)en beinahe tobt 
gcfchlagen, fo baß fie bie ©puren ihrer VI iß* 
paitblung mit ins ©rab nahmen. Vubere 
würben uon Hau» unb 3 ?ainilie Dertriebeu unb 
mußten fiep in Vlälbern 1111 b Kopien Derborgen 
palten. 

WlleS bieS aber war Vorbereitung jur ©elbft* 
ftänbigleit, 3111 - Organifation ber Vifcpöflicpeit 
VietpobifteiuKircpe, welche 1784, wäprenb ber 
fogeiiannten Gpri ft tagS*Gonfereii 3 , in Valti* 
more ftattfaiib, wodou mir baS niicpftemal 
pöreit werben. 


(friit ton nu$ brr Jcimntl). 

/hin 3»lünber, DiamenS Vlarmier, faiti nach 
Jtp Gnglaub. 9tacp einigen ^apren patte er 

T beit ©cpiners beS Heimwehs iiberwunben. 
9)lan hörte ipit niipl ntepr fein ^an» unb feine 
Verge bebauern; er rebetc eine anbere ©praepe 
unb lebte ein anbereS Seben. GineS Soges 
als er fiep in bollfommener ©eclenrupe befaitb, 
hörte er in feiner 9täpe ein iSlänbiftpeS Vlort. 
Sa mürbe plößliip eine gtinje «Kette Don Gritt* 
nerungen in iput rege, er braep in Spränen aus, 
erfraufte unb mußte uaep ^Slanb jurüefgebrlidjt 
werben. 

Siefer Alarmier, ber bon feinem peimatp* 
liepen Voben in ein frembeS £aub berfeßt mor* 
beit, erinnert uns an tnanepe Jünglinge uttb 
Vläuner, bie ihrem peitnatplicpen Voben, näin* 
liep ber cpriftlicpen Vlaprpeit, in welker fie auf* 
getoaepfen, entfrembct finb. ©ie pabett — fo 
fcpeint’S weitigftettS — baS GDangelium mit fei» j 
lien Höpen unb Siefen, mit feinen grünen mitten ! 
nnb perrlicpen fjernfiepten Dergcfjett. Sen Stuf 
ber ©loclen hören fie niept ntepr. ,,©ie reben 
eine anbere ©praepe unb leben ein anbereS 
Sehen." Sie Weiteren unter ihnen reben and) 
am ©onntag nur oont Saufen unb Verlaufen, 
Dont ©elb unb roieber Dom ©elb. Sie jüngeren 
fragen nur baitacp, mo ber befte Söeitt auSge * 1 
fepenft werbe, unb mo man bie luftigfteit Same » 1 
raben treffe. ,,©ic leben ein anbereS Cebett." 
9tacp oem Vraucpe ber Vielt fepen fie alles für 


erlaubt an, roaS* niept birelt in’S 
fiiprt. 

Wber fepien niept jener 2>Slänber auch feiner 
Heimatp gäitslicp entfrembet 3 U fein ? Unb 
boep, als ein Soit aus ber ^eiinatp an fein Cpr 
fiplttg, üennoepte er fiep beS £)eimroepS niept 311 
erwepren. — ©0 giebt es auep peiinatplicpe 
Söne, welcpe in jenen fepeittbar gaii 3 bem ©lau* 
ben Gntfrembeteu uitDermerlt eine Vleubung 
311111 Vefjern perüorrufen. 3*oei Veifpiele mö= 
gen bies jeigeit. 

Gin Jüngling ber Dorpiit erwähnten 9(rt gept 
am ©onntag Vtorgen an ber Kirche Dorbei bem 
VlirtpspauS 311 . WuS bem ©otteSpauS fcpallt 
] ipm ber ©efang ber ©emeinbe entgegen: „ 3 >cp 
1 habe nun ben ©ruitb gefunbeit, ber meinen 
Vnter ewig piilt." UnwilUiirlicp ftept ttnfer 
1 Jüngling einen Vugettblid ftiH, um 31 t laufcpen. 

| Sie wopibefaitnten Sötte bringen in feine ©eele 
hinein. Uub nudjbein ber ©efang Derfinnnnt 
ift, flittgt’S noch in feinem Innern fort: «'Sem 
allemal baS ^»erje bricht, wir foinmen ober loitt* 
men nicht." Siefe Vierte wirb er nicht mepr 
loS ; er fpiirt’S, baß baS Grbarmrn ©otteS auch 
ipit fiept unb felig ittacpen möchte. Sie Vielt 
erfepeint ipm fo öbe, ipr Sagen fo tpöriept, ipre 
Unrupe qualDoll, unb elelpaft ipr ©cpniitß. 
Ser wilbe ©cpwarnt feiner ©encffeit wartet 
heute unb für immer Dergeblidp auf ipit. Stt’S 
ftille Kämmerlein lentt er feine ©epritte, uub 
pier briept er aus itt’s ©eftäubniß beS Derlorenen 
©optteS: „Vater, icp habe gefünbigt!" fetter 
peiinatplicpe Sott, ber fein Cpr getroffen, pat 
baS üjeimwep nach bem pimmlifcpcn Ülatcr mit 
Vc'acpt in ipm erregt, uub für ben Heimweh* 
franfen giebt eS lein anbereS Heilmittel als 
Heimfepr. Gnblicp erfährt er eS au fiep: 

IPir follen nietjt rcrlorcu werben, 

(Sott will, uns foll geholfen fein, 

Deswegen Fant ber Sohn auf (Erben 
Uub nahm hernach ben Ejimmcl ein, 
Deswegen Flopft er fiir nnb fiir 
So ftarF an uttfers l^e^eus <Epnr. 

3n Gprifto finbet er beit 3ufr'tt itim Sproit 
ber ©nabe; in ber ©emißpeit, baß ipm Dergebeu 
fei, wirb er froh unb gliidfelig unb lebt er ft jeßt 
reept auf, wie Vtartnier, als er bie Verge feiner 
Heimatp wieber fap. — 

Gin anberer, bem Gpriftentpum entfrembeter 
Wann Derliert einen feiner Verwaubten. 9(u* 
ftanbS halber map er an ber Vcgräbnißfeier 
tpeilnepmen. Ser fieiepentept ift aus 1. Simo* 
tpeuS 6 : „Kämpfe ben guten «Kampf beS ©lau* 
benS, ergreife baS ewige fieben, 311 welchem bu 
auch berufen bift 1111 b belaitnt paft ein gutes 
Velenntniß Dor Dielen Uiiferm 3 U= 

pörer mirb’S bei biefen Vierten feltfam äu 


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(Ein Spiegel für SonntagfdjtiUeljtcr. 


245 


Kiutbe. Um brdßig Sabre eilen feine ©ebaii* 
Jen suriid; er fiebtjicb als jungen ßljriflen am 
'Mar fteben in ber «taube feiner Konfirmation, 
er hört bie Stimme feiltet Pfarrers, mie fie 
gerabe ibtn ben ^enffprucb jurnft: „Kampfe 
beit guten Kampf beS ©laubenS !" „2öie roobl 
roar’S mir," fagt er 311 fidj felbft, „fo lang’ icb 
im ©tauben ftanb; eS mar fo fcböu, als ein 
'äbrabnnt, ein $auib unb ^etruS meine 'JJfit* 
fiimpfer mareu im geiftlicben Kampf, bie fjreunbe 
©otteS and) meine fjreunbe, ber £>err felbft aber 
mein Schirm unb ^djilb. 916er icb ireulofer! 
3>u ©laubeit bube icb preiSgegcbeit, meine Sei- 
benfcbaften babeit gefiegt, beS emigeu Sehens 
bal>e icb mich unroertb gemacbt." — 2 Bir roollen 
feine Selbftauflageit unb ben meiteren Sauf 
feiner ©ebanfen nicht ausführlich berichten, 
©einig, jener SBibelfprucb ift für ihn ber bei» 
matblicbe Son geroefeit, ber ein unroiberfteb* 
liebes fteimmef) in ihm meefte. (Sr ift freilich 
besbalb nicht fdjon babeim. 'Diarmiev mußte 
erft burd) bie toilbe Kraiibuiig unb ftürmifebe 
See b'Hburch, bebor er jur £>eimatb gelangte, 
cn gebt'S auch bureb fReuetbränen unb innere 
Kampfe hindurch für ben, ber 311 m Leiter im 
tpiinmel juriicftebren möd>te. 3lber GbriftuS 
ftreeft ihm bie rettenbe .f)anb entgegen unb 
jief)t ihn empor auf ben fjeimatblicbeu Straub, 
©eiche ©lildfcligteit nunmebr geborgen 311 fein 
in ©otteS ©nabe unb jeberjeit 311 roiffen: $er 
Kater ift bei mir; nichts tarnt mehr ttoit ihm 
mich trennen. Selbft ber SEob reifst mich nicht 
los doh ihm, fonbern berfeßt mich in eine nod) 
engere ©emeiufebaft mit ihm. Oenn baS 6 vb= 
tbeil ber Kinber ©otteS ift ja ein uuoevroelf* 
liebes ©rbe! 

Stebft bu, lieber Sefer, biefleicht felber ttod) 
fern beut SReicbe ©otteS, beiner roaljren .frei* 
matb? O, fo üerfcbliefee boeb beitt .$et 3 nicht, 
roenn einer jener Söne ans ber £>eimatb. ein 
©otteSioort, bein Ohr trifft, ©ehre nicht ab 
baS ©eimmeb, baS alsbaun erttmdjt unb in biv 
fpriept: „Sch mifl mich aufmacben unb 31 t mei« 
nein Kater geben!" 

Ober, roenn bu beS beimatblicben ©efi'iblS 
bicb freuft, bureb ©btiftmn beim Kater 311 fein 
unb für ben Kater arbeiten 311 bürten — fo halte 
auch feinen beiner Kritber für febon oerloren 
für bie #eimatb. KuS eigener (Erfahrung re* 
benb, permagft bu Den 5ou au 3 ufcblagen, ber 
auch in fdjeinbar gottentfrembeten Ktcnfcbenber* 
3 en baS fieimroeb bwöorruft nad) bem leben* 
bigen ©ott. (Machbar.) 



Pr. (Üljriftlicb über bnt Pueril ber 
3oimta0fd)uleii. 

feiner Schrift „ 3 ut Wethobiftifchen $rarte" 
JL fpricht fich ®r. foIßenbermaBcn 

~ aitS: 

„eobann fragt fitf), ob mir bom !D?et^obi^= 
mu§ nid^t mancfjc^ lernen fönnten, ohne im 
geringften unfere beutfdje ßißenart 31t öerleug* 
nen?— 2Bel<h’ ‘ein gefiel gur fyöiberung be» 
Wethobi§mu§ fiitb bie ® 0 n n t a ß f <h u 1 e n ! 
9 htn finb mir ja bei ßeorbnetem 3 teIigion^* unb 
Äoitfirinanbenunterrichte berfelbeit nicht in flleu 
eher Söeife mie 3*. $. 9 linerifa mit feiner reli* 
flionStofen Staatöfchulc bebürftig. 216 er je mehr 
beute ber (Staat Wiene macht ben 9 tcligion^=r 
unterricht fo biel mie mö^fid) 311 bedürfen, je 
näher bie 9 J?öglid)feit riidt, bafj er biefleicht in 
turjem al» reiigion^lo^ auch bei un» bie relU 
gion^lofe Schule einguführen berfucht ma* ja 
bie gortfehrittepartei (äugft begehrt, beftonötfji* 
ger mirb bie Verbreitung biefer Einrichtung fei 
cy gur Srflänjunfl be» noch in ber ^aßfchule 
©eftatteten, fei a(§ 9 tiicfjiifl§poften, meitn bie 
Sdjnle fich ber fiirche f<hlieBen follte. — Unb, 
abgefeften bon ben Äinbern, mie fegenereie^ er= 
meift fid) biefc Sitte für bie Schrei* unb Sehre* 
rinnen felbft, mie biel tlarer unb fefter merbeit 
fie in ihrer religiofen Slnföauung, mie biel 
brauchbarer 511 allerlei ©ehülfenbienft für beit 
Seelforger, in chriftlidjen 3 üngliim§* unb^itnfl* 
frauenbereinen u. f. m. Unfere ftirdje follte fich 
biefe Stüpe noch meit mehr al£ feither 311 mipc 
machen lernen." 

®iefe§ 3^ft»iß biirfen mir tin§ auch in 2lme* 
rifa 311 ^)er3eu nehmen. ®ie ©laubigen in 
®cutfchlanb ertenneu in ber Sonntaflfchule mehr 
unb mehr eine ©rofuua^t be» 9 teid;e^ (F^rifti. 
Worte ©ott un§ Reifen, biefe ©rojnnacht 31t 
bcnüpeit. 

-> +- 

®iii Spir0(l für $oiinta0|it)til- 
Icljrcr. 


1 . fiat bet Superintenbent nidbt 
ba§ ^eebt 3 n oerlangen: 

1 ) 2 >afc, falls ich nicht in bie Sonntagfcbufe 
geben fantt, ich mich bureb einen 9lnbern, ber 
fich auf bie Sectiou gut üorbereitet bot, erfcRen 
taffe ? 

2 ) Stofe, roemt icb oft abroefenb bin, fei es 
Kraufbeit ober ©leicbgiiltigteitS bolber, ober aus 
irgenb einem anbern ©rtinb, ich bie (Sntlaffnng 
einrei^e, bainit mein Kloß bureb einen rcgel* 
mäßigeren Selber auSgefüllt roetben fann ? 


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246 


Pater unb Ptutirr. 


B"! SDajjidjber Sonntiigi<fyulleIjver=33erfamm= 
hing fo oft al» möglicf) bciruof)ne unb tätigen 
^(ut^eil am ©eöeiljeu bcr Sdjnle ncfjmc? 

4) 2)ajj icf) mir e§ angelegen fein taffe, 5Jotij 
bauoit ju nehmen, memt ctmaö ^utereffaiite» 
fid) in meiner Ätaffe juträijt, unb baff id) bie 
'-ik'ricfjte, roeldje man oon mir uertantjt, ftut au§» 
fertige ? 

2. -dürfen bie Spüler it idj t er« 
märten: 

1) $ajj id) pünftlidj fei? 

2) S)aß id) aemiffentjaft fei? 

3) 2>a| icf) gut oorbereitet fei? 

4) 3)ajj id) alle» ba§, ma» id) bie Sdjülev 
tef)re ju t|un, fetber befolge?. 

3. £)a t b e r g r o j$ e 3J? e i ft e r, 3 e f u § 
©IjriftuS, iticf)t baS 9led)t, ju for« 
b e r u : 

1) ®afe id} mid) bnrd) ^ox-fc^cn in bcr Sdjrift 
uubSebet forgfdltig oorbereite, um meine ,Utaffe 
onjiel}en unb gut unterrichten ju fönncu? 

2) 2)uj} ich tm Canfe ber 58od}e meine Sf taffe 
jum ©egenftanb befoitberen ©eliet» mache? 

3) ®afe ich ntit meinen Schülern pevföitlid) 
unb birett über ba§ £>eil ihrer Seele rede? 

4) Dafs mein betragen unb '-öeifpiel mit mei* 
neu Untermeifungeu ftct-3 iibereinftimine? 

-- *- 

Puter unb Uliittfr. 

Jfür #nu3 itub £frto non $. graitj. 


Du follft bctncii Pater unb bcine ITtut- 
ter cFjrcu, auf ba^ bu lange lebeft im 
iaube, bas bir bcr £)crr, bem (Sott, giebt. 
2. IHof. 2, 12. 

$roßbembiefe3®ebotbemjenigen. ber e3ljält 
einen großen ©egen oerheißt, mie bem Uebci> 
tretet* einen ftlurf), fo mirb c3 bod) fefjr menig 
beachtet. 35er liebeoolle (Sott forbevt in biefent 
©ebot, bau wir Bater unb Biutter ehrerbietig 
bienen unb freubig ©djorfam leifieit foflen in 
allen Singen, bie uid)t feinem hefigen BJorte 
miberiprechen. Uebertreten rnirb baffelbe burd) 
Uitgehorfaiti ober ©eriugfdjäßuug, melcfje ba3 
JJii'tb ben 6 ltern gegenüber 3 eigt. 

63 fiitb uu3 heute jmar uod) einige recht trau* 
rige- unb betritbenbe Beifpiele, roo biefe ernfte 
Bibelmahrfjeit unbeachtet blieb, au3 bem alten 
Baterlanb befannt, hoch fc^eint gerabe iinfere 
gefegnete Union, ba3 £anb ber Freiheit, ben 
fruchtbaren Boben in fid) 311 bergen, too biefe3 
©ebot unbeachtet bleibt. 

$aum h^t ber ermadjfene Sohn unb bie er= 
mach fette Tochter fich ben ©taub an3 ben ef>e= 
maligen ©chultleibern au3gebürftet, fo beginnen 
bie fogenaunten fjrleßeljahre, mo fid) bie Sugenb 


felbftftänbig fühlt unb jeßl nicht nicht mehr 311 
gehonhen braucht. $a3 liebliche ^Papa unb 
Btama, ober Bater unb Btutter, Hingt ihnen 
jeßt 31 t (inbifd), unb in ©efellfdhaft bebient matt 
fid) nur noch be3 s 2lu3brutf3 mein 9(lter unb 
meine 9üte. Bkhe bem Bater, ber Biutter, bie 
ihre Einher, ai3 fie noch Hein mareit, oernach= 
läffigten, bie fie oetyirtelten, bie bie Unarten nie 
beftraften, bie taub mareit gegen bie Klagen be3 
9iad)bant, be3 ©onntagfchullchrer3, be3 BrebU 
gev3, bie bem unge 3 ogeiten Buben mehr ©lau» 
beit fdjenfeit, al3 ihren beften greunben, unb fo 
ihr fiiub 311 m Sägen oerleiten. Bkße, fage ich, 
beim fie muffen einft bie bittere grucht efjett ooit 
bem ©amen, ben fie felber fäeten. 

3eboch biefc3©ebot ift lein Bienfchen*, foiu 
berit ©otte3 ©ebot unb 9lmen, unb mo3 er 311 » 
fagt, bas hält er gemiß. 63 lann foldjett nicht 
mohl gehen, bie biefes ©ebot übertreten, junger 
Btauii unb Jungfrau, bie ihr mit bollett Segeln 
f)inau 33 ufteuern gebeult in bö3 2ebeit3tneer, bie 
ihr euch bie 3 ufimft fo glattgenb auStnalt mellt 
i()r itid)t gan 3 id)mählid) getiinfeht merbeit, fo 
beachtet nur jene ernfte ©ottesmahrljeit; foll e3 
euch einmal mol)l ergehen, ®otte3 ©egen auf 
bem 2 Bert eurer £änbe ruhett, fo befolgt biefeS 
©ebot. 

$ann legt 311 biefetn fpäteren ©egen bett 
©ruttb im elterlichen ftauö, achtet unb ehret 
eure lieben 6 ltern fo lange il)t fie habt, unb e3 
mirb aud) ferner, meitn fie lange im ©rabe 
ruhen, für euch ein befriebigettbe» ©efiil)l fein, 
311 miffen, ihr habt Oerfucht il)rent BJnnfch unb 
B3iflen nad) 3 ufomtnen, fie 311 ad)teit unb 311 
ehren. Unb bie guten 61tern mollen ja bo^ 
immer ba3 Befte für ihre ffinber, unb fie ftitb 
ja and) an 6 vfaf)rung reicher. B?ie oicle Un- 
glüd3falle mürben nicht oorgefommeit fein, memt 
bie treuen 9tathfd)läge bcr 6 Item befolgt movben 
mären. Biie manchtr Btamt unb manche grau 
befätibeit fich feilte nid)t in folgern 6 lenb, hüt= 
teu fie bei ihrer ehelichen Berbiubung ben lieben 
6 ltern gefolgt. 3öir treffen beut 3 utage manche 
61)eleute an, bie man, ma3 BJoral anbetrifft, 
achten nitb ehren mufj, bie fleijug unb fpavfam 
fiitb unb bie fid) Don BiorgcnS früh t>i3 fpüt 
9(benb3 miihen oorait 311 fommen, benett aber 
leiber alle§ mas fie beginnen mißlingt, unb bie 
nie auf einen grünen fommen merbeit. 
2Bu3 mag mohl bie Urfadje fein ? fo hört man 
bann auch mohl oon ebleit B?eufd)enfreunben 
fragen, baß jene braoen Ceute trop aller Btiihe 
nicht ooranfommeit? 21 d), menn folcheSeute fid) 
blo§ 3 iirüdoerfepeu molltcu in jene 3 e *t im 
elterliihen ^)ati3 unb baran beulen, mie grob fie 
ben betagten Bater unb bie betagte BHitter be* 
banbeit haben, mie geringfehäßenb fie oon beut 
eilten unb ber eilten gefprochen hnben, — 0 fie 
mürben bie Urfache bälb errathen. 63 fann nach 


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Jlotrr unb Puiirr. 


247 


©otteS Mort folgen 2euten nicht toobl ergeben. 
Um biefeS noch beifer 311 beteuerten, roill id) als 
Slluftratiou eine roabre ©efebiebte au» meinem 
Miftoralleben 311 m SÖefien geben. Sie gelben 
nuferer Gablung finb fcf)on feit einigen fahren 
0011 bein ®c^aut>laj^ beS 2ebenS abgetreten, unb 
auf ben ©räbent ift längft ©raS gemachten, je» 
bo<b ihre ®ef<bid(te lebt unb prebigt in bev febretf» 
licbfteu Meife jebem uitgeborfamen ifinbe: Su 
foüft beineu SBater uitb beiite Mutter effren. 

fjolgt mir, geliebte Sefer, im ©eift nach ber 
ftiifte beS MeerbufenS bon DJlerifo, nach bem 
fiiblidjeit Sf)eil oon Sera» unb mir tommen 
nach ber 0 leauber=©tabt. .frier lebte oor mefive= 
reu fahren eine gotteSfiirdjtige alte Mittroe mit 
ifjrern eittsi^en ©obn. ©ie mar ©lieb ber Me» 
tbobiffenfirebe unb berfuebte in aller ©infalt ibr 
©eelenbeil 31 t fcbaffeit. Unbemittelt, alt unb 
febroad), mar fie (\a 113 auf ben SUcrbienft ihres 
einten ertvaebfenen SobneS angeroiefen. 

2 e&terer mar in einer großen Miumrooflen» 
fnbrit befdjäftigt, roo er als fleißiger unb ge» 
fbirfter Arbeiter einen fluten 2 obn erhielt, roel» 
ber ibm unb feiner betaflten Mutter ein anftän» 
bigeS 2luSfonimen fieberte. Milbclm, fo molleu 
tuir ibn n.eunen, mar foroeit amb ein recht or» 
bcntlicber junfler Mann, er mar mie fiijoit be= 
niertt fleißig, gefdjidt unb fparfam, ber anftatt 
mie manche feiner Sfamevaben beit eriibriflteu 
Dollar 311 berjeeben, ibü febön auf bie Sparbanf 
tnifl, um einft etroaS ©igentbum bainit 31 t er» 
merben. 9iur auf bem häuslichen 2 ebeu nufere» 
Miibclui lieflf ein bunfler ©chatten; batte bie 
Mutter auch fo latifle fie bei ihm mobnte feine 
irbifdje ©orflen, fo ücvEürjte boeb baS rohe unb 
grobe Mefen ihres Milbelm ihr baS 2eben, fo 
baß fie oft ba» ßopffiffen mit ihren Sbranen 
nebte. SaS liebe Mort Mutter tonnte Milbelm 
flar nicht mehr, er batt{ bloS noch eine 2llte. 
Siefe SHobbeiten erregten ihren fröbepunft, als 
Milbelm Schritte 311 einer ©be tbat. Sie Mut» 
ter batte aus fluten ©riinbeit eine 2 (bneigung 
gegen bie tperfoit, bie ihr eiijjifler ©obn als ?frau 
in» $auS nehmen mollte, roeSbalb fie ihn bar» 
über 31 U 9?ebe fteüte, jebodj ba fam fie feböu an. 
Milbelm beanfpruibte bas frauSrecbt unb fugte, 
baß ihm fRicmanb 31 t befehlen habe; um» ereilt» 
mal molle, müffe gefebeben. Menu eS ihr nicht 
fo flefiele, falle fie macbeit, baß fie fortfomme. 

2US Milbelm fpäter benannte tperfon als $rau 
beimfiibrte, fling ba§ ©lenb ber armen alten 
5rau erft recht an; je$t febiett fie überall im Mege 
311 fein. 3u bem großen, flcrituntiflen Caan» mär 
fein tpiaft mehr für bie betagte Mutter, benn 
ber bortgersifle ©obn jaflte fie fort. ©0 mar fie 
als Stnbtarme in ihren alten Sachen auf bie 
Milbtbätiflfeit ebler Meufdjenfmmbe augetoie» 
fen. Cft mußte fie fauin, roo fie ben Sßiffen 
Sßrot für ben niicbften Sag benehmen foflte, 


mäbrenb ihr einiger ©obn mit feiner junflett 
fjfrau im Ueberfluß fdjroelgte. 

©inmal, als mabrfcbeinlicb bie 9fotb ben £>öbe= 
! punft erreicht batte, faßte ficb bie alte grau ein 
£>er 3 unb flinfl 311 ihrem ©ohne. 2 e^ferer be» 
j fanb ficb flerabe in einer gereiften, ©timmunfl, 
melcbe ficb nod) burd) bie ©rfcbeinuufl beS uitge» 
beteiten ©elfte» fteiflerte. 21 IS jebod) bie Mutter 
unter Simonen an bie $?inbeSpflid)ten appellirte, 
ba flerietb ber ©obn in Mutb, bie feine ©reugeit 
batte, ©r erpriff feine alte Mutter unb ftieß fie 
oon ber ©allerie. Miibfam erhob fie fid), maubte 
ficb noch einmal an ihren brutalen ©obn, erhob 
bie rechte |?aiib unb fugte: „Milbelm, ©ott mirb 
bicb für biefe ^anblnng ftrafen." Sann febrte 
fie ber alten lieben |)eimatb für immer beit 
iJfiicfen. „$rret euch nicht, ©ott läßt ficb nidit 
fpotteu, maS brr Menfcb feiet, baS mirb er ernten." 

©eit jener 3 ,eü fc^ien ihn fein irbifeber ©liicfs= 
ftern, melcber ihm fonft immer fleleucbtet, oer» 
»affen 311 haben. 2l(leS, roaS er unternahm, miß» 
glücfte, er mochte beginnen, roaS er mollte, auf 
allem ruhte ber Mutierflndj. 2 ?ad) mehreren oer= 
geblidjen 9?erfud)eu, in jener ©tabt mieber 
empor 311 fontmen, entfebfoß er ficb enblicb fort» 
3 ii 3 iebeu. ©efagt, getban! 2 Bir fiubeit ihn meb» 
rere Sabre fpäter nach jener fcbauerlidjen 23e» 
gebeubeit mit feiner Familie mehrere Meilen 
meit oon jenem 0rtbeS©cbrecfenSnuf bem 2anbe. 
©r bat baS 3iel- melcbeS er fid) einft als junger 
2 J?ann fteefte, erreicht unb roobnt auf feiner eige» 
neu (Varin; and) bie fleine ißauniroollenfabrif 
mit bem fjofjen ©djornfteiit ift fein. S p bodj 
Porangeben mill’S and) nid)t red)t, er fühlt, baf; 
ihm etmaS im 2Öege ftel)t, unb biefeS etmaS mar 
nichts anbereS, als roaS ihm bamals feine Mut» 
ter 3 iirief: „Milbelm, ©ott mirb bicb fiir beine 
^anblungSroeife ftrafen!" Unb bie ©träfe, fie 
folgte ihm auf bem 3 fuß. 

©S ift beute ein heißer Sag, biete ffarmer 
halten bor ber ffahrit mit ihrer 3?oumrool(e unb 
märten, bi» au fie bie 9teibe beS 2(b(abenS fommt. 
Milbelm ift beute febr aufgeregt, eS gebt ihm 
nicht» nach Muiifd). ©0 gebt er halb oon einem 
311 m anbern unb macht feinen ©efiiblen 2 uft, 
febimpft, befiehlt, mie eS gerabc tommt. S» fei» 
11 er 2 lufregung bemerlt er eine hinter ihm ar= 
beiteubc .Qreisfäge nicht, fommt ihr 31 t nabe unb 
mirb oon iljr crfajjt. SSemußtloS mirb er in« 
^)auS getragen. 

©inige Minuten fpäter fprengte ein Ufeiter in 
icbneflem ©alopp baoou, um einen 21 r 3 t 311 holen, 
beim bie Säge bat Milbelm ben 2lrm abgefebnit» 
ten unb berfelbe mußte fofort amputirt merben. 
Su frägft, lieber 2 efer, roelber 21 rm ober melcbe 
£>anb mar eS benn ? ©S mar berfelbe 21rm, bie« 
felbe £>onb, bie einft oor Sabren bie alte Mutter 
0011 ber ©allerie fließ. Srret euch nid^t, ©ott 
Uifjt ficb nicht fpotteu! 


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248 


Jledjt muß Rfd)t bleiben. 


Söomit inan fiiitbiget, bainit roirb man ge« 
(traft. — 'iltich in äÖilbeltn’S fjatnilienlebett 
jeljlte eS am (Beften. Heilt Elitär mar errietet, 
roo man WorgettS mtb 9 IbenbS Sebooab mit ber 
gantilie opfert, batjer auch fo Diel 3 onf, 3 ®'P 
unb fo man«() Herjeleib. 'Eie Hitiber motten beut 
(Batet nift)t gehorchen, finb grob, hoben auch fei« 
nen (ßater, fonbent einen 9 llteit. So roie 2 Bit= 
beim flehen feine Wutter gebonbelt, fo roirb er 
Don feinen eigenen Hillbern betjanbett — baS ift 
ber Wutter glucf). $)eStjolb rufen mir, beDor 
mir fcbliefeen, noch einmal jebem Sfinbe 311: Gifte 
SBater unb Wutter! 

- ■ ♦ » 

$cdjt muff öod) $cd)t blfibeit. 


III. pas wieberflcfunbette ^cßatnrnt. 

<£iii <5rfd)id)t*bU& au» brr '»eit bfr bcutfdjcu 
$d)tnad) unb Qrrljcbunfl. 

giir #an6 uub ^erb tiou $au( (fußen. 


9 } i e r t e 3 H o p i f e I. 

JJirfeljlte |ttäuf. 

J nt Haufe beS SBanfier Gerf befanb ficb 93 e= 
fmt), unb jroar ein langer, bogerer Wann, 
beifcit «rauer Schnurrbart beit ehemaligen 
Wilitär Dertiinbete. ®cr (Rittmeifter © e r (i ng 
gehörte, gleich Hatte unb £>irfd)ietb, ju jenen 
Offizieren, meiere au» ber prctißifdjcit Olrutce 
entlaffeu morben maren; nur erfolgte ber (Hb* 
febieb be» (Rittmeifter» au» ©tüiiben, bie bem 
©eriieht nach nichts roeniger als ebreuDoft ge« 
mefen maren. Me Offiziere, melcf>e mit ©erliug 
in Steubal rooljnten, jogen fiel) Don it)m juriirf, 
mtb er führte ein jiemlich cinfameS Seben. (Bon 
3 eit ju 3 «it reifte er nach Wagbeburg, mofelbft 
er meprere ©efanitte ^atte, ju beneu Dor Elftem 
audj ber Gommerjienratb jäljlte, in beffen 
Haufe er bei fotzen ©efudjen regelmäßig abju« 
fteigen pflegte. 

2 )a» ©efprädj, meines bie beiben Wänner 
beute mit eiuanber führten, mar febr bertrau« 
lieber (Hrt, beim Gerf äußerte: 

„Sie merbeit mich eitet febetten, lieber 9 ?itt= 
tneifter, aber ich geftelje Sftjnen offen, baß id) mich 
nun noch nach einem MelSbiplom fehlte. GS 
Hingt, toiffen Sie, um DieteS poetifeber, roenn 
matt fieb nennen fattn: „boit Gerf". Unbmarutn 
auch nicht? ’S (Bermögen ift ja ba." 

„(Natürlich." pflichtete ©erltng bei, „Sic fteben 
ja bereits bo$ genug in ber ©mtft (Napoleons, 
melcber treue Öienfte gern belohnt, — machen 
Sic fidj ben Huifct aufs (Neue Derbittblich." 


„(Mber mie ? dBoburch ?" feufjte ber abelSlnftige 
(Banfier. 

„®urih_ irgenb eine toidjtige Wittljeilting." 

„©eroiß, getoiß!" rief Gerf unb ftürjte auf 
bie tEbüre ju, roelche möbreitb ber (RebcbeS (Ritt* 
mcifterS aufgegangen mar, um eine Otnttc bin« 
burd) ju (affen. „Welch’ hohe Gfjre für mein 
HauS, gnäbigfte ©räfin !" fuhr ber töantier 
unter tiefen unb jablreichen (Berbeugungeit fort. 
Oabei taufebte er mit feiner grau, mcldje beit 
Dornebnten ©aft auf bem (Borfaale empfangen 
unb in ben Salon geleitet hotte, (Blide befrie* 
bigteu StoljeS aus. Souifon tbeilte bem Gottt* 
mcrjienrntb mit, bah fie fich eiitfd)(ojfeit höbe, 
ihren (Befud) bei ber (Baronin Gfchroege bis jittn 
Srriibjabr auSjubehnen, Don 3 fit J» 3 e 't ober 
nach Wagbeburg 511 fontinen, um fich mit ihren 
SanbSleuten, ben Siegern Don 3 etta, itt ber 
frnujöfifchett Wutterfimicbe ju unterhalten. 
„Stau ©räfin merbeit fehen, bafs 3 h r Gittfchluß 
in ben hoben frattjöfifchen ,Q reifen basier ben 
größten (Beifall finbeu rnirb," rief ber eittjiidte 
Gerf. „Weine tJratt," fügte er etmaS Dermirrt 
biujtt, „mürbe eS fich Jur größten Gbre f(heißen, 
bie ^ra 11 ©räfin mit ben Honoratioren biefer 
Stabt näher betaunt ju machen." 

Sotiifon nahm bieS Wierbieteit att, fchtug ba« 
gegen eine Ginlabuttg beS aufbriitgiidjett Satt« 
tierS, bei ihm ipr Quartier aufjnfchlageti, ab, 
ba fie eS liebe, auf bem „neutralen (Boben" eines 
©aftbaufeS ju bleiben. Gerf hotte redjt gehobt; 
bie franjöfifcbeit Familien WagbeburgS maren 
über ihre junge, fchöne fiaiibSmätutin entjüdt 
unb man machte fich in Ginlabuttgeit ben (Rang 
ftreitig. Hmife beS ©encral Widjaub Der* 
tebrte bie ©räfin mit befottberer (Borlicbe, ba 
ber alte H err l ’iel über (RapoIeonS 9 lbfid)ten 
plauberte unb bei biefer ©elcgeubeit gattj tta* 
tiirlidj bebeuteub aus ber Schuie fdjmaßte. 9 luch 
9 taoul b’Hotmaigue lernte bie ©räfin in bem 
Greife WidhaubS teuitett, boch Derbielt er fidh ihr 
gegenüber febr fühl, ba fie eS gemagt hotte, iljnt 
öffentlich ju miberfprechen. Widjoitb gab näm« 
lieh fine große 9 lbenbgefellf<baft, ju melcher ttur 
höhere frattjöfifdje Cffijiere unb (Beamte einge« 
laben morben marett. (Bährettb beS Sifchge« 
fprächeS tarn bie (Rebe muh ouf bie beutfehe 
(BeDölferung WagbeburgS uitb fo tarnen beim 
auch HirfdjTelb ttttb 3 obmtneS att bie (Reihe. 

2 :er Grftere mürbe Don Wichattb ebenfo febr 
gelobt als ber Seßtere Don (Raoul getabelt ttttb 
berbädbtigt. $ie ©räfin nahm fich beS @e= 
fchmähten att, ittbent fie b’Hounaigtte nach ben 
©ritttbeit frag, roelche ihm bie (Berechtigung ju 
biefem lieblofeu Urtheile Derliehen. 

„Sein Saittilientinttte," gab 9 taoul itt h«f s 
tiger 9 (ufmallung jttriid, „genügt einem Glfäf* 
fer, mie mir, um itt iljnt eilten ^vonjofenfeinb 
ju erbliden. S'er JJaifer hot leine erbitterteren 


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itrdjt muß läedji blrtbeit. 


249 


Seiner, als biefe IRatbobS." $iefe Sleußeruitg 
eines laiferlidjen ©ünftlingS übte auf alle s 2 liu 
wefenbeit ihre Sßirtung, unb Woifeg betrachtete 
Don biefein s Mugenblide an Johannes mit miß* 
trauifcßen SBlideit. Souifon gab fich bie größte 
Wüße, ben fcßlitumen Ginbrud raieber gu Der» 
loifcßen, allein baS Don ber ©efeüfdjaft gegen 
ben Stauben gefaßte tBorurtßeil blieb beftebeu. 

3 um ©liid erfuhren fjirfdjfelb unb Johannes 
Don ber ©rafin alles roieber unb trafen ihre 
Waßuahmeu barnacb. Johannes warb Dorlänfig 
nach Stenbal gu Äatte gefdjidt; auf biefe Steife 
tarn er bent mißtrauifcheu Woifeg aus ben klugen 
unb rourbe gugleicß immer tiefer in bie ®läne 
ber grreuube eiugemeiht. 2 )ie Dielen Wuße* 
ftiinben, über welche jeßt SohamteS Derfügte, 
ftimmten it)u gu einem ruhigen fRachbcntcn. Gr 
fühlte, baß er bie Gltern Don Mein unterrichten 
müjfe, ohne babei feinen SnnbeSgenoffen ben 
Gib ber ®erfchwiegeuheit gu brechen. 2 )ie 3 eit 
ber Daterläubifcßen ®egeifteruitg begann in 
$euticßlanb gu bammern unb 3 ohanucS gehörte 
gu jener uutthigen Schaar, weiße gern Slut 
unb Sehen opferte, mit baS geliebte tßaterlanb 
Don bein thranuifeben 3 ocße ber 3 ?roujofen gu 
befreien. 

SBäßrenb Johannes feßnfüdjtig auf bie Mt* 
roort ber Gltern wartete, entroicfelte ftirfdjfelb in 
Wagbeburg eine außerorbeittliche Sßätigfeit. 
5 )ur<ß einen Unteroffizier, 2 ö o l f, hotte er bie 
Selanntfchaft beS 3 MirgermeifterS ber 9 teuftabt 
gemaßt, bejfen &erg treu fiir baS tßaterlanb 
fßlug. $er Ghrenmann, begeiftert Don bent 
$lane £)irfcbfelbs, führte ihm alSbalb aitbere gu« 
Derläffige Wanner gu. 3m Uörner’fchen ßaufe 
tarn mein an beftimmten Menbeii ber Sßocße gu* 
fammen, um fich gegenfeitig Wittfjeiluiigen gu 
machen. ftin unb wieber nahm auch bie ©rafin 
Sübbeitau an biefeit ®erathungen ih?il< unb 
bie Schärfe ihres ©eifteS, foroie ihre feine ®e= 
obachtungSgabe traten bei biefer ©elegenßeit fo 
glängenb gu 2age, baß fich bie Mmefenben gliicf* 
lieh fßäßtett, fie gut treuen SunbcSgenoffiit gu 
haben. Sie war eS auch, welche ben ®iirger= 
meifter Störner überrebete, gut gefilmte SSitrger 
ber ffteuftabt gu werben unb im ffefler feiiieS 
Kaufes eine heimliche Söaffennieberlage aitgu» 
legen. 

®ie 9 lbfßrift ber föitiglißen GabinetSorbre, 
welche Cbirfchfeib Don SRomberg erhalten, wirtte 
über Grwarten unb entflammte bie SDeutfß* 
gefilmten in Wagbeburg, bie ßetten ber Sßtan* 
nei bei ber erften ©elegenheit gn gerbrechen, 
ffurg, 9 llleS ging nach ffiunfß, nur über eine 
Schmierigfeit bermochte Sfreunb #irfßfelb nicht 
ßinmeggutommeu. 

Um feinen ®Iait, Wagbebura Don innen gu 
erobern, in SBirflicßfeit auSfüpren gu fönitcn, 
beburfte er ber Sßlüffel, welche bie Show ber 


fjeftung öffneten. Seinen Mßforfßutigen ge» 
laug eS gu erfahren, baß fie mähreitb beS 2 agcS 
in ben Derfchiebenen 2 horwachtftuben hingen, 
wofelbft man fich ihrer unmöglich bemächtigen 
foniite. Sobalb aber bie Shore MenbS ge* 
fctjloffcu würben, halte ein Solbat bie Sd)liiffel 
ab unb brachte fie gnm ©ouberneur. Ser Crt 
jeboch, wo Wißaub fie aufgnbemahreii pflegte, 
blieb fjirfßfelb, troß aller ®eiEÜhnngen, mibe» 
fannt. Um fo größer mar baßer feiiie ftreube, 
als bie ©räfiti Siibbenau ißnt in feiner 9 tatß* 
lofigfeit gu £)ilfe fam. 

Gs mar einige Sage nach IRombergS Slbreife, 
ba erfeßien ©erirub in beS SieutenantS 3 intmer 
unb tßeilte ißm mit, baß eine Dornehnte Same 
ißn gu fprecheit wünfehe. |>irfchfelb begab fiel) 
mit bem Wäbßcn nach ber Schraber’fchen SSoßn* 
ftiibe, wo ißm bie ©räfin Sübbeitau entgegen 
fam. Sie wußte, baß ber Sieuteuant bor bem 
SBciiihänblcr unb bejfen Soßter feiuerlei ©e= 
heimniß habe, beSßalb rief fie bem Gintietenben 
fofort entgegen: „3ß fenne jeßt ben ®laß, wo 
bie Schlüffe! gur ®efreiung Seutfßlanbs ßän* 
gen!" fiirfßfelb geigte ein freubigcS Grftauiten. 

„GS ift boeß reeßt gut," fußt bie ©räfin lädjclnb 
fort, „baß bie tapferen Wänner nießt gang allein 
auf fich aitgewiefen fittb, foitbern treue ©eitoffin» 
uen an uüs grauen haben. SSeiblidje Scßlan« 
ßeit geßt oft über männliche Stärfe." 

„Cb, bitte, ginibigfte ©räfin, wie famen Sie 
gu biefer Mßrißt ?" unterbrach fie ber ungebul» 
bige ^irfcßfelb. 

„ 3 cß befaitb mieß geftem ?lbenb in fDlühaubS 
^laitfe auf SScfucß. Scr ©oiiberneur, ber fonft 
ein feßr häusliches Sehen führt, war oiiSnahmS» 
weife fort unb ich befnnb mich baßer mit feinet 
©etnofjlin allein. SaS ©efpräcß gab mir ©e* 
legenbeit, mich über bie prächtige SSoßnung 
WidjaubS gu äußern, unb ba ich biefelbe nur 
gum Sheil fannte, mar fie fo gefällig, mich ln 
ben SRüumlichfeitcn herumgufiihreii. So ge* 
langten wir auch in beS ©ouDerneitrS 3 iwmer. 
Sie föuneit fieß benfen, baß icß bafelbft eine ge* 
naue Dttitibfcßau hielt, unb richtig entbeefte mein 
üluge einen großen ®unb mit Schlüffeln, ber an 
ber SSaiib, unweit Don beS Hausherrn Schreib* 
tifeße hing. Stuf meine fchergßofte Singe, ob ber 
©oiweriietir fo Diele Derfcßließbnre .ftellerräume 
befiße. tßeilte mir Wabame SJfidßatib mit, baß 
eS bie Schlüffe! gu ben SffiungStßoren feien. — 
Sinb Sie jeßt gufrieben, f>err Sieutcnant?" 

„3cß bin 3hnen gu großem ®anf Derpflidhtet," 
fagte ^»irf^felb fich Derbengenb. „dennoch würbe 
meine $nnfbarfeit noch bebeutenb gimehmen, 
wenn 3 ßr Schorfünn mir nun auch bie Wittel 
unb üöege angeben wollte, um bie Scßlüffel in 
meine ©emalt gn befommen." 

„3cß mar auf biefen SBunfdj gefaßt unb habe 
baßer feßou im SßorauS meinen ilopf augeftreugt. 


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250 


ftrd|t mufj Redjt bleiben. 


Sic follett bnS 9 tefu(tüt fofort erfahren, jm>or | 
crfmije id) Sic über, mir mitjutfjeilen, wie lange 
Sic bie üerhänguißoollen Scplüffel 311 behalten 
gebenleit ?" ! 

„ 9 tur auf fo lange, als nötpig ift, um ooit ben 
Sd)(üifeln bie SBacpSabbrüdc 311 neunten." 

„SPortrefflicp," nidte bie Gräfin beifällig, „nur 
möchte ich nicht ratheit, einen bev £)iefigeit 
Sdjloffer ins (%heimuiß 311 jicljeu." 

Wit einem "egeSgemijfeit Säcpeln entgegnete; 
ßirfdjfelb: „'Ser Warnt, ber für bicfeS Weifter* 
ftiid üuSerfeijett ift, lebt 311 Stenbat, er ift ber 
$au 3 wirth meines greunbeS Platte 1111b ein oor* 
trefflicher Patriot." „Gut beim," nahm bie 
©riifin ihre Diittheitungen mieber auf, „hören 
Sie weiter. 21 m heutigen Worten pat eS i» 
WicpattbS £>aufe eine heftige Sceiie gegeben, in* 
bem ber ©ouüerneur hinter Perfchirbeue tPer* 
untreuungen gefontmeit ift, welche fich bas 
Stubenmabchen 311 Schulben tommen lief}. Sie 
warb fofort aus bem Sieitft gejogt unb au uns, 

S c er Lieutenant, ift eS jeßt, für eine neue 9 Jtagb 
orge 311 tränen." 

£>irfcpfelb wußte biefe SBemerfuttg nicht 311 
beuten, er 3iicfte bie Wipfeln unb fah bie Gräfin 
frageub au, welche in ihrem luftigen Uebcrmuthe 
forifupr: „ 2 Bir miiffeit ein Wübcheti nuSluttb» 
fepaften, baS fich hetbeiläßt, 3b»ett bie 3?eftutigS* 
fiplüifel auf turje 3 ei 1 311 oerfchnffen. Sie ©011= 
Oerneurin bebarf eines neuen totubeumäbcheiiS 
unb wirb eine'Berfon um fo lieber nehmen, wenn 
biefelbe mm mir empfohlen wirb." 

„3jdj werbe ben Soften übernehmen, meine 
guäbtge ©riifin," rief eine begeiftertc Stimme 
unb, 311m ©rftnuneit ittller, trat bie bis jeßt fo 
fcpweigfame ©ertrub flamnteubcn WntlißeS auS 
bem £>intergrunbe ber Stube peroor. „ 3 n ntei* 
neu Wbern rollt baS 33 (ut meines '-BaterS unb in 
meiner ©ruft fc^Iügt baffelbc treue fters, welches 
bor Nichts 3iiriicfbebt, wenn baburd) baS SBopt 
beS HaterlaubeS geförbert wirb. . . . oh werbe 
bem föerrtt Sieutenant 3U ben Sdjliiffetn per» 
helfen." 

Sie Witwefettben faheit baS noch nicht fünf* 
3ehnjiibric}e Weibchen hacherftannt an nnb&irfcp* 
felb warf bie f\rage auf: 

„SBie wolitcft bu biefeS Söagftiief beftefjeu ?" 
„Wuf bie einfachfte 31 rt unb JBeife," lautete 
bie entfehtoffeue Wntwort, „inbem bie 5rau 
©riifin mich ber Wabaine Wichanb als Wagb 
empfiehlt." „©ertrub, bu mollteft bieS wagen ?" 
rief fjirfchfclb. „Sod) nein, bieS geht nicht, ich 
barf pich einer folgen ©efahr nidjt auSfcßeit — 
3iibem bift bu noch 8u jung." „3cp bin fein fiittb 
mehr," entgegnete baS muthige Wübdjcu mit 
großer ©ntfcbiebeitfjeit, „ich bin bie Sachter mei* 
neS ilaterS, nach beffen Sinn ich hanble. Sie 
2 eibenS 8 eit beS beutfepen 33 olfeS muß cnblich ihr 
©übe erreichen." 


| fjirfchfetb fchwanfte noch immer, fein beob* 
ad)tenber iölief haftete auf ©ertrub, welche feit 
ber Srennung 00111 Unter fehr ftill geworben 

I war, jeßt aber waren bie Sepnfucht unb baS 
Heimweh, bie fich bisher auf bem bleichen Wäb* 
cpenantliße ausgeprägt hatten, fpurloS Der* 
fchtounben unb bochaufgerieptet ftanb WombcrgS 
Soipter ba, leucptenben WugeS, eine jugeublidje 
£>elbiu. 

; Siefer WttSbrud ebelften WutpeS gab bei 
Cmfchfelb ben WuSfdjlag, unb eine Stunbe fpä* 
ter befanb fich bie ©riifin mit ©ertrub in bent 
©mpfangS3immer ber Wabame Wicpaitb. Sie 
warme Empfehlung ber ©rfteren genügte, 9tom= 
bergS Sod; ter ben Sienft 311 oerfepnffen, and) 
lebte fich biefelbe mit großem ©efepid in ihre 
neue Stellung ein. 

©ine Gelegenheit, ihr 33 orhaben auSguführen, 
fanb fich halb. Ser ©oiwerneur hatte nämlich 
mit feiner ©cinahlin eine Einlabung Don Woife} 
erhalten, ©ertrub theilte bieS fofort £mfcpfelb 
mit, ber gleichfalls 311 ben ©ciften gehörte, unb 
man fauu fiep bie ©cfi'iple ber bangen ©rwar» 
tnng beuten, mit benen fich .£>irfd)felb in bie 
glänsenbe ©efellfchnft begab, unb mit benen 
©ertrub baS Wubrcchen beS entfcheibuugSooüeu 
ülbenbS erwartete. 

Sic Sdfliifjel 311 ben Sporen waren non ber 
^Patrouille bereits abgeliefert worben unb hingen 
in beS ©cuüerneurS 3 'wmer an bem ©ertrub 
wohlbcfanuten tpiaße. 9 ?och burfte fich aber baS 
junge Weibchen bem Staunte uidjt nähern, ba ber 
Sicner barin mit Aufräumen befepaftigt war. 
Sie lanfd)te hoher am ©nbe eines Seitenganges, 
bis 3 rrnn$oiS baS 3 <Witter oerließ. 2 Bie lapintc 
jeboch ein jäher Schied ihre ©lieber, als fic 
hörte, baß er bie Spüre beS ©etnadjeS hinter fiep 
abfchlofj. 91 II’ ipr hoffen war pernichtet, wenn 
er beit Scplüffel mit fiep genommen. 

Sangfam fepritt ftraii9oi3 ben ©ang entlang, 
bie Sreppe hinab nach feinem 3 <mmcr. ©ertrub 
oerweilte in ihrem iPerfted, bis fie in ber £mnS* 
flur baS 3 ufchlageit ber Spüre oernommen patte; 
erft bann eilte fie tlopfenben |>er3enS nach bem 
©ingattge 311 beS ©otiberneurS 3 iinmer. „®ott 
fei Sauf," fliifterte fie aufathmenb, „ber Scplüffel 
ftedt. Sic Gelegenheit ift jept giiitftig, bev iPa* 
ter im ^immchlaffe eS mir gelingen." 

Wit oorfieptiger ,£)anb brepte fie ben Scptüffet 
im Schlöffe herum unb öffnete bann fo leife als 
möglich bie Spür, ginftcruif; hüllte baS 3 itu* 
nter ein tutb ©ertrub mußte fiep oorwärtS taften, 
was um fo gefährlicher war, als fiep bie Stube 
beS SienerS unter bem UtrbeitSpmnier beS ©01t* 
oertteurS befanb unb ber geringfte Sarin, baS 
9 ?ieberfallen eines ©egenftanbeS, baS fuepenbe 
Wäbcpett oerratpen mußte. 

9 iach eiittgen bangen Winuteit patte ©ertrub 
bie üöanb erreicht, an welcher bie Scplüffel 


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8rd)t mu| jRfdjt blribru. 


251 


hingen. Abermals bcflamt fie tiorficßtig 511 taften, 
bis fie enblich bie Schliiffel, welche ber ^reifjeit 
eine ©alle öfttten füllten, in ifjrert gitternben 
{tänben Unter Seobachtnng berfefbeit 3 Sov= 
fid)t trat fie ben SRiidmeg an, bie Thiire wie» 
btrum hinter fict) leifc fchließeub. 91 11 nmehr 
fdjlüpfte ©ertrub nach ihrer Kammer, um bort 
bie tlirrenben Sdjlüffel mit einem Städte gu um» 
binben, bamit fie beim Straften fein ©erätifd) 
üerurfndhten. Tiefelben unter ihren 'Mantel 
berftenb, fdjlidj fie unb gmängte fich üor» 
fidjtig burd) bie- {tauStljüre. Sowie ©ertrnb 
aber bie Straße ftcmnnn, eilte fie geflügelten 
Schrittes nach SdjrnberS {taufe. 

„{taft bu bie Schlüffel?" rief ber Söeinböub» 
ler ihr entftenen, mtb bie atfjemlofe ©ertrub 
niefte mit bem $oftfe. 

fein fchnelter.Sote brachte alsbalb ben Sieute= 
nant {tirfchfelb'herbei, befieu gfreube unb 3ube( 
man fich benfen tarnt. „Tu bift bie echte Todj* 
# ter beitteS SaterS!" rief er freubift erreftt, aus 
©erlrubs {taub bie bebeutunftSüoileu Sdtlüfiel 
entpfangenb. „©ebulbe bich nur gehn Minuten, 
mein limthigeS Mäbchen, ich nehme fchnell auf 
meinem 3 i mmer ^' c AkchSabbrtide. ÜBir ha* 
ben beibe Gile; bu, um rechtjeitift mit ben 
©dtliiffeln iin {taufe beS ©omierueurS anguluit» 
ften, unb ich, um nicht allgulange 0011 Moifeg’S 
SJohuung feritgtibleiben, ba mein plößlicheä 
Serfchwinben fonft Serbacht errefteit tonnte." 

Gr eilte nach feinem 3 immer, brachte fie aber 
halb mieber guriid. „Gile nach {taufe, Mäb» 
chen, unb hänge fie an ihre alte Stelle," rief er 
froh, „üon biefent Abenb an fanu fie ber ®ou= 
berneur meittetroefteu unter bctS Jtopffiffen leften; 
bie 3?orm befinbet fich in meinem Sefiß unb 
balb ioüen neue Schliiffel ba fein, bie biefen 
mie ein Gi bem attberit gleichen. Sehre f?eiin, 
©ertrub, unb fage heute ber alten ©reellen,} 
befoitberS frettnblich gute Aacht, beim burcf) ihre 
Abroefetißeit hat fie uns unb bem beutfeheu 
Saterlanbe einen roichtiflen Tienft ermiefeit." 
{tirfchfelb beftab fich in ntiSgelaffener Suftigfeit 
in bie ©efeftfdjnft guriid, wo er ber ©räfin 
gugleidj bie ftlücfliehe Aeuigfeit gufliifterte; ©er* 
trüb baflegen eilte flopfenbeu {tergeuS bem {taufe 
beS ©ottüerneiirS gu. Mit berfelben Sorficßt, 
mit ber fie fich ber Schliiffel bemächtiftt, h'Uft fie 
biefelben mieber an ihren alten Ort. 

Salb barauf überbrad)te Johannes bie neuen 
Schliiffel unb würbe üon bem unftebulbift har» 
renben {tirfchfelb mit lautem 3ubel empfangen, 
welch lc§terer noch gitnahm, als ihm SobanneS 
mittheilte, baß bie fjretttibe in Stenbal mit üol» 
lern Sertrauen ber midiften 3 utunft entgegen* 
fäheit, unb baf; Satte ben Tag taum erwarten 
tönne. wo er mit feilten in ber Stille gefanttnel» 
ten Truppen üon bem linten ©1 huf er aus fich 
ber geftung bemädjtigen bürfe. GS blieb jeßt 


{tirfchfelb nur noch iibrift, bie Schliiffel gu beit 
thören 311 probiren; paßten unb fehloffen fie, 
fo founte bie Uelterrumpelnnft üor fich flehen. 
3 nbeffeit war bieS ein gewagtes Unternehmen, 
waS er nur unter Seiijilfe beS Unteroffiziers 
2 Bolf ausfiihren tonnte. Terfelbe hatte miitt* 
lieh einen Solbaten in feiner Gontpagnie ge» 
Wonnen, unb man wartete, bis biefeu bie Seihe 
beS 2 Bad)tbienfteS traf unb er um Mitternacht 
beit Soften bei bem für {tirfchfelb fo ungemein 
wichtigen Tljore begog, welches ben Satte’fcheu 
Mannfchaften 31t ihrem Giuguge in bie Heftung 
nerhelfen füllte. 

TaS SBetter geigte fich {tirfdjfelbS Sorhaben 
fliinftifl, beim es ftiirmte unb regnete berart, baß 
bie 2Bochtpoften ihre nädjtlicheu Streiigüge burd) 
bie Stabt in biefer Sacht fo gut mie einftellten 
unb Cffigiere unb Solbaten in ben burehmörnt* 
ten Siachtftuben blieben, {tirfdifelb erreichte 
baber ohne Sdjwierigteit baS Tijor, toofclbft 
ihn SBolf erwartete. Tie Schliiffel warben an 
üier üerfdtiebenen 2hören probirt unb erwiefen 
fid» als pnffeitb. frohen {tergenS tehrie {tirfch» 
felb gu Sdjraber unb Johannes guriid, wcldje itt 
banger Grmartuug anfgeblieben waren. Ter 
fiieutenant feßte jeßt feinen 3meifel mehr in 
baS ©elingett feines UnternehmeuS; nur beim» 
ruhigte ihn baS überlange Ausbleiben S0111* 
bergS. Stibeffen bie {inuptfacbe war erreicht: 
bie Schliiffel gur Freiheit TeutfchlanbS befanben 
fich i't feinem utib Satte’S Sefiß ... 

©S_ war ant nädjften Tage, als {tirfchfelb 
eine freubige Ueberrafchung gu ttjeil warb. 

I Aontberg langte nämlich wohlbehalten aus Ser» 
Iin wieber an, weiinfchon feljr erfchöpft, ba bie 
| frangöfifdte Soligei ihm üiel gu fehaffen gemacht. 
Sur einmal üertlärte fich fein Angeficht, als er 
aus bem Muttbe ber ffreuube bie muthige Tljat 
feiner ©ertrub pernahm. 

„ 3 a, ja," rief er frettbig bewegt aus, „baS 
ift mein Sittb, beut ift bie Siete gum Saterlaube 
angeboren. Tod) glauben Sie mir, {terr 2 icu» 
tenant, biefeS Mäbdjett fteht mit ihrem Mutlje 
1111b ihrer Segeifterung nicht allein ba; Tau* 
feitbe leben in unferm Solle, bie üou ber gleidjett 
Siebe gum Saterlaube befeelt fiub!" 9 lad) bie» 
feu SJorten iiberreidjte er {tirfchfelb unb 3 o= 
haitneS gwei Sriefe, Sie tauten üon Schill, 
welcher in feiner Uugebulb ben Tag beS SoSfdjltt» 
gen» taum gu erwarten üermod)te, unb üon bem 
alten Toctor Dlatbob, ber in feinem Sohne bie 
Gittwifltfluitg gum Utantpfe fürs Saterlanb, fo» 
mie feilten unb ber Mutter Segen fanbte. AIS 
Johannes mtb {tirfchfelb ihre Sriefe bcenbigt 
hatten, gog Aoitiberg eitt fleitteS Sndchen aus 
bem Uuterfutter feines DtodtragenS herüor. 

„GS ift eine Sroflamatioit, welche üon ber 
preußifchen Regierung anSgeht" fügte er ertlä» 

I reub hiugu „unb guiuid)ft für Sie, {terr {tirfdj* 


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252 


ftfdjt muh flrdjt bleiben. 


felb imb bfn J)errit £)auptrmntn üon Platte 
beftiinmt ift unb im Bugen blief beS RufftanbeS 
unter baS Bolf oertheilt werben foll." 

Jtirfhfclb erhielt ein tianv ©rcmplare ber 
Brotlamatiou, wiihrenb IRomberg bie übrigen 
im guttcr feines IRocftrageuS wieber Derbarg. 

„©ebenft 3hr jeßt hier in Btagbeburg ju wer» 
weilen?" fragte J)irfhfelb. 

„borgen will id) weiter," ermiberte SRoinberg. 
„Unb ©ertrub, folt fie ©lief) begleiten?" 

„'Rein," üerfeßte jener traurig, „fie mürbe mir 
nur binberlicb .fein, ba bie Bol^ei mir noch auf 
ber gerfe ift." Seufjcnb ftiißte er ben Äopf in 
bie £>nitb. 

„RJollt 3 br Sucre ©ertrub nicht fehen?" 
fragte gohamteS bewegt. 

„Ob, gewiß, — boep will ich midj bis peute 
Rbenb gebulbeu. 9 licpt w.tbr, Sie werben eS 
baS gute $inb wiffeu lagen, bantit eS pierpec 
foumt unb uodp einmal mit feinem 95 ater plau» 
bert, ebe —" 

tRomberg ootleubete ben Saß nidpt. @r er» 
hob fiep baftig unb ftürjte, 3esem bie #anb 
fcp.ittelnö, rafcp oou bannen. 

£>irfhfelb unb 3 ö hmweS rannten ibm nah 
uns waren bereits ein paar Stauben in ben 
Straßen perumgeftridjen, als fiep ihnen plöpliep 
bie ©tafiit Sübbeitau gugefellte, beren erfaßtes 
Rutliß mtb oerftörte ©efidjtSjüge nichts ©uteS 
weiffagten. 

,,'JöaS ift gefhh-m?" tiefen Johannes unb 
Öirfcpfelb wie aus einem 'JÄ.utbe. Snbejfcn 
blieb bie Rntmort ber ©rüfiu aus. 3 lpre Blicfe 
beuteten a:t, baß fie in ber unmittelbaren Reihe 
fo oieler Btmfcfan nicht tu fprecheit wage. So 
eilte mau beim nah Bater SpraberS $aufe 
guritef mtb bort brah bie ©cüftu in bie fingen» 
ben SQBorte auS: „3 h fürchte, meine greuitbe, 
baß alle ititfere 'jßi.ine gefepeitert fiub!" 

3 obaitueS erbleichte, Jlirfhfelb aber fragte 
bebenb: „ 3 ft IRoinberg etwas gefipepcit?" 

Oie ©cäfiit bejahte unb fuhr fort: „ 3 fcp fiat» 
tete am blutigen Nachmittag ber ©emafain oon 
fötaifeg einen B.'fuh ab. tpiößlich uernafaneit 
wir bie jornige Stimme beS in feinem RrbcitS« 
fabinet befiuMicpen ®euera(=6ommiffiirS, er» 
fdjtocfen eilte bie beforgte ©attiu 311 ihm unb ich 
folgte ihr mtwillfürlih auf bem giiße. Oer 
©eneral» ©ommiffur befanb fich in pöcpfter 
2Butb; unb wir erfuhren nunmehr, baß er 
hinter politifepe Rnfhliige gefommeit fei, weihe, 
feiner ^Cnficpt nach, bon Berlin auSgingen. @r 
fpraep bon einer Brotlamatiou unb beutete ba» 
bei auf bie in feiner #anb befinbücbeit Rapiere. 

„©rofeer ©ott! rief $irfhfelb, „fo pat fiel) 
unfere bange 9 Ibitung erfüllt unb ber arme 
IRoinberg befinbet ftep in ber ©etonlt ber Bolijei. 
„ 3 a, leibet gelang eS ihr bor einer Staube, ben 
ungtüctlihen IRomberg ju berhafteu. Oer treue 


BunbeSgenoffe bat nichts eingeftaitben, inbeffen 
ift er biircp bie bei ihm borgcfunbeneit Briefe 
unb Rapiere genugfam überführt." 

^Oen Ri orten ber ©riifin folgte eine tiefe 
StiUe. 

Johannes war ber ©rftc, welcher bie Spraye 
wieber erhielt, „3h fühle, baß jeßt rofh ge» 
hanbelt werben muh," begann er in befcfa'ibe» 
nein, aber beftimmten Stcne, „tenn nur auf 
biefe Rkife ift bon uns Sillen bie ©efaljr, in 
Weiher mir fhwebeu, ab,gumenben, IRoinberg 
nicht ausgenommen, ber fih gleichfalls bon fei» 
neu gefjelu befreit fepen wirb, fobalb bie Ueber» 
rumpelung ber geftimg gelingt." 

£>irfhfelb pflicptctc biefer Rnficfa bei unb bie 
greunbe famen ülcrein, einen ©ilboten au 
Satte abjufeuben unb am Rbcnb fih im Stör* 
ucr’fhen £>aufe 311 weiteren Berathungen 31t 
berfammetii. 

Ocin fonnenheflen gviifaingStage war ein 
milber Slbenb gefolgt unb an bem mit Sternen 
befäcten $immcl glätte bie Sichel beeSLRoubeS. 
RuS einem geöffneten geufier beS ©erf’fhen 
Kaufes fah ein langer, pnflcrcv SWamt heraus, 
mtb obwohl er ben Blicf auf baS flimmernbe 
Firmament richtete, fcpienen feine ©(bauten 
boh fehr auf ber ©ibe 311 berweilen, beim er 
liihelte pöpnifcp, mährenb er fih behaglih ben 
Schnurrbart ftrih- Oer grentbe lag heute 
niht 311m elften Real am offenen gcnfUr, baS 
für ihn eine Rrt ftillcr Bcoboditiirgcprftcn 3U 
fein fhien. 3u icrfcfaibcncn Blalcu hatte er 
^»irfcpfelb afleiu rber in Begleitung brn 3flhan» 
neS 3ur fpäteit Rbeiibfiunbe ooriilergeljcn fepett, 
unb als bie beiben greuube heute Wieber erfhie* 
uen, berlicfs ber grembe baS fünfter unb tauchte 
in bie bafanter l;errfhcnbe gir.fternife gurßef. 

Oh»e Behelligung erreichten ^»irfcpfelb unb 
Johannes bie Rcuflabt unb baS Äörner’fhe 
.JuauS, wo bie Berbünbeten ihrer bereits harr» 
ten. Sie hatten feine Rfaning babon, baß 
ihnen eine unheimliche ©cftalt nahgefhlihen 
war unb jeßt, gleih ipiien, in ber ijiauSthürc 
uerfhwanb. . . 

Oer nähfte Oag begann für bie givunbe fehr 
trübe, beim fie empfingen bon ber ©riifin 2iib» 
benau ein Biflet; fie nahm barin bon ihren 
Berbünbeten Rbfhieb, riettj ihnen, Btagbeburg 
gleihfaflS 311 berlaffen, unb melbete gulcßt, baß 
Ütomberg in ber berwihenen 9 taht unter ftarfer 
Bebectuhg nah Baris abgeführt worben fei. 
Oamit war baS SEobeSurtpeil über ben treuen 
BunbeSgenoffen gefprohen unb Weber Johannes 
110h Jtirfhfelb fhäntten fih ber SEpriiuen, bie 
reichlid) über ihre 2Öangen floffen. 3hr -Wutp 
fhieu gebrocpcit 311 fein, als plößlih ber an 
Äatte abgefaubte ©ilbote mit einer Röhricht 
guriieftehrte, bie geeignet war, ben in ber Bruft 
erlöfcpenben ^offnungSfunten wieber ansufahen. 


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Ilcdjt muß llrrijt bleiben. 


253 


benn ben Btittfjeiliingen beS Boten 3iifo(ge war 
ffatte unter beni 3itbe( bev Benölferitng früh 
um fDlotgeit in etenbal eingesogen unb ließ 
©irfchfelb melben, baß er flehen Btitternacht oor 
Btagbohurg anlangen werbe. 

#irfcbberg traf nunmehr bie testen Borberei* 
langen. BJolf mußte es übernehmen, bie für 
bie Ueberrmnpelung gewonnenen Solbateit 311 
beuachrnhtigeit, fiel) gegen ^Diitternacfjt bereit 311 
halten. 

Johannes eilte nach ber fJieuftabt, um bem 
Bitrgernieifter Konter baS fteraimaben <{?atte’S 
311 melben, unb um eine fcßleunigc Berbreitung 
biefer fRacßricßt unter alle Bürger unb Arbeiter 
311 bitten, welche treu 311 bem Unternehmen 
ftanbeu. 

SoßattneS war mit SBolf foeben wieber in baS 
Scßrabcr’icße fjauS 3iirticfgefel)rt, als fief) bie 
Sßitre non Steuern öffnete unb ©ertrub atßemloS 
unb bteieß ciuf ber Schwelle erfcßieit. 

„Dläbcßen — Was giebt es?" fragte .f)irfcßfelb 
erfhrocten. beim er befürchtete, baß ißin Jemanb 
in ber fOielbung noit bem traurigen Scßicffale 
ißres BatcrS jiiborgetoinmeu fein möihte. S)ocß 
wie nahm feine Be’ftürjung 311, als ©ertrub jeßt 
herborftieß: „fliehen Sie Me! ... 2)aS gaii3e 
Unternehmen ift nerratheu!" 

©in fürchterlicher Schrecfeu bemächtigte fich 
ber anwefenben Bläniter. frirfißfelös Mtliß 
War non einer gcifterßaftcn Blaffe bebeeft. „O, 
mein ©ott," fcßluchste jeßt bie arme üßaife auf, 
„es ift nur 311 halb ei^ihlt. ©in Offner, unb 
3War ein preußifeßer Cffinev, hat bem ©ouoer* 
neue alle 3ßre geheimen Blanc ocrratßen." 

„Unb ber htame biefeS Schürfen ?" rief £)irfih= 
felb. 

„Sfittmeifter ffierling erßhien in Begleitung 
eines jiibifif>en BanfierS, webher niel non feinem 
weiiheu öerjen rebete, gaitjj befonberS ober be= 
tonte, baß bie Mflage non ihm auSgehe unb ber 
Stittnieifter ©erting nur als 3 ei| ü e erfeßeine. 
$er 3»fafl fügte e§ - baß ich im Sieben,gmmer 
non beS ©ounerneurS 9(rbeitSfabinet befdßäftigt 
war, als baS Baar fich «nmelben ließ. $)er 
Banfier erzählte, baß if)n ©efchiifte nach Sten* 
bat geführt hätten, baS non ,Quitte genommen 
worben fei, ber mit mehreren huubert Btann 
auf Bingbeburg loSmarfcßire, um bie ffeftung 
biefc fHacßt 311 überrumpeln. Unteroffizier 3Öolf 
unbein berliner ©elehrteufohu hätten mit |>irfch= 
felb hier in ber Stobt bereits feit 2öod)en für |» 
baS Unternehmen gewillt, puffenbe Scbliiifef 
npfertigen Iaffen, einen 2heil ber Biirgerfchaft, 
fowie eine 9lii3afjl non ehemaligen Solbaien ge* 
Wonnen, um mit bereu £>ilfe im entfißeibenben 
Slugcublicfe bie Shorwaiheit 311 iiberfaflen itnb 
fieß ber ©eichiiße 311 bemächtigen." 

„C ©ott im £>immel," flehte £>iri<hfelb, „laß 
eSbocß nicht 311, baß fo nichtswiirbige Berriitßer 


über unS trinmphireu." SaS Bfäbcheit aber 
fuljr fort: „MfangS wollte ber ©oiiPcnieur bem 
Banfier nicht glauben, bis ©erling ertlärte, 
geftern Menb eine Berathung im Äörnev’fchen 
•Öaufe belaufest 311 haben. 3 n berfelben fei ber 
Blau 3ur ©innaßme BtagbeburgS ausführlich 
befproben worben, unb er hafte für bie Bfafjr* 
heit mit feinem Äopfe. — daraufhin warb fo* 
fort Btoife3 herbeigeholt unb mit ihm baS BJei* 
tere berathen. Sie Bhitß beS Seßtern war ohne 
©reifen unb er feßwur hoch unb theuer, nicht 
eher ruhen 3U wollen, als bis er fpirfcßfelb unb 
Johannes in feine ©ewalt gebracht. Säinmt* 
liihe Shore fiub bereits gefchloffeu, bie Brachen 
namhaft berftärft unb bie ©efdjiiße feßarf ge* 
laben. 3aßlrei(ße Stoppen haben bie etiibt 
Perlaffen, um ,{Bitte, wenn er fiiß ber ffefhtitg 
näßert, in ben Bilden 311 fallen." 

„fWuii ift 91 lies aus," fagte £)irfd)felb in eifig 
faltcm Sone. „fitem, nein, nein!" rief ©ertrub 
mit glüßenbeu ÜEßangen, „fo bvnoe, helben* 
m&tßige Blamier bürfen unb fallen Hießt fterben. 
Um 3fßnen ben 2Beg 31a - gflucßt 3113eigen, bin 
icß »och im ftanfe beS ©ojwemeurS Perblieben, 
als fieß biefer mit bem ßommiffür mtb ben bei* 
ben Berräthern bereits entfernt gehabt. 3cß 
fennc ben Crt, wo bie Pielfnaenben Scßlüffef 
hangen,-— hier haben Sie ben Scßliiffel 311 einer 
fleinen MSfallpforte neben bem Sfwr!" 

Bewunbernb blieften bie ^remibe auf baS 
junge Bläbchen, welches ungeachtet ber großen 
©efaßr ben Jftopf nießt Perloren unb an bie 9?et* 
hing ber BuiibeSgeiiojjeii gebaeßt hatte. ©S war 
ein trauriger Mfcßieb, ber jeßt folgte, .ftirfch* 
felb erfeßieu gäi^licß gebrochen; fein £eben galt 
ißm nicßtS meßr, 11m fo fernerer bagegen loftete 
ber ©ebanfe auf feiner Bruft, baß ffatte mög* 
ließet SBeife mit fo Pielen ßunbert Biiinnern bem 
Untergänge unb Sobe tu bie 9lrmc eilen fönne. 
Bater Scßraber erbot fieß baßer, für einen Boten 
folgen 311 woflen, ber pou ber Beuflabt au§ au 
,<?atte abgeßen foflte, um biefen 311 warnen unb 
Pou bem Borgefallenen 311 berßänbigen, was 
auch gefeßaß. Tics richtete ben armen -fSivfcßfetb 
wieber einigermaßen auf 1111b er begab fieß mit 
3oßanneS, 5Bolf unb ©ertrub unter ben beißen 
SegcnSwiiufdheu unb briinßigen ©ebetrn feiner 
treuen ffreimbe auf bie ^Incßi. Unb fie gelang, 
311111 großen 9(erger Bloifec’S, ber wäßreub ber 
näcßftcn Sage gewaltig wiitßete unb tobte. 


fünftes Kt a p i t e I. 
JSeutfißlanb macht auf. 

3n bev fonft fo aemütßlichen Söohtmiig beS 
Softor 9tatbob in Berlin fab es feßt folt mtb 
öbe aus, beim bie feßwere 9fotb ber 3eit haftet 


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254 


JUdjt muß Jäedjt bleibrn. 


an alleh ©egenftäitben bet befdjeibenen HauS* 
iMltmuv Tie ftamilie batte unter beut fratigö* 
jiidjcn Trude noch mehr gu (eiben, als ihre 
9 tad)barn; beim baS glüdlidje ©utloinmen uon 
3 obaimeS, beffen 93 etf)eiligung an bent föfagbe* 
bürget Unternehmen nicht uubefannt geblieben 
war, reigte bie 'löutb bet frangöfifcheu 53 ef)örben. 
Sie mürbe oielleicht halb oerraucht gerocfeit fein, 
hätte ber frangöfifche Colonel Ütaoul b’Hau* 
naigue, ber nach SÖerliit oerfc^t morbeu mar, fie 
nicfjt gefchiirt, um fich an jenen fJtatbobS gu rächen, 
bie uöit feinem ganjcn ©efchlecßte fogufogeu fd)on 
feit Sfahehnnberten gehabt mürben. Ter alte 
Toftor mürbe perlt gefänglich eingegogeit, ob* 
fcßoit feine 9ticf)ter fefjr gut mußten, bcifj er für 
bie HanbluitgSweife feines SoßneS nicht oerant* 
mortlich gemacht merbeu tönne. tilllein man sog 
bie 93 erbiinblungeit in bie Sänge uub raubte i()m 
babürcßbie (Dtöglid)feit ber Crifieng, beim bunt) 
bie fortgefeßte Haft ging ihm eine bei ber neu* 
gegrünbcteu Uniberfität in 9 luS[id)t geftellte ißro* 
feffnr berloren unb burch ben 93 erluft feines 
fefteu ©infommenS faf) er fich mit ^rau unb 
Tochter tu ein Heer bon ©orgen geftiirgt, beim 
©elb uub Scrbienft waren im Sanbe rar ge* 
toorben. Ta bie Einnahmequellen beS Toftor 
Utatbob infolge ber langen Haft fo giemlidj ber* 
fiegt waren, fo hatte bicS bie traurige fjolge für 
bie tJantilie, bafj man ihr ein Stiid ©igentljuin 
nach bem anbern fortfrf)leppte, unb wer meifs, 
meid)’ trauriges ditbe eS mit ihr genommen 
haben würbe, hätten nicht opferwillige ^rennbe 
ihr redjtgcitig beigeftanben. 

3 u ber Sorge um bie ©rifteiig gefeilte fich ber 
Stummer um baS «dgdful uon Johannes, ber, 
aus ber ^eimath berbannt, in eine ganj anberc 
SebenSftellung biueinqebrängt morbeu mar, beim 
er mar, bem 93 eifpie(e feiner Staiueroben folgenb, 
in britifcße Tienfte getreten. Tie Briefe, welche 
er nach ber £>eimatfj fanbte, berfünbeteit bie 
Seljnfucbt feines öerjenS nach @ltevn, Schmefter 
uub 93 aterlaub. So lange aber ber ftranginnnn 
in Preußen herrfchte, mar an eine fRüdfeßr nicht 
gu beufeu. fötau mußte auf beffere 3eiten ha» 
reit, hoch ließen biefelben noch lange genug auf 
fich warten, beim noch einmal entfaltete 9 tapo= 
ieon feine gange fötacht unb fterrlichfeit, inbem 
er bor feiner 9 lbreife nach htufjlanb einen jener 
3 ?ürftentage hielt, bie TeutfchlanbS ^lerrfcher 
tief erniebrigten. 9 (ud) tpreufcenS Sfönig unb 
CefterreicßS Sfriifcr ^nußteit als 33ofaHeu bor 
bem Storfen erfcheinen, beffen gewaltiges #eer 
fid) nunmehr unaufhaltfam gen Cfteu mälgte. 
Taffelbe brang, ohne auf erheblichen Sßibcrftanb 
gu ftoften, weiter uub weiter in Stiplanb bor 
unb halb folgte bie 92 ncbrid)t, baß ötapoleon mit 
feinem H ccrc in ber alten Stremlftabt fötoSfnu 
gu überrointern unb bafelbft bem befiegten ©ga* 
reit ben ^rieben gu biftiren gebeute. IßariS 


janchgte, baS preufjifche 33 oI! aber begrub bie 
ftiüeit Hoffnungen, bie eS in feiner Söruft ge* 
hegt. Huf ben fiärm ber SiegeSnachrichten blieb 
eS eine geraume ©eile ftill. iUtouate oergingeu, 
ohne baß ben harrettben 23 ölfern ©uropaS irgenb 
eine .Qimbc bom ShiegSfchauplaße mürbe. Ta 
begannen plößlidj eigenthüutliche ©erüdjte burch 
bie pveuj5ifd)e Hanptftabt gu fchwirren; biefelben 
waren geeignet, ben briidenben 31 Ip uon ber 
93 rnft eines jebeit guten Preußen gu nehmen; 
aber noch wagte Ötiemanb an bie Wahrheit gu 
glauben, bis enblich ber Tag erfchicn. welcher 
ber ftaunenbeit 2 l 3 elt baS Unerhörte melbete. 
Ter Hauptmaim (flöße hatte taum boit bem amt* 
liehen '-Bericht Slenntniß genommen, als er auch 
fchon nach bem SJtatbob’fcbeu Haufe ftiirgte unb 
mit bem 9 tuSrufe ins 3 immer trat: „®ott fei 
Tauf! Ter '-öoiiaparte ift gefchlagen! Halle* 
lujalj!" 

©S war eine gcrabegu betäubenbe 9 iud)rid)t, 
unb eS währte noch eine geraume 3 eit, ehe bie 
iiberrafchte Familie fid) fo weit wieber gefaßt 
hatte, um bem 93 erid)te beS HanptmannS folgen 
gu fönnen, welcher in gebrängter SHirgc ben 
Sranb uon fötoSfau unb ben Uebergang über bie 
Söerefina ergäf)lte, um bann mit ben Söorten gu 
fchließeit: „Ter ©onaparte befinbet fich bereits 
auf bem 2 Bege nach 93 ariS, fein Heer aber ift 
oodftänbig ocrnichtet." 

3 eber Tag brachte neue 3 tad)rid)teu über ben 
ruffifeßen tjelbgug. Cbwoljl eS Sebermann 
graufte uor ben ((bäuerlichen 33 erid)teii, bie in 
iuiSführlichfter Söeife baS ©lenb fchilberten, ba§ 
Hunger unb Sfälte über bie frangöfifdje 3 (nnee 
gebracht, fo freute man fich bcch aus bollftem 
Hergen über biefe für Preußen unb Teutfdjlanb 
fo bcbeulfame ffiknbung. „Saut barf ber 3 ubel 
uuferer Seelen freilich nod) nicht werben," er* 
mahnte ber Toftor SRatbob ben nllguoerwegenen' 
©öße, „beim noch hält ber [yrniigmnnn linfere 
Hauptftabt unb bie Heftungen befeßt unb überall 
fdjleidjen Spione umher, benen jeber gute TMir* 
ger aus bem 3 ®ege gehen muß. 3 lber wenn ber 
3 (ugcnb(icf erfd)eint, wo gchanbelt werben muß, 
wirb es auch an mir nicht fehlen." 

Tamit wanbte er bem berblüfften Hauptmann 
ben SRiiden. ©öße ging gögernb bauon, fehrte 
aber am uächften Tage fchon Wieber bei ben 
ftreunben ein unb hatte, feiner alten ©emobn* 
heit gemäß, allen 3orn oergeffen. 

TaS 3 af)r 1813 , meldjeS für Teutfchlanb fo 
ruhmreich enbeu follte, war angebrochen unb mit 
ihm erfeßienen bie fläglicßen lleberrefte beS gj* 
fchlagenen frnugörifcheu Heeres. 93 on jenem 
93 runf uub llebermnthe, roie ißn einft bie ftolgeu 
Sieger uon 9 Sagrom gnr Schau getragen hatten, 
fanb fich nichts mehr uor; bie mit Sumpeit be* 
bedten Sdjaaren, welche jeßt auf ben beutfeßen 
Sanbftraßen baljmroanften, fanitten hur beit 


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Kedjt tnulj Jlfdjt bleiben. 


255 


einen SBttnfip, fiep fatt effen unb in einer roar« 
men Stube üerroeilen ju bürfen. So feyiten 
bie napoleonifcpen firieger langfant baper; ein 
paar punbert rooplberittener preuüifcfjer {mfaren 
batten genügt, fie fammt unb fonbcrS nicbcrjn« 
bauen, ja, fo maneber .Bauersmann ober Stäbter 
oerjpiirte nicht übel üuft, fein HJtütpcpen an bie« 
fen Glenben ju fühlen, roelcpe ttoep oor fiurjem 
bie Oualgei|ter ber beutfepen Htotion gcroefeu 
mareit. Sie Spitäler füllten fiep rafcp mit 
ftranfen aller Hirt, fo bafe man fiep halb fleuß« 
tpiflt fap, trornepmere Patienten in ben Käufern 
ber Bürger unterjubringen. Hlucp bie Familie 
Slatbob erpiclt einen jungen, franjofifepen Cffi« 
jier Jür Berpflegung, melcper an einem Fieber 
ertrnntt war. 

Ser {muptmann (Üöfee jaulte unb metterte 
barüber, baß bie Familie ben granjofen auf« 
nepmen mußte. „Unfiun!" rief ©öfee tut- 
roirfep, „mit ber {lerrfepaft ber granjofen ift eS 
oorbei! Hiiemanb pätte Giup jmiufleu tonnen, 
ben Fratijofcu aufjunepmeu, ttoep baju, ba bie 
©efapr nape lieflt, bafe 3pr Hille oon ipmange» 
fleeft roerbet!" 

6» roar ein etroa fünfunbjroanjifljäprifter, 
piibfcper Btanu, mit meicpcit uitb fünften 3ii« 
fleu, Sic großen fepönen Hingen ftarrten jejjt 
mit einem flläfernen HluSbrucf in» Seere, beim 
ber fronte futifle Hftanu lafl im lieber unb nur 
oou 3 c 't ju 3eit leprte tlüdptig fein Beroufet« 
fein juriief, bann juefte ein matte» fiacpeln um 
(einen iütunb' unb bantbar peftete fiel) ber 33lief 
auf bie beiben fremben Bflcgeriniten; bas 
toeiepe, toarnte Bett fepien feinem tränten Äör* 
per iiberau§ roopl ju tpun, beSgleiepeit ber tiip« 
leube iranf, roelcper ipnt bon Sora flereiept 
rourbe. (Sr roanbte ben Sölicf oon ber polbcn 
Grfcpeiuung beS HJiäbcpenS uiept ab, bis er naep 
unb naep roieber oerfllafte unb neue Fieberppait« 
tafien feine feeele uinnacpteten. 

Ser 3uftaub beS trauten OffijierS oerfeplim« 
merte fiep unb jene JtrifiS trat ein, roo ber 
Batient mit ©eroalt aus bein Bette roill unb 
nur fleroaltfam juriiefjupalten ift. Siefe Hin« 
fälle roieberpolten fidp nameutliep jur Htacptjeit, 
too Bater unb Blatter Htatbob auf ipreu Sepn« 
ftüplen einjuniefeit pfleflten. Sora flönnte ben 
armen (Sltern aus {lerjeuSgrunbe ben Seplaf 
unb jtrenflte lieber olle ipre Prüfte an, als Dafj 
fie bie ber 9tupe fo Bebiirftigcn fleroeett pätte. 
6» roar fonberbar, ber traute Cffijier flepörte 
ja boep ju beit Sobfeinben ipre» BaterlunbeS 
unb beitnoep oermedpte fie ipm niept ju jürnen. 
Sie 3üfle feines piibfepen ©efiepts bertiinbeten 
emen ebelit Sinn unb ein reines {>erj, unb es 
tarn ipr fo bor, als ob er alles anbere, nur fein 
Franjoie fei. Hlepnlicp roie ipr, erfliufl es auep 
ben ©Item, bie inSflepeim an ipreu SoPit 3o» 
pannes baepten, ber faft in bem uämlicpen Hilter 


ftanb roie ber Frembe unb flleicpfallS ben Stra« 
pajen beS Krieges auSgefejjt fleroefen roar, ben 
bie britifepe Ütegierung in Spanien unb '^ortu« 
flal fiiprte. 

Hiaep einem unrupifleit fieberhaften Seplafe 
rebete ber Traufe Sora eines BtorgenS mit lei« 
fer, aber inniger Stimme an: „3eßt fagen Sie 
mir, roo iep miep befinbe. Sie finb fo überaus 
gilt gegen miep unb pflegen miep, roie eine 
Äeproefter, trofebem Sie feine Feanjöfin finb 
unb roopl Uriaepe piitten, mir als einem Feinbe 
FpreS BaterlaubeS ju grollen." 

„Höir finb Gpriften," erroiberte Sora fanft, 
„unb in ber Siebe Gprifti lernt man aüen {>afe, 
aud) gegen bie erbittertften Feinbe, iiberroinben. 
Sie roaren feproer traut unb beburften ber ge« 
roifienpafteften pflege, ^pve Fiebcrppautafien 
oerrictpen mir gleichseitig ^pr finbliepeS {ierj, 
beim Sie gcbadjten oft 3prer Btutter unb baS 
pat miep perjinnigliep geriiprt." 

„Hld; ja, meine Biutter," fagte ber junge 
bleiepe Btann, bie {niube über ber 33ruft fal« 
tenb, „bie Hlermfte roirb meinetpalben biel ge« 
meint paben, aber fiep uinfomepr freuen, toenit 
fie meine Ütettmig erfäprt, benn, niept roopr," 
fügte er jögernb unb beforgt pinju, ,,iri) roerbe 
roopl oon meiner ,(Trautheit roieber genefen?" 

Sora bejapte unb liefe es gefdjepen, bofe ipr 
Pflegling in feiner iiberftrömenben Sonfbarfcit 
ipre 4panb fiifetc. Hluf feine tnieberpolte Srage, 
roo er fiep befinbe unb roie ber Htanie feiner 
Hüopltpäter laute, antroortete Sora freimiitpig: 
„Sie roopueu im -{laufe meiner guten Gltern, 
bie jroar arme, aber redjtliepe Seutc finb." 

„Hldj, mein Sott," rief ber ffirante bewegt, 
„unb roie peifeen alle biefe guten HJIenfepen?" 

„Unfer Familienname lautet 9t a t bob . . . 
.Quiipft fi^ für Sie an biefen Htamen etroaS 
HBiberroärtigeS?" unterbraep fiep Sora, ba eine 
fcpmerjlicpe Ueberrafepung fiep in beu 3ügen beS 
Patienten luiib gab. Sie badpte an FapanneS 
uub feine Hretpeilkping an {lirfepfelbS Unter» 
nepmen, beepalb fd)lofe fie mit ber F l ' l Hie: „Sinb 
Sie oielleidpt mit meinem 33ruber feinbliep ju« 
fammengetroffen ?" Ser junge F*anjofe fcpüt« 
telte ben .Uopf unb erroiberte, bafe es nur eine 
tioriibergepenbe Seproaepe gerocfeit fei, bie ipn 
angeroanbelt pabe; er fiiple fiep iubeffen mübe 
uub roünfepe ju |d)laten. Sie aiifmerffame 
Pflegerin rüefte ipm bie Sliffcn jureept, unb ging 
bann leife ju iprem Htäptifepdpen am Fenftev. 
Srofebem ipre Fi'UK 1 ' fleißig bie Htabel füprten, 
bemerfte fie boep, bafe ber junge Franjofe niept 
fcplief, fonbern fiep nur ermübet ftellte. GS roar 
offenbar, bafe ber Htame „Htatbob" beangftigenb 
auf ipu geroirft patte, roennfepon Sora fiep oer» 
geblid» bemüpte, beiS fonberbare Htätpfel ju löfen. 
Ser -firante beobaeptete roäprenb beS ganjeit 
SageS ein tiefes Seproeigen unb liefe fiep erft am 


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256 


Jfedjt muß jäfdjt bleiben. 


mibertt ©torgen ju einem ©efpräcße ^evbei; 
fein offene«, sutraulicßeg ©fcfen war jebod) einer 
3 iirüdbaltiing, einer gemiffen fjörmlictjteit ge* 
wichen. 'Mit jitlernber Stimme fragte er plöß* 
ließ: „£)at man 3 ß> lc|I < alg man mich tränt 
ßiertier gebracht, meinen ©amen genannt?" 
©ora beeilte fid), biefe gntge mit ©ein 311 be* 
antworten, ba ber ©lid beg gvaujofen mit fie= 
berßaftec Spannung auf fie gerichtet mar. 

„Sie batten gefterit bie ©üte, mich mit 3ßi'er 
gamilic befannt 311 macbeit," begann er in rußi* 
gereut Jon, „bie tßöflicßfeit forbert eg, bat; id) 
3 hreiu ©eifpiele tolge. 34 bin ber ffapitäit 
2 ouig, uoit ©eburt 3 war nur ein Slfäßer, aber 
boß grattftofe mit 2eib upb Seele." 

©iefeg ©eftäiibniß tfjat 'Sora web, fie mußte 
fetbft nicht warum; aber fie empfanb bie ffluft, 
welche ließ plößlicß jmifcheu ihr unb bent jungen 
Kapitän auftbat unb ficb mit bem Sortfe^reitcu 
feiner ©euefuug ftetig oergrößerte. ©lg ffapitäit 
2 otti« fpäter bureb ©öße bie günjlicße ©ieberlage 
örantreiebs erfuhr, mar er nur mit größter 
©tiilje Don einer öoreitigeit Steife nach feiner 
£>eimatb ab 3 ubatten. ©ie ©orfleönngen ©ora’g, 
baß er fein 2 eben aufg Spiet feße, ohne bantit 
feinem iöaterlaube 31 t mißen, gaben ben ©ttg* 
feßtag, unb er fügte ficb feufsenb in bag Uttoer* 
metolicße. 63 währte nicht mehr lange, fo buffte 
er bereit» am offenen fünfter flßat, unb bog 
Siuathmen ber frifeßen 2 uft wirtte ftärfeub auf 
feinen fförper. Sr erholte fid) äußerjf raffb unb 
©ont genoß bie greube, ihren Pflegling in ©e= 
feUfcßaft ber SJlutter ing greie begleiten 311 bür» 
fen; er 3 eigte ficb jeßt wieber {utraulidj, unb nur 
hin unb wieber flog ein biiftercr Schatten über 
feine Stint. ©alö mar er fräftig genug, au bie 
4 ?eiinfebr beufen 31 t föniten, unb noch au bem* 
fetbeu © 6 eube, wo ber junge Slfäßer ficb 311 t 
Slbreife aufchicfte, taugte Johanne» aug Snglanb 
au. iöeibc begegneten ficb nur flüchtig; baß ber 
grun 3 ofe aber troßbem bie 3 üü c beg ©nberit ficb 
feft eiitgeprägt hatte, ging aug einer ©eußernng 
ßeroor, inbent er ©ora beim ©bfdjiebe fügte: 
„34 ftehe für immer in 3ß rc e Sdjulb. Sie 
haben mir, im herein mit 3 ßrer ©lütter, ge» 
geigt, wag ebte beutfeße grauen fiitb. 3unt 35er* 
gelten fühle icb mich 3 « fibmacb, bagegen will ich 
3huen geloben, 3b l ' ei1 Stüber, beit Sie fo 3 ärt= 
lieh lieben, oor jeber ©efaßr 311 fcßüßeu unb 311 
febirmen, fall» wir in bem neuaulbrecheuben 
ffantpfe uitg feinblicb gegenüberffeljcn foftten." 

„©ctg oergette 3 hueu ©ott!" fliifterten ©ora’g 
Sippen, maßreitb ber Scheibcube fich auf ihre 

£)anb uieberbeugte.- 

Unb halb brach auch wirtlich ber ÄYampf auf’g 
neue log unb bie preußifche gugenb, big weit ing 
©tannegalter hinein, erhob fid) unter bem 3 obel* 
geichrei: „ff lieg, ffrieg für Freiheit unb Später* 
ianb!" ©ie fjörfäle ber Uuioerfitüten, bie oberu 


ff laßen ber ©pmnafieu, bie S4reibfluben, 
ffugjt* unb 3©erf flotten teerten ff4, bie ©flüge 
ftanben oerlajfeu. Slteru weihten ihre Söhne, 
Schweftern ihre ©rüber, ff rauen ihre ©atten 
bem heilige« ffriege. 3» ollen Stabten mim* 
tuelte eg yon greiwilligett. Sclbft ©reife griffen 
mit 3 ugeubfraft 311 ben Söaffeit, ff naben flehten 
fchluchsenb, weitigfleitg alg ©romntelf 4 läger mit* 
gehen 31 t biirfen. 

9tueß 3ohonne§ fchidte fich an, bem Sltern* 
häufe oon ©euem wieber 2 cbemoh( 3 U fagen unb 
nach Sreglau 31 t giepen, um flöß bort als 2 iißom’* 
feßer 3 äger anwerben tu laffeit. ©ie ©lütter 
unb ©ora blidteit mit freubigem Stols auf ben 
begeifterten 3üuglittg, beffeii Wettergebriinuteg 
©efießt oon fo manchen «trapajcn erzählte unb 
ber felbft einem fo alten £>oubegen, wie £>aupt* 
mann ©öße, imponirtc. 

Sr fpraeß bie§ auch in ber Stunbe beg S<bei= 
beug gegen 3 oßanneg unüerhohlen au«, fügte 
aber, mit einem Seitenblid auf ben ©ottor, 
hinju: „ 3 <b hohe immer gefürchtet, baß bu bie 
Srbfcßaft beitteg ©aterg cintreten wiirbeft unb 
hübfeh baheim bei ©cuttern bliebeft." 

©ie ffrauen blidten äugftlicb auf ben £aug* 
toter, welcher jeboeß feßr ruhig blieb unb jeßt in 
teffbeibenetn, aber feftem ©oue begann; „34 
habe Such fdjmt einmal gefogt, baß icß bag bor* 
eilige ©rahlcn nid)t liebe unb rußig meine ;§eit 
abwarte. ©er ©ttgeitblid beg fjanbelug ift jeßt 
gefomnicn. 34 habe ben Sdjuierj um bag ge* 
tnedjlete ©aterlanb wahrlich nicht weniger ent* 
pfunben, alg jeber ©nbere, wenn icß auch nur 
feiten biefett ©efüßleu 9lusbrud perlieh. 3®ag 
hätte eg auch gemißt ? 34 allein oerinocßte gegen' 
ben gewaltigen ©apoleon waßrlicß ni 4 t§ 011 * 311 » 
richten; bod) jeßt ift cg ein anber©iug, jeßt fleht 
bag gefammte ©reußenoolf wie e i n* ©caitn 311 * 
fammeit unb mit ©ctteS ^>ilfe wirb es fiegreidh 
äug bem ffantpfe herporgehem 3 fßt barf fieß 
fein ©reußc au«f 4 ließeu, ber gefunbe ©lieber 
ßat, unb fo werfe auch i 4 b' e S'fber weg unb er» 
greife bie tflinte, fo 3 ifß« aud) i 4 aug, alg ein 
3 ünglittg mit weißem |)aar, fo trenne auch i 4 
mich Poit 2 Beib unb ©odjter, beim mein 2 ofungg« 
wort heißt: gär ffreißeit, ffötiig uub ©ater* 
ianb!" 

©ie grauett f 4 lu 43 teit Ieife auf, ber alte 
©öße aber, bem eg glei 4 fallg feu 4 t im 9 luge 
feßimmerte, warf feinen ffriidflod weg unb rief, 
ben grettub in feine 9 lrme fdjließenb, begeiflert 
au«: „Statbob! alter ©oltor! ©ag war wie ein 
©tarnt geiprorfjen unb waßrlicß, eg foll Su4 utt* 
pergeffen bleiben!" ©ie ©tutter unb ©ora ßat= 
ten eg Poti bem ©ater nicht attberg erwartet; fie 
weinten jmar fcßmei^licße ©ßrätten, benno 4 
flüflerteu ißre 2 ippeit ißm 311 : „©ott fegne bi 4 
uub 3 ohantteg!... ©ott fei mit eu 4 unb bem 
beutfeßeu ©atcrlaube!" 


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JJedjt muff Jtedjt biriben. 


257 


„Unb wo bleib ich?" rief bev fjauptmaitn ©äße, 
unb blidte ingrimmig auf fein lahmes Siein. 

„3f()r bleibt bei ©tuttern," unb ber Dottor 
läcbeliib zuriid, fügte aber gleich barauf in fei* 
nein gutmütigen Jone fein*n: „Unfere grauen 
unb Jöchter bürfen nic^t berlaffeit fein, wenn 
i^re ©täniter unb ©rüber fdheibett. 3hr hobt 
ben Sorbeer in beider Schlacht bereite errungen, 
mein greuub, jeßt beginnt (Surr Witterbienft bei 
eblen grauen. IWicfet wahr," fc^lofe er mit eiit.em 
innigen #änbebrud, „ght werbet meiner geben* 
ten bi» in ben Job, nnb mein ©eib unb Sfiub 
werben an (Sudh eine Stiiße haben?" 

gn furjer 3<>t Ratten ©ater unb Sohn fich 
mit ben itötfeigfteu ©abfeligleiten berfetjen unb 
nunmehr war bie 2tbfchieb3|tunbe ba. ©eittenb 
gingen ©tutter unb Jodler am ©alfe ber ge» 
liebten ©t.iituer, bis fich ber Dottor mit einem 
gemaltfainen 9tud lo3rife unb mit ben ©orten: 
„ffiir miijfen fort!" ooit bannen ftürjte. 


Die alte S>tabt ©reSlau tonnte in jenen Ja* 
gen beS WuffchwuitgS unb ber ©rfeebung mit 
jag unb Werbt ba» „£>erz DeutfdhlanbS" beifeen, 
benn fte bilbete fojufageit ben ©tittelpuuft ber 
nationalen ©rljebung unb bie nach ber alten 
gejluugSjtabt fiiferenben Straffen waren mit 
jablreicfe-’n ©Banberern belebt, welche bem Wtife 
beS ftönigS folgten unb fingenb ber fd^tefifd^en 
Cwuptftabt entgegeneilten. 

Die Strafeen unb ©läße ber alten, berteferS* 
reiche» Stabt boten ein buntbewegteS ©ilb bar. 
UeberaQ traf man auf ©tenfcljengemühl, Don 
früh bis fpüt ertönte 8ärin unb ©efdjrei. ©e> 
jchitße unb ©uloerro.tgen hemmten ben SSerfefjr 
nnb ebenfo zahlreiche Jruppen abmarfcfeirenber 
Solbaten. ©or ben ffafernen unb auf ben grö* 
feeren ©Ictacu ber Stabt würbe fleißig ejercirt, 
unb ber Doftor unb Johannes, welche foeben 
angefommen waren, ertunbigteu fich bei einem 
Unteroffizier, wohin fie fich wohl ju wenben 
hatten, tun als greimiüige in» £>eer aufgenom* 
men *u werben. 

„Der junge £>err ba tann fich in jeber $a* 
ferne anwerben laffen," lautete bie gutmütige 
Antwort, „mit Such bagegen, alter $err, wirb 
wirb es feinen fpittcn haben." 

„@i was," rief ber Doftor ungehalten, „bie 
©aterlanbSliebe hat mit bem Filter nichts ju 
fdjtffen unb bie £auptfache für einen echten 
Solbaten beftefet barin, bafe et baS j£>erj auf 
bem rechten Sftecf hat. ©agt man eS, mich 
wegen meiner 3faferc juriietjumeifen, fo rüde ich 
ber alten ©reellen* ©lücljer ins Quartier." 

„Dann müfet 3h* aber fchon bie ©eine ein 
wenig unter ben arm nehmen, alter £>err," er* 
wiberte ber Unteroffizier mit fomifchem ©rnfte, 
„benn bie (5 reellen* hat Scfelefien bereits berlaf* 
fen unb ifi auf bem ©ege nach DreSben." 


„So fagt uns wenigftenS, wohin wir uns 
wenben foüen," ergriff Johannes baS ©ort. 

„6i nun, geht uor ber #nttb in baS ©irtfeS* 
hauS jum Sjepter, bort ift ber Wbolph bon 
Süßen, ber wirb ©u^i fchon guten 9tatlj er* 
theilen." 

Johannes li fe fich bie eiu*uf<hlagenbe Wich* 
tung augeben, banftc ihm unb machte fich mit 
bem ©ater auf ben ©eg. ©ater unb Sohn 
richteten juncichft ihre Schritte nach ber ©aft* 
ftube unb es währte nicht lauge, fo nahm 
ein graubärtiger #ufareu*©adhtmeiftcr an ber 
Seite unfereS alten Herren ©laß. 6r jeigte 
fed) äufeerft rebfelig unb oerwidelte ben ©e* 
lehrten halb' in ein ©efpräd). Natürlich tarn 
audb ber 3®«* Z ur Spraye, welcher ben Doltor 
nach ©reSlau geführt. Der ©ad)tmeifter zeigte 
fedh über feinen ©luth, troß beS borgerüdten 
9llterS fich ben Strapaßen beS ßricgeS aus* 
Zufeßen, höflich erftaunt, fagte aber nach einer 
©eile: ,,3d) glaube taum, bafe man Sie nelj* 
men Wirb." 

2l(Ier ©luth unb alle gute Saune beS DoltorS 
faulen auf ben ©cfrierpuntt Ijfrab, unb er 
fah fich fchon im ©eifte mit Johannes in 
bie fcßlimme Sage berfeßt wieber unberriebteter 
Sache nach £)anfe jurüdteljren z» miiffen. 
Der ©achtnieifter hatte toährenbbem Johannes 
mit wachfeubem ©rfiaunen angeblidt unb flanb 
eben im ©egriffe, eine grage an ihn zu richten, 
als fich plößlich auf bie Schultern bon ©ater 
unb Sohn zwei Iräftige £>änbe (egten. Ueber» 
rafcht waitbten fee fidh um unb erblidten bor fidh 
einen ^mfarenrittmeifter, bor welchem ber Un* 
teroffezier feine fwuneurS madhte. „Iq i r f dh* 
felb!" lautete ber tiberrafdtite 2lusrtif bon 
©ater unb Sohn. „Sffiie er leibt unb lebt," gab 
ber SRittmeifter luftig unb wohlgemulh zuriid. 

,,©o fommft btt het?" fragte lyobaunes flür* 
mifdh, währenb er bem Wittmeiftpr beibe |)änbe 
fdhiittelte. „3ch glaubte, bafe bu noch in Spa« 
ttien berweilteft." 

„Wein, mein beutfdjer ©lagen bermodhte bie 
Sübfriichte nicht zu bertrageu," erwiberte ber 
Wittmeifter. „$at bir bentt ber © o 1 f ba bon 
meiner SlnWefenljeit nichts gefngt?" Dabei beu« 
tete er auf ben graubärtigen ©odhtmeifter, wel* 
eher jeßt auf beu Sifch fcßlug unb auSrief: „DaS 
ift alfo boch $err Watbob,.unfer ©lagbeburger 
©unbeSgenoffe? 6r fam mir gleidh fo befannt 
bor, allein mein ©ebädhtnife, baS immer fdhwä* 
eher wirb, liefe mich im Stich." 

Johannes freute fedh, bie ©elanntfchaft beS 
biebern ©otf zu erneuern, unb reichte ihm gleidh* 
falls bie £>anb. ©3 ber ©ad)tmeifter bernahm, 
bafe ber alte £err ber ©ater bott Johannes fei, 
erhob er fedh unb ehrte ihn burdh einen militäri» 
f<hen ©rufe, beitfelben mit ben ©orten beglei* 
tenb: „geßt wirb feßon Watt) für Sie werben. 


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258 


(Sin pild aus ber $>odjflutl) im @ljio=ffil|al. 


beim ich fenne meinen £)etrn Utittmeifter, er läßt 
feinen greunb int Stiche." 

£>ir|d)felb ergriff bitter unb ©opn bei ben 
Firmen, i]uitfte ben ^uriiefbletbenben fchmungelu* 
ben SÖolf unb führte bie grcunöe au§ bei* 
rauchten S'öivtfjsftube in ein hiibfch möblirteö 
3immev bei* 9hid)bartchaft, loofeibft ber jepißc 
a j o x dü n Sl alte refibirte. 

®ie Ueberrafc^nnfl mar auf beiben ©eiten 
flrop, unb felbftDer|tänbiicl) lüünfcbte 3eber bie 
©rfflcffale be* s 2tnbern gu miflen, jiunal bie brei 
gmmbe in ßnfllanb getrennt morben mären, 
©irfchfelb hatte, gleich Johanne*, in Spanien 
flefämpft, unb mar bann über Dcfterreich nach 
ber preußifd&en «fteimatfj jurucfiieteOrt. 

„33or einigen 2Bod)en," berichtete er am 
©d^tuffe feiner Dtittljeilunflen, „traf ich in 
SEBien eine Same, melier bu ficherlich ein sjiläfc» 
eben in beiner grinneruncj eingerüumt haben 
mirft." 

3fohanne£ rieth auf bie ©räfiit 2 fl b b e n a u, 
unb ^irfdjfelb fuhr fopfnidenb fort: „Sie ift 
noch immer bie erbitterte ©egnerin be3 $ona« j 
parie, meldjer fi(h nicht eben gropmüthifl flehen 1 


ihre Familie geigte, unb, tro£ Derfchiebencr, ber 
©rafin guftehenbet Siechte, bie in unb bei ^Jaris 
gelegenen 33efijwnflen nicht herauSgab. ©ie läfet 
euch Sille flriiBen unb hofft, bafe biefeö 9)tal 
^rennen mit Ocfterreid) flehen merbe. Sie 
©rafiit ift feft entfchlofjen, ihrem ©atten inä 
gelb gu foU]ett unb ihre Slnfprüche in ^ßari» geU 
tenb gu machen." 

Srunten auf ber nächtlichen ©trape rollten 
noch immer bie ©efdjüpe über ba» ^flafter, 
marfchirten bie Sieben muthifler ftrieger, unb 
fauflen ncuanlanflenbe SJaterlanbsüertheibifler 
allerlei patriotische Sieber. (5$ mar eine füße 
SJlufif für ben Softor, meld)cr bei Hatte über« 
nachtete, aber oor lauter Segeifierung tein9luge 
Schloß. Stoßbein erfchieit er am anbent SHovgen 
frifch unb munter. 6* mar bie» aber auch gang 
natürlich; Sorgte ja hoch ftatte bafiir, bafe ber 
Softor in einer 2anbmehr=ßompaguie, melche 
für ben 9?a<hfcbub bestimmt mar, Aufnahme 
faub. ßirfdjfelb nahm fid) bagegen feines gfreun« 
beS Johannes au, befielt militärifdhe ©vfahnm* 
iten feine Einreibung in bie Don ihm felber be» 
fchliflte ^ufareufchmabron fleftatteten. 


(&\n Pilb am der fjodjflutlj im ®l)io-®ljnl. 



Gbitor. 


, S fnnn unfete Sbfidjt nicht fein, 
bie &luttjen im Sljalbett besCljio 
nochmals cingebenb gu befreiten. 
Sber es gehört in baS tßereich uu= 
' feres StägagiuS, fold) beufwürbige 

Ereigitiffe in SBort unb SÖitb feftguljalteu. 

deshalb fiitben bie fielet einen gut auSgcfüljt« 
ten £>olgfdjnitt, roeicber bie Ueberfluthung beS 
Obio » jLJjnleä unterhalb Eincinnati bnrftelit. 
ffanit mul) auf einem Silbe bie ©ewalt unb 
SuSbeljnung ber Sßaffer, ber burdj biefelbeit au« 
fleridfitete ©(haben, bie Sotb unb ber ©Freden 
ber Stenfdjen unb 2hieve unmöglich wieber« 
gegeben werben, fo beronfdjaulicht nufer Silb 
bod) in etwas bie .£>öfje biefer 3?lutljen unb bie 
burd) fie berbeigefii|rten ©efabren. 

geigt, wie grpße SBampfbonte b a berum* 
fahren fonnteit, wo man auch bei hohem SBaffer» 
ftanb nur trocfeneS fianb finbet; wie fie au§ge= 
fanbt würben unb gwifdjen ben Käufern treusten, 
um bie .bon ber ijeteinbredjenben gltith über, 
rafchten Sewoljner gu retten; wie gweiftödige 
SOBohngebäube alfo überfchwemmt gewefen, bah 
ben Snfaffen nur ba§ 5)a<h als lefctcr 3«fl«<ht§= 
ort geblieben, wofelbft fie in mannen fällen 
ftunbenlang hotte» mußten, bis bie erfeljnte 
Rettung gebracht werben fonnte. 


©o gewaltig, in foldjet Stenge unb in bielen 
fyallen fo fdjnetl (amen bie Siaffer über bie 
Stenfdhen unb ihre Söohnungen, baji fowohl ade 
Seredmungen wie bie frühere Erfahrung gu 
©djanben würben. Stau hoüt fid) ben SSoffer. 
ftanb früherer ^pochfluthen gemertt unb barnad) 
Sorfehrungen getroffen. 3Iber bie lefcte Jöaffer. 
noth überflieg alle Ueberfdjwemmtmgen biefeS 
SahrhuubertS nicht allein um 2—6 tjfufj, foiu 
berit brach auch wegen ber $ainmbrüd)e über 
manche Crtfchaften, wie g. S. fiawrenceburg, 
mit folcher ©ewalt unb fo reifeenber Sd)ncnig= 
feit herein, ba| alle SorfichtSmafucgelu nichts 
niitjtcn, unb bie Setroffcnen fid) oft in einer 
SSiertelftunbe in einem unerwarteten Steere ge» 
fangen fnlfen, bem fie wenigftenS ihre £>abe 
überlaffen mufeten. 

Seinahe wunberbar ijt ber geringe Setluft an 
Stenfdjenleben. Sur hie unb ba tarn Scmanb 
in biefer ungeheuren iJluth um, ein Umftanb 
ber nädjft ber Sarmhcrgigfeit ©ottcS beni rafdhen 
Eingreifen ber ^»ilfebringenbcn gu bauten ift. 
Sicht Obermann ift geeignet in foldjeu SBaffer. 
muffen bie rettenbe 6<mb gu bieten; beim bagu 
gehört fowohl Stuth als i?raft unb ©eföhid. 
diejenigen jeboch, welche bie nöthigen Eigen« 
fchaften befaßen, fprangen auch wie ein Stann 


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diu BUb aus ber Ijodjflutl) im ©hio=@tjoL 


259 



Die $o*fiuth unterhalb Cincinnatis. 


in bie ^Rettungsboote. 2 )ie geuerroebr, ba§ 9 Ri« 
litär, Vereine toie ßinjeltte eilten ben 33 ebröng= 
ten ju £)ilfe, unb ruhten nidjt efjer, bi» gereitet 
toar, roaS gerettet merben tonnte. 

Uebertjaupt b«t fid) bei biefer Äataftrophe ber 
Cbetmuth fctä f° ®ft als ®iammoubicner Bet» 
fehtieenen amerifanifchen SJolfeS roieber einmal 
aufs ©länjenbfte bemährt. 63 mar, als ob fid) 
baS gonje Sßolt toie auf ein gegebenes 3 c 'd)m 
ju etnem f)ilfs* Committee organifirt hätte. 
33 on allen totäbten unb ©egenben bcS SanbeS 


trafen Slnerbietuiigcit unb ^Beiträge alter 3 lrt 
ein. Diainbe ber Sdjroerbetroffenen, roie 3. 33 . 
Cincinnati unb 2 oui»oitle, bantten herzlich für 
bie innige if)cilnat)ine, miefeit aber bie £>ilfe 
noch fernerer 33 ebrangten 311. TaS ©eben unb 
Reifen unb bie 33 cihätigung im Cbelmuth fann» 
ten fnft feine ©renjen, fclbft bann nicht, als 
man bie Cntbecfung machte, baß unuerfrfuimte 
$>lenf<hcn fidj ungeredjtcr ÜDeife biefe DZilb» 
tfjätigteit ju 91 u^e machten. 

Jlomtte unb tann auch nicht atter -Schaben 













260 


gBapres Äprifteutljum. 


erfefet werben, unb müffen and) Siele noch 3 apre 
laug für beit ©rfafe ihre* Serlufte* arbeiten, fo 
litt bocp Siemanb ^nuiner, mit) für Ä'leibung 
unb warme Beeten mürbe in gfüüe geforgt, fo 
fchnell nur bie ©ifenbapn unb bie Soote bie 
Sachen bringen tonnten. 

Wag maii nun uon ber ©elbgier be* ameri» 
fttiiifcpen fafclu fo Diel mau will; wirb auch 
eingemeubet, baß bie 2eute in Smerifa e* ja 
haben, unb befepalb auch geben fönneu: fo ift 
bie ^ierjulanb fröhlich geübte großartige gfrei» 
gebigteit beim boejh ein uumiberlegbarer Sewei*, 
baß ba* 33 olf nicht um ber Änauferei miUen 
gerne erwirbt, foubevn baß e* fein ©clb anju« 
menbeit Derftept unb unter auberit in Sieden ber 
helfenben 2iebe*thätigfeit faft uiterfchöpflich »ft- 

Siefer fo reichlich fleh beftätigeubeu Wenfcpen« 
freunblicpfeit nun weiter nachforfcpenb, fo fiubet 
(ich ber <h r i ft l i ch e Sinn nnfere* Solfe* 
alä ©runburfmhe unb gfunbament bevfelben. 
Sa* amerifanifepe Solf ehrt 3 )eit, ber ba fagen 
läßt — „©eben ift feliger benn Nehmen e§ 
achtet ba£ Such, welche* ben Wenfcpen ein« 
fepärft, mohljuthun unb mitjutpeilen. 

Siitb e* nun hirrjulanb ber Gerächter be§ 
Sßorte* ©otte* auch gar Siele, fo leben fie fo jn 
fagen in einer 2uft ber cpriftlichm 2iebe*tpätig« 
teit, beren ©inflttfe fie fiep nicht entziehen fön« 
neu; benn, fomie allgemeine Änaufcrei an* 
fteefeub wirft, fo werben auch bie Unempfäng» 
iiepften nach unb noch öon ber ring* um fie 
geübten ffveigebigfeit beinflufet. Unb bie* ift 
gewiß bie Cmupturfacpe, mefehalb felbft fo Diele 
©otte*Derücpter unb ©leicpgültige in ben Ser. 
Staaten eine offene fjanb jum ©eben haben. 

Siefe Shatfacpe gilt un* audp ol* Sewei* für 
ben großen Ginfluß be* ©hriftenthuin*. Sie 
Siinbe ift jwar gar mächtig im Solf, unb bie 
Schüben aller Sri fiitb bebeutenb, aber bie ©rlö« 
fungäthat wirft, ©ott fei Sauf, ebenfalls, unb 
ein Sewei* bafür ift bie faft beifpieflofe 2 iebe§» 
thätigfeit unfere* Solfe* al* ©anje§: benn ob¬ 
wohl ber ©laube allein felia macht, fo flehet 
boch auch gefchrieben: „Sn ihren g dichten follt 
ihr fie erfennen." 


JÜa0 id) mit alle tage oorfagen 
>1 will. 

1 . Saß mir wieber ein ©nabentag, jmölf 
©nabenftunben gefchenft finb für bie ©migfeit, 
wodou ich Secpenfcpaft oblegen muff, unb bie, 
einmal entfcbmuuben, für immer bafjin fmb. 

2. Safe mein 2 eben eine Seife, ein S 5 eg jnm 
Fimmel ift, mein 2auf nur hinburch geht unb 
pieniebeu meine* Sleibeu* nicht ift. 

3 . Safe ber SSBeg fefjr enge unb fdjmal ifl. 


ber jum 2eben führt, bafe er mit ffreujen befefet 
ift unb fich heute noch in ba* buutle Spal be* 
Sobe* Derliereit fanit. 

4 . Safe aber auch einer mir itir Seite unb 
mit mir ift, ber Don fich fetber gefagt hat: 3$ 
bin ber SJeg, bie SBttprpeit unb ba* 2ebeu; 
einer bei unb mit mir ift, ber auch fein Äreuj 
nad) ©olgatha getragen unb noch immer tragen 
hilft unb e* bort mit bem Sobe oerfiegelt hat, 
bafe er auch mein tpeilanb fei. 

5 . Safe ich and) heute ben alten Wenfchen in 
mir mit all’ feinen Neigungen unb 2üften, mit 
all’ feinen böfen ©ebaufeu unb Sinnen burch 
bie Ära ft be* heiligen ©eifte*, bie ©ott mir bar« 
reicht, tobten unb berleugiten fann unb foll. 

6. Sracpteu fobiel ich nur fann, bafe ber Der« 
borgene Weufcp be* ftergen* ftiü unb unDerrüdt 
Dor ©ott bleibe, in ftiltem ©ebet ohne Unterlaß 
311 ihm, unb ba* Suge be* ©eifte* nur immer 
gläubig unb finblicp auf Sefunt, ben £eilanb, 
fepoue. 

7 . 9 Me§, wa* mir fommt, annehmen al* 
Dom fjerrn intb beten, e* fei ffreub’ ober 2 eib, 
baß c§ mir ginn Scften biene, unb babei Weber 
einer ängftlicpen Sorge für ben folgenben Sag 
noch für bie ^ufunft Saum geben. Ser mor* 
genbe Sag wirb für ba* Seine forgen, unb e* 
ift ja genug, bafe ein jebet Sag für fich feine 
Singe habe. 

8. Saun auch «De Wenf(pen anfepen ol* 
Witerlöfete, Witberufene: fie alle lieben al*„ 
foIcpe, bie mit mir eine* gleichen Siinbenelenb* - 
theilhaftig fiitb, aber auch alle mit mir berufen, *7 
©nabe, gerieben unb 2ebeu gu empfangen bnrep ' 
3»efum ©hriftunt. 

9 . Wit befonberer 2 iebe unb Sreue aber ben 
Äinbern ©otte* auhangen. 


Poljrcö (Üljriflciitljum. 

Snr $au« uub §erb bau 3r. ftopp. 


a§ theuerfte ©nt ber Wenfcpheit ift Seli« 
gion. Sie ift ein Sebiirfuife be* Wen» 
fcpeu, unb ba* wefentlichfte ©lement, ba* 
ihn bom Spiere tuiterfcheibet. 

Stle Sölfcr haben Seligion. Siefe* beweift 
bie SBeltgefcpicpte. Sie ©efehiepte ber 3 »ben, 
DomSbrapam bi* auf ©priftum, ein 3 eitrnum 
Don gweitaufenb fahren, ift hauptfäcplich eine 
SeligionSgefcpicpte. Sber auch in ben grofeen 
alten Seichen, in Spina unb Snbieit, in ©gpp» 
ten unb Sabplon, in ©riecpenlanb unb Som, 
war ba* Staat*» unb gfamilienlebeit, immer 
auf* iunigfte mit ber Seligion Derwobeit. Sa* 
Dorgeblicpe Serbrecpen, um befewiüen fo Diele 
Wärtprer fterben mufeten, mar ja gerabe ba*. 



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gHaRres ttljti(tfnil)uin. 


261 


bofe jte nicht ben ©öttern bed Bolfed opfern 
wollten, unter bem fie lebten unb wirtten. So 
batten attdj unfere beutfd^en Borfabren iljre 
< 5 Jötter unb ^Religion, lange ehe ihnen bas (Scan» 
gelimn gcbradjt würbe. 

Blutard), ber @rjieber bed Äaiferd {Ktbrian 
unb ein berühmter Scbriftfteller, fagt unter 
Ruberem: „Su fannft Staaten feheit ohne 
Bfauern, ohne ©efepe, ohne Blühen, ohne 
Schrift, aber ein Bott ohne (Sott, ohne ©ebet, 
ohne retiqiöfe Uebungen unb Opfer t>at noch 
fteiner geteben." 

^Religion ift ein Bebürfttiß für bie 35 e r= 
nun ft bed Blenfcbeii; beim bei Betrachtung 
oon {jiininel unb 6rbe unb ihrer ^wertmäßig» 
feit fragt fie billig: SBoher tomnit biefe Wim» 
berbare SOßelt? 583 er hot biefe» BUeS gefchaffeit 
unb fo weidlich georbnet? 

Religion ift ein Bebürfitiß für bad £ e r j, 
benn ba» Sichtbare tann bie Bebürfniffe befiel» 
ben nicht befriebigeu. 2üie trefflich tpricbt ber 
dichter bie 6rfabruitgeu ber Bieufcbeu and: — 

„3n bem ßerjen ift uod) ein Setjncu, 

3mmer fehlet, immer fehlet mir noch toasl" 

Unb ein Anbeter: 

„3ebes ffer 3 will etioas lieben; 

Ciebt’s nicht 3efum, fanns ni< h* ru h’ n " 

©enüife, 6h«- fReicbtljum, B?a<bt, fünfte 
unb SEBijfenfchaften föimeit biefed Sehnen nicht 
Ritten, noch bie Seere bed $erjen§ auSfütlen, 
maä burch unzählige Beifpiele bewiefen werben 
tdnnte. Sad ® e w i f f e it forbert ben Sroft ber 
»eligion, wenn ed fiutbbetaben oor bein Sobe 
jittert unb t>or einer Betgeltung juriicf fc^aubert. 
3 a, bad ganje tffiefen ber Blenichen ift ohne 
@ott unb ohne SReligion wie ein Schiff ohne 
«Ruber, bad bon Stürmen hin uno hergeworfen 
wirb. Ser Blettfcb ift für (Sott gefchaffen mtb 
gehört ind ßimmelreidj. Sarum fagt Baulud: 
„6r ift nicht fern bon einem Segtichen unter 
und. ®enn in 3hm leben, weben, unb fmb 
wir. SEßit ftnb göttlichen ©efchtedjtö." Ober 
Wie BtofeS ed audbrütft: „Sott fdjuf ben Bleu» 
fchen 3 h m jum Bitbe, Bum Bitbe ©otted fchuf 
er ihn." Siefed Bilö ift jwar burch ben Siin» 
benfatl gräßlich ent|Mt, aber nicht bernichtet. 
6 d finb noöh Spuren oon bem urfprüngtichen 
«bet borhanben. Unb ift ber Btenfdj auch mo» 
ratifch grunbberborhen, bajj ber Blühet fagen 
mufj: „Sad ganje £aupt ift trau!, baö ganje 
ften ift matt. Bon ber fjußfohle bid jum 
fcaupt ift nichtd gefunbed;" unb ber dichter mit 
ihm übereinftimmt, wenn er fragt: 

,,Wo ift bes ebetn Sitbcs ( 5 Ian 3 ? 

Wo ift ber reinen Unfchutb Kran 3 ? 

IDo ift bes Sebensbawnes Saft ? 

3ft es nicht KUes roeggerafft ?" — . 


fo hat boch ®ott ihn nidjt in biefem elenben 3u* 
ftanbe tjoffnungdtod liegen taffen, fonberu burch 
bie Bermittlung 3 fefn ©tjrifti ift bie Oeilfmne 
©nabe ©otted erfrfjiencit allen Blettfcben, unb 
jiichtiget und, baß wir bertäugneu fallen bad un= 
göttliche Biej'en." 2Bir bürfett aunehmeu, baft 
biefe „heitfame ©nabe", ober ber heilige ©eift, 
auch in ben $)erjeu ber alten heibuifchen 5 fi 3 eifen 
wirtfam war, wenn fie über göttliche 'Singe 
nadjbachten unb rebeten. So flammen auch Vlud» 
fpriiche ber neueren dichter nicht bon ^leifd) unb 
5 Btut, wenn fie bie tieffteu Bebiitfniffe ber 
Btenfchh'it in 2 i 3 orte faffen. 6d ift eine Bit» 
reguitg bon Oben, wenn ©ötlje fpricf)t: 

„2lct>, ich bin bes (Treibens iniibe! 

tüas foll all ber Schmer unb £nft ? 

Süßer ^riebe, 

Komm, ach fomin in meine Brnftl" 

Sie wahre 5 Religioit, wie fie in ber Bibel ge* 
lehrt wirb unb wie fie 3rfud 6briftud geftiftet 
hat, ift b a s B e b ii r f n i ß b e r Bt e n f d) h e i t. 
3 n ihr finbet ber © e i ft bed Btenfchen bie 
2 Bahrheit, bad &erj feine Setigfeit 
unb bad © e w i f f e it feine 5 R u h e. 

Siefcd Bebiirfniß mag eine Qcittang nicht bu 
feinem fRedjte tommen; aber ed tommeu auch 
wieber aubere Stimbeu. Ser berlorene Sohn 
fchien fein folcbed Bebiirfnifc ju rennen, fo lange 
er ein tnftiged Beben führte unb int fernen Sanbe 
mit leidjtfimticjeit Samerabeit bad ©nt feines 
Baterd berpraßte; ald er aber anfntg bu bar* 
ben, ald er im fremben fianbe bie Säue hüten 
muhte unb man ihm nicht bie Sräber erlaubte, 
bie bie Säue aßen, „ba f<h 1 ng et in fich". 
ba fam er Bur Befiitnung unb fprach: „SBJie biete 
Sagelöhner hat mein Bater, bie Brobd biegiilte 
haben, unb id) oerberbe im junger. 3 <h will 
nt i <h a u f nt a cb e u, n tt b b u m e i it e m B a» 
ter gehen." Sorunt ift oft ein fogenmtnted 
Ungliidf bed Btenfchen größted ©Iticf. BJeitn ber 
Bteitfch in feiner 3<igenb ober in bem 3agen 
unb Sreiben ber 5 BeIt feilten ©ott bergißt, fo 
mahnt ihn oft ein Unfall, eine plöfctiehf ©efatjr, 
eine Sänfchimg, eine fernere ßrnitfheit, bie ihn 
on bie Bforteit ber 6migteit bringt, ein plöh* 
lieber Sobedfatl, wenn er an bem Sarge bed 
Baterd, ber Btutter, bed ©alten ober .Qinbed 
ftetjt unb weint, baß er Sroft tmb -ftilfe oon 
Oben nöthig hat. O, wie manch ftotBed .£>erB 
ift burch Scibeit unb Sriibfat fchon gebemiitfjigt, 
wie tnau^ fteifcd;.Quie fchon gebeugt worben; 
unb wie Btamheu hat bie Boit) beten gelehrt! 

Heinrich-{teilte, ein begabter beutfeher Siebter, 
betennt auf feinem langwierigen Änmfcnlagcr: 
„34 habe in meinem Seben mit alten nur tnög» 
liehen pbilofopbifchen Spftenteu gebuhlt, bid id) 
ettblid) beim Bantheidntud nnlongte unb mir 
einrebete, iöh fether fei ©ott. Siefed geht auch 


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262 


Stoferes (öjriftentbum. 


ganj gut, fo lange man gefunb ift uitb ©elb 
genug in ber Stafdje bat. Aber eines DageS 
tarnen mir biefe beibeit ©egenftätibe abbanben. 
3 cfe lag ferner Iran! barniebet unb baS ©elb 
ging mir au». Da geriet^ meine ©ottfjeit ins 
Stocfeit. tonnte mir felber nicht mehr ratben 
noch helfen. SBo follte ich mich in biefer SRotb 
hinroeuben? 3<h fc^rie jmn ©errti in meiner 
SRotb: Ach ©ott Derniinin mein StBeineu! Da 
half mein Reifer mir Dom Dob, unb liefe mir 
Droft erfcheinen." 

So macht fich ber ©err bie „Starten junt 
Staube." Selbft ber grofee Napoleon, bet in fei» 
nem ©litct fich roeber Dor ©ott fürstete, noch üor 
irgenb einem URenfcben fdjeuete, nahm in feiner 
Berbannung auf ber eiufainen 3 nfel ©elena 
feine 3uflucht ju ©ott, unb fanb Beruhigung 
in ber SReligion. 

33 aS ift aber baS SBefen ber waf) = 
reit SReligion? Das Stubium ber Bibel 
unbbaS Sichbefennen jn einem religiöfen Softem 
ift nicht ^Religion, fonbent nur eine religiöfe 
SiBiffenfdhaft, bie ihren Sife nur im $opf bat; 
bie wahre SReligion mufe aber ihren Sife im 
©erjen haben. Das Beobachten firchlicher ©e= 
brauche unb bie Benufeung ber ©nabenmittel ift 
nicht SReligion; benn eS mag ^emanb getauft 
fein, bie Bibel lefen, jur Jtiirche gehen, fingen 
unb beten, baS Abenbmabl geniefeen, ju wofjI= 
thätigen 3*aecfen beitragen unb babei feinen 
Junten Don wahrer SReligion hoben. So ift 
auch ein ftreng fittlicheS unb moralifdjeS Sehen 
noch nicht wahre SReligion. 23 er SReligion be= 
fifjt, ber wirb gwar bie Bibel lefen, bie ©naben» 
mittel beuiifeeu, fich ju einer djriftlicben Jtirche 
halten, bie Ausbreitung beS SReicheS ©otteS unter» 
flüfeeit, ein unfträflidjeS unb ftreng fittlicheS 
Sehen führen, aber er begnügt fich ba» 
mit n i ch t. Denn baS ift nur baS A e u fe e r» 
liehe, bie fVorm, bie Sampe, bie Soco» 
m o t i D e. — Soll bie Sampe leuchten, mufe Del 
hinein unb foll bie Socoinotioe bewegen, mufe 
gl euer unter bem HJeffel fein. 2Bahre SReligion 
ift ff r a f t unb 8 e b e n, © e i ft unb ff e n e r 
Don Oben. Da wirb baS ,©erj erfchiittert, 
erweicht, erwärmt, gereinigt, erneuert unb Don 
Siebe eittgünbet. Die wahre SReligion ift baher 
nuht» aubereS, als eine Berbinbung ber 
Seele mit ihrem U r f p r u n g, bem 
wahren unb lebenbigen ©ott. Diefe 
Berbinbung Innig, aber nicht ftattfinben, fo lange 
bie Sünbeufdjulb im Sffiege ift. Diefelbe fatin 
aber nur ber © o 11 m e ’n j <h, 3 e f tt S © fj r i» 
ftuS, tilgen, ber für bie Siinbermelt gelit» 
ten hat. „6t aber ift bie Dotlgiltige Berfiih» 
nung für unfere Sünben, Unb ift in feinem 
Anbern ©eil." Um Seinetwillen oergibt ©ott 
bem Bufefertigen feine S<hulb. Sich üöUicg auf 
baS Berbienft ^efn ftiifeen utib an ben Sohn 


©otteS unb ©rlöfer glauben unb Sein Blut jur 
Bergebung nuferer Sünben ergreifen, ift bie 
©auptbebingung, — bie wahre feligmachenbe 
SReligion gu betominen, ober mit ©oti bereinigt 
ju werben. 

AuS biefem ©lauben entfpriugt bie Siebe. 
Siebe ift bie ©fjenj ber SReligion. „©ott ift bie 
Siebe, uitb wer in ber Siebe bleibet, ber bleibet 
in ©ott unb ©ott in ihm." llub wer bie Siebe 
©otteS im ©erjen hat, ber „reichet bar briiber« 
liehe Siebe, unb in ber briiberlicfeeu Siebe allge» 
meine Siebe." Daher ift baS ©brifieutbum ein 
Br nb erb unb, in bem SRaum für Alle ift, 
für Silben unb ©riechen, für .ftnechte unb greie, 
für SBeifee unb Schwarte, fofern bie Siebe @ot« 
ieS in ihre ©eigen ouegegoffen ift burch beu hei« 
ligen ©eift. Diefe SReligion fteljt eingig ba. 
©S fann auch gar feine SRebe fein Don einer 
fatfjolifchen, lutherifchen, reformirten SReligion 
u. f. w. Das wäre 3 erftücfelung. Die SReli« 
gion_ 3 efu ift bie SReligion ber Siebe, unb baher 
UnioerfaUSReligion. Die ©off nung 
ift baS britte ©leineut in biefer SReligion. Sie 
reicht in bie 3ufunft unb oerbinbet uns mit ber 
befjern SBelt. Diefe SReligion, bie nicht eine 
SßMffenfchaft, nicht eine $onti unb Sfeflem 
ift, fonbent ©ergenSerfahruug, ift bie 
SIBei 1 )e beS Sehens. SJBaSbie Sonne ber 
©rbe, baS ift bie chriftlidie SReligion ber SLRenfch» 
heit. Durch ihr Sicht wirb bie Bucht beS ©ei» 
beiithumS Dertriebeu: „Denn bie ©öfeentempel 
finfen, wo beS Strenges Sterne blinfen." 3 « 
ihren wärmenben Strahlen gebeifjt alles ©bie 
unb Schöne. BolfS» unb ©ochfchulen entftehen 
überall, wo biefe SReligion fich Bahn bricht. 
Äultur, ©ioilifation, ©rfinbtiugen, SBiffenfcfeaf« 
ten unb fünfte finb ihre Begleiter. Anftalten 
für Btinbe, Daubftumme, ^ir finnige, Unglüd» 
lic^e, Srante tiitb Berfommene aller Art werben 
burch fic geftiftet. Sünbenfnechte werben be» 
freite ÖotteSfnechte. Sdjnaubenbe Sanlufemer» 
ben treue, begeifterte 3eugen für ©hrijtum. 
Druntcnbolbe werben in nüchterne SERenfchen, 
unb Flucher unb Säfterer in Beter iimgewan» 
beit. Die ftamilienbaube werben burch biefe 
SReligion befeftigt unb geheiligt. SReine Siebe 
oerbinbet ba bie ©erjen ber ©begatten, ber ©1= 
tern unb Äinber niiteinauber. Die ©läubigen 
werben in ©emeinben, bie „ein ©erj uitb 
ehie Seele" finb, Dereinigt, Don benen gilt: 
„Sielje, wie fein unb lieblich ift eS, wenn Brü¬ 
her einträchtig bei einanber wohnen." 

„It?o Bant» tit Igaitb, 

Dnrdy’s frtjöne £anb bes tebens Ade gelfn; 

Da ift es noch einmal fo fdjön, 

tPo mir fie tranbeln fef)’n." 

Unb welchen ©influfe wahre SReligion auf ben 
Staat anSiibt, baS beweifen uns bie Bereinigten 


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Plein gutes Plutterle. 


263 


Staaten. Die Religion ber $ i l g e r * 93 ä t e r 
herrfcßte nod) jur 3?il ber fReoolution unb ber 
Serfaffung ber Gonftitution. Das ©ebet 311 
©ott in bem Flamen 3>efu ©Ijrifti meiste 311 
jener 3 ?it bie 93 erfammlungen beS ©ongreffeS 
unb ber Staate = ©efeßgebung. Der gute alte 
ttaifer 9 Bi(helm unb fein tluger s D(inifter 93 iS= 
marrf miffen ebenfafte, mie feßr notßroenbig bem 
Staate bie '«Religion ift; bartim (lagen fie über 
bereu Verfall, unb ermahnen befoitberS bie 93 re* 
biger unb Spießer, berfelben mehr 91 ufmet(fam= 
(eit 311 fdjenfen. 

9 lber leiber ae(jt gegenmärtig ein leister, 
flauer, freier (Seift burd) bie 9 öelt. Der ©eift 
ber Uuabljängigfeit non jeber Autorität mirb in 
allen Säübern unb in allen Schichten ber 93 e= 
uölferung roahrgenomtnen. 93 ou bem ruffifcbeit 
fRißiliften, ber feinen Sfaifer ermorbet, bis f)erab 
ju bem gehnjäljrigen Sdjulfuaben 2 (merifaS, ber 
mit ber Gigarre im 9 )fuub fid^ meifer bünft als 
feine Sefjrer, hulbigt man bem 3 e i t g e i ft, ber 
alles ©hrroürbige umftoßen unb nur bem 93 er* 
gnügen unb ber 9 Jtaterie leben miO. 

Doch bürfen mir uns babureß nicht entmutbi* 
gen (affen, benn „berer, bie bei uns finb, ift 
meßr, als berer, bie bei ihnen finb/' „De*£)err 
^ebaotß ift mit unS, ber ©ott 3 : afobS ift unfer 
Sd)ufe." (Ss barf uns auct) nicht befremben, bafe 
bie Sceligion 9 Bibcrftanb finbet; baS mar ber 
Soll, feit ftain feinen 9 Jruber 9 tbel erfdjlug. 
Die ginfterniß fjat immer baS 8irf)t gebaut. 
Uub baß bie Jfircße bei ihren eigenen üfinbern 
oft ben 'iBeltgeift eutbeefen muß/ auch baS barf 
uns nicht entmutigen; benn in jebem einzelnen 
Weufd)eu entfteßt ein ftampf, ehe er fid) bem 
Ferrit ergiebt unb rnaßre {Religion fuebt. Der 
Mpoftel fagt: „Das gleifdj gelüftet miber ben 
©eift, uub ben Seift miber baS gleifcß; bie* 
felbigen finb miber eiitanber." Unb melcßeS ©e* 
ftänbniß macht ©ötbe: 

„3n>ei Seelen wohnen, ad?l in meiner Bruft, 

Die eine will fid? pon ber anberrt trennen; 

Die eine hält, in berber liebesluß, 

Sieb au bie IPelt, mit Flammernben 0rganen; 
Bie anbre bebt getpaltfam fief? pom Duft 
§u ben (Seftlbeu bober ^Ißnen." 

Sehnliche Erfahrungen macht jeber OTenfd). 
Wur fofl er fid) nicht fein Seben lang mie ein 
Spielball bin unb her merfen (affen. Gs muß 
fid) bei 3 e b e m e n t f cb e i b e it, ob er für 
ober miber ©ßriftuS ift, ob er auf ben 
©eift ober auf baS gleifdj fäen mifl. 2 Bohl bem, 
ber fid) für beit f)errit entfeheibet. Unb je früher 
im Sehen bieS gefebiebt, befto beffer. Daß bie 
Sugenb erft „ihren milbeu £>afer feien" unb erft 
„austoben muff," ift eine Sehre aus bem 91 b* 
grunb. Die $inber frommer ©Item befonberS 
füllten fief) fchon in früher Sugenb ©ott meißen. 


Wäntter, bie oon ftiubljeit auf fich bem £errn, 
ihrem ©rlöfcr, junt ©igentßum ergeben hotten, 
mie ©raf 3 mfenborf, Speuer unb 2ikSlct), hat* 
ten bieS nie 31t bcflagen. ;V früher ein 93 auin 
oerpflattjt unb oerebelt mirb, befto beffer gebeiht 
er; imb je früher fid) eine Seele oon ber 9 Belt 
unb Siiube loSrcißt, befto meniger £)inberniffe 
mirb fie fiitben. 9 lur oöllige ©ntfehiebeußeit 
trägt ben Sieg baoon. £>alb mit ber SBelt es 
halten molleit, ift Dhorßeit; beim „reicht man 
ben (leinen ginger her, fo nimmt fie gleich bie 
£)anb." 9 luffd)ub ift gefährlich, ©in 
etma geßnjähriges TOäbcßen mürbe oon ihrer 
betenben Wutter oft erufilict) ermahnt, bie 9 Belt* 
Inft 311 meiben, uub 3 e fn Ihr ^erg 311 geben. 
Sie mollte nicht, benn fie liebte bie luftigen ©e* 
feilfehaften ber 3 ugenb. So (am fie eines 91 benbS 
fpät I)eim 001t einem Dangträii3d)en. 3ßr @e= 
miffen mar aber unruhig, ©he fie fich fd)lafen 
legte, fchrieb fie auf ein Rapier: „feilte über 
ein 3 fahr mill ich mein 4)er3 ©ott geben." 9 lber 
fie mar noch nid)t 3ufrieben; unb eine 333 eile 
fpäter fdjrieb fie barunter: „feilte über fed)S 
Wonat mill id) mein ^)er3 ©ott geben." Den 
anberu borgen mar oie Sonne längft auf ge* 
gangen, aber bie 3 achter (am nicht, ©üblich 
fiieg bie Wutter bie Dreppe hinauf, nach ihr 311 
feheit. Sie fiebt ein 931 att Rapier auf bem Dif<he 
liegen uub lieft: „feilte über ein 3a hr, 
— heute über f ed)s 9 H 0nat mill ich 
mein er3 ©ott geben." Dief gerührt 
tritt bie fDhitter au baS 9)ett, um ihre 3od)ter 
311 meden, unb fiehe ba: S i e i ft e i 11 e 8 e i <h e. 
6 S mar 3 u fpät! „Sehet, jeßt ift bie an* 
genehme 3 *it jeßt ift ber Dag beS £eils!" 


Uleiii 0utf0 mntterle. 

9luö bem l'eben euie-J jünnft »erftorbenen beutf^en 
lenmeifters. 

Sun 8. 8t. 

war eiiteä (Soiintaii ?Ibeitb§ im ©omniet 
S® 185 ., als fief) t>or bem SitletfdjoUer eines 
T mittelbeutfcöcn Saf)iif)ofe§ eine tmflrtulbifle 
®oIf§menf|e bränflte. ©JiiI)fom fd)o() fid) ein 
nrme§ nltc§ Wütterd^en binbitrd) unb fvinite, bn 
bie niüben 9 (ugen ben au§fief)änflteu 2avif mobl 
nimmer ju lefen bermodjteu, ben Xl'nffirer mi^ 
bem ffnljvpreife pr inidjfteit Station aufmiirt§. 
Wiirrifc^ nannte biefer ben Setraii; fie pii ein 
büinie§ Seutetc^en, aber ibr Äleinpelb reichte 
nicht mehr ait§: fie leerte ein Sitberftücf — ba§ 
ein-üge — auf baä ©efimfe unb fnchte ba§ |>er. 
auehefommene mit metfer, jitternber .fianb p. 
fammenpflauben. „SBortnärts, oormärts!" er= 


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264 


Pein gutes Pufferte. 


fdjoll e« oon ben 9 ?od^bränftenbcit, unb ein bter= 
fchrötiger Unljolb fließ bie 9 (lte fo heftig jur 
©eite, baß fie oon ber Stufe abglitt unb toim» 
inertib an bie Wauer taumelte, roährenb fSabr* 
farte, SBeutef unb ©elb unter bie fjiiße ber bid)t» 
gebräunten Senfe fielen. 

Sa pfiff bie Wafdjine; Me« eilte in bie 2 Ba» 
gen, unb jeßt fchlich and) bie arme Me toieber 
fjerbor, um ifjr bi«cheit |>abe jufammenjufucben. 
©« ging mopl nicht leicht; erft wenig hatte fie 
miebergefunben, als eine fünfte Wännerftimme 
neben ihr fragte: „Sarf ich ©ttd) nicht helfen, 
gute« graule? hohe Me« gefehen;" unb 
ohne Antwort abjumarteu, hoff ber 3?ragenbe 
nun getreulich fachen, mar natürlich auch ge* 
toanbter unb glüctlicher, fo baß er bereiten al§» 
halb eine fjaitbooH Wütisen toieber in’« Seutel» 
<hen leeren tonnte. „3 ft’« nun Me«?" fragte 
er toieber. — „ 9 (<h tieiiil" fchltichjte bie Me, 
„noch ein halber ©ulben fehlt." — „falben 
©nlbeit hab’ ich eben teilten," üerfeßte ber, toie 
bie van jeßt erft mahrttahm, junge unb gutge» 
fleibete fjerr; „aber nehmt nur biefen gönnen; 
toerbet ihn wohl brauchen föuiien." — „3a, 
toenit ich nur heute noch heiintäme!" tlagte bie 
tfrau toieber; „aber e« geht fein 3ug mehr auf» 
märt«! toa« foll ich anfitngeii? 3 U t$ufj gehen 
fatttt ich bie jroei Stunben nicht mehr," unb 
begann nun bitterlich ju meinen. 

“ Eutin,” fagle ber junge Wattn, beffen Siebe 
fonft etroa« oberbentfch, faft fchmei^etifch tlang, 
„bann fahr ich Such heim; mein SBivth gibt 
mir feinen Ginfpätiner, unb meine Siebenfachen 
finb fchttell gepadt; jeßt ftiißt (Such nur auf mich 
unb fomntet mit; habt 3br noch ©chmerjen, 
liebe« fjfvattle?" — „Sich ja!" mar bie Mtmort, 
„an Mm unb -fyuft, oom Stojje be« milbett 
Wenfchen! — Slber fugt, guter £>err, toie fomntt 
3 hv baju, (Such einer armen alten Jfrau fo an» 
guttehnten, bie 3h* dar niefjt tennt?" — „'Srtun 
hab’ ich," tagte ber junge Wattn mit unterbriid» 
ter fRithrung, „weit, meit oon hier felber noch 
ein alte« Wutterle, gerab’ fo fleitt unb fcbntäcb» 
tig mie 3hß unb hat e« mich erbarmt, toeil 
auch ihr fo ct>»a 3 toiberfabren tonnte. Stber 
jeßt toinmt, übet ein; macht’« ©itdj nur recht 
bequem; futfebiren toerb’ ich felbft." 

Sprach’«, brachte fein Keine« ©epäd unter, 
bereinigte noch ba« Slötbige mit bem SSirtfj unb 
führte nun feinen greifen Schübling burch bie 
marine Sommernacht ftromaufmärt« in bie £)ei» 
mutf), ein ärmliche« Sörfd&en. Sott half er 
il)r noch fättberliih ootn SBagen, unb al« fie 
mich heißen Segen«morten bat, ihr auch feinen 
Mimen git nennen, fagte et nur: „So lauge ich 
hier mobilen toerbe, mögt 3be mich Joachim 
beißen," unb lentte hinüber 31t bem einzigen 

mehr al« bcfcbeibeiten ©afthaufe be« Orte«. 

* * 


Sie alte ffrau hatte gnm ©lüd feine fftachroe« 
hen oott bem erlittenen Unfälle, aber nicht mübe 
mürbe fie, ihrer 2 och ter 3 lqne«, einem jarten, 
blaffen ©efehöpfe, bie ben ganzen Sag an ihrer 
Mharbeit fuß, Oott bem guten #errn Joachim 
311 erjahlcn, ber noch immer brühen im „Sareu" 
mohnte. Sltif bie fjrage, loa« er bort.allemeil 
treibe, hatte bie 2lürth«tod)ter, eine ^reunbin 
ber eignes, nur berichtet, baß er auf grobe 
Slätter fünffache Sittien siebe, uttb barattf jahU 
lofe ißuntte, Striche unb Reichen eintrage, ohne 
irgenb eine tßorlage 311 haben, unb obettbrein 
mit fabelhafter ©Cbnelligteit. Souft laufe er 
braufsen in ben SBalbbcrgen herum, unb bei 
ben Wnblseiten fei er meift fChmeigfam unb 
gebanteuooll; höchften« futttme er leife oor 
[ich hin. 

©beit fpradjen fie toieber bon ihm, al« er, 
eine große Schachtel unter bem Sinne, mit ben 
SBorten in bie Stube trat: „Sa fel)t einmal: 
hat mir mein gute« Mutterle mieber eilten ganj 
unbe3toingli<hen Raufen ©htoaareit gefanbt; 
3b*-merbet bamit mohl fertig merben!" 6« 
roarett allerlei gute Singe barutiter, bie auch 
ber Söilheltn bemuttbern unb toften mußte: ba« 
mar nämlich ein ljübfcher junger Wettfch in 
SJerginaunetracht, ber fid) insmifchen geräufeh» 
lg« eiitgefuiiben hatte. (Sr toarb £>errn 3 oa« 
chint al« Bräutigam ber Slgne« oorgeftellt, fah 
aber heule gar trübe barcitt, ba er, mie allmälia 
herau«tam, mieber eilten oergebliChen Mrfttch 
311 leibtoeifer ©rluiigutig ber huubert Sfjaler ge» 
macht hatte, bie er 31m Kaution flellen füllte, um 
einen f)au«ftanb begrünbeu 31t föntten. 

©r felbft befafe nicht« al« sroei träftige Slrme 
3unt Mbeiten; fein Leiter mar gleichfalls '-Berg» 
manu, sttgleich aber, mie 3oad)im mit fteigen» 
bem Mtljeil oernahm, ein fo leibeitfchattlicher 
©eiger getoefen, bah er, al« er fief), mie oft in 
freien Womenten, auch brunten in einem ent» 
legeneu ©äuge be« Schachte« mit feiner gelieb» 
tett SMoliue unterhielt, einmal ba« SBarnungS* 
seichen überhörte, welche« ba« ©inbringen hon 
SBaffer anseigle, unb ein Opfer ber unterirbi» 
fchett fSlutheu mürbe, „Mir einhuubert Sha» 
ler?" murmelte .frerr Joachim noch im fSort» 
gehen, uttb ein ^lan fChien in feiner Seele 
31t reifen. Mtbertt Sage« erhielt Söilhelm ein 
Reifet unb einen '-Brief ber lautete: 

„Sieber junger fyreutib! Sebor ich 
heule ttjalaufmärt« reife, mu|5 iCh Sie um einen 
©efallett bitten; e« liegt mir feljr oiel an biret» 
ter perfönlidjer '-Beftellung beifolgeitbett 'Bad» 
chen«: bitte beforqen Sie e« felbft nach S. unb 
geben Sie e§ perfönlich in bie ^tattb be« Ulbref» 
faten; ba« fyabrgelb hin unb suried liegt bei: 
leben Sie mohl unb grüßen Sie noch beglich 
bie ihrigen mie Sie Slgne« unb ihre Wutter 
hoffentlich halb nennen biirfett. Joachim." 


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Erinnerungen an Paniel itJebffcr. 


265 


Das Sädd)en war an eine berühmte Stufif* 
hanbluitg abreffirt; als es 2Bilbelin bort ab* 
gegeben batte tinb fiel) zum Sfortgeben anfdpdte, 
rief ihn jeboch bev ©hef no<b iit’s Gontptoir: er 
habe ibin auf Orbre bes Sbfenbers bunbevt 
ibaler baar auSjiijablen. SMlhelm traute faiim 
feinen Gingen unb Ohren; niemals war er non 
S. gefcbwiuber beimgefomineit; jeßt war ja alle 
9totb ju 6 nbe unb bie Sbenbfonne befreien brei 
glüdlicpe 'JDtenfchen mehr auf ber Sielt, ja biel* 
leicht auch nod) ein paar weitere; benn ber Stufif* 
bänbler trat triinnpljirenb ju [einen GompagnouS 
unb zeigte ihnen eine neue brillante Klabierfuite, 
bereu Sutor ficb nannte — 3oachint Saff. 


ftrtnnmtiigcit an Paiitel Hfcbftrr. 

3nr #««$ nub #erti bott ®. Ott. 


f u beit Stänuern, welche in nuferem 
Sanbe nicht leicht ber Sergeffenheit 
aubeimfalleii werben, gehört auch 
Daniel Skbfter. Gr war einer ber 
größten, wenn nicht ber größte 
Ütebner SmerilaS, uitb fein Sehens* 
lauf bat beute noch ein 3 utereffe für uns. 
Einige turje '-Bewertungen über bcnfelben mögen 
hier folgen. 

Sein 3Utgenbleben bietet nichts Sufeergewöbu* 
liebe». Gr war ber ©ofjn eines SanbinnitneS bei 
©alisburp, 9t. £)., wofelbft er im 3a hie 1782 
geboren würbe, ©eine Glteru waren rechtßhaffen, 
ehrlich, fromm, aber tief in ©chulben, fo bof? es 
ihnen faft unmöglich f<hien, biel an bie Gr* 
Ziehung ihrer jablreidjen Kinber ju wenben. 
Daniel war ein fleißiger, geborfamer Knabe 
unb geigte frühe große gfähigteiten 511 m Semen. 
3m fünfzehnten 3abre trat er in baS Kollegium 
ju Dartmouth unb grabuirte bafelbft im 3 al)re 
1801. Gr fuebte bann fich etwas ju berbienen, 
baburch. baß er bei einem 3 eitungsbrutfer half, 
als Sbfdpreiber tbätig war ober ©djule hielt. 
X.inii waitbte er feine Sufmertjamfeit bem ©tu* 
bium ber '.Hechte ju unb wurbe im 3 a bre 1805 
}iir SJkayiS zugeiaffen. 

Salb barauf wurbe ihm eine ©teile mit einem 
©ebalt bou zweitaufenb Dollars augeboten, buch 
auf ben SHatl) feines alten SebrerS fcplug er bie* 
felbe aus, ba fie feilte ©ebanfen bou feiner er* 
wählten Sauf bahn oblenten möchten. Salb bar» 
auf miethete er fid) ein 3 'ntmer in einer fleinen 
©labt unweit feiner £>eimntb. Gr tagt felbft 
bon biefer 3 eit: „ 3 <h wohnte bei meinen ©Ilern 
unb ging Borgens ju fjuß nach meiner Office 
unb lehrte SbenbS auf biefelbe Skife heim. 3<h 
hatte mir borgenommen, bie £>eimath nicht zu 


berlaffen wiihrenb mein Sater lebte, einerlei, 
wie es ihm gehen möge. 3d) Blieb bei ihnen 
jwei 3 «hre. ' 3 « biefer 3 ?it berbiente id) nicht 
©clb genug meine Stietpe zu bezahlen, aber ich 
blieb bis mein Sater ftarb, nub erhielt feinen 
©egen. Dann ging ich nach SortSinoulh unb 
begann bie Saufbahn, bie ich wir gewählt." 

Kaum hatte er fiep in SortSmoiitl) nieber» 
gelaffen, fo hatte er großen 3 »lauf unb war 
balb als einer ber heften Sboofaten bes ©tanteS 
betannt. tjilnf 3 «hre fpäter oertrat er einen 
Dpcil feines Staates im ©ongreß unb wurbe im 
3ohre 1814 miebergeroäljlt. Dies war eine be= 
wegte 3eit. Der Krieg mit Gnglanb, genannt 
ber Krieg bon 1812, mar bamalS gerabe im 
©äuge, unb ba Skbfter biefen Krieg nicht billigte, 
ließ er feine ©tirnnie balb hören, unb zwar fo, 
baß bie Sefiirworter beS Krieges halb fühlten, 
was für einen mächtigen ©eguer fie an ihm hat» 
teil, Gbeufo thätigen Sntljeil nahm er au allen 
aubern wichtigen fragen, welche bor jenen Kör* 
per gebracht würben. 

3tn 3al)ve 1810 berlegte er feinen Slohnort 
nad) Softou. 3411 3ah« 1828 wurbe er noch 
bem ©enate gefanbt, unb fein Ginfluß bafelbft 
war fo groß, baß er ber „Dtiefe beS ©enateS" ge* 
uannt wurbe. 

SIS fpäter ftorrifon ben Srüfibentenftnhl be= 
flieg, würbe Si'ebfter ©taatsfefreteir unb beflei* 
bete bieie ©teile bis zum ©nbe ber Sbminiftration 
Dplers. 3m 3abie 1844 trat er wieber in ben 
(Senat unb im 3ah*'e 1850 warb er abermals 
©taatsfelretär, unb betleibete biefe ©teile bis zu 
feinem 2obe im 3al)ve 1852. 

Skbfter war ein Staun, ber fid) felbft be* 
herrfdjen tonnte. 3nmitten ber bißigften De* 
batten, mitten unter ben bieten pcrföulidjen Sn* 
griffen feiner ©egner blieb er ftets feines StntljeS 
tperr, unb zeigte fomit einen £>elbenmutb, wie 
er feiten zu fiitbeit ift. Dies War ohne 3weifel 
eine Urfadje feiner großen Seliebtheit, beren er 
fich erfreute. 

Sber er zeigte auch fonft großen Stutfj. Dies 
zu ifluftrireu führe id) eine Segebenheit feines 
SebenS an. 3m 3‘ih« 1812 waren in Salti* 
more Dtuheftörungen borgetomnten, wobei einige 
fjföberaliften, barunter ©eueral Singan, getöbtet 
würben. Kurz nochbem bieS gefchebeit, fatn 
I Daniel Skbfter auf feinem Skge nach Slafh* 
: iugton burch jene ©egenb. SIS er etwa fünfzehn 
! Steilen nörblid) bon Saltimore war, brach her 
Singen, unb guter 91ath war theiier. Skbfter 
war in großer Gile, benn er folltc in ©achen, 
bie leineit Suffdwb leiben tonnten, oor bem 
Obergericht erfcheinen. Deshalb ging er zu ^uß 
bis iii baS uädjfte ©täbtehen, fuchte ein ©afthauS 
auf unb bej’lellte Sbenbeffen. Slährenb man 
baffelbe bereitete, hatte er ©elegenheit, fich wei* 
1 ter umzufeheu unb zu erlunbigen. Durch bie 


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266 


(Srinntrungen an ianiel fBebfter. 


halboffene Dljür ber ©aftjtube tonnte er in baS 
Schcntlofal feljen, toorin eine Slnjafjl Wänner 
maren, melche fleißig trmifen unb fich laut imb 
lärinenb unterhielten. Unter ihnen gemährte er 
einen großen ntuslulöfen Wann, beffeu ©efichtS. 
jiige nichts ©uteS berrietljen. ©r fchieit bei ben 
Slntoefenben biel ju gelten unb führte baS 2ßort. 
9llS man nun baS Slbenbeffen brachte, frug er 
bie SJtagb, toer jener Wann fei. 

„6i, fennen Sie ben nicht?" fagte biefelbe, 
„baS ift >h'i Wumnta, ber Schlächter." 

Söebfter erinnerte fich, bon biefem Wanne 
gehört ju haben, unb meldjen Dbeil er an ben 
Unruhen in Saltimore genommen hatte, mar 
ihm auch betannt. SSßar er eS boct) gemefen, 
burch beffen $anb (General Singait gefatieu mar. 
SBebfter hatte fich bem ffiirtl) ja erfenuen ge= 
geben, unb 'ihn erfucht, ihm ein Smhrroerf unb 
einen ffutfcljer ju beforgen. Diefer hatte eS oer= 
fprochen. BIS ber junger gefüllt mar, fagte er 
.bem Söirtfj, er roolle nun meiierreifen, unb halb 
barauf hielt bie ffutfdje bor ber BIS er 

einfteigen moflte, entbecfte er, baß eben jener 
3of)n Wumnta fein Fuhrmann utib einziger 
Begleiter fein merbe. ©S fiel ihm ein, baß biefer 
Wann ben ©eueral Singait ermorbet hatte, meil 
er ein ffoberalift mar, unb eS beSßalb für eine 
gute Ihat halten möchte, ihn, ber auch als 3?ö= 
beralift betannt mar, ebenfalls aus bem 2Bege 
ju räumen. Doch jeßt mar feine 3 e 't jum Be= 
fiitnen. „Sich fühlte," fagte er, „jung unb ftarf 
unb bachte, Stiemanb mürbe mich fo leicht unter 
baS Dt ab bringen." 

Die Seilte in ber Sctjenfe hatten unterbeffen 
beS ffremben Flamen gehört, unb fie brängten 
fich am bie ff utfche herum, ben berühmten Wann 
ju fehen. SCßebfter fprang in baS ©efährt, fein 
Begleiter ebenfalls, nnb fo ging eS UBafhington 
ju. Einige Weilen fuhren bie beibeit ftiflfcßmei. 
genb jufammen, bis fie in einen bichten iöalb 
tarnen. Bläßlich hielt fein ftuhrmonn ftill unb 
manbte fich ju ihm mit ben SJorten: 

„Sinb Sie Daniel Sßebfter ?" 

„Das ift mein Barne," erroiberte SCßebfter. 

„Unb mijfen Sie, mer ich bin?" fuhr fein Se= 
gleiter fort. 

„3fa, ich meiß eS," mar bie Bntmort, „Sie fiitb 
3obn Wumma, ber Schlächter." 

„Sie fennen mich alfo," fuhr biefer fort, „unb 
Sie fürchten fich nicht, mit mir allein in ber 
Stacht biefen ffieg ju machen ?" 

„Sticht im ©eringften," fagte SCßebfter, „toeS. 
halb foflte ich Sie fürchten ?" 

„3<h roeiß nicht," fagte ber Wörber, „aber ich 
benfe, es ift fein jroeiter fföberalift im Saitbe, 
ber fo fprechen mürbe. 3<h bin froh, ©ie ju 
fehen," fuhr er fort, „um mein föerj megen ber 
Unruhen in Baltimore ju erleichtern. 2öir, bie 
mir baS ©efängniß angriffen, hatten feine böfen 


Bbfichten gegen ©eueral Singait, ©eneral See 
unb Bnbere, melche bort eingefchloffeu maren; 
mir mürben burch aubere berieitet. Wau fagte 
uns, baß nufere Stepublif bemühen unb bem 
fyeiube überliefert merben follte, unb baß eine 
Bnjaßl bon ihnen eine B'efie in Baltimore fjät» 
ten unb jebe SSßocße ihre hodjberrät^erifdjen Bläue 
brucften unb in bie SBelt hinauSfenbeten." 

ffurj, 'Wumma hatte eine lauge ©efctjichte ju 
erjähleu, unb als er biefelbe bcenbigt hatte, 
maren fie bor BarnumS £mtel in B'afhiiigton. 
SCßebfter ftieg mohlbehalteit au§, unb als er fei. 
nem fjuhrmaun ben Sohn für bie gohrt anbot, 
mollte ihn biefer nicht annehmen, fonbern brehte 
um unb fuhr babon. 

Dorf) BkbfterS Bühnt grünbete fich haupt« 
fädjlich auf feine mächtigen Beben, melche er hei 
berfchiebeneu ©elegenheiten hielt. 

Die erfte berfelben, melche ich ermähnen will, 
mar bor bem BunbeSobergericht im ffafle beS 
Dartmouth = Kollegiums. Diefelbe hielt er im 
Safjre 1818 im Blter bon fedjSunbbreißig 3ah« 
ren. ©S mar feine erfte Bebe bor jenem fförper 
unb mährte über bier Stuuben. Der ©inbrud 
mar ein foldjer, baß einer ber Bidjter f put er 
fagte: „Die erfte Stunbe laufchten mir mit 
Staunen, bie jtoeite mit ©ntjüden, bie britte 
mit Ueberjeugung." ©r mar berfjältnißniäßig 
uubefannt in ben ©crichtsfaal getreten unb bet. 
ließ benfetben mit bem Buhm, einer ber größten 
Bebner BnierifaS »u fein. 

Die jrneite große Bebe, toeldjer ©rmähnung 
gefchehen fofl, mürbe in bem fogenannten Dampf, 
bootfade gehalten. ©S hanbelte fich barum, ob 
ffulton, bem ©rftnber beS Dampfbootes, für 
immer baS alleinige Beößt gegeben merben follte, 
ben £mbfon=ffluß mit biefen Booten ju befahren. 
SCßebfter mar eS, ber in Serbinbung mit SEBirt 
opponirte. Shnen gegenüber ftanben bie größten 
Bbbotaten jener Sage unb jmar bielebon ihnen. 
Bachbem bie ©egenpartei gerebet, nahm SCßebfterS 
©ollege, als ber ältere bon'Seiben, baS SBort. 
Dann tarn ÜBebfter an bie Beibe. ©igenthüm« 
lichermeife faitb er fich genötljigt, nicht nur baS 
Brgument feiner ©egner über ben Raufen ju 
roerfeit, fonbern auch baSjeitige feines ©ofiegen. 
®r that baffelbe auf eine fol^c SBeife, baß bie 
©ntfcheibung beS ObergeridhteS nicht nur ju fei« 
neu ©unften ausfiel, fonbern baS Urtheil fafl 
ganj unb gar eine SBieberljoIung bon SSJebfterS 
Slrgumenten mar. 

Die (eßte große Bebe, melche ermähnt fei, 
mürbe gehalten in ben Rollen beS Senates, jur 
Seit ber Debatte jroifchen ihm unb #apne bon 
Siib=©arotina. @S hanbelte fich uni biefelben 
©runbfäße, melche fpäter ben ff rieg herborriefeit. 
Bßebfter oertrat ben SJorben, ^rnpne ben Süben. 
Sn jener 3 f ü hielt er bie glänjenbfte Bebe, 

| melche jemals in ben fallen beS ©ongreffeS 


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JHe geiffige Entwickelung lies finites. 


267 


gehört mürbe. DllS biefelBe 31 t ©nbe mar, fugte 
einer feinet jjreunbe 311 ißm: „£>err Pfebfter, 
Sie foDten eigentlich jeßt fterben, unb ben 1)1 ul)in 
biefer iHebe bemalten." „Dteiii," fugte £>apue, 
fern ©egner, ber nahe ftunb, „Sie follten nicht 
fterben. ©in DJinnn, ber folcpe Dieben holten 
fami, follte niemals fterben." 

Difebfter war bei aller feiner ©röße chriftlicp, 
wenn man nicht fugen will ein ©brift. 'Oie ©in» 
briiefe, welche er in ber 2 |iigenb empfangen, mur» 
ben niemals oermifept. Pfo immer er war, ob 
in SoScaoo, in Portsmouth, in Pofton ober in 
Pfafhington, mar er ein beftänbiger Kirchen* 
ganger. Sein ganjer ©paratter mar ein reli* 
giöfer, obwohl fjerjenSreligion ihm Dielleicpt 
unbefaunt war. ©r war ein Pertpeibiger beS 
©briftenthumS unb einer, bet es glaubte unb 
fdjnßte. Oie' Pi bei ftanb bei ihm in hohen 
©hven unb religiöfe Pücper gehörten 311 feiner 
SicblingS»Seftüre. PfattS geiftlicpe Sieber liebte 
er, unb burck cpriftlicpen ©efang würbe er oft 
3 u ihrünen gerührt. 

Um einen beffern ©inbfief in bie religiöfe 
Seite feines Sehens 311 gewinnen, laßt mich ein 
Peifpiel anführen. ^opu ©olbp war ein wilber, 
gottlofer Pfnnit, ber DBebfter’S Schwefter ge» 
heiratbet hatte. Piele 3 ab rebarauf mürbe ©olbp 
belehrt. Pfebfter hatte ihn f<kou jahrelang niept 
mehr gefeken, befmhte ihn aber halb nach biefer 
3eit. Pad) ber erften '-Begrüßung begann ©olbp 
Don ber großen Periinberung, welche in ihm oor» 
gegangen mar, 311 reben unb feploß bamit, baß 
er Pfebfter bireft frug, ob er ein 6 prift fei, ob 
er ©hriftum liebe. 

„3fohu ©olbt)," fagte Pfebfter, „bu hu ft mir 
eine wichtige ftrage Dorgelegt, eine 5 rage, bie 
nicht leichtfertig beantwortet werben follte. $cp 
will bir eine Putwort geben, eine Pntmort, bie 
Wahr ift, ober ich gebe bir gar leine. Scp hoffe, 
baß ich ein ßprift bin; ich belenite ein ©brift 311 
fein. Pber wapreub icp bieS fage, münfepe icp 
hin 3 ii 3 nfefcen — unb ich tpue eS mit idhamrotpem 
©efiepte — baß ich fein folcpcr ©prift bin, wie 
icp gerne fein möchte. ^cp habe in ber Pfelt ge* 
lebt, umgeben öon ihrer ©pre ifitb ipren Per* 
fuepungen; unb icp fiircpte, icp war fein fo guter 
©prift. als icp patte fein folleit. 3 <p fürchte, 
nicpt ©lauhen unb jpoffnung wie bu 311 haben, 
boep hoffe icp, ein ©prift 311 fein, unb baß bie» 
felbe ©nabe, welche .biep befeprt pat, unb bid) 
311 m ©rben beS ewigen Sehens geinacpt pat, bei 
mir baffelbe tpun wirb. 3»p poffe eS; unb icp 
hoffe ferner — unb es wirb nid)t ntepr lange 
bauern, bis wir abgerufen Werben — baß wir 
uns in ber beffereu Seit treffen werben mit 
benen, bie uns uorangeaangen finb, welche mir 
fannten, unb welche berfelben freien ©nabe Der» 
trauten. ©S wirb nicht mepr lange bauern. Oh 
launft bir niept benfen, 3 fopn ©olbp, wie icp mich 


gefreut habe, als ich Don beiner Pefeprung 
hörte. PJelcp’ ein gottlofer Plenfcp warft bie 
früher." 

„O Daniel," rief ©olbp aus, „bu weißt niept, 
wie böfe, wie unbanfhar icp war; icp flimmerte 
miep niemals um ©ott; icp mar fcplimmer, als 
ein £>eibe, bis ©otteS ©nabe mir ©iupalt tpat. 
Uitb icp wüufcpe, Daniel, bu miirbeft ein mach* 
tiger ©prift fein, ich poffe, bu bift es, Oaniel;" 
unb ©olbp feßte pin 3 u: „Pfillft bu mit mir 
beten ?" 

Sie fnieten itieber unb Pfebfter fpraep ein 
inniges ©ebet, worauf ©olbp ebenfalls betete. 

Pfebfter lebte fieberig Stupre, unb ftarb am 
24. Oftober 1852. Sein ©nbe mar ein rußiges. 
Cpue gurept, fonbern rupig orbnete er bie Pit* 
gelegeuheiten feines irbifcpeii PermögenS. DllS 
er fein ©nbe fommen fühlte, betete er für einige 
Ptinuteu unb fcploß mit bem npoftoliiepen 
SegenSfprucp. DllS Or. ^effrieö ipm bnS Sieb 
DorlaS: ,,©S ift ein Pom, gefüllt mit Plut," 
unb er 3 U ber Strophe fam: „©inft Don bem 
fepönett ©immelsfaal SRaufcpt bir mein Sob 
perab," rief er: „Dirnen! Dirnen! Dirnen!" mor* 
auf er halb Derfcpieb. 

- 

Pie 0eijti0e <Kntit»ithfUni0 öes 
PiiikDi. 

/uS ift fepmer, bie ©epeimfeprift ber Seele beS 
I m ÄinbeS 311 erfeunen unb 311 entjiffern, aber 

* ber pppfiolog Profeffor Pf. Prep er in 
3lena pat biefe Dlufgabe unternommen unb im 
möglichen ©rabe gelöfl, inbem er in ber ßinber* 
ftube ein Oagebud) führte doii ber ©eburt feines 
SopneS an bis 3 U beffen brittem SebenSjapr. 
Oa er fiep täglicp minbeftenS breimal, DJlorgeuS. 
PtittagS unb DtbenbS, mit bem Uiitbe befepäf* 
tigte unb es Dor ben iiblicpen Oreffuren fcpiißte, 
fo fanb er faft täglich irgeiib eine 2 patfadpe 311 
notiren, welche auf bie toeelenentmidelung beS 
Keinen PfefeuS Pe 3 iig patte. Oer wefentlicpe 
Inhalt beS OagebucpeS ift georbnet in ein 
pocpintereffauteS Pud) übergegangen, weldjeS 
ben Oitel fiiprt: „Oie Seele beS ffinbeS. 
Peobacptungen über bie geiftige ©ulwidelung 
beS Ptenfcpen in ben erften Sebeiisperiobeii 
(Seip 3 ig, Op. ©riebenS Perlag, 1882)." 
Oer berühmte Pppfiolog bepanbelt barin bie 
©ntmidelung ber Sinne, beS PfillenS unb beS 
PcrftanbeS in einer griinblicp wiffenfehaftlicpen, 
aber auch bem größeren Publifum Derftanblicpen 
Pfeife; für jeben, ber an ber ©ntwicfelung ber 
Äinber l^ntereffe nimmt unb ber feine eigenen 
serftreuten ©rfaprungen erflärt, beftätigt unb 


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268 


Ju ^aufe. 


fpftematifcp georbn.'t fcpeit miß, i(l baS Bucp im 
popen ©rabe empft'hlen~roerth. 

Scpou fünf Limiten uacp ber ©eburt feines 
SopneS begann Breper befielt yicptempfiiiblicp» 
feit ju prüfen, inbem er ihn flehen bas freit fie v 
hielt; fie ift gering. Vfber ant jioeiten läge 
fcplicfteii [ich Sie Vtiu\ni bei 'ilitnäberimg einer 
.tterje mtb am neunten wirb ber Stopf uou ber 
glamme ettergifcp abgeroenbet, bann tneift baS 
St inb bie Gingen ju. ^nuner neue Beobacptim» 
gen finb gu conftatiren, bis im jmeiten 'Jßtoiiat 
hellgläitjenbc ©egenfiäiibe oft lautes Rubeln 
erregen. 9luf beu ffarbeufiitn toirb bas Stiub 
’päter geprüft unb erft in ber fiebeiiuiiöacptjig» 
teil 2Boipe Derutag' es rotb unb grün ju unter» 
epeiben, toemt and) nicht ftets richtig. BkiS 
baS fpörett betrifft, fo finb alle neugeborenen 
Äinber taub unb jtoar toirb biefe temporäre 
Taubheit oerurfaebt bnnpbaS fehlen ber 2nft in 
ber '-ßaufenhöhle oor bem Cnftathmen. Schmer 
ift es ju conftatiren, mann bie elften Schall» 
empftnbnngen auftreten, ba hierfür feine fiepe» 
ren 'Jlnjeicfjen borhanben finb. ^Neugeborene, in 
beten 'jtiipe eine ©lode angefcplagen mnrbe, 
menbeten ben Stopf nadj bet toeite berfelben 
unb unterbrachen baS Saugen, 'tim fiiufunb» 
jmanjigften läge erfeprieft baS Stinb bei uner» 
roartetent ftarfein Scpallreij. „3n ber aepten 
2öocpe hörte ber Säugling jum erftenmale 
2Kufif unb jmar .Qlaoierfpielen. ©r befunbete 
burep eine ungemöhulicpe Spannung im Singe 
unb lebhafte Bewegungen ber Brüte unb Beine 
hei febeni Sorte, foroie burep fiaepeu unb l'äepelu 


feine Befriebigung über bie neue Smpfinbuitg." 
3m oierttnbjioanjigften 'JLNonat fepon oerfuepte 
baS Stinb ein ifieb iiocpjufingeii. ©in auberes 
Stiub, ein Biabcpett, tonnte bereits iui neunten 
'JJionat jeben Jon, ber ipm auf bem St laoiei- 
angegeben mürbe, richtig naepfingeu unb iepieu 
lüfionanjeu unangenehm ju entptiubtn. 

Bon allen SinneSmerfjengeu ift aber beim 
neugeborenen Stinbe baS beS © e f cp m a cf e s 
bei ber ©eburt am heften auSgebilbet. XaS 
Siijse mirb fogleicp oon bem Bittern, Sauren. 
Saljigen unterfepiebeu. £)ier liegt einer ber 
beim iDtenfcpen feltenen Sälle bou angeborenem 
UuterfdjeibungSoermögett Por. ©ab mau bem 
■Wiubcpeu Gpiiiin, fo berjog es tläglicp baS ©e» 
fiept, müprenb eS 3 l| dertt)üffer mit Behagen 
laugte. 

Bon popem gutereffe ift bie fpftemntifcp unb 
genau burcpgefüprte Unterfucpung Brepers über 
baS Sprecpenleruen, bie Urlaute unb bie Sprach» 
aufäuge. 'iEie Biisbilbuug bes tiublicpen Ber» 
ftaubeS erroeift fiep als unabhängig oon ber 
Sprache unb ber gefuitbe Säugling oerftept 
©efprocpeneS oiel früher als er felbft bie gehör» 
ten itaute, Silben unb äßörter nad)apmenb per» 
borbringen fann. 55aS Stinb bilbet aber aus 
freien Stiideit, epe es anfängt ju fpreepen ober 
forrett bie Sptacplaute ju imitiren, alle ober 
faft alle in feiner fiinftigen Spracpe oortom» 
menben Saute unb ergöpt fiep barau. Xie ©r» 
faprungen, melcpe Breper auf bem ©ebiete ber 
Spracpeutmidlung maepte, gehören ju ben lepr» 
reiepfteu beS BucpeS. 




5 « 8 a u f t. 

giir §au$ uub £erb tum einer £an$fnm. 


ffrgirijtmg. (Scblufj.) „3cb badete , u jagte 2lnna, 
„ber Sater müffe Aiinbersucbt üben, ich fche aber 
nie, baft er e3 tbut." Stau Wcrwin nahm biefe 
©elegcnheit mahr, unb erflärte ben ftinbern, wie 
fehrber SBater fie liebe unb beftänbig für ihrffiohU 
ergeben bebaebt fei, wie er ihre Siebe unb $(d)tung 
berbiene unb fid) \>on £>er*cn freuen mürbe, wenn er 
fdbe, baft fie ihm mit Siebe unb BuDorfoinmcnhcit 
bebauen mürben. 

Die JBodic ging glüeflid) vorüber, bie .ftinber 
faben ein, bafe fie nichts burd) JBiberftanb bei ihrer 
Wutter aiWriobten tonnten, unb Derfudtten cd nicht 
mehr. 25cnit bagegen bie Alinber ihre Sadte aut 
madHen, lobte fie bie Wutter, unb bicfcä übte einen 
moblthuenben (vinfluü aud. 

Stil betn beftimmten Jage fam ber ffiater gerabe 
Aunt ^Ibenbeffen. ßintmer mar in fdtonfter 

Orbnung, baei Jycuer im Ata min brannte luftig, 
mehrere Siebter mürben ange$ünbet, bie Scftioneu 
gelernt unb bie Bücher toeggelegt. Butter unb 


Jtinber mareu in ihren ScftReibern gefdnnürft 
s }?iebcrgefchlageu trat .^err 3Keri)in in$ 3intmer, 
ebenfo traurig mie er e£ Dcvlaffen hatte, 
i „5)?eiit lieber Wann!" rief ihm feine ftrau mit 
freubeftrahlenbeut s 2lntlife entgegen. „Ibcurer 9Sa= 
ter!" jubelten ihm bie Atinbcr entgegen unb über- 
fdtütteten ihn mit fiüffen. ffiillie bradtte feinen 
groften Schnftuhl aim Jycuer unb 51nna legte feinen 
Ueberrocf mtb feine .^anbfdtuhe meg unb bann 
marteten fie, bi* fid) ber ®ater ermärmt hatte unb 
Sinn (5 ff eit fertig mar. 8fiu Sifdte waren fie junor= 
fommenb unb artig. 

v Ü>ährenb bc* ^ibeub* amüfirteu fid) bie ftinber 
mit ber Öanbfarte, mdhrenb $err Wermiit feiner 
iVrau feine Oteifeerlebniffe mittheilte. ®or bem 
Schlafengehen fameu bie fiinber suv Wutter unb 
baten um einen Äuft, melchen fie ihnen aud) freubig 
gab. (^tma* fchüchtern unb jogernb fameu fie juin 
äSater unb jagten: „%illft bu und nicht aud) einen 
Ahi& geben? Die Wutter fagt, ba§ mir heute brau 


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3u Haufe. 


269 


waren." ®er Sater füfete bk ffinber, war aber 
nicftt im Staube feine ©efühle ju bebcrvfd)cu, beim 
Stbränen liefen H>m über bie SBangcn. 

?lld bie Älnber fort waren, jagte Merwin mit 
'fievmiinberung 311 feiner grau: „©elenc, wie halt 
bu bid) vcräitPert! 2 Bie oiel glüdlwher unb jufrie= 
bener RehR bu aud ald oor einem Monat! Unb 
nidd blo^ biefcd, bie $inbet, mad ift mit ihnen oor= 
gegangen? Sd finb uid)t mehr biefelbcn ftiitber, bie 
id) bevlaffeu habe. Sie finb ia fo brau, frennblid) 
unb gehorjam. SBoher fommt bad?" 

$ann oriäbUe grau Gerwin, wäbrenb fie gleich 
seitig meinte unb ftd) and) freute, ihm bie ©efcbkbte 
bed lebten Mouatd, ihre Unternehmungen, Snt= 
fchlüRe, groben u. f. w., unb iefet ben Anfang 
ibree Srfolged. 

»Unb in einem Monat baft bu biefed aded fertig 
gebracht, ©elene? Sd febeiut mir beinahe um 
glaublich," erwiberte ©err Merwin. 

w3d> batte fveilid) alle meine Kräfte in 9 lnmem 
wenoung ßii bringen," entgegnete grau Genuin, 
„aber ich befdRoft eine 2lenberung berbeijufubren, 
mxb ehe bu gurucffoinmeu wuvbeft, wenn jolrf)ed 
menfehenmöglid) unb burd) ©otted ©nabe 311 ooll= 
bringen märe. 3d) hoffe einen günftigen Anfang 
gemacht $u haben, beim id) habe ©abcu unb ®a= 
teilte, ©efuhl unb Sbeilnabme in ben ftinbern 
entoeeft, oon beucn ich nie träumte, Mein lieber 
Mann, wir wollen und ju biefer Arbeit anbaltenb 
bereinigen, unb wer weiß, otcUckht bürfen wir und 
hoch noch ber Segnung eined treuen ftnechted er= 
freuen?" 

»Meine liebe ©elenc," erwiberte ber ©atte, ,,id) 
badete auf meiner laugen Ütcije an faft nichtd an- 
bered unb waren meine ©ePanfen bamit bcjdjäftigt, 
ald ich nach ©auie fam. 3dj batte mir feft borge- 
noinmen, in meinem ©ejehäft wie 311 ©au je im 
Untere ff e nuferer Äinber mandjed 311 änbcvit, bod) 
muft id) befennen, baft meine ©offmnig auf Svfolg 
einer burebgreifenben Umänberung febr febwad) 
war." 

So eilten Stunbeu babin, wäbrenb bie ©atten 
ficb über bie 3 u(unft befpvadjen unb SntfdjlüRe 
fagten unb ißläne entwarfen, wie fie bie bereitd 
fo herrlich angefangeue Deformation ihrer tfiuber 
fortfefeen tonnten. 

Sd wäre intcreffant, bie Stufen 311 berfolgen, 
auf meldjen bied Slternpaar, nacbbcni ed 311m rcd)= 
ten Siemufttjeiu feiner ^ßpücht gegen feine ftinbec 
erwachte, wirfte unb arbeitete, unb an SinRuft unb 
3utrauen gewann unb ficb biefed nicht allein in 
ber Sntmitfelung ihred Sbarattevd 3eigte, beim bie 
ßinPer juchten and) ben ©ervu unb burften fich ber 
©ofjming bed ewigen gebend erfreuen. Unb nicht 
weniger intereffant wäre cd, ben ftetigcu gortfehritt 
Jii oerfolgen# weld)er in ber äMlbmtg bed eigenen 
Bharatterd in allen feinen cbleii 3ügeu erfolgte, 
burd) welche cd gefdntft würbe biefe Arbeit 311 oer= 
richten. 2Bir wollen ieboch nur auf eine ®hat= 
fache, bie fich nach einem Sabre 3Utrug, binmeifen, 
unb welched bied illuftrirt. 

grau JBefton, bie gute grennbin, welche wir am 
Vnfaiifl biefer (Stählung ermähnten, war einige 
Monate lang burd) bie ifrantheit ihrer Siebter au 
bad ©and getcpclt. 3 br ©atte fam eiued Slbenbd 
jpät nach ©aufe unb jagte, er habe bei ©errn Mer= 
win gefpeift. 


»Unb ioie befanben Re fid)?" fvug gvauSBcfton. 
#d ift fd)on lange ber, feit id) ihnen einen äJefuch 
abftatten tonnte. 

„Uiibjch," fagte ©err SSBcfton, »blieb abfiditlid) 
ioeg. Sie batten immer Scbwievigfeitcn mit ben 
Miubern unb ihr ©and war ein febr unbehaglicher 
Ort." 

„3lt cd iefet beRer?" 

»Keffer! ®u würbeft bie Äinber unb felbft 
tan in bie Slteru mehr erfeimcn. ßrftend fehen bie 
Äfiitbcr nid)t mehr fo bleid) unb fcbwäcblich and 
wie früher, fonPeru finb fvifd), gefimb, tmll geben 
unb bod) recht artig. - 3d) bcobad)tcte fie genau unb 
faub t baft fie gegen einanber wie and) gegen mich 
febr tteuublid) waren unb ihren ßltevn aufo äBort 
folgten. 9 lld id) hinein fvim, lernten fie gevabe ihre 
Sdmlaufgaben, wcld)e fie nod) oor bem ?lbciibcjjcn 
ooUenben uwlltcn, unb wenn fie auf Sriiwicrigfeiten 
Rieften, gingen fie guv Mutter hin, bie ihnen 9lulet= 
tung unb ßrmuthiguug gab unb fie 311111 Sclbft- 
benfeu oeraulafttc. 8I111 ®ifd)e umven fie jo ans 
Ränbig ald itinber mir fein tonnten. Um acht Uhr 
tauten mehrere Ringe geilte 311m ^efueb 1111b ioie ich 
erfuhr, war ed 3m vegclmäftigen ®onncvftag= 9 lbenb 
3ufammenfunft. ®ic ftinber unterhielten fid) auf 
eine nüfelidje äBeife unb ©err unb grau Meiwin 
nahmen oft felbft regen Slntbeil an bev Unterbau 
tung. 9 litna unb ü&illie waren hierüber febr er= 
freut 1111b gaii3 bcfotiberd über bie Mutter, weld)e 
hin unb wieber auf bie aufgeworfenen gragen int* 
111er bie ridnige Antwort 311 geben wuftte. ®ie 
Äinber glauben, baft ^tieinanb in ber 2Tl>elt ihrer 
Mutter 9lctd)f6mmt. Um 3ebn Uhr oerabfchicbeten 
fid) bie inngcti 8eute unb gingen uad) ©aufe, wo^ 
rauf bie Äiinber 311 ihrer Mutter traten unb um 
ihren Ätuft baten. 33 ei ber Umarmung feiner MuU 
ter horte id) SBillie leife fragen: „2Bar id) heute 
brao, Mutter?" 3 d) tonnte nidu umhin, fie über 
bie Urfadjcn ber günftigen ikränbcnmg, welche 
fid) in bem Scncbmen ihrer Älinber funtgab, 311 
befragen unb oernabm bann, baft Re oor etwa 
einem 3nbt anfingen ihre $Rid)tcn ald Crltern 
ernftlid) 311 erfüllen, ©clcne fegte mii, baft bu 
ihr anfänglich basu bchülRich warft, ben gami= 
licngottcdbicnR ciu3uführen, unb feitbem hätte 
©err Merwiu folchen regelmäftig gehalten unb 
ed burfte feine Ungchorfanifeit ber ftiubcr icmald 
imbeftraft überleben werben. 2)ie ?lrt mit Sikije, 
wie bie fltnbcr angelcitet würben gegen 3ebcr* 
mann freunblich, moorfommenb unb bicuftfcrtig 
3U fein, fowie in Per Uebung ber SclbRoerlcug= 
nung, wäre ein 9 Sovbilb für alle ßltern. ©err 
Merwin geht, nid)t mehr wie früher, nad) bem 
^IbeitbeRen ind ®cfd)äftd3immer, fonbern nimmt 
regen ^Intheil an ber ßrsiebung feiner ftinber, 
unb grau Merwin hat bie grofeen ©cfellfchaften 
beinahe gan3 aufgegeben imb unterhält fid) blöd 
noch mit folchen greunben, bie ed gut unb reblich 
meinen. 3 d) mürbe bir rathen, Re wieber einmal 
31t hefuchcn, oergeRe aber ia nid)t and) bie Äiuber 
milAiiuehmen. 

,, 3 ch loerPe ed fobalb wie möglich thun," erwR 
berte grau SBcRon. 

»©elene unbbu," fuhr ©err ffieftoit fort, »werbet 
einanber oerfteben. Sure Motioe finb biefelbcn, 
©err Merwin ift mir aber weit ooraud. Meine 
$inbet lieben mich 3*oar, aber Re hängen nicht mit 


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270 


$onntagfd)ul=fehtionen. 


ber 3nnigfeit an mir wie bic ©ferminb. 3d) habe 
uoar für ihr materielle^ 3niereffe geforgt, aber 
Die ©ilouitg beb ©eifteb ocvnadHäffigt; bieie ©Ir* 
beit lacx gans auf bir. 3d) habe meine $flid)t in 
biefer ©esiehung nicht gethan, id) febdme und) unb 
bereue cb." 

„llnb id) fioffci" faatc ftratt ©Beftcn in einem 
freunblühen 3)on, „eb mirb bid) anregen 311 anten 
©Beiden, cb ift ber ©Beg mie 3reunbe lieh anvcgcit 
füllten. 3d) freue mid) herzlich über bab ©ejagte 
unb merbe felbft eine gehre baraub sieben. 3»v 
©efferung ift’b nie 311 fpät!" 

©Beim CSltern im Mgcmeincn beut ©^etfpiel beb 
Glternpaareb ©Jcroin füllten, menn fie burdt©cbct 
unb Siukhiebenbeit ihre Atinbersiuht übten, anftatt 
an flageu unb bie ©orfchung 311 befd)ttlbiaen, 
mürbe ber Segen beb .vMntmelb auf $aub unb 
©evseit ruhen. 3n ber .fteimath fdbe cb tuand)= 
mal nid)t fo trübe unb bunfcl aub. Anftatt ber 
häufigen Sdnocrmüthigfeif fänbe man bafelbft 
©lüd unb JJrciibe/ mtb sulefet mürben fie bab 
©Bort beb IDJeiftcre büren: „ftomm ber, btt from¬ 
mer unb getreuer Unecht, bu bift über tüeuifl getreu 
aemefen; ich mill bid) über Diel fefeen." 

0pargeh$cet. ©Jan mahle im ftrübiahr einen 
marinen fonuigen ©lab im ©arten. £>at man 
feften febmeveu gebntboben, fo grabt man eine 4 
tiefe ©rube, mirft einige grofje Steine unb 
Änod)cn hinein unb füllt mit fetter Svbe unb ocr= 
faultctn ©Jift ba* ©eet 8 Soll hoher alb ber Hafens 
plafe, bamit eb immer troefeu bleibt. ®ttmt laffe 
man fiel) bou einem Satnenbdnblcr mie 3ameb 
©id oon 9tod)efter, 9?. 3}., ober einem attbern, eine 
Ult^C Connover’s Colossal ober Giant Asparagus 
Samen fommen unb pflanse benfelben red)t bünn, 
fo mie man Schien 311 bftansen pflegt. Steht ber 
Spargel, naebbem er aufgegangen, 311 bid, fo oer= 
büitnt man bie ©jlanaeu. £>at man ben ©oben 


auf bieie ©Bcife stibereitet, fo braucht man ben 
Spargel nicht übersupflaiuen unb man fann fdmn 
im smeiten 3ahr einige ©Jal baooit offen. ®er 
Spargel hat lauge ©Bursein unb fann nur ge= 
bei heu, meint ber ©oben tief unb leder ift. 3ebcb 
Jrühiahr lodert man ben ©oben unb bebedt bab 
©ect mit 4 3oll feinem oerfaulten ©(ift unb smet 
Quart Salt $11 einem ©ect oon 4 Jyufe ©reite uttb 
10 ftuji gange. 3m Öerbft bebedt man bab ©eet 
toieber mit IVift. (Sin folcbcb ©eet fann man 
25 3«hvc lang gebrauchen. Oie Stengel fdmcibet 
mau im £>evbft nid)t ab, bib fie gans troden finb. 
3mbritten Sommer fann man ben Spargel fdmeU 
ben jo gcfdnoiitb, alb er nur immer mdebit. 3» 
einem folgen ©eet mäcbft ber Spargel oft itt einer 
©Jacht 4 bib 6 3oll hod). ©Jitte 3uni tniift man 
aufhören 311 fchneibcit. ®te ©flaitsen evforbern 
3cit sunt Saftigen SBadjfcn unb muffen fich beb- 
halb itit Sommer erholen ober bab ©eet geht ein. 
3n ©egenbeu, too ber ©oben leidtt unb loder ift, 
fann man Spargel fo leidd mie tfovn sieben unb 
man braucht bie 3nbereitung eineb joldjeit ©eeteb 
nid)t. 

®ie mnu Spargel fodjt. ©?an nimmt fungen 
unb fvifdjen Spargel, brid)t unb sieht ihn ab, bib 
bie Stengel anfangeu hart jtt merben, mafdit ihn 
itt falteut ©Baffer unb legt ihn bann in einen Sopf 
mit fochenbent gefabenen ©Baffer unb leigt ihn 
bann fodicit, bib er marnt ift, bann fliegt man bab 
©Baffer fort unb halt ben Spargel sugebedt recht 
bcife. Oann röfte man einige Srficibcn ©tob 
braun, bcftreiche fie bid mit ©utter unb lege fie in 
eine ftarf>e Sd)üffel, morauf man ben Spargel 
forgfaltig barauf legt unb benfelben micber mit 
einer Sage ©utter bebedt, unb jutefet giege man 
hinreidjenb fodieubeb ©Baffer hinan# um bab ©aitse 
311 bebeden. ©Jan oerfuche, ob allcb recht ge* 
mürst ift. 


$ onntagfitml --Sektionen. 


Sonntag, 6. ©Jai 1883. 3tpftg. 10, 30—44. 

$etru$ (jrebigt ben Reiben. 

®er Sdiauplafe itnferer ©eftiort ift ßdfarea 
(Stratonib), bic ©tefibensftabt ber jübifcheit Canb= 
Pfleger, am ©Jittellänbifchen ©Jcere gelegen. ©ach= 
bem gufab erzählt hat, mie ber ßitgel beb föerrn 
bem Sorncliub erfchien unb ihm ben Auftrag gab, 
©etrum holen ju (affen, .ffap. 10, 1—6; ferner, 
mie ©etrub burch ein ©efid)t auf bie Sefehrung 
ber ©eiben oorbeveitet mürbe (©. 7—16), unb mie 
er bann nach Gdfarea reifte unb oon Sorneliub 
auf’b hcvslichfle aufgenommen mnrbe (©. 17—29), 
berietet er in nuferer Seftion aunächft loeiter, mie 
Sorneliub oon ©etto baju aufgeforbert, feine mün- 
berbaren Srlebniffe ersdblte. 


I. $ie @rf(giigtr M Sontelinb. ($. 30—33.) 

30—32: Sorneliub fagte. Sorneliub 
mar ein röntifcher ©auptmann (Senturio), meldicr 
eine mclfd)e, b. h. italifche Sohorte befehligte. 
Stömifcf) oon ffopf bib 311 f?ug, hatte Sorneliub 
Doch fein &ers für bic römifchen ©etter; er mar 
eineb oon ben 3uPhctbfinbern, me(d)e tu ben ero= 
berten öütten Sent’b felber erobert toerben oon bem 
©oft Scut’b (3fraelb). Sin ^eibe, ein Sftömer, 
ein 5?riegbinann, ein ©auptmarm — lauter ©Jiegel, 
füllte man benfeit, für bie göttlid)e ©nabe; aber 
fie geht burd) ade burch. Offen unb ohne falfdje 
Sd>am ersdhlt Sorneliub bie heiligen ©orgdnge in 
feinem ©cbetbfdmmerlein, melche ©. 1—8 au& 
führlich beidmieben morben: ®ie Sngelerfd)einmtg 
(©. 30), bie ©nabenbotfdjaft beb ßngelb (©. 31) 
unb ben ©efehl beb $errtt (©. 32). 


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Sonntagfdjul^ektionen. 


271 


8 . 30 . (SorneliuS batte beit ®ott Bbraelb bereit* 
feinten gelernt utib alb ein guter ft au* pater auch 
bie Seiiugcu wr ©ottebfurdtt flehen. Oer Segen 
beb gotteofürehtigen ftaufeb floh and) meiter uu\hcr, 
auf bie Ernten — „er gab beut Volf Diele Slltnoien" 
(V. 2). Unb obgleich er ein Alriegbmattit mar, 
jebämte er ftd> nicht, Die tapferen ftäitbe auiu ©ebet 
Au fallen — „er betete immer au ©ott." Sein fters 
tnar noch niefit befriebigt. Slber ben Slufricbtigcn 
(afit eb ©ott gelingen. ßr fanbte beut betenben 
ftauptinaim einen ßmgcl Dom Fimmel, bei* ibnt ben 
2 Bcg jciöcn tollte, ben er au gehen hatte. Oie 
©ebetbftunben finb bie reefiten ©nabenftunben, ido 
bie (vngel ©otteb am liebften fomnten unb ber Ver= 
fehr Veilchen ©ott unb ben SRenfchen am lebenbig= 
ften ift. 

8 . 31 : Dein ©ebet ift erhöret u. f. tv. 
Dein Webet, beine Danf= unb Shränen Opfer, bie 
bu mir im Atäinmcrlein bargebradit, bie 91 i nt o f en, 
bie bu im Verborgenen gegeben, finb nicht Dergeffen; 
bein Vater int ftttnntel, ber in’* Verborgene fieht, 
hat fie gefeiten unb biv auiu ©nabenlohn angefdtrie= 
ben auf ben Saft ber Vergeltung. Slitb biefeti ffior= 
ten beb ßitgelb geht beutlid) fieroor, bah bie auten 
ffierfe ber Unbefehrten, loeitn fie auch fein Verbienft 
oor 0 )ott begrünben, bod) in ben Stuften ©otteb 
feiitesmegb toerthlob finb, fonbern Dielmehr Don ibnt 
toertb geadttet loerben, toeil fie bab .V>er ( A bein ©ir= 
feit beb h. Weiften auffchliehen. 

8 . 32 : öenbe ften ^oppe n. f. tv. Dieb ber 
göttlidie Vefehl. Vetrub, ein SRenfcb, nidit ber 
ßugcl tollte ben Kornelius mit beut fteil in ßbrifto 
befanitt machen. ©ir, bie er erlöft hat mit feinem 
Vlutc, folleit feine Beugen fein. Vetrub muh A» 
ßorneliub fomnten, nicht umgefebrt, Aiun Bcichen, 
baß bie Voten beb SDangeliumb bie Reiben in ihren 
eigenen ffiohnfifeen auffuchcn jollen. 

8 . 33 : Da fanbte idt tt.f. m. Vetrub toar 
unterbeiten Durch bab ©eficht auf beut Söller auf 
bieSenbintg bebßoriteliub oorbereitet loorbcn, unb 
folgte bafier ber Slufforberung ber Voten ohne 
SBiberfprud). Sinn finb mir aUbier gegen¬ 
wärtig u. f. u». Dieb ift bie (Stimmung, in mel= 
eher eine ©euieiitbe ftetb um Alantel unb Slltar Der= 
fain-melt fein follte. Soldte offenen Serien öffnen 
bann audt beut Vrebiger ben SRitnb. 

II. Sie^rrbigt (V. 34—43.) Oiefe 

Rebe Vctri fahrt baher mie ein gewaltiger Strom. 
Oeb ßorneliub Name, aller Leutchen Name, Ruhm 
unb ßhre oerlifdtt, unb nur ein einziger Mailte 
leuditet in biefer Vrebigt, ber Name beb Aperrit ^eju 
Gbrifti. 

8 . 34 : 9 ?un erfahre ich. ©ab bein Slpoftel 
in bent ©efichte in 3oppe nur bunfel angebeutet 
toar, bab toirb ihm nun flar beim Slnhlicf biefer 
hedbbegierigen ftaubgemeinbe: ©otttoill, bah allen 
3 Kcnfd)en geholfen toerbe. Bu biefeut Slugenfilicf 
ierreiht bab lebte Vanb engher.Aigen Bubentbunib, 
fcurdi welches Vetrub bisher noch gebunben toar. 
Dah®ott Die Verton n i d) t anfieht u.f.tD. 
Dies ift ein Sdirecfenbmort für alleöottlofen unter 
ben ©rohen unb ein Oroftwort für alle frommen 
unter ben ©cringeit. 

8 . 35 : Bit allerlei Volt. Die Vforten bc^ 
©itabenreicpeb fteheit weit offen für SlUe. Sille ohne 
Unterfcftieb bet Nationalität, beb Staubet, Sllterb 
ober ©efddecbteb, alle fönnett ©otteb Alinber mer= 


ben unb in’b ftinnnelrc’ufi fommen, loenit fie nur 
barnadt ftreben unb ringen mit reblidiem ftcvAcu. 
Nur Dürfen bie je ©orte beo Vctrue nicht in ih braucht 
toerben, wie eb oft gejebieht, menn man ihnen ben 
Sinn uuterfchiebt, dld toollte Vctvuo jagen, e 3 
fomme nicht Darauf an, tuaö ein ®enjch glaube, 
wenn er nur ©ott fürchte unb recht thue, Süiibe 
meibe unb ehrbar lebe. Solcher ^iibifferentiomu^ 
(©leichgiiltigfeit) in Vesiehung auf ben UntevjcbieD 
ber Religionen liegt Dem Slpoftcl fern. S>atte er 
geglaubt, ee> fei einerlei, ob einer ein ^ube, ein 
.'Öeibe, ober ein ßlnift fei, märe er bann ttadt ßä- 
farea gefommenV 28 ärc ßoritelius, fo mie er mar, 
fefion Dor ©ott gerecht gemefeu, hätte er bann noch 
eiltet ßngebo, eineo Slpoftelo, eince A>eilanbo, einer 
Saufe beburft? — Stein, ber Sinn ber ©orte Vetri 
ift offenbar nur ber: mo ein aufrufitigeo ,V>en, ein 
reblidte* Jpcil^Derlangett ift, ba fann man au ßhrifto 
femmen, ob man Dorher ein 3ubc ober ein Jpeibe 
toar. 

8 . 36 ttttb 37 : ^hr toiffet. 2 ){itbem Apaufc 
beeßorneliub burfte Vetru^ nidit fo loeit Dorne au= 
fangen, nüc nachmals VattluS mit anbevn Reiben 
(A. V. in gwftra),'bie angetrieben mürben, ©ott auä 
ben VeiDcifen feiner ©fite in Regen unb fruchtbaren 
Beiten au fühlen unb au fliehen. Den einigen ©ott 
fett neu bie i>au 3 genof|en be 3 ßorneliub fchoit, 
hanbelt fielt bei ihnen nur um bießrfeuntnihßhrifti. 
Diefen Derfünbigt ihnen baher Vdrim alä beit 
göttlidien Vtophetcn, ben einigen ^ohepriefter,^ben 
etoigen Aiönig. — ©eiche ©unbermege unb Sic* 
geäläufe hat ba^ ßDangclium in ber Atraft ©otteö 
nun fchon oollbradU feit ieneiii geringen Slnfang i tt 
©a li l äa! s Nie, unb rnenii fie cinft bie ganAe ßrbe 
fieherrfdtt, foll unb loirb bie Kirche ßhrifti Dergeffeu 
biefe ihre geringe Aperfunft, ihre arme Atinbheit, 
ihre angeborene Atnedit^geftalt. Unb ebenfo foll ber 
einzelne ßhrift ftetä beffeu eingebenf bleiben, ma0 
er einft getoefeit, unb toab er burefi bie ©nabe ge= 
morbeit. 

8 . 38 fdiilbcrt ßhriftum alb Propheten in 
feinem Vebcit unb Sehren, ßin folcheb Vilb muh 
beit DcrAagten Seelen Dorgehalten^toerben, bamit fie 
ein ^ert au ihrem .freilaitb unb Seligmadier faffen. 

8 . 39 toirb ßhxiftub alb ftoherpriefter in 
feinem Seibeit unb Sterben gefdiilbert. Sie haben 
ihn ge tobtet unb an ein ftoU gehängt. 
So mürbe er bab Opferlamm ßfotteb, bab ber ©eit 
Sünbe trägt. Slber feilt Sob toar ein frcitoilliger. 
ßr überlieferte fid> felbft ben ftänbeit feiner f^einbe, 
er mollte für unb fterben. Darum ift er Opfer 
unb ftoherpriefter Atigleid). ßr hat fid> felbft für 
unb geopfert. 

8 . 40 — 42 . Nun fcfiilbcrt $etru£ ßhriftum alb 
Ä ö tt i g in feinem Regenten^ unb Ridtteramt. 
s Rid)t allem Volf, fonbern unb. Die©elt 
fieht ßhriftum nidit in feiner ßrhöfiung, toeil fie 
ihn im Staube ber Srnicbrigung nidtt erfeitnen 
mill. Seinen Jüngern nur offenbart er fid). Sie 
folleit ihn berfünbigen alb ben fterrn über alle 
üKenfdien, bem alle au gehorchen fduilbig finb. Die 
Afroite ber fterrfchertoürbe ßhrifti befteht barin, bah 
er Aunt ©eltenrichter beftimmt ift, unb Atoar 
Aiim Richter audt ber Sobteit, monadt feine fönig- 
liehe ökmalt auch bab Sobtenreicb, bie längft 
Derftorbcneit ©efdtleifiter, toie auch bie Aufünftigen 
umfaht. 


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272 


SonntögfdjuUfcktionen. 


®. 43. ßhrifhtd ift bcr Quell bed ©cild unb bet 
©eligfeit für Me, meil mir in ihm Vcrgebuttg 
bev © ft üben empfangen; unb mo Vergebung bev 
©üitbcit ift, ba ift Beben unb ©eligfeit. —SBad 
Vetrud bovt in ßoriteliud ©aud pvebigte, bad ift bic 
VvePigt, bie beute noch alle Söelt burdwhallt, unb 
in faft zmeihunPert Sprachen allen Golfern gepre- 
bittt n'ivb. O baff bic Vvebigev immer Obren fäm 
beu für biefe Vrebigt unb ©erzen für biefen gott= 
gcialbten Vropheten, ber und beu Vater zeigt buveb 
Söort unb £hat, für biefen barmherzigen ©oben? 
prieftev, ber und mit bem Vater uerföhnt burch fein 
SMut, für biefen emigen tfönig, ber lind zum Vater 
führt in fein bimmliiebed Gleich! 

III. 2>i t 9Utdgiejjttitö M f). ©eifted. ®. 44: 
Oer h. (Seift fiel auf alle, bie bem SB orte 
zuh orten. ©efebab bied auch nicht in fichtbaren 
Slammen, mie am Vftngftfeft, fo fab utait’d boch 
and ben klugen ber Buhörer, unb horte cd and beit 
SBorten, mit menten fie bie ©nabe (Sotted brieten. 
ÜÖivtn fpürte, baft bcr ©err eingefebrt mar unb fühlte 
bad SBchen feine« (Sciftcd burch alle ©erzen geben. 
Octd mar ein thatfachlicbed ärugnife ©otted felhft, 
bafj biefe Beute ihm moblgefällig feien, unb bah fie 
ßbtifto angeboren. Oie (Sähe bed b. (Seiftcd.ift bad 
bbchfte ©ut, bad im Reiche ßbrifti zu erlangen ift. 
SBeut biefed bbchfte ©ut verliehen ift, bem barf bad 
eringere nicht oermcigert merbeit. 9tun batte ©ott 
iefen Beuten, obmobl fie .©eiben maren, feinen ©eift 
gefdtenft unb fie eben bamit gereinigt unb geheiligt. 
9llfo muffen fie nun auch pon Vetro unb pon beut 
ftrengften 33raeliten ald rein aitgcfehen merbeit. 
Oenn mad ©ott gereinigt hat, bad barf ber SKenfch 
nicht ald profan behanbelu. — Von Someliud aber 
unb ooit feinem ©attfe galt an jenem Sage bad 
Söort bed ©errn: „©eute ift biefem ©aufe ©eil 
miberfabren!" 


Sonntag, 13. SKai. Slpftg. 11,19—30. 

2>ie SluSbretfang be$ ©bangdiumö. 

I. $er Urfpruttg ber ©emeiltbc gtt ttntiodjien. 

(98.19—21.) ®. 19. Oie Sntftebung biefer ©e= 
meinbe erfcheint recht eigentlich ald etu göttlidjed 
SBerf, beim fie ging beroor and einer ßhriftenoer- 
folgung, bei melcher ed ftatt auf Vermehrung oiel= 
mehr auf Vernichtung ber ßhriftenheit abgefeheit 
mar^ Bufad beutet noch einmal jurücf auf ben Sob 
bed ©tephanud unb bie Verfolgung, mclche bantald 
über bie ©emcinbe zu 3etufalem erging. 3ener 
©turnt hatte bie ßhrifteit meit über bie©reitzen bed 
iübifchen Baitbed binaud zerftretit, unb biefe hatten 
beu Samen bed Soangeliutttd hiuaudgetragen in’d 
©eibenlanb. (Sinzeine ßhrifteit maren bid nad) 
Vbbnizielt unb hinüber ttber’d mittellänbifche 
SKeer auf bie grobe, fchöite 3nfel (Supern unb hin¬ 
auf in bie grobe, meltberubmte ©auptftabt ©priend, 
9(ntiod)ia, gefomnten unb hatten bad SBort Pont 
kreuze mitgebracht. @o meib ©ott bie bbfen 9lb= 
fichteu feiner geinbe zu oereiteln mtb zuttt SBcften 
feined Steiched zu meitben. 3m ©rohen mie im 
kleinen hei&t’d immer mieber: „3hr gebadüet ed 
beje zu machen, ©ott aber gcbachte ed gut zu 


machen." — 3unä<hft manbten ftch bie flüchtigen 
(Shrifteit nur an bie3ubcit; nun aber machte ber 
©err feinem SBort nod) meiterc Vahn, inbent er ed 
einigen einfachen Beuten aud ber ©emcinbe eingab, 
and) ben ©eiben zu prebigen. 

®. 20: Slntiochia mar im 3ahre 300 p. ßhr. 
pon ©elctictid Scicanor gegrünbet unb feinem Skater 
zu (ihren 9lntiod)ia genannt tporben. OicStabt 
liegt am Orontcd, in einer reizcitbcu (Sbcitc. Unter 
ben ©eleuciben mar 9(ntiifthia bic ©auptftabt bed 
fprifihen 9teichcd bid zum 3«hre 63 p. (ihr., pon ba 
an mar ed bie jjtcfibeuz ber romifdien Statthalter 
ber Vvopinz ©prien. ©ier alfo hilbetc fid) bie evfte 
and 3ubcn= ttnb ©eibendtriften gemiphte ©emcinbe. 
Sdmit am Vfingftfcft maren unter ben 3 cm gen ber 
^ludgicpung beb h. ©eifted aud) Scanner (3tibcn) 
aud (Spreite, b. h. 9?orbafrtfa gemefen, bie mit 
griechifdter ©pvadte unb ©itte betanntcr unb mit 
ber ©eibcnmclt Pertrauter maren, ald bie paläfti= 
neitfifchcn 3ubeit. ©oldte audlänbifdtcit 3üben 
(©clleniften) aud ßppent unbCSprcne, mclche 
zu ßhrifto befehrt toovben maren, magten cd zuerft 
in ^littiodticn, fid) ohne Scheu an bie ©eiben zu 
machen mit ber Vrebigt bed (ipattgeliumd. 

®. 21: U ttb bic ©anb bed ©errn mar 
mit i h it e n , oh fie gleid) tpeber 9lpoflcl nod) ®ta= 
fönen mtb ßmangeliftcit, fonbern ciitfad^e Beute 
maren, pon beiten und ttidü einmal bie 9camen 
aufhcbalten fittb. (Sine grcfie 3ahl Pon .©eiben 
mürbe gläubig, ßd bilbete fid) eine ©emeinbe aud 
ben ©eiben, mährenb zupor nur einzelne Seelen, 
mie ber fiammerer aud SKohrenlanb, ober hediftcnd 
einzelne Rnmilteit, mie bie bed Someliud in ßäfa= 
rea, für bad ßpattgelium gemennen tpovbcn tparen. 

II. ^er gorlgaitg bed Serfed itt Ütttioihta. (V. 
22 — 26.) ®. 22. Oer ©err thut nid)td halb; 
barmn forgt er fofort aud) für bic Vcfcftigung ber 
erftcit ©cibcngcmeiitbe im©lauben. ßd fam Pot 
Ohren ber ©cnicine zu 3crufalem tt.f.m. 
Oed Vctrud Verantmortung über bnd, mad er in 
ßäfavea gethan, hatte gefrudttet. Su'tt engherzigem 
iübifdtcm Voruvtheil fiitben mir feine ©pur mehr. 
3 ut ©egen(heil, man freut fid) jefet tu 3crufa(em 
ber Ätinbe pon bcr Vefchrung bcr ©eiben, unb fett= 
bet in thcilnchmcnber Bicbe ben S^arnahad nad) 
9lntiod)ia, bamit er fid) bcr 9teubcfehrten annchute 
unb fie im ß)laubcn ftärfe. 

®. 23. Sarnabad erfemtt mit nctblofer 3;reube 
an, ipad ber ©err burch bie Arbeit icuer fd)lid)tcn 
9)2änncr aud ber ©emcinbe unter ben ©cibett ge= 
tban hat, unb nimmt fid) bcr S^efcbrten an mit 
inüttciiid)cr Oveue. Anfängern bie ©attb zu rcidjett, 
bie ©d)ioad)en zu ftärfen unb bie Verzagten zu 
tröffen, bad fdteint fo red)t bie ©abe bed Varnabad 
gernefen zu feilt, ©atte er bod) aud) att beut itcit= 
belehrten ©atilud biefed 91mt geübt mtb fid) ald 
echter „Sohn bed Oroftcd" emüefcn. ßd ift ettpad 
©vofted um einen feurigen Vtifiprcbigev ßliad; aber 
nid)t ntinber gro§ unb liehlidjer ift bc\- ßharafter 
bed milbeit, troftenben 99arttabad. freilich barf ed 
aud) beim Oröften am nöthigeit Stufte ber Svmab- 
nung nid)t fehlen, uue ed benn aud) pott S^aritahad 
heiftt: er erntahnrte fie tt.f.m. — 6d ift ein 
foftlid) Oiitg, bafi bad ©erz feft merbc. Sin ßhrift 
ift nie fertig, fonbern immer im ffierben. f?ür ihn 
giebt ed feinen ©tillftanb, er tniift beftänbig por* 
tuärtd bringen burch ffiampf uitb Sieg, bid ihn fein 


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2onatagrd)uU£rhtumfn. 


273 


9Keifter oon ber (Srbe abruft unb mit bcr $iinmct& 
frone für feine Sreuc belohnt, „^d) taffe» wa3 ba 
hinten ift, unb ftxccfc mich nach bent, baä ba oornc 
ift," biefer äBahlfprud) beö Apoftcls fei and) bcr 
uniriae. 

8 . 24. 9(n iöarnabaS benennen unS alle Gigcm 
fcbaften eine3 red)ten Sehrcrä. Gr war 1) ein frotm 
mev (eigentlid) ein guter, redtfdaffcncr) 9)lann, 
untabelin im SEBanbel. ®a$ ift frcilid nod) nid)t 
nenun; beim aud) ein ©übe tonnte biefeä Sob haben. 
Aber 9)arnaba3 war 2) ooll ©lau bcn 3. ©aö 
ift fd)on mehr» beim c3 geht bcn Ghriften an; bod 
reicht e3 auch noch ttid)t aus, beim iebev Gbrift toll 
„ooll @latiben3" fein. §8aruaba3 aber war enblid) 
3) oo 11 ©eifte-3. Grft baburc6 wirb ber Ghvift 
ein vediter Seiner, ein fd)eincnbe3 Sidt, ein §üvtinm 
quell De3 ©eil3. fiein §SBunbev, bah ein »older 
Seiner wie §Üaritaba3 reidje 3-vüd)te feiner Arbeit 
erntete. 

18. 25: §Satnaüa3 ^ca au3, Saulttm 
wieber gu fliehen. ©a3 9?et$ in Antiochien ift 
fo ooll, baft 3Jarnaba3 einen ©efellen iudt, ber e3 
ihm liehen helfe. Unb and) ba uüeber fehen wir ben 
lauteren Sinn bc3 231aunc*3. SBär'3 ihm tun feine 
eigene Serien unb Glue gu thnit gewcfeit: er hatte 
beu Saulus toeggclaffeit» oon bent er wußte» bah er 
ihn halb in Sdwttcn »‘teilen werbe. 9lber wer nur 
ben ©erru unb feine Sade int Auge hat» ber räumt 
neiblo3 bettt höher §üeg»tabigten ben Sorrang ein, 
unb freut fid», wenn ihm gelingt, wa3 er fei bcr nidit 
oenuodite. ©iefeit iteiblofcn Ghriftenfinn brauchen 
wir in allen Sagen bc3 gebend unb in iebetn SÖerufc. 
Aber leiber befifccu ihn in linieren Sagen nur §EBc- 
iiigc. — Sattlu3, ber grobe 9(po»tel be3 ©errn» muh 
crit gcfudit werben. Gin 9)liethling brängt fich 
iu’3 9lmt, ein treuer Äncd)t wartet in berSBüftc, bi3 
ber ©err ihn fud)t unb holt; bann aber Iaht er fid) 
and» ünbett. 

18.26: Sie blieben bei ber Wcmeiube 
ein gange* Jlahr. ©ie3 wirb bcr ©enteinbe nt 
Antiochien a 13 ein befonberer Segen attgeredmet, 
b.ih fie ihre Seiner ein gan$e3 3ahr behalten burfteu. 
9Bir haben bie §JSrcbigt unb ba$ $rebiatarnt iahr= 
au?» iahreiti, wir fötmeit ba3 Goaugcliuia hören 
oon ftinb att bi3 auf’3 Sterbebett — unb bod) wie 
gleichgültig ftttb wir gegen biefe SBohlthaten! 28ie 
f,Minen »oir ba*3 oeraittworten! puh oiclleidU bie 
§Brebigt titib ba-3 3Sort @otte3 erft wieber rar wer¬ 
ben bei itu3, bantit wir wieber fchäfeen lernen? 
3n Antiochien würben bie jünger werft Ghriften 
enattnt. ©emerfewSweitb ift, bah fie nid)t nad) 
em Hainen ^efu3, ©eilanb, fonbern ttad bent 
tarnen GhviftuS, b. h. ber ©efalbte, benannt 
würben. Sie füllen nicht SD?itheitaube, wohl 
aber 3)1 itgefalbte fein. §Bi3 bahitt waren bie 
Ghriften al3 iübifd)eSefte betraditet unb oon ihren 
fteiitben 91a garen er genannt worben; unter fid» »el- 
ber hieben fie „jünger" ober „©rüber". 3hm aber, 
ba fo oiele ©eiben gläubig uuirben, fah man: ba3 
ift nicht blo$ eine iübifde Sefte, ba3 ift eine neue 
Religion! Unb weil Ghriftud bcr Stern unb Stern 
ihrer Sehre wie ihre3 SebcitS toar, würben fie oon 
ben ©eiben G h r i ft e it genannt. Unb biefer Ghriften- 
name, anfangs ein Spottname int ©lunbc bcr .©ei¬ 
ben, ift jefct ber hödntc Ghreuname getoorben. 91 od) 
imSobe ift e3 nufer Sroft: id) bin ein Gbrift. 9lber 
ftnb wir aud) tu bcr 23afnbcit, wa3 wir heißen? 


G3 »oerbett nicht alle, bie ba fagett „©err, ©err!" in 
ba» ©imntelrcid) fommen, fonbern nur biejenigen, 
»velde feinen' SSillen thun. Sinb wir wahre 
Ghriften, fo finb wir gefittnet, »oie er gefinnet war, 
ihm cmoerleibt in ©laube, Siebe unb ©eborfam. 

III. Sie Sie6c£ü)äÜQfrtt her antiodjruifdru 
meiubf. (§8.27—30.) 8 . 27uu*28: ^n bie- 
fett Sangen fanteu Propheten. ©ie ©abc 
ber §I3eii|agung toar nidt ein bloßcä Spiehocrf $nr 
fturgweil in ber ©enteinbe, fonbern fie biente itir 
Grmuuterimg in bcr Uebtmg be*©latibe»»3 unb ber 
Siebe. So and) bie SBeiifagtmg bc3 Propheten 
31 ga bu3 oon einer beoorftehenben Sheurtmg. 
®iefe 31'Ciffaguitg erfüllte fid) $ur Beit be3 fiaifero 
Glattbiu3, »oelcher oont ^ahre41 — 54 n. Ghr. 
regierte. Jofephuö erwähnte eine Shcuruug int 
3ahre 45unb46, »oährenb weldier ber^önig 3,iatc§ 
oon Slbiabene unb feine SDiiittcr ©clena bie (Sün- 
wohucr oon ^crufalcut mit ©etreibe unterftüpten. 

8 . 29 nab 30. Durd) ihre SJeiftcuer au bie ar¬ 
men Öemeinbeu in ^nbäa bezeugten bie ©eiben 
ihre 5>anf bar feit unb ihre Srtiberlicbe. S)ie geift- 
lidte ©abe beö Goaugelium^ hatten fie oon borther 
empfangen; mm oergalten fie bie empfangene9Bohl= 
that mit leiblidcit ©abeit. ber31oth erfeunt 
man ben edlen Jvrcititb. 2Scld)e Srctibc mögen bic 
beiben GU'tteomänucr SauluS unb ^arnaba^ in 
^cvtifalcm gemadt haben, nidit nur mit bcn Siebet 
gaben ber ©eibendriften, fonbern aud) mit ber §8ot= 
fdaft, bie fie bradten: ber ©err hat ein groheo §8olf 
itt Autiod)icit, e^ geht oorwärtä mit feinem 9lcid». 
3tt ber tmeigeurfübigen, treuen Siebe ber erften 
Ghriftengcineinben offenbart fiel) bie 9Mad)t bcffcit, 
in »oelchem bie Seelen bcr erften Ghriften alle cin3 
geworben, be3 ©etTit ^cfu, bcr mit feiner fclbft* 
anfepferuben Siebe bcr befclenbe SOhttclpunft ber 
ftirde ift. Selbftlofe §8vubcrlicbc ift ein ©aupt- 
feni^eichcn 'be^ »oahren Ghriften, wer fie nicht be- 
fifet, bcr ift fein wahrer Gbrift. 


Sonntag, 20. SDlai. 3(poftcIge)dj. 12,1—17. 

$crobc$ unb ^dni«. 

I. £mrt>e$her©erfolger. (§8.1—6.) 8.1: Um 
b i* f e l b i g e 3 c i t, wo bie Sbcurmtg hervfehte, 
legte ©erobe^ bie ©ättbe an etlide 
oon bcr © e ttt e i n b e. (Sine traurige §8crübmt= 
heit, bic biefer ©crobcSnaute in bcr heiligen ©e- 
fdidte erlangt hat! 93o im neuen Scftament eine 
blutige Sbat oorfommt, faft immer ift biefer 
91ame babei tut Spiel, ©er ©rojwater, ©ero = 
be^ bcr @rofce, ridtetc bei ßhrifti ©eburt ba§ 
93 lutbab unter beit ffitibern in 33ctbleheut an; be^ 
§8atev^ (Ariftobuhw) Svuber, © e r o b e § 91 n t i * 
pa$, läftt ben Säufer Johannes enthaupten unb 
oerfpottet ^efum oor ber flretigigung; ber Gnfel 
© e r o b e § 91 g r i p p a f beflcrft fid mit 3afobu3 
iBlut! Um fid beim §8olf beliebt ju mad)en, fing 
biefer ©erobc3 an, bie Ghriften wieber gtt oev= 
folgen, inbem er Ginige aw3 ber ©emeinbe „pei = 
n i gte", b. h. geiheltt ober fonft utiBhaubeln lieh. 

8. 2: Gr töbtetc ^afobum, 3ohanni^ 
93ruber, mit betn Sdjwert. So »oenig 


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274 


$omitögfdjuUj?ffetioneit. 


Sßovtc mnd)t bie ©djrtft übet ben Mcärtprcrtob be? 
critca Slpoftel?, unb biefer Rottel war einet bet 
brei, welche beut ©evrtt am allcmäd)ftcn ftanbeit. 
Saturn, mod)tc man fraßen, liefe c? ©ott ßefd)c= 
hm, bafe bet Dprauu ©erobe? biejen 9lpoftci fo 
früh an3 feinet ßefeßnetcit SBirffauifeit hcrciuärife? 
Uno wenn et ic ftetben mufete, wie ©tepbanu?, 
warum mufete er fo ftill unb ruhmio? ftcrbcitV 
ißit fönneu barauf mit antworten: 23a? (Sott 
timt, ba? ift wohlßethan. 63 ift wahr, feine 6 nt= 
hauptuna war bie Sreuclthat eine? blutißeit Diwan? 
neu. ^Xbcr war fie nicht auch bie Grfülliutß beffen, 
wa? bet ©err ihm fdwtt, Mhtth. 20, 22. 23., in 
2 lu?ucht ßeftellt hatte? — ©ein 6 nbe war ftill unb 
wir lefen nid)t? oon feinen lebten Slußenblicfcn. 
9lbet fönnen wir baratt zweifeln, bafe et im bellen 
Dviumph be? ©laubeit? fein ©aupt auf ben Slocf 
leate? — ©ein (Snbc war jd)tedlid) unb blutig; 
aber war’? nid)t bettnod) ein hcvrlicbcS (Snbc? SBivb 
er nicht brohen ben ©ctrn ßepvicfen haben, bafe er 
alle? wohl aemad)t? 2Ba3 (Sott thut, ba? ift wohl* 
ßethan. Darum foflcn and) wir allezeit fprcchcn: 
liefet mein, jonbern beiu SSille ßcfdjchc! SBcnn 
ein 3üitgling in bet Slüthc bet 3ußenb bahin- 
weift, wenn ein rüftißcr Miaun abßcvufcn wirb am 
balboodenbeten Daßewcrf, wenn fonft ein fdtwere? 
(Seichicf un? unb bic unfrißcn trifft, folleit wir un? 
tröften mit bem ©cbaitfcn: 2Ba? (Sott thut, ba? ift 
wohlßethan. 

®. 3. Durch ben Seif all bet Mfettße heraufcht, 
legt ©erobe? nun feine ©ättbc and) an Settu 3 
unb wirft ihn -in3 ©efänßuife. ©3 waten bie 
Daße bet füfeen Stöbe, alfo biefelbe 3cit, in 
welcher einft fein SKciftcr in ben Job ßcßattßcn 
war. Der ©ebanfe an iene Daßc, bic (Srinneruna 
an feine üBcvleußiutnß, ba? blutige (Snbe feinet 
ÜRitap-jftel? 3afobu3 — wie mufete ba? alle? un¬ 
fern SetruS mit ernften Dobe3acbanfcn, aber auch 
mit he:lißeni©terben?muth, erfüllen! Dabei mufete 
et ßewife auch an bie SBeiffaßUiiß be3 ©evrn 3 oh. 
21 , 18 benfeit. 

®. 4. ©erobe? berfäumt nidjt?, um Sctru? flehet 
ui opvwahten. 6 t überantwortete ihn hier 
Siertheilen ffrieß?fned)tcu, b. h., hier 
einanber rößelmäfeiß ablöfenben 2 lbthcilunacn bon 
ie oier ©oibaten. Da wähtenb be? Seite? fein 
Slut betßoffen werben burfte, aebachte er, Sc* 
trum nad) Öftern bem Solf unn @d>aufpiel 
hinAiirichten. „St aebarhte" — aber bet ©err 
hatte c? anbet*? befchloffen. Der M?cufcb benft’3 
unb ©ott lenft’3. 9 Bie oft bewährt fid) in bet 
©efcbichte be? Reiche? ©otte?, im ©rofeen wie im 
kleinen, ba? 2Bort De? Propheten: „Sefdjliefeet 
einen Math unb e? werbe nicht? barauS!" 

®. 5. Sctvu? fchmad)tet im ©efäitßitife unb 
fcheint rettmißSlo? betloten, aber bie @ e- 
meinbe betet ju ©ott. Diefe? ©ebet macht 
alle s Jlnftalten be? blutbürftigeu Dbrauitcn 311 
©chanben. 2 Bie ßtoft ift bie SJacht be? ©ebet?! 
(Seifpiele au? bet ©dwift: 6lia3, 6 Ufa, Daniel 
u. 91.) ©Idubiae ©cbete finb wie eine 6 ttßc(?= 
wache für ©tabt unb 8 anb. 2 (i), bafe wir beffer 
beten fönnten! 

II. $rr Gugel M ©emt. (S. 6—n.) ®. 6: 

3n bctfclbcn Macht (bet Madit, welche bem 
au feinet ©inriditunß beftimmten Daße bovattßinß) 
fdjlicf Setru3 jwifd)cn swei flrieß?* 


fncdjten, an wckhe et mit Retten ßefdjloffcu 
war (lodhrenb bie anbetn beiben ©oibaten ber tic 
23 ad)e habenbeu Slbtheilunß bot bet Shüt aufßc^ 
ftellt waren). 6in lieblid)e? Silb, ber fdUafcute 
Settu? im Äterfcv, ein Silb bc? ©lauben? unb be? 
(Sottbcrtvaucn?! SBohl fenut Sctrus bie ©efahr, 
bie ihm broht; aber er hat feine ©adw in bie ©anb 
be? ©errn gelegt. Datum fann et tuhiß fchlafcn. 
(Vr weife, bet Slllmdchtiße fann mid) wohl au? ber 
©anb be? Sptannen erretten, unb wo er c§ nicht 
Ihun will, fo tiiufe and) mein Sob sur Serben^ 
lichuiiß feine? Manien? bienen. Stint? fddäft, im 
©imntel aber wad)t ein Sluße für ihn, ba? Sluße 
(Sötte?, bet ihn 311 retten befdilofieu hat. 

®. 7 : Unb fiehc, bet Snßci bc? ©ettn 
f am. Dem Sctvu? feubet bet ©ett einen retten= 
beit ©iißcl, 311 3 afobu? fam feiner. SfOaruin? 
SJat etwa Settu? für ©ott nncntlehvlidi? ©ewife 
nidit. Dev 9 lllmdd)tißc ift an feinen üRcnuhcn 
ßebunben. 6 t hätte and) ohne Sctni? feine @e- 
meinbe grüubcn fönnen; aber et wellte ihn ned) 
brauchen. Da haben wir nicht? cin^urcbcu. 6 in 
8 id)t fdiicit in bem ©emart. O wie viele 
bimflc 8 cibeu?fämmcvlein fiub fdion fo erhellt wor= 
ben, balb butch innctlide Strcftungcii, bic bem 
©etjen ben ©immcl aufthaten, balb and) bmdi 
äufeetlidie ©ülfc! Unb wie oft ift and) um un? 
ein Sote bc? ©immcl?, wie et 311 Seite fam. ©c= 
wife, wenn un? ba? innere ©cficht eröffnet wäre, 
U'it würben ßar manchmal eine 8iddßcftall in nn= 
fever Mähe etblirfen unb fo alle ©otße unb furcht 
übet btüdenbe 8aftcn weßwctfcit. 9 lbev wenn wir 
and) nidit? um un? her fehen, weil wir jefet im 
©laubtn wanbcln feilen, nidit im ©chauen, fo 
wiffen wir bed), bafe heute tted) bic Grngcl bienft- 
bare ©ciftcr ©otte? finb, au?ßcfanbt 3uut Dicnfte 
betet, bie ererben feilen bie ©clißfcit. ©tche 
behenbe auf u. f. w. Dem SEBerte be? ©cvm 
ift fein ©ifen 311 feft, fein ©tein sn hart, fein Mie- 
ßel au ftorf. 

®. 8 : ©ürte bidi. Dreu beforßt, läfit fuh 
bet (Snßcl 311 iebem Sebütfnife be? fddafenben 
Schn? herab, ©vft ivedtc er ihn auf, bann fpricht 
er mit ihm, wie eine SDiuttcv, bic ihr fdilaftrunfcne? 
fiinb anAieht. Mid't? feil Setvu? in bem flevfet 
sutüdlaffen, bamit fein Muöaanß nidit bet flucht 
eine? Sevbtcrfier? aleidc. 9 Sie mufete ba? bem 
©etobe? unb ben ©ütevn 311111 ©dneden ßcteiden, 
bafe fie mit all ihrer ©trenne and) nid)t einen Stau¬ 
pen be? Setru? erbeuten fonnten. 

®. 9: 6? bäudite ihn, et }ehe ein @c= 
fidit. ?ll? einen Stäunicnben führte bev ©err 
ben Sctvu? au? bet ßröfeten Moth. Sludi iefet 11 cd) 
ßeht’? oft bett ©einen fo bei fdmeflet ©ülie unb 
tounbetbaret Mettunß au? fdweren Möthen. 2Cenn 
bet ©en bie ©efaußenen 3i^a? ctlöfen wirb, fo 
werben fie fein wie bieDräumenben (Sf. 126,1 ff.). 
— 95 Bohl un?, wenn bet ©ett un? einft bicfcSnabe 
311 äbeil werben läfet im lefcten Rampfc unb un? 
wie bie Sräumenbcn au? be? Dobe? Macht herauf 
führt in? 8idtt ber ewißen ©elißfeit. 

®. 10 . Sctvu? wirb au? bem ©efäußnife her= 
au?, aber bodt wieber in bie ©tabt ßcfühvt, bamit 
1. fein ©laubc in Uebuttß bleibe, ttttb 2. bamit 
feine 6rvethiiin ber ©ctiteinbe befannt unb fo Sie= 
len 30t ®laiibcn 3 ftärfunß werbe. Slöfelidj 
fdieb ber 6nßel bon ihm. Da? unmittel- 


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$0nntagrd)ttU£fkti0neit. 


275 


bare ©ingreifen ©ottel in nufer geben währt nidjt 
länger all nöthig ift. 

8. 11. 3efet erft (ommt Bctru! *u fid), erwadjt 
wie aus einem Sraum. 2lbet el ift fein Sraum. 
Set (Siiflel ift fort, bie fühle 9?ad)tluft webt ibn 
an, um ibn bie fülle ©affe, übet ibnt bie fun= 
feluben Sterne. Raffen fann cr’l nicht; nur ein! 
ift ibm flar: bei* Herr hat’! actbau! — unb ihm 
giebt er bic ©hre. So will ©ott all SWothhelfet 
erfaunt werben, bantit aller 9Mcnfd>enrubm falle. 

III. $*« £**# bet »ari«. (B. 12—17.) 
8. 12. Betru! fam an bal Hau! SWariä, 
ber SÖtuttcr Johann iS, ber mit bem 
3unamen STOarful bic6. 95Bahrfd)cinlid> ift 
biefer üMarfit! ibenüfd) mit bem ©oangcliften 
SMarful. Sa otele bei ein an ber waren 
unb beteten. Sie waren bei 9?ad)t oev= 
fammelt, eineltheill aul JJriucbt, weil fie, feit 
bie Berfolgung begonnen, e! nicht wagen burften, 
bei Sag aufammenaufommen, wie ia auch nachher 
bie ßhriften im hetbnifdjcn 9tom in ben ffatafoin; 
ben, in ffellern unb untcrirbifcbcn ©rabgewölben 
ihre Serfammlungen hicltcu. 91 n bem theill 
aber brängte fte bie bniberlid>c Siebe unb bie Sornc 
itmBctrul, im ©ebet bcifammenjubleibcn (2?. 5). 
Sie brnnftifl werben fie für ihn acbetet haben in 
biefer lefcteit 9tad)t oor feiner Hinrichtung, fei’! 
mn eine guäbige ütettung, fei’l um ein felige! 
Snbe! Unb fürwahr, fie beteten nieftt oergcbltch. 

8. 18—15. SKecht lebcnbtg werben wir nun 
hineinoerfefet in iene metfwürbige Begebenheit. 
Sie Brüber finb oerfammclt hei oerfchloffenen 
Slutreu. Sa plöblich flopft’l oorn an ber Haul= 
thür. Allgemeiner Sdjrecfen: wer ift’l ? ein 
Sreunb ober ein Scinb? 2Rit flopfenbem Heraen 
eilt bie 9Äagb an bie Shür. Betrul ruft branden 
mit gebämpfter Stimme: 3Had)t auf; id) bin’!, 
Simon Bettul! Sie fann’! nidft glauben: ooll 
Äreubc einerfeit!., ooll Sdwerf anbcrnfeitl, lauft fte 
hinein unb perfünbigt’l beit Brühern. Siefe hal= 
tcn fte für imfinnig. ©t ift ia gefangen tut här- 
teilen ©ejängniö, er toll morgen hingeridttet toer- 
ben, wie tollte er brauhen ftehen? Ad)! ift er oieU 
leicht fchon hingemorbet worben mitten in ber 
?todjt? 3ft’3 fein ©eift oielleicht, ber brauften er^ 
fcheint tm Angenblicf bei Sobel, ber fein Schnfc 
engel, ber uni ftunbe bringt oon feinem feligen 
Heimgang? So fragen He uutcreinanber. 

8. 16 uuP 17. Bctrul flopft weiter an. Sie 
Saldier f Innen ihm ja auf ben Werfen fein. 6nb= 
lieh thuit fte auf in ©ottel bauten; unb wie fie 
ihn crblicfeit, en tieften fie fid). Sie haben 
um feine (Srrcttung gebeten, aber biefe Art ber 
Srrettung war ihnen bod) unerwartet unb un s 
glaublich. So geht el ben gläubigen Metern oft. 
Unterem ©lauben ift aber meift noch etwa! oon 
bem Sauerteig bei Unglauben! beigemifd)t, fo baft 
es immer heißen inuft: 3d) glaube, Herr, hilf mei¬ 
nem Unglauben! ©r min fte ihnen n. f. w. 
3*ir Bcrbervtidning ©ottel erzählt nun Betru! ben 
Hergang feiner wunberbaren Rettung, unb beauf= 
tragte bie 'Berfa mmelten, and) bem 3« fob u! 
(bem ©erechteit, bem Berfaffer be!3afobi=®üefd) 
unb ben an bereu Brüberit el au oerfünbU 
gen, wie ber Herr ihn fo wunberbar errettet hatte. 
Sobann »erlieft er ohne Berjug itodt in ber 9kcht 
bic Stabt unb begab fid) an einen anberen 


Ort. ffiohin, ift unbefannt. 9Bal aber bie 
oerjammclten Brüber gethan haben, ehe fie auo- 
•eiuanoergingen in jener 9Jad>t t bal wiffen wir, 
wenn’l and) nid)t bafteht: gewitt lobten unb pric= 
fen fie ©ott mit tiefbewegten Werten, für bie )ouu= 
berbare üiettung feine! Ätuechtel Bctru!. 


Sonntag, 27. 33?ai. 2lpftg. 13, 1—12. 

$auluä unb Satnabö« ia (£ty>crn. 

I. Sie lulfenbmig bei $aultti ttitb Bantabai. 

(B. 1—3.) 8 . 1 . 2Biv oerlieren nun für eine 
SBcile bie ©emeinbe au 3crufalem fammt ben 
2lpofteln au! ben Gingen, unb an bie Stelle 3cru= 
falein! wirb 9lntiochia ocrhältni§mäfng ein 
3)iittelpunft firdtlichcr ©cfd)id)tc. 9?ad) 9lutio= 
d)ien, in biefe gewaltige ©anptftcrbt Spvien!, wa= 
reu Bavnaba! unb Saulu! poh 3crufalem -urüd-' 
gelehrt, nadtbcin fie bie Siebcoftcuer bort abgegc= 
ben, unb hatten ben SNarfu* mitgebvadjt 3n 
ber antiod)ifd)cn ©emeinbe wirften nun eine fchönc 
Schaar Propheten, bie uumittclbaial!Organe 
bc! hl. ®eifte! unb in gehobener Stimmung 9lul- 
fprüd)c unb 9lnfpvad)en an bie ©emeinbe thaten, 
unb 8ehrer, weldte in felbftänbiger Seife unb 
überlegt ber Untenoeifung Sluberer fich wibmeten. 
Bon ben fünf SKännern, bereu SHamcn genannt 
werben, ift uni üto bie brei mittleren, au feer bem, 
n»a! hier gefagt ift, nidftl betannt. Bon 9M e n a= 
h en berichtet gufa! hier, ba§ er mit bem B i e r* 
fürften Aerobe! eraogen worben fei. Siefer 
©erobd ift jebenfalll nid>t Aerobe! 9lgrippa I., 
oon welchem in ber oorigen geftion bie Siebe geioe- 
fen, fonbern beffeu Oheim Aerobe! 9lntipal, 
ber SVbrber bei Säufer!. Saft ein 9Wild)bruber 
unb 3uflcnbgefpiele biefe! gottiofen Surften ein 
dmftlid>cr gehrcr würbe, ift ein Bewcil ber SBun= 
berniadjt bei hl. ©eiftel, ber an Sürftenhöfeu ioie 
in* Bettlerhüttcn i>eraen au gewinnen weife. Bei 
liefen unglcid)en 93?ilchbvübern erfüllt fid) ba! 
2Bort bd .^ervn (gut. 17.): 3weeu werben auf 
einem Bette liegen, ber eine wirb angenommen, 
ber anbere wirb oerlaffen werben. — U n b S a u= 
lul. @aii 5 hefd)eiben fteht Saulul no^h int £>in= 
tergvunb all ber gefete. 9lbei bie gelten Jollen bie 
©rften toerben. ©1 fam nun an’l gicht, wa! ber 
$evr au! biefem Brubev machen wollte. 

8. 2. Bei einer gottelbienftliAen Seier, wo 
bnreh Snften unb ©ebet bie^evaen befonbevl geoff= 
net waren, fpvad) ber hl. ©ci ft: Sonbert 
mir au! n. f. w. 3)Jit biefev 9lu!fenbung be= 
ginnt bie eigen tlid>e apoftolijd)e B>irf fam feit 
bd 9lpoftell. Sie 3u»olfe hat 3eful felbft, ioäh= 
renb feind irbifdicn geben!, erwählt, unb nach 
feiner Sluferftchung al^ feine Slpoftel beooümäÄ= 
tigt unb aulgefanbt. Saulul ift ebenfall! oon 
3efu felbft berufen, aber im Staube ber Berflä- 
rung nad) ber Himmelfahrt: unb ber Herr felbft 
hat ihm eröffnet, ba§ er ihn fenben werbe unter bie 
Heiben unb \\\ 3frael. 9lber erft iefet wirb er au! 
feiner befcheibeneu ©irfiamfeit heraulgerufen unb 
feine große gaufbahn all Hcibenapoftel eröffnet 
fid). Unb aioar ift d ber hl. ©eift, wekber — 


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276 


SonntagfdjuUJMtionfn. 


wahrfdieinlid) burd) bcn SHunb einem bcr Svopho 
ten — ihn unb Saruabam gum Berfe ruft. Unb 
bie ©cmcinbc ift em, an u>cld>c biefer Sefchl eracht 
unb bie im ©chorfam bem ©laubcns jene Selben 
gn ihrem ^Berufe weiht unb fofort abfenbet. 91 uv 
bie ©ewifeheit, bafj ber ©err telbft fie. erwählt unb 
aU'3flc)anbt, tonnte beit Slpoftelu bic gu ihrem 'Berte 
erforberliche freubiafeü unb 3uoerfid)t oerleihen. 

8. 3. „Sonbert mir au3 Sarnabam unb Sau= 
lunt," hatte ber ©eilt ßciprodjcn unb — „®ott 
wiU’m!" biefem ©efühl buvchgudtc Me, bie Prophe¬ 
ten unb Sehrcr, bie ©cmcinbc unb bie ^Millionäre, 
auf bie e3 abßcfehen war. ©ott wiU'm! Oa3 ift ia 
überhaupt ber Sobcn, auf welchem man allein einen 
entfeheibenben ©d)ritt im Sehen mit rechter f reubiß= 
feit thun fann. ®a falteten fie unb bctc = 
teil. 3efet pfleat man felbft bei Slnßeleacnbeitcn 
be3 'Jleidiem ©ottc$ ftatt mit haften mit ßlangcnbcn 
freubeitfeften gu beainnen, Deshalb fommen bic 
Sfcrauerfefte fo oft hintennach. 9fid)t mit Sarin unb 
Srunf, fonbern in ber ®cmuth unb Stille follcn 
wir widitißc Unternehmungen beainnen, unb and) 
bei feftlichen Wnläffen, bei ouiberluhen üRabhcitcn, 
am ©odvgeitmtaae ober oor bem Antritt einer Blciie 
u. bfll. foll bcr (Seift bcr ‘DCWafnafcit unb s Riid)tcm= 
heit, bcr Sammlunß unb bem ©ebete3 nid)t fehlen, 
fonft ift fein ©eaeu babei unb nicht einmal wahre 
freube. Unb Icßteu bie ©änbe auf fie. 
$>ie erfte üRiffionmwcihc. 63 ift immer ctwa*3 
feierlichem, folche ©anbauflcßiiiiß im Hainen ©ot- 
te3, bei bcr (Sinießnuitß einem Sraiitpaar*3, ober bei 
ber Orbination einem prebiaerm, ober Pollcitb3 bei 
bcr Bei he einem ÜRiiftonarm gum ( Dienft in ber fer¬ 
nen ©eibenweit. Bic feierlid) maß oollenbm jene 
erfte s J)iiffioii3ioeihe aewefen fein! 

II. $if erfte Stiffhuljfation. OB. 4 unb 5.) 8.4. 
Sou Seleucia, bcr nädiitaeleßcnen ©afenftabt 
am niittellänbifdicu SReer, fdiifften bi^ Slooftcl nach 
ber Jlnfel 6t)pern, ber ©eiinath bem Sarnaba3. 
Kupern ift eine ßro&e, fruchtbare ^nfel etwa gwaugiß 
Stunbcn oom Sanbe entfernt, bannim berühmt 
bunt feinen SReidithuin an Bein, Oel, Beigen, 
Tupfer uub (Sbelfteinen, berühmt überbiem burd) ben 
Oienft ber Siebemßöttiu Senn 3, wcldic bort ihre 
praditiflcn Stempel hatte, wo ihr allerlei üppiae feite 
aefeiert würben. So follte alfo mitten in ben SRofcn* 
aarten hcibnifcher Beltluit ba*3 Äveug Khriiti hin- 
einaepftangt werben al3 3eifheu bc£ ©crichtem unb 
ber ©nabe. 

8. 5. ?(m öftlichen Ufer bcr xtnfcl laß bie Stabt 
Salantim mit ßeräumiaeut ©afeit. ©ier laubeten 
bie beiben ©laubenmboteu, in bereu Seßleituiiß iid) 
aim ^Dritter in unteraeorbneter Stelluna (aim „®ie- 
ucr") Johannes, mit bem Bunameu 9R a r f u3, 
befanb. Sie oerf ü nb ia tcn ba3 Bort ®ot- 
tem tu ber 3«ben Schulen. ®a3 ©eil follte 
ia oon ben 3«bcn fommen. Ohnehin boten bie 
öffentlichen Sdmlen ber 3«bcn bie natürlidnte ©e= 
leaenheit, eine ©aftprebißt gu halten. Bo ber Sve= 
biacr bem 6oaiißeliumm eine offene Sthür finbet, foll 
er nicht oorüberacbeu. 9lucb fpäter noch war e3 bie 
Beife be3 arofgen ©eibenapofteim, guerit bei feinen 
baniaim fdwn in alle Belt gerftreuten Solfäßenoffcn 
anguflopfcn, ehe er fid) gu ben ©eiben waitbte. 

III. $er erfte Wifftonlftcß. (S. 6 — 12.) 8. 6. 
Son Salamim awS burdireiftcn bie 91pofte( bic aangc 
3njcl, weldie barnaim eine 5lngahl oolfreicher wohl= 


habenber Stabte aufguweifen hatte, in welchen fte 
ohne Zweifel ßleidifaüm Pa3 ©oanaelium prebiaten. 
Ivnblid) faulen fie nad) ber Stabt Saphom (etwa 
1 100 enalifdie teilen oon Salamim) wo ber ipaupt* 
tcmpel ber Senum ftanb. ©ier trafen fie mit einem 
3auberev gufammen, ioeld)er ben prächtißen Siamcit 
S a r 3 c h u, Sohn 3ehouahm, ober iö a r Sein, 
Sohn 3efu, führte. 3n ienen Saacn bem3crfalim 
ber heibnifdien Btelißionen ßflfß bam 3aubcnoefcn 
überall im Sdimanße; beim n»o ber ©lauhe fdiwin* 
bet, gicht ftetm mit bem Uiißlaubcn and) ber Alters 
ßlaube iirm Saab. ®aher farn’m, bafe in jenen 
Saacn ariediifdie, iübifdie, eßpptifdie 3««bevcr, 
Bahrfaaer unb Saufenbfünftler [ich in allen San? 
bem uiuhertrieben unb bei ber SWenae ßrofeen 5ln= 
flaiiß fanben. Sar3ehu war, wie aue feinem Hainen 
hcroorßeht, ein i ü b i f d) e r 3aubcrer. Sufam nennt 
ihn begeidmenb einen f a l f di e n Propheten. 
^8. 7. tiefer batte Sinfluh auf ben Sroconful 
8 c r ß i u m S a u l u m ßeuwnnen, befanb fid> in 
beffen Uuißebuiiß, unb aim berfclbe bie ^Ipoftel ein« 
ßelabcn hatte, um fiegu hören, befürditete Sar 3ehu 
bam Scrtrauen beo hohen Seamten gu oerlieven, 
wiberfefete fid) ben Borten bcr Selben unb iudjte 
ben SRöincr gu perwirren unb pom ©laubcn abgn= 
briußcn. Scrßium Saulum wirb ein o er ft an? 
b i a e r ®an n ßcnannt. ®am war er, obßlcid) 
er eine 3eitlaiiß bem 3auherer fein Ohr lieh, unb 
fcewiem ez baburdt, bafe er aum freien Stüden bie 
Sefanntidaft mit Saruabam unb Saulum fudite. 
Offenbar fühlte er ficb burd) bie ©aufelffiiiftc bem 
3aubererm eben fo wen iß befriebißt, wie burd) bie 
alten Sehren be3 ©eibcnthiiuim, unb fo ipcnbct er 
fid) an bie redfte Cuelle. Bcr fudjet, ber finbet; 
aber freilid) nur bann, wenn er am redften Orte 
fud)t. Sud)c3efum unb fein Sicht, allem Hintere 
hilft bir nicht! ®am ailt and) ben ©rofeen biefer 
Srbc. freilid) haben biete aar oft Seilte um fid), 
welche ihnen iebcu ernfteven ©ebanfen unb befferen 
Kntfdduft wieber aumgnrcben unb bcn mahneiiben 
Unecht ©ottem gu pcrbädtißcn fudjen, wie Sar3ehu 
. bei Scrßium Saulum that. 

8 . 8. ®er Sauberer ßab fid) felbft, wie cm fdiciut, 
ben Manien Klpmam, ein arahifdiem Bort, wcl- 
chem »ber 'Beife" ober „ber SMaßicr" bebcutct. tie¬ 
fer SKenfd) trad)tete, b a fg erben 8 a n b p o ß t 
Dom ©lau ben wen bete. Kine furd)tbarc 
Siinbe! unb bod), wie oft machen fid) foßenannte 
freunbe, ja foßar ©atten, Sltcrn biefer Sünbc 
fdjulbiß ßeaen Seelen, auf welche fie Kinftuft haben. 

8.9: S a u l u m aber, ber a u ch S a u l u m 
heifgt. ©icr taucht gum erften ®al bcr SRame 
S a u l u m neben © a u l u 3 auf, unb pon ba an 
fomrnt ber lottere 9?amc crar uid)t mehr gum Sor= 
f die in. Bahrfcheinlid) führt Sufam ben Manien 
Saulum ßerabc barum hier ein, weil ber jlpoftcl 
gum '?(nbenfen an bie Scfehruiiß bem Scrßium pau^ 
(um ben HainenSaulum aiißenommcn hat. Sau? 

I um heifgt „ber ©eriitße". 9lber wie pielen Sau? 
fenben ift ber 3)?ann, bcr fid) bcn bcjdieibeucn 
Manien Saulum bcileate, ein Bcßwcifer gum ©im= 
mel ßcworbcu! ®am loill er and) bem ©Ipuiam 
werben. c Oarum ftraft er feine Sünbe fo unerbitt- 
lidi ftrciiße. 

8. 10 unb 11: O b u .(? i n b bem X c u f c (8 
u. f. w. Bort für Bort, Schlaa auf Schlau reifgt 
ihm Saulum bie s 3Ka3fe pom ©cficht unb bedt ihm 


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Cljronik ber Cegenroort. 


277 


jcinc $crzcn3geftalt auf. „&ittb be3 Xeufclo" im 
©egcntafe ut „2)ar (Sohn) 3cbu"; „voll Sift unb 
Scpalfbeit" im ©egeufafe gu „Slpinaä" (2BeU 
fcr); ffSciub aller ©crcchtigfeit" u. f. m., weil 
ci iid) einen Propheten ©otteS, einen 2$erfüns 
Viger be3 rechten ©cil3mcgc$ nannte. ®ev Strafe 
prebigt folgt bic Slnfünbigung bei* göttlidicit Strafe 
unb bic Strafe felbft auf bem Jyufec. X5er Sintere 
vcrblcnbet (>at f wirb fclbft gebleit bet, bamit 
er in feiner jjinfterniß ba3 redete Siebt fiwtocn lerne. 
Cb bicä mtrflid) geidjehett, bleibt freilid) un= 
genug. " . 

8.12: SergiuS 25 a u 1 tt 3 w u r b c gläu¬ 
big. X)a3 an ©lDiiiad au3gebrod>enc ©evirht be= 
freite ibn von ber 25erfühvung3mcicbt fcc3 3aubercr3; 


ben eigentlidicn Santen zum ©tauben aber mußte 
freilidt bic Sehre be3 ©errn barreicbett. ®ie Seele 
be3 geringften Sflaven in 25apbo3 war nid)t mcni= 
ger merih, a 13 bic Seele bc3 Sanbpflegcr3; bemtod) 
bat e3 bem Sipoftcl etma3 beben tot, baß ber Srftling 
ber bnreb feine $rebigt ^berufenen einer von ben 
wenigen ©bleu war, bie auf ©ottc3 Stuf bereit 
(lftor.l, 26): 2>or bie Könige beit Starnen 3efit 
zu tragen, lautete feilt Sluftrag (tf ap. 9, 15) unb 
Sergius $aulu3 Der trat bic faijerlidte ©cmalt im 
Sauce. Ucberbic3 ift aud) für beit Fortgang bc3 
Sfciche3 ©otte3 bie 23cfchrung eine3 ©roßen bicier 
2öclt bod) immer ein befonbercr ©eteinn. ®avum 
lag für 2$anlu3 gewiß gerate in biejeui Siege eine 
befonbere Slufmunterung. 




dlljroitik bet Gegenwart. 


CI e§ einen Satan gleit? ®iefe ftragc bat 2Job 
3ngcrfoll feinen 8anb3leuten, ben Slmerifattern, 
mit einem fo entidnebenen Stein, jo farfaftifdj unb 
fo mtfeig beantwortet, baß er viele ©laubige gcftm= 
ben. ®a3 arme 3Rcufd)enfinb glaubt ja nur gar 
m gern an ba3 Stidjtbeftehen ber ©ölle, ber ewigen 
Strafe unb be3 Xcufel3. 

Stlfo lehrte 2iob 3ugerfoll. Siunmebr aber 
beweift er al3 Spifebubcuanmalt in bem Stern* 
Volten s 2kozeß fo fcblagcnb, fo unwiberlcgbar unb 
t&atfäcblid) bie Stiften* eitte3 böfen, bie SHettjdieit 
jti allerlei fing unb Xrug fübrcnbeu 2ßefen3, baß 
all’ feine wifeigcit Sieben ob bem von ihm gelieferten 
banbgrciflicheu 2)ewei3 weit in ben Schatten gcftellt 
werben. 

2Bir wollen hoch feben, ob nach biefeut Stern- 
poftcnpvozeß, unb nachdem ©ob 3ngerfoll ben gait= 
zeit 2Bcg bc3 3pifebubenanmalt3 offen unb gc= 
fdiäft^titäßig gegangen, ba3 2Jolf immer noch in 
Sdtaareit gelaufen foiiunt, wenn er 2Bil$e barüber 
reißt, ob e3 eilten Satan giebt, ber bie SBenfdjeit in 
allerlei Sftitbe, fo j. 2). aud) zum ©eis führt, ber 
bie SBurjel alle3 Uebel3 ift! 

fine Spazierfahrt nler lag fteer nennt man 
heutzutage bie Seereije nad) ©uropa. Unb aller* 
bing3 fiitb bie ©efahreit unb Unannebmlid)fciteu, 
welche eine S0?eere3fahrt mit fidj bringt, heute viel 
geringer a 13 früher. Slber — Spazierfahrt? ®ie3 
ift hoch ein gar zu leichtfertiger Slu3brucf. ®er 
Untergang be3 großen Hamburger Kämpfer 3 „Kim- 
bria" hat 23eranlaffung gegeben, bie Statiftif ber 
auf bem atlantiichen Oeeait uittergcgaugencu 
3)ampf boote zufammen zu ftcllcn. Unb —wie viele 
finb beim feit vierzig fahren untergegangcii? (S i , 
h unb er t tt nb vier unb vierzig. X>a3crftcwar 
ber „^refibeitt" (1841), auf welchem 9iev. ffoofs 
man verfallt, bas leßte bic „©itttbvia", mit toclcher 
400 3Hciifd)cnlcben zu ©rtnibe gingen. Xtazwifcftcn 
liegen 142 X^ampfboot^Uiiglürfsfälle! freilich hat' 
ten ttidit alle fold^ fdirecflidte SSerlufte an SWenfchen^ 
leben, aber eine Spazierfahrt war bie Steife feiticS 
cinjtgen biefer XJampfboote. Sluf bem SKecre giebt 


e3 überhaupt feb* feiten eine Spa^ier^ 
fahrt. 

fabelt aber and) ttidd alte untergegangenen 
^Dampfer große 9?crlnftc an SÖtenfchciilebcn gehabt, 
fo finb e3 bereu bod) viele. Sltißer ben bcibcit bereite 
genannten verfdiwanb im 3abre 1854 bie ,,^itt) of 
©laägow" mit 450 SJerfonett, aing ber „Slvctic" mit 
562 9Henfd)eit unter unb verf^oü „©er iDtajcftp" 
mit allem wa3 barauf mar. 

9Son 1856—1860 gtitgen bie ®auipfcr „Sc Stwn- 
nai3", „SJacific", „Xempeft", „Sluftria" unb „©uns 
garian" mit einem ©efammtverluft von 1343 30?ens 
fd)cnlebeit unter. 

SSon 1860—1883 gingen 13 große Kämpfer zu 
©ruitbe, wobei manchmal viele 9)?cnfd)en um’3 
Sebett faittcn; fo %. 23. ber „Sltlantic" von ber SBbitc 
Star Sine mit 546 2>erfonen (1873) unb füvzlid) 
bie „Gimbvia". 

Stein — eine Spazierfahrt ift eine Cceanveife 
benn bodi nid)t. ©er vielmehr auf ba3 SDceer geht, 
ber bcfteöc fein ©au3 unb befehle ©ott bem ©errn 
feine Seele. 

««critoittfifjc jSotterfurdite. liefen Xitel vers 
bienen ohne Bwcifel nidit wenige amerifanifd)e@es 
fängnißivärtev, bereit Xhutt unb Xrcibcn fürzlich 
btirch eine Gontmifftou im Staate StcwfQort unters 
fudit würbe. 

©raufamfeiten Tutb babei zu Xage gefommen, bic 
man in unfevem allcrdwiftlidiften Sanbe gar uidit 
für möglich gehalten hätte. Sittb and) ©cfänguiffe 
unb ßudjthäufcr feine Slnftaltcn, in tveidien bie 
Unfällen auf befonberä rürffidit3volle i'chanblung 
Slnfprmh haben, fo follten bod) Unincntdilidifcitcn 
nie gebulbct werben; benn e3 ift ein Untcrfdueb 
zwifdien gerechter, bie 25cffertt it^bczwccfenbcr Strafe, 
unb einem gvaufamen, unmeufdilidien Verfahren. 
So leidet aber ber 2>erbrcd>er vcvhältnißmäßig vor 
ben amerifauifd^cn ©criditohöfcn frcifommcit fann, 
fo furdttbar ift fein Soo3 in ben meiftcu Budit« 
häuferit, wo bie Unterbcamtcn fd>alteit uub walten 
wie fie wollen, ^olterfnechte ber fddimmfren ?lrt 
treiben bort ihr SBcfctt. ®ie Sirügelftrafe, mit bem 


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278 


(S^rontk brr Crgcnroart. 


r©abblc" aitgefübrt, einem 20 3oll langen unb 6 
3vll breiten Stücf Sohlenleber, fcad an einem böl= 
Jemen Stiel bereitst ift, ift überall im Scbmunge. 
Dabei mixt» ber Delinquent an ben Firmen fd)me= 
beut* aufgebaitgcn, mähvenb feine gftjje in einem 
am ©oben befinblicöen sRing beteiligt merben. Die 
3ahl ber au ocrabreichcnben J&iebc ftebt gaita im 
belieben bei* uicberett Beamten, ber ©efättgiti&= 
bireftor mei§ oft gar nichts von ber ©roaebur. 
Süitfuiibjmaiijig unb fünfzig Jpiebe finb an ber 
Sfcagedorbmmg, ed ift aber auch jd)on vovgefoms 
meu, bau bereu 350 ertbeilt, rejp. ber $\\ ©eftra= 
fenbe buchftäblid) tobtgefcblagcn mürbe. Den ©e- 
fucherit pflegt man mobl at »babble" ein jebr 
unfdmlbig ausiebeitbeo 3nftrument voratiaeigcn, 
mit beut fein grober 3d)abeu aityirichten märe; 
baä mirflid) benubte ift iebod) ba*S hier bcfcbriebenc. 
SJaft nod) fddimttter at bie ©vügclftrafe ift bic 
Dunfeliclle, ein enge£, jeber Ventilation cittbcb= 
tenbeS fiod), morin bie (befangenen auf bein ftei- 
iternen ©oben liegen muffen unb au Jßaffcr unb 
©rob nur gerabe fo viel erbalten, at jur Stiftung 
be$ fiebcita unbebingt erforberlidj ift. 3tt biefer 
Belle bat febou ©Jauchet 2Bod)en unb ©Jonate 
gefdnuad)tet. Eiuaelite ©efaugeue brachten ad)t 
biä aebn Monate barin au — in bev Olegel umrben fie 
bann mahufinuig. Eine nidit ininber barbarifche 
Strafe ift bie eiueS fo lange fortgefefcteit Dourhe- 
babe$, btei ber (befangene nabeiit erftieft. 9113 
©eräugniöärate merben mitunter gaita unmiffenbe 
SOienidkMi angefteUt bereu ©cvorbnungen gerabeau 
unfiunig finb. Manche biefer Herren gerate be* 
fümincru fid> überhaupt nicht um bie (befangenen, 
fonbern überlaffen bie Sorge für btefelbcn bem 
iMpothefer, ber, menn e§ fid> gerabe machen läjft, 
am* ber 3&bl ber Sträflinge genommen mirb. 
Die xWobbeit ber Sddiefeer unb ?luffeher fenut 
feine ©reuten. Sie mijjhanbeln bie (befangenen, 
namentlid) Diejenigen, bie feine Jreunbe haben 
r.nb fid) ihre ©imit nicht burd) freigebige ©efchenfe 
au erfaufen vermögen, fchlageit fie mit Sänften, 
treten fie mit Jütten; einer biefer Umiteufdjen 
jmaug einen (Gerangenen, ber ihn um ©rob gebe= 
teil, um feinen bittern junger au ftillen, oor 
feinen Gingen eine lebeube ätatte ju verachten. 
2Ba$ ffiunber, ba§ bie graufamfte ©erjtiche atir 
Selbftoerftümmelung unb aum Selbftutorb ge= 
uiad)t merben, biefen entfe^licüen Martern au ent= 
rinnen. 3u Sing=Siitg rtüraen fid) häufig ©es 
fangenc von ben hoben ©alerten herab unb riS? 
fiten 9(rm= uttb ©einbrüche, um nur iuö $ofpital 
au fommen, um fie bod) eine etma3 ntentchltchere 
©ehaitblung au gemärtigen haben, ©ielc erhän = 
gen fid), um ber ©rügelftrafe au entgehen. Der 
fdtlimmfte ©Jifibraud) untere^ ©eiänqniömeieu3 ift 
unb bleibt inamifdjeit ba3 .Uontvaftjuftem, monach 
bie ©efaugeneit an kontraftoren vermiethet mer- 
ben, bie mm übermenfdalidie 9lnfovbertingeu an fie 
(teilen unb, fallet fie benfelbett nidit au genügen 
vermögen, jene graufameu ©eftrafungen oerali¬ 
la ff eu. 

lieber bie englifdint ftaffeehänfer bringt bie 
„2Bej.=3tg. w einige intcreffantc ©Jittheilungen. 
Sie betreffen namentlid) bie bebeutfame Jrage ber 
^Rentabilität. Dem praftifdien Sinn cntfvrecbcnb, 
melchen in Suglaub fclbft bie ©hilajitbropic an ben 


Sag legt, bat man von vornherein auf Divibcnbcit 
hingearbeitet. E3 tväre aumr für bie erften biefer 
gemein nüfeigett Unternehmungen nid)t Schmer gc= 
mejeit, bab xHnlagefapital a fbuds perdu gejd>enf= 
mcife aufamtnenaubringen. 9lber ma3 märe benu 
mit einer ^anbvoll billiger Äaffecjdicnfen, bie fid) 
nidit fclbft befahlt gemacht hätten, gemonnett geu»e- 
feil? "IBorauf ed vielmehr anfam, mar, ju bemeU 
feit, bah SBirtbfchaftcn, melche bioh Äaffec, Dbee 
unb (Safao unb im Sommer Sobamaffer u. bergl. 
alb ©etränfe feilbieten, ebenfo gut ihren ©cann 
ernähren föitnen mie ©ierhallen unb ©ranntmeim 
febenfen; beim nur in biefem Jalle lieft fid) eine 
rafefc aitnehutenbe ©cvbreirung ber neuen Slvt von 
Sdicnfcn ermarten. Die ©erid)te, mcld)c ba^ 
Organ ber Agitation, bie „(Soffce ©iiblic-J&oufe 
^('eum," an$ allen ihm c\*reid)barcn ©cjdmftbbc= 
rid)ten von Äaffcebau^gejeüfd)aften über bie Jah= 
vebbivtbenben aufammengeftedt bat, ergaben, ba§ 
int 3abre 1881 n ur 7 von 51 ©efcllfdjaften feinen 
vorteilhaften Otcingeminn gehabt haben, einige 
bavoti bl oft ihreb aarten 9lltcr3 balkr. Die burch- 
fd)iiittlid)cDivibcnbe ber übrigen aahlettben ©cfeü= 
jd)afteu betrug 81 ©roaent. Rügt man aum Bmccfe 
Ser Durd)fd)nittred)iumg bie bivibeitbenlojen ©c- 
ellfcbaften hinan, fo bat ba3 in Ätaffcebati^gefell- 
d)aften angelegte Kapital ftch um mehr al^ 7 ©ro= 
aeut veraimt. Den bödifteit regelutäftigen 9teittge= 
miitu, 10 ©roaent, ervcid)ten bie ©ritifd) äBovfntau 
©ublic-J&oufe (Sompanp au Smerpool, bie (5offee= 
voufc Gompanv su ©irmingbam unb bie (5effcc- 
Xavevu (Sompanv au ©vabforb. 91 n lejjterem 
Orte, einer bebeutenben Jabrifftabt, erjdieint ber 
focialpolitifd)e©rfolgber s 3ieueriing bmbev aut voü= 
ftänbigften. Die bortige ©cjellfd)aft bat itnlängft 
ihre eitiunbamanaigfte äßirtbfd)aft eröffnet, ftenft 
übrigenb meit mehr Sibee alb Kaffee aiiv(, mtb man 
gemiitnt aitb ben ©erid'ten ben ©inbruef, alb botui= 
tttre fie bereit itt bem Sd)citfenmefcn ibre^ Ovtc^. 
9lber and) ber Grfolg in Liverpool fann fid) feben 
taffen. Sd)oti vor 3abr unb $ag murbe gemel= 
bet, baft von ben 15,ooo Arbeitern ber ^ivex-pooler 
Dodel, bie ber Entfernung halber Sfcittag^ nicht 
nad) ^aufe geben föniten, bie gröfteve Hälfte ihre 
.^aiiptmablaeit nicht in Sdntapbfneipen eimtebnie, 
fonbern in töaffeejdnmfen. 9luf brittfehen ilrieg^ 
unb Äaiiffabvtcifdüffen fahren bereit taufenbe 
von gefdju'x'rnen ©^rattntmeinfeinben. Die ßu* 
narblinie hat feit bem 1. Dcacutber für ihreDatn= 
pferiuannjcbaftei. bie Spirituoien burd) Kaffee er= 
fefet unb auf ben Sifcherfdjmad^, meld>e Sag uitb 
©ad)t ba^ ©ruitbttefe über bie ©tere^grfmbe hin- 
fdtleppen, ift Äaffee lättgft bie Siegel; beim mit 
©ranittmein läjtt fid) fo anbaltenbe jdni'ere Arbeit 
nicht verrichten. Da§ e§ auch in Ji>aje*Mtäbtcn 
nid)t boffniiiigblo^ ift, bem Sd)enfenleben Sdiran= 
fett au aieben, aeigt vor allem ©otbenburg^ glän= 
aenbfte^ ©eifpicl, bax^ einft vie(leid)t bie „fcetruns- 
fenfte" Stabt bex< Erbbalt mar unbiefet ein ©infter 
geivorben ift burd) feine in ben ©efife aller Schein 
feit unb Sd)itapx5läben gefontmene gemeinnühige 
9luefd)anfgefeUid)aft von 1865. 

®t« Äilh ber öeltbame bat füralich bet berühmte 
9?eftor Dis von bevSrinitv=fiird)e au 9}em9)orf tu 
einem feiner Sreitag-9lbenb ©ovtväge gemalt, ba‘S 
atvar etioa'i fette Jarbcn aufmeift, aber ohne 3^'eifcl 


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(Etponih brr tSrarnnmrt. 


279 


im Samen wahr ift. föoffentlid) bat eS fid) bic 
bebe 3 nhörerfd>aft ju ©ergen genommen. 

ßert ®i£ bcfcbulbigte bic amerifanifebe 23elt= 
baiuCf baß Re feilt Jntevcffe an $au$ unb Familie 
habe, ficb gwar fovfüber in bic (Sbe ftUTfte r aber 
bereu Serben unb ©Richten fid> m entstehen fud>e r 
Satten unb ftinber vernaddäffige unb burdt folcheS 
©etrageu fclbcr au 9(nfd)lägen auf ihre 6 hve beraub 
ferbere. ®aS achtaehnjährige SMäbchen, befien Sr= 
aiebung für’S geben juft beginnen feilte, werbe een 
feiner eitlen SMutter ber ©cbnle entnommen unb in 
ben teirbelnben äNälftrom ber Sogenannten ©efell= 
fdwift gefddeubert. Statt ihr ©ciipiele beS ©dienen 
unb Sblen voraufülnen, fie in Sugenb unb SKoral 
ju unterrichten, erftiefe man alle belferen ©efühlc in 
tbr, bringe fie in ©erührung mit beit awcifelhaftc= 
ften Sharafteren, (affe fie ®inge bereit unb leben, 
bic fie nie fcitneit lernen feilte, lebre fie, fid) cequett, 
frcdi unb frei au bencbinctt. ©o habe man eS itadt 
©erlauf ben etwa awei Jabreit bahiu gebracht, baß 
baS junge iDidbdien aur®e}ellfd)aftSbame geworben, 
bic über ihre frühere Einfalt unb ©efeheibenheit 
ladie, feine ©runbjäfee habe, niditS adtte unb vev- 
ehre, unb feinen anbereu JSuttfd) hege, alS 31 t ae= 
fallen, 31t glanaen, eine große Stelle m {vielen. ®ic 
CShe erjdteiite tbr nur alS Sonvcnienaangclegenheit, 
ein ned> größere gefellige Freiheiten gewäbrenber, 
alle Feiteln ber (Stiquette lefenber Buftanb. ©on 
ben ©Riditcn einer ©attin wi||e fie nichts, teebl 
aber beanfvrudie fie beren äußerfte Freiheiten unb 
betrachte ben geheiligten Statnen nur alS Jftcivaß, 
um fidi allen ©ergnügungen, allen 9ltiSfchweifunacu 
überlaffeit 311 büvfcn. ®iefe erfchrecfenbe 3Biß= 
adttung ber fteiligfeit beS ehelichen ©evhaltuiffeS 
fdjeine ihren teejentlidifteit ©runb au haben in ber 
geiditigfcit, mit ber baS ßbcbaitb geleft werben 
föitue. ßhefebeibung betrachte man alS etwas gana 
Natürlichem unb ©leidigültigeS, Jeber führe baS 
SSort im ÜWunbe unb in ber ©cfellfdiaft werbe eS 
faft alS eine SBuSgeidmung bctvad)tet, alS gefdiiebene 
Ftau auftreten au fennen. 

Uf&fr bic im ttnlftarlnt begriffenen „Singel* 
tingrl" (Cate chantant) in Berlin enthalt ber sehn* 
jährige ©evwaltuugSbcridd beS berliner ©oliaei= 
vräfibimuS einige iutereffante®aten. ®iefcTingel¬ 
tangel Rnb itidit au berwednelit mit ben „ßbantant^ 
theatcru", wie baS 2Balba(la- f Slutcrtfan.Theater 
unb aitbcre, weldie baS Stedjt haben, ®ratncit, 
hoffen ic. int ftoftüm aufauführen, waS ienen 
unterfagt ift. ®ie Singeltangel haben fidt in ben 
vicraigcr bis fecbSaiger Jahren auS ben ©arfeniften* 
ftavelleit hcraiwgcbilbet, weldie früher vornehmlich 
in SSeißbievlofalen (thcilS ftdnbig, tbeitö umher- 
jiebcitb) fich hören ließen. Sltt bie ©teile ber £arfe 
ift baS ft lavier getreten. Früher war bei biefen 
ttapellen ber ©eiangSfomifer bie auaicbenbe ©erion, 
beute finb eS bauptfddilid) bie weiblidien 3)titglieber, 
welche bie ©äfte loden unb ba§ gofal füllen follen. 
®iefe Singeltangcl vermehrten ftd> namentlich in 
ber ©rünberaeit rafd). — ®a^ SJoliaeipräfibiuitt 
war längft att ber Ueberaetigung gelangt, baß biefe 
Singeltattgel aur ©ewabrung be^ fittlichen gebend 
uiiter allen Uutftäubcn nidit weiter au bttlbeit feien. 
(SS fmib in biefer Slnfidif Buftimmung and) in ber 
öffentlidwit Meinung, welche bWe ©ertrage gcrabeau 
ofö öffentltdK^ äergerniß verurtbeilte. ®ie 6 r- 


fahrung ergab fehr halb, baß bie anfänglich hatut= 
lofcn ©ertrage mehr unb mehr eine fdilüpfrigc Form 
angenommen halten, um eine Slnaiehung&rraft für 
gewiffe Sbcile be^ ©ublifuntS anbauüben. @ine 
allgemeine Gvlaubniß aur ©cranftaltmig foldicr 
©orträge würbe baher grunbjäblid) nidit mehr er= 
tbeilt, an wcldjem ©vitnbjab nod) iefct feftgebalteit 
tvirb. Um aber bem Uitwejen ber beftebenben Sin= 
geltangel entgegenautveten, tvurbe im Jahre 1878 
vom ©oliaeipräfibitim verfügt, baß bie Jnbaber 
foldicr gofalc bie von ihren „ftünftlcrn" vorautra= 
genben ©tücfe vorher beut ©oliaeipräftbium aur 
©enebmigung vcraulegett haben. Ferner würbe 
Slitfattgo 1879 angeorbnet, baß bie in bcu SittgeU 
tangein auftvetenben weiblidicn ©evfoneit nad) ©e* 
enbtguitg ber Öejan ge vertrage in ben betveffenben 
©cbanflofalitäten fiel) nidit mehr aufhalten unb fid) 
aud> wäbreitb ber ©ertrage nid)t unter ba§ ©ubli= 
furn mifcheit bürfen. ©diließlid) würben bieSin^ 
geltangcl auf bie ©oliaeiftunbe (11 Uhr Slbenbä) 
gefefet, and) tvurbe ben vortragenben ©erfonen ver¬ 
boten, iit anberer alö in bürgerlicher ftleibting auf 
ber©ühne au erfdtciueit, unb fonftigeC^rfdm'erungeit 
angeorbnet. ®iefe Maßregeln hauen ba§ Unwefcn 
ber Singeltangel faft gang beseitigt. 9Bcihrenb im 
Jahre 1874 ned> 1 >9 folcher Siugeltangel beftanben 
haben, hatte biefe ijahl 1876 bi^ auf 21 abgenonu 
tuen, unb finb bavon jefet nur nod) acht vorhanben. 

Xicßtcrö tum “Home, gweet Holne ,, ntb* 
li4t Heimfahrt. ®aß ber ©evfaffer von “Home, 
sweet Home”, bicfcui fdwnfteu, innigften, tiefge= 
fühlteften .^eima thliebe in englifchcr ©pradie, John 
ßomavb ©avne,— geboren au ©ofton am 8 . 
Juni 1852 unb al$ amerifanifcher ßoitful geftorben 
au SuniS am 1 . Slpril 1882 — tvefe biefeS feineS 
bie innigfte .€>eimathlicbc auSfpredjenben giebeS, 
bod) in frembev, afrifanifcher (Srbe, fern ber £>ei= 
mathf ruhen mußte, fd>ien lange eine traurige Shat= 
fadte, bie bem ©olfe unb bem ^eimathlanbe bcS 
®id)terS wenig ®hrc mad)te. 

Jn 3ufmtft aber hat, waS von ber ivbifdieit ©e= 
hauftmg ber ®iditerfeele nod) übrig ift, in heimifeber 
(Srbe feine Stuheftatt. 9lm 6 . Januar 1883 warb 
auf ©etvcibeu cbclgefinnter ©erehver beS ®id)= 
tevS baS ©rab beffelben auf bem proteftantifdjen 
Fviebhofe in SuniS geöffnet, fein ©ebein in einen 
neuen, bleibcbcdten Sarg gelegt unb biefer an ©orb 
ciueS ©dnffeS gebvad)t, um über Fvanfreid) nad) 
Sliitcrifa gefanbt au uwrben, wo eS nunmehr auf 
einem ftirchiwf bei 2Safhii}gton beftattet würbe. — 
®em armen, venvefenben ©taubfittcl beS ®idderS 
fann cS allevbingS einerlei fein, wo er rubt,. ob in 
Slfrifa ober in 3 (mcrifa, aber bem amevifauifdten 
©olfe fann eS nid)t glcidgültig fein, ob bei* ©än= 
ger feincS füßcu .^eimatbliebeS in frember ober in 
heimathlichev (Srbe ruht. Slmerifa ehrt ficb fclber, 
inbem eS buvd) ipeimholimg ber Scheine ©avne’S 
einen feiner eblen ©ohne ehrt. 9US ©amte’S ©rab 
geöffnet würbe, faitb man auf ber ©Javmorplatte, 
bie eS bedtc, einen ©exS, ber auf beutfdj etwa lautet: 

wffiohl, alS bein eblcr ©cift entfloh 
amn hohen, fchönen ÖimmelSbom: 
vegrüßten ©otteS Sngel bid) 
laut mit bem SRufe: Home, sweet Home!" 

(®cutid)cr ©olfSfreunb.) 


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280 


(Chronik bet Cegfiinmrt. 


lieber Da# mehr ober «inDer hänftil SBorfommnt 

ber SonntagSarbeit in oerfd)iebeneu ©egenben De*3 
Seutfchen Öicid)^ finbet ftd) im ncueften 3ahve3 r 
berichte Der g fl b r i f e n = 3 n fP e f t o re n iitandjeS 
intcreffante Uvtheil. 31m feltenften ift Die Sonu= 
tagöarbcit in Württemberg; in einem Der beiDen 
3nfpeftiüii3besirfe, in welche ba3 SanD jeifällt, ift 
fie überhaupt nid)t Sitte; im auDevn hat ei wenig- 
fteni nidjt# Dabei au beanftanDcii gegeben. 3lm 
uitgüiutigftcu fdjeiitt e# mit Dev Sonittaaäarbeit 
in gewiffen Sesirfeit be$ flönigreicb# Sad)|en unD 
ber Srooiu} Weftfalen au fteben. Sott Bwicfau 
beißt c*5, baß Dort oon Der Gvlaubuiß su imauf= 
fdjiebbaren Reparaturen unD Arbeiten fo rcidUich 
©ebraud) gentadtf werbe, „baß Die Sonntagsruhe 
thatiddjlid) nid)t mehr oorhanben ift." 9tid)t Diel 
beffer foll eS in 31rnSbctg in Wcitfaleu fteheit. 
Sort rauchen häufig genug Sdjornfteine, um ted)- 
ttifebe Rüdiidjten Die gortjebung DeS SetricbcS un= 
möglich erheifcbeit tonnen." 3 n £effeip32aifau ift 
eS gelungen, minbeftenS Die wollen betriebe am 
Sonntag außer Uebmtg au bringen unD Die 9icpa= 
xatur= uitD ReinigungSarbcitcn jo einsufJnänfcn, 
bafj ein nur geringer Jhcil Der Arbeiter Devfclben in 
31nfprud) genommen iwirD. 3lehnlid) wirb e*3 im 
gürftenthum W.ilDerf unb Ober= uitD 32icber= 
bapern, Schwaben unD fRcuburg gehalten, nur baß 
bie ©laSluitten unD Gifettwerfe aur Sonntag^- 
arbeit befugt fiuD, unb Daß fie oon Dicfer Seftignifj 
Dielfacb ©ebraud) machen. 3« Deut Scsirf Sot3= 
baut uitD grauffuvt a. O. arbeiten oon Den obr^ 
banDeiten 18 12 innerhalb 3 wci 38od)cn einmal 
aud) Deo Sonntag#. 

SöieDer eiu Saititprtbigtr *n# dngfiwb. 3 n ber 

©rafichaft SDJarf in Seu>fd)laiiD hält neucvDingS 
Sr. Bemann au# SonDoit religiofe Vorträge. 
Scrielbe ift auerft in Der StaDt Sooft aufgetreten 
unD foll Dort in einer feiner Scrfammlungeii nid)t 
weniger al# 2500 # 3ut)örer gehabt haben. Sr. 
Biemann hat 3K:Disin ftubirt, ift auch praftif her 
3lrat geiuefeit, hat bereite im beutfdMranaöfijdjcn 
Kriege unter benurotben freute gearbeitet unD ftd) 
nunmehr eutfd)loffen, al# SaienpreDiger in Seutfd)= 
laitD au wirten, Gr hat SeutjcblanD erwählt, weil 
fein 58ater ein Seutfcher war unb in GitglanD Da# 
Serraiit bereite oon ßaieitprebigerit belebt ift. (Sr 
nimmt feinen Sohn, unterhält ficb felbft, ja er 
befahlt fogar Die Sofalmicthe. Sie 3(naiehung, 
tueldte Sr. Bemann au#übt, befteht nicht Darin, 
baß er bebeutenDe ©abcit bev Rebe aufauweifen 
hatte, foiiDern in bet 3nnigfeit leitte# ©laubcn# 
unD üt Der tut# leiDer neuen Gvfcbeintmg, baftburdi 
einen 3lrst einmal Da# Solf au beit Seclenarat 
erinnert wirD. Gtwa# mag aud) wohl ber anfaß= 
liehen 31 vt ber geiftlichen Scrcbjamfeit in (Snglanb 
in Rechnung 311 ftellen jein. 

3« fntjdjjtfbcnrn Wufcitftclii gegen bie Jrunf; 
fucht haben ftd) auch bie 9cieberlanbc aufgerafft. 
GS heißt in bent betreffcitben Gleich: äRit ©cfäng- 
tti& Don 1 bi# 21 Jage wirb beftrair cd. mit ©clD= 
bu§e Don 50 GtS. 100 gl.; 1. ber 5Bevfäufer dou 
geiftijaeut ©ctvänf, ber einem Siitbe unter 16 fah¬ 
ren toldicö Dcrabrcid)t, 2. bei einem öffentlichen 
9Sevfaitf Deut Käufer unentgeltlich geiftigeo ©ctränf 
anbietet. 3>orftehenbe Strafen tonnen um eiu 


drittel erhöht werben f bei einem tRürffalle in awet 
fahren. lVit©cfängniß Don 1 Jag bio 9 äNcua* 
teil eo. ©elDftrafeu ddu 50 (St3. bio 300 gl. wirb 
beitraft: 1 . tuer ein Äiinb unter 16 3 al)rcn abfiebt- 
lid) betrunfen mad)t f 2 . wer iemauben mit ©ewalt 
ober Slnbrobung dou ©etualt 311 m ©ebraud) beraus 
fdtenber ©ctränfe auüitgt. ©at Die ^anbluug eine 
Trautheit aur golge, jo tritt ©efäiignifeitrafc bi^ au 
5 3ghrcit eiu, bei nad)folgcitbem JoDe bco 30^iß= 
hnuDelten 3nd)tbanoftrafe bou 5—10 fahren. 5Diit 
©efäugitiß oon 1 Jag bi3 9 SWoitatcu eo. ©clD- 
büße oon 50 (Jt^. Die 300 gl. wirb beftraft, teer 
iemauben, Der in erfennbarem 3uftanbe ber Jnm= 
fenbeit fid) befinDet, berattfdienbc^ ©etränf oerab; 
reicht. W\t ©efängniß oon 1 bi§ 6 Jagen wirb 
beftraft, wer, währenb er im 3»ftattDc Der Jruit= 
fenheit fid) befinbet, Den öffentlid)ctt SScrfehr bctMii- 
bert ober bie Orbnung ftört, bie ©idjerbeit behobt 
ober eine Jpaublung begebt, bei ber 3 tir 58cvbfituug 
dou ©efahr für feeben unb ©cfunbbcit dritter 
befouDcre Sorforge erforbcrlith wirb. 30cit ©clb= 
büße oon 50 Gtö. bi$ 15 gl. wirb beftraft, wer fid' 
in erfennbarem Buftanbc oott Jvunfcnbcit auf 
öffeittlid)cnt* 28ege befinbet. Sei SKicberboluitg 
innerhalb 6 9)conaten fattn an Stelle ber ©elD¬ 
ftrafeu ©efängniß oon 1 bi3 3 Jagen treten, bei Der 
aweiten 38icbevbolung binnen einem 3 abr ttacl) 
Der erftcit fficrurthcilimg wirb auf ©ejängnift oon 
1—14 Jagen erfaunt. Sei Dritter unb folgeiiDcn 
®icbcrboluitgen je 6 2 )?onate nad) bereiften 3 >er= 
urthciluitg folgt ©efängniß oon 1 bis 21 Jagen 
uitD fan 11 bcrSduilbige atißcrbem, weint er arbeite 
fähig ift, cincm8anbarbcitöhau$für3— 12 üNonate 
übenoiefcit toerbeu. 

Xic llnfittc De# CDiumraniljen# hat aud) unter 
beit amcrifaiiijdicn Samen (Singaitg gefunben. 
Sie Cpiumraud)faloitö (pnrlors) finb iebod) feine 
ri)inefijd)cit Cpiumraud'höhlcn, fonbertt pvacbtooll 
eingerid)tcte, mit großem Gomfort aubgcftattctc 
StäumCf für gröbere unb Heinere Gfefcllfdmfteit 
berechnet. SJänncr finb oon biefen Sofa len, weide 
atwfchließlid) von Samen*Der höheren Stäube be= 
fnd)t werben, ftreng au^gcfchloffen. Sie Dpium-- 
raud)erimicn evfd)eincn meiftcnS au Sretctt uiib 
Sieren; namentlich finb e3 Sdmujpiclevittnen, 
weld)e betu Cpiumgcttub hulbigcn. Scravtige 
?lnftalten befinben fid) mehrere in Shilabelphia 
unb 3Je)o ?}orf. Gilt Gtqbliffemcnt in leßtercr 
Stabt würbe oon Der Soliset gcfddojjen, weil eine 
Dcrräthevifd)c tunbin einer ÜJeibe oott hod)ange= 
fcheiteit ^Männern einen SEBinf gab, bab ihre grauen 
Dort Stamntgäfte feien. 

»e fonDe re grühgoüe #Dintfle für $rof«bfetifntfd>fr. 

Die ia burd) ihren Scruf am Sefnch be§ gewöhnlu 
dien ©otteobienjtcS gänaliih oerhinbert finb, halber 
SveöDener Stabtocvein für 3- 3K. feit 50?itte Sep= 
fern ber 1882 eingcriddet. Sclbftoerftänblid) föntien 
aud) atibere an biefen ©ottcSbienften theilnehmcn. 
Siefclbcn toerben ieben Sonntag abwed)felnb in 
bev Sßaifenhau#' unb in ber Ghrlidjfdjen Stifte- 
firche, früh J7—J8 Uhr, burd) Den Screin^geifh 
lid)cu ober burd) einen an bereu Stabtgciitlid'cn 
gehalten. 3lufänglid) war ber Sefttch fehr gering 
unb wirb erft alimählig gelingen, Die Der Kirche 
entwöhnten Seute wicberau biefelbeheranattaiehen. 


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<$»«* tttb l«fl. 

(Sin illuftrirtes ?nmilienblatt. 


fffter siJanb. 3«nt 1883. gefctes ßeft 




in biefcn ^rütilingstagen, 

IDas ift bas für Saus unb Brausl 
Darf man ba es aud? nodj roagen — 
2lns bem Fleinen Fjaus heraus? 




Heuere lunDgebimgen Des Unglauben, Die $ibel unb 

Die CSefdjidjte. 



Cbirtr. 


G' 


v er nie ruhenbe Unglaube macht in 
neuerer Seit ben ro i f f e n f cf) a f U 
l i cf) e n Serfudj, bie barroinifcf)e 
S^forie üon ber aflmäfjligen ©nt* 
roicfeluitg alles organifcfjen Sehens 
bem gefaminten geiftigen unb 
geiftlid)en Sehen ber Wenigen aitgupaffen. 

®S roirb nicht bloS, roie früher, behauptet, 
fonbern man bemüht [ich. tniffenfctjaftticfje 58 e * 
tu e i f e bafür gu liefern, bafe fo roie Der menfd)* 
liehe fförper bur<h taufenbjäfjrige SßerroanblungS- 
Dorgänge nach unb nach ergeugt roorben, |'o fei 
auch alles anbere im unb am fDJetifcpen — fein 
SJenfbermögen, feine Sprache, ©ittlidjfeit unb 


21 


Religion auf bem gleichen SQBege entftonben. 
$>ie Anbetung beS einen ©otteS (fUlonotheiS* 
muS) fei g. 58. nichts anbereS, als bie Stufe ber 
©ottesoerehrung, welche ber fDtenfch aömäljlig 
Don ber unterfien ©proffe beS Aberglaubens 
(?£etifcf)bienft) erllommen habe. 25aS Ghriften* 
tpum roirb „bie ©pijje ber ©ibilifation" genannt, 
welche burch anbere ©pifcen erfefct werben würbe. 
3)ie Sprache unb baS S)enlen wären biefen 
Theorien gernäfe nichts anbereS, als Sntwide* 
lungen urfpriinglicher ^hiernnchahmung, inbem 
ber fOfenfeh ben Spieren bie Saute abgelaufct»t, 
biefelben nachgeahmt unb alfo unterfepeiben, 
benlen unb fpreepen gelernt habe. 


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282 


Jlrurrr j&nnbgebungcn bee Unglaubens. 


©ineS ber ©ebiete, auf welchem roir biefen 
Angriffen auf bie biblifche 2Bahrbeit gu be* 
gegnen hoben, ift baS, auf welchem man ben 
Stenfchen in feiner ©ntroidelung ober ©ntroür* 
bigung gu beobachten oermag, nämlich bie ®e» 
fdjichte, mit 'ihren 3meigroiffenfchaften — ber 
Sölferfunbe, ber oergleichenben Sprachlehre unb 
ber oergleichenben KeligionSgefchichte. 

Knftatt nun bie uns auf biefem ©fbiete gu 
©ebote ftehenben Shotfadjen eingein aufgufith* 
ren, giefeen mir oor, biefelbeu in brei ©nippen 
gufainmengufaffen. 

Ärfte Gruppe. 

Ser oorgefchrittene Unglaube fucht Seroeife 
bafitr gufainnten, bafe bie Serebrung be§ einen 
©otteS aus bem f5?etifchbienft entftanben, melier 
auf meiten SBegen gur SöieJaötterei oorgefchrit* 
ten, aus roeicher enblich bie einheitliche ©otteSibee 
entfprungen fei. 

Sie heilige @<h*ift geugt bon einem eroiaen 
©ott, ber fidj oon Knfang °n ben Wenigen ge* 
offenbart, oon welchem biefe jeboch abgefaüen 
unb gur Sielgötterei iiberaeaanaen feien. 

Kun fragt eS fich, metdher non biefen beiben 
ftrenaen ©egenfäjjen hot ben gefchichtliehen Se* 
roeis fiir fich ? 

Sie neuefte ber SBiffenfchnften, bie Per= 
gleichenbe KeligionSgefchichte, bemeift mit Her* 
beigiehuna onberer Hilfsmittel, bafe alle gefehlt* 
lieh nachweisbaren Sölfer, ehe fie bem ©öfeen* 
bienft anheimgefallen, in ihrer Urreliaion einen 
einigen ©ott anbeteten. Ser ©nglünber Karo* 
linfon, ber fjrangofe Kougemont, bie Seutfdjen 
SB. Pon Hmnbolbt, Sefdjel unb manche anbere 
haben fich burch taufenbjähriaen Schutt beS 
©öfeenbienfteS burdjgegtaben, umainaen bie 
800,000 ©ötter beS SubbljiSmuS unb fanben gu 
Knfang ber ©efdpchte bie Setoeife für bie Sin* 
betuua beS einen ©ottes. 3n>ar mürbe berfelbe 
unter nerfchiebenen Flamen Perehrt, unb eS mar 
jene Uranbetung oft fchon bermifcht mit Sitae 
unb Sthorheit; aber je roeiter gurüd bie fjorfcher 
in bet ©efchidjte gehen, je älter bie Pon ihnen 
aufgefundenen Senfmäler unb 3lnfchriften finb, 
befto reinere ©otteSerfenntnife ftellt fich bar. 

1) SaS uralte Solf ber arifchen 3nber, Pon 
roelchem bie heutigen göfeenbienerifefeen H'nbuS 
abftainmen, Perehrte etroa 2000 3fahre P. ©hr., 
alfo gu StbrahamS 3fit, in feinem „Seoa" nichts' 
anbereS, als „ben einigen, ernigen ©ott, welcher 
bie SBelt erfefeaffen, allmiffenb unb aflgiitig ift, 
bie Sünbe perabfd>eut, baS ©ute belohnt' nnb 
baS 33öfe beftraft, gu bem man aber als gu einem 
©rbariner fornmen bürfe." 

Saufchen mit einem ber Sieber ber alten 3(n* 
hier, mie cs im älteften Sheil ber Seba, ihrem 
KeligionSbuch, gu finben ift: „6r ift ber eingige 
Herr ber SBelt; ©r erfüllet Himmel unb ©rbe; 


©r oerleihet Kraft; 2ob unb Unfterblichfeit fmb 
nur feine Schatten. Sie mit 3?roft unb Schnee 
bebedten Serge, baS mogenbe SJfeer unb ber 
meitauSgefpannte Himmel perlünben feine Siadht. 
Son ihm mürben Himmel unb ©rbe, ber Kaum 
unb baS Firmament geraffen. @r ift ber ©ott 
über alle ©ötter." 

2) Seinabe noch reiner als bie Utreligion 
biefer arifchen Snbier ift biejenige jener alten 
Sölfer, oon welchen bie Serfer unb Kleber ab* 
flammen (©rauier, bie fich oon ben Slriern 
trennten), inbem in fie ihren Keilfchriften unb 
ben älteften Sbcilett ih^eS KeligionSbucheS, ber 
„3cnba=Sefta", gemäfe, nicht nur ^ahrhunberte 
laug reine ©otteSerfenntnife bewahrten, fonbern 
auch bie Stacfet beS Söfen, mit melcher ber per* 
fönlicfee ©ott fortroührenb im Kampfe liegt, 
oiel mehr herOortreten laffeit, unb es mit ber 
Sünbe ernfter nehmen. 

3) Son biefen 3apl)etitif<hen Söllern (3nbo* 
©ermaiten) flammen bie Kationen ©uropaS ab. 
Unb gmar finb eS im Korben unb SBeften jenes 
©rbthcilS meber bie ©eiten, noch bie Slaoen, 
noch bie Seutfcfeen, welche guerft bafelbft ein* 
manberten, fonbern bie SBnSfen, roelche oon ben 
Körnern Oberer genannt mürben. @S finb bie 
heutigen SaSfen in Spanien, melche man bafelbft 
SoScongaboS nennt, unb bie bis auf nufere 
Sage ihre Sprache unb manche ihrer alten ©e= 
brauche bemahrt haben, «ie inüffeit etroa 2000 
3ahre oor ©hrifti ©eburt in ©uropa erfefeienen 
fein, unb ber röntifefee Scferiftfteller Strabo be* 
richtet über fie, bah fie an feine ©ötter ge» 
glaubt hoben, roohl aber im Sollmonb einen 
ttamenlofen ©ott oerehrt hätten, roor* 
aus — unb aus anberem Seroeismaterial — 
SBilhelm oon Humbolbt mit Kecht ben Schluß 
gieht, bah fie bie Verehrung beS einen unfid)t* 
baren ©ottes bon Slfien nach ©uropa gebracht 
haben. 

SlnberS berhält eS fich mit ben fpäter naefe 
©uropa einbringenben ©eiten, Slaoen unb ©er* 
inanen, foroie mit ben japfjetitifefeen IßelaSgern, 
melche ©riecfeenlanb unb Italien bebölfern. 
Skfe bringen fchon fehr oerberbte ©otteSerfennt* 
nife mit, obwohl auch ih« ©rftlingSmpthologie 
eine oiel reinere ift, als bie fpätere. 

4) Uns gur femitifchen Sölferfamilie roen* 
benb, ift eS bebeutungSPoll, ba| gerabe baS 
Soll, aus welchem ©ott baS Heil hcruorgehen 
liefe, am fchnellften in ben tiefften Slbgruhb beS 
©öfeen* unb SünbenbienfteS fiel. SBon ben 
Semiten am ©upfetat ging ber abfeheu* 
liehe SBoDuft* unb SKolochbienft aus, unb f i e 
ftiirgen fich fo plöfelich in baSabfcheulichfte Softer* 
leben, bafe einet ihren Slbfnll eine berrudhte 
©mpörung gegen ©ott, einen groeiten Sünben* 
fall genannt hat. Safe aber and) feto bie fefered* 
liehe Saalsreligion nicht bie urfprüngliche ge» 


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jfeum lunbgebungeu bes Unglaubens. 


283 


mefett fein fann, gebt fcpon baratiS perüor, baß 
bie Araber, meldpe fid) fd^on friitje üon ben 
©uppratfemiten trennten, heute nod), mie not 
^abrtanfenben, gu bem einen ©ott — Allah, 
beten, melcper nid^ts anbereS ift als ber urfemi» 
tifcpe 3ftu — Stof)im. 

5) Son bein auSgegeicpnetften ber Damitifcpeu 
Sölfer, ben ©gßptern, bat man lange 3 e 't ge« 
glaubt, baß ihre ältefte 'Jteligion auf ber Sepie 
Don einer Söeltfeele, alfo auf bem Santpeis» 
muS, beruhe, Aber ba fommt in neuefter 3 e >t 
©mattuel be Diougö unb beroeift (1879) in 
einem gritnblicpen 2Berfe, baß bie ©gtjpter in 
ber Urgeit „einen ©ott, baS in Slaprpeit 
lebenbige SJefen, baS Alles gemacht bat unb 
allein nicht gemacht roorben ift," Dereprten. 

6) Sßopin mir uns nun audb bon biefen ©rfl» 
IingS«Sölfern in baS üieloergmeigte Sölferlcben 
toenben — fei eS herab bis ginn clenben fjetifcp» 
bienft ber Aeger unb gum 3 fl uberglauben ber 
robeften ^nbianer, ober hinauf bis gum ©äßen» 
fultuS ber ©pinefen — überall finben mir Se= 
meife Don einem ©efunfenfein gu biefen 3rr= 
tpiimern oon einer Urreligion, meicbe Den Der» 
tünbet, ber ba fagt: „3$ bin ber £>ert 
bein ©ott." 

DaDott, baß biefe ©otteSibee oon unten anf 
entjtanben ift, mobei man oom fjetifcpbienft all» 
mäplig gurn DAonotpeismuS unb SautheiSmuS 
getommen märe, fann bemitacp feine Diebe fein ; 
benn bie ©efcpicpte geigt unS ja gerabe ben um» 
gefehlten ©ang, nämlich oom perfönlichen ©ott 
gum fjetifcp. 

Aud) ift_eS unmöglich, baß ber ausmanberitbe 
6halbäe»toemite Abraham bie 3bee Oon einem 
perfönlichen ©ott erfunbeu haben fonnte, benn 
abgefehen baoon, baß fie fcpon Dorper in ben 
SBölfern gelebt haben müßte, mirb man bocp 
nicht behaupten roollen, baß in einem Solle, 
welches furge 3 e >t «ach ber Sünbflutp in 
ber Seft beS fchaurigen SaalSbienfteS gefangen 
lag, mittelft beS DeitfprogeffeS ber perfönlicpe 
©ott entftehen fonnte! Aeitt, ©r hat fiep Oom 
Uranfang an geoffenbart, unb bie AeligionS» 
gefcpichte meift nach, baß biefer geoffeiibarte 
©ott oon allen Sölfer it längere ober fürgere 
3eit angebetet mürbe. 

JtotUt Sruppr. 

Der oorgefcprittene Unglaube nimmt einen 
Anlauf gum miffenfdjaftlidpen Setoeis, baß baS 
gange ©eifteSleben bet Alenfcpen nichts fei als 
eine burch Sfaprpunberte in Derfcpiebeneit Sffielt» 
theilen fortgepenbe Sßanblung oom Dpierin» 
ftiuft gur Sernunft. Diefer Aufhaltung gemäß 
märe bet ©eift beS SAenfcpen fein Denfbermö* 
gen, feine Sprache, Siteratur, Äunjt unb 2Bif» 
fenfcpaft, fürs — bie gange ftultur nur bas 
©tgebniß oon ©rbe, äßaffer, Aaprung unb 


£>iße — beS DAenfcpen ©eift bemnacp eigentlich 
gar nicht Dorpanben. 

Die Sibel fagt: „©ott fcpuf ben Afenfcpen 
ipm gum Silbe, beibe, ein Aiännlein unb ein 
Fräulein; unb blies ihm ein ben lebenbigen 
Obern in feine Aafe._ Unb alfo roarb ber 
Ateufcp «ine lebenbige eecle." 

SBctS begeugt bie ©efcpicpte in biefer $iuficpt? 

1) Die oergleicpenbe DteligionSgefcpi^te meift 
nach, mie alle Sölfer, alten Ueberlieferungeit, 
fjanbfcprifteu unb ijnfcpriften gufolge, ihren 
gemeiufamen, aus ©otteS&anb gefdjaffenen Ur» 
fprung, Don einem Dernünftigen, oolltommenen 
Saare begeugeit. Stögen biefe Drabitionen oft 
mich noch fo oerroorren, noch fo entfteUt unb 
fabelpaft Hingen — fie finb bocp Dorpanben, unb 
gmar oft in einer Älarpeit unb Scpriftäpnlich» 
feit, bie nichts gu münfepen übrig läßt. Sie 
rebeit niept nur Don ber gemeiufamen Abftani« 
mung, fonbern auch Don ber ©rfepaffung ber 
A3elt, bem fjalle, üon ftaiti unb Abel, Don 
Aoap unb ber fjlutp, Don bem Dpurm gu 
Sabel unb ber Sölfertrennung. Scgeicpnettb 
in biefer Segiepung ift bie Dpatfacpe, baß gerabe 
ba, roo mir wahrhaft teuflifcpen Abfall gefun» 
ben haben, nämlicp im bobplonifcpen Affprieit — 
bie Dollftänbigften unb ben Sibeltpatfacpen äpu» 
liepften Sericpte aufgefunben morben finb, mie 
in Smitp’S cpalbäiicper ©eneftS gu lefeit ift. 

2) Sott bem ©ebiete ber DteligionSgefcpicpte 
auf baS ber Sölferfunbe unb Äulturgefcpicpte 
tretenb, pat man lauge 3 f it Dergeblicp bie mif« 
fenfcpaftliipen Selege für bie einheitliche Ab« 
ftammung beS StenfcpengefcplecpteSgefucht. Die 
SerbinbuitgSbrücfen gmifdpen ben Stenfcpenraf» 
fen fepeinen auf Dfimmermieberfepen berfdproiin» 
ben gu fein, unb ber ©laube mußte fid) einft» 
meilen mit ber inneren Uebergeugung begnügen. 
Die neueren fforfepungen haben au cp auf biefeS 
©paoS bebeutenbeS fiiept gemorfeit, obgleich >m» 
merpin noep ungelöfte Srobleme Dorpanben finb. 

Der gefcpicptlicpe AacproeiS über bie gleiche 
Abftommung ber europäifepen unb afiatifepen 
Sölfer* ift gmar ein bereits älterer, aber bie 
©otteSläugner haben bis auf bie neuefte 3e<t 
namentlich auf ben Sölfermirrmarr ber Sübfee 
unb auf Amerifä pingemiefen unb gefagt: „2öo 
ift benn itt biefern Sabprintp ber Don eurem 
©ott erfepaffene Sfenfcpeugeift gu finben, ber 
fiep Don einem Saar anf alle Stenfcpen fort» 
pflangte?" 

SÖallace, fforfter, Äenttebp, Aaucp, S e f<h e l 
unb manepe anbere antmorten auf ©ruttb nach» 
meislicper ffulturgüge: Die Solpnefier flnb gum 
großentpeil Sfalaien, baS heißt ^appetiten, — 
ioel^e als fühlte, gefepiefte Seefahrer^tm grauen 
Alterthum oon Afien auf bie Sübfeeinfeln 
famen. Außerbem finben fiep in Solpneften 
Slelanefett aus ber §amitifcpen Sölfetfamilte, 


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284 


jleuete Sunbgebungen bts Unglaubens. 


mel$e feinesmegs ft<h nur allein in 2lfrifa an« 
fäffig gemacht bat, fonbern t^eilmeife auch 2lfien 
— SJorberinbien (ÄbolS) — gum SOßobnfiße 
wählte. 

SQßie nun ber Z u fammeitbang biefer Znfel» 
bemobner mit ber ©efammtmenfchbeit nachge» 
Wiefeit ift, fo ftebt beute auch bie amerifanifdje 
Urbeüölferung nicht mehr in betn abgeriffeneit 
gefchidjtlichen 2unfel mie früher, fonbern ift 
burrf) bie mübfamen Arbeiten unb 9ta<hmeife 
non 3. ®. 9JfülIer, ©idering, ©ridjarb unb an» 
beren, meitigftenS bem groben ©angen nad), aus 
' biefcm ®unfel beroorgebolt unb ber einheitlichen 
Kette beS 9Jtenfchengefcble<htS eingereibt worben. 

2Bir wiffen beute, baß bie Urbewohner 9?orb» 
unb SübamerifaS aus Elften, ber üöiege beS 
9Weuf<ben, ©efchlechtS, aus üerfdjiebenen Zonen 
unb in weit auSeiuauber liegenben Zeiträumen 
in 2lmerifa loubeten. 23on ben aus ben Sübfee» 
infein fommenben Malaien finben wir bie alte» 
ften Spuren in Kalifornien unb bem 9Jtiffiffippi» 
tbal. Zbnen folgten Kulturoölfer aus Kbina 
unb Zapan unb enblidj, Por 600 fahren, famen 
bie Stotbbäute aus Sibirien unb malten ber 
Kultur ein @ube. Zn ©üb» unb DJittelamerifa 
finben fich fogar Spuren norbafrifanifcber unb 
afrilanifcber Sßöiter. 2111’ biefe &orben brängten 
unb folgten einanber, fo baß eS ermiefen ift, baß 
Weber bie 2lgtefen in Bierifo, noch bie ZncaS in 
©eru bie Urbeberrfcber jener Sänber waren, 
fonbern 23orgänger butten. 

grägt man, moburch benn biefe SRefuItate er» 
gielt worben, fo lautet bie 2lntwort — abgefeben 
00 m Körperbau-— mittelft ber oergleichenben 
9teligiouS«Kultur unb Spra<hgef<hid)te. 

2Bo immer ein 33olt einwoitbert, ba trägt eS 
Sitten, ©ebräucbe, Sprache unb Religion mit. 
2luf biefe 2öeife tarn burch bie SöaSfen ber ®e* 
treibebau unb bie ©iebgucpt nach Suropa. 2ie 
©talaien braibten ben BtaiS unb bie 2lfritaner 
ben $mannnch91merifa. 9Jlanche brafiliaitifiben 
Znbiaiterftämme begraben ihre lobten genau 
fo, mie bie Kongo=9teger in 2(frifa. 2ie fjlutb« 
fagen eiitgelner ÜJtalaienrefte in Kalifornien lau» 
ten beinahe wörtlich wie biejenigen ber ©oll) 5 
nefier, unb bie fogenannten Znbianerbüget im 
9Jfiffi|fippigebiet finb in gleicher SBeife angelegt, 
mie bie Sobtenbügel auf ben Sübfee»Zfifein unb 
int Süben 2lfienS. 

Zn Sübamerifa buben Dteifenbe ©olfsftämme 
gefunben, welche ben 9Jlongolen in 2lfien ouf’S 
|)oar gleichen, unb in mehreren ©egenben Süb» 
unb 9torbanierifaS entbedte man fogar Spunen 
beS alten 9Mod)bienfteS. 

3) 9t och oerwirrter als ba§ ©ölfergemiibl nahm 
fi<h früher bie b»"bertfacbe Spradtjttjeiligfeit 
au§ unb fpottete beinahe ber Zbee, baß alles 
@efd)le<bt aus ©otteS £anb als berniinftige Sin» 
beit ausgegangen. 


Seitbem jebocb Wlag 9JtüKct unb ©rimm un» 
miberlegbar nachgewiefen buben, baß aUe euro« 
päifchen Sprachen Pon einem Stamm abguleiten 
finb; feitbem 001 t Dtaumer, 2elißfd> unb SbetS 
biefe ©ermanbtfchnft aud» auf bie egpptifdje unb 
afiatifchen Sprachen auSgebebnt; .feit 2B. Pon 
^mmbolbt bie fo oergroeigten Sprachen ber Süb» 
fee auf alte afiatifdje SBurgelftämme jurüdfübrte 
unb ©ufcßmann lelbft baS Kaubermelfcb unferer 
9totbbäute auf’S gefchidjtlicbe Sprachfunbainent 
brachte: feitbem ift eS gefd)i<htli<h ermiefen, baß 
bie Sprache Ißrobuft beS beufenbeit oon ©ott ein« 
gebauchten BtenfdjengeifteS unb gugleidj ein 33or= 
gang ber ©efcßicbte ift; nichl aber ein 9tatur« 
porgang. Unb bie 2Bau=Wau=2ogif ber ©otteS« 
Iäugner, Welche behaupten, ber 95tenfcb bube baS 
Sprechen unb 2)enfen pon ben 2l)ieren burch 
9ta<habmen ihres Sellens unb SrüUenS gelernt, 
wirb gum ©elücbter. 

Somit betätigen 9teligionS« unb Kultur» 
gefdbidbte, 23ölfer= unb Sprad)funbe ben Sibel« 
bericht über bie Srfchaffung beS fDienfchen unb 
beSmenf<bli<ben@eifteS. 

Jlritte «ruppe. 

®er borgefchrittene Unglaube [teilt baS Sbri» 
ftentbum als ein Srgebnift ber admäblig ge« 
morbenen Sioilifation bar, unb behauptet, baS« 
felbe werbe balb burch etwas anbereS erfeßt wer» 
ben, baS man jüngftenS mit bem neuerfunbenen 
2Bort „fUtenfchentbum" betitelt bat. Worunter 
nichts anbereS jti oerfteben ift, als bie allgemeine 
öerrfchuft unb Selbftanbetuna beS natürlichen 
uJtenfchentinbeS, mit nichts babinter noch baPor. 

$ie SÖibel lagt: ®aS Dteicb ©otteS ift nicht 
Pon biefer SZDeit; eS ift einem Sauerteig gleich, 
welcher bie brei Scheffel 9Jiebl burcbfäuert; eS 
ift gleid) einem Senfforn, welches ein ©aum 
Werben foD, in beffen Zweigen bie ©ögel unter 
bem Fimmel Wohnen; eS ift ein Königreich, baS 
nimmermehr gerftöret wirb. 

2BaS fagt uns bie ©efcpichte ? 

1) Sie geigt, baß baS Sbriftentbum mit fei» 
nen ©runbfäßen unb Stbatfacben ber Siebe, beS 
©laubenS unb ber SelbftfuchtSlofigfeit uitmög« 
lieh ein ©robutt ber tief gefunlenen, in fchänb» 
liehe Abgötterei gefallenen IDtenfchbeit fein lann. 
Sie tbut bar, baß baS Steidb ©otteS auf eine oon 
bem 9Jtenf<henmeg fo total berfchiebeite SBeife 
wirft, baß int Sbriftentbum ein neues borher 
nicht befannteS ©rincip gu fchauen ift, welches 
wir bie freie SrlöfungStbot unfereS ©otteS neu» 
nen. 2) a S Königreich i ft oon ©ott. 

2) 2ie ©efdjidjte bemeift, baß feit bem ©in« 
tritt beS SbriftentbumS bem 9fiebergang bet 
SÖfenfchbeit ©inljalt getbait mürbe. 2Bie uns bie 
SBeltgefchichte lehrt, baß bie ftcb felbft überlaffene, 
burch bie Sünbe jerfeßte 9Jfenfchbeit herab» 
gefunfen ift oon retner ©otteSerfenntniß gum 


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fit l)iSd)fttn fautoerke unb päume btr (frbe. 


285 


©öjtenbienji ober 3Fctifcf>i§mu§ unb ber Serroil* 
berung; fo jeigt fie aud), baß mit bem Eintritt 
ber ©rlöfung ein Sauerteig im 5Jienfcf)enge= 
fhlecht roirft, ber bab Sinfen unterbricht unb 
bie Stenfhheit ju ©ott bebt. 

Xue ÜReih ©otteb offenbart eine in ihm rooh* 
neiibe straft, welche unmöglich t)on Stenfhen 
herrühren tarnt, fonbern göttlichen Urfpruugb 
ift. XaS Senfforn ift — ungleich anberen 8t)=' 
fteineu unb '.Religionen — für alle Sauber unb 
SJölter, bie gebilbetften unb bie roilbeften, paf* 
fenb, benit eb fommt üon ©ott. Xer grobe 
Saum hot fich über bie gange ©rbe aubgebreitet, 
unb bie Stenfheit roohnen glücflich in feinem 
Schatten. 

Xaß bis heute bie Sihtbe noch nicht abgethan 
unb baS Saftet nicht oernidjtet, ift tein ©egen* 
beroeib. Xiefe Xhatfahe jeugt nur oon ber 
£)artnudigteit beb Aietifhenberjenb, bab fiep 
niht freiwillig unter ©otteb SBilleit fügen will. 

Aber bab ©hriftentbum bot niittelft beb neuen, 
burh baS -i^eit in bie Sienfhbc’ifegefhihfe ge* 
brahten ^ßrincipö ber Siebe, beb ©laubenS unb 
ber oöttigen Eingabe taufenbe t'(jarattere er* 
jeugt, bie mit ihrem reinen göttlichen Seben, 
burh ihre ©ebulb in Seibeit, ihre an ben ©len* 
beften beroiefene aufopfernbe Siebe, ihr Serjih* 
tett auf ©enujs unb ihren Äanipf roiber bie 
Sünbe bargetpan, baß bab früher nie gefanntc, 
in ber Sibel berfünbigte '-ßrincip ber ©rlöfung 
in ber ÜJtenfhheit roirtt. 

3) Xab ©bviftentpunt hot ferner, inbent ebge* 
gen bie Sünbe jeugte, baS ©eroiffen ber SSölfer 
geroedt, auch wenn fte fiep bon bem $eil niht 
ganj burhbringeit ließen. Xie roiflfürlicpen, 
jum Vergnügen beranftalteteu Stenfhenfhlöh= 
tereieit ber alten cibilifirten (?) Sollet finb ba= 
hin; baS Familienleben ift feftgeftellt; bab tRecpt 
ber ßiuber gefhiißt; bie graufamen Xobebftra* 
fett finb obgefchafft; bie Frauen gefetlfchaftlih 

g leichberechtigt; bie Sflaoerei ift beriiicptet, unb 
entjutage ift eb feine männliche Xugenb mehr, 
roie bor Alterb, roentt fih ber £>err beb £>aufeb 
betrinft. 6b lebt unb roirft eine oerjüngeube 
unb erneuernbe Äraft in ber Atenfhpeitbge* 
fhihte. roelhe fich otth unter ben rofjeften 23öl= 
fern beurfunbet unb bie biblifdje AJahrpeit burh 
gefhihtlih« Xhatfacpen beftätigt. 

4) Xie Uebel unb bab mannigfache Unrecht 
innerhalb ber ©hriftenpeit bürfen uns niht 
irre führen. Söeun j. S. fogenanitte ©hriften 
fih oft in blutiger Fepbe jerfleifcpen, roie roilbe 
Xfjiere, ober hämifh, in tiftiger FucpSmanier, 
einattber untergraben, fo fort linS bicb niht ber* 
roirreit. Xiefe Xhatfacpfn betätigen nnr ben 
gefhihttihen Saß, bafe ber oon ©ott abgetönt* 
mene, bab £>eil nicht erfaffettbe Stenfcp — unter 
toelhem Samen er auch fegele — in Saht ber* 
ftnft unb enblih $ur $päne toirb. 


SBenn felbft innerhalb ber ftircpe Untraut 
gebeiht unb fie fih mit bent Slutc ber ^eiligen 
befledt, fo muß man unterfcpeiben jroifcpen ben 
Sti11 eln ber ©nabe unb ihren © r f o t g e tt, 
unb immer feftpatten, baß bie Kirche eben nah 
allem boh nur ein menfhlicp Söerfjeug ift. 

Äurj — wohin man fih atth in ber'öefcpihte 
roenbet, überall finb Äennjeicpen bafüt ja fin* 
ben, baß bab in ber Sibel berfünbigte Seid) 
nicht oon Atenfhett, fonbern bon ©ott ift unb 
Seftanb haben wirb. 

Xie ©efhicpte ber Atenfcpheit hot jroar feit 
ber hrifttih en 3eitre<hnung fhon fo Diele fRüd* 
fhritte unb Zugänge gemäht unb' erroeift fo 
manherlei berroirrte Äreujroege auf, baß ber 
eublicpe Sieg biblifher Wahrheit utanhmal 
jroeifelpaft erfcheiiten mag. Statt barf jeboh 
nicht bergeffett, baß bie Söffer nur in fo weit 
auf bie gcrabe jum ©nbjiel führenbe Sahn 
erhoben werben, alb fie bie Sibelroahrpeit an* 
nehmen unb roenigftenb tfjeilroeife erfahren, 
©efhiept bieb niht, fo geigt bie ©cfhicpfe feine 
© tt t roicfeluttg, fonbern Ser loicfelung. Xeß* 
halb gewahren wir in berfelben eincrfeitS ben 
©irroarr metifhlihtn Xhuttb, anbercrfeitb aber 
cttth ben ftetigen, unaufhaltfamen Fortfhritt 
biblifher Söcihrheit, — jum ©nbjiel, bem boH* 
enbeteti ©ottebreih- Xettn, ob ber ^blont auf 
rauhenben irittttmern ein fctnatifheb Spftein 
auf richten; ob mittelalterlicher Aberglaube bie 
Sölfer mit Xuittel iiberfhüttet; ober mober* 
tter Unglaube ein feitteb Sobelbilb aufftellt, 
bor welchem fich Stillionen beugen: in ber 
Stitte biefer fheiiiboreit Serroirrung fhreitet 
bie Sibel unb ihre Söahrheit, getragen oom 
heiligen ©eifte, fiegreiep boran, bib bie tReihe 
ber 2ßelt unfereb .perrn unb feineb ©priftub 
geworben, unb er regieren roirb oon ©roigfeit 
ju ©roigfeit. 




Pie IjödjJtni Pauiuerke unb Paume 
ber (Jrbe. 

gür £aub uub fperb nou 3 . Amt. 



b giebt biete Steufhcn, bie berart in fih 
H felbft oerfhtoffen unb fo böllig in bie 
Sorge um ihr irbifhf» Xafeitt oerfun* 
fett finb, baß fie webet in ber Sd)ö* 
pfung noh fonftroo bab ©rhabene^ju ertennen, 
norf) gu roürbigeit bertnögen. «olhe fennett 
ttihtb ©rhobenereb alb fie felbft finb, ober, roab 
fie befißen. Xab ©hriftettherj hingegen, erfreut 
fih an allem ©rhobenen, ob in ber Shöpfung, 
glunft ober fonftroo, unb preißt ben Shöpfer 
für cilteb, toab eb genießen barf. 3öir wollen 


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286 


$tr l)öd)ßen $nuroerke unb JiSume bet dtbe, 


Meter.*) 

riso 



Jif größten IBöume ber drbe unb bie fjodjften IBauwtrlte. 


1. ^rainibc bc* tttyco)f>*. — 2. 35a« SWlinflcr in Strnjjburfl. — 8. $*ic $cter«fircbc in 5Rom. ~ 4. 35tc $aulu«firc$c in fionbon. — 5. $5Aftar 
gjtammutybaum in Galifornicn. — 6. ffucalbptn« bon Zatmanicn. —7. Galifornifcbc 2ambcrt«ft$tc. — 8. Aurncaria excelsa bcr SHorfolf* 
3nfcl. — 9. 2Ba$«balme bcr SInbcn. — 10. 2>cutf$c Gi$c. — li. Seutföc Cbcltanne. — 12. SBaUmifbamn. — 13. ©aobab in Slfiifa. — 
14. 35rac$cnb*uun bon Drataba. — 15. (Sine (Straffe. — 16. 3»»ei Giranten. 


nun eine furje 9tunbfdE)nu galten unter ben er* | 
babenjten Sauroerfen unb ben ^öc^ften Säumen 
bcr Grbe. 

Unter 9to. 1 auf bem beigegebenen Silbe, Ija* 
ben wir bie bö(bfte Sürmilibe ber 6rbe uns bar* I 


ctefteUt. ®ief«Ibe bcfinbet fiä) in bem Canbe ber 
ehemaligen Sbaraonen unb ftanb, ohne 3*®eifel 
föoit, als Wbraljam nach Ggt)pten jog. <Sie 

9 ) (StH Bieter = 3 5uj$ 2 yoB. 


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$u Ijödjften Btaumrrhe unb Pituntt bec ®rbe. 


287 


fleht 6 airo gegenüber, auf ber Wefttichen ©eite 
beS RilftromeS unb etwa fieben Weilen Don 
bemfelben entfernt, ln biefer ©teile foll JRa» 
poleon sü feinen ©olbaten gefagt haben: ,,©oU 
baten, Ichtung! Siertaufenb Sabre flauen auf 
uns herab." Iber nicht nur wegen ihres Itter» 
ober ihrer £>öhe, noch wegen ihres fotoffalen 
Umfanges, foitbern hauptfächlich wegen ihrer 
genauen Orientirung nach ben £>immelSgegenbeu 
ift biefetbe bewiutbernSwerth. Iber auch ihr 
Itter (nach Wcincheu 2170, nach Inberen fchou 
3300 o. Gbr. erbaut), fowie ihre .frohe (480 fjrufe) 
unb ihr Umfang (764 fjufe) fefjein bie !uf= 
mertfainfeit beS '-ÖefucherS. '-ßrocfter unb Inbere 
glauben, baß biefetbe oon bem Erbauer beftiinmt 
mar, währeub feiner ^Regierung aftronomifchen 
unb aftrologifchen ^Beobachtungen unb nach fei* 
nein 2 obe feinen ©ebeinen als fRuheplap ju bie= 
nen. Durch 208 Ibftufungen auf alten oier 
Seiten würbe biefetbe ju einer ©pijse aufgeführt. 
Huf ber 15. Hbftufung befiubet [ich eine Oeff= 
nung. unb Don hier führt ein 3 3?uß breiter, 
126’ f$?uß langer, fchräg aufwärts fteigenber 
©ang in ben ftöitigSfaat, wo ber ©arlophag be§ 
^Regenten fteht. ©in anberer ©ang führt in ben 
©aal ber '.Regentin, unb noch anbere führen nach 
oerfchiebenen '.Richtungen unb jutefct wieber 511111 
frauptgatige jurücf. 

5Ro. 2 führt uns nach ©traßburg. $ßer hätte 
nicht fchou öon bem ©traßburger Wüufter, ber 
großen Äathebraltirche gehört ? Der Sau biefer 
prächtigen Äirche mürbe fdjon iin S°hre 1015 
burch Sifchof SBerner oon frabsburg begonnen, 
aber erft im Sah re 1439 würbe ber Dtjarm ootU 
enbet. Die ttircf)- ift aus behauenen Ouabern 
erbaut, über welche ber Dhurm — bis 511 t $rone 
einer burchbroctjeuen 'ßßratnibe ähnlich — hoch 
emporragt. Die £>öt)e bcjfetben beträgt 436 
Wirifer ober 463 aineritanifdhe SuR, unb war 
bis oor einigen fahren ber hödjfte $irchthurm 
ber Srbe. Der 'Befucher lanit benfetben bis bei* 
nahe jur $rone befteigen, wohin 8 2Beubeltreppeu 
führen, lieber ber Shoite erhebt fiih baS .Qreuj 
mit achtecfigein Äitopfe. S 1 « Snuern ber Kirche 
befiubet fid) bie große aftronomifche Uhr, welche 
nebft unferem Sonnenfpftem eine Wenge 7yitiu= 
ren enthält. Um 12 Uhr beginnen bie 12 Wpoftel 
einen Shutbgang, roähreiib beffen ein auf einem 
tRebenthiinnchen ftehenber .frahit Jräht. Diefe 
merfmürbige Uhr enthält 270 ©etriebe mit 600 
SRäbern. 

3ßer immer nach 5Rom eine fReife macht, unb 
einen tßradjtbau fehen roift, ber lenfe feine 
Schritte nach ber ©t. IjßeterSfirche (fRo. 3.) 
Soran fteht ein prächtiger SSorbau, welcher auf 
8 ©änlen, 4 tßitaftern unb 6 ftalbpilnftern 0011 
forinthifcher Orbnung 93 f?uß hoch ruht, fjäiitf 
Ihüren führen in bie ©orhttfle, über welcher fich 
bie ©atlerie befiubet, oon ber ber tßapft au jebem 



©rünenbonnerftage bem oerfammelten Holte ben 
©egcit evtheilt. 93on ber Vorhalte führen meu ' 
tere fünf D hüten in ben Jlirdjenfaol, wobon 
ober eine augemauert ift, ttnb nur bann Dom 
Zapfte mit gotbcnem Jammer geöffnet wirb, 
wenn er baS füiifuubjwnusigjährige Subiläum 
feiner SGßahl jum Zapfte feiert. Dev Äirchen« 
faat bilbet ein Jlreuj. Die Sänge bcS fraupt* 
fchiffeS beträgt 622 unb bie bes OuerfchiffeS 
461 Süß. Die ganje £>öbe bcS Domes ift 436 
Safe. Die ihippel erhebt fich über ber Witte beS 
ffreujeS unb ruht auf oier großen 'Pfeilern, 


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288 


Pir ßödjften itauiuerke unb piiumr ber (Srße. 


über biefer eine Saterne mit Säulen. Wuf bie 
Saterne folgt ein fegelförutiger 'llttffaß, auf 
meinem eilte oergolbete Singel rußt. Sas ©ange 
feßließt mit einem 14 3mß ßoßen oer^olbeten 
flreiige. 3m 3 a b re 1680 betam bie große Slup» 
pel einige SRiffe, man legte baßer feeßs eiferne 
Steife um biefelbe. Wtan gäßlt neungebn Elitäre, 
barunter ber Sjocßaltar, oon melcbein aus bet 
Sapft, unb biefer nur brei Wal im ^a^re, bie 
Weife lieft. 

Ser britte Slircbtburm (Stummer 4) begeieß» 
net ben Sont ber St. S‘iitluS=$irche in Sonbott. 
Schon im 3‘ibve 610 mürbe mit bem Sau bie» 
fer fidreße begonnen, erlitt jeboeß mehrmals 
imreß ffeuer febr großen Schaben, befoitbcrS im 
Sabre 1666. Wach biefem Staube mürbe bie» 
felbe bou Sßriftopß SBren bon 1675—1710 
nach Slrt ber SeterS»Slircße in 9tom, in ber 
3?orm eines SlreugeS, erbaut. 'Sie Slircße ift 
510 3?«ß fang unb ber Sburut 365 jyttß hoch- 
Sie innere #öße beffelben beträgt 282 f$uß unb 
ift 146 3fuß im Suribineffer. Sie große Slup» 
pel rubt auf 32 Säulen unb ift mit 23 Senf» 
mälern, bielen eroberten flaggen unb fjnßiien 
gefibmudt. Untcrbalb btefei- Kuppel befinbet 
ließ bie fogenaunte “Whispering Gallery,” fo 
benamft, röeil man jebeS auf ber gegenüber lie» 
genben Seite gefproeßene SJort beutlich bören 
Fann. Wncß hier bilbet eine oergolbete Singel, 
über toelcßer ein oergolbetes Slreug ftebt, bie 
Spiße beS SburmeS. 

2Bir betreten nun ein anbereS ©ebiet. Wo. 5, 
baS borftebenbe Silb, geigt uns ben ßöcßften 
Saum ber Srbe. Serfelbe roäcbft in Salifor» 
nieit, ift 376 (fuß boeb unb 106 ffuß im Um» 
fang. Ser größte Saum biefer ©attuitg ftebt 
nicht mehr, foll aber bie enorme .große uon 450 
ftuß unb einen Umfang oon 120 (fuß gehabt 
haben. Ser jeßt noch fteßeube Waminutß» 
bäum mürbe, roenn gerfägt, 120,000 laufenbe 
(fuß Salten, gu 6 3oH Ouabrat, geben, ober, 
in anberen ©orten gefagt, berfelbe mürbe bin» 
reießenb fein, um fünfzig geräumige Slodfbütten 
u errichten, ober, in £>olg gerfägt, mürbe ber» 
elbe 235 Sllafter nach ameritaitifcbem Stuß 
geben. Siefe (jicßteinirt ift nur in Kalifornien 
gu finben. 3b r £>olg ift bem Sebent ßolg äbn» 
ließ. 

Wo. 6, SucalpptuS genannt, roäcbft auf ber 
Snfel SaSmattia, fübtieß oon tUuftralien. Sie» 
fer Saum erreicht eine große oon 300 (fuß unb 
bat einen Surdjmeffer bon 13 (fuß, unb ift ber 
atlgemeiufte ffialbbaum ber 3fnfet. Sie Sin» 
geboruen futhen fteß einen biefer Säume mit 
fiarfer Slrümntung aus, febäleu bann bie gäbe 
fortäbnliche Winbe oont Stamme los unb be= 
nüßen bie Schale als Shtßn. 3ft bie Sieguug 
nicht genügenb, um bie beibeu Snbe über bem 
2 Baffer gu erhalten, fo machen fie an jebetn 


Snbe eine Staub oon naffent 2eßm. SaS Slatt 
beS Saumes ift leberartig, 6 3<>ll lang, aber 
febr fcßntal, unb meil baffelbe borigontal ftebt, 
gemährt ber Saum nur febr roenig Schatten. 

Siner ber fünften Säume Ülmerifas ift bie 
fdjlaufe SambertSfichte (Wo. 7) Kaliforniens. 
Sie größten Säume biefer ©attung erreichen 
eine £öße oon 300 (fuß unb einen Surchnteffer 
oon 10 (fuß. Sie Stefte magereebt auSgeftredt, 
bie unterften lang unb nach her Spißcgu immer 
fiirger roerbettb, bot biefelbe ben Wiifcßeiit eines 
folofjalen SteibnacßtSbaumeS. SaS giolg biefer 
fiepte ift roeieß unb oon rötßlicßer (färbe, mirb 
baber auch “California Redwood” genannt. 

Obigem Saume in mancher Segiebuitg äbn» 
lieh unb auch beinahe oon berfelben flöße, beeß 
bebeutenb fleinerem Umfange, ift bie Auracaria 
excelsa (Wo. 8) ber Worfolf»3iifeIu. Sie Wefte 
umgeben ben Stamm guirlförmig, inbeut mei» 
ftenS groölf Wefte in gleicher flöße ben Stamm 
umgeben unb itt gerabem SHitfel oom Stamm 
ableufen. So ftebt ein Cuirl etma 4 fünf? über 
bem attbern, bis gitr Spiße. 9lit ben Silben ber 
3toeige fißen (früeßte Oon ber ©jröße eines Wen» 
fdjenfopfeS, roelche 2 bis 300 Sameitförner, fo 
groß roie eine Wanbelnuß, enthalten. Siefe 
Sameitförner bilben ein fiaiipt»WabrungSniittel 
ber Siitgeboreiten, inbeut einer biefer Säume 
ßinreicßenb ift, acßtgeßn Serfotten gu erhalten. 
Sobalb biefe gvüdjte reif finb, öffnet fich bie 
äußere Schale unb bie Sameitförner fallen auf 
bie Srbc unb roerben bureß bie (Eingeborenen 
eingefammelt. 

Sie Stecßtpalme ber Wnbeu (Wo. 9) finben 
mir auf ben Korbitleren»©ebirgcit int roeftließen 
Sßeile Süb=WmerifaS. Siefelbe erßält ihren 
Warnen oon einer roacßSnrtigeii Wtaffe, roelcße 
bie IRiitbe bebedt. Siefer Saunt roäcbft bis gu 
einer .vroße oon 180 fviiß, unb bat bie Sigcit» 
tbüntlicbfeit, baß ber Stamm in ber Witte feiner 
Sänge am ftäriften ift unb feine gange ^rotte 
aus nur 9 —10 Slättern befteßt. Sie auf ber 
unteren Seite toeiftfilgig gefieberten Slätter ßa» 
beit eine Sättge oon 20 miß unb roerben oon 
ben Siitgeboreiten gur Sebedung ißrer Jütten 
benußt. 

SaS itacßftebenbe Silb begeießnet eine attbere 
Salmenart, gur fjramilie “Jubcea inermes” ge» 
ßörettb. ©efuitben roerben biefelben auf ber 
3ufel WabagaSfar unb iit Sßili. Ser Stamm 
ift furg unb bat bie (vorm einer aufred)t fteßen» 
ben ioitite. Sie ßrone befteßt aus einigen 
großen Slattvippen, roelcße mit fleitten Slätt» 
eben, bie ließ bei (eifern SMttbc betoegeit, hießt 
beroaeßfen fiub. 

Unter Wo. 10 erfennen roir bie beutfeße Sidße, 
roelcße einer ber niißtichften Säume ber Srbe ift. 
SaS gäbe, fefte ,£>oig roirb auf beinahe allen ©c« 
bieten ber Wecßanit Oerroertßet, ntäßreitb bie 


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JHe t)öd)ftrn pauroethe unb päumc bet (Stbe. 


289 



SRinbc ein ausgezeichnetes Staterial für bie ©er» 
bcrci liefert. Siefe (Siche erreicht eilte £whe »on 
180 guß, unb nimmt non 200 — 400 $ahre an 
Starte zu, unb erreicht bcmn einen 3)ur<hm«ffer 
»oii 8 —lOJgruft. Tie ßönigSeiche im fog. 
milben Dtofenthal bei fieipzig ift 20 3iif} im Um* 
fang, unb in bem frönen (Sichenwalbe Hälfe bei 
Bremen fte(fen (Sichen »on einigen breißig ffitj? 
im Umfang. Tiefe @i<he ift burch ganz Gnropa 
ju fiitbeit, mächft jeboch nur auf Ebenen unb 
niebeven ©ergeu, wo ber 
Sobcit fanbig unb mit 
Tammerbe unb fiepm »er* 
milcht ift. Tie größten bie» 
fer Säume erreichen ein 
Stlter »on 1000 fahren. 

Tie ffrudht (Sichel) mirb 
jum Statten »on Schwei* 
neu, unb in manchen @e* 
genbeit jmn fjabrijiren »on 
Sronittmeiit beniifct. (Sin 
anberer in Teutichlanb weit 
»erbreiteter Saum ift bie 
fogenannte (Sbeltattne (9lo. 

11). Tiefer Saum roäcbft 
bis ju eiuerjjjöhe »on 180 
ffuß; ber tetamm erreicht 
eine Starte »on 4—12 fyiiß 
unb ift mit einer etwas auf* 
geriflenen, grautocißlichen 
9tinbe beileibet. 3u ben 
erften breißig Rubren tüädjft 
ber Saum langfain, bann 
aber ziemlich fchtieH unb 
mirb bi» zu 800 v lahre alt. 

TaS |)olj ift weift, fein* 
foferig, zähe unb elaftifdf, 
babei leicht ju bearbeiten, 
äus bein $jarz, welches auS 
ber fttinbe fchwißt, tnirb 
Terpentin fabvijirt, unb 
aus ben Tannenzapfen mirb 
Taniienjapfeuöl ober auch Tanneuzapfenbrannt* 
»ein geiooitnen. Turdf feinen fdilanfeu, toalzen» 
artigen &tamm, feine regelmäßige ffrone unb 
bunfelgrünen fabeln macht ber Saum ejnen 
angenepmen Gsiitbrucf auf ben Steufdfen. 

Tie nüchfte stummer auf bem Silbe bezeichnet 
beu fflalliiuBbaum, welcher nicht nur in iMmerita 
unb Tcutfchlanb roächft, fonbent beffen £>eimntfj 
fiai bis nach Sofien erftreeft. Stauche biefer 
Saume hoben eine £>ölfe »on 100'iitib einen 
Umfang »ou 14 3uß. TuS buutelbraiine &olz 
ift roerthooll, uub mirb allgemein zur Slnferti* 
gung »ou allerlei feinen Stöbe ln benii^t. Tie 
gruebt ift mit einer grünen, fchwammigen, 
fchmarzfärbenben .&iil(e umgeben; entfernt man 
biefe, fo bat man eine 9tuß »on ber ©röße eines 
Heilten Hühnereis, in melier fich ein loohl* 


fehmeefeuber .(fern befiubet. SeriUjmt finb bie 
rheinifchen SGßolltiiiffe, welche in ber Sfdz an 
ber Sergftraße gebaut werben. 

Unter So. 13 feben wir eines ber SJunber ber 
Sflanzenwclt, Saobab ober Sffenbrobbaum ge* 
nannt. Terfelbe wächft auf einer ber tleiiien 
Slagbaleneitiitfelu. Sbatnfon, ber bergleichen 
Säume auch an ber Stiinbung beS Senegal ge* 
funbeu Unb geineffen hot berichtet, baß bie 
größten Stämme bevfelben 305ttß Turcbineffer, 


frifanifd>er Tnfmhmmt auf ®Jabafl<iefar. 

80 guft £)öf)e itub Die $rone eine ©reite üon 
140—160 aeftabt haben. 9lu3 3nf<f)riften, 
melcbe 600—400 ^afjre alt unb jc^t iibermaebfen 
mären, berechnete er burdb ©eiqleicbunq bes 
£tamme§=;Eurcbmef}er§ mit bem Staube biefer 
^ufdjriften ba£ 9Uter ber qröBten Säume auf 
5150 3abre. 3m ^orfe ©ranb@alerque§ Ijaben 
bie 9teqer in einem f)ol)len Saobab ben (Singang 
mit Sfulptitren qejiert, melcbe aus bem frifeben 
|)olje qef(f)iiitten finb. $er innere Ühuiin bient 
ju ben ©emeinbe = ©erfammtunqen, mo bie s 2ln= 
qeleqenbeiten unb 3ntereffen ber ©emeiube be= 
ratben unb befproeben merben. S)iefe Eingaben 
merben beftätiqt burcf) eine Sefcbreibunq beS 
©enetianer* 9t(oifiu» ba Oabamofto, meletjei^im 
3abre 1454 einen biefer ©dume auf 100 3UB 
im Umfanq icbüptc. 


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290 


Pie l)öd)ßtn Paumerhe unb fäutnr ber drbt. 



Oeftlic^» bon 3lfrifa, auf ber 3fnfel Senne« 
riffn unb unfern ber ©tabt Oratatja, ftef)t ein 
anberer foloffalet Saum (So. 14), Sradjen« 
bäum genannt. fnnnbolbt fanb biefeu Saum, 
1799, mehrere guß über bem Sobeti, 45 gufs 
im Umfang. grüijer foll berfelbe bon ben (Sin» 
geborneu göttlich üerebrt roorben fein, unb im 
Tiinfüebnten Sfabrbunbert foU an einem in bem 
bohlen Saume errichteten Elitäre bie Steffe fiele« 
fen morben fein, ©egenwärtig ift ber ganje 


riefenhaft 3 U nennen. 3 u beiu breitet fid) feine 
.(frone über einen glächenraum bon ettoa 40 
guß Stircpmeffer aus. tiefer Saum hat feine 
|)cimath in (Suropa, hot nabelförmige, jtoei« 
jeilige Slättchen unb bläuliche Seeren. Sa§ 
§olj ift braunroth unb fehr fejl, unb fehroarj 
polirt, hot es grobe 3lehulichteit mit (Sbenholj, 
unb wirb in ber 9ta<habmung biefeS roerthboüen 
$olje§ oermenbet. 3 m 3 lbfub, fomie bie Slät« 
ter, »erben in ber Sieben gegen ben Siß 
müthenber^ninbe, fo» 
wie gegen (Spilepfie 
unb Semen trantpei« 
ten angemanbt. 

Soch jtoei ber bödj« 
flen 2 hiere wollen 
Wir furj erwähnen. 
So. 15 geigt uns baS 
Silb einer ©iraffe. 
Son friihefter 3 e >t 
war biefeS Shiereiite 
auffalleitbe ©rfchei« 
nung, fo baß fetjon 
bie römifChen gelb« 
herrn ihre Triumph* 
pge bnr<b Sorfüb« 
rung berfelben ber« 
herrlichten. Sie ©i« 
raffe int granffurter 
St u f e u m hot eine 
&öheöon 22 giißunb 
ift babei fehr furcht« 
fam unb fchiichtern. 
Ser tfopf gleicht bem 
eine? SferbeS, eine 
furje Stöhne läuft 
längs bem t£>alfe her« 
ab, bie garbe ift gelb, 
mit braunen gleaen. 
3lfrifa ift bie £>ei« 
math biefeS Spieres, 

WiclnUaru« bei bfr Stiel 55#un»<riii*. Ullb mir eilljellte 

(Sjemplare werben 
bnr<h 9Jtenagerie«Sefifcer jitr ©chauftetlnng in 
folteren Sänbern umhergeführt, ober befinben 
fich in ben Spiergärten folget Sänber. 

Unter So. 16 ertennt man ben (Stephanien. 
Son biefen Schirren giebt eS jwei ganj bon 
jnni ©tehen gtt gewähren. Sie ganje £)öpe ! einanber oerfchiebene Saffeit, eint Heinere, unb 


Saum hohl, unb ift im 3nnern eine SJenbel« 
treppe errichtet worben, welche ba münbet, wo 
am 21 . 3uli 1819 ein ©türm einen 3lft abge« 
brochen hot. Sie ©teile, wo biefer 31 ft abbrach, 
ift grofe genug, um 7 Serfoiten genügenb Saum 


beträgt 70 Qritfe. (Sinige ber 3 w cige folleit 50 
guß in ber Sänge hoben. Sa biefer Saum 
fehr langfam wächft, wirb fein 3llter taufenb 
3 ahre weit iiberfteigen. 

SaS obenftepenbe Silb jeigt uns eine anbere 
Saumart, bie, wenn auch füglich ber $öpe, 
iin Sergleich mit auberen, nicht riefenpüft ju 
nennen wäre, ba feine #öpe 50 gufs nicht über« 
fteigt; betrachtet man aber feinen ©tainm, fo 
ift ber Umfang beffelben, im Sergleich jur £)öhe, 


wie man fagt, gutmütpige afiatifche Suffe, unb 
eine größere, für unzähmbar gehaltene afri« 
fnitifche Saife. Sie erftere erreicht eine tpöpe 
üon 10 , bie lefctere eine oon 16 guff. 'Sie 
im Sanbe umhergeführten (Stephanten gehören 
fämmtlich ber afiatifcheit Stoffe an. Ser lange 
Süffel bient fomohi 311 m £>erbeiholeu beS gut« 
terS als 3 m 3lbwehr beS geinbeS. Sie laugen 
©toßsäpne wiegen Pon 60 bis 180 Sfunb, aus 
benen (Slfenbein fabrigirt wirb. 3 n 3 nbien 


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Itlopßoili’* PlefftoB unb feine Steta. 


291 


routbeu bein ©lepljanten flötttid^e ©hrenbegeu« 
gungen erroiefen, unb Don einigen aubern 33ö(= 
fern rourbe et jutn KriegSbienft Derroanbt. 
S«3 Shier roiegt etwa 7000 '{3funb unb Der. 
mag Saften bis jum ©eroict)t Don 3000 tpfunb 
ju tragen. 

-. * -- 

* ' 

Slopltodt’s JBeffia« unb frlne 
Vtta. 

gür #nnl itub fjerb non @eo. @nt|j. 


er fidj mit ber ©efdjichte ber beutfchen Site, 
ratur unb tßoefie einigermaBen befannt 
gemacht hat, roeifs, baß mit Klopftod’s 
©rfcheinen in ber Witte beS Dorigen 3 a hr« 
fjunbertS ein großer Söeiibepunft eintrat. @S 
batte fid) gu ber 3cit ein ©eift ber greifinitig« 
feit unb Sufflärung in ber gangen Siteratur 
inebr unb mehr eingebrannt, ber fid) fogar in 
ber tßrebigt Derrietl). ©otteS Sßort rourbe in’S 
Sätberticbe gejogen. ©in ©chriftfteller flagt: 
„©S roar in Seutfcßlanb eine 3eit, roo bie Sa. 
tpre nicht anberS als auf Unfofteu ber Sibel 
roißig fein fonnte. äöenn mau recht fein fd)er= 
jen wollte, fo fdjerjte inan aus bett '{Halmen, 
unb es gab muntere Köpfe, roelcbe, fo ju lagen, 
eine gange fatprifcbe ©oncorbanj in Sereitfcbaft 
hatten, um in ihrem IBiße unerfdjöpflid) ju fein." 
Sül)mlid)e Ausnahmen bitbeten Wämter roie 
©raf Don 3i>ifeiiborf, ©ellert u. a. m. 

Ser eigentliche '-Bcgrünber ber neuen beutfd)eu 
Sidjttunft aber ift Klopftod. ©ein „WeffiaS", 
roie fd)roer berftäitblid) er uns heute auch erfcßei. 
nen mag, unb roie wenige bem Sefen beffelben 
©efchmäd abjugcroinneit im ©taube fiub, roar 
in ber Stjot ein baf)iibrcd)enbeS Söerf, aus chrift. 
Ii(h poetifcher Segeiftenutg heronSgeboren, baS 
felbft ben Kreis, aus bem eS heroorgegangen, 
iiberrafdbte uub erftaunte. 

ftriebrich ©ottlieb Klopftod rourbe am 2. 3wli 
1724 ju Dueblinbutg am £arj geboren. @r 
üerlebte auf bem Doii feinem SBater gepachteten 
Slmte gfriebeburg eine frifche, fröhliche Kinbfjeit. 
3m -t>of unb gelb umherjufpringen, ben flüd^= 
tigen Jpafett gu jagen ober ben roilben Stier ginn i 
3orn gu reigeit, bie böcbfteu Säume gu erflettern 
ober als fühner ©chroimmer in bie flareu fflutben 
ju tauchen, baS waren bie ffreubeit, welche ber 
junge Klopftod mit feinen Kamerabeu in wag. 
halfiger Kedfjeit täglich genoß. 3” feinem brei. 
«bitten 3af)re rourbe er auf baS ©pmnafium 
feiner SBaterftabt gebracht, roo er fid) lange noch 
aus bem ©chnlgroang unb aus ber ©nge ber 
©tabt hinauSfehnte. Srei 3ah re fpater rourbe 


ber fluge Knabe in bie altberühmte dürften, 
fchule ju Pforte aufgenommen, roo er einer ber 
munterften unb ftrebfamften ©cßüler roar. @r 
fing an, ben Sichtern beS SlterthumS, befonberS 
£>omer unb SBirgil, ©efchmad abjugeroinnen unb 
fein eigeneSj3id)terif<beS Talent ju bilbeit. Sie 
©title unb Strenge, roelcbe in ben Säumen ber 
Pforte walteten, trieben beit lebhaften 3üugling 
in fid) felbft jur Sammlung. Sie reigenbe Um. 
gebung, foroie ber SBetteifer unter ben ©euoffen 
erroedten itt ihm manches gern gehörte unb Don 
ben Sehrent gelobte Sieb. Sffienn er bann in 
freien ©tunbeit burch baS geheinutißDotle Sunfel 
beS ©tlengebiifcheS am bluffe bahingiug ober, 
am fottttigett £>ange beS SBergeS (gelagert, nach 
ben Srüinmerit ber Sitterburg hiitüberfd)nute, 
ober in eittfamer ©rotte, roo bie Quelle ranfetjt, 
an ber Kühle fich labte, bann geftaltete fid) ihm 
baS fromm Smpfunbene gunt heitern ober ern« 
ften ©efang. Surch baS ©tubiunt ber alten 
Klaffiter, foroie ber neueren ©cßriftftcller er. 
machte ber bid)terifd)e Srieb in ihm mehr unb 
mehr., 28ie Wiltou, ber gefeierte eitgliidje Siel), 
ter baS Derloreite '{krnbieS unb ben ©ünbcnfall 
befungen hatte, fo wollte er ben ©rlöfer ber üßelt 
in unfterblichen Siebern feiern. ©S follte baS 
SBert feines SebenS werben, unb obwohl er jeßt 
fchon ben '{Matt bajn entworfen hatte, f o gebaute 
er boeb erft als gereifter Wann ihn gu Dollführen. 
Klopftod roar Don biefer 3bce fo burdjbnmgen, 
baß er einmal bas tühne 2Bort an bie 3üanb 
feines 3>ntmerS feßrieb: „Sie Sachtoeit 
f d) r e i b t mich in ihre '-Bücher ein." 
Sie anergogeue ffrönmiigteit brotig bei iljin in 
bie Siefe beS {terjeuS. lieber Slles theuer roar 
ihm bie SBibel. Oft hörte man ihn, wenn er beS 
WorgenS erwachte, bie erhehenbfteu ©teilen ber 
Propheten unb Sichter beS 'Ulten Seftamcnts in 
feierlichem Sone fpredjcit. Sie '-Silber unb '-Bor. 
ftellnngen ber heiligen Schrift erroedten in fei. 
ner Sruft bie Schauer heiliger Shilling unb baS 
©efühl beS ©roigen. ©eine innere 2Be!t rourbe 
Don ben feligfteu ©eiftern beS Rimmels erfüllt, 
unb im Sraunt glaubte er felbft ben ©rlöfer, 
auf beffen Soblieb er fanit, gu feheu unb gu 
hören. @o faßte ihn auch heilige '-Begeifterung, 
als er guerft baS gewaltige ©ebießt WiltouS Ins. 
©in Sugeitjeuge fagt: „'-Bolb rourbe babei fein 
Sntliß biifter, bie |)änbe faltenb fchlug er fie 
! über bem Kopf gufnmtnen. Seid) langem Schwei, 
gen rourbe fein ©eficht roieber heiter. 3d) fal), 
roie er imjSeifte iu biefem ^fmibciihimmel lebte, 
unb bie »aeligteit bom 3enfeitS flrahlte roieber 
,in feilten 3ägen." 

3m 3 l 'hee 1745 Derliej? Klopftod bie tßforte, 
um in 3ena Sheologie gu ftubiren. 3>t feiner 
SbfchiebSrebe „über ben hohen ©ubgroed ber 
'{3oefie," fdjilberte er bie Sufgabe eines wahren 
Sichters in folgenben SBorten: „.{lediger ^chat. 



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292 


lüopftoik'« ISeffias unb feine JWeto. 


ten BtiltonS, in welchem Streife beS Rimmels 
bu bid) jeßt freuft, uub was in beinen Siebern 
ben Obren ber Engel wertt) ift, bicfcn bir jeßt 
oerwanbten (üeifterh oorfingft, jiirne liiert über 
meine ßiiijiifjeit, menn ict) bir nicht allein ju fol» 
gen, fonbern mich auch an einen größeren, t)crr= 
lieberen 'Stoff ju wagen gebeitfe! . . . . Ourch 
ein großes, unoergäuglicheS 2öerf miiffen mir 
Oeutfcbe jeiflen, was wir fönnen. O, wie 
wiinfeht’ ich, eS würbe mit fo gut bieS beu Oidj» 

lern Oeutfd)lanbs fugen ju tonnen!-SBerbe 

geboren, großer Jag, ber ben Singer betoor» 
bringen, uub nahe bicb fd)ueller, Sonne, bie ihn 
juerft erbliden foU. 'Biogen ihn Jugcnb unb 
SBeiSfjeit auf zärtlichen '/innen wiegen! Btöge 
baS ganze Felb ber Statur fich ihm eröffnen unb 
bie ganze, Bnberen unzugängliche ©röjjc ber an» 
betuitgSmiirbigen Betigion!" 

Älopftod blieb nur furze 3eit in Fena; aber 
als er im Frühjahr 1740 nach Leipzig über» 
fiebelte, trug er bereits bie erften ©cfange feines 
„BteffiaS" bei fid). Sie waren ihm faft wiber 
feinen Söifleit, wie eine innere Offenbarung für 
ihn, gefommen. 2öaS er juerft in uugebuubener 
Bebe niebergefchrieben, baS begann er nun in 
baS t-pifche BerSmajj beS £>omer umjutleibcn. 
So würbe ber £erameter in bie beulfche Litera» 
tur eingeführt. 

OaSOhema unb ber F»balt beS BteffiaS ift: 
O i e (5 r 1 ö f u n g ber Bl e n f ih h e • t b u r ch 
6 h r i ft u S, wie ber dichter es fogleich in ber 
Einleitung heroorhebt: 

„Sing, «nftcrblidje Seele, ber füubigcn ITtenfchen 
(Erlöfung, 

Die ber UTeffias auf (Erben in feiner ITTcnfchheit 
pollenbet, 

Unb burch bie er 2lbams <ScftffIed?t 3 u ber Siebe 
ber «Sottheit, 

Seibenb, getöbtet unb oerherrlid;t, roieber erhöht 
hat! - 

2IIfo gefdjah bes €a>igeu IDille. Dergebens er» 
hub fidj 

Satan gegen ben göttlichen Sohn; utnfonji ftanb 
3uba 

(Segen ihn auf; er that’s unb oollbrachtc 
bie große Verföhnuttg. 

Btit bent Befcbluß ber brei tflerfonen in ber 
©ottfjeit über baS 2Serf bes .fieilanbeS beginnt 
bie Erzählung, unb geht bann — halb auf Er» 
beu, halb im Fimmel, halb in ber ftölle fpielenb 
— fort bis zur Buferfteljung unb zur .fiimmel» 
fahrt Ehrifti im ©eleite iobfingenber himrn»* 
lifcher .fieerfchaaren, welche feine 2baten oon 
Ewigteit zu Ewigfeit Oerherrlichen. Berber fagt: 1 
„Oer BteffiaS ift nach ft Luther’S' 
Bibel itberfeßung baS erfte tlaffi»; 
fcf)e Such unferer Sprache." i 


^ Stöbert Stönig lagt: „Oer BteffiaS enthält 
Schönheiten, bie ihn noch heute fjöcbft lefenS» 
werth machen. 2öer es oerftef)t, bie harte, ge» 
zwnngeue, unbeutfehe gönn beS ©ebicfjteS burch 
gutes Beriefen ju übetminbeti, ber wirb einen 
fonft bichteriichen St reis erfreuen unb erbauen." 

Ourct) feinen Setter Schmibt, mit bem Stlop» 
ftoct zufammeuwohnte, tarn baS bisher als ©e» 
heimniß bewahrte BJerf oor einem ber Btitarbei» 
ter ber „Bremer Beitrage" aus Oageslicht, .ber 
fich baS Bfanuftript für bie 3eitfd)rift ausbat, 
in ber es halb etfcf)ien unb ein ungeheures Buf» 
fehen erregte. 3 lim erften Btale feit langen 
fahren gab eS in Oeutfchlanb wieber ein We» 
bid)t, welches aus tiefimierfter Begeiferung ent» 
fprungen, baS ©emütfj beS BolteS traf. OaS 
©ebicht erfchien wie eine neue Offenbarung; 
man erquidte fich an ihm um fo inniger, je herz» 
lidjer baS ©emiitlj ber ©läubigen nach Sd)uß 
uub 2ruß wiber bie beäugfligeuben fjortfehritte 
ber Freibeuter uub ihrer Benerungen fuchte. 
So warb ber „BteffiaS" ein Erbauungsbuch im 
wahren Sinne bes ÜBorteS. Seit ben Jagen 
CutfjerS hatte feine Schrift ein ähnliches Buf» 
fehen erregt. Ein £)clbengebi<ht biefeS Inhalts, 
fo ooll reiner, frommer Bnbacbt, famile Oeutfch» 
lanb nod) nicht. 21 Ile derzeit jauchzten bem Oich» 
ter zu. Oie Stauzein ballten wieber oon Bufiib» 
rungen mancher Stellen aus bem „BteffiaS"; 
Fürften unb Fürftinneu oerlaugten ben oon 
l ©ott begnabigteu Propheten zu fehen, ber ihnen 
j wiirbige Borftellungen oon ©oft gelehrt habe, 
i 21 fle Lebensalter, nicht bloS bie Fugenb waren 
Oon biefer heiligen Schwärmerei ergriffen. Eine 
alte BerginaunSfrau in Freiburg hatte nur ben 
einen Bhinfch unb baS ©ebet, baß ©ott fie nod) 
fo lange leben laffe, bis ber „BteffiaS" oollcnbet 
wäre. Bobmer jauchzte auf unb fchrieb: „Oer 
©eift BtiltonS ruht auf Stlopfiod; ünoerwelf» 
lieber Lorbeer gebührt biefem Jüngling." Lauge 
3eit war, wenn fid) Freunbe begegneten, bie 
erfte Frage: „£)aft bu and) fdjon ben „BteffiaS" 
gelefen?" Es war eine poetifche Bcootution, 

1 welche bie Erftlinge unfereS OicbterS heroor» 
gerufen hatten. Oie ganze Bation fühlte fidh im 
iunerften Kerzen ergriffen unb war ftolz auf ben 
Sänger ber Erlöfung. 

Bus allen Oicbtungeit $ (opftod’S geht heroor, 
baß er ben Beim oerfchmähte; er nannte ihn 
„einen böfen ©eift mit plumpem BFörtergepolter 
uub fchmetternbem 2rommelfd)lag." Statt beS 
BeimS wählte er baS flafiifche BerSmaß eines 
Binbar unb £)oraz, welches auf bie Länge unb 
Stürze ber Silben gebaut ift. Er tänfdjte fid) 
jebod) in ber Hoffnung, bie beutfd)e Sprache unb 
baS Ohr beS Oeutfcbe'n für biefe Form ber Otch* 
tung empfänglich zu machen. 

Fm Fahre 1750 würbe St lopftod oon Bobnier 
eiugelaben, bie zahlreichen Verehrer in 3ürid) 


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JUopftodt's Pefftao unb feine Peta. 


293 


ju befugen unb ihre #ulbigungen entgegen ju 
nehmen. mar auch bie 3 e <t gefommen, 

roo fid) iljni bie flrofsc Sfflelt auftßun unb feine 
fiebenSftellung gefiebert roerben fotlte. Der 
bänifcße S.'tinifter, ©raf ©ernftorff, mar einet 
bet roärmften ©ereßrer bes „SJleffiaS." Stuf 
feine DielDermögenbe ^ürfptadje, oermilligte 
König griebricß oon Dänemarf bem Dichter ein 
jährliches ©efjalt Don oierhunbert Steicßstfjolern 
unb lub ihn ein, an feinen £of, noch Kopen» 
ßagen, ju tommen. Sluf (einer Steife nach 
Kopenhagen, berührte Klopftod unter anberm 
auch ©raunfcßweig, wo er feinen fjreunb ©ifefe 
fanb. Diefer jeigte ihm im Öaufe ber Unter» 
tung ©tiefe eine» jungen SJtäbchenS in .£)cun= 
bürg, SJteta ©toller, über ben „©teffioS," unb 
empfahl fhmT'bei feinem Sufentfjalte in $am» 
bürg, ihre ©elanntfchaft ju fuchen. SllS nun 
Klopftod in Hamburg beim ©efud) beS Dieters 
£>ageborn eine freie ©tunbe hatte, ba fiel ihm 
ein, bie Slbreffe *u benußen. ©obalb ©tetä, 
welche eben mit glätten unb 3 u fammenlegen 
ber Söäfche befcßäftigt mar, ben Samen Klop» 
ftod hörte, fprang fie auf unb rief bem Diener 
}u: „dr falle ben Slugenblid tommen, je eher, 
je lieber." Unb Klopftod tarn, unb tarn mieber, 
unb mid) nid)t Don bes SJtäbcßenS ©eite; er Der» 
gaß fjagebotn unb SllleS, unb gab ihr fein $er^; 
ba» ihre hatte er fdjon befeffen, ohne bafe fie ihn 
nur je gefeßen. @rft brei 3ahre fpäter fanb 
bie ©ermählung ber glüdließ Siebenben ftatt. 
©targaretljn ©toller mar für Klopftod wie ge« 
fdjaffen. ©ie war fromm, gelehrt unb entßu» 
fiaftifdj, fie hatte ein tiefes ©emüth unb einen 
häuslichen ©inn. SluS bem fehr lebhaften 
©riefroecßfel jroifchen ben ©eiben laffen fol» 
genbe SluSjüge tiefe ©lide in baS §erj ©teta’S 
tljun: 

„3<h muß bir heute SIbenb fchreiben. Du 
wirft ben ©rief in Kopenhagen empfangen. 
Steine ©eele ftüßt fid) auf bie beinige. Dies 
iji ber Slbenb, an welchem wir beine Obe „3u 
©ott," lafen. ©rinnerft bu bidj noch beffelben? 
Du mnßteft mich Derlaffen, aber ich merbe bid) 
mieber empfangen unb jwar als bein ÜEßeib. 
Sich! ®S wirb lange währen, bis wir uns wie» 
ber treffen, aber idß muß meinen Kummer un= 
terbrüden. ©ott wirb mit bir fein; bein ©ott 
unb mein ©ott. 3<h Dertraue bem gnäbigen 
©ott, baß er bid) mieber ju mir führen unb 
mich glüdlidj -machen wirb. @r hat uns bereits 
fo fehr beglüdt, baß ich ihm Dertraue, er wirb 
unfer ©lüd Dolltommen machen, ©ehe benn, 
in ©otteS Samen, aber laß mid) weinen um 
bid). 3d) tann eS nicht (affen, ©ott mit bir !" 

Sach einer ferneren Krantßeit fdjrieb fie ihm: 
„3dj erwartete nicht, je mieber fo fjergefteüt ju 
roerben, als ich hin. Dem $errn fei Danf ge» 
bracht! Du wirft ihn mit mir preifen ! Sach« 


bem ich mich geftern Slbenb Don ber ©efellfchaft 
jurüdgejogen hatte, fdjenfte mir ber &err eine 
föftlidje ©tunbe ber Slnbocßt. SStir fam ber 
©ebgnte: „©ielleicht ift mein Klopftod jeßt 
ebenfalls im ©ebet begriffen." ©ei biefem ©e» / 
banfen würbe mein ©ebet inbriinftiger. 2öie > 
töftlid) ift eS boeß, s u ©ott ju reben iiitb feinen ’ 
heiligen ©influß über baS ©emütlj ju Derfpiiren. j 
©o werben wir in biefer SBelt fchon gliidlich ' 
unb felig! Du aber hnft Siecht, weint bu fagft: 
3ft unfer ©lüd ßienieben fd)ou fo groß, was 
wirb eS erft nach biefem Seben fein! Dann wer« 
ben wir nimmermehr fcheiben! Seberoofjl, mein 
©eliebter ! 3<h werbe morgen beftänbig an bid) 
beuten. Die ßeiligften ©ebaufen Dereinbarett 
fid) mit meiner ©orftellung Don bir — ber bu 
frömmer bift als ich — ber ben ©chöpfer nicht 
weniger liebt als ich — mehr als ich fannjt 
bu ihn nicht lieben. 2öie gliidlich bin ich, bein 

S fein! Durch bich werbe ich beftänbig fort» 
reiten in ber grömmigteit unb Dugenb. 3<h 
bin nicht oermögenb, ben ©efiiljlen meines £>er= 
jenS SluSbrud jü geben, größer befürchtete ich, 
mein ßöcßfteS ©rbengliid mürbe mich Don ©ott 
obwenbig machen. Darin aber habe ich mich 
geirrt. ©S ift wahr, Driibfal führt ju ©ott, 
aber mein ©lüd tann mid) nicht Don ©ott ab» 
führen, fonbern führt mich ftets näher ju ihm. 
Die ©rfeuntlicßfeit, bie Dautbarteit unb greube, 
alle ©efüßle meiner ©lüdfeligteit machen meine 
Slnbacßt nur um fo briiuftiger." 

3m 3aljre 1754 fanb bie ©ermählung ftatt. 
3m Sefiße feiner Sleta, beburfte Klopftod nichts 
mehr. „3<h preife ben ©ott beS ©immels um 
ihren ©efiß!" fagte er einmal. „Die ©lorie 
bes irbifdjen DafeinS ift mir geworben ; bie 
©iegeSpalme ift in meiner £>anb; ich finge bir 
3ubellieber, Sehobah! SetjoDal)!" ©ier Sahre 
nach ber ©ermählung feßrieb Sleta: „2Bie 
reich bin ich! 3<h bin baS glüdlidjfte S©eib in 
ber Söelt. 3<h hin noch fo bernarrt auf Klop» 
ftod, als ob er mein ©räutigam wäre." ©elig, 
wie bie Kinber, lebte biefeS Dichterpaar. SllleS, 
was er arbeitete, ging burdj ihre |)anb; oft 
bittirte er ihr feine Sieber; fie fühlte mit ihm 
unb bachte mit ihm, unb wenn er an bem JDtef» 
fiaS" arbeitete, fo betete unb weinte fie für ben 
©tonn, ber ihr ©tolj, ißt SUteS war. Stach 
ihrem Dobe fagte Klopftod einmal: „2Bie Diel 
habe ich an ißr als ©eßülftn in meiner Slrbeit 
Derloren ! 3b* ©efeßmad mar Doüfommen, ißr 
©efüßl äußerft jart. ©ie beobachtete bie leifefte 
Söenbung eines jeben ©ebanlenS. ©eim blo» 
ßen Slnblid lonnte ich oft errathen, ob eine 
©ilbe ißr mißfiel ober entfprodj; unb fo oft fie 
fid) erflärte in Sejug auf irgenb eine ©emer« 
tung über meine Dichtung, fanb icß fie in ihrem 
©iubrud unb Urtßeil richtig." Sur Dier 3®hte 
foüte biefeS ©rbenglüd währen. SSeta aßnte 


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294 


Huc Iler fUorgenbämmerung ber neuen Jeit. 


einige Wonote i^reit frühen Job. Jod) fie mar 
gefaßt uttb ergeben in ben SBideit ©otteS. ©ie 
fchrieb an ffiopftod um biefe 3eit: ,)3><h bin 
eben fo bereit gu fterben, als gu leben; ich bereite 
mich für beibeS bor unb bin bolltomiiien gufrie» 
( ben, mie ©ott eS mit mir macht — fein 38i(le 
gefchelje. 0. roie ergaben ift unfere Religion! 
SBaS muß jener eroige 3 u f* an b ber ©eele fein, 
non bem mir fo roenig roiffen unb fo bieleS ahnen. 
SBaS ©ott mir immer befcheren mag — ein 
längeres Seben mit bir, ober ein etoigeS Seben 
mit il)in — ich merbe boüiommen glüdlicß fein! 
0 beute bir, roo idj biligebe — bu wirft mir 
folgen — bort merben mir emig nereint fein in 
ber Siebe. 3<h fc^reibe bir biefeS in ber füßeften 
©eeleurufje." 

3br föube befdjrieb ffiopftod feinem fjfreunbe 
©ramer etma mie folgt: „Ss mar mir nergönnt, 
eine furge 3eit nor ihrem Snbe au ihrem Vett 
gugubrincien. 3fch werbe nie aufhören, ©ott gu 
bauten für bie ©nabe, bie er mir in biefer 
©djeibeftunbe fcpenfte. fprach gu ihr: '3dj 
min mein Verfbrechen halten, meine Weto, unb 
bir mittheilen, baß bein Seben in großer ©efahr 
fdhroebt/ ©ie nerftanb jebeS 2Bort, unb als ich 
bie Rameit ber heiligen J)reieinigfeit auSfprad), 
ba antroortete fie: 'Run gefcßehe ber 2Bi(Ie beffen, 
ber mir fo mächtig gur feeite fteht, fein 28ille 
gefdjehe. Sr wirb 'illleS moljl machen. J)u mirft 
mir folgen/ ffurg oor ihrem Snbe fagte fflop» 
ftod’S ©djroefter gu ihr: 'Ss ift RfleS mol)l, ©ott 
mirb bir halb helfen/ '$a, in beit £>im» 
mel/ antwortete Weta. Salb barauf legte fie 
ihr .fraupt guriid unb fprach: ' S 3 i ft b o r = 
über!' unb ihr ©eift entfloh in’S obere heilig» 
thum." 

Stuf bem Kirchhofe gu 0ttenfen liegt fie mit 
ihrem erftgeborenen ffinbe begraben, ffiopftod 


brüdte feinen ©d)tnerg unb feinen ©laubenS» 
troft in ber ^nfchrift aus, bie er ihrem ©rab» 
mal gab: 

„Saat r>on (Sott gefäet, bem (Tage ber cSarbett 311 
reifen. 

nTargaretpa Klopjiocf 
(Erwartet ba, n>o ber (Eob nicht ift, 

3hren ^ rennt», ihren (Beliebten, ihren mann, 
Den fie fo febr liebt. 

Unb non bem fie fo fet)r geliebt warb. 

Uber aus biefent (Srabe 
JDollen mir miteinanber auferftehen. 

Du, mein Klopftocf, unb id? 

Unb nnfer Soßn, 

Den id; nicht gebären fonnte. 

Betet ben an, ber and) gefiorben, begraben unb 
auferftanben ift." 

Jreiunbbreifjig 3atjre trauerte ffiopftod als 
SWittmer um feine Weta. 33iS gum Snbe feines 
Sehens liebte er bon ihr gu reben. 3?och üiergehn 
3ahre fpäter gebndjte er ihrer in bem 15. ®e» 
fange bes „WeffiaS": 

„Späte (Etjräne, bie heute nod) flog, 

gerrinn mit ben aubern taufenben, welche ich 
meinte!" 

fflopftod ftarb am 14. Wärg 1803. Jjn feiner 
Trautheit faub man ihn oft in Slnbacht berfnn» 
teil mit bem „WeffiaS" in ber £>anb. Sr fprach 
am liebften oon Job unb Unfterblichfeit. Reiter 
unb getroft entfchlief er fetig in bem £errn. 
SineS feiner leßten Sßorte mar: „ffann auch ein 
28eib ihres ff näbleinS bergeffen, baß fie fid) nicht 
erbarme über ben ©ohn ihres Seibes? Unb ob 
fie feiner bergäjje, fo will id) bidj beiner nicht 
oergeffen." - 




Hu0 ber mor0e«bawwenut0 ber neuen Jett. 

, ©ine ©rjählung au3 ©nglanb. 

gär £onS unb §erb bou 8B. ftüucfe. 


Jfii ie ©efchidjte ber ffirche ©otteS aller 3?ton 
ntr ift eine Veranfdjaulichung beS ffampfeS 
' gmifchen bein ©eroiffen beS Wenfchen unb 
menfchlichen ©pftemen — gmifchen bem freien 
©eifte ©otteS unb bogmatifdjer Vorfchrift. 

©olche ffämpfe mit Wenfcßenfaßungen haben 
Diele ©laubenSftreiter burchgumachen gehabt. 

S)en #errn ©briftuS felbft nannte man einen 
Jeufel, unb als ©otteSläfterer freugigte man 
ihn; bie UBalbenfer unb TOigeitfer jagte man 


roie baS SBilb; bie Reformatoren that man in 
ben Bann unb berfolgte fie mie Verbrecher, unb 
bie Soflharben mürben als RebeHen nieberge» 
meßelt. 

SS hat mohl nie eine harmlofere fflaffe bon 
Wenfchen gegeben, als gerabe biefe Sotlljarben. 
©chon ihr Ranie geigt ihre £armlofigteit an. 
®ie Romen, welche anbere trugen, bie bon bem 
biernrd)if(h?ti ©bftein abmidhen, haben einen 
mehr ober minber ftreitfüchtigen Sharatter, g. V. 
^läretiter, ffeßer ober tßroteftanten; aber biefe 


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3Uc bet JHorgenDämmerung btt neuen JJeit. 


295 


Soüßarben Ratten ißren fRamen Don einet ttn» 
ftulbigen ©eroohnbeit, religiöfe Saflaben bor 
fid) bin ju lallen ober ju fummeit, b. fj., ein» 
iönig unb leife ju finden. Seid) unferem jeßi» 
gen Spratgebraucß mürbe man fie bie Sallenben 
ober Saflharbeit nennen. 

Tie Soüßarben entftanben im Dierjehnten 
Sahrßunbert, unb waren urfprünglit in Sei* 
gieit nnb bent meftlußen Teutftlanb ju £>aufe. 
Ginfacb, ftlitt.gutßerjig, bet geringeren Solls» 
llafie ungehörig, malten fie wenig Anfprüte, 
unb blieben baßer auch ohne befoubere Seat* 
tung. Sie pflanjten ihre relifliöfen Anfitten 
unb ©ebräucße auf trabitionellem Sßege Don 
Familie auf gamilie, Don ©tabt ju ©tobt, Don 
Sanb ju Sanb, fort. Tiefe waren nur einige 
Jjauptmahrheiten beS ©DangeliumS, bie fid) 
burcß bie 3obrßunberte neben ben finßlidbbog» 
matiften gaffungeii erbalten batten. Tie ©e= 
fdbitbte 3efu. in ihrer eoangeliften Teutlitfeit, 
wie er bie ©iinber liebte, unb wie man Durt 
ibn unb bie Siebe ju ibm, jum wahren Trieben 
unb jur rechten greube beS Sehens gelangen 
fönne. TieS genügte biefen fdjlicbten Seuteit, 
fie waren in benfelben fo reich unb begliidt, baß 
fie Tag unb fRacßt baoon erjäßlten. 3m Ser» 
lauf Der Sahrßunberte nahmen biefe SBaßrljei* 
teu einen feften Sern an, tßeilS in einfache 
@ebi<bte, tßeilS in anfprntölofein SßthmuS ge» 
Heibet. 

Sei ber Arbeit ober auf ©pajiergängen fagte 
man fit biefe Trabitionen in einem leifen fum* 
menben Ton Dor, ober gebrauchte fte bei ber 
Sinberpflege als SBiegenlieb, auch Heibete man 
fte in gegeitfeitige ©rüße bei Begegnung auf 
ber ©trape ober in 3ufammenfünften. 

Tie 3aßl biefer Treuen unb ©bien mut§, 
unb ba fte an ben gewöhnlichen fachlichen @e= 
brauchen feinen Antbeil nahmen, lenfte fich bie 
Aufmerffanifeit ber Seßörben auf fie. Aflntäß* 
lig oerbreitete fich bie Anjußt, baß biefe Seute, 
bie augenscheinlich religiös feien unb fich bod) 
Don ber Sirene fern hielten, ihre eigene abfon» 
berlicbe '.Religion haben muffen. 2BaS nun ober 
biefe Religion fei, fonnte Aiemanb genau atige* 
btn. Weil fie Weber ©laubenSbefenutniß, Sa» 
peflen, Srebiger, ober regelmäßigen ©otteSbienft 
hatten. Sott einem war man überjeuett. Tiefe 
Seute hatten bie ©ewohnheit, gewiffe religiöfe 
Sieber eintönig ju lallen, unb man nannte fie 
baßer furjroeg bie Saüenben ober Soflharben. 

Tie Stitfiet unb Wönte witterten ©efafjr 
für ißte Sache, felbft bei biefen harmlofen Wen» 
Rßen, nnb ließen fie nicht unbeläftigt. 3ßnen 
waren fie bie tobten Wilden in beS ApotfjeferS 
©albe. Tie SRuße ber Soüßarben warb, burcß 
biefe geinbe, in ihrem fteimathlanbe ernftluß 
aeftört. Siele würben üertrieben. ©ine an» 
fehnliche 3ahl auS Srabant ließ fuß in berfeßie» 


benen Tßeilen ©nglanbS nteber unb waren halb 
Derfcßotlen. Tocß würbe ißr Aaiue in bet ©e» 
fhießte erhalten, benn er würbe muß in ©ttglanb 
eine beliebte Sejeicßnung Derer, bie mit Dein 
hierareßifeßen Spftem unjufriebeit waren unb 
baS Seffere fueßten. ©S würben ettblid) aueß 
bie Snßanger SBidliffe’S mit biefer Sejeicßnuug 
beeßrt. 

Diacß bein Tobe Sßidliffe’S brach im 3aßre 
1384 eine ernfte Serfolgutig gegen feine ©lau» 
benSbrüber aus, unb fie würben wie Säume iut 
Sffialbe gelistet. Siele woßlhabenbe einfluß» 
reieße Seute, bie auS ben Derfcßiebenften ©rüit« 
ben ju SBidliffe nnb feiner ©aeße gehalten hat* 
teu, fielen in ber 3eit ber Srüfttng ab, bie 
eblen unb frommen Anhänger mußten, wie 
eßeinalS ihre ©laubeitSgeiioffen in Selgien, fit 
iit bie Serborgenßeit jHrüdjießen. Ta man fie 
wie baS SMlb jagte, fo mußten fie oft, beut Siilb 
äßitlicß, fid) in .ben SBalberu Derfteden. Sie 
famen an geheimen unb entfernten Olten, in 
»täflen, in alten SRuinen, auf Sircßhöfen, in 
Dem Tunfel ber 9tad)t, jiifanimen. Obwohl 
fie feine regelmäßigen Srebiger hatten, gab eS 
bot unter ißnen Diele eßrwürbige, erfahrene, 
mutßige Wänner, bie ba'S Sctnb bureßreiften, 
bie Srüber in ben Käufern befucßteti, 2iitd= 
liffe’S ©cßriften bertheilten, bie Sraitfeit tutb 
©terbenben ermutigten unb in geheimen Sßiit« 
feilt prebigten. 

SJeil man biefen immer nacßfpürte, unb fie 
fit naeß beS geiitbeS Serßalten rießten mußten, 
Dergingeit oft TBocßen, in melcßen feine Srebigt 
gehalten würbe. Tot. man wußte fieß ju ßel» 
feit. Samen fie nid)t um bie beftimntte 3eit, 
fo naßm ein Sruber entweber einen Traftat 
ober eine 5fßrebigt unb laS fie ben Serfamntelten 
Dor, unb man ging im ©eifte geftärft nach 
£aufe. 

Auf biefe SBeife würbe es ben Soüßarben 
möglich, troß ber ernften Serfolgung, in welcßer 
ißrer Siele ben geuertob erlitten, fit ein ganjeS 
3aßrßunbert ju erßalteu. Tie Serfölguitg 
erreitte ißren ^ößepunft im Anfang ber üte» 
gierung ^eitirit beS Stten, als baS Sitt ber 
^Reformation bie ginfterniß beS Aberglaubens 
unb ber Uuwiffenßeit mättig bewegte. 

II.. 

3n ber fleinen ©tabt Afßforb in Sent, im 
3aßre 1517, baffelbe 3nßr, in weitem Sntßer 
feine berühmten Tßefen an ber Tßiir ber SBit» 
tenbergiften Sirte heftete, ereignete fit ein 
SorfaÜ, ber ben Wutß unb bie Treue ber 
Sollßarben auf eine fohße SEBeife barftellt, baß 
mir Daraus eine lebensgetreue ©tilberuug aus 
bamaliger 3«it entwerfen föttnen. 

3t füßee ben geneigten Sefer in baS fleine 
SßoßnßauS unweit bem giuffe ©tour, bas 


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Ums brr Porgenbömmerung brr neuen 3eit. 


296 


Johann Sromit gehörte. Sr gewann feinen 
Öcbenöiinter^alt burch Anfertigung oon £>opfen= 
Seiden. 

An einem Abenb im ©tonat ©Järz beS FubreS 
1517 faß er an einem Keinen Difh in ber Sde 
feine» 3immcvS. Dies mar fein Stubierplaß; 
benn 3obunn ©romu mar — obwohl ein Singe* 
lobner — bodj nucb babei ein fleißiger Stubent. 
Durch prioateS Stubium batte er eS nicht bloS 
jnm fertigen Sefen unb Schreiben gebracht, fon« 
bern fich auch einen fcbönen Schah non flennt* 
niffen gefamnielt. 3" ber Scßublabe beS tteinen 
DifcbeS, bor beut er faß, lagen Diele Schriften, 
bereit Inhalt ber @rjbif<hof ©tarbam bon flau* 
terburg als rechtgläubig bezeichnet batte. Aber 
biefe Sabe batte einen Doppelten ©oben. Aabm 
man beit oberen heraus, fo fab ntan anbere 
Schriften, welche Johann um feinen ©reis in 
biefelben .fjänbe batte (egen mögen. @3 waren 
Keine ©üiher tntb Dractate, bie matt als feßerifcb 
gebranbmarft batte. Unter biefett befnnben fich 
©Mtfliffe’S Ueberfeßuug beS Aeuen DeftameutS 
unb auch feine „Saterne beS Sicbts", in welcher 
er beit Anticbrift in grellen färben gezeichnet 
hatle, unb anbere mehr. 

3jn ber ©litte biefe» 3>utmerS, an einem 
größeren Stifh, faß Slifabetb, feine ©attiu, uttb 
nabte. Aebeit ihr faß Alice, bie fiebzebttjäbrige 
ioebter, bie eben bainit befebäftigt war, bett Aod 
ibreS Keinen ©rttberS z>< reinigen. Sine ©er* 
fatnmlung füllte an biefetn Abenb in bem ivoefeu* 
bauS beS Färber» SemiS ©emter, ber etwa zwei 
©feilen beit Fluß biuub wobnte, gebalten wer* 
beit, unb ber Keine zwölfjährige Johann follte 
mit ©ater unb Schmefter berfelben beimobnen. 
$)aber reinigte Alice feinen Aod, fonft, meinte 
bie ©Kitter fcherzbaft, möchte ber Färber am 
@nbe ben jungen mit fainmt bem Aocf in beit 
Färbezuber fteefen. Die ©tumma mit ber fünf* 
jährigen geleint wollten bie§malbn§#auS hüten. 

Johann Srown nahm ein getriebene» £>eft 
atiS feiner Sabe mtb fagte: „3d) beitfe, id) nehme 
biefeS mit. 3fe öfter ich e§ lefe, befto größer wirb 
meine 3?reube baran. Aa<h meiner Anficht trägt 
e§ bie ©ctline baoon unter meinen Schriften." 

„SöoDon hnubelt eS?" frug (Slifcibetb- 

„Siebe z» 3l e f u," mar bie Antwort. „3t 
habe," fuhr Sfobnnn fort, „es oor einigen Stagen 
Don Aobert £>arrifoit- befommeu. Sr fagt, es 
fei bie £>anbf<hrift beS ©Mfliant DpleSWortß, ber, 
wie bu weißt, oor elf 3labren zu Amerfcbam in 
©lief» als ©ranbopfer beS $errit geftorben ift." 

„Der, beffeu eigene Dodjter gezwungen mürbe 
ben Scheiterhaufen anzuzünben ?" 

„Derfelbe," fagte 3lobuun. 

„2öie fchrecflich!" fagte Slifabetb jitternb. 

„©ater, ich möchte gerne bie ,£>anbfchrift beS 
guten ©tanneS febeit," fagte Alice. 

‘Ser ©ater reichte ihr baS Schriftftilcf. ©Kt 


großem 3lntereffe betrachtete fie baffelbe, unb 
fagte bann eritft: „Alfo baS hat er mit feiner 
eigenen &anb gefchrieben, mit feiner eigenen 
.ßtanb ?" Sie brüdtte bem ©apicr einen fl u B auf 
unb reichte eS bem ©ater mit ber ©etnerfung: 
„3eßt ift er bei 3fefuS unb feinen heiligen 
Sngeln." 

„Da ich beute Abenb zu $aitfe bleiben muß, 
unb baburch ©ieleS entbehre, fo fönnteft bu uiel* 
leicht, ehe ihr fortgebt, mir ein wenig barauS 
oorlefen," bat Slifabetb- 

„Da ich’S mir hoch noch einmal erft burchfeben 
wollte, ehe ich Jur ©erfantmlung gebe, fo baß 
ich eS recht geläufig lefen faitn, wenn DbomaS 
beute Abenb nicht tonnnen follte, fo gewähre ich 
beine ©itte mit gmiben. $)ocb Alice, riegele erft 
bie S£bür, benn man tanit nicht wiffeit, wer fich 
ungebeten bei uns melben föimte." 

Aachbent bie Sbür berriegelt war, las ber 
©ater ben Dradat „Siebe zu 3iefu" ganz burd). 

Aach bein ©erlefen ber Schrift fagte Slifa* 
betb: „Das ift ein jchöueS, tbeureS ©Jort; bu 
tfjuft wohl baran, eS Dorzulefen, wenn ipoinaS 
nicht toinnien follte." 

DbomaS mar ein ©erwaubter Slifabetb’S. Sr 
hieß StbomaS ©lantt. Seine oerftorbene 3frau 
war ©efcbmifterfiitb zu Slifabetb- Sr felbft war 
einer ber fleißigften unb begabteften Führer ber 
Sollbarbeu. ©erabe um biefe 3Kt ftaitb er be* 
fonberS in ©efaßr, benn er batte fich nicht allein 
bie Uugnabe beS ©ifchofs oon Sincolu zugezogen, 
weil er baS Satrament ber leßten Celiing Der* 
warf, fonbern auch, weil er aus feiner ©erban» 
nung in baS fllofter 3?rebeSmebe enfloben war. 
3eßt manberte er als Flüchtling Saub auf uuD 
ab, genoß natürlich babei ben Schuß unb bie 
©aftfreunbfehaft ber ©rüber, bie ihn, um ber 
©erfolguttg willen, befto lieber butten. 

Die ©rüber erwarteten, baß er an biefem 
Abenb bei bem Färber prebigen meröe; aber 
unter ben Umftänben mar eS allerbingS noch un* 
gewiß, ©lau wußte, baß Slifabetb mit DbomaS 
©faitn oerwaubt fei. Dies brachte 3obuuit ©rown 
bei ben ©rieftent in ©erbaut. Auf ©efebl beS 
©ifchofs fteflte fich Sbilton, ber ©ericbtsbieiter, 
unerwartet bei ihm ein, ben DbomaS ©lantt zu 
fucheti unb fich anbermeitig umzufeben. Da er 
ihn aber nicht gefunbeu unb Johann feine ©er« 
binbung mit ber Kirche bisher aufrecht gehalten, 
bann unb wann bie ©teffe befudjte unb z»r 
Seihte ging, fo fonnte man ihm nichts anhabeu. 
Unb Doch wußte Fobann nur zu gut, baß bamit 
ber ©erbadjt nicht gehoben noch Sicherheit ge* 
Wonnen fei. Unter biefen Umftänben mußte ba* 
her ein ©ang zu einer folgen nädjtlichen 3«* 
fammenlunft Don ber größten ©Mdjtigfeit für 
biefe Familie fein, ©tan fonnte nicht wiffen, 
was bie nächfte Stunbe bringen mürbe, benn ber 
Srzbifchof butte feine Spione überall. 


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P ie Jlftfhen. 


297 


3m höchften ©rabe ergreifenb tuat e§, als 
3ol)ann mit feinen Sieben fic^ beugte nnb ©ot= 
te« ©d)uß. iBeiftanb uitb ©egen für fich unb bie 
©einen erflehte. Veim Abfdjieb umarmte man 
fiep, a!« nur’« auf Aimmerwieberfehn, unb öod) 
mit 3i*üerfi(bt, beim man mußte, baß teilt ©mir 
Dom £auple füllt, oljue be§ fjerru SÖ3ilIen. Söer= 
trauen auf ©ott unb Vorficht muffen ©aitb in 
©anb gehen. ©o tarn e«, baß Alice unb ber 


Meine 3ohann gur Dorberen 2hür hinau«gingen 
unb einen Utmueg malten, ber fie enblid) gum 
■ Vater führte, melier fid) burd) bie hintere 2bür 
in entgegengefcßter 9tid)tung entfernt hatte. 2ie 
J stacht mar bunte!, ber SBeg f(hled)t, ber ©ang 
i baher fdper, aber man ging gur ©tärtung be« 
©tauben« bem 3> e t entgegen. 

j 

(3d}lufe folflt.) 




13 (fiit Sdjemen nur ifl biefe Hielt. Efc 


Äadj Stoma# Stoore für #an# mb §ttb. 


B in Schemen nur ift biefc IDelt, 

(Ein IDcrF ans Koft unb Schimmel, 

^ Des 5rf?icffals lüoge fteigt uub fällt 
w 23alb frfjmerjgefurdjt, balb lujtgefdjrocllt 
Kein Segen, benn im tjimmell 


Unb roas Dom fjelm bes Hu^mes gleißt, 
Derfcfyroimtnt rote Schein am tymmel, 
IDas Hoffnung, lieb’ unb Sdjöutjcit fjeißt, 
Stnb (Srabesblutnen, balb uergreift — 
nichts (Ero'ges, benn im Qimmel. 


2ldj, arme IDanb’rer frütj uub fpat 
Stnb roir im Sturmgetümmel, 

Des liebes Stratjl, ber rDcist^eit Hatfy 
€rleud?teti fcfyroadj ben irb’fdjen pfab — 
Der ^rieben ift im fjimmel. 




-Hc Pie ^ftrkcu. 3jK» 


fjftr ©au« unb ©erb ttou ®blöiu«. 


» ^f« bie ©orbe fpanifc©er Abenteurer 
unter ©orteg in Vtegico eiitbrang, 
& lebte in biefern fiaitbe ein Volt, 
^ bo« fich gu einer bebeutenben ©tufe 
ber Jfuttur emporgefchwungen 
hatte. G§ toar bie triegerifdje 
Aation ber 9t g t e f e n. ©ie waren fanm gweU 
hunbert 3obrr int ®«ftfe ihre« Saube« gewcfeit, 
hatten fidj aber in biefer Derhältnißmä&ig Mirgen 
3eit merfmiubig entmidelt. 

3b*e 'Vorgänger waren bie 2oltefen, gleid). 
fall» ein giemlicp gebilbete« Sott, ma« bie Dielen 
großartigen 2empefruinen, ©Jefäfte u. bgl. be» 
toeifen, bie Don ihnen MerriiMren. ©ie hotten 
ba« Sanb inne etwa ooin gehn teil bi« gum Dier= 
gehnten Sahrljuubert n. ©hr. Aufgerieben Don 
©unger«notb, anftedenbett ffranfheiten unb un= 
glüdlicpen Kriegen, Derfchwanben fie gänglicp. 
Anbere ©tämme brachen Dom Aorbeit her in ba« 
Sanb ein unb nahmen e« in Vefiß. Unter ihnen 
gewannen bie Agtefen halb bie Oberbnnb unb 
unterwarfen fid) ba« gange ©ebiet gmifdjen bem 
füllen föleere unb bem ©olf Don Vterico. 


Offenbar fiberfamen bie Agtefen biete ©in» 
ridjtungen, ©ebrüuehe, religiöfe Anfchauungen 
uub einen bebeutenben 2hf<l ihrer flultur Don 
ihren Vorgängern, ben Stoltefen, unb bauten 
auf bem gegebenen ffunbomente weiter. 2iefe§ 
geigt fid) befonber« in ihrem religiöfen ffultu«, 
in toelchem fie bie einfachen, fdjöneu ©erenionien 
ber 2oltefeu mit ihren eigenen abfehredenben 
unb graufamen ©ebriiuchen Derniengten. 

©iner ©age nach tarnen bie Agtefen einft bei 
ihren Söanberungen an bie ©tiitte, Wo je^t bie 
©tabt Vteyico fteljt. ®a fahen fie einen riefigen 
Abler, ber eine ©djlange in feinen fangen hatte 
unb ber VJorgenfotine entgegen feine breiten 
©chwingen eutfaltete. 2iefc« fchieit ihnen ein 
giinftige« 3 f *4 fn gu fein, unb obfehon bie 
©egenb eine fumpfige war, fo griinbeten fie hier 
eine Anfieblung uub bauten fich ©litten au« 
©chilfrohr auf Vfafjlen, bie fie in ben Sumpf, 
hoben trieben. 2)iefe fiiitten machten im Saufe 
ber 3?it großartigen ©ebäuben au« ©tein uub 
ft'alf Vln^- 

$ie ©taatsoerfaffung war eine monorchifdje. 


22 


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298 


fir J^tehrn. 



SBenn ber £>errfcf)er ftarb, fo imirbc einer feiner 
©rüber, ober »nenn feiner feiner ©rüber mefjr 
lebte, einer feiner fJteffen ju feinem 9iad)folfler 
ertoäffft. 3)er Stljron fling uicf)t öom ©ater auf 
ben Sofju über. G» beftanben gewiffe gefefslid^e 
©erorbnungeit. S)ie Strafen waren fefjr firenge. 
$ie ©ernste mürben öffentlich gehalten. 

®ie Utgtefen glaubten an einen tjödjften, un= 
fic^tbaren (Sott, ben Schöpfer unb ©eljerrfdjer 
beö ©JeItalic, ben fie iaotl nannten, daneben 
glaubten fie au eine grofje ©njahl untergeorb» 


SCjtcfcn^riegcr. 

ncter ©ottheiten, Don.betten <£mißiIoj)ochtli, ber 
erfte, ber mericanifche WarS, mar. ©eine Sem» 
pel waren bie großartigen, unb in allen be» 
beutenberen ©tobten ftanben feine 9Iltäre, auf 
beiten man Weitfchenopfer barbrad^te. Wonte^ 
2 itma, ber steten = Raifer, geftattete ßorteg 
unb feinen Begleitern, ben ©ott felbft au fe^en. 
($S tuar eine gigur mit breitem ©efidjte, roei» 
tein Wunbe unb fürchterlichen 5lu^en. Oer 
©ott tuar bebecft mit @olb, perlen unb ©bei» 
fteinen. ©einen ©urt bilbeten golbene ©d)lan= 
gen, an feinem .ftalfe befattben fiel) menfd)(id)e 
©efid)te uttb bergen Don ©über uerfertigt. 
9?eben bem ©ößett ftanben etliche 2ßeihrau’(h= 
feffel unb auf benfelben lagen bie bergen et» 


lid)er Opfer, bie am felbett Sage gefd)lad)tet 
Worben waren. Oie Opfer waren meifteiW 
Kriegsgefangene. Oie Sentpel waren riefige, 
ppramibettähnliche bauten. Oie £)inrid)tung 
ber Opfer gefchah oben auf beut flachen Oadje 
beS SempelS, angefid)tS ber unten üerfanunel» 
ten Wenge. Oer ©efangeue tuurbe auf beit 
Elitär gelegt, wo ihm ber ^viefter mit geübter 
£)aitb bie ©eite auffepnitt unb baS &erg heraus» 
riß unb biefeS er ft ber ©oune entgegen hielt, 
unb bann ber ©ottljeit Dor bie §üße warf. 
Oabei warfen fich bie 3itfd)auer anbetenb 
ttieber. Oer £eib bet? (Geopferten würbe 
barauf bem Krieger übergeben, ber il)tt 
in ber ©d)ladjt gefangen geuontineit hatte, 
welcher ihn nun mit feinen gienitben Der» 
»ehrte. 

9?ebett biefett ©raufamfeiten gab eS 
einen Kultus milberer 9latur, wobei Bin» 
men, grüßte unb Si?ohlgeriiche geopfert, 
fröhliche Sieber gelungen uttb Säuge auf* 
geführt würben. 

Oie Kultur ber alten 9(gtefen ^atte große 
91ehnlid)feit mit ber ber alten ©gppter. 
©ie bebienten fid) einer Bilberfchrift gur 
91ufgeid)mtng wichtiger Siege. Oa fie 
feilte Bu<hftdbenfd)rift befaßen, malten fie 
einfach waS fie fd)reiben wollten. Oie 6r* 
jiehuug ber ^ugeub hatten bie Bricfter itt 
ihren £)ättbeu, weldje bie weibli$e ebenfo 
wie bie männliche Sugenb im Sefett, 
Schreiben, 9te<hneit, im ©borgefang uttb 
Sangen, unterrichteten. — Oie fähigeren 
©d)ii(er würben and) in bie ©eheintttiffe 
ber ©ternbeuterei, ber ©ternfuitbe unb ber 
©ötterlehre eingeweiht. Oie 9lgtefen hatten 
ein eigenes 3 fl hlenfbftem unb eine gient» 
lieh genaue Steife ber 3eitbered)tiung. 9ln« 
ftatt alle uicr Sahre einen Sag eingu» 
fdjalten, wie wir eS thuit, feierten fie alle 
aweiuttbfünfaig Sabre einen großartigen 
ßarneoal, ber breigebu Sage währte. Oie» 
fen breigebu Sagen ber Suftbarfeit gingen 
fünf Sage ber „Bergweiflutig" uoran, itt 
beneh fie ihre Kleiber gerriffeti, ihre Wobei 
gerfdilugen unb ihre £>auSgößen gertriim» 
mertett. 

3lm 9Icferbau hatten bie 9(gtefen bebeutettbe 
fVortfchritte gemad)t. ©ie pflnngten befonbers 
WaiS. 3hr Sanb bewäfferteti fie uermittelft 
Sanäle. 91uch in Derfchiebeuen ffiewerben geid)* 
netett fie fich aus. Befonbereit ©efdnnarf geigten 
fie in ihrer ^eberarbeit, inbettt fie eS uerftanben, 
bie bunten Gebern ber SropettDögel mofaifartig 
in Baumwotlengeug einauweben, ©ie beuteten 
ihre Silber», Blei», 3intt» unb Kupfer »Säger 
aus. ©olb witfchen fie aus bettt ©attbe ihrer 
f^lüffe. ©ifen fcheittt ihnen aber fretttb gemefen git 
feitt, obfehon ihre Serge an ©ifeiterg reich waren. 


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<£itt beutfdjes Äriljeil über Amerika. 


299 



'Auch in ihrem bäu§* 
licken fiebcu mar ein 
bebeiittmöer ftiiltur* 
grab bemertlid). Die 
grauen mürben mrt 
nicht geringer 9(c^tung 
bebanbelt. Sie f)ieU 
ten febt öicl auf -Kein» 
liebfeit nnb mufeben 
lieb gemiffenbaft nach 
altem ©ebraueb tmr 
unb nach jeber 'JJlabl* 

$eit. jb^e Speifen 
maren gut pibereitet 
unb in guter Au$= 
mabt. Oft bereinig 
ten fie fief) 311 gemein* 
febaftlicbert j$eftinaf)= 
len, bie mit einem 
ianje bon ber ^ugenb 
befcblbffen mürben, 
roäbrenb bie eilten $u* 
faljen unb rauchten. 

25 or bem fpanifd)en 
(froherer fiel bie 
-Wadfjt ber ästeten in 
irümmer. AKit rau* 
ber ©anb mürbe ihre 
ftultur aetnicft. M 
ber einen ©anb brach* 
ten bie ©iubringlinge 
ba* ftrupfir, in ber anbern ba» Skruiebtung** 
fcbio:rt. So febmaub bie ©errlid)feit bc» fronen 
2 lpefeureicf)e» lammt feiner 23 ei)ölferung, bi$ 
auf bie geringftrn Sparen baf)in. 

2$or etma breißig fahren mürbe in (Europa 
große» 9 Xuffef)en burd) puci puergbafte Siefen 
erregt, melcbc al» 'Abfömmlinge ber alten 2(pe* 
fen aiisqegebeu unb pir Schau geftellt mürben. 
Der ftuabe fall fie6jel)n unb ba» Mäbcbeu cif 
^abre alt geiuefen jeiu. $()re ©ölje mar unter 
brei ftuß. Da» Souberbarfte au ibttcit maren 
bie eigeiitbümlicbeu ©efid)t»,pige. Die Stirne 
unb ba» .stin 11 traten piriicf unb ließen bie s Jtafe 
fo beroortreteu, baß mau unmillfürlid) an ba§ 
©tM’ic^t eine» SJogete erinnert mürbe. Doch ihre 1 
fuufelnbeii frfpoarpm 'Außen, bie olidenfarbige 1 
©aut, bie langen fdbioargen ©aare unb ihre ©e= | 


d'f iTiibcr lUtcfin-fvt '^rieftor 


mütblid)feit benahmen 
ihnen alles2lbftoßeube. 
Sie rebeten eine un= 
berftänbliebe Spraye 
unb oerftanben einige 
29ovteenglifcb. s JJiufif 
übte einen befouberen 
9teij auf fie aus. Sie 
murbeu gewöhnlich 
auf einem großen 2i= 
febe pir feebau ge* 
ftellt, auf bem fie fpie* 
ietib umher liefen. 

(Ss mürbe eine et* 
mas imghuiblid)e @e* 
fd)id)te ium i()ren er* 
jiil)lt. Die alte Stabt 
grmiaga foll bei Crt 
ihrer ©erfmijt gerne* 
fen fein, mo fie mm 
ben ßinmobnern al» 
göttlidje 2i?efen ber* 
ehrt morben maren. 
# (fin getoiffer 4 : elas* 
*que^ foll in iVglci* 
hing eine» Canadier» 
unb eine» 9lmerita* 
nerS bi» pi biefer aU 
ten Stabt in Zentral* 
Slmerifa borgetrim* 
gen fein, ©irr mach* 
ten fie bie Skfanntfcbaft eines ^riefters, ber 
biefe v)UUTg*föötter unter feiner 9luffid)t hatte. 
Die Crpü)limgen dou ber 'Außenwelt inad)* 
ten einen foleben Ciubrucf auf biefen 'Vriefter 
unb mertten feine 'Jteugierbe fo febr, baß er 
befebloß, bie fleinen ©ottbeiten pi fleblcn unb 
mit ben fyrembcu pi fliehen. 'Auf ber fvlnc©t 
tarnen ber Canadier, ber Slmerifauer unb ber 
^riefter, Ciner nad) bem Unteren um, mir 
Itelasquc* blieb übrig, um bie mimbcrbare ©e* 
fd)id)te pi erjäblen, meld)c bie geraubten ft in* 
ber beftätigen feilten. Allein mifjcnfdjaitlidie 
Wanuer erflärteti bie ©efeböpfe als bloße 9Jiif> 
gebürten, bie irgeub einem Siibianeiftamm au* 
gehörten, uub fo oerlor fid) bas große ^> 11 * 
tereffe, ba§ man anfänglich au ihnen gehabt 
batte. 


€itt beiitfdjcs ilrtljcil über Jtmrrlko. 

Gbitor. 

f iu richtiges unparteiifd)e3 Urtbeil über ein 1 eher bie Sachen meber bureh rofenfarbige noch 
2aub unb ®o(f pi fällen, bapi gehören 1 fdjmarje ©läfer aufd)aut. Dem 9tid)tnorbau* 
nicht bloß allfeitige ftenntniffc unb (frfab= ! beufein biefer (Sigeufehaften ift bie gänzliche 
rung, fonbern auch ber ungetrübte 3Mitf/mel* SDertblofigteit fo bieler SReifefcbilberuugen, fo* 


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300 


@in bfutfdjes Krtijril über Amerika. 


toie bie ßinfeitigfeit ber gegenfeitigen Beur* 
tfjeiluug gugiifdjreiben. 

Selten, g. B., ftöfet man auf eine boit ame* 
rifauifdjer Seite fommenbe grünblidje 

©arftelluug beutfdper Berpältniffe. seltener 
iiocb ift eine richtige beutfd^e Beurteilung ame= 
rifaitifdjer 3 u ft^ n ^ e - 9)tan fdjeint eS barauf 
abgefefjeit gu fyibeu, fid) gegenfeitig auf ber 
fd)iüäd)ften Seite gu faffert unb barauf f)iu bie 
Nation gu fdjilbern, ober ift in fold)’ grengeu* 
lofein s Jiid)t»roi)fertl)uni gefangen, baß „#iebe" 
ausgeteilt toerbeit ntüffen, um bie 9lbroefenf)eit 
ber Belehrung unb beS gefunbnt Urtfjcil» gu 
berbetfen, unb bie ©elbfiDerperrlidjung a(S2orf= 
fpeife für befd)ränfte fiefer gu bienen tjat. 

9llfo ift eS Ijiiben nnb britben in gar Dielen 
Mafien. Um fo erfrifd)enber mutf)ct eS einen 
an, roenn guroeiten aud) eine Sd;ilberung er* 
fdjeiut, toeldje baS ©ute unb (5be(e anberer Böl* 
fer beroorfjebt unb gur 9lad)abmung ’borljült. 
3Bir haben jitngftenSbaS Urtpeil eine» befähig* 
ten Slmerifaner» über ©eutfdjlanb publigirt, unb 
hier toll bie Beurteilung 9Imerifa'§ in einer 
im alten Baterlanb publigirten 3 e i*ung folgen. 
©S ift bie „Berliner $olfSgeitung," roeldje aus 
9(n(aft ber Don 9(merifa au» gcljcnbcn Bitte, feine 
©aben in ©eutfdjlanb für bie Ueberfdjtoemmten 
im Ohiothal gu fammeln, folgenbeit 9trtifel 
Deröffentlicht: 

„Die Xpatfacpe, bafc hon Storbamerifa per bie Sluffor* 
berung nach Deutfcplanb gelangt ift, man möge pier 
feine Sammlungen für bie Ueberfcpwemmtcn in Sinterifa 
heranftalten, weil bie Slmerifaner nicht geneigt fiitb, 
©efcpeitfe anguuepmen, ift um fo auffalleuber unb über* 
rafepenber, als gang furg oorper recht reiche Spenben auS 
Slmerifa gu uns für bie Ueberfcpwemmten beutfe^eu 
©ebieteS gelangten. (SS giebt uns biefe Xpatfacpe eine 
fepr ernfte Beranlaffuitg, einen Bergleicp über bie Ber* 
pältuiffe beider Räuber angufiellen unb über bie Urfacpeit 
beS UitterfibicbeS näher naepgubenfen. 

Der ©runbgebanfe fd)ciut unS in ber nichtigen Xpat* 
fache gu liegen: Slmerifa braucht Sflenfcpen unb nicht 
(Selber auS CSuropa! 

Diefer (Srunbgebanfe berbient eine ernfte Betrachtung. 

Bfan nennt Sfotbamertfa bie neue SBelt. (SS ift 
eine folcpe. (SS ftebt biefeS Steich Wie in 3ugertbfrifche 
unb ^ugenbfraft uns gegenüber ba. (Sine 3cit lang 
fchien eS, als ob eS bloS in m a t e r i e 11 e r Begicpung 
bom (Slücf begiinftigt fei, aber bie Xpatfacpe ift mehr 
unb mehr erfennbar geworben, bajj eS auch mit bem 
gehobenen Btoplftaitb in ge i ft i g e v Begicpung in popem 
BJacpStpum begriffen ift. Die Slftronomie, bie ebelftc 1 
unb felbftlofefte aller BUffeitfepaften, feiert bort herrliche 
Xriumppe. Die Ökologie bewegt fiep bort auf einem 1 
ergebnisreichen Boben. Sillen wiffenfcbaftlicpen (Sjrpebi* 
tionen in fremben SBelttpcilen bringt Slmerifa febr reiche 
Opfer. Jn ben SWeereS*Unterfucbungen gebührt ihm j 
ein namhafter Borrang. 3« ber SJfebigin hat eS uns 
ben Segen beS Chloroforms gelehrt. ?>n ber Sahnbeil* 
funbe fteht eS unübertroffen ba. SBie eS unfer tteprs 
meifter in ber Xelegrappie, im ^emfpvecpen, in ber <ppo* 
nograppie, im Bbotopbon, in ber eleftrifcpen Beleucp* 
tung unb in allen Rächern ber Slnwenbung ber Statur* 
fräfte im Dienfte ber Sftenfcppeit ift, baS geigt unS bie 
(Gegenwart in auffallenber Deutlichfeit. 


Die neue Söelt erfreut ftch ^ BorgugeS, bafj fie feines 
| Kampfes gegen Peraltcte 3uftänbe beburft hat. Sie hat 
i feinen ^eubaliSmuS hütter fich. 0ie miib niipt oom 
BtUitärismuS auSgebeutet. Sie hat bie (Srrungcnicbaf* 
j ten ber europäifchen Kultur im Porigen Jahrbunbert 
I fofort bei ber Begrüubung ihrer Staaten als (Srbjchaft 
j aufgenommen, ohne beengt gu fein oon ben Sd)ranfen, 
j in melden (Suropa felber ftanb. Slber luahr ift eS, biefe 
1 neue BJelt blieb nicht bei ber (Srbfchaft, bie fie auS (Suropa 
mitgenommen, ftepen, fonbern hat fich VC 9 C 3i?rüeient* 
toicrelung gum Briagip gemacht. Unb tu biefent ^rittgip 
bebiente fie fiep eines Banners, baS ben Sieg mit ficb 
bringt, beS BaittterS ber S e l b ft ft ä n b i g f e i t unb 
ber greipeit, tponach bie europäifchen BöUcr noch 
immer gu rtngett haben. 

Die Selbftjucht ber SWeufcbennatur Perlcuguet fich in 
Storbamerifa freilich niept; aber es befipt niept bie $>ufii= 
tute, in toelcpen bte feerrfcbaflogclüfte tes 5Dienfd'en über 
ben Sfebenmenfcpen oevförpert fiitb. (SS befipt fein perr* 
fd^eubeS ^faffenioefen, baS mit ber Slnlovität einer Be* 
b ör ben m'a cp t auSgeftattet ift, unb boep betraprt bie 
Beoölferung in Poller einen emften, religiöfen 

Sinn. CS pat feinen Slbel, ber fiep gebevbet, als ob er 
gut öerrfepaft geboren fei. Die Sflaberei, tpelche ein 
trauriges (Srbftücf ber Bergangenbeit h?ar, tourbe burep 
einen mächtigen Krieg Pernich-et, tu treldiem bie Freiheit 
ipren Pollen Driumpp über bte Selbftfucpt ber Stlaoen* 
palter feierte. Storbamerifa pat feine Regierung, toelcpe 
pon ooen per befiehlt, tpaS in ben Schulen gelehrt, tn 
beit Kircpeti gebetet tperbeu feil, nnb boeb gebeipt bafclbft 
ber 3ugenbimtcrricht unb bic (S^tfteng ber ©oiteshäufer. 
Bon Biilitär pat Storbamerifa fold) ein SJiinimum, too* 
mit fiep felbft bie fleinen Staaten (Suropa’S nidjt bepel. 
feit gu föiuteu meinen, unb gleidnrobl toar ber Krieg in 
beit iecpgiger 3apreu ein fo grojjärliger, ba& er bte PoUfte 
SlufmerffamfeU ber europäiicpeu militäriicheii Slutoritä* 
ten in Slnfprucp napm. Die ftättbige SJcarine ift febr 
gering an 3apl, unb gleicpmopl ftnb bie DotpeboS unb 
bie SNonilorS auS Slmerifa bie Cviginalntnfter ber atro* 
pätiepen Staaten. Die StaatSfcbulben fiitb burep ben 
Krieg aufjerorbentlicb geftiegett, aber aü jährlich tuet ben 
fie tit fo großem Biafcftabe getilgt, hne eS iit feinem 
Staate (Suropa’s ber Rail ift, too man bie Schulben 
nicht begaplt, fonbern fcftpält, fo gu fagen conjölibii-1 
Uno baS Bolf, baS fo ettergifcp im ©elbpiutfte ift, null 
auep Pon feinen ©önnertt im Sluslanbe nichts gejepenft 
nehmen. 

(SS ift leicpt gu fagen, bafj ber gelraltige Vanbbefttt 
Sftorbamerifa’S ber ©ruttb beS ÖrbeipeuS bieier neuen 
Sßelt fei Slber man ertrüge trobl, bafe in bcmfelbctt 
Sßelttpeil auch ebeufo grofie Väitbergebtcte ejiftiren, bie 
naep Klima unb Sfaturpi ebuften bei 2l ; citeni mepr be* 
günftigt fittb. Weyifo, $ern, Cbtli, Braftlteit bieten 
tbren Bölfern reichere ©elegenpeit gur Kulturenttoicfe* 
Iung, als Storbamerifa. B>arum ftepen biefe Räuber 
tief unter ber Kultur itttb bem SDoplftanb bes Raubes, 
toelcheS man als bie neue SEelt begeichttet! 

Dte Slntmort bietet bie ©efchichte in febr auSreichett* 
bem Örabe. (SS fcplt biefeit Räubern baS eigentliche 
Ferment, toelcheS ber Boben ber (Sntmicfelung ift. (SS 
fehlt bort bie ftreipeit unb Selbftftänbigfei t 
beS BoIfSlebenS. 

Unb ift eS noch uötpig, einen Bergleich unfern- euvo* 
päifdieu ^uftänhe mit beiten ber neuen B>elt anguflelleu? 
SBir föunen bieS tu einem furgen SlttSiprucp bavlegen. 

Die Kämpfe, tit welchen (Suropa feit Beginn bcS jepi* 
gen ?;abrbunbertS fiep befiubet, finb in B>aln bett burdp 
bie norbamerifaniidte ^reipeit angeregt Worben. Diefe 
War eS, welche in Sftaufreicp günbete unb gunt SütSbntcp 
ber großen BcPolution führte. Slber ber alte Boben ber 
alten Bklt war gur 3*it niept geeignet gur Slnpflangung 


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Qttrhifdje Sufti}. 


301 


einer neuen Jiultur. Der geubaltömuS Würbe *War in 
blutiger ^eibeniipaftUdjfeit oernicptet, aber bie feurjeln 
ber öerric^aft blieben in biejem Aben unb fproffeu in 
Kriegs^ imt> örobennigSjielüftm auf. DaS europätfdie 
geftlanb Würbe in feinem Aftanbe erfd)üttert unb mupte 
burJj einen AfretungSfiieg erft Wieberum feine <Selbft= 
ftaiwigfeit erobern. Docp bie Wirtlichen üulturfaaten 
fielen auf einen empfänglichen Abeu unb nach 
jebnten erfolgten bennocp bie Anlegungen, welche bie 
Golfer unb bie Staaten wefentücp umgeftaltet haben. 

iöährenb s Jtorbamerifa im AUbefifc feiner Freiheit, 
im reichen ©egen feiner Arbeit unb feinet raftloien 
gUijjcS lebt, ftept ihm öuropa noch immer mitten im 
Jtampfe um btefe A&tngungen feiner ©stftenj gegenüber, 
ös werben noch 3 rt h r $e l ;ate bahingehen, beoor bie §emm= 
niffe befeitigt iem werben, welche 'Jtorbamerifa im oorb 
gen Jahrhunbert oon fid) abgefcbüttelt hat. SßaS ihm 
öuropa bieten fann, ift in ber Dlrnt nichts anbereS als bte 
öinwanberung, welche bereite in grofeem aftafeftabe 
vor fich gept unb fich noch Weiter entwicfeln wirb, wenn 
geubaliSmuS unb aJtilitariSmuS fich noch S u oerftärfen 
fucht. atorbamerifa h<n ein b e n e i b e n S w e r t h e 3 
3le<ht barauf, ftch feiner Freiheit unb ©elbftftänbigfeit 
gu erfreuen unb — ©efchenfe oon öuropa, felbft bie 
Wohlgemeinten, oon fiep abguweifen." 

Jer Schreiber biefe^ ArtifelS, welcher bie 
Sichtfeiten ber Her. Staaten fo wohl fennt, ift 
felbftuerftänblich nicht unbefaitnt mit ben Sehä* 
ben berfelbeit, bie wir aber felbft uns recht oft 
gu unferer oelbftbefferung borhalten wollen. 

3n e i ne m fünfte jeboch ift fich bie berliner 
HolfSgeitung nicht recht flar, ober fie ficht be* 
treffe beffelben nicht bi» guin lepteu ©runbe. 

Anerfeuneiib, baß in Amerila auch ohne 
Staatstirche ein ernft*religiöfcr Sinn gewahrt 
wirb, unb ohne Sefeljl oon oben herunter bie 
ffirche gebeifje, meint ber Artifel, baß biefe unb 
Diele anbere ©rrimgenfchaften anfcern Nationen 
abgehen, weil ihnen bie Freiheit unb 
3e Ib ft ft ä 11 b i g!ei t beS HolfSlebenS 
fehle. 

©ang richtig geantwortet. Aber — ein wenig 
weiter. SÖo ift beun ber lepte ©runb biefer §reU 
heit unb Selbftftänbigfeir? SöeSpalb ift beim 
ber Amerifaner in freier ^elbftftänbigfeit ernft* 
religiös gefinut, obwohl ihn fein Sättel gum 
Sitar treibt; warum gebeiht beim fein ftirepen* 
wefen in faft üppiger Söeife, obgleich fein eiitgig 
StaatSgefep eS einfehärft; wie fomint es beim, 
baß hierjulaub alle Staffen unb ff laffen tu 2Bahr* 
heit ein S u it b e S 0 0 1 f finb, baS bou feinerlei 
ffajte weiß, unb anberit bebräiigten Sölfern als 
Srüöern mit einer Segeifterung beifpringt, bie 
faum ihresgleichen fennt ? 

Jäher tomnit es, weil bei weitem bie Htefjr* 
Suhl öeS amerifanifchen HolfeS auf b i b l i f ch e m 
©runbe fteht, unb bie ganje SJlenfchheit, als aus j 
einerlei Slut unb ffiefchfed)t foinmenb — als , 
Sr über anfieht. ^n biefer ©runbanfehauung ; 
ift bie f5reif>eit unb Selbftftänbigfeit beS ameri* 
fanifchen SolfslebenS gu fuchen; beSpalb, weil 
ber Amerifaner bie Sibel ehrt unb liebt, hat er 
einen ernft* religiöfen Sinn; barum blüht fein 


ff irdhentbum, unb aus gleicher Duelle entfpringt 
feine Philanthropie. 

©elänge es ben Umtrieben ber SibelfeiuDe, 
bein amerifanifchen Holte feinen Sibelglaubeu, 
fein Hertrauen auf ben perfönlid)en ©ott unb 
beffen Rührung gu rauben unb an bereu Stelle 
Aberglauben ober Affen = ©ibilifatiou gu fepeit, 
fo wäre biefeS große Saab halb eine fo große 
Safterftätte unb '(Sigeuimpböhle, wie ein ft bie 
große romifche Stepublif, unb es möchte in pun* 
bert fahren nod) ein wenig fchlintmer bei uns 
auSfehen wie in Srafilieu. 

SJtit Schamröthe im Angefuht muf$ man fidh 
geftehen, baß unter biefeit Hibelfeinben Diele 
jeutfehamerifaner Dorneau ftehen, unb in bein 
©efdjvei — weg mit ber Hibel unb ihren Sehren 
— fich gn überbieten fuchen. Sie haben gwar 
noch nirgenbs einen orbentlidjen Staat gegriin* 
bet, biefe Herren; jebe ihrer auf 9teligionSlofig= 
feit gegriinbeten ©olouien ifi fchniählich gu 
©runbe gegangen. Sie haben tu Jeutf^lanb 
gefchrieen unb geträumt, unbbaS war alles, unb 
treiben ihr £anbwcrf ^icrgulaitb fort — inbent 
fie jept oon ber 6 i Di l i f a tion, anftatt wie 
brühen Don ber Freiheit fingen. Aber ihre 
Gioilifatiou hat — abgeriffen Don ber Hibel — 
nur Jörnen gebracht; bie amerifanifche, auf 
biblifcher ©runblage ftehenbe, brad)te trop ihrer 
Dielen Süden unb Heulen bereits föftlichegriichte, 
an welchen bie gange ®lenfd)f)eit fich labt. Hiöge 
©ott biefe Gioilifation erhalten unb es ge* 
lingen laffen, fie weiter auSgubilben. 


türltifdie Juflij. 

mW? bcn lafl ein 2lopbfchiff in ber fchö* 

'acWlQ neu 1)0,1 s ^° oor ^ u * cr t)aifa, 
als ich guitt ©afen herabfam unb auf baS 
( o$r SJleer hinauSfchaute. Auf bem Hevbecf 
beS JampferS herrfchte große Hcwegimg 
unb birfer Jainpf qualmte aus bem hohen ffa* 
min be* Schiffes, woraus i<h erfannte, baß ber 
Jampfer jebeu Augenblid abfahren fönnte. 

JaS mußte ein anierifanifcher Aeifenber auch 
benfeit, ber eben Dom gropen ©liaSflofter auf 
bem ffarmet herabfam, benn er eilte haftig bem 
Ufer gu unb fprang ohne Diel AfforbireuS in 
eine» ber baftehenben Hoote, um fich auf ben 
Jampfer bringen gu laffen, mit bem er feine 
Steife fortfepen wollte. JaS Hillet erfter ff laffe 
nach Sniprua hatte er fd)on in ber jafche unb 
eilte barum. baS Schiff noch gu erreichen, ehe es 
abfubr. „©liidliche Steife" rief ich ih™ noch auf 
gut Jeutfch nach, weiß aber ni^t, ob er es ge* 
hört unb Derftauben hat, febeitfallS ging ber gut 
gemeinte SBimfch nicht in (Erfüllung. 


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302 


BUrhifhe 3ufli}. 


Senn !aum ^a(6roefl§ war er mit feinen bei. 
ben SRubererit gefommeit, alä baä Soot anbielt 
unb bie beiben SBootöfü^rer aufbörten gu rubevn 
unb bcifiir in lebhaftem SJortroecbfel mit bem 
©merifaner fich beruntganften, fo oiel man feben 
fonnte; böten fonnte man ihre eifrigen ©eben 
nicht. eä roar gu weit entfernt nnb baä ©rauben 
ber 2BeBen an ben Reifen beä Uferä übertönte 
ihre ©orte. Gä mar, mie icb' mir gebaut batte, 
bie ©ootäfiibrer Ratten p(ö^lid) angebalten nnb 
erflärt, baß fie nicht meiter fahren, roenn er nicht 
auf ber ©teile febern Don ihnen einen Napoleon 
flehe. Saä mar aber bem praftifcben ©merifaner 
gu Diel fiir einen 2öeg, ben man in einer ftnrfen 
Siertelftunbe guriicflefleit fonnte, roenn man tücb= 
tifl guruberte. 'Much ift ber gewöhnliche ©reiä für 
bie Ueberfabrt auf ein Sainpffchiff fünf ©iafter 
(etroa 20 Gentä). Sie ©ootäleute butten aber 
flemerft, baß eä bem ©merifaner febr micbtifl 
roar, baä £d)iff noch gu erreichen, unb fo buchten 
fie, er roerbe lieber baä ©erlangte fdjnell gablen, 
alä riäfiren, baß er nicht mehr auf baä ©chiff 
fomme, bas jeben ©ugeublicf abfabren fönnte. 

3n ber Sbat rourben roiibrenb beä ©fort, 
roecfjfelä bie ©itfer gelichtet unb ber ©merifaner, 
ber fich burcbauä nicht betrügen taffen roollte, 
beutete auf baä Ufer unb fd)ien bamit'gu per. 
langen roieber att baä Sanb gerubert gu roerben. 
Snä Sainpffchiff fuhr ab unb fo lehrte baä 
©oot mit bem ©merifaner, ben bie ©ootäleute 
augefichtä ber 3 u fö^aucr am Sanb nicht inä 
©teer gn werfen wagten, nach C>aifa guriicf. 
Ser ©merifaner ging fofort gum amerifanifchen 
©igefottful unb mit bicfein gum Kabi (Stichler) 
bon ©aifa. tiefer aber roieä ben Kläger an 
baä böbfte ©eric-bt in ber benachbarten ©tobt 
©ffo. 

Sort oernahm ber Kabi ben amerifanifcben 
Klager unb bie angeflagten ©ootäleute. Tiefe 
leugneten einmütig, ben ©merifaner iiberfor. 
bert gu habefi, öielinefjr behaupteten fie, ber 
©merifaner habe fich geweigert bie gewöhnliche 
Saje für bie Ueberfabrt gu begableit, roeßbalb 
fie gurücfgefebrt feien. Ser Kläger hatte feine 
3eugen, ba Stiemanb ihre Unterrebung gehört 
batte, unb auf baä eingige 3fUflniß beä Kiägerä 
bin, ber iiberbieä im ©uälanbe unb ©iaitr war, 
burfte ber Kabi groei ©tänner, beren ©uäfageit 
übereinftimmten unb bie überbieä rechtgläubige 
'JJtoälem waren, nicht öerurtbeilen, obwohl er 
bie .fjabfucht unb ©eroalttbätigfeit ber ©ootä. 
führet fannte unb überzeugt roar, baß ber ©nte= 
rifaner, ber fein Sillet borgeigte, baä ©chiff 
gerne erreicht unb barum bie Säjre gewiß willig 


begablt batte, fflaä fotfte er thun? Gr warf 
bie ©ootäfübrer gur Unterfuchungäbaft in ben 
Kerfer, um fie mürbe gu machen. 

Gin türfifcher Kerfer ift aber nicht wie unfere 
3uchtbüufer oon außen einem ©alaft gleich «nb 
auch im 3nn ern fief)t eä anberä aüä alä in 
unfern ©efängniffen, fo baß eä bort nie oor. 
fommt, baß einer, ber im ©efängniffe roar, 
gerne roieber babin gurüeffehrt, wenn er einmal 
loägelaffen ift. 3m Kerfer hielt er beibe ftreng 
getrennt unb ließ bann nach groei Sagen einen 
ber ©ootäfüfjrer roieber oorfiibren. Siefer fab 
fich befremblid) im ©erichtäfaal um, benn er er. 
blidte in einer Gcfe beffelben ben ©erichtäbiener, 
ber mit feinem ©ambuärobr gang oergnüglid) 
baftanb. ©o rourbe eä ihm febr unheimlich gu 
©tutbe, weil er badjte, biefer habe fich nicht um. 
fonft mit feinem SR obre eingefunben. ©ber er 
erfebraf noch mehr, alä nach furgem ©chroeigen 
ihn ber Kabi oerbammte: „©flabu alain! ©ott 
ift allroiffeitb, er giebt baä Sunfle anä Sicht unb 
eä bleibt niebtä ©öfeä oerborgen oor ihm, bnä 
nicht beftraft roiirbe. tffünfgig ^raufen baft bu 
bem fjreinben abgeforbert. Sie ©träfe bat bich 
ereilt, ©uf, Wiener beä ©erichtä, miß bie fünfgig 
^raufen auf bie gußfofjlen beä Ungerechten 
auf!" Ser Siener ergreift ihn, unb will eben 
anfangen bie ©träfe gu ooügieben. ba ruft ber 
©raber, fich nur noch auf bie ©nabe beä Kabi 
oerlaffenb: „©ott ift batmhergig, o Kabi, er. 
barme auch bu bich mein! ©ott bat bir SBeiä« 
beit gegeben, o Kabi, bein ©uge erblidt baä 
©öfe. and) roenn eä oon Sunfel bebedt ift. Sei 
bem Sart beä ©ropbeten, ich habe nicht fünfgig 
^ranfen geforbert. 34 habe roie mein ©euoffe 
nur gloangig ^raufen getooflt." 

„2öaä ?" rief ber Kabi, „bu baft groaugig ge. 
forbert, unb weißt boef), toie oiel baä ©efeß oor. 
fchreibt!" 

©nn ließ er ben ©nbern auch rufen, ber 
jeßt nicht mehr leugnen fonnte. ©ie erhielten 
fofort jeber groangig auf bie fffußfoblen. ©o« 
bann mußten fie bem ©merifoner ein neueä 
SiBet für baä nächfte ©chiff taufen, ihm für 
bie oerlorene 3«it< biä nah Oiergebn Sagen ba§ 
nächfte ©chiff fam, ©chabenerfaß leifteh; unb 
ber ©merifaner pflegt ben SEBertb ber 3fit nicht 
gering angufchlagen, roeil er weiß, baß baä 
Sehen furg iß. ferner mußten fie alle Kofteit 
beftreiten, bie bem ©merifaner fein öerlängerter 
©ufentbalt in £>aifa oerurfachte, unb eiiblich, 
alä baä nächfte ©chiff fam, ihn prompt unb un. 
entgeltlich <iuf baffelbe hinüberrubern. 

(3ugenbblätter.) 




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«ute äadjt, 


303 



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304 


§9os ift felbftoerflänbUd) ? 


Pos Sifd)0rbrt •§*• 


§ it ber (Eafcl im (Safthaus 311 m golbeiteu Stern 
IPareu beifammeit piel renbe l?errn. 

, Dor ihnen (tauben aus Küd?’ unb Keller 
(Sar lieblich lotfeub bic ^lafdycn unb (Teller. 
Schon faßen fte ba in plaubernben (Sruppeu, 
Pie Kellner reichten bie bampfenben Suppen, 
Hub mefyr nodi begannen (Semüf mtb Braten 
ITlit fiißem irohlgermb 311 laben: 

Pa fant 3 itr (Efyiirc (tili herein 
<£iit Jfrember mit feinem (Töchterlein, 

Hub fegte fidj unten am langen (Eifd?, 

Um auch 31 t fofteu ron IPein mtb ^ifd?. 

0 beu flirrten bie £öffel unb ITTeffer, 

Klangen bie (Släfcr unb fcbei^teu bie <£jfer. 
Huf einmal tönt’ gar hell unb feilt 
(Eine Stimme in beit £ävm hinein, 

IPie tpcitit von fern ein (Slöcflein flingt, 

It>ie tpeun im IPalb ein Pogel fingt, 

Unb tuie auch ber Strom ber Hebe raufebt, 
Still tpirb es rings unb jeber laufdit: 


Per Krieger, ber pon ben Schlachten er 3 ählt, 
Per Kaufmann, ber über bic gölte gefdjmält, 
Pie iPaitbrer, bie ron Hbenteuern 
(Sefprocbeit unb pou Ungeheuern, 

Pie Stuger, bie pon Pferb unb IPagen 
Hub 6 unben unb lUoben fo gar piel fagen. 
Uttb tuie fte febauen nach bem 0 rte, 

Pou mol^er bringen bie lieblichen lüorte: 

ITTit gefalteten ^änbeit ein UTägblein fteht, 
Unb fpridjt feilt gelohntes (Eifchgebet. 

Unb tpie gebrnngeit pou l^öf^erem (Seift, 
galten aud? fte bie öäitbe 3 umeijt, 

Hub borgen alle red?t mit Jfleiße 
Huf bes ftammclnben Kiitbes IDeife. 

Parauf fegt es fi<h nieber mit ftiller ^Jreube, 
Unb achtete nicht auf all’ bie £eute. 

Pie aber, ergriffen im tiefften Innern, 
(Theten ftd> oft nod? barait erinnern; 

Uitb mancher hat tpieber gebetet fortan, 
tDas er fchon lange ntd?t mehr gethan. 

(Ir. *iUI.) 


---<£°^ -- — 

|0a0 i|t felbflocrftünMidj? 


S chreibt mir oor längerer 3 e >t ein gfreunb 
bott ber Steife: „Se( 6 ftoerftäitbl ich 
• bin ich gefterit früh hier wohlbehalten ein. 
getroffen." jfcf) traute erft meinen Stufen nicht 
uitb lad nod) einmal. 9tid)tig, fo ftanb’d ba: 
„S e (b ft o e r ft ä n b 1 i d)!" Schuttclft bu nicht 
ben .ftopf, mein f^reunb, ber bu bie» lieft ? — 
Salb barauf befomme id) eine 3‘’itung jur £>anb, 
bariit mar ju lefeu: „töaurath St. fonftatirte 
in ber Serfammlunfl bed Goinited, bie hhßiei» 
nifdjc ((^efuuöl)eit5= )')luc-|telliuig in Serlin merbe 
am lti. fUtai abfolut fertig feiii."^ $>ad 
mar alfo aud) ein fe^r jimerficbtliched „Selbft. 
Derftanblid)". Unb mie farn’S ? $hir$e 3eit nad)= 
ber mar bie Slndftellung aflerbingd fertig; aber 
m i e ? Sie mürbe 311111 großen ^ifteile ein Staub 
ber Slammen. So macht ber föicnfch feine 23e« 
rechnungen, unb fagt bann: „55a§ muß nun 
f e l b ft b e r ft rt n b l i ch fo toerben; ed fann nicht 
anberd fein." 2Bie aber gef)t’d in nieten, Dielen 
ftiiflen? Sehen mir mir jeber in feinen eigenen 
Keinen Grfafjrungdtreid hinein. 2öir fönnen’d, 
meine id), jeben $ag auf’d neue inerten, mie 
treffeitb mtfer Schiller — fo fd)icf auch fonft fein 
Urtheil in religiöfen fragen oft ift — gefugt: ’ 
,,U?as fint> tfoffnimcien, was fiiib (Entwürfe, 

Die ber ITIenfit, ber oeraäncilirbe fobu ber 5 tiiubc, 
n f ge baut auf bctriialicbem ©ruiibe?" 


3a, fo ift’d. „Unberhofft lommt oft.“ 
2Bir roiffeti boch tbatfäcblid) nicht, mad bie nächfte 
Stunbe bringt, Grfchütternb hat und bied bad 
6 i f e n b a h u u u g l ii cf bei fjreiburg, bie großen 
Srcinbe in leßter 3eit, ber Untergang ber ,,Gim. 
bria" u. f. m. gezeigt. $n haben geioiß auch bie 
meiften ganj jimerfichtlich gebacht, fie müßten 
f e l ß ft u e r ft ii n b l i d) mohlbeholten heim* 
fetjren. 

SIMr hnbeit abfolut nichts in unferer ^)anb. 
'Sied „SelbftDerftanblich", bei betn mir und ein. 
bilben, ed iniiffe fo tommen, mie mir gebacht, ge. 
mollt, gepinnt, ift alfo nichts weiter ald ein 
gruublofer 21 b e r g l a u b e. 2Bir föniteit immer 
nur fageu: „So ©ott mill unb mir 
leben," mie 3acobud und bad ifapitel 4, 35.15 
| ernftlicb an’d $erj legt. Gd fomint nicht barauf 
an, mie ro i r wollen, foitbern mie © o 11 will. 
®on feinem Spillen hängt alled ab, ift alles be= 
bingt. (&elbftoerftänblich gefchie^t alfo 
nur, mad ©ott mill, unb mie ©ott ed 
mill, (internal er alle ^inge wirft 
n a ch b e m 9 t a t h e feines 355 i 11 e n § (Gph. 
1,11). tiefer 9 lberglaube, in bem ber 
fötenfeh fi(h eiubilbet, afled iniiffe fich nach ihm 
richten unb nach feinen ©ebanfen gehen, ift uud 
aber — ,£>anb auf’d |>erj! — allen noch ge. 

1 f ä h r l i ch. Saßt und baruni alle fleißig lernen 


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(Sine gewiflTe jJuötrfidjt btß, bas man hoffet. 


305 


an biefem: „So ©ott will." @r ift’S, ber 
allein alle tihüren auffchließt ober öerriegelt, je 
na^bem eS uns gut ift. @S barf nun einmal 
oieles gor nicht fo flehen, roie mir gern wollten, 
weil nufere ©ebanten gar oft mit ©otteS ©e= 
bauten nicht ftintmen. Se 16 ft o e r ft ä n b I i dj 
läßt’S uns bann ber Bater im £imiuel n i cf) t 
gelingen. $aju bot er unS öiel ju lieb, als baß 
er uns in allem nacpgeben fönnte. 8s bleibt bei 
feinem üöorte: „OJieine ©ebanten fiub nicht 


eure ©ebanten, eure SBege nicht meine 2 Bege" «. 
(3efaiaS 55 , 8 , 9). SDa foU es nun für uns 
fötjrifteiileute immer felb ft Der ft an blichet 
werben, baß mir boit biefen ©ebanten allein uns 
binbett uitb bilbeu laffen, alsbiebn toiffeit: „ 6 s 
finb alles ©ebanten beS fJriebeuS, Biege beS 
,£>ei(S (herein. 29,11). 3a, Salomo hat Stecht: 
„■J)eS SJtenfchen $erj fcplägt feinen BJeg an, 
aber ber £>err allein flieht, baß er fortgebe." 
(Sprüche 16, 9). (Bachbär.) 




diitf gnoiflTr luocrfuijt bcfj, Doö mau Ijoflfrt, unb iiidjt fiel) ft. (Grlir. 11 .) 

^ ©ine Cfhrgefihiihte »an $r. Äidjarb gofter. 


„3a, hören Sie nur folflenbe mertmiirbifle 
Srgüblung," faflte ber BrntSratl), inbem er baS 
betannte Buch öon Splittgerber aufüblufl. Unb 
er begann ju lefen: 

„2Bir roanbten unS nun öon bem Ufer beS 
Sees ab unb näherten uns ber UJlitte beS Barts, 
wo jiott beS SaubfjoljeS buntle bid)t neben ein» 
anber ftehenbe Sbeltauneu ju beiben Seiten beS 
3?ußfteifleS ftanben. 3nbem mir ben leßtereit 
berfolgten, erreichten mir einen Bloß, bei beffeit 
betreten ich iiberrafcht flehen blieb unb im erften 
Biigeublicf fein 28ort ju fprechen wagte, Bor 
mir lag, öon bimtlen Sannen eingefaßt, bie nur 
ein gebainpfteS Sicht auf ihn fallen ließen, — 
ein ftiller fjriebhof mit fünf ©räbern, welche 
fämintlich eiuanbet gleich auf baS forgfältigfte 
gepflegt erfchienen, mit grünem Stufen bebecft 
unb mit hohen weißen Btarinorfreujen ge» 
fehmiicft, roährenb ber Bloß rings um biefelben 
her mit feinem weißen Sanb beftreut roar. 'Jtic 
hat mieber ein üfriebhof einen fo eigenthüntlid) 
feierlichen Sinbrncf auf mich gemacht als jener 
Blaß mit feiner inagifcheu Beleuchtung, feinen 
wohlgepflegten ©räbern uitb feinen hohen ©rab» 
treujen, bie eine fo ernfte Sprache gu bem £)er= 
gen rebeteu! ISIS ich enblid) bie Stille unter» 
bredjenb fragte, ment biefer Kirchhof gehöre, 
unb wer bie feien, bie unter jenen ©rabhi’tgeln 
fchliefen, — erzählte mir Baftor St., baß bieS 
baS gfamilienbegräbniß beS Barons öon B. fei, 
Welcher fümmtliche Ainber unb guleßt auch noch 
bie jugeublich bliiheube ©attiu an einer an» 
flecfenben Ainberfranfheif in wenigen Sagen 
öerloreu habe. ®a biefe Stelle im Bart nun 
nun ber SieblingSplaß ber Baronin gewefen fei, 
fo habe ber ©atte fie fammt ben Äinbern hier 
beifeßen laffen. 3®ir traten nun näher an bie 
©räber, unb ich las mit Bufmerffnmfeit bie 3»= 
fcpriften ber Areuge, bie außer ben Barnen unb 
ben gewöhnlichen Beigaben beS ©eburts» unb 
SobcStageS fehr fchöne tröftlidje Bibelfpriiche 


enthielten. Buffaflenb war es mir jeboch, baß 
auf bem Areuj ber fo früh hfimgegangenen 
Baronin nur bie beiben Blorte ftanben: „3dj 
lebe" mit ber BejeiChnung ber Bibelfteüe: 3oh. 
14, 19. 3cb fragte beShalb Baftor R., warum 
benn nidit ber gonge Spruch auf bem Senfmal 
flehe, baberfelbebod), wie mir feßien, hiergerabe 
gang befonberS pafjenb gewefen wäre: „3$ lebe 
unb ihr follt auch leben!" $a erzählte er mir 
bie mertwiirbifle Begebenheit, welche bie Ber. 
aulaffuug gn lener furjeit 3 nfchrift geworben 
war. BIS ber Baron öon B. bie fämmtlichen 
Riuber unb bann auch «och bie innig geliebte 
©attin fo fChnefl nach eiuanber öerloreu hatte, 
mar er natürlich im höchften Btaße niebergebeugt, 
ja, in ben erften Blochen ööllig troftloS. Bus 
bem fchönften fjamilienglücf plößlich heraus» 
geriffeu, irrte er ruhelos, öon fdpnerglicber Sehn* 
fucht nach ben Seiuigen oergehrt. Selbft beS 
BachtS faub er bie erwüufchte Buhe nidjt, ba öor 
Schmerj unb Bufregung faft fein Schlaf in 
feine Bugen tarn, unb höchfteuS nur ein furger 
unruhiger Schlummer ihn üoriibergehenb feinen 
©ram öergeffcit ließ. — 2 )a lag er nun auch 
eines Bacfjis unruhig auf feinem Bett, mährenb 
feine ©ebanten mieber ber heißgeliebten ©attin 
gugemenbet waren, unb mit bem Annulier über 
ihren Berluft gugleich ber 3weifel in ber Seele 
aufftieg, ob fie benn auch wirtlich noch lebe unb 
er fie in ber (Swigteit eiuft mieberfeheit werbe. 
SBährenb aber biefer finftere ©ebanfe ihm bnrdj 
bie Seele ging, fah er plößlich baS 3iwmer hell 
erleuchtet, unb öor ihm ftonb bie öerflärte ©e» 
ftalt ber ©attin im hellen weißen leibe. Sie 
fah ihn überaus freunblich au, ein feliger ffriebe 
leuchtete aus ihrem Bngeficht, aber fie fprach nur 
biefe beiben einzigen Blöde gu ihm: ,,3d) lebe!" 
unb war bann feinen Bugen eutfcbmunben." 

©ewiß waren in ber ©efellfchaft manche, bie 
biefer ©rgähluitg einen mehr fubjettiöen Bierth 
beiinaßen, allein fie mar boch fo ergreifenb, baß. 


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306 


(Sitte g muffe jluoerfid)t beff, bas man tjoffrt. 


al@ ber SSorlefcr baS Sud) gur ©eite legte, alle 
in ©dpeigeu Derbavrteu. Girier ber Slntoe* 
fenben naf)in baS Südjlein in bie £>anb unb 
blätterte barin. 

©d).. ber betannte SanbfchaftSrnaler, 

brach guerft bie ©title, inbent er bemertte: „0iefe 
SBorte finb einmal einem meiner jüngeren ©e* 
troffen lebt bebeutungSDotl geroorben." 

„2Beld)e 28orte?" 

„ 0 er Spruch: lebe unb ibt foflt auch 

leben," fagte er mit ernfter ©timme. 

„SBoüen ©ie unsba§ nid^t ergäblen?" bat man. 

„0, roenn Sie eS roünfchen. 3<h mnfe in* 
beffen babingefteHt fein laffen, ob eS ©ie bin* 
reicpenb intereffiren wirb. 0eitn eS ift eine 
ßünftlergefchichte mit aller baju gehörigen Öto* 
ntantif. 0er eirtgige Sorgng, ben fie Dor ihres* 
gleichen bat, ift ihre Wahrheit." 

„Sie roirb rtn§ (ebenfalls intereffiren," börte 
man Dort allen ©eiten. 

„&aben ©ie nicht einmal ben Silbbauerita* 
men öan 0 eefen trennen hören? 0 er ihn trug, 
ift freilich jefft nicht mehr am Sehen, unb feine 
Werfe mürben faft alle nach Gnglanb oerfauft. 
3 ttbeffen, man bat bodj feinergeit Don ihm gere« 
bet. 3 ch lernte ibn, ben ülieberlänber, in jenem 
merlmürbigen SerfammlungSort fo Dieler 91a* 
tioireu, in 9tom, tertuen. (Sine jugenbliche 
Grfcbeiitung, Doll frifchen SebeuS unb Doü 93c= 
geifterung für feine ffrinjt. Gr leiftete auch 
etwas, unb jebermann fang fein Sob. Gine 
befonbere ffrertigfeit befaß er im .frerftetlen büb* 
fcher, finitreicher Steliefs, bie giguren etma in 
halber SebenSgröffe gehalten, gart unb anrnir* 
tbig beroegt, — nnb mnnberbar, er geigte eine 
au Sgefprocpcne Steigung für religiöfe ©toffe. 
3d) fage mrinberbtir, benn roenn einmal baS 
©efpräd) auf ©egertftänbe biefer 9lrt tarn, (ehrte 
er ben auSgefprochenen ©feptifer berDor. Wir 
haben utt§ manches Wal gerounbert, roenn er 
int 0one falten 3'DeifelS, bölligen Unglaubens 
über bie 3bee eines göttlichen GrlöferS, eines 
fJortlebenS nach bein 0obe ein Wort binroarf. 
0 iefe 9lrt, oon djriftlid)en ©lanbensroabrbeiten 
git reben, bie beute fo Dielen rühmlich unb fdjitf* 
lieh erfcheiitt, roar bamals, roenigftens in un* 
ferem .Vireife, noch recht feiten. Unb babei mei* 
ffelte Dart 0eefen religiöfe ©toffe! Wir haben 
ihn fo manches Wal genedt unb gefagt: 0u 
bift gar nicht fo ungläubig, wie btt ütiS glauben 
machen roillft. Allein bös roieS er bann gienr* 
lieb beftimmt guriid. 

„3ch glaube an baS 0ieSfeitS unb an ben 
Job alles Sebcnbigen," fagte er einmal, „aber 
nicht an 0 ingc. Don benen roir nichts roiffen 
föniren. £>abt 3 br mid) jemals etwas 3 enfei* 
tigcS barftelleu febert?" 

9täber gugefeben, gingen feine 0 arfte(lungen 
Wirtlich nicht über biefen „©lauben an baS 0ieS. 


feitS unb feine Sergänglichteit" hinaus. SEroff 
aller Slnmutb waren fte faft auSfchliefflid) öon 
einer trüben melandjolifchen ©timmung be* 
berrfdjt.' fftirgenbS eine tröftlidje Wibeutung 
ober £)inroeifung auf ein beffereS Sebett! Was 
fie roirften, roirften fie burch bie Wacht beS 
©d)inergeS, ben fie unbergleichlich lebenbig gur 
Wifcbauuug brachten. GS batte etroaS Grgrei» 
fenbeS, beti ßopf beS fterbenben GtlöferS, eine 
trauernbe Watia, ben erfdjlagenen 3lbel neben 
feinem 9lltar, £>agar in ber Wüfte, ben 9lbfd)ieb 
eines ftinbeS Don feinen Glterit, eines SaterS, 
einer Wutter aus bem greife ber ihrigen Don 
feiner fjattb in ©tein gemeißelt git feffen; bie 
©eftalten fo fpredjenb, fo übergeugenb, halb bie 
SRube ber Gntfagung auf bem füllen 9lntliff, 
halb in leibenfdjaftlicher Seroegung; bereits* 
brud ftetS Don erfeffütternber Wahrheit. 0iefe 
0arfteüungen trugen ben Stempel beS ©elbft= 
erlebten, mit fo überroältigenber Wahrheit fd)il* 
berten fie baS Web ber Trennung, baS leßte 
matte Säbeln eines ©terbenben, bie ©ebtoere 
eines barten ©efchideS. Gr hat mehrere ©rab* 
bentmäler biefer ?lrt bergeftellt, beren eines ich 
noch bor furgem einmal roieberfab in einer (lei* 
nen ©rabfapelle gu ffloreng, unb eS ergriff mich 
Don neuem in ber SEiefe meiner Seele. Wan 
fiebt bort 0auib unb Jonathan Don einanber 
Wbfcbieb nehmen, Jonathan ift roebmütbig, 
ftill unb in fiep gelehrt, in ben Don plöfflichem 
©cpmerg gerriffenen 3ügeit 0aDibS, in ber baftü 
gen ©eberbe beS ficb 91broenbertben fpricht fich 
beutlich bie 3lbnurtg' aus, baß er ben ffreunb 
nicht roieberfeben roirb. Won foHte eS nicht für 
möglich halten, baff ber (alte, harte ©tein eine 
fo gu bergen gebenbe Sprache reben tann, aber 
es ift einem, roenn man bieS ©rabmal fiept, gu 
Wntbe, als hätte man baS 0argeftellte felbff 
erlebt. 911S Dan 0cefeitS Weifterfchaft auf 
biefem ©ebiete anfing belanuter gu roerbeit, 
floffen ipm eittfchlägige Aufträge, Söeftellnngen 
Don ©rabbenlmälern unb ähnlichen 0ingert in 
großer Wenge gu. 

0ocb ich muff fepen, baff ich J» meiner Grgäb* 
lung toinme. GineS SEageS, in ber 3fU beS 
ebeii erroadjenben frühlings, ging ich mit oan 
0 eefen über bie '-fßiagga bei ijßopolo, unb eben 
als roir uns bem nahen Share guroanbten, rollte 
ein offener SBagen an uns Doriiber, in welchem 
eine bloube 0ame, bie Soöbter unfereS englifchen 
ffiefanbten, faff. 3 <h tannte ffe febr wohl unb 
griiffte. 5?eu roar mir nur, baff audj ber f^reunb 
fie tannte, ich batte ipn nie int $)otel beS ©e* 
fanbten getroffen. Gr griiffte inbefferr bie 0ame 
mit einem 91uSbrtid lebijaftefter Gegebenheit unb 
tmirbe Don ihr in ber bulbreidjften SBeife roieber 
gegrüfft. GS entging mir burehauS nicht, baff 
neben bem feinen mein ©ruff beinahe überfeffen 
würbe. 


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(Sine geroiffe JJuoprftdjt ließ, bas man hoffet. 


307 


„Sinbeft bu nirf)t and)," fagte i 4 im ©eiter»! 
geben, oorfi 4 tig ootfühlenb ju bem greunbe, i 
„baft Wift fielen ©ranforb bie liebenSmürbigfte 
Same ber hiffigtn ©efetlf4aft ift ?" 

„©emift." 

„91uu benn," unb ich fonnte einen ® 4 erj nicht 
länger unterbrürfen, „ich beneibe bi<b!" 

6 r bücfte mich an, unb anftatt ju lächeln, wie 
ich erwartet, fab ich feine klugen in bunflem 
©ifer brennen. „Wein ft bu, baß eS ein be» 
neibenSmertfteS 2oo3 ift für uns beibe, bur<b 
ganj unüberfteiglicbe © 4 ranfen, burcb 9Sor» 
urteile gefchieben ju fein?" 

34 erfchraf. 3in erften 91ugenblirf berftanb 
ich ihn nicht böüig, ich meinte, er rebe üon uns 
beibeu, oon mir unb ihm. 5113 ich bann begriffen 
batte, roa3 er meinte, unb eine weitere fjrage 
tbat, fchiittelte et traurig feinen feinen ffopf unb 
fagte: „@3 läßt fich nicht Diel barüber fagen, e§ 
ift einmal - fo." 

„9tber," bub ich mieber an, „ber ©tanbeS» 
unterftbieb ift in biefem gafle bocf) nicht fo un» 
au3füllbar." 

„m ©tanbeSunterfchieb. ©tmaS ganj anbereS 
fteijt hier binbernb, trennenb im ©ege: meine 
religiöfe Stellung. 55er- ©arl of ©ranforb fagt, 
ich fei ein 91theift." 

„Unb bu bift e§ nicht ?" 

„34 roeijj nicht, wa3 ich bin. SBiefleicht bin 
ich & *4 bin in jenen 9lnf4auungen groß ge» 
worben." 

„5lber glaube mir, mein fjreunb, man änbert 
im fieben auf ©runb eigener ©rfafjrungen in 
taufenb 3?äüen bie überfomntenen 9lnfi4ten." 

„3amof)l. 9lber ich bin au4 ni4t ganj ohne 
©rfabrung. Sit weißt, wie arm unb allein i4 
mein ganjeS Seben bageftauben habe. 34 habe 
bie 5ßergängli4feit aller Singe erfahren. 34 
glaube an ben lob unb feine unerbittliche ©aftr» 
beit. 34 weift ni 4 t, wie man bomit ben ©lau» 
ben an aitbere Singe oereinigen lamt." 

„9lber baft bu nicht gerabe in beiner Skrlaffen» 
beit oft ©otteS £>ülfe erfahren ? ©ie bieleS hat 
er bir gegeben .. ." 

„3“» aber ni4t3 ©eibenbeS." — ©r fpra4 
fi 4 bieSmal nicht weiter aus. 

34 «ahm in biefer Sa4e für beibe ©eiten 
^Partei. Sa i4 ben Sari of ©ranforb fannte, 
unb wußte, wie heilig ihm fein ©laube, ein wie 
hohes, unf4äßbareS @ut in feinen 9lugen ein 
fefteS, tlareS, entf 4 ieben gläubiges unb thätigeS 
©briftenthuni war, begriff i4, baft er eine 33er» 
binbung feiner So4ter mit einem jungen Wanne, 
ber über biefe Singe fo ganj anberS ba4te, ni4t 
Wünf4eu fonute, ja, für unmögli4 halten muftte. 
©S mar bieS bo<h nicht fo ganj SSorurtheil. $u 
bem weiß man, mit me( 4 em Wift trauen bie ©e» 
fellf 4 aft im allgemeinen ben oon ffünftlern oor» 
nehmen jungen Samen gejoflteit Tribut ber 


Verehrung entgegennimmt, ob mit 9te4t ober 
Unrecht, brauche ich ja jefct ntd)t ju entfcheiben. 
9luf ber anbern ©eite aber waren meine ©hm» 
patljien mit meinem greunbe. ©S mar meine 
innigfte Ueberjeugung, baft man ihn ni4t fo 
ohne weiteres unter bie ganj irrelftjiöfen Wen» 
f 4 en werfen bürfe. — 5tie hatte i 4 ihn mit 
Abneigung, nie mit gebaffiger 33era<htung oon 
religiöfen Gingen fpre 4 en hören. 3 m ©egen» 
tfjeil, er hatte eine entf 4 iebene Üteigung bafiir, 
er bef4äftigte fi4 oft mit ber 33ibel, er hatte 
feine 9ln(age jum 2ei4tfinit, biefem gröftten 
tfleinbe e4ten ©laubenS, er mar aufrichtig unb 
wahr. 34 hatte immer ein ©efiihl, als fei in 
ihm glei 4 fam üerborgen ber ©laube an bie un« 
fi4tbaren Singe borhonben, es gelte nur, ihn ju 
werfen, unb i 4 gab mi 4 ber Hoffnung hin, ©ott 
werbe jur re 4 ten ©tunbe fein |ierj ju bewegen 
roiffen. SSorurtheile halten ihn, ben fjreunb, 
juriirf, oor allem baS eine Sßorurtheil, man 
fönne fi 4 ohne ben ©laubeit an einen ©rlöfer 
bur4 bie ©ngen unb liefen beS menf4li4en 
SafeinS ftinbur 4 finbcn, ber ©laube fei ent» 
behrlkb- 

Siefe meine 9lnfi<ht foUte no4 futjer 3«it eine 
merfwürbige SBeftätigung erhalten. 

Srei, oier Sage nämlich na4 jener SBegegnung 
bur4lief unfere Greife baS ©erii4t, bie Socbter 
beS ©arl of ©ranforb fei oon einem plößlid)en 
Unfall betroffen worben. Sie ©erbe waren 
bur 4 gegangen, fie hatte ben ©agen berlaffen 
Wollen, mar gefiiirjt — unb liegt nun infolge» 
beffen f 4 toer barnieber. 34 ging foglei 4 in bie 
5M)nimg beS ©efanbten, um genauere ©vfun». 
bigungen einjujiefjeit unb meine Sheilnahme ju 
bezeugen. Sort empfing mi4 bie betrübenbfte 
5ta4vi4t, bie eS geben fonnte. Sie junge Same 
war im Saufe beS 9lbenb$ an einer inneren 3.1er» 
leßung geftorben. 

Wein erftcr ©ebanfe mar an meinen greunb. 
34 eilte ju ihm unb fanb ihn in ber gröftten 
Unruhe. 6 r rebete mi4 felbft auf baS 33or» 
gefallene an, i 4 fah ans feinen ©orten, baft er 
ben leßtcn 9Iu3gang beS ©veiguiffeS noch »14t 
fannte. 34 erwähnte, baft i 4 mich im ©efanbt» 
f 4 aft«hoteI erfunbigt habe. 

„ 2 öarft bu foeben ba?" fragte er. 

@o war eS benn an mir, ihm baS ©rgebnift 
meiner ©rfunbigungen, baS 9lllerf4merjli4fte 
mitjutheilen. 6 r mar auf baS tieffte betroffen, 
©ine 9lrt ftarren Staunens f4ien fi4 feiner ju 
bemä 4 tigen, als wenn er nid)t re 4 t gehört hotte, 
unb ihn ganj ju überwältigen. „ 3 ft es wahr ?" 
ftammelte er, unb als er meine ©orte enbli 4 
faßte, mit einer füllen fttaferei beS ©4merje3: 
„©6 fann ni 4 t fein." 

„Wein lieber ffreunb," antwortete i4, „i4 
begreife beinen © 4 merj. 9 ll!ein in biefer ©eit 
giebt es uiele ©nttäuf 4 ungen biefer 91rt." 


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(Sine geroiffe JJuoerfttl)t beß, bas man hoffet. 


308 


„Giittänf4iingen" — faßte er. „3(4 meinff 
bu, baß i4 an mi4 beute ? 3(ber wie ift eS bo4 
nur möglich, bies halbe trifte Gelten, in ein 
paar ©tuiiben! Sobt? 3lein, i4 glaube eSnicht, 
fie erwacht mieber, fie fanit nicht tobt fein." 

„ 0 , mein greuitb," rief ich aus, „bu rebeft 
uubemußtermeife bie Wahrheit. ©emiß, fie wirb 
erwachen ju einem belferen Seben. Was mir 
Sob nennen, ift fein Sob. Unfer #err uhd f?ei= 
taub fpricht: 34 lebe unb ihr follt au 4 leben! 
nub fein 3lpoftel filßt hiuju, baft, wer an feinen 
hiameit fllaube, bas ewige Seben habe." llnb i4 
f4itifl haS 'Wort bes Grlöfers auf in bem Plenen 
Seftamcnte, baS auf bem Sif4e lag. 34wüitf4te 
überhaupt feine 3lufinertfamfeit auf biefen Sheil 
ber ^eiligen ©4rift ju (eilten. Die lejjtcn 
(Reben 3*f«» wie 3ohonneS fie beri4tet, fiub 
unter allem, was bie ©4rift enthält, baS 3l(ler* 
oertlärteftc. 

Sein oerftörteS, fumtnerbofleS 3luge (endjtete. 
„SBunberbar," fagte er erf 4 üttert, „faft über* 
rebeft bu mich, biefe Dinge ju glauben." 

„ 0 ," fagte ich, „bafs i 4 bi<h überrebeu tonnte!" 
GS war ihm in ber Sljat unfaßbar, was ge* 
f4eheu war. 3 lim erfteumal mag ihm baS Un* 
natürliche beS SobeS, ober, wenn man lieber 
will, bie 3taturmibrigfeit beffelben entgegen* 
getreten fein. Um mich feiner eigenen Söeife ju 
reben ju bebienen: fein „©taube an ben Sob" 
mar gebrochen; ob er lernen würbe, an baS Seben 
ju glauben? 3lur jene gemiffe 3»öerfi4t, bieba 
hoffet unb glaubet, was fie nicht fiehet, tarnt und 
tröften. 

3tuf meinem Heimwege rief i4 mir jene 
ftiinmung§rei 4 en iterfe ins ©ebä 4 tniß jurücf, 
bon beiten im £>aufe ber Gntf4lofenen einmal 
bie (Rebe gemefen war, unb bie ich baroufhin mir 
oerf4afft hotte, jene S$erfe (Bianca 3öhiteä, in 
beiten er ber Uufterbli4teitShoffnung eineitjb 
fctjöneit, jiU)erfid)tli4cn 3luSbrtuf giebt. Sie 
fu4en in ber englischen Spra4e ihveS ©lei4en. 
..«Seheitnnijjpollc ZZactjt! Wie fctjlug bas ff er J 
Dem erfteit lITcufcbcu, aljiiungspoll, poit Sdimcrj, 
Don uubeftimmter ^urdjt, pon banger ßjual 
«Ergriffen, als jncrft non «Sott er nennen hörte 
Did; nnb in trübes Dämmern (ich perfeßrte 
Des CEages (Slanj, bas lidjte Blau in jalff- 

Doch als oollcnbet war ber Sonne tauf, 

Sah er, pon rötblidjcm «Sewölf umgeben, 

Den Jlbenbfteru im Duft bes 3lethers fchweben 
Unb taiifcnb Sterne jogen mit herauf — 

«Er ftannt fie an mit fcligcin €ntjücfen, 

Denn eine neue Welt enthüllt ficb feinen Blicfen. 

(D fprcdjt, wer hätte bas oom Sonnenlicht gebacht, 
Daff feine Strahlen fcbleiergleid; bebeefen 
So oiel bes Schönen, Rcrrlicben, bas erft erwacht 
Unb unfern Uugcit fichtbar wirb im «Stau ber Hacfatl 


Unb wie ? wir fürchten noch ben (Eob iinb beben 
Dor ihm ? — Da Sicht fo oiel perhüllt... «Es ift bas 
Sebeu N/ 

Uuch nur ein Schleier. Ja, im (Eobesgrauen ^ 
Werb’ ich aufftrahlenb neue Welten fdjauen." 


311S i4 am folgenbeit Sage nach bem ffreuttbe 
feheit wollte, fetub i4 ihn nicht ju £>aufe. 3luf 
bem Sif4e lag bie Starte beS etiglif4ett ©e« 
fanbteit, eilt geöffnetes (Billet banebett. 34 
burftc es wohl lefen. Der Gnrl erfu4te barin 
in ieinem unb feiner ©attin (Reimen ben jungen 
Äiinftler, ihm bie große Siebe ju erweifen unb 
mit beit Öabeit, wel4e ihm berliehnt, ein 3lb* 
bilb ber Gntf4lafenen anjufertigeu. Sie ntö4* 
ten biefe 3lrbeit itt feine auberen fianbe legen, 
als in bie feinen, ©ie mürben für ihn ju jeber 
3 eit ju fpre 4 ?n fein. 

Welch munberbare gügung! ba4te i4, unb 
wel 4 eine ©tunbe für meinen armen greuitb! 
wie wirb er eS ertragen, fie jefct ju fehen; mit 
welchen ©ebaitfeit wirb er bie ihm aufgetragctie 
3lrbeit oollbringeit. Gr hotte Stecht mit feiner 
Älage, baß tti4tS SöleibenbeS ihm gegeben fei. 

Slber no 4 ein anberer ©egenftaitb feffelte 
meine 3(ufmertfamteit, 3luf bettt (leinen Sif4e 
neben feinem (Bette ftitnb eilte gänzlich oerjehrte 
Slerje, unb lag eine aitfgef4l«gene (Bibel. 3to4 
immer 3oh- 14, aber au<h bie (Blätter furj t»or= 
her unb na 4 her f 4 ietten oor nicht langer 3 fit 
hin unb her gewenbet worben ju fein. £)atte 
er ben Sroft beS ©laubenS gefunben ? ober 
nicht ? — 

34 wollte ihn bo4 fletne fpre4ett, menigftenS 
fehen, wie es ihm ginge, unb wartete boher auf 
feine (Riicftehr. 

31a4 einer holben ©timbe hörte i4 feinen 
©4ritt auf ber Sreppe. Gr trat ein. Gr gab 
mir ftill bie £>anb. ©ein 3lnge mar feu4t. eS 
lag ein iingewohuter ©lanj barin. 

„3Reiit Sieber," fagte i«h, „wie hnft bu biefe 
(Prüfung überftanbeu?" 

„0," fpra4 er, „eS War Wohl eine f4were 
©tunbe eben. 314, mein fjreunb! — 3lber i4 
toeifj ni4t, was mir ift, i4 tonn ni4t bon £>a* 
jeu traurig fein. 34 bin in ber ©enefung, — 
unb fie lebt!" 3lit bem 3lnSbrutle, mit bem er 
biefe döorte fagte, oerftanb i4 lei4t, wie et fie 
meinte. 

3lu4 mein £)erj Wallte über. „Wein greunb, 
mein (Bruber!" rief i 4 - unb f 4 lof> ihn in meine 
3 lnne. 3öir waren uns in biefen Sagen wir!» 
lieh fo rc 4 t innig nahe getommen unb bertraut 
geworben. 

Unb nun begann er feine 3lrbeit. Wan4et 
bon uns Williberte fi4, baß er in jenen Sagen 
arbeiten tonnte. Das ©crü4t, baS fo lange 
gef 4 wiegcit, hotte fi4 nun fchließli4 bo4 ber 
©actie bewältigt, unb man wußte alfo bon ber 
Steigung, bie ben greunb an bie Gnt(4tafene 


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Ufas uns bas Pihrofhop erfühlt. 


309 


gefeffelt hatte. Stan mar in nuferem Greife 
fehl' gefpaiint auf biefeS 33?erf, um beffett milleit 
er nun alle anberen begonnenen Arbeiten »öllig 
ruben liefe. Sber »an $>eefen mar barin eigen: 
er liefe nid)t gent^ feine Sachen febett, ehe fie 
beenbet roaren. eie miffeit, manche Zünftler, 
unb uidbt bie fcbledjteften, haben biefe SBeiie. 
3Sit mufeteit alfo nicht einmal, in melier Srt 
etmaS geplant mar, eine Säfte, ober maS benn 
eigentlich. Sun, eS mar frbliefelicfe boep ein 
Selief in fefetteemeifeem Starmor, bie Figuren 
faft in SebettSgröfee. 

Sie aber mevbe ich ben (Sittbrud bergejfen, 
roelchen biefe t J5arftellung auf mich machte, als 
ich fee enblid) ju febat betaut. (SitteS SbettbS 
fagte er jn mir: „SöiUft $u Stife ^>elen§ ©rab« 
mal fefeeit?" unb ging mit mir hinüber in baS 
Sltelier. (SS mar nunmehr bis auf ein Stüd 
im Staube, bem Stabmen fojtifngen beS ©etnäl* 
beS, »olleubet. Sud) biefe utttbfelige Sahnten* 
arbeit führte er felbft aus. @r roollte teilte 
fvembe Jjjanb an biefetn Süerte hoben. $)ie 
bargeftellte Situation mar böcbft einfach unb in 
feefe felbft nerftänblid). Statt fah einen hohen, 
fd)ön gemölbten Sogen: ein offenes Sortal, unb 
unter feiner SBölbuttg, bie £>äube in ber SBeife 
etroa, roie ber befaitiite Sbormalbfenidje Kpri* 
ftus, auSbreitenb, bie ©eftalt beS Suferftan* 
beiten. 3)eS Slnferftanbenen, benn auf ben 
erfeett Slicf mufete er als folcher erfanitt mer* 
beit. 'Die Roheit feiner Haltung unb ©eberbe, 
feiner gangen ©rfd&einmtg, bie leife ©pur ber 
SBintben in ben Hänben unb ftüfeen, unb, beut* 
lieber rebettb als alles attbere, ber mttnberbar 
»erhärte SitSbrud feines SngefedjteS fagten eS, 
uitmillfitrlidj marb ber Sefchaner intte: @S ift 
ber -ftevr! ber Sluferfeanbette in ber Pforte beS 
SarabiefeS. Unb mit meldjer Siebe, melcper 
5 remtblid)feit, melchem himmlifeben ©rbnrmen 
ruhte fein Singe, tarn feine £nnb ber oor ihm 
auf ber Sdjmelle tnieeitbeit ©eftolt entgegen! 
@S ift eigentlich nidjt gattj jutreffenb, roenn ich 
fage, biefe ©eftalt fiiicte öor ihm. Ss mar eine 
jener momentanen ®arfteflungen, melche bie 
nettere jhinft fo beborjugt, unb bie unter Um* 
ftänben fo mächtig ergreifen. Seibe Hättbe 
Hülfe fuchenb bem Heilattb entgegengeftredt, 
mit roeit ausgebreiteten, aber fchon ermnttenben 
Schmittgen, mit ber lefeteit Snftrengung fcbmiit* 
benber Kräfte bie »erheifeuttgsoolle Schmede 
erreichenb, fiifeefte Sehnfucht, felige Hoffnung 
atbmenb in jeber Stiene, in jeber Semegting, 
unb nun eben bie rettenbe H«»b beS entgegen* 
fommeiibcit (SrlöfcrS berübrettb, fittft bür bie 
ber 6rbe entflohene Seele an ber Schmefle beS 
Himmelreiches nieber, unt »ott bem Mererbnr* 
ttter an* unb aufgenommen ju rnerben. ttn* 
mnhahmlicher SBeife mar eben biefer Stoment, 
mo bie eigene ffraft nicht mehr auSreicht, unb 


! beS Herrn £>attb hiffieich eittgreifen mttfe, er* 
fafet unb »oll jiim SuSbrud gcfoiitmen. 3Die 
3 üge ober jener hiufenfenbcn ©eftalt marett bie ’ 
ber Heimgegangenen, darunter ftauben in y 
mächtigen, gvofeett 3üflfi bie SBorte: „3ch lebe \ 

unb ihr follt auch leben." -_ J> 

Sie »orper hot »an 2>eefen etmaS Sehnliches 
gefdjaffftt. Sie toieber nach biefent (Sreignife ift 
er ju ber troftlofen Schmeviuuth früherer (Sr* 
jeugttiffe jnriidgetebrt. $ie mttnberbar fchönett 
Arbeiten, bie noch ans feiner £mnb heroorgingen, 
tragen einen Hauch beS Ueberirbifchen an fiep, 
fprechett eine geroifie 3»bcrfecht aus beS, baS 
man hoffet unb nicht feehet." 

(Quellmaffer fürs beutfehe HauS.) 


JUn0 iitt0 brt0 ißikrofkop eijnljlt. 

pr Hans nttb Herb »ott Gpm. «Bert. 


J cp üerfpred)e mir baS SL'ohlgefallen beS 2e* 
fers, mcitit ich ihn auf ein gonj anbereS 
©ebiet führe. SidjtS Schönes noch Sit« 
genehmes ift’S, maS er burCp meine Siiifcugläfer 
i'ehett mirb, unb hoch (StmaS, maS ihm »ielleicpt 
fchon lange ein gragejeiepen im Such ber Statur 



geroefen ift. $cp meine bie gefürchteten Sri» 
epinen. Sollte id) bem Siebhaber rohen ©chin* 
fenSben Slppetit »erberben, fo bitte ich fldjjtitngs* 
»oll um Sntfchulbigung! 3Me iBaprpeit ttittfe 
jn hoch gefagt merbett. Selber fontni unb be* 
obnehte für bich felbft, fo roirft btt mit jenem 
grofeen röntifchett fffclbberrn attSrufejt: „3dl 
tarn, ich fah, ich" — afe teilten rohen Schütten 
mehr. 

Siele Stenfchen finb biefett miujigeit 9®iir* 
mern erlegen, ehe man fee fanute. 3it 1832 


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310 


jSfdjt muß ftedft bleibtn. 



Fi j* 

SWuSfelfafern mit ^rric^inen unb tueiMic^e Jvicbtne. 


fap fie ^rof. £>iltoit in Sonbon in ben 9)tuSfel= 
fafern ber Öruft eines am SJruftfrebS t>erftorbe« 
neu allen SJtauueS. Orei 3a(jre fpäter befd)rieb 
^rof. Omen ben ffiurrn oollftäubig unb gab 
ibm ben bis jept beibebalteiten Hainen Trichina 
spimlis. Seit jener 3dt bat man bem ®aft 
Diel s 2tufmerffamteit gefdjenft. 

©elaugt eine and) nur geringe Quantität 
tricbiuenbaltigeS ftleifd) in ben Wagen, fage beS 
Weufcbeit, fo merben bie Jfapfeln, in beneu fid) 
ber SBurm hefinbet, im Wagenfaft anfgelöft 
unb ber 23itrnt in fjreipeit gefept. 

ftigitr I. neigt baS Wännchen in biefem Sta* 
bium ber ffutmidelung; baffclbe ftirbt halb bar* 
nad). Schon am 5. bis 7. Jage fängt baS 
SÖeibdjeu an lebenbige fünften auSnufepen, mel« 
d)e* 5 bis 8 iBodjeu fortbauert. Oeit Wettfd)ett 
überfallt in biefer 3eit Wagen befcpmerben, Auf« 
ftopeu, Uebelfeit, Wattigteit, Erbrechen u. f. ra. 
Oie jungen Jrid)iueit madjfen mie baS Untraut 
unb falteten halb au, fid) bitrdj bie Oarmmanb, 
Saudjmanb unb baS SMnbegemebe ju bohren 
unb in bie Würfeln eiitjübriugen. Oaper {lagt 
ber Patient über rfjeumatifdje Schmerlen in ben 
oerfdjiebenen Slörpertfjeileu. OaS ©efidjt fcbmillt 
an, fomie bie Augeuliber. Oie Semegungen 
merben erfdjmert, bie Würfeln ftarr. Oagu ge= 
feilen fid) uod) in ber 3. bis 5. 2Bod)e flatiglofe 
Stimme, Sdjinern bei Semegung ber Augen, 
ff rfdpoeruitg beS ftaucuS unb SdjludenS, häufig 
Atbemuotf) u.f. m. ^o fageit Sacbberftänbige; 
unb baS alles ift mehr, als bu burdnumacben 
münfd)eft. 9tid)t einmal bie Augenmusfein blei* 
ben uerfebont! 3n ben Pusteln legen fie fid) 


jur 9tube, baber berfpürt ber Patient ©e« 
ru^igung ber WuSfelreinung. Sie minben 
ficb fptralförmig auf unb umgeben ficb mit 
einer £üüe. fialfablagerung finbet ftatt, fo 
bap ber 2ßurm in einem feften ©eljäufe 
ftedt, mie Sigur II. Deranfdjaulicpt. Sine 
V biefer ftapfeln enthält brei Örid)itten — bie 
\ meiften aber nur eine. Alfo feben mir ben 
fi reislauf ihrer Gntroicfelung. «f)aben fie fidh 
fo in ben WuSteln eines ScbmeineS eilige* 
bürgert, fo tonnen fie Sahrjehute liegen 
unb bann mieber biefelbe SHunbe machen mie 

/ oben. 

gigurll. neigt oben eine meiblicbe Oridjine 
250 Wal bergröpert unb aus ber Sapfel ge¬ 
nommen. ffrftauitlid) ift bie 3 a hl ber neuen 
©eueration. Äad) fieudart, einem ber beften 
tjorfdjer auf biefem ©ebiet, füllen nicht me* 
niger als 10,000—15,000 3unge oon einer 
2rid)ine auSgefept merben! 3a, nad) anberen 
Autoritäten fogar bis 20,000! Allen Ülefpeft 
Dor ber Jricb’tnofe ober Jrid)inenfranfbeitl 
Äontmt auch ein Wenfd) mit bem Sebeit ba« 
t)on, fo ift es feineSmegS ein erfreulid)er ©e« 
banfe, bap man Wiliiotten Don Stürmern 
im Sörper herumträgt. 

ffs föunteu hiev biele gälle angeführt merben 
— ja ffpibemien, bie gemifjenorts aufgetreten 
finb unb hunberte Don Weitfdjen ins ©rab ge« 
rafft hüben. 9tur ein Scbupntittel ift bagegen, 
baS guoerläffig ift: £aS ft lei f d) ge bö r ig 
f och eit, bap ein jeber Speil einer £>ipe ooii 
212 ©rab ftaprenheit auSgefept mirb. Cyu ben 
Abbilbungeit ift baS fpipige ffnbe ber ftopf beS 
äöurmes.) 


Jtedjt mulj bod) bleiben. 


III Pas wifbetflffunliene geflammt. 

(5in < 5 cfd)id)l 0 bilb äu 6 brr brr brutto» 
unb (frlirbnug. 

gnr $au$ nnb -j>erb oou $au( ffugru. 


(ecbiup.) 

SecpfteS Kapitel. 

Jeutfdjlanb fdflagt b'rrin. 

iefe 9?acbt bedte bie ffrbe, ber Stegen gop in 
Jfo Strömen unb in fein plätfcbernbeS Oie* 
~ räufcb mifebte fid) ein milbeS Traufen, 
ffs rührte oon ben boebgebenben Stellen ber Äap« 
bad) her, bereu 23ett burdb bie ffiemitterregen ber 
lepten Jage mächtig angefdjmollen mar. ffs mar 
ber Abeitb beS benfmiirbigeit OageS, an meld)em 
ber ^elbeitgreiS Slüiper bort mit feiner Armee 


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JUdjt muß Hedjt bleiben. 


311 


einen fo qeroaltiqen Sieq über bie ^rangofen er« 
focf)ten butte. SohonneS ftanb gmar beute nicht 
ginn erfteu SJtal bem geinb Gegenüber; troßbem 
bermocßte er noch nicht jene Stuße über fieß gu 
qeioinnen, melcße ben ^freunben, üor Men ober 
bem Söacßtmeifter 9 B o (f eichen mar. 

„Stur nicht 311 ßißiq," mahnte berfelbe, „man 
qiebt [ich fonft qar 311 leirf)t*eine 931 öfee." Mein 
Soßaiined hörte faunt auf ihn; mit Siiefenfräften 
bränqte er immer meiter oor, rechte unb linte 
qeroaltiqe $)iebe aitetßeilenb, bte er fiiß fcßließ« 
iicb einem fraugöfifcßen Offizier qeqeniiber faß, 
ber feiner ©emanbtßeit im Rechten qemacßfen 
Wien. Welche Ueberrafcßunq malte fich ieboch 
in ben 3üqeit non Johanne», ate er bei bem 
ßerrfcßentieu 3onelußte feinen erbitterten geinb 
Staoul b’Haunaique erfannte, beffen fjalfen« 
blict ihn and ber SReuqe ßerau 3 qefunbeu 311 hoben 
fehlen, beim er fpreuqte qerobe auf Soßonned 311 
unb mußte e» burch ein qefcßidteS SJtaitöoer ein« 
Juristen, baß er mit ihm abfeite 311 fämpfeit 
tarn, ©leid) Süßen freisten fich bie -ßiebe, bie 
fie mit äußerfter Söucßt c^et^eu einanber führten, 
ohne baß jebod) feiner beni Mbern etmad 011311« 
haben üennoeßte. 2öer meiß, roie lanqe biefer 
Stampf qebauert haben mürbe, hätte Staoul b’Hom 
naique nicht einige preußifeße ©ufaren nahen 
fehen. fer qab baßer feinem Sterbe bic Sporen, 
rief aber beim ©Jeqfprenqen bem ßeißerqlüßen« 
ben Soßonne* noch broßeub 311: „2Bir treffen 
uite mieber, Herr Statbob!" 

Seßt fanien eben mehrere Steifer, bereu Uni« 
formen fchon non fern hohe Offiziere oerfünbe« 
ten, ßerauqefpreußt, unb faum hotte bie Scßroa* 
broit in bem oorberften ben ©eneral ©lücßer er« 
fanut, ate fie auch in lauten Subei aitebrach. 

©lücßer oerleqte nun bete Hauptquartier nach 
©außen, maßrenb oie Gruppen in ber nächften 
Umqebunq ein £aqer begoqen unb fieß bafelbft 
möqlicßft behaqlicß einrießteten. Die Hütte, 
melcße €>ir?chfelb^ e>cßmabrou für bie Offiziere 
herfteflte, faß qang ^ierlicß aite; fie mar in einen 
©erq qeqraben unb bilbete ein Söohngimmer, 
an mekßcte fich eine niebriqe Scßlaffammer an« 
fcßloß. Dcte Dacß feßte fieß aite ^ficßteuftanqen 
jufamnten, bie uaße an einanber qeleqt unb bießt 
mit Stufen bebedt toareti. Slußerbem hatte bie 
Hütte nicht nur ein genfter unb eine Dbi’tre, 
fonbern foqar einen Samin aufgumeifen. Sn 
ißr tierlebte Soßanne§ mit Satte unb fmfcßfelb 
qaug foftiieße ötunben, unb fo manche ©rinne« 
runq marb toieber mach, menn bie greunbe 
5 lhenb§ beim ffiacßtfeuer nebeneinanber faßen. 
Cbmoßl SoßonneS, feit er iite $elb qeriidt, fich 
ftete in ©efellfcßaft ber beiben greunbe befmtben, 
hatte er boeß erft jeßt ein Mrecßt barauf, ben« 
felben fiaqerplaß mit ihnen 311 theilen. So ftolqe 
feiner an ber Saßbacß bemiefenen Dapferfeit 
toar er jum Sößnricß oorqerüdtt. Sitrg eße ber 


Sefeßl 311m Slbbrucß be§ £aqer§ erfolqte, lanqte 
ein Stacßfcßub ber Sanbmeßr bei ©außen au. 
Satte hi^t e£ bor Soßantted qeßeini, bte er fieß 
übergeuqt hatte, baß ber ©ater feiltet lunqen 
3 freunbed fieß mit unter ben Steitaitlanqenben 
befaub. 6r ermirtte bem alten Herrn Urlaub 
unb nahm ben Doftor mit fieß in bete beßaqlicße 
Sagergelt. Die #reube unb Ueberrafcßunq non 
©ater unb Soßn mar qroß, unb eine innige 
Stüßntnq bemäcßtiqte fieß Soßanned, ate er beim 
Scheine’be* Sßacßtfeuerö bie ©riefe la§, melcße 
ber ©ater au? ber Heioiotß erhalten hotte. 
SRutter unb Scßmefter befanben fid) moßl unb 
mußten bem alten Houptmanu ©öße für fein 
ritterliches, aufopfernbeS SÖefen nid)t genug £ob 
311 fpeitben. ©01t ben qroßen ©trapagen ber 
leßten 3^it faß man bem ©ater SRatbob uid)tS 
an, bielmeßr hatte er eine frifeße, blüßenbe ©e« 
fießtsfarbe. 91 ber lange bauerte bete Sßieberfeßen 
mit SoßaitneS nicht. Scßou am näcßfteti Saqe 
erfolgte ber meitere ©ormarfcß bes feorps 3U 
meld)em ber Doftor Statbob gehörte, unb am 
16 . Cttober ftieß man bei ©ibefent auf ben 
geinb. ©alb beqann in ben ©affen beS Dorfes 
ein eittfeßlicßer Sumpf. Die Tvrangofcn hatten 
jebeS HouS 311 einer fleinen fteftunq eingerichtet, 
unb aite allen ft-enftern, bie Dahinten nirf)t aite« 

G enommen, eröffneten fie ein moßl unterhaltenes 
Feuer auf bie auftürmenben ©reußen. Allein 
aueß bie fießteren gaben uid)t naeß; oor ©eqierbe 
brennenb, naße an ben fyeiub 311 fommeu, unb 
fieß moßl bemußt. baß DeutfcßlaubS Sd)idfal fieß 
heute entfeßeibeu miiffe, ftürmten fie immer mie« 
ber 0011 Steuern über bie £eid)en ihrer ©rüber 
auf ben geinb. Das Dobeit unb Scßreieit ber 
Solbaten, baS Dänen beS ©efcßiiß« 1111b ©erneßr« 
feuerS, bete feinfcßlaqen unb ©laßen ber ©rana» 
ten, baS ©emiitfel unb bie Stufe ber ©ermun« 
beten, fomie ba» ©eßeul ber fyließenben mar 
gvaitfig. SoßanneS eilte, fobalb er auf bem 
Scßlachtfelb eiitgetroffen, einem ruffifeßen Sn* 
fanteriften 311 Hilfe, ber fieß boit brei gfransofen 
gleichzeitig angegriffen faß. Seine ©iftole qeqen 
©inen berfelbeit mit ©rfolq abfeuernb, ßieb er 
mütßeub auf bie beiben Slnbern ein, fo baß fie 
fieß, fcßleuuiqft 3iirüd3oqen. S” benifelben 
Sluqenblid fprengte jebod) ein fraii3öfifcßer Cffi« 
gier qeqen Soßöone§ heran, ißm ein furges: 
„©Uten SJtorqen, H err Statbob!" gurufenb. 

Unfer junqer §retinb mufterte feinen ©eqner 
unb erfannte in ißm mieberum fltaoul b'Hou« 
naigue, mit bem er bereite in ber Schleußt an 
ber Saßbacß einen heftigen 3 meifampf beftanben 
unb aufte neue freugten fieß jeßt ißre Slinqen. 

reqnete eine SRenqe bon Rieben, ohne baß 
Tie inbeffen einen ber Rechter fampfunfähig qe« 
inacßt hätten, ©ublicß qab Soßanned fieß qang 
tutoerhofft eine ©löße, unb feßon mollte fein 
©eqiter ben töbtlicßen H^b naeß ißm füßren. 


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312 


itedjt muß $trd}t bleiben. 


als fein Sferb bor einem in ber unmittelbaren I 
Sübcjtürgenben brennenben Salten gurütffcheute. ! 
©in Sprühregen non Junten brachte auch baS I 
'■fiferb non 3ohunueS ginn Säumen, unb fo I 
tonrbe baS teimpfeube Saar Dort einanber ge« ; 
trennt. 3m Tdoonfpteugen rief inbeffen ber I 
Colonel nnferm 3ahauneS abermals gu: „2öir 1 
treffen uns mieber, .fierr 9tatbob!" 

©inige Stauben fpater faf) fiep Johannes noch 
einmal feinem erbitterten f^ciiibe 'Jtaoul b’&au» 
naigue gegenüber. Such biefeS Stal bot baS 
Saar olles auf, fich gegenfeitig fampfunfähig gu 
machen, ohne baß es inbeffen gelang. 3nbent 
faßen fich beibe bitrch l)eraiigiel)cnbe 2 nippen ge» 
trennt nnb Ütaoul ließ abermals fein an 3ßhau* 
neS gerichtetes: „3ßir treffen nnS mieber, £)err 
Dlatbob!" nernehmen. ©r folgte feinen fliehen» 
ben Saubsleuten nach, beim fchon mar ber Hampf 
entfdjieben, nnb bie övangofen, überall geworfen, 
gogen fich eilig nnb nidht ohne Serlufte gurüdt. 


Siebentes H a p i t e l. 

(Sin gliithli(i)er $d)uh unb ein frieblidjer Sdjlufj. 

Salb nach bem ruhmreichen 18. Cttober, bem 
Säße ber berühmten Sölterfchlacht bei 2eipgig, 
mo Sapoleon Don bem #eere ber Serbiinbeten 
böllig aufS-ftaupt gefälligen worben mar, riiefte 
biefes nach bem Dtheiue oor, bis in baS babifche 
Torf 3Hinflen, nahe bei Straßburg. 
Hatte unb ftirfchfelb theilteu ihre Stube mit 
einem öfterreichifchen Offigier, beffeu febmuefe 
Serfönlicßfeit unb intellißente ©efidjtSgnge feine 
Sefanntfchaft miinfeheusmerth erfcheinen ließen. 
TaS Sntereffe ber ffveunbe ßinß inbeffen in ein 
freubißes ©rftauneit über, als ber freinbe 'Jtitt» 
meifter ihnen, nachbem er ihren fßainen erfaß* 
ren, ein Sillet ber ©räfin Siibbenau überreichte. 
Sie betäub fich im öfterreichifchen &ouptquar» 
tier, ba ihr Satte gunt ©eneralftab ßehörte. 
3n ihrer fröhlichen Saune faubte fie ben prettßi» 
fcheit ftreunben ©riiße gu unb fcßloß mit einem: 
„Stuf SBieberfeheu in Saris!" „Tie ©räfin," 
bemertte ber Ütittmeifter, nachbem baS Si.llet 
Don Hatte unb ^irfcßfelb ßelefen mar, „hat mir 
noch aufßetraßen. Sie in ihrem Samen ein» 
gnlaben, es fich nach bem ©iugnge nact) Saris im 
SalaiS Srnneöille bequem gu machen." „SJir 
werben bie frenubliche ©inlabnng nicht bergef» 
fen," erroiberte Hatte Derbiublicb. 3in weitern 
Serlaufe beS ©efpräcßeS äußerte ber Cefter» 
reicher: „Tie ©räfin tßeilte mir mit, baß 3ßnen 
eine Familie Dtatbob betanut fei, ja,'fie glaubt, 
baß ber eiugige Sohn am ßeßenroävtißen fjelb» 
gußc mit theilßenommen." 

„Sater nnb Sohn!" rief f)iifct)fe-lb üerßnüßt. 
„Ter Site ift ein tüchtiger Sanbwehrmann unb 


ber jmiße fteht als Sieutenant in meiner Schwa» 

! brou." 

I ,,©r ift ein gar tapferes Herlcßen," fügte Hatte 
! hingu, „unb hat baS ©iferne Hreug, welches feine 
; Sruft fehmiieft, reblid) uerbient." 

I „Cß, bann führen Sie mich gu ihm!" rief ber 
gemiithliche SJieuer. „Siir haben uns gwar im 
Üeben noch nie gefehen, feuueu uns aber fchon 
feit ein paar 3nhi'huuberten." 

Tiefe feltfnme Srhauptung Derlor für bie bei» 
ben prenßifcßen Cffigiere baS Sätßfelßafte, nach* 
bem fie ben SJunfcf) beS öfterreichifchen Harne* 
raben erfüllt unb ihn gu 3ohauueS geführt hat* 
ten, welcher fich foeben auf Sefucfj bei feinem 
Sater befaub. 

©S mar ein eigentümlicher 3ufall, baß ln» 
gefidjtS beS am fernen fjorigonte auftauchenben 
StimfterthurineS abermals ein Dtatbob mit einem 
©bclbcd greunbfehaft fcßloß, beim ber öfter* 
reid)ifd)e Sittmeifier mar Sietnnnb anberS, als 
ber frühere Silbfchnißer Seopolb Göelbed. Seit 
bem Sage, mo er ben Straßburger Stünfter* 
thurin ginn leßten Stal erblich uiib fid» mit ber 
tleiuen Couifow unter ben fechuß ber 3ifleuner 
begeben hatte, waren freilid» gmangig lange 
3al)rc berftrichen unb ans bem fcßücbternen 
Jünglinge ein euergifeßer Staun geworben; bas 
£>erg aber hatte fich nicht Deränbeit, mit ber ihm 
eigenen 3nnigteit begrüßte er beu Tottor unb 
3obnnncS, unb bie brei Slenfchen waren fchon 
nach wenigen Stunbeit fo miteinanber befreun* 
bet, als wenn fie fich bereits feit3ahren getamti 
hätten. 

Tie t^rettube fcßmelgtcn noch lange in ber © r» 
tnnerung an ferne 3«hrhuuberte, bis ber Sppell 
fie au ihreSflid)t erinnerte unb fie in bie ©egen* 
wart guriiefführte. ©S erging ber Sefehl, baß 
am nächfteu Storgen ber Ütbeiuübcrgang ftatt» 
finben follte, welcher gtir beftiinmten Staube 
auch in größter Crbnnng fich bollgog. Sach beni* 
felben gogen bie Serbünbeten tiefer in bas ©Ifaß 
hinein. 

Soeben näherte fich bie Sdjmobron GbclbedS, 
welche bem jjjauptheer boranging, bem heiligen 
Swrfte, wie ber große 2Balb bei ftagenau ge» 
nannt gu werben pflegte. Stehreren Seitern mar 
es aufgefallen, baß ein giemlicß gerlumpter Staun 
Don etlichen fechgig 3al)ren, mit langenrweifKn 
Sart» unb Haupthaar, ber ©olonne üuauSgefeßt 
folgte, fich aber ftets fd)eu guriidgog, wenn er bie 
illufmerffainteit auf fich gerid)tet faf). Tie 2eute 
hielten eS für ihre Sflid)t, ben Dtittmeifter baoon 
in Heuutniß gu feßen. ©beibeet iibergeugte fich 
fehr balb üou ber Dtichtigteit biefer'Jlugabe, beim 
er beobachtete, baß bem gerlumpten Staune 
außerorbentlich biel baran gu liegen fchien, ber 
Schwabron borgufomineit. @r gab fid) alle 
Stühe, feine Sbficßt gu erreichen, inbeiu er gum 
Cefteru Don ber Sanbftraße abbog unb näher 


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jltdjt muß Jtedjt bleiben. 


313 


füfjrenbe f elbmege eiitfcblug; bocb blieb fein $e= 
müljen ohne ©rfolg. 

„$)er Sönrfdje fcßeint in ber 3 hat fein gute» 
©emiffeu jn tja Den," badete bev (Rittmeifter bei 
fid) unb gab ber ©chwabrou (Befehl gu einer 
riidgängigeit Semegung. infolge bevfelben faß 
fid) ber meijjbärtige Sitte plößlid) mitten unter 
ber (Reiterfcbaar. (BergebenS formte er und) 
einer Süde, meicbe ibm baS ©ntmifcben geftattete, 
unb baS 3'^” feines ßörperS Derrietb ein 
böfeS ©emiffen. 2)er (Rittmeifter bermidelte itjn 
in ein ftrengeS (Berfjör, baS burdjauS nicht gu 
feinen ©uuften ausfiel, ba er fid) Derfd)iebencr 
©iberfprücbe fd)ulbig machte, bie ifjn bringenb 
berüchtigten. 

„©eftebe es nur," rief ©belbed ißm gu, „bu 
bift ein ftangöfifcber Spion unb mit!ft uns an 
ben feinb, ber irgeubmo berftedt liegt, Der« 
ratben." 

„(Rir SBerratlj, gnäbiger £>err," jammerte er, 
„ich bin nur ein armer dRamt, ber fid) elenb 
burcb bie ©eit bettelt." 

„(RaA beiner eigenen HluSfage bift bu hier im 
©Ifafc befannt," forfd^te Gbelbed. „ 2)11 wirft 
mir atfo {ebenfalls angeben fönuen. ob fid) in 
bem ©albe, ber unroeit boit hiev beginnt, fran« 
göfifdje Gruppen aufbalten." 

„(Riebt ein einziger ©olbnt," lautete beS Elften 
rafdbe 2 tntroort, fo baß es auf ©belbed ben ©in« 
brud beS Unwahren machte. „(Rein, gnäbiger 
fjerr, ber ©alb ift Diel 31 t grofc uitb eiitfam, als 
baß ficb ba im ©iitter ©olbaten anfbnlteu tön« 
nen. 3 fn ©traßburg freilich, ba —" 

„@enug," rief ibm ©bflbed 311 unb gab fidj 
ben Hlnfcbein, als ob er in bie Eingaben beS Hilten 
feine 3 weife( feße. 

„ßann iöß mich bann mieber entfernen?" 
fragte ber gerlumpte ©reis in bemiitbigem Sione. 

„©obalb bu uns auf ben rechten ©eg nach 
Hagenau gebracht."' 

®iefer ©ebingung fchieit ber Hllte fidj gern gu 
fügen. @r bebeutete bem Stittineifter, baß er mit 
feinen (Reitern ben ©alb rechts liegen (affen unb 
bem fchmäleren fabrmeg folgen foKe, ber fich 
tneiter oben abgmeige. Stach biefer HluSfunft 
fd^ütte(te er jtdj Dor froft, üevlor babei aber ein 
bünnes, bielfach gufammengelegteS Rapier aus 
ber iafcbe. ©r fließ einen @djrei beS ©chrecfeuS 
aus unb ftürgte gur ©rbe, um bas Rapier mieber 
in feine ©eronlt gn befontmen; allein bie (Reiter 
waren fd)neller, unb nach menigen ©efunben 
fchon befanb fich ber fcheinbar fo unbebeutenbe 
©egenflanb in ©belbecfS £viuben. 

iüfit größter Hlufmerffamfeit überflog ber (Ritt» 
meifter baS ©chriftftücf, melcheS ber gu ©troß» 
bürg liegenbe frangöfifche ©eneral an einen 
Oberft b’$>aunaigue gerietet hotte. 3>erfelbe 
gab barin aufs ©enauefte bie ©tellung ber (Ber» 
bünbeten an. ©belbed marf, nachbeiit er ba§ 


Rapier burcbgelefen, einen flammenben SBlid auf 
ben heftig gitternbeu ©pion. ©er ©lenbe marf 
fich ihm jainmernb gu füßeit unb flehte um 
©itabe. ©belbed fdjien inbeffen nicht gewillt, 
gegen einen fremben Sarmbergigfeit gn üben, 
ber baS&erg hatte, beutfche Sanbsleute an fran» 
gofen gu bervathen. 

„$enn baß bu ein $eutfd)»@lfäßer bift," rief 
ihm ©belbed gornig gu, „bemeift mir bie fertig« 
feit, mit melier bu uitfere Sprache rebeft. ®etn 
(Berratb ift ein ®d)impf für jcbeit SBaterlanbS» 
freunb, baruni fort mit bir an ben nächften heften 
(Baum. 3 l| bor aber fage uns noch genau, in 
welchem Steile beS heiligen forfteS frangöfifche 
©olbaten oerftedt liegen." 

„(Rur in bem ßlofter ©aIburg befinbet 
fich ber ©oloncl b’£)aunaigue mit feinem Utegi* 
mente unb einer Hlbtbeilung Dragoner," ant« 
movtete ber ©efongene. 

„3)aS ift alfo berfelbe b’fmunaigue, welcher 
uitS bei unferent 58ormarfd)e noch 2 traß bürg 
in ben (Rüden fallen follte," badjte ©belbed unb 
feßte feinen HRarfcf) weiter fort. 

®ie f rangofen batten, troßbem fie an eine 
Ueberrumpeluug beS f einbeS nicht gebacht, nichts 
Dcrabfäuint, um baS ßlofter in einen Dortreff» 
liehen SBertbeibigungSguftanb gu feßett, wie bie 
gabireichen, in ben (Dfanern angebrachten Schieß» 
fdjarten bewiefen. HluS ihnen eröffneteit fie nun 
ein wohluntcrbalteueS feuer, welkes bie (Reiben 
ber anftürnienben beutidjen ©olbaten bebeutenb 
lichtete. ©üblich aber gelang es biefen boch, 
mehrere ©raunten in baS ©ebätibe gu werfen, 
fomie in bie UmfaffungSmauern (Brefdje gu 
fließen. SBalb geigte ein rötlicher Schein, bet 
bie ©ipfel ber ©albbüunte beleuchtete, gur ©e= 
nüge an, baß bie in baS ßlofter geworfenen 
©raunten geplaßt waren unb gegünbet batten. 
(Raoul b’$aunaigue fab ein, baß er fid) nicht 
länger hinter ben UmfaffungSmauern gu halten 
bennöge, unb ovbitete beSbalb einen hoppelten 
HluSfnfl an. S)er eine, welchen er fdlbft befehligte, 
fnnb buvd) baS ©iugangStbor ftatt unb batte 
einen guten ©rfofg: eS gelang (Raoul, fcch mit 
feinen URnunfdjaften burtbgufcblageu. ©in um 
fo (täglicheres ©nbe nahm bagegen ber anbere 
HlnSfall, welcher auf ber entgegeügefeßten ©eite 
burd) ein fchmales ‘pförtcheu, baS auf ben Qfrieb« 
hof beSßlofterS führte, ftattfanb. Slie grangofeit 
bermochten fich bort nidht gu halten unb halb 
wimmelte ber ©alb bon fliebenben gfrangofen, 
bettit (Raoul b’fwunaigue batte troß feines Gr» 
folgeS gefeben, baß gegen bie feinbliche Ueber» 
macht nichts auSgurid)tcn fei. ^irfchfelbS (Reiter 
fprengten ben fliebenben nach «nb hieben noch 
fo mcindjeit frangofeit nieber. 3 obannes gab 
fich alle erbenflicbe dRübe, feinen feinb (Raoul 
gu erreichen. Welcher an ber ©eite eines jüngeren 
CffigierS babinfprengte, bod) fdjien ber junge 


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314 


JJedjt muff jäedjt bleiben. 


©raf bieSmal feine Suft gu haben, ftcb mit bem 
Teutfchen in einem 3meifampfe gu meffen. 

3ngwifcf)en butten bie ©ieger oon bem H (öfter 
©Milbtirg ©efiß ergriffen nnb waren gleicßgeitig 
bemüht gewefen, baS buvd; eine (Granate ent* 
ftanbene gfeuer gu löfeben. 

„Gin prächtiges alte» H(öfter!" äußerte gu bem 
gnrücfgefehrten Johannes nufer (guter Toftor, 
welcher mit gum Söadjtbienft befohlen mar. 
„TaS £)erg fleht einem ©efdjichtsforfcher auf bei 
einem folajeit Aitblicf! Unb mir fle()t noch bagu 
ber ©muß bebot," fügte er mit einem «nahrhaft 
feliaen ©eficfjtSauSbrucf hingu, „baß ich bie ©Jache 
im ©ücherfaal erhalte!" 

Seiber hotte bort baS ©prenggefeßoß gu beS 
ToftorS ©efümmerniß großen ©(haben anfle* 
richtet. Ter Tpeil ber ©ßanb, burcf) ben bie 
©ranate eingebrunflen, lag fammt ben ©iicher* 
faßen, welche babor geftanben, gertriiinmert am 
©oben, unb unfer ©rofeffor blidfte feuchten 
Auges auf baS GljaoS gu feinen ffüßeu, ans wel* 
chem berbrannte Rapiere, fchweiuSleberne ©iießer* 
riiefen unb anbere fjerrlichfeiten herborlugten. 
Aber auch ber übrige Tßeil bes ©aaleS geigte ein 
buntes Turcheinanber; überall traf ber ©lief auf 
Hohle, Schutt unb gerriffene ©lieber. 'Eie jfen* 
fterfreuge waren halb berbrannt, beSgleichen bie(e 
Sanbfarteu au ben ©ßänben, unb nur ein ein* 
gigeS ©i(b war ber 3 ei 'PrungSfucht beS ber* 
heerenben (Elementes entgangen. Ter Toftor 
fümmerte fich nicht biel barinn, fonberit gog 
manches wertvolle ©tanufeript, manches feltene 
©uffj unter bem Schutt herbor unb bertiefte fich 
barin berartig, baß er bei« wilben HriegSlärin 
gar nicht bernahm, welcher plößlicß in linb bor 
bem Hlofter (oSbracb. 

©S war ein altes bergilbteS ©ergament, bnS 
er foebeit bem Trümmerhaufen entriffen. Toch 
welche hohe Ueberrafibuufl malte fich auf feinen 
3ügen, als ihm plößlicß ber 9tame ©tichaet 
Statbob in berfchnörlelten ©uchftaben ent* 
gegenglängte. @r glaubte an eine Täufchung 
unb riiefte an feiner ©rille herum, — afleiit ber 
91ame blieb unb ebeitfo ber Inhalt beS Tocu* 
ments, ben er hoch erftaunt mehr als einmal 
überflog. 

„©roßer ©ott im ßimmel!" ffiifterten bie Sip* 
peit beS greifen ©elebrteu tief bewegt, „es ift baS 
Teftament bom ©rben beS ©feiferfönigS, nach 
weichein bon unfern ©orfafjven fo bielfach ge* 
forfeßt unb gefucht würbe unb bas jeßt ein 3«t* 
fall in «neine föänbe geführt hat!" 

©Me oft war baS große Siicherbrett, baS an 
jenem Tfjeile ber SBanb befeftigt gewefen, bon 
Hlofterbrübern gefdubert worben, wie bieter 
©liefe hatten barauf geruht, baS in einer ©ferner* 
riße fteefenbe Teftament aber war ©den ent* 
gangen, bis eine preußifdje ©ranate enblich fich 
feiner erbarmte unb es aitS Tageslicht beförbertc! 


Ter Toftor ftarrte noch immer halb betäubt 
auf baS uralte ©ergament. als ploßlich 3oh«n* 
neS mit bem Stufe inS3immer ftürmte: „Schnell 
fort, ©ater, ber tjfeiitb ift mit ©erftärfung gu* 
riüfgefeljrt unb befinbet fich bereits im Hlofter!" 

3u bem an bie ©ibliotljef ftoßenben ©aal 
warb es jeßt (ebenbig unb eine bon ©veußen ber* 
folgte Abheilung graitgofeu ftürmte herein. 
Unter ber feinblidjieu ©chaar befanb fich auch 
9faoul b’&aunaigue. Terfelbe hatte SojjanneS 
unb beifen ©ater faunt erfannt, als er mit hoch* 
gefchmtingenetn ©äbel gegen fie loSftiirgte. 3n 
bem nämlichen Augenblide aber, wo er bie 2Baffe 
herabfaufeu ließ, fab er fuh bon einem jungen 
3?rangofen entwaffnet, in welkem unfere ffreunbe 
jenen häufen Ojfigier wiebererfannten, ber in 
ihrem £>eint ©flege unb Reifung gefuuben. 

Dfaoul wanbte fich ȟthenb gegen ihn, hoch 
jener rief unerfeffroefen: „3cb habe mein ©fort 
gegeben, Johannes Dfatbob gu fchüßen. Tu bift 
©beimann genug, ©ruber, «nidj nicht an ber 
Ausführung meines ©erfpredjenS gu hinbem." 

Ter finfterblicfeube Staonl wanbte fich bon 
feinen beiben ffeinben ab, unb gleich nachher be* 
fanb er fich im Hampfe mit ben feiublidjen 
Truppen, währenb fein längerer ©ruber S on iS 
ben banfbaren |>iinbebvucf bes ToftorS erwiberte. 

Ter tobenbe Hampf führte ben jungejt @ra* 
fen jebodj rafch mieber bon Dintbobs ©eite, welche 
mit £>ilfe ihrer Hameraben aus bem ftürmifchen 
©efeeßt gliicflich ßerborgingen. Tie ffrangofen 
unterlagen, unb bie ©erbiinbeten blieben als 
©ieger in bem jeßt erft recht gerftörten Hl oft er. 

©eibe ©rüber b’$atmnigue befanben fich unter 
ben ©efangenen. Staoul mar giemlidj ferner 
bermuitbet, weshalb fich ber gutmüthige Tottor 
für ih«« berwenbete. Turch £>irf(ßfelbS ©er* 
mittlung erhielt baS ©rüberpaar, nachbem es 
fein ©ßrentoort gegeben, in biefem ffelbguge 
nicht mehr gegen bie oerbiinbeteit Truppen gu 
fämpfen, bie ©rlaubniß, nach ihrem bätei-licßen 
©chloffe guriicfgufehreit. ©on bem wichtigen 
ffunbe, ben ©ater Dfatbob gethan, erfuhren fie 
inbeffen borläufig noch nichts. 


@S war gu Anfang 3 u «i 1814. Tie ©er* 
büubeteit hatten ihren ©ingug in ©avis gehalten. 
Aapoleon war entthront unb befano fich auf 
©Iba, mähreitb bie ©ourbonen mieber gu ihren 
alten ©ßven gelangten unb Subwig XVIII. als 
Honig proflamirt war. 

3n einem ber eleganten ©älc beS ©alais 
©ritneoifle befanb fi^ eine fleine ©efeflfchaft, 
welche außer ber Tarne beS f&atifeS nur aus 
beuttcheu Hriegern beftanb. Hatte unb .£>irfdh* 
felb, fomie ber Toftor unb Johannes hatten bie 
frcunbliche ©inlabtutg ber ©räfin Sübbenau 
nicht bergejfen unb fidh au bem fonnigeu Tage 
in bem alten ©alais gufammen gefunben. Täs 


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Suter unb reeller jlebenoerbienft. 


315 


arme. fleinc URäbcßen war jcßt ju einer glüd« 
lidyen, reichen Grbin geworben, benn möc^tifle 
gfreunbe hatten fie, mit Ctilfe ber in ihrem 3)e* 
fiß befinblicbeit tjraniilieitpapiete, in if)ve Ulecßte 
wieber eingefeßt. Siefelbeit würben felbff burdj 
baS fpätere tune ©ieberauftaiicßen UlapoieottS 
in feiner 2 Beife beeinträchtigt, unb bie bornehme 
©eit fmtb fi<ß halb in bie Shatfacße, baß bie 
©rafin 2 übbenatt ben ©inter über in ihrem 
Calais ju tßariS, im Sommer bagegett in einem 
reijenb gelegenen Schlöffe bei ©ien bermeile, 
welches ihr (Satte ihr hatte erbauen laffen. 9lber 
auch ber -alte Softor 9t nt hob hatte nicht nötfjig, 
gegen bie unrechtmäßigen Geben feines 9liju= 
berrn gerichtlich borgehen nt tnüffett, ba mit bem 
Sobe Utaou(S, ber feinet JBunbe erlag, bie 
eigentliche tfreiubfdjaft gebrochen war unb bie 
trüben Grfahruttgen, welche fein SSater im Smtfe 
. feines oielbewerten ScbcnS gemacht, auf fein 
^terj gleichfalls oerföhnlich getoirlt hatten, fo 
baß er eS fogar gerne geftattete, baß halb noch 
bem ^rieben uott 1815 itt ber fiattSfüpefle beS 
UlhnettfcßloffeS bie Srauuug feines jiingften 
Sohnes 2ouiS unb ®ora’S jtattfinben burfte. 
Ser 2efer ffeht, baß ber junge fvrnujofe feine 
einftige treue Pflegerin nicht Dergeffen hatte. 

Vorüber war bie '-öegeifteriutg uon 1813, aus* 
gedungen bie Sieber bcS 9?aterlanbeS unb ber 
Freiheit, gar mancher beutfeße ^elbenfohu fchlicf 
in tJrraufreicßS Grbe, Straßburg unb Glfctß aber, 
baS geraubte beutfeße 2anb, befanb fieß noch 
immer int Sefiße ber ©elfcßett. Sodj ber Sag, 
wo baS geraubte Kinb ber trauernbeit ©ermnnia 
juriittgebraeßt würbe, brach enblicß an. Sieben« 
unbfüufjig 3 aßre fpäter erfcßieitett im Glfaß 
Wieberum beutfeße Krieger, bie biefcS UJlal aber 
nießt eßer ruhten, als bis hoch oben aut UJliinfler* 
tßurme bie weiße 3?aßtte wehte unb beit Siegern 
oerfünbete, baß bie uralte UteicßSftabt fieß ißtien 
ergeben habe. 3tt ber nämlichen Staube aber, 
wo ein taufenbftimtnigeS £>urrafj bor ber Heftung 
ertönte, entfaltete fieß auf bem Shurnte beS alten 
SdjloffeS bie fcßwar 3 *meiß*rotbe 3-aßne. Sora 
hatte ben Sag beS Sieges iticßt tneßr gefeßett, 
fie fcßluntnterte bereits mit 2ottiS in ber UUfnen« 
gruft; aber ber ©eift unb baS $erj ber beutfeßeu 
tjrati lebten fort itt ihren Kiitbern, welche ben 
berwelfcßten Ultimen b’ftaunaigne für alle gelten 
ablegten, um fieß fortan wieber ftoßenheg 311 
nenite»r UJlit Sandten empfing bie glücflicße 
tfraitiilie mehrere Sage nach ber Uebergabe bon 
«traßburg einen jungen preußifeßen Krieger, 
ber ju ben fiegreießen Kämpfern gehörte. GS 
mar ber tapfere Siegfrieb Utätbob, ein 
Gnfel bott 3oßanneS, ber mit flingenbent Spiel 
unb unter ben Sönen ber „©acht am 91hein" 
feinen Ginjug in ber alten fteintath feiner Siiter 
hielt. 91nt 9lbenb beS feftlicßen SageS glcinjte 
baS UUjnenfchloß itt bunter Selewhtung unb 


friebboff ftraßlten über ißm bie leucßtenben 
Sterne. Ser jtiitgfte Sproß ber alten fjamilie 
aber fcßloß bie ffreiibenfeter mit betn Siebes* 
Worte beS oaterlänbifthen Sängers Gmanuet 
©eibei: 

„Zimt laßt bie (Slocfeit 
Don Ißurm 31t Cluirm 
Durcfc’s £anb froßlotfcn 
3m 3ubetßiirml 
Des <jlammcuftoßes 
cSeleucbt faeßt’ an, 

Der fjerr ßat cSroßcs 

2tn uns getßanl 

€ßre fei Cßott in ber Ijößel" 


©utcr unb reeller ilcbniticriimilt. 

a a, Siebfle, baS möißte id) ißuett noch ein» 
mal reeßt attS #erj legen — forgett Sie 
für 3h r ?Hter, legen Sie jebeS Saßr ein 
Sümmcßen ättriief, was ich foge!" 

Siefe ©orte meiner alten tfreunbin waren 
gewiß gut gemeint, unb wenn ißre treuen Ulttgeit 
mich betbei fo forgenboll unb innig attblidteit, fo 
hätte icß ein $erj bon Stein hoben muffen, wetttt 
icß nießt an mein Ullter hätte beulen unb nicht 
ein Sümmchen hätte jurüdlegen wollen, ©ie 
gern hätte icß’S gethan! 91 ber ituit lege man 
einmal jttrücl, wenn am leßten Sage beS ^aßreS 
auch gerabe ber legte Geilt baßingeßt, wie eS bei 
mir alljährlich ber fjfall mar. 

Unb boeß war id) nießt leichtfutnig, nein — 
eS ging gottj natürlich 31 t, baß icß gerabe mir 
reichte mit meiner Ginitahme, bie mir als Wol)(= 
beftallte Sehreritt 31 tlaut, einer Giunahme, um 
bie jüngere Kolleginnen mich moßl beiteiben 
mochten. 

Slber — biefeS leibige „91 ber!" — ba War eine . 
Summe absutragen, bie icß auf mein ehrlich 
©efießt hin 3 U meinem Stubiunt geliehen hatte; 
ba galt eS bie ratenweife ^aßlung meines $ 11 * 
ftrumenteS — neß, icß wußte, baß id) noch lange 
^aßre für bie Hergangenljeit 31 t arbeiten hatte. 
9ßaS blieb babei für mein 9llter übrig-? 91 i cß t S. 
— S)a 3 u war baS 9llter nießt meßr gar fo fern 
— aeß, nein. eS winfte mir mit einigen Silber* 
fäbett unb 3?ä(tcßeu feßott attS gait 3 bebcnflidjer 
Uläße. ©ar icß bod) fdjon 3 km ließ „mittelalter» 
ließ" gewefett, als ^amilieuberfjältniffc ntieß ber* 
attlaßteti, ben „Schwergeprüften" mich eiii 3 iu 
reihen ttnbben Kampf umSStafeiit aufsunehinett. 

Sie fegenSrei^en Ginri^tungett, bie meinen 
jungen Kolleginnen ein bcßaglicßeS Utlter feßaffett 
fallen unb fönnen, waren 31 t ber 3 c *t laum als 
glätte belannt. 


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316 


Snttc uub reeller jlebeuoerbienft. 


Kein ©ttnber, baß id) nach außerorbentlichen 
©egen ju fpähen begann, bie gttr Scrgrößerung 
meines GinfontmenS führen möchten; 

34 fonn nnb grübelte int ©achett mtb $räu» 
men. könnte ich Sribatftnnben geben — nein, 
bie Statuten ber Schule, an welcher ich wirfte, 
verboten mir folche 3erfplitterung meiner Kraft. 
Sollte ich mich an ein Tapifferiegef4äft menben 
uub um Arbeit bitten ? 9lch, bie Gingen thaten 
mir fchon meh, wenn ich an bie feinen Stiche 
nur buchte, bie ich bann machen mußte. Sollte 
ich fchriftftellern ? $>er (Bebaute hatte etroaS un» 
gemein Serfiihrerif4eS für mich, uub ich wiber» 
ftaiib ber Serfu4ung nicht — ich begann gn 
fchriftfteKeru. Salb hatte ich bie ftreube, mich 
in berfdjiebenen Slättchen gebrueft gu feheit. 
91ber baS mar ber eingige Grfölg meiner Schrift» 
ftellerei, bergebenS wartete ich in aller Stille auf 
weiteres. 

Sollte ich einmal bei größeren Slättern mein 
|>eil t>erfliehen ? $er ©ebattle berließ mich nicht, 
er peinigte mich gerabegu, unb halb befanben fid) 
einige Heine Arbeiten auf bent ©ege nach S. 
unb nach 2., aber nach fabelhaft fnrjter 3eit 
hatte ich bie $reube beS ©ieberfeljenS. Unb hoch 
waren fie wirtlich am Orte ihrer Seftimmiing 
gewefen, nicht etwa in Vorahnung ihrer Un» 
würbigfeit unb flüger als ich auf halbem ©ege 
wieber umgefehrt, iieiu — fie brachten ihr 3?ug» 
niß mit: „Seiber nicht gu berwenben,"— „lieber» 
reichlich berfehen." 

So blieb bie Sorge unb tiefer fünf ich in ber 
©aßl ber Wittel, mich ihrer gn entlebigen. 

,^atte ich nicht manchmal im 3nferatentheile 
ber 3eituugen gelefeit: „©uter uub reeller fRebett» 
berbienft wirb, gegen Ginfeiibung oon fiiufgig 
Gents, Serfonen aller Stäube tiiuhgewiefcu" ? 
— Siefe Annonce fchieit mir plößlid) hoch ft be» 
achtenSwerth. 

Seichtfinuig wagte ich bie fiiufgig Gents unb 
boD Hoffnung fab ich beut Kominenbeu ent» 
gegen. 

Utngehenb traf auch ein Srief ein bott biel» 
berfprechenber ®icte, boch ich bejwaug meine 
Bteugier bis gum 9lbenb, wo ich teilte Störung 
mehr gu fürchten brauchte, um mich bann mit 
ungetheilter ©oitne in bie 9(itmeifuitgeu gum 
fReichwerbett gu bertiefen. 

9lber mit ber Gnoeioppe riß ber fchöne ©ahn 
entgwei! ©aSfaitbid)? Gitte Wenge gebrudtter 
9lttefte, betten auf ©unfeb noch h«nbert anbere 
beigegeben werben tonnten, 9(ttefte, öotl bon 
ülnerfennungett für ben „eblett Wenfchenfretinb," 
ber eS fich gttr „heiligen Sflicht" gemacht hatte, 
bergagenben tttib bergmeifelnben Wenfdjen eine 
Ggifteng gu grilnben. ©ie troftreich für mich! 

Wit biefett 9ltteften war mir nun feitteSwegS 
fchon geholfen — baS war auch nicht beS 91b» 
fenberS Wcittnng, ober gegen Ginfenbuttg oon 


fünf Dollar war ber „Gbelfte aller Gblen" — 
laut 9ltteft — bereit, auch mir bie mertljboflften 
ÜRathfchläge gu ertbeilen. 

Urieb mid) bie Bleugier, ober hatte ich mich 
berftoeft gegen bie Grfenntuiß beS ScbwinbelS 
— genug, ich opferte bie berlangte Summe unb 
wartete ber Tinge, bie ba fonimen follten. 

Blicht lange währte eS, ba erfebien ein Stichel» 
djen unter Kreugbaub, leiste ©aare, bon außen 
nuqefehen, nnb fein Inhalt war bent 9(eußereit 
entlprcchenb. 34 laS nnb ftaunte. fRegept 1 
(lehr gu empfehlen)," enthielt SJitile gttr eigenen 
Steinigung ber Cefen. 

„fRegept 2 (unübertrefflich)," lehrte bie £>er» 
ftellung bon Sdiwefelhölgern gu eigenem Scharf. 

„fRegept 3 (äußerft profitabel)," gab 9(ttmei» 
fttng gttr Sereitung ber feiuften Tafelbutter aus 
Kartoffeln unb Wohnöl. — Solcher fRegepte 
braute baS Süchelchen etwa gwangig. 9(ber was 
halfen fie mir! ©eichen Blußett hatte ich babon. 
Wenn ich wußte, wie inan aus felbftgegogenen 
Sfabafspflangen bie feinflett &abanna»Gigarren 
herftellen, ober wie man fRafirnteffer fchärfeii 
unb fonferbiren formte! Wit einem tiefen Senf» 
ger Pachte ich an baS fchöne giinfbollarftüc!, baS 
ich fo leichtfinnig bahingegeben hatte: id) war 
befchtoinbelt worben. 

fRtttt war ich 5 War um bieleS Hiiger geworben, 
aber bod) noch einfältig genug geblieben, in ber» 
felbett thörichteu ©cife weiter gn forgett, unb 
meine alte §reunbin berfehlte auch nicht, fo oft 
fie mich fah» mahnenb uub wnritenb immer wie« 
ber auf bie trübe 3»funft b'ngumeifcit. Sie 
meinte eS fo gut mit mir — ich war baS Kinb 
ihrer liebften 3ugeitbfrciinbin — unb Wie gern 
hätte fie mich bon meinen Sorgen befreit, wenn 
fie nur nicht mittellos unb auf eine Heine Seib« 
reute befdjränft gewefen wäre. ®o4 brachte fte 
mir nicht feiten Kleinigleiten gum ©efchenle, 
Tinge, bie ich beburfte ttnb mir hätte laufen 
ntüffen. „Sehen Sie, Siebfte," fagte fie bann 
in ihrer freunblichen ©eife, „ba haben Sie ein 
Stüdchen 2iße, foftet gwangig GeittS nnb ein 
wenig Bläbfeibe, gerabe für fünfgehn Gents, 
macht gufammen fftnfunbbreißig Gents, bie 
brauchen Sie nun nicht felbft auSgttgebeit, ober 
Sie legen fie hübfeh in 3bre Sparbiichfe!" 

GitteS Soges aber lant fie freubeftrahlenb gu 
mir, ein 3f*HingSblatt in ber #anb. „C, 
Siebfte," rief fie, noch ehe ihre Heine ©eftalt 
über bie Schwelle gefontmeu war, „ba ift etwas 
für Sie!" unb mit triumpbirenbem Slicfe hielt 
fie mir baS Statt unter bie 91ugett, wo ihr bor 
Bltifregutig gitternber Singer auf eine beftintntte 
Stelle wieS: „©ießtig für Tarnen höheren 
StanbeS." 

„91ch!" rief ich anwillig, „baS ift wieber fo 
etrnnS!" 

,,©ie beim fo etwas?" fragte bie Heine 


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flutet unb reeller ^ebenuerbienft. 


317 


Tarne ärgerlich, weil unbetannt mit meinen 
Wimmelt Grfaprungen. „So lefen Sie bo<h 
erft!" Unb id) laS: „Tarnen, beiten eS an Unter» 
paltung fehlt, tarnt leiste unb einträglich« ©e« 
fchäftigung ttacbgemiefcu werben, ber fiep jebe 
Tarne uubefhabet ihres ©tanbcS wibmen faitn. 
Näheres-u. f. w." 

„Ta melben wir uns!" rief bie kleine ganj 
entjiicft, „baS ift wie für Sie gefcpaffen! Sie 
hatten baS natürlich wieber nicht gefehen — 
fcproeben immer in höheren Legionen! Unb nun 
füllt ans Serf — eine ©riefmarfe herbe i<h gleich 
mitgebracht." 

3 h wollte Ginmenbungeit machen, wollte ihr 
bon meinen Grfahrunqeu erjühlen. „Nichts ba, 
Siebjte! ich geh« nicht eher oou ber Stelle, bis 
Sie gefcbriebett haben." Tamit pflangte fie fich 
in baS Soppa mit einer Gittfhiebeuheit, bie mir 
fagte, baß fie ihr Sort heilten werbe. 

3ögernb fuepte ich Rapier unb fjeber, benit 
ich mär iiberjeugt. baß es wieber „fo etwas" fei. 
Seufjenb tiintte ich ein, fchrieb, couDertirte unb 
abreffirte. 

„So ift’S recht," fagte bie Heine Tarne 311= 
frieben, bie mir mit größter Slufmerffamfeit 
unter meinem 9 trme burd) jiigefehen hatte. „'Jtuii 
geben Sie mir ben ©rief, Äinbheu, ich fteefe ihn 
lieber felbft in ben Äaften, er ift 311 wichtig." — 
©tit einer fjreubenthräue im Singe fcpüttelte fie 
mir bie &nnb unb trippelte mit iugeublicher ©e= 
henbigfeit 311t Thür hinaus. 

Ten Grfolg bicfeS ©riefeS erwartete iih mit 
ber größten ©ebitlb; nicht fo meine fjreunbiu, 
bie fchon ben ltächfteu Tag ihr Heines freunb» 
litheS ©efiept in bie Thür fteefie. „Stoch nichts 
ba'?" 3 h Derneinte. „fjabeit Sie nur ©ebulb, 
fiiebfte, fehen Sic, bie Seute müffen hoch auch 
überlegen, 3iehen Dielleicht erft Grfnnbigungeti 
ein." 

Ter folgenbe Slbenb brachte bie erwartete Slnt* 
wort, bocp ließ ich baS Schreiben bis 311m Gin« 
treffen meines ©efucheS uneröffnet. 

©Me gläii3teit bie Singen meiner alten ftreuii* 
bin, als fie ben ©rief erblictte, ber in ihren hoch» 
gefpaituten Grmartungen einem „Tifhh«a beef 
bidj!" gleich tarn. 

TaS Oeffnen 1111b baS Sefen beffelben fepien 
ihr ein fo großer Slugenblicf, baft fie feierlich 
ernft ihre #änbe faltete. 

3 h laS: „P- P- Sluf 3 hr ©efuep beehren 
wir uns 3hnen mitjutpeilen, baß wir geneigt 
fmb, Sie als ©gentin unfereS ©efcpäfteS 311 
acceptiren, unb berfprehen wir 3hnen bei ge» 
uügenbem Grfolg hohe ©robifiou. Sobalb Sie 
uns burch beglaubigte ©itweifung eine fieper be= 
ponirte ftautioitSfumme iiberwiefen haben wer» 
ben, empfangen Sie ein Äiftcpeu mit 3Wan3ig 
Slafdjen feinftem Siqueur, ben Sie behufs Gr» 
Werbung bon Ämiben gelegentlich in 3 prem 


werthen ^reunbeStreife empfehlen unb bei 6m» 
pfang Don ©efnhen 3iir ©rohe präfentireu. Sir 
finb iiberjeugt, baß jeber, ber unfer Sabrifat 
getoftet hat, baS ©erlangen haben wirb, eine 
größere Quantität 3U bestehen. 3 « bem Solle 
würben Sie fich in liebenSwiirbiger 3 ubor« 
fommenheit 3U erbieten haben, baS ©ewiinfepte 
aus ber 3 h«fit befaunten Quelle fommeit 311 
laffen. Sir bewerten noh, bafj 3 haen auch 
Gigarretten, 3«huftocher unb anbere in feinen 
Sfreifen unentbehrliche Slrtifel für obigen 3>oed 
3iir ©erfügung ftehen. 

Grgebenft GliaS ©taper & 60. 

Tie Sirtung biefeS ShreibenS war eine 
burchauS Derfhiebene. 3 h muffte lachen, wie id) 
noh nie geiaht hatte, im ©eifte fah ich mid) bie 
Stolle fpielen, bie mir 1 )iev Dorgefcpriebeu wor» 
ben: 3 h iheutte mit liebensmürbigent Gifer 
Siqueur, ich präfeutirte Gigarretten, ich Perbrei» 
tete midf in harmlofem ©eplauber über bie ©or» 
Süge Don 3 ahnftohern — wie fomifd) muffte baS 
alles einer beinahe fdjou alten fieprerin 311 @e» 
fichte ftehen! 

Unb meine alte gfreunbiit, — jufammenge» 
funfeu faß fie ba, mit gefalteten Rauben unb 
mit Derftörter ©tiene tniep aufehenb. 

,,©h'-" mie ein ScprectenSruf Hong eS Don 
ihren jitteruben Sippen — „was giebt eS boh 
für fcplechte ©tenfehen! Sie tamt 3 h»e« einer 
juntuthen, einen fiigueurhanbet anjufangen, baS 
wäre ja beinahe eine ©aftwirthfepaft! Unb 
Gigarretten fotlen Sie Pertaufen! unb 3 ahn= 
ftocher gar —pfui, wie unappetitlich! @0 etwas 
einer anftäubigen Tarne 3itjumuthen!" 

©leine ©iiipe, fie 311 befäuftigen, war burep» 
aus erfolglos, fie war 311 empört tiub ließ fiep 
auch nicht bie ©ieiiiung auSreben, baS ©auje 
laufe einjig unb alleilt auf ©eleibigung nnftän» 
biger Tarnen hinaus, ©ah biefer Täufcpnug 
hoffte fie nun nichts mehr für mih, in tieffter 
Setriibniff fchiittelte fie ben Jtopf. „Sie foll eS 
werben, wenn Sie alt finb, ßinbepen, unb nicht 
mehr arbeiten tonnen! 3h liege bann längft im 
©rabe unb fann niht einmal mehr ein ©isheit 
für Sie — f orgen. Sie foll eS werben!" Sie 
feufjte tief befümmert. ©tir aber tarn plöplicp 
ein großer ©ebanfe, boh eh« i<P ihn ouSfprnip, 
nahm meine gute Srettnbin wieber baS Sort: 
„£ören Sie, Siebfte — ih weiß nun feinen Ütatp 
mehr für Sie, ber liebe ©ott muß fepon 
felbft jugreifeit, wenn Sie alt unb fepmoep 
werben!" 

Sar baS nicht gerabe and) mein ©ebanfe 
gemefen ? Sie patten wir beibe benu Pergejfeit 
töniieu, baß ber pimtnlifcpe ©ater gewißlich 
„jitgreift", wenn tinfere £>änbe nicptS mepr Per« 
mögen! 

Sort nun mit ben tpörihten Sorgen! Sopin 
patten fie mih gebracht! 


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318 


Pie pebtngungm ;u einer erfolgreichen (Stjieljung. 


Arbeiten unb Raffen, fo lange bie Sfraft 
reii^t unb mit ©ottüertraueu in bie 3utunft 
blicfen — nach biefem Slegepte lebte ich Don nun 
an, unb eS bot fiel) als baS eingig richtige er« 
wiefett. (2>at)eint.) 


Pie Priiitgitttgtn jti einer erfolg- 
reidjen <ft|iei)im$ mit Püdiftdjt 
auf unfer beutfdjea JÖcrk, 

®« $. 88 tti|er. 

(^ßublijirt auf »erlangen ber ©anntagf^uI>GonDentton 
t>«8 ©üb=3Minnefot«»2!iftnll8.) 


Z um erften ijt notbwenbig, baß unfere Uin» 
Cv- ber unb jungen Seute griinblieb gu ©ott 
' 1 betebrt werben, benit was mißen uns nn= 
belehrte ©lieber berütirebe, in welchen fein chrift* 
licheS Sehen ift ? 

Stt ber $ainilie, ba wo bie SBiege ftebt, ntiif* 
feit bie ©runbfteine gum San eine§ fittlidjeu unb 
religiöfen ©b^rafter» beS JtinbeS gefegt ifnb bie 
ßinber ergogen werben in ber 3“<ht unb ©r* 
ntabnung gunt §errn. $er fDtutter ©emütb 
trägt befonberS Diel gur Silbung beS ßittbeS bei, 
fowobf in leiblieber, als in geiftiger Segiebuitg. 

Slber man ift oft gu geneigt, in uitferer 3eit 
baS religiöfe Sehen in ber tffamilie Don ber 5J?ut* 
ter abhängig gu machen, ttnb beit Sater gti ent* 
febufbigen. 35ieS ift eine irrige 9lnficbt. Söater 
unb fDlutter ntüffen in Harmonie gufaiuinen 
mirfeit, ibre $inber fiir bett fjerrn in ber ßirebe 
gu ergiebeu, unb fiir fie beten, baß fie frühe beit 
Ferrit feniteu fernen. 

Oft wirb geffoat, bafe bie Sugeitb fo gleich* 
gültig fei gegen ©ott unb baS ©ebet; bat man 
fie aber auch früh genug barait gewöhnt? Oft 
lebt in unterer Sügenb bie wunbcrfic^e 3bee, 
baß baS ©briftentbum für baS Elfter, für $ranfe 
ober ©terbenbe paffe; ober tragen bie ©Item 
nicht itt Dielen fällen bie meifte Schulb ? 

©iebt eS feine ©Item, bie baS ©ebet Der* 
fäunten, feine gfamilieit in nuferer ,ftird)e, bie 
feinen Sramilienaltar haben unb wo ber füße 
9tame SefttS nicht einmal baS gange Saßr ge* 
uannt wirb ? 

$a -faitn man fich bettit leicht benfeit, wie eS 
in einer folgen Familie anSfieht. ©otteSfurcht, 
SReligion unb Siebe gnr Äirche fehlen; an baS 
£eil ber Seele wirb nid^t gebaut, unb ift eS ba 
ein SGBunber, wenn bie Äiitber ber Jabelfudjt 
anbeintfaOen ? 

3uerft werben bie ^ßvebiger getabelt, fobatttt 
bie ^fehler ber Stirne gefugt unb gefuttben; fer¬ 


ner bie ©oflefteit betrittelt, bie gar gu häufig 
feien, was in ber guten alten 3*it uidjt fo ge* 
wefen. 

Sei folcher ©rgiebung wachfen bie ftiuber auf 
ohne Sefebrung, ohne Achtung Dor beut Srebiger 
unb ber ^rebigt; ohne Achtung üor ©otteS Uiit« 
bern unb gotteSbienftlichen Sßerfammlungett; ja 
ohne 9lcf)tung Dor ihren eigenen ©Item. 

©chrecflidj aber ift bie Serantmortlicbfeit, 
welche folcbe ©Iteru auf ficb laben. 

ferner ift ber ©influß ber ©onntagfcbule in 
ber ©rgiebung unferer ftinber üott großer Sfflicb* 
tigfeit. 

Unfere ©onntagfchuleit foffeit nicht bloS reli* 
giöfe, fonberu fie müffeit f i r dj l i ch * religiöfe 
Schulen fein, wenn anberS bie Sugenb in ben* 
felben für bie Kirche ergogen werben fofl. 

SBeldjer ttlrt ber ©influß ber ©onntagfchuleit 
gegenüber ltnferem fird)li<ben Sehen ift, alfo 
wirb ficb auch ber ©barafter ber Sttgeub in ben* 
felbeit bilben. 

jDaber ift eS notbweubig, baß bie ^Beamten 
unb Sebrer gute ffUitglieber ber Jfirche fiub, unb 
eS ihnen fiergenSfache ift, bie Schüler itt ben 
Serbanb ber äirche fowobl, als gu Sefu gu fiib» 
ren. Uebernd füllte in ber ©onntagfcbule fireb* 
liebe Orbnung gepflegt werben, bamit bie Sugenb 
baran gewähnt werbe. SBill man aber in ber 
©onntagfcbule öerfebiebette Sebrmeittuitgeit 
ttnb Dränungen gutbeißen, ober gar felbft mich* 
machen, fo braucht mau fich nicht gu munbern, 
wenn unfere jungen Seute bielleicbt Merwelts* 
©brifteit, aber feine ©emeiitbeglieber werben. 

©ine anbere notbweubige Sebingitug iß bet 
fbftentatifche fatecbetifche unterricht' Pott ©eiten 
beS S«bigerS. 3 war ifteS bie Aufgabe ber 
©onntagföbule, religiöfen Unterricht gu ertbeilett, 
aber bie Arbeit in ber ©onntagfchule ift nicht 
geniigenb. 

Son ber SBicbtigfeit beS fatedbetifdjeit Unter* 
ricbtS war bie Stircbe noch nie mehr iibergeugt, 
als gegenwärtig. 

3fn nuferem firchlicheit JifatecbiSmuS finb bie 
fteilsuorfchriften fo furg unb bünbig gufainmctt 
gefaßt als möglich, nnb wo ber Unterricht griittb* 
lieb ertbeilt wirb, werben fich bie .Qiitbei einen 
©d)aß famnteln, ber ihnen für 3f>t nnb ©wig« 
feit gunt ©egen fein wirb. 

9febft bem $atecbiSmuS=Unterri<bt folleti wir 
linferen ffinbern ttttb jungen Seilten wo immer 
möglich Unterricht ertbeileu im $)eutfcb*Sefen 
unb * ©Freiheit unb in ber beutfehen Sprache. 
Sch bin fejt iibergeugt, baß etwas getban werben 
muß in biefer Stidjtung, wollen mir unfere jun* 
gen Seute bem beutfehen SDÖerf erhalten. SfBenit 
bie ©emeinbe int Staube ift, eine ©enteinbe* 
Sagfchule gu unterhalten, foflte eS uubebingt ge* 
fcheben; aber wo baS night gegeben fatth, ba 
füllten bie ^Jrcbiger bie Sebrer fein. 


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iänufeftüdu ans bem frben $ Snbrls. 


319 


©elbßberflänbiich erforbert bieS 3 e it, bielc 
Stühe Don Seiten beS iftobigerS unb eS wirb 
i(jm noch eine anbere Saft auferlegt. Aber eS 
lohnt fich bet Stühe. ©ut märe es auch, wenn 
für bie ertoachfenen jungen Seute Bbenbfcfeulen 
errietet werben tönnten. Die Jfugenb will Se« 
fcfeäftigung hoben- befonberS in ben langen 
SMitterabenben, unb S^biger unb ©(fern füllten 
Hug fein unb 3 eit unb ©eierenheit gut heutigen, 
um uufete liebe beutfehe 3 »flenb für bie beutfdje 
ftirche )u erhalten. 

Dann ift es ferner auch notbtoenbig, bafe Wir 
unferer 3 ngenb flute, «hriftlidtie, ben ©eift bil* 
benbe unb baS ©erj Derebeinbe Siteratur in bie 
©anb flehen — flute 3 eitf<hriftcu unb Sücher, 
beren wir in beutfeher Sprache bie $iiße haben. 
Die fdbäblidje, fliftige Siteratur beS Dage 5 richtet 
fdjred liehe Serheerungen an unfer ber lieben 
3 ugenb. Serfcljliefet man anch bie Dfeüre ba» 
gegen, fo f(hieben bie Agenten baä 3 cug unter 
ber Dljüre ober junt fünfter hinein. 3 ft es un« 
ter folgen Umftönbeu &u Derwunbern, wenn bie 
3 ugenb ber ffirdje Derloren geht! Saftt uns 
liniere Bugen aufthun unb nachfeljen, maS un« 
fere ffinber lefen. 


ferner follen wir auch unfere Sugenb anlei» 
leiten ju einem würbigeu ©ebrauch ber heiligen 
©afraniente. 0 wie wenig junge Seute gehen 
jum Bbenbmabtetifche! 2Bo ift’wohl bie Ur» 
fache ju fucheu ? 3in jugenblichen Sei(htfinn 
ober in ber ^ßflichtDerfäuinnife ber Gltent unb 
Srebiger ? Son SJeSlet) helfet e§, bafe er als 
7jäbriger ftnabe jum heiligen Bbenbmahl ging. 
Unfere ftinber int Slter Don 14—16 fahren 
foflten angefeitet werben baä heilige Bbenbmahl 
ju feiern. Dann fönten wir überall, wo eS fich 
tf)itn läfet, nette, bem 3wecf entfprechenbe Äircheit 
haben, fo bafe unfere jungen Sente ein nettes 
©eint haben unb es in SBahrheit gefugt werben 
fann: „2Bie lieblich finb beine SJohuungen, 
©err 3ebaotl)." DaS atfo angelegte ©elb trägt 
in ber fjfolge grofee 3fntereffeii. Gnblicf) ift noth* 
wenbig, beife bie ©emeinben recht „lirchlich" ftnb, 
Dor aßem bie SSorfteher, bie füllten ihre eigene 
ftirdje aßen anbern borgte ben. ftirchticher Sibe« 
raliSmuS ift fchon gut, boch barf er nicht ju weit 
gehen. Sifhof ©impfon Tagte einmal: „3f<h 
habe lein ßteefet meines ßtadjbarS Familie ebenfo 
tu lieben als meine eigene, nein, ich mufe meine 
öramilie mehr lieben als aße anberen." 


■m 


Prudjftädte mi 0 hm Arbeit Ijättbel#. 

gut §**$ «ab ©erb Don (£. Ctt. 


3 |ebeS @ebiet beS menfdjlidjen SSirlenS hat 
(g jg grofee ©eifter aufguweifen, beren fRuhm 
auch her Bachtwit belannt ift. So bie 
Slufil. 3 Ber fennt nicht bie Flamen ber großen 
Stuiiler, ©anbei, ©apbeit, Seethooen unb 9 Jto« 
gart? Unb unter biefen ©röfeen fleht ©änbel 
als ber ©röfeefte oben an ber ©pifee. Ginige 
Srudjftüde attS feinem Seben möchten intereffant 
fein. 

©ein ©eburtSort war ©aße in ©achfen, wo« 
felbft fein Sater ein Brat war. 9 Bie faft aße 
Stänner, welche in ihren ©ebieten ©rofeeS ge« 
leiftet haben, fchon in frühefter 3 fnqenb ihre Bn« 
lagen geigten, fo war es auch bei ©anbei. Der 
ffiang mttfifalifcber Snßrumente fchien ihn fchon 
als ftiitb auf befoitbere fEBeife gu feffeln. 

©änbel’S ©ater bemerfte biefe Sorliebe fiir 
TOufil, war aber feineSWegS froh bariiber. Gr 
meinte, Stufet fei fchon gut gum ?Jeitoertreib, aber 
als ©efdjäft tauge fie .nicht. ©ein ©ohn foßte 
lein Slufetant werben. Deshalb erlaubte er ihm 
nicht auf irgenb einem 3 nferumente fich au üben, 
auch fottk et lein Goncert befuchen. Bber auch 
hier aei™ eS fich beutluh, wie fdjmer es ift ben 
inenfdhliöhen ©eift git Inerten unb wie man, wenn 
man ein 3 i't erreichen wifl, immer Stittel unb 


Stege finbet. Oben in ber Dachftube beS ©än* 
belfdien ©aufeS ftanb ein altes, unferm heutigen 
Siano ähnliches Snftrumeut. 3u biefem fdjlich 
unfer junger ffreunb, weitn fein Sater bon ©anfe 
abwefenb war, unb übte fich ohne Sehret unb 
fonftige ©iilfSqueüen. 

GiueS DageS wollte fein Sater einen Sefudj 
bei bem ©rafen ©achfen «SßeifeenfelS abftatten. 
Der Heine ©eorg bat, bafe er ihn mitnehmen 
möchte, unb brefc Sitte Würbe ihm gewährt. 
Salb noch ber Bnfunft Seiber auf ber Sarg beS 
©rafen hörte man in ber Surglapefle eine mun« 
berbare fötnfif. Der ©raf trat in biefelbe unb 
fanb einen Keinen itnaben, ber ba fpielte. „Ster 
bift btt?" rief ber ©raf aus. 

„!ff<h bin ber Heine ©änbel aus ©aße," war 
bie Bntwort. 

„Sraoo," fagte ber ©raf. 

©ünbels Sater ftanb mit gornigem ©eftchte 
ba. Der ©raf aber wanbte fich an benfelben 
unb fagte: „2fbr Änabe hat ©enie unb ©ie thun 
unrecht es ju nnterbrüden. Soffen ©ie ihn ftfhu 
filer werben." 

Unb fo gefchah e§- ©ein Sater wifligte ein 
unb liefe ihn burch bie heften Stufillehrer feiner 
3eit unterrichten. 3efet mar et in feinem 


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Hu» einem irembeubtufye. 


320 


Elemente itnb ftubirte mit großem Gif ec, unö 
toie ju ermarten mar mit großem Grfolge. ©alb 
idiiv er im Staube, auf faft allen ^iiftrumentcii 
ju fpieleu, unb fein 3'fl mar, fid) jitm ©leifter 
aller mufifalifdjen Gompofitionen ju machen unb 
wenn möglich, fie ju oerbeffern. SDieS ua()m 
feine 3c<t fo in Hnfpruch- baß er oor beit HttS» 
fchmeiTungeit fo Dieter feiner juflenblichcn 3fit= 
geitoffen beiualjvt blieb. 

Hls er einunbjmaujig 3ahre alt toar, ging er 
nach Slorettj, Don ba nach ©enebig unb fpiiter 
nach '«Born. ©ier fing er art ju componireit, bocp 
haben feine Arbeiten aus biefer fi<h nie 
einen bieibenben 9tuf ermorben. 

2fnt 3abve 1709 lehrte er nach Ocutfdjlanb 
jttrüd unb hielt fid) an bett gefeit ber ©errfcher 
oon ©raunfdjroeig unb ©anttooer auf. ©ein 
9luf toar jeßt fd)on ein großer gemorbeit, unb 
beshalb toar man begierig, ihn auch anberStoo 
ju hören. ©ott Gitglonb her fönten Ginlabuttgen, 
bie fo oerlodenb mären, baß ©anbei befdtjlop, 
bortljin ju flehen. ©lit offenen 'linnen empfing 
man ihn, unb feine Steife burch biefeS Sanb mar 
toie ein Oriumphjug. Huf ben ©haßen rebete 
man üott ihm, bie ©lufifbanben fpielteit feine 
©tiide, in allen mufifaiifchen ©erfammlungeit 
toar fein Harne oben an unb bie ©iidthänbler 
unb SÖerleger machten glünjenbe ©efihäftc burch 
ben ©ertauf feiner StBerfe. 3mifdjeu ihm unb 
einem berfelben fiel folgenbeS ©efpräd) ttor: 

„©lein 0retittb," fagte ©äitbel. 

„Unb maS ift gefällig ?" mar bie Hntmort. 

„OaS uächfte ©lal mögen ©ie bie ©lufit fd)rei» 
ben mtb icb merbe fie oerfaufen." 

Uitterbeffen hatte Äöitig ©eorg I. aus bem 
©aufe ©aitnooer ben Oljeon GnglanbS beftiegen. 
Oerfelbe hatte noch nicht oergeffen, baß ©anbei 
einft ben ©of feines Kaufes oerlaffett hatte, unb 
ttm ihn ju ftrafeit, oerbot er ihm, am ©ofe ju 
Sonboit ju fpielen. Giitft jebodj hörte er etliche 
©lufifanten ein ©tiid ©äitbel’S aufführen, unb 
mürbe baoott fo bejaubert, baff er ihm oerßab, 
ihn an feinen ©of fommen ließ unb iljm eine 
flroße ©enfioit betoilligte. Oie ©erföhnung beS 
ßönigS üon Gnfllanb itnb beS ßönigS ber ©liifif 
erfüllte gattj Sonbon mit ffreube, unb man 
feierte biefelbe unter ßanoneitboitner uttb Sfflu» 
miitation ber Raufer. 

©anbei fchrieb Diele Opern, aber befoitberS ift 
er befannt als ber Hntor üieler Oratorien, b. b. 
Oarftelluugeu biblifcher, heiliger Greigniße burch 
©lufif. Huf biefent Selbe leiftete er fo ©ieleS 
itnb ©roßeS, baß man ihn ben „©ater ber Ora» 
torien" nennt. JÜUe feine ©tiide erfreuten fich 
beS Set falls feiner 3eit, aber bie meifteii oon 
benen, roeldjc er üor feinem fitnfjigften 3ah« 
fchrieb, finb ber 93ergeffen©eit attheinigefallen. 

Oreißig 3«h« einer fllünjenben mufifalifchen 
Saufbahn toaren üerfchmunben unb er mar ba» 


burch für baS größte Sßert feines SebettS Dor» 
bereitet. Sm oierunbfiiufjigften Sahre feines 
Seitens fchrieb er feinen ,,©äu(". ©alb barauf 
„Israel in Ggppten". ©eibe ©tiide haben fich 
bis jeßt erhalten, ©ein ©leifterftüd jeboch ift 
ber „©leffiaS". Huf folgeube SBeife foü bieS 
Oratorium entftanben feilt: Gr hatte eine be* 
foubere ©orliebe für Urlaub. Ginifle ©ienfchen» 
freuube Oublin’S baten ihn, ein Gonjert ju 
flebeu, um mit bem GrlöS babou Unßlüdlicbe, 
mclche ©chulbett halber in baS ©efeingniß ge« 
ratheu maren, ju befreien. OieS bemofl ihn, ben 
„©leffiaS" ju fchreibett. Gs fcheint faft, als ob 
eine höhere Sufpiration ihn babei geleitet hatte, 
©ott feinem ©erjeuSjuftanbe miihrenb biefer 3eit 
fagte er: „Gs freien mir, als fähe id) ben ©im» 
mel offen unb fähe ben großen ©ott felbft." 

Oer Grfolg biefeS Oratoriums toar großartifl. 
GtmaS berartigeS mar noch nie gehört toorbeu. 
Oie größten ©ule Onblin’S tonnten bie herbei» 
ftrömeube ©leitge nicht faffen. HlS jföuig 
©eorg II. baffelbe junt erften ©lale hörte, mar 
ber Ginbritd beS „©allelujab »Gborus" auf ihn 
fo gemnltig, baß er fich flanj Oergaß unb auf 
feine Süße fprattg. 

,,©ie haben aber bie ©erfamntlung gut antü* 
firt," fagte ein Gbelmann ju ihm am ©chluffe 
feiner erften Hufftihrung beS „©leffiaS" in Son» 
bott. 

„©lein ©err, eS mürbe mir leib thun, menn 
ich fie bloS amiifirt hätte, ich mollte fie bejfern," 
mar bie Hntmort beS ©teifterS ber ©lufit. 

©ein Seben mar ein reines, red)tf<hnffeneS, 
frommes, unb bieS ift mohl eine Urfacpe feines 
fllättjenben GrfolgeS. 2öet ba roill ein großes, 
gutes 2öerf thutt, baS bleibet, muß fid) loßreißen 
boit bem ©iebrigeu unb ©emeiuett. 

3n feinem Hlter mürbe er blittb, aber obmobl 
er leiblich ohne Sicht mar, blieb er hoch ein ßö» 
ttifl ber ©lufil. 

©ein äöuttfch mar, am Gharfreitag jn fter» 
ben, meil an bem Sage GhriftuS in baS ©ara« 
bieS eingegangen fei, uttb berfelbe mürbe erfüllt, 
bettit auf feinem ©rabftein ift ju lefett: „©tarb 
am Gharfreitag, ben 14. Hpril 1759." Hber 
miemohl er geftorben ift, lebt er noch. 


JUt$ fiiiftn frfuiöfiiluidjf. 


or mir liegt ein ©uch, mit einem nieblichen 
ßleibchen angetban, bei beffen Htifertigung 
auch baS ©olb nicht gefpart morbett ift.* 3<| 
fchlage baS Oitelblatt auf unb lefe recUs oben: 
„Svcmbettbuch ber Sami(ie. . .", in ™ ©litte 
ben ©pruch ©ebr. 12,2: „©aftfrei jn fein. Der« 
geffet nicht, betttt burch baffelbige haben etliche 



Bi g itized by 


Googk 



Hus einem fretubenbudje. 


381 


ohne ihr Vßiffen ©ngel beherbergt!" unten: 
„fmmroöer, Verlag üoit ©eine. geefc^e." 2infS 
bagegeu finbe idj eine feine, wohlgeluugene Sh 0e 
toflrapljie, rockte beit gaftfrcuubiidjen (iinpfaitfl 
lieber ©äfte feitenS beS©auSherru unbber ©aus« 
frau borftefit. 5)aS tütchfte SBIott bringt eine 
SBibmuna im poetifchen ©ewanbe, aus bev id> 
folflenbe feilen heruorhebe, welche beu 3ro«f beS 
SucheS beut lieb berratljcn: 

„IDer unter biefetn ftillcu Dach 
(Beherbergt ohne Ungemach, 

Der nehme, roenn er »etter 3iefjt, 

Diel Segen uub Diel ^rieben mit! 

Dod; etj’ er »ieber gebt biirdj’s lEfjor, 
Schreib’ er in biefes Bild? 31100t 
Sich ein unb feße andj babei 
«Ein gutes Sprüchlein ober 3»ei." 

Vun folgen eine flanje Stenge weißer unb 
leerer Slätter. ®od) nein! $aS ift nur jjur 
©älfte wahr! SEBeife unb leer waren bie Slätter 
bor bier fahren- wo ich meiner befjern ©älfte 
biefeS Such als Vngebinbe jitin SSßiegenfefte bar« 
braute. ©eute aber ift bereits ein drittel beS« 
felbeit betrieben mit allerlei wertfeeu Flamen 
unb fluten SEBorten in Srofa unb '^oefie. Seit« 
bem nämtidb baS ffrembenbuch im ©aitfe ift, ift 
ißm fein Ouartier im fofleitannten ffremben« 
jimmer anflemiefen worben. Sobalb nun ein 
Sreuttb beS ©aufeSSliene macht, feine ©erberge 
auch nur eine Stacht unter unferem $a<he auf» 
jufcfelagen, wirb ihm baS ffrembenbuch gebracht 
mit ber freunblic^ett Sitte, feinen Flamen unb 
Womöglich anA ein gutes 2öort gum Vnbenfeu 
an ben lieben Sefucf} einjufchreiben. deiner non 
ben Dielen ©äften, bie in ben bier Safeven ein« 
unb auSflcflanflen fiitb, hat fich flemeiflert, ben 
©aftfreuiiben biefen ©efallen ju thun. Unb fo 
haben wir eine ftrofte Vnjaljl ©rinnerungSaeichen 
erhalten, bie uns lieb unb wertfe bleiben werben 
ftir alle fommeuben 3 citen. ©inige babon will 
Schreiber biefer 3eil«n hier junt heften geben. 
Natürlich ift feiitS babon nieberflefchrieben wor» 
ben in ber SorauSfeßung, bafe es einmal juin 
Vbbrncf gebracht werben fönnte. $)och glaubt 
ber Schreiber, bah ihm feiner ber ehemaligen 
©aftfreunbe biefe Veröffentlichung übelnehmen 
werbe. 

Vn ber St>iße mögen bie finnigen SEßorte 
Rehen, welche ein naher Sermanbter beS ©anfeS 
eingetragen hat §u einer 3 eit, wo bie göttliche 
©nabenfonne für unfer ©aus hinter bunfeln 
Sollen oerborgen war. 2luf beu SRatlj beS 
VrjteS hatte nämlich ber ©auSfeerr im Sommer 
beS Jahres 1879 eine Sabefur gebraucht gegen 
ein hartnädigeS ©als« unb ein angehenbeS Stuft« 
leiben — ohne jeben ©rfolg. 21IS er nach ber 
©ur wieber ju feinem ©auSarjte fam, gab biefer 
bie ©rflärung ab: „3h rathe 3h»cn, baß Sie 


baS Ifapital, welches Sie burch 3h rc Sfrfon re» 
ßräfentireu, 3 hvev'öami(ie womöglich noch eine 
3eitlaug gii erhalten fliehen uub — ben Sinter 
int Siibeu jubriugeit." 2)aS war ein harter 
Schlag! Slit forgenichwerent ©eneu unb ©äugte 
ging ber Serurtfjeilte umher. 31 t biefer 3 e >t 
fattbte ihnt ber himmlifhe Cbcrarjt als ©ngel 
beS ürofleS beit lieben Serwanbteit ins ©aus, 
ber folgenben ßoetifchen Sdjeibegrufe jur ©r« 
quiefung feiner ©aftfreunbe hiuterließ: 

„Unwetter hat mich feftgchaltcn, 

Bei euch 311 bleiben über Reicht; 

Dod; hat n,is fdjon am anberu Ütorgen 
Die Sonne wieber angelacht. 

3 ft’s nicht ein Bilb pom Cbrifteii leben, 

Das uns aud; führt bureb manches leib. 

Bis als £rlöfte wir eiuft fchweben 
3 >n ©Ian3e e»’ger Seligfeit?" 

©in anbercr tßeurer ©aft, ben ber ©auSherr 
bor einer Dteifee bott 3 l 1 h«n in Sab ©ms fen« 
neu, fehlen uub lieben lernte, uub ber ihm feit« 
beut in treuer fjreunbfchaft berbuitben blieb, 
fchrieb bor feiner ©einireife bie Sßorte uieber: 

„S3ir haben hier feine bleibenbe Statt, fon« 
berit bie jufiiiiftige fliehen wir. 

Kommt, laßt uns munter roattbern, 

Der U)cg fürst immer ab; 

(Ein Sag ber folgt bem aubern, 

Balb fällt ber £cib iu’s (Srab. 

Rur noch eilt wenig tfluth, 

Rur nodj ein wenig treuer, 

Don allen Dingen freier, 
cSewanbt 511111 ew’gen CButl 

Vit irbifchen ©eilquelleit fanbeit wir unS eiitfi, 
auS bem einen ©eilsbrunneit fchöpften wir mit 
3 ?reuben, ber ©err helfe unb leite uns 311 bem 
Iebenbigen 2!ßafferbriinnen! $ieS ber hevjlidhe 
SBunfd) 3 hveS fiir alle erjeigte greunbf^ajt unb 
Siebe ftetS banfbareit ©elftes . . ." 

©in Dritter merther ©aft, bem bie ßoetifche 
Vber nicht fehlt, hinterliefe beim S^eiben fol« 
genbeu ©ruß unb SBunfd): 

„Kus gaftlidjem Ejaus 
gieh’ wieber idj aus 
Unb winbe (Sliicfwünfcfae 3um Strauße: 

IJTag Segen unb fjeil, 

UTag „bas gute Che>I" 

^ortleuchten bem freunblidjen ^aufel" 

®aii 3 anberer Vrt iji bie ©iuterlaffenfAaft 
eines aubern ©afteS, bem baS melancholifdhe 
Semßerament nicht ftreitig gemacht werben faun, 
unb ber feiner fchwennüthigen Stimmung VuS« 
bruef gab in beu SBorten: 

„Beute febeib’ ich, beute wanbr’ ich. 

Keine Seele weint um mich!" 




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322 


Pie gtlUtljqtit be« ßrliquienroefen*. 


9lbev mich an humoriftifdj angelegten ©äffen 
bat e$ nicht gefehlt. 9US 3«i»Ö«>U bafür mögen 
bie folgeubeu launigen 215 orte bienen: 

„Unb ybeitös im Dörflern, 

I)a fetjrf idj öurjtig ein, 

nämlich am 6. 2lpril 1882, cüier mein Surft 
würbe gefüllt unb für alle fieibeS* uiib ©eiiteS* 
nahrung unb fRotljburft bis jjuni 8. 2lpril ge* 
forgt. 9ln bieiem Sage fdjeibe id) aus beiu 
freuublid)eu ipaufe mit bem 2öunfd;e: 
cSefegnet feijt bu allejeit 
Don ber JDurjel bis 311111 IDipfel!" 

Sodj genug ber groben! Wöge jebeS gaflliche 
ftans beit Saooueileuben eine folche Sleibeftätte 
bereiten. (fRacbbar.) 


Pie PUitfyqeit öro JUliquieii- 
roefeuo. 

3 fir $««0 trab £erb bau «. ftlm«««. 


Sfr 111 10. Wobember biefeS S^heeS feiert bie 
\IL bie proteftantifche Utirche beit ©eburtstag 
beS großen SReformatorS S 0 c 1 0 r W a r = 
t i n Cutter. Unter ben Dielen Singen, wellte 
im Saufe ber 3faljrljunberte fid) in bie Äircfje 
einfdjlichen, ihr S um 3ü uc h unb SJerberben ge* 
riethen unb eine fReformation ber .(tirche noth= 
menbig machten, nimmt ber fReliquienbaitbel 
unb bie fReliquicnberehrung einen £>auptplaß 
ein, inbem berfelbe in ben erften ^atjr&unberten 
ber Äirche entjlanb unb im Saufe ber 3?'t immer 
mehr au Umfaitg gewann. 

Helena, bie Wutter beS ÄaiferS ©onjtantin 
beS ©roßen, begiinftigte bie ©utftehuug beffelben, 
inbem bei bem bon ihr betriebenen Sau ber 
Jfird)e beS heiligen ©rabeS, im 3af)re 326, an* 
geblid) baS ^cilifle Sheuj Gfjrifti aufgefuitbeit 
würbe, welkes wäbreub beinahe 300 fahren 
unoerfebvt im Sdioße ber Grbe lag. 

SBafjrenb nun in ber morgenlänbifchen Jtirdje 
bie Silberberehrung borherrfchenb war, würbe 
aber bie abenblänbifche Äirche bon ber 3 c it an 
in einem berhältni|niäßig furgen Zeitraum ttfat* 
tätlich mit ^Reliquien aller 9lrt überfäet, bis eS 
guleßt fauin eine Stabt ober einen Ort gab, in 
meinem nicht irgenb eine Reliquie git fiitben ge« 
Wefen wäre. 

SefonberS blühte betfüeliquienhanbel wäbreub 
ber 3eit ber Äreuggiige. Sie beimfehrenbeu $rie= 
ger brachten gern als Seweife ihres SiferS in 
ber heiligen ©acht unb als Sropfjöen ihrer Siege 
irgenb etwas mit güriief in ihre .fteimath, was 
mit bem allgemeinen ©nthufiaSmuS unb bem 


religiöfen ©efühl beS Softes in Serbinbung 
ftanb. Unb bei ber Seichtglänbigleit beS ber» 
bienbeten SolfeS war cS ja eine geringfügige 
Sache, irgenb etwas, was gewännt würbe, her* 
beijufthaffen. Safür forgten bie qSriefter unb 
Wöndje, bie beit ihnen barauS erwaihfenben Sor* 
theil wohl ertannten unb benüßten. SBaS fie 
nicht felber fabvigiren tonnten, baS fugten fie 
auf irgenb eine Sleife gu erlangen unb eS beit 
3lbergläubigcii als echte äilaare für fchwercS 
©elb gu bertaijfeu. 

3ebe itirdje war begierig, in ben Sefiß fol« 
dber $eifigthümer gu gelangen, ba ja felbft ein 
Sefdjluß be» jweiten GoncilS gu fRicäa (gehalten 
im 3öh« 787) bahin lautete, baß feine Stireife 
ohne eine Reliquie eingeweiht werben bnrfte, 
unb ba eS um fo bortlfeilhafter war für bie be* 
treffenbe Stirche, je mehr unb je erhabenere 9te* 
liquien biefelbe befaß, unb aud) qjribatpcrfonen 
wetteiferten, mit großen Summen ©elbeS, fi<h 
folche gu fichern, würbe eS tpatfächlieb gu einer 
allgemeinen Wauie, Reliquien in irgenb welcher 
3?orm unb ©eftalt im £>aufe gu haben. 

@S ift beinahe unglaublich, welch’ fabelhaft 
hohe Summen bereitwillig^ für biefe Singe be« 
afjlt würben. 2Sir geben hier nur einige Sei» 
piele. Subioig IX. be,white für eine Heine 9tn* 
jahl Reliquien 20,000 3Äar! Silber. 3tichqrb 
Söweuhev.t johlte eben fo gent für eine Heine 
Ulartie 32,000 Sutaten. ^leiitridh her Söwe 
brachte unter Dielen anbereu Singen ben atigeb« 
liehen Saunten beS ©bnngeliflen ÜRarfuS mit 
jurüct aus bem heiligen Sctnbe, wofür ihm bie 
Stabt Ißeitebig bergeblich 100,000 Sutaten an* 
bot. Submig ber ^eilige taufte unter aubernt 
bie angeblich echte Sornenfrone, melche ber 6r* 
löfer trug, für 13.134 Sutaten. SßJeitn man 
ben hohen 9i?erth beS ©elbeS jur bamaligen 3eit 
bebenft, fo muß man ftaunen über bie bereit« 
willigteit, mit welcher folche Summen berattS« 
gabt würben für biefe Singe. 

Natürlich tonnten bie jeweiligen ^äpfte in 
fRom cS nur mit Wißgunft unb Üitjufriebeuheit 
anfehen, wie biefe grojjen Summen ©elbeS noch 
allen anbertt flößen uitb in alle anberit Safcheit, 
nur nidht nach Soui unb in bie Safchen beS 5ßap* 
fteS flofjen. Wau richtete eS beShalb halb foein, 
baß bie heilige Stabt ber £auptmarft beS 9te* 
liquienhanbels würbe, inbem bie Reliquien bon 
jeßt an mit bem päpftlichen Siegel beglaubigt 
fein muhten. SBareit leine menfchli^hen ©ebeinc 
Dom heiligen Saube mehr borräthig, fo hieß e§ 
auch ba: „warum in bie Serne fchweifen, wenn 
baS ©ute liegt fo nah?" 3fn ben Äatafomben in 
9tom gab eS ja bereit genug. Sei ber 3 l <* 
fammenleguug ber ftnochen nahm man es nicht 
immer fo genau, fo baß aus SSerfeljen bielleicht 
einem Sfelett jroei rechte #änbe ober gwei linfe 
Qfüße beigclegt würben, wenn nur ber heilige 


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Pit piUtfyqrit bes Peliquirnwefens. 


323 


Soter feine ©anttion gegeben ^atte, fo war alles 
iit Crbnung. 

Wan weiß in bet SEhat nicht, worüber man 
fich mehr wunbern foll, über bie 9lbergläubigteit 
ober über bie Ceichtglaubigfeit bes armen be» 
tbörten mtb betrogenen '-BolfeS. ©leichbid, was 
ber betreffenbe ©egeuftanb and) war ober woher 
er tum, fobalb er bon ben gewiffenlofett ißäpften 
unb '-fkicfterit als ec^te ^Reliquie begeidpiet wor» 
ben war, mürbe er auch als ein wuubermirteitbeS 
©eiliglhum Derehrt unb angebetet. Stidjt allein 
bertraute man auf biefelben für bie ©rlafftiug 
bon Stiitben, fonbern auch für bie (Errettung 
aus allerlei geglichen unb leiblichen öebräng» 
nijfeit unb Üebeln. Wttiirlich mußten bafiir 
immer reichlich« ©elbfpeubenbargebracht werben, 
tnoburch baS arme 33olt auSgefogen, bie Koffer 
ber Äirdie aber gefüllt Würben. 

911S bie mertboollften Steliguien galten natür¬ 
lich junächft bie, welche in biretter ikrbinbung 
mit ber tßerföitlichteit beS ©rlöferS ftanben. 3m 
höchften 9tiifehen nach biefen waren $iuge bon 
bet heiligen fjamilie, fobann bon ben 9lpo|telu 
unb ben im alten unb neuen SEeftameute er¬ 
wähnten Sßerfoncu unb ^Begebenheiten. 

So fanbeit fid) in ©alle unter bielen anbereu 
bie folgenbeit Stoftbarteiten bor: 25 Vortitel 
bom brenitrnbeit ©ufche, ben WofeS fah; ©tiiete 
bon bem 9tltar, worauf ber heilige 3°hanneS 
für Warict Wejfe gelefen; SEheile bon Dtinben, 
baranf 6^viftuä mit bloßen Stuieen gebetet; 
Stiicfe bon ber 91r<he 9todh; 9tefte bon bem ©etc, 
baranf baS ©hriftuStiub gelegen; ebenfalls bom 
töeihrauch unb Wprrheu ber heiligen brei Kö¬ 
nige; bon bem SEBein, ben ©hriftuS bei ber ©och» 
Seit gu ©attet auS SBaffer gemocht; einer bon ben 
breißig Silberlingen, wofür ©^riftuS berfauft 
würbe; elf gange 2>ovneu unb mehrere ©titele 
bon feinet Konten frone; ©aare bon ber 3wtg= 
frau Watia; ber Ringer 3bbaitneS beS SEäuferS, 
womit er auf 3efutn gegeigt unb gefprochen: 
„Siehe, baS ift ©otteS Sainiii!"; ein Ringer beS 
ungläubigen &boma3, welchen er ©hriftö in bie 
Seite legte; ein falber Stiunbaden mit hier 
3ähneit bom 91pofte( fßauluS u. f. w. 

3» ©chaffhaufeit geigte man ben 9lthem beS 
heiligen 3ofeph, bon WcobemtiS in feinem ©aub» 
fchuh aufgefaßt. 91it einem Crte in Söürttem» 
berg befanb fich eine Schmttngfebcr aus einem 
tf lüget beS ©rgeugels Wichctel. 3» Wichen tonnte 
man ben 3toe! ber Waria, SEBiubelit, Schweiß» 
tuet) unb Stiitberljemb ©hrifti unb manches ber* 
artige feheu. SBefonberS gliietlich war fiubwig 
ber ©eilige, bet biele Willioneii sollte, um in 
ben öefiß einiger ©tiide beS heiligen StreugeS, 
einiger 9tägel bom Streug, beS Schwammes unb 
SßurpurtleibeS ©hrifti git gelangen. 

Wan fcheute fich nicht, nach bem 9luSfpru<h 
SchiüerS, „baS ©rhab’ne in ben ©taub gu gielj’n." 


©S gab ©aare, 3äljne unb Shränen bon ©hriftuS. 
2!aS heil'fle SMut war nicht nur tropfen», foit» 
bem auch flafchenweiS borfjanbeu. 2)en ©auef) 
©hrifti berfaufte man in Dericßloffenen Schach* 
teilt. Wau befaß Wibeln, Reiben unb IJtactjS 
ber Worin. 3hre ©aare waren in ollen mög» 
liehen Schattiruugen, ihre ijJantoffeln in aüen 
3?acouS in großer Wenge borhaitben. 3)ie ©ofett 
3ofepb’S hingen in Samberg neben bem fchwar» 
gen Stocf ber heiligen Shtniguube, in welchen 
mau ben .(topf ftedte, wenn man Stopf» ober 
3nhnfchmerg hatte. 3>n Stlofter in ©ilbeSljeim 
geigt man für ©elb ben Sfabl int ftleiftb, brr 
bent 9Ipoftel '-Paulus ein foldjeS ©inberuiß war. 
3n SErier würben noch bor wenigen 3af)ren biele 
91bergliiubige betrogen burch bie wunberwirleitbe 
Straft beS oeruteiutiitheu heiligen SHocfeS. 3>n 
J'ont gu Stöln ruhen bie angeblichen ©ebeine 
ber heiligen brei Stönige, welche noch iept biel¬ 
fach bon gläubigen Sewunberent als heilig be< 
trachtet unb uereijrt werben. 

91n anbereu Stößen tonnte man mit 9tugen 
fehen bie Körner WofiS; einen ©trnhl bon bem 
©terne, ber ben Steifen aus bem Worgenlattbe 
leuchtete; Wanna aus ber Söüfte; ben ©tein, 
mit bem ber SEeufel 3efum in ber Sßüfte ber* 
fuchte; baS ©cbmintfläfehlem ber Wagbalena; 
ehbaS bon bem ©lodenfchall, ba 3 e fuS in 3eru» 
falem eingog; ein SüdjSchen mit bem SBort, baS 
fyleifch warb; ben ®art fttoah’S; bie Stetten Setri; 
Salmgweigc bom ©iuguge ©hrifti in 3 f rufalem; 
bie eherne Schlange; fjobel unb Sohrer beS 
3ofeph; fognr einige ©eufger, bie berfelhe aus» 
ftieß, wenn er aftigeS |)olg gu hobeln hatte; ein 
©tiiet bon ber ©cpürge beS Schlächters, ber hei 
ber tRiirffehr beS uerlorenen ©ohneS baS Salb 
fchlachtete; ben ©chemel, bon bem ber&ohepriefter 
@li fiel, als er ben ©als brach; heit ©elbbeutel 
beS 3nbaS 3Kb tU 'ioth; heit ©tritt, womit er fich 
erhängte tt.f. w. 

Sei biefer Segierbe, in ben Sefiß pon 9teli» 
guieii gu gelangen, brauchen wir uns nicht bar* 
über gu wunbern, baß man fich bemühte, biefem 
Sebiirfniffe ttachsnfommeu, inbem man biefelben 
beroielfältigte. ®iefe Serbielfältigung hatte 
bann gur 3olge, baft mancherlei ©treitigteiten 
über bie ©chthfit her betreffenben ©egeitftänbe, 
fowohl unter ben Sertäufern als auch unter ben 
Sefißern berfelben eutftanben. 

Soit beit Dielen perchrteu ®ornen ber Slrone 
beS ©eilctnbeS tonnte man mehrere 5aufenb 
^ornenfronen gemacht haben. $er ©plitter bom 
Strenge 3efu gab es fo Diele, baß baS bagu ge» 
hörige ©olg nach Stlaftern berechnet werben 
müßte, ©in 9lehulichcS gilt bon ben 9tägelit. 
5ie iechS fteineriten SBaffertriige Don ber ©och« 
seit gu ©nun eriftirten in Doller 3ahl gu gleicher 
3eit in Wagbeburg, 9tom unb Stöln. ©S giebt 
fünf heilige nngenähte SRöcte, nämlich gu Slrier, 


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324 


Satt beeilte büß! 


Santiago, 9lrgeitteui(, Dom unb iriane, unb 
jeher Crt beroeift bitvch eine Sülle bie 9lerf)tbeit 
beS betreffenbeit DodeS. So ejiftirt ber Eilige 
$ionpfiuS gleichseitig 311 St. SDcui» imb St. 
Smeran; baju noch ertra fein Üopf ju Samberg 
unb ^ßrafl unb feine |>anb ju Wiituben. Sr be« 
faß bemuach jroei Seiber, fünf £>äitbe unb Hier 
Äöpfe. 9lbt WarolleS Don 9lmienS rief aus, als 
man ihm ein £aupt ^Johannes beS Käufers 
Seigte: „©ottlob, bieS ift fein fechfteS £>aupt, 
roelche» idj jit oerehren bq3 ©tüd babc!" 

Ueber baS 9luffinben ber Deliquien erfann 
man allerlei rounberbare Srjahlungeu, rooburd) 
biefelben glaubroürbig gemacht mürben. 3)ie 
Sugel, fomie 2räume unb Offenbarungen fpiel* 
teu babei eine große Dolle. So unglaublich, in 
lächerlich unb albern biefe Stählungen and) 
'mären, fo mürben fie hoch Don betu betljörten 
Solle im allgemeinen geglaubt, obgleich t)ie unb 
ba 3 *®eifel barüber ausgebrüdt unb gelegentlich 
bagegen gearbeitet mürbe. 

Äein Wimber auch, baß Seffergefiunte gegen 
biefen groben Setrug in ber Slirdje auftraten, 
unb baß befonberS sur 3eit ber Deformation üon 
fiuther unb feinen Mitarbeitern biefer Scßroinbel 
aufgebedt unb oerbammt mürbe. Wößrenb bas 
Deliquienroefen befonberS im Wittelalter blühte, 
giebt eS boch leiber auch in nuferer 3 e it »och 
Siele, melcbe bei allem Sicht unb aller Stuf» 
flärung noch an biefem mittelalterlichen Setrug 
fefthalten, unb Dor nichtigen ßieiberfeßen, Sup* 
pen unb Silbern anbächtig tuieen, um baburch 
Sergebung ber Sünben unb ba» emige Sebcit su 
erlangen. 

Wöge bie 3fit halb fominen, mo baS helle 
Sicht be» Wortes ©otteS unb bie Grfenntniß beS 
#errn alle 2 )iiufelheit unb 3 finfteruiß, allen 
$rug unb allen ^rrthum Don ben Söllern Der* 
treibe, unb fie belehre Don ben unfruchtbaren 
Werfen ber ginfterniß, 311 bienen bem lebenbigeit 
©ott! . 


Satt behüte Md|! 


^0 fpridjt Waneber su feinem guten greunbe, 
menn er Don ihm 9lbfd)ieb nimmt, unb bie 
* Wutter fagt’S 31 t ihrem Äiube, roenn’S ben 
Weg 31 m Schule nntritt, unb baS Weib fagt’S 
311 ihrem Staune, menn er an fein ©efdjäft geht. 
Tenn Diemanb roeiß, Doit roie Dielen ©efaifren 
ein armer Wenf$ auf Schritt unb Stritt um* 
geben ift, unb mie alle nufere Sorficht nichts ift, 
menn nicht ©ott feine fihirmenbe £anb gnäbig 
über uns unb unfere Sieben hüll. Silber roeil 
biefe treue Saterhanb unfichtbar ift nnb meift 
im Serborgenen maltet, ftub mir oft blinb gegen 


ihr 2Bohlth«n unb Schirmen unb bergeffeit all* 
3 iileicht bie 35aulbarfeii. Sprechen barum mohl 
auch: ©ott behüte bich! unb benleit taunt beit 
Sinn biefeS Wortes, baS boch ein ©ebet ift. 
Uub Staucher fpricht’S auch nimmer unb mürbe 
gar fpottenb über ben bie 9ldjfe(u 3 ucfen, ber noch 
eines ©otteS 3 U bebiirfeu meint, bamit er ober 
feilt Weib ober ftinb behütet merbe. Unfer £>err* 
gott im Fimmel aber läßt fid) burch folche Sthor« 
heit uub Unglauben nicht irre machen, fonbem 
thut, mie treue Sätet unb Wütter thun, bie ihre 
Siubet befchirmen, gleichbiet ob biefe ber ©Item 
Siebe erlernten ober nicht. Wnncbmal aber ftellt 
©ott ein (Stempel auf, um auch beit Uitoerftän* 
bigen unb Sliuben 3 U feigen, baß er lebt unb 
baß feine Saterhulb eS ift, bie über Sitten unb 
Serftefteit uns arme Wenfdbenlinber muitberbar 
behütet, llnb folch ein Stempel mill ich hier et* 
Söhlen. 

9luf ber Sahn, bie boit Hamburg nach Senlo 
geht uub bis Saris reicht, ift ein Sahnmärter 
ftatiouirt, ben Dielleid)t mancher ber Sefer, ber 
etma auf jener Sahn burcß’S &annöDerf<he fuhr, 
fchon an feinem WärterhäuSdjen gefchen hat. 
$a ftanb er, menn ber 3 ug borüberfuhr, fersen* 
gerobe auf feinem Soften unb gab baS Signal, 
baß auf ber nächften Strede, bie feiner Sluffidjt 
anbertraut ift, 9llle3 in Drbnung fei. 91 ber auf 
feinem 9lngeficht mürbe, auch menn ber 3ug nicht 
fo fchuell jagte, fd)roerli<h ein Weufcß lefeit fön* 
neu, melche munberbare Semahrung biefer Sahn» 
marter Dor jhirsent erfahren hat. $er Winter« 
froft mar fchon bereingebroeben, maS im borigen 
3ahre frühe gefeheben ift, — ich Weiß nicht, oh 
eS Snbe Doüember ober in ben elften 2agen beS 
üecember mar. 2 )a ging unfer Sahnmärter 
9lbenbS feine Sahnftrede ab, 11 m, roie eS feine 
Sflicht ift, 311 unterfingen, ob 9lllcS in Crbnung 
fei, beim in Uuneni follte ber Sthnellsug biefe 
Strede paffireit. unb roie er 311 feinem Wärter* 
häuSchen. surüdlehrt, ba mirb er plößlicß Don 
sroei Schürfen überfallen, bie in ^einbfebaft 
miber ihn ftanben unb ihn bei Seite fchaffen 
moflten. $iefe iibermannen ihn, fnebelu ihn, 
Derftopfen ihm ben Wnnb, baß er nicht fcfjreien 
fann, roerfen ihn quer über bie Sahnfdjieneit 
unb binbeit ihn ba an biefelben feft, fo baß ber 
nächfte 3 ug, ber in jhirsem fonimen mirb, beu 
Ungliidlidjen sermalmen muß. Sr ift ein ftinb 
beS iobeS. 91ber ber barmhersige ©ott lebt, ber 
treue ©ott, ben beS Ungliidlichen Weib, als er 
an fein ©efdjäft ging, mohl mochte angernfen 
haben mit bem: ©ott behüte bich! 

Sie ift, mähreitb jene Untljat gefdjiebt, allein 
in ihrer £iitte. Unb roie eS 9lbenb gemorben, 
ergreift fie um ihren Wann eine Seforgniß, 
meldhe fie fid) nicht erlläteit fann. Sie mirb nn* 
ruhig unb immer unruhiger; fie fann nicht mehr 
311 £>aufe bleiben, fonberu muß nach ihrem 


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Sn 2d)ottrn. 


325 


SWamte feiert. ntiife ihm.ftmaS SBavmeS 
mitnefjmen, beitft |ie, beim er roirb frieren, be« 
reitet baber fchitell eine» (jcifecn Ifaffee imb macht 
fi<h mit ihrem Stopf eilenbS auf beit 2öeg nach 
beut 28ätterljituS$en. Sie geht nicht, fonbent 
fie läuft, bott Sangigfeit gejagt. (Snblith ift fie 
ba, eilt bcn tBahnbainm hinunter, tritt in’» 
ffiärterh«ti§<hen, aber bas ift leer. «Sie erfchridt. 
2öo ift er ? Sie ruft nach ihnt tinb fRiemanb 
autmortet. Sie läuft nach recht» tutb liiilS; er 
ift nidjt ba. 2>er 3«fl fommt; fdjon hört fie baS 
flendjen ber nahenbeit Sofomotibe, unb er ift 
nicht auf bem Soften! nantenlofer 91ngft 
eilt fie, (aut beit Wanten ihres fDtauneS rufenb, 
nach beut 2BärterhäuSd|en jpiriid. 2)urdj bie 
$unfelheit leuchten ihr bie glttheiiben 91ugen ber 
Sofomotibe entgegen. 2>a fährt eS ihr bttrch bie 
©ebanfen: Ter ielegrnphennrtn muh jefet ge« 
jogen tverbett! ©efdjieljt eS nicht, fo fommt mein 
aWunn.iii ©träfe! Unb fie tritt ait bie Signal« 
jtange unb jieljt eilten 9lrin. tßlöplidj ftel)t ber 
3ug ftill, flanj nahe bor bem SöärterhäuSdjen. 


Sie hnt beit falfchen 2elegraphmarm ge« 
jogett, ben, welcher baS Signal jttm Rotten giebt! 
©ott hat ihre fjctitb gelenft. 35er 3ugfiihrer ift 
herabgefprtuigeit, eilt herbei, fragt: 2SaS ift 
paffirt ? <5r ftttbet feilten ©ahnmärter, fonbent 
eine jammernbe fjrau, bie angftbofl fingt: 3$ 
finbe meinen Wann nicht! — 9hm toerbeit Setter» 
nett geholt, man ruft, man fiuht bie Sahitftrede 
entlang. $a finbet man ihn gefttebelt, mit ber« 
ftopftein ÜJJunbe, quer über bie Schienen ae» 
btiitbeu, mehr tobt als lebenbig. 3n einer 39ii= 
nute ift er befreit, gerettet. 3>aS bebenbe 2Beib 
hat ihren 99?amt toiebergefnnbeit. 35er 3ug fann 
paffiten! — 3^t finb bie Dförber bon ber ©e» 
redjtigfcit gefaßt unb harren hinter Schloff unb 
ütiegei ihres UrtfjeilS. 

So behütet ©ott. 2) a r tt nt i ft e S f e i n 
finttloS ffiort, fonbent ein Gtebct, bas 
erhört m i r b, lo e tt tt ein 39t e n f dj bie 
Seinen bem treuen ©ott befiehlt 
mit bem ©rufte: ©ott behüte biefj! 


-■*>---*- 

|m Sdjattm. 


Oildfei ßnb Me ftirdjtn ber SB eit? Sie 

grbfiefte Äircfie in ber ©eit ift bie $eteröfirc()e 311 
Äom, 311 bereu 2lu$bau im feebäaehnten Jabrbunbcvt 
fo Diel (Selb nothig mar, bajj man in SHom befrfdofe, 
einen großen 9lblab auSaufdn'eiben, burd) beffen 
SBerfauf bann ber 9 M 6 ttd) Martin Luther auf ben 
©cbauplafc gerufen umrbe. Sie ^ßeterofirebe bat 
Manin fuv 54,000 SMcnfdten. Ser Sein au 3 Hai^ 
lanb fajt 37,000, ©t. $atili 31t dlom 32.000 , ber 
ftölnerSotn 30/000 3 Renfd)en. $U 3 baun folgen bie 
$aul3fircbe in fionbou unb bie Sßettoniiiofivcbe in 
^bologita, meldje je für 25,000 9 Rcnfcbcn $lab bie¬ 
ten. Sie „©agia Sophia" in Äonftantinopcl, iefet 
in ben ©änfcen ber Surfen al 3 „©ophienmofdiee", 
fann 23,000, ©t. 3 obann im Lateran 3U 8tom 
22,000, SRotrc^Same 311 ? 5 ari 3 21,000, ber neue 
Sem in 9 ceto £)orf 17,500, Der Sont pott $ifa unb 
ber ©tephanS = Som in ffiicn ie 12,000, bie ,ftird)e 
3tim heiligen SominicuS in Bologna 11,400, bie 
grauen fitübe in üRündwt 11,000, bie 9 Marcu$fird)c 
tu Seuebig 7000 3 Renjd)cu auf nehmen. 

Irfmif * €ffer. Opium wirb bier3ulanbe leiber 
Don 3Rcmneru unb Seinen oller ©d)id)ten ber ®e= 
Dotierung alS ©timulan3 gebraudrt, bie suerft au* 
aenebni anrent, fpäter aflerbingS 311 Dollfommcnem 
förperltd)en unb neiftißen Stuhl führt. SOiit ftrfenif 
Derhält ftd) anber^. Serfelbe wirb Dor3UßSweife 
Don grauen eingenommen, um ber 3)?aaerfeit ab- 
3ubelfeu, ber ©aut eine }(böne ©lätte unb ben Jluoen 
@(an3 au uevlcihen. 

Sr. 3)?ott in 9?ew ?)orf thcilt ben Soll eines 
imiften SabenmäbcbenS au5 ber 6. $lDenue bafelbft 


mit, ioeld)cr Don ber Sirectrice fleratben toar, ftvfc* 
nif in fteioenben Sojen 31» nehmen, „weil fie aar 
31t utafler fei, unb baburd) bie Käufer abfdweae/ 
5luf ''Öcfntflen wibenieth ber 9lr3t ßans entfd)ieben 
ben öiemtft bc^ ©tfte^. s Rid)b3beftoweniaer bemevfte 
er einige URonate fpäter, bab ba3 iunße 9)?5bd)en 
beleibt geworben war unb eine ßlän3enbe ©aut bc- 
Taft, lieber einiae 3Ronate fpäter fanb er fie nicht 
mehr in bem ©efdjafte. ©atte fie suerft Slrfenif qe^ 
nommen, um ihre ©teile nid)t 311 Dcrlicvcn, fo mußte 
fie itad)hcr bie ©aben übertrieben hoben, benn fie 
war entlaffen worben, weil fie einen ©autfcblafl er¬ 
halten hatte, ber bie ifäufer abfebreefte. 

aiebt aber aud> eineIDfenße ?lrfcnifefferinnen, 
ioeld)e biefent Safter fröhnen, ohne burd) ben ÜBunfcb, 
ihr tätliches 93rot 311 erwerben, ba3u getrieben 311 
fein, ftennev behaupten/ bafj Jluimfrauen in fpätc^ 
reit fahren 3» bicfein 3)?ittel greifen, um fid) ber 
SRanncvwelt intereffant au madhen, unb warnen Dot 
loci her, aber atifgebunfencr©aut unb ungewöhnlich 
glanseubcu Singen. 

Äudj fiu Peutf(|er Brief. 6in Seutfd)er, ber 
burcbauS nicht mehr beutfd) in biefent 8anbe fein 
toollte, fdnicb neulid) Don ßinciunati au§ jjolgenbe^ 
nad) ber alten ©eirnath: rfSielbcloDcb ©dnuefter! 
Go finb nun nahezu fif^ ?|ichr fitt3 ei bin hier in 
bi3 Guntvp. Wk\ biehr ©dnoefter, Sn beliefft gar 
nid)t, wie gut id)’3 hier leife thu. Gi bin jefet Dier 
S^ier gemarriet. ?(ltogethcr haben nur iefet Dier 
©dtilbern unb fiep ei unb mci 2Bcif gefunb, bann 
friegen wir fuhn ba§fünfte. war unteren* 
tenfcbcitr cin^ Don be ©chilbcnt betnen 9!amen su 


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326 


3m Sdjatien. 


geben, fcut 6i3 babiit maren ftc alle ffltuS unb bit 
mußt und für feil ejcufe. Si morf aflemeil an ©eb= 
ter8 mit höbe ©ielä unb mei 3Bcif tfeut ba$ ©titfdien! 
Unfer Ment ift ten tafelet ber Mfoitat for bvei 
MuhinS. Soffen fjrcb bat itnS laft 2Beef aSifit ge* 
paib unb mar for ©age feei nnS; ba3 mar mutfefe 
SspeitS für un$ unb morfen fonnten mir nidit unb 
menn mau nicht morft, geht man in’3 ©ierbau3. 
Si fein noch immer von ber Mofdien £ eueb mal in 
©bermaut) au oifiteit, feilt mei 9QBcif itt bagegen; fie 
faßt, if ei geh, bann acht ftc tuh, bu fiebft, biebr 
©ehmefter, bafe irf> ^icmlicb feft geleit bin, aber neuer 
minb, ei geh cS bod) nit auf. 9tcit fubn mieber unb 
laß miefe miffen, ob bu nodi ein Mofdien baft, nad) 
Slnterifa au fommen. ©er g-reb tahlft viel oon bir 
unb faßt, er tbut mdrrien, menn er eine frieren fann. 
Sonfiber mal barüfecr, 8i3bcth, ber grob bat SD?onet> 
unb maefet icben ©ag ein ©är of feine ©ootS. ©o 
motfefe for beute unb loenu ich mieber reit, bann reit 
ich mobr. 

©ein ©ruber forcoer ©. ©." 

©o fcfemäfeen Diele ©cutlcfec, melde 15—20 3abre 
im 8anb finb. £ier bat nun einer fein Kaubermelfcfe 
Au Rapier geferadit. 

2a§ ftrruj not bem Kamen. Sbe König 8ub= 
miß XII. pou graufreiefe ben ©bron l'eftieg, batte er 
eine Mtcnge geinbe, bie ibm allerlei $cracleib äuge- 
tban batten. $113 er König marb, fchrieb er liefe 
ifercr aller Manien in ein ©liefe unb machte ein Ktcua 
babinter. ©ofealb fie bicS erfuhren, flohen fie, meil 
fie baSKreua für ihr ©obeSacidien hielten. ©er 
König liefe fie unter ber aJcrficfecrung feiner ©nabe 
Aurüarufen. Muit fragten fie: „aßaS foll beim ba3 
Kreua feei uuferen Manien feebeuten ?" Der König 
antmortete: ,,©a3 ift ba3 Kmu Shrifti. 2Bo mir 
bie aSergebung au8 mir felfeer fauer mürbe, feilte 
mir ber au ©ilfe tommen, ber am Krcuae für feine 
Rciube geftorben ift." — föaft bu fdion baran ge* 
Dacht, neben ben Manien bcincS geiubeS in beinern 
©eraen auch ba3 Kreua Shrifti au fefeen ? ©hue e3, 
unb e3 mirb Aum ©ergeben auch ba$ ©ergeffen unb 
noch mehr tommen. 

diur neue Spraye. 3n benienigen rf>incfifcf>en 
©eeftdbten, meldje bdufia oou Sngläitbern unb 
Slineritanem feefuefet narben, hat fiefe feei ben Sin* 
geborenen eine neue 2Kif<h* Sprache gebilbet, ba§ 
“Pidgin-English”. ©ie meiften 2BÖrter bevfelfecn 
finb englifcheu UrfprungS, ©raminatif unb ©putaj 
finb ber cfeinefifdien Sprache entlehnt. 23ie bie 
efeinefifefee fennt auch bie ©ibginfpraefee feine ©efli* 
nation unb Koniugation unb bie fprachlicfeen ®e* 
Aiebitngen ber Safetbeile merben burefe bie »erjefeiebene 
äneinanberfügung ber 3Börter auSgebrüdt. 9Se(cfe 
eine aSanblung unb Korruption aber bie englifdien 
SEBörter erlitten bafeen, jeißt ber Marne ©ibgin fei feft. 
Sr mirb uon bem englifdien “biiBiness" afeßeleitet, 
fo bafe fljibßin = Snalifrf) fo Diel t'ebeutet alä©e- 
fd)dft^ 5 Snalifcf). ©en Sbinefen bereit et bie Sr- 
(ernuna beS ^Sibfliu nsmiß ©dnoierißfeiten, ba fie 
nur 28orter au^meubia au lernen haben, unb bie 
Europäer leiften ber iluäbrcitunfl beffelfeen allen 
möalidien 5}ovfcfeufe, meil fie e6 Diel leichter alö ba§ 
Sbinefiuhe erlernen, ©aber aeminnt bie a>ibßin= 
fpraefee im Oftcn Mfienö allmdblia biefelfee ®ebeu= 
tuitß, meldje cinft bie lingua franca im Orient 


hatte, ©efeon Acißen Tufe bie Anfänge einer $Bibßin= 
Siteratur; ein Siißldnber, 9Kr. 8elanb, oeröffents 
lid)t eben einen ä3anb ©efdiiße unb SrAdblunßeit 
in ber aSibßinfprad>e, unb ein anberer, Mir. ©imp¬ 
fen, erfldrt eä für nothmenbiß, au^ bie aiifeel in 
bie neue Sprache au übertragen. 

Sin finfl glürflirfer^ ^ifb^pünfent nnglufli«! 

burcfe’d ©lad: 

©ie mar einft fduni — nun ift fie alt, 

Miitfe arm unb clenb fterfeen; 

©ie ßiufte fo gern in’o ©pießelglaö — 

©ie Sitelfeit mar ihr ajerberfeen! 

Sind) Sr, ben in ber ^iißenbjeit 
Sinft ihre Ciefee feeglücft hat, 

Huch er ift elenb, meil er in’S ©laS 
3u tief unb lang gcblicft bat. 

SifeerAfrigeii. SBeSfealb merben bie ©aare auf 
bem Kopfe eher grau, al3 bie im 33artc? — 3SeiI 
fiejmanaig ^afere älter finb. 

3Beld)C'3 finb bie flemften f^ifc^c ? — ©ic ben 
©dimauA Atuiddift am Kopfe bafeen. 

3Ba3 tonnen oierfljfcrbe nidit auf einen Scrg 
gichcu? — Einen Knäuel 3mirn. 

2Kie fann man 3-lcifdj einfalacn, bafi e3 gut bleibt 
lmti einem 3abr gum anbern? — Miau fal.;c e3 am 
©ptoefterafeenb, bann bleibt c3 gut fei3 aum anbem 
Saht. 

äßie fann man mit mcificr Kreibe fd)umra }cferei= 
feen? — Miau fdjreife ba3 äSort „fdnoara". 

Xeufe flfbeii traurigen Saferen. ®a3 ephemere 
Königreich aScftpfealen mar aufammengcfevodien, bie 
Rransofen maren »erjagt unb bie fleinen beutfdien 
gürften feinten in ihre 8änbet anrücf. ©o that c3 
auch Kurfürft 28ilbe(m II. »on ©effen im 
1814 unb an bet Sanbe^greme mürbe er oon teineii 
Uutertbancn empfangen, ©er, ireldier bie Sut= 
pfangSrebe halten follte, mar ein efeenfo einfältiger 
al3 hod)müthiger ©ut3fecfifeer. „Mach fiefeen traiu 
tigen fahren" — hob er feine einftubirtc Mebc an, 
aber — ba mar and) ber Sabeit alle, ©er freunb* 
lid)e 8anbe3berr mellte ibm helfen unb feufate: „3a, 
nach fiefeen traurigen 3ahren!" — „Mad> fiefeen 
traurigen 3nbren" — hob ber Mebner mieber an, 
tarn aber mieber nidit meiter. ©er Kurfürft frug, 
um ben aWaitn nidit gana in aSerlepenheit au ferin= 
gen, nach feinem Mamcn. „©ut3be|ifecrg*oddmann 
—©mrlilaucfet—nad) fiefeen traurigen 3«hrcn—.* 
?lfeer ber 9Sinb batte ben in ber Sile errichteten 
Ehrenbogen, ber nidit febr feft ftefeen modde, ing 
aSanfen gebracht, ber Kurfürft minfte bem fteefen 
gefeliclMmen Mebner au unb rief: „3ufahrcn, Kut= 
fdier, fonft feridit ba3 adite traurige3nhr herein!" 
Unb fauiu mar er unter bem ©ogen loeg, ba ftürate 
berfelfee aufammen. 

©erliu mirb uädkflntg einen „Künftler" au fehen 
feefoinmcn, beffen ©diäbel nodi umcrferedilid^er au 
fein jefeeint, al3 ber unfereS hochgeehrten englifchen 
®afte3, be3 ©reiöfämpferS „Sug" äBilfon. Unter 
ben „©pcAialitätcu", meldic fidi in ber fommenben 
©aifon in einem ber bieje3 ftadj pflegenben ©cr= 
liner ©beater probnairen merben, feefinbet flÄ ndm= 
liefe ein Künftler, ber mit bem Kopfe „arbeiten" 


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$u gaufe. 


327 


wirb» inbcm er bem ©uhlifutn von ber foliben Sau« 
art feinet Schäbelt bie ühergeugeubften ©eweife 
liefert. Gr fdftägt mit bem $oyfe ohne irgenb welche 
Vorbereitung pfiffe auf; er gertrümmevt bavatt einen 
bitten 8aib ßäfe, uub wirb mit Seidftigfeit ben 
SBiberftanb überwinben, welchen ihm ein auf einem 
©eftell befestigtet — Si3vctt entgegenfebt, inbem er 
et, mit betn itoyfc barauf lotgchcnb, gevjyUttcrt. 
J&offentlicb bereiten biefe erftaunlicheu fiunftftude 
bem betreffenben „Glrtiften" niefjt vielffoyfgerbrcdjen. 

Vllttmtoorte turn ©itigot, 2ljler« tml Si$«arcf. 

Ser vormalige fransöfifa>c SKiniftcr ©uigot hatte 
in ein SUhum gefdjriebcn: „3n meinem langen 
fieben habe ich gwei ©kithcittregclii gelernt, bie 
eine, viel gu vergeben, bie anbeve, niemals gu ver* 
aeffcn!" Ser feine Shiert, ©uigott langjähriger 
SBtbcrfadjev, hatte baruntcr gefebt: „Sin wenig 
©ergefclichfeit fchabet ber Glufridftigfeit ber 33er* 
gethung nid)t." Ünb wicbcr baruntcr fteht von ©it* 
mareft &änb: *3d) meincrfeitS habe im Sehen ge* 
lernt, viel gu vergefieu uub mir viel verleihen gu 
taffen!" Siefe brei Gingekhnungeu finb in ber Shat 
überaus begeidjnenb. 

3itbift^bftttf<r ®jirüd|ttiirtcr. Gin GJabeüodt ift 
nicht gu tleiu für stoei greunbe, uitb bie gange SBclt 
ift nicht breit genug für gwei geittbe. 

©in böfet SBcib ift fdjlimmer alt ber Sob. 

©in tugenbfameS 3Bcib ift feiten sit finbeit. 

9Ri§ ben 3 üben mit ber groben, unb beuGbriften 
mit ber f (einen Glle. 

2Bat gu viel ift, madjtt fchlimmer. 


3« i 

gür Hau# uub Herb 

2*8 tiefe Stirnen. So tmmberbar bie ©ehauy* 
hmg crfcheint, bab cS nicht viele ‘üSenKheit giebt, bie 
richtig su athmen verftchen, fo wahr ift fi: hoch. 
23er eS weil, bab ber fünfte Sheil aller GMcnfdjett 
an einer Sungenftanfheit ftirbt, unb bab bie gröbere 

t älfte ber Snngenfranfheitcn burd) vernachlaffigteS 
thcmholeu cntftcht, ber wirb getvib gern lernen, 
richtig gu athmen. Unferc Sunge fangt, wenn wir 
etnathmen# bie 8uft, wie ein Schwamm baS SSafter, 
in fich auf. Ser Sheil bev 8uft, wcldjer sur Sr* 
haltung uuferet Sebent nothweitbig ift, ber Sauer* 
ftoff, wirb burd) bie Sunge mit bem 2Mutc, )oeld)eS 
burch ftc hinbuvdntrbmi, verbnnben; ber anbere 
Sheil, ber ÄoMcnftoff, geht burd) bat Gluthauchen 
wieber fort. 3* mehr Sauerftoff nufer ©lut auf* 
nimmt, befto heuer wirb ct; burefj ben Sauerftoff 
werben alle ungefynbcn Seifte, bie etwa in unferent 
Äorver finb, gereinigt. 2ßir müffen baber recht viel 
8uft einatbmen, bamit tmfere 8unge bemgernäft 
eine red)t groftc Portion Sauerftoff an bat ©lut 
abliefem fann. uÖemt nur nid)t tief athmen, bann 
witb nur ein Sheil nuferer Sunge. in ©ewegung 
gefeit; ber anbere Sheil, hauytfädftid) bie Sungcn* 
nnfcen, bleibt unbewegt. 3n biefen lagert fid) aber 
gcrabe ber Staub, weUhcr mitiebem Glthemguge ein* 


Sat ©ehet ohne 2(ufmerf}amfeit ift wie ein Seih 
ohne Seele. 

Sie ©eränbevung ber ©ewolmhcit ift ber Ginfang 
einer ftranfheit. 

Glllet ift fd)on, waS su feiner Beit gefdjicht. 

2öcnn bie 3tcqc mit bem ©antber frieblid) woh¬ 
nen wirb, bann wirb aud) bie junge grau mit ber 
Schwiegermutter übcrciufommcu. 

65eftohlenct ffiaffer ift füfe. 

Sd)au nid)t auf bcuÄrug, fonbern auf batienige 
wat brin ift. 

Ser ©fenuig in einer leeren glafdje giebt einen 
groben Älang. (©on einem ©rahlcr.) 

Sat üDieffer ift gefährlich in ber Hanb einet ©er* 
ftänbigeit, nodj viel mehr in ber ©anb einet Darren. 

3* ler öertilguug von gurftnotr! fmb bie ©er. 
Staaten, namentlid) beten vornehme grauen, allen 
anberen Säubern weit voraus, ba hier mehr alt baS 
Soyyelte an Süftigfeiten verfdftucft wirb, alt in ber 
gangen übrigen 2t3elt. 3tew?]orf unb©ofton allein 
ergeugen jährlid) 30 ^Millionen Butferwevf aller 2lrt 
— gmn groben ©ewimt ber Bflbitärgtc uub ber Glergte, 
bic gur Heilung ber „Sytyeyfic" gerufen werben. 

M gri|**fffr|e*8. Ser Untcrfrfneb 
gwifdnm bem Glnfftebcn um 6 Uhr unb um 8 Uhr be* 
trägt in.40 3ahvcit 29,200 Stunbeu, ober 3 3ahre, 
129 Sage uub 16©tuubcn, ober 8 Stunbcn bet 
Saget sehn 3ahre lang, fo bab bat Glufftehcn um 
6 Uhr in Hinfidjt ber ©efd)äfte eben fo gut ift, alt 
lebte man gehn 3ahre länger. 2Ufo merft’S euch, 
ihr Sangfdjläfcr! 


a « ft. 

von einer gangfran. 

gefogen nürb, ab. ©ei ungeftortem Siegen verbin* 
bet er fid) mit bem Sungenfpeichel, wirb fiebrig unb 
flebt bie eingelneu Sungcnvorcn gufammen, fo ba§ 
biefer Sheil allmählig bie ffraft berliert, fidi aut* 
gubehnen. Siefe fogenannte 8ungcnverbid)tung 
fdweitet bann immer weiter vor, bit enblid) nur nod) 
ein gang fleiner Sheil ber Sunge im Staube ift gu 
athmen. Siet ift bie gewöhnlidjfte gönn ber Sun* 
gcnid)winbfud)t. SBerbcn bagejgeit burd) tiefet Glth* 
men alle Suugcnthcilc in Shätigfeit gefefet, fo fann 
ber Staub nid)t fcftflcbcn, fonbern geht alt Sdftcim 
burd) bie Sftafc ober ben 9Kunb (beim Sycicn) wie* 
ber ab; bie Sunge bleibt immer rein, unb ber gange 
Äbvver babuvd) gefunb. 

ttrlrr lot richtigr Sinat|men. Sind) bat Glthmen 
ift eine fiunft, bic bei nuferer ber GJatur fo vielfach 
eutfrembeten Sebentweife gelernt fein will. — Ser 
glfufliehe SRcifcnbc, ben feine gerieugeit an beni 
Straub bet GOJecret ober in bie buftigeu Sßälber 
führt, geuieftt fchon unaufgeforbert bie helebenbe' 
Suft „in vollen Bügen," bie ihn für viele Sage, 
gwifdjcn ftauhigen Sitten ober in ber Sdmlftube ver* 
bradft, eutichäbigt. Glhcr loelche Srleichterung foll 
bie arme SRäberin, ber fleinc Haubwerfer, bie Saht 


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328 


3u 9<uife. 


aui, 3 ahr ein in bunu>figcr Stubenluft, über ihre 
Arbeit gebeugt fifeen, ihrer in bei Sorten wirtlicher 
©ebeutung gepreßten ©ruft bieten? Sinb fie 
nicht beinahe rettuugiloi früher ober fpdther ber 
Sduoinbfudft oerfallen? — 3 bneu gumcift fei foU 
geuber 9tath auf’i Dvinacnbfte empfohlen: 3eben 
2Korgeit, nachbem bai 3i>uiuer-gereinigt, gelüftet, 
ftaubfrei ift, fftelle man lieft an bai geöffnete genfter 
tinb athme fo tief, fo langfam wie möglid) e i n unb 
auf biefelbe Seife lieber aiul Diefe^Uebung 
wieberhole man minbefteni 6 ü)ial bei Dagei in 
guter Suft, um fo häufiger, ic mehr ber Meniberuf 
uielei Sifeen ober eine gebeugte Haltung erfovbert. 
3 )iit ber Beit wirb ein immer ticfevei'Ginathmcn 
gelingen, ber ©ruftfaften ftcfj erweitern, bie ßungen 
Sich bchnen. Gi fei biefe Slthmungigpmnaftif aueft 
bem piel befchdftigten Arbeiter ali eine ©flidft an 
bai fteri gelegt: er beugt mit bem ©cfolgen biciei 
fo unfeheinbar flingeitben SRathei oielleidft qual= 
oollem Siedfthum ober einem frühen Gnbe oor. 

ttfbrr Xranben^mht. Die ßünftißfte Sage ift 
bie füböftlicbe. Da febeint bie Sonne; bic Drguben 
reifen früh unb gewinnen an ©üfcißfeit; ein c'pügel 
ober ein füblieber 9lbhang ift noch heiler. £>at man 
harten ßehmboben, fo gräbt man 8od>er wenigfteui 
Pier ?fu§ tief. Der Seiuftod treibt feine Surielu 
abwdrti unb trifft er ba loderen ©runb, fo mäcbft 
er piel fchneller. ©ian fann einige finoeben in bie 
Ööcftcr werfen unb füllt fie mit guter frfnoarjer Gom= 
pofterbe. Der ©runb unb ©oben muß pou ber 
Sonne ßut burdjmdrmt fein, beihalb ocvpflanit 
man bic Schlinge im s J?orbeit nicht Por bem elften 
bii jum zehnten SWai. Starte Ginidbrige Schlinge 
finb bie heften, beim biefe haben bie metften §afer= 
rourgeltt unb fefceu fchnell an. üRan holt ficb bie 
Schlinge pou einem ©drtner, unb hier möchte id) 
einige pou ben oiclcn Sorten ermahnen: Goncorb, 
8abp Safbington, Sorben, “Delaware. Diele 
Sorten werben im September reif unb man fann 
fie leichter liehen, wie manche anbere. Die Scfe= 
iinge müffeit forßfdltiß behanbelt werben, bie Sur* 
lein auigelcgt, febön eingebettet unb bie loderfte unb 
hefte Grbe muß nun ©ebeden genommen werben. 
3 m erften Sommer feilte man nur einen ober 3wei 
Dricbe wadfteu laffeit unb bic SeitenfchöfUinge ober= 
halb bei erften ©lattei abbvedten. Der ©oben 
ntufe pou Unfraut frei unb red)t loder gehalten wer¬ 
ben. un 3uli ©o«ne heift unb brenneub, 
fo muß man bie Cbevflddie bebeden (mulchen). 
3 Wan nehme bam groben Dünger, Öen oPcr Stroh, 
ber ©oben bleibt bann feueftt unb fühl, ©erfteht 
man ei nidft felber, bie Stöcfc auiiufdmeiben unb 
in Orbnung m halten, fo erfuubige man fich nach 
einem ©iann, ber ei perftcht bamit umiugehen. 
&at man nur einen flcinen fonnigeu©lab im ©ar¬ 
ten, fo follte man 311m wenigfteni einen Stod fefeen. 
©ian benfe fid) nur bic Sreube ber Äinber, wenn 
im eigenen ©arten bie Trauben reifen. 

The Coddling Moth. Diefer in ber englifcheu 
Spradic fogenannte Sdnuetterling legt feine Gier 
im ©erbft auf ben ©Idttern ber ©dume, bie wie 
feftgeleimtim3ftühiahrnod)barau hängen. 92 tmmt 
man eini pou biefen ©Idttern unb unterfucht bai 
92 eft, fo finbet mau unidhlige Gier. Die Sonne 
unb $ifcc brütet biefe aui, unb aui biefen entfteht 


ber fogenannte „©aumbohrer". Der arbeitet fidj 
unter bic 9 tiitbe bei©aumei unb frißt tiefe runbe 
8üd)er hinein unb ei gelingt ihm auf heimlube 
ungefehene Seife bie feftonften ©dume 31t oerwü- 
ften unb 3« serftören. Gi ift gegen biefe 5 Wotte 
fchon mandjei ocrfudft worben unb auch fdion pielei 
mißlungen. Gin gewiffer Gorrefponbentbei „Frucht 
OtecorberS" fdiidt folgenbei fttccept: 1 Quart Äalf 
aufgelöft, 1 ©ed aufgelöfte ©oliafihe (leached wood 
ashes), 2 ©ed fiuhbünger, 1 Cuart Schntierfeifc, 
1 Gülöffel Poll ©arifer ©rün unb 12 Quart Saffcr. 
Diefe uWaffe wirb gut burdjeinanber permengt unb 
bie ©dume bamit angeftruhen. Sie Perlieren bann 
bie alte Otinbe unb ei bilbet ftd) eine neue glatte. 
Diefer ©Jann fdireibt: 2lui Grfabrung fann id) 
Sagen, baö meine ©dume fdmner auifeheit unb bef= 
jer poranfomnten, ali nad) irgenb etwai, wai ith 
3UP01* perfud)tc. 

Äafntpli^f. D>cr London Garden fagt: 3 Randie 
fHafenpldbe finb faft jerftört bm-di Sünder tinb 
^nfeften, bie fid) im ©runb unb ©oben befinben. 
50 ian nimmt ein halbei ©funb corrosive Sublimate 
unb thut ei in 4 ©alloncn Saffer. ©on biefem 
nimmt man ein balbcb©int icbcimal 3114 ©alloncn 
Saffcr unb mit einer ©iefefanne wirb ber ataien* 
plafe einigemal begoffen. 

WTttitJtnfnr ©rähtr. Senn ©lumen gewünfdit 
werben, Sollten fiepon fold)er 9 lrt fein, bie nidft piel 
©flege erforbern unb eher in ber 92 dhe bei ©rabei 
ali auf bemfelben gepflamt werben. Gin ©cct 
©cranium neben ben ©räbern, ober auch ein ©ect 
weihe ©erbenen nimmt fi^ redit nett aui. Diefe 
©lumen füllten aber nid>t eher auigepfla 113t werben 
ali bii Gube 3 J?ai. Anemone Saponica Älba ift 
eine fd)öne ©flanic mit weifeen ©lumen unb blüht 
bii tut Spdthcrbft. ©pbrangea ift ebenfalls ein 
jdKMier Strand) unb braudft, wenn einmal ge- 
pflan3t, feine weitere ©flege. Diefe beiben Strauche 
fönneu im Srühiahr ober föerbft auigefefet werben. 
3 m .^erbft fann mau Grccui ^wiebeln, 9?ar3ificit 
unb oerfdiiebenc 9 lrten pon Öilicn auipflan3cn. 
Die hefte Beit immergrüne ©dume 311 pflan3eu ift 
im Frühjahr. 

Cwngntbe ftdrbe ftelle man in einem Gimer mit 
lauwarmem Saffer unb laffe bie Grbe gut buitte 
weidieu; uachbem fie pollftdnbig abgetropft, hange 
man fie im Schatten wicber auf. 

gitbttfr’Gholmi. 2Kait nehme einen Bu&cr ober 
fonft ein reinei ga§, tbuc in baffclbe 2 Quart frU 
fcheit Äalf unb l ©funb 9 (laun, löfe ei auf mit 
fodienbeut Saffer, rühre ei gut burdjeinanber unb 
fülle baffclbe bii an bie Oberflddie mit reinem 
Srinfwaffer. Sobalb eiftd) gefefet unb flar ge¬ 
worben, ift ei fertig 311m ©cbmud). 9 San nehme 
311 jiebein Gimer reinen Drinfwafferi ein ©int oon 
bieiem Äalfwaffer unb ftelle ei beit öühuetn hin. 
3 Xan gebe ei ihnen oft wdhrenb berSommer=lWo^ 
nate. 9 Ulc ©efdfee unb Dröge bei ©iehei unb ber 
©eflügel Sollten auBerft rein gehalten werben. Die 
Urfadien ber $ühner=Gholera ftnb meifteni bie nafe= 
falten Machte unb baiDrinfen pon Saffer aui un¬ 
reinen ©füfccn oberDcidjen. 


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SonntogfdjttUlfktionttt. 


329 


$omtta9fd)ul Petitionen. 


©onntag, 3. 3uni. St^oflctß. 13,13-16, 43-52, 

3n 9lntiod)ien. 

I. ©otteftieitf} am ©abbatlj. (V. 13—16. 43.) 
®. 13: f£aulu$ aber uub bie lim ihn toa= 
ren. Von hier au erftheiitt fßauluS nicf>t nur al3 
bet ©auptrebner unter ben FriebenSboteit (14, 12), 
fonbern auch a 13 ber Führer berfelbeit. VaruabaS 
tritt entfehieben hinter Vaulu3 surürf. Von ber 
. ßiebe ;V'iu getrieben, oerlaffeit bie Apoftel bie lieb- 
liebe 3nfel ©Opern wieber, wo ibneu ein fo großer 
2)?ijfton3fieg gefcbeitft worben war, uub sieben sur 
©ee weiter nach ber tleinafiatifcben Vrooins V a m = 
pholien. ‘Dafelbft befuchteit fie sunächft bie etwa 
acht englifche 3J?eilen oberhalb ber SMünbung beS 
Fluftcs ßeftuS gelegene ©tabt Verge, iefet eine 
bloße Quitte, auf bereu Krümmern häufig ©irten 
ihre ©ebafe weibeit. ©ier trennte ficb 3 o ban ne3 
(3Sarfiw) von Vaitlo uub lehrte ttad) 3etufalem 
jurücf. 2öahrfcbeinlid) fühlte er fieb ben Sttt= 
behrungett unb Verleugnungen im ‘Dienfte ber 
TOiffion nicht gewachten. Unb Vaulu3 bat ihm 
bie3, wie wir fpäter, ft'ap. 15,38 lefeit, sunt ftrengen 
Sabel angcfchrieben. ®ie @d)rift oerfchweigt un3 
bie Fehltritte ber ©eiligen nicht, unb e3 ift für tut3 
in unterer ©chwad)heit tröftlich, ba§ auch fie nicht 
ohne Sabel waren. ®er ©err aber richtet bie Set= 
nen, bie ihm in Aufricbtigfeit be3 ©er$en3 bienen, 
wieber auf, wenn fie geftraucbelt haben, ©o auch 
ben 3Harlu3; benit fpäter fiitbeit wir ihn iit 9?out, 
wo er bem Apoftel V_aulu3 in ber ©efaitgeitfdjaft 
treu sur Seite ftaitb (Äol. 4,10). 

8 . 14. 15. Von Verge sogen Vnulti3 unb Var= 
naba3 lanbeiitwärt3, itörblich nach Antiochien 
in ^ifibten, nid)t su oerwecbfelit mit bem 9ln- 
tiod)ieu in ©orien, bem Au3gang3pititlt ihrer 
9Riffion3rctfe. 2Bie auf ber 3itfel ©Opern, fo trafen 
fte auch hier viele 3ttbeu an. s JJach ihrer ®ewohn= 
heit gingen fte am ©abbatb in bie ©tmagoge, um 
ba oiclleicht einen AnfnüpfungSpunlt su fiitben für 
bie Vrcfcigt be3 ©oangelium3. 9?icht al3 Umfturs^ 
männer treten fte auf gegen ba3@efefe33rael3; wie 
3efu3 fclbft wollen fie mit ber neuteftamentlidjen 
©cil3ocrlünbigung anlnüpfen an ba3 ©efefe unb 
bie Propheten, ©o fommt matt’benn ihrem SBunfcb 
auch freunblirfwntgegen. 9?ad) ber üblichen Ver- 
lefuitg eine^ Abfdjmtt3 au§ bem ©efefe unb au3 ben 
Propheten werben fie oon ben ©onagogenoorftehern 
aufbeforbert, ba3 2Bort su ergreifen, fall3 fie etwa3 
ju tagen hätten. ©3 war bie3 eine Aufmerlfainleit, 
wddte frentbeit SÄabbiiterit gewöhnlich erseigt würbe. 

8 . 16: V ci u l u 3 ft a u b a u f unb begann 
nadt einer ©title begebrenbett ©anbbewegung feine 
©aftprebigt, in welcher er feine 3uhörer suerft an 
bie ©nabettwege ©otte3 erinnerte, burch welche 
33rael auf ba3 ©eil in Ghrifto oorbereitet werben 
tollte (V. 17—25); fobattit barauf htitwieä, bah in 
ßhrifto, ben bie 3ubeit oerworfen unb an3 Äreus 
geKhlagen, ©ott aber oon ben Sobten auferwedt 
habe, ba3 ©eil uub bie Vergebung ber ©üitben 


/ 

ihnen unb Allen, bie ba glauben, attgeboten werbe 
(V. 26—39); unb enblid) fie ermahnte, fiel) int ©laiu 
ben ßhrifto hiusugeben, batnit fie bem oon ben 
Propheten gebrohten ©eriebt entrinnen möchten 
(V. 40. 41). — ®er ©rfolg ber Vrebigt wirb V. 42 
unb 43 gefdulbert. 

8.43: ®a fie hinau8gin gen,baten fie 
(bie in ber ©onagoge Verfantmelteit, oielleid)t bie 
Vorfteher), ba§ am folgenbeit ©abbath bie 
Apoftel ihren Vortrag fortfefeeit möcb = 
teit (V. 42); unb eine beträditlidie Ansabl 3uben 
unb Vrofelpten begleitete fie in ihre VJohnunp unb 
lieh fid) oon ihnen noch weiter belehren unb in ber 
©nabe befeftigen. ®er(5rfolg war alfo immerhin 
ein erfreulicher. ®a3 ift bie hefte Vrebigt, bie ben 
Zuhörern su halb au§ ift, unb oon ber fie heim* 
gehen in ftillem 9?ad)benfeit uub 2Beiterfiitnen unb» 
mit bem Gittfchlufe: barüber ntufj noch mehr 
hören. 

II. $ie neibtftheit ^uben. (V. 44—47.) 8. 44: 
Am folgenbeit ©abbath fant jufantuien 
faft bie ganse©tabt. 2Bie mag ba bem treuen 
Apoftel Vuulti§ baö ©ön aufgegangen fein oon 
Frcubc uub ©offnuitg. ©in gefegneter ©abbath, 
ber fo gefeiert wirb mit Sottet iöort ftatt mit ®elt= 
luft! Aber wie oieleßhriftenftäbte müffeit fid) ihrer 
©ouutagc febäuten oor biefer ©abbathfeier im t>cib= 
nifchen Antiod)ien! 

8.45: ®ie 3ubeit würben ooll 9?eib3. 
®ie göttliche Äraft be3 CcoangeliuutS seigt fid) nid)t 
allein bariit, ba§ e3 beiten, bie ba glauben, sUr Ve= 
fehrung unb ©eligfeit bient, fonbern audi bariit, 
baft e3 bieieitigen, weld)e e3 oon fid) weifen, nicht 
läßt, wie fie fiitb, fonbern su einem ungöttlidien 
ßifer, sur Scibenfchaft unb Cäfteruitg reist. ©3 wirb 
ben ©inen ein ©eruch be3 8eben8 gum Cebett, beit 
Anbertt ein ©crud) be3 Sobe3 stttn Sobe. ®a3 
Cebteregefcbahbeibeit^uben. ©ie würben ooll 
^2eib3. ©3 ift ber 97eib ieitc3 älteren ©ohue3 im 
6 Heid)niß, ber fdieel fieht, baß ber Vater beut oer= 
loreneit ©ohit su ©hreit ein Fteubenutahl anriditet; 
ber s J?eib ber Vharifäcr, bie e3 3<du sunt Vorwurf 
ntad)en, ba§ er mit beit BoUnern unb ©ünberit aß. 
Vom 9?eib aber laut e3 bei beit 3ubeit halb sunt 
2 Biberfprediett, ttttb al3 fie bamit nichts au3= 
richteten suitt Säftern, gunädtft gegen bie Apoftel, 
bann aber ohne Bweifel and) gegen gefüllt felbft, 
welchen fie einen Vetrüger unb Feiub be3 mofaifdicn 
G)efefee3 werben gefcholtcn haben, ©o würbe au$ 
ber frieblicheit ©abbathfeier ein ärgerlidier Sumult. 

8 . 46. 47. Aber mit fiegeitber Sftajeftät unb ge= 
bietenber ©obeit erheben Rd) bie Apoftel in biefent 
©etüntmel unb fpredien: ©ud) muhte suerft 
u. f. w. Sin ernfte3, erfchütternbcS Abfdticbowort! 
©ine fdtwere Verantwortung für eine ©eele, für ein 
Voll, für ein ©efchlecht, wenn man ihm surufeit 
mu§: ba3 ©eil ift eud) aitgeboteit worben, aber ihr 
habt nidtt gewollt; wir wenbeit un$ oon euch! 3n 
biefem Sinn ruft and) Ctither bent beutfdicn Volle 
su: „ftauft, weil ber3)?arft oor ber SEhür ift . . . 
beim ba§ foHt ihr wiffen: ©otte3©nabe uub üffiort 


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SSO 


Sonntagfd)ul=jttttioneii. 


ift ein fahrenber ißlafereßen, ber itid)t wieberfommt, 
wo er ßewefett ift. (fr ift bei ben gilben ßewefett, 
aber bin ift bin, fie haben mm ntcbt 3 . 93 aulu 3 
brad)te ibn nach ©riedjcnlanb, aber bin ift bin, fie 
haben mm ben Surfen. 9 fom unb lateinifcb ßattb 
haben ibn auch ßehabt, bin ift bin, fie haben mm 
ben 2>vivft. Unb ihr Seutfdje büvft nicht benfen, 
baß ihr ba 3 ©Vanadium ewiß haben werbet, barum 
areife \\i unb halte su, wer greifen unb halten famt, 
faule ©änbe muffen ein böfc 3 3 <thr haben." 

III. iic bcßliuften ©eiben. OB. 48.49.) ®. 48: 
Sa c3 aber bie ©eiben höre teil, würben 
fie froh, ©ottlob! 9l(lßcmein ift alfo bic im 
©Vanadium verfünbißte ©nabe! Unb wir wollend 
wie jene ©eiben machen, froh, ja rwn ßansctit ©cr= 
ten froh wollen wir baran fein, ©ott 311 m $rci3 unb 
un3 sunt ©eil! Unb würben ßläubiß. 2Bäh= 
renb 3 Srael in feinem fclbftßcrccbtcn 9<cibc ftd) fcl= 
ber auöfcfUicßt vom ©nabenmabl bc3 93ater3, froh* 
lodt bie ©eibenweit über bic Offenbarung ber er- 
bannenben Ciebe ©otte3 unb wirb aufaenommen 
iit’3 2>aterhau3 unb betraut mit allen 9?cd)tcit ber 
•flinbfebaft. (©(eidmiß vom oerloreneu Sohn, 
8 uf. 15.) 23ähretib c3 bei 33racl 9lbcnb wirb, 
iaud)seit bie ©eiben über ben SMorßcitßlana, ber 
ihnen aufßcht. Sie $riebcu3taube bc3 ©vaitße= 
liurn-S, wenn fie an einem Orte vertrieben wirb, 
finbet halt» wieber ein ©au3, ba fie Suiifle heefet. 
— Soch nicf)t 9llle würben ßläubiß, fonbern fo 
viele ihrer verorbnet waren 311 m ewigen 
8 cben, bie fiel) barum auch in bie ßöttlitye ©ct(3= 
orbnunß bcr93uße unb bc3©laubeit3 [teilen* ließen. 
(Sotto* crwählenbe unb bertifenbe ©nabe ift swar 
ber alleiniae ©runb aller fflcfchruitß ber £ 0 ?cnfct)cit; 
allein aerabe biefe Stelle seißt an 3äracl, ba3 firn 
burd) eiaene Berfcbulbtutß be3 ©eil3 beraubt, baß 
ber Wcnfchen SSerbamutniß nicht auf einem abfo= 
luten 2 )efd)ltiffe 0otte3 beruhe. 

IV. $ie anggeftoßenen ttlioftel. (93.50 — 52.) 

®. 50: Sie ^uben beweßten bie aitbäd)* 
tiaen 2Betber. Sie3 ift ba3 eiitsiße 9Bal, baß 
baß wir im ')?. Scftamcnt bie 23 ei ber al3 Scinbe 
be3 ©vaiißdiunt3 finben. ©onft finb e3 immer fie, 
bie am elften ba3 Svaitßclium auf nehmen. ©0 ift 
e3 ja auch heute noch. 2Bo bie 9)?änticr ber ftirdje 
trofciß ben dürfen fehreu, ba finbet man nod) sart- 
fühlcnbe grauen, bie 3 efuut lieb haben, wie 9Waß= 
baletia; bie 311 feinen gü§en fifeeit, wie SKaria; ihm 
bienen, wie 3Wartha; unter feinem ffreme weinen, 
wie bie Söcbter von 3 erufalem; ihre 9Wänncr vor 
©ünben warnen, wie 9$i(attt3 ©emahlin; für fein 
Öteid) arbeiten, wie Sabea; feinen ffloten ©au3 unb 
©ers aufthun, wie fivbia; ihm ba3 fi'rcus nadj= 
traaen, wie jene ^Märtyrerinnen ber heilißeit 93or= 
seit. SMeibct bei ihm, ihr grauen ttnb 3 uitßfrauett; 
Srominißfeit ift euer fdwnfter ©dmiud; etwa3 Um 
natürlid)ere3 unb Uiißlürfidiacre3 al3 ein frcißdftc= 
rifd)e3, ßottc3leuancrifd)c3, d)riftu3feinblid)c3 23eib 
ßiebt c3 nicht! Sie vornehmen ( 8 uth.: „ehrbaren"), 
anbächtiaen 23eiber, b. h. 2>rofetytinuen, waren 
nun freilid) nicht freiacifterifd); aber fte hatten trofes 
bem bem ©vaitßdiittn ihre ©ersen verfchloffen, unb 
ließen fiel) baher leüht wiber baffclbe aufrcUcn. 9lber 
nicht nur biefe 2 Beiber, fonbern and) bic ©äuvter 
ber © t a b t ließen ftd) bermaßen von ben 3 ubcn 
beeinfluffen, baß fie bie Styoftel au$ ber ©tabt 
attSwicjen. ! 


®. 51. Siefc fdmttcln bem Sefehl 3 efu (9Mattb. 
10,14) ßentäß ben ©taub von ihren Süßen unb 
jiehen weiter uad) 3 fonien. 2 SiU bie 23clt ben 
©immel nicht haben, fo behalte fie bie ©rbe unb 
ihren ©taub. 

®.52: Sie 3üttßcr, b. h. bie Shriftcn in 
9lntiod)ien, würben volljjreube unb bei^ 
l» 3 cu ©eifte3. SerSlbfdiicb von ihren Scbrcrn 
mad)t fie nicht muthlo3. ©ie haben fid> nid)t su 
9)^nfchen, fonbern 3 um ©errn belehrt, unb an ihn 
fd)licf?cit fie fid> nun um fo cnßcr au, baher finb fie 
voll fyreube unb heiligen ©cifte3. Ser ©evr ift ja 
nod) bei ihnen, unb wtc er bei ihnen war, fo will er 
and) bei uu3 unb bei feiner fiirtbc fein alleseit, bi3 
an ber 23clt Silbe. 23obl un3, wenn and) bei une 
ba3 ffvaußelium fold) feliße R-rud)t träßt, baß wir 
and) im Seiten ßctroft unb voll ftreuben unb heilißen 
©ciftc3 bleiben fonnen! 


©onntaß, 10. 3unt. 9tyoftelß. 14,1—18. 

3fonten unb Styftra. 

I. ®le Toffel ja (93.1—7.) ®. 1: 68 

ßeftyab aber 31 t 3 fvnien. 3 « biefe ©tabt 
hatten fid) 93aulu3 unb 93aruaba8 von Slntiodneu 
3 urü(fße 30 ßcn weßcit ber bortißeu 93crfolßimß. 3f 0 = 
nieit war eine namhafte ©tabt in Svfttonicn. ©ie 
laß in einer frud)tbaren ©bene am $uße be^ Sau^ 
ru3, an ber ßroßen 23erfc(w3ftraßc siviftyen ©vhcfu 8 
unb ben mehr öftlich ßeleßeuen ©täbten Sarfu3, 
9lntiod)icn unbbemSuvhrat. Unter bem ßriccbiichen 
flaiferthuin ivar 3 foitien bie ©aitytftabt ber 23ro^ 
vina 8 vfaonicn. ©Väter fiel e3 in bie ©änbe ber 
Sürfen unb würbe bic ©auvtftabt einc3 9?cid^e3, 
beffen 93chcn*ftycr ben Sitcl „©ultan von 3fonien" 
führten. Santal3 erreityte bie ©tabt ihre beebfte 
ffllüthc. ©eute führt fie bcu bauten fionia unb 
sählt etwa nod) 20—30,000 Sinwohner. Sie 2 ?er= 
folßiuiß hat bie 9tyoftcl wohl au3 9lutiod)ien ver^ 
h’iebcn; aber ihre ©efinnuiiß ift biefelbe ßeblieben. 
©ie vrebißen. fort in ber 3 ubcn ©duile trofe beiu 
©aß, ben fte foeben erft ßecrntet. 3hre Siebe 311 
ihrem 9Solf unb ihr 2Kuth finb nod) liiißebrotyeu. 
9ludj ber ©eßen ©ottc3 ift nid)t von ihnen ßewtehen; 
beim eine ßrofie SD?c 11 ae warb ßläubiß. 
310er aud) hier blieb bie 9Scrfolßiiiiß nid)t au 8 . 

®. 2. 23ieberum finb e3 3üben, weldie ben Sturm 
crrcßcn. 23er ber 953ahrheit nid)t ßehortyen will, 
fällt leid)t in bie weitere ©ünbe, and) 9lnbere ab- 
fvenftiß 311 machen. 3 n, fclbft an bie fonft verhaßten 
©eiben fchlicfteit ftd) bie 3 üben an in ihrer Jyeinb- 
felißfeit ßeßen bie Ptyoftcl. ©0 würben einft 2 'tla= 
tu3 unb ©crobc3ftrcunbc, al3 c3 bie 9Serurtheiluiiß 
Shrifti ßalt. 9(ehnlid)e93unbc3ßenoffcnfd)aftcii fout- 
men and) heute ttod) oft ßcituß vor. 

®. 8 . Srofe ber fVeinbfclißfcit ber 3ubeit lehr¬ 
ten bie 9 lvofte( frei unb offentlid) unb ber 
©err befannte ficb su ihnen unb licft . 3 c irten unb 
SBunber burch fie ßcfd)ehen. Saniit ftovfte er 
felbft am befteit ihren Reinbcn ben SD?itub. Saß 
aber bie ?tyoftel nid)t auf biefe Beiden ftd) verließen, 
fonberu bic Sßrcbißt ihre ©auvtwaffe war unb blieb, 
' wie e 8 hrute noch ift, ba3 feheit wir barau3, baß 


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Sonntagfdju^ffhtionen, 


331 


nach V. 1 eine grobe äRenge gläubig warb, che 
noch 3eid)eit gefdiahen. 

®. 4: ‘Sie üWcitge fpaltete f icf>. Ohne 
©cheibung fomint’d §u feiner (Sntidicibung im 
Seiche ©otteo. 9Bo Sottet SBort entfcliiebcu ge- 
prebigt wirb, ba fcheiben fid) bic@eiftcr, ba fonbern 
ftrh bie ßaii)cn (Sbriftcu non ben halben. Spal= 
mißen fömteit ba nicht nerntieben werben, bebauen 
id>e Spaltungen in Santi lie, Öcnteiitbc unb Volf; 
aber bieie Spaltungen, bie ein DurdigangSpuuft 
ftit ben Siög beS SeidieS Wettet finb, inuffcu _uur 
uitS gefallen laffcit. Saßt bod) ber ©err fclbft in 
biefem Sinne, er fei nidit ßcfonunen ^rieben §u 
bringen auf (*rbcn, fonbern baS Schwert. 

®. 5. 6. Stadibeut ber Slpoftel ßcnußfant 3eit 
§ut SluSftreuung beS Samens in Jfottien ßehabt, 
lieft ©ott ben Stnrin ber Verfolgung auo= 
bredien, ohne Rineifel jtt bein Ifnbe, baß nun ber 
Same weiter fortßetricben unb and) in anbere 
Stabte geineht werbe, ffinnberbare ©otteSwege, 
nidit mir im Siegen, fonbern im (Erliegen ber ScU 
nigen! Dodi baS Ofrliegeu ber grommett ift fein 
Cfrliegen. Die Sad)vid)t non bau $lane ber 
geinte, fte §u fteinigen, fehen bie Slpoftel nur alS 
einen Vaft )urSSciterrcife an. Sie entflohen 
in bie Stabte beS SattbeS Spfaonten, 
gen Softra unb Derbe, §wei Keine Stäbt= 
dien, etwa bveißig englifche 9)?ei(en non Jfonicn 
entfernt, ,,'ißenn fie euch in einer Stabt oerfol- 
aen, fo fliehet in eine anbere," hatte ber &err eiuft 
feinen Jüngern geboten. s )?ad) biefer SKcgel han= 
beiten bie Slpoftel. Sludj heute noch follcn bie 

f rebiger beS (SoangeliumS, befonberS unter ben 
eiben nicht bartnüaig ba bleiben, wo ihre Vrcbigt 
nerfolgt wirb. DaS wäre oft ein ©ott=Vcrf neben. 
SBohl aber barf bie Verfolgung fte nidit abfdjredcn, 
ftetS neue Verfudie §tt machen. DaS wahte 
äRärtprertbunt befteht nicht in ber ©vöfte ber 
äußeren Seiten, bie ber STOenfcb um ßhrifti willen 
erbulbet, fonbern in bein i02a§ ber Diene, bie er 
um ßhrifti willen bewiefen hat. Die Slpoftel war¬ 
ten ibreS '-Berufes mit SluSbatier unb freubigem 
3Ruth. Darin liegt ihre Drette. Sic verlaffeit 
bie ihnen lieb geworbene Stätte, fobalb fie inne 
werben, bah ber ©err fie hier nicht mehr brauchen, 
fanu, unb beginnen ihre Slrbeit an einem auberen 
Orte von feuern. Diefe Dreue im Steinen ift 
oft fdiwer. Den Slpofteht wäre eS oielleidit leid)ter 
gewefen )u fterben alS $it fliehen. Slber baS war 
nidit ber SBille beS ©errn. Die Sauf bahn beS 
großen ©cibeitapoftelS hatte ia eben erft begonnen. 

®. 7: Sic prebigeu bafelbft. Die ge= 
rechte Sache fann nicht untergehen, .vier verjagt, 
finbet fte anberSwo fRauin; iefet unterbrüdt, erhebt 
fie fpäter fidi auf’S s J?eue. So trug bie Verfolgung 
tu jfonieit nur batu bei, baß baS (Svangelitim and) 
nach Derbe unb Softra getragen würbe. 

II. %\t Toffel §it Sßftra. (V. 8—12.) ®. 8: 
Jit Softva heilte ber Slpoftel einen SJiann, ber 
lahm war von 3Rutt er leibe an. (SS ift 
bie britte ©cilung eines Nahmen in ber Slpoftel 
gefdnehte Wap. 3 u. Äap. 9, 33 ff.). Die ©ei= 
liingeu gerabc folcher Alranfen finb befonberS be= 
beutungSvoll. Sie finb ein Reidien bapon, waS 
gciftlidi gefdiehen muß. Die (Srwedten muffen 
lernen im Sidite wanbeln (1 3oh. 1, 7). 

®. 9: Der Sahnte hört Va ul um teben. 


Unb beS 9(poftclS SBort cntjftnbete ben ©tauben in 
bein &cr§en beS St raufen. (Sr gewann bie 3uver- 
ficht, bah ihm würbe geholfen werben. 
Dieter ©eelentuftanb bilbet ben SKittelpunft beS 
ganjen (SrciguiffeS. SBic hier ber ©laube, baS 
yitrauenSvolle hoffen auf leibliche ©ülfe, auS beut 
ßören beS SBorteS erwachten ift, fo crwadift jeher 
©laube auS ber Vvebigt beS (SvanacliuutS (Otom. 
10, 14. 17). Hub wenn auch ber ©laube §unadift 
nicht ben 9)iittclpunft ber (Svlöfuug erfaßt, fonbern 
mehr an ber Peripherie ober nur an bem Seiblidicn 
haftet: grünbet er fich nur auf ben ©eilanb, fo ift 
er bodi ein gottgefälliges (Srgrcifcn beS ^leilS. Da 
VauluS ben Nahmen anfaii unb tnerfte an bem 
ftummen, bittenben ©laubcuSblicf feines hcilSbe^ 
gierigen SlugeS, bah er glaubte, fpracb er 

®. 10. mit la uter S t i nun e: Stehe 
aufriditig auf beiite fSüfte. Sah hier ber 
Slpoftel fo genau auf baS Süurlein beS ©laubcitS 
tu beut ©er§cn beS Sinnen, wie mögen bie allfchcm 
beit Singen beS ©errn auf baffelbe in unS fehen! 
Der Slpoftel fprad): Stehe aufriditig u. f. w., itnb 
ber Sahnte fprang auf tjitb nrattbelte. 
Sold)e SBuitbcr gcjchchen freilich heute nidit mehr 
buvd) bie finedite ©ottcS. Slbcr wenn fte unter 
ihren 3uhörcrit ntauchinal in einem Slug’ auf fo 
ein ©laubcnSffmflcitt fehen bürfen, oielleidit eine 
Shräne beS ©cilSvcrlangcuS: ad), ba§ mir geholt 
feit würbe! ober einen Strahl ber 3uverftdt, and) 
mir faitit geholfen werben,, ber £ei(anb fenutc am 
(Snbe auch mir ucdi ben fyricben geben — bann bür- 
feit auch fie fprechen: 3a, bir fann geholfen wer^ 
beit, bein ©laube hat bir geholfen! utibbcrföcrr 
wirb baS SBuubcr ber geiftlidicn Teilung fo (jewih 
vollbringen, wie er hier baS ber leiblidjen Teilung 
vollbradite. 

®. 11. 12. Die Teilung beS Sahnten ntadite 
auf baS blinbe fteibenvolf einen fo übevtväl‘igen= 
ben ßinbrud, baft fie bie Slpoftel für ©öt* 
ter hielten. Daß fie bicfel beit aber aerobe für 
Jupiter, ben Vater ber ©ötter, uttb ?Öierfur, 
ben ©ötterboten, erflärten, hot feinen ©rttitb wohl 
barin, bah Jupiter (V. 13) einen Stempel Per ber 
Stabt hatte unb gerabe in jenen ©egeubett bie 
Sage ging, Jupiter unb äWerfur feien einmal in 
SDcenfdicugcftalt auf (vrben erfdiicttcn unb von Vhi- 
Icmon unb VaticiS beherbergt worben, eine Sage, 
welche wahtfdicinlid) jährlich beim Seiupelfcft beS 
Jupiter wicbcrfiolt würbe. SBarutn fte ben Var- 
nabaS für Jupiter hielten, giebt SufaS nidit an. 
Ohne 3weifel hielt er fidi in genteffener Dluhc unb 
evfehien beShalb, vielleicht audi alS berSleltere unb 
um feines intponirenbeu Sleuhcrcit willen, alS ber 
Oornehmcre ©ott. 

®. 13. 14. Der Vtieftcr JupiterS bradite eben 
Opferthiere uub £rän§e §um SBeihcfdmimf 
beS OpferS unb SlltarS vor bie 2horc ber Stabt, 
wo ber Stempel JupiterS ftanb, unb war bereite im 
Vegnff, ben vermeintlichen ©öttern, welriic bie 
Stabt mit ihrer (Srfdieiniiiig beglücft batten, feiere 
lidie Opfer bar§ubringen, ba erfuhren ee bie S(po- 
ftel, § e r r i f f c u vor S di m e r § über bie Sl b- 
götterei beS VolfeS ihre Kleiber, eilten 
vor baS Dhor unter bie §u bem Ovfcrafte verfaul 
melte ^enge unb jdirieen: J hr 5L\'äniier, waS 
madjet ihr? u. f. w. Jn Seiben uub Verfol= 
gütigen bulben bie Slpoftel ftill unb ruhig; aber 


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332 


Sonntagfdiul^ektionen. 


wo fleifd)lid)er Slberglaube fie mit ungebührlühen 
©hren übcrfcf>ütteii null, ba wehren ftc frd) au3 
allen Kräften wie gegen oerfänglidje ©atan& 
fddingen. 

®. 15: ©ir ftnb auch fterb(icf>c 9Äe \u 
fcfien. ®cw ©brüten ift mit Sobcäerbebungen 
nicht gebient. Gr weiß, baß er alle3, iua3 er ift 
unb bat, ber ©nabe Sottet allein oerbanft. ©o 
man bariyn etwas au3 ibm machen will, — auä 
feinen ©igeufcbafteti, SHmofen, ©baten, Serbien* 
ften, — ba fprict>t er: icb bin and) ein ftcrblidjer 
9Renfcb! ©ir Dreb igen ettd) ba3 ©Dangc- 
linin, baß u. f. w. 9)fit biefer Srebigt traten 
bie Slvoftel in beit offen ften ©egcitfafe gegen ba3 
©eibcuthum, beffeit ®6feen nidjtö aubereö ititb als 
bie Kräfte bev9?atur, bereit Scrgctterung in nuferen 
©agcn and) in ber fogenanntcu ©briftenheit immer 
unoerbüllter wieber heroortritt. ©ie Siele fefeen 
beut tu Jage bie 9?atur an bie ©teile ©otreS! 
Soit ibreit Saturgottern locifeit bie 5lboftcl ba3 
Solf tu Suftra bin anf ben einen icbcnbigcn 
©ott, ben ©dwDfer .ftiinmelä nnb ber ©rbc. So 
mnfjen and) in nuferen Jagen bie $ncd)tc Rhrifti 
immer mieber Don ben uiiDerioulidjcnSiaturfräftcn 
nnb 9faturgefebcn hinweifen anf ben perfönlidteit 
Urheber berfelben, bcffcn 9tucrfenuung allein bie 
Slätbfel ber ©eit löft. 

®. 16. 17. 3n biefeit Scrfen fd)ilbcrt ber 91do- 
ftel ben lebenbiaeit Sott alS ben Stegen tcit ber 
©eit, ber bie foeibeirin feiner ,t n ch t i g e n b e n 
© e r ecb ti g f e i t ihre eiacneit ©ege babc 
a e b e n (affen (im ©egenfafe tu ben gilben, 
welchen er feine beionbere Offenbaruna tu Jheil 
loetbcn ließ). SErofebeitt habe er fic nid)t oerftoßeit, 
fonbern fidj Dielmebr mandifad) and) ihnen be- 
te u g t, unb fie mit leiblichen unb geiitigcn ©üterit 
gefcgnet (S. 17). 3u biefcm wahren ©ott feilten 
fie fleh befebren oon ihren falfchen ttnb 
nichtigen ©ottern (S. 15). 

®. 18: ©ie ftillcten fanm ba$ Sol!, 
baß fie ihnen nicf)t opferten. 305ir entfefeen 
uu3 über biefe bcibnifrfje 9Mcnfd)cuDcrgöttcrung; 
aber fontint benit nicht mitten unter ©brüten noch 
9(chnlid)c8 Dor, wenn 9)?eitfcben, Selben, dichter, 
Zünftler, ja felbft Sängerinnen unb Sängerinnen, 
abgottifch Derebrt unb mit SMuuten unb Lorbeer- 
fränten überbeeft werben Don foleben, bie für ben 
lebenbiaeit ©ott fein ©ort be3 ®anfe3 unb do(= 
leflb‘3 für ben Äönig in ber ©ornenfrone feinen 
Slid ber Siebe haben! 

Sonntag, 17. 3ttiti. Sfyoftelg. 14,19—28. 

@nbc bet erften SJlifftoiräreife. 

T. $ie SSicbcrbelebiutg. ('S. 19. 20.) ®. 19. ! 
9(ucb in Suftra ruft bie ©irffamfeit ber ?lpoftc( i 
einen ©turnt ber Sevfolguug hervor. jubelt, bie 
au3 s )liiiiocbieit ttub ^fonien gefommen mären, reü , 
ten ba$ Solf auf, Saulum tu fteiniaeit. ^ln ber= 
leiben Stabt, too er ttierft Dergöttert warb, will 
man ihn nun tobten; wo man ihn mit Slumcn* 
franteit beworfen, werben mm Steine auf ihn 
gefddeubert; Don einem rafeitben Sobel wirb er 
Dor bie Stabt b iuau§ge}d)leDD t, geftei* i 


niat unb für tobt ließen getanen. ®a 
I mochte er an ©tepbanu§ bettfeu, über beffeit Job er 
! fid) eiuft aefreut. S>ie feinem IDieifter, bem Tie 
auch am Salmfonntaa Salinen ftreutcu unb ant 
©barfreitaa riefen: Äreii 3 iae ihn! fo ergina e^ nun 
and) ibut. ®a§ ift ber SBelt ©bre, eine ©eifett= 
blafe, bie in nid)t3 serfpriuat. 

®. 20: ®a ihn bie 3üuaer umriitaten, 
fta nb er auf. ©eine geinbe batten ihn für tobr 
liegen laffeit. 9hm fantett weinenb nnb flagettb 
bie treuen Srettnbe bertu, um bie Seidje biinuea 5 
tutraaeu ttub ehrlich tu bearabeit. ®a erbebt fuh 
ber Sobtaealaubte oout Sobeit, bleid) tioar unb 
blutig/ aber benitod) lebcitbig. ©er 9l(lmäd)tige 
hatte ihn beioabrt, bah bie ©teine ihn nid)t tobten 
ten, unb fchenfte ibm nun bie Jhaft, an ber jünger 
9(rnt in bie ©tabt bineinjugeheit. ©ort blieb er 
bie 92ad)t über, unt ftdi jit erholen. ®e3 anbem 
Sagö aber reift er mit SarnabaS nad) ©erbe. 

II. $ic »itrffehr. (S. 21-26.) ®. 21. %\ 
©erbe fdieint bie Scrfünbigung be^ ©oange= 
liumS Doit febr erfreitlid)ent ©rfolg begleitet getoefen 
tu fein; beim bie ®orte: w ttitb unterwiefen 
ihrer Diele," lauten nad) bem©ruubtert: „unb 
machten tablreichc jünger." ^ludi trat 
hier, wie e3 fdjeint, ihrem Söirfen fein äußeret 
SSiberftanb entgegen. Sott ©erbe au§ traten bie 
9lpoftet ihre 9iüdreife nad) ©urien an, aber nicht 
auf bent näd)ften SBege, fonbern inbent fie ficb tu= 
ttächft dou ber Stiftung nad) ©nrieit toieber ent= 
fernten nnb über biefelben Stabte turücfreiften, 
welche fic auf bem Herwege berührt batten. 3bre 
?lbfid)t n*ar, bie ueugegrünbeteit ©euteiuben tu 
ftärfeit, weUhc unter ber Serfolguug dou Seiten 
ber feiubfeligeit ^ubett unb Seibeit gewiß nid)t 
wenig tu leiben batten. 2Beld) ein ©rang ber 
Siebe muß baö Sctt beö großen SeibenaDoftetö 
erfüllt haben, baß er nach erlittener Steinigung 
fofort wieber in biefelbe ©tabt turütffebrt unb ohne 
(Erbitterung gegen feine fEcinbe, mit ©auftmutb 
unb erbarmenber Siebe bie Srebigt bce^ ©Dange= 
liutnS fortfeßt, mit bem Sorfafe, nid)t abtulaffen, 
ob e^ ihn gleid) fein Sehen fofte! 9Ruß uiiis biefer 
©ruft nicht auf’3 Sieffte befebämen? 

®. 22: ©tärften bie ©eeien ber 3ün= 
ger burd) ben Sroft be^ ©Dangclium§, unb er= 
mahnten fie,,Daß fie im ©laubeit blieben. 
„Siel Scinbc’finb tu bäntbfen, Diel Sroben burch= 
tugebn, ber ©laube muß in ÄämDfen biö an fein 
©ube ftebn." ©aruut bebarf e§ immer uneber ber 
Mahnung: fiinbleiu, bleibet bei ibm im@lauben! 
ferner erinnerten bie ^Ipoftel baran, baß wir 
bureb Diel Srftbfal muffen in ba§ 9?eich 
6) o 11 e3 geben, fl'cinc rofigen Sfabe ftellen fie 
! ben itmgen Srübern in 9(u^fid)t, fonbern einen 
fteilen ©ornenweg. ©^ gebt burd)^ Streut tur 
ffrone, bureb Seibcn tur Serrlidifcit. ©c> ift frei- 
(ich ein hartes tt ß," baß nur burd) Diele Srfib= 
fale müffen in’S 9tcid) ©ottcS geben, unb gar tu 
gern wünfebten nur uuS eine loeilere Sforte nnb 
einen breiteren ©eg. 9lber eS bleibt bei biefem 
göttlichen unb barum u na bä über lieben „®iuß." 
©S ift bicfeS „Stuß" begrün bet in ber ^Irt ber 
©eit, welche bie ftinfterniß mehr liebt alS baS 
Siebt; e« ift mi3 Derorbn et um nufere^ Ä>erten^ 
.Oärtigfcit willen, ba^ in guten Jagen fo (cid)t be§ 
©errn Dergißt; e§ gehört tur Sad)folge beä 


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(Sljronik ber ©egenroart. 


333 


®crrn, ber felbft burch Veiben jur £>errlid)feit eiit= 
ging, unb wirb unS erleidttert burch ben Bor= 
gang aller echten ®otteSfned)te bott Dabib unb 
BauluS bis auf tiefen Sag. 

#.23. And) bie fircbliche Organisation bereit 
einen 65emeiubeit liefen fidj bie Apoftel angelegen 
ein. Sie orbnctcu ihnen hin unb her 
Aclteftc auS bcu würbigften 63cmeinbcgliebern. 
Silber fie muhten wohl, bag auch biefe Aeltcftcn nur 
Khwadie SRenfcben waren, barutn befahlen fie 
tie Brüter beut Ferrit unter 65 e bet unb 
Saften. An feinem Segen ift ia am Grube buch 
alles gelegen. „SRit mtf’rer ÜRacht ift nichts gethan, 
wtr finb gar halb verloren;" wohl unS baher, wenn 
wir mit Luther fort fahren föitnen: „6S ftreit’t 
für unS ber rechte SRanu, ben ©ott hat felbft er- 
forcu." 

#. 24. 25: Unb Aogen burch Bifibien 
u. f. w. Der 2Beg ber Apoftel geht nun wicber ber 
Scefüfte au. Stacbbeut fie bie BrobiiiA Bifibien 
btirdtAogeit hatten, fanteit fie wicber nach Berge in 
Bainphulien. .spier prebigtett fie baS Kbange- 
lium, ohne bah mir erfahren mit welchem (vrfolge. 
Jn ber fiiböftlidi boit Berge gelegenen Stabt At = 
talia (von SlttaluS BbilabelphuS, beut Ätönig beit 
BergamuS, erbaut unb nach ihm benannt), erreich' 
teil fie bolleutS tie .Stufte. £>ier fchiffteit fie fich ein 
Sitr fröhlichen fteimfehr. 

#. 26: 2Jon bannen fchiffteit fie gen 
Antiochien (in Sbrien) u. f. n>. BauluS unb 
BarnabaS hatten auf tiefer Steife, welche leicht swei 
bis brei Jahre gebauert haben mag (etwa Pont 
Jahre 46 bis jurn Jahre 48 n.Khr.), auficr ber 
Jnfel Kupern eine gute Strecfe bott ftlcinaficn, uub 
Awar ten füböftlichen $beil babott, burebreift unb, 
abgefchen boit bieleu ein seinen Belehrungen, wenige 
ftenS bier Khriften = 63emeinbcit gegrfmbet, welche 
gröhteutbeilS auS gewefenen Reiben beftanben unb 
AU ben bcfteit Hoffnungen beredttigten. (SS waren 
bie ©emeinbeit im Sßiftbifchen Antiochien, in Jfo= 
ttien, in öpftra unb tit Derbe. Sie hatten wahrlich 


nicht untfonft gearbeitet unb fonnten heiutfehren 
mit beut Vobgefang: Oer £>err hat 6)roheS gethan! 

III. $er #erid|t. (B. 27. 28.) #. 27: Sie 
berfunbigten, wie biel ©ott mit ihnen 
gethan hatte. OaS war gewih eine gefegnete 
Berfaininlutig. 28ie begierig borfbett bie Äiubcr 
auf, wenn ber Bater Aurücffommt boit ber Steife, 
bielleicht boit einer lociten Steife über Vanb unb 
SOiccr, unb fangt nun an au erzählen! 28ie uicrt= 
wurbig ift’S unS, weint wir einen SRiffionär er¬ 
zählen hören, ber etioa auS Khina ober Oftiubicn, 
ober auS bem gefährlichen Afrifa fontiitt uub nun 
berichtet, wie eS bovt auSficbt, waS er tort erlebt 
unb auSgeriditct hat. Aber waS wirb baS erft für 
eine incrfwürbige Sieifebcfdircibung gewefen fein 
auS bem SRunbc eine* ApoftelS BauluS uub fcincS 
Begleiters BarnabaS! 28 ie niüffcn bie Jünger Atim 
Oanf unb Vob ber 6)nabc ÖJottcS geftimmt worben 
fein, als fie bon beit Siegen beS (SbaiigcliuuiS in 
fernen Vanbeit hörten. Oie Apoftel erzählten mit 
froher'Begeiferung, wre ©ott ben 6 eiben 
hätte bie Shür beS ®laubcuS a ufgethan. 
Bier Dhürcn mufi 63ott aufthuu, wenn etioaS Aiun 
fteil ber Seelen auSgeriditet werben feil: 1) bie 
Shür beS SRuitbeS beim Vehrer, 2) bie 3;bür beS 
OhreS unb 3) bie Dbür beS .^erjcnS (beS ÖMaubenS) 
beim £wrer unb 4) alS bie lebte, bie Shür bex^ ^int= 
melS. ^ie Apoftel rebeten bon ihren Siegen, baiitit 
and) Anbere mit ihnen 65ottcS 65üte unb Allmadjt 
preifen möchten. 2Bir follen frei unb offen bcfeti= 
tteit, waSber.^err an unS tntbburch uitS gethan hat, 
aber uid)t au uttferer eigenen Berhenlidmitg, fon= 
bern Aur ßhre ©ottcS unb sur Krtnunterung bet 
Brüber. 

®. 28: Sie hatten ihr 28cfen (ihren Auf= 
enthalt) bafelbft. 2Sie wohl wirb ben Apoftelit 
bie Stube gethan haben itadi fo langer mühfeliger 
Sahrt, unb tuie gefegnet wirb nun ihre ftitle Arbeit 
gewefen fein in ber SMuttergemeinbe; benit bie Stube 
treuer ßnedite ©otteS ift nur gleichfam eine 33er= 
änberuitg ihrer Arbeit. 


Chronik Der (hegenwart 


®er fdjöne, phantaficreiche, boit manchen 
geträumte Xraum, ba§ halb auf vielen ftauAcln 
eble, fromme, rcidibegabte Stauen alS regelrcdit ins 
ftaüirte Bnftoreit liehen, unb einen ungeheuren 
ßinftuf* auf bie Befchrung unb Befferung berJQelt 
attSüben werben, fdieint fo halb nidit in Krfüllung 
gehen au wollen. 

ftin-m um ben anbern biefer weiblichen fßaftoren 
madit /^iaSfo. Aidit etwa weil fie nidit fromm, ober 
nid>t begabt, ober energielos finb, foubern loeil ihr 
Stiditerfolg in ber Statur ber Sache liegt. 
Knthufiaften mögen Aioar bieSdmlb bent thöriditen 
9?orurtheil ber Btenfcbeu Aufchreiben, werben aber 
bamit famn auSreichen, beim geraOe bie lebten Awei 
SiaSfo fanben in folcheu ©emeinben ftatt, wo fidi 
grofje ©egeifterung für baS weiblidie Baftorat funb 
gab. 'Da ift Auni B^eifpiel gräulein Anna Oliber, 


welche Baftor ber 2ßilloughbp Abenue ffirche in 
Brooflpit, S2. ?}-r war. 28enn cS irgenb eine ©e= 
uteiiibe giebt, bie enthuRaftifd) für baS 3ufunftS= 
paftorat ber Stau eintrat, fo war eS jene; wenn 
trgenbwo 6Srunb unb ©oben für bie neue Btafc 
regel gefunben werben fann — fo ift eS Brooflwn. 
Sräulein Cliber mangelt eS weber an Sähigfeit, 
nodi Stöuunigfcit, nod) Knergic. Unb bod> muhte 
fie baS Unternehmen aufgeben, beim eS muhte ber 
Statur ber Sadie nadi mihlingcn. 

Untere Seit will fein weiblidieS Baftorat. Ob 
baS S>erhältnih ein anbercS fein wirb, wenn einmal 
bie Btorgenröthe beS taufenbiährigen SteicheS uii- 
Aweibeutig angebrochen, baS laffen nur bahingeftellt 
fein, machen aber einftweileu ein grofieS StagcAeicbeu 
bahinter mtb halten unS am ffiortc ber ©eiligen 
Schrift. 


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334 


(Sljronih ber (Segenmoti 


$eter ©oopcr, bet im Slpril im 92. Ccbenojabre 
SU Sfew ©orf geftorben, ift ein ©eifpiel bev groß* 
artigen amerifanifdieii Philanthropie. SBobl feine 
aubere Station weift fo»iele©hilautbropen auf, al3 
bie amcrifanijdie, eine Dbatjadie, für weldie man 
im 9tcid)tbum be? £aube3, in ber ©rsiebung uitb in 
bet ©eranlagung be? Sluierifaner? Urfadjen fiitbcn 
fann. Der Icfete ©vunb jebod) bürfte wohl in beut 
dniftlidicn Sinne be? amcvifanifdicit ©olfe?, batin 
$u fud)en fein f baß biersulaub bie ©ibcl nod) etwa? 
gilt unb ©ott nidit »eraditet wirb. 

90?ag and) bet Unglaube fid) gegen biefe SBabr* 
beit aufbäumeit/ fo ift fie tiicbt3bcftowenigcr wahr. 
9D?ag c? and) aittcrifanifcbe ©bilanthropeit neben, 
bie ftrenggeuommen feine ©ibclgläubigen finb, fo 
bat bod) bie 8uft, in wcldjcr fie ersogen finb, ibre 
SBirfung au?geübt. ©Senn bem ametifanifeben 
©olfe einmal bie djviftlidie ©ntnblage abbanben 
fänte, nnb bie »on jo »ielen gepriefene 9(ffcni>btlo- 
fophie bie Oberbanb crbieltc, fo fänbcit mit in beit 
©ereinigten Staaten ba3 fclbftfücbtigfte ffrämer* 
»olf, ba3 ficb benfeit labt; eine Nation, bie nidjt? 
fennete, al? beit ©tammoii3bienft. 

©eter 6ooper3 große? 9Bcrf ift ba? „6ooper=3n* 
ftitut" in bet Stabt Stew ?)ovi bet SDtitte »er 
ffitifaifiet Safere erriditete et biefe große tcd)itif(be unb 
attiftiidje ©olfofdwle mit einet evftcit Äapital* 
febenfung »on $630,000, welche feitbem, in icbcr 
SBetje unb unter Slufwenbung immer neuet ^mtbett- 
taufenbe erweitert, su einet Sehr* Slnftalt für bie 
mittellose ^tigenb betanaebieben ift, wie fie in biefet 
Slrt feine zweite ©voßftabt bet ©Seit befifet. ©Selche 
Sdiäfce ooit ©ilbimg, ©cfittung unb ßrlüjuitg au3 
ben tauben bet Slrmurb unb Unwiffenbcit haben 
fid) feit bem ©efteben biefet 3nftitut3 au? feilten 
©raunftein * ©Jauern übet ba? ganse ©emeinwefen 
»eit Stern ©orf ergoffen! ©Jeldie weiteren Sdjäfce 
biefet Slrt werben bafclbft in bet 3ufunft gehoben 
werben! Sreilidi, bantit ba3 Stile? gefdiehen foitnte, 
uttb and) für alle 3uftmft gefiebert würbe, bat ein 
ganse? Stabob? ©ermogen aufgeopfert werben müf* 
feit,—nämlid) 2 SOiiUtoiten unb fünfbunberttaufenb 
Dollar?. 

Äaifer ttttb ©Sir babeit »on icbet bebau))* 
tet, baß weber ©i?marcf nod) Äaifcr ©Silbclin nadj 
ßanoffa neben, ba3 beißt bem ©apft in ben £>aupt= 
pituftcn be? Streite? swifdjeit Staat unb 9tom rtadi* 
neben werben. ©Ser anbeter Slitfidit war, foitnte bie 
Sachlage unmoglidj richtig anfnefafit babeit. 

63 muß jwar bem Äaifcr »on Deutfdjlaitb unb 
©i3manf batait gelegen fein, womöglich ben ftrie* 
ben bcrsuftellen unb feinen Sanfapfet }ttt SRcidj su 
babeit. Sie föiinctt aber, wollen fie beit ©eftanb 
be3 Staate? itid)t ncfäbrben, nur bi3 su einet ne* 
wiffeit ©rensc bet ©crcinbarung neben unb bürfeit 
nidtt batübet binau3fd)teiten. 

Um foldte SSerciubarunn bcrsuftelleit, bat®cutfd)* 
lanb bie nötbineit SSerbanblunncn neoflent, woran? 
al3bamt ba? ©erüd)t entftanbeit ift, e? habe ber 
UMiiifdteit Ätirie nadtncnebeit. 

Die? ift ein ^rrtbuni, unb bie neueften ©reinuifje 
beioeifeu, t'aß bet Streit nod) (annc itid)tau?nefod)= 
ten ift, nnb Deutfdtlanb fid) nod) lanne nid)t iit bie 
.ftänbe 9Kun? beniebt. 

(v? mußten oict oolle ^abte Unterbanbluuncn 
nepflonen werben, beoor bie SJefefeuitn erlebinter 


SMfd)of3fifee in preitßifdKit Diöcefeit tnönlid) newor= 
ben war. ffaum aber waren biefe Oberbirten eiit= 
nefefet, fo madtteit fie fid) S^erftöße neaen bie Staat?- 
nefefee fdmlbia, bie fein Staat bulben faitn. Sie 
erhärten s.$Ö. alle bon ffatbolifen einenaitnenen 
©ben, bie uid)t bon fatbolifdjen ^rieftern einnefen* 
net waren, für ti it a ü 11 i n. 

2 Benn nun auch biefe Slnntaßilnn etwa? nentilbert 
unb am 6itbe nans surüdncnoiitmeii würbe, fo batte 
fid) bod) eine bebeutenbe üKißftimmuun cntwidelt, 
weldte bie SJerbanblunneu smifdieit Äaifer unb 
fßapft erfd)werte. Der preußifdie Speualnefanbte 
in 9tout, ^err bon Sdtlöser, bem übte ficb swar auf? 
©ifrinfte, eine SSerftänbiauita über bie ftrieben?= 
bebinaunaeit berbeisufübren, aber alle? war ocraebs 
lid). ßnblid) fdtrieb $apft SeoXIII. lefeten SSintet 
einen eiaenbänbiaen SJrief au bcu bcutidteit Äaifer, 
in weldtent al? SBebiiifliutfl für ben Stieben bie 
tbeilweife Slufbebuita ber ^aißefefee genannt wirb. 

Die Slntwort be? Äaifer3 ftcllte al? s 3ebinaunfl 
be? päpftlidjeit SBuufdte?, baß ber $apft bie ^fließt 
anerfenne, ber pretißifdteit ategieruna bie fßerunen 
ttambaft su ntadten, tocldte sur SDcfcfeuuo erlebiflter 
geiftlidjer Stellen berufen werben follcit. 

Sluf biefe? Sdtrciben erwiberte ber Stapft, baß er 
eine pollftänbifle 9temfion ber SÖJaißefcfee nidjtab* 
warten wolle, beoor er bie aSerfoncn ber SKeflierung 
bcseidjitete, weldie &\x SDefebung erlebigtcr $fan* 
ämtcr in 2(u3fid)t genommen wären; er müffe iebotb 
»erlangen, baß gleid)seitig bie ßinfdnänfting ber 
SKaßregcln beginne, weldie beute bic 9lu?übung ber 
geiftlidien 90fadit unb be? geiftlidjen Slmt?, Sowie 
beit Unterricht uub bie 9lu3bilbung bc3Äleru3ben 
Scbten unb bem ©eift ber Äfirdje entfpredjcnb »er* 
binberten. 

Die 93cbeutung biefe? lebten Sd)reibcn? be? 
Zapfte? läßt fid) au? ber SBirfung ermeffen, U'elcbe 
baffelbe auf ba3 Scntrum beroorgebradit bat. Die 
Sübrer biefer Partei, Sßinbtborft unb ». Sdior* 
lemer*9(lft, gaben bie bi? babin nod) beobad)tete 
^urfufbaltung gegen bie SHegierung »eilig auf unb 
führten wicber biefclbe Spradie ioie sur 3eit be? 
beftigften Äam»fc3. 3u?befonbcre ertbeilte SSinbt* 
borft bem Sürftbifd)of »on 5ßre3lau ba? 3eugniß, 
baß er in ber 90cifd)ebeufrage burd)au3 eorrcct ge* 
baubeit habe, unb baß bicienigen, weldie ibm au? 
feinem Sluftreten einen SSomuu-f maditcn, bamit 
lebiglid) ibre Unfenntniß fird)lid)cr Dinge »er* 
rietben. 

Sluberfeit? wirb berichtet, baß Äaifer SBilbclm, 
naebbem er ben ©rief be? ©apfte? gelcfen, fopf* 
fdjüttelnb gefagt habe; „Da?gebtnidit." Dennodj 
bat ber ©apft auch auf biefen ©rief wieber eine 
Slntwort erbalten; aber e3 läßt fid) faum annebmen, 
baß babtircb eine wefcntlidK Slcnberung ber Sacb* 
tage berbeigefübrt loerben loirb; basu ift bie päpft* 
lid)e Sotberung su beftiuimt gcftellt unb cImmiJo un* 
annehmbar. SBeim bie fatbolifdie ©eiftlidifeit für 
ihren ©eruf nur in firdilkbeu Scbranftaltcn »or^ 
bereitet wirb, bann fann fie bem Staat nidit bie 
©ürgfdiaft leifteit, baß fie ba? nöthige ©erftänbniß 
für feine ©inriebtungen unb ©ebürfniffe befifet. 
©erabe biefe ©ebingung erfdieint nnerläßlid), unb 
bureb fie erhält bie Slnjcigepflidit ber Äurie über* 
baupt erft ihren 2Bcvth. j\ft ba? ganse ©erfonal, 
welche? für bie ©efeßung ber ©farrämter sur ©er* 
füguug ftebt, im ©eift unb nad) ben Sebreii ber 


! 


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335 


$um Ifriebensport. 


flirrfjc auSßebilbet, bann lieat fauut noch etwas 
baran, ob bie 2 Sab( fiel) auf biefe ober icne ißerjen* 
liebfeit lenft; fic werben alle il>r 9lmt nur nad) beit 
^Befehlen ihrer firdüidjen 9>oröefebten ohne s Jiücf= 
ftd)t auf bic 9lnforberiutfleit auSüben, weldie ber 
Staat an fie (teilen iitufj. £)ier ift ber Sife ber 
Öuelle für fortbauevnbe Streitißfeitcn swifd)en beit 
Dienern ber Jtird)e uitb ben Organen ber Staate 
oerwaltuitfl. 

Der Verlauf ber 93erhanbluitßen, weldjc u>ä(>= 
reub eiltet beinahe fünfjährigen 3 eitra umS swiidten 
Staat uub Äirche, swifd)eit ifaifer uitb hausier auf 
ber einen unb 9Sai>ft uitb Garbinalftaatbfefretär 
auf ber anberen Seite flopf[ov\eii loorbeit fittb, hat 
aclehrt, baß ein 9lu?ßleid), ioeld)er einen baucrnbcit 
tfrieben ber beiben (Gewalten acwäbrleiftet, wohl 
nid)t aefutiben werben fanit, ba§ ber SSiberftreit 
ber beiberfeitigen Sntereffen $u ßrojj i(t, al£ ba& er 
aätulirf) 51 t beiettificn wäre. 9(1« ber Afauibf nad) 
SBiebcraufrichtung beS Deutfdjcit dteidrä beßanit, 
als bie biplomatijdjen ‘Bcsiehuiißen swifdjcit 93erliit 
uitb beut s i>atifan abacbrodieit würben, flab ftürft 
SbiSmavcf ber .poffnuiia 9 (uSbritcf, ba& unter einem 
frieblidtcrit ^ßapft ber 'Bet f ehr wieber auiflenomiiteit 
toerben föttite. Diele Borau3fid)t hat fid) jwar 


alS riibtiß bewährt, aber bie baran flefnftpften wcU 
terit ührwartuiiflcn fi^b bisher noch unerfüllt ßeblie= 
ben, unb bie 9lu*fid)ten, ba& hierin für bie tfdfle 
eine Sleuberuna eiittrcten werbe, fiub and) fo ae= 
rinn, bajj fie faft fdwn als ßcidnounben ansujeheit 
ftnb. 

DaS Deutfdje 9feid) faitn bie 9>ebinßiinßeit fei= 
neS Bcfteheno unb feiner SBohlfahrt niriit von 
einer auswärtigen Ü)cad)t abhäitßiß inanen, cS 
fann mit beut i'aoftthum in feiner aeßenwärtigeit 
(Mcftalt nur in einem SJerhältnif? ftcheu, helfen 
(^rutibsüße nad) beiben Seiten hin ßcitau feft= 
ßeftellt unb wohlerwogen finb. So wenia bie 
Staatsgewalt in Dcutfchlattb, bcüelumßoweife in 
^reuften, bie 9lbfid)t unb ben 'Beruf hat, ben 
relißiöfen Uebcrseuauiißcit bcS Bolfs irftenbwelche 
©diraufcu su sieben, fo wenia fann fie bavauf 
Berskbt leiften, bie ©rense ansiißebcn, bis ju wel- 
d)cr bic romijdte Curie ihre SWadit unb ihren (9itt- 
flu& auf bie ftattlkhen 6 iitrid)iunßett ausbebnen 
barf. 

9 Scr weiß, wie biefer 5?ampf 11 cd) eubcu toirb; 
manche wollen behaupten, bafi baS 'Bünbnift swU 
fdteit Deutjddaiib, Italien uub Oefterreid) fidj 
aud) auf biefeit Streit besiehe — ! 


' Mnm £fcfafan&paxt* 


Andante . ©orte unb SRnfft oott fl. Sauer. 



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0 el’ger, fefger, fcl’ger gviebenSport, D Joeimatfy im Fimmel, 0 feiger Ort, D§ehnat& im$immel, 0 

•#> - 1 , 1 1 4-* _ -!**■ * ■#• iS»- «*v -f- . 

-5 fc-r-®—® 1 P-d—!—d—1 — 1—rtr —s§—P r®—. —* r®—I—1 fc—*—* r®— 




9Jacfy lftem — 3ten $er3. 

1 


9Jadi 4tem 3$er$. 













































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i • » »i ... _ _~... n IVUIIIUV V 7 / ***** 

«wgmnrju (türmen — ben SeI6|'tmorb. „9)iacf)e nid)t§fciflenbe 9tu3flfldjte fitib, unb fontmt ju 
bem elenbeu Unfein ein Silbe, bu baft ja ein 1 ber S<bluj} * Solflerung, baß man biefe 6t» 

26 


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grfter 


3ht(i 1883. 


§iti«nte* «Äeft. 



M Den liiidjtrii trimmt mau 
öcii Poum. 

Ifliitor. 


$ief)t ein finfterer 
feinb burcf) bie SBelt, ber 
flegenmärtig namentlich 
gan^ Europa in Schretfeit 
feßt, aber and) nuferem 
Sanbe nicpt fremb ift. 

„33erni<htung be* Seftefjenben," ba§ ift feine 
£oftmg; Reiter, Worb, ^tjnamit finb feine 
Söaffeii. 

3 >n Stußlanb finb bie Stifjiliften ber Schrecfen 
ber ©efellfchaft; in Spanien ber ©unb, ber fich 
„fchroarje £aub" nennt; in $eutfchlanb, franf= 
reich unb Cefterreich miihleit bie Sojialiftcn; in 
(Großbritannien morben nnb fprengen bie SBer= 
feftmorenen 3 r(anb 3 unb ^ierjulanb prebigen 
©efiunungsgenoffen ähnliche ©runbfäße beS 91 b* 
grunb§. 

Stebftbem gebraust Satan in unferer 3 eit 
mitten anbertt Wetifchenberberöer, um Seelen 
in’äSlenb ju Bürgen — beit Selbftmorb. ,,Wadje 
bem elenbeit Unfein ein 6ube, bu hnft ja ein 


Stecht über bein Seben," 
fo flüftert ber Strebe ben 
Sinnen 311 ; unb Jlugel, 

©ift Strirf ober SBaffer 
fchließen bie jammerDoüe 
irbifepe Saufbapn. ftaupt* 
fachlich aber finb e$ bie Dielen itberhanbnehmeit* 
ben Selbftmorbe unter ben $eutf<hen, melche in 
jitngfier 3eit bie öffentliche Slufmerffamteit in 
Slnfpriuh genommen haben. 

Xa ^erbricht man fich alSbann ben $opf, um 
bie Urfache „biefer fönnlid) fepretfenerregenben 
Selbftmorb^roportiou" 311 finben. Wan rebet 
Dom ffantpf um ’3 Tafein, ber gar manchem 311 
ferner mirb, fafelt bauoit, baß ber ®eutfcbe eben 
ein großer ^ßhilofopp fei, unb ber Saufbahn ein 
Sttbe mache, fobalb biefelbe nicht mehr orbent* 
lieh fortgeführt merbeu föune; man fieht auch 
bann mib mann, baß folcpe ©riinbe (?) nur 
nieptsfagenbe SluSflüdjte finb, unb fonimt 3U 
ber Schlußfolgerung, baß mau biefe 6r* 


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338 


Hn tan $rüd)ten erkennt man tan $aum. 


Mjeinunaen bod) nicpt fo recpt ju ertlären im 
©taube fei. 

Unb bod) giebt eS eine feßr triftifle, flare 
Urjadje bafür. Wenn in ^rlanb unfchulbige 
Wänner non feigen Wörbern uiebergeftoßen, in 
ftnjÜanb ber Sprengftoff jum Wajfen»Worb 
perroeubet mirb, im übrigen Europa eine un= 
heimliche Woct)t alles ©eftehenbe nt untergraben 
fud»t, in unterem Sanbe bie gleichen Sehren frei 
oerfünbigt merben, unb ^ninberte fictj baS Sieben 
felbft nehmen; ba muß, — fo öiel auch bie 
Schaben, bau ©lenb unb bie Sdfitlb ber ©e= 
fellfchaft foldhe 2hatfad)en Perurfacht haben 
mögen — eine fchiißenbe Sdjranfe, ein ©oll» 
roerf gegen biefen pöllifchen geiitb abhaitben 
gefomnten fein. 

l!iefe in Saufenben gefchmuitbeite ©urg ift 
ber ©laube an baS ©migc, baS ©ertrauen^auf 
ben lebenbigen, perfönlicbeu ©ott, baS $eft= 
halten an ber ©riftens beS ©eifteS unb beffen 
3?ortbeftanb nach bein iobe. 

SDiait hat fo lange über bie „Dummheit* beS 
©laubenS gefpöttelt, fo feft bie ©ntmicfelung 
beS Wen üben aus Staub behauptet, fo frech bie 
©jriftenj beS Wenfchen nach bem Stöbe, fomie 
baS SDafein ©otteS geläugnet, baß Wifiionen 
biefem — bem fleifcplichen Sinne fo feljr su= 
fagenben ©paitgelium gugefallen finb. ©ie 
mürben in tieffter Sebeutung beS Wortes 
„gfleifch," unb mollen nun auch alles ihrem 
fleifchlidjen, thierifchen Sinn gemäß ummait» 
bcln unb jerftören — unb märe es auch, menn 
eS barauf anfömmt, baS eigene Sehen. 

$>aß in Urlaub unb Spanien, mofelbft fich 
biefer SchrecfenSfeiub auch äußert, baS ©olf in 
ben ©anben beS Aberglaubens gefangen liegt, 
thut unferer ©ofition feinen ©intrag, beim aber» 
gläubifche Verehrung äußerer Eilige ift ja nicht 
lebenbiger ©laube an ben lebenbigen ©ott; 
mecban’ifch mitgeinachte Zeremonien tonnen feine 
^nfpiration bafür fein, ben Wetlichen berank 
roortlich ju machen. Solch religiöfer fjrohn» 
bienft ift im ©egentßeil baju angethan, ben 
Seilten ihre ©erantroortlichfeit ju eutrücfen, fo 
baß fie bei allem, ober troß allem äußeren bienft, 
hoch nicht mehr im innerften £erjen auf bem 
eroigen ©runbe flehen. 

Auch barf nicht öergeffen merben, baß ba, 
roo baS ©olf bem Aberglauben anheimgefallen, 
bie Seiter beffelben, bie fogenannte gebilbete 
St (affe nteiftenS allen ©tauben an ©ott nnb 
bas emige Sehen roeggemorfen haben, mie bieS 
allgemein in Spanien unb jurn 2beil aud) in 
3>rlanb ber 5a(l ift. 

Unglaube mtb Aberglaube bieten fich bie 
Ha nb, bem SPolte ©runb unb ©oben unter ben 
gilßen roegjuftoßen. Alfo mar eS oor bem 
Ausbruch ber frotijöfifchen Dteoolution im leß» 
ten ^ahrhnubert. ©oltoire unb feine literari» 1 


fchen ©enoffett übergoffen ben ©ibelglauben mit 
ber fauche ihrer erbitterten Herren unb bie 
fogenannten gebilbeten granjofeii beteten nach, 
unb baS ©olf trat entroeber in ihre 0rnßftnpfen, 
ober faß in ben Stetten beS Aberglaubens ge» 
fangen. Unb maS mar bie golge ? ©in ©lut» 
hob, mie eS bie Welt faum Oorfjer gefehen; eine 
©djrecfenSberrfchaft, melche ©ntfeßeu unter allen 
©ölfern berbreitete; eine Willtür, melche bie 
Stprannei ber Slönige um’S £mnbertfnche über» 
traf. $a mürben Weiber unb Sfinbet mirflid) 
ju #t)änen unb trieben mit ©ntfeßen ©d)erj. 

„Aber fo meit mirb eS bei ber heutigen Zioi» 
tifotion nicht tommen, bajn ift bie Wenfchhcit 
boch ju meit Porgerücft," fagt Seinanb. 

Unb maS, roer bürgt benn bafür, baß eS 
nicht fomeit fommen fann? ©tma bie oom 
©louben an baS ©roige mie ben ©roigen abge» 
riffene Zioilifation? Wir haben feinerlci ®e» 
bulb mehr mit biefer hohlen ©prüfe, unb niei» 
nen, bie religionSlofe Sittlichfeit (?) habe oor 
unfern Augen bereits fo biel geleiftet, baß man 
einmal für allemal ben ffirlefanj ooit ber Zioi» 
lifation, bie nicht auf göttlicher ©riinblage be» 
ruht, in bie Aumpelfammer merfen follte. 

Wenn eS gelingt, ber Weprjahl eines ©olfeS 
bie Weinnng beijubringeit, eS fei nichts als eine 
entroicfelte Sthierart, ber ©eift unb bas 35enf» 
Permögen eines jeben ©injelnen nur baS ©ro= 
buft beS ©ehirnS, unb ber Wenfch oerfinte nach 
bem 3£obe in AidjtS: menn auf ©runb folcper 
Aitfchauung eine ©djranfe nach ber anbern um» 
ftürjt unb ein einiges ©ut nach bem anbern 
berloren ginge; meun^bie ©ibel allgemein mit 
©pott begrüßt, bie Sonntagsheiligung überall 
abgefepafft mürbe unb ber ©enuß geiftiger ©e= 
tränfe ein gnnj unb gar unbefchräufter mirb, 
fo mirb baS ©olf im allgemeinen auch öertpie» 
reit unb bie fffurie h?rauSfcbren, bie aisbann — 
mie taute fthon in ©uropa — nur bur^ baS 
©ajonet niebergehalteu merben fann. 

3(ene Herren, melche Winb in mtferem Sanbe 
fäen, mögen ito^ auf amerifanifchem ©runb 
unb ©oben Stunnroinb ernten, menn ihre 2!ra» 
chenfaat aufgegangen unb ber bcjfere Sheil beS 
©olfeS nicht madhfam ift. 

Wan täufche fich bariiber nicht. Wenn ein 
Wann, mie ber Wütheridj Woft, taufenbe bei» 
fallSflatfchenbe 3“P rer finbeit fann }u einer 
Siebe, in meiner er bie ©arifer Zommune uon 
1871 berherrlicpt, fo muß baS Sleiinen ber Saat 
jugeftanben merben. 

„®ie Zommune," fagte ^err Woft, „hätte 
baS Himmelreich auf ©rben gebracht, menn eS 
ihr gelungen märe. Aber fie hatte ben einen 
großen ffchl«, baß fie ju Diel Humanität gegen 
bie geinbe übte, ©ie bemachte bie ©aitfen, in 
melcheit WiDionen aufgefpeiepert lagen. Sie 
fchoitte ihre fjeinbe. ©ie erlaubte ber ©reffe 


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3m Hont. 


339 


bie Stritif. — TaS nüdjfte ©tal werben wir ben ©teufchen öbflejireift haben; «in mutßiger 
es beffer machen. ©ir nehmen bie Santen mit; Tiger, melier ben weniger mutßigen üorbriillt; 
all ihrem Gelb. ©ir fliehen einen Carbon um j ein bonbem Gtoigen, Göttlichen uubaeht ©ieiifcb» 
bie ffeinbe unferer Sache unb blaien fie , liehenganjlich Hbgefomniener, welcher©tidioneit 
i n S 9t i ch 1©ir werben bie Schurfenpreffe ©rüber hat. 

flum Schweigen bringen." Solches fiitb bie krähte: ©teuchelmorb, Tp» 

Unb ju folch’ tigerartigem ©rüden h^ittten namitfprengung, '«Raub, aügemeine Schlächterei, 
taufenbe beuliehe Stimmen in 9tew ?)ort ©ei» Umfturj, Tprannei unb Selbftmorb. 
fall. ©ie faul muß ber ©aum fein, an welchem 

Siegt hierin nicht ein gar ernfteS Reichen un* folch« feuchte gebeihen? Ter ©aum ber Gottes» 
ferer 3eit? Mann man iolcpe ©orfalle mit ber beraeßtung, ber Säugnung beS Gwigeit, ber ©er* 
oberflächlichen Semertung — „baS ift eben ein i fpottung ber ©ibelwahrheiten unb jener eraf» 
tffanatiter" — hinwegbeuten? ten (!) ©iffenfdjaft, welche auch baS Gbelfte 

3a wohl, ein fjanatifer, hinter welchem tau» unb fjödjfte im 9Renf<henleben nur auf Staub, 
fenb anbere feinesgleichen flehen, bie ebenfalls ©affer, 'Jtahrung unb &iße jurüdfüßrt! 


üö )m Horn, m 

©in ©ommerbilb. 

ftiir ^attl unb #erb Mn X. 9. 3. 

J n golbenem Glanje leuchtet bie Sommer» ber feine ntilbe §anb aufthut unb fättiget 
fonne bom woltenloS flaren, tiefblauen HdeS mit ©ohlgefaden, ber fröhlich macht, 
£>immel hernieber, unb gießt einen fluthen» was ba lebet unb webet auf (Srben! — 
ben Strom oou Sicht unb ftrahlenbem Schim» Hber burch baS lebenbige ©tenfehenherfl, baS 
mer über bie gelber — unb in golbener giide feines Gottes fid) freut in ber Güte feiner Ga» 
fchmüdt fid) fröhlich bie fruchtbare Grbe mit ben, unb im frohen Httblid ber Schönheit fei» 
manneshohen, bichtgebrängten, tornfehweren ner Schöpfung, bcS Schöpfers felbft gebeult, 
Hehren. '.Reich gefättigt bon Oben her weit baS in ben ©unberwerfen feiner £anb fdjmeden 
frifchem Thau unb warmem Stegen, unb pon unb fehen gelernt hat, wie freunblid) ber £err 
unten burch beS ©obeitS Saft unb Straft ge» ift, jieht’S wie ein Subelpfalm, unb es jauchst 
nährt unb gefeuchtet, nährt fie nun felber, frei» mit bem fchmetternben Soblieb ber Sercbe um 
aebig unb fteubig, wie eine gütige ©tutter, baS bie ©Jette, in fiißcm Sang unb lautem Älaitg 
Gefdflecht ihrer Stinber mit ben Gaben, bie ber in bie weite ©eit hinaus, über bie erntege» 
©tenfeh im Schweiß feines HngefidjtS in fau» fchmiirfte Grbe hin unb sum heüeit, lachenben 
rer Hrbeit unb harter ©tüfje mit unerntüblich ßinuuel empor: „Taufet bem |>ertn, benn er ift 
fleißiger, forgfamer |)anb befteüt, unb ber freunblidj, feine Güte währet ewiglich! Sobe 
Hrm beS fjimmlifchen ©aterS allmächtig unb bett .£)errn, meine Seele, unb bergiß nicht, was 
gnäbig »or Sturinminb unb Sjagelfdflag, bor er bir Gutes gethan hat!" — 

©iiß iinb Uugewitter gewinnt unb gefcf)üßt Tort finb es bieHlten, bie in langfam behag« 
hat, an beffen Segen allein HfleS gelegen licßem Schritt am bämmernben ^eierabenb ober 
ift! — am ftiflen Sonntag ©acbmittag burch bie rei» 

3efct ift baS Selb reif sur Grnte, unb bie chen, üppig prangenbett Gefilbe wanbeln, bon 
©tillionen fchlanfer, fchwanfenber ,palme, bie alten Tagen plaubernb unb ber begangenen 
halb im leifenfjauch eines leichten SüftleinS git«= feiten gebenfenb mit ihrem ©echfel bon ©obl 
tern unb beben, lifpeln unb rauften, halb im unb 2Beh, bon Sufi unb Seib, aber auch bon 
iraftbolleren ©eben beS ©inbeS, wie ebenfo ber immer neuen unb immer treuen Siebe ihres 
biele ©tillionen mächtig mogenber ©teereSweflen Gottes rebenb unb riihmenb, bie ihnen ad ihre 
fich neigen unb beugen, feitfen ftid in ftummem bangen Sorgen boch immer wieber in lauter 
Tanlgebet bie frueßtfebmeren Häupter mit ben lichten Segen gemanbelt unb in ben langgesoge« 
golbenen St tonen, gleich als wollte felbft bie nen Hderfurdjen ihrer SebenSjahre, aus man» 
tobte Statur, in fdjweigenbem Sinnbilb wenig» eher Tbränenfaat eine felige ^reubenernte wad)» 
flenS, bem hohen -£)errn beS Rimmels bie Gbre fen ließ! — ©ier fiub’S bie jungen, benen noch 
geben, bie ihm gebührt, auf ben ©der Hugen ber Sfinbljeit golbener ©torgen gehört unb bie 
warten, baß er ihnen Speife gebe su feiner 3eit, berßeißungSbode, bielberfprechenbe unb boch fo 


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340 


3m JRom. 


3m Äorn. 



ungemiffe ftufunft, aber Dor benen auch nod) ber 
heifte Arbeitstag liegt unb bie brütfenbe Som= 
merfchmiüe bes Sehens, ber eine, baß i()re Äraft 
gemerft unb gemerthet, geprüft unb geprobt, ge= 
ftärtt unb geftäplt merbe, bie anbere, baß in 
ipm bie Saat ber 3eit auSreife gur ßrnte ber 
(Smigfeit! 

3a, — jept frängt ihr euch mohl nod) mit bem 
teilten forglofen Sinn ber fro^^igen, marin* 
blutigen, glütfftrahleuben 3ugenb baS utige* 
beugte £mupt unb bie ungebleichten Sorten über 
ber frifd^en faltenlofen Stirne mit all ber bun* 
ten buftigen Slütpenpracht ber farbenfchim* 
meruben Slumeufinber, bie ber Sommer als 
flüchtigen Schmud jmijchen bie gebiegene goU 
bene Jvüüe feines Segens ftreut, meil ©otteS 
33atergüte ja nicht mit farger £>aitb nur baS 


9Jötf)ige fchafft. nur baS 9tüplid)e fd^entt. 3epl 
pflücft ihr fie mohl noch, bie uergänglichen 3Mü» 
then gu finbifchet* Suft; aber bebenfet ee« mohl, 
nicht um ber .Kornblumen milleu, ift baS Korn* 
felb ba, unb baS Seben nicht bloS ginn hei* 
tern Spiel, gu müfeig tönbelnbem ^eitüertreib. 
9iein! 2Ber in ber 3ugenb SengcStag nur gier* 
liehe Sommerpflatigen fäen mollte, bem mürbe 
bie ßrnte ob unb eienb im Alter! ^arum for* 
get fchon jept mit ©ruft, baß euch eitift bie 
unbermelfliche bleibetibe 3toubenfrone unb beS 
emigen SebenS unDergünglid) grüner Kräng 
nicht fehle, menn ber große entfdjeibeube ßrnte* 
tag fonimt, mo fich unfehlbar, gemiß unb un* 
abänberlid) fidjer herauSftellen muft, mas ihr, 
unb auf maS ihr gefät habt, fo lange noch bic 
Saatzeit eurer Kinberjahre gebauert! — 



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Jes 3uben Sodjter. 


341 


P(0 luiuti todjter. 

diu ®trfuif| uou X. SS. 


CvJ^Ävor bem ftaufe beS ftopepriefterS in 
s Cw4^)J/ 3 eri| f ülem tS W r ^eroeflt, ein 
prächtiger gweiräbriger 2öagen ift 

■^ßX v>-C angefpannt, er fließt aber mepr 
)^_3) einem itriegswogen als einem ein» 
** facpen Steifemagen; ungebulbig 
fc^arren bie feurigen Stoppen unb Jnirfcpen in 
baS filberne ©ebiß; fnum tarnt ber hinten im 
2Bagen ftebenbe fEßagenlenfer bie ungebulbigen 
SJferbe palten. StingSum ftepen Wiener unb 33e= 
waffnete, tpeilS an ipre '-ßferbe gelepnt, tpeilS 
fcpon auf benfelben. ©ie fcpeineit nur ipreS 
fterrn gu warten, um abgureiten. 

„SBopin gept bie Steife, StojfelenJcr ?" ruft 
einer ber ^Bewaffneten. 

„Stacp ©prien," ift bie Antwort. 

„2BnS bat benn bein fterr bort gu fdpaffen ? 
3cp glaube, eS gebt ber neuen ©eite, bie fiep in 
ffeaniaSfuS gang befonberS breit maept, in ber 
näcpften 3eit fepledpt." 

„2Barum finb fie auep niept im ©lauben ihrer 
SBäter geblieben ?" 

„Sap! ©tauben ber Sitter!" ift bie Slntmort 
beS StoffelenterS. „3fcp bin gmar Don ftaufe aus 
auep 3fube, aber bei uns in ©riecpenlanb briiben 
lernt man weitpergiger beitfen. Ob ^epoua ober 
3enS ober Jupiter, bleibt fi(p am ©nbe gleich, 
wenn man nur fepön unb angenepm leben tann. 
— Stupig, ©aftor!" rief er bann einem fcplanfen 
ftunbe gii, ber nngebulbig an ben Serben pin« 
auffprang, „mitterft bu SBeute? balb giebt’S 
eine luftige 3fagb." 6t tnaDte fröplicp mit ber 
langen Seitfcpe am Jürgen Stiel, als ging’S 
mirfliep einer 3agb entgegen unb niept gu einer 
fteße auf untepulbige unb fromme Stagarener. 

Sepen wir uns nun im tßalaft beS ftope« 
priefterS felbft um. $erfelbe ift noep JfaippaS, 
benn eS finb erft wenig 3apre feit ©prifti 2ob 
Dergaitgen. @r trägt einen langen weißen Sart, 
pat tiefe gurepen im ©efiept unb oerfepmißte 
graue Singen. Sor ipm fiept eine jugenblicpe 
©eftalt, mittelgroß; Jraufe fcpwarge ftnare be= 
beeten fein ftaupt; über bnntlen feurigen Slugen 
wölbt fiep eine fiipne tömifdpe ©time, Safe unb 
Staub geigen jübifepen 2ppuS; er ift fepr ein« 
faep gefieibet. 

„3tp lobe beinen ©ifer, mein ©opn," fagte 
ber ftopepriefter, „aber treibe eS niept gu Weit." 

„'JiaS peißt," fiel ber Slnbere ein, „püte biep, 
baß bu niept mit ben ©efepen ber Stömer — ©ott 
oemiepte fie! — in 3toiefpnlt fommft. ftabt ipr 
übrigens etwa bei ©tefonuS gefeplicp gepanbeit?" 
fragte er bann pöpitifep. 

©in fteepenber, böfer ©lief aus ben Slugen 


beS SJaippaS traf ipn. „SöaS wollteft bu fagen, 
©aufuS?" 

„$>aß ipr bei bem Sagarener gu ©ilatu§ unb 
fterobeS gelaufen feib, weil ipr felbft fo Diel 21er« 
ftanb unb ©ewijfen hattet, baß ipr naep eurem 
©efep ipn niept riepten lonntet; Don ©tefanuS 
aber fagt man —" 

„2BaS fagt man ?" 

,,©r pabe bem berfammelten ©pnebrium bie 
SSaprpeit gefagt, unb fei als Opfer gemeiner 
Stacpe gefallen." 

„Söer fagt baS?" fupr ber ftopepriefter auf. 

©auluS antwortete niipt, fonbern fupr fort: 
,,©S ift wapr, icp patte SBoplgefallen an bem 
2obe beS ©tefanuS — möge jeber fo enbigen, 
ber ben fterrn ber fteerfepaaren Derläßt unb 
einen ©etreugigten an betet! Slber bie 91 rt, wie 
ipr ipn gum 2obe feplepptet, rafenb, fcpnaubenb 
unb gäpnetnirfepenb ipn umfreifenb, er felbft 
rupig, ein Snmm unter SBölfen —" 

©auluS bra^ ab. Sadp einer Soufc fupr er 
fort: „Simmer will mir jener Slbenb aus bem 
©ebädptniß. 3,cp ftanb braußeii unb fap, wie 
bie ©onne hinter bem Stempel pittabging, Triebe 
unb 9tupe in ber gangen Satur — ba auf ein« 
mal tarnet ipr, warft eure Cberfleiber üor meine 
ffiiße, unb icp fap, wie ein 93erä<pter unfereS 
©otteS enbigte. Unb ba pabe icp ben ©ntfepluß 
gefaßt, folcpe ©ott wohlgefälligen SSerfe fünftig 
felbft gu tpun unb für bie ©pre beS 4)errn ber 
^eerfepaaren gu eifern. Unb boep, wenn icp baran 
bente, Wie er niebertniete, bie fünften Singen 
gen Fimmel pob unb betete: &err bepalte ipnen 
biefe ©ünbe niept! als fäpe er broben ben ©e= 
Ireugigten in pimmlifeper SJiajcffät — ,'öope« 
priefter, wenn an ber neuen ©ette boep etwas 
SSapreS wäre ?" 

„3mmer bon bem einen gum anbern," ipvaep 
.IJaippaS Dor fiep pin. „2)er unermiiblicpfte Ser» 
folget ber Stagarener unb bariiber griibelnb, ob 
fie niept bie UBaprpeit fagen!" Saut fagte er 
bann: „3ep glaubte, bu wofleft naep TamaStuS." 

„greiliep ja," fiel ©auluS ein, fiep mit ber 
ftanb über bie ©time faprenb, als ob er fiep 
befänne. „@ieb mir bie ©riefe!" 

ÄaippaS gab ipm biefelbeit. ©S waren Soll« 
machten Dom ©pnebrium unb ©mpfeplungS« 
fdpreiben an ben ©tpnarepen (©tattpalter) Don 
®nmaSfuS. 

„Sebe wopl, balb bin icp mieber mit reieper 
Sente ba." 

ffaippaS fap ipm naep, trat bann ans ^en= 
fter, fap, wie eaulnS fiep in ben SBageit fdiwang, 
unb fort raffelte ber SBagen, bie Steiter folgten. 


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342 


9t» Buben ®odjtet. 


„Gin gemaltiger (Seift!" fprad) er Dar fiep bin. 
„Gr flebt entroeber an feinem oergebrenbett Gifer 
»u ©runbe, ober i(b febe ibn eines äageS als 
Slnbänger ber neuen ©ette." 


GS jinb einige Stage feit bem Grgäblten ber» 
gangen. einem Keinen 3'mmer, baS fi(b in 
einem Sturme ber Stabtmauer bon 2)amaSfuS 
befiubet, finben mir um bie SJtittagSgeit gmei 
Sierfonen. $)ie eine ift ber alte Stuben ben 3f<b= 
mael, bor ibtn fißt feine junge Sto^ter unb lieft 
ibm aus ber Stolle bor, bie fie auf ihrem ©<hoße 
auSgebreitet bat. 

„2ieS etroaS anbercS, ©arab, einen 3tad)e= 
pfalin ober etmaS bergleicben." 

„SBarum bas, SSater ?" 

„©eit mann fragt meine Tochter nad) ©riin» 
ben ?" 

©eborfam nahm ©arab eine anbere StoKe 
unb begann gu lefen. GS mar ber 83. SMalm. 
SlnfangS rnertte Stuben nur menig auf, als aber 
earab laS: ©ott mache fie roie einen SlMrbel, 
wie ©toppein bor bem SBinbe! ba glühten feine 
Singen, unb als fie deenbet batte, mieberbolteer: 
„3u ©cbanbeit miiffeii fie merben unb umfonu 
men! Grteunen milffett fie," fuhr er fort unb 
faltete bie Haube mie jutn ©ebet, „baff bu, $ett, 
ber fjödjfte bift in ber Söelt!" 

„Sfon mein rebeft bu?" fragte ©arob, bie 
ihren Slater noch feiten in fo(d)er Grregung ge» 
feben batte, bermttnbert. 

freilich mar el ihr auch nicht unermartet, als 
er antmortete: „Sion mern anberS, als bon ber 
neuen öefte! ©ie taften bie Gljre unfereS ©ot= 
teS an —" 

„SÖomit, Sinter ?" fragte ©arob- 

„2>amit, baß fie fageit, ein ©ott, ber ©obn 
eines ©otteS fei berabgetommen." 

„Unb meitn bem fo märe ?" 

Stuben marf ihr einen burctibobrenben SÖIirf 
u unb fuhr fort: „©ie fagen, er fei ber 2)tcf= 
iaS gemefen — baba! unb bat am fireuge ge» 
enbet, unb nach mie bor fchreitet ber Stömer 
eherner gfitfe über baS heilige Snitb unb römifetje 
üittoren binben Stutben für baS Soll ©otteS!" 

„Slber," marf ©arab ein, „untere Ißropbcten 
berfiinben ja einen SJteffiaS, ber biel leiben muß 

Mb —" 

„Stichts, nichts bon aKebem! Grmirbfommen 
ein .<?rieger unb £>elb bon SJtitternacbt, ber l)3ur= 
pur ummallt feine Schultern, bie ffrone leuchtet 
auf feinem Haupt, baS ©dimert blitet in feinen 
Hauben, unb er roirb bie ffeinbe fcblagen, unb 
mir merben mit eifernem ©cepter bie Reiben 
regieren, mir mit nnferem SJteffiaS in ber be= 
freiten ©tabt ©otteS." 

Stuben batte mit Segeifterung gefproeben unb 


©arab ihm ergriffen jugebört. 3 e ßt fuhr er 
im alten Stone fort. „Unb mie ber falfdje fDtef» 
fiaS ans ßreuj geßhlagen mürbe, fo merben nun 
feine Slnbänger auSgerottet, alle mit einanber, 
auf baß im Slolfe ^Srael fein Slbgöttißher er» 
funben merbe. Slucb in unferer ©tabt haben fie 
fi<b eingebrängt unb breiten fief) unter Rührung 
beS fmnanja immer mehr auS: unb mübrenb 
fich ©re ©etbäufer füllen, leeren (ich unfre ©pna» 
gogen. Slber," — fein Ston fanf gutn glüftern 
herab, — „ich habe Stachridft, baß ein junger 
Giferer mit Siameit ©auluS auSgebebnte S3oK« 
macht bat, bie ©emeinbe gu gerftören. Ha, mie 
merben fte auffdjreden, menn er in ihre Käufer 
bringt, fie bei ihren SSerfaimnlungen überrafebt 
unb fie gebunben nach Serufalem führt* 3reue 
bid), ©arab, mir triumpbiren!" 

©arab batte erfebreeft bie Sttittbeilungen ihres 
SBaterS bernommen, bie Slngft malte fWß auf 
ihrem ©efiebt beutlid), unb StubenS Singe ficht 
berfinfterte fich- 

„SBarum freut fich meineÜodjter nicht? Haft 
bu etma auch Hinneigung gu jenen ©cbmär. 
mern ?" 

©arab fdjmieg, Stuben aber fuhr fort: „®ir 
habe ich eine befonbere StoKe gugetbeilt; bu fennjt 
bie meiften Häufet, in melden Gbrifteit finb, 
fchreibe mir fie auf, bamit—" 

„Stimmermebr, SSater!" unterbrach ihn @a* 
rab. ,,©oK ich meine ©laubenSgenoffen ber» 
ratben ?" 

„Sllfo hoch!" fnirfdjte Stuben. „2)aS Glenb 
ift auch über mein HauS gefommen. Sprich, 
fearab, gebörft bu gu ber ©efteber Stagarener?" 
Gr batte fie mit eifernem ©riff am Slrme gefaßt 
unb emporgeriffen. 

©arab antmortete mit fefter ©timme: „3a." 

$a fdjlenberte er fie guriief. „SJtein ffluch —" 

„Stießt, Sinter, um beS Himmels miKcn nicht!" 
bat ©arab flehentlich. 

Stuben batte fich mieber gefaßt unb fanf auf 
ben 2)iban nieber. Gr fiiißte ben ffopf in bie 
Hanbe nnb feufgte: „D baß ich baS erlebte, baß 
über meine grauen Haare biefe ©cßanbe fommen 
muß —" 

„Schaube, Slater?" fagte ©arab. 

„3a, ©djanbe. O baß ich märe in bie ©ruhe 
gefahren, ehe ich biefe bittere Grfabrung machen 
mußte. Slber," fuhr er fort, ftanb mieber auf 
unb trat auf feine Stodjter gu, „ich bin bein 
SSater, ich habe bie ©eroalt übet bidj, ich befehle 
bir gu Iaffen bon biefer Stotte." 

„SBie fann ich ?" 

„®u mußt unb — fo maßr ber Herr lebt, fo» 
gleich febmöre beinen falfdjen ÜDieffinS ab unb 
fluche mit mir breimal bem 3«f» bon Stagaretb! 
3efu bon Stogaretb, ber fiügenpropbet —" 

©arab mar auf ibn gugefprungen unb faßte 
feine erhobene St echte. „SSater!" rief fie bebenb, 


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Pes Buben Sadjtrc. 


343 


„bringe bie Säfterung ntc^t über bie Sippen, icß 
werbe fie nie iiadjipreipen. in ff biefe ©ruft mit 
bem 2)olcpe, bu paft bie ©tadjt über tnicß, aber 
nimmermehr berleugne ich meinen fterrn, beti 
Sopn beS £>ocßge(obten." 

Stuben faß fie einen Augenblief ftarr an. 
„JoS in meinem &aufe! jjort, ungeratßene 
^irne, in welcher tein Jropfen fließt Don beiner 
©fiter ©lut, fleh« bin ju beinen ©laubenSgenof» 
fen, bie bir mehr finb als bein alter ©ater, unb 
nimm beffen ly lncß mit. 3?ort, Schlange!" Gr 
fcpleuberte fie weit Don fiep. 

„©ater, Erbarmen!" fiepte fie. 

„ftort, hinauf! Unb toie bu beinen ©ott Der= 
leuflnet paft, fo Derleuflne er biep; beiite ©ebeine 
follen Derborren, bein ©lut Dertroefnen in beinen 
Aberit!" 

Gr fah fiep um; bie Jßilre hotte fiep hinter 
feiner Jocpter flefcploffen; er roar allein. 


S>araß eilte in bie Stabt hinein, juetjl ju 

S ananja, um ipm bie ftuube ju bringen, baß 
aul fomme, um bie ©eineinbe ju jerftören. 
#ananja, ein treuer jünger beS $errn, aber 
etroaS fureßtfamen ©euüitßs, erfeßraf unb be= 
feßloß fogleicß, bie AbenbDerfantmlung niept ju 
palten unb erft objumarten, was bie Jage brin» 
gen werben. Sarah patte fein |>auS wieber oer» 
ioffen unb ftanb auf ber Straße, ungewiß, wohin 
fie fiep wcuDeu follte. $a fiel ipr ein ©laubenS» 
bruber ein, jugleicp ein entfernter ©erwanbter, 
mit Slawen jiuba, ber in einer fepönen Straße, | 
übetbieS uiept ju weit Don iprem Däterlicpen j 
£>nufe, eine große ©Jopnung inne patte. Sie 
burepfepritt bie Altftabt mit iprcit engen, wint» 
ligten ©affen, bis fie an eine fepöne, gerabe 
Straße tarn, bie jum fiiblicpen 2por ber Stabt 
führte, fjier trat fie ein unb würbe nach Gr» j 
jäplung iprer Umftänbe liebreich aufgenommen. 
$>ie ftinber beS Kaufes fummelten fiep um fie, 
unb halb patte fie unter bem .Rinberpäufleiu, 
bem fie Don bem großen ffinberfreunbe erjäplte, 
wenigftenS für Augenblide, ihres SepmerjeS Der» 
geffen. 

Unterbeffen ftanb Stuben an bem ftenfter 
feines fjaufeS, gen 3ierufalem gewenbet, unb fap 
hinaus in bie parabiefifepe Gbene, bie mit ipren 
Sßeinftöcfen unb Celbäumen frieblicp in ber 
©tittagSfoune balag. ©lößließ fap er ©Jaffen 
büßen, fap einen ©Jagen unb Steiler, unb er» 
faunte, als ber 3ug iiäper Jam, nun auch ben 
©tonn im ©Jogen; berfelbe foß finnenb auf bem 
©orberfiß unb bliefte ju ben ©lauern ber Stabt 
auf, über beren unfcpulbige Ginwopner er 3eiten 
beS «cprecfenS bringen wollte. 

Stuben triumppirte. „®a tommt er," fpraep 
er, „fcpön gerüftet, beS £>errn Gpre ju Wahren. 


Seßoba inacpe feinen Arm ftart unb feine Qfüße 
feßnell, bie 'Abtrünnigen ju fangeu!" 

®ocß was war baS ? JaS war niept beS ©tit« 
tags £eüe. Sinb plbßlicp am Fimmel jmei 
Sonnen ? Stuben feploß geblenbet einen Augen» 
blief baS Auge. AIS er eS wieber öffnete, fap er, 
wie brunten fidß bie ©ferbe poep aufbäumten, 
wie ber ©tann im ©Jagen naep ben 3iige(n flriff, 
bie bem Stoffelenfer entfaüeu waren, aber Der» 
geblicp; itocp ein StucJ, unb ber ©Jagen lag um» 
geftiirjt am ©oben unb fein ^nfaffe tniete im 
I Staube. Gr fap, wie feine Wiener juerft erftarrt 
ftifle hielten, bann aber, als ber Sicptglanj Der» 
ging, auf ipren £>errn jueilten, erfeßroden unb 
jitternb. 

Stuben wanbte fiep ab. „Unglitd auf Ungliief 
am heutigen Jag," jammerte er unb fanf er» 
fepöpft nieber. — 

„Siep einmal, men fie bort bie Straße her¬ 
auf führen," fagte bie tleine ©tirjam in 3»bn’3 
fpaufe ju Sarap. „ Jer arme ©tann, wie niüp» 
fam er geht!" 

Sarap fap pin. $ie Jruppe mar por Suba’S 
£aufe angelangt, SauluS hielt fiep miipfam 
aufrecht; fie patten ipn in bie Stabt geführt, 
beim ba fein ©Jagen jerbroepen war, tonnte er 
niept gefahren werben. 

„©Jopin befieplft bu, £>err ?" fragte ein 
Wiener. 

„3<P fepe ja niept«," war bie Antwort. „3n 
bas näcpfte befte £>auS, icp bin tobtmiibe." 

Jie Scpaar fcßmenlte in 3uba’S £)nu3 ein. 
Sarap ftanb unter ber Jpiire. 

„©Jen bringt ipr?" 

„Uitfer «fterr pat Ungliic! gepabt, er ift mit 
bem ©Jagen geftiirjt unb muß fiep bie Augen 
oerleßt pnben. Stepint ipn für iurje 3sit ouf. 
Gr ift auep ein $ube." 

„Unb wie peißt er ?" fragte Sarap. 

„Saulus," war bie Antwort. 

Sarap faltete bie £)äitbe. „©ott ift gerecht," 
fagte fie leife. „friiprt ipn perein!" — 

Gütige Jage finb oergangen. Aus bem ©er¬ 
folget ift ein begeifterter ©erfiinbiger feines 
StameuS geworben. ©Jie? brauchen mir niept 
ju erjäplen. ©on Saun ©linbpeit unb Teilung 
burep ftananja weiß ja jebeS Äiub. ©iS jeßt pat 
er baS GDangelium nur im engfteit ,<treife, im 
.fjaufe 3uba’S Devtiiubet, unb Sarap ift aufmert» 
fam ju feinen fräßen gefeffen. Unter ben feurigen 
©Jorten beS belehrten S.VanucS Dcrgaß fie ben 
Scpmerj, einen ©ater oerloreu ja haben. Stuben 
j wollte nichts mepr Don feiner joeßter pören, fie 
mar für ipn niept mepr, unb Sarap trug es ftifl 
um Gprifti willen, 3n JamasfuS war bie ©e» 
feprung beS Saulus notp niept befannt, nur 
buntle ©eriießte gingen um, welcpe bie gilben 
immer noch mit Hoffnung, bie Gpriften mit 
Scßredeit erfüllten. 


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344 


J)m Subrn ®od)ter. 


Stun aber wollte Saulus fi<h ber ©emeinbe 
geigen. 

Schon war bie fl an ge ©emeinbe beifammeit, 
als er eiutrat unb Don fjauanja als SauluS 
begrüfet würbe. Stun entftanb Unruhe in ber 
©erfammlung, man (glaubte feinen Singen 
!aum, ben tjicr gu (eben, Don Welchem man baS 
©djUnunfte befürchtet batte; manche trauten 
auch nicht recht unb oermutbeten eine Sift, unb 
Wieber anbere, bie noch fchmacb im ©tauben 
waren, Juchten fich babon gu machen, um nicht 
Don ihm erfannt gu werben. 

Saulus aber liefe baS bunfle grofee Stuge 
über bie ©erfammlung fchmeifen unb als er 
nun begann; „3fb* ©tänner, lieben ©rüber!" 
Jnnb eine Siebe hielt, marfig unb ternig, guerft 
langfam unb bebächtig, bann immer fchlagenber 
unb treffenber, immer feuriger im SluSbrud, 
mechfcluber in ber Siebe, nur ben einen ©unft 
feftfealtenb, bie ©röfee beS Sohnes ©otteS unb 
feine Unmürbigteit,- unb enblich fdjlofe: ,,©iir ift 
©armbergigfeit miberfatjren; ©ott bent ewigen 
Könige, beut UuDergÖnglidjen unb UnfiCfetbaren 
unb allein ©kifeit fei ©bre unb ©reis in ©wig= 
feit! Simen!" — ba bemächtigte fidj eine grofee 
Stüferung unb ©ewegung ber ©erfammlung. 
SlUeS ©i'ifetraiten mar gefcbmuitbeit, man fuchte 
feine fmnb gu brüefen, eingelne Süeiber lüfeten 
fogar fein ,<tleib, unb nur eine Stimmung 
befreite bie ©erfammlung : ber Danf gegen 
©ott, ber aus einem ©erfolget unb fiäfterer ein 
folcheS Stüftgeug gemacht hotte. 


©lieber ift eine Steilje Don Sagen Dergangen; 
©auluS prebigt nicht nur ben ß^rificit, fonbern 
auCh ben gilben. ©S ift Slbenb; bie Sonne 
hat eben ben lefeten Strahl in baS fünfter beS 
Rauschens geworfen, in welchem nun im Dun« 
fei Stuben fitet, ben ®opf auf bie fjaub geftiipt 
unb Dor fich bin mnnnelnb: „Unerträglich! ©r 
befiegt uns alle mit ber ©Jacht feiner Stebe, fein 
©iuitb inufe üerftummen!" Dann lachte er furg 
auf: „Den Segen beS .frobcpriefterS hoben mir 
ja gu unfrem ©Jcrfe!" Unb er Dertieftc, fiefe in 
ben Inhalt eines ©riefeS, ber Dor ihm lag. 
Stad) einer ©eile fuhr er, wie mit fich felbft 
rebenb, fort: „3[fl, ja, baS ift ein Statb, wie ihn 
nur $aipljaS geben fonnte, nieberträchtig, bin» 
terliftig unb gemein! föätte ihn fehen mögen, 
als er bie Stacbricbt erhielt, bafe fein eifrigfteS 
©lerfgeug gu ber neuen Sette hinüber gegangen 
ift. ©tufe ihm freilich unangenehm fein, biefer 
Saulus, beffen ©eifteStiefe unb feurige ©ereb« 
famteit er fennt. Sinn, eS gefchelje, was gefebe« 
heu feil, nicht bem &obepriefter, fonbern ©ott 
jur ©bre!" 

©ährenb befe flopfte eS an feiner Sbüre; 


nach unb nach fonben fiefe anbere fanatifefee 3u« 
ben ein, unb halb war baS fleitie 3immer Doll. 
Stuben begann: „3b* mifet wohl, warum ich 
euch entboten höbe, — wegen beS neuen Siaga« 
renerS. Stiefel genug, bafe er bur<h feine ©er» 
fünbiguitg beS ©etreugigten immer mehr ©in« 
fältige Don bem ©lauben ihrer ©äter abtrünnig 
macht, nein, er bringt in itnfere Spnagoge eiii 
unb beweift uns, ben Schriftfunbigem bafe alle 
bie ©erbeifeungen Don ©Jofe bis guni lefeteu ber 
©ropfeeten auf feinen SJagarener, genannt ^eftiS 
©feriftuS, gehen. Unb wenn wir ehrlich fein 
Wollen, fo mitffen mir gefteben, bafe mir ihm 
nicht gu miberfteben Dermocfeten. Selbft bu, 
Stabbi" — er manbte fich *u einem finfter brein« 
bliefenben Sllten — „felbft bu inufeteft Derftnm« 
men; er gwanp uns, bie £ogif feiner Schlüffe 
anguertennen; wir fonnten ber ehernen fiette 
feiner Folgerungen nicht otiSmeiChen. ©ebt 
acht, Iafet ihn boDenbS erftarfen, unb er macht 
ben ©rbtreis ber neuen £efere unterthan, unb 
bem ©ebäube, welches ber Siigenpropfeet aus 
Stagaretfe errichtet bat, — ©oit ftiirge eS gu« 
fammen! — wirb er bie Sliifeen, ben ©nuib 
unb ben SluSbau geben. SJuu frage id) euch: 
2ßaS foll bem gefd;efeen, welcher feinen ©ott 
berleugnet hot, ber unfer ©efefe gu Schauben 
macht Dor ben Reiben, ber falfdie SJteffiaSDer« 
fiinbiflungen unter fein ©olf bringt?" 

©in bumpfeS ©emurmel erhob fich. ©nblich 
rief ber Stabbi: „Seine Seele foü auegerottet 
werben aus bem ©ölte!" 

,,©r fterbe!" fielen bie Slnbern ein. 

Stuben fuhr fort: „6r foll fterben, aber wie? 
©Sollen wir ihn beim Statthalter Devtlagcn, 
bafe biefer ihm ben ©rogefe mad)t —" 

„Stein," fiel ber Stabbi ein; „bie Statthalter 
finb weiCbmiithig unb furChtfom; bentt an ©i= 
latuS, welchen feines ©leibeS Drau in beinahe 
auberer ©efiunuitg gemalt hätte." 

„|>ört, was JfaipfeaS uns räth," nahm Stu« 
ben wieber bäs ©lort, unb laS ihnen beS £)ofee= 
priefterS ©rief Dor. 

„Unb nun," fchlofe ber Stabbi, „hätte alfo 
FoIgenbcS gu gefefeehen: ©3ir fefewärgen ben 
Saulus beim Statthalter an, reben Don Sluf« 
ftänben, Don Staatsgefäferlicbfeit unb berglei« 
efeen, bitten ihn, er möge bie Shore burCh feine 
Solbaten bewachen lafjeit, wir felbft bürfen’S ja 
nicht; unb wiffen Wir einmal fiefeer, bafe er un§ 
nidjt aus ber Stabt entfonnnt, bann — bah, c§ 
ift fefeon ©JanCher ftumm geworben, ber lange 
laut gerebet hot. Du, Stuben, aber forge, bafe 
er nicht burd) bein gfenfter entrinnt, bas ift eine 
gefährliche SluSgangSpforte!" 

„.fiat Saulus einmal biefeS 3>mmer betre« 
ten," rief Stuben betheuernb, „©ott thue mir 
bies unb baS, wenn er bie 3büre lebeitb Der« 
läßt!" 


— tized — — 



Pt» 3ufeen fEodjter. 


345 


„Unb nun," nahm bet SRabbi wieber bas 
2Bort, bet plöjjlidj bet Seiter ber 93erfchwörung 
geworben mar, „mer fod iljn treffen?" 

Kdgemeine Stille folgte; fo groß ihr £afe 
toar, eS wollte borf) feiner frifdjioeg ein Diörber 
werben. 

,,'Jtun, laßt unä lofen! Klifelingt ber Stofe 
beS ©rften, fo trifft ber beS 3 roe *l en ; einmal 
mnfe er bod) treffen!" 

Tie Soofe mürben in eine Schale gelegt unb 
biefelbe gefdpittelt; baS erfte, welches herausfiel, 
jeigte ben '.Warnen Stuben, baS »weite ben bes 
Kcibbt. 

„Sie Stritte beim Gtfjnardjen werbe id) 
tfeun," fagte ber SRabbi. „$er fjerr mache 
beinen &ol<h fdjarf, Stuben! Seb wohl!" 

2)ie Serfommlung trennte fid); Stuben blieb 
allein priicf. Sluf bie ßlittge bes ®olcbeS, ben 
er prüfenb burcfe bie Finger gleiten liefe, fielen 
bie Strahlen beS aufgefeenben KtonbeS. 


2Bie fie oerabrebet hatten, fo gefdjah eS; ber 
Statthalter liefe fich leicht bewegen, bie Sthore 
genauer überwachen p laffen, um einen gewif- 
|en Saulus p oerhinbern, fid> batwn p ma¬ 
chen. @r tfeat es theilS aus ©efädigteit, theilS 
aus Furcht oor ben allezeit ju Slufftänben ge¬ 
neigten 3 üben. 

SaulnS unb bie ßhriften ahnten bon ade 
beut nichts; er prebigte nach toi« bor in ben 
Schulen frei unb öffentlich- 

Sarah hotte oergeblidje Serfudje gemacht, 
fid) ihrem Sßater wieber p nähern; bie einjige 
Siebingung, unter welcher er fie wieber aufneh¬ 
men woflte, war, bafe fie pm alten ©lauben 
juriieftehre. Stun liefe er ihr plöfelidj fagen, 
er fei bereit, fie wieber p fehen, unb fie bitten, 
ben SJtann mitpbringen, ber fo Siele belehre, 
oiedeicht lönne er auch ihm Sicht geben. 3u- 
gleich bejeidpete er 2ag unb — feltfamermeife 
fpäte Stachtftunbe. 

frod) auf jubelte Sarah; bon ber Ucberpu- 
guitgSfraft beS Saulus hoffte fie ödes, frei¬ 
lich hotte fie^eS noch lieber gefehett, wenn ihr 
93ater ben Saulus am tjeden 5£age angenom¬ 
men hätte. Stber mar benn nicht auch Kito- 
bemnS bei Stacht ju 3 e fu§ gefommen unb 
nachher öo<h einer feiner freiften Setenner ge¬ 
worben? 

Saulus gab gern ben Sitten ber Sarah 
nach; in fieberhafter Aufregung erwartete Sa¬ 
rah bie Stacht. Saulus war ausgegangen, um 
in ber Serfammlung p fprecheti. @r tonnte 
jeben Slugenblicf fommen, unb bann — baS 
fteq fchlug ihr höher, wenn fie bachte, bafe fie 
fte ihren innig geliebten Sater halb als Fitnger 
fehen werbe. 

Sie Stunbe nahte. Sa tarn ein Sote oon 


Saulus unb melbete, bafe er an biefem Slbenbe 
üerhinbert fei, fie möge ihren Sefuch auffchieben. 

Slber baS war ihrem ÄinbeStjerpn nicht mög¬ 
lich; fie machte fid> auf, um allein, nur oon 
einem Siener begleitet, p ihrem Sater p gehen. 

3n nicht geringerer Stufregung als Sarah 
War ihr Sinter. 

„Unb es ift bodj SWeud)elmorb!" fproch eine 
Stimme in ihm, „feiger, binterliftiaer SJtorb!" 
Umfonft rief er fiefe bie Sfeot einer iyoel, einer 
Subith ins ©ebädhtnife, umfonft rebete er fid) 
ein, bafe es nur pr @h« feines ©ottes gcfchehe. 
Söar nicht auch &afe, einfad) meufchlicher £>nfe 
mit im Spiele? war eS nicht gefränfte Statio- 
naleitelleit? hotte er nicht fein |>erj ber belferen 
©iuficht berfchloffen, ber Stimme fein ©ebör 
gegeben, bie fogte: SaulnS hot Stecht, ber ©eift 
©ottes rebet aus ihm? Unb bod), eS nuifete fein, 
er hotte fein Slerfprechen gegeben unb fogar 
gefchworen, bafe Saulus feine Spüre nicht le* 
benb oerlafjen fode. Unb bann rebete er fi<h 
ein, eS fei ein ©ott wohlgefälliges SBerf, unb 
fteigerte fich fo admählig wieber in ben alten 
Fanatismus hinein; unb bie Stimme bes ©e- 
wiffenS oerhallte uugehört. 

^umpf briitenb fafe er nun ba, ben Tolrf) in 
ber ■i'ianb. Sie Sampe rüdte er Oon iich weg, 
baS Sicht thflt ihm Weh, « ftctlte einen Fächer 
baoor, es war bunfel im 3'ntmer, feine Sochter 
füllte bie Sltorbthat nicht mit anfehon. 

$)a horch! eS tarnen Schritte bie Sreppe her¬ 
auf; trampfhaft oorgebeugt laufchte er, er hörte 
bie Stimme feines fiinbeS, pm erftenmal wie¬ 
ber nach langer 3«it; ff in £>erj pg fich in- 
fammen unb mit bem Stuf: ,,3d) tarnt nicht!" 
fcfeleuberte er ben Sold) Oon fich, unglüctlicber- 
weife gerabe in ber Stiftung ber 2 hure. 

Siefe hotte fich im felben Slugenblide geöff¬ 
net, unb ber fehneibigfehorfe Sold) ftat in ber 
Schulter feiner eigenen Socpter. 

Ser Stuf ber ®egrüfeung erftarb ihr ouf ben 
Sippen; mit bem Schrei: „Unt ©ott, 9?atcr, 
was haft bu gethan ?" brach fi f pfammen. 
Ser Wiener, Welcher fte begleitet hotte, entfloh- 
Kuben ftanb ftarr Oor Sdjretfen, als er 
fein ftinb, fchwer getroffen, bor fich liegen faf). 
SBie irr beugte er fich über fie: „Stehe ouf, 
Sarah, warum liegft bu fo bleid)? • 2Bidft bu 
beinen alten 31ater nicht begrüfeen?" 

21IS fich ober nichts regte, ba tarn ihm plötz¬ 
lich feine Sage pm Sewufetfeiu; er fprang ouf, 
jerrife feine ftleiöer unb heulte in bie Kocht 
hinaus: „DJtörber!" gräfelicbe Slerwünfchungen 
auf fid) felbft, bie Fubett unb bie Knprctter 
ausftofeenb. Sa hört er ben fdbmocben Knf: 
„fetter!" unb bie Stimme feiner Joditcr bringt 
ihn wieber p fid) felbft. ©r hob fie fanft auf, 
legte fie auf baS Sett, unb war mit .{tiffe einer 
herbeigerufenen alten Wienerin befchäftigt, bie 


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346 


ßtt Silben ®od)trr. 


Stiuitbe gu öerbinben. Salb fanf Sn ruf) in 
einen unrufjiaen Schlaf, an ifcrem Sette aber 
faß bie (gange 'Jfotfjt tjinburd» ber alte Staun unb 
betete um ifjr l'ebcii. 

* * 

* 

©S mar gegen Worten, als ©arah aus ihrem 
©chlummer emporfuhr. 3hre Sfugeit ftarr auf 
ihren Haler gerichtet, fragte fie: „Haler, für 
men hatteft bu ben $olch in Hereitfchaft?" 

„Jyrage nicpt, mein ffinb, fcplafe ruhig weiter." 

„Slutioorte mir, Später]" bat ©arah flehent= 
lid). „©alt bcr Stoß mir ?" 

„Stein!" 

©in mattes Säbeln glitt über ihr ©eficht, als 
ob fie erleichtert märe, bap ihr eigener Später 
hoch nicht fo rneit gegangen. $ann aber fuhr fie 
fort: „2öen mollteft bu treffen, faß’ an?" 

„$en Herleuguer unfrei ©ottcS, ben neu* 
betehrten Stagarener, euren ©ctuluS." 

„Unb brohen ihm noch meitere ©efahren V 

„3waugig haben [ich baS SBort gegeben, ihn 
gu ermorbeu." 

„O ©ott!" ftöhnte ©arah, »unb er ahnt nichts. 
Hater, rette ihn!" 

„3$ fann nicht felbft wenn i<h Wollte, beim 
bie 2höre finb bemalt ©S flieht für ihn fein 
Entrinnen." 

„Hater, ich befchmöre bich, rette ihn! 0 ©ott, 
bu fannft nicht gulajfen, bafc biefeS Stiiftgeug 
fterbe!" Ermattet fanf fie gurücf.- 

®ie Söuube mar nicht lebensgefährlich; aber 
bie Slufreguug gufamnien mit ber SBunbe marfeit 
Ssarah in eine Ä rauf heit, bereu SlnSgancj fehr 
gweffelljaft mar. ©ineS Slbenbs machte «arah 
aus ihren Sieberträumen etwas auf, fab wie 
ihr Später auf ben ftnieen lafl, unb horte fein 
©elübbe, wenn ©ott ihm fein Siinb laffe, ein 
Sünger gu werben. 

„Hater," rief fie, „ich hübe bein ©elübbe ge= 
hört; aber nicht um einen HreiS, ben bu beinern 
©otte oorfchreibft flieht er bir ©rleuchtnng ins 
4)erg unb führt bid) ben rechten 2Beg; bebiiu 
guugsloS, gang unb ohne Stiirfbalt mufet bu bich 
feinem ©ohne in bie Sinne werfen. SBiüft bu?" 

„Söirb er mich annehmen ?" 

„©ewip, wenn bu aufrichtig Willft, unb baf, bu 
wiüft, tannft bu geiflen, inbem bu ©aul retteft." 


„©aa mir wie? unb ich thue es. Slber es flieht 
feinen 2Beg, ihn aus ber ©tabt gu entfernen!" 

$och ©arah geigte nach bem Softer: „$)ort 
hinaus!" 

©inen Slugeublid fchieu Stuben biefen @eban= 
feit gu erweiflen, bann aber oerfinfterte fich feine 
©tirne unb er rief: „SJtein ©elübbe! ich fann 
nicht!" 

„SBelcheS ©eliibbe ?" 

„3ch habe beim £errn ber £>eerfchaaren ge* 
fchmoren, bafe ©auf, wenn er biefeS 3imnter be* 
tritt, bie Stfjüre nicht lebenb oerlaffeu fofl." 

©arah jammerte. „Unb baS wäre ber eingifle 
Stettu nflSwefl flewefen ?" 

„©emiB." 

Stach einer Söeile faflte fie lächelub: „Hater, 
wenn ©auluS nicht bie 2hüre, aber bas fjenfier 
lebenb derliefee ?" 

„Sliub, Stinb, bu beutelft! Slber," fuhr er 
fort, wie mit fich felbft rebenb, „foü ein ©eliibbe 
gelten, baS ich im 3om unb in ber Herblenbuitg 
abflelegt? $ch will nicht mehr ber alte fein; im 
neuen Sehen gelten neue ©efepe. 3ch habe noch 
nie ein ©elübbe flebrochen, ©ott wirb mir biefeS 
erlaffen. £eb wohl, ©arah, ich eile, ihn gu ret= 
ten." — 

_ ©chon bänimerte ber SJlorgett, ba betrat 
©auluS, bon Stuben geführt, baS 3immer an 
ber SJtauer. Stuben hatte alles in Hereitfchaft 
gefept. drunten harrte ein Hferb, ©aulus felbft 
füllte in einem ftorb pinabgelaffeu werben. 
Vorher aber ging er auf^Hitteu bes Katers an 
©at*al)S Hett, legte ber ©cplafeiibeu bie £)änbe 
auf bie ©tirne unb betete lauge, lange. 

Slls ber SJtorgen bellev würbe, fprengte burch 
bie ©bene ein Steiler unb oerfchmanb halb ben 
Hlicfeu StubenS, ber am Stifter ihm iiachlah. 

Irinnen im 3iuimer aber rief ©arah feinen 
Stamen. ©r trat gu ihr. ©ie tagte: „Hater, mir 
ift fo leicht, baS Sieber ift gemieden; mir roar’S 
im bräunt, als ob ber |)eilaitb gu mir träte unb 
mid) heilte." 

„0er £)eilanb nicht, aber fein treufter Wiener!" 
rief Stuben jubelnb. „2Ber fo gu feinem SJteifler 
beten fann, wie ©auluS, ber bient feinem He* 
triiger, fonberu einem ©otte. ©arah, mein 
Sfinb, ergähle mir bon bem ©efreugigten, bafe 
ich glaube unb felig werbe!" 



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Pit ©rganifation bet Pifdj. fHrtl). I&irdje. 347 

Pie ^rgunifntion btt Pifd). |Kett|. Birdie. 

föittor. 


III. glie <£Ijr iftta 0 o=oitfercn? in iJaltimore 1784. 

Jg| ie Porbereitenben ©dritte jur Organifntion in Gottesfurcht erlogen unb blieb cor ben Saftern 
ber Äirdje maren gefebeben, Mnb es galt ber 3ugenb bemabrt. 3n einer einfachen ©djpile 
nun, berfelben eine beftimmie ©eftalt, eine lernte er, was ju lernen mar, tarn in feinem 
ausgeprägte firdjlicbe Uferfaffnng jn geben. 13. ^aljre pi einem fjanbmerfer in bie Sebre, 
3roei Ülänner batte fid) ©ott ju biefem 3roede j mürbe bnrd) bie Dieben eines frommen s JJletbo= 
erfeben — ffranciS DtSburp unb 3)r. SlbomoS biften, ben bie DJlutter in’S fjauS geloben batte, 
©ofe. i tief ermeeft unb begann fd)on bamalS baS ©e* 


grand« 9l#buvh in jlin^cieit 3aQmi. 

©rfterer roarb fdbon oor 1784, nämlicb 1771, betrieben, baS er bis an fein felig ©nbe fort» 
nach ^tmerita gefanbt unb maebte bie fd)roereit | fepte. 

Klampfe ber Äirdje roäbrenb bes Unabhängig« ©r hörte bie englifcben DJtetbobiften prebigen, 
feitsfriegeS bureb unb ift ber einzige euglifdbe, mürbe mit metbobiftifeber Siteratur betanut, be= 
Dßvebiger, roelcber bei ben amerifaniftben DJtc« flrebte ficb ernftlicb, baS £)eil in ©beif© *u fin« 
tbobiften auSgebalten bat. ben unb faub es enblich, als er in feines SaterS 

9tfS 2obn eines ttanbroirtbs in Stafforbfbire, ©cbenue ernftlicb um ©nabe flehte. 

©ngiaub, mürbe er oou feiner frommen DJtutter 'i3alb barauf prebigte Dlsburp in einem uon 










Bit Wrganifation bet Btfd). Petl). $irdjf. 


ben 2öe§Iei)onern gu ©otteSbienften benüfcten 
£aufe, morüber jtcb bie Öeute nicht roeniß ber= 
umnberten, beim er mar bama(3 tiod) nicht acht* 
gehn 3abre alt. 3m eimmbgroangißften 3ahre 
trat er in’ö 'Jteifebrebißtaint, inbem er, obroohl 
noch fein 9JJitßlieb ber ©onfereng, an bie ©teile 
eines abmefenben ^ßrebißer* trat. 9US 26iährißer 
3iüißlinß mürbe er gum WiffionSbienft in 9lme= 
rifa beftimnit, unb mie ßlücflicf) biefe SBahl ße* 
mefen, bieS lebrt bie ©efchichte. 33oü ©laubettS 
unb beS heißen ©eifteS, bemühte fitf) 9l§burti 
burch unauSßefebten'SfleiB feine ßenntniffe nach 
aflen Siichtuußen bin gu Dermebreit. @in llarer 
^rebißer, ßeftremger $anbhaber ber firc^lir^en 
Orbniniß, tüc^tit^er Wenfchenfenner, unermüb* 
lidb tbiitiß, ernft uub ftrcitß mit fidf) felbft unb 


$auä, in ÄÄburv feine Sugenb erlebte. 

anberen, furchtlos, geifteSgegenroärtig unb mit 
ungewöhnlicher UöeiSljeit begabt, mar UlSburp 
mie uon ©ott gefdjoffen, ber Äircbe in ber roeft« 
lieben Uöilbniß £alt unb ausgeprägte ©e(talt gu 
geben. 

Sabei imponirte feine ©ejlalt. Uluf bem am 
meiften berbreiteten Portrait — baS groeite, baS 
mir üon ihm in biefen ^Irtitel einfctjalten — fieljt 
er groar einem fefjr triegSmiiben Solbaten gleich, 
obwohl er in feinen jüngeren 3abren biet törper. 
liebe Ära ft unb ein üolleS, frifcbeS ©efid)t mit 
eblen 3iigeu aufroieS. 

©tit S')0 Uteifegelb unb guten Äleibern au$« 
geftattet, jag ber junge Wann nadj fdjinerjlidjem 
ftbfcbieb bon Gltern uub /vreunbeu mit feinem 
Steiiegcfäbrten Dtidjarb UBrigbt iiber’S ©teer 
unb (anbete am 7. Ottober 1771 in ©b'labelpbia, 
mofelbft er boit ben bärtigen 1>tetfjobiften mit 
3 übel auf genommen rourbe. 3«bocb niept hier, 
fonbern in’Utero ©ort unb Umgegenb füllte UlS= 
bnrt) feine UlMrtfamteit beginnen. Ulm 13. Uto. 
bentber 1771 hielt er feine erfte ©rebigt in 


Utero $orf (fiebe erfteS ©ilb), war aber nicht 
barnit gufrieben, feine |)auptroirtfamfeit bloS 
auf bie stabte gu befebränteu, roie bie ©rebiger 
bor ihm, bornehmlich im Uöinter gu tpun ge« 
roobnt waren. „2öir muffen über’S Sanb bin," 
febreibt er, „bas Dteifefbftem bnt in biefen Go* 
lonien gur ©eltung gu tomnten, unb ich bin ent. 
fcblofien, für bie Sertbeibigung einer fo fegen», 
reichen (Sinrid)tung gu leiben unb gu fterben." 
Cljne 3«)eifel bat er ben richtigen Ginblid ge. 
habt, benn ber Uteifeplan war für jene Sage 
gewiß unumgängliche Utothroenbigteit. 

• 3m Spät jahr 1772 rourbe UlSbitrp bon SBeSlep 
gu beffen ©f|iftenten ober ©uperintenbeuten ber 
ameritanifchen ©tiffionen ernannt, unb über, 
nahm fofort unter beS „grofscit ©rünberS" Sei. 

tung bie Ulufficbt über bie ©e* 
meinben unb bie Serfejjung ber 
©rebiger, in Welcher baS ijteife» 
fpftem mabrhaftiglicb auSgefübrt 
rourbe. 

Ser anbere bon ©ott gur ©r« 
ganifation ber ©ifd). ©tetfj. flirre 
erlorene ©tann ift Sr. ShomaS 
Gote. 

Gin Äinb reicher Gltern, hatte 
er auf beu englifdjen &o<hf<bulen 
ftubirt unb ficb ber tird)licben 
Saufbahn geroibmet, rourbe aber, 
roie fo bicle anbere, bom fpetula. 
tibeu Unglauben angeftedt, unb 
batte, butcb einfache, roeSlepanifcbe 
Saien auf baS £>eil in Gljrifto 
bingeroiefen, einen gar ferneren 
Äatnpf mit ber 3*®eifelfud^t gu 
befteljen. Gr fanb jeboeb al» ar. 
mer ©ünber roahrenb be§ ©ebets 
eines armen SagelöhnerS Triebe mit ©ott uub 
roibmeje ficb halb barauf, alS er Ulnno 1776 mit 
SöeSlet) betannt unb ihm ber ©oben in feiner — 
ber GpiScopaKirche — gu heiß geworben, mit 
feiner gangen Äraft berUluSbreitung beS UJtetho. 
biSmuS. ©ott hatte bem alternben SBeSlep gu 
rechter 3rit einen UJtitarbeiter erroedt. Qlletfcher, 
ber Sljeologe beS ©teifjobiSmuS, war tobt, 
SBbitefielb war tobt, ber UlethobiSmuS aber 
hatte fid) nach fernen Sänbern berbreitet unb be« 
bnrfte gu feinerGrftartung einer träftigenöanb. 
SbomaS Gote War biefe £>anb. UBie SBeSlep 
unermüblicb reifeitb, hat er ficb bei ben SßeSlep. 
anern ben Sitel beS UJtinifterS beS UluSroärtigen 
erworben. Gr freugte 18mal ben Oceatt, um in 
SBeftitibien, in Ulfrifa unb Ulfien bie ©tiffionS. 
ftationen gu befueben unb gu befeftigen. Stuf 
bem ©teere ift er als 70jäbriger ©eteran am 
j 3. ©toi 1814 geftorben, unb fein ©tab ift ber 
1 inbifebe Ocean. 

Siefen ©tann fanbte SBeSlep als Super« 
intenbeut. als ©ifchof nach ben Ser. Staaten, 


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Pie Wrganifation ber 8ifd). Pletl). pirdie. 


349 


um ^ier unter Mithilfe onberer orbinirter $re* 
bitger bie Crbination ber ^rebifltamtSs 6anbU 
baten gu Derroalten unb bem Siethobtemu» bie 
tirc^li^e SBerfaffuitfl gu nerieiben. 

9E)a* hiergu non SBe^let) au»flefertiflte ®e= 
(ilaubiftuiifls * Schreiben ift batirt: Sriftol, ben 
2. September 1784 unb enthält unter «nberm 
bie 9tad)rid)t, baß SBecdet) an bemfelbeit ®afle 
unb mit .ftilfe anberer orbinirter ^Jrebifler 2()o= 
nta* ßofe burch Jjjanbauflegunci unb @ebet guni 
Superintenbenten inftallirt ifabt, bamit er an* 
bere s $rebißer in ben Ser. Staaten orbinire, 
toofelbft manche ©emeinben roeflen 9ti<htoeru)aU 


ffirche gu flriiuben, Srcbißer gu orbiniren unb 
bie Saframente gu bemalten? 3ft e» beim mit 
biefer Orbiuatiou apoftolifd) giifleflaiugen, barf 
mau benit im eigentlichen Sinne be» Siiorte» non 
einer S\ i r d) e rebeu ? 

SüöeShalb beim nicht ? 

Syenit e§ mit ber methobiftifdjcn Crbination 
nicht» ift, bann ift e» auch nidjts mit ber aitfllU 
fanifdjen, lutherifdjen unb reformirten. ®enn 
hier toie bort cieben orbinirte ©otte»männer non 
einer Kirche au* unb orbiniren anbere gum 
Cienft im Steife 6f)rifti. £)ier mie bort treten 
bie StuSfletretenen gufammen, um eine Jtircheu* 



Slatuuoob $au$, ^Anbetuorty, Stnfforbfijire, Giiglanb. $ier hielt Jlälmru feine afte '^rebiflt. 


tung ber ©alramente großen Staben gelitten 
batten. 

93on biefem gefcbicbtlicb merfnmrbigen $)olu= 
ment bat ,fterr 6. ®. SOBabbt) aus Sonbon jebem 
URitglieb ber öhitneuifcben ftöletbobiftenconferenz 
(1881) einen febr gut auSgefüljrten litl)o= 
grapbifdjen 9l6bruct jugefteDt, ben aueb mir im 
'-Beiifc [jaben. $a§ $olument ift in ber febönen, 
großen .fjaubfebrift ©ofe’S gefebrieben, unb bon 
Üöeslep unterzeichnet. 9luf ber nädjften ©eite 
finben bie Sefer biefe Urlaube in berfleinertem 
fDtaßftab. 

3ebod) — bitten benn bie armen, bon ber 
Äirdbe getrennten, bon ber englifdjen Regierung 
nicht anerlannten, bon ben SBeltmeifen ber= 
fpotteten unb bon bem 93oI! beradjteten s Diet()o= 
bijten, botte benn biefe ©eite baö SRecbt, eine 


gemeinfebaft zu grüuben. hier mie bort fpriait 
ihnen bie Sebörbe, bon ber fie fiib getrennt, baS 
9ted)t zur Trennung ab unb nennt fie Sutbera« 
iter, jteformirte unb Wetbobiften— fiep er. 
Unb Ijier mie bort bemeift ficb bie ed)t apoftolifcbe 
©ucceffion bureb bicle taufeube mit ©otteS (Seift 
getaufter IRänuer, roeldjc ibr 9lmt als bom 
herrn empfangen berroalten. 

®er fDletbobismuS beanfprudjt auf beftem 
©runbe ©leiebbereebtigung mit allen anbern 
proteftantifeben Selenntuifjen, unb mer bieS nicht 
Zugeben will, mitb — auf feinem fteifbeinernen 
©teefenpferbdben fiftenb — auf baS gefcbicbtlicbe 
3eugni§ bin brab auSgelacbt. 

®ie ©inriebtungen, bie 93ermaltung, ba§ 
.Qirdicnregiment ber Sßifcb. Wietb. ffirdje mögen 
in 93ieler 9lugen burcbauS uiioolltommen unb 


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350 $ir «rganifation ber £ifd). Petlj. Jirdje. 



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Pie ©rganifation bet Pifd). Petlj. Pirdje. 


351 



burdjauä nicpt nniitfcheit&oertp fein. SJlatt mag 
ob bent Sifcpof*antt, beit gtoei ©vaben ber Or* 
biitation, bem ©rebigermecpfel uitb manchen an« 
bent Gingen fluten uitb ben ifopf fcpiitteln. 
Slber bie SBetpobiftenfirche Satte ein t>oiltomme= 
ite§ 3lecpt, all biefe Slitorbtiutigeit gu treffen unb 
fie ift beStoegeit bocS mit aitberett ^roteftanten 
gleichberechtigt; gerabe fo toie ba§ fiutpertpum 
unb bie reförmirte ilirche ein Stecht gu ihren 
@inrict)tmtgen haben, unb habet hoch gum $ro* 
teftauti»mu3 gehören. 

2)ie 2eprfrageit gehören nicht gur Organi* 
falioit, ut:b fei nur Dorübergepeitb benierft, bafe 
ba£ ©laubenSbefenntnifr be§ SJlctpobi§mu§, fo 
mie es in beit ©laubeneartifeln ber 
Sifcp. SJtetp. Äirche StuSbrud fin® 
bet, fo intenfit) proteftantifep ift, 
bafe fiep auch bie Oerbiffeitfte Streit* 
theologie noch nicht boran getoagt 
hat, unb in ber Wetpobiftenfircpe 
feibft nie SBiberfpntcp bariiber ent* 
ftauben ift, roespalb bie 2eprtpefen 
bei ber Organifation auch gar ttid)t 
gltr Seratpung fatneit. Uttb gtonr 
nicht etroa toegett ©leicpgültigfeit, 
fonbern toeil man bereite auf un* 
erfcpütterlicper proteftautifjher Safiö 
ftatib, toobei ^>aarfpatterei, an ttteU 
eher manche Seute „fett'' toerbett, 
aüerbitig» toegfiel. 

Situ 3. Slooentber 1784 lanbeteit 
Gofe unb feilte '-Begleiter in Stern 
Sorf uitb reiften nod) in berfelben 
SJocpe füblicp, utn fiep mit Slsburp, 

©arretfon, SEBpatcoat uttb anberett 
gu beratpeit. Sie trafen biefelben 
in ber Umgegettb ber Sarrett§*$a* 
pelle, mitten im Urtoalb 9)larp* 
laitbs. ©arretfon biente al§ reiten* 
ber Sote, um bie Steifeprebiger, fo* 
roeit fie nur erreicht toerbett fotinten, 
gur benftoitrbigen Gprifttag»*Gott* 
fereng — ber erften ©eiteral = Gonfereng ber 
Sifcp. OTetp. Jfircjpe — gufammettgurufen. 

Sltn 17. SJegetnber tarnen bie tneiften in ber 
Derut ©ougp gehörigen, in ber Släpe Salti* 
ntore’3 gelegenen tyexxt} $aü an, ba3 Gofe ba3 
elegantere |)au§ im Staate nennt, unb trafen 
Sorbereitungen für bie Gonfereng, inbetn bie 
bisher gültigen Siegeln, foroie bie Gonfereng* 
©efepäfteorbnung reoibirt tourben. 

Slm 24. Segember ritt bie fleitte ©efeflfepaft 
naep Saltimore, unb um 10 Upr SJtorgenS be»= 
felben StaaeS roarb bie erfte Sipung ber Gprift* 
tag§*Gonfereng unter Sorfifc oon 5)r. Gote er* 
öffnet, melcper fogleicp jetten benftoürbigen Srief 
SÜeslepS, batirtben 10. September 1784, bie Un* 
nbpüngigfeitöurfutibe be§ amerifanifepen SJletpo* 
bi§mtt§ Dorlegte, melcper iiberfeftt alfo lautet: 


1) Turvp aufgergemöpnlidje (rceigniffe finb bie ttorb= 
amerifanifepen $rooingen oon bem britifmeit fteiepe ge* 
trennt merben, unb haben einen felbftftänbigeu Staaten* 
Sterbanb gegrünbet, fo bafj@nglanb barüber ebenfomenig 
bürgerliche noep fircplupe Slutoutät auäguüben oermag, 
loie über öollattb. Tie bürgerliche Sermaltutig liegt 
in tauben beä amerifanifepen (Songreffee uitb ber Staats* 
gefebgebungen; aber 9iiemanb übt noep beaitfprudjt irgeub 
melcpe fircplicpe Autorität. Unter biefen eigentpümlicpen 
Verhältutffen oerlangen etliche taufenb (Jinmopner biefer 
Staaten meinen SRatp, unb gufoige biefes 0efucbs habe 
icp eine furge Sfigge nicbergeidirieben. Vorb iiittgs !öe* 
riept über bie Jiircpe ber erften gaprpuitberte pat miep 
fepon oor mepreren gapren überzeugt, bafe ^Bifcböfc unb 
^Sreöbpter in ein unb bemfelben Crbttuiigsrange fteben, 
unb folglich baS gleicpe SHedtt paben, bie Cibination aus* 
guüben. Seit oielen fahren bin icp bringenb erjuebt 


Zi. Itjonrns ^ofe. 

toorben, bie-5 9tecpt gu gebrauchen unb etliche unferer 
Steifeprebtger gu orbiniren. s llber immer toeigerte ich nt icp, 
uiept aUeitt um beö grieben^ miüen, fonbern toeil icp ent- 
fcploffen mar, bie feftgefepte Crbnung ber engltfdten 
92ationalfircpe, gu meüper ich gepöre, fo.menig alö ntög= 
liep gu übertreten. Slber bie ikrpältniffe in Slmerifa finb 
oon betten in (Snglanb fepr oerfepieben. gn Wrohbritatiien 
futtgiren Söifcpöfe, melcpe mit gefeplicper Jumbiction auö= 
gerüftet finb. Jn SlmerÜa finb feine ober nur fepr toettige 
orbinirte ^rebiger, fo bafc auf punbert teilen fiep ferner 
finbet, melcper bie iaufe unb ba$ s Jlbenbtttapl oermaltat 
fann. 9JJeine Sfritpel finb beispalb begüglicp ber ameris 
fattifepen Staaten gu (£ttbe, unb icp glaubte in oollfotm 
mener greipeit pattbeln gu fönneu — ba icp feine Crbnung 
übertrete, noep in getnanbe^ iHecpte greife — inbetn icp 
Arbeiter in bie ßrntc fettbe. $emgufolge pabe tep Tr. (Sofe 
unb grancie 2leiburp atö gemeinfcpaftlidte Superititen- 
benten in ^torbamerifa ernannt. Teägleicpen Slicparb 
2ßpatcoat unb Tpoma^ SSafep atö Sleltefte, um unter 
erfteren Taufe unb 9lbenbmapl gu oermalten. SBenn einer 


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352 


Pie ©rganifation ber $ifd). Petlj. $ird)e. 




$ic flapeüc am £omieb=OJä&cben, Baltimore, Si$ ber erften ©cneralsöonferenj 1784. 

einen perniinftigeren, fcbviftmäfugeren 2ßcg angeigt, jene 
armen Schafe in ber ©iifte 31t weihen, fo Will ich ihn 
gerne einfddagen. ©egenwärtig fann ich feine befere 
ÄWetbobe finben, alä bie eingetragene. Gd ift fretlich 
Porgeiddagcit werben, bie engltichen ©ifeböfe 311 erfuchen, 
einen Ibeil unierer ©rebiger für Amerifa 31t orbiniren. 

Aber 31t biefem Anfmnen fann ich mich nicht nerftefjen: 

1) ©eil id) ben ©ifdwf non Bonbon erfudde, aber nirijt 
bewegen formte, and? nur einen unierer ^rebiger 311 orbi* 
ntren. 2 ) ©enn fie wirflicb einwiüigeu, fo wiffen Wir 
beftimmt, baf* fie 31t langfam 311 ©erfe gelten, Wäf>renb 
unfere Angelegenheit feinen Auffdmb erleiben barf. 

3 ) ©iirben bie englifcben ©iieböfe unfere ^rebiger orbi-- 
niren, fo Würben fie ebenfalls erwarten, Autorität über 
fie aueguiiben, uub in welche Scbwierigfeiteu würbe uns 
bie£ oerwicfeln! 4 ) 2a unfere amerifanncfyen ©rüber 
jefct gän^lid) vom englifcben Staate unb Pon ber englifcben 
$ierard>ie befreit finb, fo bürfen wir fie nicht wieber, 

Weber mit bem einen noch mit ber anberen Pevftricfen. 

Sie haben böllige Freiheit, einfach 
ber Schrift unb ber brimitiPen 
Äirdre 311 folgen; unb wir halten 
e$ für ba 3 ©efte, bafe fie nun he¬ 
fteten in ber Freiheit, womit ©ott 
fie io wunberbar befreiet hat." 

91 nf Aeburi)* Antrag faßte 
bie Gonfcreng ben eiuftimmU 
gen Scfdjluß, bie SBifd). 9 Jte« 
tbobiften = .Vfircbe 31t griinben, 
in melier Superintenbenten, 

9 Ieltcfte unb Xiatone baö 9 lmt 
permalten tollten. 

darauf mürben $r. Pole 
unb A*burp — unb gmar 
mieberuni cinftimmig — 311 
Superintenbenten ermäblt, 
unb naebbem festerer am 
eamftag unb Sonntag, ben 
25 . unb 26 . $egember, 311m 
'Eiafon unb Welteften orbinirt 


rnorben, mürbe er am 
9Jtontag, ben 27. $e= 
3 entber 1784 in fe[er= 
lieber Söeibe al» £;u= 
periulenbent eilige* 
foßt, mobei ber Gbrrn. 
Ctterbein, ©riinber 
ber bereinigten 93rü= 
bertird)e, affiftirte. 

Cbmoljl biefe Gon* 
fereng blo§ gehn 2age 
mäbrte, fo mürbe 
miibrenb biefer 3 e *t 
boeb ber ©ruub einer 
ber mäcbtigftcn ftxtu 
fireben gelegt, bom 
Gonfereng = ^rototott 
ift wenig ober nicht» 
aufbemabrt; aber ba§ 
Stefultat ber ber= 
banblungen erfebien 
in ber ,,$ird)en=Crb= 
nung für bie ^rebiger 
unb anbere bJitglieber ber $ifd). btetb. Kirche." 
bb^nbelpbia 1785 . babin maren 2 öe*lep ’3 
fogenannte “Large Minutes”, meld)e gugleicb 
bie fpegieflen berorbnungen ber amerifanifeben 
Gonferengen enthielten, ctl§ autorifirte Kirchen* 
orbnung anerfannt rnorben. 

©0 oiel ©(bmierigfeiten biefe§ Häuflein 
TOiffionare auch Por ficb fab; fo febr fie er* 
fannten, baß ihr erfter unb bauptfacblicbfter 
beruf in ber ©eelenrettung beftanb; fo arm fie 
auch maren: fo befaßten fie fi$fdjon 
b a m a l S , mäb^enb biefer G 0 n f e « 
reng, mit bem ©ebanfen, eine tjö* 
bere Se^ranftalt 311 grün ben, unb e» 
fam ein Gntmurf gur 2(mial)me, ba§ Slbbington 
GoHegium 311 errichten. 


Tae alte Warvbau« an ber ßig^tftrafre in Baltimore. 


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Hus Werften. 


353 



©S mar nur ein 
feljr befcheibeucS 
©ottesbauS, bie 
Äapelle am 2 o* 

Delep * ©iißd)en in 
^Baltimore, —jeßt 
©erman Street — 
wo bie fogenannte 
©brifttagS = 6 on* 
ferenj gehalten unb 
bie Sfifd). EUtetb. 
flirre organifirt 
Yourbe; aber jene 
©runbleguug bot 
für baS tReicb ©ot= 
teS unb fpejiell fiir 
3lmerifa eine fo 
bobe ®ebeutung, 
baß fie noch Don 
ÜRiemanb in?lbrebe 
geftellt roorben ift. 

©3 ift bie erfte 
amerifanifch = pro* 
teftantifcbe <$rei= 
firdje, Die bi f * in 
orgauifcber ©inbeit 
gepjlauftt roirb; e3 

ift ber ©runbftein eines 33aueS, melcber in einem 
3fabrbunbert ju einem ntüffioen, großen SEBerf 
gebieben, unb beffen 93oüenbung noch lange nicht 
beporftebt. 

®ie Äapeüe am 2 ooelep=@äf 3 cben ift jtoar per* 
fcbrounben, unb fclbft ber Warne be3 ©dRcbenS 
ejiftirt nicht mehr. 31 ber fo raie jenes befcbeibene, 
ja annfelige ©ottesbauS burdj bie fpater erri(b* 
teten flirren an 2 igbt* unb ©barlesftraßen er* 


Äiburty im toorgerilcftcn alter. 


feßt mürbe, fo ging 
Don jenem Per* 
geffeneit Süinfel ein 
bon ©ott gemirfter 
Impuls aus, burdj 
melcben bas ganje 
2anb mit pnicbti* 
gen Äircbeii unb 
biibfdjeu Äapellen 
förmlicb iiberfäet 
morb. 

©3 mar ein 3 fu* 
belfeft beS EDietbo* 
bismiis, bießbrift* 
tng 5 =©onferenj im 
;Vib« 1784. Unb 
ein Subelfeft mol* 
len bie Söhne unb 
Tochter jener ©rft* 
lingSmiffionare im 
Sabre 1884 feiern, 
iyiir bie beutfdjen 
EDietbobiften mirb 
eS ein $oppelfeft 
merben, inbem fie 
uigleid) auch faS 
fiinhigjäbrigeSu» 
beutfajen WetbobiS* 


biläum ber ©rünbuitg beS 
mu§ begeben. 

$en autorifirten 3Inorbnungcn gemäß follen 
mäbreitb ber nöcbften ©onfereitjfißungen bie 
erften Schritte jur SluSfübrung biefeS 2)oppel= 
jubiläumS gefdjeben. 

SJtögen bie Maßregeln meiSlich unb umfaffenb 
fein, unb ein 3?eft Peranftaltet merben, melcbeS 
für 3eit unb ©roigfeit reiche Früchte bringt. 




JlU0 JJ t t f i t XL. ^ 


tfräulein Sfemett, eine ameritanifche ®tif« 
X fionSarbeiterin in SEebriS, erjäblt folgenbe 
romantifcbe, aber mabre ©efd&icbte: 

„ 3 ?riiulein ©lart unb icb befucbten neulich eine 
fjfamilie, roo Wann unb 3 ?neu, beibe, ©briften 
unb EOlitglieber nuferer ©emeinbe finb. fjol» 
genbeS ift ihre ©efcbidjte: fütufa mar ein jübi* 
fd)er 3 trjt, ber in SdjiraS lebte unb als from* 
mer Sfraelit alle ©ebräuche unb Seremonien 
feines SolteS ftreng beobachtete, ©eine 3 ©au, 
ebenfalls eine Sübin, ftarb; ebenfo alle ihre 
ffiitber. 9tun nahm ftöhifa ®ienjte bei einem 
perfifetjen dürften als beffen ©efretär unb fiebelte 
mit ihm »och Sfpaban über, mo feine mubom* 
mebanifchen Srteunbe fi<h eifrig bemühten, ihn 
ium 3lSlam ju belehren. Me ihre SSerfucbe 

?R 


blieben jeboeb fruchtlos, ©nblid) befcßloffen fie, 
ihm eine mubainmebanifche 3 ©au 311 geben. 

tBelln ©anum mar ein bübfdjeS Stäbchen in 
2ebriS. '©er Storni, an ben fie Derbeiratbet 
mürbe, batte noch eine groeite Stau in Sfpaban, 
mobin beim auch fie, nadjbem fie brei ifinber, 
einen Sohn unb jroei iöcbter, geboren, ihn 
begleiten mußte. 3 » Sfpaban aber ftarb ihr 
©emabl unb SÖeüa ©anum, fremb im fremben 
fianbe, meinte unb meinte, bis fie faft erblinbet 
mar. ©ine Stebijin, bie fie braudjte, hätte bei* 
nabe ihr Mgenlidjt polienbs jerftört. 9tun 
hörte fie Don einem ausgezeichneten 3lrjt, ber 
Por furjem nach Sfpaban getommen mar unb 
unfehlbar ihre 3lugen mürbe b*ü«» tonnen. 
Sie ließ ihn fommen. ©S mar fOtufa, ber 


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354 


g&inhr für (SItern unb febrer. 


3froelit. $)ie SJur gelang. Mber noch mehr: 
ber SBittroer gewann bie Sßittroe, in welcher er 
eine feine unb oerftänbige fjrau erfannt butte, 
beglich lieb unb fugte ju ficb felbft: „ 2 öenn ich 
benn eine ©tnbammebanerin heiraten muß, fo 
ift biefe bie befte." ©eine Siebe rourbe ernti» 
bert, unb bie ©b« gefdjloffen. OaS butte aber 
feinen ©influß auf'OTufoS religiöfe Uebergeu» 
gung. ©ur fürstete er fid), fie miffen ober 
merfen 311 laffen, bat? er fein ©htbantmebaner 
fei, fcßloß ficb in fein 3 >mmer ein, laS hier feine 
Sibel unb fugte feine ©ebete ber — fo heimlich 
als möglich- Mm ©abbatb ober fchlich et fi<h 
bubon unb blieb oon £taufe fort, um nicht 
irgenb roelcbe Mrbeit tbun gu müffen. ©nblich 
ober erflörte feine 3?rau, bet baS alles nicht 
oerborgen bleiben fonnte: „SBorum tbuft bu fo 
beitnlid) gegen mich? 3 <h bin bodj nicht bein 
öfeinb! 3 $ liebe bi<h, beine Steligion foll meine 
Steligion fein.'' ©0 cntbedte er fid) ihr, unb fie 
bewies, baß fie feines ©ertrauenS mürbig mar. 
®o ftorb ihr ©obn, unb toie nad) bem Stöbe 
ihres erften ©tattneS, meinte unb meinte fie, bis 
ihre Mugen — bieSmal für immer — bobin 
rooren. 

©ineS SEageS gefdjab eS, bnß ber englifdje 
©tiffionär ©ruce ben ©tufa rufen lieb, um eine 
fdjriftlicbe Mrbeit oon ibm machen 3 U laffen. 
©alb hotte er berauSgefunben, baß biefer ein 
3ube unb in ber heiligen ©cbrift Mlten SEefta» 
mentS mobl beroanbert mor. ©r bisputirte mit 
ihm, unb aflmäblig gingen bem Sftoeliten bie 
Mugeti auf, fo baß er in 3efuS ben ©teffiaS er» 


fonnte. OaS mar junächft aber nur ein Stopf», 
noch fein #er 3 enSglaube. Snsmifcben mar fein 
&err, ber perfifdje fjürft, geftorben, unb bamit 
fein ©erbienft in Sfpaijan 3 U ©nbe. 3 uglei<b 
febme ficb ©ella £)anum3 §er 3 nach ber £>ei= 
motb unb nach all ihren 3 -reunben unb ©er» 
manbten in SEebriS. @0 30 g benn ©tufa, ber 
immer ein gefälliger, freunblicher ©atte geroefen 
mar, mit ihr noch SEebriS. £>ier fucbte er fofort 
ben ©tiffionär auf, mürbe aber auf fo energifcbe 
©Seife bon biefem gemarnt, baß er’S bei 3 toei 
ober brei ©efucben bemenben unb ficb fpäter 
nicht mehr im ©tiffionSbauS bliefen ließ. @i« 
nige 3 e 't barauf, oor jeßt etnja brei Sabtett, 
traf ihn ein befebrter Mrntenier ©tottbiaS, ein 
ernfter ©brift unb Meltefter in ber ©tiffionS» 
gemeinbe, auf ber ©traße, ließ fich in ein ©e« 
fpräch mit ihm ein unb erfuhr 3 U feiner Ueber= 
rafdjung, bub ©tufa fich als einen ©briftett 
befunnte. „©Sarum fommft bu aber nie itt 
unfre ©erfammlungen?" fragte©latthiaS; mor» 
auf ©tufa ermiberte: ,, 3 d) bete unb lefebaheint, 
ift bas nicht genug?" ©tattbiaS meinte, bieS 
fei aüerbingS nicht genug, überrebete ihn, ihre 
©otteSbicnfte 3 U befugten, unb hier erfanute nun 
©lufo halb, baß er eben bodj noch fein ©brift 
fei. Mber er fuchte unb fanb ben ^>errn, ließ 
fich taufen unb mürbe in bie ©emeiitbe auf» 
genommen, Seßa 4>anum folgte feinem Sei' 
fpiel unb fo finb fie benn beibe ©haften, fie 
3 mar leiblich blinb, im Cteqen aber febenb burch 
ben ©lauben an ißn, ben unfichtbaren £>ei» 
lanb." (©ibelblätter.) 



Pinhf für dUern unb ffljrer. 


O r b it u tt g. 

bringe auf Orbnung, unb ruhe nicht, bis 
bu fie ha ft. fierne Orbnung 311 mürbigen, unb 
bu mir ft fie böcbft roabrfcbeinlidj auch erhalten. 
Orbnung ift nicht alles, aber eS ift ein febr 
beträchtlicher 2 beil in ber Rührung einer ©chule. 
Orbnung ift ein ©orbote eines guten Unter» 
richtS. ®u magft Orbnung ohne Unterricht 
haben, aber toie roirft bu einen orbenttidjen Un» 
terricht ohne Orbnung haben, ©ine in 3 u( hl 
unb Orbnung gehaltene ©chule bietet beiben, 
fiebrern unb ©djülern, bie ©elegenbeit, fid) 3 um 
gegenfeitigen Mußen unb ©egen 3 U metben. 

Sorbereitung 311m Unterricht. 

©8 erforbert nicht üiele Siegeln. $er Mn» 
fana bagu ift auch nicht febroierig. ©S be* 
barf feinet großen ©eifteSgaben, um fich auf 
ben Unterricht oorsubereiten. MlleS, roaS man 


3 U tbun bat, ift: 311 lefen, 3 U beten, 3 U benfett; 
3 U lefen, 3 U beten unb 3 ubenfen; bann 3 U beten, 
3 u lefen unb nachgubenfen; bann 31 t benfett, 31 t 
lefen unb 3 U beten. Unb bann — lefe, bete unb 
benfe. Unb enblich: lefe, bete unb benfe. 
3 uleßt aber: lefe, bete uttb benfe. 

Sonnenlicht im Mngeficht. 

©onnenlicht im Mngeficht ift ein fräftig mir» 
fenbet ©influß, ben irgenb 3cmaiib ctuSüben 
fann auf irgenb einen, ben er 30 m ©utett regelt 
mifl. ©in foldjeS Sonnenlicht ift befonberS 
münfchenSroertb für Ceßrer, g a n 3 b e f 0 n» 
ber 8 aber für ©onntagfdjullebter. ©inn faitn 
bei einem unartigen ©müler nidhtS in Mnroeit» 
bttng bringen, bas fo fräftig mirft, als gerabe 
biefeS ©iittel. 

2Ba§ ift Sonnenlicht im Mngefi^t, fragft 
bu? ©i, eS ift baS Sicht beiner ©eele, bitS, toie 
bie ©onne, aus beinen Mugen berborleud)tet, es 


11--- 


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Heber btt jßtbrutung ber affprifdjen Ausgrabungen. 


355 


ijl bie Siebe, bie fid) auf beinern ©ngeftdjt fpie= 
gelt. 9tur feiten finbet fid) eine £)ärte beS 
menfdjlicbeti fterjetiS. bie fid) fold) fcpmeljenbem 
©influfj ju miberfefcen oermag. ©u braud)ft 
nicht ju rebeit unb zurecptzuroeifen, bu borfft 
nur ben ScpiUer aitbliden, wenn bu es oerfteljft, 
recht ju blideit. Unb ber rechte ©lief ift ber 
SiebeSblicf. Siebe baher beine Schüler, unb 
leuchte fie an mit einem SiebeSblicf. 

Sinb fie unartig, fo (afj feinen Unmillen in 
beinen ©liefen inerten, fonbern fcheine fie an in 
Siebe unb gutem ©Mllen. Unb roenn felbff 
©oSljeit unb .frafj ber Unart ju ©runbe liegt, fo 
roirb bein SiebeSblicf biefe .f»inberniffe befiegen. 

©er Schreiber biefer Worte erinnert fid» feljr 
Wohl, mie er als Sehrer eS einft mit einem Jtna« 
ben su thun hatte, ber mit ben roiberfprechenb. 
ffen ©orurtheileit gegen feinen Sehrer angefiiflt 
mar. ©ine Seit lang feftte fich Wille gegen 
Wille, unb beS Knaben £>arther}igfeit mürbe 
immer härter, bis eine» ©ageS ber Sehrer jenes 
ff naben buchte, mie thöricht unb fünbhaft es für 
ihn fei, in einem folgen ©erbältnift mit feinem 
Schüler ju flehen. ©ugenblicflid) enticplojs er 
fich, ba§ bade fjerz jenes ffnaben, baS er nicht 
SU brechen oermochte, s» ff^meljen. Sofort 
fing er an, jenen ffnaben su lieben, unb nicht 
ohne guten ©rfolg. ©er ff nabe mar fehr über, 
rafcht, ju finben, bafe ihm nicht länger rniber. 
ftanben mürbe, unb bie Wirfung mar eine roun. 
berbare, benn in furser 3 e 't mar ber Schiller 
befiegt, ja bötlig befiegt, unb einsig nur burch 
baS oben angegebene Wittel. 

©er Sehrer feböpfte Sicht auS ber Sichtqueüe 
©otteS unb überfchiittete bamit feinen Spüler 


burch bie {freunblicpfeit feines ©ngefichtS. ©S 
mar ein Sieg, in melchem ber £>err Sieger 
marb, inbem er beibe, Sehrer unb Schüler, be« 
fiegte. 

©erfucht eS, Sehrer. Seudjtet eure fflaffen 
an. ©ber es mufs echtes unb rechtes Sicht fein, 
baS fich aus eurem ©ngeficht ergiefet. ©her 
biefeS Sicht muf$ auch ©lärme enthalten. 

Unb Schüler, macht auch ihr biefen ©erfuch 
mit euren Sehrern. ©urd) Sonnenlicht auf 
bem ©ngeficht fönnt ihr euren falten Sehrer 
edoärmen. Saffet uns einer ben anberen an. 
leuchten mit bem Sicht auS ber Sichtquelle unfe. 
res fteilanbeS, ber baS Sicht ber Welt ijl, unb 
baS Sehen mirb füfeer unb angenehmer. 

©in beflügeltes ©oangelium. 

©ine Sonntagfchule ohne ©efang ijl mie ein 
ffäfig mit einem ftummen ©ogel. galtet bie 
ffanarienoögel in eurer Stfule in ©bätigfeit. 
Sie lieben ©efang, unb baS ift eine grofje fjiilfe. 
©ergeht auch nicht, bah biefe Sänger einen 
©influB auherhalb ber Schule auSüben. 

3ebeS Sieb ift, ober follte meuigftenS, ein be. 
flügelteS ©bangelium fein, 'tiefe Sonntag, 
fchulgcfänge fliegen hinaus, unb mie? ©ie 
ffiuber fingen fie nicht nur ju £aufe, fonbern 
auch in ber ffferne. 

Wan hört biefelben auf ben ©ifenbabnen, 
auf ©ampffchiffen, in ffaufläben unb an bielen 
anberen Crten, bie bem ©rebiger beS @oan= 
geliumS unb Sonntagfchullehrer unzugänglich 
finb. Silber haltet ben ffinbergefana aufrecht, 
benn berfelbe ift ber ffliigelfchlag beS beflügelten 
©oangeliumS. 

«*- 


Krber Me IMeutmtg ber afltjrifdjen Ausgrabungen für bie 

biblifdje 


gür §«n8 unb §erb koit Sr. V. ®u(j&trger in grtutfnrt«. 81. 


ieber Sefer, erfchrecfe nicht über bie ©Borte 
„affprifebe Ausgrabungen," als ob ich bi<h 
in unterirbifdje Kammern unb ©emölbe 
führen moflte, mo man feine Suft unb fein Sicht 
hat; ich möchte bielmehr beine ©Ufmerffamfeit 
auf einiges burch bie affprifdjen Ausgrabungen 
ju Sage geförberteS lenfen unb zeigen, meines 
3eugnih biefe Altertbümer für bie Wahrheit 
ber biblifdjen ©efchichte oblegen. 

Wie einem jeben ^abrljunbert bie Söfung 
einer befonberen Aufgabe jugemiefen ift, fo 
febeint baS neunzehnte ^ahrbunbert fich bor 
aflern burch feine grohartigen ©rfinbungen unb 
©rforfebungen auSjujeichnen, fo namentlich auf 


bem ©ebiete ber ©ntbeefung egpptifcher unb 
afjprifchet Altertfjümer. 

©er ffortfepritt auf bem ©ebiet ber ©ntjif. 
ferung ber affprifchen Keilinfdjriften ijl jmar 
ein äuherft mühfamer unb Iangfamer, aber 
nidjtSbeftomeniger ein grober unb erfreulicher. 
Seit mehr als 250 fahren hat ber Occibent 
burch bie Eingaben oon Orientreifenben Kennt. 
ni| bon bem ©orhanbenfein gemijfer Snfdjrif. 
ten. ©och maren noch bor 100 fahren bie 
Keilinfcpriften AffprienS unb SabpIonienS, bis 
auf einige bürftige Wittheilungen, fo zu faaen, 
unbefonnt. ©ie erften genauen Abfdjriften 
oeröffentlidjte ber ältere fRiebufjr. 3n ben bier. 



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356 


Heber bie Pebeutung bet afftjrird)en Husgrabiingrn. 


giger fahren machte ber frangöfifcße ©onful 
6tnil 33otta, bei ffßorSabab, reiche ^ltnbe, 
roelcße er in ben Sottore, nach ©aris, fanbte. 
Seine Slrbeit trnirbe etma gehn ^abre fpäter 
Don 8a ©lace fortgefeßt uitb ergängt. ©leid)* 
geitig gelang eS bem englifdjen fyorfcßer, £eiith 
Satjarb, bei Ritirub, a|ft)rifiße ffönigSpaläfte 
bloßplegeit; unter feinen fpateren fjunben ift 
bei nuberS ber fefibroeftpataft Soitberibs pon 
großer 33ebeutung, ba biefer bie ©ibliotßef beS 
affprifcßen ffönigS Stffurbanipal enthielt. Tie 
hier aufbemaßrten SSerfe nnirben nicht auf 
©appruSrollen, fonbern auf toeidje Ttjontafeln 
gefcßrieben, bie hernach gebrannt unb mit beton» 
bern Stummem oerfeßen mürben. Stach einer 
gefunbenen Rotig fittb biefe Tafeln (Jopien 
älterer Originale aus 33abt)lon, aus ber 3fit 
UrufS, eines ffönigS oott Ur unb eines 
genoffen SlbraßaniS. Turch SanljeribS ©robe« 
rung tarn bie ©ibliotßef nach Slffprien, roo 
Stffurbanipal bie auSerroäblteit Schöße, barun» 
ter auch bie Tßontafeln, fammelte, uttb fie nadl 
ihrem ^n^alt forgfältig auffcßichten ließ. Tie 
afft)rifd)»babplonifche ffeilinfcßrift blieb aber 
unentgiffert, bis £>enrp Rarolittfon aus ©erfien 
ein Sllpßabet mitbracßte, meines er aus bort 
entgifferten ^nfcbriften gufammenfeßte. Tie 
burch roeitere ©jpebitionen geroonnenen Schüße 
affhrifcß.babplonifcher SUterthümer füllen nun 
fünf große Säle beS britifcßen SRufeumS gtt 
Soiibon. 2öem eS nergönnt mar, nur einige 
Stunben in biefen Räumen gugubringett, mirb 
ben ©inbrucf nie oergeffen, ben biefe ebrmiirbi» 
en 3*ugen früherer ^ntjrtaufenbe gemacht 
aben,' unb melchen feltfamen Q ontraft man 
fühlt beim £>inauStreten auf bie belebten Stra« 
ßen ber mobernen SBeltftabt. 

Ter ro e f e n 11 i cß« Inhalt ber afft)« 
tifcb«babt)lonif4en ffeilinfcßriften 
begießt fich auf bie Schöpfung, bie Sünbflutß 
unb auf bie ©efcßidßte ber ffönige; Pom ©ara« 
bieS, Pom Sünbenfad unb Pon bem Tßurmbau 
befinben fich ffoar auch, aber eine geringere 
Slngaßt Pon ^nfcßriften mit birelter Segie« 
hung. 

Um ihres außerotbentlicßen 3ntereffeS roillen 
möchten mir nur beifpielsmeife einige berfelben 
anführen. Stuf einer ber ermähnten Tßonta« 
fein fteßt oopt ffönig Stffurbanipal: „Tie ©ott» 
beiten haben geoffenbart ben ffönigen por mit 
biefe ffeilfcßrift, bie Offenbarung beS ©otteS 
Stebro, beS ©otteS ber ßödjften SCBeiSßeit. 34 
fchrieb fie auf Ttjontafeln; ich begeidpete unb 
orbnete fie; ich legte fie nieber in meinem ©a« 
laft pr ©elcßrung meiner Tiener." SJtan 
Permuthet, baß jeber Schöpfungsatt auf eine 
befoitbere Thontafel pergeichnet mar, unb gmar 
in ber gleichen Reihenfolge roie bei SJiofeS. 
Stuf ber erften Tafel heißt eS: SUS broben ber 


l ftimmel nicht aufgerichtet, unb brunten auf 
Arbeit eine ^iflanje nicht oufgelproßt mar, auch 
bie Tiefe ber SBaffer nicht burd)brochcn hotte 
if)re Scßranfen: Mumu Tiamat (baS ©tjaoS) 
mar bie ©ebärerin ihrer aller. 3ene SBaffer 
mürben im Stnbeginn georbnet; aber ein ©aum 
mar nicht gemachten, eine ©turne hatte fich nicht 
i entfaltet. ... — Stuf ber fünften Tafel ift baS 
| oierte Togeroerf betrieben, mo e§ u. Sl. heißt: 
©räcßtig mar Stiles, maS hfrqeridötet mar Pon 
ben großen ©öttern ... er orbnete grnölf S9to« 
nate Pon Sternen in brei Reihen, oon bem 
Tage, ba baS 3oßr beginnt bis put Schluß. 
6r grengte ab bie Stellungen ber SBanbelfterne, 
gu fcheinen in ihren ©aßnen ... ben ©ott Uru 
(ben Rtonb) ließ er herauSfommen, ber be« 
fdjirmte bie Rocht . . . baß ber SJtonot feinen 
Slbbruch erleibe unb feine Tauer regelmäßig fei 
beim ©eginn beS SRonotS, beim Slnbruch ber 
Rächt brechen feine Körner burch, P fcheinen 
am l£>immel, am fiebenten Tage fängt er an 
p einem Greife p feßroeflen unb erftreeft fich 
meiter nach ber Rtorgenbammeriing gu. — Stuf 
ber fiebten Tafel ift bie ©vfcßnfiung ber Tljiere 
Pergeichnet. Ter fiebente Tag ift, nach einem 
gefunbenen Jfalenber, als eine 3eit begeichnet, 
an bem fein SBerf gethan roerben fotl. Telißfch 
iiberfeßt baS SBort sabbatuo mit Tag ber Ruße 
beS ftergenS, Ruhetag. Stuf Pötlig befeften 
33rud)ftücfeu fommt ber Rame Admi unb Adami 
als ©attungSriame Pot. Stuf einem biefer 
Thonbruchftücfe fteßt u. 31.: 3>eben Tag fotlit 
bu beinern ©ott tfid) näßen . . . Opfer fofljt 
bu beinern ©ott in @bvfnr<bt bringen. Tie 
ffureßt ©otteS fotlft bu nicht taffen, in ber 
öureßt ber ©ngei foüft bu leben. — 3ro 6riti* 
feßen Rtufeum befinbet fich ein altbabplonifcher, 
gefdjliffener Stein, auf bem gmei menfcßlicße 
Figuren bargeftellt fittb, melcße gttr Seite beS 
©aunteS fißen unb bie #ättbe naeß feinen tfrücß» 
ten aitSftreden, hinter ber gfrau befinbet fieß 
eine Schlange. Taß es fieß hier um eine 
Tarftetlung beS SiinbettfalleS ßanbelt, ift offen, 
bar. — Ter ftluthbericßt gehört gu bem älteften 
SagenfreiS beS babplonifcß.affprifchen Sllter. 
tßumS, unb ift feßr ausführlich unb bem mofai. 
fcfcen ©erießte in bett ßauptniomenten auffatlenb 
ähnlich. — StitS ber 3,eit ber ffönige bieten jene 
3nfcßriften ein fo reiches SStaterial, baß man 
jeßt feßon, auf ©runb berfelben, bie ©efeßießte 
eingelner ffönige feßreiben fönnte. 

Söie forgfältig bie 3nfcßriften biefer Thron« 
fragmente copirt mürben, beroeift ber Umftanb, 
baß auf ben Tafeln, befonbers an leergelaffenen 
Steden, baS Söörtcßen hibi fteßt, b. ß. auSge« 
töfdßt, unteferlicß. 3nr 3eit ber Slbfaffttng ber 
meiften unb mießtigften ^nfeßriften mürbe gmar 
neben bem affprifeßen auch baS aramäiföße ge. 
fproeßen, boeß mar baS erjtere oorßerrfeßenb, fo 


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Heber bie Pebeutung btt afTijriliben JUwgrabungen. 


357 


bafc bie affprifcbe ©pracbe bieienige ber ©Trei¬ 
ber mar. 

$ie ©ebeutung biefet aff^rtfd&ett 
Stltertbümer, befonberS ber 3fn = 
fdpriften, für bie biblifcbe ©efdncbte. 
3n ber ©rbaltung biefer benfmürbigen ©tonu» 
mente, in beren Sluffinbung unb ©ntgifferung 
erfenneit mir bie #anb ber gütigen ©orfebung. 
@S ift in ber Stbat ein munberbareS 3ufammen. 
treffen Don ©erbältniffen, toenn in einer 3eit, 
toie bie nnferige, in melier ber moberne 3eit= 
geift bnS SBort ber Offenbarung unb bie bar. 
auf gegrünbete ^Religion mit atfer ©tacht gu be» 
tämbfen flicht, bie in bie 3iefe grabenbe SSßiffen. 
fcbaft eine folcbe ©tenge Don ®enfmälern finbet, 
baß ficb bie Don ©eiten ber ungläubigen SSßiffen. 
fdhaft gegen bie Offenbarung erhobenen Se= 
benten Don Jag gu 2ag minbern unb firf) in 
Seroeife für bie Sßabrbeit oertoanbein. 

$>ie ©efebicbtlidjfeit unb innere 
95ß a b r b e i t b e S alten* $eftamenteS 
überhaupt wirb burd) biefe Jfabvtaufenbe alten 
2>enftnäler beftätigt; benn jene mitben afftjrifd>= 
babplonifcben ^ufcbriften oerroanbten biblifcben 
©ef<bicbten unb ©rgäblungen fteben mit bem 
gangen alten ieftainent in engem 3nfammen. 
bang. Slucb merben babürdj bie majjlofen %i= 
griffe gegen bie SSßabrbeit beS ©entateucb inS. 
befotibere mit einmal abgefdjlagen. 

© o m religionS»gef<bi<btli<ben 
©tanbpunft aus ift es intereffant gu be= 
merfen, bah ficb in jenen 3nfd)riften beutlictje 
©puren oon einem ©tonotbeiSmuS (Anbetung 
©iueS ©otteS) finben, melier wie ein 2id)t= 
fcbimnter burd) bie polbtbeiftifdje ftinfterniß bin* 
burebbricbt; mit ber gunebmenben ©ottentfrem. 
bung aber muffte jener bem ©olptbeiSmuS (95tel= 
götterei) immer mehr weichen, eo ftimmen 
biefe 3«ugniffe mit anbern gefcbicbtlicben SSßabr. 
nebmungen barin überein, baß bei ben ©ölfern 
ber alten Sßelt fein fyortfdjritt, fonbern oielmebr 
Stücffcbritt, feine geiftigere, fonbern eine ftnn« 
liebere Sluffaffung beS religiöfen ©ebanfenS nad> 
gumeifen ift. 

2)iefe wichtige Stbotfadje wiber. 
legt bie rationaliftifdje £>ppotbefe, 
welche mit ©orliebe gegen bie Urfpriinglicbfeit 
ber biblifcben Offenbarung angemanbt wirb, 
baß nämlich bie gilben, als ein befonberS reli- 
giöS angelegtes ©o(f, ficb gu einer geiftigeren 
©ottcSoerebruug emporgefCbmungen hoben foI= 
len. stiebt bie ijeibnifeben irabitionen finb bie 
Ouelle beS 2icf)tS, aus ber 3frael feine wahre 
©otteSerfenntnib gefeböpft, fonbern biefe ftainmte 
fammt jenen 2i<btfpuren aus bem Urquell ber 
ewigen ©ottcSoffenbarung; aufjerbem war 3frael 
immer bereit, ben Irrweg gu geben, fo baff feine 
monotbeiftifeb« Religion burcbnuS feine ans bem 
^eibenthum entlehnte, oerooüfommnete, fonbern 


eine bon jenem unabhängige, felbftftänbige, auf 
birefter göttlicher Offenbarung beruhende mar. 

©a<b biefer Sluffaffung einer früheren, oor. 
mofaifeben, allgemeinen Ur«Offenbarung läfjt es 
ficb benn auch erflären, wie eS möglich ift, bafc, 
obwohl bei biefen • beibnifeben Snfcbriften bie 
©ntftebung, bie ©orauSfejjungen, bie feitenben 
©efiebtspunfte oon bem bebräifdjen b- Schriften, 
tbum oerfebieben finb, bennoeb grobe ©artbieen 
ber Urgefdjicbte oon einem einheitlichen ©ebanfen 
beberrfebt unb beftätigt merben. SBäbrenb bort 
in ber beibnifeben Jrabition bie urfprünglicbe 
SSßabrbeit ficb je länger je mehr in nebelhafte ©e» 
ftalten unb 3errbilber oerlor, fommt fie hier in 
ber pofitioen Offenbarung ber b- ©ebrift wieber 
gu ihrer Dollen ©rfepeinung unb ©eltung. 

$iefe ^nfeprif ten finb ferner für 
bie biblifdje ©bronologie oon gro« 
feem SSßertb- ®ur<b bie ©ntbedung ber affb* 
rifeben ©ponptnenlifie (©eamtenbergeichnij}) mit 
«bronifartigen Seifdjriften erhielt man eine gu» 
oerläffige cbronologifdje ©runblage bis gum 
3abr 900 o. ©br. ©S ftetfen ficb oDerbingS ba 
unb bort gmifeben ber bebräifdjen unb affprifeben 
©bronologie Öifferengen heraus, bie ficb ober 
bis auf ein ©tinimum rebuciren laffen, fo be. 
fouberS bei ber 3 e 'i ber ifraelitifcpen Könige 
©tenabem, ©et«b unb £ofea. Slucb ftinunen 
bie Sericbte beS cbolbäifcben ©efcbidjtfcbveiberS 
©eroffuS mit ben ft'eil=3fnfcbriftcn überein. So 
ermeifen ficb oueb Oom cbronologifcben Stanb. 
punfte aus bie parallelen biblifcben ©eriebte als 
burcbauS guoerläffig. 

$er hohe SSßertb ber bisherigen ©rrungen» 
febaften auf bem ©ebiete ber ©ntgifferung ber 
affprifdj«babplonifcben ifeil.^nfcbriften mürbe 
Oor einigen fahren Don ©utfdhmib einer fd)ar= 
fen fi'ritif untergogen unb oieleS angefoebten 
unb beftritten. ©S läfjt fiep nicht leugnen, baß 
burdj fortgefcbritteneS Stubium unb neuere ©nt. 
bedungen manches früher Unrid)tige berichtigt 
unb ergängt würbe; auch bleibt nach bem eigenen 
Urtbeii ber Slffpriologen noch ein tüchtiges etiid 
Slrbeit gu tbun übrig binfichtliCh ber ©rammatit 
unb befonberS binfid)U'<h beS CeyitonS, ehe man 
am 3'fl biefeS auSgebebnten SforfcbungSgebieteS 
anqelangt ift. ®te ©ebauptung ©utfChmib’S, 
bah nicht ein eingiger babplonif^er Saß ooll. 
ftänbig erhalten fei, ift bagegen griinbliCh wiber. 
legt worben burd) ben SeweiS, bah fine bebeu. 
tehbe Slngabl unbefebäbigter, ooflftonbiger unb 
grammatifcb oerftänblicher ©ätce oorbanben unb 
bie richtige Sefung einer fReibe befonberS oon 
bifiorifChen Werten gefiebert ift. 

©in bebeutenber ffenner ber affprifd)=bnbplo= 
nifhen 3fnfcbriften fagt baber über jene fteplifebe 
£>bperfritit nicht obne©rnnb: „©tan möge bod) 
nicht gar gu f^arf unb febnell aburtbeilen, unb 
nic^t auf ©ingelbeiten bin, unb auf ©runb Oon 


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358 


Pit rotidjrn Jlugtn ein ttskimo (furopa betrachtet. 


fcpeinbaren ober aud) wirtlichen SiScrepanjen | 
(©erfdjiebenheiten) mit fonftigen Ueberlieferun» 
gen ohne weiteres beit ©tob brechen, welche in i 
ihren ©runblagen tnof)t uitb feft gegrünbet ift." 
9toch ift baS ,leßte 2Bort auf biefent großen 
fforfcbungSgebiet nicpt gefprocpen, fo biel gebt 
aber mit ©eftimmtpeit aus bem bisher ©emon* 
nenen perDor, baß baS leßte Söort eine ©eftäti* 
gung ber biblifcpen ©efdjicpte fein roirb. 

Saßt überhaupt bie SBiffenfcpaft auf ihren 
oerfcpiebenen ©ebieten ihr DoüeS SSßer! ungepin* 
beit thun, bie '-öibet wirb fich nie Dor ihren ©nt* 
bedungen ju fürchten, mopl aber je länger je 
mehr beffen ju rühmen haben, baß alles jur 
©erberrlidjung ihres Inhaltes bienen muß. 

inmitten ad’ biefer ftummen unb hoch fo ge* 
waltigen 3 eu fl en ber |>infcilligfeit alles 3 C '* S 
liehen fiept baS Sffiort beS £>errit in feiner un* 
Derroelflicpen unb unbeftegbaren Straft ba, unb 
weifet uns ben fidleren 2Beg aus ber SDßelt ber 
©ergängliepfeit jum unüergänglichen, ewigen 
fReich unfereS ©otteS. SGßopl bem, ber barauf 
achtet unb bon £erjen baran glaubt! 


Hit töfldjcit Jlugen ein Ultimo 
Europa betradftet 

t m 3«hre 1880 hatte befanntlich £)err #agen* 
bed eine ©Sfimogefeüfc^aft aus Sabrabor 
ju einer ©cpauftellung in ben europäifcpen 
fmuptftäbten engagirt. Unter jenen Seuten be» 
fanb fiep auch eine ehr ift liehe ©Stimofamilie 
bon ber $errenhutif<hen WiffionSftatiotr£ebron. 
— SBie man fiep erinnern wirb, finb fämmtliche 
Sheilnepmer biefer etpnologifcpen SRunbreife in 
Strefelb unb ©ariS geftorben. SaS Oberhaupt 
ber djriftlichcn Familie nun, 5lbraham, hat 
Sagebuch»9?otijen hiaterloffen, bie uitS einen 
intereffanten ©lief in baS Seelenleben beS Dian* 
neS eröffnen. — 

©ie mögen barum unferen Sefern hier mit» 
getheilt werben. 

ibraham fepreibt: 9tIS wir mit Sampf reiften, 
waren wir fcpneller als fjliegenbe; wir hatten 
biefelben ©läße wie große Herren (2. klaffe?), 
unb ber 3*<g war fo lang, baß beibe ©üben fehr 
entfernt uon einanber waren. 2ßir fuhren in 
ber Witte in einem fepöneu |)auS (Söaggon), 
bie jjenfter tonnten wir nicht jumocheit; unb 
boch wegen beS SLMnbeS tonnten wir nicht hin» 
auSfehen; als ich ein wenig ben $opf hinaus* 
geftedt hatte, fchwotlen mir meine 5lugett. 

5lm ©onnabenb ben 16. Oftober 1880 tarnen 
mir mit bem mertwürbigen Sampf in ©erlin 
an unb wohnten in einem fchönen ©retterbnuS, 


baS wir uns felbft bauten jmifepen ben Säumen 
(im joologifcpen ©arten). SaS innere unfreS 
Kaufes ju lehren, war faft unmöglich, wegen ber 
(jubrängenben) Wenfdjen, benn, wenn bie einen 
bon unfren Herren hinausgejagt mürben, fo 
tarnen anbere h^ein. 3n unfrer 9täpe ift ein 
WufifpauS, auch wunberbar. Sie Seute in ©er» 
lin münfehten fehr, unfer $auS ju fepen. aber 
nur einige tonnten baS thun, allen märe eS nicht 
möglich gemefen. 51ucp uitfre Seprer (©eiftliche 
ber ©rübergemeinbe), als fie gum erftenmal 
tarnen, mußten warten, weil fie oor bem 3«lauf 
ber Wenfcpen nicht hineintonnten. Sie Um* 
jäunung unfreS Kaufes würbe oft oon bem 
Wenfcpengcbränge »erbrochen, ©inmal idurften 
meine Herren, ba fie felbft nichts auSrichteten, 
mich hinaus, um bie ©inbringeuben ju Der* 
treiben. Sa habe ich getpan, was ich tonnte. 
^<h nahm meine ©eitfdjie unb ben grönlänbifc^en 
tjpeebunbsftecber unb machte mich fürchterlich. 
Sa fprangen einige über ben 3oun, anbere 
gaben mir fcpnell bie £>anb, einer ber ©erreu 
mar wie ein Söeinenber. Unfer £>auS hatte bie 
Ulrife (ÜlbrahamS ffrau) auch bon innen Der* 
fchloffen unb ben ©ingang Derftopft unb bie, 
welche jum ffenfter pereinfepen wollten, würben 
mit einem ©tücf &olj juritdgejloßen. 

3n ©erlin ift eS nicht fdjön, baS machen bie 
Dielen Wenfcpen unb ©äutne unb Äittber, bie 
auch fontmen. Sie Suft brauft beftänbig Dom 
©eräufcp ber ©epenben unb tfaijrenben. 

5lm 22. Cftober tarnen jmei Sefannte Don 
©r. ftlamatfcpef (Wiffionar), freuten fich, unS 
ju fepen, nannten uns mit 91amen unb forberten 
unS jum ©ingen auf; unb weil wir in allerlei 
nicht unmiffenb waren, fo freuten fie fich fließ 
(fehr), banften uns fogar unb luben uns ein, in 
ihr £)auS unb $ircpe ju tommen. Slber auSju* 
gehen am Sag ift unmöglich, weil wir Döllig 
bon Wenfdjen umgeben finb, oon fehr berfehie* 
benen ©cfichtern. 

Sen 23. Dttobcr fepneite eS fortwährenb. Sie 
$ablunat(©uropäer) frieren fepr, unb auch Wir 
frieren gleichfalls. 

51m 25. Cftober haben wir ben fieprer fiern 
gefepen unb einen Don ben großen Sehvern, 
welche Scprer unterrichten. 

51m 26. Oftober finb wir in ber (©rüber*) 
Äircpe gemefen unb haben gemeinfchaftlich mit* 
gefungen unb gebetet; mir finb alle großoergniigt 
igefegnet) unb auch unfre .OaPlumit alle finb er» 
baut gemefen. 5Sir ©ienfepen (©sfimo) haben 
in ber Witte ber S?ir<he mit einanber (in ©Sfimo* 
fpradje) gefangen: „3c|u geh Doran" unb baS 
©aterunfer gebetet. Sie ©erfammelten waren 
burd) untere Stimmen fehr erbaut, unb mir 
würben fürbittenb (bem £>errn) empfohlen. 
| Sann folgte ein ©tjorgefang: „fjrohlodt, wir 
ftep’n getroft DoH 3»Derfiept auf ©ott in 3ion 


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Pit melden tilgen ein Eskimo Europa betrachtet. 


359 


feß" u. f. w. Sa mußten mir uns bor ©egen 
leinen fRatp, roir alle, unb auch fogar bie Äa» 
bluitat. 3llS ber Epor aufpörte, rief ber Ser» 
famnilungSpalter nach oben — ba finden bie 
Sofaunen an gu blafen: „Stommft bu nun, 3cfu, 
Dom £>immel herunter auf Erben" u. f. tu. unb 
noch anbere Welobieu. 311S wir fertig waren, 
würben wir fef)r pergli(p begrüßt uni» uns bie 
£>änbe gebrücft. 2öir Rotten bor bem Sifcp ge« 
feffen. 

Später finb bie fieprer nocp oft in unfrer 
ÜBopnung erfcpierten unb haben gefunden, fogar 
ffrouen, in untre glitte tommenb, hoben mit« 
gefungen unb itnS fehr auf 3efum hingewiefen. 

Eines 31benbS gingen wir in großen Wänteln 
unb ©cpapen in ein großes £>auS (baS San« 
optitum), um uns ©cpaufa<hen angufepen. ffißir 
fuhren, in einem £»auS (2Bagen) fißenb, hin. 
3lls wir anfamen, fahen wir biele Wenfcpen 
berfammelt — aber eS waren nur menfcpen« 
ähnliche Serfonen, fo ähnlich, bah nichts gu 
merten war; ja gewiß! Einige fogar holten 
31tpem, ja einige bewegten fiep burcp allerlei (eine 
Einrichtung) im 3uiiern; ja, adeS gu nennen 
ift unmöglich. Such ben SISagen fRapoleonS hoben 
wir gefepen, ebenfo allerlei Stinten. 3a, men» ■ 
ßpenähnlicpe, fehr berfcpiebene (Serfonen), 5Ru» 
hier, 3lfritaner, Epinefen, 3nben, Smeritaner, 
Äalifornier, ja gewiß fehr biele Semopner ber 
Erbe haben mir in Serlin gefehen. 3Me ©onn» 
tage war Wufit in einem großen £»auS in unfrer 
fRäpe. 

Unfre Witmenfcpen (WiteSfimo), bie Familie 
Serrianiaf (f$?ucpS), hört auf bergnügt gu fein, 
weil fie ber fieute mübe finb. Unb mir im an« 
bren £)auS finb gebulbig, obgleich roir auch ber 
©a<be fehr miibe finb. 3lüe 31benb beten wir, 
baß uns geholfen werben möge, unb bieS (Seten) 
fcheint bei uns etwas auSguricpten. 

Surcp einige Äablunat würben mir gmar ber« 
lacht, aber bäs tiimmert uns nicht; mit einigen 
haben wir gefprochen, weil fie englifch berftan« 
ben. Wampe haben fiep über unfre ÜRorblän* 
ber (bie peibnifcpe Familie) entfeßt. 3<P habe 
täglich Arbeit unb geichne Wenfcpen, Sabrabor 
unb fRaitt. 

3lm 7. fRobember hoben Wir SetriibenbeS 
gehabt. Unfer ©efäprte, ber lebige Tobias, 
würbe bom #errn feines UngehorfamS wegen 
mit ber fjunbepeitfcpe gefcplagen. Wenn bieS 
noch einmal gefchicht, werbe ich nach Englanb 
fchreiben, wie man eS mir geheißen hat. (?) 
IRachher mar ber .frerr fehr freunblid) gegen 
mich, unb unferen grauen würben feibene Sän» 
ber getauft. Wenn SobiaS öfters miberfpenftig 
iß, wirb er feine Segaplung berlieren. 2Benrt 
er aber hrab ift, wirb er einen guten 8opn 
haben. fRacpper war SobiaS fehr tränt. 

Ser Seich, auf welchem wir ffajat fahren, iß 


fehr talt. 2Bir mäßen ftets baS EiS entfernen, 
ehe mir fahren tonnen. 3 utt *eileu iß es fogar 
fehr talt. 

Sie Spiere ber ^Berliner (wohl im 3lquarium 
ober im goologifcpen ©arkn) haben wir auch 
gefehen, ffifepe unb faß aüe Waßertpiere, auch 
einen fReßef (tleiuen ©eehuub). 

Sleifd» (©eepunbsfleifcp) bermißeit wir gar 
fehr, aber mag'S fein. WancpeS ift wohl grabe 
nicht fehr gut; wir effen meiftenS in ber Weife: 
ffrüp ßaffee unb ©epißsbrob, Wittags Sorfcpe, 
ßartoßeln, Sier unb ©epißsbrob. Um oier 
Uhr Äaßee unb ©epißsbrob, nm fecpS Upt Spee, 
£>äring, Sier unb ©epißsbrob. 

Sie (befuepenben) fiablunat bringen immer 
©utfcpmectenbeS mit, was fie uns fepenten; große 
fjrrücpte, bie fogar ©aft hoben (frifcpeS Cbft). 

3ln manchen Sagen habe ich auch im freien 
gegeigt, weil eS bie ßablunat fo fef)r wiinfepten. 
Wag’S fein, baß i<p eS auch niept böllig gut Der« 
ftepe; baS machte ihnen nichts aus. 

Wan hieß ntidp beftänbig meinen fRamen 
fepreiben, guweilen berlangten eS fepr biele; 
einer napm bie ©d)rift bem anberen weg; allen 
gu genügen war unmöglich, eS waren ihrer gu 
Diele. 

31m 10. fRoDember fepneite eS fepr, fogar in 
Serlin. Säglich hörten wir bie Stimmen ber 
flanonen fepr laut. 2Ran wirb aber hier leicht 
traut an ftartem Schnupfen. Sei biefem Un« 
moplfein wirb uns bie tägliche Arbeit fcpwer, 
bagu ift ©arap, unfer Stinb, tränt unb iß gu 
bebauern, baß fie oft allein bleiben muß. Sie 
ift aber niept unwillig, weil ße eS fepon Derßept, 
baß eS niept anberS fein fann. 3 ll b>eilen er« 
palten wir ©elb, gwei ßknee, gwangig, fünfgig 
Sence, mandpmal eine 3Rart, auch Eigarren. — 
2öie lange iß’S boep bis gum näcpften 3apr, wir 
möchten fo gern halb Wieber in unfer £anb gu« 
rüctfepren, weil Wir eS niept auSpalten tönnen, 
immer hier gu fein; ja gewiß, baS ift unmög« 
ließ. Sie Suft brauft unb bröpnt Sag unb 
fRacpt Dom ©eraßel ber ©cplitten (fflogen) unb 
ben beßänbig tlingenben Stimmen ber Sampf« 
pfeifen. 

31m 12. fRobember habe icp Sr. ElSner wie» 
bergefepen, weldper mit (fiaifer) SBilpelmS fiep» 
rer (bem £>ofprebiger ©tödfer) unb noep einem 
Wann gu uns tarn. Sie beteten für uns, baß 
mir niept Dom £»errit abfatlen unb ßerloren 
gepen möchten. 31ncp einige gläubige grauen 
tarnen in unfere glitte unb fangen (ober bete* 
ten) perglicp. 3 a wirflicp, bie ©laubigen hier 
in Seutfcplanb finb unfere ©efepwifter, fie pie* 
ßen uns fogar Srüber unb ©cpweftem; ße 
weinten fogar, baß wir nicht Derloren gepen 
möchten unb ßärtten uns. ©ie brachten uns 
wohlfdpmectenbeS Effen unb wollten gugleicp auch 
unferen Seelen ©tärtung mittpeilen. 


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360 


Pas uns bas Pikrofkop er}äljlt 


©Sbroige (Oefterreicß). 9(m 26. Stooember 
fcßreibe id) ^ier in Ißrag, einer großen ©tobt in 
ber tJerne, iin Saitb ber Sfatfjoliten. 5öir finb 
Zwei Stöodjen bi« im Innern eines großen, 
langen Kaufes ; mir hoben in beinfelbeit unfer 
£>auS unb werben roertb gehalten. SluSzugeßen 
iß unmöglich, bo uns fonft leicht etroaS gefcße* 
ben fönnte. SiS jeßt bobe icb noch wenige 
©laubige gefefjen, bie aber nicht ju uns (ben 
©rübern) gehören. @ie hoben mit fcbwocber 
©timme gef ungen, ans 3?urcf)t oor ben $atßo* 
lifen. 9tucß wir bürfen nur leife fingen, unb 
bitten ben fterrn, baff er uns bewahre unb helfe. 
SBeil fie uns beftänbig fragen, ob wir ©läubige 
finb, fo tonnen mir eS nicht leugnen unb bejeu» 
gen es beftänbig. 3fa gewiß, wir fühlen bie 
C>ülfe beS .fj^Trn bei unfrer furcht. 

©ineSjlngeB tarnen am Stachmittag fo an* 
jäfjlige ©olbaten; bie großen 2*3ege (Straffen) 
waren ganz gefüllt; fie trugen Tveuer (fffadfeln) 
unb Saternen mit einem ©riff oerfeljen, auch 
bie H5ferbe trugen Sichter. (?) 9(IIe machten 
allerliebft fcböite SJtufit mit Srompeten. 

9lm 27. Stooember höbe ich einen fließet (©ee* 
hunb), ben mau aus fpoflanb ju unfrer ©peife 
hat fominen (offen, in einem Seich mit bem- 
©eehunbsftecher gefchoffen, benn nur fo bnrfte 
er getöbtet werben. ©8 faßen feßr biele Wen* 
fdjen, fo unzählige zu, unb als ich ihn hör* 
punirte, Katfdjten alle feßr in bie ,£)änbe, wie 
bie @ibergöufe(mit ben fjtiigeln fcßlagen). 9118 
id) ihn fertig (gefchlacßtet) hatte, machten bie 
Wufiter eine fo laute SJtnfif mit ©eigen unb 
3?löten, 1 vom mein unb Srompeten (woljl einen 
Snfcß), baß eS wirtlich ber Diel ©timnten wegen 
unmöglich war, mit einanber p reben. 

®on tßrag finb mir fortgegangen nach ffvant* 
furt (a. SJtain), wo amh Diele Wenfcßen finb. 
Siort hatten mir jmei Raufer im freien in 
einer Umzäunung. 9öäßrenb unferer bortigen 
9lnwefenßeit mürben mir 2ag unb fitacht ftets 
Don ©olbaten bemacht, bie fiel) ablöften. fKucß 
bort finb mir oft auf bem Seid) Äajaf gefahren. 

93on ba fuhren mir in einem Schlitten auf 
Stöbern, mit ißferben (hefpannt), mir ade, in 
ber Utocßt nach Sarmftabt. 

3fn Sann ft abt hatten mir ein fchöneS |)auS 
in einem fcßöiien großen runben &ou§, welcßeS 
ber ©pielploß ifi jum Sd)(ittfcßublaufen auf 
Staben?. Sort finb wir oft im Innern beS 
4?aufeS im ffreiS ©cßlitten gefahren. 

£ier hörte eines bon uns, Serrianiats Socß« 
ter, Stachafat, auf, ju leben, nie ftarb) feßr 
fd)tiell unb fißmerleibenb (an ben ©lattern). 
3« einem aubern 0rt, ©refelb, ftarb aueß ißre 
Wutter, 93oingu, unter fcßwereit Seibeit. 

Sann entfcßlief (ebenbafelbft) im Trieben 
and) unfer ffinb, bie tleine fearaß, an fcßlim* 
mem 9luSfchlag unb ©efcßmulft beS ganzen Ztör« 


perS naeß zweitägiger Ärantßeit. ©ie war in 
baS ihaiifenhauS gebracht worben, wohin icß fie 
begleitet hatte. 9Bäßreub icß bei ißr mar, mar 
fie bei Semußtfein unb betete bas Sieb: 3<ß 
bin ein Keines Äinbelein u. f. m. 9118 icß fort* 
ging, ließ fie ißre fDtutter unb Keine ©eßwefter 
grüßen. 9118 id) fie berließ, fcßlief fie unb ift 
nießt mieber erwacht, was uns große Urfacße 
juin San! (gegen ben $errn) war. fltocß oor 
ihrem Sob mußten wir nach tßariS abreifen unb 
finb bie ganze Stacht unb ben ganzen Sag unter» 
wegS gemefen. 

* * 

* 

Soweit 9lbraßamS Sagebuch, Wie es jüngft 
bnreß baS fötiffionSblatt ber 93rübergemeine per» 
öffentücßt Würbe. — 


3$n0 uii0 bo0 Uliltrofhop cijäljlt. 

Sur £au$ nn \i #crb uou g. Iflrrt. 


S eute füt)re id) ben £efer in ein moblbefantu 
te§ Soncert. $?er bat nicht fdjon ben ein= 
tönigen Welobiett ber Würfen gelaunt? 
2öer bat nicht f^on bie ©ebulb»probe beffanben, 
toenn nach ermübenber Parteiarbeit man bas 8a* 
rter aiiffm^te, unb ber ©cblafeugel einen eiumie* 
rten mollte, aber nicht tonnte, oor bem Sieblein: 

roerb’ bid^ fdjon ftnben, 3$ toerb’ bid> 
fdjon finben !" — toelche» gewöhnlich oom lauf* 
ten Slito bi§ in§ fcbviüfte Piicant" oorgetragen 
wirb? 9tun, ba§ ©iugen liefee man fid) fd)orr 
gefallen, aber bie 9Mrfe fllei^t bem itaiieuifeben 
Cr^elbre()er an ber (Srfe — fie toill Selobnuni}! 
9l(fo bie» bringt foaieid) gum ^unft. 3l>er bie 
ßntmirflun^öefcbicbte ber Würfe fennen lernen 
toill, oermeife \ä) auf ^abtt^ann 7, ©eite 426 
biefei 9Jiaita3in§. ^ier toollen mir nur befon* 
bere Organe berüctficbtiflen. 9Xuf bem bei^e* 
^ebenen Silbe fie^t man bei 9Jo. 1 ben ftopf 
18 93tal oergröfeert, mit ben äaftern unb güb® 
lern. 2)ie grofeen sufammengefej^ten 9lugen be* 
berfen beinahe bie Hälfte bee Äopfei. ^er 
©augriiffel ift in ber Witte abgeriffen, um bie 
in bemfelben firf) befiitbenben ©teebmerheuge ju 
geigen. S^iefe fiiefertbeile befteben au» borften* 
artigen 8an?\etteu, oon benen jmei ficb megen 
ihrer befonberu Sefcbaffeitbeit Oon ben aubern 
uuterfebeiben. nach ber ©pecie ber 9Jioetito», 
finb biefe mit Keinen Jfnollen befept, ober finb 
jägenartig mit ^übnnt oerfeben, ober and) mit 
Sjiberbafen, mie9to. 2, eine ©pipe einer folcbett 
San jette, 475 Wal oergröpevt, barfiellt. SJiefe 
fiept mirfliib gefiibrlicb au«. 3)ie 3«den unb 
pateu bienen mobl baju, ba§ unter ber Cberbaut 
liegenbe Öiemebe ju jerreipen, mn ein freiere^ 


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Pie amerihanifdje 


361 



$ie TOoMite. 


fließen bc§ Slutc§ §u oerutfacpeu. 5li$äprenb 
bem Saugen ift ber Scplaudj bogenförmig ße* 
hoben; bie in bie ©aut ßcbränßten ffiorfien 
ftnb burc^ eine, auf ber Unterfeite be$ 9tü|fel§ 
fiep befinbenbe, ooin 6nbe bi» 311m SJopf laufenbe 
Spalte perauȧetreten, ltnb roevben nach ber 
<öättißunß roieber in benfelbeu aufßenommen. 

©efoitberS mannigfaltig finben mir bie güfee 
biefer Buletten. 4)ei 9to. 3 roerben nur gtoei 
bar^eftellt. 9Jiit biefen fönnen fie fidj an ©e« 
flenftüuben feftpaften. 

Cben, Wo. 4, fteflt einige ©puppen, tnomit 
Seine, Waffel, Flügel unb 2eib bebeeft finb, 
bar. 3pre $orm ift oevfepieben, je nach bem 
ifjeil, ben fie beefen. 

SÖenn nun biefe Whififanten bir einen Sefuch 
abftatten, fo mirft bu befonber^ bas, roaS auf 
bem ©ilbe fiept, bir *u Oerßeßenroärtißen roiffen, 
bettn ba3 tomnit bir am näcpften. 


Pie mnmhntiifrijf Sdjtwif. 

Sott CtnWnttnm. 

(§ietju ber ©tablfticp.) 

ie fWiagarafälle ausgenommen, jiefjen bie ®e» 
birgsianbfebaften im Staate 9Jew=£amp=» 
ffjire wegen ber Wonnigfaltigfeit unb 
©rofeartigleit ihrer Sceitericn bie meiften Ser= 
gnügungSreifenben in 9!orbamerifa an. Tie 
2B^ite WountainS ober 'Beißen Serge betjnen 
fictj freilidi mir 15—20 Weiten weit ane, fie 
finb aber bie hödjften Grhebnitgen in 9letu@ng= 
lonb nnb — tunt) ben Stad WountainS in fJlorb« 
Garolina — in ben Staaten oft lieb Dom Wiffif» 
fippi überhaupt. Sie entfielen mit ungefähr 
jwanjig uerfihiebeiten ©ipfetn einem Tafel» 
Ianbe, befjen WeereSljöhe beiläufig 1,550 gnjj 
beträgt unb welches Bott mehreren tiefen, engen 
Spätem burebfnrebt tnirb. Tie Oiipfel foitbent 
fitb in jroei ©nippen, beren öftlichc als bie 
eigentlichen SBeißett Serge befannt finb, wäb» 
rettb bie toe ft liebe bett fRatnett tJrnnconiogebirge 
trägt; jtoifdhen beiben breitet ficb baS ermähnte 
sptiiteau aus. Tie Wichtigkeit ©ipfet ber Cft» 
gruppe finb Womit SJafbington, ber böchfte Bon 
allen 6,285 gufj, bann bie ißevgc 9lbum», ^ef= 
ferfon k .; jene ber öramoniagruppe: Wonitt 
Safapette 5,508 guß, Sibertp, 6 berrt) Woutt» 
taiit unb Woofehitlod 4,636 tvttp. 91 n bem 
Sübranbe beS Sßlateau ragen SBb'teface Wotitu 
tain, Ghocorua ipit, 3,385 fjfufc, IKeb £>ill unb 
Cffipee, enblich im Süboft ber Rearfatge Serg 
empor. 

SSier große T holet geftatten ju biefetn ©e= 
biraSlanbe 3 u * r *tt: jenes beS Gounecticiit, beS 
großen ©renjft votneS, welcher 9tcw=£inmplbire 
Bon bem meftlichenftlachbarftaate Setmont fd)eU 
bet; baS Ttjal beS Sttbroscoggiu, ber im 91or= 
ben 9tew*£>ampfbireS entfpvingt unb in jubetn 
Sogen bem Renttebec in Waiiic jufließt; baS 
hier beginttenbe Thal beS Saeo, ber gleichfalls 
in Wallte ben Ceeatt erreicht, enblidt ba* 'b'cmi= 
gett>affet=Tbal, eine Wbjmciguug bee Werritnac. 
£efcterer Strom, welcher aus jwei Cuellflüffen 
entfpringt uitb bett gattjeu {üblichen 2()eü'J?ew« 
£ampfbireS bewäffert, erhält, wie bie übrigen, 
bie Seifteuer Bieter Sache unb fflüiVbeu, bat 
aber auch jWblrenhe Ratarafteit, welche im ©e= 
biete ber SYipeu Serge and) bett anberen ffie= 
wäffern eigenthümlich finb. • 

SBir wählen baS Thal bei Saeo, beffen 
Turcbbrucb burch bie Serge bett berühmten 
„fRotih," eine 2 Weilen lauge uitb fteUeuweife 
blo§ 24—25 fpiß breite Schlucht bilbet, als 
eines ber malerifdifteit, um itt bie SOhite Wottn« 
tniiiS eiujubringeu. Slir befiubett uns hiev am 
'Jlorbenbe bei großen See IBiuuiptjiogee, welcher 



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362 


Hus btt JHtrgtnbünmetnng btt titutn 3tit. 


giemliep bie Witte beS Staates einnimmt, unb ausgebepnt, ftcf) bis an bie SRattlefnale = Äette 
umgeben Don beit Sanbroitp» unb Dffipeepiigeln unb Womit Äearfatge erftrecft, bie Meine ©bette 
mit bem Süpiteface» unb ©pocorua«©if als i bilbenb, wo baS Stäbtepen 9tortp « ©ontoap am 
pöcpfte Spißen. ©on ©entre £>arbor, einer be« ©ergeSpange flebt. 3lm $uße beS planes breitet 
liebten Sommerrefibeng am Storbpaupte beS fiel), baS 3;pal meit aufwärts, ber grüne fRafen« 
Sees, bringt ein regelmäßiger Ißoftbienft bie fammet bon SEÖiefen aus, welche bie perrlicpftcn 
Steiienbeu und) ©onwap unb burd) böbereS Ulmen, gruppen« ober reibentoeife beifammen 
£>iigellanb auf ein ftoepplnteau, bon Wo man ' ftebenb, befepatten. £)ier unb bort glißert ber 
baS gange |)öpen »?lmppitpeater überfepaut, bis 1 Saco im Worgenfepcine, mäbrenb an anberen 
enbticb gu ©aton ber (Gipfel beS Wount Söafp« Stellen er fi<b hinter benbutifelnSlporngepölgen 
iitgton beutlicp fidjtbar tuirb. ®ie intereffantefte I berbirgt. 3lm nörblid)en ©ube beS $paleS finit 
ftigur in ber Sanbfcpaft ift inbeß ber ©pocorua, Wote Wountaiu im fogenannten „ÜeufelS Cepn» 
beffen erfter ©inbruef gerabeju überrafepenb ftubl" (Devils Arm-chair) ju einem niebriaen 
mirlt. Unb wenn nun ber @iIntagen im näept« £mpenguge perab unb ber ©artlett f(prägt fiep 
licpen IDunfel babinrollt, fo ift eS immer »ieber ab, um einer weiten Oeffnung Sßlaß gu maepeu, 
baS ftolge, feparf gefepnittene profil beS ©poco«. aus roelcper Wount SBafpington unb bie anberen 
rua, welcpeS felbft auS ber ginfterniß auftauept, ©tipfei ber weiften Serge, ieber beutlieb bom 
unb tritt man naep langer ©Jalbfaprt wieber ins anbern getrennt, in ihrer boflen ©reite empor« 
t^veie, fo fällt ber ©litt guerft auf jenen ein» lampen. Sßäprenb ber 3lnbli<f beS ©ebirgcS 
famen ©ipfel. $aS Stäbtepen ©onwap, Wo bom Dtorben aus mepr ober minber feproff unb 
man gu übernaipten pflegt, liegt feport im Stpale großartig fiep geftaltet, ift Ciebliepleit ber paupt« 
be§ Saco. SBenige Weilen weiter unb ber lang fäepliepfte ©paraltergug im SanbfepaftSbilbe bon 
geftpwuugene Wote Wountaiu unb bie aebroepe« ©onwap. 3lber niept bloS bie £>ügel, fonbern 
neu Umriffe ber Stattlefnafe Stange (Klapper« auep baS S)orf felbft unb bie faftigen Sßiefen 
feplangen=,Qette) nepmen bie wieptigften Stellun« 1 am Saco erhöben ben milben Steig biefeS Wapren 
gen im '-Panorama ein, mäprenb bie Offipeepügel 3Irfabien ber SBpite WountainS. 
immer mepr unb inepr am fiiblupen ^torijonte Solch liebliepe später giebt eS in Stern £tamp« 
bem ©liefe eutfepminben. ©S mag um neun Uhr fpite noep eine gange 31ngapl. 31 ber eS fcplt auep 
WorgenS fein, wenn bie ©oftfutfepe in bie Straße niept an milber, großartiger ©ebirgSfcenerie, 
am Staube DeS ebenen ©eftabeS einbiegt, baS fiep g. ©. bie ber ©>afpington= unb Kearfarge»©erge, 
32 — 38 8fuß über bem Saco erhebt unb, 2 bis j fo baß bie weißen ©ebirgt mit Steept bie ameri« 
4 Weilen lang bis gum fjuße beS Sartlett=©ergeS I fanifepc Scptttcig genannt Werben. 


JUt0 btt IHorgeubömtnerung brr unten Jett 

Sine (Srjäfylung auS (Suglattb. 

gär §*it8 mtb #crb tum SB. ftöttrfe. 

(ecbiuß.) 

gen gegogen Würben. $iefe Waren ungefüfer t)ier 
frufe Dom ©oben unb gwei gufe öon einoitber. 
2öenn fte bem grärbet bienten, fo batte er fein 
3etig baran geheftet, bis eS troetnete; über in 
ber ©erfammlung bienten fie als ©tüfee für bie 
ftefeenben 3ufeörer, bie fidfe barauf lehnten. SDurd) 
eine eigene ©orfeferung fonnte man biefe Seile 
afle auf einmal auf ben ©oben feermtterlaffen, 
fo bafe man mit ©cfenelligfeit feinanSfommen 
tonnte. $)er Färber ^otte oft nadfe einer folgen 
3ufammenfnnft feine ©eile gu reinigen, aber er 
liefe ficb biefe ©Jüfee niefet oerbriefeeti, benit ber 
getyenbete ©egen ber 3ufammenfünfte biente 
als reicher Sofern 

tiefer grärber, fiemiS ©erntet, batte gtoei 
©öfene, Stöbert unb Sticfearb, ber eine groangig, 
ber anbere gweiunbgwangig Safere alt. %\n ©e* 
fcfeäfte beS ©aterS waren fie ifem feine reefete unb 


i w JTJ #aS 2rodenfeauS beS SfärberS ftanb 
an bem Eingang eines 2fealS. 
toar ein grofeeS, UieredigeS ©e« 
^ bäube ofene 3 m iW enn) änbe. 8inen ge* 
eigneteren Staum für ©erfamtnlungen 
•te unter bermaligen ©erfeiiltniffen fonnte 
' man fiefe niefet benfen. StingSum waren 
©erge, bie mit Söalb unb $itfi(fet bebedt 

! waren, wo man leidfet einen ©erfted unb 
Sibufe finben fonnte. Sw $aufe felbft 
war weber Mangel noefe Sifdfe; aber in 
einer 6de war ein grofeer fteinerner ffeffel 
angebracht, ber als ©tanb für ben ©or* 
lefenben ober Stebner biente, ©tüfele ober 
Sänfe fefelten aticfe, aber bafiir featte man 
als ßrfafe bie Irodertfeile, welcfee bon einer 
Söanb gur anbern in aleicfemäfeiaen ßntfernun* 


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Hus bet Sforgenbümmerung btt neuen Jlrit. 


363 


linfe ftaub; aber fo waren fie auch fein rechtes 
unb liufeS 2luge für bie Sicherheit ber beerbe, 
wenn fie im DrocfetihauS ©erfamntluttg hielt. 
Belehrung flohen fie nicht bor, aber fie waren 
ben 3)tönchen unb ©rieftern nicht holb, unb ftan» 
ben jebergeit bereit, für bie berfolflten Sollhorben 
eingutreten. ©eit unb breit war feiner gu fin» 
ben, ber fich erbreiftet hätte, mit beS „gcirberS 
jungen" ongubinben. 

So befannt nun auch Johann ©rown mit 
biefer ©egenb war, fo hotte ihm hoch bie bunfle 
5tocht e§ fdjmierig gemacht, ben fchmalen ©eg 
gum DrocfenfjauS gu finben, aber hoch flelanfl eS 
ihm enblidj. Gr bog ein, mar aber lount einige 
Schritte gegangen, fo tönte eS ihm entgegen: 

„Die Sofung!" 

„©rot unb ©ein," fagte Johann. 

„2llleS wohl!" war bie Grmiberung. 

„©ift bu baS, Stöbert ?" frng Johann. 

„3<h bin’S," mar bie Mtroort, unb eS raffelte 
fogleich in ben ©üfchen. 

„3 ft DhomaS ©amt angefommen?" frug 
3ofjann. 

,,©on biefer Seite nicht, aber eS fann fein, 
bafs er oon ber anberen Seite gcfommen ift. Gr 
hielt fich lefcte Stacht bei Sieter ©apleS in ©eab» 
ftone auf. Dtidjorb hot bie ©adje nach jener 
Seite unb wirb uns halb barüber berichten tön» 
neu," war bie 'Antwort. 

©alb mar man bei bem SErocfenhauS ange» 
fommen; man ftopfte, bie Sthtir öffnete fich »ob 
fte traten ein. Cbgmar eS noch früh war, fo 
hotte fich fdjon fine nicht.unbebeutenbe Mgabl 
eingefuitben. 

9flS Johann ©rown gemelbet Würbe, trat ber 
fjcirber herbor, fc^üttelte ihm fräftig bie £atib 
unb fagte: ,,©ie bin ich boch fo froh, bafjbu 
gefontmen bift. DfjomaS ©ann wirb heote 
Menb fchwerlich fommen. 34 hörte geftern, baß 
ber ©mtmnnn Gljilton fein ©erfiecf entbecft unb 
fich ouf ben ©eg gemacht höbe, ihn einguholen. 
Sogleich hohe ich StogerS gu ©ferb nach ©eab» 
ftone gefanbt, eS ihn miffen gu laffen. Schon 
eine gute ©eile warte ich auf feine Stiicffehr, unb 
immer DergebenS." 

„^öffentlich wirb Weber ihm noch bem StbomaS 
etwas Schlimmes gugeftoßen fein. 34 will es 
ben ©erfammelten mittheilen unb fie gum ge» 
meinfdjnftlicheu ©ebet für unfere ©rüber auf» 
forbern," fagte 3ohann. 

©om Seither nnterftiißt mar er halb auf ben 
fteinernen Jleffel geftiegen unb rebete bie ©er» 
famnielteu folgenberinajjen an: „©eliebte in bem 
fjerrn! Da biefeS böfe Stage finb, in welchen, 
unter ber fiangmutb ©otteS, ber ©itidjrift bie 
©eroalt befißt, bie Sfnechte ©otteS gn oerfolgen, 
fo ift eS nngemeffen, baß mir unfere fjergen unb 
$chibe gu unferem großen ftönig emporbeben, 
baß unfere leibenben ©rüber unter bem Schatten 


feiner fjliigel ficher Wohnen mögen. Sollte 
3einanb hier fein, in beffen ©erg ber ©eift ©ot= 
teS baS ©erlangen gelegt hat, für StbomaS ©ann 
ein ©ebet gu fprechen, ber nehme fich i e ßt bie 
Freiheit." 

„34 höbe eine ©itte bem großen ©ohenpriefter 
bargubringen," fagte Sthurfton fiittlegoge oon 
©udinghamfhire. Gr hob feine ©ätibe empor. 
MeS fönt ouf bie ftniee. ©an fonnte balb aus 
ben Scufgern unb bem Stöhnen inerten, mit 
welchem Grnft bie Fürbitte für ben ©ruber, ber 
fie fo oft getröftet hotte, bon Men unterftüßt 
gum ©nabenthron getragen würbe. 2llS baS 
„Mien" oon ©unb gu ©unb erfcholl unb alle 
fidh aufgerichtet hatten, ftimmte man ein Sieb 
an, baS bem ©efühl ber Ströftung, baS im ©e« 
bet gewonnen würbe, Msbrucf gab. 

hierauf nahm Sthurfton fiittlegoge baS ©ort 
unb fagte: „©eliebte in bem £errn! 3h* tbut 
wohl barati, bem £ierru ein fiieb gu fingen, beim 
wir müffen bie Siebe Gbrifti anerfennen, welche 
im Gbangelium gu uuS fpricht: „Selig feib ihr, 
wenn euch bie ©enfcpen uni meinetwillen 
fchmähen unb berfolgen, unb reben allerlei 
UebelS mieber eu4, fo fie baran lügen; feib fröh¬ 
lich unb getroft, eS wirb euch ini £>imme( wohl 
belohnet werben!" 3efuS hot bie Mefidü auf 
biefe ©rfahrungen feinen 3üngern gegeben unb 
ben Stroft einer enblid^en gnäbigen Grlöfung 
nicht oorentholten." 

©an fang einige fiieber. Sobann nahm 3o* 
bann ©roinn feinen mitgebrachten Dractat her¬ 
aus unb (aS ben ©erfammelten oor. ftaum 
hotte er recht angefangen, ba mürbe bie Stfjür 
fchnell geöffnet, unb ütidjorb fchrie burch’S ©e» 
Bciube: „3<h wittere Unheil üon 9iorbcn! Gilt! 
eilt!" 

Die Seile fielen auf ben ©oben, bie Dljüren 
nach Siib, Oft unb ©eft flanben offen, bie ©er» 
fammelten gerftreuten fici) unb ffinben ihr ©er» 
ftecf, ber Gine hier, ber Mbere ba. Die Sichter 
waren eben fo fcbnell gelöfcht unb bie Stljüren 
wieber oerfcfjloffen. 3u einer unglaublich Jürgen 
^eit War beS gfärberS StrocJenhouS fo leer unb 
einfain, als ob feine 3ufammentunft bafelbft 
gewefen fei. Der ffiirber felbft hotte 3of)fl»n 
©rown unb beffen «flinber in einem Dicficpt 
neben einem Reifen unweit beS StrocfenhonfeS 
oerftecft. ©alb hörte man oon 9torben her baS 
©iehern eines ©ferbeS. 

„Gi, baS ift ja mein ©ferb," fagte ber ftcir» 
ber. „SRogerS fehrt jeßt heim unb 9ti<harb hat 
ihn für einen fteinb gehalten." 

©an hörte balb Stimmen unb ©eladjter unb 
eine mohlbefannte ©elobie warb gepfiffen. 

„MeS in Crbiiung; Diicborb giebt foeben baS 
3eichen. heroor gu fommen," fagte ber gfärber. 

3obann ©rown unb feine Sfinber eilten aus 
bem ©erftecf. Die Stpür beS StrocfenbaufeS ftanb 


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364 


Hus bet fttorgenbämmerung bet neuen Jett 


mieber offen, unb Stöbert günbete bie Steter wie« 
ber an. Den .'peveintvetenben melbete er fogleid): 
„SogerS ift »ieber ba, unb einige greunbe finb 
mitgetommen, »er benft ihr wobt?" 

„SBie fönnen »ir baS wiffen ?" 

„DbomoS Staun unb feine Üodjter Clara," 
fagte Stöbert freubig. 

„SBie! 2BaS!" rief ^fo^antt ©ro»n unb eilte, 
fie fdjnell gu be»iflfommnen. 

„fjalt, l)ci(t!" rief ber gärber, „hierher, ich 
will bid) binfiibren." 

Der gärber jiinbete eine gadel an unb ging 
ooraus, bie SInberen folgten. Sn ber Sorbfeite 
angefommen, fab man in bent unftöten Siebt ber 
gadel brei ©erfouett gu ©ferbe: Clara Stann, 
ein Stäbchen oon acbtgefin fahren, DbomaS 
Stann, ibr 3Sater, unb SogerS. 

„DbomaS!" rief Johann. 

„Johann!" roar bie Sntmort, unb DbomaS 
batte ficb oom ©ferb gezwungen unb lag in 
feineä greunbeS Firmen. 

3lnbeff batte fid) bie oerfdjeuchte ©efeflffhaft 
mieber im Drodenbanfe eingefteflt. lieber eilte 
man, benn Sitte »aren aut bie SuSeinanber* 
feffung gefpnnnt. ©o gab benn DbomaS Staun 
üorerft ©eriebt, »ie er bon ber ©efabr in ffeitnt» 
niff gefept »orben fei unb fid) ohne ©äumen gur 
glud)t angefdjidt habe, unb »ie fie bie £>aupt= 
ftraffe gemieben unb auf Ummegen gereift feien. 
Weshalb fie fo fpät anfämen u. f.». 

Sad)bem bet '-Bericht bernommen »ar, fagte 
bev Färber gu Sobann ©romit: „2Bo foH jefft 
ber DhomaS bleiben ?" 

„£ier »erbe id) gemifflich nic^t bleiben," fiel 
DbomaS ein, „Cbilton mürbe mich halb ent» 
beefen. gef) muß morgen fdjon in oder grübe 
fort. ©eter Staples fagte mir, baff id) »abr= 
febeiulieb äburfton Sittlegage hier treffen roürbe." 

„Sichtig, er ift hier," fagte ber gärber. „Cr 
bleibt bie Sacht bei mir unb »id morgen mieber 
beim, giir bid) ift auch nod) ©laff." 

,,©o ift’S gut. Da id) glaube in Sudingbam» 
fbire fieberet gu fein als b»t, fo werbe id) mit 
ipm reifen." ©id) an gobann »enbenb, fuhr er 
fort: „Sber bie Clara fann icb nicht mitnebmen. 
geh habe fie mit bierber gebracht, bamit fie bei 
bir bleibt." 

„Cb, »ie freut mich baS," fagte Slice, bie 
Clara umfoffenb. 

,,grf) hoffe, fie »irb bir unb Coufine Clifabetb 
nicht lange gur Saft fallen," fagte Stornos. 
,,gd) hoffe unb bitte ©ott, baff halb beffere 3 e *= 
ten eintreten." 

„Studie bir beSbalb leine ©orgen," fagte go» 
bann, „fie foll uns eine rechte Docbter fein. 
Dein ©ott ift mein ©ott, unb mein $aus ift 
bein tpauS." 

©iele SB orte ber Siebe unb SEröftuug »urben 
hierauf geroecbfelt. Cnblicb tarn bie ©tunbe beS 


SufbrudjS. ©ie beugten {ich äße oor ©ott, unb 
DbomaS Stann betete mit groffer gnbrunft unb 
empfahl Sfle bem ©d)u| beS aflgnäbigen ©otteS 
unb £eilanbe§. ©ein Sbfd)ieb oon Clara »ar 
rübrenb, benn er febien eine Sbnung gu haben, 
baff er fie auf Crben nie mieber an feine ©ruft 
briiden »erbe. Stitternadjt »ar eingetreten, als 
man ficb trennte. SBie man Oorfidjtig gufammen« 
gefommen »ar, fo ging man auSeirtanber. 

Johann ©roron orbnete an, baff Slice unb 
Clara borauSgingen, unb er felbft mit bem tlei» 
nen Johann in einiger ©ntfernung folgte. Der 
gar ber fliifterte feinem ©offn Stöbert ins Ctjr: 
„gb* werbet woffltbun, borauf gu feben, baff 
Johann ©roron mit ben ©einen fidjer heim 
tommt." 

3br jeffiger 2öeg führte fie burd) einen bid)» 
ten üöalb, ber baS Dunfel ber Sacht noch erhöhte, 
fo baff bie oorauSgeffenben Stäbchen manchmal 
Stühe batten, ihn recht eingubalten. SIS fie 
enblid) ben üöalb hinter ficb batten unb ins greie 
traten, ging ber Stonb auf, fo baff fie in ber 
gerne ben ffirchthurm oon Sfcbforb feben tonn» 
ten. ©<bon batten fie eine gientlid)e ©trede beS 
SöegeS guriidgelegt, als fie plöfflid) burd) brei 
Seiter in ©djreden oerfept würben, bie gerabe 
auf fie gnfanten. Offene gelber lagen rechts unb 
linfS unb lein ©erfted geigte fi<h ihnen, ©ie 
lehren um unb eilen nach bem Sßalbgurüd; aber 
oergebenS—bie Steiler batten fie halb eingebolt. 

„Sch, fdföite gräulein," fagte jept einer ber 
Seiter, „fürchtet euch nid)t bor uns. 2öir tbun 
euch nidhtS gu Seibe." 

„Sßir freuen unS auf bie angenehme ©efeß» 
fchaft," fagte ein anberer. 

„©itte, gräulein, »er feib ihr?" fügte ber 
britte, ein Stann im mittleren SebenSalfer, ber 
bur<h bie breite ©chärpe um feine ftleibung halb 
als ein Diener beS ©rgbifd)of6 erlannt »erben 
tonnte. 

„SBir finb Oon Sfchforb," fagte-Slice mit git» 
ternber ©timme. 

„Unb »ie beifeen ©ie?" fragte er weiter. 

„SBir ftnb oon Sfchforb," fagte Clara aus» 
»eidfenb. 

„Ci, fo gebt ihr ia Oertehrt, ber SBeg nach 
Sfcbforb gebt b^r b>aauS," fagte einer ber 
Herren. 

„Unb fo fpät!" fagte ber anbere, inbem er 
oom ©ferb abftieg. „3cb bente, biefe fd)önen 
©ringeffinnen ber Sacht »erben uns bauten, 
wenn »ir ihnen bie ©bre ermeifen, fie gu ©ferbe 
gu feffen unb fie nach 2Bpe bringen." 

©ein ©efäbrte folgte feinem ©eifpiel unb fie 
ergriffen bie Stäbchen, um ihr ©ortfaben aus» 
gufübren. Diefe a6er »ehrten fiep nach ffräften 
unb fchrieen um 4>ilfe. Jjefft eilte Johann 
©ro»n, ber feinen tleinen ©obn gurüdgelaffen 
batte, b«rbei unb »arf {ich mitten unter fie. 


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jus bei Slorgenbämmerung bei neuen Jett. 


365 


„(je, meine Herren, rnaS habt ißr hier Dor ?" 
tief er. 

„©ater, ©ater, hilf!" f4*<e ©lice. 

„2Bie!" |'4rie jefit ber Wann mit ber langen 
Schärpe, ber ju ©ferbe geblieben mar, „menn 
i4 nießt irre, fo finb Sie Johann ©romn bon 
51f4forb." 

„&o Reifee i<ß, ©mtmann Eßilton," fagte 3o* 
bann. „©tuß i4 eS erleben, baß meine SLöd)ter 
auf eine iolcß’ unsiemlidje 333eife Don ©tännern 
mie ©Jalter unb SBiüiam ©tote boit ©raoeSenb 
beßanbelt merben ?" 

„Sie fcblecfjter £unb!" fcfjrie ©(alter ©tore, 
„melcße ©eßanblung oerbienen ©täb4en, bie in 
fo fpiiter Stunbe auf öffentlicher Straße fid) 
berumtreiben ?" 

„2Bir roaren bei fjreunben in Elmfteab auf 
©efueß, unb febren jeßt frieblidj beim. Unf4id« 
lieb mirb baS roobl mißt fein. Saßt uns nur mit 
Trieben," fagte 3<>hmin. 

„2öie beißen bie gfreunbe ?" frug Eßilton. 

3oßann ©romn gab feine ©ntmort. 

„34 befehle, baß Sie ben Warnen nennen," 
feßrie ber Vorige mit bonnernber Stimme. 

„©tarunt follte i4 baS moßl tbun ?" frug 3o« 
bann rußig. „3b* gebt eure ©kge, mir geben 
bie unfrigen." 

„Wi4t boeß!" tief Eßilton, ibn bom ©ferbe 
aus paefenb, „Sie finb mein (Befangener; gemiß 
haben Sie an einer ©erfammlung ber (jaretifer 
tbeilgenommen. 2öir haben Sie feßon längft in 
IBerbacßt, unb jeftt mirb moßl bie $eit gefommen 
fein. Sie ins Sßerßör ju nehmen. Sie geßen 
mit nadß 2öße; biefe Herren merben bie ö?räu= 
lein fißon in Wufficßt nehmen." 

„2Bo ift 3br ©erßaftsbefeßl ? Sie ßaben 
fein Weißt, mich gefangen }u nehmen," fagte 
©romn unb riß jt(ß bon ißm loS. 

„2BaS, Sie rnollen fieß einem Seamten miber« 
feßen? (jier, meine Herren," rief er, „neßmt 
biefen Wiemen unb fcßnaOt ißn um feinen £>alS. 
2Bir roofleit feßon mit ißm fertig merben." 

Wuf.biefeS SBort ließen bie beiben ©rüber bie 
SDtäbcßen loS, unb roarfen fieß auf ben ©ater, 
ber jicß aber mit aßet ©taeßt miberfeßte, mäß» 
renb bie Wtcibcßen bor 3?ur<ßt feßrieen. 2öer 
fann aber 3bßann Sromn’S Ueberrafcßung be« 
feßreiben, als er faß, mie auf einmal feine ©n» 
^reifer naeß littfS unb redßtö }u ©oben ftürjten. 

„Wobert! Wicßatbl" feßrie ber überrafeßte 
HJtann. 

„3mei gegen Einen, ift bodß ju toll," fagte 
tHobert ju ©(alter ©tore, ber fieß eben aufraffte. 

„0ß! beS Färbers 3ungen!" rief Eßilton 
itberrafeßt, gab feinem ©ferbe bie Sporen unb 
jagte baoon. 

„So, jeßt paeft euch," fagte Wobett ju ben 
tDtore’S, „ünb laßt eueß hier nießt mieber feßen." 

SBalter unb ©Mfliatn ©tore ließen fieß baS 


unter ben Umftänben nießt jmeimal fagen, fon» 
bern fliegen eilenbS auf ißre ©ferbe unb jagten 
Eßilton naeß. 

Wobert unb Wießarb gaben nun ben ffreunben 
offenes (Beleite in ißr ©eim naiß Wjcßforb. 

IY. 

Einige Sßocßen maren üerftridßen. Elifabetß 
faß als eine ©enefenbe gunt erftemnale mieber 
am 3?omitientifcß. ©lice mar in ber .(hieße unb 
traf befonbere ©orbereituitgen für biefe ©elegen« 
heit. Elara befeßäftigte fieß mit bem jüngften 
©ntömmling. 3oßann ©romn, ber ©ater, mar 
in ©efcßäften naeß Sonbon gereift, mürbe aber 
jeben ©ugenblicf ermartet. 3?ßt braeßte ©lice 
einen großen (fließen unb feßte ihn bor ber 
©tamma auf ben Slifeß mit ber Jrage: „3ft baS 
nießt ein präeßtiger (tu4«n ?" 

„34 füreßte, baß bu ein rnenig gu Diel £efe 
ßineingctßun ßaft," fagte bie ©tutter. 

„9lcß, menn ber ©ater nur feimc! 34 meiß, 
er mag ben fhußen am liebften, toenn er ßeiß 
ift," fagte Elara. Sie nannte 3°h<mn unb 
Elifabetß jeßt immer ©ater unb ©tutter. 

©tan ßörte fefte Stritte. 

„®a ift ber ©ater!" rief ber Heine 3oßann 
unb eilte jur Stßür. 3m nä4ften'91ugenblide 
ßatte bie ©tutter einige fitiffe erhalten, unb 3o= 
ßamt ©romn fagte: „34 münfeße ©liicf, gute 
©tutter, gur SBieberteßr in ben gfomilientreis. 
®em fjerrn fei ®anl, baß er bi4 no4malS mie« 
ber aufgeri4tet ßat." 2)ann naßnt er Elara 
baS Äiitb ab unb ßob es freubig in bie ^)öße. 
„Ein prä4tigeS (finb," fagte er, „eS ift in ben 
leßten Pier jagen gemiß um einige ge« 
ma4fen." 

„3eßt aber ben (tu4en!" rief ber Heine 3o« 
ßann. 

Sie ©tutter f4idte ft4 an, ben (fu4en *u 
jerfßneiben, unb mäßrenb Stille fi4 um bie 2afel 
fammelten, frug fie ben ©ater bebä4tig: „3fl 
auf ber Weife etmaS ©efoitbereS oorgefaKen? 
34 mar beforgt, bu mürbeft mit ben ©tore’S in 
©rabcSenb jufammenftoßen." 

„Wein," fagte S^honm „i4 habe fie roeber auf 
bem ^)in« noöß auf bem (jerroege getroffen; aber 
auf bem ©oot hatte i4 eine Unterrebung mit 
einem ©riefler. ES traf ft4, baß mir neben» 
einanber faßen, unb ba baS ©ktter etmaS rauß 
mar unb baS ©oot bon ben ©Men ßin unb her 
gemorfen mürbe, gef4nß baß mir mnn4mal 
aneinanberftießen. $er ©riefter frug mieß barfeß: 
„StBeißt bu au4, roer i4 bin ? ®n fißeft mir 
ju naße unb auf meinen (fleibern!" 

34 antmortete: „34 leune Sie ni4t, mein 

? )err." 3n einem heftigen 2on fagte er: „34 
in ein ©riefter!" 

„So," fagte i4, „maS finb Sie benn, ein be« 
flaöter ©riefter, ©icdr ober ^muScaplan ?" 


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366 


Hu» ber PorgtnbSmmtrung brr neuen 3ett. 


„(Rein, id) bin ein Wefepriefter," tDör bie 9Crtt= 
wort. 

„S3o3 ift benn ein Wefepriefter ?" frug ber 
f(eine Sohoitn feine Wutter. 

„©in Krieftcr, ber Weffen lieft, um Seelen 
au» bem Segfcuer gu befreien," faßte fie. 

„©8 fliebt bod) fein gegfeuer, Wutter ?" frug 
er wieber. 

Sie fugte: „3Bir lefen borüber nichts in ©ot» 
teS 2Bort." 3u ihrem Wunne: „2BaS paft bu 
ihm beim gefugt ?" 

„(Run," fagte Johann, „ich frug: Sitte, mein 
fjerr, roo befinben fidj bie Seelen, roenn Sie gur 
Weife geben ?" 

„Sas funn ich nic^t fugen," war bie 9(ntroort. 

„Sitte, roo (affen Sie bie Seelen, toenn bie 
Weife aus ift ?" frug id). 

„Sud) baS funn ici) nicht fugen," untroortete er. 

„KJie tonnen Sie roiffen, ob bie Seele errettet 
ift ober nicht ?" frug ich- 

Ser ^Briefter fchrie mich heftig un: ,,©eh’ roeg 
Bon mir, bu bift ein Äefeer! 3d) roill bir’S fd)on 
weifen." 

©liidlicberroeife fnmen roir bulb noch ©rabeS. 
enb unb roir trennten uns. 91IS roir lonbeten, 
eigte er mir noch bie Sauft, unb ich fab- wie er 
ich hei ben Umftebenben nach mir ertunbigte. 

„@ott oerhüte, buff uns aus biefem KorfatI 
etwas KöfeS erroochfe," feufgte ©lifabeth. 

Seiber roor bie (Befürchtung ber Wutter nicht 
unbegriinbet. 

^iei Sage fpciter feierte mon ein Samilien» 
feft, gu welchem einige Sreunbe eingelaben 
rooren. Won hotte fid) gur Wohtjeit freubig 
unb guten WutheS gefefet, hotte fich fcfeön unter, 
hotten unb bie 3jeit flog auf’s 9(ngenehmfte b«. 
hin. $o ging plöfelidj bie Sf)ür auf, unb herein 
trot Smtmonn ©bilton mit einigen onberen 
Wienern beS ©rgbifdjofS. 

Ser tßriefter hotte bei feinen (Racfeforfcfeungen 
in ©raoeSenb bulb ermittelt, bafe Siönlter unb 
William Wore ihm behilflich fein fönnten, eine 
ernfte Snfloge gegen Sofjann Kroron gu erheben. 
Sie freuten fich über bie bnrgebotene ©eiegen* 
heit, (Rache gu üben, unb gingen mit bem (ßriefter 
gum ©rgbifdjof Bon ©anterburt), ber fogleidj 
einen KerhaftSbefeljl gegen Johann Kroron aus« 
fertigen tiefe, unb ©ijilton befühl, ihn gu Bot!« 
finden. 3<h taid nicht nerfuchen, bie entfefelicfee 
eceite gu fefeilbern, bie Johann Kroron’S Santi» 
lieufeft in ein Srauerfeft oerroonbette, ober bod) 
in Umriffen baS Kitb zeichnen. 

3)ie orme ©tifabetb fanf in Ohnmacht, als 
bie rauhen Keamten ihren ffiatten fortfd)(eppten. 
Wan hotte ihn auf ©bilton’S Sferb feftgebun» 
ben. ©tara war h«heigefDrungen, hatte feine 
,f>dnbe erfofet unb fchrie: „Wein Kater, mein 
Kater!" © ; n rauher Wiener gab ihr einen Stofe, 
bafe fte auf bie Sbürfchroene gurüdfiet. 91(8 fie 


fich wieber aufgerichtet hotte, waren fie fcfeoii mit 
ihrem ©efongeneu oufeer Sicht. Sie lehrte 
troftloS in’S £)auS guriid, aber fie rourbe halb 
gur Shcitigfeit gerufen, bem» bie ©äfte roaren 
in 9lngft geflohen, bie S)ienftboten liefen entfefet 
unb jammernb im ©arten umher, 91lice fafe in 
i einer ©de beS 3'mmerS bleich unb regungslos 
| Bor Schreden unb bie Wutter lag im Cfjn. 
ntcid)tstrampf, roährenb bas ftinb in ber Wiege 
weinte. 

„Siebe 9l!ice," fagte ©lara, fie bei ber £>anb 
faffenb, „fchoue auf IJefum unb faffe Wutlj. 
Sotten roir ben ffelch nicht trinlen, ben er uns 
reicht? jtoinm, lomm, faffe bich unb hilf bie 
Wutter tröften." 

$iefe feften Worte brachten 9l(ice gur Keftro 
nung — Shrcinen rollten üter ihre Klangen, 
aber fie richtete fich auf, ber Wutter beiguftehen. 
Wit Bieter Wühe unb 9lrbeit gelang es ihnen 
enblidj, bie Wutter gur Kefinnung gurüdgubrin« 
gen. $ie (finber. Welche merften, bafe es ruhiger 
warb, lamen aus ihrem Kerfted unb warfen fich 
ber Wutter in bie 91rme. 

2luS Snrdjt Bor ben Sriefiern hielten fich bie 
Ceute fern, unb fie roaren baljer in ihrem ©lenb 
allein, ©rfi nach einigen Sagen ftetlte fich ber 
Sorber mit feinen groei roaderen Söhnen ein, 
Sroft unb nötfeige £>ilfe gu bringen. fjluffdjlufe 
über Johann Kroron’S Kerbleiben lonnten fie 
nicht geben. Sie hotten nur gehört, bafe er ge» 
fangen genommen fei, aber wo man ihn hin» 
gebracht hotte, lonnten fte nicht ermitteln. 

„Wirb man ihn wohl umbringen?" frug 
©lifabeth. 

„3<h benfe nicht; fte werben ihn Wohl ent. 
Weber in Wpe ober in ©anterburh in £mft 
haben," fagte ber Sörber. 

„Um fo bebentlicher für ihn," fagte ©lifabeth. 
„Sie werben ihn foltern. Stärle bod) ber £err 
fein f>erg, bafe er getreu bleibe bis in ben Sob." 

„$)ie Sdiurlen!" fagte (Robert, „wenn ich nur 
rotifete, roo er fifet, er müfete halb feine Sreiheit 
roieber hoben." 

„Kitte, feib nicht gegen bie Seinbe erbittert," 
fagte ©lara, „unfer ^>err ©hriftuS hot für feine 
Seinbe gebeten." 

„3cfe habe meinen ©atten in beS ßerrn ^änbe 
befohlen," fagte ©lifabeth. ,,©r fou es mit ihm 
machen nach feinem Sßoljlgefallen. Cb roir 
leben ober fterben, roir ftnb beS |>errn." 

Siergig Sage Bergingen, ehe bie armeSomilie 
etwas Bom Kater inne roarb. 9lm Sreitag Bor 
bem Kolmfonntag lam baS S)ienftmäbchen, baS 
in ber Stabt getoefen war, ins 3immer geftürgt, 
bleich unb entfefet. „Oh." ftammelte fte enblid), 
„ich höbe gefchen, roie man ©ernt Kroron, mit 
jfetten belaben, ins ©efängnife gefcfeleppt hot." 

So fchlimm biefe Kotfcfeaft auch lautete, fo 
1 war fie bod) ber Ungeroifeheit Borgugieljen. 3e|t 


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- ^ le 



Pa» djinefifdje #eujal)r. 


367 


! 

wußte bo4 Elifabeth. wo er ficb befanb. Ohne Elifabetb, Slice, ©lata unb bie übrigen $in* 
ju iäumen, machte fie fiep auf, um ihn in feinem : ber mit einigen 3?reunben, bie ben ©lull) batten, 
flerter aufgufucben. Suf ihre ernften anbalten* ibr (Witleib öffentlich an ben Stag zu legen. Der* 
ben Sitten lief; man fie enblicb bei ihm ein. fammelten fict> in unmittelbarer (Wöbe um ben 
Silier meid)' ein ©egegneit! Ta lag er im Stoct Scheiterhaufen, mäbrenb eine große (Wenge auS 
mit betten belabcn, bleich, abgezehrt unb ent* weiterer Entfernung zu(4aute. 

(teilt. Sie umarmte ihn, unb tonnte lange Dor Wacpbem man ben ©erurtbeilten mit einer 
Schmerz nicht reben. Sie blieb bie (Wacht über | eifernen .ftette an ben ©fahl befeftigt batte, zün» 
bei ihm unb ließ ficb nach unb nach alles auS ben | bete man ben £>oljftojj an. Tic flammen griffen 
Dierjig Stagen ber Trennung erzählen. Unter i fchuell um (ich, unb je ^ö^ev fie fliegen, befto 
anberem erzählte er, bafj er im ©efängniß ju ftiüer warb eS. Ta mirb bie Stille burch baS 
Eanterburp gefeffen, aus welchem er jum Ser* ©ebet be« (WartprerS unterbrochen: „3n beiite 
hör oorgefiibrt würbe, bei bem bie Sifcpofe £änbe befehle ich meinen ©eift! Tu, o \ierr ber 
SBabSpam unb Sifcper als Dti^ter fungirten. 5öaprl)eit, baft mich erlöft!" Stic flammen 
Sie (teUten allerlei fragen über religiöfe ©unfte. feblugen höher, büüten ihn enblicb ein unb — 
3uleßtDerlangtenfie,bäßi4bie©otteSläfterung, Johann ©romn war halb erlöft. Ein Sdjauber 
baß ein (Weßpriefter eine Seele nicht auS bem aber burchlief bie 9J?enge — Sbfdpeu gegen bie 
Segfeuer erretten tönne, wiberrufe. 34 fagte: genfer erfüüte manche ©ruft. Elifabetb unb 
„EpriftuS fei einmal geopfert, bie Siinben Weg*, ihre ftinber tonnten ihren tiefen Schmerz nicht 
junehmen, unb baß burch fein Opfer bie Seelen berbergen, unb laute ©kpflagen entftrömten 
gerettet werben, unb nicht burch bie eitlen Hßie* ihren Sippen. 

berbolungen ber (Weßpriefter." „UBaS foü baS jammern ba ?" rief Ebilton. 

fiautn batte ich ba» ©)ort gefprochen, fo gaben „Sfornmt, laßt uns bie Äiuber auch inS fjfeuer 
bie ©ifeböfe ben anwefenben ©ericptSbienern ein werfen, fo wirb beS ©efcplecbts ein Enbe." Er 
Reichen. Tarauf zog einer mir bie Schube unb ergriff mit biefen SBorten auch Slice; biefe riß 
Strümpfe auS; ein änberer brachte eine Pfanne ficb aber mit einem Schrei beS Entfettens Don 
mit glübenben Stöhlen. Suf biefe würben meine ihm loS. (Wie in ihrem Sehen bat fie biefen 
tJiiße gefteHt. Sugenblicf bergeffeit tönnen, unb nach Dielen 

„Seht fage, bafi bie (Weffe retten tann," fchtie fahren, auf ihrem Sterbebette bat fie feiner 
ber ©ifcpof grimmig. noch Erwähnung getpan. Tiefer Slice Der* 

34 fagte: „SBenn i4 meinen $>erm EpriftuS banfen wir au4 bie Einzelheiten biefer ©ef4i4te. 
Dor 2Weuf4en Derleugite, fo wirb er mi4 Dor So enbete 3ohann ©romn, ber (Wärtprer bon 
meinem himmlif4en ©ater berleugnen." Sfchforb. 3m näcbften 3apr, 1518, würbe bei 

Elifabetb zitterte uitb berpüllte.ibr ©eftept mit Smitbfielb, Sonbon, ein anberer (Wann geri4= 
ben £>änben, als er bieS erzählte. 6nbU4 faßte ‘ 
fie fich, bef4aute feine &üße unb fah, wie baS 
ganze fjteif4 Don ben Sohlen megaebrannt mar. 

„Siel habe ich ausgepalten," fagte 3opann, 

„aber lange ni4t fo Diel, wie SefuS für mich er* 
bulbet hat. Sr hat mi4 geftärtt, fobaßüpeS 
ertragen tonnte. SIS bie Sif4öfe faben, baß fie 
mich nicht zum ©Mberruf bewegen tonnten, über* 
gaben fie ini4 ber bürgerli4«n ©ewalt, unb ba* 
mit jtttb wir am Enbe angetommen. Siebe 3?rau, 
bieS ift bie lebte (Wacht auf Erben. 2öir werben 
für immer gef4ieben." 

Elifabetb fagte ni4ts. Sie wollte ihren ©at« 
ten iröften, unb nun mußte fie no4 Don ihm 
lernen, ihr £>erz faffen unb auf ©ott bertrauen. 

„(Weine Siebe," fagte enblüp 3opann, „bleibe in 
3efu Siebe, erziehe bie SJinber in ber fjurdjt beS 
#errn; (flott mirb bein ©erforger unb ©ater gmölf ober breizepn (Wonate, je naepbem es ein 
fein." S4altiabr ift ober nidjt, unb ba bie jäbrli4en 

(Wit Tagesanbruch erfchieit f4on Ebilton unb ffefte meiftenS bur4 bie Sonnentoenbe unb baS 
feine (Betreuen. Tie leßten ©orbereitungen mur* Sequinoctium beftimmf werben, fallen biefelben 
ben getroffen, fomobl Don ben ffeinben, als Don auf oerfebiebene Tata. 
ben ’fjrennben. Tie Stunbe mar gefommen, SBäprenb beS leßten dWonatS im alten 3ahe 
unb man trug ben feften, treuen Epriftenmann, Werben bon allen ©ebölferuhgSflaffen große Sn* 
3obann ©rown, hinaus zum Scheiterhaufen. | (trengungrn gema4t, um bie nötbigen ©or* 


xei. ^mei ’jucaoajen panoen tn oer ’Jtape, uno 
mit breepenben aber mutbigen Kerzen nahmen 
fie Tpeil an bem Sdjicffal beS (WärtprerS. Tie 
(Wäbcpen hießen Slice unb Elara, unb ber ©e* 
opferte war Thomas (Wann. 


Pap djiiteftfd)* Itnijaljr. 

{für §»»8 trab $erb non C. Änpfer, Btifffrmar 
hi China. 

f nter ben berf4iebenen öffentli4en ©ebräu4en 
ber Ebinefen ift baS (WeujabrS*3?eft, welkes 
bieSmal auf ben 8. gfebruar pel, Don be* 
fonberem Sntereffe. TaS 4ineflf4e 3abf hat 


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368 


$as djineftfdie Jteujat)r. 


tc^runcteii jur freier beS SeujaljrS * 3eßr3 ju 
treffen! 5» Solge befjen fteigt baS (Selb im 
Söertpe unb alle ©enbüfte gehen flott. Sanb» 
leute bringen if)ve Srobufte jur Stabt unb feh= 1 
reit juriid beloben mit bent ju biefer 3 f ü nn* i 
entbehrlichen Skihtandj, Sd)ieß * Waterial, 
SBachSferjeu, odjweinejleifdh, Sermicelli, auf 
Rapier gemalten ft'üdjen* unb Jljür»©öttern, 
Wodmonei) (Spottgelb) unb öerfdjiebenen anbe* 
reu Äleinigfeiten. J)ie fonft trägen Settier forn* 
men fcljaarenwcife in bie Stiibte, eilen boit 
Sieben jn Silben, um ©elb jn fammeln, bnrnit 
fic an ben üblichen tfeftlichleiten Jheil nehmen 
föniien. 3ebermaitn ift um bicfe 3cit bemüht, 
feine Schulben ju bejahten unb feine '.Rechnungen 
ju begleichen. ©S ift hier unter ben fttugen 
unferer Diiffionäre borgefomtnen, baß fDtännes, 
bie ihre Schn Iben nidfjt bejahten tonnten, fich 
baS Sebeit nahmen, um nicht bie SdhanDe ju 
tragen, am Gnbe beS 3 l, hreS Schuldner ju fein. 

5l<ht Sage bor bein j}cjl toerben bie ,H liehen* 
götter abgelöft unb gen ftiinmel gefonbt, um 
ihre Dfechuuug ju bent ©otte beS Rimmels ju 
bringen. SBähreitb beS 3aljreS hoben fie ihr 
5(mt, über bem Ofen an ber 2ßnnb hängenb, 
benoaltet unb boit ben £>auSbemoljiiern wenig 
Dichtung genoffen; bod) ehe fie ftdh auf bie Steife 
begeben, wirb ihnen boit ihrer Familie ein 
Opfer bon berfchiebenen ©emiifen, ^leifdf) unb 
flüchten gebracht, bantit er ben [vamilienaltar 
mit einem guten (Sinbnid berlaffe unb fein Se* 
ridjt utt £>immel über baS Setragen ber fyamilie 
günftig laute. 51 nt 5lbettb bor Steujahr finbet 
er bei feiner Südfeßr baS 6auS feiner ffamilie 
nach dhinefifchem ©efebmaef feftlidh gefebmiidt. 
2BadjSferjen brennen unb SOßeihraudj buftet bie 
gattje Stacht; auf jebem 3mmilien*Jifdjdhen liegt 
ein Opfer ooit tochweineflcifdj, Hühnern, Sitten, 
3?ifcheu unb tjdidjten; außen bor ber Jljür wirb 
eine gabuitg „^firecraderS" nach ber anberen ab* 
gefdjofjen, währenb ber £>anSoater fid) mehrere 
fötale mit bem £)aupt jur ©rbe beugt, für bie 
Segnungen beS nun halb berfloffenen 3aljreS 
banit unb bie patuonifirenben ©ötter um ein 
fegenSveicheS neues 3oh r bittet. 

Um Witternadjjt giebt ein $anonenf<hnß baS 
3eid)en, baff baS neue 3aljr begonnen hot. 3eßt 
wetteifert alles im ©ratuliren, unb fobalb ber 
Worgeit graut, legen bie Wänner ihre heften 
fileiber an (manche borgen fogar ffleiber für 
biefen 3>oed), gehen ju ihren gfreunben unb 
Serroanbten, um fie burdh ©lüdwünfjhe ju er« 
freuen, geben ben fidttbern auch Wohl ein Heines 
©eichen! unb eilen bann wieber nadh £>nufe, wo 
ber Steft beS JngeS mit Jrinfen unb Spielen 
verbracht wirb. (Sin merfwürbiger (Eontraft tritt 
hier ju Jage. 51 m 5lbenb jubor ruht ein ljöthft 
feierliajeS ©epräge auf ber ganjen Stabt. Wenn 
es bie lefcte Stacht wäre, unb baS jiingfte ©eridjt 


uttjweifelhaft bor ber Jljür ftänbe, fönnte man 
nicht ernfter geftimint fefitt, als bieS Solf ju bie« 
fer 3eit- 5llte ©cfdhäftSläben uttb Ärämerbuben 
i fittb gefdhloffeit; bie Straßen fiub leer; Schiffe, 
i 5>i<bunteu unb Soote liegen ruhig bor 5lnfer. 
Segegneit fidh am frühen Worgen höher geftellte 
Serfoiten unb gewöhnliches Soll, fo werben bie 
erfteren bon bem leßtereu faft angebetet. 5lber 
fie he, ehe bie SBachSferjen berbrannt fiub unb 
ber Weihrauch berbuftet ift, wirb fchott ange* 
fangen ju fchwelgett, unb bieS bauert bei ben 
Weiften mehrere Jage. WohHjnbenbe fangen 
ihr ©efdjäft erft wieber in ber britten Wocße an, 
unb wer biefeS bermag, wirb glüdlidh gefepäßt 
unb hochgeachtet. 

5lu<h werben am lebten Jage beS SahreS neue 
Jhürgötter angeheftet. ©S ftitb bieS jwei Srü* 
ber, bie als Jljürpäthter bergöttert unb ange» 
betet werben. Sie finb in bunten ^färben auf 
Rapier gemalt; ber jüngere, „Wen (Epen", wirb 
an ben rechten 3?liiael, ber ältere, „Wu $)ii", an 
ben linfen tfliigel ber Jljür gefleht. JiefeS 
Srüberpaar erfdjeint in berfdhiebenen ©eftalten. 
5ln manchen Jhiiren ftehen fie mit gejüdtem 
Sdhwert unb fehen hödhft grimmig auS, an an* 
beren hoben fie einen ganj freiinbliehen Slid 
unb eine Sdhoat Heiner fiinber um fidh. Sott 
trouernben Familien werben fie nicht angebetet, 
auch bürfett ihre Silber nicht an beren Jijiir er» 
fdheinen, ftatt beffen wirb ein Stüd blaues 
Sapier mit berfdhiebenen Sdhriftjeidhen über bie 
Jljür geliebt. 

Sier Jage bor bem fteft würbe eine ®ro« 
jeffion ju (Sfjwt beS ffrühlittgS berauftaltet. 
Oiefer 5lufjug begann im ?)amun beS Jau* Jai, 
wo fidh e <ne große Schaar ©hinefen berfantmelt 
hotte, um ben Uebungen jujufdjouen. 3m Sor. 
hof beS |)amun ftanb ein Ochfe in SebenSgröße, 
aus Sapier gemadhf, neben bentfelben ftanb ein 
etwa jwei 3?uß hoher ©öbe. Sor biefem Jljiere 
unb ©otte beteten jwei Wanbarinett; aber ber 
©otteSbienft, obwohl bon hohen Wanbarinen 
auSgeübt, fdhien ßöchft gleichgültig. @S ließ fidh 
Har erfennen, baß eS ein aejwnngener ©otteS» 
bienft war, wie ich oudh nachher erfuhr. Sei ber 
Uebung war eS ben 5lnwefenben berboten, auf* 
jitfchauen, beffenunaeadhtet erfdhiett ihnen aber 
Die ganje Srocebur lädherlich. 9tach bem ©otteS« 
bienft festen fidh bie ^errett an eine mit allerlei 
^dichten reich befefcte Jafel, berließett biefelbe 
jebodh wieber, ohne ju effen, beim es war ein 
Opfer. ®aS Jhier unb ber ©öße würben nun 
im Umjug burdh bie Stabt getragen; ihnen folgte 
ein Heines Wäbdhen mit einem Slumenftraüß, 
bie Wanbarinen unb eine große 3ofjl Sanier* 
Jräger unb Wufifonten. 5llS ??rühlingSjeidhen 
wirb ber Sucbftabe “chun”, Frühling, blühenber 
ftanbel unb 5iderbau, SanbeSwohlfahrt, bebett* 
tenb, auf rotljeS Sopier über jebe Jljür gefleht. 


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•uAijaoa« qtm J40ß ai»iß lufcJiai« uaitf ÜU© uaq j*jb >pm<taöu#$ »gorf 


Sie grüßte $jätigrbrttdie. 


369 


IE3Pi? größte iititgrbriidte. 

«bttor. 



jfach 3aljre langen 
^|I Arbeiten ift bie 
^ gröfete £äitqe= 
briicfe in ber ©eit ber 
Seuufcuitg übergeben 
morben. 

Ueber bie am 24. 
33?ai abgeba(tenen 6r= 
öffmmgefeierlichfeiten 
unb bie babei geholte* 
neu im ©angeit recht 
langmeiligen 9?eben 
mallen mir hinmeg* 
geben, bagegen aber 
biefe* Stiefenmcrf in 
33ilb unb ©ort imfe* 
reit Seferri in Jtürge 
barftellen. 

©g ift bieg eine 
Sriicfe, mie bie ©eit 
teilte gmeite aufgumei* 
fen bat. ©ic hat aber 
aud) Summen ner* 
föhnigen, melche ge* 
rabegu fabelhaft ge* 
nannt merben bürfett, 
unb mobl nur in me* 
nigen Siinbern für ei* 
neu berartigen 3^ 
hätten gufatnmenqe* 
bracht merben tönueii. 

$er non bem qenia* 
len ©ücfenbauer 9töb* 
Iing berechnete 2}or* 
91nfchlag non gehn 
Millionen $ollarg ifi 
mit ber 3^t nuf über 
fünf gehn Millionen 
angclaufen, unb ftatt 
ber fünf ^ahre, mäh= 
renb roelcber ber Sau 
nolleitbet merben follte, 
hat berfelbe nolle brei* 
gebn^abreinSlnftmub 
genommen. ®iefe Un* 
terfchiebe mürben tbeil* 
meife biirchbieim^Jlan 
norgenomntenen 2>er* 
äitberungen, theilmeife 
burch anbere Umftänbe 
nerurfacht. 

3cfct fteht ba§ 9iie* 
fenmert noüenbet ba 
unb übergeugt 3eber* 
mann, bafe f)kx eine 


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370 


faßt fie einanber unterrichten. 


Arbeit ausgeführt fei, meiere ißreS ©leidjen auf 
bem Grbenrunbe fließt. ©o großartig aber wie, 
ber 21nblid ift, fo groß tonten and) bie gu über« 
toinbenben ©djmierigfeiten, oon benen mofjl nur 
bie ©enigften einen Haren Segriff haben. 

Sie unter bem ©affer gu oerrid&tenben 
Arbeiten roaren bie fdjmierigfteti unb gefä^rtid»» 
ften. Um weit unter bem Flußbett ein fefteS 
ffrunbament gu gewinnen, tourben ferner ge» 
arbeitete £>o(gfäften, foqenannte GaiffonS, in bie 
Siefe beS Stromes oerfentt. 2luS bicfen Säften 
fdjaffteit Suntproerfe baS ©affer beraub unb 
ftif<he 2uft hinein, unb fo gelang eS unter un« 
gepeilten 2lnftrengungen ein fefteS ©teinfunba« 
ment gu legen, inbem man burd) 2lit§grabungeit 
bas Gaiffon na<h unb nact) fo tief nerfenfte, bis 
man auf foiiben fjels fließ. 3 e tfl begannen bie 
Maurerarbeiten, welche berart auSgefithrt rour« 
ben, baß man bie GaiffouS mit einmauerte unb 
baS ©ange mittelft Gement Oerbanb. 

2ße(d)er 21rt biefe ©runblegitng mar, baoon 
tann fid) auch ber 2aie eine annähernbe Sor» 
fteüung machen, roeun er hört, baß ber unter 
bem 9tem porter Srüdeupfeiler berfenfte haften 
7000 Sonnen ober über oiergeßn Millionen 
Sfunb toiegt. Sie beiben Pfeiler enthalten 
85,159 $ubit«f|)arb Mauertoerl unb finb 276§ 
3?ub hoch. 

Sie Srabtlabel flnb in gewaltigen, 130 ffmß 
bon ben Pfeilern liegenbeii ©teintoloffcn ber« 
anfert, beren jeber ein ©emicht bon 60,000 Son« 
nen hot. 

3ebeS ber bier Sraljtfabel befteht auS 5296 
galoanifirten, geölten @tahl«Sräl)ten bon ber 
Side eines 2ld)telgollS. 3 l « Verarbeitung biefer 
Sraljtniaffe mürben guerft biermal 19 Heinere 
Sünbel gebilbet, bon benen jebeS auS einem 
200 Meilen langen Sraljt beftaitb, ber bon Ser« 
anlerung gu Sevanternng 278 Mal hin» unb 
hergegogen mürbe. Siefe 19 Heineren Sünbel 
mürben aisbann, inbem man fie umeinanber« 
fdjlang unb mieber mit Sraljt umfdjloß, gu einem 
ft'abel bereinigt. 

3m ^ uni i877 begann baS Segen, ober biel« 
mehr 3uhen ber Stabte, eine namentHch an« 
fänglid) fehr befchmetlidje Arbeit, welche außer« 
bem noch oft wegen ungünftiger ©itterung aus« 
aefeßt werben mußte, unb beSljalb auch erft im 
Cttober 1878 beenbigt warb. 

Such Sollenbuiig ber bier ifabel mürbe bie 
eigentliche Srüde in Eingriff genommen, bie mit 
2liiSnahme beS SlonfenmegeS gang auS Stahl 
befteht, unb in 9tem $ort an Ghatham Square 
beginnt unb in Srootltjn an Gcte bon ©anbS 
unb ©afhington ©treetS enbet. ©tationS« 
gebäube mit ©artefälen k. finb an beiben Gnb« 
bunlten angebracht. Sie gewöhnlichen Sferbe« 
Gifenbahnen werben ben Verlebt nicht öermit» 
teilt, wohl aber eine bur<h ein Srabtfeil in 


Bewegung gefeßte, befonberS bagu erbaute 
i Sriidenbaljn. Ser 15 8fuß breite ©eg für f$uß« 
ganger ift in ber Mitte ber Srüde angebracht, 
unb bebeutenb höh«/ olS bie übrigen Speile, fo 
baß berfelbe eine auSgegeidjnete 2luSfid)t geftattet. • 
Sie gmei für Sfuhrwerfe beftimmten ©ege haben 
eine SBreite oon je 19 ffuß. 

Sie Spannung gmi fdjen ben beiben V fei lern 
beträgt 1595£ fjuß, bie gange Sriidenldnge — 
bon Auffahrt gu Auffahrt — 5989 3fuß; mäh« 
renb bie beiben Seranferungen 3460 f$uß aus« 
einanber liegen. 2ln ben beiben Pfeilern erhebt 
fich bie ©rüde 118 fffuß über $joehwaffer, in ber 
Mitte beS 1:35 fyitfi. SaS ©emicht ber 

bier ffabel beträgt 6,928,346 Sfmtb, baS beS 
gangen höngenben SpeileS ber Srüde 6740 
Sonnen. 

£>err 3of)tt ©• SRoebling, welcher bie Srüde 
über ben Niagara, fomie bie über ben Chio bei 
Gincinnati unb anbere #ängebrüden erbaut, 
fertigte auch ben Slan für biefe an, befcßäbigte 
ft<h jebodj währenb beS 23aueS fchwer am jyiiß« 
gelenf unb flarb halb barauf an ber Munbfperre. 
©ein in alle Vläne eingemeißter ©oßn, ©afß« 
ington 21. Dtoebling, übernahm fofort bie Cber« 
leitung unb führte ben Sau mit £)ilfe tüchtiger 
3ngeiiieure auch gfücflich aus, obwohl auch er 
feine ©efunbhcit burdj ben 2lufenthalt in ben 
GaiffonS eiugebiißt hotte, unb feit 1871 nicht 
perfönlidj beim Sau erfCßeinen tonnte. 2lußcr« 
bem toftete bieS Siefenroerf etwa 20 Meufchen« 
leben, währenb oiele anbere, hauptfächlidj in ben 
uitgefunben GaiffonS, fich mancherlei fieiben gu« 
gogen. 

Sie Srüde würbe als Srioat« unb ftäbtifcheS 
(9tew Sort unb Srootlpn) Unternehmen begoit« 
nen, aber im 3ofjre 1875 burd) bie ©efeßgebung 
beS Staates 2tem $ort gu einem öffentlichen 
©erfe gemacht, unb auch bom Gongreß für eine 
öffentliche Sßoflflraße ertlärt. Fußgänger paffi« 
ren frei, Gifenbafjn=Soffaqiere bagegen begahlen 
3 GentS per S«fon. 


fte einander iinterrtdjteii. 

ffür $attS «»b §erb non 3* 8. 


iefeS war bie lancafterifche Methobe. 3ofeph 
Sancaftcr entlehnte mahrfcßeinliCh feine 
3bee oon Sr. Seil, welcher fie aus MabvaS 
in 3nbien mitbrochte. ßancafter war ein Gng« 
länber, welcher im 3ofjre 1818 in biefes 2aitb 
tarn, in bem er fich, olS erfolglofer 9)titbewerber 
beS einflußreicheft unb mehrbegiinftigten Sr. Seil 
Dom SehrfaCh gurüdgog. 

Sie Unterrichtsmethobe, welche als bie lau» 



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Per ben Hob aus brr P»lt (djaffen hönnte. 


371 


cafterifc^e begegnet wirb, ijl bie, baß bie Schüler 
angeregt roerben, ficf) untereinanber gu unter» 
rieten. $iefeS mit Erfolß gu t^un, erforbert 
große ©efchiCfliChfeit beS 2ei)rerS. SBßo ober bie» 
j'er Sßlan glücflich burcbßeführt roirb, ertoeift er 
fi<h im Unterricht als unenblid) Dortljeilhaft. 

Sonntagfchullehrer tonnten gur Sbroccbfelunß 
biefe UnterrichtSroeife febr oortheilhaft nnroen» 
ben. Serl'ucfte eS guerft mit einem einfachen 
©egenftaub, ber beinen Schülern befannt ift unb 
burrf) roicberholteS SaChfagen ihnen reiht ge* 
läufig mirb. ©ehe ben ©egenftaub mit beiner 
Slltffe einige Wale burch, bann lege bie Settion 
in ihre eigenen £änbe, bamit fie biefelbe unter 
beiner Sufficbt auf nachftehenbe Weife oor« 
nehmen. 3 um ®eifpiel, ber ©egenftanb märe: 
bie Samen ber Sücber ber Sibel in ihrer Seihen* 
folge. 55aS märe freilich ein fehr einfacher 
©egenftanb. Sber feine Einfachheit ift fein 
£inberniß im Snroenben oerfchiebener Unter* 
richtämethoben, unb groar immer in Ueberein* 
ftimmung mit ber fancafterifchen 3bee. 

3nbem bu bie fieftion mit ben stiitbern einiße 
Wale burchßebft, ift guerft öon Wicßtigfeit, baß 
ihnen bie tarnen ber Sucher ber heiligen Schrift 
recht ßeläufiß merben; groeitenS, baß fte irßenb 
ein Such, roelcheS genannt mirb, leicht unb fChnell 
finben fönnen. „®eorg," faße bu, „mo fleht baS 
Such 3ubä ? 3fm alten ober im neuen iefta* 
ment?" SEDir nehmen an, ©eorß miffe eS nicht; 
unb bu faßft gu ihm: „9lun benn, ©eorß, jielle 
bu biefelbe [frage an irßenb einen ber anbeten 
Slnaben." rt biefem Sugenblid mirft bu mahr» 
nehmen, mie ftch neues 3fntereffe in ber gangen 
SHaffe reßt. lieber benft, bie [frage möchte an 
ihn gerichtet merben. ©eorß ftcflt bie [frage an 
Wilhelm, melcher antmortet: „3nt neuen 2tefta= 
ment." „3ft baS richtig, 3ofeph ?" fprichft bn. 
3ofeph antmortet oielleicht mit etroaS 3ögerit: 
„3a!" „3ft roaS richtiß, 3 p febh?" fprichft bu 
freunblidj. „Wilhelms Sutroort," entßeßiiet 3o= 
feph mit Sicherheit. „Wie lautet Wilhelms 
Sntroort, ©eorß?" ©eorß antmortet: „3nt 
neuen SLeftament." „9luf roeiche [frage hot Wil* 
heim biefe Sntroort gegeben ?" fräßfi bu, inbem 
bu bie Spüler ber Seihe nach anhlidfi. SJeiner 
in ber Sflaffe roeiß, toer Don ihnen aufßeforbert 
roirb, biefe [frage gu beantmorten, unb baburch 
mirb bie Sufmerffamfeit aller angeregt. „SJarl, 
antroorte," faßft bu enblich. Starl antmortet. 
,,©ut. Sun (teile bu eine anbere 3tafle, Start. 
Sber nenne feinen, ber bie fyrage beantmorten 
foQ, bis bu fie ßeftellt haft. Unb ihr Stnoben 
alle, befinne jeber ftch auf eine [frage, bie er 
ftellen mag, roenn bie Seihe an ihn fomrnt. 
Seib bereit, menn bie Seihe an euch fomrnt. 
derjenige, roeldjen Sfarl aufforbert, gu antmor* 
ten, maß ber Säcbfte fein, eine [frage gu [teilen, 
menn er bie an ihn ßefteüte [frage richtig beant« 


roortet. Seantmortet er bie [frage nicht, fo mag 
er einen anbern nennen." 

3eßt hat Start eine [frage bereit. „Üllbert," 
fängt et an. „Sein, nein," fällft bu ein, „ftefle 
bie [frage guerft. Unb nun richte beitte [frage 
an irgenb einen anberen, meil bu Slbert auf» 
merffam machteft, unb baburCb ben anbern fo 
Diel mie ßefagt, fie brauchen nicht aufmerffam gu 
fein." „Welches Such fomrnt guerft, ftiob ober 
bie Sfalmen ?" fraßt Slarl, unb in feinem 
SCharffinn forbert er gang unerroartet Slbert 
auf, bie [fräße gu beantmorten, meil biefer nun 
ber Eingige ift, ber nicht erroartet, aufßerufen gu 
merben. Säcftelnb miQigft bu ein. Slbert ant« 
roortet unb fteQt eine ähnliche [frage an einen 
anbern. Wenn bu beiner Sache geroiß,bift, fo 
mögen bie Stinber auch an bi<h [fraßen ftellen. 
Slfo mirb baS 3*rtereffe an ber Uebung Der* 
mehrt, roetche, menn ber Sehret einen 3rrthum 
machen follte, nicht menißer intereffant fein mirb. 
Wachft bu aber einen 3rrthutn, fo geftehe es 
offen ein. Wache aber nicht gu Diele 3rrthümer. 
©inb beine Schüler noch gang jung, fo magft 
bu hie unb ba abftCßtliCb einen3rrthum machen.. 

Ermuthifle beine Schüler hie unb ba, baß einer 
beS anbern Sufmerffamleit anrege, inbem fie 
nach obigem Seifpiel über irgenb eine Sntroort 
eine Seihe Don fragen an einanber richten. 
SBechfele je nach Sebürfniß beine Unterrichts* 
mettjoben. 2>aS_ nur ift ein rechter Unterricht, 
ber baS 3ntere||e beftänbig mecft unb machhält. 
®aher laß beine Schüler häufig einen ben anbe» 
ren unterrichten. 


Hier Den fob aus Der Hielt 
fdj affen honnte! 

or 700 3ahren Hopfte an baS Eiftergienfer» 
flofter Soccum eines UageS ein 3üngling 
auS fönigliChem ©efdjlecbt unb begehrte 
Einlaß. Walbemar mar fein Same; er mär ber 
Sohn beS SfönigS Don 2)änemarf. Wie eS ba* 
malS ritterliche Srt mar, hatte er bie 2anbe auf 
Sbenteuer burcftgogen, manches Sturmer mit« 
ßemacht, manchem Sanfett beigeroohnt unb im 
Kriege feine Ehre gefacht. Er hatte auch in bem 
gangen roeltlichen Spiel fein ©enttße unb feine 
(freube ßefunben. 9lbet plößliCh fam es ihm in 
ben Sinn, roaS benn aus ihm merben falle, 
menn er hi« auS biefer Welt in bie Emigfeit • 
hinein miiffe. ®amalS faßte ihm niemaitb baS 
einfache Eoangelium, roie eS St. SanluS bem 
SEerfermeifter, mie eS unfere SJircfje ben armen, 
betrübten bergen guruft: ©laube an ben 
•Öerrn 3«fumEhtiftum, fo mirft bu 
f e 1 i g. Sielmehr fchien ihm nach ben ©ebanfen 



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372 


IBanim fällten kirdjtidje Jfijceen errietet rnerben? 


ber bamaligen 3t‘\i lein anberer 2öeg sur Selig* 
feit su bleiben, alg bafe er ber 9öelt entfache, in 
ein Klofier gehe, bort in 2lnbact)t, ffiachert, 2lr* 
beiten nnb Saften lebe unb alfo feine Seele t)er= 
fovge. So !am er benn alg ®ittenber an bie 
Kloftevpforte su Soccum. ßr fanbßinlafe, legte 
fein Ütitter^eroanb ab nnb bie Kleibung ber 
ftlofterbriiber an, ergriff Schaufel unb Kelle, 
um arbeiten su helfen unb füllte fid) toidi^ in 
alle Siegeln unb Orbuungcn beg £>aufeg. — Sa 
hielt eine» Sageg ein Srofe Leiter bor bem 
Ktoftertlmr. 2Ug man fragte, mer ber fei, ber 
ßinlaß begehrte, mar bieSlntmort: „Ser König 
Don Sänemarf begehrt feinen Sohn suriid unb 
berlangt, eingelaffen su rnerben." Sie ßrroibe* 
rung lautete: „ßinlaß fann ber König nicht fin= 
beu, unb ben Brtiber Sßalbemar bir s'urüdgeben 
ober gar gingen, baß er suritdfehre, fteht nicht 
in unferer ®tad)t. Sa aber bein Sohn noch 
nicht bag binbenbe ©eliibbe gethan hat, ift er 
frei; ejc fann su bir bor bag Klofter fomuten 
unb mit bir reben." äSalbetnar erfchien unb trat 
bem Könige, feinem 93ater gegenüber. Ser 
Sönig bat ihn: „Utein Sohn, Deriaß bie 9Jiauern 
beg Klofterg, sieh’ mit mir, ich bespreche bir in 
meinem 9teid)e alte ßpre nnb ,£>errlichfeit." 2Bal* 
bcmar aber antmortete: „Sag fann id) nicht." 
Ser 2>ater brang in ihn: „Komm, folge mir, 
Dertaufche ben Ort ber ßinfantfeit mit beu (Bittern* 
ber ßrbe!" Sa ermiberte ber Sohn: „Sater, id) 
mifl mit bir sieben, menn bu aug beinern fJteidje 
Säuemarf e i n e § megfthaffen fannft, mag mich 
fdjredt." „3$ »UI es thun," fprach ber König, 


„fo ich eg fann*." „SBoljlan," ermiberte SBalbe* 
mar, „f amt ft bu ben Sob -megfd)affen 
aug beinern ateidje Sänemarf, fo roill id) mit bir 
Sieben !" Ser König rief boH Schmers: „Sag 
fann i$ nicht." „So siehe i<h nicht mit," er* 
miberte ber Sohn; „benn fo lange ber Sob in 
ber 2Belt herrfcht, fann ich nn ber 335elt feine 
2uft höben, ober meitn ich fie genoffen hatte, 
folgte ein emig Sterben." — Sa sog ber König 
ab, unb Söaibemar blieb im Klofier, betete, ar* 
beitete, faftete, fitchte feine Seligfeit su fdjaffen, 
fo gut er eg berftanb, unb hoi nod) ein 3ahr 
ober mehr im Klafter gebient. Sa crfdhoüei#im 
Kreusgange bie bekannten £)antmerfd)läge an bie 
bort aufgeftellten Sretter, bag 3eid)en, baß ein 
33ruber im Sterben liege. Sille Öriiber eilten 
S\i ber 3eße beg öruberg SBalbemar. Sein 
lepteg Stiinblein mar gefommen. Unb ber ßpor 
ber SRönche ftimmte benöl.spfalm au: @ott fei 
mir gitäbig! Unter bem Klange biefeg Sufe* 
pfalmeg mit ber ^erheifeung: „Su eutfünbigft 
ntid) mit $fop v entfchlief er. 

3a, mer ben 2ob aug ber 2Belt fchaffen fönnte! 
Sann mären bie flug, bie ihr Sehen genießen 
unb ben Siecher ber Suft big auf ben ©runb aug* 
foften. 5Kun aber ber Sob meber aug bem Steife 
Sänemarf, nod) fonft aug einem Steife Ijinmeg* 
jufdjaffen ift, fo thun bie red)t, rnelche smar nid^t 
mie ber Königgfopu im Klofter, aber in recht* 
fchaffener SMijse unb im ©lauöen an 3efuin 
©hnflHm ben Slitferftanbenen, meiner bem 
Sobe bie 3)?ad)t genommen, SRuhe fmhen für 
ihre Seelen. 




Parum fällten mir in nuferen (Bemetirikn Itirdjltdje ftjeeeu errieten? 

3tir #att8 nnb §trb tum Sr* ftoW* 


3[|ie crfte ffrage wäre: ÜEßaS ift ein 8t) = 
ceum? ®er 9tome flammt aus bem 
' ©riechifchen, unb gmar oon ben be. 
becften ©iingen in ber 5tä^e beS Stempels 8t). 
teioS, in benen 9lriftoteteS einft teerte. 9Jtan 
fann irgenb eine &ochf<hute alfo nennen, befon. 
berS ober ein ©hmnafiutn. ®aS „tirdjlidje £p= 
ceum" ift biejenifle 6inri(^tung in einer ©e= 
meiitbe, worin juuflen ^ßerfonen, bie ber €>d)ule 
entwarfen finb, ©elepenbeit peboten wirb, in 
ben üeifrfjiebenert ©ebieten beS SBiffeuS ficb fort, 
jubilben unb fotc^e Äenntniffe ju erwerben, bie 
fie webet in ber Sonntaiifi^ute no(^ in ber $re= 
biflt erlangen, unb oucf) ohne ?lnleitunfl fi^ ni(^t 
feibft erwerben tonnen. 

@S ift baper auf ©eite 162 unferer Äirdjen. 
orbnung ben Sßorft. lelteften jur ^Sftid)t ge. 
macht, bie ©rjiebungSfatbe in ben einjetnen 


Äirdben bor bie bierte SSiertetjaljrS.ßonferens ju 
bringen, unb befagte ©onferenj foü ein ©omite 
ernennen, beffen l'orfipenber ber 9ltifficf)t§.^rc. 
biger ift; unb biefeS ©omite foü, wo immer 
möglich, ein fird)licbeS Cpceum für fiterarifcbe 
Uebungen errichten, boS zugleich ©etegenheit gu 
gefeflf^haftticher Unterhaltung barbieten fod. 

S)afe bie Kirche güte ©riinbe für biefe 9ln. 
orbnung hat, biirfen mir ohne Weiteres an. 
nehmen. $iefe ©rünbe genauer ju unterfuchen, 
unb fie befonberS unfern jungen Seuten an. 
fchaulid) gu machen, foB bie Aufgabe biefeS 9luf. 
fapeS fein. 

©in fotdjeS ßpceum in ben ©emeinben foB 
nicht bie eigentlichen ßochfch'iien entbehrlich 
machen, foitbetn bielmehr begabte junge 8eute 
für nufere ©oBegiett borbereiten. @S foBen ba. 
butd) bie in ber ©emeinbe fchlummernbeit ©oben 


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Parum folitra hirdilidjt ft)ceen errid)tet werben? 


373 


ge tue dt, unb folgen ©erfotien, bie entweber 
nicht bie bittet ober aud) nicht ben ©eruf haben, 
eine .£wd)fd>ule gu befucßen, gu ber wünfdjenS« 
wertßen 9luSbilbung Derbolfen werben. 2öir 
oerfucben baßer bie folgenben brei ©ebanten 
weiter auSgufüfjren, unb geigen: 

1) Daß in einem fircpcben 2ßceum Jüng« 
linge unb Jungfrauen angeleitet werben foflen, 
bie fcßöne, föftIie Jugenbgeit weis» 
licß gu »üben unb auS'gufaufen. 

2) Daß burch ein foldjeS 2hceunt ber gange 
©teufd), nad) 2eib unb ©eele gebil« 
bet unb cu(tibirt werben fann. 

3) Daß au« bemfelbigen fonfi noch diel ©egen 
unb Witwen entfpringt für ©emeinben, ©onntag« 
fdjulen unb einzelne ©erfonett. 

Die Jugenbgeit — ober baS Jünglingsalter 
— ift bie wichtigfte Jeit beS 2ebenS. @S ift ber 
2ebenSfrübling, bie ©aatgeit für 
b i e f e §, unb meiftenS bie © n t f <h e i b u n g S« 
jeit für baS ewige 2eben. Unb, o wie 
fcßnell eilt biefe 3eit biibin unb lehrt nie wieber! 
„3öie ©olb ift beine ffrüßlingSgeit, brum lerne 
SBeisßeit taufen!" Jn biefer 3eit werben bie 
ffreunbe unb ©efeflfchaften gewählt, beren ©in« 
fluß und entwebcr gum ©egen ober gum fflud) 
wirb. Jeßt wirb ber ©harafter gebilbet unb 
werben bie ©emohnljeiten angenommen, bie 
unfere lieben jungen fjreunbe entwebcr gu niiß« 
lirften ober fd>äblid)cn ©titgliebern ber menfth» 
ließen ©efelifcbuft machen. 

^oben fie eine d)riftlid)e fjeimatlj, werben fie 
oon ©ater unb ©tutter, bon ©rübern unb 
©djweftern geliebt, geleitet tmb auf betenbem 
ftergen getragen, bann wirb für fie baS 2t)ceurn 
Dielleicßt nicht fo wichtig fein, als für biejenigen, 
welche biefeS f)ertlid)e ©orrecßt entbehren. 3lber 
wie oiele Jünglinge unb Jungfrauen giebt es 
in ben größeren ©täbten, bie feinen chriftliehen 
tfremtb, feine ©eimatf» unb feinen treuen 5Ratb= 
geber haben ? ©efellfdjoft wollen fie haben, ©e= 
feüfchaft werben fie finben. ©ieten wir fie ihnen 
nicht in ber Stirdje, fo bietet fte ihnen bie ffielt 
gang gewiß. Die ©aloonS, ©pielljäufer unb 
Dheater finb weit geöffnet — ©onntagS unb 
SBerftagS — bis tief in bie ©acht hinein, ©on 
biefer ©eite wirb SllleS aufgeboten, bie Jugenb 
anguloden. Dreffenb fapft baßer ber Dichter: 
„£>iet ruft bie SBelt: ffomm, ßiet iffS gut, auf 
lauter 2uft gu geß’n! Ja, folge nur, fbricht 
ffleifcb unb ©lut, es wirb bir wohl ergeh’n." 
2ßas finb aber bie folgen ? „Dräume, ©d)äume, 
©tich’ im bergen, ftöllenfdjmergen, ew’geS Ouä« 
len, ift bie 2uft betrog’ner Seelen." 

DaS firchlicbe 2t)ceum bietet jungen 2euten 
gute ©efellf^aft, — angießenbe — 
Äobf unb £e*rg befdjöftigenbe 9tr» 
beit für ihre freien ©tunben. Da. 
burch wirb ihnen bie rohe ©efedfdjaft ber Sßelt 


entbehrlich, unb bie bergänglidjen ©rgößlidjfeiten 
; ber ©ünbe guwiber. ©S ift in jebein ntenfch» 
liehen bergen eine garte ©aite, bie nur berührt 
gu werben braucht; unb in febem jungen bergen 
finbet fich ein ©erlangen nach ©lüd, nad) etwas 
©efferent; aber biefem ©erlangen muß burd) 
J Teilnahme entgegengefommen werben. Die 
$irdje ©hrifti ift berufen, biefeS gu thun. ©}ie 
jener Silbhauer in einem ©tarmorblod einen 
6 n g e l fab, ben ber Zünftler auch Wirtlich 1)«= 
borbrachte; fo fotlten bie ©ßrifteu in ben fie um« 
gebenben Jünglingen unb Jungfrauen ©ngel 
fehen, bie fie burch ihre Scinübung, unter bem 
©eiftanbe beS hl- ©eifteS, ber SBelt unb bem 
©atan entreißen. 

3Iuch mag burch bie gefunbe unb mißliche 2i= 
teratur, bie burch baS 2ßceum unter ber Jugenb 
tierbreitet wirb, bie leichte unb fdjäbliche fttoman« 
unb ©obetIen=2iteratur Derbrängt, nnb auf bie« 
fern 2Bege aus manchem träunienben ©täbeßen 
eine berftänbige, einfichtSbolle fjrau herangebil« 
bet werben, ßbettfo mag aus manchem jungen 
©denfteher, ber mit leerem ftopf bie ©orüber« 
gehetiben angafft, ein tüdjtiger ©tubent werben, 
ber feine 9lbenbe fünftig mit nüßlid)cn Siicßern 
ober in einer (häßlichen ©efeflfcßüft gubringt. 

@S ift Wirtlid) an ber 3eit, baß Wir ber unS 
anbertrauten Jugenb mehr Slufmerffamfeit 
fchenfen, unb ihr etwas gu benfen geben. Je 
beffer ber ©oben, befto feßlimmer bnS Untraut. 
Darum finb auch bie begabteften ©tenfeßen, wenn 
fie nicht bie rechte ©ahn eingefeßlagen hüben, bie 
fchlimmften in bummen ©treießen. DiefeS hat 
auch ber große ©taatSmann ©iSmard in feinen 
©tubentenjahren tjnnbgreiflid) gegeigt. 3Bie in 
einem fetten ©arten im Jfriißliitg eine mächtige 
Driebtraft ift, fo in ben .fiergen begabter junger 
2eute. Darum, foK baS ©öfe braußen bleiben, 
fo muß baS ©ute hinein, ©treue bie ©aat nüß» 
lieber ©ebanten, großer Jbeen unb ebler ©runb« 
füße hinein, fo wirb baS ©emeine weichen. Die« 
fe« fann oermittelft eines firchlichen 2hceumS 
gefchehen. 

Daß ein folcheS Unternehmen, wenn eS ge* 
beiden fod, Arbeit unb ülusbauer Don betten er» 
forbert, bie eS gu (eiten haben, ift felbftoerftänb« 
lieh- Doch ift eS loljnenbe Slrbeit. Die älteren 
©emeinbeglieber bürfen fie aber nid)t gänglidj 
ber Jugenb überlaffen. Die meifeften, begab« 
i teften unb erfahrenden ©titglifber beiberlei ©e* 

| fchlechtS müffett biefe eble ©ache fräftig unter« 
ftiißen. 3lber bie jungen 2eute müffett. bie weifte 
Arbeit thun, fonft machen fie feine Jortfdjritte; 
j benn „Uebung macht ben ©teifter." 

DaS tirdhli^e 2t)ceum ift für ©tauchen ein 
I ©rfaß ber Cwchfdjule, bie er Umftänbe halber 
i nicht befudjen fann. 

| Durch ben ©ebraudj einer guten, auSgcmähl* 

I ten ©ibliothef fönnen .Qenntniffe erworben unb 


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874 


Parum tollten kirdjlidje fijceen erridjtet werben? 


gefiebert »erben, bie mehr mertb finb, als ©olb 
iinb Silber. 

3)ur<h bie fcpriftlicbe SluSarbeitung non Bor« 
trägen unb Sluffäjjen mirb ber Stpl gebilbet, bie 
Sprache oerebelt unb ber Schreiber geübt, fid) 
furg unb bünbig unb in logifchem 3 ufammen= 
bange auSgubrürfen. 

®uvcb freie Sieben mirb bie Berebtfamfeit ent« 
»idelt, bie Schüchternheit unb Slengftlicbfeit be« 
nommen, bie ^ß^outafie unb baS ©ebdcptnib gur 
Stpätigfeit angeregt, unb bie Seele erwärmt unb 
begeiftert. 

3ii ben Debatten mirb baS Urtbeil ber Stebner 
aefdjärft, bie Selbftbeberrfcpiing gelernt, ber 
feine, f(blagenbe SBip cultioirt unb bie fjunft ge« 
pflegt, aucb bie anbere Seite gebulbig angupören, 
unb erft bann ein Urtbeil abjugeben, wenn man 
beibe Seiten gebärt unb betrachtet pat. 

®ur<b bie ®eflamationen mirb baS ©ebäcpt« 
nib geftärtt, bas paffenbe ber förperlicpcn Be« 
»egungen, bie Sticptigfeit ber Betonung unb bie 
reihe SiuSfpracpe fi<b angeeignet. 

®ie Beantwortung ber aufgeworfenen fragen 
übt ben Scpnrffinn, unb regt gu fcpitellem ünb 
Harem Renten an. 

S)ic ffritif, wenn fie äcpt, linpartbeiifdj unb 
griinblicb ift — fcparf in Begug auf bie Sache, 
trfjouenb in Begug auf bie Berfon — oerebelt 
ben ©efcbmnc! unb förbert bie SluSbilbung aller 
Einlagen. 

3n ben ©efcpäftS=Berfantmlungen lernen bie 
Btitglieber bie ©efcpäftS=C>rbnung unb bie bar« 
lamentarifcpen Siegeln fenneu; lernen Sieben unb 
Schweigen gu rechter 3fit; werben bon Siecht« 
paberei unb ©igeufinn geheilt — ba bie Btajori« 
tät entfcbeibet, welcher fiep ein febeS unbebingt 
311 fügen bat. 

Unb biefe Bortbeile finb bobpelt merthboD für 
uns 2 >eutfcbe, bie wir fonft fo wenig ©elegenbeit 
haben, uns in ber lieben Btutterfpracpe 311 üben; 
bntum foflte in bem ßpceum einer beutfcpen ©e* 
nteinbe unferer Sprache gang befonbere 
Slufmerffamfeit gefchentt werben. 2 ßie freubig 
fodten nufere beutfcp«amerifanifcpen jungen 
Sente fiep in ber fcpönen, reichen, melobifdjen 
Sprache ihrer Gltern üben. 2)iefeS ift um fo 
notbwenbiger, ba bie Weiften in ihrer Wutter« 
fpvacbe eine Diel unDoüfommenere SluSbilbung 
empfangen haben, als in ber englifcben. 

2)ie Bibliotpet mag ebenfomobl englifche als 
beutfche Bücher enthalten, aber gugieid) auch 
gute SBörterbücher, bamit aller Stoff leicht in 
bie beutfche Sprache übertragen werben tann. 
SBelcpe .fnilfe märe biefeS für unfere Sonntag« 
fchulen! 3)enn unfere fünftigen Superintenbeit« 
ten, Beamten unb ßeprer müffen gröRtentbeilS 
aus unfern gegenwärtigen Sonntagfcpitlern foin« 
men. SBo tönnten fie aber leichter bie uotp« 
wenbige Borbereitung empfangen, als in einem 


ßpceum ? 3« Berbinbuug mit bemfelbett föimte 
auch eine beutfche Bbenbfcpule organifirt werben, 
wo Don fähigen tperfonen, für eine angemeffene 
Bergütung, grünblicher ©lententar«Unterricht 
ertbeilt würbe. 

©S ift auch nicht unmaprfcpeinlicb, bab burcp 
biefe ©elegenbeit in manchem Jüngling, ber ben 
Beruf für’S Brebigtamt in feinem Innern fühlt, 
bie fcplumnternbe ©abe geweift Wirb. 2)iefeS 
mürbe bann halb in ber ©emeinbe bemerft wer« 
ben unb fo fönnte et aus bem ßpceum in ein 
©oflegium beförbert unb bort gu einem tüchtigen 
Brebiger oorbereitet werben. 

$ie 3eit ift nabegu oorüber. Wo uns SJeutfcp« 
lanb unfere Brebiger ergiebt. Btänner wie Baft, 
Safobi, Siebhart, ffocp, BauIuS unb ©ebharbt, 
bie in 5)eutf<blanb auSgebilbet, aber in unferer 
ffircpe betehrt — burcp ©otteS ©nabe mit ben 
©aben beS hl- ©eifteS auSgerüftet — auSermählte 
Stüftgeuge mürben, — Werben immer feltener. 
2 öir müffen unfere fünftigen Arbeiter für bie 
uns anoertraute grobe, herrliche Btiffion, nach« 
bem fie ber fjerr oermittelft unferer ffircpe er« 
werft, befebrt unb berufen hat- meiftenS felber 
auSbilben unb Dorbereiten, Wogu wir auch unfere 
Sinftalten haben. 

SBenn wir bie grobe beutfche ©inmanberung 
betrauten, bie in ben Borbmeften pereinftrömt, 
fo erinnern mir uns an bas SBort beS £>errn: 
„$)ie ©rnte ift grob, ber Arbeiter wenige; barum 
bittet ben #errn, bab er Arbeiter in feine ©rnte 
fenbe." 

Söiffen ift Blacht. BlofeS, BauluS, 
ßutper, SBeSlep hätten ohne mijfenfchaftliche 
SluSbilbung nie baS tpun fönnen, was fie tbaten. 
3 m £>inblirf auf bie Bebürfniffe ber ©egen« 
wart finb baber ßpceen in unferen ©emeinben 
notpmenbig. 

Slber nicht nur für Brebiger unb Sonntag« 
fdjularbeiter finb ftenntniffe Don grobem SBertp. 
Sebent ©lieb finb fie Don Buben. 2Bie biel leid)» 
ter tann ein fenntnibreidjer Jüngling unb eine 
gebilbete Jungfrau burcp bie SBelt tommen, als 
bie Unmijfenben! 2Bie biel beffer tann eine wobt« 
unterrichtete Blutter ihre ffinber gum ©uten 
anleiten unb djriftlidj ergiepen, als eine, bie nichts 
gelernt bat! 2Bie biel gröberen unb mopltbätige« 
ren ©influb übt ber gebilbete ©efcpäftSmann 
aus, als ber ungebilbete. 

SlflerbingS tann baS fipceum nur bie ©oben 
auSbilben, nicht geben; benit man bat ben 2ricb« 
ter noch nicht erfunben, womit mau Berftanb in 
einen leeren ffopf eingieben tann. 

Sluch fittlich unb moralifd) wirft ein ßpceum 
beilfam auf feine Btitglieber. Silles Stope, freche 
unb ©emeine mirb hier abgefdjliffen. BüeS rnaS 
lieblich ift, was wahrhaftig,» was ehrbar, roaS 
feufch, waS wopl lautet, wirb genährt, höflich* 
feit, Befdjeibeubeit, Steblicpfeit, Bnftaitb unb 


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Warum füllten bicd|lid|e fpceen errichtet werben? 


375 


SJtäßigfeit wirb gelehrt unb empfohlen. Shicß 
bie Äunft muß boju Reifen, bicfe Berfamm» 
lungen reißt anjießenb ju machen. BefonberS 
wirb ber ©efang gepflegt, moju jo auch hinläng» 
ließ Talente borßanben ftnb. 

Siber auch baS ©efellfcßaftlicße finbet 
in bem fircßlichen Spceum feine Berechtigung. 
3unge Seute beiberlei ©efd)ted^t§ treffen fid^ hier 
in ber ©egettmart non älteren ^erlernen. Sille 
belehren, erbauen unb erheitern fidj gegenfeitig, 
unb bient eins bem aitbern mit feiner befonberen 
©abe. 3n ber ^3oufe, bie gewöhnlich 10 bis 15 
SJtinuten bauert, tonnen Befucßer eingeführt unb 
Betanntfcßaften angefnüpft merben. fjreunb unb 
fjreunb hoben ba ©elegenbeit, ihre ©ebanten 
• auSptaufcßen. Sind) fehe ich feine ©efaßr, roenn 
hier oerroanbte Seelen einen QfreunbfchaftSbunb 
für’S ganje Sehen fd^liefeen, ba ein ftreunb ober 
eine ffreunbin in bem fird)lichen Spceum gefun» 
ben, mahrfcßeinlicß biel beffer unb pbetläffiger 
ift, als bie man auf bem Tanj(boben unb in bem 
Theater finbet. Sin einem folgen 0rt mag man 
toohl fagen: „£>ier ift’S gut fein. Saffet uns 
Jütten bauen!" 

23ie weit man es in einem fircßlicßen Spceum 
in bem Stubium ber 95Mffenfcßaften bringen 
tann, baS hängt größtenteils oon bem Bil» 
bungSgrab ber SJtitglieber ab. Tocß follten bie 
©Wartungen nicht p hoch gefpannt werben. 
SBenn ber herein geheißen foU, bann muß oon 
unten angefangen merben. So muß aud) baS 
geringfte Talent gefdjäßt unb benüßt Werben. 
Tie „3|ungfern=9teben" fodte man mit ber groß» 
len Tßeilnafjme anhören. Bifcßof Simpfon 
fagt: ,,'JBer unten an ber Seiler anfängt p ftei» 
gen, ber fommt oben an; wer aber oben anfängt, 
hört gewöhnlich unten auf." Tiefes ift ber 3fafl[ 
bei Vereinen wie bei einzelnen Berfoneit. 

Unter ben ßauptfäcßlichften Stubien eines Sp= 
ceumS follten fein: Tie fifireßengefeßiehte, bie 
SBeltgefcßicßte, bie ©efeßießte ber 93er. Staaten, 
fomie Biographien berühmter üJtänner unb 
grauen aus Kirche unb Staat. 

Bon ben SBiffenfdjaften follte befonberS SIftro» 
nomie, Botanif unb ©eologie getrieben merben. 

Tie Seelenlehre ift ebenfalls ein wichtiges 
<S>tubium. 

Tie beutfehen ßlaffifcr, hauptfäcßlicß bie Ti<h= 
ter, follten gelefen unb aus ben feßönften Stüden 
UDeflamationen borgetragen werben. 

2lucß biivfen bie 3 e 'tfragen befprochen wer» 
ben; oor 9lllem, was fieß auf Staatsangelegen» 
beiten. Tagfcßulen, $od)fchuIen, itireße, Btoral 
unb Steligion beließt. 

2öer tann cS ermeffen, welch’ weitreidjenber i 
Uiußen einem folgen Unternehmen entfpringen ; 
matt ? 

@S eröffnet ben jungen Bfrionen einen Blicf i 
über baS große ©ebiet beS SEBiffenS, unb ermedt 


in ihnen ein Berlangen, fo biel als möglich ba» 
bon in Befiß p betommen. ©S jeigt ihnen, wie 
fie bie Stunben unb Biinuten, welche fie früher 
berloren unb berfchwenbet haben, mißen tonnen, 
fo baß ihnen bon nun an bie unfruchtbaren SJto» 
mente bes Sehens blühen wie eine Stofe, unb 
bie fouft wüften Tage lieblich erfcheinen wie ein 
Sufigarten. 

©S leitet fie auf bie grünen 9luen ber Boefie 
unb ju ben frifchen Söaffern ber ©rfenntniß 
©otteS, feiner SBeiSßeit, ©üte unb Siebe. 

©S bereichert ihr ©ebäcßtniß mit tjjfactaS aus 
ber ©efeßießte, ben berfchiebenen 9Bifjenfcßaften 
unb ftenntniffen aller Slrt. 

©S giert ihre Sieben mit ben ©racien ber Stße» 
torif, unb macht biefelben gewichtig bnreh bie 
Klarheit ber Sogit. 

©S medt in ihnen einen Turft nach wehr ©r» 
fenntniß, ben fie auch berfueßen p ftillen; unb 
biefer gortfeßritt bon Sicht p Sicht, bon ftlar» 
heit p Klarheit berfchafft ihnen einen ©enuß 
unb ein Bergnügen, bon bem ber Uneingeweihte 
feine Slßnung hat. 2BaS aber bie |)auptfache ift, 
fo mögen biefe Uebungen unb biefeS Stubium 
bie Stufe merben, bon ber fte emporfteigen bon 
ber ©rfenntniß ber Schöpfung p bem Schöpfer, 
unb oon ber Siebe pr 9Biffenfcßaft pr Religion. 
Tenn ächte 9Biffenf<ßaft mar bon jeher eine 93er» 
büubete ber Steiigion. 

Tie ftireße bebatf in unferer 3cit eine befon« 
bere SlnphungSfraft für bie ßeranmaeßfenbe 
^ugcnb, ba bie SBelt alles auf bietet, fie in ihre 
Steße p loden. 93iele unferer früheren Sonn» 
tagfcßiiler finb gegenwärtig in ber SBelt, ober 
fühlen fieß wenigftenS nießt meßr p fpaufe in 
ber ft i r <h e, welche fie boeß non ftinbßeit auf 
gepflegt unb unterrichtet hat. Sie haben feßein« 
bar bergeffen, wie biel fie einer cßriftlicßen ©r« 
jießung unb bem religiöfen Unterricht p ber» 
bauten haben. @S foflte nießt alfo fein. Sie 
follten feinen Blaß auf (Srben lieber haben, als 
bie .ffireße ihrer (filtern unb Seljrer. Sinb B^e» 
biger unb ©emeinben ganj unfdhulbig an biefem 
Uebelftanbe? .f)aben bie älteren ©lieber ber 
ifireße, bie Borfteßer, ©Item unb Seßrer aueß 
bie Borrecßte ber Sfircße immer muß ©ebiißr ge» 
fcßäßt? Reiben fieß aueß unfere jüngeren ®e» 
meinbeglieber gegenfeitig gereift unb angqogen, 
unb bie ffiteße ihrer 9Baßl fo angeneßtn gemacht, 
baß es in 2önßrßeit hieß: „9Bie fein unb lieb» 
li(ß, wenn unter Brübern, wenn unter Scßmeftern 
bie ©intradht woßnt!" ßaben unfere eigenen 
jungen Seute bie jugenblidjen Befucßer ber .(iiretje 
unb Sonntagfcßule auch ftetS freutiblicß auf» 
genommen unb in ißrer ©efeUfcßaft willfommen 
geheißen ? TaS Spceum fofl aueß baju bienen, 
baß junge Seute. bie frifcß oon Teutfcßlanb tont» 

I men, einen Crt finben, wo fie mit offenen Sinnen 
empfangen merben. 


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376 


Pit ber gültig non Sdjtoebrn beftrgt mürbe. 


O ©eliebte, roehn eS unS auch nic^t möglich 
tft, baS Berfäumte nacbguholen, unb baS, roaS 
roir oerborben buben, roieber gut gu machen, fo 
fönnen roir bocb ein neues ©latt in unferer 
SebenSgefd)iihte beginnen, unb non nun an 
treuer fein, als guoor. Soll biefeS gefcheljen ? 
Der {»err gebe ©nabe bagu! 

'Die älteren ©titglieber eines folcben St)ceuinS 
foflteu ihre gange Seele in biefer Sache haben, 
unb brunftige Siebe gu bet theuren Sugenb in 
ihren .jjergen emfjfinben. SebeS ©titglieb muff, 
roeitn baS Shceum erfolgreich fein fofl, wenn 
immer möglich, auf beut ©often fein, unb b i e 
©l t b e i t liefern, für bie eS ©aben unb Dalent 
hat. 

Diefe Arbeit erforbert, roie jebe anbere im 
Seiche ©otteS, grofje Selbftberläug* 
n u n g. 9Bir tniiffen baher jene herglofe ©lujl* 
rebe Kain’S: „Soll ich meines ©ruberS {>üter 
fein?!" bis bahin oerroeifen — „roo ber©fef* 
fer mach ft." 

©Her thätigeu ©Intljeit nimmt an biefem ebeln 
©Herte, roirb nicht nur felber 3rortfdjritte machen 
in allerlei ©Weisheit, ©rfenntitiß unb Erfahrung, 
fottbern auch manche fonft nie emjjfunbene fjreube 
genießen, unb zugleich ein gutes, ©ott gefälliges 
©Bert thun, inbem er ©Inbere anleitet unb an* 
fpornt, höhere SebenSgiele in’S ©luge gu faffen 
uttb gu oerfolgeu. 

■Den Sreunbeit ber Sonntagfdjule foflte biefe 
©elegeuheit gang befonberS roiütommen fein, ba 
eS leiber betanut ift, baß biele junge Seute ben 
Schulen entroachfen, unb ftatt fi<h ber Kirche 
angufchließen, in bie ©Belt hineingeratljen, roo 
in roettigen fahren ber in ihr {»erg geftreute 
Samen beS ©Hortes erftieft unb feine fjfrudjt 
bringt für bie (Sroigfeit. ©Beldj ein ©lücf wäre 
eS, wenn für foldjc (Seelen baS Shceum bie ©rüde 
toürt>e in’S Seiet) ©otteS. 

(&o füllten auch chriftlidje ©Item, bie ben ©in* 
fluB auf ihre erroachfenen Söhne faft gang oer* 
ioren haben, eine foiche ©elegenheit roiütommen 
heißen, unb mit allen ihnen gu ©ebote flefjenben 
©tittein unterftiifccn. ©ine fo herrliche ©eiegen* 
heit, roo ber gewaltigen ©nergie beS jugenblidjen 
©emütheS bie geeignete Dljätigfeit angeroiefen, 
ber braufenbe ©eift unferer Jünglinge in bie 
rechte ©ahn geleitet, ihre unbänbigen Seiben* 
fchaften gegiigelt unb ihr noch fchmanfenber 
©haratter befeftigt unb gebitbet roerben fann, 
ift ein bringenbeS ©ebürfuiß unferer 3eit. 

Den größten Sujjen unb Segen tton bem 
St)ceum roerben jebenfaüS beffen thätige ©tit« 
glieber felber haben. ©Iber ba bie Uebuitgen 
öffentlich »orgenommen roerben, unb Sebermann 
bas ©echt hat, benfelben beiguroohnen, fo roirb 
eS auch nach anberen Sichtungen unb in weiteren 
greifen Segen ftiften. Die Kirche roill burdj 
biefe, roie burch alle ihre ©tnftalten miffio* 


niren. ©tanchem roirb hier über bie roichtigften 
fragen ©luffchlujj gegeben, ©tanchem geht ein 
neues Sicht auf in ©egug auf baS unermeßliche 
©ebiet bfS ©HiffenS, unb er roirb angeregt gum 
Renten unb Dörfchen. ©Jtancher roirb in bem 
Shceum einen angenehmen unb genußüollen 
©Ibenb erleben, ber ihm fonft langweilig geroefen 
wäre, ober ben er in einer groeifelljafteu ©efeü* 
fchaft gugebracht hätte. 

©efonberS ift noch gu erwähnen, baß ein fol* 
<heS Shceum gu geroifien feine ©rhibitio» 
iten unb $eftlid)feiten hat, roo beffen ©Jtitglieber 
in ©egug auf ©Hiffenfchaft, ©erebtfamfeit, ®e» 
fang unb ©tufif baS ©efte gu bieten Der)liehen 
roerben; unb eS ift gu hoffen, bafebaburch auch 
bie angegogen roerben, welche immer gerne etwas 
SeueS hören, unb häufig bahin laufen, roo ir* 
genb ein ©hör, eine Sängerin ober ein Seier* 
faften gu hören ift. ©lud) mögen ju feiten fähige 
©ertönen oon anberroärtS berufen roerben, um 
Borträge über wichtige ©egenftänbe- gu halten. 
SDBir foüten ©lüeS in ©eroegung fefcen, um unfere 
Kirchen fo intereffant, nülilidj nub angieheub gu 
machen, als eS nur einen Crt bieffeits beS {»im« 
melS geben fann. ©lüe unfere ©erfammlungen 
foüten ein ©orhof beS Rimmels unb ein Such* 
gefchmad beS ©arabiefeS fein. 

Das 3>el ift ein hohes, ©ebenfen roir aber, 
roie biele eble Kräfte unb ©funbe ber {»err unfe* 
ren ©emeiuben berliehen hat, unb roie biele gute 
©Iningen nur für baS geitlictje unb nicht für baS 
etnige, nur für baS perfönliche unb nicht für baS 
aügemeine ©Bohl angcroenbet werben, fo brängt 
fid) mit ©Jtacht bie fjrage in unferer Seele auf: 
„{»err, rooS roiüft bu, baS ich thun foü ?" ©e* 
trachten roir aber bie grofce Schaar ber un§ an* 
bertrauten fräftigen Säuglinge unb blübenben 
Sitngfrouen, unb überbiideit roir bie fihönen 
Klaffen in unferen herrlichen Sonntagfchulen, 
fo niufe uns bie Seele fchroeüeit, bei- ©tu© 
roachfen unb baS {»erg warm roerben. Schauen 
roir aber and) nach oben gu bem, ber biefe 
theuren Seelen mit feinem ©lute erlauft hat, fo 
faffen roir ©ertrauen, gehen aetroft an bie ©Ir* 
beit mit ber ©itte: O {»err hilf, o {»err, laß 
wohl gelingen! ©tmen. 

* 

--- 

HKe ber Honig tum SdfitJeöm 
befugt würbe. 

gür $ait8 unb #trto non <£. Wagaret. 

t m Sahre 1659 fah eS im Sanbe Da nana rf 
traurig aus. Der ©Hinter war mit unge* 
rooljnter Strenge aufgetreten, unb {»anbei 
unb Bertehr lagen banieber. Die Jpäfen waren 


Digitrzed by— ' 



J8it brr Bönig oon Sdjtoeben befugt mürbe. 


377 


öom Gife öerfperrt unb eine feinbfidje Slrtnee 
berbeerte ba§ Sanb oon Illeer gu Steer. — SctS 
Gis toar an Sänemarf gum Sßerrätber gemor» 
ben. GS batte eine Srücfe gebilbet, fo fidjer unb 
feft, baj? Gart ©uftab, ber König oon ©cbweben, 
feine Srttppen über ben großen Seit führen 
tonnte, beffen fonft fo unruhige unb ftürmifcbe 
fvlntb nun einer ftarren weiften Stäche glich- — 
Sets mar in ber Spat ein fü|neS Süagftücf, unb 
bie Scitgen gitterten bei bent ©ebanfen, toelcb’ 
ein Staun biefer fdjmebifche König fein tniiffe. 
©o unrecht batten fie barin nicht, Garl ©ul'tab 
befafe einen milben, ungeftümen Gljarafter. „Gin 
Sürft foflte beftänbig Krieg führen," batte man 
ihn einmal fagen hören, „benn bamit amüfirt 
er feine Untertbanen, unb jagt feine pfeinbe in 
©chrecten." — Gr hatte Solen berroüftet, mit 
Srennen gefochten unb toar nun in Sänemarf 
eiitgefaüen. 

SBoht hatten bie Sänen ihrem friegerifchen 
UJadjbar gegenüber jeben Slnlafj gum ©treit mit 
peinlicher Sorgfalt bermieben, aber wenn man 
ben Krieg nur um beS Krieges toiüen liebt, fo 
ift eine Ürfnche halb gefunbett. 

„Grft motten mir Sänemarf erobern, unb 
bann bic ©erechtigfeit unferer Sache beroeifen," 
fagte Gart ©uftab, als er feine Gruppen mufterte. 

Sie Fällen oermochten nur geringen SBiber» 
ftanb gu leiften, ihre 3?einbe Waren gu gabtreidj 
unb ein Ort nach bem anbern fiel in bie ©änbe 
ber ©chmeben. 

Sie fteine ©tabt Spföping gehörte gu ben 
lebten, bie erobert tourben. ©elbenmütbig hatte 
fie für ihre fjrei^eit gefochten, mufjte fid) aber 
fdjliejjlich bocb ergeben, unb Gart ©uftab forberte 
eine fchroere ©elbfnntme als Gntfchübigung für 
bie Stühe, welche ihm bie Groberung gefoftet 
hatte. Slber Spföping roar arm, unb gegen» 
toärtig, in Solge ber harten feiten unb ber 93e= 
lagerüng, fomie beS Slnfaufs oon Stunition, 
roelche nun boch nußloS oergeubet mar, noch 
ärmer; — eS tonnte bie auferlegte Gontribution 
nicht gabten. 

„Sonn mufe fie brennen," entfcfpeb ber fcbwe» 
bifdhe Äönig furg. „Unfere Sruppeit foflen fid) 
einige Sage barin einquartiren, unb bann giebf S 
ein S«nbfnfeuet, an bem gang Sänemarf fich 
Wärmen fann." 

Ser nächfte Sag war ein ©onntag. — Sun 
war Gart ©uftab ein (utherifcher Sürft unb ein 
eifriger ©efentter beS GbriftenthumS. ©oft er 
ja auf bem Sljrone beS groben chriftlidjen ©ei» 
ben ©uftab Sbolpfj; fein Sott roar ein religiöfeS 
Sott, unb feit feinem ^Regierungsantritte hatte 
er bie Stolle eines chriftlidjen Königs gefpiett. 
Saß eS eine bloße Stolle toar, betoiefen fein fieben 
unb feine ©anblungen nur gu beutlich. 

Sfn biefem ©onntagmorgen jeboch wohnte er 
mit Dielen feiner Cffigiere in einer ber bänifdjen 


Kirchen bem ©otteSbienfie bei. Gr trug eine ein» 
fache Uniform, welche in feiner Söeife feinen 
hoben Slang offenbarte, unb Stiemanb erfannte 
ihn, als er feinen ©ijj in ber Serfammlung ein» 
nahm. Iber bie Seute mußten, bafe bie an» 
roefenben ffremblinge ©chtoeben waren, unb in 
ber Srauer unb Sroftlofigfeit ihres ©ergenS 
mufften fie in ©emcinfchaft mit ben Stänitern 
bor ©ott fnieen, welche ihnen bitteres Unrecht 
gugefiigt unb ihre Siebften unb Sbeuerften er» 
fchlagen hatten, ©clbft beS ^ßrebigerS ©erg bebte 
bor Gntrüftung bei biefem Slnblitf. Caut er» 
tönten feine berebten SBorte, als er bon ber 
©raufamteit ber Stenfchen gegen einanber rebete, 
bon ber unerfättlidjen ©ier, welche 3?euer unb 
©chroert in ein frieblicheS Sanb gebraut, bon 
ber Slbfdjeulichfeit nußlotcn Slutoergiefeens, unb 
bon ©ewalt unb Staub, bie häufig fogar im 
Samen beS 3?riebenSfürften betübt werben. 

„SBettn ber nächfte ©onntagmorgeu graut," 
fuhr er fort, „wirb unfere ©tabt in Sfcbe liegen, 
unb wir werben bciwatblofe SBanbercr auf Gr» 
ben fein. 916er beffer fo! Seffer oerarmt unb 
frierenb unb hungrig, als in Stuhm unb Ucppig» 
feit mit einem foldjen ©ranbmal im ©ewigen. 
Ser Statut, ben ich auf ber gangen Sielt am 
menigften beneibe, ift unfer erb.armuugslofer 
Gröberer." 

Socb weit mehr rebete er, unb battn würben 
feine SBorte fanfter unb fein Sluge ftrahlte boH 
himmlifdhen ÖidjtS, als er gu feiner weinenben 
beerbe bon bem Srofte rebete, ber ihnen auch i<fet 
noch geblieben fei. ©efeblt hätten fie unb feien 
irre gegangen; in ben Sagen beS ©liicfS hätten 
fie ihres ©otteS bergeffen, unb jeßt fei biefe barte 
Prüfung gefontmen, fiegtt ihm gurüefgubringen; 
biefe ferneren Seibett feien bon bem gefanbt, ber 
fich wie ein 33ater über feine Kinber erbarmet. 

fieifeS ©chluchgen tönte burch bie Kirche, als 
bie ©rebigt gu Gilbe war, bann berttahnt man 
baS ©eräufch bieler f?ufetritte, bagwiicheit ein 
leifeS Klirren bon ©taljl, unb bie Serfammlung 
ging attSeinanber. 

Such ber ©rebiger eilte nach ©aufe, unb troß 
alles beffen, was er gerebet hotte, war fein eige» 
neS ©erg büfter unb traurig. Stit einem fchwe» 
ren ©eufger warf .er fich in feinen weiten leber» 
nen ©orgenjitthl, roäbrettb bie alte Sin f Wärterin, 
bie für feine geringen ©ebiirfniffe forgte, mit 
Siebe unb Sichtung auf ihn bliefte. 

„3P feib übermübet," hob fie an, „ich will 
baS Stittageffen auftragen; hernach tötint 3br 
ruhen, bis gum SlbenbgotteSbienft." 

„SieS ift feine 3’eit gum ©chlafen," er» 
wiberte er, währenb er au baS Glenb bachte, 
welches auf Stpfoping ruhte, unb welches er 
linbern follte, foweit eS feine armen SBorte Der» 
mochten. 

Gin lautes Klopfen an ber Sbüre roeefte ihn 


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378 


JBit lier $ömg non Sdpoeben beftrgt umrbe. 


aus feinem Sinnen. Die alte Söärterin öffnete 
eilig. Sßier fc^roeöifcfje Solbaten ftanben bor ihr. 

„Sagt bem ©aftor SenöuS, bafe ber ifönig 
beute mit ifjm gu Wittag fpeifeit wirb!" 

„Der Jtöitig ?" ftanimelte bie alte grau er« 
f4rocfeu. 

„$u bienen! Der Äönig bon Schweben, — 
unb au4 bon Dänemarf, wenn eS ihm fo ge« 
fallen follte," Derfcßteu bie Solbaten furg. 

Der ©rebiger batte fidj erhoben, unb mar un« 
bemerft näher getreten: „Sagt bem Könige," 
bob er mit rnilber Söürbe an, „bafe mir baS 
©lenb meines ©aterlanbeS ©i4t8 übrig gelaffen 
bat, als eine £>aitboolI ©rbfen unb ein Stücfdjen 
Specf. ©S märe ©ermeffenbeit, ibn mit folcfeer 
Speife gu beroirtben. Das fagt ibnt!" 

©lieber fefete er fid) in feinen Sebnftubl, ber» 
brieflich unb aufgeregt. Gart ©uftab, obwohl 
ein Äönig, fonnte niemals ein roiflfommener 
©aft unter feinem Dacbe fein. Unb benuodb follte 
er ibn bieSmal beroirtben. — ©S Hopfte mieber, 
unb ein Dffigier trat ein, ben ber prebiger beS 
Borgens in ber $irdje unter ben Scbmcben ge« 
fepen batte. ©eroife mar er mit einer ©otf4aft 
bon feinem fjerrti gefommen. 916er er legte ben 
4)clm ab unb lieg fich fcbroeigenb iticber. 

„34 habe ben $önig 6ena4ri4tigt. bafe er 
unmöglich unter meinem geringen Dacbe fpeifen 
faun," begann ber prebiger enblid), mäbrenb er 
feinen ungebetenen ©oft mit unruhigen ©liefen 
betrachtete. 

„Srbfeti unb Spedf, fo lautete, benfe i<b, ber 
XJücbeujettel," oerfefete ber Sdjroebe, „ein gutes 
Wittagejfen. 9lb, ich lebe, ba ift es! Safet uns 
gugreifen, mein fjreunb! 34 bin ber SJönig, — 
ein einfacher Wann, mie 3fer febt, aber hungrig, 
nehmt mein 2öort bafür." 

Sprach» unb gog feinen Stuhl an ben Difcb, 
mäbrenb bem ©rebiger nach ben Siegeln ber £>öf= 
liebfeit nichts onbercS übrig blieb, als feinen 
©aft gu beroirtben. ©rbfen unb Specf unb bar» 
teS, braunes ©rot mürben bem Äönig borgefefet, 
ber es [ich oortrefflidj febmeefen liefe. 

„öeßt ©lieb, fflreiinb," fpraefe ©arl ©uftab, 
„ich bin gefommen, um mit 6u4 über ©nre 
©rebigt bon beute Worgen gu reben. Sefet Gud), 
fage ich unb efet. Wit einem hungrigen Wanne 
läßt fief) fihlecbt bisputiren." 

Konnte nun auch ber ©rebiger nicht effen, fo 
tonnte er boch reben; baS follte ber König halb 
erfahren, Kühn unb uncrfdjrocfen legte er fei« 
nein ©efueber bie Dinge an baS £>erg, roeldje er 
in feiner ©rebigt berührt batte, ©r fragte ihn, 
melchen Slufecn ober ©ortbeil Sdbmeben bon bem 
©raube ©ptöpiugS haben mürbe, einer Stabt, 
bereu alleinige Sdjulb in ©arl ©uftnriS Singen 
ihr Wutb unb ihre Slrmutb fein tönnte. 6r hob 
herbor, bafe bie ©efchichte graufame Siege ber« 
bammt, ben bannbergigen Sieger bagegen mit 


©eifall unb ©bre frönt: er bat ben König, beS 
eblen ©aufeS eingebenf gu fein, bem er ent« 
fproffen, eines &aufeS, als beffen beüften Stern 
man ©uftab Slbolph betraute, ben barmbergigen 
Sieger. So offen unb einöringlicfe rebete er, bafe 
beS Königs halb fpöttifdje, halb neugierige 
Stimmung in Seite unb Scham überging. Die 
©inroenbungen, bie er ma^en mollte, über baS 
KriegSgliicf, über bie ©eute, welche er feinen 
Solbaten berfprodjen batte, erftarben auf feinen 
Sippen. Gr ftarrte SenöuS ein paar Winuten 
mit offenen Slugen an, unb brach bann in ein 
lautes ©elädjter aus. 

„Dänemarf follte @u<h gu feinem Rangier 
machen," fprach er, „3br feib ein DonnerSiobn. 
34 buchte, 34t folltet ©ure erfte ©rebigt roiber» 
rufen, unb jefet habt 3h* mir eine aubere ge« 
halten!" 

„34 habe ©uch geprebigt, Wajeftät," mar bie 
©rmiberung, „aber ©ott allein fanu Glich ein 
milbeS fter’g geben." 

Wit einem leichten Sädjeln unb etlidien halb 
fpöttifchen ©einenungen uerabfdjiiebete fich ber 
Jffönig, unb ber ©rebiger öffnete bie ©ibel, um 
fein ©emütb für ben ©benbgotteSbienft gu faiu» 
mein. 

„34 fürchte, ich bin ein unroürbiger Unecht 
beS grofeen Königs ba broben, roenu mich bie 
©egenmart beS Königs bon Sdjroeöcn fo auf« 
regen fann," feufgte er mieber bei fich felbft. 
„Sehre mich, C>err, beine ©emeiiifchaft immer 
inniger gu fühlen, unb bir gu pertrauen in Slüem, 
roaS ba fommen mag." 

9llS fich an jenem Slbenbe bie trauernbe @e« 
meinbe gum lefeten Wale, mie fie meinten, in 
ber fleinen lutberifchen Kir4e Perfammelt batte, 
mürbe bem ©rebiger ein gufammengefalteteS 
©apier überreicht. ©§ enthielt SiichtS, als bie 
folgenben Söorte: 

„34 befiegte Dänemarf. — SenöuS befiegte 
mich- — fRpföping ift gerettet!" 

4)erginniger Danf ftieg an jenem Stbenbe aus 
bem fleinen Kir4lein gu ©ott empor. — Der 
©rebiger batte als Seftion einen 9lbf4nitt auS 
bem erften Kapitel ber erfieit ©piftei ©aitli an 
bie Gorintljer gewählt, unb feine Stimme git» 
terte, als er bie Söorte laS: 

„Die göttliche S4ma4b<it ift ftärfer, beim 

bie Wenfcben finb.2BaS f4ma4 ift oor 

ber Sßelt, baS bat ©ott erwählet, bafe er gu 
S4ouben ma4e, roaS ftarf ift, auf bafe, roer 
fi4 rühmet, ber rühme fi4 beS £errn!" 



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3u Häuft. 


379 


5« Sauft. 

gfir äatt* ttttto 6ert» tum einer gnngfran. 


(Sin ©ärtner aebt im ©arten, 

2Bo taufenb ©turnen blüb’n; 

Sie aüe treu au märten, 

3ft einsiß {ein ©ernübn. 

Der flönnt et {anften fließen, 

Unb jener ©onnenfcbein; 

Dad nenn’ ich treuem ©fleßen, 

Da muffen fie ßebeib’u. 

3uni ift ber fdjonfte üRonat im ^abt, in ©rächt 
uno föerrlicbfeit traitßt bie aefcbmudte 9?atur, bab 
felbft ein Siebter entjüdt über biefen Stnblid aud= 
tief: 

Die 8ilien unb bie Dulipan, 

'Die feben ficb rnel feböner an, 

Slld ©alomonid ©eibe. 

SBatum bat ber’arobe ©djöfcfer bie Dielen ffl(u= 
men erfebaffen ? £>aoen fie eine uRiffion ? 

©in fleinet flnabe febaute bureb bad ©itter eined 
fdmnen ©artend; bie Dofbter bed föaufed, bie eben 
in bemfelbett auf unb ab ßinß, bemerfte ihn. 

„9Röchteft bu ßerne einiße ©linnen haben ?" 6r 
beiabte ed. ©ie ßinß, unb bolte ibm einen nieb= 
lieben ©traufj. Der flnabe banfte bem SRäbdjen, 
unb eitte batoon. Died mar ber SßenbeDunft in fei¬ 
nem Vcbcn. ©r febämte ficb feiner Stunden, fudjte 
fub ©efcbäftißunß, lernte fleibifl unb mürbe ein nüfe= 
iicbed ©lieb ber menfcbticben ©efellfcbaft. 

9?ad) ©erlauf oon fahren ftanb ein ßutßcfteibeter 
.©err an bemfetbeu ©arteuthor. ©ine Dame am 
9lrm ibred Wannet ßinß im ©arten feieren. Der 
£>err am ©artentbor fraate bie Dame, ob fie ibn 
fenne? ©ie erinnerte ficb nicht, ibn jeaefebeuAU 
haben. Der ©err fraßte fie, ob fie ficb noch erinnere, 
ald fleinet 9Räbcben einem AerlumDten flnaben eine 
©anbooll Blumen ßeßebeu au haben? ©ie bejahte 
ed. 3rner flnabe bin ich, unb bie ©turnen, bie fie 
mir aabeu, unb^bre freunbticbeu 2Borte halfen mir 
bad au merben, mad icb bin. 

?tm 30. 9Rai ift Deforationd^Daß. _ Da merben 
bie ©räber ber Sieben mit ©turnen ßefcbmüdt; acT> 
— ed ßeht mir ba, mie 3utiud Sturm faßt: 

Da finß mein #ers au floDfeu an, 

©o fcbmerAticb unb fo banae; 

©in ©trom oon bittern Dhrätien rann 
£eib über meine SBanße. 

Der Sieben bab’ ich ftilt ßebaebt, 

Die ßrüne öüßel beden, 

Unb bie ber Sem mit feiner 9Racbt 
fRicbt !ann Dom ©ddaf ermeden. 

ttitfrr $efttd). ©or beinahe Amölf fahren ent= 
fStoffen mir und — meinet 9Ranned ©cbmefter unb 
ich — bei einer ftreunbin, metebe etma fieben Weilen 
entfernt mobnte, einen ©efueb au machen; unb mir 
beeilten und, am Dane oor ber äbreife bie nothißen 
< D>crfebrunßen au treuen. 2Bir fochten unb badten, 
t>amit bie Dante, bie mäbreub nuferer Stbmefenbeit 
frie ©audbattunß führte, nicht oiel su beforßen hätte. 


Drei flitiber mollten mir au ©aufe (affen, unb nur 
bad fteine, anbertbatb 3abre alte Sabn mit und 
nehmen, fid mar ein beiher Slußufttaß, aber mir 
maren nicht lanafam; um acht Uhr mar bad &aud 
in Orbuuuß unb mir bereit, bie SReife an au treten. 
Untere ^ferbe maren jeboeb meßen ber ßrofeen §ifee 
in feiner fiite, fo bab cd Aebn Uhr mürbe, ehe mir 
bei nuferer efreuubin eintvafen. ©ie unb ihr Wann 
bemillfommuetcu und berat ich. 

„fRicharb," faßte unjere Sreunbin ©ufanna au 
ihrem Wann, „miltft bu fo ßut fein unb etliche Don 
ben beften Kartoffeln audßraben, unb einen ?lrm 
Doll €>oIa baden ?" 

„{Recht ßerne," faßte er unb ßinß. 

„Wein Wann," faßte fie und, „beabfiebtißt nach 
bem ©täbteben au flehen, um einiße ©efebäfte au be= 
forßen, unb ich motlte ibm feine Sieblinßdfoeife — 
S(e^fet=.fUdbe — fodten; fie fiiib jefet beinahe fevtiß, 
fo bab er effen fann; mir effen bann f^äter. 

2Bir maren natürlich Aufrieben; meit aber Küche 
unb ©efucbd=3immer eind maren, fo meeften, mir 
müffen’d ßeftehen, bie frifcbßefodden, bampfenben 
fl tobe unferen Stppetit merfmürbiß. 

Die ©tunbeu flohen fdjnelt babin; ed mürbe ein, 
Amei, brei, ja beinahe vier Uhr. ©in fetted ©ubn 
mar ßefdjiacbtet unb Aiibereitet morben, baau oer= 
fd)iebenertei ©emüfe, ©afteten unb fluchen. ?lber 
— mie huiißriß mar i^! Die Srcunbin batte in ber 
3mifd'emeit bem flinbe etmad flud)en ßeßeben, unb 
ich hätte bie „©rofamtein", melche oon bed flinbed 
Öänbe fielen, mit fteibhuußer oevfchtinßen fönnen. 
ßnblid) mar bad ßffen fevtiß, ber Difcb ßebedt unb 
mir marteten auf bie 3urüdfunft bed ©audherm. 
Unfere ^reunbiu fefete ficb einiße Slttßenblicfe hin. 
Den aaiuen Daß hatte fie baau oermenbet, um und 
Amei grauen eine ©JablAeit au bereiten. Um fünf 
Uhr fam ber Wann nad) $aufe, unb mir fetten 
und, um au effen. 

Um feebd Uhr befanben mir und auf bem &cim= 
meae. 9?och eine ßute ©trede uon au ©aufe hatten 
mir bad 9Rihaefcbicf, bab ber eiferne 9?eif oon einem 
ber Söaßenväber fpvaitß, unb mir nicht meiter fonn= 
ten. Die ©ounc ßinß unter, unb bad flinb mar au 
febmer, um ed au traßon, unb mir fetoft maren fo 
Sehr mübe. 55ir borßten einen leichten 2Baßen unb 
famen eublid) um neun Uhr mohlbehalten Aurüd. 
Der Dante mar ed anßft unb baiiße ßemorben, unb 
fie befürditete mit ben flinbern, bab und auf bem 
©eßc ein Uußlüd Attßcftoben fein müffe. Der ©ater 
mar ahmefenb. Die fl'übe mürben an jenem 9lbenb 
natürlich nidat mehr aemolfen. 9(ld mir ber Dante 
tnn unferm fpäten TOittaßeffen erAäblten, faßte fie, 
bab felbft meine 9lußeu ein bunßrißcd fHuofeben 
hätten. 

Die Sehre, meldfe mir and biefer ©efchubte sieben, 

1 ift biefe: 

2Benn 5Sreunbe und befudjen, labt und mehr bar= 

; auf fehen, mie mir ed benfelbcn anßenebm unb 
i behaßlüh mad>en, unb menißerbarauf, miemirßrob 
I erfdjeincu. 


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380 


SonntagfdiuUfektionen. 


Katarrh, Srfältuna im Kopf unb in bcr 9?afe, 
tann im $nfanß3 = ©tabium fehr flemübert unb 
öfter burdj folflenbeS einfache bittet »oöfommen 
qchctlt werben: iDiau nimmt einen Sheelöffel »otl 
Kochfals, tbut cS in ein ©laS lauwarmen ©afferS, 
fließt etwas ba»on in bie ©anb unb siebt eS burdj 
bte Pafe in ben Kopf hinein; man fährt bamit fort, 
bis ber Inhalt beS ©lafeS aufflebraudjt ift. ®ie 
Perfc&leimunß ber 9?afenhohlen unb Suftröhren wirb 
alSbalb flemilbert. $f?ait wieberholt biefeS einfache 
Mittel läßlich breimal: 9Korflen8 nach bem 3luf= 
fteheiir 3)cittafl§ unb JlbenbS »or bem Schlafen^ 
flehen. 9lben»S reihe man fid) bie SRafe mit uns 
flefaljcner Putter, ©änfefett ober ©chmals ein. ©at 
man fid) ftarf erteiltet, fo fann man noch ein heißet 
gußbab bam nehmen. CDiefeS 9tesept ftammt »on 
einem erfahrenen 9lrst, unb hat Won ^Manchen fle= 
helfen. 

gemottete. 3Wan nehme eine Sitrone (Lemon) 
unb reibe bie 9lußenfeite ber©chale (nur baS©elbe, 
baS ©eiße bcr ©d)ale ift bitter), unb bann brüefe 
man ben ©aft in eine Saffe. darnach nimmt man 
eine ßroße halbe SLaffe weihen 3uder, einen Sßlöffel 
ßcfiebtcS iDtebl, baS ©elbe oon einem Gi, einen Shee= 
loffel »oll Putter unb fed)S Sßlöffel »oll fuße 2Bilch, 
rühre eS flut burdwnanber unb fliehe eS in einen 
mit Seift beleflten Heller (Pie crust); man bade ben 
pte in einem siemlicb heißen Ofen. £)ann nehme 
man ba$ ©eiße bom Gi unb eine halbe Saffe pul= 
berifirten i^der, »erflopfe eS flut burcheinanber bi$ 
eS recht letdjt wirb, ftreiche eS mit einem bünnen 
SKeffer über ben Pie unb ftelle ihn bann eine 9Bi= 
nute in ben Ofen. $ft baS geuer su heiß, fo läßt 
man ben Sadofen offen fteßen. (®ie$ nennt man 

frosting.) 

Hubeln. 3Ban nehme 4 Sier, 4 Sßlöffel »oll fuße 
3flil<h unb flefiebteS üWehl flenufl, um einen fteifen 
Seiß gu machen. 3)?an thue Sier unb ÜRilch su* 
fammen in eine ©cbüffel, rühre baS ÜBehl nach unb 
nach hinein, lese ben Seiaauf einen mit 9Rehl be= 
ftreuten Sifd) ober auf ein 9?ubelbrett, unb »erarbeite 
ben Seift flehbriß mit ber ©alse, währenb man be= 


ftänbiflSKehl unterftreut. 3e länfler unb fteifer ber 
Seift »erarbeitet wirb, befto beffer werben bie Rubeln, 
^achbem ber Seift bünn (jenufl gerollt ift, fchneibe 
man ihn in fdjmale ©tretfen unb hänge biefelben 
am Ofen ober in ber Sonne sum Sroaiten auf. 
PiS man baS lefete ©tiid auSßerolU hat, ift ba$ 
erfte bereite troden flenitß. S)ann beftreue man 
baffelbe nochmals mitSBehl, rolle eSsufamnien unb 
fchneibe eS mit einem bünnen Keffer in SRubcln »on 
ber ßewünfdjten geinheit. ®iefe Rubeln föunen 
foftleich flefoeßt werben, ober man fann fie trodnen 
unb für fpäteren ©ebtauch auf bewahren, ©ill man 
bie Slubeln nicht sur Suppe ßebrauchen, fo foche 
man biefelben eine halbe ©tunbe in ©affer, bem ein 
wenia ©als sugefefet ift unb fdjütte bann baS ©affer 
ab. xiefet fließe man wieber fodjenbeS ©affer bar= 
über, unb nad)bem aud) biefeS abaefloffen ift, ftelle 
man bie Rubeln einen Shtßenblia auf ben Ofen, 
©enn man fie bann in einer Pfanne mit etwas 
Butter badt unb mit flcfocbten 3u»etfchen unb 
Kalbsbraten auftifdjt, fo hat man ein herrliches 
Gffen. ^ 

^Toofieö. lJSaffe weißen 3«der, 1 Saffe Sutter, 
1 Si, 1 Sheelöffel ©aleratuS, ein wenifl 2)iu3fatnuß, 
i Saffe fü|e 5Kilch unb flefiebteS ®iehl fo»iel alS 
ber Seift halt. Si, 3uder unb ^Butter werben flut 
burcheinanber gerührt, darnach rifhrt man ben 
©aleratuS in bie 3HiW unb fließt bieS in ben Seift. 
3ulefet fefet man bie aeriebene ©uSfatnuß hinsu. 
Unter fortwährenbem Bufeßen »on flefiebtem 3Behl 
»erarbeitet man ben Seia fo lanfle, bis er fteif ses 
miß sum ffluSroüen ift. SHachbem er bann mit einer 
©alse recht bünn auSflerollt ift, ftid)t man mittelft 
einer 5}leihform ober eines Srinf^lafeS fleine ©Äeis 
ben auS. ®iefe leflt man in eine lanfle Pfanne, 
wel(he ein wenia mitSutter ober ©chntals ßefchmiert 
fein muß, unb [teilt fie in einen heißen Öfen; wäh= 
renb fie baden, lept man eine anbere Pfanne »oll, 
unb fo fort biS fein Seia mehr ba ift. Sie müffen 
fchneU baden, bürfen aber nidjt anbrennen. 9Man 
nimmt fie forßfältifl mit einem bünnen SKeffer auS 
ber Pfanne, unb leflt fie sum Slbfühlen auf ein um* 
flebrehteS ÜRehlfieh. 


$onnta0r<t)u( Sektionen. 


©onittafl, 1. 3ufi. Sofua 1,1—9. 

3ofua, 9Rofed S^a^folgcr. 

1. ^laß: 5)aS ©efilbe ÜBoab, fleflenüber »on 
Jericho» öftlich »om ^orban. 

2. 3fit: ^lm ©diluß ber ©anberunß SfraelS 
burd) bie ffiüfte, fürs nad) 3WofeS Sob, etwa 1450 
»or Ghrifti ©eburt. 

3. Harne»» unb SBortrrfförmtß: ^ofua, mit 
feinem nrf»rüitfllid)en tarnen: ©ofua = ©Ufe, ber 
©phn beS 9?un, auS bem Stamme Sphraim, in 
Sflhbten fleboren, bamalS etwa 90 ?fahre alt. ®er 
hebräifche sftame ^ofua heißt: ,,^eho»a ift ©ilfe w 


ober „©eilanb", alfo aansbaffelbe wieber ßrie<hif<he 
5Wame 3ejuS. Sr heißt hier 2HofeS ®tener, 
b. ß. fein ©ehitlfe unb fpäter fein auSbrüdli(h hiesu 
berufener ©teöoertreter in ber Seituna beS SolfS. 

3Reiit Kne^t STOofe, bie böcofte Shre auf 
Srben ift bie, nidjt ein ©err, fonbern »ielmehr ein 
Knecht beS höchften ©enn su fein. Unb aeudj 
über biefen (»or bir lieflenben) 3orban, waS 
ben 3fraeliten »or SMofeS Sob nicht erlaubt war, 
iefet aber war eS 3eit, baß 3ofua in SBofeS ^mt 
eintrete. ®a$ ich ihnen fleaeben, b. h; fchon 
»or 400 fahren burch bie ben Patriarchen fteflebes 
nen ©rheißunßen su fleben »erfproihen unb nun 
audj uürflich einfleräumt habe. Soweit eure 


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$onntagfdjul=ffbtionen, 


381 


gufcfoblen traten, alfo feinen ftufebreit auS= 
genommen, fonbern baS gange 8anb, foweit fie 
eS einuehmen, füllen fie eS auch befifcen. 
2Bie ich 3Äofe gerebet habe. SS werben nun 
bie (3 re tuen angegeben: 3tn Sübeu: bie 
23 ü ft e 3 i n , »gl. 4 äRof. 34,3, alS Scheibewanb 
gegen© Dom; im Serben: ber ßibanon, ben 
man »on bein gegenwärtigen Stanbort 3fa*elS gang 
mit jehen fonnte, baber: „biefer" Libanon; im 
Olten: baS grofje Gaffer ©brat, b. b. ber 
Strom ßuyhrat; im2Beften: baS 2Rittellän = 
bifefte SWeer. ®aS 8anb ber©ethiter, b. b. 
ber 9iad)fommen beS ©etb> beS gweiten SobnS »on 
Sanaan, bie ben gangen inneren ober mittleren SEbeil 
ftaitaanS bewohnten unb baher alS Diepräfentantcn 
aller fananitifeben ©tämrne genannt finb. fWic= 
manb miberftehen, nämlich »on ben iektgen 
Sewohneru. 23 ie id) mit 50?ofe gewefen bin. 
2lud) fchon biejer »erbanftc feine SBciSbeit, feinen 
Sinfluh auf baS 25olf unb feine Uebermacht über 
beffen Seüibe nur ©ott allein, unb ebenfo foll eS 
nun auch bem 3ofua geben. ®aS fianb auS= 
theiUn, in gwölf Sbcilc, nach ber 3abl ber 
Stämme. 3 breit Tätern, b. h- Abraham, 3faaf 
unb 3afob, unb gwar fchon »on l9Mof. 15,18 att. 
81 ad) bem ©efefe, gemeint ift baS gaitge ©efefe 
2MofeS, wie eS in ben »ier lefeten Büchern 2RofeS 
ausführlich gefchrieben ift, baS burch $)fofe, als ben 
Änedit ©otteS, alfo in ©otteS Auftrag uttb fraft 
göttlicher ©ollmadjt, wie allem 25olf, jo and) für 
ben fünftigen Öeiter beffelben, 3ofua, gilt alS un= 
»erbrücblicher ©efehl: auch er barf alfo nidjt nach 
eigenem ©utbünfen hanbeln. ©erabe für ihn war 
namentlich ber bie dürften unb Rührer 3ftaelS au- 
gebenOe Xheil beffelben gang befotiberS widitig. 
2Beber gut Rechten u.f.w., weil baS ©efefe 
felbft ber gerabe richtige 23eg ift. sticht »on bei= 
wem 2Wu ttb fomtnen, b. b. tbeilS um eS ftill gu 
leien, tbeilS um eS laut bem 25olf gu »erfünbigeit 
unb ciugufchärfen. 23irb bir’S gelingen, baS 
©ebeitniiife unb bie ©ebingung alles göttlichen 
SeaeiiS ift ber@ehorfam gegen fein 23ort. 2BeiS = 
Heb haubeln, alfo tikbt »loS ber ©lan, fottbern 
and) bie 2luSführitug wirb reiht werben. 3^ habe 
bir geboten, eben in ben gunädjft »orangehenben 
üBorten. 

4. ÄllgtmtintS: Stuf bie 5 ©ücher 2Rofe folgt 
baS 23ud) 3ofua, fo genannt, weil eS bauptfädjlidj 
»ott ihm banbeit, »ielleicht auch »on ihm felbft ge= 
fdjrieben ift, mit 2luSnahme »on 15,13 —19 unb 
19,40—47, waS erft nach feinem Sobe eintraf (»gl. 
»ichterl, 10—15. 18,1 ff. 27—29) unb £ap. 24, 
wo biefer felbft ergählt ift. Srft hier in biefem Bufafe 
»on freinber ©anb (SamuelS ?) fcefommt auch 3ofua 
ben hediften Shreutitel, ben baS 91. S. rennt: 
„Unecht beS ©enn" (24,29). Sr felbft nennt nur 
ben 3Wofe3 fo, fich felbft aber immer nur „3BofeS 
'X)ieticr ii . ®er © r u n b g e b a n f e beS gangen 
©udieS ift: 3eho»ahS ©olf in 3ebo»abS 8anb. 
3)icfe3 8anb foll gerabe biefem ©olf alS ein 
freies ©nabengefdjenf ber göttlichen Siebe gu Sheil 
werben unb iebem feiner ©lieber baburth »or 9lugen 
treten, wie ©ott allein fein fReidj auf Srben gu 
Staub bringt, unb gu wefdjer großen ©errlichfeit 
fein föniglicheS ©riefter»olf auSerforen fei. 

5. 3ttr @rflärtmg uttb Srbauuug: 

a) 3ofuaS Berufung. ©.Iunb2. Sßerim 


Reiche ©otteS etwaS auSrichten will, mu§ bagu »on 
©ott berufen fein, »or allem innerlich, oft auch bureb 
anberc 2)ienfihen, CebenSfübrungett u. f. w., bann 
aber auch biefem Dhtfe treu uttb toillig folgen, fiel) 
»on ©ott leiten laffen bureb fein ©ewiffett, burch 
©otteS ©eift, burd) baS ftille Singreijeit feiner 
&anb, burih frommer Jtreuiibe Oiatb u.f.w. Sigene 
23ege git gehen, bringt mcift gu feinem guten 3iel 
unb Silbe, niemals wahres ©lüd unb inneren 
fid)eren Trieben, berufen »on ©ott war 3ofua 
fdion 4®of. 27,22 — 34 (lefen!) unb gwar nad) 
l\'ofeS 2Mtte nad) 25. 18 aIS ein 8)?ann, in bem ber 
©eift (©otteS) ift. 2US einen folcbcn bat er fiel) bes 
wiefen fchon imfiampf gegen 2lmalcf (2 SO?of. 17, 
8—16) unb bei ben Ät'unbfchaftcrn (4 2)('of. 14,8. 9). 
2)urdh9)?ofeS©anbauflcgung wirb nun abcr3ofua 
uoä weiter alS befonbere 9luSrüftung für feinen 
fünftigen fcbwicrigen 2.^eruf mitbemfclben ©eift ber 
23eiSheit unb berÄhaft wie9)iofeS felbft auSgerüftet 
(5 9)?of. 34,9), beim wo ©ott »icl »erlangt, ba giebt 
er auch »iel. 3n bem fchönen Bcugnife, baS SOcofeS 
über 3ofua au»fprid)t (5 2)?of. 31, 3—6), geigt fich 
2KofeS neiblofe ®emuth, ber gerne gurüdtritt unb 
3»fua 25lafe mad)t. 

parallelen gwifd)en 2)?ofeS unb 3ofua: 
23ei 23eiben gleicher Brned (Leitung unb Rührung 
bcS 25olfeS), aber »erfebiebene 23cife unb 23crfgeuge: 
2)?ofeS ein Prophet, 3»fua ein ÄtiegSmann; beim 
Bug burch bie 23üfte galt eS heiliges ®ulbeit, beim 
(Eintritt in ftanaau heiliges Sümpfen, ©ott braucht 
»erfAiebene SBcrfgeuge unb wählt fie fich, ergicht 
unb bilbet fie fid) heran nad) freier 23ahl feines 
23illenS unb nach feiner eigenen SBeiShcit: waS fie 
felber babei gu thun haben, ift immer nur StneS: 
treue Snechte unb ©auShälter über ©otteS ©eheim= 
niffe gu fein. So treu bat auch 3»fua ©ott gebient, 
bah in feiner gangen ©cfehkbte fein eingiger 8ebl= 
tritt »on ihm berichtet wirb; baher aud) nur er a 11 = 
ein mit 9)Jofe gewürbigt wirb, ben heiligen ©erg 
Stnai gu befteigen. 

Schon bisher bat 3ofiia fid) alfo alS ein äRaitn 
»on 2)htth, ©laubeit unb Sinficht beioährt, er ift 
feine »ergagte, fchwache 8Jatur, fonbern ein cnt= 
fchloffener ©elb. 9lber, bisher »on 232ofcS mächtig 
getragen unb uuterftüfet, füll er iefet allein bie gange 
fd)were Saft auf fid) nehmen, bie felbft jenem gc= 
waltigen 8){anit manchmal faft gu »iel werben wollte 
(4 2Rof. 11,11 ff.); ba mag fid) wohl aud) in ihm 
einige Baghaftigf eit regen, wie fie aud fpäter 
fidj, g.©. 3»f. 6, geigt; baher ihm auch iDcofeS 

felbft unb nachher baS gange ©olf SRuth ciufpridtt. 
®er befte 2Rutb foinntt ihm aber auS bem feften 
©lauben au ©otteS Breite unb ©erbeihuug. ® iefer 
äroft treibt alle Smrdjt auS, baher fommt eS auch 
bei ihm fo wenig, alS beim 2lpoftcl, gum ©er= 
gageit. 

®iefer äAtc 9J?utb batgurSBurgelbie ® emuth: 
er erfenut neben ber ©röjge feiner Aufgabe bie eigene 
Äleinbeit uub Obnmadit, bie eigene Sd)wad)bcit, 
in ber ©otteS Straft befto herrlicher fidt offenbart 
(2 Sor. 12,9). 2Bie gang anberS bie mciften anbe= 
ren ÄtiegSbelben itub ©eerfübrer, bie ^jleifd) für 
ihren 5lrm halten! 9lber ©ott wiberftehet ben ©of= 
fährtigen, nur ben ©emütbigen giebt er ©nabe unb 
ben 2lufridjtigen läfjt er’S gelingen! 9luch 3ofua 
muh warten, bis ©otteS Stunbe für ihn fduägt, 
er brängt fidj nicht eigenmächtig auf unb »or, fon= 


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382 


$onntagfd)uU£ektionrn. 


bern tritt mir ein in bie ihm fchon nach (Sottet Orb- 
nung bestimmte Stellung nach ©JoieS 2ob. 
^lud) ©otteS Kned)te mühen fterben# feiner ift für 
©ott unentbehrlich, unb reiner unerfeßlicb; er fclbft 
füllt bie dürfen lieber auS, aber nur nach feinem 
31a tb unb JBittcn. 

b) 3ofuaS Aufgabe, $. 3—6, ift eine bop- 
Oelte: Srobcrung unb Pertbeiluitp beS 8anbeS. 
©eibcS marfebmer: bie Kanaaniter, ein Qro§c^ 95olf 
in feiten Stabten, friegerifeb unb mit bem Sanbe 
mohl oertraut (4 ©Jof. 13, 29 ff. 5 ©Jof. 9,1. 2). 
Unb mcnji eS fdmn bei ©ertbeilung Don ein oaar 
liefern SanbeS oft unter Srübern nid)t ohne ©otb 
unb Streit abacht, mie oiel fdnoieriget mar bann 
bie eines flanken CanbeS unter ein gnngeS Polf, baS 
nie jufrieben mar! Unb mm nod) mie oiel mehr bie 
ihm gleichfalls ($. 8) befohlene Stfülluitg unb 9luf= 
red)terbaltung beS ©efeßeS bei biefem ungläu= 
bigen, ungeborfamen unb balSftarrigen SJolfe ooll 
Unbanf! 

2)aS Öcunb felbft gehörte faftifcb allerbingS 
ben Kanaanitern alS beseitigen Söemohncrn, red)t= 
lieb aber 3frael, alS bem 2räger ber Perbeißitng, 
ober oielmebr bem ©ott 3f*aclS, beffeit Sigentbum 
bie gange Srbe ift, unb ber über feinen ©efiß oer= 
füaen fanu unb barf nach unbefdjränfter föniglicber 
©Jachtoollfommcnbcit. Uitbfür3ftael mar gerabe 
biefeS fiaitb baS eingig rechte: irt ber ©Jitte 
gmifdien ©Jorgen- unb 3(benb(anb gelegen unb boch 
gitgleid) faft infclartig abgeichloffen, biente eS gleich 
trefflich ber ^Ibfchließttng beS PolfS oon bem oer* 
berblidjen Umgang mit ben benad)barten heibnifchen 
Nationen (ogl. 3of. 5, 2. 5) unb boch auch bem 
freien 95erfehr nach allen Seiten, fofern eS im ©?it= 
tclounft ber alten SBelt lag, ohne bod), mieg. ffl. 
anbere föauotlänber, mie Sgooten ober Serien, ein 
bloßeS i)urdygugSlanb ober baS unliebere Schlacht* 
felb ber 2Bclteroberer gu fein, 3 n ber ©Jitte ber 
am früheften äoilifirtcn Kitlturoölrer (Sgooter, 93a* 
bolonier unb 9lfforer, fomie ©Jeber unb Werfer, 
Phöuigicr, (Griechen unb 9tömer, fomie ber Araber) 
gelegen, unb mitten unter bie Pölfer gefeßt (föefef. 
5, 5), unb bod) nicht unmittelbar oon ben großen 
©anbclS=, Kriegs* unb PerfebrSftirrßen berührt, ift 
Kanaan gleicbfam eine ffricbcnS^nfcl mitten im 
Pölfcrocean berSBclt, abgcfchloftcn nad) innen, nadj 
außen frei unb offen. JBunberoare 9ßeiShcit ©ot* 
teS in ber JBahl and) febou beS OrteS für iebeS 
93 o l f CJlpoftclgcfd). 17, 26), unb nicht minber auch 
für ieben Singeinen, ben er gerabe babin ftcllte, 
mo er ihn braneben mill, unb mo ber ©Jeitfdj feine 
Kräfte unb ©abeit am beften entfalten unb be* 
mißen fann. 

3n Saopten mar 3frael mm 93otf betangemadjfcn, 
m ber 2Büfte erlogen unb gegüdjtigt, geprüft unb 
geläutert morben, batte am Sinai fein ©efeß unb 
feine Serfaffung erbalten, ießt befommt eS nocbbaS 
ießte, maS ihm gu einer felbftftänbigcn nationalen 
Sjifteng fehlte: ein feinem Sharafter, feiner Stellung 
unb Aufgabe angemeffcneS 8aub; baSSanb fei* 
ner Sä ter, reich an heiligen (Erinnerungen, ©?ab= 
nungen unb 2Barnungen, morauf fic gmar fein 
mcnjcblicbeS Specht batten, ba§ fie aber a(S 
oerheißenen Segen ibreS SrbtbeilS, alS göttliche* 
Scbenfung unb ©nabengabe, um fo höher fdjäfeen 
follten. ®er fflröße biefer ®abe entfpritbt mm 
aber ambbie ber Aufgabe feiner Sroberung unb 


mieberum bcr®röße biefer göttlichen 5orberung 
bie feiner Serbeißung. ®aS oft mieberbolte 
Scrfprecben göttlicher ©ilfe fott ihn tröften, ogl. S. 
5 —6. 7. 9, ebenfo f^äter 6,2. 8,1. 10,8. 11,6; 
benn in ©otteS ©Junbe ftnb baS aüeS nicht bloS 
leere SBorte, fo menig alS bie Serbeißungen, 
bie er unS im ©. J. in noch meit größerem ©iaße 
giebt, j. S. Sbil. 4, 6 (gang ähnlich 3*>h.7, 6) unb 
bie ftcb in ber ©abe bcS heiligen ©eifteS, alS beS 
red)ten 2: r ö ft e r 3 Qob. 14,26) jufammenfaffen. 
3lber and) bei unS ift, mie bei 3ofua ber (Erfolg ge= 
fnüpft an bie (Erfüllung einer Sebingung, 
nämlich ber beS ©laubeuS geborfams. 

c) 3ofuaS 9tichtfchnur, S.7—9, fotlbaS 
„Such bcS ©efcßeS" fein; ©ott oerlangt babei ein 
®reifad)eS oon ihm: Sr fod barüber nachfinnen 
(ogl. Sf. 1, 2. 5 ©Jof. 6, 6—9. $f. 119,9), b. h. 
eS in feinen ©ebanfen, im ©ergen unb ©eioiffen be- 
megen, unb gmar unabläffig; er foll eS bemabren, 
nicht alS einen tobten Schaß, fonbern als eine 
lebenbige Kraft; unb er foll eS befolgen, barnacb 
tbun, inbem er feinen eigenen SBiflen bem SBillen 
©otteS unterorbnet. 

SS foll ebenfo auch bei unS oom ©ören beS SBortS 
um ©orchen (genauen SHufmerfen) unb ©ebord)en 
ommen, nicht bloS SSirfenlaffen auf’S ©efübl unb 
ben Serftanb, nicht bloS eS behalten im ©cbädttniß 
ober ©aebforedjen mitSBorten, fonbern eS herrfdien 
laffen über ben SBillen, in unferem gangen 2bun 
unb Saften# SBerf unb SBanbcl. ®ann mirb auch 
bei unS alles mobl geben, benn mer nach 
©otteS SBort ftch richtet, banbeit meiSlich unb glücf- 
lich, loer feinen eigenen Koof burchfeßt, tböridit unb 
oergeblidj. 9Ber ridjtig manbeln loill, ber untere 
merfe feinen eigenen Serftanb unb 9Bil(en im ©e= 
borfam bem Süort unb SBillen ©otteS, fo hat er 
auch ben Segen feiner ©emeinfdjaft, feines ^riebcnS 
unb feiner ©nabe gu genießen. SS ift, befonberS in 
fd)mierigen Umftänben, ein großer 2roft, gu miffen: 
hier bat mein ©ott mich biugefteflt, unb fo hat er 
mich geheißen gu banbcln; alfo fällt audi bie Ser= 
antmortung nicht auf mich/ fonbern auf ihn, ber 
Srfolg ftebt in feiner ©anb, ich felbft habe nicht auf 
biefeu, fonbern nur auf ©otteS SBort, nicht auf 
meine SBünfche, fonbern nur auf ©otteS SBtllen gu 
feben. ®aS giebt ©Jutb unb Stärfe, nicht in un¬ 
ter er, fonbern in ©otteS Kraft (Sob. 6,10). 

9lud) mir im ©. 2. haben am SBort ©otteS einen 
noch oiel beüeren unb berrlidieren Seitftcrn für all 
unfer2bun, ogl. 2 2im.3,16 ff., gerabe mie mir 
ein noch oiel höheres Biel haben, a(S bloS baS it* 
bifche Kanaan, ogl. ©cbr. 11, 40. 3n bieS bimm- 
lifd)e Kanaan führt aber nur 3efuS als bet 
mabre 3ofua. 

parallelen: ©idjt ©JofeS, ber ©?ann 
beS © e f e fe e S, baS bem Süitber nur Sluch bringt 
(©al. 3,10) unb barum nid)t gur ©uhe führen fann, 
fonbern 3 o f u a, ein ©Jann milb ttnb meich, unb 
boch ein ©elb beS ©laubeuS, ftarf in Krieg unb 
Sieg, leitet 3frael über ben 3orban: nicht ©efeb 
unb ©efeßeSmerf macht fefig, fonbern SiotteS freie 
oolle ©nabe in Shrifto 3*fu, aber nicht ohne 
Kamof gegen innere unb äußere fteinbe. SBie 3efue 
ohne Stmbe mar, fo hat auch oon 3ofua bie Sdmifl 
feinen einzigen Fehltritt gu melben. 3«>fua ift bei 
S o 11 e n b e r oon ©JofeS SBerf (3of. 11,15), aueb 
3efuS bat baS ©efeß oodenbet, nicht bloS felbft 


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Sonntagfd)ui=|ektionfn. 


383 


ooüftdnbig erfüllt, fonbern ihm alS bloS dufteten 
Buchftaben eiitßnbe gemad)t. 3ubeffen war auch 
jene Bollenbuitg burd) 3ofua n o cb feine gang 
o o 11 ft£ n b i g e (ogl. 3of. 17,12. 23,5), baher 
fonnte er auch n o cl) n i ch t bie w a h r e b l e i = 
benbe St u h e unb Stuheftatt fleben (©ebr. 4, 8. 
9). ®iefe bringt nur3duS: er allein fchafft in = 
nere Stube (SJtatth. ll,28), b. b. ^rieben mit 
(Sott (Stöm. 5,1), unb gwar burch baS Sine oöllig 
genügiame Opfer (©ebr. 10, 14); wie Sofua eiig 
Heerführer ift, fo ift audj (Sr ber „©ergog unferer 
©eligfeit" (©ebr. 2, 10), alS Anfänger unb §8oU= 
enber uitfereS ©laubenS. 


Sonntag, 8. 3uli. Sofua 3,5—17. 

$et 2)urd)$ug burdj beit 3orbart. 

1. Seit: Stiua 1450 »ot (Sftrifto; 3 Sage Qoj. 
1,11) tiadj bet ©ejebiebte ber lebte« Ccftion (ußt. 
St a». 3, 2). 

2. «tu*: 9lm Vorbau, in ber Stäbe feiner SKün= 
bunfl iit’S tobte SKeer. 

3. 3ttfammeitftanfl: 9(uf bie ©efchichte ber lebten 
Seftion folflt gunächft 3ofuaS Stnorbnung gum 
Uebergang über ben Sorbait (fiap. 1, 10 — 18), 
namentlich mitBegug auf bie Bcrprooiantirung beS 
BolfS unb bie ©altung ber Stämme Stuben, ©ab 
unb halb SKanaffe (1,12jf.), bie bereits baS Oft* 
jorbanlanb, baS frühere ©ebiet ber Slmoriterfönige 
©ibon unb Ofl au Bafan alS ihr ©tammeSerbe 
empfangen hatten (4 SKof. 34), nun aber bodfaudj 
feem übrigen Bolfe bei Eroberung beS 2Beftiorban= 
lanbeS helfen Sollten (4 SKof. 32,16ff. 5 SKof. 3, 
löff.); fowie baS ©elöbitift beS gangen BolfeS gu 
gleicher Xreue gegen 3*>fua wie gegen SKofeS. fer¬ 
ner, 3of. 2, bie ®efcbitf)te bon ber SluSfenbung unb 
Stettung ber beiben £unbfd)after nach 3eridjo burch 
feie Stahab; unb enblich ber Slufbruch beS BolfeS 
oon ©ittim (3of. 2,1) biS an bie UebergangSftelle 
am tfluft unb Staft bafelbft ($ap.3,1—4) nebft 
beiläufigen Beftimmungen für ben Durdigug. 

4. Hamern uufe 2ßorterf lärung : 3ofua fpradj 
guin Bolf unb lieft ihm feurch bie ©auptleute ($ap. 
1, 10. 2, 2) fagen: ©eiliget euch u. f. n>. theilS 
dufterlich: burch ffiafchungen, Äleiberwechfel k., 
pgl. 1 SKof. 35, 2. 2 SKof. 19,14, theilS unb gang 
befonberS i n n e r l i cb burd) Bubereitung ber ©er= 
gen für bie gu erwartenbe Shat ©otteS, bie auS^ 
brüdlicb alS ein 2B u n b e r angefünbigt wirb, unb 
als foldjeS offenbar baS ©eitenftüd gum SJurchgug 
3fraclS burch baS rothe SKeer (2 SKof. 14, 21 ff.) 
bilfeeu feil, womit bie Berheiftung 1, 5 auSbrüdlid) 
beftdtigt unb erfüllt wirb, unb nicht minber ein Bor= 
Bilb ju 2 Aiönige 2, 8. 3nS SBaffer beS 3or= 
banS. ©ieher einiges ©eographifdje: OerStame 
Sorfeau bebeutet im ©ebräifchen: „®er ©erab= 
flieftenfee" (wie unfer beutfeher „Stbein" oom SBort 
„rinnen"); er ift ber einzige ©auptfluft B«= 
läftinaS, feaher immer ber 3orban genannt. Ur- 
fprung: Slm ©übahhang feeS ßibanon (5 SKof. 
27,3), am Sufte beS groften ©ermon (5 SKof. 3, 9) 
auS mehreren fleinen Ouellbächen. ^auf: feon 
>>torb nach Süfe, etioa 8 SKeilen öftlid) oom ©eftabe 


beS SKittelmeereS unb mit biefent giemlid) parallel, 
guerft burch bie Pom ßihanon auSgehenben ©ebirgS= 
güge, loo er bereits mehrere Buflüffe aufnimmt, bann 
burch bie(Sbeite bis in ben 2J ©tunbeu langen unb 
1 ©tunbe breiten ©ee S)terom (3of. 11, 5. 7), 
oon hier in frdftigem unb fchnellem 8auf gioei 
Bteilen abwärts in ben reigenben, fpicgelflaren, 
etioa 3 9)?eileu langen unb 1 i Steilen breiten 9llpen= 
fee oon ©enegareth (3^f. 12,3. 13, 27), auch 
©ee Liberias ober Äapernaum, ober galiläijdieS 
Steer genannt, wo er feinen ©djlanun abfefet, unb 
bann in ungdhligcnfftümmungen unbSBinbungen 
mit 27 grbfteven unb über 80 fieincren SBaffevfdllen 
gwifdien fteilen, uadten Sdfenwdnben hiuburch mehr 
alS 13 SKeilcn weit fübiodrtS flieftt, wo er eine 
3Äenge gröberer ober fleinerer ©eitenbdebe anf= 
nimmt unb enblich mit grofter ©cfdiioinbigfeit in’S 
tobte SK e e r (©algfee) münbet, beffen Bett 1230 
Ruft unter bem SKeereSfpiegel liegt. ®ie 3orban= 
ebene felbft bilbet ein ©efilfee ober Blachfelb, oft 
mit ®ornen unb filippen, guioeilen aber auA mit 
Bäumen unb ©chilfrohr bejeftt; baS SBaffer ift 
fifchreidi, aber ni<ht fehr falt, baher gum Printen 
nicht fonberlich geeignet# wicioohl es lange aufbe= 
wahrt werben fann unb frifdi bleibt; bie reiftenbe 
Strömung ift füt bie Schifffahrt fehr gefährlich. — 
25aS bie B. 10 genannten eingelueu BolfSftämme 
betrifft, fo waren bie ©ethiter bie ÜKadtfommen 
oon ©eth/ bem gweiten ©ohne £anaanS, unb wohn= 
ten etwa tn ber SKitteoon Boläftina, bie ©eoiter, 
gleichfalls oon ffanaan ftammenb, im Siorbweften, 
bie Bherefiter (beutfeh: Dörfler) burd^’S gange 
8anb gerftreut in fleinen Dörfern ober ©ehöften 
auf bem platten Canbe, bie ©irgafiter wahr= 
fcheinlich im ©üboften oom ©ee ©enegareth; bie 
9lmoriter (Bergoölfer), oon forifdjer Slbfunft, 
gehörten gu ben Urbewohnern BuläftinaS unb hat= 
ten baS gange ©ebiet gwifchen 3abbof unb Slrnou 
inne, würben aber theilweife fchon unter S)2ofcS 
unterworfen, wdhrenb bie 3ebufiter bie©egeub 
um 3erufalem inne hatten unb bis gur (Srobcrung 
unter ©aoib fcfthieltcn (ogl. 2 ©am. 5, 6. 8). 

5. 3«r drflänmfl unb Erbauung: a) ® i c B or= 
Bereitung beS BolfeS (B. 5—7). 9Bo immer 
ber ©en etwaS ©rofteS mit unS oorhat, gilt eS, gu= 
oor fich ihm willig gu weihen unb gu heU 
ligen, bamit ihm fein ©inbernift im Sßegc ftehe. 
©erabe an bem SBunber, baS er bort au 3lrael ge^ 
thau, fonnte unb follte man ein gang befonbereS 
heiliges unb hcrrlidieS 9Balten © o tteS über 3ofu« 
unb bem Bolfe erfennen, baher fold)e 9Bunber= 
thaten fi(h amh gerabe in biefem Buch fo oft wieber= 
holen, ogl. fiap. 2,9. 6,6. 5,13. 10.12ff. Bon 
©eiten 3ofua$ gilt eS BloS, biefen Berheiftungen 
©otteS gu glauben (wie fchon 1,11 geigt), unb 
in biefem ©lauben ©otteS SBeifungen folgen. 
®aS Bolf felber aber foll fich heiligen burch 
©ebete unb Opfer für ben „©eiligen in 3f™el", ber 
fich unter ihm offenbart, beim eS ift fein Bg cr f, 
baS iefet gefchieht, nicht baS ihrige. ®ie Brie ft er, 
alS S?ad)fommen 9laronS, hatten mit ben B. 3 ge- 
nannten fieoiten, nicht bloS bie genannten Opfer 
unb ffiafchungen gu oerrichten, fonbern auch ino= 
befonbere bie heiligen ©eräthe ber ©tiftShütte gu 
beforgen, oornehmlich bie BunbeSlabe mit ben 
©efefteStafeln unb bem ©nabenftuhl ober ©übu- 
bedel, wo 3chooah unter ben (Sherubim in ber 


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384 


$onntagfd)ul=£ektiotifii. 


SBolfe mohnte, bie alfo bie fid)tbare Stätte feiner 
unfkbtbaren Segenmart, foaufagen feinen Shrott 
unter feinem 3>olfe bilbete. Sonft mar bad Sra = 
gen bcifelbeu basScfchäft ber Äiahathiter (42)?of. 
3,31), bicdmal follen bie fßviefter felbft ed thuit, 
31111 t Reichen, bah (Sott ctmad 3Monbered borbat. 

Sehet oor bciu 3>olf her, noch nicht über 
beit ;V'vban felbft, fonbern junacfjft nur bid an 
beufelbeit, aber an ber Spifee bed 3uged. SBenn 
bie 3MtnbeslabeM’td) erhob uub poranaog (49D?of. 10, 
33 ff.), feilte bas übrige 3>olf ihr naritfolgen, tote 
früher ber 93 olfen faule, bte fonft bas ©ccr aitfübrte 
(2IVoj. 13,21 ff.) unb fich, toenn baffclbe ftillftanb, 
auf bie Stiftsl'ütte nictciliefc (2 SVof. 40, 43 ff. 
4 ®of. 9, lüff.), tefet aber feit bem Sin 3 tig tu Ka= 
naan nicht mehr erfebeint, ba ^ifrael jebt biefed 
au Heren Reichend nid)t mehr beburftc. 3mifchcn ber 
Siuubcslabc unb bem Soll mar nad) 3>.4 ein 
^mijehenrauut bon 2000 Ellen, bie Sänge eitted 
toabbathmeged, theild tum Reichen ber Unnahbar^ 
feit Sottes für bad füitbige 9>olf, theild bamit bad 
Isolf beit munberbaren ben Sott ihm fefet 
bahnte, genau anfeheit unb fid) aum SBemuhtfein 
bringen fonnte, mad uninöglidi toar, mettn ed felbft 
bidtt hinter ber 93uitbedlabe einhergcaogeit märe. 

Der ©err fprad) ju ^ofuu, bitrcb inneren 
3ufbruch feiltet Seiftet. Did) gtoh au machen, 
eben meil er felbft feine eigene Ehre nicht fuchte, 
giebt fie ihm Sott befto reichlidter, atigleid) itt ber 
Ülbficht, ihm Otefocft unb Sehorfant bei bem 9Solf 
ju oerfchaffen. So ftehet ftill, fobalb ihregufc 
fbifeen bas JBaffcr bed feine Ufer itbcrfticftcnben 
3orbans betraten, follteit fie ftchen bleiben, bid bad 
gante 9>olf brühen mar, bamit biefed aud feiner 
Entfernung, 9?. 4, gehörig beobachten fonnte, mie 
in biejeut fclben 9litgcnblid badSBaffcr fid) oor ihm 
theile unb ihm freien, trodenen Durchtug geftatte. 

b) Die 35erheihuttg bed ©errtt (9>.7—13). 
Dabei follt ihr nterfen, nämlich eben an 
biejeut JSunber, befielt 3mecf and) hier barin be= 
fteht, bas 9>olf tum Slauben tu bemegen an 
ihren Sott, aId beit (ebenbi^en, gegenüber ben 
tobten Sötten ber Reiben; als biefen Sebettbigen 
3eigt er fid) eben in feinem Shun. 

35or ettd) audtreiben mirb je. 9ln ftfrael 
$eigt Sott feine fegnenbe Süte, an ben ©eiben feine 
ftrafeubc ©credjtigfcit. Schott 5 üMef.7,16 ift aud- 
brüdlich geboten, bah biefe, bereit Sefammtitante 
Kanaaniter ooranftebt, ald 3ufammeitfaffung 
ber übrigen burch bie meiteren Eititelnamen noch 
befonberd beaeichneten Stämme, nicht gefchont mer= 
ben follteit, moran fid) auch 3ofua, Kap. 6, 21, in 
oollcm Sehorfant hält. Dad gefebah nid)t unge- 
rechter unb graufanter 2Beife, fonbern nad) 5 30^of. 
9,4, um ihred gottlofen SBefeitd mitten, bad gerabe 
bei ihnen eine furdttbare ©öhe ber Rohheit unb 
Uitreinigfeit erreichte. Sott aber ift ald ber heilige, 
and) ein eifriger Sott, 5 9D?of. 4,24, unb ein oet= 
aehrenbed Setter, ©ebr. 12,29. Er hatte bad bereite 
begonnene Strafgericht über biefe 95ölfer (1 3Nof. 
lü, 16) in Sangmuth unb Sebulb ttochmald oer= 
feboben, ihnen in Sobomd Untergang ben heiligen 
Ernft feiner Scredttigfeit, burch 9lbrahamd, DlfaafS 
unb 3afobd JBohneit unter ihnen, ben Segen fei¬ 
ner 65cmeinfchaft unb Siebe fo reichlich ptebigen 
laffeit, unb bod) oerfanfen fie immer tiefer in ben 
entartetften, fittenlofeften ©öfeenbienft; iefct fomntt 


bie oolle Strafe: mo geuer unb Sdtmefel oom 
©immel nid)t mehr audreidtett, bebient er fich bed 
Sdnuerted ber geiitbe. 3 frael ift ein SBerfjeug fei¬ 
ner aüchtigenbeit ©anb, mie fchon fo maitdted anbere 
9>olf, ohne ed au miffen; feited aber fott fidt’d be= 
muht merbett, unb baraud lernen, fid) bor Sott 511 
fürchten unb fiel) marneit au laffcn (5 9)?of. 8,19ff.) 

früher hatte Sott bad Sanb ben Kanaanitern 
gegeben, nicht auitt unbebingteu Eigenthum, fonbern 
nur bebiitguitgsmeife aur Sermaltung, fie (mb beffen 
unmürbig gemorbeu, nun bertreibt er fie unb fefet 
Rubere an ihre Stelle, mad in ^eaug auf iettc ein 
5lft göttlidier Scred)tigfeit ift, ift in ^eaitg auf 
3frael ein Plft göttlidterSnabe: Sott hat badüteebt 
bed SJefehld uub fie haben bie Pflicht bed Schor= 
fatttd. BmölfJlßänner, bereu Aufgabe Kap.4, 
1 ff. berichtet mtrb. 

D i e S u h f 0 h l e tt ber ^riefter rnareit itadt, benn 
fie hatten bie SJunbedlabe barfuß au tragen. 91 b- 
reihen, mie ein gaben, b. h. bott unfiditbarer 
©aitb fo attfgehalten merbeit, bah ed mie auf (Gittern 
©aufeti fteheu bleibt, gerabe ald märe ein Damm 
quer über ben glüh geaoqen, an bem fich bie 2‘Sellcn 
aufftaucit, mährenb bad ununterbrochene Slbfliehett 
bed unteren Sßafferd bad Strombett troden legte 
unb einen freien Durchgang lieh. 

c) Der Verlauf bed 3 » 0 ed (9S. 14—17). 
Dieganae3eit ber Ernte, gemeint ift bie 
erfte, früheftc (Scrfteit-) Ernte, im 9Vära unb 9 lpril, 
mo ber glüh in golge ber SWegengftffe unb Schnee 
fchmelae tut Sibanon gerabe feinen hödtften 93affer^ 
ftaitb erreichte# unb in ber 9iähe ber nad) Jericho 
hiitüberfübrenbcu gurt (Ka». 2,7), etma 10—12 
Suh ^tefe bei 80—100 guh Breite hat; bei Ueber- 
fchmemmungeit mar aber nicht blöd bad gluhbett 
felbft mit 33affer erfüllt, fonbern bie ganae um- 
liegettbe Ebene bed 3orbaitgefilbed überfluthet, bie 
oberhalb Jericho etma 2, unterhalb fogar 3—4 
Stunben breit ift. Die2Borte: fehr ferne non 
u. f. m. follten mörtlicb überfefet heißen: fehr 
ferne (nämlich oon ber Uebergangdftclle) bei ber 
Stabt (9lbam), bie aur Seite, b. h. öftlichoon 
3arthan am 3orban liegt, etma 9 ÜReilen 
nörblich oon ber obengenannten gurt. Unb oer¬ 
floh/ floh ab, fo bah bad Strombett nun ganj 
troden balag. 

9(lfo ging bad 3?olf hinüber, an ber bie 
23affet gleid)famaurüdhaltenben 9?unbedlabe (Ka)>. 
4,18) vorüber. 2ßad eiitft 3Kofed (2 9D?of. 14,16 ff.) 
burch feinen Stab beim rotheu 9Meer bemirfte, bad 
bemirft hier 3 ofua burd) bie 93itnbedlabe am 3 or* 
ban, benn biefe mar tefet nach Srünbung bes Weicbed 
3frael im fiattbe Kanaan bad fiebtbare Siitnbilb 
unb ber Ort für bie ©nabengegenmart unb ©err- 
lid)feit Sotted; au^ hier mirfte alfo Sott nidtt 
atther, fonbern gerabe in ben ©nabenmittein unb 
burch fie.’ Erft ald bad 93olf gatta in Sicherheit mar, 
ging auch bie ©unbedlabe imttettbd hinüber (Kap. 
4,10); fchon bedhalb alfo, um bie fte trageuben 
3 Jriefter nicht allaulang im SBaffer fteheu au laffcn, 
muhte bad SSolf beim Durchmarfch eilen ( 4 , 10 ), 
moau ohnehin bie 9lngft oor bem broheitbett SBaner- 
berg trieb, fomie bie gurcht, oott ber ginfternih über¬ 
fallen au merben. 9lber auch bei aller Eile nahm ber 
3 ug einer fo groben i 0 ?enge, ooratt fÄubett, ©ab unb 
halb 9)?anaffe (4,12ff.), mittbeftend i Sag in 9ln= 
fprttd), auch bei noch fo bidjter 9(ufftettung. 


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Sonntagfd)ul=#fhtionm. 


385 


Der gehrer mag bei btefer ®efchi<hte noch gut > berfelben. ©erhältniß ber beibeit ©aframente bc$ 
8fnwenbung berfelben unb 311 weiterer 81. S. 311 cinanber unt> 311 benen bee 8t. S. 
©rbauung beifügen, baß biefe^be eine hoppelte 4. 8Bort* itnb ^amenerf lärnng : © i l g a l, ber 
©ebeutung bat: ») aU ©orbilb für bie gnä= ; SWainc bedeutet: „Slbmäljung", nämlichber,,©cbanbe 
bige Leitung ©otteS überhaupt, ber alle ©inberniffe Sgnpteus" (©. 9) b. b- ber natürlichen Unveiuigfeit 
am bem ©ege räumt, auf beut er bie ©einigen 1 ber .s>eiben burch bie ©efchneibung; bie Stabt, bie 
fübrt (nicht aber bei felbftermäblten ©egen, wo er 1 auch fpäter noch fo beißt (2 ©am. *19,15. 40. 93?icb. 
im ©egentbetl bie ©chwierigfeiten febr oft noch 1 6,7), lag in ber 3orbanebenc, fein* nabe fchoit bei 
häuft, unt oor ihnen 3urücf3ufchrecfen unb au3 ihnen Scricbo fclbft, unb war ba3 erftc befeftigte ©tanb- 
wieber auf ben rechten ©eg beS ©ehorjamS aurücfc quartier ($ager) 3fracl3 im ©cftiorbanlanb. 
iuleiten). ©er aber auf leinen ©faben unb an DaS ©affab war geftiftet jur (Erinnerung an 
feiner £anb wanbelt, bem gilt auch ber Sr oft ben 8(uS3ug3fraelS auä (Eguptcn, 2 üWof.12,3—11. 
feiner ©erheißung in 3ef. 43, 2. ©j. 91,11 u.f.w. SHerfwürbig trifft and) ber $eit nach ber Uebcrgang 
b) alS Sinnbilb, ittSbefonbere für ben lebten über ben3orban mit bemDurdsug burchbaerothe 
febweren ©ang über ben SobeSjorban unb burch fDieer unb bem ihm unmittelbar ooraugehenbeit 
baS bunfle Sbal, wo uu$ oor allem ber ©rnft ber ©affab sufammen. Der elftere gefchah nach 3of. 
Mahnung gilt, auch uit3 äußerlich unb innerlich 4,19 am 10. Sage be3 erften 9)?onat$ (im ifraeli- 
bereit 311 halten, biS ®ott um gu fich ruft. 8113 tifchen ftirdienjahr, nämlich beö Monate 8lbib ober 
Mittel baju ift unS fein ©ort gegeben, baS un$ 9Jifan), alfo an bentfelben Sag, an bem 40 3ahre 
nach ©f. 23,4 and) bei biefent ©ege ©tab unb 311 oor bie 8lu3fonberung ■ be§ ©affablammeS ge= 
©teefen, unb nad) ©f. 119, 105 unfer 8id)t unb fchehen war (2 2Mof. 12, lff.). Die hier erzählte 
Feuchte auf allen ©egen ift, unb auf baS hier ©affahfeier war im ©amen bie britte: bie erfte 
aud) fdiou ;\ofua, ©.9, ba3 ©olf hinweift. Die 2©Jof. 12,28, bie zweite 4 9)fof. 9,5, unb fanb ganj 
93unbe*labe freilid) bramhen wir nid)t mehr, genau nach ben ©eftimmungen beS ©efebeS am 
weil ber föerr felbft oor un$ bezieht unb unä 14. IWifan 8lbenb3 (23Rof. 12,18. 3'Dcoi.23, 
©ahn bricht, aud) burch fRotb unb Sob, bis er uit3 5. 4 8}?oj. 28,16. 5 9)iof.l6, 6) ftatt; biefer 81 ben b 


als ber rechte 3ofua in baS red)te ftanaan ge= 
führt bat. ©eim ©anbern burch bie ©üfte biefer 
©eit aber gilt’3 fäntpfeit unb leiben, eilen unb war* 
ten, gehörten unb beten, wadjen unb arbeiten — 
bis feine Stunbe ber ©rlöfung fchlägt. 


©onntag, 15. 3uü. 3ofua 5,10—6, 5. 

3frael jiefit bot ^erid^o. 

1. Seit: ©twa 1450 oor Gbrifti ®eburt, nach 
5,10 im 3J?onat Slpril. 

2. Ort: Die3orbanebene in ber Umgegenb oon 
3^richo. 

3. ^nfammen^iiito : Die Denfieichen be$ wnn= 
berbaren DurcbjugS burch ben 3orban: a) 3ofua 
richtet im ©ett be3 auSgetrocfncten 3orban3 felbft, 
ba ioo bie ©riefter mit ber ©iinbeSlabe geftanben 
hatten, 12 Denffteine auf unb b) ebenfo 12 anbere, 
bie glekbfallS mitten auS bemfelben genommen mors 
ben waren, jenfcitS am red)ten Ufer beffelben (fiap. 
4,1—24). 8fad) ber gagerung beS ©olfes in ©iU 
gal (4,19), auf bem ©efilbe Jericho, wirb burch 
eine allgemeine ©efchneibung, bie währenb be3 
©üftemugeS unterblieben war, weil ber ©unb 
©otteS mit 3frael, beffen äußeret ftdftbare^ 3cuhen 
fie bilbete, burch 3ftael8 ©ünbe aufgehort hatte, 
wenn auch nid)t bem tarnen, hoch ber Sache nach, 
ba£ ©olf felbft wieber in feiner ©efammtbeit in 
ben ©unb aufgenommen, benn nur ba§ Sunbe§= 
volt fann ba^Sunbeölanb erben (ff ab. 5,1— 9). 
Dcmjelben 3wect bient bann auch bie fofort be= 
riefttete 3eier be^ ©affab, al^ be^ ©unbe^inahle^ 
(f> f 10 ff 7 ), ba§ nur ber burch bie ©efchneibung fdwn 
im äußeren ©erbältniß gu ©ott al§ Same 8lbras 
ham^ (1 9Rof. 17,14) ©tebenbe genießen barf. 3ft 
Die ©efchneibung ber ©intritt in feine ©emeinfrfmft, 
fo ift baö ©affab bie (Erhaltung unb ©tärfung in 


ift ber bem ©auotfeft ber ganzen ©affahiooche, ba^ 
auf ben 15. 9lbib fiel, oorangebenbe 8 lhenb, 
benn bie 3 fraeliten wählen 00111 9lbenb, nid)t 00 m 
^Morgen an, ba^3 S*cft bex' 15. begann alfo jehon am 
Slbenb be^ 14. mit ber ©affabmabUeit. 81 m an = 
bern (jweiten) Sag beo ©affab ift alfo ber 
16., an beffen ^Morgen nad) 3 2Moi. 23, 9 ff. bie 
©rftlingSgabe ber neuen (©erften-) (Ernte bargebracht 
würbe; oor biefer ©eihe burfte nur U n ge j ä uer = 
te^ oon ben aue bem Oftjorbanlanb mitcicbrachten 
©onäthen (.(tap. 1 , 11 ), alfo oon altem ©fehl ge= * 
geffen werben, erft iefet genoffen fie 311111 erfteumal 
al3 bie fünftigen Herren be3 8anbe3. 0011 feinem 
©etreibe, b. b. ber neuen (Ernte. Sangen = 
am f?euer gebörrte ober gcröftete sichren, 3 9Rof. 

2, 14. 

Da3 3Ranna, ihre bisherige wunberbare 
©peife währenb ber 40 3abre in ber ©üfte (2 8 Mof. 
16,14) hörte auf, oieüeicht naebbem eS fdwn in. 
ber lebten 3 dt, je mehr fie fid) bem fruchtbaren 
Vanbe näherten, immer fpärlidier gefallen war, jefet 
aber ift eS plößlich unb für immer auS, 311 m Bcidien, 
baß bie ©üftenwanberung felbft enbgültig unb 
oöllig abgefchloffen ift, unb eine neue ober oielmebr 
wieber bie alte natürliche Orbnung ber Dinge be= 
ginnt, benn ©ott tbut feine ©unber mehr, wo man 
bie natürlichen Mittel unb ben orbentlidien Sl>eg 
gebrauchen fann unb barum auch foll, nänilid) Oen 
ber 8 lrbeit, bie er fegnen will. 

©ei 3 erid)owar, oieüeicht unter ben ^Kauern 
ber wohlbefeftigten ©tabt ( 6 , 1 ) umberging, um 311 
erfpäben, wo fie am leichteften gu eroberii 'wäre, hob 
er feine 8 (ugen auf, 00 m Srbbobcu, wohin er 
| in ©ebanfen mit feiner fdiwierigen Aufgabe be= 

| fchäftigt, bliefte. ©in ©?ann, b. h. eine men= 

I toenähnliche ©eftalt, gegen ihm ft unb = ihm 
I gerabe gegenüber in ben ©eg trat. Da3 bloße 
Schwert in feiner £anb, alfo in friegerifcher @e= 
ftalt, alS Sieger über ©otteS SEeinbe, al3 ©erzeug 
feiner Strafgerichte, ©ie 3chooab fclbft ber 1111 = 
fichtbare fl’önig 3ftael3 ift, fo ift er aud) fein (un= 


28 


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386 


äonntflgfdjuUJ’ehtionen. 


fichtbaver) Oberftc, Sdbherr unb töviegdfühver, bei* 
aber iet$t au bicicm bcHitScrcn 3wetf unb bei bieiem j 
wichtigen 9lnla& aueb in fichtbarer ©cftalt erjebeint. 
©ing (näber) au ihm, weil er il)n für einen wirf* 
lieben Äivieler hielt. 

Der Surft über bad ©eer bei? .fterrn. 
3m gaitaeu 91. D. heijjt ©ott: £>err 3cbaoth, 
b. b. \>err ber .s>eerfd)aarcn, worunter nicht blöd 
bie Sterne, ionbern aiu*b bie Gugel bed .©im meid : 
gemeint Hub, ald bad bimntlijcbe ©eer ©otted 
(ogl. 1 S)fof. 32,1 ff. ©f. 148, 2); aber ebenfo hat 
er auch ein irbifrhed ©eer unter fiel), nämlich eben 
3frael ald fein ©olf (2 9JJof. 7,4. 12), über bad 
er gcrabe iefet beit Oberbefehl auautreten gefommen 
ift. 3 c ud) bei ne Schuhe aud k. ald 3 eid)eu 
ber Ghifuvcbt im SKorgeitlaub gebräuchlich, gana 
bicfelbe 9Seifung tote 2 S)Joj. 3, 5, toomit er fid) alfo 
ald be tt fe l ben ©ott bezeichnet, ber bort mit SMofe 
aud beut brennenben ©ujd) gerebet. Dhat alfo, 
neben ber dufteren Gbrerbietung aber aud) analeich 
innerlich fein ©era bercitenb für bie toeitere Offene 
barung ©ottco (Atap. 6 , 2 ff.). 

3ericbo, bamald bie bebeutenbfte Stabt bed 
gattacn .Vrbanthald, tntb ber ©chlüffcl 311 m heiligen 
Sanbe, lag in ber Stäbe ber Scorbfpifee bed tobten 
SJiecved, am Sübenbe bed Jiorbanlaufd, gegen 
93eftcn hin, ba too bie Gbette ihre gröfde Breite 
hat, in einer fruchtbaren, 3 ©tunben langen unb 
1 Stuube breiten Oaje mit reichlich flieüenben 
frijeben Oucllcn, ogl. 2 Alött. 2,19 ff. 1 fi’on. 17,3. 
9'Scgcn ber tiefen unb abgefchloffcncn Sage gebeihen 
bort bie hcrrlichften DropcupjIan$en: fflalfambäumc, 
©citteln, Stofen, hefonberd and) Valuten» baher bie 
©tabt and) bie „©almenftabt" hieb (5 $tof. 34,3. 
Stichler 1,16. 3,13); fie hatte bid in fpätere 3citcn 
eine ftarfe Sltiofubr oon ©anbeldartifcln (nament* 

* lieh ©alfam), unb baher unter ben Stömem ein 
Obcraollamt (8uf. 19,2). 3 tt bei ne ©anb ge = 
geben, ©ott ift ber ©öcbfte, bem alle 3Kad)t ge= 
bührt; in Sohle biefer Eingabe foll nun auch bie 
Stabt trofc ©. I ohne alle 9lnftrcngung in 3fvaeld 
©änbe fallen. 9lllc Äriegdtnännet = Waffen* 
fähige SJtanujcbaft unb awar unter Begleitung ber 
Frieder mit ber Bunbcdlabe, 3, 6. 4.11, unb unter 
Sluführung ber Stämme Stuben, ©ab unb halb 
SJianaffe, toie fchott beim Uebcrgattg über ben 3or= 
bau; ber Untätig erfolgte 6 Sage hinter einattber 
iebeu Dag einmal, am 7. Dag bagegett fiebcnmal; 
bei jebeiii einaelnen Utnaug bliefeit bie ©riefter bie 
7 $.oiaunen bed ©altiabrd, grobe, einen 
ftarfeit, mcitbin bröbnenbeit Don oon fiel) gebettbe 
©övner, bie jonft nur bei Groffnung bed ©alliabrd, 
b. h. bed alle 49 3 übte mieberfehrenben Grlafc. 
iahrd(3S)tof. 25,8ff.)geblafen tmtrbcn. ©ie©ie = 
be n aa h l alo heilige *öunbedaahl, mar hier 3frael 
gana befonberd bebeutfam. Släft ttttb tönet, 
b. h. jefct beim lefeteit Utnaug noch länger unb latt= 
tev, alo oovher, fo bah biefer burcbbringeitbe, (ang= 
hingcaogene Don weithin au hören ift(2S)?of. 19, 
3». ©ad ©olf (©eer) f.oll hineinfallen, 
über bie eingeftüraten SBauern weg, ftracfd 00 r 
jich, b. h. jeher getabe ba, too er fid) eben befinbet, 
ohne Stücfücht. 

5. 3ur Grfläruug mtb Erbauung: a)3fraeld 

Buubedfeier, 5, 10 — 12 : 9lucb aum Gingang 
ins hiutntlijche Kanaan gehört eine Befehlt ei* 
b u n g, aber nicht bie mit ber ©anb am Sleijd) ge* 1 


jdnebt, fonbevn bie bed ©eraettd burd) ben heiligen 
(Seift. Gbcitfo haben aud) mir Gbriften im 9?. D. 
ein itocboiel berrlicbcred ©aff ab, ald Sfrael im 
91. D., ogl. lGor. 5, 7. 

© c r g l e i d) tt n g d p 11 n f t e: ©eibemal ein 
Opferlamm, beibemal Blutbefprengung, bort nur 
ber Käufer, hier ber©eraen unb ©emiffett, beibemal 
eine Grrettung, bort and ber Äned)tfd)aft Ggoptene, 

j hier aud ber ©ttitbe; ©affab unb Slbenbtnabl finb 
beibe ein SMabl ber Grinnermtg, ber ©emeinfdtaft, 
ber ©tärfung auf tntb für bie Steife, bort bttreh bie 
©>üfte, hier burdt’d Sebcn; ttttb toie 3 frael cinft 
bort ein S)tan 11 a hatte, fo haben wirGbriftum ald 
bad toabrhaftige Brob bed Sebcttd, bad 00 m ©im* 
mel fomrnt, ogl. 3oh. 6,32. 35. 

b) 3ebooahd Bef.ticb, 5,13—15. Stact Äap. 
6 , 2 ift biefer Surft über bad &eer bes ^errn Stie= 
mattb attberd alo ^ehobah felbft, ber aud) jonft 
fchon oft ald ber ©tmbedengcl ober ber Gugel bed 
9lngefid)td, in betn 3ehobad Stame, b. h. fein per- 
fönlidM>d 2Scfen felbft mohtit, ben ©atriardteit ober 
bem SBofcd erfd)ieitett tiKtr, gana flcmaü ber mietet* 
holten göttlichen ©erhcifjuitg, ba§ er ihn bor feinem 
©olf herfenbeit toerbe, bgl.2S)tof. 14,19. 23,21. 
30; unb amar richtete fid) babei bie 9lrt unb iUeiie 
feiner ©egentoart, feine leiblid)e ©eftalt unb Gr- 
febeinungdform immer genau nad) ben betreftenben 
Umftänben: ©ent Stomabeu 9lbrahant evfehemt et 
ald pilgernbet Sveutbling ttttb ©aft feines JOauicd, 
bem 9)iofed auf ßoreb unb ©inai alo ©efebgebet 
tntb ©uubedgott, bem ^riegdtnattn 3ofua als Selb* 
berr unb firiegedfürft. 3 ^fua, obwohl er ihn nicht 
gleich bon 9lnfang an fennt, ift hoch nachher fofort 
bereit, auf fein erfted Söort hin ttid)t blöd ihm au 
glauben, fottberit fid) aud) ttt ehrerbietigem ©et* 
hauen ihm untcrauorbncn unb au ©ienftcit au fiel* 
len. 9(tt feinem SBott alfo erfentit er feine göttliche 
©ollmacbt unb ,^errlid)feit, aud) für und ift fein 
©dort feine höcbfte, wirffantttc tntb untvüglicbfte 
Offenbarung, baraitd wir ihn unb fein göttlichcd 
93efett, wie feinen göttlicher. SBillen atn betten ttttb 
eiuaig ficher erfeittteit föniteit, aber bies ®ort for= 
bert aud) bon uttd bor allem ©etititth tntb ©ehot* 
fam. ©ott erfdteint bett ©einen aud) l>ettte nod) in 
allerlei SScifc, oft and) ttt SMenfdjengeftalt, a- ©. 
in ber bon treuen Glteru, fiebrern unb Steunben, 
bie und warnen, mahnen uitb tröftett, ba gilt’d bie 
Singen öffnen, ba§ man ihn erfenne; ttttb toie bort 
au 3 oftia, fomiitt er auch au und am liebften in ber 
ftillen Giitfamfeit, ttt ©tunben äu§erer ober innerer 
Sc'oth, unb itid)t, toettit wir ntü§ig unb träge finb, 
fonbern bei ber treuen Slrbeit tntb ©Nichterfüllung 
in unferem ©eruf. 9Bo ©ott au uttd rebet, muh ed 
um und ttttb % in und ftille njerben. ©icie GricbeU 
ttung 3 ehobahd toar für 3 ofua bie ©ürgfdKift unb 
ber fichtbarc ©eweid ber Jöahrheit bed SBovtcd in 
,Qap. 1,9. 3« beachten ift, ba§ biefe fichtbaren 
©eibftoffcnbannigen ©otted nur nodt bei 3 ®fua 
unb ben Stichtern oorfommen, fchott ©atttuel hört 
nur noch feine ©tirnme (l@ant.3), ttttb fo auch 
alle ©ropheten, ©aoib unb ©alomo ic. 

c) 3ertchod ©etagetu ng, fiap. 6,1—5: 
Gd evfolgt nun ber erfte ffriegdoefchl bed himm- 
lifd)en .^>eerführcrd burdt ben SKunb bed irbifdten 
an bad ©olt. ©afe gleich bie erfte feftefte ©tabt 
©aläftinad fo gana ohncSWtthe unb Slutpergicpcn, 

1 ohne einen eitrigen ©d)wertftreich in 3 ftaeld 


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$onntagfd)ul=|efttümfu. 


387 


fiel burch ein acuta eigenthümliche«, einaigartigeS, 
faft abfonberliche« SBuüber, mar lebt mid)tig für 
bä»? Bolf al« Bürgfchaft für ba« Selingen auch 
feiner ferneren friegerifcbeu Unternehmungen, bie 
eben jcfet erft redtt begannen, alfoal« Stauben«* 
ftärfung, anDercrfett^ aber auch alt? Mittel aur 
Beugung ttnb ©emuth, um allem fallcben, fleifd)= 
lidien Vertrauen auf eigene Äiraft unb SBeiShcit, 
allem liuhmen ihre« Bhithe«, ihrer (Eut ficht, üMacht 
unb 3lu«bauer gleid) von Anfang an grünbiid) vor= 
aubeugeit. Jyüv bie geringen menfd)lid)en iDfittcl, 
bie ;V'fua bamal« au (Gebote ftanben, mar ein foU 
dter (Erfolg gerabeau eine Unmogliddeit. ?lber bie 
(Eroberung gejdtah auch nidtt burch irgenb melche 
natürlidten Kräfte (etma (Erb beben,-ober gar fturebt 
unb Sdtrerfcn ber (Einmohner), fonbern burch un- 
mittelbare« (Eingreifen Sötte«. Sie feilen erfeitnen, 
bah e« nid)t ihre eigene Seredttigfeit unb Starte ift, 
ber fie ben Sieg verbauten (öi)?of. 9,4—6), fon= 
bern Sötte« Dfad)t unb Sitabe allein (2 50?of. 15, 
3j, baher bie Bunbcolabe al« Simtbilb feiner 
Segcutoart, bie Bofauitcn in Brieftcrbanb al« 
Simtbilb be« ©crabrufcn« ber göttlichen $üfe. 
©er Bltd auf ba«, ma« Sott fdmn gethan hat unb 
ned) heute thut, foli ihnen 9Kuth unb tf'raft geben 
auch für bie Bufuuft, unb fo auch unb, vgl. Bf. 44/ 
1—3, mörtlicb hier erfüllt. Bon Seiten Sötte« tvar 
bie (Eroberung ^richo« bie (Erfüllung feiner Ber* 
heigung, B. 5, von Seiten ^frael« aber eine 2hat 
be« Stauben« (.Oebr. 11, 30). Unb amar tvar 
bieier Slaubc gebunben an ben ftrcngftcn Schorfam 
gegen alle einzelnen Bcrorbmutgen, bie gerab# im 
Segeniafe gegen bie Srojjthatcn anberer SBelt* 
eroberet unb ihre gläitaenbcn Siege lieh auf lauter 
Eilige bezogen, an beiten fid) gar nichts von ben 
fonft fo gerühmten menfddichcn ©ugenben ber 
©apferfeit, bc« BJiith«, ber Baterlanb«* unb JyreU 
beit«ltebe, be« ©cltcnfinn« unb ber Sclbberrnfimft 
aeigen tonnte. Meine inciijddtdte ^ift, Mraft, ftlug* 
heit ober Berechnung feilte ben Sieg hier eraivingeu, 
fonbern Sottet ©reue gegen 3frael unb 3frael« 
Streue gegen Sott allein. 


Sonntag, 22. ^uli. 3ofua 7,10—26. 

,3frael$ Wicberlage bet 3lt. 

1. Seit: 1450 vor ßhrifto, furae 3eifc nach ber 
(Eroberung 3erid)o«. 

2. Ort: ©a« ßaget Sfrael« bei Silgal (5, 9) in 
ber liähe von ^eridjo. 

3. ^nfamuicuhang: ©ie (Eroberung unb 3ev= 
ftbrung Jericho« (6, 6 — 27), ivobei nur ba« £>au« 
bei :)(ahab verfchout mürbe (6,25); meint 3ofua 
vom Weift Sötte« ergriffen unb gaita im (Einflatig 
mit tan Scbot Sötte«, 5 3Bof. 13,17, um mit allem 
(vruft ben über 3crid)o verhängten Bann aur vollen 
iMuefübrung au bringen, fchmört, bah biefe Stabt 
nie ivieber aufgebauct merbeit foll (3vf. 6, 26), fo 
ift btc« nidit fo gemeint, bah überhaupt ba« SBieber^ 
aufrid)tett von Käufern verboten fein joll, beim 
er felbft theilt nachher 3ericho gleid) anbereit be¬ 
wohnten Stabten bem Stamm Benjamin au 
ertap. 18, 21), unb and) 9fcid)ter 3,13 unb 2 Sam. 


10,5 erfdieint e« mieber al« bemohnt, fonbern nur, 
bah e« feine befeftigte Stabt mehr merben bürfe: 
bie fo muuberbar niebergefallenen Brauern feilen 
fich nte mieber erheben, fonbern ihre Strammer für 
alle Beiten ein ©eitfmal ber göttlichen 9Mad>t unb 
Serechtigfeit bleiben; baher beim auch jpäter ba« 
angebrohte Strafgcridit bei llebertretimg bieje« Se= 
bot« and) mirflid) erfolgt (1 Mön. 16, 34). 

(Erft ^ciu« brachte beut vermüfteteu Jericho miev 
ber ben rechten Segen, 8uf. 19,1—10. ^of. 7, 1 
bis? 9 berichtet 3irael« ^iieberlage vor 9(t in fti'lge 
ber Bcrjünbigitng 8ldjan«. 21 i, biefclbe Stabt ivie 
2lia ( s 3ceh. ll,3lj unb 2liath (Bef. 10,28), aber eine 
anbere, als? bas? jeufeit be« Vorbau« gelegene 2li 
(3er. 49,3), lag 5 — 6 Stuitben von Jericho bei 
Bcth=2lvcn (18, 21), fübbftlid) von Bethel (1 üMoj. 
12», 8. 13, 3), unb märe, mettit e« and) nicht eine jo 
gaita unbebcutenbe Stabt mar, boch mit 2 — 3000 
fWaitn leidit au erobern gemefen, meint nidit auf 
3frael eilt Bann gelegen hätte, ©ie Süube Dichau« 
beftanb bariit, bah er tvofe ber au«brüdlicheit SBar- 
nmtg 3vfmv3 (Äiap. 6,17. 18), fiel) an bem ver^ 
bannten Sitte 3crid)o3 vergriff, vgl. 3 SRof. 27, 
28 ff. ©iefe3 follte uitmiberritflid) beut Ferrit al« 
ßigcnthnm verfallen fein, b. h. allc3 Vebcnbige ver¬ 
nichtet, alle$ llcbrigc aber al« Beute in beit Schafe 
beS .s>errit abgelicfert merben (3of. 6,19), mit aur 
Unterhaltung ber Stift«hütte unb aur Beftreitung 
bc« Sotte«bienfte3 au bienen; bie miberrcditlidte 
?(neignung unb 9(ittaftung beffelbcn tvar au«briuf= 
lith als verberblich für gati 3 3ftael beaeidinet mor= 
ben (vgl. 5 s Dk'f. 13,17), nicht blo« für ben 2häter 
felbft, baher fant nun auch megen ^ld)an« ©ieb= 
ftahl, in beffeit Bafon fiel) gana 3ftael aut Ber- 
baititten vergriffen hatte (3vf. 7,1), ber 3vrn Set- 
teS auch über gatt 3 3frael; feine ^icberlage, felbft 
einem fchmadjeren 3*einb gegenüber, tvar um ber 
(Ehre Sottes? toillen itothivenbig, aber auch, bamit 
baS Bolf bcS BanneS imte merbe, ber um be« eiti- 
aelnen BcrbrecherS tvilleit auf ber ganacn Semcinbe 
laftet. ©alter thut auch ^ofua im kanten bc« gam 
acit Bolfe« 'Buhe CVtap. 7, 6ff.). 

4. 3Bort< mrt» Saifeerfläruitg : ©a fprach ber 
föerr, mahrfdieinlich vom Snabeitftuhl ber baS 
Bolf bcgleitenben B*uitbeSlabe herab (2 3Mof. 24, 
12. 25, 22), fo bah c£ auch bie anbereit ^lelteften 
hören tonnten, bie alS Stamme«-, Sefdileditfe- unb 
Aamilieuhäupter, b. h. al« fWepräjeittauten bcS 
ganaen BolfeS babei mareit (B. 6). Stehe auf 
aus? bem Staub (B. 6), umhin er fid) von tiefem 
Schmera ergriffen mit aerriffenen Kleibern al^ 
3eichen ber ©rauer unb Buhe (5 3)iof. 14,2) ge= 
morfeit hatte, ©sfrael hat fich verfünbigt, 
bie Schulb be« Uitglüd« liegt an euchr nicht an mir, 
al« märe meine ©reue gegen mein Bolf maitfenb 
gemorben. Berläuguct, b. h. ba« fdioit Se= 
ftohlcne aud) nod) verheimlicht unb unter ihr 
Seräthc gelegt, b. h. au eigenem Brandt unb 
Iciifeen vermenbet, obivohl e« Sott unb feinem ©ienft 
gehörte. 

©eitit fie fiitb im Bann, burch bie miber= 
red)tliehe ^Incignuiig be« Berbannten, b. h. ber Ber= 
nichtung geiveihten, finb fie felbft unb alle ihre frabe 
bem Bcrberben gemeiht, ftehen unter Sötte« Born 
unb ftrafenber Serechtigfeit, fo bah fie feinem Se= 
rieht unterworfen unb vrei«gegeben finb; bie Sünbe 
fällt bem Sünber auf ba« .fcaupt unb bem Fächer 


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388 


Sonntagfd)ul=fektionfiL 


anheim, X)en Sann aub euch oertilget# 
burch Vertilgung unb 9lubrottung beffeti# ber bie 
gange ©emeinbe beflccft hat (V. 15). & eilt ge 
bas Volt, bah es oor mir erfd)eiuen fönne(V.14), 
[teile eb burch ^Ibfonberunq Don ber Sünbe wieber 
aufs neue alb ein gereinigtes in bab red)te Verhält* 
nifc gu mir, ogl. ftap. 3, 5. Sollt ihr eud) früh 
her au machen# gum gpeiligthum, bamit fich her* 
ausftelle, mer ber Sdnilbige ift. (Sin Stamm 
nach bem anbern# natürlich nid)t ber gange Stamm# 
fonbern nur bie Slcltcftcn. X)er &err treffen 
luirb# ndmJid) Durch’«Soob# unb fo alb benienigen 
bezeichnen loirb# bem ber Ucoelthäter augehört; bab 
Soob beftanb 100 hl aub fleiucn mit ben hetreffenben 
Hainen bejehriebenen Xäfelcbcn ober Scherben# bie 
aub einer Urne gezogen würben, ©ier würbe bab 
Soo« oievmal geworfen: über bie Stamme# bie ©e= 
jcblcihter# bie Jamilicit unb bie einzelnen @aub* 
unter bcrfelbcn. "Vfitjeuer oerbrennen# nach 
3 9)taf. 20,2. 14 war bie Verbrennung ber Seiche 
beb außerhalb beb Sagerb ©efteinigten# 5$Dtaj. 17, 
5 , eine Verschärfung ber Strafe. ®cn 93unb 
beb Jperrn überfahren = gebrochen# alfo am 
iperrn felbft fiel) oerjüubigt hat, aber auch am galt* 
gen Volf# fofern er eine Xhorhcit in 55fraet 
begangen (1 3)jof. 34# 7), b. h. eine Sduilb auf 
baffelbe gewälgt hat; iebe Sünbe ift gugleich Xhor* 
heit, weil fie in einer ©mpörung gegen ben all* 
wifjenbeu unb allmächtigen Sott felbft befteht, oor 
ihm bleibt nichtb oerborgen# 4 2)taf. 32, 23, unb 
niditb ungeftraft. Unb warb getroffen u.f.io. 
Sllfo eine 9frt ©ottebuvtheil# vielleicht auch baburch 
vermittelt r bah bie .spohepriefter nach befonberer 
göttlicher ©rleuchtung burch bab Sicht unb SRecht 
einfach ben betreffenden Statuen aufriefen. X)er 
Stamm 3uba, alfo gerabe ber heroorragenbfte# 
au« beiü fpäterbic%iupHtünige‘3fraelb flammten. 

SOiein Sohn, )o rebet ^ofua alb ältererSRaitn 
unb Vater feineb VolfS# ber mit bem (Srnft feineb 
richterlichen 3lmteb bie SJJilbe eineb oriefterlichen 
Öergens oerbiubet. X)ie (Shre# bie ihm alb aü= 
noifienbent unb uutrüglirficm ©ott gebührt# giebt er 
ihm baburch, bah er burch offeitcb ©eftänbnih an- 
evfeunt, bah ©ott wirflid) ben Schulbigen an*b 
Sid)t gebracht habe. X>ab 8ob# bab er ihm alb 
gerechtem dichter fdnilbig ift, aber baburch# bah er 
fid) willig unter feinen Uvthcilbfprudj beugt. Sage 
mir, alb Stelloertreter ©otteb, unb läng ne 
nid)t# beim bamit loiirbeft bu nur ©ott felbft Aum 
Sügner mad)eit. $n bem Vefenntnih oor bem gan= 
gen Volf liegt gugleich ein 91 ft ber SelbftbemüthU 
gung# wenn es auch aüerbingb alb ein oerfoäteteb 
unb ergioungencb, nachbcm bie SBahrheit fchon be= 
fannt war, feinen 3lnfpruch mehr auf Schonung 
unb (Srlah ber Strafe begrünbete. 2Bahrlich = 
ja, co ift wahr, wab bab So ob an ben Xag brachte# 
fchon wäbrent» iencb Vorgangb, V. 16ff.# war ihm 
allmählig immer mehr bie anfängliche £>ergenb= 
härtigfeit bei Verübung beb ©iebftahlb gebrochen# 
jefct oollenb« wirb er weid) burd) Jlofuab milbeb unb 
Doch ern fte« Jßort. Der b a b u l o n i f ch e 3R a n t e l 
war ein aub foftbaren Stoffen mitSolbfaben burch 5 
wobeneb ©ewanb, wie man fie namentlich in 93a= 
bolon, ber reichften unb lujuriöfeften Stabt ber 
alten JBclt, trug unb oerfertigte, oon bort wahr- 
jcheinlich burch .Sfarawaneu nach Jericho gebracht 
unb etwa einem rer bortigen dürften gehörig. 


©ülbeite *Junge = Spange# in gönn einer 
Vunge, 200 £>efel (ungemüngteb) Silber, etwa 
= #175. 3ur £>ütte 8lcban’b, feinem tfriegb= 
gelt. 

Stile ßittber 3frael waren natürlich nicht 
einsein ba# aber oertreten burch ihre immer noch feit 
V. 16 anwejenben SRepräfentanten. Vor ben 
©errn# b. h. oor bie Vunbeslabc# unt gu be= 
geugen, wem fie rechtmäßig gehören (ffap. 6, 19). 
91 d)a n # ben S o h n (hier *= Stachfotnme, Urenfel) 
Serabb x. X)icjeb erfte Vcrbredxn ^egen ©ott# 
alb bem ©eerführer Sfraelb unb bem Sperren sia= 
naaitb, muhte mit befonberer Strenge gum ab= 
fchredenbeit Vcifpiel für Slnbere beftraft werben. 
Santtnt bemSilber x., bie alb entweihte« ©ut 
nicht mehr für ben ©ottebfehafe taugten (SDtatth. 
27,6). Seine Söhne unb Xöditerx. 3war 
ift 5 9)?of, 24,16 oerboten# bie Strafe eineb Vers 
brecherb amh auf feine Familie aubgubehnen# aber 
hier hatte 8ld>an ben Äap. 6# 17 auf alle (Sin= 
wohner 3erid)ob gelegten Sann, auf fich gelaben, 
fo bah berfelbe nun and) ihn unb alle bie Seinen 
in glcühem Umfang treffen muhte (6,21), möglicher* 
weife hatten fich 3ene aber auch wenigftenb alb 
fehler babei betheiligt. SUleb# wab er batte# 
gemäh bem aubbrüctlichen Sefehl V. 15. hinauf# 
oor bem Säger bei ©ilpal lag im ©üben eine burd) 
bieSbene oon Jjeridio fid) hingiehenbe Anhöhe, bann 
erft ging eb in bab unterhalb berfelben befinblicbe 
X h a l # weftwärtb oom tobten 9Reere unb nach 
biefem fich hiitgieheitb. 9lchor (= Setrübitih), bie= 
fen tarnen empfing eb frft nad)her gum ?lnbenfen 
an biefen traurigen Vorfall, ogl. V. 26. fiap. 15, 
7. Sctrübt haft# fo betrübe bid), alfo gu 
gan? geredeter Vergeltung, 2 SDJof. 21,23 ff. ©ine n 
groben Steinhaufen# um auch ihre 91fche oom 
(Srbbobcn gu oertilgen, unb gugleid) alb beftänOigeb 
Schanbmal beb gefdiehenen Verbrcdienb unb 9Bar= 
nungbgeichen für 8lnbere. 9ldior würbe jpäter 
fogar ber^ame beb 9ld>an felbft, l@hron.2, 7, 
mit leichter 9lenberung ber Suchftaben. 

5. V«** ©rfläriing unb <$rbaii!titg: a) ^cr 
Se h l f di la g o or 51 i, V. 10—15. Vor allem 
wichtig ift hier ber biblifdie ©runbfafe über 
Sünbe unb Strafe: bah bie Sünbe beb ©in = 
ge ln eil ber gangen ©emeinbe gur Saft fällt, 
erflärt fich e i n e r f e i t b aub bem jßefen ber ©e = 
m e i n b e, alb eineb einheitlid) geglieberten, in fich 
felbft feft gufammenhängenbeu ©angen, anberer= 
feitb aber aud) aub bem SBefcn ber Sünbe 
felbft# um bie fid)’b hier hanbelt. ®ab gegebene 
©ebot, 6, 17—19, hatte bie gange ©emcinbe be= 
troffen# barum war auch fie alb ein gcfchloffeneb 
©augeb für pünftlichc Sefolgung beffelben oeranh 
wortlid). ®ah ein (Singeiner in ihr eb hoch übers 
treten fonntc, war ein 93eweib baoon, bah ber (Seift 
ber gangen ©emeinbe nid)t mehr fo war, wie er 
fein feilte, baber feine © i n g e l f ch u l b guglei6 
auch eine © e m e i n f d) ti l b, bie bab gange Volf 
fo lange bebrüefte unb im ©rfolg hemmte, bi« bab 
aubgeartete ©lieb oom Seihe ber Station auogeftohen 
unb entfernt loar. ' 

X)ie gute ober böfe Xbat beb ©ingelnen ift wegen 
ber innigen unb unlösbaren Verbinbung, in ber er 
felbft mit bem ©angen fteht, gugleid! auch bie Xbat 
ber ©emeinfehaft, bie ihr gum Segen ober Verberben 
gereicht, wie umgefebrt auch wieber ber ©ingelne an 


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$onntagfd|ul4’fhtionen. 


389 


bem *ylud) ober ©egen, ber auf bem ©angeu liegt, 
Slntheil nimmt, felbft bann, n>enn er oerfönudj frei 
00 n Sd)ulb märe (ogl. Sreb. 9,2). jn SBabrheit 
mar ja aber gerabe hier be* Seftrafte auch ber 
©chulbige, unb grnar in bem ©rabe, baß feine 
©ünbe bem galten Solf ben Gharafter ber ©eilige 
feit nahm, ben eg alg Sunbegoolf ©otteg fiel) batte 
bemahreit follen. ®aher mußte aud) bagSilffo 
lauge für ben Uebelthäter einfteben unb mit ilun bie 
©träfe feiner ©djulb tragen, big er ermittelt unb 
beftraft mar, ogl. 5 SMof. 21,1—9. 5Bo ein oer= 
borgener Saun ift, ba ift fein ©egen, bag geigt 
fiel) im ßeben ber Sölfer, ber gamilien, ber 
Gingelnen. 

3ugleid) mar aber bie SWieberlage oor 9li aud) 
eine ®emüthigung für ben ©folg Sfraelg, 
bag biefen geinb im boebmütbigen Vertrauen auf 
bie eigene ©tärfe oeradjtet, unb megen feiner 
©d)mäd)e gering gefdwßt, unb in biefer fleifd)lid)en 
Sicherheit eigenmächtig unb obneSefehl 3ehooabg, 
alg feineg oberften ftrieggberrn (Käß. 5,13ff.) an= 
gegriffen batte. 

tiefer Ungeborfam mirb nun geftraft, 
unb grnar um fo entpfinblicber, alg fte gleich am 9lit= 
fang ber (Eroberung beg 8anbeg befiegt merben, unb 
babureb ben ohnehin furditbaren geinben noch ber 
Siutb mäcbft (ogl. S. 7—9). Grft menn ber Sann 
meiebt, fann ber ©ieg lieber fommen, aber ohne 
(Sott ift alleg anbere eitel. ®arum gehört gu allem 
Sornebmen bie Sitte Sf. 139,23; unb nad) jeber 
aud) tinmiffenllid)en Serfdjulbung, gilt eg immer 
mieber, neu ficb gu reinigen unb gu heiligen unb 
burd) täglidie Süße Sergcbung fiteben unb finben 
bureb Gbriftum, ber ©otte» 3orn gefübnt unb 
uitfere ©ebulb gebüßt bat, fo baß er ung mieber 
gnäbig fein fann (Otöm.5,8); er ift ber red)te3ofua, 
ber für ung bittet. 

bj 3)er ®iebftabl beg Sfdjan, S.16—23. 
SBenn ber oerborgene Sann meicbcn foll, fo muß 
man oor allem ber S&abrbeit bie Gbre geben, 
nid)t ©ünbe unb ©d)ulb läugnen, ober menigfteng 
oerfteden, ocrfleinern, befebbnigen unb entfd)ulbigen, 
b. b. auf 9lnbere abmälgcn mollen, foitbern fte offen 
auf fid) nebmen, rciunütbig oor ©ott, nbtbigenfallg 
aud) oor iNenfcbeit geftebeu, unb aufrichtig fein, 
beim nur ben 9lufricbtigen fann eg gelingen (©ßr. 
2 , 7). 2Rit ber äußeren Gntbedung beg ©dnilbigen 
mar bie ©acbe nod) nicht abgetban, eg gehörte bagu 
auch fein eigeneg freimilligeg Sefenntniß, 
unb grnar alg einer Serfebluitg gegen ©oft 
j e l b ft, ogl. Sf. 51, 6. Apiegtt gehört aber oor 
allem eine genaue Grfenntniß berfelben alg 
ber eigenen % b a t, heroorgehenb aug ber b ö f e n 
8 u ft, ogl. 1 a»of. 3, 6. 3af. l, 14ff. SKattb. 15, 
19, ba ber and) fd)on bie 10 (Schote gerabe mit bent 
Sabot ber leßteren, alg ber ißtirgel unb Ottelle 
alicg Unrecht# Schließen. Semerfengmertb ift ber 
©tufengang beg Söfen, S. 21: ©eben— 
gelüften — nebmen — oerheim lieben. ®er erfte 
©dmitt gur Sühnung beg Unred)tg ift neben ber 
9 lnerfennung ber böjen ©efiunung unb ©unblutig, 
bie SJiebererftattung ber ©ebulb, S. 23, ogl. 8uf. 
19, 8 unb bieJIBarnuug beg ©errn gegen ©eig, 
©elbgier unb ©abfuebt, 8uf. 12,15. 

c) i)ag ©trafgerid)t oott Sld)or, S. 24bi» 
26: 9Jid)t immer fann, auch bei ernfter Süße, bte 
äußere ©träfe ber ©ünbe erlaffen merben, hier am 


allermenigften, mo eg fieb um eine bag gange Seif 
betreffenbe ©ebulb banbeit, bie bureb ein beroor= 
ftecbenbeg, marnenbeg Seifoiel g611 = 
lieber ©trafgered)tigfeit gefübnt unb 
gebüßt merben muß. ©erabe in einer fo mohG 
georbneten ©emeinbe, mie 3frael noeb unter 3ofua 
mar, muß bie ft r e n g ft e ft i r d) e tt g u d) t berr- 
fd)en, gang ähnlich mie nachher in ber erften aßofto= 
lifehen Gbriftenheit (Slpoftelgcfdj. 5). 2Bo nur eine 
einzige tfnfrautßflange ben Schotten ©arten ©otteg 
oermüftet, fann unb foll fie barunt and) noch aug= 
geriffen merben, ehe fie fieb oermehrt. 2ßo aber, mie 
auf bem Slcfer ber 28elt, fd)oit beg Unfrautg fo oiel 
ift, baß eg nicht ausgerauft merben fann, ohne ben 
bainit noch oermifd)ten guten ©amen mit gu ger= 
ftören, gilt bag SBort Scatth. 13, 24ff., aber bie 
©traß folgt bann in ber Gmigfeit nach, l Gor. 6,10. 


Sonntag, 29. 3uli. 3ofua 8,30—35. 

$ie SBorlefuttg be$ (SefefceS. 

1. 3rtt: 1450 oor Ghrifto, furge3eit nach ber 
Groberung 5li’g. 

2. Ort: ®ag 2:bal©id)emgmifcbcn ben Sergen 
Gbal unb ©arigint, auf ber ©öhe bc» ©ebirgeg 
Gbhraim gelegen, ungefähr in ber SDJitte beg heili= 
gen Canbeg. 

3. 3»föntmetthaitg: ®ie Selagerung unb Gr= 
oberttng IHi’g, iiao. 8,1—29. ®iefe fann nun, nad)= 
bem ^frael mieber im rechten Scrhältniß gu ©ott 
fteht, gelingen, aber im ©egenfaß gegen bie frühere 
dcifchliche ©idferbeit unb ftolge Serad)tung beg 
^•einbeg, muß jeßt bag gange ©eer fid) rüften. 

iel foll gmar aitdj hier nur burd) ben ©errn fie= 
gen, aber ohne baß ficb feine Jßunbcrbilfe toie bei 
3 crid )0 micberholt; ftatt folcher außerortentlicher 
Mittel muß eg ießt and) feine eigene Straft braudtcit 
lernen. 3a eg muß nun fogar git einer erlaubten 
unb Oon ©ott augbrüdlid) befohlenen 5irieg»lift 
feine 3uflud)t nehmen: 3ofuag fdteiubare frludtt 
Oerleitet bie Semohncr ihm nachgufeßen, unb in= 
beffen rftdt ein oerborgencr ©intcrhalt in bie ©tabt 
ein unb oerbreunt fie; auch bie Semohncr merben 
oemid)tet, Sieb unb Scute aber unter 3fvael oer= 
thcilt. ®iefeg gieht bann mit 3ofua norbioärtg big 
in’g 2hal Sichern, .20 3)feilen meit, ohne oon ben 
erfdmodenett Kanaanitern aufgehaltcn ,gu toerben. 

4. ©adj* ttiib äßorterflörung: ®a, nämlich 
nach glüdlid) erlangtem ©ieg über 91 i, unb ohne 
3meifel and) bag benad)barte Sethel, mo fie nun 
im ©ergen beg gangen Sanbeo ftanben, toag fie eincr= 
feitg gu befonberem ®auf, anbererfeitg gu beito 
größerer Sunbegtreue verpflichten mußte. 

Saute einen 9lltar nad) bem Sefehl ©ot= 
teg, 5S?of. 11,29ff. 27,2ff., mehhe 9lnorbuungcn 
hier genau befolgt merben; e» ift ber erfte 9lltar in 
bem neueroberten Öanbe, an bemfelbeit Ort erridnet, 
mo febott 9lbraham bei feinem Gintritt in .Siaua'.n, 
ba moGJott.ihm gum erftentnal mit feiner Ser= 
heißung entgegen gefommen mar, einen jolchen er= 
richtet hatte, 1 ffliof. 12, 6. 7. 

91 u f bem Serge G b a l, ber nach 1 3Kof. 
33,18, nörblich oon ©icheut lag, alfober (Sarigim 


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390 


Sonntagfdiul^lektiotiftt. 


füblicb. ©bal, ber ©erß beS glucheS, ift nacft uub 
fahh ©arigim, ber '£erß beS SegenS, ßrün unb 
friid>tbar. Saß jener ßerabe eö ift, wo baS ©efefe 
auf ben Elitär eingegraben nnb baS Opfer bar- 
gebracht wirb, bat Seinen bebeutungSooüen ©runb 
eben barin, baß ©efefe nnb Opfer in näd)fter 
^egiehung stirn <5(ucf)e fteben: jenes bringt unb 
Schärft ben ftlud), bieieS heilt unb tilgt ihn weg. 
3m ©ejefebuch, nämlich 5 üRof. 27,4ff. 3efua 
wollte, bem äSort beS ©errn (3of. 1,17) ßeborfam, 
mit ber Ausführung jenes befehle nun nicht mehr 
länßer gcgeni, bettn Seine äSollgiehung Sollte ßcScbeben 
oor ©roberung beS (ganzen) CaubeS. ©inen 
Elitär ooit gangen Steinen, ßenau nachher 
bort gegebenen ®orjchrift, bßl. 2 3Bof. 20,25. 9lb- 
ficbtlid) blieben bie Steine roh unb unbehauen, ba= 
mit nicht burch baS 9ln bringen oon ^ißitrgt bem 
beibnijeben $Bilberbienft 33orfd)ub ßeleiftet unb baS 
*©erg oont Opfer auf ben 9lltar, alfo bon ber ©aupt- 
fad)e auf Aebeubinge abgegogen werbe. 

Unb opferte, nach 5 2Rof. 27, 6ff. 3m gan= 
seit 9llterthum war baS Opfer ein ©auptbcftanbtheil 
beS ©otteSbienfteS: einerseits alS ©ingabe irßeitb 
eines wevthooüen ©uteS an ©ott, ein Reichen ber 
oölligen 23eibe unb ©ingabe ber gangen $erfon 
nnb ©abe in ben Sienft@otteS, anbererfeitS, wenig* 
fteuS bei ben blutigen Opfern, ein Sinnbüb beS 
ftelloertretenben OpfertobS ber Opferthiere für ben 
fdwlbigen äRenfdveit gur SJerföbntmg ber gürnenben 
©ottbeit. ^eibe Seiten treten fcejonbcrS heroor in 
ben beiben hier ßenannten ©auptarten ber Opfer: 
Sbranb* unb Sanfopfer. $8ei jenen war bie 
Spveußunß beS OpferblutS an ben Elitär unb bie 
Verbrenn miß beS gangen ShiereS bie ©atiptjache, 
jenes alS Sühnemittel, btefeS als9ßeibeaft, bei ben 
anbereu würbe ein $heil beS Opferfici fdicS bei ber 
nad)l\er folßenben Opfcrmabljett theilS ooit ben 
Opfernben felbft, theilS oon ben Sprieftem alS 
Stelloertreter ©ottes oergehrt, worin bie burch baS 
Opfer wieber hcvgeftellte SriebcuS* unb 8iebeS= 
ßemeinjehaft mit ©ott barßeftellt ift. 9(uch hier fanb 
ein jolches Opfermahl Statt, beim wie bcr ©err nach 

. 23,3 Den Seinen jelbft im 9lnßcficbt ihrer Seinbe 
einen Sifd) bereitet, fo bürfen auch fic foßar mitten 
tu fteinbeSlanb feine Viebc unb ©nabe genießen, 
unb (ich alS fein SunbcSoolf gu ihm bcfcitnen unb 
an ihm erfreuen. 9(uch bie Opfcrmahlgcit ift alfo, 
wie bie 'SunbcS.mahlgeit, 1 2Jiof. 26, 30. 31,46. 54 
unb 2 9Kof. 24,11, eine SunbeSbefiegelung. SaS 
SSolf erfdieint baburch als bie fjamilie unb ©auS* 
ßenoffenSchaft ©otteS. 

91 u f b i e S te i n e, bie entfpredienb ber SBeifunß 
5 9Mof. 27,2 neben bem Altar aufßerichtet unb mit 
ft alt ßetüncht worben waren. SaS©efefe9Mofe, 
bamit fann hier fchwetlid) baS gange 65eSefe ge¬ 
meint fein, oielmehr war eS wohl nur ein 9litS* 
g u ß beffclben, vielleicht nur bie 10 ©ebote, alS bie 
©runblaßc beS gangen SunbeSgefebcS, ober wahr* 
Schein lieber, bie SBorte beS SeßenS unb f?lud)S 
(5 9)foj. 27. 28), welche nachher oorßclefen würben, 
©ben bamit bieS 9Sorlefen nkbt bloS einen flüchtigen 
©inbruef ntadie, Sollen fie nun audj, wie bie 10 ©e= 
bote Selbft, in Stein ßebaucn werben, gum ewißen 
Angebenfen. Sie 91 e 11 e ft e n finb auch hier, wie 
Schon ftap. 7, 6, bie einseinen ftamilienbäupter, bie 
Oi i d) t e r baßeßen bie höheren Beamten beS gangen 


95olfS, pßl. 2 3Rof. 18,13—27, alle mit einanber, 
alfo oie ^Repräsentanten ber 12 Stämme; ihnen 
ßeßenübet bilben bieSCriefter auS bem Stamm 
| 8eoi, bie and) hier,.wie Schon 3,3 unb bei anberen 
befonbcrS feierlidien ©eleßenbeiten Statt ber gewöhn* 
i liehen 8eoiteit jelbft bie $3unbeSlabe tnißen, bie 
i ^Repräsentanten 3^hooab’S. 

! ‘Sie ftremblinge finb ßeßenüber ben ©in- 
| heimifchen, b. h. ben ßeborenen 3S^aclitcn, An* 

I gehöriße anberer 3Jölfer, bie entweber fdwn oon 
, ©gopten auS, ober erft in ber fPJüftc Sich an 3ftacl 
I angefddoffen batten, oieüeidit6iriegSgefangene. Sie 
! Aufstellung war bie, SunbeSlabe mit ben ^vieftern 
unb Seoiten mitten gwifchen ben beiben bergen im 
Shale, ju beiben Seiten aber an ben ©oben hin= 
auf je fed)S Stämme: Simeon, Cevi, 3uba, 
3fafchar, 3^fepb, ©enjaiitin am ©argim, uub 
Stuben, ©ab, Slffer, Sebulon, San unb Otapbtbali 
am ©bal. 

SaS 9Solf tu feßiten, barnach aber attdj 
ben ^luch über bie Unaeborfamen auSjufprecben, 
Oßl. 5 0)ioj. 27,11 ff. Sodi ftebt bebeutmißsooll 
baS Seßnen ooran, weil ©ott lieber Segnet, alS 
Straft, unb burch Die Siebe gur Sanfbarfeit oer= 
pflid)ten will. 8 i e § er a u S r u f e n, b. h. laut 
unb betulich bitreb bie ^Jriefter oerfünbißen; auf bie 
Seßiiunßen autnwrteten bie Stämme am ©arigim, 
auf ben ftlucb bie am ©bal mit lautem Otiueu, vgl. 

I 5 9Moj. 27,11 ff. 3>or ber ßangen ©enteinbe 
3 f t a e l S, b. h. ber fie repräfentirenben OR ä n = 
ner, aber aud) SBeiber uub 61 in ber fehlen 
nicht, bagu bann noch bie unter ihnen w an¬ 
bei ten, b. h. fid) bem ©emeiitbeoerbanb burch 
SSefdmeibunß anßcSdhloffcn hatten. 

SaS Simen beS SolfS bient wie beim Schwur gur 
Seftätißunß, U'ie man bort ben 6ib auf fich nimmt, ' 
nnb fich jum ©alten beffclben, aber au^ su allen 
feinen ßuten ober fchlimmcn Solgcit oerpflichtet, fo 
nimmt hier baS 3$olf baS gange ©efefe auf fich, unb 
oerpflichtet fich sum ©ehorfam, aber auch gu feinen 
ßuten ober fdjlechten fyolgen, je nadibem eS baS ©ine 
ober Slnbere wählt. $>or bem Svltich ift eS aber nur 
fo lange fidjer, alS eS in ber ©emeinfehaft mit ©ott 
bleibt; baruui ift ßerabe auf bem 53erß beS Slucheö 
ber Opferaltar errichtet. So wirb 3f^nel Segen 
unb glud) oorgelegt, ba§ eS ben Segen erwähle, unb 
guglcid) ift burch biefe ^orlefuitß beS ©ScfefeeS baS 
eroberte 8anb geweiht alS ein folchcS, in bem ©ot= 
teS ©efefe unb Otedit allein unb ausschließlich gelten 
foü. 

5. 3m ©rflämng nnb ©rbannug ift hier nur 
noch weniges beigufügen: 

a) Ser 9lltar, 9S. 30. 31. 5Bo ©ott bir 
©uteS erwiefen, ba oergiß beS SanteS nicht, ber 
befteSanf ift aber bie-38eihe gu feinem Sienft. 
3eber 9lltar mit feinem Opfer ift eine Srinnermtg 
an baS große Opfer oon ©olgatha, 1 ißetri 3, 18, 
looburch unfere Schulb gebüßt ift. Unfer rediteS 
Opfer ift baS Opfer unfereS ©ergenS unb SebenS, 
Ütom. 12,1. 

b) S a S © e f e fe, 93. 32. 9ßit follen eS nicht 
mehr in Steinernen Safeln, fonbern oom C^eift ©ot¬ 
teS in bie flcifcherncn tafeln beS ©ergen^ geidwie- 
ben haben, ogl. ^falnt 119, 11. 9htr biefer Oäeift 
giebt bann auch ftraft gum ©alten, eS ift für unS 


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(Sljronih ber (Segennmrt. 


391 


fein tobtcr 5ßud)ftabe mehr, fottbern lebenbißcS ®e- 
miffcnSgcfefe. 

c) Die © e r 1 e f u n g, SS. 33—35: DaS ®e- 
fefe foll nicht bloS auf bcn fteincrnen tafeln in 
ber ©ttnbeSlabe ruhen (1 fton. 8, 9), fottbern in 
lautem, lebenbigem 23ort in bie Herseit bringen, 


namentlich auch ber ftinber, 1 3Rof. 18,19. 
Sein Hauptinhalt ift nach 5 2Rof. 6, 5: Siebe 
®otteS unb beS Siächften. GS ließt an nuferer 
eigenen freien V I3 a h l, ob mit beit ©egen 
i'^er bcn Jylucb empfangen; an geboten ift unS 
b:ibes, fl c j tu u n ft e n finb mir au nichts. 




filironilt brr ©rgcuioorl. 


Sin fiirfHidjrr Soll. 2Bir gehören nicht au betten, 
meldte förmlich ;fagb mad)en auf jebe, meitn auch 
nur geringfte, ©illigung ober ©eaeugung beS 
(SluiftentbumS oott Seiten ber ©rohen biejer 23elt. 
SBir ftlaubett unb miffeit, bah baS Gbriftentbum 
auch ohne alle Alaifer, ftönige, Dichter unb ftünft= 
ler beiteben fann ttttb fieften toirb, unb haben beS- 
halb nie an ber Sucht ftelitten, eiitiftc ffirofamen 
ootn Difd) ber ©emaltiften für baS (Shriftenthum 
aufammeit au lefeit. 

Jöeitn aber auttt Seifpicl ein Surft dmftlich ftirbt, 
fo bavf unb foll baS meitigftenS ebenfomohl berid)tei 
toerben, alS baS ftottfelifte (Snbc eines HolahauerS. 

Da ift füralich Sriebrich Sraua n. r regterettber 
Hcraoft oon üJtaflenburft-Sdnoerin, ber^effe beS 
beutfcfaeti ftaiferS, au feinen Tätern oerfammelt 
morbett. Unb fo iitttift ttttb feierlid) finb feine $ln= 
orbmiiiftcn für fein lebtet Stünblein gemefen, bah 
fein £ob ein mahrhaft fürftlidjer genannt merben 
barf. 

„Um 3 Uhr SKorgenS," faßt ber ^Bericht, „nahm 
er mit feiner ©etnablin unb ber ©roftheraogin 
^Mutter baS Slbeitbmahl ttttb fdflief, fchmächer unb 
fdnoädter toerbenb, ßeftett 10 Uhr unter ben ft längen 
ber Orgel unb beut ©efattg beS SchlohdmrS ein, 
melcher auf feilten SBtntfd) bie Choräle: „SBenn idt 
einmal foU fcheiben" ttttb „O Herr, laß bein lieb’ 
Sng’lein" anftimmte." 

ftaifer, Äattalcr nnb Soaialrcform. Ueber bie 
©evbcffevuitg ber Sage ber arbeiteitben ftlaffcn in 
Deutjchlanb toirb oiel gerebet, unb and) oiel Staub 
aufgemicbelt. Die SHothen fchreieit fich beinahe Rei¬ 
fer unb toerfen ber ^Regierung fortmdhrenb oor, bah 
fie nidttS in biefer Sache thue. 

Da& ber beutfehe ftaifer fantmt feinem föcidtS- 
faitaler ernftlich bemüht finb, etmaS aur Sinberung 
ber s ^oth au thuit, toirb nicht nur nicht auerfannt, 
fonbern fie toerben in ihrem ©eftreben nidjt einmal 
oom beutfcheit ^Reichstag uuterftübt. So meniß 
beiifen bie Herren Slbgeorbncten an bieSürforge für 
bie arbeiteitben ftlaffctt, bah ber ftaifer itt feiner 
lebten ©otfdmft barait mahnen muhte. (Sr hat 
CSile — ber Reichstag nicht. 3n letzterem fommt 
bie ©arteipolitif in erfter Sinie, ttttb bann erft ber 
Arbeiter. 

(Sb foll oor allem eine Uttfallocrficherung für 
bie Arbeiter au Staube fontmen, moait felbft- 
oerftänblid) bie ftabrifbefifeer beiautrageu hatten. 
Das aber toolleit fie nid)t. Sluch über baS ftratt- 
fenfaffenmefen ift nichts au Staube ge- 
foututett. 


So fdtreit man benn bin unb her unb befdmlbigt 
bie Regierung; mdbrenb ber alte ftaifer boeb in fei¬ 
ner ©otfehaft faßt: 

„Unfere faiferlidteit ©Ruhten gebieten UnS, fein 
in Uttferer SWacht fteheubcS Mittel au oerjäumen, 
um bie ©efferung ber Cage ber Arbeiter ttttb ben 
ffriebett ber ©eriifsflaffen unter einauber au ferbern, 
fo lange ®ott Uns fjvift giebt au mirfen." 

9Wait foll Hermann, unb gemih einem ftaifer 
©erechtigfcit miberfahreit laffen. DaS ruhige Ur- 
tbeit ber SSelt toirb bahin gehen, bah obigeb ein 
mahrhaft faiferlich SBort ift, unb folche ©efinmtug 
oom fReidmtag bie milligfte Unterftüfeung finben 
Tollte. 

^erhrörfrlnuft GnftlaitbS. 3obn ©right, ber be- 
fanitteengliiche s 3?ebiter unbStaatSmann, propheaeit 
feinem ©aterlanbe nichts @uteS, unb meint tttait 
fein ©orherfagen ruhig betrachtet, muh man fidt 
geftehen, bah er fo unrecht nicht hat. 3tt einer fürs' 
lieh gehaltenen Ütebe fagte er ettoa foIgeitbeS: 

Slugenblidlich herrfchen bie 35 Millionen (Sin- 
mohner ©rohbritamtienS über ungefähr 250 30?iU 
liotten auf bem gattaen Srbettrunbe. Dicfer 3u= 
ftaitb ift unnatürlich unb auf bie Dauer unhaltbar. 
3unädtft merbe ßattaba einen Slittheil an ber üie- 
gieruttg oerlangen. Dann machfe Sluftralien an 
(Sittmohüeraahl unb Dkichthum fo fehrau, bah eS 
faft bem ÜKuttcrlanbe glciddomme, unb halb baS 
©cbürfnih ber Selbftftänbigfeit oerfpürcn titüffc, 
trofe aller Slnhäitglidtfeit an baS äaufetibe oon 
teilen entfernte ßnglanb. 

9?od) gefährlicher für ©rohbritannien fei baS in- 
bifche ©roblcm. Die (Eroberung ttttb Gvhaltuug 
oon Jittbicn habe (Sitglaitb uneublicheS ©clb gc= 
foftet, habe eS geitbthigt, bie ©eühungeit am Gap 
eiuaunehtnen unb mtaählige ftriege in Sübafvifa, 
China, ©elften, Slfghaniftan ttttb anberen Orten 
att B führen; felbft ber ftrintfrieg fei theilmeiS mit 
9tüdficht auf baS inbifcüe t)Jeicl> entftanben, unb fo- 
eben habe feittehoegen noch ber egoptifche äfrieg 
ftattgefunben. Sille biefe ftriege hätten aur Hinten- 
aufefeung ber gehn ©ebote geführt unb auneitblicf- 
lich noch herrfche in (Sttglanb ber ©ruttbfah, bah 
3nbien attSfd)liehlich burdtS SAtoert behauptet 
merben müffe. 

Unb bod) beute ber natürliche ©erlauf ber Dinge 
barattf hin, bah Jtnbien felbft über fura ober lang 
feine Selbftftänbigfeit begehrett müffe, bah feine 
200 ^Millionen (Sinmohner nidtt mehr länger oott 
ben 35 ^Millionen behervfeht fein mollten. Jöeitn 
einmal bovt engüfebe Sprache, Literatur unb SBifjen- 


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filjconik brr (Stgtitnrnri 


fdurft überall sum Durdibrucb gefonttnen Jet, wür¬ 
ben and) in ben jo gebilbeteit ©eiftern ber Untier 
feine Sovbcvungeu erwachen, welche von bev Vitera= 
tur umertieunlich feien; bie Sorberuitgen ber 3*rei' 
beit unb Sclbftftäiibigfcit. 

&err ©right giiifl bann auf baS fociale Gleitb in 
feinem iDutterlanbe über, wies nad), baft in bem 
wegen feiner Svarfanitcit unb feinet ©JohlftaitbeS 
gerühmten Schottlanb ein drittel ber ©evolferung 
in elenbeu eiiiämntcrigcn Käufern wohne, unb be= 
fchwor fd)liefuid> bie Ditwefenben, bie Dational- 
Volitif in ^ufunft men jdUicher su geftalteit. 28 ie 
bem gefclljcbaftlichcn Glenb abgeb olfen werten 
tonnte, tafiir weift ber ©btlofovb unb Staatsmann 
©right fein Mittel; bieS binbert aber itid)t, ihm, 
u>eil er ben üMuth batte, ben eitgltfden Wvofjett bie 
2 Babrbeit 511 fageit, Dncrfennung su sollen. 

Unvrrfrijäntt, wie immer, benehmen fid) bie ver= 
biffenften Dömliitge auch bei bem .Hierannaben beS 
fiutherjubiläumS, unb wollen ben beutfcbcn ©ro= 
teftanten vorfcbreiben, wie baffelbe gehalten werben 
folle. SBürbeit bie „Scbvanfen" übcvfebvittcn, fo 
tonnte, meint einer von ihnen, fid) fogar ber breifng= 
jährige Ärieg wieberholcnü 

DaS fliitgt ia wie eine ffriegSerfläruitg. 3)?an 
fürchtet fid) jebod) beutsutage vor fo Ident ©efchret 
nicht mehr, ja gaits unb gar nicht mehr unb lad)t 
barüber. Die beutfcbe treffe leuchtet biefen Un¬ 
verschämten gehörig heim. So $. ©. faat „Der 
bentfd)e Dcicbsbote" aus Berlin: „2Eenii wir ©ro= 
teftanten crft foweit wären, bah wir auS Düdficbt 
auf Dom Luther auS ber Deibe unferer groften 
beutfcbcn Männer ftreichen mühten, bann würben 
wir auch halb bahin fommen, mit ber Deformation 
unb ber eoanaelifchen Kirche in bie verborgenen 
ffiintel su flüd>ten — unb Dom würbe breit mitten 
in Dcutfchlanb hintreten, unb fid) alS bie foerritt 
©ermantcnS geberben. Sollte bieS baS Defultat 
beSÄulturfamvfesfein? —2Bir bauten! Sowenig 
wir 1852 ben ftatbolifen wehrten, ihr ©onifaciuS- 
feft su feiern, fo wenig Jollen fie unS baS Sutberfeft 
wehren. Die Rarität beS Staate^ werben wir ba= 
bei nid)t antaften; eS wirbDiemanb einfallen, vom 
Staate bie Dnorbiuutg ober materielle Unterftüfeung 
einer ßutberfeier su verlangen; v a ber wir Sutberaner, 
wir evaitgelifdte Gbrifteit unb evaitgelifde ©emcin= 
ben werben eS unS nicht nehmen laffis tut Kren 
8 uther nicht bloS alS Deformator, foitbn auch a!S 
gro&en beutfchen Diann unb ^örberer beut« her Kul¬ 
tur su feiern. 28aS wir ba anjhm feiern, finb 
teilte fubieftiven Ditfidden, fonbcvK finb biftorijehe 
Dhatfadeu, bie vor aller 9(ugen liefen, weide auch 
bie ehrlichen Äatbolifen nid)t leugnen tonnen." 

3Babr neflirod^m hat ber „Strafjburger ©olfS- 
freu 11 b\ inbem er in einem Slrtifel, in welchem von 
ber „amerifanifeben Goncurrens" gefvtoden wirb, 
Jagt: 

„können untere Bauern mit ihren grüdjten ®me= 


rifa bie Stange halten? — Antwort —Dein. Unb 
warum Dein ? 2Bcil burd) bie ©auf bie 3lmerifaner 
thätiger, gewanbter, fvarfamer finb als untere ^aitb= 
teilte; weil fie beinahe teilte Steuern zahlen, unb 
einen nidtt ausgcnubtcit hobelt haben; weil entlieh 
fie ihre ftrüdite auf jehr grofteit glätten mit vor- 
trefflichen SOiafdtinen bauen, jcbueibeit, brefchen unb 
weiter itt bie DNeerbäfett befbvbevu. 28eldte ©or= 
tbeile unS gegenüber! Um welchen ©reis liefern fie 
beit DowcUentner iöciscn erfter Otialität? Dach 
Dow Dorf geliefert 10,25 DJarf; nad) SOcannheim 
geliefert nebft 3oll 2l,lü 3)2arf; alfo ber 3cntner 
10,55 3)?art. 

28ic tonnen nun tmfere ©altern mit ihrem vor- 
iährigcit naffen SBcigett, ben Diemattb begehrt, auf- 
fommen? Unb wäre er auch troefen unb gut, ber 
amevifattifche ift heller, tauberer, beffer. Die £age 
unferer Dtferleute ift alfo eine fo bcbcufiidie, baft eS 
nicht 28unber nimmt, wenn fie von 3ahr su Jiaht 
gurücfgehen. Selbft and), wenn ber 3oll auf fretn- 
ben SEeigen erhöhet würbe, fo tonnte e$ bie 3tu 
ftänbe nicht viel beffern, beim 9lmerifa treibt teilten 
^rud)tbau immer ftävfer, verbeffert immer feine 
Dranc'portmittel, fo baf; jährlich mehr SEeisen nach 
Gurova eingeführt werben tarnt, unb bertelbc ftetS 
wohlfeilerwerben miifc. 3Eie helfen? 3iadt Drne? 
rifa gehen? DaS thun manche, recht viele; baS 
beffert (vitvopa nidtt. Dur folgettber Dath ift in 
geben: £icbe ^attbleute—fpielt bie Herren nidtt, 
laftt bie 9Bitihohäufer in Dube, legt ben Staat ab, 
lehnt fein htelb auf 3infen unb tretet sufattttttett, 
um^ilfStaffcit gtt bilbett. Unb buDegierung, feine 
neue Steuern mehr, aber bie alten herabgejefct unb 
bie alleS verfdlingenbe Drtttee verminbevt. Sonft 
fommt ber atncrtfanifdte Sßolf unb verjchltngt euch 
mit .s^aitt unb paaren. Dixi! 

Äaltfontien, weldieS fdtott fo reich an Schäden 
ift, unb wo bie lanbwirthfcbaftlidie ©robuftion 
bereits bebeutenb ben D^ineralrcidtbum überragt, 
gewinnt burd) bie Ginfübrititg beo O c l b a u tu S 
in feinen füblidteit SDhcilen eine neue ergiebigeÄul- 
turvflame. Gin gewiffer Goovcr hat beufelben jeit 
einiger 3ed im groben Dcafiftabe in Santa ©ar- 
bara aitgevflanst unb bamit fehr günftige Defultate 
erhielt. Die brei ?lahre alten ©äiittie finb fdwit er¬ 
giebig; im fünften !3abre werfen fie bereits einen 
Gewinn ab, im fedtflett ^abre finb alle früheren 
DuSlagcn befahlt, bie Dntortifation ift vollftänbig. 
©on ^ahr su 3ahr fteigert fid) ber Gvtrag beS ©att= 
meS, unb baS fattn ein^ahrhuubert anhalten. 
3 tt ftleinafieti fenttt man Oelbäume, bie ein Dltcr 
von 1200 fahren haben, itttb fie tragen noch. Die 
beften ©ättme GooverS, weid)e acht 3ubre alt finb, 
trugen ver Drfer 2000 ©allonett Oliven. Da nun 
ad)t ©allonett Oliven eine ©allone Oel liefern, fo 
erhält man vom $lder 250 ©alloiteit Olivenöl. 
■i^iefeS Oel wirb su fünf Dollar ver ©allone ver¬ 
lauft; mithin trägt ber Slder Oelbaumvflatisuitg 
1250 Dollar iäbrltcb. 




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(fin illuftrirteß Jamilienblatt. 


Elfter 3foub. jlttgitß 1883. 


J \$Us <&eft. 



(rbitor. 

^er hätte nidjt fd)on bai briicfenbe ©ernicht ber Strbeitö* 
0 Wuthlofigfrit enipfunben ? 

$er Störper ift diellcidjt nicht in ber richtigen ©er* 
faffung, ober bie ©chmungfraft bei ©eiftei auf irgeitb eine SBeife 
gelähmt; $inberniffe utib röiberroärtigfeiten fiiib ringiumfjer 
aufgethürmt; ber mit Stecht erwartete ßrfolg ift auigeblieben, 
ober am 6nbe ift ei gar bie ©ünbe, fo uni anftebt, meiere trä^e 
mad)t. 

s Jlui biefen nnb anberen Urfa^en überfommt uni oft eine 
f$merm&thige SRattigteit, eine entnerdenbe Jraurigfeit, roeldje 
nicht jum rechten freubigen 2bnn tommen taffen, mib allen 3ln* 
ftrengungen bai ©epräge ber Schlaffheit aufbrttefen. @i ergebt 
uni rnie ben 3fraeliten, meldje unter ©erubabet unb 3}ofua 
Sferufalem unb bai £>aui bei £>errn bauen fotlen; aber mäbe 
dom dielen SBanbern, erbriieft don manchertei ffämpfen nnb — 
mai bai SdUinunfte — unfid)er gemacht burcf) ^roiefpalt im 
eigenen .freien, befaßen fie eben fo menig ftraft ali Citftgur dor* 
liegenben »ufgabe. „Sie fdeten diel, unb ei braute menig ein; 
fie ahen, unb mürben bod) nicht fatt; fie Neibeten fich, unb tonn* 
ten hoch nid)t mann merben." 

®a lieh ihnen ©ott ber .fterr burd) ben Propheten |)agg«i 
fagen: „Unb nun, ©erubabel, fei getroft; fei getroft 3fofua; fei 
getroft alle* Soll im Sanbe unb arbeite; benn idh bin mit 
euch, fpricht ber £err 3*baoth. 9la<h bem SBorte, ba ich mit euch 
einen ©unb machte, ba ihr aui ©gppten joget, fod mein ©eift 
unter euch bleiben. tfürchtet euch nicht." 


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JSoljer kommt ber redjte Urbritsmuttj? 


$er ©lief beS ^Srop^eten fdjout über bie bor= biget nicht. 35ie innere Disharmonie ift ber* 
liegenben Sümpfe unD Sdjroieriqteiten hinweg, nietet; baS gegenfeitige ©erflogen unb fönt« 
jurücf nach ben 2eigen, in melden ©ott fein fdgilbigen ber ©ebanfen hot aufgehört; ber 
©olt erroählte unb einen ©unb mit ihm machte, ©tenfef) wirb fogufagen tnie aus einem ©ufe; 
gemäfe beffen fie in gliihenber Siebe, roie2lbra* fennt nur ein Sehens »fölement, unb baS ift 
harn auf baS Söort ber ©erheifeuna, muthig bor* ©ott, nur einen Sebensroeg, unb ber ift ©ott, 
roärts pilgerten zur Stabt, bie ©ott jum ©au* unb nur einen SebenSzwedf — ©ott. 
meifter h«t, unb bie Schmach föhrifti hö^er 3fe nun biefeS föinSroerben mit göttlichem 
achteten, als alles anbere. Sehen feineSroegS ein troftlofeS föinertei, fo ift 

Diefer innigfte ©unb beS ^erjenS mit ©ott, es auch nicht eine bloS befdjauliche Stube. Der 
biefeS Slufgehen in ihm, biefeS gänjliöhe förfüQt* errtfte, fefte ©laubenSbunb beS ©eroiffenS mit 
fein Don feinem ©eift, ift auch für onS bie redete ©ott erzeugt zwar im tiefinnerften ©tenfehen* 
Quelle beS SlrbeitSmutbeS, aus ber rotr immer toefen ben ungeftörten, böfligen Trieben. Das* 
roieber neue Ärnft fchöpfen, Wenn ©tübigfeit unb felbe ©otteSleben aber mirb zu gleicher 3cit ber 
©lattigteit uns befchleichen moüen. innere FmpuIS ju folch’ beflänbigem SBirfen 

Ülüeanberen Ih iadjen unb Antriebe jurSEhätig* fein, toie eS bom Urquell biefeS SebenS ge« 
feit tragen ben Seim ber Fäulnife unb ber ©er* Wollt ift. 

gänglichteit in fi<h. Die ©elbftfucht mag in ©efunbeS ©otteSleben im $erjen wirb fich 
feeberifepen Slnfereitgungen fich ergehen, ober mit beShalb nicht bloS in innerer ©efdjaulichteit unb 
ber größten fönergie anfaffen; mirb aber ge* Anbetung funb thun, fonbern muß fich — wie 
wöhnlich gar fdjneU nachlaffen, fobalb fie fich ©ott felbft — in richtiger Söirffamfeit äußern, 
nicht in Erreichung ihres 3> e ^ belohnt fieht. föS entfaltet feine Driebfraft im befepeibenften 
DaS rein menfehlicbe, bon ©btt abgetrennte irbifdjen ©eruf; eS weiht bie geringfte Arbeit, 
©flichtgefühl tann tjöchftenS eine mechanifche ©e* benn biefelbe liegt auf bem Söege jum großen 
wegung erzeugen, unb loirb, roenn eS barauf 3>ele; eS berwanbelt fojufagen baS Unfdbein* 
antommt, bie Feuerprobe faum beftehen. DaS bnrfte in einen €»ebel zur förreidjung beS föub* 
©tufe ber ©othwenbigfeit ift bie aflerjämmer* jtoecfS, burchjieht unfer ganzes Dafein, fo ber* 
lichfte Driebfraft zur Arbeit: ein löcherichter borgen unb unfeheinbar eS auch fein mag, mit 
©runnen, ber niemals Sßaffer hot. Unb im bem Obern ©otteS, unb weeft auf biefe Sßeife 
biofeen ©ewohntfein jur Slrbeit. roenn nicht mannigfachen, reichen, bom belebten ©eroijfen 
auch ber innere, lebenbige 3 in puls hinjufommt, aus geroirlten SlrbeitSmuth — felbft in ben tlein« 
begrabirt fich baS ©tenfehentinb ju einem Saft* ften Dingen. 

thier, baS nur mit SBiberftreben bie Sürbe föin bon ©otteS Seben gänzlich erfülltes fjerj 
trägt. wirb ferner bem Stöbe ber Sünbe gegenüber. 

Die lebenbige, nie berfiegenbe Quelle beS wie fich berfelbe in bet Söelt barftellt, nie« 
frifchen 2lrbeitSinuthS ift ba ju finben, bon wo malS raflen fönnen. Diefe ©aftlofigfeit barf 
alle lebenSboden Antriebe ansgehen — bei bem roeber mit peinlicher Unruhe, noch mit FonatiS* 
breieinigen ©ott. ©ein SBefen ift Seben, Sicht muS bezeichnet werben, benn fie ift nur bie natür« 
unb Siebe. Söer ihn in feiner ganzen Füll« — Höhe ©eufeernng beS baS ganze SOßefen erfüllen* 
foroeit bieS ©tenfehen ermöglicht ift — in baS ben lebenbigen ©otteS. Solches ©tenfehentinb 
£>erz aufgenommen; wer fich ihm ergeben hot Wü n f cf) t nicht allein bie ©ernieptung ber Sünbe 
mit Seih, Seele unb ©eift; roer ihn in fich fein in ber Söelt, b e n 11 nicht bloS an bie ©efeprung 
ganzes grofeeS SBert im finblidpen ©lauben thun ber Söelt, fonbern mirb notljwenbigerroeife fort* 
läfet: ber roirb für feinen irbifepen unb geiftlicpen roährenb oon 3nnen heraus angetrieben, £anb* 
©eruf, in göttlichem Seben unb Sicht unb in reiepung zu thun, bamit in ber Söelt ber ©tober* 
göttlicher Siebe einen immer fprubelnben ©orn geruep beS SEobeS bem Seben roeiche. Da braucht 
in fich hoben, woraus ber rechte SlrbeitSmutp eS nicht immer unb immer roieber beS ©orrourfs, 
fliefet. ber ©tahnung unb beS SlufraffenS bom FoQ in 

1) Sine ber brücfenbften ^Feffelrt frifeper, an« bie Unthätigfeit. ©ein — ber rechte Sßecfer zur 
baltenber, gottgeroollter SEhätigfeit ift ber burcf) unaufhörlichen SBirffamfeit, ©ottber&err felbft, 
Sünbe berutfaepte £>erzenS = 3wiefpalt; biefer lebt im boUften Sinn beS SBorteS in ber Seele, 
Söunn, ber nicht ftirbt, wenn roir nicht bereit berbannt bie Trägheit unb führt zur Slrbeit. 
fiub, ihn burd) bie ©nabe töbten zu laffen, unb ©oll biefelbe im SBinfel ober auf ber fiocbroahe 
ber in unfere beften Slnftrengungen irgenbroelche ber SBelt gethan werben; ift eS ein fcbwacpeS 
Zevfefeenbe Fäulnife hineinträgt. I Äiitblein ober ein ©rofeer in jffrael, ber fie tput; 

Söenn jeboch göttliches Seben in £>tttle! werben bie ©tenfehen etroaS babon erfahren ober 
unb Fülle ein ©tenfehentinb erfüllt, ba mufe ber j nicht, baS bleibt *fidh gleich- 3ur borliegenben 
©tobergeruep beS DobeS— bie Sünbe, berbannt Arbeit ift ber ©tutf) borhonben; fee roirb, fo 
fein; benn roer in ihm ift unb bleibet, ber fün* I weit bie fträfte reichen, auch gethan, benn baS 


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lUoper kommt ber redjte Jtrbeitsmutp ? 


395 


inwendige Seben äußert fiep in fol» 
cper SB i r t f a m f e i t. 

freilich f)cit der 2ob ber ©ünbe Uebel in bic 
Seit gebracht, unter beiten au cp ber non gött» 
liebem Seben erfüllte ©tenfep gu leiben bat, uub 
um betemniflen er oft in feiner Dpätigfeit ge» 
binbert roirb. flranfpeit läpmt bie Kräfte; baS 
Filter fcproäcpt bie Unternehmungsluft, uub 
mancherlei anbere läbmeube Sinfliiffe liefen 
gleicpfant in ber Suft, über roelcpe mir oft fei» 
nerlei Sontrofle haben, bie aber unferem ©tutp, 
uuferer SBirffamfeit entgegen treten. 

3öirb fi<b auch unter biefen Umftänben baS 
göttliche Seben im £ergen als Duelle erroeifen, 
aus roeldjer ber re<bte SlrbeitSinuth fließt? 

©ewißliep— unb groar bis gu foldjen ©epran» 
Jen, too ©ott felbft fpriept: ©iS- hierher unb 
nicht weiter. 

einmal »erben manche förderliche, ben Sir» 
beitsmuth lähmenbe Umftänbe non einem mit 
©otteS Seben erfüllten SJtenfcpen nermieben »er» 
ben. Sr roirb nicht tränt ober unroobl fein be§» 
»egen, roeil er feinen Saunen ober Süften ober 
Gapricen nadjgegeben hat. ©ein in ©ott leben» 
ber ©eift roirb gleicpfam über ben flörper SBacpe 
halten, unb denselben auf biefe SBeife manches 
©efcproäcptroerbeu erfparen, welches leichtfertigere 
Shriftenmenfchen gur '-Beeinträchtigung ihres Sir» 
beitSiuuthS erfahren inüffen. 

Aoinmen aber bie läge, bie uns niept gefallen, 
fo roirb in einem SWenfcpen, Doll non göttlichem 
Seben, ber SlrbeitSmuth noep lange nicht fcpwin» 
ben. 3(i bie flraft für große SBanberungen uidjt 
mehr binreiepenb, fo reicht biefelbe boch noch bis 
gum Machbar. SBitb bie ©timme niept mehr in 
ber großen ©emeinbe gehört, fo oerfünbigt fie 
baS |>eil im tleinften flreife; finb ©thronten 
gefeßt, welche nicht roeggeräumt tnerben fönnen, 
fo äußert fidp ber rechte SlrbeitSmuth innerhalb 
berfelben, unb roirb nie in entneroenbe Draurig» 
feit nerfehret, felbft bann nicht, wenn man nur 
ftiUe halten unb fpredjen fahn: Dein SDßiüe ge» 
fepepe. 9tie hat Slbolpp ©tonob inniger unb er» 
folgreicper gerebet, als in ben furgen, auf feinem 
Dobteubett gehaltenen Slnfpracpen. 9tie hat 
©unt)an mehr geroirtt, als bann, ba er in baS 
©efänguiß gu ©ebforb eingefperrt Würbe, benn 
hier in ber Sefepräntung tarier flerfermauern 
fchrieb er größtentheilS Äie Pilger reife. 

2) Siebft bem göttlichen Sehen ift bem ©ott 
gänglicp geweihten ©teufepen auch biel 2 i cp t 
bejepeert, welches ebenfalls gur ©tärfung beS Sir» 
beitSinuipeS bient. * 

2 i d) t, fräftigeS Sicht — bor allem betreffs 
ber ©erpeißungen ©otteS. „Emmanuel, ©ott 
mit uns!" Das ift ber große ©unb, ben ©ott 
mit unS gemacht hat. „©iepe, ich bin bei euch 
äße Dage bis an ber SüBelt Snbe;" alfo erfrifept 
ber £err unfern ©laubenSmuth, unb feßt pingu: 


„®?ein ©eilt fofl unter euch bleiben." ©3er aber 
fönnte biefe unb anbere ©erpeißungen beffer 
faffeu unb gur Slnfeuerung feines ©laubenS« 
mutpeS bemißen, als ber, welchem baS Sicpt 
©otteS ungetrübt bon ftergenSunreinigfeit in bie 
©ee(e fepaut ? ©erpfäubet fiep ja boep ber, roel» 
eper unumfepränft baS gange SBefen burcpwohnt, 
beftänbig bagu, baß nach beS ©aterS SBiHeu baS 
Dteicp befepieben »erben fofl. SBeSpalb bann 
bangen unb einer unfruchtbaren Draurigfeit 
Staunt geben ? Stein — „fei getroft, heißt eS ba, 
fei getroft unb arbeite." Arbeite, gerade mit bem 
Sßorte, baS ich bie gebe, bem ber ©erpeißung. 
Sille anbern ©tüßen |inb tein nüße. Der ©laube 
ift ber ©ieg, ber bie ©Belt überroinbet. — eol» 
cpeS ift baS ©otteSlicpt, baS in eine ©ott gänglicp 
ergebene ©eele pefler fepeinet, als in irgenb einem 
anderen bergen, unb ben StrbeitSmutp aufrecht 
erpält. 

Diefe ungetrübte, burep niepts im bergen ge» 
ftörte göttliche Srieucptung oerpilft auep gur 
richtigen SBeltanfcpauung, unb biefe wiederum 
gu frifeper Suft am ©Birten. 

SS giebt naep recptS unb tintS eine ©Bett» 
anfepauung, bie notproenbigerroeife unferen Sir» 
beitsmutp fcproäcpen muß. 

SBer fiep bie ©Belt oberflächlich mit fangui» 
nifdpen Slugen betrachtet unb leicptpiu fagt: fo 
gar fcplimin fiept eS niept, unb bie SJtenfcpeit 
»erben fepon nach unb naep beffer »erben, roirb 
pöcpft roaprfcpeinlid) feine Sufi gum gottgewollten 
©Birten haben, auep wenn er ben |)ertn ^efum 
Spriftum befennt. 

Siuer anbern SBeltanfcpauung gemäß hätten 
©ünbe unb Safter in bem ©taße überhand ge» 
nommen, baß eigentlich nur wenig für bie ©Belt 
tu hoffen wäre, eS wäre bie ©efepiepte beS ©ten« 
fcpengefcplecpts eine fo unentwirrbare ©etwitfe» 
iung, ein folcper SBirrwar Don 2;rr-= unb flreug» 
wegen, baß bie gegebenen ©tittel unmöglich gur 
Söfung beS fünblicpen flnotenS auSgureicpen Der» 
möchten.- Slucp biefe SBeltanfcpauung muß uu» 
widtürlicp ben SlrbeitSinutp abfcproäepen. 

Cbroopl wir nun weit entfernt finb, 3eman« 
beS ©nabenftanb abmeffen gu wollen, glauben 
wir boep, baß eine Döflig in ©ott (ebeube ©ten» 
fcpenfeele burep ©otteS Sicpt eine Don ben ange» 
führten üerfepiebene SBeltanfcpauung gewinnt, 
welche anftatt läpmenb einguwirfen, freubigen 
©laubenS» unb SlrbeitSinutp eiuflößt. ©ie er» 
tennt bie ©röße ber ©ünbe unb beS SofterS; fie 
ift ben wirren ©ängen ber ©älter gegenüber 
niept blinb unb weiß, baß fie Dielfatp Don ©ott 
abfommen; fie tlngt über bie ©cpäben ber flirepe, 
©ott geigt ipr aber auep bie Siege ber ©nabe — 
in Dielen taufenben reinen Sparafteren, in ber 
Verbreitung beS SDangeliumS über bie gange 
Srbe; in ber SBedung beS ©eroiffenS unter ben 
©ölfern, felbft wenn fie noep niept gang bem 


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396 


Pie Pfahlbauten. 


Sorte untertßan geworben finb u. f. w. (Sin 
Don ©ott gönjlicß gefuttb gemachtes £>erj 
wirb fich and) ju einer g e f u n b e n 2ebettS» unb 
Seltanfcßauunq hiuburcßwinben, unb int Sichte 
ber ©wigfeit wifjett, baß bie Arbeit jebenfaßS 
nicht bergeblicß ift, unb eben beS^olb öou ge» 
ßeiligtem SlrbeitSmutß angefa<ßt unb getrogen 
fein. 

3)$ie2iebe©otteS, bie Döflipe, in 
ein geheiligt $erj auSgegoffeue 2iebe, ift ber 
bvitte göttliche 3 u fl l, B J ur Ouefle beS regten 
2lrbeitSmutheS. 

Sie höret nimmer auf. Senn bie Hoffnung 
Wonfen miß unb ber ©taube jagt, fo faßt bie 
2tebe, bie reine 2iebe ju ©ott unb ben Weufdjen 
ju, unb läßt nimmer ob. Sie tarnt nicht miith» 
los werben; fie muß lieben ntib arbeiten. 

Sie tröget alles, glaubet alles, hoffet alles 
unb bulbet alles. Unb wo hot bettn ba bie Utt= 
luft jur Arbeit nocß^loß? So ift beitti noch 
Staunt ju matter ©ntnerbung unb jagenbem 
DticßtStbiin ? 

eie ift ftärfer wie ber Tob, ttnb geht in ber 
Wacht ihrer himmlifcßen Störte Don Kraft ju 
Kraft, non einer Arbeit jur anbertt, non 2iebeS= 
that ju 2iebcSttjat, unb fcßöpft fellift aus bem 
ermiibenbften Sirfett Wutß ju neuer Tßätig» 
feit. 


löffigen, arbeitSmuthigen Streben bor ber 3eit 
aufreibe. Sie weiß, baß bieS nicht, ober nur 
feßr feiten gefcßießt. Unb wenn auch. Säre eS 
bettn im ©onjett ein fo fcßrecflicß Uttglücf? Sie 
hat ja feilte gurcßt nor betn Stöbe unb geht burcß 
benfelben nur jur ewigen Siebe. 

T>ie nödige Siebe weiß nidjtS bon bem Urfeinb 
beS cßriftlidjen 2lrbeitSmutheS — ber Wenfcßen» 
furcht, furchtlos unb treu, aber immer liebenb 
thut fie, waS fie nicht laffett fattn. ©ott ber #err 
ift bei ihr brinuett; was fönnen ißr ba bie Wett, 
fcßen thun? ®em Urquell ber ewigen 2iebe 
gegenüber ftnb fie hoch nur gattj fletne, arm. 
felige 2öefen. „deshalb borwärtS," fo heißt bie 
2ofung — mit betn 9lrbeitSnuith ber Siebe. 
Sirb fie gehört, fo freut fie fich; fcßmäßt man, 
fo läßt fie fich nicht erbittern; bleiben bie töten, 
l'djen gleichgültig, fo wirb fie befto inniger; muß 
fie bttrch böfe ©eriicßte, fo bergiebt fie. Sie geht 
itt ber 2öwen Stöhle; fie bulbet ben ßeftigften 
Siberfßrttch; fie fürchtet fich nicht bor Königen 
unb hui feine SÖangigfeit bor ben Seifen biefer 
Seit. $ie böllige Siebe treibet bie gurcßt ans, 
unb mit biefer fcßwinbet ein großer geinb beS 
9lrbeitSmutheS. 

Unb ntin,‘ mein lieber 2efer, wollen wir uns 
prüfen, wo bie Urfacße uttferer öfteren 9lrbeit§= 
muthlofigfeit jn fließen ift, unb aisbann jtitn 
2ebenSborn gehen, wo wir in Süße feßöpfen 
föttnen — ben rechten 2IrbeitSmutß. 


Tie böfliae 2iebe treibet bie {furcht aus. Tie 
gurdßt, baß man fich am (Silbe in biefem uttab» 

- -■ »- 



Pie 

gftr §nns ttnb #erb bon $r. ©. 9Uemenf<hneiber. 


{an feßrieb ben 31. Tee ein ber 1870. 
©in überaus ereignißoolleS gctßr 
feßirfte fich an, bon ber S3aßn ber 
©efeßießte abjutreten, um feinem 
Stacßfolger bie jaßllofen gäben 
beS bunten ©etoebeS, ju welchem 
fid) bie ©efeßiefe ber einjelttett TOenfcßen, ber 
Stationen unb 2änber bereinigten, in bie 4)nnb 
ju geben. Sich, wie Diel Scßmerjen, welch’ un» 
föglicßeS Seß hatte atteß biefeS 3afjr wieber 
neben ben greubett, ben ©rfolgen ber Wenfdjßeit 
auf ben Slöttern ber ©efeßießte buchen miiffen! 
Sie manche Hoffnung mußte eS ju ©rabe tra» 
gen, wie mancher frettbigen ©rwartiing bie er» 
feßnte ©rfüfinng berfagen! 3n wie manche 
$)eimftätte ber Trauer fonnte auch bie Sonne 
beS neitnnbrecbenben goßreS ttießt baS Sicßt beS 
TrofteS hineinleuchten laffen! 

22er fennt nicht bie feßöne Sitte, welche na= 
metttlicß betn beutfeßen 93olfe eigen ift, bie leßten 


Stuttben bor bem beborfteßenben ^aßreSmecßfel 
in trauter SJereiitigutig mit greunben jujubrin» 
gett ? So finbett wir benn auch gerabe att biefem 
Slbenbe jenes Kränjcßen, in beffen Kreis wir uns 
bei einer früheren 3»fainmentunft eingefüßrt 
faßen, wieber nerfnmmelt, unb jwar itt bem 
£oufe beS würbigen IßorfißerS, beS Pfarrers 
3immertnann. Tod) bie 3aßl ber Slttwefenben 
ift eine weit größere, inbent bie eiitjelnen 21er» 
einSmitglieber, jttfolge beS befoitberen SlnlafieS 
unb einer frettnblicßen ©inlabting bott Seiten 
ber grau Sjßfarrerin, itt ^Begleitung ihrer ©e» 
maßlinnen, fowie ißrjr älteren Sößite unb 
Töchter fi<ß eingefteßt hatten. 2?or greube 
ftraßltc baS tnilbe Slntliß beS ©eifllidjen unb fei» 
tter liebensmiirbiqen ©nttin, welche ißm fo lange 
fdjott eine treue ©eßiilfin gewefen war, als fie 
baS muntere Treiben ber guqeitb überfcßatiten, 
unb unwiflfitrlicß feßweiften ißre ©ebnitfen in 
bie gerne, gebauten fie eines geliebten SoßtteS, 


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Pit Pfahlbauten. 


397 


ttietd^er, bem Stufe feines STteifterS getreu, bor 
2jaf)«it in ferne Reibenlättber hinausgezogen, 
ber bliihenben SEoctjtev, welche bem geliebten 
©alten über ba3 Seitmeer in bie neue £>eimath 
gefolgt war, beS jiingften Sohnes, melden ber 
Stuf beS PaterlanbeS aus beit portalen ber Uni« 
»erfität in baS ©etiimmel beS Krieges himutS« 
getrieben batte, uitb ber jeßt »ielleicht auf ein« 
famer Sad)t im ^eittbeSlanbe beS lieben Pater« 
ijaufeä, ber theurett 6(fern gebeuten mochte. 

Sa eS bereits ju fpat war, nach gewohnter 
Seife beit Stbeub bttreh ein gefefligeS Salti ju 
eröffnen, fo begnügte fich bie Sirtljin beS £>au« 
feS baniit, trefflichen ftaffee mit ©ebäd unter 
beit Perfammelten umherreichen ju taffen. 

„SBerthe Herren unb Samen," fo begann ber 
Pfarrer, itad)bem bie Anmefenben eine Seittang 
ber gefettigen Unterhattung fich hingegeben hat* 
ten, „ich brauche Sie nicht erft ju oerfichern, 
meldjeS Pergniigen eS meiner theuren ©attin 
unb mir bereitet, Sie an biefem lebten Stbenbe 
beS Jahres in unferm $eim zu begrüßen. Siefe 
an fich fd)on feierlich eruften Stunben finbburdj 
bie befonbereu Pcrljültniffe, unter welchen wir 
leben, noch erufter geworben. Sunfle, trübe 
Schatten fuchen fich auch in unfern reis herein« 
jiibrängen, hoch iajzt uns fie bannen! begegnen 
mir ben £)eiutfuchungen, welche unter 2aub be« 
troffen haben, mit uertrauensooll gläubigem 
Plide auf ben allmächtigen. SBeltenteufer, ber 
Alles jum Peften hinausführen wirb! Es ift 
unfer Sunfch, baß biefe Abenboereittigung, un¬ 
ter fo ernften Scittäuften fie auch flattfinbet, bo<h 
atleit unfern fjrretinben, ben alten wie ben iun» 
gen, ftets in freubiger Erinnerung »erbleiben 
möge. Sir werben nunmehr baju febreiten, bie 
gewohnten Uebungen itnfereS SränjcttenS ju er« 
öffnen, unb eS freut uns, jur iheifnahine an 
benfelbeit auch bie merttjen Samen, fomie mtfere 
jungen Sfrentibe eiitlabeit *u bürfen. Als ©egen« 
jtaitb ber geineinfamen Pefprcchung würbe bei 
ber Snfaminentunft beS »origen SanatS „Sie 
Pfahlbauten" aufgeftettt. Sir hotten — es fei 
mir biefe Pemerfuug geftattet — bamatS teilte 
Ahnung ba»on, baß wir uns gerabe au biefem 
Abenbe ober in fo liebensmiirbiger ffiefeflfctjaft 
wieber jiifainmenfinben würben. Soch unfer 
weither £>err Profeffor, ber Steferent beS AbenbS, 
wirb eS fidjerlich oerfteijen, auch biefem fcheiubar 
fo höljenten unb mit bem befonbereu Anlaffe, 
bem wir biefe fchöne Pereinigung guuächft »er« 
bauten, in feinem 3ufantineuhatige ftehenben 
Sbenia, Seiten ahuigeminnen, weiche auch baS 
^ntereffe unterer Manien, unferer ^ngenb in 
lebhafter PJeife wachrufen werben." 

So eiugefiihrt, erhob fich ber Profeffor unb 
begann nach ber üblichen Anrebe fofort auf baS 
itjiii zitgemiefeue Steina einzugeben. 

„Sir finb naturgemäß baju geneigt, an 


Abeiiben, wie ber heutige eS ift, Püdblide an« 
juftetlen auf biePergangenheit. 3» faum irgenb 
einer anbern Seit taucht baS Erlebte in folch’ 
fcharfen Umriffett, in fold)’ feierlichem Erttfie 
»or bem ©eifteSauge nuferer Erinnerung auf. 
Siefe bem Seufzen eigeuthümtiche Steigitrrg, 
beim ^abreSfcbluife Ereigniffe oft läiigft »er« 
ftoffener^ahre wie im bunten $aleiboffop fich 
»orjuführen, benuße ich nun, um Sie, mertpe 
Herren unb tarnen, einmal über eilten 3eit« 
raifm »on Stahrtaufenben b'nweg in bie Per« 
gangenheit jturiicfjtiöerfeßen, unb ich hege gar 
feinen Sroe'M« baß in uns Allen bttreh eine 
benfenbe Petrachtung jener altersgrauen fernen 
manch’ anregenber ©ebanfe auch für bie untnit« 
telbare ©egenmart machgerufett werben föntte. 

Sie eS jtt jener 3eit, auf welche mir Pepg 
ju nehmen gebenfen, in Europa attSfah, welche 
3uftatibe bamalS in betnfelben berrfditen, wer 
»ermöchte eS ju fngett ? Sie ©efeßiehte läßt uns 
hierüber »ollfomnien int Sttnfel, unb einzig ber 
AltertbumSforfcher fanit uns bis zu einem ge« 
miffen ©rabe über Sehen, Sitten unb Präucße 
ber älteften Pemoljner unfereS EontiuenteS Aus* 
fünft geben bttreh Sittbeilungen, bie er aus auf« 
gefundenen Pfeilen uttb Seffern, aus Scherbett 
unb ©eräthfdftafteu erfchließen muß. Pur biefe 
mit Aufbietung beS größten ScharffittneS, ber 
beharrlichften AitSbauer auSgefiihrte ^orfchung 
»ertnag eS, Sicbtftroblen in bie biente ftinfterniß 
biiieittzumerfen, in baS ®unfel, baS uns ent« 
gegenftarrt, fobalb wir in bie 3eiten einjttbriu» 
gert »erftichen, welche weiter jurüctreicheti, als bie 
Erjeugniffe beS lttettfchlicheu ©eifteS, bie wir in 
Pilber« unb Piichftabenfchrift, etwa bis itt’S 
%4br 2200 ». Ehr., »erfolgen föttnen. Sie 
©roßeS burch biefe uietfach belächelte „Saul« 
wurfsarbeit" jtt Sage geförbert werben faitit, 
bezeugen auf’S Schtogenbfte bie zahlreichen Ent« 
bedungen, welche neuerbingS bie Energie eines 
Schlientann aus bem bunfeln Erbenichoße an 
baS Sageslicht heroorgejaubert hat. 

Unter ollen fjutiben nun, welche uns, ftiifj» 
tapfen gleich, ben Seg in baS Pachtgebiet beS in 
ber Urzeit herrfdjenben EitlturlebenS anbeuteit, 
hoben zweifelsohne bie fogenantiten Pfahlbauten 
bie gröfite Aufmerffantfeit auf fich gezogen. 

Perfudjen wir, ehe mir auf eine nähere Pe« 
fdjreibung berfelben eittgehen, ober bie Ergeb« 
niffe feftftellen, welche aus ber Erforfchttttg ber* 
felbeu hf r »orgegangen finb, bie Eulturperiobe 
näher ju beftimnten, ber fie angehört haben 
ntüffen, fo ift eS bie ber fogenannte» Steinzeit. 
S)ie Eis* ober ©letfeherperiobe mar jutn Abfchlufe 
gefontitten. Sie älteften in Europa »aebzuwei* 
fenben Einmohtter, bie .^öhlenmenfchen, hatten 
währenb berfelben ihr ärmliches Sctfein unter 
fteten Kämpfen mit ben gefräßigen unb gefüljr* 
lidhen Ungeheuern ber Samnmthzeit fümntcr« 


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398 


Pie Pfahlbauten, 


lid» ju friften ftefudjt. ©un trat fine neue ©e» 
üölferung mit höbe«* Gulturfäbigteit in ihre 
(Srbfcbaft ein. 

Son weither £erfunft nnb ©affe jene Urein» 
Wobner auf europäiftbem ©oben gewefen fein 
mögen, ift felbft ber ©ermutbung entriieft. 3» 
ben ©fahlbauern bagegen loofien ©inige bie 
©prößlinge ber großen ariftljen ober inbogermo» 
nifrfjen ffamilie ertennen. wäbrenb ©nbere bie 
4?t)polbefe al§ bie roahrftbeinlitbere »erfechten, 
es feien ©tenftben finniger ©bftammuug ge» 


ftbiebene tobe ©erätbe aus $bon, £>orn, £)olj 
unb flnoeben lagen unb bi(fe tSiibenpfäble ein» 
gerammt waren, welche ©eiben bilbeten. Oer 
©(fjnlmeifter beS OorfeS, bem biefeS bö<bft auf» 
fafieitb erfebien, berief fofort ben ©ItertbumS» 
forfdber Or. gerbinanb iteder an Ort unb ©teile. 
Oa alle jene aufgefunbeiien ©egenftänbe unter 
bem ©ioeau beS mittleren SBajferjtnnbeS be» 
graben lagen, fo folgerte biefer ©elebrte borauS, 
bafe an biefer ©teile, wo bie ©fable eingerammt 
finb, in bas ÜBaffer bineingebaut worben war. 



Pfahlbauten. 


toefen, welche wenigftenS bie älteren ber ©fal)l= 
bauten errichteten, unb biefe feien bann fpäter 
tooit bem erften ©orftoße ber gewaltigen iubo» 
germaniftben ©ölferwanberung tia<b ©nropa, 
ben fielten, oertrieben unb aümälig in ihre 
jeßigen 9BobnfiJte, baS heutige 3?innlanb juriiet» 
gebrängt worben. 

©o oiel in Jfürje über bie 3eit ber ©fabl= 
bauten unb bie ©bftantiuung ihrer Setoobuer. 
©S war nun im ©Jinter 1854, als ju ©teilen 
am 3üe>tber ©ee gewiffe Uferbanten oorgenom» 
men würben, ©ei bem ungewöhnlich niebrigeit 
SBafferftanbe ftiejj man beim ©rabeit auf eine 
jwei unb einen halben fjufe biete ©toberfcbicht 
unter bem ©cblamme, in ber ©teiubeile, oer» 


unb baß bie ©auten als 3ufIwbtSjiätten für 
©tenftben unb Spiere unb als ©rfenale unb 
©tagajine für bie ©orrätbe oou ©teinwaffen 
©teiugerätbe beniißt würben. Oie nabeju bret 
•guß bitte ©ebiebte ber Gulturrefte beutete ferner 
barauf b<n, bah es ficb nitbt nur um ein turjcS, 
ooriibergebenbeS ©erweilen an bem betreffenben 
Orte, fonbent um einen bleibenbeu ©ufeutbalt 
j bafelbft gebaubelt butte, ©eitber fiubbieie Uebev» 
! refte menfcblicber SBobnungeu unter bem ihnen 
Oott Heller gegebenen ©amen ber ©fablbauten 
in ber ganjen SEßelt betannt geworben. ©päter» 
bin würben bann juerft in ben ©ee’it nnb Oorf» 
mooren ber ebenen Schweif fobann in Italien, 
JJrantreicb, Oeutftbloub (©apern unb ©tettlen» 


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Pie Pfahlbauten. 


399 


bürg), Gnglanb unb 3frlanb, Oefter* 
reich unb Ungarn ä^ulid^e ©fahl» 
bauten nachgemiefen, was gu bem 
Schluffe berechtigt, baß biefe eigen» 
tbüntli^e ©eife, ©oßnungen unb 
©tagagine auf bem ©affet gu bauen, 
in grauer Urgeit faft überall in Europa 
gebräuchlich war, eine ©ermuthung, 
welche burch ba§ gewichtige 3eugniß 
beS griechifchen ©efchichtSfdjreiberS . 

Qerobot beträftigt roirb. 9to»h im $.m>>mü*u. 

fünften ^ahrhunbert o. Gljr., berich* 

tet er, hätten bie SSölfer ihracienS biefelbe Sitte „Oie einzelnen Jütten oon länglich üierediger 
getannt. „3ufammengefiigte ©retter," fo fagt Sonn maßen gewöhnlich iiebenunbgmangig Suß 
er an ber betreffenben Steile, „ftehen auf hohen in ber Sänge unb gmölf Suß in ber Breite, 
pfählen mitten im See, unb haben »out Sanbe ©an nimmt an, baß oft nicht weniger als brei» 
nur eineu fdpnalen 3ugang burch eine eingige hunbert folcßer häljerner bauten in einer 9tn* 
©rüde. Sie mohueit aber auf folgenbe 9lrt. fiebelnng bereinigt mären, unb fomit ein Oorf 
3eher hat auf bem ©eriifte feine eigene £>iitte, bon etroa eintattfenb Ginmohnern unb bariiber 
in ber er lebt, unb eine Säflthiir, bie burch bie bitbeten. 3äfjlte man bodj an manchen Steüen 
©retter in bie See hinabführt. Oie flehten Sfin» mehrere |)unberttanfenbe bon pfählen, welche 
ber bitiben fie an einem Süße mit einem Stride in ber angeführten ©eife in ben ©oben einge* 
an, aus Sorge, baß fie hinunterfaüen tonnten." rammt worben waren. 

3<b hotte mir, merthe Herren unb Oa men, Oie fehr bicht neben einanber ftehenben pfähle 
gut Seroeutlichung beS über bie ©faljlbouten waren burch eingegapfte 9lofte berbunben. Oie 
©efagten einige Sfluftrationen aus meiner Jütten felbft beftauben aus leichteren ©alten, 
Sammlung auSgemählt, welche ich 3h«eu gur mit Sachwert bon Üleften, beren Swifchenräumc 
9Inficht borjulegen gebachte; aber, wie ich lebe, mit Sebm unb ©iooS auSgefiillt mürben. Sie 
fehlt mir leiber gerabe bie Oarftellung ber ©fahl» hotten mahrfiheinlicb Strobbacßer unb jebenfaUS 
börfer, fo wie wir fie uns etwa oorguftellen ©allerien umher, welche burch «ine fchmale unb 
haben. 3<h tann mir biefeS nur fo erfläreit, baß gumeilen fehr lange ©rüde mit bem Sonbe oer» 
mein tleineS Söbncben, ber bilberfücßtige llbert, buuben waren. 

fid) in meiner 91bmefenbeit, wie er eS oft thut, 3eh febe, meinen jungen Sreunben fchmebt bie 
in meine Stubirftube bineinfdjlicb unb bie be» Senge auf ben Sippen, weshalb wohl biefe Sau» 
treffenbe 3Buftration an einen anbern Ott ber* ten mit unfäglicber 'Jlnftrenguug im ©affer auf* 
legte." geführt mürben. Oie Antwort märe wohl bie, 

„(Urlauben Sie, £>err ©rofeffor," fagte hier baß jene ©fahlbauern fich auf biefe ©eife gu 
ber ©orfißer, „mich bäucht, in einer ©iiffionS* fchiißen fuctjten, weniger oor ben reißenben if)ie= 
fchrift einft gelefen gu hoben, baß auch bie ©e= ren, benn ©är, SuchS unb ©olf, bie bamatS 
mohuer mehrerer Unfein beS StiUen OceanS bei häufig waren, greifen ben ©tenfchen nur feiten 
ber Sltilage ihrer £>eimftätten in ähnlicher ©eife unb nur oereingelt, nicht aber in feinen ©oh» 
gu oerfahren pflegen, unb ich glaube, jene 3eit» nungen an, als oieimehr Oor ben Utacbbarn, in* 
fchrift hatte ber ©efchreibung gugleidj eine bilb* bem mabrfdjeinlich, wie jeßt noch bei ben ©ilben 
liehe Oarftellung ber ©faljlbauten, wenn ich mid} ouf ähnlicher ßiuilifationSftufe, fteter Urieg 
beS üluSbrudS begiiglich biefer ©ohnuitgen be» 9(fler gegen 91fle müthete. Ood) mögen auch noch 
bienen barf, beigegebeit. ©enn es 3hnen an» anbere ffiriinbe, wie g. ©. bie Grleichterung beS 
genehm ift, fo werbe id) baS betreffenbe £>eft aus j SifcbfnugS mit eingewirft hoben. Oen ©erfebr 
meiner ©ibliotljet berbeifdjaffen, unb eS möchte bemerfftelligteu fie öermittelft großer aus ©aum* 



bie bort gegebene ^lluftration oielleicht als Gr* 

faß für bie 3b"fn 
fehlenbe gebraucht 
werben tönneu." 

Oer Referent 
nnhmbaS9Inejbie* 
xtongtfafe. ten mit Onnt an, 

reichte bann bie 


2$otigefägc. 


mit einigen erfiarenbeit Semerfinuicit 
unb 3 l, fäßen gur ©nficht umher unb fuhr hier» 
auf in feinem Sortrage weiter fort. 


ftäminen gugehanener unb gehöhlter Ääljne. 

©eben wir nun, uacbbein wir in möglichfter 
$ürge eine ©efchreibung ber ©auten gegeben 
haben, gu ben ©ewohuern berfelben unb ihrer 
SebenSmeife über. 

Um hier mit einiger ©enauigfeit Oorgehen gu 
tönnen, bürfeit mir uidßt unbeachtet laffeit, baß 
ber 3eitramn, in welchem ©fahlbauten errichtet 
unb bewohnt würben, fich burch miubeftenS gmei 
3ahrtaufenbe biugieljt, baß olfo in bem Scben 
unb ben Gulturleiftungen ber ©emobner fich im 


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400 


Pie yfaljlbautm. 


Verlaufe biefer langen 5|3eriobe gar mannig» 
faltige Slenberungen unb (SntividelungSftufen 
IjerauSgebilbet Ijaben müffen." 




(Geglättete '-öeilbämmer. 

„£>err profeffor," tnarf hier bie ©attin bed 
Pfarrerd ein, „ed moflte mir fdjon oft [feinen, 
ald ob bie Herren ©eologen unb ©eognoften, 
menn ed fid) bavum hanbelt bad 9llter ber Grbe 
ober and) einzelner Gultitrepod)en 31 t beftimmeit, 
[ehr häufig beu SJunb nUjuDott nähmen, ja ein* 
*anber in flau} ungeheuerlichen 3 aI)Ieii 31 t über« 
bieten fudjten. Söiirben ^ie Diellcidjt bie ©die 
haben und mitjutheilen, auf melche SOBeife bie 
©eiehrten jur ^Berechnung ber 3^'it be 3 iiglich ber 
Pfahlbauten gelangt fiitb?" 

„Ptit bem größten Sergniigen. 2)odj fei tfkx 
gleich gum Soraud bemertt, bah ed fict) bei allen 
biefen 3 eitaugabcn nur um bad Ungefähr hau* 
be(u fann, unb bah ein Unterfd)ieb oon hunbert 
ober ainh mehr fahren babei nicht in’» ©emicht 
fallen barf. JBad nun bie Pfahlbauten anbe* 
trifft, fo hat man in erfter Sinie bie 3 eitbeied)« 
nuitg auf bie Jhatfache gegriinbet, baß unter 
ben Sfunben an oerfchiebenen ©teilen ©egen* 
ftänbe 3 iir Grfcheinung tarnen, melche besürtti^ 
ihrer Gntftehungjidj bur<h bie brei frohen Gul* 
turperioben ber ^teiu*, ber Sronce* unb theiU 
rneife and) ber ©ifeitgeit fjinjiehen. ©obann 
glaubt man in ber jorfbilbmtg, mcldje nach unb 
nach bie Sauten biefer ©attuug in ben Derfchie* 
benen IRooren iibermucherte, einen menigftend 
annähernb richtigen OTaßftab 3111 * ^Berechnung 
bed 9llterd ber früheften Pfafjlbörfer 
qefunten 311 haben. 2 llled biefed in 
SBetradjt gezogen, fcheiut ed mir buvch* 
and nicht übertrieben, bie erften 9ln* 
fänge biefer eigentümlichen SBohu* 
ftätien auf etma gtueitaufenb 3 lal)re 
jnvüdjubatiren. # * 

©leich Don beu älteften Pfahlbauern | a 
läßt ruh mit Seftimmtheit itadjmeifen, 
bah fie bereitd and bem 3 «ftanbe ber 
Sarbarei fich emporgearbeitet hatten, 
infofern fie febon mit grifchfang, 

Siebsucht unb bid 311 einem gemiffen 


©rabe arnh mit 9ldferbau fich befaßt haben 
müffen. 9luf ben gif<bfang mied fie ja bad Gle* 
ment hin, auf bem fie fich heimatlich einsuricb* 
ten Derftanben. 2)ah fie ferner ber ^a^b unb 
ber Sieh 3 ud)t nacbgiitgen, beseugen bie überaud 
zahlreichen Stno<ben*Üeberre[tc hon 3»agb* unb 
Landtieren. 5Racb ben eingebeitben Unter* 
ducbuugen SRütimeper’d, melche berfelbe in feinem 
überaud lehrreichen 2öerte „$ie §fauna ber 
Pfahlbauten in ber ©d)mei 3 " niebergelegt hat, 
[ollen fed)dunbfed)d 3 ii 3 Wirten oon 2öirbeltf)ieren 
in biefen grunben repräfentirt fein, nämlich feebd* 
unbstnansig ©äiuzethiere, fiebsebu Sögel, brei 
'«Reptilien unb zehn gifebe. 21 m reichlichften fan* 
ben fich bie SRefte Don £)irfcb unb Äuh Dor. 
kleben biefen beiben Stbiergattungen muh auch 
allen Grfcbeinungen ntd) bad ©cbmein überaud 
Zahlreich Dertretcn gemefeit fein. Söeit fpärlicber 
mar bad s «Rel), bie 3iege, bad ©d)af, fomie ber 
5ud)d unb ber Sfarber, noch fpärlicher bad Pferb 
unb ber ©fei. 3 U ben Sü)iereu, auf melche ber 
Pfahlbauer auch mof)l 3agb 311 machen pflegte, 
gehören ber Sär, 2öolf, Ur, Sifon, bad Gien, 
bie ©emfe, ber ©teiuboef. $ie jluodjen bed 
|)irfched mürben ihrer fiävte megeu imrnehmlich 
3 ur ^erftellung Don SBerfseiigen für ftechenbe 
unb fdmeibenbe 3nftrmnente benußt. 

• 2 lud) in ber Sebauung bed 9lcferd, fügten mir, 
feien bie pfahlbaueru nicht ungeübt gemefen. 
Siefed fönuen mir barand erfehen, baß fie Der* 
fdjiebene ©etreibearten, mie beu SBeijen, bie 
©erfte unb bie £)irfe faunten unb and biefen 
burd) 3 fvreiben 3 mifchen eteineu unb bermit* 
telft ^aubniühlen, Don benen ich 3huen hier eine 
2 lbbilbung oorlege, bad Stehl gemanueu, melche» 
fie 3 ur Sereitung ihred Sroted beburften. Siel* 
fach fiuben fi(h fobann auch bie Ueberrefte Don 
getrodnetem Dbfte Dor, mad und, ba bie Slepfel 
an ©röhe entfliehen bie Suchte bed milben 
2 lpfelbauined übertreffen, barauf fchließen läßt, 
bah f<hon 311 jenen 3 eiten bie Obftcultur eifrig 
betrieben morbeu fei. 

Gd bliebe und noch fdjlicßlid) bie 2 lufgabe, 
nach 3 umeifen, bid 311 meinem ©rabe bie niedja» 
nifd)e gertigteit bei jenen alten Semohuevn 
Guropad fich entmidelt hatte, ba gerade biefe* 








gijil/ imb üeuubcter 'öulvt*; Zet«tiutugcii auf (Gcmct^ftiidc. 
(SCutange ba tmbcubtu Miiuft.) 


jiti. cTby 


Google 


Pie Pfahlbauten. 


401 


einen £auptfactor in bem Kulturleben eines 
PolfeS bilben muß, über beffeit geiftiger Pe= 
fäfjigung unb geiftigen Seiftungen mir fonft 
gänglid} im Sunfeln gelafien finb. Unb hier 
oor Mein haben mir in nuferem Pachroeife ben 
oerfcbiebeueii 3e'tperioben SRethnung ju tragen, 
in melden bie überaus jaljlreidjen Pfahlbauten 
erftanben finb. ©enaue Unterfuchungeit haben 
bargetpan, baß in ben älteften 3 e iten berfelben 
bie Pietalle noch gänglich unbetannt mären, baß 
man es aber tvoßbem berftanb, felbft bie härteften 
©teine gu fthleifen unb gu bohren. Sie ©erätp» 
fchaften unb SBaffen biefer periobe finb bemnacf) 
größtenteils aus biefem fpröben Material, roie 
bem {feuerftein, ber mahrfcheinlich aus bem heu* 
tigen {franlreidj importirt mürbe, bem ©riin* 


Sürth ben Pebarf beS täglidjen SebenS an* 
geleitet, mürben au<h fthon in ben früljeften 3«i* 
ten rohe ©efchirre aus ungefchlämmtem Shon 
hergeftellt; ja mir finben beit ff ortfehritt in ber 
Sntroicfelung gu einer folcben .f)öhe gebieten, 
baß man auf hölgcrnen SBebftühlen eigene ©e* 
mebe aus ff lad)S bereitete. SaS Pilb, meines 
ich Shnen icßt gur Pefithtigung überreiche, mirb 
ohne 3meifel baS befonbere ^ntereffe ber Samen 
erregen, inbem eS ©cflechte unb ©emebe aus 
berfcpiebenen 3 e i* e « ber Pfahlbauten gut 9tit* 
fchauuug bringt. 

3m meitcren Serlaufe ber Pfaljlbautenperiobe, 
in ber immer neue Dlnfiebelungen biefer 91rt er* 
ftanben, traten bie Pemobner in baS 3f'lalter 
ber Pronce ein, unb in {folge ber ftenntniß beS 






ftein, ©erpentin, Ouarge hergeftellt roorben. 
2Bir ermähnen hier nur ber Pfeiifpißen, Pieffer, 
Peile, bie in überaus großer Pngahl in benjeni* 
gen Sdjithten aufgefunben mürben, meldje aus 
biefer älteften Gnlturepoche ber Pfahlbauten her* 
guleiten finb. 9luf ber 3üuftration hier, roelche 
ich in meiner £>anb halte, finben Sie bie getreue 
Sarftellung gmeiev geglätteter Peilhämmer, bie 
einft Don ber £ninö eines jener Pfahlbauern 
hergeftellt morben finb. 

Slußerbein finben fith gar mannigfaltige ©e= 
rätlje, bie aus $uotf)en, 3öhneu, |)olg unb be* 
fonberS £)irfchhoni angefertigt mürben. 3u 
fpäterer 3<ü< ba ber fhinftfinn unb bie ftunft* 
fertigfeit in hohem ©rabe fith auSgebilbet hat* 
ten, pflegte man roof)l, mie mir aus biefer^flu* 
jtration erfehen, bann unb mann biefe £>orn* 
geräthe mit Sf'^nuitgen, etroa eines £mfcheS 
ober eines ffiftheS gu fthmiicfen. 


PtetallS hob fith auch ber Kulturguftanb ber* 
felben ungemein. Sie 3nftrumente, nunmehr 
aus Pronce beftebeitb, mürben, mie aufgefunbene 
©ußforinen bemeifeu, an Ort unb ©teile ge» 
fertigt, unb bie Pearbeitung berfelben gu einem 
hohen ©rabe fiinftlerifcher Pollenbung geführt. 

Kublith giebt es einige Stationen, roelthe noch 
in ber Kifengeit fortbeftanben;. ja, an einer 
Stelle beS PeuenburgerfeeS hat man nur Griten* 
geräthe gefunben, bereu {form auf bie ällefte 
gnflifdje 3^1 hinbeutet, ttnb mit ben P'affen 
ibeiitifch ift, melthe bie ©allier in ihren Kämpfen 
gegen bie Ütörner benußten. Hub fo mären mir 
in' ber ©efchithte ber Pfahlbauten bei ber 3 c *t 
ber leßten KntmicfelnngSftufe angelangt." 

„P3ie ift eS gu ertlären, £>crr Profeffor, baf$ 
biefe Pauten, bie einft, mie Sie fugten, über 
gang Cruropa hin berbreitet roaren, fo fpurloS 
bcrfthroinben formten, baß man nicht einmal bie 


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402 


Pie Pfahlbauten. 


geriitgfte Sfttnbe mehr Don benfelben befaß, uttb 
baß nur tuie Dan ungefähr eine Eullurperiobe 
Don jroei Sahüaufeitben toieber jur jfenntnife 
ber fpäten 9lad)melt tommen mußte?" Wit bie= 
fer grafte manbte ficf) eine ber 2>amen ber ©e« 
jellicfeaft an beit ^Referenten. 

„Weine Herren unb tarnen, um biefe gemife 
fetjr facf)bienticf)e grage unferer gefdfeißten 
greuttbin 511 beantmorten, Dertoeife ich Sie auf 
bem ©ege ber Analogie auf baS ©efcfeid jener 
ungti'tdlichen Stabte £)erculanutn, Pompeji unb 
Stabiä, bereu einftige Eyiflenj gänjlich au» bem 
©ebächtnife ber Weufcbbeit gefcfemunben mar, bi» 
auch fie burdj baS blinbe Ungefähr auf’s 9teue 
an bie Oberfläche traten unb unfern ftaunenben 
©tiefen bie ©ultur längft entfchmunbeiter 3 c * ten 
enthüllten. 

Sn ähntidher SBeife, meitn auch in meit lauft* 
famerem ©rojeffe finb roobl and) bie Santen, 
melche als Jßema unferer Sefprechung bienten, 
Don ber ©ilbfläche gefdjichttichfn Seitens Der* 
fchmunben. Siete bei: Sfahlburgett ber Stein* 
üeit mürben jutn $feei( freiroiflift Dertafjen, mabr* 
fcheinlich infolfte ber Uebermucherting beS Dorfes, 
tneifteuS aber mürben fte burd) generSbriiiifle 
erftört. ©eitauS bie große Wehrjßtbl jeboefe 
anb mot)l ihren Untergang jur 3?it jenes fte* 
roottiflen SölferuubraiigS, ber, einem entfeffelten 
föteere gleich, fid) oon Cften her ergofe, unb in 
feinem ©ölterfd»matl bie gattje bisherige Se* 
Dölferung Europas Derfdjlang. — ®ie SfafeE 
bauern roaren flehte, in bem allju harten SJampfe 
nm baS $afein Dertiimmerte, guriidgebliebcite 
©eftalten, mie bie für unfere föänbe Diel ju tur* 
seit ©riffe ber ©affen unb ©eräthe barlhttn. 
Sor ben übermächtigen Sielten miefeen fie faft 
ohne Stampf jurücf, Derbrannten jebodj Dor 
ihrem fRiidjuge ihre bisherigen Sebaufungen, 
bie Sfahlbttrflen, um ben Verfolgern baS 9tach* 
bringen unb baS geftfeßen int fiattbe jpt er* 
fchroeren. 3“ ber Annahme, bafe bie Sauten 
Don ben Semohnern felbft uttb nicht in ober nach 
bem Stampf eiugeäfdjert mürben, berechtigt unS 
ber Umftanb, beiß nirgenbs baS Sfelett mich nur 
eines Wcnfdjen gefuttben morben ift, ma§ ttn* 
möglich märe, meitn bie Derjehrettbe©luth in ber 
Ctiße ber mörberifchen «Schlaft ihr jerftörenbeS 
©erf begonnen tinb DolJeitbet hatte. So hotte 
bie TOenfchhfit bergeffen, bafe e§ einft Sfatjl* 
börfer gab. „9tur bie glüfterftimine ber Sage," 
fefereibt ein J&iftorifer fcljött, „muffte noch gu er* 
fühlen Don bem ©ölflein fchetter 3merge, melche 
int ©aff er ober in £>öfefen mohnen ober in bie 
Serge flüchten Dor bem Snbrang ber überlegenen 
Wenfcheit." 

Uttb nun, meine Herren unb tarnen, haben 
mir ben fRiidtblid in bie altersgraue Soweit ge* 
than. Steigen mir nun aus ber Wobergruft 


ber ©rflorbenen mieber üur ©egenmart empor, 
bereit Solä noch Doll SebettSfraft fdjlägt, in 
bereit großem SebcnSorgnitiSimtS auch mir einen 
2heil bilbett, eine ©teile gefunbeit haben! Vier 
Safjrtaufenbe mögen Derraufcht fein, feit ber 
erfte ©fahl ant ftillen ©clättbe beS SeeS in ben 
Sobett eingeraimtit mürbe. Sölfer erftanben 
feither, Sölfer Derfchmnnben. ®ie Sbßfiognomie 
ber gefnininten ciüiiifirten SGßelt ift ju oerfchie* 
betten Walen eine attbere gemorbenj aber ber 
alte ©ott lebt noch, ja noch mehr, er tfiberfelbe; 
benn taufenb Safere finb Dor ihm mie eilt 2ag. 
Wit biefem ©ebanfett laffet uns, meitn auch 
unfere £erjen DOn banger Sorge befchroert fein 
mögen, in baS neue S a fer hhieintreten, unb 
möge baS Worgenrotfe beS erften Sonnen*9litf» 
gangS unS ein Spmbol beS fJriebettS fein, ber 
©ofelfafert, beS Segens, ben ©otteS ©nabe uns 
im neuen Sabre reichlich fchettfen mode!" 

9)1 it ber Seenbigttng beS SReferalS maren, mie* 
gemöfenlich, fo auch jeßt bie Uebungen beS Stränj« 
djenS gttm 9fbfd)lufe gefontmen. 3>ie lebte Stuttbe 
beS fcheibenben Saferes brachten bie ©lieber ber 
©efeüfchaft in ber ihnen am meiflen jttfagenben 
Unterhaltung ju: bie Suflfib in fröhlichem 
Scherben unb heiteren UnterbnltungSfpielen, bie 
Ermacfefetien theilS in fortgefeßter Sefprechung 
beS ©efeörten, theilS auch in erufter Unterrebung 
über bie 3 ei<hen ber 3 e*t, über bie Erfahrungen 
beS beinahe Derflojfenen, bie ©rmartungen auf 
baS halb hereinbrechenbe Safer. 

So nahte bie feierliche WitternachtSfhinbe 
heran. Slttrj ehe bie Stanbuhr jitttt }roölftcn 
Sfttttbenfchlage ausholte, rief ber ftausmirth 
alle 9lnmefettbett jttfointiien. S'< eruftein ©ebete 
beugten fich 9111er ©ciupter. Semegteit ^terjenS 
liefe ber ©eiftlicfee bie Stimme beS Kaufes gegen 
©ott laut roerbett; ÜBorteberQfürbitteeutfeoffen 
feinem berebten Wttttbe für bie Don fo fefemeren 
Seibett heimgefnehte ©Jettfehheil; hfißfö flehen 
brach ruh bei Sahn, baß ©ott in ©naben baS 
neu beginnettbe Safjr mit bem fo fefer erfehnten 
Qfriebett, ber fRiidfehr ber ©eliebteu frönen 
möchte. — ©S fchlägt gmölf, unb in tntmillfür* 
lichem Schroeigeu Derharrt bie ganje ©efeüfchaft, 
bis ber leßte Schlag öerflttngen ift, morouf fie 
aüe mie attS einem Wittibe ben tfeetiren, bem 
beutfehen ^terjen fo lieb gemorbenen Eh oral an* 
ftimmen: „fRtttt bautet 9ifle ©ott." ®attn fegnet 
ber ©eiftlidje mit aufgehobenen £>ciiiben uttb 
lemhtenben ©liefen baS neue Saht ein in beo 
©Orten beS altteftamentlichen SegenSfprucheS: 
„®er £>err fegne bich unb behüte bich; ber ^err 
laffe fein 9lngefid)t leuchten über bir unb fei bir 
gnäbig; ber £>err hebe fein 9lngeftd)t über bich 
itnb gebe bir ^rieben!" 

Sich gegenfeitig ein fröhliches 9tenjal)r roiin* 
fcheub, gehen bie Serfamtnelten nun auseinanbet. 


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$eflette bein Haus. 

£31UfttlU bcin 

Sou $. 8. 


403 



fd^rieb ftc^ eic^cntfid) S e b a ft i a n 
|)üfner, mettn er fich nämlich 
überhaupt fdjrieb, toaS aber, feit= 
r biefen feinen Hamen unter feine 
BifitationSfchrift in ber Schule — 
dpie 2lnftrengung — gefeßt hatte, 
im jungen fefjr feiten bei ißm Dorfam. 
3m Dorfe nannten fie ibn „Säfiele", 
1 mie man feinen ©rofeoater auch gebeifeen 
batte. 8t mar nämlich tlein non tßetfon, 
f mie 3a<häuS ber 3äöner. Huf ben Maul« 
w beerbauin aber mar er noch nicht gefliegen, 
X uin 3efunt gu feben, eS nab freilich im 
r Dorf aud) feinen Maulbeerbaum; Sä fiele 
f follte baS erft fpäter lernen. ©in 3olIeiu* 
nehmet mar er aud) nicht, rnobl aber ein 3oll» 
auSgeber. 2(ufeer ben jährlichen 9lbgaben uitb 
«Steuern, bie er nie fcbulbig geblieben ift, begafft te 
er jebeit Samftag Morgen flehen 7 Uhr feine 
jtoei Sfreuger Sflaftergelb an bie alte f?rau in 
bem Keinen fjäuSlein mit ber lticbrigen Seranba. 
DiefeS Keine |)äuSlein ftanb ani 2 höre ber 
arofeen Stabt, unb in bie grofee Stabt fuhr 
Säftele piiitKUcb jebe 9Socbe auf ben tfornmarft. 
Schräg gegenüber non bem fjänSlein, bnrrf» bie 
breite, ftaubige fianbftrafee, ben ©rabett mit fei= 
nem grünen ©raS unb einen angenehmen 3mfe= 
pfctb getrennt, lag ein ummauerter tjMüß. Süffele 
erinnerte fid) nicht, baS Dfjor in biefer Mauer 
jemals offen gefefjen gu hüben, unb ba über« 
mäßige Heugierbe fein ftefjler nicht mar, fragte 
et nicht biei Darnach, maS hinter ber Mauer 
liege; er richtete fich auch auf feinem Hktgen 
nicht auf, um über bie Mauer gu flauen, fo oft 
er fdjon Dorbeigefahren mar. 2ltt ben Dhor» 
pfoften rechts unb linfs ftanb eine SoKbrift; bie 
auf bem rechten Dborpfoften toar für Sä ft de 
eben fo unleferlich, mie baS „Mene, mene, Defel, 
Upbarfin" für bie ©fjolbäer in Sabplon; bie 
aber auf bem linfen Dfjorpfofteu bnchftabirte fich 
Saftete im Sauf ber 3eit gufautmen. Die 3n* 
fchrift lautete: „Seftel le beiu£attS!" Uub 
gegenüber auf beut anberu Stoffen ftanb baffelbe 
in h«tmäifcher Sprache. Hmt merbe ich meinen 
lieben Sefertt fattm ttod) gu fageu brauchen, baß 
baS Jfjor nirgenbS attberS hin führte als in beit 
3ubenfird)bof. 

Saftete aber mußte baS immer noch nicht, ttnb 
bicroeil er mit ber beutfcheit Hccbtfcfereibung geit* 
lebettS auf gefpanittem fjufe ftanb, fo las er bie 
brei SBorte nach feiner Manier, nämlich 
nicht: „Seftelle," fonbent „Säftele beiit fjanS." 

DaS mar nun freilich meber lautrichtig, noch 
tonrichtig, noch fiuurichtig, hätte ber Sfyuluieifter 


gefagt, menn ihn Säftele um bie Sache gefragt 
hätte. 9lber gum Sinnirett brachte bie ^nfchrift 
ben Säftele hoch; ja er fob, feitbem er bie 3n= 
fchrift heraus hatte, bie alten bermitterten Such« 
ftaben anbäd)tiger an, als baS mooSüberroadhfent 
Steinfreug, baS oben an ber fjalbeitftaige ftanb, 
unb bon bem bie Seute fagten, es begeichne ben 
Ort, mo in uralter 3eit ein 2Banberer fei er« 
fchlagen roorben. DaS ßuriofefte mar nämlich 
bem Säftele baS, baß gerabe fein Hamen auf 
bem tßfoflen flehen foUte; unb mantm nicht eben 
fo gut baftchen tönnte: „#anSjörg beiit £>anS!" 
ober „Michel bein £auS!" mar ihm ein fdhroer 
gu ergrüttbenbeS Hätbfel. Schliefend) beruhigte 
er fich bei bem ©ebanten: ,,©S gielt eben auf 
b i d>." 

„6S gielt fchon mieber auf bich," fügte er an 
einem Samftag Morgen, inbem er einen halb« 
fcheuen Slicf bem Sfoften gumarf unb in ber 
Skfientafche bie ,<treuger gufammenfuchte, um 
fie ber am DborbäuSlein barrenben alten grau 
eiitguhättbigen. ,,©S gielt fdjon mieber auf bich, 
unb Säftele, bieSntal meifjt unb merfft, roaS eS 
gu bebeuten hot, unb bein ^>auS bebältft btt; ba 
fteht’S ja, bafe es bein £>auS fein uub bleiben 
fall, mie es beiueS SaterS uttb beineS ©rofeoaterS 
ftauS gemefen ift." 

6S lag an jenem Morgen eine fernere uttb 
forgeuOolle SSocbe hinter unferm Säftele. 91m 
Dienftag mar ibnt plößlid) eine alte Schttlb ge« 
Kinbigt morbett, Don ber er gemeint hotte, eS 
höbe mit ihrer £>eimgahlung noch gute 2Beile; 
am Mittwoch hotte er, mie er bie iftipferfreuger 
in ber Meftentafche gufammenfuchte, bie ©uiben 
unb bie Jholerfcheiue in feiner Schublabe gu* 
fammengetlaubt; aut ®outierftag fagte er fich, 
bafe aü fein baareS ©elb nicht hinreiche, um 
auch nur bie Hälfte ber Sthnlb gu beden, unb 
hatte mit feiner fffrau eine längere Unterrebuitg 
gehabt, tt a d) ber er aber eben fo Kug mar mie 
tiorher. Unb aut Freitag mgr ein |)evr aus ber 
Stabt augefommen mit fchmcirgetn £ut, f^hmarg* 
feibener .fcalsbiitbe, fchroargem Sart unb gelocf« 
tent Haupthaar unb bot ihm ©elb an, fo Diel 
er nur haben toolle, gegen gute Sicherheit Der* 
ftebt fic|. 3nm Schluß hotte er fafleu taffen, 
er miirbe auch ouf einen imtiSDerfauf eingehen, 
unb er rotifete für ben ,,.£>errn Hüfner" ein Diel 
tauglicheres 9lnroefen, baS mehr iu ber Höhe 
ber Stabt gelegen märe unb bem „fterrn 4>iif* 
ner" überhaupt beffer anftiinbe, als baS alt» 
mobifche ®ing in bem lumpigen Dorfe. Säftele 
griff fich gnerft an ben ffopf unb fragte fich, ob 
beim eigentlich er ber |>err £>üfuer fei, bet in 


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404 


$efUUt bein $jatu. 


ber Häuften 3«it fo graufam oiet ©etb braune, 
um eine Scbulb jii bejahen; bann batte er bem 
Serfudter einen Sirtfler gereicht, ober bieweil 
fein SBeib, baS aud) bobei ftanb, ibm jublinjette 
roie eine ©ute, wenn fie ins Sonnenlicht fchauen 
muß, butt« er fcbtiefcticb uic^t 3a ltnb nicht Stein 
getagt, fonbern bie £>anb unb mit ibt ben 3fin= 
ger jurüdgejogen. CuS aber batte er Derfprod)en, 
.er rooüe am näcbften SRartttag bei bem £)errn 
'felbft in ber Stabt oorfprechen unb »eitet mit 
ibm in ber Sache reben. 

Oem Befer »irb nun baS Setbftgefpräch 
SäfteleS fein 9tätbfel mehr fein. ©r brauste 
übrigens feinen befoitbcren ©ang ju tbnn, um 
fein Serfpredjeu ju balteu. Oenn als er in ben 
„Stern", baS SJirtbSbauS, »o er gewöhnlich 
eiufteflte, fam, faß ber Scbwarjgelodte fd)on feft 
am Oifd), batte eine tJtafdje Stotben bor fid) 
fteben, ein PoßeS ©taS unb ein leeres, unb warf 
bem &errn ©iifner griißetib einen berftcinbniß* 
innigen Slia ju. „3ft 3b« e « «6er Stacht ein 
guter ©ebanfe gefommen, £err ^iifner ?" 
fliifterte ber Scbmarjgelodte, nadjbem Stiftete 
bebäd)tig neben ibm ©lafc genommen tjatte. 
„C'ieute 3tadjt nid)t; ober bafür beute SJtorgen," 
fugte Saftete, inbcm er baS teere ©las, baS fein 
©cgeniiber eben auch bofl fcfjcnfen wollte, mit 
bem gebogenen 3eigfinger ibm jurüdfcbob unb 
einen Schoppen Sier bor fi<h auf ben Oifdj 
pftanjte. „Unb?" fragte ber Schwarjgelocfte, 
bie geneigte SBeinftafcbe noch in ber ftanb bat* 
teub. „Stein ftauS bebatt ich; beun mein ftauS 
ift mein," fagte Stiftete ruhig, aber mit einer 
fotcb feierlidjen Seftimmtbeit, baf} ber Scbwarj* 
gelotfte uuwifHiirlicb fragte: „2Bo ftcbt baS ge* 
fd) viebcit ?" — „SBo eS gefebrieben fteljt ? braunen 
am Steigert bor, febräg gegenüber bon bem 
ftiiuStein, roo man baS Sftaftergetb bejablt." 
Oer Schwarjgdodte fab ihn berbtüfft an, benn 
er famtte ben Crt, unb wufite fogar, was hinter 
ber Stauer tag. „Slber, »ie fo, fterr Hüfner ?" 
— „Stein ftauS bebatt id)," fagte ber Saftete 
noch einmal, trotnmette an bie ^enfterfdjeiben 
unb fab auf bie ©affe hinaus, »o bie Schwat* 
ben über baS Sftafter bufdjten. (Sv badjte im 
(Stiften an bie Schwalben, bie in feinem ftauS 
it)r Steft gebaut batten. „So erftaren Sie mir 
bod), fterr Hüfner!" — „3d) muß auf ben ,<Jorn= 
mnrft," fagte Stiftete, „fonft berpaffe itbbie befte 
3eit," tranf feinen Schoppen aus unb ging. 
,,©S ift boeb nicht» umfonft," fagte er, a(S er auf 
bem Heimweg StacbmittagS an ber fonberbaren 
Snfcbrift uorbeifubr. — 

Oie «cbulb »ar befahlt, eine alte Safe, bie 
Stiftete ungern unb nad) langem Sefinnen an» 
gefproeben batte, war ihm behilflich gewefen. 
Oie 3nf‘hrift toS Stiftete noth tieffinniger a(S j 
jubor, fo oft er boriiber fuhr. ,,3d) weiß nicht, j 
warum mir’S beute fo gar arg beim preffirt," I 


fagte er ju einem ihm befannten SReifegefdbrten, 
ber am SJtefcgertbor bei ihm aufgefejfen war. 
„Saftete, bein ftauS, ja eS jiett wieber auf bi<h," 
fefcte er halblaut binju, fo baß eS ber ffamerab 
nicht beachtete. „SMrft beinen neuen Cfen pro* 
biren wollen, man taun beute Slbenb gerabe baS 
©inbeijen leiben," fagte ber Jfamerab. „Sin 
nicht jufrieben mit bem neumobifchen Oing, 
Wollt’, id) hätte meinen alten beutfd)en Ofen 
noch." — „ittber ber neue berfperrt weniger ©iah 
unb frißt nicht fo biet ftolj." — „grißt mehr, 
fag ich bir; eS ift mit ben atten großen Cefen, 
wie mit ben ftunbeit." — „2Bie baS ?" — „SBenn 
bu einem ftuitb einmal tüchtig ju freffen giebft, 
fo ift er jufrieben unb lauft nicht jebe Stiuute 
an bicb b^r, um einen Srocfen aufjufchnappen. 
So ift’S mit ben alten Oefen gewefen. Stan 
bat fie einmal ober jweimal am Stage tüchtig 
gefüttert, bann bat’S gehalten; bie neumobifchen 
Kanonen fommen mir bor wie bie ftunbe, bie 
jeben Slugenblicf einen Srocfen motten." Oer 
ffamerab lachte; fie roßten weiter, ©in ÜZBirtbS* 
hauS ftaub am SSege, an bem Stiftete fonft nicht 
borbeigetommen mar, ohne einen Keinen Stufent* 
halt ju machen. Unb bie Sferbe, bie ihres £>errn 
©emobnbeit beffer tonnten, als er felbft, bogen 
fchon rcihtS in ben $»of ein. Oer ffamerab ftanb 
bereits auf, um ouSjnfteigen. „Sch tebre heute 
nicht ein," fagte Saftete unb jog bie Sferbe nach 
linfS. 3ui SiirtbSbauS öffneten fich bie fjenfter: 
„Äonim nur herein in bie warme Stube, fannft 
noch tauge genug erfrieren, wenn bu bie Staige 
hinauf fommft," riefen woblbefannte Stimmen 
bon brinnen heraus, „unb ’S ift eben frifd) an« 
geftodjen." 

Oer ffamerab war bom SBagen herab ge* 
fprungen. „Sur einen Schoppen," fagte er, „ich 
hole bid) noch ein, wenn bu beute ben Sefonbern 
machen willft. fjabre langfant ben Serg bin* 
auf." „Säftete bein •ÖauS!" fagte ber auf bem 
SBagen bor fid) bin, unb fort ging’S. Oa lag 
fein £>anS. Oie ©affen waren tneufchenleer, 
feine ffinber waren noch in ber Schute; feine 
ftrau war in ein StacbbarbauS gegangen, ben 
jfnedjt hörte er in ber Scheune Qfutter fchneiben. 
©r beforgte felbft rafcb bie Sferbe unb trat, um 
fich JU miirmen, in bie Stube. 3a bie War auch 
warm, ©in ©lutbauch unb biefer Cualin föblug 
ihm auS ber geöffneten SLbiire entgegen. Oer 
neumobifebe Ofen war etwas ju gut gebeijt 
worben, unb ber StachS, ben feine 5rau am 
Cfen batte börren woßen, ftanb in beßen ^tnm* 
men; fd)on glimmte baS ©etäfet in ber Siäbe 
beS CfenS. Saftete raffte bie balböerfoblten 
gtimmeuben Stengel auf einen Raufen jufani* 
inen, warf ihn in bie Stitte beS 3immerS unb 
j ftiir.de ben Oifdb boriiber, bafe Scejfer, ©abel 
j unb Büffel in ber Sibublabe jufammenflirrten. 

I Oauu batte er aus ber Äiicbe einen ßiibel unb 


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Peftelle lein $aus. 


405 


Wmf ben äßoiferfdjmoll über baS fohlenbe @e» erften Tagen nach bem Unfall bei ifjm gewefen; 
täfel. 3fßt rife er bie Sfenfter auf. Stit ge* er wufete nichts mehr baoon. „@S ift ein flutet 
freisten 'ilrnien ftanb ber Wann bor bem um» &err," backte er bei fich fetbft; „er fommt mir 
geftürgten Tifch- „Saftete bein ftatts!" faßte er: im ftlugenblicf in’S #auS, unb id) bab’S oft ein 
„hätte mich baS nicht heimgetrieben, fo ftanb’ ich halbes 3ahr anfteheit laffen, bis ich 'hm in bie 
heute ftlbenb oieUeidjt auf einem Sranbplaß." .ffiretje flegannen bin." — Ter Saftete ftanb alfo 
©eganft hat er an biefem 5lbenb mit fttiemaub, noch fo, bafe er meinte, man gehe „bem fpernt 
unb baS mar feiner ff rau, als fie heimfam unb Pfarrer" in bie ßirche, ein Stanbpuntt, ben 
über ber fcferecflidien fReuigfeit bie £änbe gufam» mehr Seute theilen, als man glaubt, 
menfchlng, baS wunberbarße. — Ter Pfarrer fam, er griff, nad)bem baS Ueb* 

i'tan roch in ber «Stube SäßeleS längft nichts lieh« gefprochen unb Siebe unb ©egenrebe ein 
mehr bom Sranbe, burch bie offenen fjeufter gog wenig tn’S Stocfen geratheit war, nach ber Sibel, 
bie milbe ÖrriifelingSluft; eS war wieber «in bie auf bem Srett über bem breiten fjenfter lag. 
Samftag unb Säftele mar auf bem Äormnarft. SeiS blies er ben Staub bom Tecfel unb fchlufl 
2US er bieSmal an ber 3nfcferift borbei unb ber auf — ben Propheten 3rfaia, baS aefetunbbrei» 
£>eintath gufuhr, ftanb baS Thor offen; brintten feigfte ffapitel. ©r fing an gu lefen: „3" ber 
in bem ummauerten Slaß ftanb eine anfefjn» 3 e 't tnarb £>isfia tobtfranf." Säftele feufgte 
liehe Serfantmlung, feltfame freniblänbifche fcpmerglich auf. Ter Pfarrer fuhr fort: „Unb 
Saute, aus bem Staube eines lebhaft geftifuli» ber Prophet Sefafa, ber Sohn 2lmog, fam gu 
rer.ben WanneS, brangen über bie Wauer. Sä» ihm unb fprncb gu ihm: So fpricht ber $err: 
ftele oerftanb feine Silbe babon, fo biel aber Scftcfle bein £>auS; benn bu wirft fterben unb 
berftanb er, baß eS fich hier barunt feanble, bie nicht lebeubig bleiben." 35er Pfarrer wollte 
fterblicfee £>ülle eines ©rbettpilgerS in bie ©ruft fcbuefl weiter (efen, aber Säftele rief: „3eßt ber» 
gu fenfen. fleh ich’S, £err Pfarrer. 3a, ja, fo heißt» bei 

„2öen begräbt man ba ?" fragte er einen Sor» mir, unb beSmegcn hot eS breimal auf mich ge« 
übergehenben. „Ten f>errn Saruch Söwen» gielt." Ter Pfarrer bliefte ben ifranfen ber» 
fteiner," lautete bie Antwort. SSäftele faunte munbert an, er glaubte nicht anberS, als er 
ben 9 tarnen; eS war ber Scfewarggelocfte. 3" fpreefee noch einigermaßen im lieber. 2Beil nun 
tiefe ©eöanfen berfunfen fuhr er weiter, baS aber SSäftele wie ber iföttig #istia gu ber 2Banb 
aüirthShauS an ber etrnfee mar glücflich bor» fein 9lngeficf)t wanbte, fo las ber Pfarrer Weiter, 
über; es ging bie ^albenftaige hinauf. Sang» baS ©ebet f)isfiä. ftllS eS int breigel)itten SerS 
fam trabten bie -ßferbe. Tie blüfeettben ©e» lautete: ,,9lber er geibrach mir alle meine ©e» 
biifche am Stege nieften im warmen frühlings» beine, wie ein 8öwe," feufgte Sei ftele noch «in» 
winbe unb ftreuten ihren gelben Staub bem mal. Grft bei ben Söorten beS fiebgehnten Ser» 
fftthrinaun auf Etappe unb Schulter; ber fchiit» feS: „Tu wirfft alle meine Siinbe hinter bid} 
telte ihn nicht ab; er niefte gleichfalls, er war guritef," wanbte ber $ raufe baS Slngeficht wieber 
eingefchlafen. TaS war ihm noch nie begegnet, langfam um unb fab bent Sforrer getroft unb 
fo lange er in bie Stabt fuhr. Ta, oben am guoerfichtlich in’S Suge. TaS ifapitel wttr gu 
Steintreug, febeuten bie ^ßferbe, Säftele würbe ©nbe gelefen. ©in 2Öort gab baS anberr, Sä» 
burch einen heftigen Stofe t»om Sagen gefchleu» ftele erzählte bem Sforrer üoit ber 3nfcfjrift am 
bert, baS Sorberrab ging ihm über ben fjfufe, 3ubf"tirdjhof, unb wie er fie fo folfch gelefen 
er wollte fich aufraffen unb nach bem Seitfeil unb boch eigentlich richtig oerftanben habe, 
greifen, er oermochte eS nimmer, ober feilt ffrtife SäfteleS Sein War halb wieber geheilt; wer 
War ittS Seitfeil oermicfelt, unb fo würbe er Pott ihn nicht gerabe barunt anfatj, merfte eS nicht 
ben gang rafenb geworbenen Tfeieren fammt einmal, bafe er beim ©eben ein wenig h'nfe. 
bem Sßagen gefchleift, bis eS einigen ans bem 3" bie Stabt auf ben ßornmarft fuhr er am 
nächften Torf herbeigeeilten Wännern gelang, Samfiag nach wie oor; aber eben fo pünftlich 
fiejuim Stehen gu bringen. ging er am Sonntag fDtorgen in bie $ir<he, 

Wan hob ben übel 3"fleri<hteten auf feinen wäferenb er fonft ben Sonntag Sormitlag bogu 
SBagen unb fuhr ihn langfam nach £>aufe. benüfet hotte, mit ben ©efcfeüften unb ©efchäft» 
„Toppelter Seinbruch unb bebenfliche Jluochcn» cfeeit ooflettbS fertig gu werben, bie über ben 
gerfplitterung; einett Jürgen ffrtife wirb er be= fl'ornmarfttag liegen geblieben waren. 2öir 
halten," fagte ber Toftor, als er fpät in ber föitnen nicht fagen, Säftele fei beSwegen in fei» 
Stacht aus 35äjleIeS £auS ging. ttent SermögenSftanb gurüctgefommen, aber baS 

Säftele fchwebte geraunte 3 e, t gwifhett Tob föitnen wir fagen, bafe er in anberem, waS föft» 
ttnb Seben. TaS erfte, was er nach langen, lieber iß als ©olb unb biel feines ©olb, Doran 
bangen Tagen auSbrittflid) berlangte, war, man fam. 

foüe ben Sforrer holen, ©r Williberte fich, ols ?(m Sonntag Nachmittag fragte er oon jeßt 
matt ihm fagte, ber Sforrer fei gleich in ben an barnach, toaS feine ffiuber bie Stoche über 


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406 


ftleine JJöubet unb iljre Burgen. 


in ber Schule gelernt hatten. Uitb als ihm ein» 
mal fein jüngfteS Söchterlein bie ©efdjidjte oon 
ber töbtlichen Jtranfheit beS Königs #istia er« 
siählte, ftanben bem Sater Sl^ranen in beit 
vlugen; baS ffinb mufste nicht warum. 

lillS nad) einigen fahren im 5)orfe bie Sirdj« 
hofmauer tjcr^eridjlet mürbe, meinte Söäftele, 
man follte am SLljor eine 2>ntcf)rift anbringen 
laffen, man mijfe nid)t, mogu baS gut fein tonne. 
6r burfte jefct in folche Sachen wolfl brein 
reben; er mar uuterbeffen JSirrfjenültefter ge» 
Worben. „Unb roa» wollen mir binfchreiben ?" 
fragte ber Pfarrer. „HBcnnS auf mich antommt," 
fagte Säftele lächelnb, „fdjreibeit mir auf ben 
iinten tßfoften mit fdhwarjen Suchftabeu: ,,93e« 


[teile bein $auS, benn bu wirft fterben unb nicht 
lebenbig bleiben." „Jlrtb auf ben rechten?" frug 
ber Pfarrer, „etwas £ebräifd)eS wollen mir 
nicht Ijinfchreiben laffen, benn baS oerfteljen bei 
uns bie 2eute nicht." „Stuf ben rechten tßfoften," 
fagte SBäftele, „fe&eit Wir mit golbeiten s -öucf)= 
ftabeu bie ^nfchrift: „Selig finb bie lobten, 
hierin bem Jperrn fterben." 

So gefchah’S. Seit fünfzehn fahren faitn 
jeber, ber am Äirdfhofe öoriiber geht, biefe bei« 
ben Suföriften l«f*n. Unb feit fünf fahren 
tonn man briuneit im Kirchhof auf einem ein« 
fachen Äreuje lefen: „£>ier ruht Sebaftialt £>üf« 
uer, Sauer." 2)ie erfte 3nfchrift ift an ihm wahr 
geworben, unb wir glauben, bie jmeite auch. 
















ültine jSäuber unb itjre gurgen. 


407 



SDte Spinnt unb 9le|. 

nett, baß wir eS gu glauben oerfttögen. Unb beS 
3ntereffanten bietet uns biefe Irdjitettengunft 
in Jförperbau, Jfunftfertigleit, SebenSroeife jc. 
nicht wenig. 

©pinnen finb in mancherlei Aborten über bie 
(lange ©Belt gu finben, aber ain ljäufigften in 
tropifd^en Säubern, wo fie auch am größten finb. 

3n ihrem Körperbau finb fie alle einanber 
febr ähnlich. Söäßrenb bei ben 3nfelten Äopf 
unb ©ruft burd) einen ©infchnitt getrennt finb, 
finb fie bei ben ©pinnen gu einem eingigen ©tiid 
Pereint, ©pinnen haben alfo leinen |)alS. ®ie= 
fer auS ftopf unb ©ruft befteßenbe ©orberleib 
ift mit einem hornartigen ©chilbe oon gewöhn* 
lieh ooaler gorni bebeeft. ©orberleib unb hinter» 
leib finb burch einen büniten ©tengel mit ein* 

anber oerbunben. 
2>er Hinterleib ift 
gewöhnlieh Weid) 
unb fehwülftig. 
3ebeS ber acht 
©eine befteßt aus 
fieben ©elenlen, 
wobon bie lebten 
mit Halen Per* 
wieber tammartige 



«Der ftufc einer ©pinne, berßröfrrt. 

fehen finb, an benen fid) 


3nßne befinben. 

®er greß = Apparat ber ©pinnen ift ein febr 
complejer. ®ie Seißgangen finb mit bemeglieheit 
£alen Perfehen, burdj weldße beim Seißen eine 
mehr ober weniger giftige gUiffigleit fließt. 

©pinnen ^abert meiftenS acht lugen, beren 
Sage jeboeß bei perfehiebenen Irten eine febr Per* 
feßiebene ift. 6Hiebe ©attungen haben bloS feehs 
lugen unb einige Irten nur gwei. 



©pinnapparat 


Im ^interleibe befinbet fid) ber ©pinn* 
apparat, Welcher aus einer Ingabi Pon 
®rü(eit befteht, bie eine tlebrige ©laterie 
abfonbent, welche in ber Saft alsbulb trod* 
net. 3cber gaben befteht aus mehreren 
biinneren gäben, welche fid), fo wie fie oon 
ben ©pinnbrüfen auSgefcßieben werben, gu 
einem eingigen perbinben. Ille echten 
©pinnen haben ©pinnbrüfen unb (pinnen 
©eße, aber nicht alle gu bemfelbeit 3wcde. 
©lunche (pinnen ©eße, um ihre ©eilte barin 
gu fangen, wäßrenb anbere 2Öof)nungen 
für (ich felbft uitb ihre jungen weben» 
®ie ffuuftfertigteit 
ber ©pinnen im 
Sau ihrer gang* 
neße unb Süoßnun* 
gen ift bewunbe* 
rungSwürbig. @S 
ift getabegu rät!)* 
felhaft, wie fie ihre 
leichten ©ufpenfion« 

©rüden bauen tön* 
uen. ©ie wiffen fich 
gewöhnlich gu helfen. Neulich wollten wir ein 
wenig ejperintentiren. ©Mr fingen eine ©pinne 
unb festen fie auf ein fenlredjt ftehenbeS ©tüd 
Holg in ber ©litte eines mit SOßaffer (gefüllten 
3uberS. ©alb faub fie au§, baß fie fich auf einer 
gnfel befanb. Illein fie mar in feiner ©erlegen* 
heit, ©ie machte fich einfach an’S ©pinnen unb 
betiußte ben Suftgug, um beit gaben an’S jen* 
feitige Ufer fliegen gu laffen. Sobalb wie es 
ihr (djien, ber gaben müffe lang genug fein, gog 
fie ihn ftramrn unb berfud^te feine ©tärfe. @s 
mar gelungen unb fie berließ ihren unwirklichen 
lufenthaltSort. 

®ie weiften ©pinnen hüllen ihre <5ier in 
einen runben ©ad, ben fie aufreißen, fobalb bie 
jungen auSgetrochen finb. ©tauche tragen bie» 
fen ©ierfad beftäubig mit fich. ©tan hat nahegu 
2000 ©ier in. einem eingigen ©ad gefuuben. 
Gtitiige ©attungen geigen fogar einen bebeutenben 
©rab oon ©lutterliebe ihren gungeit gegenüber. 

®aS ÜBeibcßen ift oft bebeutenb größer als 
baS Wännchen, unb eS ift 
nicht feiten ber gall, baß baS 
©lättmhen bom ©Beibdjen 
aufgefreffen roirb. ®ie ©pin* 
nen finb überhaupt (ehr 
tampfiuftig unb in ihren 
3weiiä mpfen oerlieren fie 
öfters welche boit ihren ©lie* 
bern, bie aber wieber wach* 

(en. ©ie häuten fich auch 
etliche ©lale, ehe fie oöHig 
auSgewachfen finb. 

3fjre ©eute tobten bie 
©pinnen mit ihren giftigen s«n einer swcwim«. 



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408 


ftleine JJituber und itjre Purgen. 


tJfrefeänngen. $)er Siß ber Größeren ©nttungen 
toirb auch Don Wtenfcßen fleftird>tet, bo er fcßmers* 
ßaft ift unbSntjünbung, ©efcßmulft imb lieber 
Derurfacßt. 3u e3 finb gfö Ile borgefomnten, rno 
felbft ber Stob bie fjolge roor. 

©ine ©attung Don ©pinnen lebt im SBaffer 
unb triebt it)r Weft 3 mifd)en ben 3 weigeu unb 
SBtättern ber Sßaffcrpflanjen. &ie fleineine 
Söafferfpinne ©uropa’S, ein ßöcßft intereffanteS 
üßiercßen, ift Don brauner fjarbe unb mit bid)« 
tem fjaarmudjS iiberfleibet. 3 mifd)en b*u £> 0 «= 
ren faminelt ficß 2 uft in Stoßen, um ber 
©pinne beim jauchen 311 m 9 ltßmen ju bienen. 


®er Siß biefer ©pinne wirb mit 9tecßt ge« 
fürchtet. 

$a§ Weft, roeldjeS biefe ©pinne baut unb be* 
moßnt, ift ßöcßft fuuftfertig unb intereffant. ©s 
beftebt aus einem länglichen 2 ocße im Soben, 
melcßeS mit einem feibenartiflen ©eroebe aus» 
tapejnrt ift. Ueber bem ©ingang bänflt ein tun» 
ber ®edel, ber mit einer 9 lvt 9lugel befeftigt i(t. 
tiefer $edel befteßt aus jmei Saften feibenarti. 
flen Materials, jtoifchen melcßen fich eine Sage 
©rbe befinbet, um bem ©aujen ©emicßt 3 U geben. 
5)er ®edel paßt flanj genau in bie Ceffnung. 
S)a geroößnlicß etwa» WfooS barauf mäcßft, jo 



25<i ftiiirifenUttve uitb feine ftalle. 


®aS Weft ift ein bomförmigeS ©emebe unter 
bem SBaffer, mit ber Oeffnung nach unten, unb 
ift immer mit 2 ujt gefüllt. 

Sielleicßt bie größte ©pinne ift bie Sögel» 
fpiitne üon ©urinam, bie ifjren Hainen baßer 
hat, weil fie felbft auf Sögel 3iagb mad)t, unb 
fic Derjeßrt. ©S hoben jmar manche ^Beobachter 
biefeS geleugnet, allein cs ift 31 t tlar ermiefen, 
baß es ißatfacbe ift. $ie Sogelfpinne ift jmei 
3 oK lang, feßr ^aarit) unb faft ganj fcbroarj. 
Siit auSgeftredtcn früßeu nimmt fie einen SRaum 
Don einem 3?uß im $urcßmeffer ein. Sie befißt 
feßr ftarfe ^reßjangen, bie Don manchen 'Ber* 
tonen als 3 <ihuftocßer gebraucht mcrben, in bem 
©tauben, baß fie 3 uhufchmcr)en heilen tönuen. 


ift bo§ Weft fcßroer 311 entbeden. Slancße ©pin« 
neu berfertigen nebft ber äußeren 2 ßiire noch 
eilte jtneite innere, meldje fie sußalteu, loenn 
irgenb ein fjeinb einbringen loill. ®ie echte 
Soqelfpinne baut fein Weß, um ihre Wahrung 
311 taugen, fonberu fie fpringt auf ihre '-Beute, 
©ie ift überhaupt feßr fcßneü unb befißt bebeu» 
tenbe Sprnngfraft. 

©inige Don ben tropifdjen ©pinnen bauen 
feßr ftarfe Weße, bie felbft Heine Sögel feftßalten. 
©ir 3 - ©• kennent fcßrcibt, baß, mäßrenb er 
311 Sferbe in ©eßlon reifte, oft ein einiger 
©pinnen foben ißm ben ftut Dom Hopfe riß. 

©fje mir für biefeS TOal Don unterem lieben 
2efer fcßeiben, moflen mir ißn noch mit einem 


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Steine Iftiittber nnb itjc« jButgen. 


409 


onberen f(einen SRaubgefedeu t>e= 
tonnt nnidjcn, beffen ©efchitflidj* 
teit, gleiß uub ©uSbauer uiifcre 
©emuuberuug Derbieneit. QrS ift 
ber ©meifeulöme. 3>aS häßlidie, 
hiilflofe ©efdjöpf, mie eS auf 
unterem ©ilbe gu fdjeit ift, bat 
gmar nichts SömennrtigcS an fitb. 

OaS Griechen allein fdjeint il)in 
fcboit eine Saft gu fein, uub eS 
bemegt fid) gemöhulid) nur riid* 
märtS. ©Inn fällte nicht meinen, 
baß bie 9lmeifen biel Don biefem 
„ S ö m e n " gu fünften haben, 
uub bod) toevben fie iljm feljr ®« «mtifntiäw« »moaiibeit. 

oft gur Söeiite. ©eine öchmer* 

fätligfeit tuivb burd) feine jfunftfertigfeit Dödig nehmen auf^iebt uub eine neue ©rube an einer 
aufgemogen. ' giinftigeren stelle anfängt. 

3uuächft toollen mir uns beu foitberbaren 3ft bie ©rube bollenbet, fo oerfried)t er fid) 
Äaug etmaS näher betrachten, (fr ift etmaS über im ©anbe am ©oben berfelbeit, uub läßt bloS 
einen halben 3od lauft, Oer Seib ift oerhält* feine greßgaugen hfrborbliden. Dier lauert er 
uißmäßig fehr groß uub ber «(topf (lein uub nun ftebulbift auf feine ©eute. @r hat auch nicht 
find). (fr hat ied)S ©eine, bie aber nur fd)led)te lange gu märten, benn fiehe, ba fommt fchon 
Oienfte gu leiften fdjeiucn. Oagegen befißt er eine neugierige 9fmeife, bie gern miffen möchte, 
nnfebnlid)e greßgangen. ’ tooS beim baS alles gu bebeuten hat. ©ie blidt 

6r ift gcmöhnlid) in fanbigem, loderem ©oben über ben SRanb in bie ©rube hinein uub mögt 
im mittleren unb fiiblid)cu Europa boheiin. Um fich ein meitig meiter, aber ber lofe ©anb meieijt 
fich bie nöthige ©aljruug gu oerfdjaffen, gräbt unter ihr, uub fie ftiirgt hinab, um Don beu be= 
er eine trichterförmige ©rube, in ber er fid) auf* reit gehaltenen greßgangen aufgefangen gu mer* 
hält, um 9lmeifen uub anbere gufeften, bie etma ben. .f)öd)ft intereffant ift eS, menn bie 9lnteife 
hiueinfaden, aufgufangen uub gu oergefjreu. nicht gang hinunter gefallen ift, unb 9(nftren* 
3ucrft macht er eine treisförmige furche, inbein gtingeu macht, mieber heraus gu fommen, maS 
er feinen ßörper in ben ©anb briieft unb bann il)r aber fdjmerlid) gelingt, benn ber hungrige 
mit einem ©orberfnße ©nnb auf feinen flachen „Söme" fchaufelt fchned ©anb auf feinen 
ftopf fchaufelt, unb biefen mit einem plößlichen «ftopf uub mirft ihn ber armen 9lmeife nach, bis 
91 ud beS Kopfes etliche 3ad weit fortfdfuellt. fie eublid) hccabrollt uub ergriffen mirb. Oanit 
9luf biefe SSßeife arbeitet er im Greife immer tobtet er fie unb fangt fie auS. @r ift jebodj 
meiter, bis er enblich eine ©rube gu feiner 3«= nicht fehr mäljlerifch, unb ift auch gufrieben, 
friebenheit nuSgegrabeu hat. Oaburch, baß er menn er irgenb ein nubereS 3>nfeft in feiner 
nur mit einem guße arbeitet, gemiunt baS Soch galle fangen foun. 9tad) beeubeter ©tnljlgeit 
bie trichterförmige ©eftalt. 2öiirbe er mit bei* [dgiedt er bie Daut beS auSgefogenen gnfefteS 
ben ©orberfiißen graben, bann mürbe er eine fo meit als möglich aus feiner Döhle hinaus uub 
eplinbrifche ©rube betommen, bie aber gar nicht befieht fich mit feinen fechS klugen ben ©(haben, 
gmedentfprecheub toäre. beu fein ©d^lofj im Kampfe erlitten hat unb 

fiomrnt ihm ein Stein in ben ©eg, fo macht beffert eS aitS. Oanu berfriedft er fid) mieber 
er mertmiirbige 9luftrenguugeu, ihn auf feinen unb lauert auf beu nächften ©efud). 

Äopf gu bringen uub ihn fortgufchneden. gft l ©adjbem er gmei gahre feines Sehens auf 
ber ©tein gu groß, fo fucht er ihn auf feinen biefe ©Jeife gefriftet hat, bertriecht er fid) gäng* 
Dtiiden gu bringen uub ihn fortgutragen. Oft lieh im ©anbe, fpinut fich »in unb oerpuppt fich. 
rollt ber ©tein toieber uou feinem Siiicfeu, allein Oa bleibt er bann etma gmei ©tonnte laug ruhig 
er uerfucht eS uuermiiblich immer ouf’S ffteue. liegen, bis er enblich oermanbelt als eine fchöne 
Öodj eS gefchieht auch, menn er beu ©tein nicht große gliege ^erüorfviecht unb ein neues Sehen 
begmiugen tauu, baß er enblich fein Unter* aufäugt. 





410 


Jfriigel unb ©ferfeigm. 


jJrürjd ttnb (Dljrfciijeiu ^ 

®o« $ftfhnr ©. Sanft. * 


f ^29c£)on mehr als einmal fitib mit auf* 
ficforbcrt Worben, auch einmal etwas 
^yjj übet ©trafen 311 jcbreibcu, unb jtoar 
^2/ in foleber ©lanier, baß ßleiit unb 
©rofe 9tußen bauon Ijabe. 

Süemeil aber bicS ein etwas beite» 
ligeS ffapitel ift, unb baju gar nicht fo Icictjt, 
wie eS ficb auf beit erftcit ©tid anfiebt, ift eS 
immer bei ©eite gefd)obcn worben. 

$a fanbeit wir ^cute ein ©tiid barübet im 
„jDeutfdjcu SHnberfreuub" auS ©aftor 8 ?iinfe’S 
ftcber unb bauten beim Scfcn — baS tbut für 
3 ung unb aud) für 9Ht. 

4?ier ift baS ©tiid, baS gemife mit grofeein 
3ntereffe gelefen Werben Wirb, obwohl eS flauj 
einfach gefebrieben unb gar liicfjt pbilofopbifd) 
auf Urfadje unb SOirtimg eingebt, fonberu frifd)» 
Weg bie ©acbe er.^ötjlt, ju Welcher ficb jeber feine 
Dtaiibgloffcn fclbji nuid;en tann. „ 9 lber, ibr 
Herren," bat mein ©rofeffor öfters gefügt, 
„ © ä b a g o g i t ift bod) ba b’rin." 

2>ie alieruiciftcn ftiubcr meinen, cS fei ein 
Uugliid, wenn man ©djlöge betommt. 91 tut, 
ein Uugliid ift’S, wenn man Welche befotnmen 
mufe, aber ein ©tiid ift’S, wenn man fie beim 
auch mirflicb betommt. $aS ift gar ein 
btimmeS ßinb, was bariiber beult unb mault. 
®u follft bietmebr ©ater unb ©tutter bie $)aub 
liiffen, bafe fie bir foldje Siebe erweifen unbbir 
fo fein eingebaut buben, bafe „bie ©iinbe ter 
Seute ©erberben" ift. $u follft omb babei ge» 
beuten, bafe bie ©cblage, bie bu befommft, ben 
(Eltern Diel Weber tbaten als bir, bet bariiber 
weinte. 9lu8 biefen unb oielen anbetn ttrfadjen 
folljtbualfo bauten für bie 3 üd)tigung. 3 d) 
weuigftenS muß beute noch tagen,'bafe alter 
ftudjcu, ©tarjipan, ©fefferniiffe unb Siebes» 
tüffe mir liidjt fo mißlich gewefen fiub wie bie 
©erlöge. $ocfe nun will übend)erbten! 9lifo: 

©tein Haler befam einmal ©cfnd) bon einem 
Dortrefflicbeit |>erru, einem ©mbbänbler auS 
Glberfelb, 9tamenS 9JtebuS. £>crr 9)tebuS war 
ein Heiner 9Jtann, batte aber einen groben Sudel 
ober £>öder. Uiigliidlicfeermeife batten wir Stint» 
genS nun in ber ©ecgrapbieftunbe gerabe bon 
bem Serge ©telibocuS, ber im Cbenwolb 
liegt, gehört. ©liefe batte ber Seferer gefügt, bafe 
man biefeit ©erg fdjergoeife #ocnS ©teli» 
bocuS nenne. 20aS ©3unber nun, meint tui§ 
ber 9tame ©tebuS an ©letibocuS unb ber $>öder 
beS £>mn ©tebuS au £>ocuS erinnerte? 91(8 tun 
ber liebe ©tann tnieber ba§ £>auS berließ, riefen 
wir nicfetSnußigen 3ungenS ihm und): „£)ou:S 
©telibocuS! £)ocu§ ©leliboctiS!" grabe fo wie 


bor 2500 3aferen bie flegelhaften ©nrfefeen in 
Sethe! bem ebrmiirbigeu Glifa nat^fc^ricen: 
„ftabltopf, lomin herauf!" ®afiir timt mürben 
ihrer 42 üoit beit ©arett aufgefrejfen. ©im, fo 
fdjlintm erging eS uns gerabe nicht, ©ber bie 
©träfe blieb auch uns nicht aus. 2 *mt tainn 
batten Wir unfer „£>ocuS ©telibocuS" gerufen, 
gerufen, fo ertönteein fcbriller ©fiff. $ett ti.nn» 
teit wir. Gr tarn bom ©ater, ber am offenen 
tfenfter geftanbeit unb alles gehört batte. ©Ifo* 
balb Wanbelte ficb bie böfe Jreube in bitteres 
Selb. Slenn als wir gefällten Hauptes in beS 
©aterS ©tubirftube traten, ber altefte twrait unb 
bann icb unb fo weiter, — ba ftaub er fefeott ba 
mit bet ©eitpeitfefee, unb eS gab ©eblüge, „bie 
batten ficb gewafeben," bie ©triemen aber, bie 
fie madjten, tonnte man nad) ad^t Stagen noch 
nicht wcgmofcfecu. 

©iS wir alle untere ©ortion betommett batten, 
fragte er: „©ißt ihr, warum ihr geprügelt 
feib?" 2 Sir antworteten, allebnrcfeeiiinnter feeu» 
lettb: „3a, ©ater, ja!" Unfer ©emiffeu fagte 
eS uns. 3fee aber, lieben ftinber, febt, baff ieb’S 
auch beute noch Weib. 

9 tad)bcm alfo ber ©ater fein © t r a f a m t 
üermatlct batte, trat bie ©tntter ihr 8 e b r a m t 
au. ©ie nahm uns in bie fülle ffammer uttb 
geigte uns, wie bdfiticb wir uns benommen 
hätten. 

3 a, ich weife mofel. bafe e§ fdwer ift, wenn 
einem ein ©.'iß einfällt, ihn berunter^ufcblucffn. 
Unb wir meinten ja, auch einen brillanten 2Biß 
ju machen, als wir „#ocuS ©icltbocuS" febrieen. 
Ülber matt follte ftöb boeb lieber bie 3 ur.ge ab» 
beißen, als mit feinem 3Biß einem ©tenfeben 
welje tf)uu. ©erabeju teufitfeb aber ift e5, wenn 
man Seute berfpottet um ihrer © e b r e cb e it 
Willen, ©elbft wenn wir einen ©tenfeben febeu, 
ber fein Glenb berfcb ulbet bat, j S. einen 
©erbrechet - , ber in itetten über bie ©trafee ge» 
führt wirb, ober einen ©etrunfenen, ber ooit 
einer ©eite ber ©affe jur anbern Wauft — auch 
ba fofleu .Oinber niemals biuterber laufen unb 
lachen, ©ber nun DoüenbS, Wenn ein ©tenfd) 
u i cb t an feinen ©ebreeben febulb ift 3 * beute 
an ©iinbe ober Staubftumme, ober au fotete, bie 
©äbelbeine haben ober einen ©udel, ober bie 
aiiSnebmenb bäfelicb ober febr bumni finb. Äennt 
ihr folcbe ©tenfeben ? &abt ihr auch ©titfcbilter, 
bei benen baS eine ober baS aitbere ober etwas 
©efettlicbeS jutrifft ? — 3bv all« ruft jeßt: ,3c! 
ja! freilich! freilich!" Unb ber eine beuft an ben 
©. 9 t. unb ber anbere an bie 9t. 9t. — 9tuu 
beim, wenn wir folibeu ©tenfeben begegnen, fo 


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JlrUgel unt» dürftigen. 


411 


füllen wir gu aßererft ©ott banfen, baß er unS 
uic^t fo ein Reiben gegeben hot. Sliic füllen uns 
fragen: 2BaS mollteft bn beim machen, lueitnbu 
fo einen Sudel hätteft? 2!u bift boch nicht beffer 
als ber ba! O, lieber (Batet im Fimmel, ich bin 
gu gering beim (Barinhergigfeit unb Streue! — 
©obanu aber foflft bu gebeuten, raie ber liebe 
#eilanb gerabe mit folgen Uugliidlidjen am 
freunblichfteu war. 2l'ill|t bu aber ben fpcrvu 
liebljabeu, mußt bu’S auch fo machen mie er. 
©erabegu in’S©cficht aber fchlägftbu ißm, menu 
bu ben Ungliidlidjeu fpotteft. dagegen fagt er: 
„2QaS ißr ©uteS getljait habt einem unter biefeit 
meinen ©eriugften, baS habt ißt mir gelßan." 

Simm bir älfo heute ernftlich bor, alle leiben* 
ben Sienfdjeu mit doppelter Siebe unb 3ortheit 
gu behanbeln, ißnen immer ein freuublicheS ©e= 
ficht gu madjeii unb gu helfen, mie unb mo eS 
möglich ift. 3)aS mirb beinern SBater im £>im* 
mei unb allen brauen S?enfd)en auf Grbeit mußl* 
gefallen. ÜBarte nicht barauf, bis auch bu erft 
|)iebe mit ber Seitpeitfdje betommft, foubern Inf; 
bir bie £>iebe, bie v -Boflor fyunte bor 37 fuhren 
befommeu bot. gur Sei)re bienen. SlSbann (amt 
i<b mich um fo beffer über bie ineinigen berußU 
gen, unb fie fiub nicht nur mir, foubern auch 
bir gefunb gemefen. 

SJocb nun bie anbere (Brügelqefdjidjte. $ie 
mar nicht fo fdjtimm mie bie elfte; es gab auch 
(eine mit ber Seilpeitfdje, foubern nur eine 
Ohrfeig«; eS mar auch nicht, weil mir etmas 
tBöfcS getliau hotten, foubern meil mir etmas 
@ute$, raaS mir hätten tbuu füllen, it i ch t ge* 
than hotten. Stein Sruber unb ich raaitberteu 
mit meinem (Batet bnreb einen fchöneu 2öalb. 
Unterbeß ergählte er ttuS eine feßr frf;one @e= 
fchichte, baß mir gang begeiftert baboit raareu. 
SIS mir nun fo auf feine ©efd)id)te lanfdjten, 
als märe es ein £>immelSgefang, (anteit mir au 
einer alten grau borbei, bie mar häßlich unb 
rungelig, unb ihre Kleiber gerlumj.it. Sie hotte 
altes £>olg gefummelt, unb quälte fich gerabe ba* 
mit ab, ihr Siinbel auf ben Hopf gu heben. Cb 
fie nun gu fdjmad) ober bas Siiubel gu ftarf mar, 
genug, es ging nicht. SIS mein lieber (Pater 
turn faß, baß mir baS fnben, gab er: (patfdj! 
Satfch! erft bem Sruber Sernljorb, bann mir 
eine faftige Ohrfeige, darauf ging er hin 
unb holf ber alten fjrau ihr £>olg auf ben Hopf 
bringen. 21'ir fchauten ihn unter SUjräueit ber* 
Willibert an. Gr aber faßte: „Höiffet ihr 
nicht, wofür ihr in berSöeltfeib? 
$ie Stenfcheu finb ba, um fich unter einanbet 
gu bienen, unb wenn fie baS nicht thun, fo 
iffS gar nicht bariit auSguhalteu." Sun, meint 
ihr nicht, baß mein (Pater recht hotte? freilich, 
bie Ohrfeige üerbarb uns bnmalS bie fchöne 
Säubergefchidjte, aber fie (ehrte uns eine anbere 
©efchichte, bie noch biel fchöuer ift. 3oIjanncS 


flap. 13 fleht gefchricben, mie 3efuS GhriftuS 
feinen Jüngern bie ft ii j; e müfeht, gerabe als 
ob er ihr gevingfter Wiener märe, tiefes ftttß* 
mafd)eu (aßt etich einmal orbeutlich iu’S $eutfcße 
iiberfeßtn, bamit ihr lernt, toaS baS ben (leinen 
unb großen Leuten, bie im 10. 3abrl)unbert 
(eben, fugen will. Unfer £)err GhriftuS ift ein 
Wiener ber Slenfdjen gemefen, ein Wiener ber 
ftreunbe unb ber fteinbe bis gu feinem leßteu 
Cbemgug. er fagte, baß er nur bagu ge* 
(ommeu märe, um gu bienen. Gr hot aber auch 
gefagt: „2Bie ber Steiftet, fo ber jünger!" 
2Ber gur fterrlicßfeit 3efu (ommeu roill, ber 
muß auch ben Stenfdjen bienen molleu. 

„3la, mit maS beim ? mo beim ? mie beim ? 
mann beim?" höre ich fragen. Sun barüber 
lönnte man eine lauge Sebe holten, aber man 
(auu’S auch turg machen, unb baS miß ich tbuu. 
Sßem’S Gruft ift, ber greift gu, mo er (nun unb 
tljut, mie er fanu, um hier uub ba ein Hörnlein 
Glenb in ein Hörnlein ftretibe gu Devmaubeln. 
25?er fleißig betet für feine Stitmenfchen, tljut 
feboit maS, unb ber mirb auch immer ein freuub* 
lidbeS ©eficht unb einen freunblichen ©ruß für 
fie haben. Ghriftenmenfchcn aber foßten immer 
freiutblidj auSfehen unb nicht mie alte llljuS 
uub Guleii breiufihauen. 9lber nicht nur'freunb* 
lieh a n S f e h e n, foubern auch fmmblidj fein, 
bienftfertig uub gefällig, ©ich olfo gu bemeifen, 
fehlt’S nimmer unb uirgetibs an ©elegenßeit. 
Salb ift’s, baß man ber (leinen © e f ch m i ft e r 
fich annimmt (ftatt fie gu thrannifiren), halb 
baß man ber oielgejilagten Stutter beiipriugt, 
halb baß mau einen (raufen freuub be* 
fucht, ober einem unbegabten Stitfchiiler hilft, 
jeßt baß man für bie Sfiffiou elmaS bon feinem 
Safeßengelb opfert, jeßt baß man armen Leuten 
im Suftrag ber Gltern etmaS bringt; halb— 
bodj holt! fonft gerathe ich Mt noch i» eine 
lange Sebe. 

SÖittet mir ben $ei(aitb um ein b e m ii t h i = / 
geS $>erg, baS nicht gu ftolg ift, um gu bienen. ^ 
©tolg ift immer etmas feßr dummes, unb Ijel* 
fen ift immer etroaS GßreiibofleS, gleichviel ob 
man einer alten, häßlichen ftrau ober einer hol* 
ben SJutter hilft. — (Bitte bu ben lieben ©ott 
ferner um ein liebeoolleS, erbarmungS* 
reiches .£>erg, um ein £>erg, baS nicht immer 
finnt, wie eS miß fjrenbe hoben, foubern 
t^reube m a ch e n. — ©laube mir, auf biefem 
®ege mirft bu baS gliidlichfte, fröljlichfte Steu* 
fcheufinb bon ber 2öelt, mirft iiberafl ein ©tiief 
©onnenfehein uub Slumenbuft mit hinhringeu 
unb nid)t nur anbere beglüden, foubern auch 
gliidlich fein, mehr beim eine (ßriitgeffin, bie 
etma baS ®ieiten nicht verfielt. 


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412 


MuljffHinbdjnt 



Jtuljcltttnbdjnt. 

?für §aitg null £crt uott $aul ditgett. 


oriibcr ift bes (Tages £aft, 

Die Hrbeit ift gctfyan, 

€s bridit mit feiner fügen Haß 
Der ^eierabenb an; 

(Seorbnet fjaft bas Stübchen bu, 

Die £ampe angebrannt, 

Unb nimmfl mm, dj’ bu gelfß 3m Hnlj, 
Dein liebes Hucb 3ur l]anb. 


Die tjanb, bie treu bemaltet tyit, 

3 m [dimeren Dienft ber Pflicht, 

IDie f|ält fte frofj bas leidjte HIatt 
(Empor 311m Hngefidjt; 

Das Hnge, bas fld? triel gemüht 
XTTit angeftrengtem Hlicf, 

JDte feijrt’s, poh ^reiibenglaiis burdiglülß, 
ginn alten jreniib 3uriicfl — 


— Digitiz — 



®ljätige gödjflenliebe. 


413 


IJctg irrt's r>ou geil’ ju geile fort, 

Don Seit’ 511 Seite tyri, 

3 eftt nifjt es ljier, jetjt raftefs boxt 
mit ftiUocrgnüijtem Sinn, 

33al& eilt's mit rafcfjbefcfjipingtcin Sdjritt 
gum blüttjcitreirf^eu 6 aiu, 

Balb fammclt’s mit bebädjt’gem (Eritt 
Per IDeisljett Sdjätje ein. 


3 cijt laufest in ftiller £uft bas CDt^r 
Per Pidjtuiuj füfjem Sang, 

3 e^t töiit’s bnrdfs f^erj n?ie (En^eldjor 
€iu ernfter (Slotfeuflaitg — 

Per töne fort burd? beine Huljl — 
llub ipadjft bu morgen auf, 

^3eginuft mit neuer (Ereue bu 
Pen faureu (Eageslaiif! — 


fl)äti0e UädjlttuUfbt. 

©fijje auS bent amerifanifcbeit ißfavvfebeit. 

Sfür £»u$ »Nb gerb toou 8. Staunt. 

ie oft unb tüie Diel tjöit man 3 ?0111 frühen ^Morgen bi» Juni fpäten Slbenb 
’yiylHAfle im meufchlicheu Seben bie buvdjimiljlte er ber Grbe Schooff nad) metallenen 
3?rage, wer ift beim mein SJtiich* Schöffen, mib fchoit freien eS, als wollte er lief) 
” ff ev ^ onftoevfen uiib in nllen nad) 3»h l> e langem, fchwerem SRingeu fjortunas 

+£>%C' Schnttiruugen einer fvioolen ©uuftbauernb erwerben, 1111b ben horten Stumpf 
ober feiitimeutalen Sffielt« 9 ln« iim’S „Sein" fiegreid) beffeheit, als ein beim» 

fcffouuug beantworten. iiidifr^er 03 aft fid) bei ifjm eiuffellte, unb un* 

$)oS ©efiil)( reiner, ttiitf)rcr Humanität wirb geftümen Giulaff begehrte. Gs wnr bie 9 (ttS- 
aber nicht immer nur burd) lofe 2Bortc, foitbent jebrung. Schon läng ft hotte ber arme fötnnn 
muh bureb bie Ijerjlofe 21)at gehöhnt, inbem ben unheimlichen Schleicher in feinen ©liebem 
Spiele falt unb erbarmungslos an bem Unglück uerfptirt, allein ber ftarle GrhaltungStrieb unb 
liehen, ihrem SRächffeu, boriiberfdjreiteil unb ihn | ber eiferne SBJifle hielt ihn barnieber, 1111b bie 
hilflos feinem Scffidfale überlaffen, ja fogar, (iebenbe Seele oerbarg ben Seinigeu bie ©röffe 
mie bie Grfahrung lehrt, bie ju feiner {Rettung ber brohenben ©efohr. 3 Dod) fchließlich erlag baS 
getroffenen SHnftalten 31t hintertreiben fndjeit- Sßollen bem 3 ?ofl(>ringen. 

$ein 9 iiichfter, mein 3 ?reunb, ift berjenige 3 in £>erbft 1871 muffte fich ber 91 ermfte auf’S 
SDlenfdj, ber beiiter £)ilfe, beineS SÖeiftaubeS be= Siechbett legen, auf welches ihm fd)on nach 
biirftig ift, mib löffelt bu ihm biefe angebeihen, wenigen SNonaten fein treues 3 l 3 eib, baS Oon 
fo hoff bu baS ()öd)fte ©ebot erfüllt 1111b mit ber berfelbeit gerflörenbeit ßranfheit ergriffen würbe, 
2 hot unb Söatjrheit bewiefen, bafi bu beineS folgen muffte. 

GhviffenuamenS unb beineS göttlichen SDleifferS 9 tuu feierte baS Gleub feinen Garuebal, W0311 
lotirbig bift. 2 od) W03U üiele SIBorte über biefen bie 9 totl) unb ber 3 ommer ihre fraffenhoften 

©egeuftanb; hier ein SBeifpiel, wie fd)lid]te unb SDtaStenimb bie Sorge ihre herjäerreiffeubeilhifit 

einfache Söergbemohner biefe §rage auffaffteu lieferien. 

unb beantworteten. Sföoljl fudjteit bie Jfinber, fo gut eS ging, ihr 

Gonrab ffeller, ein braber, fleiffiger SJlibeiter, trauriges Unfein 311 frifleu unb für bie Unglück 
ber fatholifd)eu flirdje angehörenb, lebte mit fei» liehen Gltevu baS 3 lilernothwcubigfte herbeisu» 
tter fjrau »ob 6 Sinberit mehrere 3 offre inuiit* fchaffen, jeboch für bie Stauer waren fie biefem 
teu meiner giliolgemeinbe 311 SBuena SUifla, fit)., ungleichen Kampfe nicht gewachten, ihre 311 
als Grsgräber. Uuermiiblich war ber f lautliche fdjwachen flräfte mufften unterliegen 1111b bem 
Stimm beftrebt, burch feiner fjeinbe 5 (eiff feilten SDlaugel bie abfolute £)errfchaft einräumen. 
SebenSiuiterholt 311 erwerben, allein bctS ©liid Sßon Seiten ber feineSwegS mit irbiffheu 9 teidj= 
floh feine Sdjwefle, weshalb er enblich miff* thümern gefegueten Nachbarn gefeffoh manches 
niuthig 3?eierabenb machte unb fich int 3»hre J»r Ciuberung ber hartgeimifteii Familie, aber 
18 C 8 einem benad)barten Hochofen 3iiWaubte, in Oiefe fiiebeSfoeubeit waren eben boch nur einzelne 
ter Hoffnung, bort ein beffereS 3 (uSfommen 31t 2 ropfeit ber SOtilbthätigfeit, welche auf bem 
finbeit. Gin 3erfafleneS 3 Moc!häuSd)en an ber ©liiijffeine ber SWotl) fpurloS oerbampften. 
Snflcree! nahm bie chriftlidje SRomabeufainilie £>öl)er unb höher ftieg bie ffluth beS GlenbS 
in feinem luftigen SKaiim auf, unb bilbete ben in bem {leinen .£mttd)en an ber SQuKcrcet, unb 
Geiitralpuuft ber neuen £>ehnat(). ^riffheit bie 28 etter ber 2 riibfal branffeu Unheil m= 
Luthes ging ber wactere SDlamt au feine Vlrbcit. tüubcnb um feinen ©iebel. 


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414 


Pit fübriitung brs Spiele. 


Serloren! Serloren! ©er rettet midf? 

(Sin lichter &offniiitgSf<bimmer bünimert in 
ber Seele beS SaterS oiif: Oer ©ebante an feine 
proteftantifchen fjreunbe ift fein leßter 3uflitcf)tS= 
ort. Wit gitternber Stimme giebt er feinem 
älteften ÄTiube, einem gmölfjührigen Wäbcheu, 
beit Auftrag, nach ©nenn Sifla gu geben tmb 
bem Onfel ©aftor (fo nannten bie Hittber ben 
'•Pfarrer), mcnn fie if)ti treffe, gn ergäben, mie 
eS ihnen ergehe. Hittb, fenfgte ber Hratife, ber* 
läfet er uns, fo fiub mir berlaffett, unb mir 
nüiffen ftungerS fterben. 

©oblbehnlteu erreichte baS gunt Sfefett ab* 
gemagerte Hinb bie Warfe, an ber ber (Sltern 
©lief mit bertraueuber 3uberficbt hi»‘V @ott 
ber #err teufte feinen Schritt, unb es traf gur 
rechten 3eit, nm Sorabenb beS Sonntags, ein, 
unb fanb ben Onfel ©afior. Wit thräuenerfticf* 
ter Stimme ergiihlte bas bejammeruSmerthe 
Hinb bie troftloje Saue ber 3heiflett unb bat um 
meinen bolbigen ©efuch. 

Sofort mürbe ein reitenber ©ote mit ben 
uötljiflen SebenSinitteln nnb bem freubig erreg* 
ten Hiitbe nach ber 3ommerftätte nbgefchicft. 
91 m nächften Worgen nach beenbigter ©rebigt 
trug ich meiner ©emeinbe in fchinucflofer grarbe 
bie Notfflage ber HeQer’fchen Familie oor, unb 


forbcrle gu einer thatfräftigen Unterftüfcting auf. 
— Heller ift gmar, mie ihr alle rnijjt, Hatfjolif, 
aber ma§ hiubert uns baS, er ift in Noih unb 
in ftolge beffeu unfer Näcbfter, toir muffen f)el= 
fen. Wit biefett ©orten uerliejj ich ben Sitar* 
raum unb ging collectireub burch bie Leihen. 
SIS ich guriieffehrte, hotte ich 72 OotlarS in 
Uuterfchriften gefanimelt, meldje Summe bon 
ber „(Soul unb 3ron (So." bei geller unb ©fennig 
auSbegahlt, unb iiberbieS itod) burd) eine fdjöne 
SiebcSgnbe au CebeuSutitteln bergrößert mürbe. 

Oie obfermiü ge ©efiniiung meiner ©emeinbe 
hatte ficb auf» Neue erprobt, unb fefcte mich in 
Staub, ©nlfaiit in ben SeibenSfelch ber bebräng* 
teil Sfamilie träufeln gu fönuen, unb ba§ grauen* 
hafte ©efpenft, bie Sorge um baS tägliche ©rot, 
bon ihnen ferne gu hallen. 

3n menigeu ©orten baufte ich beit fröhlid;c:i 
©ebern, allen ©otteS reichen ©aterfegeu müu* 
fdjeitb unb bittenb, auch ferner ber ©ebrängten 
gcbenfeit gu moUcit. 

©eilige Wonate nach biefem (Sreigniffe, baS 
im Wni ftnttfaub, begruben mir baS Heller’fcbe 
CSljepaar, unb gmar gvöfjtentbeilS auf ©emeinbe» 
foften, auf nuferem §!riebbofe gu ©nenn ©ifta. 

Sagt, mar ba§ feine thätige Nächfteitliebe ? 
©ehet hin unb tf)ut beSgleichen. 


Pie Pefcrututtg bca ^pirlö tittb ber |(nterl)nltuiig im Pittbep- uub 
|u0eiiblebem uub mie ftub btefelbeu ;u leiten? 


ebiloritU. 



I. 

efpielt ift toorben unb mirb merben, 
feit unb fo lange es Hi über giebt, 
baS ift eine liiimiberfprechlich ge* 
miffe Ohotfache ber alltäglichen 6r= 
fahrung in Sergangenbeit unb 
©egenmart, uub baS fiebere (Srgeb* 
itiB eines mohlbered)tigten unb allgemein giftigen 
Schluffes auS berfelbeü auf unb für alle 3»= 
fuuft. Sud) bie ftrengfte (Srgiefjung mirb baS* 
felbc roeber aus ber ©eit fdjaffen fönneit noch 
rooflett, wenn anberS fie überhaupt uodh Sinn 
unb £>erg für baS HiubeSleben fich bemahrt hot, 
offene Gingen uub richtiges ©erfiäiibitif} für bie 
mähren ©ebiirfniffe uub bie natiirgenäfien Wit¬ 
tel feiner (Sntmidelung befijjt nnb fich burch feine 
falfchen ©orauSfepiingeii über 3iel unb 3roecf 
ber festeren, unb feine einfeitigen unb über* 
triebeneu ©efiirchtungen theilS roirflicher, theilS 
auch nur eingebilbeter ©efaffren beS Spiels für 
bie unbefangene ©iirbigung uub ©ehanblung 


biefeS ©egenftaubeS im Serhältitijf gur 2fng^nb* 
ergiehiing überhaupt, begieljungSroeife feines 
©ertheS unb feiner ©ebeuttiug für biefelbe bon 
bornhereiu Ohr unb Wunb bcrfcbließnt tmb für 
feine praftifche Siimenbung bie £änbe biiiben 
iaffen roill. 

Siibeffen mirb eine (Srgieljung rechter 9(rt fich 
nicht bamit begnügen, baS Spiel als eine 9lrt 
liothmeubigeS Uebel, baS fie hoch nicht gang ber* 
hiuberit ober tinterbriicfeu fann, einfach nur ftiü* 
fdjmeigenb gu geftatten uub gemähreit gu Iaffen, 
meil es auf einem nun einmal borhaubenen 
Naturtrieb beS HinbeS beruht, ber fich boch nie* 
malS pöflig auSrotten unb felbft mit adelt Ser* 
boten uub Strafen nicht gleichfam mit ber ©nr* 
gel aiiSreißeu läßt, fonbern immer mieber fich 
irgenbmo 2uft tmb irgenbmie ©efriebigung ber* 
fchafft, fonbern fie mirb, ftatt hloS beibei flehen 
gu bleiben, ihn menigftenS möglidhft iinfdhäblich 
gu machen- unb ihm nur ben ungefährlichften 
unb eingefchränttefteu Saum gu gönnen, fich 


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fit ftrbeutung btt Spirit. 


415 


bielinehr übet fein ffiefen felbft unb feine 23 e= 
rechtigiing, fowie über bie ©reitgen berfelben unb 
über Umfang, 91 rt unb SBeife feinet Berweit* 
billig fiit eine gef unbe unb fjarmonifche (Srgiehuitg 
felbft Stechenfcßaft 511 geben fliehen. (Sie wirb 
alfo fi<h beftreben, ben fei beit nicht mir nötigen» 
falls gu befeßneibeu, wenn er nllgit üppig fort* 
wuchern will, fonbern und) gu pßangen unb gu 
pflegen, wo er gar nicht geniigeub borhauben, 
berfümmert ober berwilbert ift, ihn einerfeitS 
eingubämnten, wo er baS gute 2aub gu über* 
fdljmeminen brof)t, aber auch anbererfeitS als ein 
befruchteubeS (Slement einem horten Boben gu* 
gufiihren, ihn nicht bloS gu überwachen, fonbern 
gu leiten unb gu lenfen, gu weden unb gu ovbneit, 
gu nähren unb gu befdjäftigen, furg ihn auf allen 
Bunften fo gu bi Iben, baß et in ben t:ienft ber 
(Srgiehnng felbft als färbernbe unb belebenbe 
ffraft hcreingegogen unb für fie mögtichft ge= 
winnbringenb benüßt werben fauu. 

21n bie erfte 3rage: 2) a r f gefpielt werben ? 
reiht fich alfo fofort bie gweite an: ©oll ge* 
fpielt werben ? unb falls bieS bejaht Wirb, bie 
britte, warum. Womit unb wie bieS gu 
gefaben hat. 91 it unb für ßdj ift ja fogar auf 
bie erfte ginge bie Stntwort noch nicht bon felbft 
gegeben, beim barauS, baß bet ©pieltrieb bor* 
haitben ift, folgt ja noch lange nicht, baßer 
auch nothwenbig befriebigt Werben maß. 
®ieS wäre bielmehr nur bann bet galt, wenn 
alle in ber Statur beS ÄinbeS fiegenbeu Stei* 
guitgen unb Einlagen noch boflfomnieit rein unb 
gut unb unoerborben burch bie ©iinbe geblieben 
wären, aber baS ift ja leiber nicht ber gafl, unb 
eben barum ift gernbe bon ©eiten einer ernften 
unb entfehieben djriftliehen ßrgieljuug jene ginge, 
ob baS ©piel überhaupt für baS winb heilfant 
unb ihm auch nur im bcfißeibenften Blaß gu ge* 
ftatten fei, fchon bielfad) berneint worben. 

ÜJtan hat, unb gewiß in ben weiften gäflen 
mit ber befielt fNbficßt unb in ber feften lieber* 
jeugung, baburch nur für baS Wahre SÖoßl ber 
ßiuber gu forgen, auf fo BieleS hingewiefen, 
was gum niinbeften gefagt, baS ©pieleu als 
etwas höchft BebenftichcS erfd)eiuen taffe: wie eS 
trag unb arbeitsfeheu, leichtfinnig unb gerftrent, 
genußfiiehtig, (eibenfchaftlich ii. f. w. inacrje, wie 
fo biel eble 3 e *t, bie gu 2 Bid)tigerem unb StötßU 
gerem angewanbt werben föuute, fei’S gum 2er* 
neu ober gu einer niißlidieu Arbeit, nußloS ber* 
täubelt werbe, wie baS Äinb baburch friiljgeitig 
fchon an eine Bieuge wedjfelnber fReige gewöhnt, 
unb fo bem gufriebenen, einfachen ©inn, bem 
ftitlen gleiß nnb ber häuslichen ©itte unb Orb* 
nuug, furg gefagt: bem ßrnft beS 2 ebenS, gu* 
mal eines 6hr>ft?ntebenS, eutfrembet werbe. 

3fn bem allem liegt gerabe für gewiffenhafte 
Eltern aflerbingS nicht bloS eine gewiffe, fonbern 
fogar feßr biel SBahrßeit; aber boch noch nicht 


bie gange ©afjrheit. Sicherlich, wenn baS ©piel 
bloS „bie Seit bertieiben" foll, bie ohnehin fo 
fchneU enteilt, fo ift es entfehieben 00111 liebet, 
unb eS giebt bann Weit SÖefjereS unb GblereS, 
um fie äuSgufüllen, aber gerabe baS fragt fich 
noch, ob baS ©piel nicht auch noch gu gar mau* 
ehern anberen bient, als gum Seitbertreib. Oaß 
baS Slrbeiten unb 2 erneu bie beiben $auptauf* 
gaben beS SugeubnIterS finb, ift gang gewiß, 
nur folgt barauS Weber, baß nur fie allein fich 
in bie gange 3 eit beS $iubeS theilen bürfeu, noch 
auch büß bie nötigen 3 1D if^> c npaufeu wieber 
nur mit faft ebenfo anftrengenber üfjätigfeit 
befeßt unb bamit ihrer mohlthatigeu BMrfung 
wieber beraubt werben foflen unb nicht oielmeßr 
einer leichteren Gr(;oIuug Staiuu gegeben werben 
fann unb muß, bie, wie eben baS ©pteleit, gwar 
bie Jfrnft nicht gang in Stuhe feßt, fonbern 110$ 
immer in Slufpruch nimmt, ißr aber freiere Be* 
Wegung gönnt, fie übt 1111b nach anbereu ©eiten 
unb Stichtiingeu hin beßhäftigt unb eben bamit 
weuigftenS mittelbar bem 2 ernen unb Arbeiten 
felbft wieber gu gut fonimt, theilweife fogar un= 
mittelbar boffelbe förbert unb baraiif borbereitet, 
wie g. B. burch fo bieleS, was Äiuber gunächft 
nur gu ihrer Unterhaltung aus allerlei Stoßen 
unb mit ben mnnnigfncbfteu Bkrfgeugen ber* 
fertigen, unb fich babei „fpielenb" oft recht 
hiibfche gertigfeiteu unb praftifcheS ©efehief, 
©efdjmad, 'l'iinftlicbteit unbSlnSbauer erwerben. 

SBenn ferner aflerbingS nicht gu läugueu ift, 
baß bon m a 11 ch e n ©pieleu bie oben genannten 
SliiSfteflungen gelten, fo müffeii aflerbingS biefe 
gang entfehieben unterlaßen werben, aber barum 
boch noch nicht alle ©piele überhaupt. 2>enn 
nicht im ©pielen felbft an unb für fich, fonbern 
hauptfächlid) nur in feiner falfdjen Slnweubiing, 
in feinem Mißbrauch unb Ueberiuaß, im Blau« 
gel an Sluffidjt, 3 >nht nnb Orbnuug beim ©pie* 
ieu unb an richtiger Uebermadning uub 2 eituug 
beßeiben liegt ber gehler. Buch möchte fich bod) 
nod) fefjr fragen, ob bei böfliger Unterlaffuug 
beffclbeu, falls biefelbe überhaupt burchgefiihrt 
werben fönnte, nidjt nod) weit fd)liuiiuere Hebel* 
fiiinbe gu 2age träten, ©inb beim bie unbe* 
fcßäftigten Äiuber, bie entweber bor 2angeweile 
gar nicht wißen waS fie anfangen foflen, unb in 
bumpfem, ftiimpfeni StidjtStljuii ihren 2ag ber* 
bringen, ober bie nicht wißen, waS für Unfug 
fie aiiridjten foflen, unb in nichtSuußiger 9 toh= 
heit ober tollen ©treiehen berwilberu, biefleicht 
fittlich beßer als bie, bie bei einem fonft unfchul* 
bigen ©piel fich erfreuen unb erfrifcheit ? 

2 BnS bie ernfte unb mißliche Slrbeit anbelnngt, 
fo iß aflerbingS gang richtig, baß fie fchon auf 
ben elften Blättern ber Bibel ben Bteufcheu nicht 
bloS als eine ©träfe, fonbern gerabe als $eii* 
mittel unb ©egen berorbnet wirb, nnb bie oft 
fcharfe, aber gleichwohl febv gef unbe BMirge beS 


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416 


Pie Prbrntung brs Spiels. 


Sehens uitb and) fdjoii beS ÄinbcrlebeuS bilbet, 
ol>ite iucld>e felbft buS ©piel auf bie üauer »Debet 
fd)mcdt nod) gut befommt, — ober matt wirb 
darum bod) nid)t im ©rnft iit bicfer f»avteu 9 lr» 
beit „im ©cb»oei| beS 9 lngefid)t 3 " «nb i£)ver fau= 
reu 9 )?übe baS eiugige 3 >el eines tiienfchcn. 
Wiirbigeit üafeinS feljen Wollen; mein wirb, felbft 
»Denn inan bieg Dom bielgcplagten fötanne am 
< 5 nbe nod) erloarteit gu lönneit glaubt, eS bod) 
nic^t in flau} pleitem v)faß aud) fd)on Dom Äinbe 
bedangen, bafj itjin fd)on bieSlrbeit an fict>, nnb 
war nur fie allein unb augfcbließlid) Dolle SBe* 
riebigung, ©ennß unb ©einige fieiüäljre. 

©eine (»anje 3 f it unb Äraft toirb man ja 
bod) in jebem fjall nicht für bie Arbeit in 91n. 
fprud) gu nehmen oerinögen; eg beiarfja aerabe 
gur neuen ©ammluug unb ©panuung berfelben, 
unb gtoar je jünger eg noch ift, beftomebr, i^cilS 
ber Stube, IbeilS ber Grbotuiig bureb eine wcib= 
felnbe übätigfeit; unb gerabe bagu ift baS ©pie= 
icn baS befte unb guträglidjfle Wittel, als ein 
mittleres gwifdjcn Stube unb Arbeit, »do bie Äraft 
toeber gang brad) liegt, nod) iiberanftrengt wird, 
wo()l aber in Skiocgnng bleibt, unb jwar in 
iwanglofcr, freier, feibfirtctoäöIter, moriit fie 
eben am beften jiebeifjcit unb fid) (jnrmonifd) auS. 
bilbcu faun. 2öiibrenb bie eigentliche Arbeit 
immer nur getoiffe cinjelue unb «im Übeil febr 
bcfdjräulte Ärafte, Einladen unb ^apittfeiteir ber 
Äinber, unb and) biefe nur gwanggiocife unb oft 
ofjnb alle Stiidfid)! auf baS ridjtige SJtaß unb 
eine billige ©cbouung in Slnfprud) nimmt, 
bringt baS ©piel eine anteiligere Gntfaltung 
berfelben, unb namentlich and) fold)cr ©abeh 
ober ©efd)iiilid)feiten unb fterliglciten, bie bort 
oft gang unbeniijjt unb ungeübt bleiben. 

6 3 »uedt unb bebt überhaupt bie gefammte 
freie ©elbfttbütigfeit bcs ÄinbeS unb 
förbert unb fiebert baburdj eine Don außen Döflig 
ungebemmte (Sntwidelung einer gangen Uteuge 
Don Äeimeit gefunbeu SebeuS, bie hier, in ber 
Saft ber freien ©elbftbeftimmung, aber auch 
©elbflbcftbränfung, gang anberg wadjfen, alg 
unter ürang unb ®rud einer anbefobleneit 
Seiflang. Stießt a(g ob beg ÄinbeS äBillen gang 
ohne 3«um unb 3ügel, obue 3't>aiig unb 3uü)t 
bleiben follle, aber allerbingg foö er unb muß er 
irgenbwo ein ©ebiet ber Freiheit buben, too er 
fid) felber 3»el unb Aufgabe fteefen, ©aben unb 
Ärafte brauchen unb üben lernen fofl unb fann, 
wenn auberg eg einmal gur rechten tüchtigen unb 
felbftftiinbigen ©liirfe unb ^leftigfeit beg @ba. 
rafterg fornmen fall. SBeif? hoch jeber Sebrer 
unb ßrgieber, toie frifd) unb froh alles „ftrei. 
willige" gefd)ie()t, biefe Sufi barf man alfo bem 
Äinbe, wenn anberg nur fonft bafiir geforgt ift, 
baß eg bei feinem ©piel feinen ©ebaben an' Seih 
unb ©eele nehme, nicht berfümmeru ober rau. 
ben; baranf rubt gum großen Übeil ber üuft 


unb ©lang ber ffreube, ber über bein »ßarabiefe 
feiner ftinberfpiele fcbioebt. 3» ihnen, bie feine 
eigene (leine SEBelt bilbcu, fühlt unb bat aud) 
ba3 Äinb fchoit etwas Don einer SBonne jehöpfe. 
rifeben SBaltenS unb ©eftalteuS, wie eS jene» 
befaunte SÖort ber ©ebrift (©prücbe 8, 31) ber 
»Deltbilbenbeu ÜBeiSbeit ©otteS gufebreibt, bie 
„auf bem ©rbboben fpielt, unb ihre 2uft bat 
an ben fDtenfcbenfinberit," ober auch etwas boit 
jenem felig in fid) befriedigten Sehen unb SBeben 
in ben ©e|d)öpfen feiner deinen £>aub, womit 
ber #crr felbft eiuft rubte Don allen feinen 2Ber. 
feil, unb er fab fie an — „unb ficbe ba War alle» 
fepr gut!" ©old)e Suft unb ffreube beS „®e. 
lingeuS" fteigert nicht bloS feine Ära ft unb 
übätigfeit, fonbern flieht gum großen übeil auiß 
bie faft auguabtnSlog getoifje SBiirgfcbaft, bajj 
ein ftinb, bas fein ©piel mitförnftbe. 
treibt, einft and) feine Slrbeit mit ©ruft be. 
treiben wirb. 

3 ?iir feine fpiitere üüdjtigfeit ift alfo burd) bie 
auf’S ©piel Derwanbte 3 eit unb Ära ft nicht nur 
uidjtS Dcrloren, fonbern uneublid) Diel gewonnen. 
Seprt eS baS ©piel, baS eS nod) gang feiner Ära ft 
unb feiner Neigung nach ^Belieben anpofjeu faun, 
ohne jener guüiel gumutben, ober biefe burd) eine 
frentbe Autorität befdjräufcu laffen gu müffen, 
überhaupt einmal feine eigene Ära ft tennen, 
fdjäßen, nieffen unb brauchen, fo wirb eS auch 
ba, wo eS einmal »oirflicbe 9 liiftreugung berfelben 
gilt, unb »oäre eS nur bie 91 nftreiiguug beg @e« 
borfamS, b. t). ber freiwilligen Uuterorbunng 
beS eigenen ÜBillenS unter einen berechtigten 
fremben, eben bunb jene ihm fd)on befaunte 
greube beS „©elingenS" felbft baS ©cbwere leid), 
ter Dollbringen, unb baS augenblidlid) Unan= 
genehme »DenigftenS erträglich unb auf bie 
üauer fogar als einen ©egen empfiuben lernen. 

9(u unb mit bent ©piei erwacht unb ermädlft 
fDlulb unb Saft beS Ül)uu§, preubigfeit unb 
©elbftDertrauen gu ber eigenen fich frei be. 
wegeubeu, aber au<b bewährten, erprobten unb 
geübten Ära ft. Saßt man aber biefem ürieb 
nach ©elbfttijätigleit biefen freien ©pielraum 
ber »Bewegung unb ©ntfaltuug nicht, fo Der. 
roftet entweber bie Ära ft im ^Müßiggang, ber be. 
tanutlid) aller Softer 2(nfang ift imb in jener 
tbatenlofen Cangeweile, bie bie giftigfte ©chlange 
unter ben bunten SMutnen beS ÄinberlebenS ift, 
bie töbtlichfte ffeinbin alles echten ÄinberglüdS 
unb bie frudjtbare 9)?utter ber fchlimmften 3er* 
ftörerimten feiner unfihulbigften ^reuben, ober 
fie oerjebrt unb gerfplittert fich unb Derpufft in 
Äinbereien unb Übarbeiteit ober gar toirllichen 
©d)led)tigleiten, wäbrenb • fie bort Dcrfumpft, 
ftnmpft fie hier fich bor ber 3eit ab, »oirb Der. 
geubet unb berlottert in Unfug, fchtimmeii 
©treiiben ober leerem Üanb. 

3 eue allgtt nüchterne 9 lnficht, Welche bei» 


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Pie jSebeutung bt» Spiels. 


417 


Sdjroerpunft bcr ©rgiehung überhaupt nur in 
bie 9tiißlid)feit nab ©raudjbarteit fitr’S Seben 
feßt, wirb übrigens bcr Sfinbernutur eben io 
wenig Oöllig gerecht, als g. 33. eine eintjeitlirtje 
SJerfiaubeScultur, bie, Wie jene auf praftifdje 
Fertigfeiteu, auf bloße tpeoretifclje ßeuntuiffe 
beu Hauptnadjbrud legt. Söeibe bertenneu unb 
oernad)läffigeu gleidjerweife bie ebenfo roevt0= 
ooQeu Strafte, 9iulagen unb ^nterejjen be» ©e« 
mütljS unb beS HergenS, unb bürfen fomil feinen 
9(ufpru<h barauf nuid)cn, eine allfeitige unb 
oöllig Ijarmoiiifd;e 9(uSbilbiing ber qefnntititeu 
griffigen iyaljigtciten beS St inbeS bewirten ju 
tonnen. ©eben fie nach biefer fRidjtung hin git 
loenig, fo forbevu fie in einer anberu gu oiel, 
fofern fie fdjon bom Stiube oerlangen, Wal ljöd)= 
ftenS bein gereiften Wonne giitommt, fonbern 
bort febon eine oötlige, nöttjigenfallS gewaltfame 
Uuterbriidung and) ber fonft beteiligten Striche, 
bie boef) erft hier auf wahrhaft fittiidjem Wege 
bur<b freiwillige Selbfloerlängnting unb Welt« 
entfagunq gu ©taube fomuien faun unb fofl. 

31 m elften noch föunte bie Sorge ber ,,33cr« 
Weftliebung" bureb baS Spielen ober bod) bie 
etwaige ©emeinfebaft ber Witfpicler einen ernft« 
lieben ©inwanb gegen baffelbe fticbbaltig begrün« 
beit tonnen, unb wo eine berartige ©efnbr wirf« 
lieb üörbaitben ift, ober bodj gu befürchten fleht, 
ba wirb meniqftcitS bie ebriftliebe ©rgieljung eine 
boppelt forgfältig überwacbeube 9(uffi<ht über 
Spiet unb Spielgefeflfebaft gu führen haben, 
aber anbererfeitS wirb bodj auch ber oft fo fatfeb 
unb äußerlich gefaßte begriff ber Welt unb 
Weltflu^bt in oiel gu fdjroffer, bcfdjränfter unb 
einfeitiqer Weife unb bagu uodj praftifdj gang 
unooflgieljbar uttb unhaltbar auf bas Spiel an« 
gewenbet. 

3n Wahrheit banbeit eS fieb ja für ben 
©bviflen gar nidjt etwa bloS um ein Ieiblid)eS, 
fonbern oielmebr um ein inneres, geiftigeS gern« 
batten ber Welt unb Fernbleiben Ooit ihr, unb 
bei alter, im täglichen Seben unb 33erfeljr aueb 
außerhalb beS Spiels für bie Stinber bod) nie« 
utals gang gu bermeibenbeu Berührung mit ber« 
felben, um bie Söerpfliebtung, felbft mitten in 
ber Welt, boeb nidjt ooit ber Welt gu fein, fon* 
bern über ihr gu fteben. ©ine bloße flöfterlid)e 
9lbfperruuq erfiiüt biefe 9(ufqabe um fo weniger, 
als bie „Welt" befnuntlidj nidjt bloS außer unb 
neben unS, fonbern leiber auch in uns ift; b>er 
helfen alfo wieber nur 33ilbungSmittel höherer 
fittlicher 9lrt Ooit ©runb aus, bie ber ©rgieljung 
helfend unb büteub gur Seite flehen mtiffen: 
bie 3ud)t unb Orbnung beS HaufeS, bie Schär« 
fung beS ©ewiffenS, bie bebütenbe Fürbitte unb 
anbere ©(erneute eines cbriftlitben Familien« 
lebettS. Wähnt aber bie ©rgiehung auch ohne 
biefe prüfte unb Wittel febon bureb ba§ bloße 33er« 
fagen beS Spiels bie ©runblage für bie 33i (billig 


eines dniftlidjen ©IjarnlterS legen gu tönnen, fo 
überfd;äßt fie bie Wirfung eine» bloßen 33erbotS 
ui.b unterfdjäßt ben ©egner, mit beut fie gu 
fampfeu hat, ber taufeuö anbere 3uqänqe gum 
Stinberljergeii unb hunbert Oerborgene Schlupf« 
Wiutet in ihm felber hat; nid)t tninber aber aueb 
bie Tragweite ber im Spiel felbft liegenben bil« 
benbeit iutb ergiebenbeit Strafte. 

Wan brauebt noeb tauge nicht ben irrigen 
2raum einer uuoerfebrt gebliebenen „Unfdjulb" 
ber StinbcSnatur gu tbeilen unb tanu bod) in 
bein bon ©ott felbft jebein uiioertiiufielt unb 
unberbilbet gebliebenen Stiube ttjatfüchlidj ein« 
gepflangten Spieltrieb etwas an fid) berechtigtes, 
unb barunt aueb für eine fold;e ©rgiehung, 
welche bie natürlichen Willigen, Strafte unb 
Hilfsmittel fciiteswegS einfeitig überfpannen 
Will, bö<bft SeaebtenStoertheS uiib Fruchtbares 
fiubeit, tiämlieb baS 33erlaugeu, bie Suft unb 
Siebe gur eigenen St bä ti gleit, bie im 
Spiel ja bie Hauptfad)e ift, gang abgefebeit oon 
bein, was bureb biefclbe etwa gefdjaffen ober 
bargeftellt Wirb. 

Wie wenig bein fpieleifrigen Stiube ait ben 
©egeuftäuben unb £>erOorbriiigungcii feines 
SthunS liegt, geigt bie tägliche ©rfobrnng: eS 
Wirft nach turger Suft beS 3kfd)aueu5 feine Star« 
tenhäuScben felbft wieber ein, um mit gang 
gleidjer ungefd;mäd)ter F«nbe mit ihrem bau 
auf’S neue gu beginnen. $aS beweift fd)lagenb 
genug, baßbaSSntercffebeim Spiel nicht außer« 
halb ber 2ljätigteit liegt, in ihren ©rgebniffen. 
Wie g. 33. bei ber 9lrbeit, ober and) beim Semen, 
fonbern innerhalb berfclbcn. $arin liegt aber 
auch unoerteunbar ein nicht leid)t mißguoer» 
ftehenber Win!, baß unb wie fid) bie ©rgiehung 
biefeS Spieltriebs gu bemächtigen hat, nämlich 
fo, baß fie ihn gwar Wot)l in qeorbnete Sahnen 
Weift, aber nicht erflideit unb tobten barf, um 
feine Straft gwar Wohl gu gähnten, aber nicht gu 
lähmen. 

Sticht ber Spieltrieb ober ba§ Spiet an fiefj 
felbft, nicht einmal baS Spiclgeuq, fo gefährlich 
eS oft Werben tann, ift baS Siiubige, fonbern 
bie falfche 9lnmetibuitg beS Seßteren, unb bie 
Oerfehrte Utichtung, bie ber ©rflere einfehlägt unb 
ba& Uebermaß ober ber Wißbrauch, bie mit bem 
3weiten getrieben werben. 

©ine ftiH unb georbnet fpielenbe muntere 
Sliuberfdjaar bietet hoch wahrlich fein geringeres, 
fonbern ein fittlich eblereS 33ilb bar, als ber 
faule Stagebieb, ber über allerlei lofeit unb 
loderen Ißlänen brütet, ober ber frech fid) h m un= 
treibenbe, lärmenbe ©offen.junge, ber fidj nur 
an Unorbnung, oft fogar Unanftänbigfeit er« 
freut. Wan forge nur bei 3 f iten bafiir, baß 
jener $rong und) freier unb bariiin freudiger 
eigener Shätigteit fein richtiges Strombett fiitbe, 
fo wirb er Weber ginn ftiirgenben ©ießbach wer» 


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418 


llankgrbtt btt Sffyntttrr. 


ben, ber alle ©djranfen ber 3ud)t iiberbrauft, 
noch jum fieljenben 2Baffer, auö bcm fiel) bie 
bumpfe 2uft berpefteter fünfte entiuidelt, fon* 
bevn mau mirb (Seiüinn mib ftörbeumg genug 
barauS $ief)en, nidjt bli>3 für beu augenblidli<$eh 
nnb öligeren 9iupeu, fofern ja fepr uiele Spiele 
burdö Uebuug in allerlei gäpigfeiten unb $uuft* 
griffen eine’ anägejeidjiiete 5$orfd)ule für ba§ 


fpätere Sieben unb eine SBorbereitung für feine 
iiiaiinigfaltigfleu Stufgabeii unb ^5flid^ien bar* 
bieten, fonbern aud) einen bleibenbeu ©egen 
buvd) Sntroidelung einer ffllenge ber berfdjieben= 
artigften gäljigteiten, ft'rafte, Einlagen, ftennt* 
nifje unb iugenben. 

(3$lu| folgt.) 




Dankgcbct der ^ek«ltter. 

-ofo- 



^anfet bcm ßerrrt, bentt er tft freunblicfy unb feine (Bitte 
mätjret etmglid?. Pf. 106, 


<P*c 


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Maximilian Julius fPropolb. 


419 


3Ka*troiliau $ultu* £eoyoU, $er;o0 von ^muufdjuidj uuD 
, fünelmrtj, ai» $^r;og uub (Cljrilt. 

/x 

, \r-> g«r 6a«i null ©erb ttou gBilljelm tyfäffte. 


S ift ein uralter, WoblDerbienter 
(Ruhm beS (Braunfcbroeigifcheu 
| SiirftenbaufeS, baß eS fid) burch 
warme, wirtfame ©övifteuliebe, 
,rf 4 vas burdj gemeimiüßige Wobltbatig* 
' feit, biebermünuifchen ©um uub 

wahren fcelbenmuth immer borjüglich auSge« 
geid)uet bot. 

$iefe lugeuben ^attc auch Scopotb geerbt. 
Sein ChriftliChcS Seben, fo furj eS auch War, ift 
mit ben bcrrltchften Sl^atbeiueifeit baDon erfüllt. 
(Darum Derbient eS in bet ©cfdjichte ebelmiitbi* 
Vier, nii&liCher, DerebruitgSmiirbiger Wenfchen 
einen '-Blafj. 

Wajinulian ^iiliuS Seopolb trmrbe fdjott 
frühe bunt) ben Unterricht in ber (Religion ju 
gütigen, tugcnbbnften ©efinnmtgen geleitet. ©r 
eiflfcfing biefeit Unterricht tum einem ber erflett 
Chriftlichen, weifen uub firnnblidjftcu (RcligionS* 
lehret — non bein gelehrten 3erufalem. 

2fn feinem fiebjebnten 3fabre legte er fein 
©laubenSbefenntniB mit einer Ueberjeuguug uub 
3?reubigteit ab, welche olle 3al)örer erbaute. 

©r ift nicht gewichen Don ben ©runbfäßeu be3 
©briftcntbumS, bie er in ber Smjenb als bie 
(einigen feierlich erflarte, er ift ihnen im reiferen 
2llter als einer heilige» Siegel gefolgt unb treu 
geblieben, bis er in ©hrifti Sinn fiurb. 

6r bejeugte mit fjfreubigfeit uub feine Worte 
waren wie Seifen. @r bejeugte gn mehreren 
fötalen feinem älteften, geliebtcften Sebrer, bajj 
er uon ber Wahrheit ber Chriftlichen (Religion 
gewiß iiberjeugt fei, bajj er fie für baS größte 
©efchenf ©otteS, für baS größte ©nt ber Wenfch» 
heit achte, uub baß er fie für alles in ber Welt 
nicht hingeben Wolle. (Sin anbereS Wal ber» 
icfjerte er, er würbe baS ©briftentljunt hoch» 
ehäfcen, wenn eS auch »idjt folche ©riinbe für 
eine SBaljvheit hatte, weil er fiel) bobei beffer 
lefänbe, als bei ben Subtilitäteii ber ©hriffuS« 
üerächter. (Sr erfannte ben Werth ber Religion 
auS bem rechten ©efichtspunft uub fuChte fie ju 
bem rechten 3n>«f J» nntjen. 

deshalb aber achtete er bennoCh jeben 3fort» 
fdjritt ber SSMffcnfcfjaft. ©r hörte gern Wannet, 
bie üerfchiebeite Weinuugen in SR’eligion3fad)en 
hatten, mit eiuanber rebeit. 

Sebhafte Ueberjeuguug hatte er inSbefonbere 
turn bet (Borfebung uub UnfterMichfeit, biefe, 
faate er mehrmals, muh mit nur (Riemanb weg» 
rüfoniren, beun bie fanu ich nicht miffen. 

©r baChte bähet auch oft uub ernfllich an bie 


(Borfebung uub Uufterblichleit. Wit feinen (Ber* 
trauten untervebele er fiCh gern barüber, mit 
Würbe unb mit Scuer fprncher baoon; gewöhn» 
lieh tiffen ihn biefe ©egenftänbe fo hin, baß fein 
eiujig auberer neben ihnen feine (Hufmerffamfeit 
u Derbienen fchien. Sleißig unb feljr anbcichtig 
eierte er ben öffentlichen ©ottcSbieuft; mit tie» 
fer ©fjrfurcht genoß er baS heilige Slbenbntabl 
unb hielt auch forgfaltig barauf, baß feine Sol» 
baten ben ©otteöbienft nicht oerfeiumteu. ©r that 
bieS im Srieben unb im flrieg. 

(Bon feinem thätigen ©ifer, biejenigen, bie ben 
Iroft ber (Religion in Seiben nid)t tonnten unb 
fnChten, auf beufelbeu oufmertfam unb barnad) 
begierig ju machen, ift folgenbeS Seifpiel mit» 
getheilt. ’* 

(Der Sieutenaut ©. Dom tjfrjoglich braun» 
fchweigifchen Seibrcgiment, welchem ber 'Bring 
Seopolb bamalS als Oberfter oorftaub, war aus 
Waugel hi»teicf)enben OteligiouSunterrichtS in 
ber^ugenb uub burch Sefen Dieter Sdjriftcn Don 
Voltaire, Spiuoja u. f. m. ein (ReligionSoerüchter 
geworben, ©r fiel in eine töbtlidje Ärautijeit. 
©r hatte grofje f^urCht Dor bem "lobe, nnb tonnte 
(ich mit feinen freigeifterifdjeu Weinungen nicht 
beruhigen, ©r tlagte feine 2lngft, forberte 2toft 
unb fchien jeben Strahl ber (Beruhigung freubig 
anjunehmen; aber nur ton feinem ©eiftlichen, 
ber ihm jtärfer biefe Iroftgriiube fagen tonnte. 
Wollte er etwas hören. 

(Der gute spring erfuhr ben 3»ftanb beS an 
itörper uub Seele leibenben jungen WanueS, 
trug bem ©arnifonSprebiger $. auf, benfelbcn 
als 3?reunb gu beftichen unb ließ ben Giranten 
bitten, ihn als einen folcheu anjunehmen. ©e» 
rührt Don beS üortrefflichen dürften ffiirforge, 
nahm er ihn gütig auf, unb eutbedte ihm feine 
3weifel gegen bie Üteligion. ler ^Jrebiger über» 
jeugte ihn Don 3^'t ju 3 e 't immer mehr Don 
ber Wahrheit ber Chriftlichen (Religion, ©r er» 
tannte fie guleßt mit folcher ©emilbeit, baß er 
jum (Beweis feiner feften lleberjeugung ba§ hfi= 
lige 9lbenbmahl genofj — unb nuii erwartete er 
fein ©nbe mit ajriftlicber ©ebulb unb Döüiger 
©rgebung in ben Willen ©otteS. 

9lnf feinem Sterbebette fegnete er ben from» 
men jungen giiefteu, als ben (Retter feiner 
Seele, uub erbaute burch fein SJeifpiel bie Um* 
ftehenbeu. 

©r folgte aber nicht bloS für ©injelne, fon» 
beru für bie Wohlfahrt feines gangen (Regiments, 
©r that eS mit einer ©efchiiftigteit, Weiterleit 



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420 


^azimiliott Sulius JVopolb. 


unb mancher Aufopferung, bie allen SefeljlS» Gr beftellte einen Sekret für biefe Shule, 
labern gum DJtufter gu empfehlen l'iub. Sot'güg» unb formte für beffen recht aiijehnlihen ©ehalt. 
lidj ließ er fid) bie Serforgung ber ^noahbcn Sie Gompagnie«Ghef3 gaben beinfelben monat» 
beffelben mit einer außerorbejitlihenSßärme unb lief) jiuölf Stjaler, ennniitert burh ihres SefefjlS» 
Setriebfamfeit angelegen fein. habet'3 Seifpiel, ber ihm arfjt Spaler gab, auh 

3u i|tem Seften unterhielt er einen fcljt aus* immer aüe nötigen Siiher unb Schreib* 
gebreiteten Sriefwechfel. 63 tonnte faum eine materialien fünfte. 

©teile für fie lebig werben, fo erfuhr er eS fdjon, SoS ©djulhauS mürbe ben 26. Januar 1778 
unb bann beeiferte er fih uuermüblidj, ibuen öffentlich eingemeitjt. Siebt wie fünfhundert 
biefelbe gu berfhaffeit. Gvhielt einer ein Amt in Solbatenfiubcr, bie bisher ohne allen Unterricht 
ber Sinanjberwaltung unb tonnte bie erforbcr* gewefeit waren, erhielten beufelben nun gäiiglidj 
liebe Sicherheit nicht [teilen, fo Ieiftete ber £er« frei. Sie immer Wad)fenbe Angohl ber Schüler 
gog bie Sürgfdjaft für beufelben, ober lieb unb —beim auch attbere Sinne burften ihre Sinber 
fdjenfte ihm oft bie Summe bagu. in bie Shule febiden— machte einen gweiten 

Sielen anberen gab er gu bem fönigliheit Sebver notbwenbig. 

©nabengebalt und) monatliche 3uläge. Gr forgte bei ber Stiftung biefer S<hul«Aii* 

Aud) bie Sronfen bcS bergoglidj braunfdjwei« ftalt für ben beften Unterricht in berfelben. Gr 
gifeben Seibregimcuts, beffen Somntanbeur er hatte felbft biele Schriften über bie Grgicbuiig 
ehemals war, behielt er immer im liebreidjcn gelefen; am weiften gefiel ihm bie Stctljobe be$ 
Anbeuten. Als er in preufeifhe Sicnfte trat, eblen Ferrit bon 3tocbow, unb barum wählte er 
fdjtieb er bem Argt beffelbeit: 3 ft Sbnen mein biefelbe. 

Anbeuten lieb, fo will ich es äbncit baburh Gr fanbte feinen bamaligen fjelbprebige:., ben 
empfehlen, baß Sie ferner fortfahren, für bie $errn 6. 9t. frohen, nach 9tetabn, nahm alles 
armen Sraufeu bes bisher bon mir lominanbir» in Augenfdjein, forfdjte iebem tleinen Uiuflattb 
ten [Regiments als Argt gu fovgeit. ber bortrefftichen Dtodjom’fhen 2eljrart nach, ließ 

Sobalb ber fjerjog gum [Regiment getommen, {ich über alle Sanfte berfelben unterrichten, unb 
beforgte er für bie jüngeren Offigiere unb 3un» führte alles für feine hlegimentsfhuff 3 roc( f- 
fer, Sehrftnnben in ber Orthographie, ©efhidjte, mäßige unb AnWenbbare barin ein. 

Geographie, Slatbematif unb fraugöfifhen AIS am 6. Januar 1783 bei einer öffentlichen 
Sprache. Sie gnm $leife bei biefem Unterricht Prüfung ber gute Fortgang biefer Sd)utanftalt 
gn ermuntern, war er felbft babei gugegen, unb recht fihtbar geworben war, fdjrieb et gleich on 
bamit fih feiner fhämen möhte, gut uiib rihtig biefem Sage einen ©rief an einen feiner alten 
fhrcibeit gu lernen, fehle er fih mitten unter fie, geliebten Vehret in Srauufhweig, boll ftarfer 
fchrieb alles mit, was ihnen bom Sehrer bictirt 3eugniffe, wie eine wichtige Angelegenheit bie» 
warb, unb war ber erfte, ber bcmfelben fein felbe feinem bergen fei, weihe große Selofjnung 
Sapier gut Sorreftur gab. SicS hatte nun bie er in ber guten §?rud)t feiner foftbaren unb müh» 
bortrefftichfte AMrfiing auf beit gleiß biefer famen Arbeit finbe. 

jungen Krieger. Siefer Unterricht bauerte bis Aud) außerhalb beS großen SCßirfungSfreifeS 
ginn gelbgug im gatjre 1778. Gr änderte bon feiner Shulanftalten War er tbätig, gute Gr» 
3eit git 3eit, baß er benfelbcit wieber beranftal» giehung gu beförbern. So unterftiifete er manche 
ten wolle; aber unbefannte $inbernifje hielten fähigen Jünglinge, bie fih ben fhöiten SÖiffeit» 
ihn boh bon ber Ausführung ab. fdjaften unb fünften gewibmet batten, auf 

gnbeffeu hatte er ben meufhenfreunblihen SdjulenrAfabemieit unb [Reifen. Gr tiefe biele 
Gntfdjlufe gefaßt ein Serforgnng5»£)aii3gu ftif» arme berwaifte Sinber auf feine Soften f>anb* 
ten, barin ber ewlbaten [Bittwen unb Sinber, werfe lernen unb gu guten, brauchbaren AJen» 
um fie gugleih gu ernähren unb nüfelicfj gu be» fheu ergieljen. Ginft fanb er in graiiffurt gwei 
fhäftigen, ftetS Arbeit für guten £oh» finben Sinber, bie gang berlaffen umherirrten unb bet« 
foHteit. Grft war er willens, eine SBittwenfaffe leiten. Gr nahm fih ihrer an, unb fdjidte fie 
für bie armen £>iiiterlaffeucu ber berftorbeneit an bie braunfhtoeigifheit Armenauftalten. Sei 
Solbateu gu errihten, aber nahbem er in einer ihrer Abreife ging er AlorgenS um fünf Uhr 
3ufammenfunft mit ben Sorfteberu ber Amten« träfe ber fetjr rauben [Bitterung felbft gum fjuhr» 
Anftalten fih bariiber berathfhlagt, Würbe er mann, um gu feben, ob fie aud? gut gegen baS 
übergeugt, bafe bureb ein folcbeS SerforgungS» SOetter Perwahrt Wären. AIS er bieS nicht fanb, 
£»anS mehreren Sevfonen unb auf eine gemein» gog er feinen eigenen Ueberrocf auS, Wiaelte fie 
nüfeigere Art geholfen werben fönne. nt* beufelben, fab fte erft abfahren unb ging 

®aS unbergeßtiche Senfmal ber fruhtbarften bann im [Regen ohne Ueberrocf nah 4>aufe. Sei 
[Bohlthätigfeit — wir föunen fageit gegen bie feiner lefetenAuwefenheit in Sraunfhtoeig ging 
9)fenfhh«it — ift jeboh bie p r e i S w ü r b i g e er felbft nah bem Söaifenbaufe, liefe bie Sitiber, 
Sdjulanftalt, bie er geftiftet bat. beren [Rainen er genau behalten hotte, rufen. 


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421 


erfunbigte fid) nach ihrem Setragen unb er» traulichen ©riefwedjfcl, unb ftniner fprad) er 
mahnte fie, fleißig gu fein, unb fich in allen bon iEjncu mit ©krtljfcbäfeuug unb 8?reube. 
©tüden gut aufgujiibren, bann wolle er weitet SEÖenn er mid) ©rannfehmeig fam, befudjte et 
für fie forgeit. ' liebreich alle feine alten Sefannten; unb bie= 

3fm 2Bo()ltf)un fannte et feine (Snnübung. jetiigen, welche itjin in feinet ßinbffeit nnb 
3n ©raunfdjweig unb an aitberen Orten haben fugend Oieufte geleiftet — waren fie auch fefjr 
biele fJtotljleibenben ©Jofeltbaten Don itjnt em» weit unter ihm — liefe et gn fiefe foinmen ober 
pfangen, auch gab er gerne bnrdjreifenben Oiirf» ging fetbft gu ihnen unb unterhielt fid) mit ihnen 
tigen, fo bafe gewife ber gröfete Stfjcil feinet (Sin» feljr leutfetig. 

nähmen gu Söerfen ber Siebe angewenbet Wor» fjiit feine ©ebienten folgte er wie ein ©ater, 
ben ift. (Sr gab ihnen ein bcftünbigcS gute» ©eifpiel; er 

Um fid) Don bem (Slenbe ber Scibenben befto antwortete einem ©tarnte, ber ilpn feine ©er» 
nahet gu übergeugen, unb baffelbe befto gewiffet ehrung wegen feiner guten ©efinuungSart auf» 
bölüg heben ober bodj erleichtern gu fönneu, er» richtig begeugte: 3dj barf nid)t unredjt tlpin— 
forfmte et eS felbft. (Sr befugte bie Uugliidtidjen es Ware für mich hoppelte» Unrecht, beim ich 
in ihrer Hütte, ging felbft an ihr anufcligeS höbe fo gute rebtiche Sente um mich; idj würbe 
Äranfcnlager unb Deranftaltete für fie bann mit fie betrüben ober berfdjlimnieru. 

Dielem <5ifer nach ihren Uinftünbcn gtoedmäfeige ©ngelegeittlid) befümmerte er fich um bie Ser» 
Hilfsmittel unb erforberliche ©flcge. forguiig berfelben nach ihrem Sobe, unb bat oft 

• ©Bie oft ging er nicht auf ©oben unb Sam» bie ©einen um biefe ©Joijltljat. 

S ern Diele Oreppen hinauf, um (Slenbe unb ©ein ganges Sehen war bie wiirbigfte ©or» 
ranfe, beren 9toth er erfahren h«tte, aufgu» bereitung gum Stöbe, beim fein ©erg war Don 
fueben, nie gufrieben, als bis ihnen geholfen war. (Sljrfurcfet für bie Dteligion erfüllt, unb in feinen 
Steicb war auch fein Sehen an ben Ougenben, Handlungen folgte er ihren Slnweifimgen, auf 
bie bie gkiidjte unumfeferänfter tljütiger HergenS» Ghrifium gu trauen, djriftlid) unb gut, recht» 
güte find. (Sr begegnete einem jeden’ and) benen, fehaffen unb menfdjenf reimblich ju fein, 
bie weit unter ihm waren, mit Höflichfeit, Herab» 31m Stage Dor feinem Stöbe war nodj bei ber 
laffung unb Seutfeligteit. ©iit ben ärmfteit unb Oafel feine lefete Unterhaltung Don ber Unfterb» 
geringfteit Seuten fprach er freundlich. lidjfeit unb bem 3 ll ftanb ber ©eele nach bem 

©einem Hergen war eS nicht möglich, mit Oobe, babon er fo oft unb fo gern fprach. 
©orfafe einem ©leiifcfeen eine mifeüergniigte 31m ©iorgen feines StobeStageS geigte er ftatt 
©tuiibe gu machen. (Sr hatte Diel Sebhnftigleit feiner fonft gewöhnlichen Sebhaftigfeit eine 
unb ©übe beS SÖifeeS, aber nie mifebrauchte er aufeerorbenttiche 9hilje beS ©eifteS. (SS befrent» 
biefelbe gum fleinften ©pott über feinen Stehen» bete bieS feine ©ebienten, ba bie ©efaljr ber 
meufdjen. ©Bafferflutp fich immer Dergtöfeerte, unb Diele 

(Sine ebelbenfeitbe Jilrflin gab ihm unter (Sinwohner ber ©orftabt fefjon in hoher fJtotlj 
Ohränen, bie fie bei ber Stachricfet feines StobeS waren. 9llS einer berfelben beSWegen fagte: ©o 
Dergofe, baS laute 3eugttife: 31ch ber gute ©ring! ruhig hohe ich Gw. Onrdjlnuöfet noch nie gefehen, 
9tie höbe ich aus feinem Wunde ein ©Bort gum antwortete er: OaS ift gut, mau ntitfe oft ruhig 
©djabeit ober bitteren Oabel anberer Seute ge» fein; üorgüglich mufe man bedacht fein, unb alles 
hört. OaS Steifte, was id) Don ihm gehört höbe, wohl überlegen, wenn ©efaljr ba ift. $afe er 
War, bafe et 3litbere bertljeibigte, alles gum heften nach feinen ©Borten auch hier gehandelt, bafe er 
lehrte unb für Seute, bie Hülfe nötljig hatten, bie ©efaljr, welche ber ©tabt brofete, bedacht. 
Bat unb fprach. - alle dabei gu bemerfenbeit Umftänbe wohl über» 

3)afe er nidf)t auS eitler SRuhmfucht, ober um legt, bie wirlfamfteu StettungSinittel gewählt, 
9tuffeljen gu machen, grofee unb gute Handlungen unb ©erfügung getroffen, bafe fie au bem Orte 
Derridjtete, dies geigte er auch, als man über bie gebraucht werben foüten, wo fie am nötfeigften 
Üfeüre beS auf feine Stoffen erbauten ©chul» waren. $>ieS beweift ber ©rief, ben er an ben 
haufeS bie Sluffdjrift gefefet: „Seopolb’fche ®ar» Herrn Oberft Don fjranfenberg lurg por feinem 
nifonSfdjule". (Sr befahl, bafe fie wieber weg» Hingang ginn ©ettertobe gefchtieben, und ben 
genommen werbe, unb liefe das HauS mit bein man auf feinem ©chreibpuite fanb. 
eingigen ©Borte „©atnifouSfchule" begeidjiten. Oiefe hefonbere ruhige ©emütljSDerfaffung an 
@r Uberliefe flöh teiuer ftrafbaren herrfdjenben feinem lefeteu Wovgeit liefert bie Utfnche über 
Seibenfd&aft, fonbern lebte beftänbig in wahrer ben ©tunbfnfe unb baS ©efüljl, weshalb er fid) 
Stäfeigleit unb ©trenge gegen fich felbft. in StobeSgefafjr wagte. ©Jährlich nicht au§ 

©egen feine ©Item empfanb er bie^ärtlidjfie rafeher Unbebachtfamleit. Vilich waren fchon 
finblidje Siebe, ©einen (Srgiefjern itib Seljrern einige Seute ficher über ben ausgetretenen ©trom 
bewies er unDeränberte Oaiitbarfeit. ©iit einigen gelommen, und er befahl ben ©efeiffern, gerabe 
berfelben unterhielt er uitiinterbrochen einen Der» benfelben 2öeg eingufchlagen. (Sr brauchte alfo 


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422 


Papa ©berli«'* |fafloralbefud) beim $rßlrrtoni. 


alle bebachlfame Sorgfalt. ©tarfeS ©«trauen 
auf ©olt, baS er immer in ber ©efaßr empfanb, 
mtb eine gewifje Erwartung, bind) fein leuchten» 
beS Seifpid ©nbere jti bereiftem, brachten i()it 
u bem Entfchluß, beu ©otlileibeubeu mit ©ei* 
eitefepung aller eigenen ©efaßr 311 ftilfe ju 
eilen. — ^mmer ftiirfer ttmrbe fein ©titleibs* 
gefußl, fo »uic mit ber 3 ?lutf) bie 9totfj ber Un* 
gliidlichen flieg. Unb — länger wiberfleßen 
tonnte er bemfelben nicht, als eine ©tutter bor 
ißm nicberfiel unb ißct tjänberingenb anfle^te, 
er möge ihre hinter retten Iaffen. Er riß fich 
aus bcn £>änben feiner toeinenbeit Qfamilie, bie 
ihn nicht bon fich Iaffen wollte, unb eilte an’S 
Ufer jur SRettung. SaS ©olf fleht ihn an, fich 
nicht in ©efaljr 311 begeben. ©ber er antwortet: 
„©SaS bin ich mehr, wie ihr ? 3cb bin ein ©tenfch 
wie ihr, unb hier fommt eS auf ©tenfchenrettung 
an!" ©ad) bicfcn ©Sorten, bie Wertb finb mit 
golbenen Suchftaben in ben Zimmern aller 
©rofeen 3 ur beftänbigen Erinnerung angefchrie* 


ben }ii flehen, fteigt er in ben ©acheu. unb will 
bie fyreube empfinben, bie er fi<b immer als bie 
größte aller gfreubeu gebacht, unb bon ©ott als 
eine ©Sohltßat erfleht hatte — will ©teil« 
fcheu boin Sobe erretten. Entfchloffeu 
unb herähaft wagt fich ber ©tenfdßenretter in bie 
teißenöe Qflutb, inbem er juleßt noch Reiter unb 
freunblich bie ©teitge grüßt, welche am Ufer ihm 
jitternb nocbfieht. — 

©ott! ^eiliges Sunfel berbirgt uns jeßt noch 
beine weifen fRatßfchlüffe! 3 n feinem menfchen* 
freunblichen £>elbengef<hitft finit er in bie Siefe, 
unb ftirbt in bem ©ugenblid beS ©intens — 
ftirbt im ©inn unb ©orfaß, im wirtlichen ebeU 
milthigen ©ejtreben, fRetter unglüdlicher ©Jen* 
fcfjeit 31t werben. Er ftirbt aus mächtigem, un* 
tilgbarem ©efüßl beS ©titleibenS. 

3n jenen glutben berfinft er unb ftirbt ben 
IRettertob. ©ein Scben hatte er gewibmet bem 
ÜtuJjm ber ©Jenfchhcit, fein Sehen läßt er im 
Sienfte ber ©tenfchheit. 




papa ®berliit '0 JJaftoröUBJejudj beim Pe^lertaul 



gär §an$ unb §erb bearbeitet bau «. 9t. 


7 


\tn lieblicher ©ommerabenb ruhte 
auf ben ©liefen unb ©arten beS 
SorfcS ©SalbcrSbadj. Sie ©Salbet 
jCt r prangten im fdjünften ©riin, ber 
ff[ muntere 8?oreüenbach, felbft einer fjorefte 
I ln gleidh, plutfcherte baßer, als freue er fich 
' * feines SafeinS; furj baS iin ©Muter fo 
rauhe ©teintßal war gefeßmiidt, wie eine 
©raut, als ©berliit, an ber ©eite feinet 
’ jungen 3 ?rau, bon einem ©uSfltige nach 
©elinout heimfefjrte. ©eine ©eele War 
mit ernfteit, aber jugleicß freubigen ©e* 
bauten erfüllt. Er hatte am Sage 3tibor 
über ben lebten Sßeil beS 25 . jfapitelS 
im Ebangeluim ©tattßäi geprebigt, in 
welchem 3 efuS in großartigen ©ilbcrit 
bon bem jüugften ©erießte unb ber enblidjeit 
©cßeibitng ber ©erecßteit unb ber ©ottlofeu rebet. 
©tit gewaltigen, eruften ©Sorten hatte er ben 
Untergang berer gefcpilbert, bie in ihrem ©iin» 
beutauinei baßinfterbeu, er hatte bmgewiefeit 
auf ben ©Siirm, ber nicht ftirbt, unb ba§ freuet, 
baS nicht erlöfcht, unb mit befonberem ©achbrud 
betont, baß wohl taufenb ©forten in bie fiölle 
hinein, aber nicht eine eimige hinausführt. Eine 
jener berberblicßeu Sanjbößlen, welche bamals 
in SeHefoffe eröffnet worben unb bem eifrigen 
jungen ©rebiger als fförberiit ber hertfehenben 
©ittenberberbniß ein Sotn im ©ugeJoar, hatte 


ihn beranlaßt, feinen ©farrfinbern nicht ben 
©ater ber Siebe unb beS Erbarmens, wie baS 
feinem fünften Eßaratter fo nahe lag, foubern 
bcn sitrnenbeu ©ott ber 9 tache 31t 3eigeu, ber bie 
©iinbeit ber ©ater heimfuebt an ben Stinbern 
bis in baS britte unb bierte ©lieb, ©eine ©orte 
hatten einen tiefen Einbrud auf bie 3 uhörer ge* 
macht, unb auf feinem ©efuche hatte er aus bem 
©tunbe ©ieler etwas bon ber wuuberbaren Straft 
beS göttlichen ©SorteS bernommen, welche fie in 
ihren liefen berfpiirt hatten, — eine herrliche 
Ermunterung für einen Seelforger, beim 9 tücf* 
blid auf beu harten ©oben, ben nach mühebollem 
liefern unb ©fliigen eublicß ein wogenbeS ©teer 
bon grünen |>almen fdjmüdte. 

„Siebe ?>ran," rief er plößlicß, ü«h ju feinet 
©attin wenbenb, bie ein ©träufechen frühlings« 
blumeu in ber £>aub finnig neben ihm einher* 
feßritt, „fichft bu jene ©fette am äußerften Staube 
bcSSorfeS? ©Sie eSfcßeint, ift ber Steßlertoni 
wieber bon feiner ©Sanberfaßrt heimgetchrt. 3 <h 
wiinfehte, er wäre geftern in ber Stirche gewefen. 
Ser arme ©tenfeh geht feiten ins ©otteShanS, 
tommt er aber einmal, bann nimmt er ben ©re* 
biger genau auf’s Storu, unb hat mir hie unb 
ba fchon ein paar ©emertuugeu h'ugeworfen, 
bie ich toahrli^ nicht an ben ©piegel gefteeft 
habe!" 

„Ser Iteßlertoni," berfepte bie ©attin, „war 


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ftapa ©berlin'« ^aftoralbcfmt) beim Sehlertoui. 


423 


gefteru onwefeitb; gerabe als Wir bie Jtircbe be* 
traten, tjintte er mit feinen fdjiefen Seinen bie 
Jrcppe gur ©mporbiibne hinauf; eS ift fettfam, 
baß bit ifjn nicht bemevtteft." 

„ 5 üer 'Anblitf biefeS Stengen," fuhr Oberlin 
fort, „gwingt mir ftctS ein Säbeln ab. Sei mei* 
nem 'Amtsantritt bi« gehörte er gu meinen ent» 
fcbiebenen ©egnern, ber feine ©elegcnbeit 311 nt 
Spott unbenußt öoriibergeben ließ. 9 l(S icb ibnt 
einft nebft einigen feiner gleicbgefinnten ffante* 
raben, bie ein red)t ungültiges Sieb mit einqnbcr 
fangen, einen berben SerweiS gegeben unb tauin 
ben 9 tiiden gemanbt batte, fo rief er mit und): 
“Que veutdonc ec Jean Foudrc d’Oberl in V” 
( 2 BaS toifl bocb biefcr $anS Starr Oberlin?) 
3 etj aber Wanbte mich rubig nm unb ertoiberte, 
ib« fdjarf ins Auge faffcnb: “Mon nmi, je ne 
m’apelle pns Jc:in Fondro, jo m’apello Jean 
Frederic Obcrlin I” (Stein fjreunb, ief» beiße 
nidjt £>an 3 9 tarr, fonbern 3obnnn 3? rieb rieb 
Oberlin)!" ©eit jener 3 eit bot er fich beviinbert. 
6r fommt mir äußerlich mit allem Ütefpeft ent* 
gegen, bat er aber an meinen Srcbiqten etwas 
auSgnfeßeit, fo bin i<b gewiß, baß er’S au ben 
regten Staun bringt. 2 öie mär* eS, wenn bu 
boit hier ben S 3 eg nach $jaufe unb 311 ben . JtleU 
nen allein fortfeßteft. 3<h toiD noch fdpiett 311m 
fteßlertoui hinab; idj muß wiffen, was er boit 
meiner geftrigen Srebigt beuft — ber närrifeße 
ffaug. Öer fagt, was er meint, unb Wenn er 
mich lobt, ftblafe icb heute noch einmal fo gut!" 
Stit biefeit ÜBorten eilte ber Heine Wann rofcbeit 
©drittes ins Oorf binunter, wäbrcnb bie garte 
©eftalt ber ©attin fid) bem frcnnblicben bon 
Säumen befebatteten Sfarrbaufe guwanbte, auf 
beffen Schwelle swei Keine Äinber fie jtibelnb 
begrüßten. 

Untcrbeffen batte Oberlin bie Quitte be§ Äeß* 
lertoni erreicht, aus bereu SEl)iir ber beifere SEon 
eines melancbolifdjen SolfSliebdjenS Hang. Oer 
Äeßlertoni ftaub mit bem 'Jtiiden ber Sbüre 311» 
gemanbt am rußigen Äamiit, in welchem ein 
luftiges freuet brannte. Oberlin bachte unWifl* 
fürlid) an bie 3eit, Wo er als armer ©tubent 
fich fein Sßafferfiippcben über feiner Campe ge* 
focht batte. So batte ibn bor fahren fein Sor* 
gänger, ber eble Starrer ©tuber, getroffen unb 
beim Anblitf bet fo 3uberciteten Stafjlgeit aus* 
gerufen: ,,©ie finb meinStann! ©ie finb ber 
rechte Starrer fiiv’S Steintbal!" Oodj Oberlin 
mar nicht ber Staun, auf biefe Steife feinen @e* 
banfen lange naebgubängen. „@uten Abenb, 
mein ^teunb!" rief er bem fteßtertoni 3U, ber 
fein bärtiges unb rußiges ©efießt langfam bem 
Srebiger guwanbte. „Sur einen Aug»blid ©e* 
bulb," rief er, „bann ftebe ich gu Oienften!" 
©pracb’S unb nahm bebutfam ben ffeffel bom 
fjfeuer, fchüttete bie bampfenbe ©uppe in eine 
gerbroefjene irbene ©cßfiffel, rieb fich bie £änbe 


gewiffenbaft an feinen Seiutleibern ab, welche 
unmöglich bunller unb befledter werben tonnten, 
als fie febou waren, unb fteflte fich mit feinen 
fichelförmigen Seinen unb einem berfebmißteu 
Säcbeln im ©efidjte bor bem Starrer bin, als 
wollte er fagen: „@o, jeßt fann baS ©jamen 
loSgebeu!" 

Oberlin batte fich unterließ ein wenig in ber 
£>iilte uingefeben, bie nur fpärlid) bom Abcnb* 
rotb erleuchtet War. 3 tecf)tS au ber Staub ftaub 
baS ©djlcifrab. Welches ben $eßlertoni ftetS auf 
feinen Säuberungen begleitete; an ben Salten 
ber Oecfe hingen gablreidje Siifdgel getroefneter 
Sf(an3en, 1111b über ber Settfteüe, bie fchöner 
war, als man es in biefer raudjerfüflten £ütte 
hätte erwarten mögen, hing fine SEafel auf ber 
in großer grafturfihrift mit taufenb feltfamen 
©chttörfeln bie Störte ftanbeu: „Stit meinem 
©ott fann ich über bie Stauer fpringen." ®o<h 
berrfchte in biefem engen, bumpfen ©ernad) eine 
yteinlicßfeit, bie mit ben Seinlleibcrn beS Jteßler* 
toni im enifd/cebenften Stiberfprudje ftaub. ©ine 
Steile blidten fiel) bie beiben Stänner fchweigenb 
an, eS fd)ien, als wollte feiner baS ©efprädj be* 
ginnen. 

„|)err Starrer, mit Serlaub!" plaßte enblich 
ber «eßlertoni heraus, „ntad)en ©ie’S furg, ich 
weiß, Worum ©ie gefommen finb. ©ie Wollen 
eine ©teuer fammetn, aber bei mir wirb nichts 
abfallcn!" 

„©ine ©teuer?“ rief Oberlin erftaunt. ©r 
fplirte, baß eine Schelmerei unterwegs fei, aber 
Wo bie ©cfcbid)te eigentlich hinaus Wolle, wußte 
er noch nicht. 

„&a! bie ©teuer, welche ©ie beute in Selmont 
gefammelt haben. 3‘h faß gang hinten in ber 
öuntlen ©de bon Stichel Starfcball’S ©tube, als 
fte bon £>au 3 gu £>nu 3 wanberten. §ätte ich 
mich meiner febmußigen Jtleiber nicht gefdjämt, 
ich hätte ber fyrau Sfarrerin bie £anb fiitfeit 
mögen. Stie ber3li(h empfing pe mich, als ich 
ibr an einem rauben Stcirgabeube einen Äorb 
brachte, wie freunblich rebete fie mit mir, wäb* 
renb ich ntidh halberfrorenen Stenfcben ein wenig 
wärmte! O bie ift ein ©ugel. Wie eS fonft fei* 
nen in unterem tauben SEbate flieht! ©ott fegne 
fie!" 

Sei biefen üßorten flimmerte eS feucht unter 
ben langen üöimpcrn beS Jteßlertoni. ©r aber 
fchludte bie berborbrechenben SEbränen gleichfam 
hinunter, unb madjte babei eine abfcheuliche 
©rimaffe, als wollte er bamit feine eben gerebe* 
ten Sßorte berhöhnen. 

Oberlin fühlte ficb feltfam bewegt bei biefem 
Cobe, welches ber Äeßlertoni feiner 0!rau gollte. 

S atte er boch noch auf bem Heimwege au ihrer 
eite eine fo innige Siebe gu iljr empfuuben, 
wie faum in ben erften Sagen ihres ehelichen 
©Kids. ®ie fchön war fein Sehen burdf fie 


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424 


}fnpa Wberlin’s ^aftoralbefud) beim Hefjlrrtoni. 


geworben! welche liebliche £>äuS(id)feit hatte’ fie 
ißm bereitet! Sod) faßte er fiel) frfjiied mit) faßte: 
„JÖeld) närrifcheS ©efcbmüß; ul) habe beute mit 
(einem ©ebauten au eine Steuer gebucht. 9(it= 
ftatt eingujuminelii, bat meine grau manche 
©abe ber Siebe aiiSgeftreut!" 

„9tur fachte, nicht fo lußig." fief if)ut ber 

ef;lertoni ins ©Jort, ,,id) habe bie dinberfäpp« 
lein unb dinberftrümpfleiu ioof)I lieferen, welche 
bie grau tßforrcriit ber armen diubbettnerin 
im testen £>äuSd)en beS SorfeS gebracht bat. 
9tber id) bleibe babei, Sie £>err Pfarrer haben 
eine dollefte gehoben, eine Steuer bon guten 
©.'orten, bon Sobfpriicben, bon Sanlfagungeit 
für 30« ge finge ißrebigt. Sie Steuer ift gut 
ausgefallen, nicht wahr ? glätte ich fo ferner gu 
fd)leppcn gefjabt tbie Sie, id) wäre nicbtfo fibnetl 
beit ©erg wieber berabgeloininen, unb meine 
9lbenbfuppe wäre noeb nicht getod)t. 91 ber noch« 
malS mit ©ergunft, $err Pfarrer! bei mir fällt 
9tidjtS ab, SÖenn 3hnen ber Wuiib nach San! 
wäffert, fo fd) luden Sie’S nur gang Ijcrjhaft 
hinunter!" 

Somit nahm ber deßlertoni beit Sedel bon 
feiner 9lbeiibfuppe, rodj hinein unb fdjualgte mit 
ber 3uuge. 

Cberlin faß wie erftnrrt auf feinem Stuhle. 
Gr hafte im iöortfampf mit ©eguern mandjen 
Sieg gefeiert, unb jeßt fottte biefer raube 
Sd)cerenfd)leifer if}n berböbnen, er batte ibn 
beim dragen nehmen unb Serbe fchiitteln tön* 
nen! Unb bodj, hatte nicht biefer SeufclSbraten 
feine innerften ©ebanten erlaufest, hatte fiib 
nicht beim Sobe feiner ©farrfinber ber ©eift beS 
£)o<binutf)S in fein &erg gefd)lid)cn, unb tonnte 
er gu feinem ©egner in ©ßaljrbfit fagen: Su 
liigft!" 

©inen 91ugeitblid fämpfte er mit biefer iune* 
ren Grregung; halb aber gewann feine belfere 
9tatnr bie Cberljanb, unb er begegnete mit 
ruhigem 9(uge beit ©lideu beS deßiertoni, ber 
ficb wieber mit feinem 3wittergeficbt bot \^ n 
bingefteflt batte. 

„|>ört, greitnb!" bot Cberlin mit rubrer 
Stimme an, „3br habt mir foeben eine Seftiou 
ertbeilt, für bie ich Glich Diel baute, aber jeßt 
laßt mich beim!" 

„9tein," rief ber deßlertoni gaug fleinlaut, 
„nein, föerr Pfarrer, fo laffe id) Sie nicht fort; 
ich bin freilich ein rauher, wiiftcr ©efelle; aber 
meinen Sie beim, baß ich Sie nicht auch lieb 
habe? — ©3ie gliidlid) war ich, als ©farrer 
Stüber nun erften Wale gu uns inS Steinthal 
tarn. Wir war’S, als fiibe ich eines Gugels 9(n» 
gefiebt. 3db hätte ihn auf Rauben tragen mögen. 
91 (S er uns aber verliefe, unb fein Ütacbfolger, 
Pfarrer Stöber, ©ott fei’S gelingt, mit.rohen 
giißeit niebertrat, toaS fein Vorgänger gefäet 
unb gepflangt batte, bamalS bin ich an meinem 


©ott irre geworben, ber ©liß bat in mein Seben 
geichlagen, unb ich trage bie SobeSwunbe in mir. 
9115 £)err Stüber wieberfam, bat er fie nicht 
mehr heilen tonnen, unb auch Sie, £>err ©far« 
rer, werben’S fcbweilich fertig bringen. Saß ich 
Sie aber lieb habe, nicht wahr, baS glauben Sie 
mir? ©leiben Sie uod), id) will ghueit mein 
£>erg auSfcbütten, Sie folleu hören, wie eS mir 
ergangen. ©ielleidjt gelingt es 3hnen mit ©ot« 
teS C>i*fe, mid) wieber gureebt gu bringen. 

Sabei riidte er Cberlin ben Stuhl bin, beit 
jener terlaffen batte, feßte ficb bor ihm auf beit 
ted)emel unb hob an: „Wein ©eburtSort ift 
nicht ©JalberSbacb, fonbern briibeu Strfbad), 
wofclbft meine Glterit gu ben ©egütertflen im 
Sorfe gehörten. 3« meinem gebnten Sehens« 
jal)re brachen Seib unb .dummer über uns her« 
ein. Srei meiner ©efdjwifter fanten in turger 
91ufeiuanberfo(ge inS©rab, unb meine Wutter, 
eine herzensgute, Ireugbnme grau, überlebte ben 
Sdjlag nicht tauge, teilt Säbeln tarn mehr auf 
ihre Sippen, unb eines WorgciiS fanbeit wir fie 
tobt int 93ette. ©oit ba an folgte ein Ungliid 
auf baS aitbere, ber ©ater War eiitinuthigt unb 
ließ 9lllcS gehen, Wie eS gehen wollte, 'meine 
©rüber liefen oft Sage lang in gerriffenen Jf lei* 
berit mit ben ©aiShirten auf ben ©ergeu umher. 
Sie einzige Schwcfter, felbft an ber 91uSgebrung 
leibenb, war nicht int Staube, beut ^auSiuefen 
orbentlicb borzufteljeu, ttub gmei 3abre fpäter 
mußten wir fie auch noch beut ©otteSader oon 
Soubat) tragen. Söähreub beS folgenbeit barten 
SöintcrS, wo eS uns an allen Gefeit fehlte, nahm 
uns ber ©ater mit in beit Söalb, um einen um« 
gefallenen biirren ©attnt beimgubolen. Sie 
Sonne fcf)ien hell auf ben hartgefrorenen Schnee, 
ber eijige ©Mnb btieS uns febneibenb um bie 
Chreit unb in ber gerne heulten bie Sßölfe. 
9115 wir nnS bemühten, ben ©aum mit bieler . 
91nftrenguug auf ben Schlitten gu fchaffen, brach 
bie Stange, bie mein ©ater in ber $anb hielt. 
Gr fiel gu ©oben, ber ©aum über ihn; wir hör« 
ten einen furchtbaren Schrei, unb bann nichts 
mehr, ©fein ältefter ©ruber, ber mit utiauS« 
fpred)licher Siebe ant ©ater hing, warf ficb über 
if)it mit taufenb diiffett; allein ber ©ater mar 
löbtlich getroffen, er regte ficb nicht mehr. Ginlge 
©adjbarit, bie ich C>iilfe geholt, führten bie 
Seiche auf' bem Schlitten ins Sorf. ©ßenige 
Sage fpäter war and) mein ältefter ©ruber eine 
Seiche; ber 3ommer um beit ©ater hatte ihn 
getöbtet. Wein eingiger noch lebenber ©ruber 
tarn gu einer Sante nach goubap, aber auch er 
würbe halb hin weggerafft. 9115 ich in fein ©rab 
Ijinuuterfdjaute, mußten fie mich mit ©ewalt 
fortführen, ich wäre fouft hinuntergefpruugen, 
ich wollte nicht mehr leben. Wein Oheim aber 
ooit üöalberSbadj faßte mich in feinen 91rm unb 
weinte fo herglid) mit mir, baß ich wich befänf« 


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flnpa ©berlin’s Jfoftoralbefitd) briiu Hr^lerioni. 


425 


tigen ließ, unb in fein ftau3 guriidfehrte. Cft 
aber brannte ich burd) unb lief nach meiner 
Mutter (Stab, um mich recht fatt gu meinen. 

Sanfte bauerte e3, bi3 bie Stauben öernarb« 
ten, ein tiefe3 $eimroeh erfüllte mein £>e.'g unb 
ein fjritnlicher ©roll fteflen ©ott, ber mir 2lUe3 
flenommen bitte. 3a, £>err '-Pfarrer, roer’S nicht 
erfahren hat, ber roeip nicht roie e3 thut, allein 
gu flehen. Meine Caute, eine fülle, befonneue 
grau, forflte für mich 'nie eine Mutter, aber bie 
gange, bolle, reiche Mutterliebe hatte fie hoch 
nicht für mich. $iefe befafj ihr eingigeg Jtinb, 
ein Miibcbeit bon fechä^ahten, mit hellen Saaten 
unb blauen Sagen unb einem fröhlichen S)efen, 
bag mir ftetg mie ein berfleibeteä ÄöitigSliub 
borfam. 3113 ich ba3 erfte Mal meinend unb 
heuleub mit gerlumpten Äleiberu in bie Stube 
trat, flüchtete fie fich fdjeu hinter bie Mutter, 
unb mollte mir um feinen ißreig bie £>anb flehen. 
SZachbem fich her erfte iBibermille fleleflt, ftinfl 
fie öoch fcheu au mir boriiber. S3ie gerne hätte 
ich fie oft ftetraften, meint mir 2lbenb3 bum gelbe 
heimfehrten unb fie iniibe mar, aber idj burfte 
fie nicht anriihren, unb nach nnb nach fchien e3 
faft, al3 ob etroaS bon ihrem SMberroillen fteften 
mich auch ber Mutter £>erg erfüllen mollte. 3d) 
berfuchte alleg Mögliche, ihre ©uiift gu crtoerben; 
ich brachte ihr bie fdjöuften ©rbbeereit, bie föft- 
Ikhfteu Srombeer - ©träupdjen, bie lieblichften 
fflalbblumen, bie gläugenbften ©teind)eu; ich 
pfiff bie Sieber, bie fie gerne hörte, ich mad)te ihr 
Äärifle für fleiue Sögel im SHnter, unb ihr 
Sümmchen nahm ich in meine befonbere Sftege. 
SlUein nichts mollte helfen, fie mar unb blieb 
fremb gegen mich. 3d> grämte mich boriiber fo 
fehr, bap ich befcjhlofe, mich ou8 bem ©taube gu 
machen unb mein ©liicf ’anbergroo gu probiren. 
©chon mar alleg gut glucht bereit; bie ©egenb 
% lag bom Sbeubroth übergoffen, 'faft mie heute. 
* Slug goubctb Hang bie ©lode herüber; mir mar 
e3 mie ber Stuf meiner Mutter, ihr ©rab mollte 
ich »och einmal feben, ehe ich auf immer bie 
$eiuiath berliejj. 3<h hatte mich bor bie Shiir 
gefept unb ermattete tljränenbeii Slugeg bie Stüd» 
fehr ber gatnilie bom gelbe. Ca ertönten eilige 
Schritte hinter mir. @3 mar mein Cheint. ©o 
entfteflt hatte ich 'hn noch nie gefeljen. ©ein ©e= 
l'icht mar berftört unb fein Sltheiu feuchenb. 

„2Ba3 ift gefchehen, Setter?" rief ich entfett. 
— „Ca3 8ie3chen," ermiberte er athemlos, „ba§ 
Siegten ift im SBalbe berloten; mir fuchen’3 
fchon feit groei ©tunben, ich rufe bie Sladjbarn, 
un3 fucheu gu helfen." — „Unb roo? roo?" frug 
ich ha ft ift. — „3"' gelsmalb hinter Solbad), ant 
Särenitein!" 3<h hatte genug gehört. Mit einem 
Sprunge mar ich beim £>unbe, ben ich bon ber 
ftette löfte, unb bann ging’3 fchuefleu Saufe» 
über ©toef unb ©tein bem genannten Stape gu. 

3 n biefem Slugenblide ftedte ein munterer. 


fdjlanfgemachfener Stnabe feinen Sodenfopf gur 
ähüee herein; e3 mar Cberlin’3 ältefter ©opn', 
ber fpciter al3 einer ber 6rftcu ben £ielbentob 
fiir’3 Sciterlanb ftarb. 

„Stur herein! mein lieber grip!" rief Cberlin 
freunblich. „Glicht maljr, bie Mutter fd)idt bid). 
3 ft etma3 gu £>üiife borgefallen?" 

,,3d) foll bir fageu, bap ein lieber ©aft auS 
©trapburg angetommen ift, ben tarnen aber 
barf ich nicht neunen; e3 mirb bir eine frohe 
Ueberrafchung fein!" 

,,©nt," ermiberte Cberlin, „ich toerbe fommen. 
Cer ©aft mag fich ein rcenig gebulben, meine 
Spfarrtinbcr haben ftet3 ben Sorrang. guerft 
inup ich mein ©efchäft mit meinem lieben 
greunbe itcplertoni abmachen! gahrt fort," 
fepte er hi"}", al3 fich ber Ihtabe mit freund¬ 
lichem ©rüge bcrahfd)iebet hatte, „ich bin ge« 
fpannt gu hören, ob 3he ba3 ,Qiub gefunben 
habt!" 'Mein bem jteplertoni ging e3 mie ben 
Säumen, bie, meint fie im elften frifcheit ©aft 
btirdj eine Steifnacht gehört toerbeu, nicht fo halb 
toieber gutn fröhlichen ©rüiten tmb Slitheu fom¬ 
men föuiten. 63 mollte ihnt nicht mehr fo redbt 
non ©tatten gehen, unb nur burch eine Steige 
eingefchalteter gragen gelang e3 Cberlin, ben 
meiteren gortgang ber Scgebenljeit gu ber- 
nehmen. 

Cer Uefflertoni hatte nämlich früher in ben 
Sergen hinter ©olba<h eine liebliche £>öl)le ge¬ 
funben, mit einem fo fchmolen 6ingaiige, bap 
fich ein ermad)fener Menfd) nicht hindurch gmän- 
gen founte. 3nmenbig aber bilbeten bie gelfen 
Saufe, bie er mit fd)önem Moofe bebedt hatte, 
unb bon oben blidte ber fjimmel freunblich hin¬ 
ein. Sin biefe ^löhle hatte er beim elften SBorte 
bon 8ie3d)enS Serfchminben beiden müffen. 
Cort muffte fie fein! Unb mirflich, bort lag fie. 
Man fab, fie hatle gemeint, unb mar über bem 
Steinen eingefchlafen. Cer jtnabe brachte ba§ 
ermachenbe Stäbchen, ba3 feine beiben Sermchen 
um ben &al3 feines 9tetter3 legte, ben 6ltern 
im Criumph gurüd. Son ba an toarbeSft’inbeS 
9tatur mie umgeroanbelt; es hing mit auper- 
orbentlid)cr Siebe an bem Sfnaben, fo bap bie 
Mutter hätte faft über ben Steffen eifersüchtig 
merben föunen. 

Stach feiner .ffonfirmation lernte ber fl'efiler- 
toni in Stothau ba3 ©chlofferhanbmerf unb 
pfufchte nebenher in mancherlei ifiinfte. Stiemanb 
oerftanb e3 beffer roie er, Meffer unb ©cheeren 
gu fdjleifcn unb niebliche Störbe gu flechten. 2ln 
ben ©onntug Stachmitiagen aber trieb er fich am 
liebften in ben Sergen umher, unb fudjte ber« 
fchiebene Cieilfräuter, bie groifchen ben gelfen 
machten. VlbenbS führte ihn bann fein 2Beg nach 
2Balber3bach ginn Cnfel, mo ba3 Heine Sie3d)en 
gnr lieblichen gungfrau h«anrouch3. 9ln bie 
©teile be3 freuitbli^en Serfehi'3 mar fcheinbar 


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426 


Papa töbrrlin’s JJnfforalbefucij beim Be^Ietfani. 


freilieb toieber bie frühere Slöbipfeit petreten, 
wenn auch einjelite 23orte unb 33lide in feinem 
.frerjen toieber frohe £>offnunpen oufteimeit 
ließen. SaS eine 9Sörtlein, ba§ beibe int tperjen 
irupen, blieb unanSpefprochen, unb fo jop ber 
Siiiipliup im eiuuubiioanjipften Sah« in bie 
Srembe hinaus mit tiefem Seib in ber Seele. 
<5rft uncb fed)3 Sahren lehrte er jurütf, um feine 
frühere ©efpieliu SieSdjett als bie ©attin eine? 
illnberen mieberjufiubeu. 23ater unb Wutter 
touren fdjnell hiniereinattber peftorbeu, unb fie 
hatte in ihrer SBerlaffenljeit einem älteren Wanne 
ihre #anb fleiieben; ja bie £tattb, aber nicht baS 
4£>erj. Witrj liach ber ©eburt ihre? erften ©ohne» 
toar ihr Wann peftorbeu, unb fie felbft fühlte 
fich friinfer unb friinfer. Weßlertoni, betn ihr 
panjeS |>erj gehörte, Jam perabe noch seitift pe» 
nup, ihr bie 91upen gujubritdcn. ©terbcub 
empfahl fie ihm ihren ©ol)». Wit ihm nop er 
nach ihrem 2obe als uiichfler drbe in baS leer» 
petoorbene .frans, unb toanbte feine ponje Siebe 
bent oertoaiflen Wittbe ju, ba» unter feiner ipftepe 
fröhlich hrranrouchS. 

„Unb mos ift attS biefem Wiube petoorben?" 
frapte Cberlin, als ber Wef’.lcrtoni einen 9lupen» 
blict toie erfd)öpft in feiner {Rebe innehielt. 

„SaS ift eS eben," rief biefer, inbeiit er bott 
feinem ©d)etuel auffproitp. „©eben ©ie, &err 
Pfarrer, ba biefe ^cuerntale auf meinem 9lrm!" 
dr ftreifte ben 9lermel auf. „911» ber 93(ijj in 
unfer £>au3 fchlup, ba habe id) baS Wiub au» 
ben Stammen periffeit! Unb nochmals," fejtteer 
mit erflorbener ©tintme hinju, „mollt’ ich in bie 
flammen hineinpreifeu, föunt’ ich ihn reifen. 
9(ber baju bin ich ju fchtoad)." (Ir perietl) in 
ein JrampfhafteS ©d)(tnh : ,cn. dvfdjiittert ftanb 
Cberlin neben ihm. „O, roie hatte idjbcn Wtta» 
ben fo lieb," hob ber Wefjlertoni eublid) toieber 
an, „nur par ju lieb, fjerr Pfarrer! S<h mollte 
ihm bie fehlenbe Wutterliebe erfefcen. 2BaS er 
that, fanb ich bortrefflich, olle feine Unarten lieft 
ich ihm burchpebeu, unb bnbiird) höbe ich ihn 
bon ©runb au» berborben. 3'nölf S fl hre alt, 
machte er fchon bie tollften ©treiche. din bilb» 
fchöner 33urfd)e aber toar es, fchlan! pemaebfen, 
toie eine Saune. Weilt 99aum mar ihm jti hoch, 
(eine Walter gu (teil. Sn bie ©chule jeboch toar 
er nur feiten jn brinpett, unb ber arme Schul» 
ineifter unb unfer puter ^Pfarrer hatten ihre 
liebe 9Jot() mit ihm. dr mollte einmal feine 
Crbre pnrireit, unb hüufip muhte ich Sürbitte 
für ihn eittlepen, bantit er uid)t aus ber 3°hl 
ber Woitfirmonben auSpffd)(offen mürbe!" 

„Sem mollte ich ben ©tarrfopf pebrochen 
haben, bem ©chlinpel!" brach Cberlin ’auS, betn 
eS fchon eine SBeiie in afleu ©liebem ^uefte. 
„Sen mollte ich peperbt haben, bah er meid) pe» 
morben märe mie ©affiauleber! 9(uf einen pro» 
ben Wloß pehört ein fcfjavfer Weil!" 


„C, £>err Pfarrer!" berfeßte pelaffen ber 
Wejtlertoni, „es hatte auch fehle» fötiueu. §art 
difen mirb nicht burch £ammerfd)lape toeich, 
foubern burdj’S geuer. 9113 £err Pfarrer ©tu» 
ber ins ©teintfjal tarn, toaS mar ba» für eine 
fdjöite Seit. diu JleiueS, büntteS Wännchen, 
aber bie Siebe ©otteS im £erjeu. Ser brachte 
„ben ©tab ©aitft" mit. S<h muh immer baran 
beulen, mie er baS &erj meine» SöilbfattpS pe» 
mann. Ser ftiirmte einmal an ber ©piße feiner 
93anbe einem armen Silben nach, ber fetidjenb 
feinen ©ad burch’S Sorf fchlcppte. Saft hotte 
er babei ben Pfarrer ©tuber untperonnt, ber 
eben aus bem #anfe eines Wranfeu tarn. „Wein 
©ot)n," rebete ihn biefer mit ber freunblidjfteit 
Wieue att, „toiflft btt mir einen ©efalleit tpim ? 
S(h fehe, btt bift ein ftarfer S»npe, ber feft auf 
feinen Seinen fleht. Wich aber hat eben mein 
altes Hebel, ber ©ctjmiubel, überfallen; pieb mir 
beiue ftanb unb führe mich ins Pfarrhaus, tittb 
fape beiiteit Wauterabett, fie folleit ben armen 
Suben in Stieben jiehett loffett. ds Jap eine 
fold;e 9(nmuth in ben Sßorten beS juttpen 'Ufar» 
rerS, baf? mein ©ol)tt aus einem toilöeu ©teilt» 
bod in ein Sammlein bermaubelt lourbe. „9Ji<ht 
mahr," fehle Pfarrer ©tuber hi»äu, als ©eorp 
ihn behutfant an bie 21)iire beS ißfarrhaufeS 
peleitet hatte, miihrenb bie Schaar ber Wnaben 
pinterbrein folpte, „eS ift boct) biel fchöner einem 
©ruber einen Sienft gu leifteu, als einen armen 
Wenfdjen ju quälen!" 93oit biefem 9lupeublide 
an mar mein ©ohn mie umpemaubeit. Sa, 
©farrer ©tuber hat ihn hfnunpefriept, unb ich 
habe Sreubentape erlebt, als manbelte ich int 
©arabiefe. SaS rauhe ©teiuthal ift mir burch 
Pfarrer ©tuber in einen ©arten ©otteS oer» 
manbelt morben.* O, märe er bei uns pebliebett. 
9113 mir feine junpe Stau auf ben Wirdjhof tru» 
pett, unb er jertnirfcht unb boch potterpebeu am 
©rabe ftanb, hätte ich bor £>erjeleib pleich fter» 
ben möpen, ttttb als er bann tranf oott uit3 fort» 
ÜOp, ba erlofd) ber ©lanj ©otteS, ber eine furje 
3eit unfer Sf)a( erleuchtet hatte, unb eS marb 
toieber 9Jacht. 91(3 i^ unter 2brünett oott ihm 
fchieb, hat er bon ber Söattb über feinem Schreib» 
tifdje jette Safel abpenommeit, auf ber bie 23orte 
ftehen: „Wit meinem ©ott mill ich über bie 
Wauer fpriitpen," unb mich brinpettb pebeteit, 
recht über meinen ©ohn jtt machen. „dS mirb 
einen harten Wantpf peben," feßte er hinjn. S» 
meinen ©o()n aber mar ein böfer ©eift pefahren. 
dr mollte nicht plaubett, baf? Pfarrer ©tuber 
un§ berlaffen töunte. 911S er aber toir(lid) fchieb. 
ba padte ihn ein primmiper 3orn. „Unb nun," 
rief er aus, „nun mill er uns fijten laffen!" Ser 
alte Sroß jop roieber in feine Seele ein, unb 
mit biefem einen Seufel lieben attbere, mie uns 
baS doanpelittm berichtet. Wan mußte fapeu: 
„dS marb ärper mit ihm." Sie Siifte ber S»peitb 


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|fapa ©berlin’s paftoralbrfud) beim Befjlertoni. 


427 


fameii, eS fameii ©piel uub Caitj. $ecr 'Pfnv- Gugeln fißen tinb Hallelujah fingen, mäljrenb 
rer, ich habe mit meinem eoßn einen harten brunten in ber Oual baS ©eben! ber 93erbann= 
Jhuupf gefcimpft, auf Seben unb Cob. 3dj tann ten ertönte? Unb ich, tuenn mid) ©ott in ©na« 
faiieu, id) bin mie 3 atob, ber bie gange ßtadjt ben annähme, foüte mich freuen tönnen, unb 
mit bem Gngel rang, aber ein 3(frael bin id) mein ©eorg, baS $inb, baS einzige meiner ©e» 
nicht atroorben. 3 n meine ßlacht ift ber ©lang liebten, füllte rettungslos in ber Höllenaluth 
berWorgenrötlje nicht hiiteingebrungen. Wein brennen? O neinl OaS hat uns Pfarrer ©tu* 
©eorg ift noch immer „ber ttertorene toohn." — ber nie geprebigt. fJteiit, ba fage ich nicht Simen. 
3 <h bin ihm nachgegangen auf allen feinen Ca will ich biSgum lefttcn 9(themjug proteftiren! 
Wegen, ich b«&e in alle Oornen hineingegriffen, O, wenn mein ©ohn jeßt antlopfte..." 
in beiten fich fein Sehen oerftricft, id)_babe mei« 5)1 it fteigenber Srregung hatte ber Sleßlertom 
nen lebten Bieter oertauft, um feine ^chiilben gu biefe Worte gefproeßen, unb Cberlin’S eben noch 
bejahten, fo baß mir juleßt außer ben ffleibern fo ftreitge 3 *ig p toaren milb unb milber geroor» 
auf meinem Seihe nichts geblieben ift, als biefe beit, ©eine Wangen toaren feud)t, unb ber 
Safel unb biefeS 23ett, in bem feine Wutter ge» ftarfe Wann fchaute bittenb ju bem Äeßlertoni, 
ftorben ift. 9l(S id) ihn einß auf ©ünbeitmegen als mailte er ihm fageit: „Sieber 23ruber, ich 
antraf, habe ich mit ihm gerungen; er hat mich berftche bid)." 

an einen Seifen gefchleubert, baß mein 93ein ge« „O, meitn er jeßt antlopfte!" fdjludjgte ber 
brocheu, unb hat mich liegen laffen, unb ift mit Jteßlertoui. Hub horch! es tlopfte in ber Stljat. 
Iachenbem Wunbe fortgegangen, fort! fort! Unb auf ber ©djmede erfdjien ein Wann in 

©ott weiß loohiu! Unbbod)!-Unbboch!" — fdjroargem XIleibe unb toeißer HalSbiitbe. Wit 

6 r ftanb auf unb jiinbete mit einem ©tilcflein freubigem ©taunen begrüßten Oberlin unb Heß- 
Äieuholj bie Cellantpe an. 53ei ihrem ©chein lertoni ben eintretenben Pfarrer ©tuber. 
faß mau, baß fein ganjeS ©efidjt mit 9lngß» „Sllfo ©ie," rief Oberlin, „finb ber bei mir 
feßmeiß bebeeft toar. Sangfamen Schrittes trat gemelbete ©aß. Gntßhufbigen ©ie." 
er auf Cberlin ju, bem eS mar, als ßänbe er „Siebe Sreimbe," unterbrach ihn Pfarrer 
einem Wahnfinnigen gegenüber. ©tuber, „oerjeiht mir! ich habe oielleicht in ben 

„Unb bodj," hoi* «ach einer Weile ber Äeßler« paar Winuteu, in beneu id) jögernb bor ber 
toui roieber an, „menn heute mein ©eorg an äfjüre ftanb, bieS unb jenes ju hören betommen, 
meine SEljüre pochte, unb märe er mit Sumpen baS nicht für meine Ohren beftimmt mar. Wich 
bebccft, unb fprädje nur baS eine Wörtlein: hat ein doppeltes hierher getrieben: Wich ber« 
„23ater!" ober menn er auch gar nichts fprädje langte, ©ie ju grüßen, £>err Pfarrer! 9ludj 
unb mich nur anfeßaute, als'wollte er fagen: bringe ich 3hnen, nebft ben beften Segens* 
„SSergieb mir." O, Herr Pfarrer, ©ie tennen roiiufdjen bon ©traßburg, manch’ liebe ©aoe für 
ja beffer als ich baS ©leidjniß boin bertorenen 3hre 93farrlinber. Unb auch für ©tief), mein 
©ohn. D golbeiteS 15. ßapitcl bcS SufaS! lieber Äeßlertoni, habe ich gnl p 33otfcßaft. 3d) 
meine Cljräneit haben bid) in meiner 93ibel aus» habe einen ©rief bon ©urem ©eorg erhalten, 
jjelöfdjt, aber mit golbenen 93uchftaben ßeßß bu 6 r hat biel ©chmereS burchgemacht, nnb feine 
tn meinem .f)erjeu. „Ca er noch ferne bon ban« Seele iß miirbe gemorben. ©ott hat ihn geret» 
nen mar, faße ihn fein 33ater, unb jammerte tet, unb ich fofl Such fagen, nod) ehe er jurücf« 
ihn, lief unb ßel ihn um ben #alS unb lüffete lehrt, mie eS ihn Iränlt, baß er Such fo bitteres 
ipn." Uub meinen ©ie nicht, £>crr Pfarrer, baß Seib bereitet hat!" 

nicht auch ich meinem einjigen ©ohne-entgegen« Cer ßeßlertoni Iniete nieber. ©eine Sippen 
liefe unb ihn lüftete, baß nidjt auch ich riefe: bemegten fich- SS mar ein ftifleS 23uß» unb 
„Wein ©oßit mar tobt unb ift mieber lebeitbig Cantgebet. Pfarrer ©tuber aber fuhr mit freu» 

S emorbeu!" Unb menn ich, ber Jleßlcrtoni, mit bigem Wunbe fort: „Unfer treuer 93ater im 
em tropigen unb bon jahrelangem Harm ber« ^immel, ihr lieben Sreunbe, hat unfern 9(ugeit 
bitterten ^erjeit, menn ich meinem noch fdjledj» bieleS berborgett, unb unfer ©efchiift iß eS nidjt, 
teren ©oßne berjeihen roiirbe, mie? Herr 93far= baS 93erborgene ju burdjbriugen, fouberu in 
ter, füllte unfer Herrgott im Himmel, beßen Cemutfj, ©ianben unb Siebe feine ©trafen unb 
$erj bie einige Siebe felber iß, füllte ber nicht feine Segnungen hinjunehmen. 
einem ©iinber üergeben, ber auS ber Cual ber 93emnijren mir itnSben griinblichßen ©chrecfen 
311 ihm riefe? S»r ben miire lein Grbar» bor feinen ©trafen, bie fchmerer finb als Wen« 
men mehr? Wie, leine Himmelsleiter füllte aus fdjen eS ahnen mögen; aber halten mir auch feß 
biefen fchaueroollen Stiefeu führen? SS follte an feiner Siebe, bie uns jn fich jieljt aus lauter 
ein Klößchen in ber großen ©otteSmelt geben, ©rbarmen, uub bemahreu mir ßetS in nuferen 
baS nicht boin Strahl ber einigen Siebe erleuchtet bie jmei fchöuen «priiehe: „©ott mill, 

Ware, mo nur Oual unb 23erjmeiflung mohnt? baß allen Weufcßen geholfen toerbe," 
Unb ©ie, Herr Pfarrer, moflten broben bei ben unb maS er mill, baS mill er nicht bloS 


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428 


Per erjte Püd)en}ettel. 


heute unb morgen, fonbern baSWill er in alle 
©wi gleit; unb ber anbere Spruch (nutet: 
„ 2B n § bei b e u 9 Ji e n i d) e n u u in ö fl I i d) 
i ft, b n § i ft nt ö fl (i cf) bei © o 11." fiommt 
morgen 311 mir ins ©farrtjauS, lieber Jleßler* 
toni, bn font 3 bv ben ©rief Ijöveii; wir ober, 
lieber Cberliu, wollen bie fyvan ©farrerin nicl)t 
liittfler ouf uns Worten lofjen. ©ute Dacht!" 

DllS bie beiben Dtänner beim floren Dlonb* 
ließt 311m ©farrbaufe ^inoufftiegen, beibe mit 


tiefbewegter Seele, hielten fie einen Dliigenblid 
üor ber fo freunblich erleuchteten Siircße. Öberlin 
faltete feine £nmbe unb rief: „Herr mache meine 
Seele ftide! 2 )u, ber bu bie Siebe bift, üergieb 
mir Wo icb gefehlt, wo ich 3 » ft*enge gewefen 
bin, wo ich mit Uiiüerftanb geeifert hübe; Der* 
Höre mich 311 beinern ©ilbe!"*unb feierlich, wie 
eine Stimme üon Oben, Hong Stuber’S Dirnen 
burch bie ftille, monbbeglänjte Dacht, 


* < -aS Cg i — 



per erfle lüdjeiijcttel am eigenen gerb. 

HuS bent ,,2>«heim“ bearbeitet. 


ir lauten toott ber £w<hjeit§reife. 
fröhlich waren wir üor toier 
Wochen beit Dljein hinunter* 
gefahren, hatten Belgien bur<h= 
reift unb waren fcßließlicb nach 
©ariS gefommen, wo Wir uns 
für ben Deft nuferer freien 3cit feftgefc^t hot= 
teil. D, eS war gar 311 fdjön gewefen! — Sießt 
mar’S üoriiber. — Söir faßen im ©ifenbaßn* 
foupee erftcr Ulaffe, unb nifteten uns jurecht 
3ur langen ununterbrochenen Düdfabrt nach ber 
Heimat - !). 

©eßaglich fchmiegte fith mein junger ©atte 
ins Gcfpläßcßcn, währenb ich, plaibumbiillt unb 
Woljlqefcbüßt not ßugluft, an feiner Seite faß. 

„So," fugte er freunblich, — „nun geht’S 
heimwärts, liebes H er 3< aber eS ift eine lange 
ftahrt burch eine meiftentheilS recht langweilige 
©egenb, ba ift’S am heften, man üerfcßläft baS 
©läfir! — Uomnt, mach bir*S recht bequem an 
meiner grünen Seite; wirft wohl miibe genug 
fein üou all bem ©cljcß beS DlbreifcttS. — So — 
unb nun ftfjlaf Wohl!" 

Schlafen ? ©S war ja heller Sag unb ich mar 
fo munter wie lutr je. 2 f<h hätte für mein Seben 
gern nufere ©arifer ©inbrüde in Duße mit ihm 
bitrcbgeplaubert, aber mein ©eter fcljien mübe 311 
fein, unb ich Wollte als gute fjrau feine Daße 
nicht ftören. So fchmiegte ich mich beim gehör* 
fam an feilte Seite unb fd)loß bie Dingen. — 
Dlber ber Schlaf wollte nicht fommen. Seife üer* 
ließ ich meinen ©laß unb feßte mich meinem be* 
reitS eingefchlummerten ©bebetrn gegenüber unb 
träumte üon ber iftulunft. 

Dich, wie hübfq würbe es fein, mit ihm ein* 
3U3iehen ins neue Hau§! ©igentlicß war eS ein 
altes. 311t ©rbgefdwß waren bie ©efchäftslofale 
unb oben unfere fiiuftige DBoljnung, bie faum 
ein paar ©üchfenfcbiiffc üoin heimatlichen Hal= 
benhof entfernt lag. ®ie liebe Scßwefter Diartßa 
hatte gewiß in unferer Dlbwefenheit unfer ^>eim 


redjt Wohnlich eingeräumt. „Sie wirb hoch baS 
geftiefte ©dbrettcßeu üon meiner HewnSfreunbin 
ba feft gemacht haben, wo mein ©pljcufiod am 
heften gebeiheit lann ? Unb bie ©Über aus mei* 
nein Dtäbchcnftübchen werben fie hoffentlich alle 
mit hinüber genommen haben?" — DIMe würbe 
eS nett fein, mein ’Jteich 311 burehforfchen unb 
immer neue ©utbedfungen 311 machen, — benn 
eS mußten iit3Wif<heit üon ©ettern unb ©afen, 
3?reunbinnen unb ©ermanbten allerlei hübfehe 
|>o<hseitSqcfcbenfe eingelaufen fein! 

Dluf mein neues planier freute ich mich gaii| 
befonberS. Süß wollte recht fleißig üben, ©eter 
hatte mir währenb ber SDrant^eit oft gefugt, ich 
hätte Salent 3ur Diufil. DBie würbe er ließ nun 
freuen. Wenn ich nicht, wie anbere junge grauen, 
mein ©elernteS mieber üergeffeii, fonbern im 
©egentheil recht fleißig fortftubireu würbe. O, 
eS füllte mir feßon gelingen, eine gute Hausfrau 
311 fein, unb boeß nicht 311 üerfiufen in ber ©rofa! 
Sieben Diorgeit wollte ich fflauier fpiclen unb 
fingen unb b«'itad) mit ber Däßarbeit in bem 
©arten fißcu. Senn einen ©arten hatten wir 
auch. — ©r bettaub aus ein paar ©linnen* 
gruppen üon Dafciigrunb umgeben, einigen net. 
ten Sißplüßdjen im ©ebüfcß unb einem großen 
Stücf ©emüfelanb. SaS |>auS hatte früher 
lauge unbewohnt geftanben unb ber ©arten war 
arg üernacßläffigt worben. $aS hatte unfere 
Haushälterin, bie Srine, mit fcßarfeni Dluge fo* 
fort erfannt unb hatte fieß, 311 Duß unb grotn* 
men unfereS fiinftigen Haushalts, ber Sache bei 
3 eiten angenommen. Sie hatte einen ©ärtner 
ßingefcßidt, ber unter ihrer Seitung ben ©oben 
mieber urbar machen mußte. Dun war er fcßßn 
bepflanst mit allerlei ©emiife; — ich hatte mich 
felber bafiir intereffirt unb ©ater hatte eine 
lange Dehnung für meine Iaubmirthfcbaftlicßen 
Seftrebiingen bejaßlt. Uur3 üor unjeter H«b* 
3eit war icß einmal an ©eterS Dlrme all ben jun* 
gen ©flaumigen uachgegangen. damals waren 


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Per ftftf BüdjenjetteL 


429 


bie ©eete mit ben grünen Grbfeii grabe in Doller 
meifeer ©lütlje geftauben. — £>alt! 3 ( bt binnen 
bie Stauben gemife Doll grüner Schoten! Sa? 
mar ja berrlidj! — S5a toar ja gleich für ben 
Sifdj geforgt. Grbfeii, ledere grüne Grbfcn mür¬ 
ben unfer erfteä ©einüfe fein, bie fdjmedteü mir 
3 u öaufe immer fo gut. „Cb ©eter fie wobt 
and) gerne mag ?" — Uub cfje ich mich Derfutj, 
batte ich meinen Schläfer bereit? am kennet ge» 
Siipft unb jtoar fo ernergifeb, bafe er erfdjrodett 
auffubr. 

„Sieber Bieter, ifet bu gerne grüne Grbfeit ?" 

„Gi, roarum benn nicht?" brummte er etma? 
mifemutfeig, „aber ma? ift benn Io?, bafebu mich 
medft, unb toie fommft bu überhaupt auf bie 
Grbfen ?" 

Gr mar aber fo fdjlafbefaugen, baß er halb 
mieber in ©torpheu? Sinne jnriidgefuuten mar. 
3n ©torpheu? Sinne! Uub fein junge? ©Jeib 
fafe neben iljm unb langmeiite fid)! ©ein, fie 
langmeilte fich nicht. ©Jcuit man lieben unb 
frennblichen ©ebanfen itadjbängeit faitn, ift man 
in guter ©efellfchaft. 

Sllfo bie Grbfen, ba? ftanb nun feft, bie muh« 
ten fecrbalteit pm elften ©tittagSmaljl am eige» 
nen ©erb. ©Ja? mürbe ich ober baju fodjen 
taffen ? Giuen ©raten ? Saun hatte ich ober 
leine Suppe uub mahrfdjeiulich mürbe man für 
bie Grbfen auch etmaSfrieifchbrühe haben ntüffen. 
Sllfo Sleifdjbriibe, gleifchbrülje, ba? mufete bie 
©runblage fein, auf bie fiefe bann meiter bauen 
liefe. —türmet ©eter, bu fdjläfft fo ruhig unb 
meifet nicht ma? bich bebroht, meifet nidjt, bafe 
bu ein gefottene? Stüd Odjfenfleifch borgefefet 
befommen foflft, als erfte ©taljljeit im eigenen 
£eiin. 

Sa ich nun im Steinen mar über meinen erften 
Speifejettel unb t>oß 3ufriebenheit mit mir felbft 
uub mit ber fdjönen, fdjönen SBelt, fo fetjte idj 
mich fachte mieber an feine Seite, legte meinen 
ftopi an feine Schulter unb fdjlief ebenfall? ein. 

©Jir fdjliefen aber nicht, bi? mir bafeeim an« 
laugten. Stein, foldj ein Derfchlafeue?, lang» 
meilige? Gfeepaar mareu mir benn bodj nicht. 
2 Bir uerlebten im ©egentheil nach beenbigter 
Siefla noch ein paar gute, frohe Stnnben im 
Jtoupee, —bie lefeten Stuuben ber fdjönen £ocfe= 
geitSreife! Slber fie oerranuen, eine um bie an» 
bete, unb ehe mir’? uu? oerfafeen, maren mir au 
ber unferem ©Joljnorte gunachftliegenbeu ©ahn» 
ftntion angelaugt. 

„SBißlommen bafeeim!"— „©riife ©ott, griife 
©ott!" — ©un gab’? ein Jtitffcu uub Umarmen! 
Ser ©ater mar felbft getommeu mit Sdjmefter 
©tartlja, un? im ©Jagen abjnhofen. SUäferenb 
ber furjen fjafjrt ging’? an ein überftiirjte? f?ra= 
gen unb G^äfelen, mobei natürlich Dom ©ering» 
fiigigften juerft unb Dom ©MffenSroertljeften 311 » 
lejjt gefproefeen mürbe. 


„Sn, — beine ©abette ift ttoih nidjt ange» 
langt!" — ©tit biefer ScbredenStunbe fuhr auf 
einmal ©iartljo gmifchen alt ba? Sieben hinein. 

©abette mar meine tiiuftige £>au?» unb 
Äitcfeenmagb. „Giue perfefte jtödjin, auch in 
allen übrigen £)auSgefd)äfteit moljlbemanbert," 
hatte in ber 3eitung geftanben. Sarauf fein 
hatte ich fie engagirt unb ben erften 3 nli al? 
Gintritt?tag feftgefefet. Ser mar üorüber, aber 
meine ©abette hätte er nicht gebraut. 

„ 3 a, ma? fange ich benn nun an ?" fragte ich 
Siemlich fleiulaut. 

„Gi, ich fefeide bir morgen früh bie Srine, um 
Staffee 3 U Jochen. 3 U feeutSlbenb aber unb utor» 
gen 311 m ©tittag feib ihr natürlich unfere lieben 
©afte!" — 3<h othmete auf, obmoljl ba? ©Jort 
„©afte" mir mie ein Stich in? &er 3 gebruugeu 
mar. ©alb barauf hielt ber ©Jagen Dor bem 
heimathlichen, mit milben Stehen umrauften 
£oftljor. G? mar mit bunten Campen erleuchtet, 
meine ©rüber, ber ©rimaner unb ber Sertianer 
fanunt ben Sienftleuten ftanbeu barunter unb 
riefen uu? ihr „SJibot" entgegen. 

Sie hatten ein orbeittlidje? gfefi beranjialtet 
3 U unferm ©Jiüfommeu. Sich, toie mittljefe mich 
aße? mieber an, fo lieb, fo traut. — G? mar gor 
fcfeön gemefeti in ©ariS, aber über bie fteimatf) 
ging eben boch nicht?. £>eimatlj, £>eimatlj über 
alle?! 

Slber nun mar es fpiit gemorben unb mir foß» 
ten ja im eigenen £aufe fchlafen. Sie ©rüber 
3 ünbeten unter Cachen unb Schemen ffadeln an, 
um uu? feeint 3 U geleiten. 3 <b hotte mitgelacht 
bi? jejjt, nun aber fuhr mir’? plöfelicfe mie ein 
heifee? ©Jelj burch’S iper 3 : ©ute ©acht, ©ater« 
hau?. — 3 <b mar ja nur 311 ©afte gemefeu! 

3 cf) hotte mir bie ©eföhi^te eigentlich «0113 
anbei? gebucht. — Sie bumme ©abette mar an 
allem fdjulb. — 3 » mein eigen Jpeim hatte ich 
3 iierft ben gufe fepen mollen; — ich hotte e? ja 
mit ©tartfea fo abgerebet, ehe ich abreifle. Sie 
hätten un? bort ermarteu unb in ben fefttidj er» 
leuchteten ©numen mit un? 311 Sifche fifeen folleu. 
— ©uu 3 ogen mir ein in? bunfle, leere £>auS; 
beim bie ©rüber 3 ogen la^enb unb fingenb mit 
ihren Radeln Don bannen, ol? fie 1111 ? faunt 
nothbürftig Cidjt angeftedt hatten. 

„Stonim, fiers, jefet fe^en mir un§ fchneft 
noch unfere Stuben an!"— ,,©ei einem ein» 
3 igen iterseulicht! ©ein, ©eter, — jefet mill ich 
nicht? al? fchlafen, fchlafen! ©?orgeit ift auch 

ein Sag!"-,,©ch, gottlob, bafe bu ba bift, 

Srine!" rief ich erleichterten fieiyn? unferem 
alten ^oftotum bom ^albenhof am frühen 
©torgeit entgegen, Sie Jam mir 3 um erftenmal 
im Ceben mie ein Gugel Dor, trofe iljre? breiten, 
blatternarbigen ©efidjte?. 

Sie bautirte eine fitrje 3eit in ber fliidje 
unter all bem nagelneuen ©erätfje, bann brachte 


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430 


30fr erfte $Ud)en;rttrl. 


fic uni ben bufteuben Kaffee iuS niebliche, reich 
behängte Gßgimmer. Oie Sonne feigen fo 
frcuublir^ hinein unb mein ©atte ftmljlte orbeut« 
lieh oor 33ergnügen. 2 ld) ja, hier mar mich gut 
fein; — man mußte fid) nur cvft an bie neue 
Umgebung gemöhnen. Qfiir einftmeiten lam fie 
mir freilich noch ein 25iScheu fvemb oor. 

„ 3 rf) iiberlaffe meine fleine fjausfran mm 
ihren ©efchäften," fagte Ißeter, uadjbem mir aller 
Orten Untfchau gehalten hatten. — „3mar tljut 
niirs leib, bich am erften Wlorgeu fci)on allein 
laffeu gu nuifieu, allein ich habe fo Diele 23od;cit 
Derbummelt, unb muß nun eilcnbS nach bem 
Wechten feheu, bruntcu im Kontor. Ou meißt, 
Kinb: baS ©efdjäft oor allem!" 

9ld), jeßt fpraef) er fchoit bon ©efchäften! 3 <h 
mußte mich woljl ober übel brein ftpiden, id) mar 
nun eben eine KaufmaunSfraii! 2f>ir nahmen 
gärtlicpeu 9lbfd)ieb, als gälte ei eine lange 2 reu» 
uung; bann blieb ich allein, gaugallein; beim 
bie Oriue toar nach getaner 2 lrbeit in aller 
Stille micber fortgegangeit. 

3d) fing an, unfern 9ieifefeffer auSgupaden, 
aber — ich wußte ja gar nicht tool)in mit all 
meinen Siebenfachen, unb nicmanb marba, mir 
gu rathen. 3 l 'ber Sdjranl, jebcS Schubfach mar 
mir eine frembe 23elt. 3<h fc&te mich betrübt 
auf ben Koffer. 

•£)atte '-ßeter mich nicht borl/m mieber feine 
„£>nuSfrau" genannt! Wein, maprpaftig, er 
füllte fich in mir nicht täufchen! 3 d> fpraitg auf 
unb ging nochmals aus 2 Berl mit neuem Whitpe 
unb fiepe ba, eS gelang. Gublicp mar alles 
untergebracht unb pöchft proltifcp in bie Der* 
fchiebeneu Spinbeit unb güeper Dcrtljeilt. Oabei 
mar mir ber frifdfe, Iccfe i?cbcuSmuth mieber ge* 
fornmen unb bie greube am eigenen traulichen 
Oopeim. Oie greube mollte aber ginn WuSbrud 
fornmen, unb ba mar uiemanb, bent ich mein 
DolleS öerj auSfchüttcu fonnte. Ginein plößlidjen 
3mpulfe folgenb, flog ich au mein Klaoier. 

„€s bredjen tn fhatlcuöem Reigen 
Die jrü(|liugsftimmeu los, 

Sie Fönnen’s nidjt länger oerfhtoeigen, 

Die lüoime ift gar fo groß- " 

WtenbelSfopnS friiblingSbuftigeS Sieb fchallte 
frifdj unb tiefempfunben burch ben ftilleu Wauin. 
3h hatte eS noch nie fo fd)ön gefangen! Cb 
roobl tpeter mich hören fonnte? Gbett mar ich 
an ber SÖieberpoInng ber „SJoitne, bie gar git 
groß ift", als ich bie 2 ()iire hinter mir leife gehen 
hörte. 2L'ie fchmoll mir baS £)erg in ber jungen 
©ruft! — Oie Klänge meines gubelliebeS hat« 
ten ben lieben, guten ©eter nlfo mirflich hinter 
feinem Schreibtifch hrroorgelorft unb er fam 
jeßt hinauf, um ihnen gu laufrfjen, um mir 311 
banfen! So recht pergeitSfroh manbte ich ben 
Kopf nach i()m, mährenb ich gum giueiten 2!erS 


prälubirte. — Oer ©eter ftaub in ber Ohüre, 
bie geber hinterm Cpr. 3h btiefte in ein Der* 
legen UichelnbeS ©efiept. — Wteiue £>änbe faulen 
Don ben Saften. 

„Siebes Kinb, nicht mapr, bu bift fo gut unb 
berfparft beine ©efüiigiibungcn auf fpäter. Oit 
ftörft uuS. Wfon hört unten jeben 2on unb — 
baS geuirt inid) bor meinem 35crfonal!— 25oit 
gmölf Uhr au ift baS Kontor gcfhloffcgi bis gmei 
Uhr, bann mogft bu fingen unb fpielcu naCh 
£>ergeuSlnft!" 

Gr biief te fich noch feiner gebet, bie fo gefällig 
gemefen mar, gur Grte gu foUen; bann ging er. 
Unbich? — meinen Kinberjabrcit hatte ich 
ein eingigeSntal Dom ©ater eine tüchtige Ohr* 
feige erhallen, bie mar mir in lebenbiger Gr« 
inueruug geblieben; —ich hatte baöföefüpl, als 
hatte ich foeben bie gmeite befommen. 3 h fchloß 
baS Klabier unb blieb lange ftill baDor fißeii, 
— enblich ftaub id) auf unb griff medjaiiifh und) 
meinem Stvohhnt. ©cfeitften Raupte» fepritt 
ich btird)S 3immer, ben Korribor entlang unb 
bie Oreppe hinunter in ben ©arten. — Gs mar 
ein munberfchöuer Sommermorgen, unb er übte 
feine Wiacpt auf mein ©emiitb. ©ottlob, ba 
ftaub ich ja im greien, ba mar Wotut, ba mären 
SMifche unb Söäuine, ©hin unb 2 Mnmcn. ba mar 
frifdje 2 uft, mie baheint — ach, mie baheim! — 
Unb über bem allen mölbte fith ein ftrahlenb 
blauer Fimmel. 

3<h fihritt bie fauberen KieSmege entlang. 
WJcin 9luge, baS guerft achtlos über alles pin* 
geblicft, blieb ba unb bort hängen, — ich begann 
mein fleiucS Webier mit prüfenbem ©lief gu 
mufferu. Sie hatten mir baheim immer nach« 
gefugt, baß ich mich im ©arten eiugig unb allein 
für bie Wofengrnppen unb Wcfcbenbecte, unb 
hödjftcnS etma noch für bie Grbbeerpflangungen, 
bie £)imbeer* unb Stachelbeerbiifche iutercjfire. 
t£)ier in unferm ©arten — idj nannte ihn 
febon unfern ©orten, gum Unterfehiebe Don 
25 a te rS ©arten — mar mir auf einmal alles 
intereffant, fogar baS ©emiifelanb, ja, biefcS 
fogar^ gang befonbcrS. ©riifcnb betrachtete ich 
bie Salattöpfe, bie jungen ifoljlpflangcn, bie 
2 iohnen, bie gu blühen begannen. £alt, — ba 
maren ja bie Grbfenbeete! Wichtig, fie hingen 
Doll grüner Sdjoten! geh öffnete eine, „gm 
richtigften Stabium," fagte ich mit Kennermiene, 
„feilte 9lbenb, mährenb ©eter auf bem ©änf* 
d)en feine 3 filnng lieft, holft bu bir ein nieb* 
licheS Körbchen unb pfliictft bie Schoten. Oer 
rnirb 9lugen machen, meun er bid> fo häuslich 
mirfen fiept! — 3a ©eter, ich mifl feuriege Kohlen 
auf beinern Ciaupte fammeln, als Wache fiirbeiu 
©etragen üon Dovhiu. — Unb mie mirb baS ber 
35abette imponireit, loenn fiemahniimiut, baß bie 
grau bereits mit eigener ffninbben ©emiifebebarf 
gur erften Wlaplgeit in bie Küche gerafft hat!" 


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8« erfte liidjenjettel. 


43t 


9118 ^3cter fam, mict> sunt Ntittogeffen nad) 
bein Hulbenbof gu geleiten, war id) wieber in 
befter, frobefter Saune. 

Ntit neuem 3ubel beßrüfete mau uns bort. 68 
lunr nugeufcbeinlicb, baß fie mid) red)t febr tier« 
mißt butten. ©eter follte e8 nur auch bemerfen, 
ba8 mar ihm gang gefunb. 

„So Sfiub, unb nun laß bir’8 recht gut 
id)ineden im alten Neft," faßte bet 93ater, inbcin 
er oergniiqlicb bie mieber bollgäblige Safclrunbe 
iiberblidte. — SaS ^atte ich and) im Sinn — 
id) b‘dte einen Waijren ©SolfSbunger mitge« 
bracht. 

„SaS ift aber be8 ©uteit unb tJeftlidjcu faft 
atlgubiel," rief id) au8, als nad) ber Suppe buf« 
teube 3?leifd)paftetd)eu aufmarfdjirten. 

„6i, ba8 tbun mir nicht aitfcerS, toenn nufer 
jtiub ijeimfommt," lächelte ber ©ater. 

„9lber roaS bringt bie Srine beim ba noch 
@ute8?" fragte icb beim jmeiteu ©aug unb lüf« 
tete mit bem ©orred)t beS SlinbeS üom Haufe 
ben Sedel ber eben uor mid) bingeftctlteu ®e» 
müfefcbüffel. ©klcher Street! — eS maren grüne 
6rbfeu!- 

Um bie SSßelt hätte icb teinc effeu tönnen! 
Ntein 9lppetit war berfchmuubcu, weggewifebt! 
— Sefto beffer fdjmedteu bie (Srbfeu unb ber 
tobe Scbiulenauffctjnitt, ben eS bagu gab, mei« 
nein ©eter. ^d) hätte ihn fcfjlagen mögen, ihn 
unb Nlartba, bie bie (Srbfen beftellt unb St atbrine, 
bie fie aufgetragen unb bie Slödjin, bie fie gelocht 
batte! 

Set gange Nachmittag war mir berborben, — 
ich mußte mir bie größte ©ewalt antbun, um 
nichts merfen gu laffeu. 9lber fie mertten eS 
feoch unb fabelt mich ängltlid) unb fragenb an. 

Ntit ber 9lbenbpoft tarn bie ©abette an mit 
einem grasgrünen Sloffer. ^d) empfing fie mei« 
ner neuen HnuSfrauenmürbe gemäß uub gab il)r 
meine erfteu Befehle. 

@S warb 9(benb unb Nacht. Sich betete ba§ 
©aterunfer. „Unfer täglich ©rot gicb uns beute!" 
3(h hatte baS früher immer fo gebanfcnloS ge« 
fagt, — ach, ich lebte ja bis jeßt wie bie ©ögel 
unter bem Fimmel, bie nicht fäen noch ernten, 
uub bie bet bimmlifche SBater boeb nähret, aber 
jefct, — feßt mußte ich felber für baS tägliche 
©rot fotgeu. 2öie fd) redlich!— 9lcb, was gab 
eS benu noch für täglich ©rot anfeer grünen 
drbfen? 3<h gerquälte mein ©ebirn, aber eS 
fiel mir nichts auch nur balbroegS ©affenbeS ober 
'Ausführbares ein, unb erft in bier Sagen war 
'Dtartttag! 

„Su boft beule einen bernagelten Stopf! Sie 
grünen (Srbfen buben bir bie Stimmung ber« 
borbeit, morgen wirft bu ficher Natb wiffeit." 
Siefer tröftlidje ©ebanfe Wiegte mich enbliih in 
Sdj(uininer. 

©eter mar am frühen Ntorgen ins Stontor 


gegangen, in biefeS abfdjeulicbe Stontor, baS icb 
bereits bon Hergen gu buffen begann. 3idj fuß 
noch am Staffeetifdj in tiefen ©ebanfen, — ba 
trat gagbafteu SdjritteS bie neue ©abette herein. 

,,3d) mödjte mir erlauben gu fragen, WaS ich 
gu Sifcb guriebten fofl?" 

9l<h, id) quälte inidj ja eben mit ber Söfung 
biefer 3?rage. 

„3d; fage eS 3bnen fpäter; räumen Sie nur 
erft ben Sifd) ab." — Sa tarn ber ©riefträger. 
(Sincn, gmei, brei ©riefe für mich! ©3ie nett, 
baß @inmb,.©nuline unb9lnno, meine intimften 
©enfionSfreunbinnen baron gebadjt butten, mich 
fdjriftlid) im neuen £>eini gu begrüßen, 3dj las 
unb laS._ 

„Siirfte ich biclleid)t nodj einmal ans Nlittag« 
effen erinnern?" flötete eS in ber geöffneten 
Sbürf! 

Nein, baS war unauSftebli<bt 

„9(cb Was! 3<b bube im 9tugenblid feine 3*it. 

— Sd) muß butd)auS fdjneü ausgeben. — 3fn 
einer halben Stunöe fomme ich wieber unb werbe 
$bnen bann bie nötfjißen Befehle geben." 

„9(ber-" 

„©itte, fein 'aber'! ßolen Sie mir meinen 

Hut!" 

3ib rannte baoon! Unterwegs mußte mir ja 
etwas einfallen! 9lber eS fiel mir nichts ein. 
2Bie ein 9llp lag mir’S auf ber ©ruft. Untier» 
febettS ftanb ich bor bem Hinterpförtchen beS 
HalbenguteS. Sollte ich wirllich biueingebeu 
unb Ntnrtba fragen, ober bie Srine, Weis ich 
focbeit laffen fofle ? Sie werben mid) auSlacbeu 
unb ©eter wirb eS erfahren, unb id) werbe mich 
gu Sobe febümenj 

Sa War eine {[eine San! im ©ebüfdj. 3n 
wenigen Schritten war fie erreicht. Um meine 
miibfam behauptete tJaffnug war eSgefchebeit; 

— bitterlich meineub fanf ich auf baS ©äitfleiit 
nieber uub barg mein ©cfidjt in beibeu Hauben. 

„Ntariecbeu, WaS ift bir gefdjeben ?" flang eS 
plößlidj angftöoll bid)t neben mir. 3dj hob er« 
fdjrodeit baS tbräneniibcrftrömte ©eficht unb 
blidte in Ntartf)a§ treue blaue 9lugen. ^d) butte 
öor Schindern ihr SJommeit nidit gehört. 

„O Nfartba, Niartba! üöarum bube ich bo<h 
gebeiratbet!" fcblud)gte ich uit ihrem Hülfe. 

„9lber fo fprid) boch, bu armes, armes Nlarie« 
chen! 3d) bah’ bir’S gefteru fcboit angemertt, 
baß etwas nicht ift, wie eS follte!" 

„9(dj, eS ift ein Uugliid! 3ä) hätte eS nie tbun 
füllen, niemals! Ser ©eler —" 

„3ft ein abfcheulicher Ntenfch, wenn er bich 
quält unb beleibigt, bidj, unfern Souitenfthein, 
unfer 9lflerliebfte8," braufteNJartba in febweftev-- 
Iicber ©ntrüftung auf! „9lber wir werben bich 
Hbüßen, wir werben nicht bulben, baß er bich ins 
Uugliid bringt." 

„9l<h nein," — braute ich enblich beröor. 


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432 


Pinke für ((Item unb feljrer. 


„nid)t er ini(^, aber id), id) bringe ihn ins 
Uitgtiid!" 

„Su baft beitt £>crg iiid)t gelaunt, Du liebjt 
ilpt nicht!" — 3n ScarthaS ÄTopf fpufte Der* 
mutklich bereits ein ganger 9toman, ein ©ke» 
ftanbsbramal 

„©ewiß liebe id) ihn. Ser ißeter ift ja and) 
gang unfdjulbig," fiicfi id) ^evDcr, „aber bu, 
SHartka, o, bu ÜJtnrtka, b;|t an adem fd)ulb!" 

,,3d) ? — ÜKarie, für was kültft bu mid) ? — 
Su bift eiferfüd)tig ?" 

„Sich was! — 9lbcr was braudjtejt bu iljnt 
and) g!eid) grüne ©rbfen Dorgufeßctt, ba idj’S ja 
felber ttjun wollte. $d) taan ihn fcoc^ ntd^t ba» 
mit gu Sobe füttern! Unb jeßt fraßt mich bie 
Sabette beit gangen fDtorgen, WaS id) torfjen foü 
— unb idf) tineifi eS ja nicht — unb id) bin eben 
gar feine $auSfrau — unb ber Seter erwartet 
eä bod) Don mir — unb er wirb Ijerauf fommen 
unb effen wollen — unb eS wirb nicht gefodjt 
fein — unb er wirb fid) unglüdlid) fiibien, baß 
er feine gute Hausfrau bat — unb — unb" 

Sßeiter fam id) nidjt. ©in ketglid)eS ©eläd)ter 
unterbrach meinen SRcbeftrom. — 

SDicine Skränen berfiegten. fDJartfja batte fie 
rafd) getrodnet unb als ick mit 5peter an jenem 
SRittog im lieben, alten SaterkauS abermals 
mit gu 2ifd)e faß, ba ladjte id) fd)on Wicber ketg» 
lid) mit. 

3<k bin troß all unb aflebent fckliefjlid) bod^ 
noch eine leibliche Hausfrau geworben. Ser 
Scter bat eS mir tjunbertmal wicberbolt, bafi er 
fick nie eine belfere gewüitfckt bube. — Siel liebe 
©cifte buben feitber an unferm Sifd) ßefeffen 
unb eS ift ihnen wobt geworben bei uns. SaS 
gröfjte fteftmabl über bat mir fein foldjeS $opf* 
gerbred)en mehr geinadjt, wie mein erfter $üd)en« 
gettel am eigenen £>erb. 


Pinke fiir (fiter« und fcljrer. 

33etet für einanber. 

fiebrer, betet für einanber. 9tid)t nur bie 
Slrbeit fofl eine gemeinfcbaftlicbe fein, fonbent 
au<b gemeinfcbaftlicbeS ©ebet foll Dor betn gött» 
lieben ©nabentbron gepflegt werben. Surd) Der» 
einigte Stjütigfeit wirb eine ©d)ule ftarf unb 
feft, wie ein maffiDer Sau; aber bann Derbinbet 
biefen Sau mit ber eifernen ©tätige beS glatt« 
bigeit ©ebetS. 

©tärfet eure £>änbe gegenfeitig bttrd) Ser» 
binbung berfelben Dor ©otteS ©nabentbron. 

91 ur ©iner. 

©in Genfer fattn einen fo föftlidjen ©e» 
banfen berDorbringen, aus mel<kem felbft eine 


grofee Stenge $id)t fd)öpft. ©ine ©timme fann 
einen großen ©aal Doll anbäebtiger 3ubörer mit 
glorreichen Sßorteu ber Sieisfjeit unb Shaft er* 
füllen, ©in entfebiebener 2ß i 11 e fatnt einen 
Statt entwerfen, einen Crt bereiten, 3wecf unb 
2lbfid)t erfintten, woraus ein b^ilid)^ Stert 
unb ein glorreicher ©itifluß entfteljen mag. ©ine 
Serfon fattn eine ©onutagfcbule einen'gangen 
jßinter b'nburdb Unterbalten. 6r fattn baS 
©djulbauS öffnen, ein ffeuer augitttben, jebes 
Älinb freunblicb empfangen, eS nötbigen, wieber 
gu fommen ttttb aitbere mit gu bringen, ©o 
fann eine Setfon attberett bienen unb fie gum 
©uten begeiftern. 

Scfcr, bift bu eS, ber baS föitnte, uttb ber eS 
unterläßt ? 

3IIufttatiottett, wie ntau biefeIbett 
gewinn t. 

©rgettge fie felbft. ©djöpfe nicht fogleid) aus 
Süd)ern, obwohl bu auch ba fd)öpfen magft, nach* 
bem bu bid) felbft erfefjopft baft. Sie lebenbig» 
ften SHuftrationen wachten in beinern eigenen 
©eelengarteu. Sod) föniten fie nicht fpielenb 
gcfammelt werben, wie Slunten auf 8?rül)liugS* 
matten, ©oitbent bu mußt fie ergeugeit. 

Sber Wie? Sintnt bie Seftion unb bemeiftere 
fie. S*üge alle barin enthaltenen Sbatfacben 
beinern ©emiitbe ein, unb halte fie bann feft. 
SuS biefen Sbatfacben giebe alle baritt enthalte* 
tten Sehren. 9tad)bem bu bid) fo recht in bie 
Seftion hinein gelebt baft, fo giebe aul berfelben 
eine ober gwei ftauptiebren. Santi mache bid) 
an irgenb einen ©d)üler, utn ihm bie Seftion gu 
erlldren, unb bie barattS gegogeneu Sehren ein* 

E igen. S9eobad)te ihn genau wäbreitb bu ihm 
rrid)t ertheitft, unb wenn er fein 3ntereffe 
geigt, fo ruhe nicht, bis bu feine 9lufntertfoniteit 
helft. Sann mache ihm bie Seftion recht ftar. 
Unb wenn er irgenb einen Sbeil nicht Derftebt, 
fo erflcire ihm benfelben, inbem bu einen Ser« 
gleich uiachft mit etwas, baS er Derftebt. 9Racf)e 
ihm bie ©eiche ftar auf eine ihm fafelicbe SBeife, 
in einer ihm Derftünblicben ©praebweife, in 
einem Sott unb in Sßorten, bie er berfteben 
m tt fj. 

Sei folcb ernften Serfudben wirft bu SBujtra* 
tioneit aus bir herauSpreffeit. ©ie werben oft 
plößticb in bir auftaueben. Unb wenn bu beS 
©oitittagS aitbere jtinber in biefer Seftioit unter« 
richteft, fo toerben bie alfo gewoiittenen Süuftra« 
tionen bir gu ©ehote flehen. 

Serfucbe baber ben Sßlan, beine eigenen 31* 
luftratioitett gu ergeugeit. 

Sie ÜJtutter unb ihre ©ohne. 

f$fo(genbeS inhaltsreiche ©ebreiheu enthält 
eine gange Srebigt itt einigen wenigen ©eißen. 
©S ift eine Srebigt au bie ©ohne, bie alfo lau« 


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(Situ Banjgefdjidjte. 


433 


tet: „Unter allen SiebeSüerfjältnifjen bev 5De(t 
ift feines, baS bie aufrichtige Siebe eines etmai)* 
feuen Sohnes gu feiner Mutter libertrifft. _ 6s 
ift 'reine nub cble Siebe nub gereicht beibcn, 
Mutter unb ©olju im bödjfteu ©rab gur 6b«. 
3cb meine nicht bloS pflichtgemäße 3uneigung; 
fonbern eine fo(d)e Siebe, bie alle £)öflid)feit, 
fMrtigfeit nnb Hochachtung gegen feine Mutter 
gur ©d)a u trägt, aus roelther jebet erfenncn 
faitn, baß ber ©ol)n förmlich in feine Mutter 
oerliebt ift. fJtächft ber Siebe bc§ Mannes ift 
nichts, tuoburch baS Seben einer grau fo gegiert 
nnb mit Spreu gefrönt loirb, als burcb bie Siebe 
nnb Eingabe eines ©opneS gtt feiner Mutier. 
Unb icf> lernte nodj nie einen jungen Mann fen= 
neu, ber fiep in feine Mutter oerliebte nnb bann 
fcplecbt anSfiel. 3irgenb ein Mann mag fid) in 
eine bliibenbe Jungfrau oerliebeit nnb mag 
burcb bie ihr ermiefene Höflichfeit baS befiim. 
merte, tiefgefränfte 9©eib fdjänblidj Oernad). 
läffigeu. 9lber ber ©opit, ber in feine Mutter 
in ihrem Mittelalter berliebt ift, ift ein mapter 
£elb, ber fpäter fein eigenes SBeib im Hcrbft 
ihres Sehens, roo fie anfängt Ijinguroelfen, eben 
fo getreulich lieben wirb, als er es im Frühling 
ihres Sehens that." 

©ebt i.bnen ettoaS gu thun. 

„3<h will auch etmaS thun," fpracfj ein Heines 
Mäbcpeu, inbent es feilt Srüberdjeit beobachtete, 
toie es Sehmfngeln fabrigirte. Sagt eines Äin« 
beS Sitte nicht unbeachtet, wenn es fpridit: „3ich 
toifl auch ettoaS thun." 3" beS SfinbeS ßopfcpeit 
ift ein großes 9tab, baS breht fich um, um unb 
um. 6S ift baS raftloS tpcitige ©ehirtt. Sege 
eitt Sanb an biefeS 9tab, nub Inf) eS eine 
Mafcbiue in Semegung fejjeu, lag eS ettoaS tpim, 
nnb baS raftlofe ©epiru ift gnfriebeit. Segeidpie 
nicht jebe Unruhe beS .ftinbeS mit Unart unb 
SoSbeit. Tenn bie ©äbmng beS ©eifteS ntufj 
fich irgenbmie 8uft machen. Tie ©eifteSthätig» 
feit beS ÄiubeS fiubet Stoff gum fltndjbenfen in 
irgenb einer ©efchichte, bie bu ihm ergäblen 
tiiagft, ober oielleicht auch bariit, einen Mit. 
fchiiler am Haar git gupfeit, ohne babei ettoaS 
SöfeS gu beabfichtigen. 


(fine paii|0cfd)id)te. 

Sßat pöltft bu bnn’t Tanken? 


Te Suer Meger hur beit Herrn Sefuin 
6hriftum üon garten leeb, utt barum tottll he 
in fin £)uS bon nicfS toeten, bat na be ÜDelt 
fcbmecten beh, benn fo fä he: SBeitn man bott 
en Minfthen beel hölt, benn labt man boch ni<h 


beit fjienb mit in, fonnertt toeutt man fielt ©aft 
ehrt, beim labt man fielt Sriinu in. ©ien Snt 
loeer ot en gang chriftlicpe Sru, aoer ehr Ghrijteu« 
boiu meer fepr Ulla, tut aS tut ehr Todjter Rieten 
berattrouß, ba leet fe bann unb mann fo mit 
fallen: Te ntult bod» of to Tang, fünft fliegt fe 
ja feen orbentlicpeit Mann. Te ole Suer brnfte 
geroaltig up tut fä: fo’n Mann, aS fe ouu’n 
Tnngfaal halen beh, tonll he in fie £n§ nid) heb. 
beit. H e hör bör be fRumlungererS fielt ©elb 
rtich fpart. Suer be fjfru leet noch nid) na un 
bleb barbi, bat loeer nu mgl fo. Si beit Tang 
lehr fe be jungen Süb am heften feint, un en 
Mann muß 8?iefen boch of pebben. 6u Gljvift 
tuiijj fo beet in be SBelt mitmafen, mat nid) recht 
meer, tont ein bod) tiicp fchabeit beh- Ta fä be 
ole Suer: „Mttbber, bu meeft boch, mntupben 
Tangfaaf bör en ©iftluft iS. 21'alt bn benn bin 
eegen Tochter bergiften?" Ta fä be Clfch: 
„labber, be $err 3efuS bett ja fiilbcu,fcggt, be 
Shriften fchuUit ©ift nehmen, un barfunu ehr 
nidj fchaben." „So, Mubber, flentft bu ut bat 
Socf? SBenn be Tiioel irft mit Sibelfpriicp 
fiimmt, benn iS be ©af gefäljrlid)." „3a," fä 
be Clfd), „bu heft man ben rechten ©loben nid), 
benn uns $aflor hett feggt: SBaS aus bem ©lau. 
ben fommt, ift nicht ©iinbe." „Mubber, tannft 
bu benn iit’n ©loben ©ift eten ?" „Sin, Sabber," 
anttoort be Clfch. be ntarf, bat be Manu tocef 
loeer, „bat fann icf, benn menn uns Herrgott 
bat roili, fann bot nti nicb fchaben!" „Ul'öllt ao. 
toben!" fä be CI un breifj ehr ben fRiid) to. Te 
Clfch aber grien: „Ti frieg icf mol!" — 

Soer bitmal freeg pe ehr. ©iinitdbeitb loör 
Uliimp un Melf eten. Ta feggt be Clfch, aS fe 
bi be Melf feeten: „3, mat iS bat hüt mit bat 
Gteit ? 3fef heo bot boch fütdft torecht malt, un 
bat fdjmccft boch fo narrfch." ffiefeu feggt: „9le, 
Mubber, icf fann bat nid) eten." „Tern," feggte 
fe, „et man to, toi fönitt botp be gonge ffuntm 
Poll ttich meggeten." 9(S fe noch en ha tuen Tel. 
Irr ooü ut har, fä be Clfch: „ne, icf tueet ttich 
mat bat iS, bar mutt ©ott rittfufln fielt. 3cf 
fann bat ot nid) eten." „3ia," fä Sieten, „mi 
rnarb gang fchfed)t to Mob. Tat iS man gob, bat 
Sabber nicfS eten’mag." „9Je," feggt be ole 
Metjer, „icf fchull mi moll mahrn, icf fann feen 
©ift oerbregen." „Söat," feggt be Snt, w p lt heft 
mi boch mol nicfS in be Melf ftegen!" „Seteit 
fdharpeit Itram hen icf barem ftegen, icf muH mal 
probiren, ob bu fo’n ftorfen ©loben heft. bat bu 
©ift oerbregen faunft." Ta fmect be ben 
fiepet hin utt fd)reeg: ,,^>e hftt uns oergift, 
Siefen, et nicfS mehr, t)f bftt uns oergift!" 
„Mubber," feggt be CI, „bu fäft ja, bu fiiitnft 
©ift oerbregen." „9lch," feggt be Clfch, „girret 
endh nicht, ©ott lägt fich nicht fpotten. Sop boch 
flinf na ben Tottor hin, he (dp© fünf her. 
tarnen." Ter Sauer aber fagte: „Tar will icf 


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334 


(fhrifHidjt <Slrid)i)ri& 


mi rool för mahnt, irft mill id fehlt, ob bu ©ift 
Oerbregen fannft." „UMift bu mit Winfcheiibut 
öoertroden ? ÜBult bu uns ftnruen Inten ?" Sa* 
bei rannte fie jur SEfjiir hinaus tiub fcbrie: „-]3c» 
ter, lop glief na ben holtet be mutt fofovt 
berfamen." 9lS be ftitedj mcg toeer, fd^imp fe 
ebm Wann, aoer be bleco barbi, fe toeer ja 
fd)ttlb, fe fünn ja ©ift berbregeu. 

91» be Softer fönt, feef be ben tönern an uit 
fd: „Weber, mat bcpt Se an be Dielt fregen ?" 
„@ift! £err Softer." „Weber, bat iS nid) tttög* 
lieb!" „föerr Softer, id »utl bloS oerföfen, ob 
min gm bat Oerbrägeu fiutn." Se grtt fchreeg 
tut up uit fä, be Softer fd)uK ebr boef) loat in« 
geben. Se Sern uit be ifitecb meerit nt be ff öf 
famett, bat toeer eit greulichen Upftaub. „Weber," 
fä be Softer, „toat bept ©e ebr beim för ©ift 
geben?" „Seeteit SabafSfaft, ^>err Softer." 
Ser Softor fadste laut nitb fagte: „9ia, loeitn 
bat toieber nid» iS, bann beruhigen ©e fif. gd 
Witt Se eit paar dßfeffermünsbrüppeit i'evfdjrie» 
ben." „3kt, gru," fagte Weber, „bu (»eft lool 
tut nog. Wit bat ©iftprobireit gefallt bi bat 
toot ttidf»!" Un bat gefull be fjvu nid), beim fe 
ftheitn fif. 93on bat Sanjett bett fie nid) toerrer 
fprafeu, erft niubl fe noch eit 2ieb lang mit ebnt 
Wann, naher tniiß fe ffitbft baröber fachen un 
fä immer: „2öer bar bat bed) bad)t, bat uns ol 
Sabber foit ©rappen in’it ffopp bar." 

Schall nu en oon be 2efcrS en gru beb bett, 
be of gföbett beit, bat fe ©ift berbriigeit fattit, 
benn fäunft bu bat Wittef iooll pvobiren. 9loer 
fegg ja nid), bat id bi bat feggt beb, fünft futtn 
-mi bat of gaf)it a» en Hafter iit’t ScfjleStoigfcbe, 
be för fin ißudel bang toör. 

(Jiropper fird^f. Slnjeiger.) 

-- 

ilumeufvradje, 

f ie ber «ffaifer bie ff ornbluine, fo fod 
ber Ü rottprittj bie W a i b f tt nt e febr 
lieb hoben, todbrenb bie Königin 2uife 
bie mattrofa „ Wäbcbeitrötbe", eine jejjt 
faft ctuS ber Wöbe gefommene 9tofe liebte. 

33on Schiller toirb erjüblt, bafj er bie 2 i l i e 
allen attbern 331 h men oorjog, bie Silie, bie fd)oit 
WofeS jur döerjierttng ber 2eud)ter int heilig» 
tbitm be» £>errtt ermähnt, bie Salomo als Sfroiie 
ber Säulen in feinem Stempel attgab, bie einige 
dölume, bie bem Manien nach eng mit bent 9ln» 
benfen an unferen ©eilanb oerbtmben ift. 

Sntber mahlte bie b n n f e l r o t b e 9t o f e, 
ungleich baS döilb ber Siebe, beS Schmerzes, ber 
Schönheit, beS 2eibenS, be» SebtoeigcnS, als 
feine SieblingSblume unb als fein Söappenfchilb, 
oerbunbett mit einem £erjeit unb bent Spruch: 


Des £brifteit Serj auf ^lofen geht, 

IDenu’s mitten unter’ m Kreuje fiept. 
Ublaitb liebte bie 91 p f e l b l ii t b e, Jtlopftod 
bie 2 i tt be tt b l it t b e mit ihrem Söoijlgerttcb, 
mäbrenb greiligratfj an ber beicbeibeuen ioeifieit 
döliitbe be» 9Ö a l b in e i ft e r § baS größte dBoljl* 
gefallen fanb. Sie berühmte grau oon Stael 
trug faft immer ein Sorbeersmeigleiit in 
ber fjanb unb fpiclte mit bemfelbett. ^ 

äöeld) eine berebte Sprache fprechen bod) biefe 
dölumen, meint toir nach ihnen bie ©igenfehafteit 
ihrer Söcrounberer abiiieffen moflteit; ob mir mopl 
allju meit baS Oerfeblteu? 9lbcr meint 
Sentaitb bich itad) beiner 2ieblingSblunie fragen 
mürbe, bie jugleid) ben inneren ^uftaitb beiite» 
fjersenS feituyichnen foflte, toeldje miirbeft bu 
mahlen ? döefiitue bich recht, unb meitn bu eine 
gemablt b«ft, bann gieb fie itt bie dftflege be» 
bintmlifchen ©artuerS. ©r mirb fchon bofür 
forgett, baß fie maebfe unb gebrifje, unb bich eiuft 
noch mit ftißein Uöoblgeruch erfreue int fchönen 
©arten beS 'fiarabiefeä. 


«I)ri|tlid)t «Iridjljeit. 

f aS bie Socialbemotraten modelt, hat baS 
6f)rifteitll)itm Iangft. 9tur baß bort ein 
Sagen und) einem oergeblicften Schein bie 
£>er$eu bet()ört, hiev aber emige ©üter gettoffeu 
merbett. 

ffointn unb fiebe, lieber 2efer! 

©S ift ber jmeite Wittmoöh im fergangenen 
9tooember. 6iue eoangelifihe Saubgeiiteinbe 
Sd)lefiett§ feiert ba§ heilige ©aframent in ihrem 
einfachen ©otte§baufe. ©ö gebt bei ber freier p 
roie fönft, nur bafj heut aitSttahummeife bie 
heften ftnietiffen auf ber 9lltarflufe aufgelegt 
fittb. Söer fniet bort? ©iufache Saubleute, 
Wantter unb grauen, äßerljeirotbete unb Uit» 
oerl)eiratf)ete, 9teicb unb 9lrm, 9llt unb Stttig: 
im greife umgeben bie geiernben ben 9lltar 
Pont, rechts unb linfS. Iffien erblidt bas 9tuge 
be» Söefchatterö aber rechts auf ber einfachen 
Seberpolfteruug, mie fie rechts unb linfs an bett 
9lltarfeiten befeftigt ift? 6ine ©eftult, einfach 
mie bie attbern alle — eS ift ber ©cneralfelb« 
marfchafl ©raf bott Woltfe. ©in fleißiger 
93efucher beS unter feinem ©ompatronat als öc= 
fißer ber |)errfchaft ©reifau ftehenben ©ottes» 
baitfeS sh ©riibiß, feiert er heut — mie in ber 
9fegel s>i gttfl ben fiirchmeg gemanbert, unb 
smar beut ganj einfam — am Sifcb feines |)im» 
ntelSföitigS bie greibeit, ©leichbeit unb Söriiber» 
lidjfeit ber if iuber ©otteS. 


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; 3m Sdjotttn. 


435 


3 »« 


Ser Äiimc „SojaS.“ Ueber ben Urfpruna be3 
tarnend 3;ej;a3 erzählt eine Dame tu einem ^hila? 
belphier Platte folßenbe Seßenbe, wie fie ein ft oejn 
1 ©eneral Sam &oufton mitßetheilt würbe, ber fie 
mteberum einem alten Subiancrhäuptlinae gu bau? 
!en batte: „3ur 3eit, al3 bie Spanier ÜJJesifo in? 
pabirteu unb plünberten, oerliefjen oielc 9tothhäute 
gemein taut ba3 Sanb ihrer 3>äter unb goßcu bem 
Sounenaufßaiiße gu. Sie überfd)ritten ben 9tio 
©raube unb/ ohne ffenntnif* Pen bem Sanbe, ba3 
por ihnen laß, betraten fie bießro&cn, falgißenSDiar? 
fd)eu. 3Siele Säße goßen fie fo tranviaen 2Huthc3 
hin, ohne hinreidjenbe3 ÄBaffer unb 2öilb gu fin? 
ben. Die $ifce nahm gu; bie Keinen SSaffcrläufe 
trotfneten em; ba3©ra3 perborrte unb Ptele alte 
8eute unb Jfrnbcr erlaßen ben Dualen bc3Durfte3. 
9?acb pielen 3Bod)en mühfclißcn 2Sanbcrn3 fam 
eine3 2aße3 eine Schaar imißcr SBänner, bie oor? 
au3 ßeritten war, eiliß gurücf mit bem Diufc: „9Sor= 
wärt3, Porwärt3! wir haben Sikffer ßcfuuben."— 
9?cuer 9Kuth befeelte bie pergaßten £>crgcn unb ob? 
gwar9Kd)t3 gu feben war, alö eine febeinbar enblofe 
©bene, fo eilte bod) 9lllc3 auf bie in einer ßcrinßcu 
©ntfernuna harrenben s DJänncr gu, bie auf alle er? 
benflicbe 2Beifc bie ©erauuahenbeu anfpovnten, 
ihre Schritt gu befchleunißen. ©nblid) war bie 
Stelle erreicht, wo bie Soften ftauben —unb gu 
ihren Süjjen raufdjten bie Karen SBaffcr be3 Solo? 
rabo unb erKanßeu in himmlifd)er 9Jtelobie. — 9(m 
ienfeitißen Ufer aber, fo weit ber 9lblerblicf ber 3u- 
biancr nur immer reichen forute, ftredte fich eine 
ßritne ©beite au3, auf ber gartet $Maitßra3, pom 
äBinbe leicht beweßt, in üppißer Fracht unter ber 
tropii.beu Sonne woßte. 9Öie Unfein erhoben fich 
in biefem ßrünen 9Öiefemueft hie unb ba biebte 
©ruppen huubertiäbrißer 93äume, unb frieblid) 
weibeten bagwifdjen beerben Pon Büffeln unb ©bei? 
wilb, unbefümmert um ben ihnen nahenben 9)Jcn? 
fd)cn, ben fie wohl gutn erfteu 2)iale fahen unb al3 
ihren fteinb noch nicht fentien ßelcrnt hatten. 9llle 
äNübißfeit, ©uußer, Dürft, bie überftaubencu 
Dranafale — 9llle3, felbft bie lobten waren per? 
ßeffenf Die SBauberer laufen beim 9lnblicfe bc3 
henlicheu Sanbe3, ba3 por ihnen Jaß, auf bie iluie 
unb riefen bauferffdlt: „Sd)a3, £cba3," bad tnbi? 
antfdie 9GBort für 9Jarabie3, worauf fich $exa3 ße= 
bilbet hat." 

Sie Sitte toe$ Sränttßamg. Der brape Steter 
hatte ber gierlidien Katharina bie ©he besprochen. 
Katharina inbejj geißle fid) fd)on al3 SBraut trofe 
ihrer 3ierlichfcit al3 überrafdjenb ßrob unb herrfd)? 
füditiß. — So farn’3, bah ber brape $eter mit rcd)t 
leibiuüthißem 9lu3bru<f bem Iraualtare fid) nahte. 
9lnbäd)tiß horte er gu, wie ber ißfarrer ber ffatha? 
ritta bie ehelid)cu Pflichten flar leßte, unb als bie 
9iebe mit ben SBorten fdjlofj: „Denn er foll 
Dein föerr fein," ba prefite ber brape ißeter polt 
wehmüthißer sBorahnuuß bie Söortc herauf: ,,9ld). 
wenn ber ©err Pfarrer ba3 meiner Katharina noch 
einmal faßen wollte!" 


Xljtttrfd 9tadjbtnfat. 3» ber 9?ed)iiuuß eine3 
9lboofaten für einen feiner Klienten fanb fid) ber 
folßenbe $oilcn: „3n ber 9iad)t aufßewactot unb 
über 3hreu ^rogeü nad)ßebad)t.10 SWarf." 

©etmmpft. — Srember: „£ier febeinen piefe 
Sd)afc gu fein; ba foinint wohl auf iebe3 &au3 ein 
SlJaar?" — ^Bauer: „ S -Bci uiiS fiitb bie Schaf in 
ben Ställen unb net, wic’3 bei 3hncn fd)eint, in 
ben Käufern!" 

fintier alö 3^0er. Um fid) ttad) laitßcm Sifeen 
unb ftrenßcr 9lrbcit eine SJcweßuuß gu madjeu, be? 
fud)te Snther 1533 ben ©rbutavjd)all ©errn pon 
Sbfdier, auf beffen ©ut gu ^retfeb. Diefer nahm 
ihn mit auf bie 3aßb. 2lllein währenb bie Zubern 
beut 23ilb nad)ßinßen, blieb Suther auf feinem 
SBaßeu fifecn, nahm bie ^Bibel herpor unb leßte ben 
147. ijjfalm au3. 9113 er wicbcr nach Jöittenberß 
jiiriufßefoiumcn war, fanbte er bem £>errn pon So? 
|d>er bie Sliioleßitnß mit folßcnber 3»fd)rift: „9lld 
id) neulich bei ©ud) war unb 3hr mir ßrofie ©hre 
unb 3reunbfchaft pevgeißtet, mich and) mit auf bie 
3aßb führtet, hielt id) gußleid) auf bem SBaßcn 
meine ßeiftliche 3aßb, unb leßte ben 147. $falm 
au3, weither mir bie allcrluftißfte 3aßb unb ba3 
ebclfte 2I>ilD ift. So id) nun ba3 heimbvachte, habe 
id) c3 ©ud) wollen ängeißen, auf bajg ich nid)t mit 
bofem ©ewiffen folch’©ut, auf ©iivem 93oben ße? 
Wonnen, hcimlid) bei nir behielt unb nid)t allein 
unbanfbar, fonbern and) fd)äblid) erfunbeu U'ürbe. 
3ch fd)icfe©w. ©naben baefelbe ßang unb ßar unb 
behalte bod) auch ba3 meine ßang unb ßar. Denn 
folcb’ SSilb la§t fid) wunberlicl) unter 3reunbcn 
thcilen, baß e3 3eberßang frießt unb bem 9lnbern 
nid)t3 abßeht." 

ffliber bie ©tifette. fföniß 3riebridj SBilhelm 1IL 
hat fid) ba3 nicht ßcmiß gu fdmfcenbe iterbienft 
enuorben, ba& er iene fteife, bi3 in3 Unnatürlidje 
aehenbe ©tifette, in weldjer gu feiner 3>‘K bie beut? 
fcheu $6fe ai3 treue 9hd)ahmer frangofijeher Shor? 
beiten fid) gu überbieteu fud)ten, bio aufba3ße= 
viußfte 9)?a& gurüdführte, unb febon al3 iironpring 
ßab er gahlreid>e ^eweife, wie perhafet ihm biefe, 
ein herglidjeb Samilienleben ftörenben fteifeu Sonn? 
lichfeitcu waren. 9113 einft bie Oberhofmeiftcrin 
pon 95o6 ihm barüber Sorwürfe machte, ba er feine 
©emablin Suife lieber „feine Srau" al3 „3hre 
Ätoniflüche Roheit, bie Srau ftroupringeffin" nannte, 
faßte er: „9iun aut, liebe 9Joü. 9i>ill ßehordicn. 
Selben Sie mich 3hrcr ÄCmißlidien ©oheit,ber Srau 
Äronpringeffiu unb fraßen Sic an, ob id) bie ©hre 
haben bürfte, ^od)biejelbe gu fprcdien." Die ob 
folcher ^tefebruuß ßlüdlid)e Obcrhofmeifterin ßcht 
laiißjam, fteif, feierlidi, ßang uüe e3 bie ©tifette 
poruhrieb, um ben Befehl gu erfüllen ; al3 fie aber 
bei ber Üronpringeffin cintiat, fafe Sriebrid) 5BiU 
heim febon 9lrm in 9lrm neben „feiner Suife" unb 
rief ber entjefeten Dame entßeßen: „3a, liebe 
3hre itonißliche Roheit bie Swu ilronprin? 


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436 


3nt Sdjatien, 


geffin fiub cvft in einer Stunbe gu fpredten, unb biefe 
3cit benfe id) bei „meiner lieben «Jran" gu vermeid 
len." Bei einer proieftirten „Auffahrt" febrieb ba$ 
©ofgeremoniell vor, baß ber ihoitpring mit feiner 
©emahlin in einem fcdjsfpännißen Staatomaßen 
mit ber Oberhofmeifterin, gmei fiutfdjevn unb 
brei fieibjdaern in ©ala auffahren mußte. ! 
JJran von Boß batte ben fttonpringen baran er= 
innert unb mar überßlüdlid), bafe biefer gu al= 
lern 3a faßte. 3ur feftßefebten 3eit fuhr ber 
Söaßeit vor — bie Oberhofmeifterin beftieß nach 
Bonchrift baä ßeräuutiße 3*ahrgeuß — ba ßab 
Sriebrid) JBilhelnt ben Äutfdtern einen SSinf, mit 
ber Dante allein bavon gu fahren, er felbft aber fehle 
fid) mit „feiner 8 ui je" in einen einfachen 3u>eifpän= 
ner, melcher auf feinen Befehl hinter bcutöala- 
maßen hielt. 

Gute brollißsfompligirte flehte Slra&wfgeitc be= 

richten 'ISiener 'Blätter. Die Bcrmideluiiß beßantt 
bamit, baß in ber Jaborftraßc eine Bcaßb einen 
©unb im Spiel ginn Senfter hiitairnfticß. Der 
©unb fiel auf ben Xfchafo eines eben vorüber* 
ßehcnbeit 3ufanteriften» moburd) bein Btarsfohne 
bie Sfopfbebedmtß io tief über’S ©efiebt ßcbrüdt 
mnrbe, baß von biefem nur baS bl tun gu fehen mar. 
Der .ytinb mar febon länßft mit heilen Änodten 
mieber in bie BJohnuitß feinet ©errit binaufßeeilt, 
alS .Stopf unb Slntlifc be$ BaterlanbSvcrtheibiaerS 
burch einen ßuthcrgißcn Baffanten vom $kbafo 
enblid) befreit umrben, morauf ber Solbat feinem 
humanen ©elfer eine Obrfciße appligirte. Der 
freunblidte Baifant mar natürlich ob fold)cn Dan* 
feS für jeine Blühe ßang perplex. Der Solbat aber, 
alb er imn bertnittlermeileanßefaninteltenBleufd)en= 

' tnenße belehrt mürbe, bafj nicht berBaffant, foitbern 
ein herabßeftürgter ©unb ihm ben ifevafo inS ®e* 
ficht ßcbrücft habe, verlor auch iefet nidtt feine 
Schlaßfertißfeit, inbent er betn mit jo üblem Danfe 
belohnten BJann gurief: „$Sann habend ©ttttbel 
fallen fehen auf ßaiferlidje üfdtafo, marum habend 
nit liebe ©mtbel auffaiißte mit ©änb." SBanbte 
fid) um unb ßinß ftolgfeiner SBcße. 

ftnmeelf tu flmerifa. 3efet ift enbticb ber ein ft 
fd)ott unter Bräfibent Bterce vom bamalißeit .SirießS* 
miitiiter 3efferfon DaviS ßemachte unb Seither mte* 
berholte Beriud), baS bi anteel alS öaftthier auf meit* 
liefen (Ebenen ber Ber. Staaten gu acclimatifiren, 
ßelmißen. Jluf einer ,,9iand)" am CarfonfIu§ in 
^evaba befinben fidtßcßenmärtiß 26fiameelc,tvelche 
alle, mit 3luSnabme von gtveicit, an Ort unb Stelle 
aufßegoßen tvorbeit fiub. Bor 3ahvcn tvar eine 
.ftanteelherbe auf Soften ber Ber. Staaten nach 
9i'evaba ßebracht tvorbeit, aber alle ^hiere, init^lutf* 
nähme von gtveien, ftarben mea. Die tefcißc ©eerbc 
ift bie s 3cad)fommenfd)aft biefe3 B^reb. 3hre 
(Sißenthümer fiub ftrangofen, bie in 3llßier etmaS 
von ber Sameelgucbt ßelernt haben. Sie finbeit 
biefe nicht jebmierißer als bie Sucht anberer ©au3= , 
thiere. 35Ba3 bie 9lahruitß betrifft, beanüßen fid) 
bie Santeele befanntlid) mit SBüftenpflangeu, bie 
fein an ber eb Xhier anrührt. Die Samcele merben 
guin Transport von Saig aus ben 'Dörfchen nach 
beit fechgiß teilen entfernten Slitfiebluiiaen ße* 
braucht, unb einiße von ihnen fiub im Stanbe, 
eine Öaft von tauienb Bfuub gu traßen. 


Hcßfusliurpfr ÄatfjljauS. Dicfer intcreftajite 
büftcre unb munberiidj guiammeiißeicfetc Bau, bcffeit 
älterer Sbeil auS beut 14. 3abrbunbert ftaiumt, 
enthält in einem ber mittfelißcn Borfäle gu ieiteu 
©auptfäleit, in beneu von 1663 bis 1806 ber beut= 
jehe :)ieichstaß fid) verfatnmelte, folacnbe lateinifch 
unb beutfeh abßcfafetc (Sruiabnuiiß (admonitio) an 
bie 'Jtathsherru: 

(Sin ieber 9tatb$berr berbo ßath 
Bon feines amth* tveßett in Dtath 
Soll fein oit alle boß '^Iffcft 
Daburch fein ©erbe tvirb betveßt, 

5lh3 Jyeinbfchaft, 3orn unb ©cuchelct), 

9ieibt, ©unft, ßemalbt unb tprannei) 

Unb fein burdtauS ein ßleich perfon 
Dem armen unb bent rcidteu 'JO^ait, 

5lud) formen für bie ßanb ßcmeiit, 

Derselben nuß betraditeit rain, 

Dann tvic er richten tvirbt auf erben 
So tvirb in ©ott and) ridtten merben 
31 m 3uußften Staß nach feinem vatbr 
Den er etviß bejd)loffen hat. 

3Ratth. Glaubinö über beu Job. ’S foll ?eute 
ßcben, heißen ftarfc ©eifter, bie fid) itt ihrem 8eben 
ben ©ain nichtb anfechten laffett, unb hinter feinem 
bMücfett mohl ßar über ihn unb feilte bünnen 'Beine 
fvotten. Bin nicht ftarfer ©eift; ’b läuft utir, bie 
Wahrheit gu faßen, iebeb 9Mal falt über’n :)iuden, 
tveitit tch Sie anfehe. Unb bod) tvill ich ßlauben, 
baß Sie’it ßiiter IVanit fiub, meint man Sie ßcnuß 
fcimt; unb bodt ift’ä mir, al^ hätt’ idt eine '?lrt 
©eimtveh unb 'JÜiuth gu bir, bu alter Diuprecht Pfört¬ 
ner! Dafi bu auch einmal foititnen tvirft, meinen 
Schmachtriemen aufgulöfeit, unb tnid) auf bcfi’re 
Seiten ficber an Ort unb Stelle gur fHuhe gu leßen. 

Die 3Utcn foll’n ihn abßebilbet haben alb ’n 3ä= 
ßer int 'DL)cantcl ber ^ad)t, unb bie ©riechen ale ’n 
3üitßliitß, ber in ruhißer Stelliutß, mit ßefenftem 
trüben Blide bie jjadel bebßebenb neben beut ^eid)- 
itame aublojcht 3ft’n fdmneb Bilb, unb erinnert 
(5iiteit fo troftlid) an ©ain, ferne Familie unb na= 
mentlid) an jeineit Bruber: tvenn man fid) ba So 
ben Saß über ittübe unb matt ßelaufeit hat unb 
fontmt nun ben 3lbenb enblid) io meit, baß ntaito 
ßidtt aublöfdten tvill —hat man bod) nun bie s Jiad)t 
vor fid), tvo man aubruhen fattn! unb tvenn’obcnu 
ßar ben attbern Biorßen ^eiertaß ift!! ’S ift bas 
mirflich ein ßuteb Bilb von ©ain; bin aber bodv 
lieber beim .Stnoebenmann ßcblieben. So ftcht er 
in unfrer fiird)’, unb fo hab’ idj’n mir immer von 
fleinauf vorßeftellt, baß er aitf’in Äirdthof über bie 
©räber hinkhreite, tvenn eiitb von unb Atinbern o 
3lbenbi5 gujamitienidtauern that, unb bie Btutter 
bann faßte: ber Sob fei über’b ©rab ßcßaitßen. 
(Sr ift auch, fo bünft mir, redtt fd)ön, unb tvenn 
man ihn laiiße anfieht, tvirb er gulebt 'ßang freunb' 
lid) aubfehen. 

SBun bie ©anb, lieber ©ain! unb meitn 3hr 
’nntal fonimt, fallt mir unb meinen Jfreuuben 
nicht hart. 

$er ©ättiefricß. (Sine fulturhiftorifd)c 2Rerf= 
mürbißfeit ift ber beinahe fiebeniähvtße foßenannte 
©ätifefricß in ber tvürttemberßifdteu Stabt Bad- 
naitß. Uiiib 3ahr 1607 verbot ©ericht unb Sath 
bajelbft jämmtlichen (Sintvohncrn bao ©äitfchalten, 


Bigitized VjOOQlC 



3u Hauff. 


437 


meil bic ©einte au? ben Seibern ßrofeen ©djabeu 
anrid)teten. vaten bie Sßeiber fcer©tabt im 
3abve 1610 ben ßerabe anmefenben fcer 30 ß Johann 
griebrid) um 2lufbcbunß beS Verbots, meil burd) 
batfelbe „ihre babenbe 33ett=©cmaub feinblid) {je- 
fdjmädjt merben, inbem ftc bicfelben mcfctr jäbrlid) 
mit neuen Sehern erfrifdjen, ßcfdjmciße jemals neue 
Setten rnadjeu tonnten." ©ie erlangten smar 
einen ßünftißen ©efd)eib, allein ber SOtaßiftrat ßab 
nidjt foaleicb nad) unb liefe von ben burd) baS er= 
baltene Öfeffript fühncr geworbenen SBeibern bie 
SRäbelSfübrerinneit iu Serbaft nehmen; bis julefet 


auf micbevbotte Sorftclliingcn ber SOBeiber beim 
&craoß bie gefangenen Stauen in Stcibcit gefefet 
umrbeii; unb bie ©tabt im Sebruar 1612 eine 
©änfeorbnung befam. 

$oftor: ,,3d) fann aber nid)t finben, bafe ©ie 
traut finb f mein Sieber!" 

©cbubmad)crmeifter: „$)a§ bin id) and) nidtt, 
ßerr 'Doftor; ©ie laffen aber baS ganse Cabrio 
©ielcS bei mir anfertigen unb ba bad)te id) mir: 
jefet mufet bu ben &errn doftor bod) aud) einmal 
SU bir rufen, bamit er auch bei bir etmaS verbient." 




3 » 1 

pr #«n§ «üb §trt 

tauben auf 3oljattuj8beereu«®frätt*er. SBcil 
in inelcu ©egenben unjeveS IJaubcS hie 3 ü haiinib= 
beeven (vente i'ou sicmlicbctVcbeutuug iit, erlauben 
wir uni (io fdweibt bev ©ermantown Hclegvaph) 
wicber auf ein einfaches fDiittcl aufnierffain ju nia= 
eben, wobunh bie jRaupcn leidit entfernt werben 
tonnen. ®ian bcgiche bie Stväucher einfad) mit 
SBaffer, hiS biefclbcn red)t burdmäfit finb,«unb mau 
laffe bann geliebte flohlcnafd>c birf barauf fallen, 
biefc-3 wieberliole mau ein ober swei mal wenn noth= 
wenbig, jctcSmal am frühen fDiorgcn. SSäre bie 
Quelle bieje3 einfachen SDc'ittel3 nicht fo juverläffig, 
fo hätten wir wohl wenig barauf Gerechnet; fo aber— 
moditen wir fclbft bie Vrohe bamit. ®ic 'Diaupen 
waren unS bereits einen Sag »ovauS; bod) fahen 
wir ein, baß bicfeS am Gnbe noch beifer ift, weit eS 
bie QSirffamfeit bcS 9)?ittel3 am frhncUftcn entjd)ci= 
ben loürbe. . 

9inn — nufere Sträudicr würben gehörig burch= 
nä§t, gefiebte üohlenofdie barüber geftreut, unb baS 
SReiultat lieh niditS ju wünfdicn übrig. ©ie 3tau= 
neu verliefen ftd) fofort, unb unjere 3ohanniöbcerciw 
©rntc war eine »cllfommcnc unb reidie. ©ie 
Stachelbeeren = Stväud)et würben babei überfehcit 
unb waren felbitoerftänblid) ganj jerfreffen unb 
tonnten beShalb nicht jur SSollfommenbcit fomn.cn. 
£uer nun ift ein cinfadjcS iDtittel gegen bie je Veit; 
eS ift leidtt ju haben unb toftet nichts alS ein wenig 
Arbeit; wer eS nicht anwenbet,' verbient eS, wenn 
er feine gute (Suite biefer cblcn Leeren erhält. 

Sirljmht. fDfan halte ba3 Vieh mehr unter 
©ach. ©ie europäijdieu Farmer ftnb feit lauge 
gejwungen, ihr Sßieh hanptjächlich ber ®üngerge= 
winnung wegen, ju füttern unb babei hat eS lieh 
herauSgcftellt, bah bebedtc^öfeam «ortheilhafteften 
llnb. ©ie kanten finb mcht fo foitipielig, alS eS 
beim erften 9lnbticf fdieincn mag. Wüte Sduippen 
groh genug, um lOOStücf Sftinbvieh unterjubringen, 
tonnen für $1000 bis $1500 erbaut werben, ie nad) 
ber ©egenb unb ben $reiien für 3J?aterial unb 91r= 
beit, ipinreubenbe Vorfchrungen für Ventilation 
unb bie Ableitung beS auf baS ©ad) fatlenben ))ic- 
geuS follten getroffen werben, ©ie Suttererjparnih 
ber ©htete in Solge bet warmen Stallung im2Bin= 


a«fn. 

Imhi einer 

tcr, ift forßfättia veranfdjlaßt morbett, unb beträgt 
uiinbcftenS ein Selmtelber flanjen verehrten Ouan= 
titat. ®ie Sereituitfl unb baS ^lufbemabven beS 
®iingerS uebbvtau ben u;icbtiflftcn Arbeiten beo Sat= 
merS. ®ie verluftbrin^entite (vinvid)tunu ift; 
loemt ber jDünßcv in einem ßvofecn $of umberließt; 
U'O er ßefvievt unb von_ ben Sbicven in ben fictb 
etveten K'irb. 3n biefer P'vipvivuife allein ßeben 
ie bebcdtcu ©öfe einen ßuten Cvvfafe für baS anße= 
leßte Kapital. 

3n (Europa, bortu»o man feine Sufcb= ober 9Balb= 
ßeaenben bat, uuvb baS SSicb im ©ommer früh 
SlcorßeuS auf bie SScibc ßetrieben unb nach neun 
Uhr in bie Schuppen ; um jmei Uhr 9?ad)inittaß3 
uürb eS U'icbcr nach ber SBcibe ßetrieben. 

Sieh ift bann ßcidmfet; unb ber bvenueuben SDiits 
taßobifee nid)t au^ßcfefet; unb ber ©ißcntbümer er- 
sielt noch ein gut Sbeil ®ütißer. ®ic meiften 
©runbeißentbümer in (Suvcpa haben nur meniß 
Canb; & ift aber veid) unb fett; nnb ßiit bearbeitet 
unb e3 liefert ben Gißcntbümern beobalb einen net* 
ten Gvtvaß. 

@arteu« ttnb $ü|nrrsud|t für Snutrn. (So 

mandie Stauen ober &öd)ter ber Sarmer möditen 
aern einiße ®oltav^ oevbieuen unb für biefe u>irb ein 
Silatt au3 meiner Grfabrunß von 9hifeen fein. 3m 
vorißen Stüblinß loaren e3 vier 3abte; bafe mir bie 
Seuubiuiß eineö fleinen Selbes für ben ©arten 
überlaffen mürbe. Untere Sfliuilie mar flein unb 
id) beforßte alle Arbeiten felbft; fo bafe ich vou früh 
^orßcnS biS fpat 3lbenbS su tluin batte. j)ie 
^aareinnabmen ivaren ßevinß; abermbt millfoms 
men unb feit fahren mar bie iiüd)e jum evftenmale 
mit frifcbcu ©emüfen verforßt. 2lufeer bem obißen 
bcßaun id) im Sniblinß mit neun Hübnern unb 
tonnte fie mit $16 für verfaufte Gier unbjunße 
©übner fvebitiren; nebenbei butten nur ßenua für 
ben eißeucn Sijd). GS ift vorteilhaft, einiße frühe 
Äüfcii, bic im September unb 3lußiift ßefd)lad)tet 
ivei'ben tonnen, aufsusieben. SÖeffere 9?efuttate er= 
ßaben fid) im näduten 3abre. 3cad) 2lbmß ber 
Diethe, Äoften für ©amen unb 2luShülfe betniß 
ber ^cinßcminn vom fleinen ©arten $20, aufeevben 
©emüfen, bie mir im ©ommer unb SBintcr felbft 


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438 


3u Ijouff. 


ebraudften. ©er ©ewinn an flraft unb ©ejunb- 
eit läßt ficb nid>t in ©ollarS unb GentS auSbrüden. 
©iele icheineit ein 9>ernrthei( gegen eine berartige 
jhätigfeit ber grauen au haben, al3 ob bicfclbc in 
irgenb einer JBeife erniebrigenb wäre. 3n meinem 
eigenen Salle u>ivfte ba$ ©adibeufcn, weldieS für 
bie Sicherung be3 GrfolgeS nothwenbig würbe, be= 
lehrenb unb niad)fe ben SBunfch nad) Grlangunß 
anberer braftifd)er flenntniffe rege. 

(9(m. 3lgr.) 

Sljätigfeit brr Jrancn. SSenn man auf bem 
Sanbe herum fahrt unb eine Sarin autiifft, wo ber 
©lab vor bem &aufe fchön unb in gefcbmadoollcr 
SBeiie aufgelegt ift, ober aud) in ©täbte, io fanu 
man oft ba3 ©erbienft ben Sraucn sufebreibeu. 
SBenn bie Svau eutfchloffen ift, bah ber $1 ah oer= 
fdjoncrt werben foll, gefrinchtcSmciftenS. 3n©tabt 
unb 8aub plant unb müht fid) ein mancher ©Jan« 
ah, um fid) unb ben ©einen ba3 Sehen au fviften, 
m&hrenb Svau unb Mochtet „au &aufc" manche freie 
©tunbe haben. 316er —mar e3 nid>t immerhin 
unter ben anterifanifchcn Svauen eine ^crabmurbi- 
ung, wenn fie ßefeben mürben mit einem ©efen in 
er .fyanb, ©unten ober ©echen. G3 freut mid) au 
fehen, bah biefc grofjartige 3bee fo nad) unb nach 
aufängt au meicbcn. 

9Ba3 für einen prachtootleu ©arten ©ie haben, 
faßte bie ©achbarin : 3 a ” «her ^ cr ©arten muh 
gepflegt fein. ©er ©ajenplafc ift foßrün, fo frei 
oon Untraut. 3lher fie faßte ber 92arf)barin, bah 
fie mandnnal in ©arten ßeht, naebbem e3 ßcrcßnct 
bat, unb aicht baS Unfraut herauf, bamit e3 nid)t 
wuchert unb überhanb nimmt, unb in biefer 3(rbcit 
erntübet fie nid)t. S\a, faßte bie Nachbarin, aber ich 
fühle fo fdiwadu 3lber bie 8uft ftärft, fie fode nur 
©JorgcnS eine ©tunbe hinauSgeheit unb im ©arten 
arbeiten. Sie mirb bcmoßcn, ihre ©efunbheit oer= 
beffert fid) unb ihr ©arten oerfdwnert fid). ©iefer 
Ginfliih ber Srauen befchiänft fid) nicht aufbaS 
eißenc ©ehöft, fonbern in oielcn Ovtjchaften haben 
bie Stauen baS ©erfdwnern ber öffentlichen ©läbe 
unb ©trahen bewirft. ©Jit Saitbbäumen beichte 
©trahen unb jdmttige ©arfS finb entftanben burch 
ben Ginfluh einiger unternehmenber Stauen, welche 
Vereine ßrünbeten unb hier eine jhätigfeit fanbeit, 
ßeßen weldje fein ernftlichcr Ginwanb erhoben mer= 
ben tonnte. ©Jan benfe fid) bie febattißen Meen 
im alten ©atcrlanb, ber ©cifenbe unb Jöauberer 
• ift gefchüfct oor ber brennenben ©onnenhifee. Unb 
hier auf unfern ©ifeS unb Sanbftrahen tonnten )oir 
nid)t ähnliche Ginvicbtung haben? 

3m e*re. 3 Gier, 1 jaffe feinen meihen 

urfer, 1 jaffe gefiebteS ©Jehl, 2 (Sßloffel ooll fühe 
iild), l Sheeloffel ooll Gremortartari, i jbcelöffel 
Poll ©oba. 

©Jan rührt Gier unb Bildet gut burcheinanber, 
bi^ eo leicht mirb, rührt bie ©oba in bie ©Jild) unb 
ben Gremortartari in baS ©Jehl, fiebtcS mit cinanber 
burch ein ©ieb, unb rührt e3 in ben jeig; man 
baeft e3 in einer langen flachen fßfanne unb ueftteidht 
ben buchen, uad)bcm man ihn heih au3 ber ©faijne 
ßenontmen, mit 3cllt) unb rollt ihn auf. 

Silier Gaff. 2 jaffen feinen weihen Butter, 
} jaffc ©utter, 2J jajfe ©Jehl, ijaffe fühe ©JUd), 
i ^Iheelöffel ooll ©oba, 1 Shceleffel ooll Grcmor- 


tartari, ba^ meiheoon 8 Giern unb } Sheelöffel voll 
s ^anil(a. 

©Jan rührt Bieter unb ©utter gut btird)einanbcr, 
bie ©oba rührt man in bie ©Jild), Gremortartari 
unb ©Jehl mirb burch ein ©ieb geliebt, unb ba£ 
SScibc oon ben Giern mirb auf einer fladicn ©dn’ijfcl 
au einem Schaum ßefddagen ; nad)bem man ©Jild) 
unb ©oba in ben jeig ßetbau, thut man ctioaö 
©Jehl unb hernach etmaä Ootn Gierfchaum hinein, 
bann mieber etma§ ©Jehl unb hernach mieber etmai 
vom Gierfchaum, aulcfet bie 9>anilla; man geht bc= 
henbe unb forafaltiß bamit um unb läfet ben&ud>en 
eine ©tunbe baden. 

®a*S Selbe oon ben 8 Giern gebraucht man für 
©olbtucbcn, ben man auf n&mlicbe 3Beife bereitet, 
nur nimmt man noch ein frifche^ Gi. ffia^CSjclbc 
oon ben Giern ift nid)t foreidjhaltiß rnieba^ SBeihc. 

Safoline Cefen. ©ie entfefeliche ^ifee! ©Jit 
biefem 3lin3ruf tommt©Jann unbÄinbet iuo©anö; 
ba3 ^au3 ift ein mahrer ^öadofen. ®cm mill id) 
abhelfen unb ob bie „©aubfrau" millig ift ober nicht, 
fie muh fid) fügen unb mit bem ©Jann hingchen 
unb fiel) einen Safoliue Ofen anfehen. 9Jun mic 
ßcfdllt bir biefer Ofen? ©o möchte mancher fra¬ 
gen — ich fann fagcit, er cntforicht gana unb gar 
feinem Bmed; fein fchmaracr SRtih, feine ©ifee, ein 
gut gcfochtc3 Gffcn unb bie ?lrbcit geht natürlich 
leichter oon ©tatten; ich fonntc faum glauben, ba§ 
ich fo gut baden unb braten fönnte in biefem Ofen 
loie in einem anbern, imb fo holte id) mir bie Ja¬ 
nuar ©ummer 1883 ©. u. ©. unb oerfudite e3 mit 
Guo Gafe unb loirflid) ber fluchen hätte nid)t beRet 
gebaden merben fönnen ut einem SJadofcn, ebenfo 
ein flalböbraten. ©ann mafchcn unb bügeln, 
man benfe fid)bic©ibe im ©Jonat3uli unb 3(uguft. 

biefen Defen fühlt man bie ©ifce nid)t unb 
toafdjen unb bügeln ift eine 8eid)tigfcit. ©inb bie 
Oefcn fid)cr ? 36 glaube, fie finb. ®a3 hei§t 
toer bie ©ebraud)3=3(moeifung befolgt. ©ic ©Joer3 
©Jfg. Go. be3 3eme( ©afoline 35apor ©tooe GbU 
cago giebt un3 bie SJerfidierung, unb id) hörte un= 
längft ©erfoneu fagen: JSir möd)tcn nid)t ohne 
biefen Ofen fein, unb ebenfo Svaucn, bie ßeamungen 
finb ten ganaeit ®ag in berflüdic au ftehen, unb 
bie biefen Ofen ein ganaeS 3«hr hinburch ßebraud)t 
haben. 

Son maiuherlci Sommerhlttinni. G3 giebt eine 
große Bahl fold>cr ©(innen, u>e(d)e am heften ba 
gejäet toerben, )oo fie auf wachten feilen; e3 finb 
be3 biejenigen, locldie ba3 ©erpflanacn nid)t gut 
oertragen ; mau fäet fie au6 gerne aicmlicb fpät im 
3ahre, bamit fie, bie in ben erften jagen ihres 8e= 
ben3 aicntlid) cm&ftnblich finb, nidjt oon einem plöfer 
lid) cintrcffenben yJadjtfroft für immer bahingcraftt 
werben. 

hierher gehört oor allen anberen eine nnfercr 
fdwnftcn ©ddingoflanaen, bie jrid)terwinbe, Ip«»- 
maea purpurea L. oon ©übamerifa, mit winben* 
bem ©tcngel unb trid)terförmigen ober röhrigeu 
©(innen, bie in ben oerfchiebenften Sarbcn oorfom* 
men, wie SBeiß, Otofa, 3ufarnat, ©iolctt, ©lau in 
allen 3(bftufuußcn, breifarbig u. f. w. ©ie erfchcp 
neu au fonniger Stelle oom 3»di bis ©eotember 
unb länger, halten fiel) aber nur bei jage offen ; im 
©Jonat 3nni gejäet, blühen bie ©flanaen aud) fclbft 
noch im ©Joint Oftober. 


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439 


äonntagfdiulzj’rhtionrn. 


Sonntagrdiut Rektionen. 


Sonntafl, 5. Hufl. ?|ofua 20,1—9. 

c greiftäbte. 

1. 6tma 1445 vor ßhvifti ©ebuvt, liadj 
ber Eroberung von gang Kanaan. 

2. Ort: Siloh (Oeutjcb: Ort ber 9?ube, ftvie= 
bcnSftabt), 17 teilen növblid) von 3evufalem, 
SU>ifct>eii Bethel imb Sid)em gelegen. Oortbin 

' mürbe baS Lager 3fvaclS mit bei* £iunbeSlabe ver= 
legt, bort and) bie StiftSbütte evvkbtet, bie bis gur 
SBeguahme ber SuitbeSlabe burd) bic ^bilifter 
(1 Sam. 4) bafclbft blieb. OaS bisherige Lager in 
©ilgal wirb abgebrochen, hoch ift baS Kap. 9, 6 
genannte ©ilpal febmerlid) baS in ber 3orbanSaue 
nabe bei 3*rtd)o gelegene ©ilgal (4, 19), bie evfte 
JBeifeftation beS SSolfcS nad) bem Uebevgang über 
ben 3ovban, fonbern mabvjebein lieber eine 3 biS 4 
SHeilen jüblid) Don Sichern auf einer 9lnböhe ge¬ 
legene Stabt gleidien 9?amenS, mit meiter 9(iiSfidit 
nad) allen Seiten unb Jo siemlid) im 9Wittelpunft 
beS gangen LanbeS gelegen, al|V Sehr geeignet gum 
befeftigten 9luSgangS= unb 9tücfgugSpunft 3fvaelS 
bei ber Eroberung. SSon hier auS mar jpeint and) 
bie Verlegung beS gangen LagcrS unb ©eiligtbumS 
nad) bem nicht mehr alijufernen Silo!) nicht mehr 
jo fdjmievig. 

8. Siifftfimenhatig: 3miid)cn biejer unb ber 
vorigen Lcftion liegt eine Olcibe bebentenber (Sreig= 
niffe unb midrtiger Vorgänge: 3 ucr ft bie ©efd)id)te 
beS Vertrags mit ben ©ibeotutern, bie heimlich 
mit fiift fiel) in ben ©unb mit 3frael einfd)lid)en, 
um uid)t glcid) ben übrigen Kanaanitern vernichtet 
gu merben, Jomie ihre 33eftrafung für biefen ^Betrug 
(Kap. 9); ferner bie Eroberung ber f üb lieben 
.©älfte $a(äitina3 burd) bie Scblad)t von 93 e t b = 
©oron gegen bie Slmoritev unb ihre dürften 
unter ber Rührung beS Königs 91boni^cbef von 
3erufalem (Kap. 10), Jomie ber norblid)en ©älfte 
bitvdj bie Sd)lad)t am See SBcrom gegen ben 
König ?labin von ©agor (Kap. 11). ©nblicb 
nad) einem Hcrgcichniß fämmtlicber befiegteu 35olfcr 
unb dürften (Kap. 12) bie ausführliche ©cjchicbtc 
von ber 25ei*tbei 1 nug beS gangen LanbeS 
(Kap. 13 — 19), baS nad) ficbenjähvigein Kampf, 
meint and) noch nicht vollftänbig, hoch mcnigftcnS 
ben ©auptpläfeen nach; lieh in 3fraelS ©ätibc bc= 
finbet. SSaren aud) nod) nid>t alle Stämme über- 
mu üben unb auSgcrottet, namentlid) niddbie 9>bi- 
lifter im Süben, unb nod) mand)c Heftung von 
ihnen bejeßt, Jo mar bedj bie Arbeit im groben ©an= 
gen gethan, unb baS nod) übrige Jollte von ben ein= 
gellten Stämmen SfvaelS ja in bem ihnen buvd)S 
LooS gufallenbeii ©ebictSthcil vollenbS uadigebolt 
loerben. Oie SScrthcilung gefdjtebt nad) ©ottcS 
Scfebl (4 SWof. 34,17) burd) ben nunmebr etma 
bunbert 3abrc alten xi o j ua Jelbft (Kap. 13,1) 
unb ben © o b epr i e ft er 61e a f a r (Sohn SlavcnS), 
Jomie bie einzelnen StammeSälteftcn (Kap. 14,1), 
mobei befonbcrS bic 9tebe KalebS (25. 6—12) hcr= 
oorgubeben ift, megen ihreS ftarfen ©ottvcvtrauenS 


unb fräftigen ©faubciiSimitheS. 3efet, mo baS 
gange Laub auf biefe STöeife in ben fcfteit 23cfi^ 
JjfvaclS übergegangen ift, joll nun aud) bie Jehon 
4 9Mof. 35,6. 9—34 unb 5 ü)lof. 19,1—13 gegebene 
9}erorbnung über bie greiftäbte auSgeführt mer- 
ben (oal. aud) 2 9)?oJ. 21,13). 

4. Borh unto ^adjerfläruiig : 9?cbcte mit 
3ofua, nad) 93eenbigung ber i>crlooJnng ber 
StgmmeSgebiete unb ber isertbeilung beo 8aubeS 
por ber StiftSbütte (Kap. 19,51), co gefeliab ent- 
meber unmittelbar, fei’S burd) eine innere Stimme 
ober äufjerlid) hörbar auS betn Slllcrbciligften her¬ 
aus, ober aut einfachfteu unb itatürlidjften burd) 
ben 9Muub beS ©obepriefterS (S leafar, bem ©ott 
eS burd) baS „8id)t unb 9ied)t" geoffenbart batte, 
©ebet unter eudt u.f.m., b. b. beftimmet bie 
nachher genannten Stabte für biefen fdjon burd) 
9)?oJeS eud) oon mir befannt gemadUen 3u'ed. 
UiiperfcbcnS unb uitmijfenb, alfo auS 3rr= 
tbum unb ohne böSmilligeu ffiorjafe, etma burd) 
einen unoorbergejebenen Bufall, burd) Ungefdjirfi 
lichfeit, in ftolgc eines ScifmerHänbniffeS.u. J. m. 
5Bor bem (ihm liadifolgenben) 23 l n tr ä d) e v. 
Siaebbcin ©ott, 1 9)iof. 9, G, auf ben iüiorb Jelbft 
bic OobeSftraJe gefefet batte, loar, fo lange noch fein 
gcorbneteSStaatsieben beftanb,biei'ollgiebung 
berfelben Sache ber ftaui U ie, unb fiel als heiliges 
9tccht, unb batuut auch cbeufo heilige Pflicht gunäd)ft 
ben ©lutSpcnoanbten beS ©rmorbeten gu, mie nod) 
beut gu Stage bei ben meiften 2>olfern beS Orients, 
namentlich and) ben Arabern. Oer begriff per^ 
Jönlid)er 9tad)e ift alfo oon ber Sad)e völlig 
fern gu halten, fic ift vielmehr eine freilich nod) febr 
unoollfominene ©efebeSform, monad)ber3Mut* 
räd)cr(©ebr. ©oel, ©iob 19,25 mit „©rlöfer" über= 
fefet, alfo Joviel alS: ber mir nach bem Stöbe mein 
s J?ed)t verjehafft) nad) ©ottcS 9Billen unb in fei= 
nein Manien (vgl. 9M. 9,13. 2 Öbron. 24, 22) unb 
mit eigener Lebensgefahr an bem 9)iörbcr bie 2Bie= 
bervergeltung übt. 3mar finben fid) im ?l. St. and) 
Spuren ungered)tcr ffilutrad)?, aber fie merben 
immer cntjdiicbcn mißbilligt (l2)?oj. 34. 2 Sam. 
3,27—39. 14, 7, bagegen 2Kon. 14, 6). Oie ge = 
rechte 9Mutrad)e aber mad)te tcbenfallS bie bei 
anbern 35ölfcrn oft fo häufigen, 3nbrbunberte lang 
anbaueruben Samilicnfeinbjdjaften k. unmöglich. 
Oev vorfäfelidie s Morb fiel, meiln er nicht auS 
9totbmebr gefdmb; unbebingt ber ^Mutradie an¬ 
heim. Um aber einem SMifibraud) ber leptcren 
and) bei unvorfäfelidjem Oobtfdilag vovgu= 
beugen, ivinben bie Sreiftäbte cvvicbtet. 21>cil 
jene alte Sitte, auf einem an fid) ridjtigen ®eban= 
fen rubenb, )oeber gang auSgerottet merben füllte 
nod) fonnte, follte fie bod) ivenigftenS jo gemilbevt 
merben, baß feine graufaine 2i5illfür babei mit 
unterlaufen fonnte; gmav mar bev abfid)tlid)e 9Möv= 
bev für völlig vogelfvei erficht unb fonnte, aud) ohne 
9fod)tSfvrud), von bem ba 3 ti bcvolliiiäd)tigtcii 33lut= 
racher evfd)lagen loerben, mo er ihn aud) traf, aber 
bem unabfichtlichen lobtfddägcr ivenigftenS follte 
Sdmfe vor bloßer Ceibenfchaft, 3orn unb ©aß fo 


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440 


3onntagfd)ul=|ehtionfii. 


911 t alS möglid) gemährt merbeu. ®ie hiegit be- 
stimmten greiftäbte, nad) 4 9)?of. 35 ,6 unb 13, 
fed)S an ber3abl, non benen aber bic 3 hiergulebt 
genannten nnb im Oftiorbanlanb gelegenen fd)on 
non 9)?ofe felbft auSgclefen morben maren (vgl. 
5 SDiof. 4,41—43), mären an ben bevvorvagenbften 
ftauptpunften beS 8 anbcS bcrart verthcilt, baft fie 
non allen Seiten beffelben leid)t gugänglid) unb in 
hödiftcuS fcd)S Stitnbcn gu erreichen maren. 2)ie 
Straften führten in geraberßiuie auf fie hin, bamit 
ber 93litträd)er bent Verfolgten nicht norlaufcn, burd) 
abfürgenbe Aebeitmege guoorfomnten ober einen 
ftintcrltolt leaen fonnte; and) muftten bieje Straften 
ftetS aut erhalten unb mit 9)Jerfgcid)cn uevfehen fein, 
fo baft fid) ber glücbtling nidit nerirren fonnte; beim 
anf bem VSege bahin (5ÜRof. 19,6), ober and) bei 
gu frühem 35cr(affen ber Tyreiftabt (49)?of. 35,25ff.) 
burfte iener ihn tobten. Oamit aber bie greiftäbte 
nid)t a 15 Sdmborte für Scbulbiae miftbraud)t mer- 
ben fonnten, muftte fid) ber glüdjtling fofort nad) 
feiner Anfunft einem©cridjt untergiehen, not bev 
Stabt £ hör, alS bem gemöhnlicben Bufamincns 
funftSort für berartige Sibungeit unb bort feine 
Sache anfagen, b. h. bie Art nnbSSeifc mieeS 
babei gugegangen melbeit, bamit man barnach bc- 
urtheilen fonnte, ob ein vorfäblicbcr SDforb, ober 
nur ein unvorfäftlicftcr Sobtfdilag vorliegc. Unb 
gmar gefebah bieS Verhör burd) bic recfttSfunbigcn 
priefter unb Aelteften ber Stabt, mar aber 
gunächft nur ein vorläufiges, moburd) bem glücht= 
ling, menn er unfdwlbig befunben mürbe, erft ein 
geitmeiliger Sdmb gegen ben ihm nadnagenben unb 
nun vor ber greiftabt mit ihm gufamincntreffenben 
'Bluträdier auf folauge gemährt mürbe, bis bie G)c- 
meinbe feiiteS fteimathortS, mo bie Shat gefcbehcit 
mar (4iWof. 35,24ff.), mieber burd) ihre Aelteften 
(5 93?oj. 19,12ff.) bie Sache näher unb enbgiltig 
uuterfucht hatte. 9ßar ein abfkhtlicber 3Rorb er= 
miefen, fo mürbe er jefetbem 93luträd)ev unnachfidiU 
lieh auSgeliefert, unb felbft ber Elitär fchüftte ihn 
nicht vor ber gered)ten Strafe (2 9)tof. 21,14), viel 
meniger ein ööfegelb (4 üHof. 35, 31); lag feine 
Scbulb vor, fo muftte ber Verfolgte bis gunt 
Üob beS ft ohepriefterS, ber gur 3cit berähat 
baS ^(uit vermaltete, in ber greiftabt bleiben, and) 
biefer BwangSaufenthalt, getrennt von feiner ga= 
milie, leinem ©efebäft, Vefife k. fonnte nicht 
burd) ©clb abgefauft merben (4 93? oj. 35,25), eS 
mar eine Art Strafe auch für ben unfreimilligen 
Xobtfdjlag. Erft mit bem Stob beS ftohepriefterS 
unb bem Amtsantritt feineS 9?ad)folgerS erlofd) baS 
Sedjt beS VluträdjerS völlig; er burfte fid) iefet an 
bem Iobtfd)läger and) bann nicht mehr vergreifen, 
menn biefer mieber in feine 23aterftabt ober ben Ort 
ber ihat gurüeffehrte (V. 26ff.), mährenb er vorher 
aufterhalb ber greiftabt, bereu fchüfcenbc SWauern er 
bloS biS auf eine gemifie fitrge Entfernung vcrlaffen 
burfte, feiner ftanb verfallen )var. heiligten 
f ie, b. h. fouberten fie auS unb meihten fie gu bie= 
fern von ©ott verorbneten 3wecf, unb gmar bieS- 
feitS beS 3»rbanS (93. 14). ftebeS (fonft 
.stabcS) in ber nörblidjftcn ganbfdjaft 6 )aliläa 
gelegen, vgl. ftap. 12,22. 19,37; ber SHame be= 
beutet: fteiligthum. ©echem, fonft Sichern, liegt 
34 teilen nörblid) von ^erufalem gmifchen Ebal 
unb ©arigim, eine ber ältefren Stäbtc beS £anbeS, 
fd)on von ‘^afobS Beiten her bemebut. ft iriath 5 


Arba, b. h. Stabt beS Arba, früherer fflame beS 
' von Arba (^of. 14,15) erbauten ft ebr 0 n, gmaugig 
^Dceileu füblid) von ^erufalem (ftap. 10,3) gelegen, 
gleid)fallS eine fehr alte Stabt, Vegräbniftplaft ber 
Patriarchen; ber 91ame ftebron bebeutet: grcunb= 
}d)aft. ©a ?(erid)o liegt, gegen ben Auf* 
gang = von Jericho auS gegen borgen, in ber 
23üfte auf bev Ebene — in berbürren Steppe 
ber amoritifdjen ftochebeue, Sieger, 20 teilen 
nörblid) von fteSbon, öftlid) vom ^orban. 
Dtamoth in ©ileab,b. h. bie ftöhen von 6 H- 
(eab, urfprünglid) ben Amoritcrn gehörig, fpäterbie 
SobeSftätte beS ftönigS Ahab (1 ftön. 22 ), 13 9) t 'ei= 
len füblid) von Sabbof. 6 * 0 tan im Serben, bem 
alten Vafan gelegen, 12teilen nörblid) vom See 
©enegareth, ber 9tame (beutfd): ftreiS) umrbe fpäter 
bie Pegeidmung ber gangen 8 anbfd)aft 6 )aulauitiS; 
alfo and) ienfeitS beS 3orbaitS lagen bie bortigen 
brei greiftäbte giemlid) gleid)mäftig verthcilt im 
©üben, in ber 9Hitte unb tin 9iorbcn nnb fämmt= 
lieh lcid)t gugänglid). 

5. $\\r vrflänutg unb Erbauung ift hier nur 
noch menig beigufügen: 

a) ®er 3Bluträd)er, 93. 1—6: fein Amt ift 
nid)t baS ber incnfddicbcn 9tad)e, fonbern ber gött= 
lid)cn Strafe nad) bem gerediten 2)?aftftab ber 2Bie= 
bcrvergeltung, unb in Ucbereinftimmung mit bem 
von ©ott felbft über baS 93lutvcrgieften verhängten 
©eriebt, 1 93?of. 9, 6 . 23ir Ehriften freilid) feilen 
unb bürfcit niemals unS felber rächen, fonbern haben 
baS ©eriebt bem gerechten 63ott, aber and) ber von 
ihm verorbneten unbeingefefeten menfchlichenObrig* 
feit gu überlaffcn, vgl. 9töm. 13, 4. 6)ott felbft 
macht hier aber aud) einen Unterfchieb gunfdjen ab- 
fichtlid)er unb unabficbtlicber Sünbe, unb bemge= 
mäft auch ber Strafe (2 9)tof. 21,13). Er mill, baft 
eS bei allem ehrlich unb orbentlich gugehc, baher bie 
Einfefeung ber gerichtlidjen 53ehörbe gur Unter- 
fuchnng beS galleS, bamit feine 23illfür unb Seiben? 
fdjaft, 3vrn, 9tcib unb ftaft, ftaber, geinbfd)aft 
unb bavauS entftehenbe Pavteilichfeit ben &hat= 
beftanb venoirrc unb baS Urtheil beftedie. 

b) ®ie greiftäbte, 93.7—9: ftier ift haupt- 
fächlid) bie finnbi(bliehe Anmenbung auf 
EhriftuS hervorguheben, nad) ftebr. 6,18. ©ein 
ftveug ift bie rechte greiftabt für ben Sitnber. ®ie 
Sünbe bie mahve llvfache nuferer 9toth unb Ver¬ 
legenheit, 9 töm. 5, 12 . ®er Satan ber Anfläger, 
ber itnS verfolgt. EhviftuS ber tvahre ftohepriefter, 
ftebr. 9, 11 . 12 , ber gugleid) baS heilige Opfer felbft 
ift, unb beffen Sob unS volle greiheit bringt. Aufter 
ihm ftnb mir aber nirgenbS uchcr, Apoftelg. 4, 12 . 
Aber man muft gtt ihm fliehen in Vufte, 6 )lau- 
ben unb ©ebet; fein ©nabenthron ift unS immer 
nah, fteht offen unb ift leid)t gugänglich, ben 2 Beg 
tviffen unb feuuen mir mohl, aber man muft ihn 
aud) mirflid) gehen. ®ort haben mir volle unb 
blcibenbe greiheit unb (Sicherheit. 3eigt bic V l u u 
rache unS mohl einerfeitS, baft baS üKenfcbculeben 
in ©otteS Angeficht etmaS ©erthvolleS ift, aber aud) 
anbererfeitS, baft baS iDtenfdjenherg von 9latnr 
araufam unb hart ift, fo geigt unS bie greiftabt, 
baft ©otteS fteig bem Unfchulbigen eine offene 3u= 

f lucht bietet, unb baft er felbft ben ©dmlbigen lieber 
rei läftt, alS ftraft» mww er nur ®ufte thwn mill. 
Oatnit ift feine ©ercchtigfeit feineSmegS ver¬ 
lebt, beim ihr ift burd) baS vollgiltige Opfer Shvifti 


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Sonntogfdjnl^fhtionen. 


441 


unb fein ftelloertretenbeS geibeit unb©terbeu genug 
gethan, mm fann er feine ©nabe uralten taffen. 
35er biefe peradffet, für beit bleibt nur ba3 ©cr iet) t 
übrigtmb bie etuiße ©träfe, bie ihn bann mit ool= 
lern SJedtte trifft, beim ber SBeitfd) ift für fein £hun 
unb gaffen oerantwortlidj. 


©ottntag, 12. 2ltig. 3ofua 24,14—29. 

3ofun ? $ Ic$tc Sage. 

1. .Seit: 14. r >o por Ghrifto. 

2. ©rt: ©icf)em, swifdtcit ©bat unb ©arisim 
(pal. 35.1 unb Kap. 8,30ff.). 

3. ^ufammen^aitß: Kap. 21: ©ic 25crorbmut- 
ßctt über bie 48 geuitenftabte (4äNof. 35, 7), 
welche bttrd) ba3 gaiiac ganb Perthcilt beut ©tainme 
gepi, ber ab3 Briefterftautm fein eigenes ©tamm= 
erbe erhielt, alS 2Bohnfibe innerhalb ber übrißen 
©tamnißebiete bienen füllten, unb gwar perthcilt 
nach bem goofe unb mit SRücffidjt auf bie fpätere 
3unahnte ber Bcpölfcruitg. 21m ©chlufj bcS Ka= 
pitelS ift jtt bemerfen bie 35.45 bcffatigteGrfüllmig 
ber göttlichen ©eaenSperheifiung. Kap. 22: Gnt= 
(affuitß unb Siüafehr ber ©lamme Stuben, ©ab 
unb halb üftattaffe in ihre febon pon 2KofeS ihnen 
ienieitS beS 3otbaitS angewicfeite ©eimath. 2[üfita 
loht ffc (35. 3) tueßeit ihrer Srctie ßeaenüber ihren 
Stübern unb ibre3 ©ehovfaiitS gegen ©ott (pßl. 
4 3Rof. 32, 17ff.), er ermahnt fte (25.5), aan$ 
ähnlid) wie fdjon SKofeS, 5 3)Jof. 13,4, unb feg = 
net fte. 2lit ber ©reitje ercidttcn fie (25. 26) einen 
2l(tar, ttidff, wie bie übrigen ©tämnte meinen, sitm 
3wed eiue-3 eißeneit falfcben ©otteSbicnfte^ fon= 
bern nach 25. 34 alS 3cußeit beS geuteiiifamen 
tpahrett ©ottcSbienffeS, b. h. alS®enfmal unb 
3cichett, ba§ fte ber3o*ban toeber in retißiöfer noch 
in politifcher Beziehung Poit ihren Brübern sit tren= 
nett permöge. Kap. 23,1 — 24,13: 3ofua3 tefeter 
gattbtag: 25ou feinem fdjioereit nunmehr mit Gr= 
oberuttß tmb 25erthei(tmß beS ganbeS beenbeten 
©agewerf sieht [ich 3tfua in fein Grbtheil (Kap. 
19,10), bie ©tabt £bimnatb=3arab auf beut ©e= 
fctrgeGphraiut sttrücf, um nad)bem er beit aottlidjeu 
23eruf unb Sluftrag erfüllt, iit Stube unb Stieben 
feinen gebettSabenb ju feiern; beim heranitaheitbcn 
Gnbe perfammelt er aber sunt 2lbfd)ieb nochmals bie 
Slelteften (StamuteShäupter), tmb bann aud) baS 
ßait3e35olf bei ber SunbcSlabc, um eS nach bem 
ßottlid)eit 'Befehl bei feinem 9tmt3antritt (Kap. 1, 
1—9)/ ju ermahnen tmb ähnlich/ wieeS auch fdjoit 
2Bofe3 int ©efilbe 3Woa6 por feinem ©obe gethan 
(5üKof. 1,6 — 30,20), nur in gebräitgterer gorm, 
feitt SunbeSoethaititijj mit ©ott m befeftiaen burch 
©riuitcruitß an feilte bisherigen ©nabeuführititgcit 
tmb 28aritunacit por Slhfall bttrd) 35crmifd)uitß mit 
beit Kanaanitern. 

4. unb ffiorterflormtg : ©ie ©öfter, 
benett eure 25ater (25orfahreit) gebient 
haben jeitfeitS bcS 2Baffer$, b. h. bcS 
Gttphrat tmb $igri3, ßenteiitt finb alfo bie ©oben, 
Sheraphint (1SDtof. 11/ 29. 31,19), bie neben bent 
©icitft bcS toahreit ©otteS fclbft in ber gautilie 
JharalfS, fo lange»fte tud) in ihrem alten ©tainin- 


i Janbe 3)tefopütamien lebte, perehrt würben. Unb 
I tu Ggppten, U'o3)tael and)ben eßpptifdten®üt= 
j terbienft fid> altgewohnt hatte r Pßl. 3 S)tof. 17, 7 
! unb bie ©efdudite mit bem „golbeneit Kalb" in ber 
2öüfte. U u b b i e n e t b e nt & e r r it, 3cbooab, 
allein unb anSjcblicfjlicb. ©cfctllt eS eud) 
aber nicht, bemt fte füllen basu nicht gezwungen 
fein, eS fleht in ihrer eigenen freien 25abl, aber fie 
felbft muffen ftch iefet entfd)eibcn, welches pon beiben 
fte oor$ichen. ©o erwählet euch heute, 
noch ehe ihr euch btirch ein fcierlid)c3 25ort bcS 25er- 
fpred)eit3 für immer binbet; tu e l d) e nt ©ott, 
genauer: tucldteit ©ettern, tucil eS fiel) gegenüber 
bem Gineit lebenbigeit ©ott 3frael3 bei ben 
Reiben um ihre piclcn tobten falfchcit ©eben 
hanbelt, 3ofna meint natürlich nicht, baöbic21>abl 
bcr t lehteven ba3 Siidttige tucivc, ftellt fie aber frei. 
© t e 91 nt o r i t e r (=“ Bevgbetuohncr), bie frühc= 
reit Betuohtter ©pricn3 unb früheften Befifeer be3 
hl. ganbeS, Poit ben Kanaanitern abftammenb, unb 
al3 einer ihrer älteften unb bcbcutcubftcu ©tantme 
oft alS ©efammtbejeidmuna aller Kanaaniter ge= 
braucht, tpohnten lettfcitS be3 3prbait3 im Offen, 
Stuifcheit bent Slrnott unb 3abbof, tmb tuaren fchon 
poit S)fo)c3 befiegt tuorbcit. 3d) aber tmb mein 
©attS k.: tu ir tuollcn in icbem Sali, tuie tttttt and) 
eure 2l5ahl auSfallctt mag, ©ott bent ©erru treu 
bleiben. ®a antwortete baS 35olf, baS in 
feinen ©tammeobäuptern tmb -35cvtretcrtt per 3 p s 
fua Perfammelt toar. 2ltt3 beut ©ienffhattS, 
ber harten KnedtteSarbcit unb bem Srohnstpaitß, 
pßl. 2 3)?of. 20, 2. 5 S)^of. 5,6. @ro6e3ci- 
d) e n, 35 u tt b er u. f. to. in ber 23üftcntpanbe^ 
rmtg unb beiGrobcrung be3 ganbeS. 21 uf bem 
aattgeit 215eg, 40 3ahre lang; unter allen 
Bölfern, alfo namentlich ben 2lmalefitern, Gbo^ 
miterit, SOioabitcnt, SDübianitcrn, Bhiliffcnt unb 
2lmoritern, mit betten fie bisher sn fäntpfen gehabt 
hatten. 9(u3geffo§eu Por ttnö, fo bap toir iefet 
beit Bobeiv beS hl- gaitbeS betreten, ja in Beffb 
nehmen burften. 25 ir auch, tuie btt tmb beitt 
©auS, 35. 15. © e it n er t ft tt tt f e r © o 11, 
ber ©ott ber Patriarchen, ber BunbcSgott 3iraelS, 
ttitb toohl toerth,.ba§ wir ihm treu bleiben (B. 14). 
3 o f tt a f p r a d) s u nt 25 o 1 f, er freut fid> uoar 
Pott ©erien biefeS GntfdjliiffcS, weih aber toohl, toie 
berSMenjcb in augenblidlidtcr Stührung unb ober- 
fläd)lid)er Begeiffertmg stoar toohl gerne unb willig 
ettoaS perfpricht, nachher aber bodt toieber oft genug 
ber 3?erfud)tmg erliegt, felbft bann, wenn er eo ait= 
fangS attfridffig tmb gut gemeint hat, weil er ohne 
grünbliche tmb pöllige Belehrung sunt galten beS 
©utcit su fdttoach iff. 3hr fönitet betn ©errtt 
tt i d) t b i e it e it, atiS bloS menfchlidtem 3>orfafe uttb 
mit eurer eigenen Kraft, e3 fei beim, baft ihr ettefi 
ernftlich unb gaitj eittfchicbett bcfchrct, tmb allem 
abgöttifchcn 25efeit ein für allemal gänslidt ben 9lb= 
fd)icb gebet, beut $errn allein weihet unb überaebet, 
unb er felbft eudt mit ber Kraft feiiteS hl. ©cifteS 
basit hilft tmb heifteht mit feiner ©nabe. Gin 
eifriger (eiferfüdffiger) 0 o 11, ber nicht mit fid) 
bloS fpieleit la§t (®al. 6, 7), nicht fchon eit 
to i r b, b. h. fic nid)t eittfad) überfehen unb nur fo 
hingeheit laffeit wirb, fo baß ihr alfo nidffetwa 
meinen bürfet, mit feinem ©ienft einen 2öaubel int 
Sleifd) tmb nad) bett ©ebanfeit unb güffeit eure3 
eigenen .^ersettS perbittben ju fönncit. 25ctut ihr 


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442 


SonntagfdjuMVhtionfn. 


aber ben ©ernt vcrlaffet, tvaS bet bloS hal= 
ber Pefehrung mit» halbem ©latibcn unfehlbar fehr 
fcbnell gcjdtehcn tuivb, tueil fiel) bann alobalo ber 
ganac Unglaube feftjefct. 23irb er Heb tuen ben, 
eine anbeve Stellung alS bisher cudt gegenüber eiu= 
nehmen. DJadtbcin er ettdt feitber fo Diel ©u teS 
getban hat, tute ihr ielbft, 2>.17ff., uun ihm 
gerühmt habt. Darum bebenft eS lieber ttodt ein= 
mal, tuaS ihr iefet verfpradtet, ttub nehmet baS ©e= 
löbnift euttueber gaita uttb ernft, ober beffer tuicber 
gana aurücf, tuen« ihr e3 nidtt uett jianaem ©eraett 
uttb mit allen Straften a» halten teft entfdtloffen 
feib. Df i dt t a l f o: tuir nehmen nufere Grflärung 
(2>. 18) nid)t aurürf, fottbern x., b. h. eS ift 
bicS nufere fette, tuohlertuogene Slbficht, tiitb tuir 
tuiffen redtt gut, tuuau tuir un3 bamit verpflidtten. 
3 h r feib beugen über e tt d) (ielbft) = bei 
etiuaigcm ?lbfall uott ©ott unb ben üblen folgen 
bcffelben tuerbet ihr tuibet ettd) felbft aeugen muffen, 
baft ettd) mit ben Strafen, bie eud) bann bafür uit= 
fehlbar treffen müffen, uidttS alS nur euer Dtcdtt ge- 
fdtieht, unb ihr euch alfo* in biefem SfaU bie Sdmlb 
nur felber juaufdtreiben habet. Die frentben 
©utter finb nid>t uott toirflidteit ©öbenbifbern 
u uerftehen, bie fie ettua bamalS nod) heimlidt bei 
ich geführt hätten, tuie ihre Päter in bei* 2Süftc 
(SlutoS 5,25. 2(poftelg. 7,42 ff.), fonft hätte 3otua 
fiel) bicfelben firfterlicto hcrauSgcbcn laffeit unb fie 
verbrannt, tuie eiitft DHofeS baS golbene Alalb, ober 
vergraben, tuie ^afob, 1 DKof. 35,4, vgl. lSaut. 
7,4; fonbern eS hanbelt fidt hier bei bem 2>olfe, baS 
bamalS im ©roften unb ©aitacit tucnigftcnS ttod) 
frei von äufterem grobem ©öbenbienft tuar, tuen« 
auch viclleidtt fchon Giuaelite angefangen hatten, 
fiel) mit ben ©öttern ber umliegenben ©eiben an 
fdtarfeu au machen, tuie eS fpäter baS gai^e 2Solf 
that, vielmehr aunädjft um völlige innere 8oS^ 
fagung von allem hcibnifchcn unb abgöttifchcn 
2Berf unb SBefcn, bamit bie ©crseit fielt gaita unb 
unbebingt beut Dienfte ©ottcS ergeben. Die 23orte 
finb aber abftdttlich fo gewählt, tueil eS gerabe bort 
in Sidtem, 3ofep()3 Pcgräbniftplab (vgl. 23.32 
unb 2D)?of. 13,19), getoefen tuar, tuo J|afob fchoit 
ieneSicinigung feiltet ©aufeS vom ©öbenbienft vor= 
genommen hatte, tuo ©ott mit ihm unb fchon mit 
Slbraham gerebet unb fidt ben Patriarchen geoffett- 
hart hatte, tuo fdton nach bem Giitaug in flanaan 
baS ©efeb aufgcridjtet tuorben tuar (Stab- 8, 30ff.), 
tuohin iefet von bem nur tueitige Pfeilen füblidt ge= 
legeitcn Siloh, ber heiligen Stätte ber StiftShütte, 
bie PitnbeSlabe hergcholt tuorben tuar (vgl. au 2?. 
26), gerabe au biefem Ort mußte biefe Omnah s 
nung hoppelt groben Ginbrucf machen, tueitn fie mit 
bcnfelben 2Borten au bcrfclbeu Sadte verpflirfitete, 
bie fdton in grauer 25oraeit ber Stammvater beS 
©cfdtledtteS hier vollbradtt hatte. Unb b a S 25 o lf 
fpradt, jefet auut brittenmal, vgl. SB. 16 unb 21, 
toirb baS ©elöbnift feicrlidt tuieberholt. Pfa dt te 
einen 2}unb = erneuerte b aß PuubeSverhältitift 
3ftael3 mit 3ehovahf unb legte ihnen ©efebe 
unb Dl echte vor, mad)te fie aitfS neue au treuer 
(Erfüllung ihrer heiligen PunbeSpflichten ver= 
binblirft, fidterte jihneit aber auch attf3 neue bie 
pünftlidte Grfüllung aller PunbeS re dt te von SeU 
ten ©ottcS au, vgl. 2pfof. 15, 25. S dt rieb bie§ 
a lieb, baS bisher nur münblidt Pcrhanbcltc, inS 
©efebbuch ©otteb, b. h. in eine befoubere Ur¬ 


laube, bie er bem bereits abgefchloffcncn unb in ber 
PimbeSlabe vertuahvten ©efebbudte Pfofc3 (5 Pfoj. 
31,9. 24ff.) ttod) beifügte. Unter einer Gidtc 
ober Sterebiuthe, vielleicht biefelbe, bie fdton 2lbra= 
bam33elt einft befdtattet hatte, unb tuo biejer einen’ 
Elitär erridttete (lPfoj. 12,6ff.). Sdton bebhalb 
tuar bieb eine getueihte Stätte (1 Pfof. 35,4), bähet 
ift beigefügt: bei bem ©eiligthum beS ©crrit 
= im Pereid) beffelbcit. Doch beutet biefer gatij 
beftimmtc Slubbunf nod) auf ettuaS mehr hin, nänt= 
lidt auf bie ?lntoefenheit, tuenn nidtt ber ganaeit 
StiftShütte, bod) minbcftenS ihreS heiligften StütfS 
ber PimbeSlabe* bie (nad) 25.1 „vor ©ott getreten") 
borthiu gefdtafft tuorben unb eben au biefem gattaen 
befonbcrS feierlidtctt Porgaitg hier aufgeftellt tvor= 
ben tuar. Soll Beuge fein amifchcn unS, 
b. h. tuibcrunS, tuetttt tuir nidtt halten, tuaS tuir 
verfprochen. Denn er hat gehöret, neben ihm 
tuar ia baS ©efefe verlefeit tuorben; ber Stein ift 
alfo alS lebenbiger 3 c,, gc ber SB orte ©ottcS, 
2>. 2ff., gebadtt, vgl. ©abaf. 2,11. ^uf. 19,40, er 
ift alfo ein beftäubiger DÄahner an baS ©elübbe 
tiitb forttuährcnbpr 23aritcr vor feiner Ucbertretung. 
9llfo (ent-) lieft 3ofua jc., itarhbeut er feinerfeitS 
alles gethan hatte, tuaS in feinem 25ermögcn, 2lint 
unb Peruf ftanb, um 3ßuel in ber Drcue gegen 
©ott au befeftigen; bie eigene freie SBahl unb ©nt= 
fdteibttng ntuft er ihm freilidt eben fo gut, tuie einft 
fdton Plofe (5 SRof. 30,15ff.), felbft überladen. 
C5*ine förmliche Diicberlegung feincS SlmteS bebttrfte 
eS für 3ofua nicht, tueil für ihn nidtt, tuie einft für 
PlofcS, ein eigentlicher befonberer SlmtSnadtfolger 
von ©ott berufen tuorben tuar; für baS Ginaiehen 
in baS ihnen fdton bttrdt’S i^ooS augethcilte Grbe 
brauchte Sfvacl feinen Sührer mehr, tuie einft aut 
Grobemng beS SanbeS, baS fonnte burch bie ge= 
tvöhnlidte StammeSobrigfeit gefdtehen. Dt ad) bie¬ 
fer ©efdtid)te, iebenfallS nidtt mehr fehr lange 
ltadthcr. 1 10 3ahre alt, nadtgetuöhnlidterD?ech' 
nuug 10 3uhve nad) Grobem ng beS CanbeS (ftap. 
11,18), alfo ettua im 3aftr 1435 vor Ghrifto, nach 
ungefähr 18jähriger Dfegierung. 

5. 3»r Grflärnng ttttb Grhannitg: a) Die 
23ahl, 25.14:15: Die ^orberung bcrSreuc 
gegen Sehovah grünbet fidt auf bie Grinncrung 
an feine Breite gegen baS 25olf, vgl. SB. 2—13, tvo 
3ofua bemfelben bie gante Aictte göttlidter 2Schl- 
thaten in feiner bisherigen ©efdtiatte vorhält, alle 
bie vielen unuerbienten ©nabencrtueifuugen, bic eS 
von DllterS her biS iejjt im Ceiblidteit unb ©cift- 
lidteit burch bie ©anb |eineS©otteS empfangen hatte 
(ähnlich 5 DMof. 30,15ff. 5, 32). Sind) für unS ift 
bie befte, rcinfte uttb ftärffte Iriebfeber beS ©ehe r- 
fantS bie Danfbarfeit. Der ©runbge = 
b a n f e ift alfo: Streue um Streue! 6)ott tuar euch 
treu, fo feib tiitb bleibet nun audt ihr treu gegen 
Gk'tt. Grft bieS madtt beit ©ehorfam au einem 
freiwilligen; ein bloS äufterlidtatifgeatoungeucr 
unb abgenöthigter Dicnft mit tvibcrtuilligcm tint 
getheiltcin ©cracit gefällt ©ott nicht unb bringt bent 
Wcitfdtcn feilten Segen. 25. 2—13 hat 3oftta ©ott 
reben laffeit btirdt feine Sthaten, jeftt rebet er felber: 
DaS ©anptgetoidtt legt er auf bic 23 orte ge¬ 
treu l i dt u nb redtt fdtaf fen, b. h. ohnc©cuche= 
lei unb Sdteinfrömmigfeit, in Ginfalt unb 23ahr- 
heit beS ©evaeitS unb mit lauterem Sinn. Slcufter- 
lidt verehrte ia 3frael ben ©errü fdton iefet, grober 


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SonntagfdjuUjPrktionett« 


443 


©öfeenbienft !am nur auSnahmSwcife nod) oor, 
aber baS ©era mar bod) ned> nicbt gait 3 unb tutge= 
thcilt bcm &crrn übergeben. Sie in bev Sicfe Ser 
©eelc jefct nod) im 25cvborgeneit jchlummcrnbe 9?ei= 
guna au „fremben ©öttern", ooit ber cv buvd) Rr= 
leuchtung beS heil. ©cifteS fehr wohl umfetc, bafe fie 
nur au halb aufmachcn unb 3 irael aurSbeilnahme 
am ©eibenthum ber 9Jad)baroölfer perführen werbe, 
null er womöglid) iefet fdjon im ficimeu erftiefen 
unb tobten, barum treibt er ba325olf 31 t einer fönn^ 
lieben unb feicrlidjcit Rntfdjeibung: entwe- 
ber bem öerrn ßau 3 unb Pöllig, ober iefet fdjon 
gleich unb beftimmt beit fremben ©öttern ficb au 
ergeben. Unb aum 3eidjcit, me lebe 2öah£eroon 
ihnen erwartet, acht er ihnen mit feinem eigenen 
fluten 33eifpiele ermunternb oovait. ^ijoweg 
mit aller ©albheit be3 fletheilten £>ev= 
aenS! ©ott ad)tet bie Freiheit an 3 eber= 
mann, lägt aud) Gebern bie Freiheit aunt 2 lbfal( 
unb Unglauben, freilieb fo, bafe er bann and) bie 
©trafen feinet Ungehorfam3 tragen rnufe(93. 19ff 
23er baS w i 1t, ber thue eS auf feine ciflenc ©cfahr, 
fpare fid) babei aber bie oöllip peracblicbc 9)iühe, 
ba n eben and) nod) mm @d)eiu fiel) frommftcllen 
unb ©ott unb ber 23clt a n fl l e i d) bienen au mol« 
len! 23er aber ein ftinb ©ottcS fein will, ber fei e3 
aticb fla n a unb mit ber 9Cbat unb 2 Bahrhcit! 3 d) 
unb mein &au3 fprid)t 3ojua alS ber ächte 
©auSprieftcr unb&au3oater, ber wo c3 bie RutfcheU 
bung fürS höcbfte gilt, für bie ©einen eiutritt unb 
mit ihnen Rin untrennbare^ ©anac3 bilbet; auS 
biefem frommen $au3rcgimcnt fam bann auch fein 
gefegncteS 25olf3regiinent. ©oll’S mit einem 25 o l f e 
wohl flehen, muß e3 bei ben fjamilicn unbGmi? 
seinen mit bem ©uten anfangen. fürchtet 
©ott unb bienet ihm! mit ber ©ottcSfurdjt fangt 
aller wahre ©cgcit an; auS ber red)tcn ©eraen3= 
riefetung folflt bie rechte ©anblung3weife 
gans Pon felber, c3 geht im 9leidj ©ottcS o o n 3 w- 
neu nad) 31 n feen, nicht nmaefehrt: ber wahre 
©otteSbienft ift eine Slnbetung ©otteS int © ei fte 
(pgl. 3oh. 4 » 24 )- 

b) Sie Rntfcheibnufl, 25.16 — 18: Sie 
muthifle ©prad)e beS ©laubcnS : b a 3 fei ferne 
oott uns! Rr befpricht fid) nicht lange mit ftlcifd) 
unb 23lut; aber feine SButh barf fein ©trohfeuer 
bleiben ! Sen ©errn »erlaffcn fann bloS ber, 
ber ihn fchon gehabt hat; SBarmmg oor bem 
Stbfall. 2BerSottbcrläßt, ben Pcrläßt©ott auch, 
unb wer berrfefet bann über ihn ? 23aS bleibt ihm 
bann allein übrig ? Sind) mitten in ber R h r i ft c n= 
beit flieht eS ein feineS öcibenthum, wo man 
„anberen" ©öttern ftatt bcm red)ten ©ott allein 
bient, mögen jene nun kanten haben, wcldje fie 
wollen. (93eifpielc:) SennRr iftunfer 
©ott, barum hat er ein wohlerworbenes 9techt 
auf ttnfcre ©eele: fdwu burd) bic©d)öpfc 
ung finb wir fein, noch mehr burd) bie Rr* 
löfttna. 

c) S t e 23a r n u n g, 25.19 unb 20, ift n 61b ifl; 
benn 3ofua weife wohl, wie fchr baS SDtenfchenhera 
»on Statur aum 2Banfelntuth geneigt ift, ein 
fefteS ©cra fann nur bie ©nabe fd)affen, pgl. 
©ebr.13, 9. Um ihnen bie @ad)e ia recht ernft 
unb widrtig au mad)en, erinnert er fie an b r e i 
23ahrhcitcn: ©ott ift heilig, eifrig (meint unb 
nimmt c3 ernft) unb geregt. 9i i d) t g c f d) o n t 


wirb bie ©ünbe, wenn unb fo lange fie uidjt in 
aufrichtiger 23ufee bereut unb ©ottcS ©nabe in 
wahrem unb lebenbigem ©lauben bemüthig unb 
heilSbegierig gcfud)t wirb, foubern ber 9Benfch gana 
ober halb in ber ©ünbe nod) beharren will; int 
anbern Sraüe bagegen ift volle 2>ergcbung möglich 
unb anfleboten (Rphcf. 1, 7), ähnlid>e 23arnung 
por Dtfuffall unb Soppelheraigfcit. SJtatth. 6, 24. 

d) Ser 5Ö u n b, 25. 21—29 : 3cber 2Mmb be¬ 
ruht auf gegenfeitiger Siebe unb fchliefet 25 f l icfc 
ten unb 9tech te in fid) (ausführlich imRinaelnen: 
Rhebmtb, 5 rcu obfd)aftSbtinb, 25unbeSgenoffen u. 
f. w.) Uufer SunbeSmi ttlcr ift 6 h riftu S; 
alS ber ©ottmcnfdj, in bcffcit 25crfou ©ott unS 
9Ütenfchen nahe tritt, bafe wir 50tenjd)en ©ott nad)= 
fommen fönnen. 3uut ©chlufe wäre hier feht 
paffenb ein Dtüdblid auf 3ofuaS Seben unb 
Rharaf ter. 3n wiefern perbient er ben Rhren* 
namen (25.. 29): „ftned)t beS^errn?" Rr ift wie 
faum eiitanberer $clb ber heiligen ©efchid)te frei 
pon Rigemoillen, Poll bcmüthigen ©ehorfamS, 
flläubigen 25ertraitenS unb gewiffenhaftefter Breite 
unb 2>üuftlid)feit in ©ottcS Sienft. 25orfichtig 
unb bebäd)tig uw er felbft hanbeln tnufe, benn er 
führt beS ©err n Kriege fürbaS 25olf beS £>errn# 
ift er raid) unb eutfchloffen, wo ber ©en ihn fchidt. 
©ein 93cuth ift Semuthf feine ©tärfe ©lauben, 
feine 23ciSheit ©ehorfant unb gurd)t beS «t>errn. 
Rin weicbeS, aber hoch nicht weidüicbeS unb fchwäcfc 
licheS ©emüth unb ein milbeS .^era pereinigt ftchin 
ihm munberbar mit unerbittlicher ©trenße unb 
helbenhafter ftühnheit, felbft ©chärfc unb ©ärte 
gegenüber ben fteinben ©ottcS, unb bie lauterfte 
Rinfalt mit Klugheit unb ©eioaubthcit, wo eS ©ot= 
teS ©adje gilt. 3m 9?eichc ©ottcS ift nur ber groß, 
ber ba weife, bafe er in fid) felbft nid)tS ift unb b ief e 
©rüge hatte 3ofita, wie vielleicht fein ^weiter in 
3fraelS ganaer ©ejd)id)te. 


©onntag, ben 19. Sluguft. 9iid)tcr 2, 6—16. 

gratis 5U)fatt. 

1. Einleitung: Sicfe Seftion giebt eine alt 
gemeine Uebcrficht über ben 3uftanb 3fra« 
elS feit 3ofuaS Sob (etwa 1435 por Rhrifto) wäk 
renb ber gaitaen 9Hcbteraeit ungefähr 330 
3ahre lang, nicht 450, wie cS itad)9lpoftelgefd). 13, 
20fd)einen fönnte. Siefe a» hod) gegriffene 3afel 
entfteht nur bann, wenn man eiitfad) alle 3eitan« 
abeu im 23ud)e ber 9tid)ter aufammeiuählt, alS ob 
ic baburch beaeidmeteuRrcigniffc nach ei na nbet 
perliefen, währenb fie bod) in 2Bahrheit vielfach 
neben e inan ber herpehen, fo finb a. S. bie 
23ebrütfungen beS OftiorbanlanbeS burch 
Slmoriter unb bie gelben thaten 3cphthaS unb 
feiner 3citgenoffen gleichacitig mit ber 23ebrüct 
ung beS 23eftiorbanlanbcS burd) bie 
Sßhilifter unb ben Rreigniffen unter ©imfon. 
Safe biefe ber ioirflid)e 25erlauf ift,aeigt baS genaue 
unb fixere Saturn 1 Äon. 6,1 , hiernach awifd>cn 
bem 2luSaug auS Rgpptcn unb bem Scmpelbau 
©atomoS 480 3ahre liegen, bapon fönnen aber 


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444 


SonntngfdjuUffktionet!* 


auetj bie SMidjtcrscit allein unmöglich 450 fallen, fon? 
Vorn nach ben oefrf>ic6tlid) nothwenbigen ^IB^ügcit 
für bie 3cit bev SKüftenwanberung, ber Srobevung 
KanaanS, bei* 2l>irffamfeit ©amuelo unb bev 9ic= 
gicrung ©aul3 unb ©avibS l>od>ften§ nod) 330— 
320 Bahre. — 3u 3 ofuaS Sebgetten war 3frae( 
im groften ©äugen noch von berfelben ©efinnung 
wie fein ftührcr buwbbrungen; feine gange fpätere 
©cfcbichte bietet feinen Zeitraum mehr bar, wo e3 
turdnoeg von fokbern Sifet fürBehovab, bon fo ge? 
wiffeuhafter £reuc gegen ba3 ©efefe, bon fokbein 
©laubeiwmutb unb fo ernfter ©ettebfuvdjt bcfcclt 
gewefen wären, wie in iener „3cit ber cvften Siebe." 
Salb aber würbe c$ anberS, nicht burd) ©ot? 
tee, jonbern butdj feine eineue ©chulb. 
Son ©ott aub waren ibm alle Sebingungen gu 
einem gcbciblidjen 9Solf3? unb (Staatlichen gege? 
ben: ein frudftbarcS, herrliche^ 8anb, bie wahre 
{Religion, ba3 aöttlid)e ©efefe unb eine Sevfaffung, 
bereu unmittelbare^ unfichtbareS föaupt ber &err 
felbft unb bereu Seele be3 SolfeS ©ehorfam neuen 
ihn mar. ©ie .dufteren Seinbe waren befient, 
aber bic inneren nicht: bie Sünbe. Bofug hatte 
nod) bor feinem Silbe barauf nebrunnen, baft nach 
©otteä auobrücflichcm Scfcbl alle Kanaaniter 
auogcrottct werben follten. ?lber ^ifracl folgte nid)t 
unb bähet tarn fein gangcS Unglücf: ba3 
gange Sud) ber DJichtcr geigt iinSbic Ohnmacht unb 
ben ©vuef 3frael3 unb bie S?ad)t feiner ^einbe. 
So fdmcll erfüllten fid) in einer gangen 9teibe bon 
Unglücf unbSRoth aller 9lrt bie fchon bitrch 3ofua 
□c|. 23, 13ff) nebrohten Strafgerichte ©otte3. Sin 
ben nod) übrin flclaffcncn Kanaanitern hätte3frael 
feine Svene neuen ©ott seinen unb üben follcn, tobt 
werben fie ftatt bcffcit ©otteS 3ud)truthcn für fein 
ungchorfamcS Solf, (Jtidfter 2, 3. 22. 3,1. 4.), 
weil e3 gerabc ba3 wa3 ©ott 5 2)?of. 7, 2—4 aus? 
bviicflich bcrboteu hatte, beitnoch that. ©lichter 3, 
5—7.) Sticht nur vertrieben fie Die Kanaaniter 
nicht, (1, 27ff.), fonbern benünftinten fte ftatt völ= 
liner Slubrottiing berfelben vielmehr bamit) fie im 
Sanbe auch ferner ungeftört wohnen su lafien unb 
blob jinSpftichttg su machen, fonbern fie wohnten 
aud) iclbft unter ihnen, traten mit ihnen in Scrfehv 
unb ®cmcinfd)aft, ia fie verheira theten fiel) 
mit ihnen, ftatt jebe Scrübrung mit biefem entarte^ 
ten gottlofen unb vcrRudrten ©cfdilccbt gu meiben, 
lebten mit ihnen unb ncfellten fid) su ihnen in ber 
ennften Scrbinbung al8 Slutofrcuube unb bicii? 
ten ihren ©oben, gaben alfo ba3 gtofte SSor? 
recht Sfraelo nnb feinen herrlichen Sorgug vor allen 
anbern {Rationen, ba$ Solf göttlichen SigenthumS 
gu fein, Schmählich bahiit! Sin Bebet that nur noch 
ma3 thnt red)t bäudjte, b. h. er hanbclte nur nad) 
feinem cineneu Sclicbeu tinb Sortheil (21, 25), 
baher hatte ©ott einen ©räuel an feinem Srbe 
(Sfalnt 106, 40 ) unb fein Born ernvimmte über 
ihn. föatte Sfracl bie Kanaaniter nicht vertreiben 
wollen, fo will nun and) ©ott gur Strafe für 
Bfrael fte nicht vertreiben (Sidjter 2, 3). Shat 
bas 23oif Suftc, fo eimccfte ihm ©ott allerbingS 
immer wicber 9t i ch tc r (2,18) ober „fteilanbe" (3, 
9. 15), b. h. &etlbringcr, Svlöfer, ßclfcr, aber ihr 
Seif taub bauerte immer nur furge Seit, benn Bfvacl 
fiel ginn ©auf für bic erfahrene {Rettung immer 
U'icber auf$ neue ab (2,19), baher muftte er immer 
u'icbcr neue SRotb tommen lajfcn, tote er ia überall, 


wo ber SMenfdVfich nicht burd)@üte giehen läftt,ben 
Srnft braucht. ©ie Sufte war nicht emft unb 
nad)haltin, nicht aufrichtin unb bemüthin nenug, 
nur bie fchlimmeit fjolncn ihrer Sftube l'emiten 
fie, nicht aber ihre Sd)ttlb(wie 3uba3 iin Uit= 
tcrfd)ieb von S e tr uS), ihr © l a u be war nid)t feft 
unb beftänbin nemtn unb geinte fid) nicht im Öe= 
h o rf a m, barum bauerte auch bae ® l ücf nie lang, 
fonbern utad)te bem U it n l ü & immer mieber9tauin. 
Slber trofe be3 Selten Untreue bleibt ©ott felbft 
ihm immer treu nnb e3 iammerte ihn feiticö 9Jolfe3 
(10,16. 2,18) unb er erwerfte ihm immer wieber 
neue Reifer. S)ie fHichter hatten alo fein fte? 
he nbe8 Slm t, e3 nab feinen eigentlichen Stichler? 
ft a n b, fonbern fie wnvbeit nur in au&erorbentlnhen 
fallen ber Stoth unb ©efahr icbe^mal neu von 
©ott felbft unmittelbar berufen, burd) feinen 
Seift vnl. 3, 10. 6, 34. 11, 29. 14, 6. 19. 15,14. 
unb au$nerüftet mit feiner Kraft(6,14. 16), oft 
nang wiber ihren SBillcn (wie g. S. © ibe o n); ihr 
SSerf war alfo gang unb nar ein 2Serf be3 @chor= 
fam3 unb be8 ©laubenö, vnl. £cbr. ll,32ff. 
Sie waren vor allem Krien^helben unb babei 
oft 8eute mit manchfaltiacn Schiern unb ©ünben 
(wieg. S. ©im f oit), bie aber bem Stufe ©otte3 
tutweinerlicb folnten, felbft mit Scvleunminn be3 
eiflenen 8ebett8 (vnl. Kav. 12, 3); man fann fte 
neben ben (eigentlichen) fßropheten be3 SBort§, 
bie Propheten ber Shat nennen ; wenn fie ihre 
Slufaabe n^loft unb ben ©iea crfod)tcn batten, blie? 
ben fie auch in Sricbenögci ten meiftnochan 
ber ©vifee bt§ 2Solfc3 al3 eine Slrt Obrigfeit bio an 
ihren Stob, vgl. 4, 5. Sou ihnen hat ba3 Such 
ber Stichter feinen bauten, weil e3 von ihren 
^Ehaten berichtet, nid)t aber weil e§ von ihnen felbft 
ncfchrieben ifi. ®ie& n^fchah vielmehr erft fpäter, 
icboch nach 1, 21 vgl. mit 2 ©am. 5, 6. 7 itocb vor 
CDavtbS 3?it, nach iübtfd)er Ueberliefcrung viel? 
lcid)t burch Samuel; auch bie ©teile 18,30 weift 
nicht nothwenbig auf eine fvätere Slbfaffungetwa 
erft nach ber affvrifchen ©efaitgenfchaft gur B^it be8 
3efa{a8. ®a§ Such ftcllt hativtfäd)lid) bie 
göttliche Sergeltung ino 8icht: wie glücflich 
war 3frae! immer, wenn eß bem ©errn folgte uub 
wie uitglürflid), wenn e8 ihm nid)t folgte! 93ie 
gnäbig war ©ott and) nod) gegen bas ungehorsame 
cleube Soll, aber auch wie heilig unb gerecht! ©8 
beginnt al3 unmittelbare Sortierung bc3 Suchet 
3ofita mit 3ofua§SEob unb ben fogleich barauf fol? 
genben Sreigniffen, nämlich bem Krieg ben ber 
©tamm 3uba an ber Svifee bev übrigen ©tämme 
gegen bie Kanaaniter unter bem KCmig 91 b o n i b c? 
3 c t fühtten, ben fie mit fcilfe be3 Stammee © i? 
meon befiegteu unb fein 8anb eroberten. Sen? 
ja in in bagegeu iftfäumigcv, verbannt gwar Se= 
thel, fann aber bie 3cbufiter in 3erufa? 
lern unb auf bem Serg 3wn nicht überwinben; 
bie anberen ©tämme vollenb3, namentlid) San, 
laffen ftch von ben Kanaanitern thcil3 gang ver? 
brängen, theilS bulben fie fie wenigftenö in ihrem 
©ebiet (Kap. 1). ©arauf folgt Kap. 2 eine furge 
3nhalt$angabe be3 gangen Sud)3 unb ein propbe? 
tifd)e3 Silb vom fünftigen Buftanb be8 
Solfe8 al3 Snid)t feinet gegenwärtige n S er? 
haltend. 9luf bie ©trafprebigt be3 auch hier 
gleich ju Anfang wie fdwn 3of. ü, 13ff. erfchcinen? 
ben Sn ge U be3 ©errn erfolgt gwar bie 3te ue 


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SonntogfdjttUffktiottcn. 


445 


beS 9S o 1!@, aber bodi nicT>t über bie ©üttbe fetbft, 
fonbern nur über bie gebrohte © t v a f e, baher bleibt 
biefe Stifte auch ebne Grfolg, cd wirb nachher mit 
noch fdlinttncr (S. 19). 

2 . ®ort uitb ©adjcrfläntitg: ©ab 33 elf wort 
firf> «eia ffen batte, von beut in ©idem ab* 
gehaltenen 8 anbtag, Dgl. bie lefetc Scftion nnb ben 
Seridjt 3of. 24, 28 fr. © ie ft ittber 3fra el, 
ftebeitber Name beb g a n 3 e n Volfd in allen fei*, 
nen 12 ©teintmen alb Nadifommen ber 12 ©ebne 
beb einen Safobd. ©ab 8 a 11 b eituutteb' 
men, bab fie fcboit feit ettea 15 Rainen erebert 
batten, je nach bem ihnen gefallenen 8 oeb sti be* 
fefcen. ©e lang ?|ofna lebte, etwa neeb 20 
3abre lang, mechte fein pcrfbnlidjer ©infXnfe unter 
ben 91 p lteften 3 fraelb fortgebauert haben, bie 
beim Gitwtg in ftattaan noct) jungen SBänttcr nnb 
Slngcnscugcn aller ©roftthaten ©etteb an feinem 
Volf geteefen waren, wie 3 . S. beb Uebergangb über 
ben Sorban, ber Groberuttg 3cridwd, ber Unter* 
joebuttg ber ftanaaniter x. (ftnr^e Nepetition !) 
©er Gbreitnatne „fttted)t beb $crrtt" ift 
abfiditlicb beigefügt, um an 3ofuab grobe Streue im 
©ienftc ©otted 311 erinnern. 3 n ben ©ren 3 en 
jc. ber 33lafe ifl iticf>t genau angegeben nnb üttbe* 
fannt. Sti mnatb föered fowiel wie Stimit a tb 
©erab (3wf. 19, 50. 24, 30), eine ©tabt in 
Gpbraint, 14 teilen Won 3erufalem, Sofuab ®c* 
burtbort. ©er Nantc ift beibemal berfelbe, nur 
initUmftellungberSucbftaben nnb bebcutet: © 01 t' 
ne nft ab t (wgl. Nidder 1, 35: Serg £ercd = 
©onnenburg), wabrfdjeinlid) mit bem alten @e* 
ftirnbienft ber urfprünglidteit Sewohncr, ber beib* 
liijehcn ftanaaniter, 3 ufammenbangcnb. Nad) ben 
alten jübifeben ©cbriftaudlegern würbe er aber bei* 
behalten ald Grinncruttg an ben ©onnenftillftanb 
ald iV'fuct'o ftauptwunber (3oh. 10,12 ff.). © a d 
Gebirge Gp braun ift nidtt ein einzelner©c- 
birg§ 3 ug, fonbent bofd gante ©ebirgdlaub, wen wel* 
(beut bann ber eine Gipfel ©aad befouberd ge* 
naitnt ift, weil norblid) wen ihm bad ©rab lag. 

©in anbered ®cfd)led)t; bieftinber ttttb 
Gnfel won 3ofua§ Beitgenoffen, baft fie aber nicht 
fcloft äufterlid), fonbern and) ittncrlidj „anberc" wa* 
ren unb swar fdton wiel fddimmere, 3 eigt eben bic 
worangehenbe ©trafrebe bed Gugeln ©otted. © a S 
bett&errn n i cf) t fa tut te, nämlich and eigener 
Grfabruttg wie jene, unb ihn nicht mehr fürdjtetc; 
aber nid)t blöd and nnwerfdntlbeter Unteitntnift, fon* 
bertt ttad) 3, 7 weil fie feiner wer gef fett, alfo bad 
SBcttige, wad fie etwa noch won ihm wufttcit burdj 
©örenfagett, wollenbd gatta in ben 3Binb fd)lit= 
gen. Semerfcudwertb für ben fcblcdtcn rcli- 

S iöfett Buftanb ter Nicbterscit ift, baft ficb wäbvcnb 
iefer mehr ald 300 3<tbrc fein Sricfter bereit läftt, 
won Sunbedlabc unb fteiligtbunt gar nie bie 'Diebe 
ift unb bad Solf böddtend gclegetttlid) einmal 
Opfer unb ©ottedbienft hielt, ©ie tbaten in 
biefer ftoljeit Verachtung bed $cmt (wgl. 5. 9Moj. 
8 , 17) je langer, je mehr übel au bem föerrn, 
fielen in allerlei ©üttbe unb ©dtattbe, namentlid) 
beit gräulidtften beibnifchcn ©öpenbienft, unb 
bienten (ben) Saalitn, b. b. beit werfebtebenen 
„fretttben ©öttern" (NJcbr 3 abO ber ftanaaniter, in 
bereu 8 anb fie wohnten, obwohl ©ott ihnen bieft 
8 attb 311 m Grbe gefebenft batte, unb berer bie um 
fie ber wohnten, 3 . 33. ber©prer, ©ibottier, 


93?oabiter, Amutonitet unb Vbiliftcr (10, 6). 3e 
unb je, b. b. immer aufd neue wieber. Saat 
u tt b 31 ft b a r 0 tb (-5 SDJoi. 16, 21), bie ©auptgett* 
beiten ber Vhenisicr unb ftanaaniter, fowie ber 
©prer, bereu ©ienft mit fdtänblichcr Uugurfd wer* 
bunbett war. Namentlich bie Stämme bed Nor* 
bend fielen bemfelben anheim; wenn and) ber 3e= 
bowabbienft nie gatt3 aufbortc ober formlid) abge= 
febafft würbe, erfanntc matt hoch in falfdter Stole= 
raus ben ber beibnifdtett Nationalgotter ttebett ihm 
nnb alä mit ihm gleidtberecbtigt an unb wermifebte 
beibe mit eittanber, wgl. 3 . 33. bie ©efcbichten in 
ftap. 17 unb 18. ©er 3wrn be^ ©errtt ift 
nid>t ffcifcülicüc 8eibenfd)aft, fonbern heiliger Gifer 
gegen bie ©üttbe, alfo wollig geredjt unb wer* 
bunbett mit ebenfo heiliger 8 iebe, bie be£ Solfed 
twabrcS Sefted fncf)te. ©ab fie bab in, alo wobt 
werbiente ©träfe, ©ie fie (be)raubten, b. b. 
audplünberten ttttb überhaupt ab3 übermütbige 
©ieger, al3 Gröberer bc3 8anbc3 unb ltnteibrütfcr 
be3 Solf3 gatt3 ttad) ihrer £>enidier(aiiite bebanbel= 
tcn. Serfaufte fie, gab fie in ihre Stadt ttttb 
©ewalt, ba er fie bod) ltrjprünglid) 31 t feinem 
Gigentbum fiel) erforett nnb erworben batte. Nicht 
mehr, wie einft unter 3ofua. 3btten (woraus) 
gefagt unb gefdjworett, wenn and) nicht je* 
be3mal mit einem befonbertt Gib. (Sgl. 3 3)2of. 
26.17. 5 3)?of. 28, 20. 25). 3cbettfall3 waren fie 
al|o gewarnt unb©ottc3 ©robtmgen fiitb auch 
ohne ©d)wttr al3 9Bortc be3 SBabrbaftigcn fo ge= 
wiö unb fiefter wie ber feftefte Gib. N i dt te r au f= 
u>edte, ttad) feiner ©ttabe# uin fie nicht gatt3 31 t 
©ruttbe geben 311 laffett, fonbern ihnen immer wie* 
ber Gelegenheit 3 ur Sufje unb Seffenttta 31 t geben 
unb burd) Grweifutta feiltet allmächtigen Seiftaubo 
fie 311 banfbarcr uttb gebovfatncv Gegenliebe 311 bc* 
wegen. 9Man gdblt ittt gangen 14 foldtc Nicbter, 
basu bic Nichtcriit uttb Sropbetin ©e b 0 ra b; boep 
regierten fie itid)t ununterbrochen nadteinanber, fott* 
bern in längeren ober fütteren 3wifcbcnräumcn, 
twic ja and) ttid)t ber gaii 3 e Beitraum al3 burdtatid 
nur mit Slbfall uttb ©ottlofigfcit erfüllt 31 t bettfett 
ift. Btwifdjen beit Beiten ber Verwirrung unb 
Notb gab e3 immer auch twicber Vcriobcn ber Nube, 
bc3 ©lücf3 unb ^riebeitd, two fein Nidder ttotbifl 
war, ein anbcrcStttal gab c3 twicber tuebrere Nidtter 
31 t gleicher Beit in ben werfdtiebenen St Geilen bc3 
8anbe3. GS war alfo ein beftänbiger Söedtfcl 
wott Abgötterei unb Untcriodtung 3fvacl3, bann 
wieber Nücffcbr be3 gesücbtigteu SSolfed 30 feinem 
©ott unb Grrettung, bi3 twicber neuer Ungeborfatti 
neue Notb unb ©träfe brachte; fo offenbarte ftdj 
hier ebenfo ©ottco ©crecbtigfeit im ©cricht 
gegen bic Abtrünnigen, ah? feine Samt her* 
3 igfcit in ber Segttabigiutg ber Sunfertigen. 

3. ^rflärttttg ituW Grbatittng : a)3fracld 
© l ü cf, S. 6—10: G3 bauert nur fo lang al3 3fvacl 
treu gegen 3^bowab blieb, beim nur att3 beut ©e= 
boriatti blüht ber wahre ©egen, wgl. ba*3 fdwnc 
Silb be§ frommen in Sf- 1 , 3 ; Sprüche 4 , 18 . ©ie 
blieben im Sunb, fo lang fie GotteS gebaebten, 
mit ber ©0 ttwergeffe nbeit aber fängt ber Itn* 
geborfatn unb ba3 lluglücf an ; bad redtte SOJittel 
twiber bie ©ottedwcrgcfienbeit ift bad Attbenfen an 
feine © ttabe 11 er wc i f u tt gett unb 8tcbed= 
tw 0 b 11 b a te tt, Sf. 78, 4. ©ureb flcifngevcd Gr* 
imtertt an bicjelbcn unb beffered Schalten bcrfclbctt 


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446 


SotintagfdjuUfcktioiien. 


in einem baut baren ©evjen batte and) bieS 
neue ©efcblecbt mehr non beut alten SümtbcS« 
ßott toiffen ii ub ihm treuer aithaufleu fonneu: Uu= 
baut bic 23ur$el beS 2lbfalleS. 

b) 3fvaclS II n ö l ii cf , 23. 11—16. @3 ftainmt 
aitS bem 3lbfall, ber tu 23. 12 nad) feinen 3 Stufen 
Qc^eidinct iit: Merlanen beS Ferrit, 21 ubeten ber 
©open, Grumten ©otteS. ©ie Sborbcit beS ®öpen= 
bieufte^r 93). 115, 4 ff. ?tber biefe Uebertrctmifl 
fl 1cid) beS elften unb ßrunblcflcnben unter beu Acbn 
©eboten fommt and) jept nod) unter beit Ghriftcir, 
meint and) nicOt mebr in grober, bodt in feiner 
^orut oor (2kifpiele); ift aber and) fo oor ©ott 
fl(eid) ftrafbar. Sür Sfrael folgte bie Strafe für 
biefeS „Uebelthun nor bem ©errn" (flan. 3, 7), nor 
bem er fie bod) fd)oit 5 3)?of. 6,14 ßcmarnt batte, 
unmittelbar unb foflleid) ber Sünbe auf beut Stifte 
nad); manchmal fann fie and) lanfl auf fid) ivarten 
laffeit, fommt aber bann enblid) bod) unb nana 
emifj, bemt bie Sünbe ift unb bleibt ber 
eitte Sßerbcrbeit, beim ©ott labt feiner nicht 
fpotten, unb nur bem ©eborfam ift Seflett 
oerheifieu, 5 2Bof. 28, l, beut Slbfall ber Syluch 
ßebroht, Sof. 23,16. ©otteS Strafe feil 23u6e 
mirfen, Ofll. Wichtcr 10,10—15, bann erbarmt er 
fid) auch ioieber oerne, 23. 16 unb ftlaflelicber 3, 
31. 32. 


Sonittafl, 26. 2ltiß. SKidjtcr 7,1—8. 

©tbeoit'S er. 

1. -Seit: Gtma 1445 nor ßbrifti ©eburt. 

2. Crt: ©er fimael SDi ore b / ober ber „Heine 
$ermon", in ber SOiitte gmifchen beut 33crß Sabor 
um korben) unb ben 23erflen © i l b o a ’ 3, fotnie ber 
Gbene ^eSreel (imSüben) auf beut 2i3cftufer beS 
3orbattS im fnätereit ©alilda neleflcn. 

8. Bufammeithaitp: GS achen oorber: ©ie Uit* 
terbrfufung burd> bie 9)2efopotautier unb bie 
Grretttinß bureb 2lthniel (3,1—11), bie Unter- 
brütfuitß bureb bic ^Moabiter unb bie ©rrettung 
burd) 6 b u b (2$. 12—30),*bie Unterbrütfmifl burd) 
bie 93 h i l i ft e r unb bie Grrettuuß burd) S a nt fl a r 
(23. 31), biellntcrbrücfuuflburd) bie Sanaan iter 
unb bic Srrettunfl burd) ©ebora mit ©ilfe beS 
23 a r a f unb ber ^ a c ( (4,1—5,31) nehft bem 
hcrrlidjcn SEriuinphlieb ber ociben Grftctt. Sobamt 
non Äap. 6,1 an © i b e o n 3 23orflcfd)id>te, ndm* 
lieb 23. 1—10 bie Unterbrüefuufl burd) bie 902ibia = 
ititer unb bie Gnoctfuitß ^fraelS aur23ufje burd) 
Senbuttfl eineS Propheten; 23.11—24bie23e= 
vitfiuifl © i b e o n 3 auut Midder burd) bie GrfcbeU 
nunß,beS „GitflclS beS £>errn J< (toie ßap. 2,1 ff.) 
unter berGicbe (icrcbintbe) an Opbra im ®e« 
birfle Gphraint, im Stamme 2)2aitaffe, bei ber 
©refebtenne feineS 23aterS 3 oa 3. Gr forbert ein 
Beicben ber flöttlidicn Senbuitfl, unb eS mivb ibm 
Äit Sbeil bureb baS auS bem Seifen flammenbe 
Setter, baS fein Opfer neraebrt auut 2kmetS, bafj eS 
ber frerr felbft ift, ber mit ibm rebet unb ihn alS 
fein SBerfaeufl beruft unb annimmt; 23.25 — 32: 
2US 23orfpiel feines MidderamtS beflinnt ©ibcott 
auerft mit Bcrftormtß beS 2kalStentpelS (2lltar unb 


fi>aiit) itt Ophva unb Grriddunfl einer ©pferftatte 
für ^ebonab, trofe ber bannt oerbuubenen ©efabr 
(25. 30), loobei er ftatt feineS ohnehin febon betaut* 
lauten MarnenS ©ibeon (ber Süllenbe, SMdbeitta), 
beit nod) heacichnenbcrcii ^cvubbaal (2öitar* 
ftreitev 25aalS) erbalt aur Gnnuthißunfl unb Stär; 
fuitfl feiucS nach 25. 27 anfditßlid) nod) febmadben 
©laubeuS; 25. 33—40: ©ibeon fnmmclt ein £ccr 
.auS ben norblidjcn Stammen Ziffer, äMaitaffc, Se* 
bttloit unb Mapbtbali; aber oor bem 2lnßrifr auf 
ben iibcrmächtißen Seiub oerficbcrt er fid) nochmals 
beS flöttlichen ©ciftanbS, um feiner ßöttlidjen 2te 
rufmifl oollftdnbifl fidicr au fein, burd) baS hoppelte 
Bcidjeit au feinem 2Bibberfell. ©iefcS loirb ibm, 
obioohl auS einer 2lmoanblunfl beS 5HeinfllaiibenS 
fleforbert, beim och nad) ber liebevoll craicbcnbcn unb 
aud) auut fcbmadieit ©lattbett ftd) fliuibifl herab« 
laffeuben 2BeiSbeit ©ottcS fleioäbrt. 2lbcr toie er 
hier ©ott flleichfam ocrfud)t bat, fo Perfud)t mm 
auch ©ott ihn ioieber unb ftellt feinen ©lauben unb 
©eborfam auf bie 23robe, um bie ßauterfeit feineS 
23ertraueitS unb bie Scftiflfeit feiner Sreue au pnt« 
feit, ©amit beflinnt bie £eftion. 

4. uub 0mhtrf(äruitfl: 9Bit ©ibeon, 
auS bem auut Stamm 202 a n a f f e fleböriflett @e= 
fcblecbt ber GSritev (vfll.43)2of. 26,30fr. 3of. 
17,2) ftammeub, beflinnt bie aioeite 2Seviobe 
ber SHichlcncit. ßaflctt in ber erften au'ifd)cit 
ben 3citen ber 92oth unb beS firiefleS immer mietet 
füracre Seiten ber 22ube unb beS SriebenS a. 58. 
ß'ap. 3,30 oon 80, ßap. 5, 51 ooit 40 fahren, fo 
bietet bi-: aioeite baS 23ilb cineS fnft ununterbrochen 
neu forhodhtcnbeii ßautpfcS. ©enn SXfrael hatte 
eS iefet mit einem feiner fddimmften Scinbe, ben 
Sliibianitern, au thuu, locflen ihrer furchtbaren 
Streitmacht (ftap. 8,10) unb ocrheereitben 3laub- 
aüfle(6,2—6), bie fie oon ihrem Stamutlanb im 
Süboften oon ßanaan, amifchen bem ©efilbe202oab 
unb bem ©olf Ooit 2lfaba attSniber baS flanae öattb 
auSbchitten, itt 2,MittbcSflenoffcnfchaft mit anberett 
flefdhrlid)cu 22 ach bavoöl fern, beit 21 ut a l c f i t e r tt 
unb beit väitbcrtfchen loilben 23ebuincnfthiodruten 
beS 232orflen(anbeS (6,3). So loar bie ficbcn- 
i d h r t a e U n t e r b r ü <f u tt fl burd) biefelbe (6, 
1) eine ber bdrtcften 22othaciten, bie 3fraei jemals 
burdjflemächt, unb bie barunt att^ eines ©latilMütSn 
hclbeit mie ©ibeon aum SRettcr unb 92id)ter bc= 
burfte. Gr macht fid), burd) baS 2ßunbcr am 
2Sibbcvfell int ©lauben fleftdrft, oon beut Crt, too 
bicfeS fid) creiflnet hatte, frühe auf, alfo ohne 
Zaubern mtb Bbflent im ©chorfam, unb lauerte 
fid) am 23rtinncn ßarob, b. h. einer Cuclle 
bei ber fllcidjnaiitißcn Stabt (2 Sam. 23,25) aut 
norbioeftlidicn Slbhaitfl ber 25erflc ©ilboa’S flclefleu# 
am Sufte beS SclfenS, auf bem bie Stabt 3eSrcel 
mar (1 Sani. 29,1 unb 1 ßbu. 21,1). ©aS feinte 
lid)e .^cer baflcflen ftanb ttorblich Pon ihm hinter 
ben .’oüfleln ber 28arte im ©rtinbe, beffer: 
hinter bem föüflel 9Äovch (i. oben), biS hinunter in 
bie loeftlich baooit fid) auSbehnenbc Gbette 3eSrcet 
(1 Sam. 28,4). © er &err aber fprach» burch 
innere Ginflebiuifl feineS heilifleit ©eiftcS, au ®t = 
beon, bem fein &ecr oon 32,000 2)2ann (23.3) 
fleflenüber bem ber 9)2ibianiter oon 135,000 ( 8 , 10 ), 
oicl au flctn oorfam: ©cS 23olfeS ift mit 
nid)ten au locnifl, fonbern im ©eflentheil noch au 
o i e l, beim Siracl nt ö d) t c f i d) f o n ft r ü h 5 


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SönntagfdjuUfektionen. 


447 


men wiber mic(), wenn feine eigene £eere3* 
mad)t beit ©icß erfechten mürbe, währenb hoch alle3 
barauf aufommt, bafj tiefer auf eine jo aufjcrorbciit* 
ltd)e, wmtberbare unb überutcnfddidje 33eife ße= 
Wonnen wirb, bafj aitßeficht3 ber völlißeit natüv£id>cn 
Uitmößlicbfeit beffclbcit ein folche3 9iübmcn ßar 
nid)t auffoinmen fann, fonbevn 3fvacl Hat unb 
beutlid) erfennen mng r bafj bie Grlojuitß nur buvd) 
©otte3 &anb ßefdReht Oßf. 44,2 ff.) © o ta 6 it ti n 
au3f ehr eien, uaef) Sorfdwift be3 ©cfcbe3, 
5 5Ülof. 20,8. ©o werben ßleid) von vornherein auf 
bie einfachste, natürlidjfte unb uiißeswuiißcnfte 
33eije, b. h. burd) frciwillißcu 5(u3tritt, bie uns 
taußlidjeu Elemente au3 bem föccr au3ßefd)icben, 
aUe ÜRuthlofcn unb Reißen (wer hlobe unb 
veraaßt tft). 93 om ©ebirße ©iteab, 
bie3 (amt hier unmoßlidj ba3 int Oftiorbanlanb 
ßelepeite unb fonft ßcwöhnlidj mit biefent 9lameit 
bcseidmete S3erß(anb awifchcn bem Sanbe Safan 
unb bent Rluffe 3al)Gof fein, e3 ift am wahrfchcin* 
lichften aitsunchntcn, bafj ein ßewiffer ©heil bc3 
©cbirßcS © i l b o a ßcutcint ift (vßl. au 3>. 1), ber 
and) beit 9?amcn ©ebirße ©ileab führte, vielleicht 
berieitiße, ber im ©cbietc 9Ranaffe*3 laß, au weitem 
aud) ba3 ®cfdjlcd)t ©ileab ßchertc, 4 9)fef. 36,4, 
unb beffeit anbere ©tammcshalftc ia jcnfcit3 be3 
3orbau3 wohnte. Slbct and) jetat, nad) Gntlaffuitß 
von mehr a!3 awei Srittcln, wirb )^cn ©ott eine 
weitere tro(f)maliße 9(u3jcbcibutiß berer, bie amu bc- 
oorftchenben Kampfe nid)t nana tiichtiß waren, am 
ßcorbnet, weichet au3fd)licfjlid) nur im Vertrauen 
auf ©otte3 £>ilfe allein ßc führt werben feilte (;Vr. 
17,5). Rühre fie, biesurüdßeblicbcncn 10,000 
(33. 3), a it 3 33 a f f er, an bie am Rufj ber 9ln= 
höhe cntfvrinßcntt Duelle (33.1). prüfen, b. h. 
bie 9tu3fd)eibunß vornehmen, will bic3inat ©ott 
felbft, bamit ©ibeon nid)t ehoa burch cißcuc 33ahl 
fchlßreife, er thut c3 aber fo, bafj bie Söctrcffcnbcn 
felbft bie 33robe befteheit müffcit. Unb er führte 
b a 3 33 o l f h i n a b, ba ber Brunnen .ftarob al3* 
halb einen Seid) von 40—50 Ruft ©urchmcffer biU 
bet, au3 betn fid) fofort ein aicmlid) ßrojjcr 33ad) er* 
ßiefjt, fo hatte ba3 ,s>er wohl Steife basu, bafj fich 
alle außleid) auut ©rinfen tticberlicfeen. 33 ie ein 
£unt> ledet, b. 1). nicht erft viel Umftünbe 
inad)t, fottbern nur ein weniß SSaffct mit ber hohlen 
föanb fchövft, nur foviel er aut höd)ftcit 9loti)biirft 
brauche uni beit arßften ©urft für beit 9lußeitblid 
au ftillen, unb int Stehen fehlürfeu fann, nur bamit 
bie am ©aitmen flebenbc 3mtße wieber etwa3 att= 
efeuchtet wirb. 33cld)er auf feinet nie 
dllt, b. h. ftdj ßana bajtt einrichtet, um recht 
bequem unb viel trinfeu au (önitcn, fo baß bev ©uvft 
arünblidj ßclöfdjt wirb, auch wenn er babei viel 
Beit verliert, Scfetcren ift e3 alfo mehr uin’3 ©riu= 
feil, al3 um ben ffamvf au thun, beit Grftcrcn ba= 
ßeqen unißefehrt; fie bleiben in voller 33affen= 
rüitmiß fteheit unb ßeniefjcn biefärßlicheGrfrifdmnß 
nur vorüberqebettb unb in bem fürba3äufjerftc33es 
bürfnijj nöthißen fpärlichftcit 50?aße, tutb beweifeit 
fid) baburch al3 red)tc, alleseit auttt Jfantvf bereite 
unb tüehtiße Streiter (1 Gor. 9, 25 ff.). 51 tt fei* 
neu Ort, wo ieber hinßehört, in bie&eintath. 
Unb fie, biefe 300 9(u3erwählten, nehmen von 
bem nrfvrfntßlid) für ba3 aaitse £>cer beftimmten 
fproviant nur fo viel mit fid), al3 fie fclber traqcit 
tonnten unb für fid) ßebraud)ten, um fid) nid)t itod) 


mehr aufsubalten unb unnöthiß an bcfcbwcrcit. 
© i e o f a u n e it finb bie tfricßohörncr, bereit 
wohl im ßanacn ©ccr fo viel vorhaitben waren, bafj 
ieber ber 300 ein3 befatu (53.16). © t ä r f t e fid) 
m i t (ben) 300 3M a n it, b. 1). verfah fid) ßenait 
mit fo viel ©olbaten, al3 er itad) be3 £>errn eißenem 
Sefd)cib brauchte (S. 7), um 3frael au crimen, ©ie 
olle waren, ßleichviel ob fie fonft au ben SMuthißcn 
ober Reißen, ben ©tarten ober ©d)wad)cn ßchörtcn, 
von e r n ft e m 33 i 11 e it unb a a it a c tu G i f e r 
für bie ©ad)e ©otte3 tutb bc3 3>olfe3 bejeclt, unb 
bar um ßelaitß ihnen aud) mit bem ^e^lbens 
w o r t b e 3 © l a it b e it 3 (93. 20) ber vollftcinbißc 
©ieß, wie ber 9?eft be3 ilapitel3 vollenb3 berichtet. 

5. f $\\v Grflfirtwß mitw GrDaumiß: a) ®ie 

Sielen, 3?. 1—3: 23eaeid)itenb fteht ßleid) au 
Slnfaitß hei ©ibeon aud) fein auberer 9}amc: 
^erttbbaal mit Sesuji auf fiav. 6, 32, mit 
welcher ©hat er fich ßänsltd) unb entfdieben tont 
©öfeenbienft abßewanbt unb völliß lobßcfaßt hatte, 
©affclbe muß aud) bei un3 voraiiößehen, ehe wir 
fahiß unb tüdjtiß finb be3 ©errn liricqe au führen, 
unb al3 ©ottc3ftreiter ben ©icß feineo 9ieid)3 au er= 
fünivfcn: ©erßerraber fvrach, amh hier 
tritt wieber vor allenf eißcneit 33illcit be3 5Dicnichcn 
©otte3©huu unb Seiten in ben Sovberflrunb; bie 
Sache ift fein, barum will unb muß aud) er 
allein Re lenfcit, unb swar ßerabc mit ben 33iit- 
teilt unb auf ben S3cßeit, bie aller nienfdlichcn 
ftliißhcit, Scrnuuft tiub 33ered)uunß fdmurjtracf3 
auwiber finb, abcrßcrabeiu ber jcheinbarcn ©hor= 
heit ©otte3 33ei3heit, unb in ber menfchlidien 
©chwachhcit feine firaft um fo herrlicher offenbaren. 
93^ ö ch t e f i d) v ü h m e it: ©ott uubcrftchct ben 
©offdhrtißcn, aber ben ©einüthißcn ßiebt erGnabe. 
©urd) einen allau leicht unb nur mit cißcncr SDJacht 
ßcwonnencn ©ieß waren fie nur ftola, hodjmüthißr 
eitel uttb fichcr ßeworben, aber fie feilen vielmehr 
lernen, bafj ©ott für fie ftreitet, al3 ber red)te 
^ricßoinann, unb ba§ feine Rechte allein beit ©ieß 
ßewinut unb behalt, Vßl. 3?!• B3,19, unb awar nur 
nach bem in feine nt gleiche ßcltcnbcn ©runbfafe, 
1 ©am. 14, 6. ©adjar. 4, 6 unb 2 Gbron. 14, llff. 
3) l ö b e unb v e r a a ß t ift ba3 natürliche 93(cn= 
fchenhera nieift in Uitßlüd unb ©efahr, baher ©otr 
hier c3 burd) feine wicbcrholtcn 33unberthateu au 
ftdrfen unb au ermuthißeit fud)t (vßl. Äiap. 6,36ff. 
7,9ff.), um fo unverantwortlider war e3 aber auch, 
ba§ troßbeut fo Siele noch feiß unb muthlo3 blie= 
ben. 33ie oft ßefchieht ba3 aud) heute nod) burch 
unfern filciitßlaubcn unb Unbanf, ber ber „vovißcn 
375uüber 11 nicht ßebenft. 9lber ba3 ^)era ift außleid) 
auch ein ,,trobiß ©iiiß", übermüthiß unb ruhm= 
füchtiß bei ©lüd unb 33o()lcrßehen, barum muß 
©ott c3 beitßcn. 

b) ©ie 33cnißen, S.4—8: Rum 3Bcrfe 
©otte3 braucht e3 allcrbiiißS 3)(iith, hoch häiißt ba3 
©eliiißcn von biefem allein ebenfo weniß, al3 von 
ber ßrojjcn Bald ab, fonbern von @ottc3 ©naben* 
ßeßenwart unb ©eßeit, tutb von be3 9)lenfdjeit felbft=‘ 
verlcußitcnber vöflißer ©laubcn3l)inßabe an ben 
Ferrit, ©ilt e3 be3 ©errit Sache, fo muffen bie 
vielen ßalbberaiqen, ©Wißen unb Seraaßten, bie ihr 
nur khabett unb bie 5lraft unb Gntfchloffenhcit ber 
SOluthißcn fdwcichcu, hemmen unb hinberu würben, 
erft entfernt werben, bcfonbcv3 ba, wo e3 einen ent- 


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448 


(fljrouik bet ©egenroart. 


fcfticbcncn Schritt unb ffautpf für ihn gilt; tu 
gricbe nS 3 ci teit maß man ancf> 3ene um bet 
Siebe nullen noch trauen, aber für bie &a utpfcä* 
taße beS DteicbcS ©otteS taitflcn fie ntcf>t^. 3ene 
300 finb ein Porbilb berer, bie alS rcd)te ©otteS* 


ftveitcr unb ©immelSpilger frei unb loS Dom 
bifebetr ihr Antliß richten naci) ber oberen ©ciinath 
11110 ber „flehten ©erbe", für bie cS beißt: „gürchte 
bicb nicht!"-— 2Ba3 beS ßbriften ©tärfe in 
©d)mad)beit ift, geiflt Phil. 4,13. 




(Ül)ronilt ber Gegenwart. 


©u$ bie ©irtljc Wolfen. SKcnn bie 3:cmveren3= 
leute in ben Per. ©taqfen ©ebvitte jur llnterbrfu& 
tutfl beS .battbel3 in beraufebenben ©etränfen tbun, 
bann fcbreieit ficb bie SBirthc beider barüber, baß 
bie Freiheit bccinträcbtiflt werbe, {eben aber binju: 
„3>ie Steflulirunß beS §attbel3 unb Peftcuerung 
beSfclbcn taffen mir unS gefallen." 

SBill man nun ben &anbcl beftcuern unb regvts 
lirett, io febreien fiel) bie SBirtbe wicber bctßer unb 
brüllen, baß cS eine unerhörte Ungcredrtigfeit fei# 
äcmanbcn beftcuern ju mellen, beut man nicht and) 
jußlcirf) (Srlautmiß, nämlicb Siscn 3 , flebe. 

SBirb aber gijetu mit bober ©ebübr crtbeilt, mie 
3 . 33. tüvilicl) in 3llinoiS, fo fleht baS ©ebrüü erft 
recht loS, wie ficb 3cbcrinan überzeugen fann, ob* 
wohl viele beutjdje Pürgct beS Staates Illinois 
von Fersen für biefe hohe CizcnSgebübr einftebeu. 

PJaS mellen bemt bie SBirtbe eigentlich? Offen¬ 
bar nichts anbevcS alS 8 i 3 c n h für melche fte einen 
verfduvinbenb fleineit Petrag oberaut liebften nichts 
entrhhten möchten, ober mit auberit 28orten : ©ie 
beanjprudten ben vollen ©d)t:ß beS Staates; fie 
mollcit nicht bloß bie Pemhtigung ihr ©emerbe 31 t 
treiben, fonberit auch, bah baS ©cieß baSfelbc gut= 
beißt. ®a3 oerftebett fie iiämlid) unter 8 i$en$, 
unb bafür mollett fie eine lächerliche Pagatelle jab- 
len. ©ie möchten unter ihre £ büren fteben unb 
fid) alS ©oblthäter beSPatcrlanbeSanftaunen laf- 
fen, Dem Arbeiter bie (ientS, unb ben Familien baS 
Prot ent 3 iebcn, tutfere 3 ugenb vuiniren, bie Armen* 
hättfer unb Strafauftalten füllen, unb bafür atiS 
rcinftem Patriotismus — einige meitige ®ollarS 
bejableit. 

2)a3 mollett bie SBirtbe. 

3ft eS ba ein SBunber, mctin bunberte unb tan- 
fenbe, bie bisher mahnten, man fönne ben&anbel 
mit beraitfdienben ©etränfen einfdjränfen, baSPa* 
tiier ber Prohibition aufjieben ! 

Solcher PJaebt, jolcher Unverfcbämtbeit, fold) iiu- 
mer gefteiflerten Anumtdjeii, biefem cinßefteifchteit 
Sigeitnuß gegenüber fliebt eS im lebten ©runbe 
hoch nur ein Mittel, unb baS beißt Prohibition, 
Ausrottung beS .panbelS mit beraufebenben ©e* 
tränten. Unb bastt mirb cS unter ©otteS Peiftanb 
and) früher ober fpäter int ganscit 8 anb norf) fein* 
men, iclhft bann, mentt bie politischenParteien nicht 
£>aub anleßcn mollett. 

Hinr ante ©clfßcnbctt für bie $emofraleu in 
Ohio. SÖJan faßt immer unb immer mieber, baß 
viele, viele SMänncr in ber bcmofvatifchcn Par* 
tei fid) befättben, bie für Diube unb Orbnuttfl atu 
Sonntag unb — meniflftenS—tuößlid)fte Pefdjrän* 


ftutfl beS föattbelS mit heranfdjenbeit ©etränfen eins 
ftünbeit. 

28ir mollett foldieS attd) ßertt glauben, betttt bie 
Pebauptung fomttit von fllattbmürbißer ©eite, 
©eben aber ließen fid) biefe erhabenen ©rutibfäße 
in betn bcmofvatifdjen ©ebiete bis beute nur ver¬ 
einzelt unb feiten. 

Seßt haben bie (Deutofraten ©eleflenbeit in 2 )?af}e 
bafür aitSutrüdcn. ®cr Panncrträner ber bentos 
fratifcbcit Partei ©err^oablv ift ber große 3(bvotat 
ber 2öivtbc, melche baS ©cottgefeß, baS fie nur bes 
ftcucrt, ummerfen tvolltcn, unb auf ihr Panier ge= 
fcbriebcu haben: „freier ©onntaa, unb freier 
©rfjnappS?" ®ie Plattform ber Ohio = ©eittos 
fratcu ift von Anfang bis 311 (Silbe eine 28ifd)e — 
SSafd) voll von SSiberfvrüdteu unb faßt mit ber 
Sltiemvfeblttitß cincS 8 in 3 eti 3 ßöfeßeS auch betreff beS 
„ftarfen ©ctränfo" bltitmcnig. 

S 3 eßt ihr maderett Obinofraten heraus! 

(fiue junge $iuVittttiNti>e ÄameuS panbita »a* 
mabai bereift gcgciimärtifl alle großem ©täbte Pris 
tifcbsOftinbicnS, um Povlefungen 311 ballen über 
bie 8 age ber grauen in 3 nVien fomie über bie gc= 
cignctften SOiittcl, biefeibe 311 veroeffern. Siefe 
äußerft unterridjtele Oattte ift bie 2 :od>ter eines 
gelehrten Prahnrinen unb mar einige 3 abre mit 
beut Or. Patu vermählt, einem ebenfalls bod)be= 
gabtcit Piautt, ber feine ©tubien an ber Univerfität 
von Äalfutta ßctttadd batte unb voriges 3 obr von 
ber Gbolcra meggerafft timrbe. grau Paubita, bie 
bereits burd) ibvett Pater mit allen ©d)äfccit ber 
SanSfritliteratur vertraut gemacht morbett toar, 
erwarb fid) mit Jpülfe ibreS ©atten auch bie auSges 
bebnteften ftenutniffe in ber iitbifd)en ©efchichte 
unb lernte barattS, baß vor alten Beiten bie grauen 
in Snfcicn fiel) burd)attS nicht bannt begnügten, ihre 
Stutiben nur mit ben Angelegenheiten beS ©atiSs 
baltS, mit puß ober atlerbanb eiteltt, nichtSfagcnbiit 
Älcinigfeitcn auSaufüÜeu, tvie eS jeßt 31 t gefd)ebett 
pflegt, fonberit baß fie au ber allgemeinen ©ciftcS* 
ftiltur thcilnabmcn unb viele von ihnen fidi einen 
SBatncn alS ©elebrte ttnb in ben ©iffeitfcbaftcu 
Pemanbevtc 311 ermerben mußten. Paubita 91a* 
mabai befißt eine binreißettbc Pcrebtfamfeit, unb fo 
viele Anhänger fie einerfeitS für ihr Unternehmen 
311 begeiftern verftanben bat, fo viele grimmige unb 
erbitterte geiitbfcbafteu finb ihr anbrerfeitS babttreh 
entftanben, baß matt fie für eine Aitfmieglerin gegen 
bie burd) bie ©emobnbeitett geheiligten ©ebrättchc 
beS CanbeS hält. 3)rerfmürbigermeife fiitbet fte 
tveit mehr Parteigänger unter beut männlichen @e= 
fehlest alS unter ben grauen, für bereit Piibuttß 
ttttb geiftige ©rbebung \k fo tvaaer fämvft. 


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WALDE SKEHL. 


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) 


~ 5ITtbo§m"baS'9riifie1!€ßr*ÜiA Toni ba§ SSefte 
bornn ift, c§ ift jene folibe, bauerbafte Sd)ön* 
beit, bie nid)t b(o§ fliicblifl für ben erften Stiften» 
blidf beftirtjt unb cui$ ber fjerne mit buntem 
83 


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din illuftrirtes Jamilienblntt. 


gffter 3$aitb. §eptmbet 1883. Neuntes <&eft. 



WaldöAyttkö. 


Jlon JUargarete ®rew. 



IDalbesrufye, IDalbesf rieben, 

IHein £?er3 unb Sinn erqnicfe bu, 

£afc träumenb midj bie IDelt pergeffen 
3n beiner roeifjepollen Hufy! 

Diel Ijeüe Sidjter tanjenb funfein 
3 m Sotinenftrafjl pon 21 ft 3U 21 ft, 
£id?tgrün bie grnetge mir ftd? neigen, 
IDie um 311 formen meine Haft. 


Hings ift’s fo tpunberfam, fo jtiüe, 

2Tur Häuften leis ben IDalb burd^ieljt, 
Die %erbenglocfen ferne Hingen, 

€in Döglein fingt fein frofyes £ieb — 


<D fd?öner IDalbl So la§ mid? trdumen 
Bis mir bas £jer3 poll Sonnenfdjein, 
Unb letfr miefy beinen ^rieben tragen 
3 n meines Gebens Kampf fjtneinl 



JUi$ km SdjmakitlaiibU. 

San V. 

a, fchön ift e£, baS Scproabenlänble, fo flein 
PI eS auch ift neben ben „©röjjen" be§ ®eut» 
T fepen 9teirf)eä, fo fcf)öu, baff man es, ohne 
fiep gerabe einer groben Uebertreibung fcpulbig 
gu machen, fetjon gar manches liebe Wal einen 
©arten ©otteS auf Grben genannt pot, unb 
einem echten Schmabenfinbe barf eS wohl recht 
heimelich ums .frerg werben, wenn eS in ber 
fremben gerne feiner gebentt. Schön ift ’S, 
munberbar fchön nicht bloS „brnnten im Unter« 
lonb", mo ber 9tetfar raufcht unb feine tlaren 
Wellen burd) reiebgefegnete gluren, an bid)t= 
beoölferten Dörfern unb freunblichen Stöbt eben 
ooriiber, gmifepen Wölbern oon Obftbäumen, 
fruchtbaren ©etreibefelberu unb meinbepflaugten 
fJtebenbngeln ^iitflleiten läjjt, and) nicht bloS 
brobeit am ©obeufee mit feinen plätfeberuben 
Wogen, feinen bliihenben ©eftaben unb feinem 
gewerblichen £>anbels* unb ^afenplafc mit ber 
herrlichen gernfiept hinüber m bie Wpenlanb« 
fchaft auf bem Schweige rufer, fonbent nicht min« 
ber fchön aud) in ber bunflen iannennndjt beS 
ScpwargmalbS, wo bie tlaren, frifchen ©ebirgS« 
bäcpe rinnen, jefct in tofenbem Strubel über bie 
gelfengaden fpringenb, jept ftifl burch faftig 
grüne ©ergmiefen unb üppiges Weibelanb fiep 
fcplängelnb, iefct laut unb gefdjäftig bie faufen« 
ben Sftäber ber Sägemüblen treibenb, ja fchön 
fogar broben auf ber „rauhen Wb", beren ©ipfel 
pod) aufragen jum fdjmeigeitben 5lbenbpimmel 
unb gleich einer iReipe oon Stiefengeftalten oom 
£>openftaufen bis ginn ©opengotlern oor uns 
flehen, bie ftummeti 3eugen einer glängenben 
©ergangenpeit, einer großen ©egentoart unb 
mifTS ©ott! noch auf lange 3eit hinaus auch 
einer gefegneten 3»fnnft. 

3a, fd)öu ift’S im Schmähen(änble, faft über« 
all wohin baS ©tige fiept, unb was baS ©efte 
baran ift, eS ift jene folibe, bauerhafte Schön« 
heit, bie nicht bioS flüchtig für ben erften 9Ingen= 
blief befticht unb aus ber gerne mit buntem 
83 


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450 


Hub bem Sdjmabenlänble. 


fjarbenglanje bienbet, fonbetn bie immer aufs 
Weue mieber, ohne burch grellen Sfteij flu er» 
tnüben, ben Sinn feffelt uub bie Seele erquidt, 
weil fie burd) tunftlofe Wmnutfj uub fülle uu< 
gefchmintte fiieblicpteit jum £>erjen fprit^t, uub 
ohne fidj ungefucht aufflubrängen, bod) immer 
wieber in lebeuSbollem Wechfel bei jebem neuen 
©lid eine ungeahnte 5Eicfe ihrer oerborgenen 
fcerrlichteit offenbart — betreiben uub au. 
fpruchSloS wie ein frifcher Walbftraufe aus ein» 
fachen fjelbblumen, mit würfligem $>uft unb bem 
tühlenben 3Lhau beS WorgenS. 


mohnern ift. ©ar lieblich liegt fte eingebettet 
jwifchen ben fanft anfteigenben bügeln ber fie 
rings in fd)ön gcfcpmungeuen fiinien umfebließeiu 
ben IRebenberge, wenn man Don ber „neuen 
Weinfteige" auS, bie in tühnen bogenförmigen 
Winbungen bon ben „3?itbern", ber berühmten 
föeimath beS berühmten fdjwäbifchen Sauer« 
IrautS, in ben mulbenartigen $halteffel Stutt« 
garts herabfü^rt, auf fie hernieberfcijaut, mit 
ihren ragenben SUjimuen unb ihren rauchenbeu 
Kaminen, ihrem «ranj bon blüheuben ©ärten 
uub fruchtbaren Obfibäumen, bem ©ewirr bon 



l. Stuttgart mit ber Stiftdfir$e unb bem alten ©<§lo|. 


Qfttr eine furje Schilberung bon „Canb uub 
Seuten" in Württemberg empfiehlt e§ fiep wohl 
am beften, eine rafche Wanberung bureh feine 
©aue flu machen, mit ein paar Streifflügen über 
feine flöhen, bureb feine $häler uub einer flüch« 
tigen iRaft uub Umfcpau an ben bebeutenbften 
©unlten. Wir beginnen wie billig mit ber gegen, 
wärtigen „ütefibenfl" Stuttgart, baS, Wie 
febon fein Warne unb Stabtwappen, ein ©ferb 
mit feinem munteren füllen, befagt, urfpriing« 
lidb nichts als ein Stutengarten, b. h. ein ©eftüt 
mit ben nötbigen ©ferbeweiben, Stallungen unb 
©ehöften war, unb jept bie fchöne fmuptftabt 
beS fchönen 2anbeS mit naheju 130,000 <5in« 


engen unb bucfeligen ©affen unb ©äBeben im 
ffern ber Slltftabt, wo noch ber „alte ©raben" 
unb bie bunflen Durchgänge ber „Stabtmauer" 
an bie früheren ©efeftigungen erinnern, unb 
mit ben breiten, geraben, pellen Straßen unb 
geräumigen ©läßen ber neuen Stabttpeile, bie 
fiep rings umher öor ben Sporen im greife ge« 
lagert unb angefiebelt hüben, hier mit fdjim« 
mernben reicpauägcftntteten Säben unb Sauf« 
gewölben, ©larlthallen unb f>anbelspäufern, 
bort mit herrlich gelegenen ©illen unb proept* 
boüen fianbfißen in reijenbem ©efehmaef gebaut, 
bie fich bon ber Spalfople ouS an ben $iigeltetten 
emporjiehen. 


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Hus bem 2d)roabenlünbU. 


451 


Hein SBunber, bafc man Stuttgart feiner eine ©tunbe entfernten, Don Hurgöften nu§ aHer 
lieblichen Sage unb herrlichen Umgebung »egen Herren Sauber, namentlich auch 2lmerifanern, 
fchon oft, wenn auch öieUeichl etwas liihn, mit ftorf befu<hteit ©abeort Ganuftatt führt, 
bem ftoljen tJloreng berglidheu h«t: tuet bon bem unb mit feinen berfchluugenen 28egen, laufchigen 
rauheren Worben lornrnt, ben mag eS mohl h»er Wuhcplafechen, herrlichen ©aumgruppeu, fainmt- 
gnm erftenmal roie eine ©orahnung uoit bem | grünen 9tafenf(ci<hen, fiirftlich auSgeftatteten ©e« 
fonnigen ©üben anmuthen, (neun er in lauer j mächShäufern unb ©lumenbeeten, Seichen, ©ta« 
Sommernacht au bem grofeen Scpmanenteich I tuen, ©aDillonS u. f. m. febem ©pajiergünger 
hinter bem Wefibeujfchloj; fleht, beffen inannS. i offen fteht. 

biefer, h«h emporgefcpleubeter SCBafjerftrahl im j $on bem fepönen „neuen Schloß", ber 
milben Wonblicht wie ©ilber glcinjt, unb ihn löiiiglicheit Wefibeiu, in reiitftein unb reichftem 
ans ben buntlen buftigen Haftauien, jwifepen | Sicnnaifanceftljl erbaut, bie Huppel beS Wittel« 



2. Stuttgart, bie neue QkxrnifonÄfircte. 


blühenben Gitronen« unb Orangenbäumen oei« 
theilt, bie weißen Warmorbilber wie ftumine 
©eifter ber ©orjeit grüßen. 9iur eines fehlt — 
©tuttgart hot leiber feinen 9lrtto, fein Wecfar 
fliefet erft eine jlarfe hnlbe ©tunbe entfernt bei 
ber Sorftabt ©erg an ihm ooriiber, bie aber 
burdj eine ©ferbebaljn eigentlich fepon gan;) mit 
ber fwuptftabt felbft oerroachfeu ift. 28er bie 
ftaubige 6^mtffee oermeibeu unb fiep einen 9ia= 
tur= unb zugleich Hunftgeuuß gönnen miß, wie 
ihn Dielleicht nur wenige beutfehe £>anptftäbte 
barbieten, ber maubert ?u burch bie fcpattU 
gen „Anlagen", einem pracptooll angelegten tmb 
wohigepflegteu föniglictjen ©arf, ber nach bem 


baueS gefchinücft mit einer großen Dergolbeten 
3?ür|tenfrone, jmifepen ben beiben ftattliehen 
Seitenflügeln mit ihrer faft derfcbmeuberifihen 
ffiille unb 3'erbe Don Silbmerfeit aller 2lrt in 
©tein unb Sronje, bem geräumigen, founen« 
befepienenen £>of unb booor ben „Scplofiplnß" 
mit feinen beiben raufcpenbeit ©pringbruitnen 
unb ber hohe», fcplanfen „^ubilciumSfäule" in 
ber Witte, einem Wonolitp Don febwäbifepem 
Scpmarjmalbgranit, beffen ©eiten bie Dtelief« 
bilber ber fiämpfe unb Siege ber 2Bürttemberget 
unter ihrem tapferen Hroupriiueu unb fpciteren 
.Honig 28 i I h e (in gegen ben franjofifepen Grb« 
feiub in wohlgelungenen, lebenSDofleu ©ruppcu 


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462 


Hut btm 3d)wabrnlänMe. 



unb ptadjtöoller 3lu8fütjrunß in 8rjfltife jeiflen, 
gewaljrt man (eiberauf unferem ®ilbe (1) nichts. 

Unb bodb ift biefe mit bunten Ölumenparcjuetö 
unb $eppid)flärtnerei im feinften OJcfetjmacf au§= 
flelejite (vlä^e ihrer flanjeit Sänfte nacf) begrenzt 
bon ber ftploollen Jacobe be§ „Äöniggbaui" mit 
feiner im ebelften ÜJtafc unb f(affifcfjem formen, 
finn gehaltenen Säulenhalle mit ihren fünft« 
reichen .»Kapitalen oou ooüeubeter Schönheit, 
unftreitig ber fchönfte öffentliche '-ßlajj ber ftaupt« 
ftabt, ber beit ftremben faft unmittelbar an ber 
Pforte be§ nahegelegenen reidjflefdjmiidten Saljn= 
hofö mit feinen hohen, »eitgefpannten, gla§- 
bebedten eifernen fallen empfängt unb fofort 


8. „©irfclma" bei Ganftatt 

auf eine ber derfebrSreicbften unb glangenbften 
Cmuptftrafeeu flirrt. ♦ 

dagegen fiebt man linte ben biden Sdtburm 
be§ „alten Schlöffet", tm3 fidb gwar an 
Fracht unb ©röfee mit bem neuen nid)t meffen 
lann, aber bod) mit feinen 3i nncn / portalen 
unb Quabermauern einen ftattlid^en 9Inblid ge* 
mäbrt unb jebem Württemberger al§ einftiger 
Stanunfip unb Wohnort feiner alten erlaubten 
©rafen unb £ergöge lieb unb tbeuer ift, beren 
einem, Gberbarb im Sart, im engen Sdjlofebof 
mit feiner breiten, gewaltigen Freitreppe, auf 
ber man früher felbft gu 'Pferde bi§ auf bie 
ringsum laufenbe ©aflerie gelangen tonnte, ein 
SDeiifmal errichtet ift. innerhalb be§ £)aupt* 
gebaube» felbft befinbet fi<h bie „Scblofetapefle", 
ein wahres S<hmudfäftd)en ebelfter Saufunft im 
firengften gotbifchen Stpl, mit praebtooflen ©la§* 
gemülben in ben boebgewölbten Sogenfenftern 
unb Sofetten, mit golb* unb farbenreichem 


Schmud ber ßreugbögen unb 3)edenroölbungen, 
funftooüen £olgfchnipe*eien an flanjel, Sitar 
unb @borftül)len, mo ber berebte Wunb ©erofS, 
des Sängers ber „palinblätter", Sonntag um 
Sonntag eine dichtgedrängte Schaar um bie 
Predigt be§ ©dangeliumS faminelt. 3n ber 
Witte be§ Silben erbebt ficb bie altebrtoürbige 
Stiftöfirche mir ber ©ruft ber töniglidben 
Familie unb ber dergolbeten Mangel, auf ber 
eiuft Sreug, ber Reformator Württembergs, da* 
lautere ©otteSwort derfiinbigte unb bis oor ßur-- 
gern ber eble, fromme, auch in weiteren Greifen 
tooblbefannte Prälat flapff fein lebenswarmes 
3eugnife erfchallen liefe, »o dom ffrange des 
runbeit SEburmeS noch jebeit 
Worgen unb Sbenb ein Gbo= 
ral wie ein FriedenSgrufe don 
Oben an baS unruhige Wen* 
fchengemübl ba drunten in ben 
ftaubigen Strafeen unb auf 
ben lärmenden pläpen in bei» 
lern pofaunenfcball hernieder* 
tönt, roäbrenb nicht weit baoon 
in einer anberen 4>auptfircfee, 
gu St. 2eonbarbt, 3abr* 
gebnte lang in großem Segen 
ber geiftgefalbte dichter Ulbert 
JJuapp mirfte, an berfelben 
Stätte, wo dor ihm unb tbeil* 
meife noch mit ihm bie beiden 
£>ofader, bie beiden Sieger 
unb fo mancher andere au* ber 
Schaar ber württembevger 
„Pietiften" dom guten alten 
Schlag unb don echtem itorn 
unb Schrot, bie in ben Wegen 
beS fcferiftfunbigeu Bengel, 
beS tieffinnigen Oetinger, beS 
lieberreichen filier, beS origi* 
tielleu Ffottid) u. f. w. einbergingen, unb gemäß 
bem 2oofungSwort beS fcbwäbifchen Fünften* 
häufet „furchtlos unb treu", bie göttliche Wahr* 
beit beS lebendigen ©bnftenglaubenS mitten nn* 
ter bem Unglauben unb ber 2iige einer geiftig 
tobten Welt aus perfönlicher £)ergenSerfabrnng 
predigten. Roch beute blüht unb reift ber don 
ihnen auSgeftreute fruchtbare Same in den ftillen 
Greifen der fogenannten „Stunbenleute", bie 
faft im gangen 2anbe, felbft im fleinften ab* 
gelegenen $örflein fidb fammeln unb ohne diel 
2ärm als 2id)t unb Saig gu wirten noch nicht 
aufgebört haben. 

Unb man gehrt in Württemberg nicht bloS 
don ben Schapen ber Vergangen beit aus ber 
3eit ber frommen SSäter, man gebeult auch diel* 
fach in liebewarmem und glaubeuSftarfem Sinn 
ber geistlichen Roth der ©egenwart mit ihren 
tbeilweife fo gang anberS geworbenen Sebiirf* 
niffeit unb neuen SBerbältniffen. So wuchö mit 


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Hu« bem Sd)ttiabrnl8nbU. 


453 


bet }iinef)utenben SBebölferungSjiffer (Stuttgarts, 
wenn auch noch lange nid^t in oöllig geitügenbem 
©iafeftab mit ihr, bie 3afjl feinet ©otteSfjäufer 
nicht bloS um bie grofje, prädjtige © a nt i f o n S= 
t i r d) e (33ilb 2), einer perjüngten 9ta<hbilbung 
beS berühmten ©peperer 2)oittS im ebelfiett roma« 
nifcfjen SRunbbogen» ober Safilitafitjl aus buntem 
©anbftein erbaut, fonbern auch um bie uod) weit 
tfjönere rein gotl)if<he 3 o h « n n e S t i r dj e am 
ogeitannten „geuerfee", in bent fie fich mit ihren 
cbfanleu, bintmelanftrebenben Pfeifern, ©au« 
en, ©pijbögen unb ber funfiboll bur<hbrod)enen 
S-burmnabel mit ihrer $reujeSblmue fpiegelt, 


Fracht im mautifchen ©tpl erbautes, bereit* 
hambra nachgeahmtes Sab mit fürftlich aus« 
aeftattetem 2uftfd)loj} boü ber foftbarfteti 3?reSfen, 
Statuen, Silbwerfen, 3Saffenfamntlungen unb 
anberen Äunftmerfeit aller s ilrt. 9liiS ber ffetne 
Winft ber „ r o t h e 33 e r g " herüber mit feiner 
Heilten gried)if<h*fntholifchen ßirdje, ber 9tuhe« 
ftätte ber ebleit Königin ß a t h a r i n a, ber 
„Stutter beS 2aitbeS" unb feiner hohen 3SßohI» 
thäterin, einer 3ßrhijeffin beS ruffifcbeit ßaifer» 
haufeS. $ann brängt fid) in biefem bichtbeoöt« 
tertften unb frudjtbarften SanbeStheil $örfd)en 
an Dörfchen unb ©tabt an ©tabt, aüe fauber 



4. $eilbronn, 3Rarltpla& unb 9tatWauS. 


Wo?u noch manche aitbere fchmudlofere S rf bigt« 
pläke unb Kapellen, ber ©aal ber eonngelifdfen 
©efeflfdjaft u. f. w. fommen. 

Stuttgarts niirfjfte Umgebung gehört un» 
ftreitig }u beit reisenbften ©egenbett 323ürttem= 
bergS. Sor nitS öffnet fich baS liebliche Stedar» 
tljbi, bort fteht ber 9t o f e n ft e i n mit feinem 
Juititel unb ber fich unmittelbar baran an« 
fchlieftettben Häitgebrüde für bie (Sifettbaljn, 
bann bie Jöniglidje Silin mit ihren auSge« 
behüten ©ärten unb ^erraffen, unb bitrdj einen 
Surf mit ihr oerbunben, ber fich theilweife un» 
mittelbar am Stedar h'njieht, bie fogenannte 
SBilhelma (Silb3), ein Pom ßöitig SBilhelm 
mit oerfchwenberifdjem StirtiS unb orientalifctjcr 


unb reinlich, gemerbreich unb oerfehrSreid), meift 
in ©ärten unb Obftwälberu Derftedt, burch’S 
immer mehr fich erroeiternbe Stedartljal malerifch 
hingeftreui, halb an bie Stebenhiigel fich an« 
lehnenb, halb jroifcheit Saubioälber ober 3rud)t= 
felber hingefchmiegt, ein Sanorania, toie eS fich 
taum fonftwo auf fo bef^ranftem Stimme bieten 
wirb. 

Stad) einer anbereu ©eite hin ragt über bem 
nahen SubwigSburg, bem fchwäbifchett 
Sotsbam, früher ber glängenben Hofhaltung 
Pon ©tafen unb Herzogen, jefct einer langweilt« 
gen, einförmigen W i (i tärft ab t mit ihren ßafer» 
tten unb (S.rfwcrpläjjen, p n § ^ctgbfdjloß © o l i« 
tube auf walbbewadjfeiter Höhe empor, eiuft 


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464 


Hus hm $d)roabrnlSitblc. 




6. <S($lüäl'iid)e $ocffteii. 


ber Sdjauplafc üppiger ^>offefte im ©efd)macfe 
2ubmig XIV., aber and) ber „Salon" mit fei= 
ner ®rgiehung»anftult uiib baö ftifle $ornttjal 
mit feiner non aller 33erbinbung mit ber 2anbeS= 
tirdje unabhängigen, unter feinem Sdmtt, aber 
and) feinem 3mang beS Staatsfird)entbum» 
ftefjenben blübenben freien ©emeiitbe unb ihren 
„Suftituten" unbenb' 
lid) etmaS meiter eut= 
feint bic 

$ o f) e u a S b e r fl, 
mo ber füpne Oid)ter 
S d) u b e r t, ber 
Sänger ber „dürften 2 
gruft", in £>aft lafl, 
unb bereit prad)U 
bolle, meitreidjeube 
Dhinbiid)^ fid)erlid) 
für bie Staat» = ©es 
faitgeneit eine gang 
bcfoitbere SBerfchär* 
fiutfl ihrer Freiheit»« 
ftrafe mar. 

SBieber nach einer 
anberen 9tid)tung I)iit 
lieflt baS reigenbe 
$) o f) e it f) e i m , bie 
jeUifle s 2üabemie für 
Sanbmirthfdiaft, frii= 
her ber berühmte 
Saitbjtfc beS &ergogS 
$ a r l unb feinet 

//SrangeleS", jenes e. $«* „aöin>imb' 


geiftboflen aber eigenfinni¬ 
gen unb launifchen fürfttidp 
^chultneifterS, ber Schil* 
tcr’S glängenbeS ©euic in 
feiner Öreffur = 2litftalt, ber 
„ÄarlSfchule", gunt ®iebigi* 
iter auSbilbeit moflte; nicht 
allgttfern baboit 2 e o it b e r cj, 
bie £)eimath Sdjef lingS, 
beS $hilofopheit, unb meiter* 
hin SB e i l e r ft a b t, ber 
©eburtSort be» 9(ftronomeit 
Äeppler. Ood) mir fön* 
nen fie hier nicht ade auf* 
gähleit, bie mehr ober nttnbcr 
berühmten Orte beS ^djma* 
beitlänbleS; meber Watb* 
fing eit im ftiflen 9iemS* 
thal, bie einftige „SPfafa" 
ßarls beS ©rohen, ttod) bie 
geräufdjDotle Qfabrifftabt g h= 
litt gen, nid)t einmal 
Wiirttemberg’S ßleinob, baS 
Sd)iüerftäbtchen a r b a dj, 
föitnett mir eitigeheitbcr fdjiU 
bent, mo noch’baS fleine be= 
fd;cibene „Sd)i(lerhäuS(e" ftcht, mährenb eS ba» 
riefige grgftanbbilb feine» groben Sohnes an 
bie äiefibeng abtreten muhte, nur gmet fünfte 
am Dtedar mollcit mir noch befuchett, an feinem 
Unterlauf $ e i 1 b r o n it, an feinem Oberlauf 
bie 2anbeSuniocrfität % ü b i n g e tt. 

3n Q e i l b r o tt n, beffen SlathhauS mit 


im 


Digittzed b yV^ooQle . 












Uns brat BdjroobentänMe. 


455 


feiner fäulengefdjmüdten ©alle unb kreppe unb 
ber großen aftronomifdjen Upr (®ilb 4) am 
lötarftpluß bei ber alten .Qilianäfirdje ftefjt, boit 
ber ein naioes ©eilbronner flinb üoU ®ewun» 
berung einem frentben ©afte rühmte: „Sie ift 
»oit Stein, unb ift pier gemadjt," erinnert ber 
fdjon tjalbjerfaflene „©öiientfjurm", fomie baS 
nabe, an beut »on hier an für tleine $ampfboote 
fdjiffbaren jjrluß gelegene, malerifdje Soolbab 
3 a r t f e I b an ben gelben be» ®auernhiegS, 
ben ©oft »on ®erlidjingen „mit ber eiferneit 
©anb." 64 ift ein gar munteres, leidjtlebigeS 
nnb luftiges ®öltleiii, fdjon mit bem tufdjeren 
fräntifdjeh ®lut »erfeßt, baS bort auf bem 


Saljbergwert SßilhelmSglüd. $ort fieljt 
man noch manche originelle SSolfötradjten ber 
alten „Sieber", toie fie ber ©ochjeitSgug auf 
»ilb 5 geigt, bie ®raut mit ber fogeminnten 
„Sdjappel", einer Jhone aus Jlitlergolb, unb 
bie grauen in ben großen, bopen „Ühibhaupen" 
»on fdjwargem Sammet mit Silberfdjniiren unb 
einem fdjleierartigen Seibenflor. Sftodj näher 
gegen bie mürttembergifdje ©renge bin liegt baS 
fonnige Saubertfjal mit bem ®abe e r g e n t» 
1) e i tu, bem früheren SeutfdjorbenSftift. 

SBrniger milb unb marm als in biefen an» 
muttjigen 9?ieberungeit ift es auf bem Schworg» 
toalb. Seine fdjönften ®artljien unb büdjften 



„Sßartberg" mit feiner herrlidjen Qrerufidjt um 
große Sencr tanjenb, unter munterem Sang uitb 
Älang feine berühmten ©erbftfejle feiert. 

3n lurjer ©ntfernung ift 2Ö e i n § b e r g mit 
feiner „Sßeibertreue" unb bent traulidjen Siebter» 
beim beS gemüthootleu „©eifterfeljerS" 3 u ft i» 
nuS ferner, baljinter bie Dhiiuen »on 
fiötueitftein unb ain f^uße berfelbeit boS alte 
Jtlofter 2 i dj t e tt ft e r n, jeßt eine StettungS» 
anftalt für »erroabrlofte Äinber, unb ein Sinnen» 
fcfjullebrerfeminar nadj bem SJiufter »on „®ater 
geller" in ®cuggen bei ®afel, and) einem „roürt» 
temberger fDtagifter", eingerichtet. 

SBieber ttidjt aUjuroeit entfernt ift ba§ „©oben» 
lobifcbe", bauptiadilidj »ber bie frühere fReidjS» 
ftabt ©all mit ihrer fdjönen IDtidjaeliSfircbe, 
ihren wohleingeridjteten Salinen unb bem nahen 


©ipfel finben fi<h aüerbingS nur im füblidjen 
Sljeil, im „babifdjen Oberlanb", aber muh ber 
nörblichen fdhtoä&ifc^cn ©älfte fehlt es nicht an 
2anbfdjaften »on eigentfjüntliebem üteij unb 
tfjeilmeife wilbromantifdjer Schönheit, ©ier 
hören bie fünften ©iigeljiige mit ihren meinen 
SBellenlinien auf unb machen fdjrofferen ©oben 
unb ftcileren Reifen ®laß, alle bebedt mit ben 
buntlen immergrünen Sonnenwalbnngen, bie 
»on tiefen ©iufdjuitten, enggerounbenen Sh»lern 
unb fdjmalen Dlinnfalen burcfjgogen, in benen 
bie 2öilbbä<be »oin ©ebirge hemieberfihäumen, 
meilenroeit, oft itumnbfebbnren flächen, SBipfel 
an SCßipfel unb Etamin an Stamm, barunter 
gewaltige ütiefeit, bie fogeminnten „©ollänber", 
bie in ungeheuren flößen beu dibein hinab nad) 
©ollanb auf bie Schiffswerften gehen, fid) aus- 


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456 


Hub brat SdptmbralSnble. 



beljnen, mit ihren bitten ©Ratten, ihrem fdbwel« 
lettben '©tooSteppidß, ihren nabelglatten tjuß« 
pfaben, ihren taudhenben Kohlenmeilern, ihren 
Üppig roucßernbeii fjeibelbeerbüfdhen unb ihrem 
erquidenben fjargbuft. ^rifcpe 8uft unb frifdjeS 
SBaffer giebts h' er in £>ütle unb ffülle, unb roer 
ein roeltfrembeS unb ftaubfreieSSluSrubepläßchen 
für heile ©ommertage, ein ftilleS Slfpl aus öärm 
unb Unruhe heraus fudßt, ber finbet eS ftcßerlich 
hier hei bem einfachen armen fleißigen ©ölflein 
ber ©dhwargmälber, bie freilich, wie ihre £>ei* 
moth, auch mamhntal etwas Rauhes, Hartes 


8. 8i<$t«nfletn. 

unb ©dßroffeS haben fönnen, unb biel ber» 
fdjtoffener, faft unzugänglicher finb, als fonft bie 
„gemüthlidhen" ©chroabeit im fröhlichen, freuitb« 
ließen Unterlanb ober audh im lebensluftigen 
Oberlanb mit feinem frifdjen, freien, genuß« 
jiihigen Rtenfcßenfchlag. 

freilich barf er bann nicht gerabe nadh bem 
belebten unb berühmten SB i 1 b b a b gehen 
(Silb 6), baS einft bem ftreitbaren (Sberfjarb 
bem ©reiner mit feinem mannen Ouell bie 
SBunben heilte, bie ihm manch erbitterter Kampf 
feines fehbereichen fiebenS fcßlug, jeßt aber ein 
großartiges ©tobe« unb SujuSbab geworben ift, 
wenn er bie echte unb unoerfälfcßte ©cßwarg« 
roalbnatur genießen will, foitbern in eines ber 


Heineren unb bodfj fo ungemein lieblichen unb 
heimelidben ©abeörtlein wie Üeinad) mit ber 
©urg 3 a o e l ft e i n, Siebengell, Herrenalb, 
aüe nicht weit entfernt bon 6 a l m, wo ber 
„©tiffionSbater" $r. S a r t ß wohnte, wirlte 
unb fiarb, unb nom Klofter & i r f a u mit feiner 
berühmten Ulme, bie aus bem gefallenen ©e= 
mäuer heroorgemadhfen, bie gange Ruine male« 
rifdh überfdßattet, ober er muß beim frönen 
©tabtlein Qf r e u b e n ft a b t ben hohen Knie« 
bis mit feinem RuSblid auf ben Rhein beftei« 
gen, ber wie ein ©ilberbanb am fernen Hori« 
jonte fich hingießt. 

©alb nachbem baS fdem liefe 
©cßwargwalbfinb, ber Stedar, 
feine ©ergeSheimath oerlaffen hat, 
fließt er, noch felbft ein feder, 
„flotter ©urfeße", am alten SE ü = 
hingen oorbei, beffen ©cbloß 
„Hoßentübingen" unS©ilb7geigt. 
©on bem hinter bemfelben ge« 
legenen „©cßängle" fdhmeift baS 
Sluge hinüber gu ben blauen Ser¬ 
gen ber ©chwäbifdhen Sllb, wo 
gang befonberS freunblidh bie oieü 
befudßte unb auch bielbefungene 
„SBurmlinger Kapelle" herüber« 
fieht, währenb fict) oom „Oefter= 
berg" aus ber ©lief ins ftille, ro» 
mantifdheSlmmcrthal öffnet. Un« 
ter ben „alten Käufern" oon Sü= 
hingen, bie faft unmittelbar am 
ftlußufer in ber „Stedarhalbe" 
liegen, ift unftreitig baS berüßm« 
tefte baS „theologifcße ©tift", aus 
Welchem feßon fo manche „©röße" 
herborgegangen ift, nicht etwa 
bloS ein Hegel, ein ©trauß 
unb ©aur, fonbern auch ber ori¬ 
ginelle ©dhriftforfdher 3oß. $ob. 
©ed, ber grunbgeleßrte ’&or« 
ner, ein Köftlin, ©ßriftlieb unb 
Wie fie alle heißen mögen, bie ©er» 
treter ber tßeologifcßen Söiffen« 
fdßaft, bie faft jebe ber bebeutenberen beutfdhen 
Unioerfitäten fich aus bem ©cßmabenlanbe ge¬ 
holt hat, unb bie ihren Seßrftüßlen fäinmtlidh 
gur 3ierbe gereichten unb in ihrer perfönlidhen 
Söirtfamfeit wie in ihren Schriften ben SemeiS 
liefern, baß, wenn eS eßebent gum Rußm unb 
gur @ßre ber ©eßmaben gehörte, im Kriege baS 
Reichsbanner borantragen gu bürfen, jenes 
graue, ehrmürbige „©tipenbium", baS ber 
fromme fjergog ©priftof aus einem Sluguftiner« 
flofter in eine ©flangftätte afabemifd)er ©tubien 
umgefeijaffen, noch heutgutage bafiir forgt, baß 
ihre Racßtoinmen auch auf ben ©dßlacbtfelbern 
geiftiger Kämpfe nnb ©ewegungen noch nicht in 
ben ießten Reihen unb im Hintertreffen fteßen. 


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Hus brat SdpoabralSnble. 


457 


Stuf bem „©öbrb", baS mit einer mehrfachen male beS SJtittelalterS, teiber mit noch unbolU 
fcbattenreidben Saumreibe eingefaßt ift, erbebt enbetem 2burm, aber mit einem SJtitteUScbiff, 
jtdb baS $enfmal beS Patrioten unb Sinters baS höher als baS irgenb einer anberen Äirche 
Subroig Ubtanb, unfern ber langjährigen 2)eut(<hlanbS ift, felbft ben Kölner 2)ont nicht 
Stätte feines ©irfenS, fein ©rab liegt nicht weit ausgenommen, unb einer ©runbfläcbe, bie einen 
bon bem be§ 2oitfeßerS unb 2)ireftorS ber ,,2ü» Sißraum für 15—18,000 ©erfonen barbietet, 
binger Siebertafel", Sriebridb Silcher, Stur ein Heines Oenfmal ber Slcbitettur inner» 
be§ gemütbbollen Sängers ber „Soreleb" unb halb beS fcbroäbifdben SanbeS, bodb fdfjon bicbt 
ber „Sdbmäbifcben ©olfsiieber" unb in ber Stäbe an ber bnbifdjen ©renje gelegen, ift ihm noch 
rubt audb bie eble unb finnige ©rjäblerin 0 t» ähnlich, ja ebenbürtig: bie alte Gifterjienfer» 
tilie SBilbermutb, berengaftlicbeS©oljn» Slbtei ©taulbronn bei ©retten, bem ©e» 
bauS manch fröblicbem (freis junger £erjen jum burtSort ©fjilippSltelandjtbonS, beS praecoptor 
anregenben SJtittelpunft biente. Germaniae, beffen geiftige ^eimatfj Tübingen 

Slußerorbentlieb lieblich unb anjieljenb ift bie unb ©ittenberg mürben, mit bem fagenberübm* 
Umgebung oon Tübingen mit ihren fteunblicben ten „3?aufttburm" an feinem See. 

Dörfchen unb Stäbtdjen, mit 3to tie n bürg, 35 on Ulm aus öffnet ficb bie flache aber außer» 

bem Sife beS Sifdjofs unb bem Iatpolifcf>en orbentlicb fruchtbare „Oberfdjmäbifche £o<h» 
©riefterfeminar, meiterbin bie ©über Stiebemau ebene", bie allmählich bis nach bem ©obenfee bin 
unb 2fmnau, bon roo aus man leicht nach C>orb ftch fenft; nicht aÜ 3 u ferne bon feinen ©eftaben 
unb Storbftetten gelangenfann,ber^eimatb ragt ber einfame |>obentroiel empor, mo 
8ertbolb9luerba<bSunbbemS<bauplabber Sdbeffel'S „Gdebarbt" fpielt, aus ber ©orjeit 
meijten feinet „SdhroarjroälberOotfgefcbichten". berühmt burch feinen „itommanbanten" G on» 
2)o<b mir lönnen uns bi« nicht mebraflju rab SBiebetbolb unb ben frommen unb 
lange auf halten, roenn mir noch einen ©treifjug eblen 3 ob- $ a f. SJt o f e r, ber bort gefangen 
nach ber rauben Sllb unb einen ©aftbefuch in faß unb manches gottinnige Sieb an bie SBänbe 
Cberfdbroaben machen tooHen. 3[ene berbient feiner JJerferjeKe fcbrieb. ©in ganj befonberS 
aflerbingS ihren Stamen „fteüenmeiS" reichlich, liebliches Stüdlein beS SBürttemberger SanbeS 
entfchäbigt aber bafür auch mieber burch bie ift enblich auch bie fog. ,,©aar" bei 2 u 11 = 
eigenartige Schönheit ber Sanbfchaft. £ier giebt lingen, gegen baS „Sigmaringifche" bin, mo 
eS nicht bloS meitgeftredteS SBeibelanb, fonbern baS obere 2)onautbal mit ben $(ofterruinen bon 
aud) am tJfuße ber b°hen Serge prachtbolle ©euren liegt. Oodjbamit genug! ©ottfeguebaS 
©iefentljäler, bie mie g. S. baS Senninger 2bal. Schmabenool! unb fein ganjeS fcböneS „Säuble", 
in ber Äirfdhenblütbe ein ©artberjiel bieler baß es bon ipm auch fernerhin immerbar beißen 
heiterer SfrüblingSgäfte bilbet, unb auf ihren möge, mie eSborSllterS hieß: „£ie gut SBürttem» 
|)öben herrliche ©albungeit, mie biejenigen bon berg allewege!" 

Urach, bem alten Stammfcbloß beS ßaufeS --^_ 

©ürttemberg, mit feiner „Surg", feinem 

„©ajferfafl" unb feinem „SJtäbelcSfelfen". Sin» fflßo feljtt’S? ©ineS 2ageS blieb ein Schnett» 
bete cntereffante ©unfte finbbie 2 ed bei Äirdfj* jug bei einer {(einen Station fteben; als ber 
beim unb in ber Stöbe ©ab Soll, roo ber ttlufenthult fich berlängerte, fragte einer ber 
fromme.©farrer Slumbarbt feine weithin be. SReifenben ben Sortier: ©aSgiebt’S? 3ft fein 
fannte fegenSreicfje Siebes», ©laubenS» unb ©e» SBaffer mehr ba ? — SBajfer genug, antwortete 
betSarbeit tbat, ber Steuffen bei Stürtingen, biefer, aber eS focht nicht! 
bie Sldjalm bei Steutlingen unb oor allem baS 2Bir haben auch ©affer genug in unferem 
Schlößlein „Sichtenftein" (Silb 8), um welches Sanbe, wir haben baS lebenbige ©affer, bie SU 
ffiilbelm £auff’S gleichnamige reijenbe b e l; eS giebt auch biele gläubige ©farrer unb 
Sichtung einen unoergänglichen poetifdhen eine fchöne Slnjaljl gläubiger Sriien; aber alles 
Schimmer gewoben, unb bie benachbarte Sie» bieS fod)t nicht! ©ir finb oft lau. Saßt uns eins 
b e 1 b ö b l e, baS Serfted beS £>erjogS Ulrich. werben unb bitten, ber £>etr möge uns ein neues 
Stach einer anberen Stidhtung bin liegt ©lau» Seben fdhenfen burch feinen b- <&eijt. Oenn ein 
beuten mit feinem „Slautopf", einem füllen furchtbar fchredenerregenbeS©ort ruft auch uns 
See bon rounberbarer tiefblauer t?arbe, unb ber^errju: „2nS fugt ber Simen, ber treue unb 
Weiterhin bie alte freie SteidßSftabt Ulm, jeßt wahrhaftige 3 ei *ge, ber Slnfang ber ©reahtr 
SunbeSfeftung, an ber bon hier an auf größeren ©otteS: $<h weiß beine ©erfe,'baß bu Weber 
Ääbnen, ben fog. „Ulmer Schachteln", fchiff« falt noch warm bift. Sich, baß bu fall ober warm 
baren ®onau, bauptfädblidb berühmt burdj fein wäreft! So aber, weil bu lau bift, unb roeber 
„SJtiinfter" *), eines ber großartigen Saubenf. falt noch warm, Werbe ich bich auSfpeien aus 

-- meinem SJtunbe_SBer Obren bat, ber höre, 

•) grüner in §au8 unb öerb abgebitbet waS ber ©eift ben ©emeineit lagt." 


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458 


Pit Ptjnatmtortfdjniiiruiujfn. 



IS Pie Ptjttamitflerfd)W0nui0e!i. Bl 

»on grong tun öoltftnborff. 


f r ur feiten gefdjiefet eS, bafe 3Ser= 
bredjer, bie fief) gur Söenc^itttfl 
t großer Kliffe timten berfdjrooven 

*» gilben, ihr Opfer borper njornett 
unb auf baS Oafein ihrer 3Scr= 
fchmörung aufmerlfant machen. 
3(lS ein befannter fyii^rer ber triften genier 
auf amerifanifchem ©oben ben ©nglänbern ben 
Otynamitfrieg erftitrtc unb mit ber planmäfeigen 
©ernidjtung ettglifcher gabrifen unb ©eefdjiffe 
öffentlich brotjte, tnaren nur toenige geneigt, in 
biefen fttnfünbigungen etwas anbereS gu er« 
blicten, als einen prahlerifdjen, auf äugfttidje 
©emütfeer berechneten ©infchiichterungsoerfuch. 
©ur gu ba(b haben fidj jette Drohungen wenig« 
ftenS fo toeit berwirflicht, baß an ber 6rnftli<h= 
teit beS geplanten ©ernichtungSfriegeS nicht mehr 
gegmeifelt »erben fann. OaS englifche ©arla» 
ment hanbelte angefidjtS ber fo unnermuthet ent« 
hüllten ©achlage mit ber entfdjloffenen SRuhe 
unb ©eifteSgegenmart eines ©tanneS, tttbem 
eS ohne alle drörternngeit unb ohne parlanten« 
tarifdje ©erentonicen binnen wenigen ©tiniben 
ein neues ©traf = ©efeß gegen ©tifebranch ber 
©preitgftoffe burch alle ©tabien ber ©erathung 
in beibett Raufern hinbttrd)eilen liefe. 

©iS bor wenigen ©Jonatcn war man faft 
überall in Europa geneigt, baS ©orlommen po= 
litifcher Opnamitberfchmöruitgen als ein ©rioi« 
legiutn ruffifcher ©taatSgerriittung gu betrauten 
unb bagegen bie Slnmenbuttg einer freien, re« 
präfentatioen StaatSregierungSmeife als ©eil« 
lniltel gu empfehlen. ©nglänber ttornehntlid) 
glaubten bis bor furgem mit unerfihütterter 
UebergeugungStreue barmt, bafe politifcher ©torb 
unb ©erfepmörung als ©terfgeicheu ber Opraitnei 
unb M uedjtfdjnft angufeben feien, ooit betten fjeie 
©taaten oerfchont bleiben. Unb fie butten in 
ber 2h«t bamit oollfontincn baS Nichtige ge« 
troffen, infofern fie gunächft ftetS nur att ©rofe» 
briiattnien, an ©nglanb unb ©chottlanb bachteit, 
glcichgeitig aber and) bergafeen, bie ©rohe ihres 
SebrfaßeS an grlanb gu machen, um gu erten« 


nen, bafe bortbie Kehrfeite herbortrat. ©tobeme 
politifche ©erfaffuttgSformen tonnten in grlanb 
jene wirthfchaftlicheu Sermüftungen, lird)li<hf 
Unterbriicfungett, gefellfchaftliche Knechtungen 
nicht heilen, bie unjertrennliche ©rfcheinunaen 
ber englifchen Groberttttg in früheren gapr« 
hunberten geWefen unb bis gu ber Kutholiten» 
emancipation unb ber neueren ©dergefeßgebung 
geblieben waren. 

Oie neuefte Opnamitberfchwörung ber gren 
entbehrt trofe fcheinbarer ©eufeeit in ben Gingen 
aufinerffanter ^Beobachter ber ©uffälligfeit. ©eit 
gaferhunberten unaufhörlich fortfchleichenb, un« 
berföhnlid) gegen ©nglanb anliimpfenb, mar 
biefelbe lebiglith baranf bebacht, eilten burch #f« 
formgefeße ber ßnglättber borbereiteten grie* 
benSfchluß burch gufammenraffting aller Sei» 
benfehaften beS irtf<hen ©oltShafieSju einer ge» 
maltigen Sluftrengung unb burch ©ermenbung 
ber neuefteu ©erfchmörungStechnil gu 
berhinbern. 

Oiefe neuejte Oechnif beS ©erfchwörungS« 
WefettS mar burch ben rttffifchen ©ihiliSmuS 
uugweifelhaft erheblich berbollfommnet worben. 
Hin ©teile beS OolcheS unb ber ©iftole war als 
©erbvecbeuSmerfgetig Opuamit, ©itrogltjcerin 
unb Schießbaumwolle getreten, an ©teile ber 
©euttrtthigung bott ©attSbemohnern unb ©pa« 
giergeiugern burch ben mörberifchen ©ebraudj 
berciugelter ©chiefemaffen ber planmäfeig unter« 
haltene OerroriStnnS ganger ©iäbte unb Sänber« 
ftreefen bttrd) bie 'ilttfünbigung Seben bernichten« 
ber generwerte, burch ©yplöfion bon ©preng« 
ftoffeu; an ©teile ber ©inopferiing einzelner bem 
Oobe geweihter ©arieifeittbe bie rüdfichtSlofe 
Oöbtung unb ©erftiiminelung gttfällig an öffent» 
liehen ©laßen berfainmelter ©oltsgruppen in ber 
Hoffnung, gleichzeitig einen anmefenben geinb 
in ber ©ieitge ntitgutreffen. 

Oie einzelnen ©eftanbtheile aus benen fict) 
berartige ©erbredbenSunternehmungen gufam« 
menfeßen, finb oielleiifet ebenfo alt, wie bie ©er« 
wenbung beS ©chiefepulberS felber. geber gort. 


—DigitizecHoy 


Google 



Pie Pnn#Bntofrfrf)B)8njn§m. 


459 


fcbritt menfdjlicher ©rfenntniß, jebe neue tecß. 
nifcßc ©rfinbung muß es fid) gefallen laffen, 
and) für berbrecherifdje 3wede auSgenfißt gu 
werben. CaS ift fo uiioermeiblicb, baß eS nart) 
einiger 3 f it telepfjonirte Injurien ebenfo gut 
geben wirft, wie ©eleibigungeu auf offenen $lor» 
refpoubengfarten ber '43oft. 

2BaS man auffällig finben fanu, ift nicht 
fowopl bie ©enüßung ber Sprengftoffe gu ben 
©erfchmörungSgmecfen ber feilte fämpfenben 
3erftörungöparteien, wie gerabe ningefebrt baS 
früßgeitige ©uftaucben ähnlicher Unternehmun* 
gen. 34 felbft habe Por langen 3abren nadj 
mehr als gweibunbertjäbriger ©olfspraris in 
ben Straßen fton Sottbon beit alten Dteim Wie* 
berboleit hören, ber an bie ©ulDerPerfchwöruitg 
beS ©utjJJawleS erinnerte: ßemember, 
ßemember llie fifth of Novemberl 

©S ift unnötbig, ber pöflenmafchine, ber fiep 
ffieSchi gegen ben ßönig Subwig ©hilipp be* 
biente unb ber ©ombe gu gebeuten, bie in ber 
©ue Cepeiletier gu ©ariS gegen ben SBagen ©a» 
poleoitS III. gefdjleubert Würbe. Äein Sanb 
SuropaS ift Pon ber ©eniißung ber Sprengftoffe 
gu politischen ober gemeinen ©erbrechenSgweden 
oerfebont geblieben, ©ur barin tritt eine ©er» 
änberung ßccbot, baß in neuefier 3«>t bie ej= 
plofioe ©ernicbtuiigSprafiS fich Weiter ausbebnt, 
in fcbnellcrer SDieberljolung geübt unb als ©lit» 
tel bürgerlicher Kriegführung perwertbet Wirb, 
Halbem bie internationale Kriegführung ber 
Staatsgewalten beit Sprengftoff als ©littet ber 
maffenbafteit Sebensoernicbtung für patriotifeße 
3wecfe längft gerechtfertigt hotte. 

3nfoweit feßiilte fich ber unrechtmäßige Sür* 
gerfriea unb bas ©erbrechen gleichfant an ben 
teeßnif egen fjortfebritten auf ben KriegSWerften 
unb in ben phrotedpiifdjeu Saboratorien. Sein 
OerooQfommueteu 2orpebo, ber feiner ©erweu* 
bung im ©cefriege ber 3ufunft harrt, feßt fich 
bie leicht tragbare $pnainit*©atrone ober bie 
Sprengbombe fiir ©erbredjeitSgmede gur Seite. 

©tiffalleuber als bie Sbatfacße, baß Spreng* 
ftoffe immer häufiger oerbreeberifebem ©tißbraud) 
unterliegen, ift bie ©kibrnehmung, baß geheime 
politifche ©erfchwörungen feincSwegS nur in 
befpotifch regierten Staaten öorfommen. 68 ift 
wahr: ©erratß, Siige unb ©erfchwörung haben 
ihre fteimatb in bem ©aeßebebitrfniß freöelßaft 
gefneeßteter ©tenfeßen, ihren Einlaß in ber £eim« 
iiepteit ber KabiitetSregierungen, bie bem Seifte 
noltstbitinlicher ^Freiheit wiberfirebeit, ihre 
SebeuSluft in bem Kerferbunft ber SBifltürßerr* 
fchaft. Sie gebeiben feiten in bem Sicht ber 
Ceffentlichfeit. ©ber eS läßt fich nicht leugnen, 
baß fich auch in freien Staaten gelegentlich folche, 
bie baS Sertrouen auf ben ruhigen Fortgang 
ftaatlicher ©eformgefeßgebung oerloren haben, 
gu öergroeifelten Unternehmungen öerfdjwören. 


©iS in bie ©litte beS Porigen 3ahrbunbertS per* 
fchtoor man [ich in Schottlanb unb ©nglanb gu 
©fünften ber Pertriebenen Stuarts. $roß re* 
publifauifcher ©egierungSformeit beftauben gur 
3eit ber frangöfifdjen ©eöolution unb befteben 
gegenwärtig fogialiftifcbe ©erfchwörungen in 
©ariS. Unb felbft in ©orbamerifa fiub politifche 
©eßeimbüitbe nicht fo feiten gewefen, wie man 
meinen foflte. 

Cer Unterfdjieb gwifchen ben einzelnen ©taa* 
ten im ©erbältniß gu bem ©ortommen Pon 
©erfchwörungen offenbart ftch bagegen in bem 
© r a b e ber © e f ä b r l i.cß! e i t, ber im um* 
gelehrten ©erbältniß fleht gu ber Ceffentlichfeit, 
©eblicßfeit unb ffreibeit beS ©olfSlebeuS, gu bem 
©ntmicfelungSftanbe ber politifcßen ©loral. 3 n 
biefent Siebte betrachtet, muß eine ©erfchwörung, 
bie fich beftimmter 3erfförungSwerfgeuge bebient, 
in ©ußlanb, in ber Cürfei unb in Spanien piel 
gefährlicher erfeßeinen, als in Ceutfcßlanb ober 
©elgien. 

Kaum gu begweifeln ift auch, baß gewijfe ©öl« 
fer auf ibret gefcbicßtlicben ©ntmiefeluiigsboßn 
eine ßeröorragenbe Qlnlage gu politifcßen ©er* 
fchwörungen offenbart haben, eine fie anSgeich« 
nenbe ©orliebe für Konfpirationeit alS6igenart 
ihres ©ßarafterS aufweifen. Oft genng ift auf 
bie befonbere £äufigfeit ber ©erfchwörungen in 
ber ©efeßiebte ber italienifcheu Stäbte unb beS 
italicnifd)en 3?ürftentbumS hingewiefen worben, 
©och heute befteben in einer bem ©entstehen 
unb ber öffentlichen Orbiiung Pielfach binber* 
liehen ©eftalt bie 6 a in o r r a unb bie ©l a f f i a 
als weitftergmeigte ©cbeimbiinbe auf bem ©oben 
beS ehemaligen neapolitanifdjen Königreichs, als 
©erbiubungen, in benen fich gelegentlich polt** 
tifche 3wede mit ben niebrigfteii 3ntereffeu eines 
rohen unb gemeinen ©igennußeS niifchen. 

S5)aS man an bem Siibitnfieuer feit langet 
3eit mabriieitommen, gilt auch Pon beut 3 r en» 
wobei eS Pöllig babingeftellt bleiben mag, ob bie 
©orliebe unb baS ©efehief beS 3 re n für ©er» 
fchwörungen als urfpningliche ©litgift ber 
©olfSiiatur, ober als ein langfam beraiugereif* 
teS ©robuft ber SeiftenSgefd)id)te aufgufaffen ift. 
Welche mit ber englifchen ßrobcruug ber 3nfel 
beginnt. Schon gu 6 r om me 11S feiten geigte 
fich biefe ©eigitng in PerhängnißPoUer ©Jei'fe. 
3m borigen 3abibn>'bert War bie ©erfeßwö* 
tungSprariS ber „2öeißen Surften" 
(white boys) unb „©anbmänner" hoch 
entwicfelt. ®ie ©efepgebung blieb unter Jtönig 
©eotgUI. erfolglos bemüht, ber ©iufcbmö« 
rtmg fotdjer ©unbeSbriiber mit harten Straf» 
beftimmungen entgegenguwirfen. ©och beute 
gilt in ©nglanb ber ©runbfafe, baß jebe ©er* 
einigung Pon gmei ober mehr ©erfonen gur ©er» 
folgung unerlaubter 3wede ohne weiteres als 
fträfbar gu perfolgen ift. 


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460 


Jiir jhjnamitDrrfd)roörungm. 

gn ein neues ©tabium trat bie trifte 23er* ebenfo fcpnell toieber oerfChminben, in ben fei« 
fchmörungSprajiS, als, oornehmlid) nad^ 1848, teuften galten baffer t>or ©eric^t ibentifijirt wer. 
bie ZuSmanberung nach ben Pereinigten Staaten ben tonnen, forgfältige Porbereitung beS Slibi* 
Ptillionen racheburftiger gren ein für (Stiglaub PemeifeS für bie Don ber 3nftij ergriffenen 
unerreichbares Sfpl oerfCpaffte. flurjfichtige er* Ptifjethäter. 

blidten in biefem Vorgänge nur eine mobltpätige Selbft ber geigling gewinnt im fRiidhqlte 
©ntoölferung ber berarmenben gnfel. 3 U 23ir!« folcper Organifation ein Piachtgefühl, baS ipn 
lichfeit entftanb auf biefe 28eife eine 23erbinbuug befähigt, baS SQJagnifj tobeSmiirbiger Perbredjcn 
ber national*irifd)en 23eriehwörung mit einem ju befteben. 3eber ©egner beS ©eheimbunbeS 
auswärts ljaufeuben geiitbe, ber über eine jügel* muß auf bie 3ufenbung eines fog. SargjettelS 
lofe Preffe, ein ungepinberteS 23erfammlungS* mit ber iobeSbroijung unb bie gelegentliche 2lu§* 
reiht unb anfehnliche ©elbmittel öerfügte. £>atte füljrung biefeS ÜobeSurtpeilS gefaßt fein. Poli* 
fiep grlanb im oorigen gaprpiinbert auf fran* jeibeamte, (RiCpter, ©efcpmorene unb 3<ugen 
jöfifCpe C>ilfe berlaffen, fo öerläßt eS fid) heute genügen ihrer amtliehen Pflidjt nur unter be* 
auf ben nationalen ätüdpaltamerifanifChergren, ftänbiger SebenSgefapr für fid) felber unb ihre 
unb man tann wohl behaupten, baß troß beS Slngepötigen, unb bie ©erechtigteit forbert bie 
2ltlantii<hen OceanS bi» geinbfeligfeit biefer ben Snerfennung, baß getreue Pflichterfüllung gegen» 
©nglänbern gefährlicher ift, als ehemalige 23e* übet bem geheimnißbotl im $>utifeln fdhleiCpen* 
bropung burd) franjöfifche Sanbungen. §rifcpe t)en Plörber nod) größeren Plutp erforbert, als 
2lu8manbeter hoben bie alten gepeimnißöolien Pflichtübung beS Soibaten in einer unglüdlid) 
Organifationen in bie neue 21'elt oerpflanjt. berlanfenben Schlacht. 

UeberaH geheißt h' e f ber i b e r n i f <h e Cr* Sapraepnte pinburcp hat biefeS audh in Italien 
ben, in beffen weiteren 3tapmen fich bie focialifti* geübte ©pftem beS SerroriSmnS bie guftij lahm 
ftpen Perfcpmörer bet Pi o 11 p Pi a g u i r e S gelegt, nachbem ber Aanipf gegen füilianifthe 
einfügten. tRäuberbanben unb bie mit ihnen berfCproifterte 

©S ijt laum ju bezweifeln, baß bie Otgani« geheime ©efeüfdpaft ber Piaffia Oonberita* 
fation ber Plollp PiaguireS, bie als große lienifchen ©taatäregiernng aufgenommen mor« 
meitoerjmeigte Piörberbanbe Währenb beS 3eit* ben war. 3fn biefem Aampfe bewährte |'ich, was 
raumes oon 1854—1878 einige pennfqloanifche auch bie ©nglänber gegenüber ben 3ren erfahren 
©raffCpaften terrorifirte, alt - irif<hen Pluftern mußten, baß eS weniger auf bie |>ärte ber 
naCpgebilbet war unb au<h h ei >te noch in ben ©trafgefeße, als auf bie 3uberläffigfeit ber Po« 

t auptpunften in grlanb fcftgehalten Wirb; lijei unb bie Pflichttreue ber ©trafprojeßorgane 
aub, ©emnltthat, Pebrohung, piünberung, antomme. 3>n§befonbere hat fiCh in entfCheiben* 
©igenthumSjerftörung unb Piorb, Pieineib unb ben 2lugenbliden baS Sfnftitut ber englifchen 
Peftecpung gelten ben Piitgliebern irifcher ©e» fl ton je ugen bewährt. ®aS Perfpredheit ber 
heimbünbniffe als burChauS juläffige, ja als ber* ©traflofigteit an foldje, bie als Piitfdjulbige an 
bienftDoUe Piittel beS PanbenfriegeS gegen Perfdjmörungen betheiligt waren, hat feiten 
©nglanb, gegen welches alle SeibenfCpaften ge» feine SBirfung berfeplt mtb meiftentheiis ,pi einet 
fd)ichtliCh überlieferten fRaCpeburfteS, rcligiöfer lleberführung ber Ptorbgefellen berholfen. Such 
3ntoleranj, nationaler ©elbftftänbigfeitsträume in ben leßten Projeßoerpanblungen gegen bie 
unb agrar * focialiftifCher ©rbitterung fich ber* irifcpen PerfChwörer, bie im Plai 1882 Sorb 
einigt haben, um ber grünen 3nfeT ju ihrer ©abenbifh unb feinen ©etretär Pourfe 
politifchen Unabhängigfeit ju Perpelfen. ermorbet hatten, mürbe eine Perurtheilung ber 

3n ber Organifation biefer geheimen „Sogen" Perbächtigen fdjwerliCh oor bem Schwurgericht 
ober ©efeüfchoften, bie mancherlei (Ritual aus ju ermöglichen gemefen fein, wenn eS nicht ge« 
bemgreintaurerorben entlehnt ju haben fcpeinen, lungen märe, burCh 3 l *iiih e rung ber ©trafloftg* 
treten bisher folgenbe ©runbjüge heroor: Un* feit,Aronjeugen *u gewinnen unb oon biefen bie 
bebingte burCß beit SunbeSfChwur übernommene ©nthiiflung beS flomplottS ju erlangen. 
PerpfliChtunq jur ©ebeimfjaltung, bereu Per» SÜaS bie neuefte SBenbung ber Dpnamit*Ser» 
leßuna burCp iobeSftrafe ober Perfehmung an fchwörung gegen ©nglanb anbelangt, fo läßt 
ben Piitgliebern gerächt wirb, IjiernrCbifdje Unter* fich fnum erwarten, baß ber ©rfolg, politifCh ge* 
orbnung ber nieberen Stufen unter bie höheren, nommen, ein größerer fein werbe als berfenige 
Pc.pflichtung, ben Pefcljlen unbefannt bleiben* ber agraren Ptorbthaten. ©nglanb läßt fich uidpt 
ber güfjrer blinbeu ©efjotfnm jn leifteu, Pil* einfchiichtern, weil bie Pation ber Ueberjeuguitg 
bung Heiner Ortsgruppen, bereit Zugehörige ift, baß biegefthaltung bon Srlanb eine SebenS* 
fich überall burch geheime 3?i(hfn fchnell erfen* frage für baS Pereinigte flönigreid) bebeutet. 
nen unb oerftänbigeit, SuSführung ber Plorbe 3cöc gelungene ©jplofion mürbe nur baju bei* 
unb ©cwaltthaten burCh Oelegirte entfernter tragen, ben 3orn ber Sebrohten ju fteigern, bie 
Sogen, bie plößlich am Spatorte erfcheinen unb 29ciChfamfeit einer in ihren höchften 3nt<reffen 


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Jtorbereihmgrn ;um Poppelfeß. 


461 


gefränften Nation ju Derfchärfen, bie Neigung 
ju einer aflmäblicben Silgung irifdjer 9iotb= 
jufiänbe gu tninbern unb ben SebenSunterbalt 
lener fmnberttaufenbe Don 2fren, bie in eng« 
Itfdjen 3fa6rilen Arbeit fanben. ernftlid) ju ge« 
fäbrben. 3wmerbin bleibt bie irifche $>pnamit= 
berfchwörung ein für Knglanb gefährlicher Sor« 
gang. 3e fc^neller es einer einfidjtigen Staats« 


regierung gelingt, in 3tlanb «ne ^inreidjenb 
breite SeDölferungSfdjieht aus jufriebengefteflten 
Sanbbewobnern burd) weife unb gleichzeitig ent« 
fcbloffene Reformen ju fdjaffen, befto eher roirb 
fiel) Knglanb Don Der alten Singe ber Ser« 
fcbwötungen unb ber neuen ©efaßr ber KrplofiD« 
attentate befreien. 


•Mt Parlimitttngfn jum jßopptlftft. 

<r yT «btt«. 


er ein 3?eft, fei eS auch nur ein 
|}JL ganj geringes, feiern Witt, barf 
jla bie Sorbereitnngen baju nicht 
Dergeffen; benn fo groß auch 
v bie fjeftbegeifterung fein mag, 
»irb biefelbe ben gewiinfdjten 
©rfolg nicht erjielen, falls nicht auch jugleicher 
3eit bie ganze Snorbnung uitb Susfübrung 
grünblid) burcgbac^t uitb Dorbereitet ift. 

3)ie beutfdjen Stetbobiften wollen im 3obte 
1884 bis 1885 ein großes 3)oppelfeft feiern, Don 
toelcbem man bofft, baß eS fornobl bebeutenbe 
geiftlidje Segnungen bringen als $um äußer» 
liehen ©ebeiben beitragen fod. 

®S ift unfere fefte Ueberjeugttng, baß biefe 
3iele erreicht werben tonnen. Sn Urfadjen ju 
innigfter $)anfbarteit fehlt eS wabrlicb nidjt; bie 
jur Susfübrung eines folgen fteftcS nötbigen 
Äräfte, Stittel unb ©elegenbeiten finb reichlich 
borfjanben; baS fjefttbema ift ein febr reich» 
haltiges unb DielfeitigeS, benn eS foD ja b i e 
CrganifationberSifch. Stetbobiften» 
lirdje unb ber fünfzigjährige Se» 
ftanb beS beutfchen StetbobismuS 
Zugleich gefeiert werben. 

ftolgt nun biefeit gewiß gänftigen Sorbebin« 
aungen gebetoolles, bebautes unb einheitliches 
»norbneit, fo ift ber erfolg beS 2)oppelfefieS 
wenigftenS ju breiDiertbeileit feftgeftellt. 

8lber welches finb benn bie ju treffenben 9ln= 
orbnungen ? 

1) 3m Auftrag ber ©eneraUKonferenj hoben 
bie Sifdjöfe bie Seftimmung getroffen, baß bie 
im 3ob« 1883 abjubaltenben Konferenzen 3 fs 
manben ernennen, um als eingang jur 3»bi= 
läumSfeier wäbrenb ber Sißnng beS 3obrS1884 
, eine 3«biläumSprebigt ju holten. 

2i Soll in ben ’83et Konferenjfißungen ein 
aus l^ebigern unb Saien beftebenbeS Komite 
jur Snorbuuug ber 3 ll biläumSfeftlichfeiten er» 
nannt werben. — ®ie Kindheiten ber freier, 
fugen bie Sifchöfe, fönne bie 1884er ©eneral« 
©bnferenj näher beftimmen. 


Soweit geht ber offizielle Seridjt ber Sifchöfe 
betreffs ber Slnorbnungen. 

2)a nun bie beutfchen Stetbobiften baS Sor« 
recht hoben, baS$oppelfeft Don 1884 bis 1885 
ju feiern (oon Spätjabr ju Spätjabr ber ge« 
nannten 3obre), fo tonnte ein folcheS Komite in 
ben beutfchen Konferenzen Snno 1884 ernannt 
werben. 

Sicherer, umfaffenber unb gebeiblichet wirb 
jeboch bie Sorbereitung getroffen werben, wenn 
jebe beutfche Konferenz int 3«bte 1883 baS 3u» 
biläumS=Komite ernennt, benn aisbann bot baS» 
felbe binreichenb 3e<t, einen grünblichen Sion 
auSjuarbeiten. 

$a nun mancherlei Anfragen an mich gefteHt 
worben finb betreffs ber 3ofjl, ber 3ufammen> 
feßung unb Der Srbcit biefer KomiteS, fo erlaube 
ich wir, meine perfönliehe, unb eSbarf hinju ge« 
feßt werben, burchbachte Sufid)t barüber auSju» 
fprechen, welche felbftDerftänblich für Wiemanben 
ntaßgebenb ift. 

2)a bie 2)iftrifte beS beutfchen SßerteS geo« 
grapbifcb f<bt jerftreut liegen, fo fommt eS bar» 
auf an, baS 3ubiläumS=Komite mit fRütfficht 
auf bie 25iftrifte ju ernennen, fo baß Dor 
adern jeber$)iftrift baju fiebt, baß in jeber 
©emeinbe eine 3ubiläumSfeier abgebalten wirb. 
3u biefem Knbzwed mürbe ber Sorft. Seltefte 
mit einem Stebiger unb einem Saien, ober jwei 
Srebigem unb jWei Saien Don jebem 5)iftrift 
ein paffenbeS Komite bilben. 

®aS ©efantmt = Komite mancher Konferenzen 
würbe zwar burch folebe Snorbttungen etwas 
jaljlrei^ werben, fjür ben praftifdjen 3we{f 
wäre biefe Kinridjtung jeboch bie paffenbfte. 

2Scnn nun bie 3ubiläumSfefte ber einzelnen 
©emeinben nicht ade um biefelbe 3«>t geholten 
werben, was auch gor nicht nötbig, ba ja ein 
ganzes 3oßr 3eit gegeben ift, fo fann jebe ©e« 
meinbe — unb wenn nötbig auch Don anberen 
2)iftriften — bie münfchenSmertben Kräfte jur 
Sbbaltung ihres 3ubiläumSfefteS erhalten. 9lu«h 
ift eS eben fo wünfchenSwertb als möglich, baß 


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462 


Pie Irrten Soge btt PrbeUion. 


in großen Stäbten unb onbern Gentralpunlten 
UntonSbetfammlungen gehalten werben, g. V. 
am Sonntag Rahmittag, wobei jebocb baran 
fejlguholten ift, baß in jebet ©emeinbe ein $u» 
biläum gefeiert wirb. 

Me biefe ©inrihtungen gmedmäßig unb talt* 
Doll gu treffen, bieS ift bie Aufgabe ber 2fu6i* 
läumS»GomiteS, unb jtoar ift biefelbe leine ge« 
ringe. 

Sobarnt gehört jur gehörigen Vorbereitung 
baS Sammeln beS ^iftorifcOfn SJlaterialS. ©8 
foll ein aefd)id)tli(f)e8 Greigttiß gefeiert »erben. 
Die beutfehen 'Dtethobiften foltert auf ©runb 
ihrer ©efd)i<hte barauf aufmerffain gemacht 
»erben, wie große Urfache fie gur innigften 
Danlbarleit gegen ©ott hoben, unb »ie feßr fte 
berpflihtet finb, fih in gebetSüoHer uno gäng* 
liehet SBeilje ihm ijinjugebcn. 

3u biefem ©nbgmed follte bie in lofen VIät» 
tern unb ©riniterungen gerftreute ©efdjidjte jebcS 
DiftriltS gufammengefteUt werben, »oburch auch 
gugleich bie ©runbiage gu einer ©cfdjichte be8 
beutfehen RlethobiSmiis hergefteüt wäre. 

©nblieh bebarf es noch einet Vorbereitung. 
©3 »itb nämlich erwartet, baß bie Danlbarleit 


gegen ©ott ben £errn ftch nebft anberm auch in 
Darbringung ber Danlopfcr Beweife, gu Welkem 
3»ecfe bie Vifhöfe Dornehmlid) bie ©rgieljungs. 
fache benamt haben. 

Obwohl nun bie beutfehen fDletljobiften ein 
freigebiges ©efdjlecfjt finb, fo muß bo<h barauf 
gefeßen werben, baß in nädjfier 3e;t außer 
ben gewöhnlichen ©olfeltionen 
leine neuen Bebeutenben Samm. 
lungen borBereitet werben. Die Vifdjöfe 
bitten g. V. bie flirre, Womöglich noch bor bem 
3ubiläum>:-jahre bie ftirdjenfhulben abgutragen 
unb auch in anberer StBeife finb bie ginang» 
angelcgenheiten fogu leiten, baß bie Jubiläums» 
gaben leine atlgufhwere Vürbe werben. 

Der beutfch»ameri(anif<he VteifjobiSmuS hat 
in ben leßten fahren nach allen Seiten unb in 
alle SOßeltgegenben fo Bebeutenbe Summen ge» 
geben, baß Viüigbenlenbe gewiß leinen Vorwurf 
barauS machen töitnen, wenn jeßt, ba es fih 
barum honbelt, unabweislidje Ve» 
bürfniffe inSlmerila tu erfüllen, 
bie beutfehen Vtetljobiften fi<h als 
Iluge £>au5l)alter auch auf iljre3fu» 
BiläumSgaben borbereiten. 


-- 

Pi# lebten ®a0e 5 er PcbeUiou. 

Bearbeitet Mn $rof. g. *ih*rt. 


/Ceneral V-1>. Sberiban giebt in ber 3juli* 
Stummer ber „Storth American Reoiem" 

1 folgeuben intereffanten Vericht in Vegug 
auf bie Uebergabe ber See’ßheu Slrmee: 

. . . 3fn ber 3wifhfngeit blieb mein Streif» 
corpS nicht müßig; eS marfchirte ber ©ifenbahn 
entlang in ber ©rmartung, bie 3*>ge mit ben 
30,000 Stationen gu treffen, um welche ber geinb 
in ber Stahl boin bierteii telegraphirt hatte, 
©rabe ehe baffelbe Slppomatoj Station erreichte, 
fließ eS auf fünf ©ifenbahngiige, weihe langfam 
in ber Richtung Don VurleSbille Munition fih 
fortbewegten, unb beren Vemannung nicht recht 
wußte, wo ©eneral See war. SJteine Seute be= 
wogen ben fffüfjrer burch eine Vefhreibung beS 
traurigen 3'>ftanbe3 ber lonföberirten Slrmee 
borwärtS gu fahren. Unfer Slbmarfh am SJtor» 
gen beS achten fanb bor Sonnenaufgang ftatt; 
nahbem wir nur wenige SJSeilen gurüdgelegt 
hatten, holte unS SWajor SBhite bom Streifcorps 
ein mit ber Stahridjt/ baß bie V r obiantgiige fich 
öftlih bon Slppomator Station befäuben, unb 
baß eS ihm gelungen fei, fie eine Heine Diftang 
weiter gu bringen; er fürchte aber, baß fie wieber 
jur Station guriidfabren würben. Diefe Stad}» 
rieht würbe fogleih Grool, SJierritt unb Gufter 


mitgetheilt, unb bet Seßtere, ber bie Vbantgarbe 
führte, würbe beauftragt, eine Rüdfaljrt ber 
3üge unter allen Umftänben gu berhinbern, in» 
beffen ih boranbrängte, um mich mit ihm gu 
bereinigen, ©he Gufter bie Station erreichte, 
fhidte er gwei Regimenter auf einem Umwege 
an bie Vahn jenfeitS ber Station, mit bem Ve» 
fehle, baS ©eleife gu gerftören, unb ftd) bie 3üge 
gu fihern. Dies würbe auSgefiihrt; aber als ber 
^Hiupttörper unfereS VortrabS auf ber Station 
aitfam, geigte eS fih, baß aud} bie Slbantgarbe 
ber See’fhen Slrmee eilig h«raurüdte. ©s ent* 
fpanit fih ein hißwS ©efeht. Der fjeinb würbe 
gurüdgetrieben, oiergig ©efhüße erobert unb 
bierhunbert ©epädmagen berbrannt. Die ©ifen* 
bahngüge, beren wir uns gleih im Slnfange be* 
mahtigt hntten, würben bon Sofomotibführern, 
bie mir unter unferen Solbateit hotten, befeßt; 
ihre f^reitbe, eine ©elegenßeit gu hoben, ihren 
früheren Veruf auSguiiben, mar fo groß, baß fie 
bie größte Goitfufion ß«rbei führten, inbeut fie 
bie 3iige baS ©eleife auf unb ab laufen ließen, 
unb babei einen foid)eu Särm mit ben Dampf* 
Vfeifen mähten, baß ih im Vegriffe mar, ben 
Vefeßl gum Slbbrennen ber 3üge gn geben, 
©nblih jebodj brahten Wir fte bom Vlaße gu 


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Per JHenfü) lebt nidjt oom Prob allein. 


463 



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464 


Jltt Idjtro (Sagt btt Htbtttion. 


unferem Siachtrab, bet etroa gefen bis fünfgeljn 
SReilen rüdmärt» lag unb mit ber Infanterie 
unter Orb unb ©ibimn ber Eaoallerie folgte. 
Oie Eauallerie fefete bei 3 ©efecfjt bie gange Stacht 
hinburd) fort, unb brangte ben geinb gurüd in 
bie ©egenb Don Slppomatoj; EourthauS, eine 
Entfernung bon ca. 4 SReilen. ©ie liefe ihm auf 
biefe Söeife feine 9fufee unb becfte gugleid) bie 
©chmäche ber Angreifer. 

3h erinnere mich nod) lebhaft beS fleinen 
HaufeS grabe [üblich bon ber Station, too baS 
Hauptquartier ber Eaoallerie raftete, ober beffer, 
Halt machte, benn bon 9iaft mar in ber Stacht 
beS achten feine (Rebe. Oepefdjen gingen gurüd 
gu unferem oerehrten Rührer ©en. ©rant, unb 
Orb mürbe aufgeforbert, mit feinet ermiibeten 
Infanterie boraii 3 umarf<hiren. SRorgen fam in 
aller SBaferfcheinlichfeit ba§ Enbe unferer 23e= 
fdjroerben; aber bie Slnfunft ber Infanterie mar 
nötfeig, um un£ ben Erfolg hoppelt gu ficfeern. 
SJterritt, Sroof unb Euftcr maren abmed;felnb 
gur ©teile, ©liicffcligfeit ^errfdjte in febem £«= 
gen. Unfere langen unb ermiibenben Arbeiten 
nahten fi<b bem ©d)luf)e: unfere ©e fahren maren 
überflanben. Es gab feinen ©djfaf; nur fefjr 
meitig hatten mir in ben borljergefeenben acht 
ober neun Sagen geruht. ©or ©omtenaufgang 
fam ©en. Orb unb geigte ba§ H era nnahen fei« 
uer Sruppe an. Stach einer eiligen ©erathung 
über bie bon ben Slnfommeuben gu nehmenbe 
©teflung maren mir im ©attel, unb babon ging 
eS an bte gront in bcv Sleuhbarfcfeaft bon Slp» 
pomatoj EourthauS. SllS mir uns bem Oorfe 
näherten, fahen mir eine jtarfe Sinie fonföberir» 
ter Infanterie heranfomnten, bie fogleich gu 
feuern anfing. 3h ritt auf eine fleine Sluhölje, 
bon melcher ich eine gute StuSfiht auf ben aüanci« 
renben geinb hatte, unb fdjidte fogleich ©en. 
SRerritt ©efeljl, Eufter’S unb Oeüin’S Oioifio« 
nen guriicffallen gu Iaffen,'junb babei gugleich 
unfere rechte plante guriicfgugiehen, um auf biefe 
Seife Crb’S unb ©ibbou’S Infanterie frei gu 
ftetlen. Eroof unb SRadengie auf ber äufeerften 
Sinfen mürben aufgeforbert, Stellung gu beljaU 
ten. Oann gnloppirte ich gurücf unb theilte 
©en. Orb meine Beobachtungen mit. ifaum 
hatte bie ©cplachtlinie beS geinbcS ben .£>üqel 
erreicht, auf melchem ich meine StecognoScirung 
gemalt hatte, unb bon melchem aus Orb’S 
iruppen in ber Entfernung gu fepen maren, fo 
hielt berfelbe plöplih an imb machte eine ®e« 
roegung rücfroärtS auf einen ungefähr eine ©teile 
entfernten $öhengug. ©alb barauf fam ich bon 
©en. Orb her roieber an bie gront unb ritt auf 
©en. SRerritfS gafene au f p e r rechten plante 
ber Sinie gu. SllS ich fie erreichte, gab ich ©efepl 
gum Sloanciren, unb gebe ©tanbarte richtete fich 
nach ber gront. SllS mir gur Sinfen ber feinb« 
liehen ©cfelachtlinie borbeijagten, öffnete er ein 


fhmereS Strti (leriefeuer. Ooch mir fchenften ben 
töbtlichen ©efchoffen feine Slufnierffamfeit unb 
erreichten unter milbem ©efchrei einen ©unft in 
einiger Entfernung bon feiner ©echten unb bei« 
nahe gegenüber non Slppomatoj EourthauS. 
©or uns in einer Sbalnieberung lag ©en. See 
mit bem 9tefte feines &eereS. ©ute Crganifatiou 
fd)ien nicht norhanben gu fein, mit SluSnahme 
ber ©orhut unter ©en. ©orbon, bie fd>on am 
©efechte betheiligt geroefeit mar, unb ber Stach« 
hut beS ©en. Soiigftreet, melcfee meiter oben im 
Shale lag. Sir maren eben bereit, einen füp= 
nen unb fräftigen Singriff ben grafigen Slbfeang 
hinab gu machen, als ein Slbiutant beS ©en. 
Eufter, bofler Slufregung, ben Hut in ber £>anb, 
auf mich loSftürgte mit ber ©otfdjaft feines ©or« 
gefefeten: „fiee hat fidf ergeben! feuert nicht; 
bie meifee glagge ift aufgehifet." 

Sefehl mürbe ertljeilt, bie ©orbereitungen 
gum Singriff gu beenbigen, aber nicht gu feuern. 
3ur Sinfen nach Slppomatoj EourthauS blidenb, 
fah ich eine grofee 0 nippe in ber Stahe ber ton« 
föberirten Sinie, bie fich auf jenen ©unft gurüd« 
gegogen hatte, ©en. Eufter mar noch nicht gu« 
rüd unb oermuthenb, bafe er fich bei jener Oruppe 
am Eourthaufe befiube, galopbirte ich, gefolgt 
bon meinem ©tabe, ben engen Sergtüden hinab. 
OaS EourthauS lag in einer Entfernung oon 
ungefähr breioiertei SReilen. Oie höheren Cffi* 
giere, meldje mir bort trafen, maren ©en. 3- S. 
©orbon unb ©en. EabniuS SR. .SBilcoj, ber 
Sefetere ein alter Slrmeeoffigier. Staunt hatten 
mir uns qegriifet, als ein heftiges geuern in ber 
gront unferer eigenen Eaoallerie begann, melcpe 
mir üor menigen SRinuten üerlafjen hatten, 
©en. ©orbon fd)ien barüber beunruhigt gu fein, 
3h bemerfte: „©eneral ©orbon, 3h re Seute 
haben auf mich gefhoffen, als mir hierher ritten 
unb haben ungmeifelhaft baffelbe mit Eufter’S 
unb SRerritfS SJtannfchaft gethan. ES ift gerabe 
fo gut, mir festen bie ©efcpichte aus." Sluf bie« 
fen ©orfchlag ging ©en. ©orbon nicht ein. 3h 
frug bann: „Saruin fehiden ©ie nicht einen 
Slbjutanten hinüber, bamitbaS geuern aufhört? 
©ie oeriefeen bie meifee gähne!" Er fagte: „3h 
habe feinen Slbjutanten gur ©erfügung." 3h 
ermiberte: ,,©ie fönnen einen meiner ©tabs« 
offigiere haben," unb rief Sieutenant ©anberbilt 
Sillen, um fich 6ei ©en. ©orbon gu melben unb 
feine Sefehle gu überbringen. Oie Sefehle lau« 
teten, fich gu ©en. ©earp gu begeben, melcher 
eine fleine ©rigabe ber @üb«Earolina=Eat>aflevie 
foinmanbirte, unb ihn aufguforbern, baS geuern 
gu unterlaffen. Sieutenant Sillen ritt mit feinem 
Sluftrage baoon, mürbe aber, als er benfelben 
bem ©en. ©earp auSricfetete, gum ©efangeuen ge* 
macht, mit ber ©emertung, bafe er fid) nicht um 
bie meifee gähne fümmete, unb bafe feine Seute 
Oon ©iib Earolina fich niemals ergeben mürben. 


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Pie Irrten Sogt brr jäebellion. 


465 


9ta4bereiften Segrüftung fugte ©en. ©orbon : 
,,©en. See bittet um einen Sißaffenftillftanb mäh« 
renb bet Serbanblungen, bie er feit gefteru mit 
©en. ©rant führt." 

34 ermiberte: „34 war bon biefen Set» 
fjanblungen unterrichtet unb fanb e» fonberbar, 
baß, währenb biefe Verhandlungen bor fi4 geben, 
©en. See biefen Vtorgcn beu Verfließ machte, 
meine Siuieit gu bur4bre4en, um gu entfliehen. 
34 faitit mi4 auf nichts 9ludereS einlnffen, als 
baß ©en. See fi4 bein ©en. ©rant bei feiner 
9lutuitft auSIiefert. 34 habe na4 ib»t gefdjidt. 
SQöettn biefe Vebingung ni4t angenommen wirb, 
feßen wir bie 3?eiubfeligfeiteit fort." 

©en. ©orbon fagte: „©eit. See’S 91vince ift 
erf4öpft. Seine Uebergabe ijt außer Zweifel." 

©en. SBilcoj, ben i4 gut Jannte, ba er al» 
£>anptntann bie Gompagnie führte, we!4er i4 
als Stabett auf ber &rieg*i4nle angehörte, ging 
auf fein Vferb gu unb fagte, indem er feinen 
Sattelranjen ergriff, f4ergeub: „£>:er, Sheridan, 
nimm biefen Stangen; ein altes £>einb unb ein 
Saar fjofen finb barin. $u haft alle» 91nbere 
berbraunt, roaS i4 in ber 9BeIt befaß, unb bu 
fannft bieS au4 no4 haben." Gr fpielte auf 
bie 3erftörung ber ©epäetwagen an, bie fcßoii 
feit einigen Sagen bor fi4 ging. 9111 bie obigen 
Sebingttugen angenommen waren, tarn jcbe9lr» 
ntee überein, gu bleiben, wo fie war, bis ©en. 
©rant tarn, na4 welchem i4 meinen 91biutauteit, 
Cberft 9temhall, gefehlt hatte, ©en. ©orbon 
unb 2Öilco£ begaben [ich barauf gitriicf gu ©en. 
See unb oerfjmi4en binnen breißig Vtinuten 
toieber an Ort unb ©teile gu fein. SBiißrenb 
ihrer 91bwefenheit ftieft @cn. Orb gu mir am 
GourtbauS. 9ta4 Verlauf bon breißig ober 
biergig Viinuten tarn ©en. ©orbon in Veglei» 
tung boit ©en. Songftreet gntüd. 2ter Scßtere, 
welcher See’S 9ta4h»t auf ber fffarinui Ile Straße 
befehligte, war beunruhigt, baß ©eit. Vteabe, 
welcher bon ffarmbille auS folgte unb nidft 
wußte, wa» in ber fjfront borging, einen Angriff 
auf feine Gruppe macheu töunte. Um bieS gu 
berhiuberit, f4Iug i4 bor, baß ber Gßef meine» 
Stabes, ©eit. tforiptß, begleitet bon einem ton* 
fdberirten Offigier, fuß bur4 baS feinbli4e £>eer 
gu ©en. l'teabe begebe, unb ihn bon ber Sa4* 
läge 6eiin4ri4tige- @r ging fogleüß ab in Sie* 
gleitung bon Oberft fjfairfaj, bon ©en. Song» 
ftreet’S Stab, ftieft auf bie 9loantgarbe ber 
tßotomacannee unb unterri4tete fie bon ben ge» 
gettfeitigen Vebingungen. 

3n ber 3 ro| f4engeit begab ft4 ©en. See in 
baS SHcSean’fcße |>anS in bem t£orfe 9lppomatoj 
GourtßauS. 34 bin ui4t .gewiß, ob ©en. 
Sabcocf bon ©rants Stab, ber bor ©rant an* 
fam, ßhiübergegaugeit war, um ihn gu feljcn 
ober nicht. SBir hatten einige Stauben gewartet 
unb id> glaube, ungefähr gegen )w5(f ober ein 


Uhr lam ©en. ©rant. ©en. Orb, i4 unb biele 
anbere Cffijiere befanben fi4 auf ber ftaupt* 
ftrafte an einem tßunfte, bon welchem au» See’S 
iftrmee fiißtbar war. ©enerat ©rant ritt heran 
unb grüßte mich mit: „Sheriban, wie geht eS 
3hnen?" 

34 antwortete: „9te4t gut, i4 baute 3bncn." 

Gr frag bann : „23o ift See ?" 

34 erwiberte: „3tort unten im Stßale ift 
feine 9trmee; er ift in feuern £>aufe, bereit, fi4 
3hnen gu ergeben." 

©en. ©rant, ber no4 gu Sferbe faft, fagte: 
„kommen Sie, laffeit Sie uns hinübergehen." 
Gr ridjtete an ©en. Orb biefelbe 9lujforberuug 
unb Wir alle gingen mit na4 bem 93tc Scau’f4cu 
£>au5. 93tit ©en. ©rant traten in baffelbe, 
}o bicl i4 muß erinnere, bie ©cneräle Orb, 
SJtawtin», Seth SBilliatnS, 3ngnll», Vabcoct, 
parier unb meine Söcnigtcit; nufere ^Begleitung 
unb bie Stabsoffiziere blieben bor ber $hüre 
unb auf ber Scranbaß. 9(1» Wir beu Sarlor 
beiraten, ftaubÖen. See mit feinem 91bjutanten, 
Cberft fDtarihall, bor uns. 2tcr erfte ©ruft 
galt ©eit. Seth SBilliam», weldjer See» 9föju» 
taut gewefeit war, al» er ber flriegefdjule bor» 
ftanb. ©eit. See würbe hierauf bem @eu. ©rant 
borgeftellt.unb bann ben übrigen bon uns. ©en. 
See War mit einer nagelneuen, grauen Uniform 
befleibet unb trug einen fdjönen Regelt. 91uf 
feinem ©cfidjte rußte ber 9luSbruct bei: Grlöfung 
bon einer fdpocreit Viirbe. ©cn. ©raut» Uni» 
form War beftaubt; er trug teilt Sdjwert. 9ta4= 
bein einige 9öorte gewcchfclt würben gwifdjcn 
benen, bie 6cu. See p:rfonlid) fanuteit, jogen 
fi4 alle Offiziere juriief, mit 91u»itahme eines 
Stab»offij:erS be» ©eit. ©raut tmb be» Cberft 
9Jtarff)atl, ber mit See fam. ifauni waren wir 
fünf 2(tmitten au» bent 3imnier, al» ©eit. 9Bab* 
cod an ber 5Ef)üve erfchien unb fagte: „®ie 
Uebcrgnbe hat ftattgefunben. — Sie töitnen 
Wieber hereinfomincn." 

911s wir eintraten, f4rieb ©en. ©rant an 
einem Keinen, häljcrneit, läitglid)=runöcn 2if4 
bie Sebingungeit ber Uebergabe. (34 taufte 
fpäter ben 2if4 bon £>errn 93ic Scan unb fcf>enlte 
ihn ber grau ©. 91. Gufter.) ©cn. See faft, 
feine £>änbe auf ben Segen geftüßt, jur Sinten 
beS ©en. ©rant, feinen Utüdeu an einen Keinen 
mit Sü4erit bebeeften Sif4 lehuenb. SÖährenb 
©en. ©rant fdjrieb, unterhielt fid)@en. See unb 
fein 9lbjutaut mit ben anwefenben Offijieren ; 
er nahm aus feiner 30rufttaf4e jwei Sepef4en, 
weI4e i4 ihm wafjrcnb beS Vormittags gefanbt 
batte unb bie ihn bena4ri4tigten, baft ein Sheil 
feinet Gctballerie bie getroffenen Seftimmunacn 
berleßte, inbem fte ft4 langfain gurüefgogen. 34 
hatte leine 3eit, Gopiett baboit gu machen, als 
i4 fte abf4icfte, unb bat ihn, mir fie guriief gu 
geben. Gr hünbigte mir fte ein mit ber Sc» 


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466 


(Sin Abenteuer. 


inerfung: „©3 tbut mir leib. @3 ift ntöglid), mnlS mit bem #nte griißenb, jutn Shore hinaus 
bof> meine ©aballerie bie Scftimnmngcu uie^t feinem .freere ju. Sei feiner Slnfnnft bort hör« 
»öllift öerftanb." teil mir wilbeS £>nrral)rufeü, baS fid) non Jruppe 

©3 luitjin uiuiefä^r eine ©tunbe in Sitfprucf), 1 ju Sruppe fortjupflanjen fdjien unb baS ent« 
bieSebinguugen feftjufe&en unb 311 tmter ( iei<bnen; meber if)nt felbft nult ober ber Susbrud bet Sr« 
als bie» gefdjeben mar, Dernbfci)iebete fid) ©eil. friebiguug mar, welche feine lefcte $aubluug 
See mit einem £)äubebrud t»on (Sen. (Sinnt, als ©olbat jur golge tjatte. 
beftieg fein deines, graues Sferb unb ritt, noch« 


«iu 3U> 

©fijje ans bem amevi 

Sau «. 

/ffjfC*xin fdjwiiler Sugufttag beS 3of)teS 1869 
Tjyp Q Ijatte feinen Kreislauf boücnbet unb 
mar in bemSlbgrnub bev Sergangenbeit 
6~0 auf ewig fcblafeu gegangen. Sie 91ad)t 
breitete ihre buntlen ftittige über bie nach Steilen 
unb ©rfriidjung Ic^jenbe (5rbe. Sie leife Srife, 
bie mit ©inbrucb ber Sunlelbeit fid) erhoben, 
mirtte mobltljneub auf bie abgematteten Sten« 
fdjen, unb loche fie in bellen Raufen in’S QFrcie. 
2 lm fternenbefäteii Firmament tauchten graue 
SBöltcbeu auf, welche mehr unb mehr fid) »er« 
biebteten, bis fie enblid) einen Siefenfdjleier bil» 
beten, rooburd) nicht nur bie SfiujteriiiB bebeiu 
tenb oerftörtl, fonbern and) bie s lluSfid)t auf 
balbigeu Stegen gehoben würbe. 

©emiitblid) plaubernb lag ich mit einem 
3 ?reunbe unter einem ber großen SpfelbaumebcS 
SfarrgarlenS, als unerwartet bie ©urtentbür 
aufgerifjen wnrbe, unb einStann in eiliger 4 >aft 
auf uuS jufebritt. 

„Ser bat’S eilig," murmelte mein blattbeut« 
fd^er 3eitregulirungScontroIeur; „gewiß noch 
eine frodneit, ach wenn ich bod) auch nur ein 
Starrer wäre." 

„Sbwarten, grennbdjeu!" 

„@uten Slbenb, ift hier ber £>ert Starrer ? " 
fragte ber Snföinntling. 

„ 3 orool)l, b'te liegt er," ertoiberte ich etwas 
fleinlaut, beim ich traute bereits bem Sanbfrie» 
beit nicht. 

„ 2 Bo beim?" 

„ftier im ©raS, Was ifl beim loS?" 

„£>err Sfatrer, einen fcböueii ©ruß boit fjran 
©berSberger unb ©ie möchten fo gut fein unb 
atigeublidlicb ju ihr tommeu." 

,,©ebt uid)t, halb ift’S neun Uhr, am Fimmel 
fteij.t ?iit ©’witter unb itad) ber Soßlid fiub es 
jroölf gefd)(agene Steilen." 

„Slber .v>err Starrer, fie treibt’S nimmer fang 
unb wiinfd)t Sie nod) einmal jn fpre^eu." 


i ii t e tt e r. 

fanifeben SfarrleBen. 

Sannt. 

„SBirllidj ? Saun muß ich 3 nlefct bodj noch 
meine Starb fälteln. tJrcunb |>ero, willjt Su 
mich begleiten, Su möcbteft fa bod) fo gern fterrn 
Sfarrer fpieleu ? " 

„Sellen Sauf für bie ©Ijre, glüdlidje Seife, 
ich fd)lage uiid) fcitmärtS in bie Siifdfe unb 
träume, mcnti’S gebt, bou beffereu feilen, wo 
bie Starrer nod) vuljig fd)lafen burften nnb nid)t 
nötbig batten, bei Stächt unb Siebet irrlid)terub 
burch bie weite ©otteSwclt ja Wanbern." 

©ine halbe Stunbe fpater faß ich in boHer 
gfelbauSrüftung im Sattel unb eilte mutterfeelen« 
allein int rafetjen Srabe über Serg unb Sbal 
bem fernen 3 iele ju. Sie Stacht War raben« 
fdjroar.t unb ließ mit jebem Slomente ben 3luS» 
brud) eines fdjmcren ©cw.tterfturmeS ermatten. 
91m moltenbegrenjten ^»orijoute fprübte eine 
eleftrifd)e Satterie feurige Stiße, welche in 
fd)aucrlid)em 3idjad baS bichte ©emölb burch« 
furd)teit unb il)v ftammenbcS Spiel mit ben 
erregten Säften trieben. SaS Sraufen beS 
SßinbeS uub baS 9tanfd)en beS 28albeS bin unb 
wieber mit £uubegebell bermifcht, bilbete baS 
Srio, baS bie öbe Stille ber fiufletu 9la<bt 
belebte. 

©If Uhr War liiugft boriiber, als «h ben 
j£)öbenjug ber SMIliamScrcef iiberfchritten unb 
in baS mafierreidje $bal ber Srufbcreef einbog. 
Sorfichtig ritt ich bem Sache entlang, ber burch 
fein gebeimnißüoflcS Siurmclu fonberbare ©in« 
pfinbungeu in mir Wach rief unb mich uumid« 
lürlich an ber £ianb feliger ©riunerung in mei« 
ner Hinbbeit frübefte Sage jurüdfübrte, wo ich 
oft ©tunben lang füßen ©ranenS ben ©eijter» 
gefcbicbleit einer betagten Slagb unfereS l£)aüfcS 
laufebte. ©in geiftlicher ©rllönig jog icp meine 
©traße, bie mir halb ettbloS bortam. Sie SJclt 
fhien auSgeftorben, benit nid)tS Sebenbe» ließ 
ficb hier in bicfeS SpaleS ©rünbeit hören; hoch 
— horch, was ift baS? Jpunbegctldff! ©ottlob! 


Dt^itized b y-' 


Googk 


(Sin Hbrnteuer. 


467 


©ehutfant folgte id) bet Ütichtung bei Sd)afleS, 
bii eine 0 * 11 } iljr ftummeS £)alt gebot. 

Sofort fepidte id) ein trüftigeS £)afloh auf’s 
©cratijewohl in bie biiftere 9laci)t hinaus. (Sin 
jlueiteä nnb britteS folgte, ©üblich ©erdufd); ein 
Sid)t mürbe fühlbar nnb eine ©eftalt in primi« 
liuftem Dtachtaiyuge machte il)r (Svfdjeineu unb 
fragte und) meinem ©egefjr. 

„@uten s }lbenb! 33 iu id) auf bem regten SBege 
nach ber Sojjlirf ?" 

„Sowohl, batten Sie fidj rechts, in einer bat» 
beu Stuube haben Sie fie erreicht." 

„(Dante, flute 9tadjt!" nnb fort ging’S. 

©ine h‘>ibe Stuube mo<bte etwa berftoffen 
fein, als ich plößlich an meiner Seite £>unbe= 
gebeil bernahm. Sßofl fjteube bari'tber, baß ich 
mit'@otteS £>ilfe meinen ©eftiinmungSort er= 
reicht unb eitblich au» bem Unwetter erliift werbe, 
richtete ich mich hoch auf im Sattel, lüftete 
ben triefciibeu Sßafjerrod unb rief baS übliche 
^prtfloh- 

©in Stnarren ber SjuuStljüre belehrte mich, 
baf; mein 9luf beruommen würbe, unb weuifle 
Setnuben fpetter tönte mir bn§ ftereotppe: 
“Wlmt is tlio matter, Sir?” entgegen. 

„Sft baS bie Sofditf ?" 

„9teiu, bie Sofdid liegt jwei Weilen bon hier; 
alten Sie fi<b red)tS, bann fontmen Sie ficher 
in." 

SturioS, — habe ich bie Stimme nicht früher 
fchon flehört ? (Doch — gute 9to<ht! unb wieber 
ging eS uerineiittlidj bem 3 iele ju. Spcibcnbcn 
Sluges beugte ich mich oorwürts. um ja ficher 
beu angewiefeneu GurS eiiijiihalteu, unb hopp! 
hopp! fliug’S über Stodf unb Stein ber alten 
©benSberger 311 , unb — Sicht! Sicht! jubelte eS 
in mir auf, als ich nadj einiger 3eit Sid)tfdjint» 
mer in ber Seme erblicfte. 9tofd)er trieb id) 
mein mtibeS©ferb an, um fo fchnell als möglich 
aus bem öattel unb ber unfreiiublichen 9tad)t 
311 fomiiteit. 

ffreubig fchmetterte ich mein £)atlol)! bem 
4 >aufe 311 unb erwartete ©inlajj. ffaft geräufd)« 
loS öffnete fich bie Sljür, unter ber — ©ott fei 
bei uns! ich halte 311 m britten Wale bor ein unb 
bemfelben C>aufe — ein Wann mit bem Sichte 
in ber fjanb erfcheiut. Sangfain hob er fein 
fladernbeS Sampenlid)t in bie £)öfje, fo baß eS 
feinen bolleu Sdjein auf mich warf; aber laum 
mürbe ber Wann meiner anfichtig, als er boller 
Schied fich ummaubte, bie Sljür mit aller Wacht 
in'S Schloß warf unb berriegelte. 

®aS Sicht berlofch unb alles war füll wie baS 
©rab. S<h hatte, ©ott weif; wie oft, ein unb 
baffelbe fpauS unilreift, unb breimal an bem» 
felbeit ©unft gehalten unb um 9luStuuft gebeten. 
$er Wann glaubte ohne 3meifel jebt ein einen 
©eifterfpuf, bielleicht an beu Wifben Seiger, ber 
in biefer ftürmifdjeit 9tad)t feine lofeu 9tedereieu 


mit ihm 31 t treiben fich erlaube, ober gar als 
UngliidSbote für fein £>auS fich nnmelbe. 

©Ja» feilte ich th«n ? Saugfam ritt ich bor« 
wärt», ©in Uhr war Boriiber. 2>aS Sturm« 
©oncert war in feiner hödhften ©utwidluug be« 
griffen. Ser Utegen floh in Strömen, ber $ 011 « 
ner rollte unb unheimlich 3 iidteu bie (cuchtenbcu 
Streifen beS 93li^cS biird) bie Saft. 

©eint grellen geuetfehein eines ©lißftrahlS 
gewahrte ich einen £>eufd)ober. Schnell ent» 
fchloffen flieg ich ab, baub mein ©ferb au einen 
©aum, fchwang mich über bie 8*113 unb fud)te 
hinter bem Heuhaufen $eduitg Bor Den ent« 
feffelten ©lementeu. ©in eigentümliches ©e« 
fühl befdjlidj midi, als ich b*« fo berlaffen unb 
allein in finftcrer Reicht 3euge beS grauenhaften 
WiturfchaufpielS mar. 

Scingere 3eit lehnte id) an bem biiftenben f?eu, 
bis bie hJalitr ihre ©eebte geltenb machte, ©r» 
mattet faul id) in bie .©nie unb entfd)lief unter 
bem ©raufen Der empörten 9taturhcifte. 9(lS ich 
wieber erwachte, 3 eigte fich im Ofteu ein blaffer 
Sichtftreifen, unb üerfiinbigte ber noch fchlum« 
mernben Wenfchheit ben 9litbriidj eines neuen 
2ageS. Steif unb uafe bis auf bie £aut erhob 
ich mich 001 t meinem unfreiwilligen Säger, fprad) 
mein Worgengebet unb fuchte bann mein Stoß 
auf, welches aber feitteSwegS feinem Dteiter ent» 
gegenwieherte. Sriibfelig wie fein #err ftaub 
baS treue Spierba, unb feufte gebanfenfehwer 
ben ßopf 3 itr naffeu ©rbe. SSMebe'r ging es Bor« 
loiirtS, ober bieSmal mit einem befjerii ©rfofg. 
Wein rcitfjfelljofter 3Beg miinbete ichoit nach 
wenigen 9lderlängeu in ein wahres Sobprinth, 
beffen einer Strang, ben ich beljarrliri) uerfolgt 
hatte, in langen Schlniigenwinbuugen in ben 
feeg, ben ich gefommen, auSlief. 

©egen Bier Uhr erreichte ich baS ©benSberger« 
fche £)aitS, wo man höchft erftaunt war, baf; ich 
fdjon 311 folch früher Stuube an Ort 1111 b stelle 
eintraf. SöoljlweiSlidj behielt ich mein inid)t« 
lidjeS9(bcutetier für mid), erfuhr aber fpciter auf 
einer f?od) 3 eit, bafe eS in ber ©rufhereef nid)t 
geheuer fei. So habe 3 . ©. ber lange Stöhlen» 
Ijeinridj Bor Sahv unb Sag in einer graufigeu 
Sturmnacht einen fd)Wiir;eu iHeiter gefehen, ber 
breimal Bor feinem ,f)aufe gehalten, unb bann 
plößlidh fpurloS oerfchwuubeii fei. 

2)ie alte ©benSbergeriit würbe halb nachher 
heimgerufeu; fanft, unb wie id) hoffe, als ein 
Stinb ©otteS, fdjlummerte fie hinüber in eine 
onbere, beffere SBelt, wo es feine Smoege mehr 
4 jief»t. 



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468 


Jlus bem #fbeu tiurr (frfieljrriit. 


Dm Arbeit filier Cfrjidjmii. 


Ueberfebi an« bem geiüfcbeit. 

9Bie, Tu nC'tr CinfamWt f — 



|£ itlen im ©ommer, auf bem 
fjriebljof felbft, feiert in 
£ i u I et n b ber evaitgelifche 
©eiftlicbe „Stobtenfeft" mit 
feiner ©enteinbe. 3Da fiiieen 
fie ring« um ihn t)er in 
ftillem ©ebet an beu grünen 
©iigelu, weiten rauftet bei 
SBaib fein urewige« Sieb 
— beim mit ©orliebe fiub alle 
Qfriebböfe in Sivlanb tief in bie 
2 Palbe«ftille bineingebettet, Wo ir= 
gntb bie« gebt — nnb gewaltig 
bringen bie '-Worte vom „ewigen 
Scbeit" in bie tobtbetriibteu See» 
len. ©efonber« ift e« ein ©ajtor, 
ber in weiten Äreifen al« fegen« 
briitgenb befannt nnb geliebt wirb, 
nnb unty beffer glauben bie Setten 
ibn ebren 31 t lötiuen, al« baß fie 
in ihrer bilberreicben Sprache von 
ibni fagen: ,,©r ift ein Mann wie eine (Siehe, er 
bat eine Stimme wie ein Söme, nnb er ftreut 
ba« SBort ©ölte« an« wie ©ünger." 3 bueit — 
ben Saubbewobnern — ift bamit am heften bie 
frudjtbriugenbe ftraft feiner Söorte be;eiit)net. 

So feierte man an einem fonnigen 3uni» 
morgen „2 ob teufe ft" in Marieubnrg. Söeit über 
bie tfriebf)ofs« 6 iugänge hinan« ftanb nnb fniete 
bicbtgebniugt bie (iubäcbtige 'Menge, nnb fcbmet« 
ternber Serben fang mifcbte ficb mit ben feier» 
lieben ©boräleu. ©ier, wo ber fcbnttenbe 2 BaIb 
ficb ben fogenannten „©obtenberg" binanfjiebt, 
batten einft Schweben uitb fJtuffen fo hart um 
livlaubifcbeit ©efiß gejtritteu, bafi unjöblige ©e« 
fafleue ber ftreitenben ©eere bem Serge beu 
fliameu gegeben für afle feiten, nnb frieblict) 
rubeit gfreunb nnb ffeinb tief unter ben füllen 
Schläfern, bereu ©ebeufeit mau beut feierte. 

9ln einen ©rabbiigel gelehnt ftanb mit gefal« 
teteu ©äuben eine eiufame weibliche ©eftalt. 
Otacb ihrer Weihung gehörte fie 31 t ben gebilbeten 
Waffen, nnb ihr fchwaqe« ©ewanb, wie ba« 
noch faum fpriejjeube ©riin be« ©rabbiigel« 
liefen fcbließen, baß hiev ber ©ob fein Opfer erft 
türjlidb geförbert hotte. Hub fo war e« auch. 
$ie einfaut ©rauerube hotte feit fiebeu fahren 
im ©aufe be« verwittmetcn 9(rjte« 31 t Marien» 
bürg beffeu einjige« ftiub, ein ©öchtercben er» 
Sogen. nnb gerabe al« bie bolbe 61 f e faft er» 
wachfeit bem ©ater ba« ©au« verfchönern füllte. 


ttu noch Gtnfnmrv’ii ; 

Uiib hg 11 fen fi.’ £ii* je, 

Milanen »1111 nidit iiif^i’ 

S'aim tränt fidp G i 11 f a m t c i t nicht j^ptver 
2>u tutymft tyr all’ ilpr SBe^p. 

rief ein höherer SDBiHe fie borthiit, wohin bie 
Mutter ihr fchon lange VorauSgegaitgeu. ©er 
uameulofe Schmers be« ©ater« ließ ficb In um 
burch bie augeftreuglefte ©bätigteit übertauben; 
auch beut war er 311 einem Schioertrauteii, über 
vier Stauben entfernt, geeilt, nnb 9t 0 f a 1 i e 
ßönig, bie treue (Pflegerin ber früh ©eint» 
gegangenen, ftanb allein am ©rabe ihre« Sieb» 
ling«. ©ief bewegt nahm fie nicht allein noch 
einmal 9(bf<hieb von bem geliebten Wabe, ba« 
ihr viel mehr ungehörig gewefeu, al« fouft ein 
Siub feiner ©rjieberiu; fie nahm auch 91 bfebieb 
von bem Sanbe, in bem fie nach ihre« ©ater« 
©ob eine zweite ©eimatl) geftmben. 

Seit jebn fahren war 9tofalie ©rjieherin im 
9(u«laube gewefeu; ihre Weifte fingen au ju er» 
lahmen, nnb nur in ber ©eimatl), in ihrem fie« 
ben ©eutfchlanb, glaubte 'Jiofalie wieber genefeu 
311 löuueu, förperlicb wie geiftig, beim bei« 2Beb 
um (flfe’3 ©ob hotte fie fchwer getroffen. 911« 
mit tröftenbem SBort ber ©eiftiiehe ihr beim 
Schluß be« ©ottefbienfte« bie ©anb reichte, 
wiiufchte er ihr 3 ugleich eine glücfliche Steife, 
beim noch an betufelbcu 9lbenb follte 9tofalie 
ihren weiten ©eimweg bou mehr al« jweihunbert 
Meilen antreteu. ^ijr ©ers fchlug höher bei 
bem ©ebanfeu, wieber beuticben ©oben betreten 
311 biirfeu — fie meinte, e§ muffe 9(fle« Diel 
feböuer geworben fein feit bamal«, wo Tie fort* 
e eiogeu, benn iitswifchen hotte ja ©eutfcblmib 
feine glorreichen Wimpje gefämpft, benen mau 
Wie eigenen ©riumpheu in ben Cftfeeproviujen 
3 iigejiibelt hotte, mabriieb, e« war 9tofalie in 
ber fyrembe oft eilt begliicfenber ©ebante ge» 
wefen, baß auch fie voll frohen St 0 ( 30 « ficb eine 
©eu t f che nennen burfte — wie herrlich buchte 
fie e« fiel), ihr Itibne« (Polt mm wieber 311 febeit. 

6 « war ihr eigentlich nicht galt} dar, wen 
fie fiel) bei biefem „Mieberfebeit" beulen follte. 
Ohne (Sltern uub ©efchwifter, ja felbjt ohne 
fouft ©erwanbte wiebersufiuben, buchte fie au 
jenen unbeftimmten weiten Wei« von Sefaiiu» 
ten,. bie einft fo gern ba« ga ft liehe ©au« ihre« 
©Jäter« aufgefucht, mit benen Re ba« ©janicn 
gemacht ober coufirinirt war. 9tur mit einigen 
batte fie immer felteuere ©riefe geweihfeit, nnb 
Memanben hotte fie ihr ftommen angetfiubigt, 
al« allein Sfrau Stephan, ber alten ©ortier» 
frau in ihrem eiuftigeu ©Iteruboufe, mit ber 
©itte, ihr Womöglich in bemfelben ©aufe ein 
möblirte« Stübchen 311 mietheu unb ihre* ©e» 


-gtüzed by vjOOQI 



Uns brat leben 

biemtng ju übernehmen. SaS menigftenS mar 
geglüdt; es mar brei kreppen fjocf) nod) ein 
3 immer frei, nnb fo buvfie fie unter betnfelbeu 
Sache atisruheu, unter bem fie einft gliidlichere 
Safte ftefehen hatte. Sa mul* fttaubte fie, meif 
ihr Vater fjausbefißer fei, tönuten SRahrungS» 
forften ihr nicht nahe treten. 9lber als nach 
feinem Sobe bieS #au3 berfauft merben mußte, 
faub es fich, baß SRofalie uon bem VSeuigen, wag 
ihr blieb, nicht leben fonnte, unb fomar fie ganz 
gufriebeit, uon einer liebeitSmiirbigeu, lioiaii« 
bifchen gfauiilie als (Srjiehevin mitgenommen jn 
»erben. 

tfrau ©teplfan hotte in ihrer Sugenb in SRo» 
falieuS Elternhoiife gebient, unb »eil fie bcn 
portier geheiratbet, mar fie auch nie heraus» 

S iefommen aus ben befanuten SRaiimcu. V3oljl 
ah fie ein gut Shell älter aus, nt» fie tRofalie 
mit aufrichtiger fffreube am 2 öagenfd)log be= 
grüßte; aber es mar Diel 311 frhöit, boit einem 
befannten Wctifcbeufiube fo froh „willfommeu" 
geheißen 311 »erben, als baß SRofalie bie äußere 
Veraiiberting in fjrau ©tepban’S Vittliß fott* 
berlich bemertt hätte. SLMe tief rührte e§ fie, in 
bem (»ibftdegenen Stiibd)eu einige Vnbcufett, 
bie (Viau Stephan forftjam gehütet hatte, für 
fie aufgefteüt 411 finbeit, einige Silber, ein lici» 
neS eijerneS ferujifij — 0 , wachten hoch ttu» 
aahlige Erinnerungen auf bei bem Vublid biefer 
Singe. 

SU« SRofalie nach ber erregenbeit VegriißungS» 
fcene begann nach ben alten Vetaiiuicn 311 for« 
f<hen — wie oiel hatte fi<h geänbert! Von 
manchen mar bie ©pur nicht niehr aufjufinben, 
unb als fie begann, bie »eiligen, mit beiten fich 
^Beziehungen auS ber Vergangenheit mieber an» 
fniipfeu ließen, in ben Häuften Sagen aufjii» 
fucheu, ba mußte fie mit Schmerz erteuneit, mie 
fremb fie in ber ^eimath geworben, »ie gleich« 
gültig es ben weiften fchien, ob fie wiebergefom» 
men, ob fie bort geblieben wäre. Sie üBohl« 
meinenbften fchienen feine 3 fit für fie übrig 311 
haben. SaS Sieben in ber großen Stabt trieb 
fo ruhelos oormärts, immer PormärtS; erfcbroden 
fragte fich SRofalie: woher nehmen alle biefe 
hafiigeu Weufcben eine ftille ©tunbe 3 iir Ein» 
fehr bei fid> felbft, ober mie machen fie eS, bafi 
fie ohne folche ©tuitben leben, geheißen, alt Wer» 
ben töunen ? 

Seiber hatte feit ihrer Vbmefenfjeit auch ber 
SJerth beS ©elbeS eine erfchrecfenbe Venberitng 
erfahren. 2haS früher für fie gereidjt hatte, 
genügte heut nid)t mehr; ihr niitgebrachtrs, 
fleiueS Kapital fdjroanb fo fdjuefl, beiß fie uad) 
Wenigen 2öocben bie SRotbwenbigteit einjah, fid) 
nach einer neuen Stellung timpifebeu. Eine 
Zeitungsanzeige, in meldjer eine Same gefacht 
würbe, Wutterfielle 311 übernehmen bei 3 ioei 
iuiiflen Weibchen, fdjien ihr befonberS geeignet. 


ttner (ffqieberiit. 469 

unb fie machte fich auf, fuß bem Vater ber ftin» 
ber »or 3 iiftelIeu. 

VIS fie borthiu fam, mußte fie »arten, bis 
einige Samen, bie früher als fie gefoinmeit, ge« 
gangen mären; bann ließ man fie in ein elegait» 
teS Zimmer eiutreten. Ser £>auSherr fam ihr 
einige ©dritte nachläffig entgegen, unb iubem 
er baS pincc-ncz auffeßte, um fie fdjärfer 311 
beobachten, Perficßcrte er ihr, fie »erbe fich Oer» 
mutblich fehr glüdlich fühlen, falls fie ihm ge» 
liügte. ©ie fragte noch ben halbberwaiften 
Sintern; fie touren Porläiifig in einer SJknfion. 
VIS fie bebauerte; biefelben nicht fcheit 311 tötmen, 
antwortete man ihr ungebulbig, es fei 90113 
gleichgültig, wie fich ihr Verhältnis 311 biefen 
Üinbern geftalte, bem fmuSherrn müffe fie por 
allen Singen gefallen, ihn müffe fie unterhalten 
fönnen burch tDiufif u. f.»., unb als SRofalie, 
tief berleßt pon bent Son ber Unterhaltung, 
aufftaub 311111 ©eben, perficherte man ihr, fie 
tonne Pon ©lüd fagen, wenn mau fie berüd» 
fichtigeu mürbe unter beit Pierßunbert Welbun» 
gen, bie eingegangen feien. 

Sief gebemiithigt Perliejj SRofalie baS fwuS; 
als aber jeber Sag ähnliche Enttäujchnugen 
brachte, als fie überall bem übermäßigsten ©tel» 
lenzubraitg Pon U 11 befehd fügten begegnete, als 
bem teblichen Sßillen fich nüßtiß 3 U machen, 
febe Wöglidjfeit abgefchnittcn fchien, fein 3>d 
ju erreichen: ba fant itjr ber Wutb, ba über» 
fchlich Re baS bolle SBcß ber Vereiiifamuug, unb 
jutn erftcit Wal burdjbebte fie ber Peqwcifelnbe 
©ebante: „£)ört ber Reifer in ber SRotß, 
hört ber Vater ber SBMttweu unb SBaifcit nicht 
mehr meine angftuollen ©cbete ? 3 ft es nicht 
ber Sratier genug, fo gar eiitfam 311 flehen 
unter all’ biefeu Willioneit —muß ich auch 
noch 31 t ©raube gehen auS Wangel au Shä» 
tigteit '{ 

SaS Heine Erujifij auf ihrer itomobe rebete 
bann wohl in feiner ftunimen Sprache 311 ißr: 
„Srug ber große Sulber am jtreu} nicht ©chrne» 
rereS als bu '{ üöar er itidjt noch Perlafjener Pon 
allen Weufcben, berleugiiet Pon feinen ff renn» 
ben ? Silber er mar gchorfain bis gunt Sobe am 
fi'reuz; er tßat ben SBillcit feines VaterS im 
£)immcl — t()ue bcSgleidjen l" 

Sann fam wofjl auf fut 3 e 3 f >l 8 ?riebcit in 
ihr forgennolleS ^>er 3 , unb bie Pergcblidje Vrbeit 
begann auf’s Diene am nädjften l'iorgen. 

fynft fd)ämte fich SRofalie Por grau ©tephatt, 
baß es ißr gar nicht gelingen wollte, eine ©tel» 
lang 311 finbeit, imb-eS war ißr gar nicht feljr 
lieb, als an einem Vbeub, an bem fie unbemertt 
in Ihr 3 >'"mer fdjliipfen wollte, t$*nii 'Stephan 
iljr auf bem gnße folgte, ©ie 3 iinbete iljr bie 
ilampe au unb reichte it>r einen Vricf, ber heut 
in einem an grau Stephan abreffirten Vrief 
eingetroffen mit ber Vitte, bie tnangelube Dlbrcffe 


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470 


bem jpfben riner (Erjieljfrin. 


an gräuleitt Nofalie hmjugufügeit, wenn fic bie* 
felbe miffe. 

Nofalie öffnete beit 33rtef uitb laS. Skßhalb 
gitterten aber ptöplich ihre £>äube fo heftig? 
213efef)nlb voüte laugfout Thrätte um Thrätte bie 
blaffe Söange herab? Skßhalb preßten fid) auf 
einmal NofalienS Sippen fo innig auf biefe 
©chriftgüge? grau Stephan faitb beS 3Buu« 
beritt teilt Gitbe. 

„Sie haben fie gelaunt," — fnate eublid) No« 
falie mit oott Thränen erfticftcr Stimme, „Sie 
haben biefe liebe s -ß a tt l i it e auch noch gefannt. 
@S ift min mehr als gmattgig 3ohre, als fie 
hier, bamalS ein fiebgehu jähriges Ntäbcheit ernfte 
©tubieit machte, um als 61 ’gieherin fern bon 
SBerliit ihren SebeuSberuf gu finbeit. ©ie mar 
nur menig älter als ich, tinb noch immer erinnert 
fie fich ber frohen, fdjönen ©hutben in meinem 
Glternhaufe. $ept ift fie berheiratljet au einen 
Saubgeiftlichett. 

„Sie jdjreibt mir, ihre ©efiutbheit fei ge« 
brachen burd) bie Slnftrengungen ihres früheren 
VerufeS, unb fie baute ©ott täglich, baß fie nun 
ötiSruhen bürfe bon fo fchmerer Arbeit, gehegt 
unb gepflegt boit ber Siebe ihres ©atten unb 
ihrer Töchterleiit; ba höbe fie mieber unb mieber 
au mich beuten ntüffeit, beim es fei no<f) Natim 
in ihrem £>aufe gu einer befcheibeneit geierabenb« 
ruhe für ntid), falls ich berfelbeu bebtirfe, mie 
fie nach eigener Erfahrung mahl auttehme. ©ie 
bittet fo herglich, ich, möge fonimeu, 100 immer 
biefe feilen mich finbeit möchten; fie bittet fo 
mann, ihr £>auS als mein .peint fortan aitgiu 
fel>en, roenu es mir nid)t gu ftiü unb beleihen 
fei, baß ich gu ihr reifen unb fie mieberfehen 
muß, bie ©ute, ob ich auch nicht immer bei ihr 
bleiben merbe. 3)aS ift ber £eiinath*gruß, beit 
ich i» ber gerne buufel erfehitte, unb ber mir 
bisher fo gar fchmerglich fehlte." 

(*S mar ein grauer, unfreundlicher £erbfttag, 
an betn Nofalie oor bem meiniimratrften Vfarr* 
häufe borfuhr, aber briitnen mar eS hoch mie 
lichter ©onuenfehein, als bie beibeit greuiibinitcn 
nach fo laugen fahren fich mieberfahen. $rei 
Töchter, bon betten bie jiingfte fautn fünf, bie 
ältefle nod) nicht gmölf ^ahre alt mar, liefen 
mit tinblid) frohem ©eplauber bie ©orge um 
bie traute, fichtlich leibenbe N?utter nicht gunt 
NuSbrucf toinmen. ©ie führten ihren lieben 
©aft burch £>auS unb ©arten, gelb unb glttr, 
unb als bie 'Jlbeitbanbacht alle ^aiiSgenoffeit um 
baS ©opha einte, auf beut bie traute Hausfrau 
ruhte, ba fchieit eS Nofalieit taum glaublich, baß 
fie erft feit ©tmtben unb nicht fit)ou fait fahren 
biefem traulichen £)auSftaube augehörte. 

91ud) beut Vrebiger fchieit es eine SBohlthat, 
fich gegen Nofalie über manche ©orge auSiprechen 
gu bürten, mit ber er feine traute ©attiu nidjt 
beunruhigen moflte. Vor längerer 3e t hol e 


er fich um eine einträglichere ©teile in 39. be* 
morbeit, uitbgerabe jept, mo feine ©attiit leiben« 
ber mar, mo utau beit ©ebauteit au einen Uingitg 
längft aufgegebeit, gerabe jept erfüllte man beS 
VrebigerS ©efud). greilidh tonnte er eS ab« 
lehnen, aber bie Nahe befferer Zeigte, ber ©djul« 
unterricht, ben er mit feiner ©attiu bisher felbft 
gegeben, unb bie beffere ©iitnahme bei immer 
fieigeuben 21uSgabeu, baS mareu hoch gemichtige 
©rüitbe gegen eine Ablehnung. ©0 tarn eS, 
baß jeber im £>aufe Nofalie gern gu feiner 
Vertrauten machte, unb fie felbft mürbe nicht 
nur beintifch, foitbern gerabegti unentbehrlich. 

Ta trat erttft uitb fchredlid) itt beit marnt« 
bergigen NienfcheitfreiS ein Vote ©otteS, ben 
Niemaitb fo fdjuell ermartet hatte — eS mar ber 
Tob ber grau ^auliite, bie ftill unb ohne fchme« 
reu flfantpf in einer Nacht bie luiibeu Nugen 
fchloß uitb bie ©orge beS UmgttgS eutfehieb. 

ftaum meuige VJocheit hotte Nofalie fich ber 
treuen 3 ugeubfrcnitbf<haft hiogebeu biirfeit, uitb 
mieber hiep es nun für fie, fich einen eigenen 
SBcg gu fitdjcn. 

2i>ol;l half fte treulich, fo lauge eSetmaSgu 
helfen gab, aber in V. mar fie ja überflüffig; 
bie $ittber befugten bie Schule, unb bie alte 
Torte, meUhe auf beut Sattbe ben |>auSjtanb 
beforgte, gog mit nach ber ©tabt uitb forgte in 
alter Treue. Nofalie gog mieber itt ihr h?d) 
gelegenes ©tiibd)ett, aber neben ber Trauer im 
bergen mar buch mie ein ftilleS ©liic! baS©cfiihl 
ber Sufammengchörigfcit mit bem benuniften 
£>auSftanb mit ihr gegogeu. ©ie holte eS auf« 
gegeben, eine attbere Stellung gu fliehen, uitb 
gab Sßriüatfhmbcn, bie ihre i£j:ifleug fieberten, 
^hre liebfteit ©tunbeit waren freilid) bie, meiche 
fte auShelfenb ben ft iuberit ihrer hcintgegangeiicn 
tVreimbin gab. 3 umeileit hörte ber tvauerube 
Vater biefcit ©tunbeit gu, mie fie häufig ben 
9ieligioitSftunben, bie er felber gab. 

TaS getneittfame SSktf, mie bie gentetitfame 
Nttfdjauung über bie höchfteu Eilige vereinten 
fie mehr uitb mehr, unb als baS Trauerjahr 
Porübcr mar, ba taut ein Tag, ein munberOarer 
Tag in NofalienS Sebeit, ben fie längft für un« 
möglich gehalten, an bem VouliiteuS ©atte f\t 
bat, bie Nachfolgerin ihrer fchmefterlicheu greuit« 
bin tntb bie Ntutter ihrer Äittber gu werben. 

Vield) eine lichtßolle Vahtt öffnete fich plöplich 
ber einfanten ^>eimathlofett. Nicht um gugenb 
unb ^d)ön()eit, nicht um ©elb uttb ©itt, um ber 
Treue millen, bie fie ber greuitbitt unb ihren 
Jfiuberu bemiefett hotte, mollte thrber, ber fie 
fchäßeu gelernt, ein giifjrer bttreh biefeS Sebeit 
u einem höheren unb f^öttereit werben. 2 lMe 
iiß mar eS, menn ihre v 4 Jflcgetitibcr fid) au fte 
fd)miegteit unb fchelntifch fich übten, fte in ftur* 
geilt „Ntutter, liebe Ntutter" gu nennen. ©0 
Viele hotten gefagt, mie fd)mer es fei; ihr fehiett 


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^us beut leben einet (ftüeljerin. 


471 


eS leicht imb begliidenb, alle SBarme i^reS Her» 
genS au biefe Aufgabe uerfchweubeu gu biirfen. 
Sh« fleiueu ©rfparniffe, bie fie ginn eigenen 
SeheuShebarf fich gefdjeut augugreifeil, griff fie 
jefct gern an, imb gab fie reichlich aus gu einer 
eigenen StuSftuttuug, bamit baS SJorljciubeue beu 
Södjtern erhalten bleibe als ein Slubeuleu an 
ihre SJfutter. 

Sa lag enblidj baS granfeibene SBrantfleib 6e= 
reit auf bem Soplja, in ad)t Sagen folite Stofalie 
füll getraut werben. Sie wollte eS nur uod) bein 
Verlobten geigen, ob cS fo ihm lieb fei; frcuiib» 
liehe Silber ber 3ufunft füllten itjre Seele, bin* 
ter ihr, weit hinter iljr lagen bie Sage ber ©in» 
fanifeit uub beS SJerlajfeufeinS. 

Sa, loelch’ baftige dritte nabten fich bem 
hochgelegenen Stübchen! SaS Waren nid)t bcS 
SßrebigerS Schritte, uub bor ber Sbiir hielt man 
an — tönte nicht leifeS S<hlud)gen herein ? 
Sodj — ba öffnete ficb bie Sbür, unb an ff rau 
Stephan ’S Houb trat mit oerftörtem ©efidjt bie 
gwölfjührige s JJt a r ie herein. Sie berfuchte ficb 
bie rotbgeweinteu Gingen gu troefnen; aber eS 
half nichts, bie Sbeeilten ftröinten nur um fo 
reichlicher beim Slnblid ihrer tiinftigen SJtutter. 
SDtit bem lauten Sluffdjrci: „Sobt liegt ber S3atec 
babeitn, ein fjergicblag enbete fein Sehen," ftürgte 
ba§ Äiub an ihre '-Bruft. 

Sprachlos faut Stofalie auf baS Sopba bi«/ 
beiß baS ©rauttleib raufchte unb fuifterte. Sun» 
fei war eS um fic her uub in ihr. 2Han fpracb 
gu ihr; aber fie beruahin es nicht. Sange, lauge 
ftarrte fie bor ficb Oiii; ba fiel ihr Süd auf baS 
flehte ©rugiftj ihr gegenüber. „Sei getreu bis 
in beu Sob," fpracb es g» ihr; in ihr bagegen 
antwortete eine balßbemnfste Stimme: „aber 
eS ift gu fchwer, ich fault nicht mehr." — „3ft 
eS möglich, fo gehe biefer Uelch au mir bor» 
über, boch nicht mein, fouberit Sein SBifle ge» 
fchebe," rief ber Staun ber Schmergen ihr Wie» 
ber gtt. 

Hatte fie bodj biefe Sitte oft genug in ihrem 
Sebeu ausgesprochen, aber fo fchwer wie in bie» 
fern Slugenblid hotte bicfelbe ihr nie gefchienen. 
Suntel war eS im ßinimer geworben, fnifiernb 
flammte bann uub wann eiii rother Schein hoch 
empor au§ bem ffeuer, welches ffrau Stephan 
gegen bie $erbfttü()le angegiinbet. Sa tauchten 
aus ber Sämmeruug Keine, theilnehmenbe ©c» 
füllten auf uub umfchlangen 9fofalie mit ihren 
Sinnen; bitteub, tröftenb ftiifterteu fie ihr tau» 
feitb ücbeuofle 2Borte gu, uub ehe fie es geinerft, 
hatten biefe fie mit beu flehten Siemen wie mit 


lieblichen Saitben, an wannpochenbe Hinber» 
bergen gegogeu. 

„Su bleibft boch hei uns. — Sn laßt uuS 
nicht allein, nicht wahr? Su bift uuS nun Sater 
uub SJiutter," fo flaug eS leife, halb weinenb, 
balb fofeub ihr gu. 

Unb ber rotlje Schein, ber eben wieber baS 
Grugifij umleuchlete, brach auch bie Stacht ihrer 
©ebanfeu, jejgt erft erfanute fie ©otteS SBege. 

2fa, ihr uub ich, toir trennen uuS nicht mehr, 
ihr föftiicheS ©vüe ber theureu Heimgegangenen. 
SieHonb eures SBnterS, bie mich uub euch leiten 
unb füllen folite iit biefem Sebeu, fie foü unS 
nach fi<h gieren gu einem höheren Sehen." 

Unb fo ift eS geblieben. Stofalie lebt noch 
heute mitten unter uuS in bem ©ewiihl ber 
Hauptftabt mit ihren brei pflegetinberu; hödjft 
eingefchriiiift uub bcfcheiben muß fie leben, aber 
bie äfreubigteit ift in ihr nicht auSgeblieben für 
bie Schwere ihrer Slufgabe. Sie unterrichtet, fo 
weit ihre Kräfte eS geftatteu; ein Keiner 3uf<huß 
gum Haushalt ift auS bem 6rbe ber fiiuber eilt» 
ftanben. SaS ©efühl ber Skfeinfoninug unb 
beS 23erlaffenfeiuS ift für immer oon ifjv geuom» 
men, unb unter bem Send ber ©egeuwart fei» 
men füll unb heimlich Hoffnungen für bie 3u« 
fimft Wie fffrühliiigSbliilhen unter bem Schnee. 
ÜOtöchten ihr bie ^reifte gu ihrer gefegneteu 
Shätiafeit nicht früher berfagen, bis biefe noch 
ferne 3ufunft erreicht ift, ober möchte ihr un» 
erwartete Hilfe gu Sljeil toerbeu! SBenn fie 
bie ©rüber ber Heimgegangenen befucht, bringt 
fie nicht Stofen unb Silieit, fie bringt brei junge 
SJtenftyentnofpen mit, bie fie pflegt mit heiliger 
Siebe. 

SBenn aber ber H fl ‘bft mit feinen erften 
Sdmeeflodcn einfehrt, wenn, wie an jenem 
SchredenSabenb, bie rothe ©Inth beS warmen» 
ben tffeuerS baS 3itnnter beleuchtet, bann hören 
bie Stachbarn oft ein frembeS, trauriges Sieb 
fingen, was fJtofalie in fröhlichen Sagen eiuft 
in Siolanb feuneii lernte: 

<£s finb riet tanfeitb ^(oef cn gefallen über Ztadjt, 
Ber IBintcr ift gefommen, ad;, etje wir’s gebadjt. 
£cis geljen alte Häber, fchwer rinnt bes Stromes 

£auf. 

3m <Jelb ein jeber Pfahl h at ein weißes Käppiein 

auf, 

3d; weiß nicht, was mir ahnet, mein tferj ift triib 

nnb weh, 

Md;, über ZTad;t ein Unglücf fommt oft wie erfter 

Schnee. 


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472 


din dpfer her feikraf^aft. 


(ffili <Piifcr &er £ eiimifdiaft. 

$0« ». ejjliiiflcr. 

SCoUenbet in tner gortfeftunaen. 


I. 

S befdjleicht bett beutfdjm ©inwan* 
berer immer eine fülle Sßehmuth, 
benft er an baS alte £eim mit 
adern, was er bort erlebt. SSJie 
fönnte er auch feiner &eimatb ber* 
geffeit, mo er bie heiter [teil Tage 
feines SebeitS, bie jEa^e feiner Kinbheit, berlebt 
bat. Knüpfen fid) bodj an jene 3eitbie fd^önfteu 
nnb reinften ©viunerungen, nnb toie fo mancher 
hätte gar gerne noch einmal jene lieblichen Sage 
guriidgerufeit. Unb boef) gifbt eS Ntenfdjen, bie 
unbantbar genug, ihre £>eimatl) oergeffen, ober 
fid) ihrer gar fdjämeu fönnen. 2lMr bebauern 
bie armen ©erblcnbeteu natürlich, fcenn fie ber* 
büftern (ich ja haburdj ihr eigenes Sehen. 6S 
mufe boch ein Nfenfch bou ziemlich nieberer ©e* 
finnung fein, ber feinen ©Item fein bantbareS 
£>erg bewahrt, ba fie ihn boch mit fo biel Siebe 
nnb Selbftoerleugnung gepflegt unb grofjgegogen 
haben. 

Unter all ben beutfdjen Königreichen, £>ergog. 
thiimern unb fyürfteutbüinern fteht baS lieblich« 
(Schwaben mit feinen gemütlichen unb gut* 
herzigen ©ewohneru begiiglich ber Schönheit ber 
Statur mit in ber erften {Reihe. NtandjeS £>erg 
fchliigt bem frieblicheu Saubren banlbar gn, 
auch wenn eS im fernen SBeften toeilt; beim gur 
£>eiinatlj wirb bie grembe boch gar feilen. @S 
mufi ben althergebrachten ©ebräudjeit fchmäbi* 
fchen TorflebeuS ein eigenlhümlidjer 3auber gu 
©runbe liegen, ber nicht fo leicht fchwiubet. 

3m Schwabenlanb giebt eS itod) manches 
friebliche Törfcheu, wo not) nie baS Tampfrojj 
Porüber fchnaubte, bie ©ewoljner eigentlich fauin 
recht Wiffen, toaS eine ©ifenbafjn ift. Unb fie 
fiub, richtig betrachtet, fchmerlid) gu bebauern. 
fabelt fie baS tägliche 23rot, maS füllten fie mehr 
roiinfchen? TaS ift ja eben bie ©rimbiage beS 
©litdfS, tpemt ber Nfenfd) gufrieben ift.' TaS 
fortroährenbe Nennen unb Pfauen nad) ©efifi 
macht nur immer baS ©cqeljren gröficr, unb mit 
ber Segierbe Permehrt fid) auch bie Ungufricben* 
heit. Taher glaube ich nicht, bajg ber raftloS 
ftrebenbe Ninerifauer fo gliidlich ift, als ber gu« 
friebene Sanbmauu in Teutfdjlanb. 3* mehr 
fich ber ©ten|tf) oon ber moberuen Strömung, 
bie nur ©clb unb Neuerungen toid, mit fort* 
reihen (äfft, befto ungliirflicber wirb er. 9lu<b 
unfer Sdjwabeulnnb wirb nicht pou biefem ein* 
reifeenben Uebel Perfchont. ©icl Unheil hat üboit 
jejjt bie Sorialbemotratie angeridjtet unb broljt 


noch gröberes ©erberben gti Bringen. 2Bie fantt 
baS auch auberS fein ? £>abcn boch biefe Ntänuer 
ber Neuerungen bei {ich felbft mit aller Neligion 
aufgeräumt, unb Perfudjen baS and) bei aubern 
gu begroednt; luo ihnen baS gelingt, muh natiir* 
lid) eine £>ölie gefd)affen luerben, beim ohne SRe* 
Iigioit ift bet Nieufd) fein Nienjd) mehr. 

9luch in bem Torfe K., wohin ein Sfjeil ber 
©rgählung uns perfekt, hat fid) fchon manche 
©eranberung bemerflid)gemad)t. ßiitft wohnten 
bort ftide, gufriebeneSeutchen, bie treu au altem 
©rauch unb ©tauben {enthielten. TaS ift anberS 
geworben. £)efligcr flreiten fid) jejjt bie Ntänuer 
in ben Scheuten über politifche fragen, alSbaS 
früher gefchal). 2luch bie jungen Ntäbchen möch* 
ten fich gerne fo Piel als möglich nach ber Niobe 
richten, beim baS lange, engnnliegenbe Kleib ber 
Stabtmabchen gefällt ihueit befjer, als ihr für* 
geS, bequemes Nöcflcin. 2Die fo einfach warnt 
boch Bie Seutd;eu früher. 2BoS lümmerte fie bie 
©Jeltbroußen! Sie ging ja fo wie fo ihren Sauf, 
unb ihnen mar cS gong behaglich gu Nintlj in 
ihrem befcheibeneu £>eim. Nur im galle ber 
Nothwenbigfeit machte man gu ffuß bie Steife 
nach ber nafjeqeleqeneu CberamtSftabt. ober be* 
fud)te and) ©efreitubte anherhalb beS Torfes. 
Unb jejjt fühlt fid» mancher ©tirfche gu beengt 
in bem Keinen Dörfchen, unb ihn gelüftet nach 
ber ©ielt brausen. Tort minfeit ihm golbeue 
©erge. Ter ©erblenbete! SHMe wenig weiß er 
bon jener ©Jelt, nach ber er fich feh»t! glätte et 
einen redjten ©egriff Pou ihr, er ließe greinbe 
eben ftrembe fein unb nährte fid) ehrlich in ber 
4)eimath. 

2öie oiet fjalfdjheit h«rrfcht ba branhen! Ta 
mißtraut einer bem anbern; einer fiuht ben an* 
bem gu nberPortheilen. |>ier gilt noch baS Ntnn* 
neSwort, brausen muh alles burch Namens* 
unterfdjrift unb Siegel beglaubigt fein. Unb 
baS Wollte man etwa ©Hilf nennen ? — SBarum 
benn ben Ntanit beneibeit, ber oiedeicht eine ein* 
flujjreichere Stellung hat, als toir? eS fragt fich 
ja noch lange, ob wir fie überhaupt ausfiilien 
föunten. 

Tcm Saubmann ift Pom Schöpfer bie Nuf* 
gäbe geworben, ben ©der gn bebauen, unb baS 
fodte er nie oergeffen. Sein ©eruf ift gewiß ein 
eblerer, als er felbft mitunter glaubt. 3e fvöh* 
lidjer unb ftrebfamer er ben Samen auSftrcut 
unb in ber ©rnte baS reife Korn in feine Scheu* 
neu führt, befto größer wirb ber SNofjlftaub beS 
SanbeS. SNarum follte er auch uni feiner Nvbeit 



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(Sin Qpftr bet J’eibmrdjaft. 


473 


wißen Peradjtet werben? 5aS raufe ein eitler 
SEIjor fein, ber geringfcbafeig auf beu £anbmaun 
herunterfteht. 5eS£anbmannSSeruf ift ehrlidj 
unb ehrenwert!). 5er 'sspefulant barf fiel) jeben- 
falls nicht mit i(jm auf gleiche Stufe ftellcn, 
benn unter feinem Sefi& ift gar mancher unehr¬ 
lich erworbene 5ollar. 'über baS ift nun eben 
einmal ber 3eitgeift, man möchte baS ©elb fpie» 
lenb eintreiben unb fc^ent bie ehrliche Arbeit. 

^ebenfalls wäre eS eine große ©otteSguabe, 
wenn nufer frieblidjeS 5örfft)en in 3utunft oor 
bem eiureifeenbeu Serberbeu bewahrt bliebe. 
Soft) Manches trägt beit Stempel beS 9llter- 
thumS. 5ie alte fteiuerne ßirftje falj Woljl fdjoit 
manches ^ahrfennbert fomnten unb fftjwinben 
unb immer noch fteljt fie eljrraürbig ba. £)od) 
broben auf ber Spifee ift ein eiferner $afjn, ber 
nicht nur als 3<erbe bient, foubern and) fetter» 
Prophet ift. 5ie Säuern perftetjen es and) oor- 
trefflich, fich nadj ihm ju richten. Unb wie fo 
feierlich fchnllt am Sonntag baS ©elaute ber 
©loden über bie ganje Start hin. 5afcei wirb 
einem fo aubäftjtig ju Sinti), benn bie ©loden 
haben eine gar mächtige Stimme. Stir will 
eS fdjeinen, als ob heutjutage fo Piele, auch folche, 
bie lieh ©fjrifien neunen, nichts Pon jener heiligen 
©hrfurftjt wilfeten ; unb boftj follte fie ber wahre 
©eift empfinbeu. 5aS£»eilige follte nitS immer 
recht heilig unb ©ott als ber ©rljabene ein ©c» 
geuftanb heiliger (Sl)vfiivdt)t fein. 5er fiaub- 
manu ift mit feinem einfältigen ©lattben jeben- 
falls beffer, als fo mancher Schier mit feinem 
Unglauben, ber boch faum weife. Warum er ein 
Ungläubiger ift. ©ar oft bringt es eben bie 
allgemeine Stöbe mit fich. 

ftrieblidj ift biefeS 5örfdjen auch noch in an* 
bereut Sinne; beim Stuttcr Statur hat eS rings¬ 
um burch tiefe 5hü(er umfriebet. £ieljcr breiug 
wohl nie ber granfaine $rieg unb baS war eine 
ffiohlthnt. SEBie feef unb reijenb liegt eS broben 
auf feiner 51nl)öljf, bafe eS fftjort Pon ber f^erne 
gefehen werben tann. 5runten im 5(ja(e fliefet 
iangfain ber wafjerreidje Sach unb treibt bie 
®orfniühle, bie immer fo fröhlich tlappcrt bei 
5ag nnb Sadjt. 3u beiben Seiten beS SaftieS 
ift eS im ^ricljüng unb Sommer praft)iPofl grün, 
blau, gelb nnb weife. 3m $erbfte aber hört 
man frohen 3fubel in ben SBeinbergen. 

II. 

©S War ißalmfonntag unb faum war ber 
■JtadjmittagSgotteSbienft ju ©ube, als auch fdjott 
91üeS bem 5ljfll e guftvömte. 5aS gefftah aber 
nicht immer fo, nur Weil heute Salmfonntag 
war. Unten im SlfeUe bei ber S'eflelei, nahe 
ber fteinernen Sriide, orbnete fich ber 3«g- 5a 
liefe ein älterer Staun feine mächtige Stimme 
erfdjaflen, inbem er ein £ieb anftimmte. Sille 
fielen ein unb fangen aus Poller Sruft jenes fo 


troftreiihe Sieb beS frommen unb pielgeprüften 
©erharb: 

„ U?ie foll id) Did) empfangen 
Unb wie begegnen Dir, 

© aller ü?clt Ucrfangcu, 

© meiner Seele gier? 

© >fn, ÜJefu, fefee 
mir felbft bie £eud)te bei, 

Xlamit, was I»id> ergötje, 

Ulir funb unb tjellc fei. ” 
u. j. w. 

Sangfam bewegte fid) jefet ber 3ug fingenb 
tljalaujmärtS. 31'ie fo blau unb tlar war ber 
Fimmel, unb wie fo herrlich baS ©rün! 5ie 
§rühliugSluft war fo mitb unb bie Sonne fftfeeu 
fo angenehm warm; au beu Säumen falj man 
bereits bie elften Slütljcn, ober boch wenigstens 
bie Ijcroorbreftjcuben ftnoSpen ; überall Wcir £e» 
ben, and) bie Sögleiu fangen ihr §rü()lingSlieb, 
unb ba follte ber Steufd) fich nidjt freurii, in¬ 
mitten biefeS 3ubef£, biefer ^rad)t? ©r miifete 
ja ein £»erj oou Stein hböen. 5aljer jubelten 
auch bie jungen fo laut unb fprangen luftig auf 
ben Siiefcn. 5er ©fjoral ber eilten fdjaüte 
weithin. So ging ber 3ug baS 5(j‘U hinauf 
bis ju einer höljernen Sriide, bie alt uub ge¬ 
brechlich genug war, nnb befeljalb auch erft un= 
terfuftjt werben muffte, ob fie noch bienftfähig 
fei. ©in alter Sürger hie© juerft eine Utebe 
unb bann würbe ber Sach iibevfehritten. 5rüben 
ging eS bann wieber fingenb tljalabwärtS. 

Oben in ben üöeinbcrgeu ftanb ebenfalls eine 
Stcnfdjcnmenge, lljeils bcin ©efang jn laufcheit, 
tfeeilS fich ber Statur ja freuen, manche waren 
eben auch gelomnten, weil anbere tarnen. Ueber- 
bieS war es ja auch ein ganj befonberer Sag 
beS 3<>hres. 

3 wei SBeiber ftanben fliiflerub ein wenig ab» 
feits. 3h r ©efpräch brehte fich um gar oielerlei, 
was fte nichts anging, bodj gerabe befehalb 
fchwafeten fie um fo lieber bariiber. Sie erjäl;l= 
ten fich SBatjreS unb Unwahres, WaS b« uub 
bortpaffirt uub auch nidjt puffert war, werbet 
fiife unb ber 3lnne ben ftof mache, mit wem 
HerrenbauerS ©ottfrieb ben Sonntag guuor in 
ben Reibern fpajiereit ging, ob Steljer’S triebet 
Wohl mit ber runbmangigen ftatljrine balb.g)odj- 
jeit mache unb wie reift) bie 21uSfteuer fein werbe. 
Wo ba unb bort Staun uub 2Beib f«h gejault 
hatten. 5aS alles iutereffirt ja bie grauen weit 
mehr als bie Stänuer. 5ie beiben SBeiber 
hatten offenbar jefet ein wichtiges 5Ijema ge» 
funben, benn ifjre 9(ugen jminfcrteu fo ge» 
wifttig unb gebeimnifeooil unb juweileii fftiielten 
fee perftoljlen nach ber 3ti<htung, wo bie Stenge 
ftanb. 

„.. . Unb wie hoch er ben ßopf trägt, feit 
er Sürgermeifter geworben ift. ©r ift bodj gar 


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474 


Hin Opfer brr feibenfdjoft. 


)u ciiuieOifbet. Siel)’ mir, mie ftotj er bort 
ftcfjt," fügte im ?yluflevton bie (5iiie. 

£ie 9lnbere nirfte beiftimineub uub toieber 
fd)ielteu fie hinüber. „ 3 dj hörte faden, er fei 
gegenwärtig oiel öfter im .£mjd) unb loimite 
meift betrauten beraub. Sein ffikib läßt er 
allein baljeim fi[ien ; eS gefdfleljt iljr auch gaus 
recht, beim fie badjte fi<b jiuuich fo drob, als fie 
ibn evbielt. Gr foll öfters totreit mit ihr haben, 
baS tvnnbert mi<b auch nicht. So treiben fie’S 
nicht tauge, bann toivb ihnen fctjon ihr Stofs 
üergehcu, wenn fie eines StageS einjeben miifjen, 
baß fie Deal mit finb." 

,,9ld), bn lieber Fimmel, toie ift eS bodh ein 
Uugliicf, mie Seute tnivdh fo ein 9Iemtd)en fo ein» 
gebilbct loerben. (fr fiebt Unfereinen faum 
mehr an!" 

80 ging baS ©efliifter fort, bis ber (Bürger* 
meifter fo siemlieb als fiunip gcbranbmarlt mar; 
benn baS ift gewöhnlich ber Schluß foldjcr ©e= 
fbräche. Gr ftanb nichtSahnenb bort bei ber 
ftötenge unb blicfte gebanfenöotl hinunter iu’S 
Sfjol uub hinüber in ben SÖalb auf ber auberu 
©eite. 9)lan hotte bon feiner Haltung aus aller» 
bingS auf ein ftoljeS £>ers fdjließeu föunen. — 
$od» biirfcn mir bein ©efdjmati ber 2 s?ei 6 er 
bort niibt nur fo ohne Söeitcreä ©lau beit fdjen* 
len. Sehen mir uns ben Wann ein (Bischen 
genauer au. 

Gr mar ein TOnnu bon f<hönem(BüU unb auf» 
rechter Haltung; ber 3Mid mar träumerifCh unb 
berrieth ein tiefes ©ewiith; ber ©efichtSaiiSbrutf 
seugte bon Diel Ghrgefiiljl, aber um fo weniger 
geftigteit. 3 eber mußte ihn als einen febönen 
'JJianu anerfenuen, fo ootlfommen mar bie ©e» 
ftalt bon etwas mehr als (Dlittelgröjje. Stols 
unb eingebilbet mar er nicht gcrabe, hotte aber 
bie üble ©eroohuljeit, mehr fcfjeinen ju wollen, 
als er eigentlich War. So giebt eS noch manche 
aufjer ihm. 3 obem mar es feine 2 lrt, ftill unb 
in fich gelehrt, feine SScgegu gehen. So tonnte 
eS mohi faum auSbIeibeh,baB ihn Mancher ftol} 
nannte, in fchlimmerem Sinne, als er eS wirf» 
lidj mar. 

Seit einem Söhre mar er (Bürgermeifler beS 
Dorfes. (Eigentlich Wat er nur ©emeinbefchah* 
meifter, boch ift eS in jener ©egenb beS Sdjroa» 
heitlanbeS gebräuchlich, biefeit „(Bürgermeifler" 
SU nennen, wahtenb fid) ber CrtSborfteher auf 
ben Üitel „Schulse" nicht wenig su gute thut; 
baS macht ihn ja auch eines Hauptes langer als 
anbre £euf. Seit Sofob — benn baS ift ber 
9tame beS (BürgermeiflerS — fein wichtiges 2lmt 
bermaltete, war es eine ausgemachte Suche bei 
(Bielen, bah er nicht wenig bon fid) beute. $er 
£öljergeftellte muh jo in ben meiften gälten ein» 
gebilbet unb ftols fein, ob er eS nun ift ober 
nicht, es gehört mit sunt 9lmt. 

©ans Unrecht hotten inbeß bie SBeiber in ben 


SBein bergen nicht, beim ein Keines güntChen 
Wahrheit hot in ben meiften Süllen auch bie 
(Bcrläiimbuiig, nur bah biefe» güutchen fo gar 
Kein ift. Sofob tarn fid) in ber 2 hat etroaS 
gröber bor als früher; boch baS märe noch 
manchem Uliiberit fo gegangen. Sofob fuchte 
je^t mit aller ©emanbtheit, bie ihm su ©ebote 
ftanb, ben £errn su fpielen unb baS nimmt fid) 
immer fouberbar aus an einem 2 anbtnann. — 
Sd)on feit einiger 3eit mar Satob einer ber 
eifrigften ©äfle im „©afthauS sunt £irfcf)," 
mähreub er früher am liebfteu am heimathlichen 
•Viccb weilte. Cft hatte ihn fein döeib gebeten, 
SU Saufe su bleiben, aber ihre 'Sitten' fauben 
taube Chven. GS.roar ihm bei ihr su laug» 
meilig uub im „ 4 >irfdj" fanb er immer lujtige 
©cfcllfchaft unb baS sog ihn fo unmiberfteij* 
lieh an. 

(DiauCfj gliidfliöheS Saljr hotten fie in fchönfter 
Gintracht mit einanber gelebt uub greub unb 
2 eib reblich getheilt. $ie trauten 9lbeitbe am 
gamilienherb waren immer bie fchöuften ge» 
mefen. Sa war Satob bürgermeifler geworben 
unb feitbem mar er immer felteuer gause.9lbenbe 
Su £>aufe. SaS fChöite banb, baS bisher alle in 
2iebe unb Ginigieit umfdjlungen hielt, broljte 
su jerreihen. 9tur allmählich, Schritt für 
Schritt, mar eS fo weit getommeii. Anfangs 
hatten SlmtSgefchäfte 3ofob in baS ©afthauS 
geführt, bann bie Siebe sur ©efeUfdjaft unb 
fd)liejjlich mürbe eS ihm s>ir ßeibenfehaft. 

Gin SöirthShauSbruber wollte Satob nicht 
werben, beileibe nicht. Sange hielt er auch träf» 
tigen Süöiberftanb unb mar immer seitig su £>aufe. 
Slber fein Söeib flhaute befiimmert in bie 3 u* 
fünft, benn fie tatinte ihren üiann su gut, um 
forgloS fein su tonnen. 

Gs mar an einem fühlen fjerbftabeub, als 
3 afob mie gewöhnlich mit feinen alten greuuben 
im „.fjirfch" faß. 5)ie Unterhaltung mar gerabe 
recht lebhaft geworben, als bie ©loden auf bent 
Shurme bie sehote Stunbe üerfünbigten. £aS 
mar bi? 3 eit, roo $ofob gewöhnlich nadh ^aufe 
ging; benn biefen ©efallen tonnte er feinem 
Seib nicht oerroeigeru. Somit erhob er fich 
auch heute, tun gute 9ta<ht su wiiufcheit. Schon 
oft holten feine ©enoffeu oerfucht, ihn länger su 
halten ; boch bis jebt ohne Grfolg. 2lbev heute 
roareu fie feft eutfChloffen, ihn unter aflen Um* 
ftäuben su holten. 

„Sßirft uns boch i e ht nicht berlafjen wollen, 
ba Wir in ber heften Unterhaltung finb. 3Ch 
lafs nodh eine glafche 9lChtunbfechsiger tommen," 

K ein unterfejjter HKaitit mit Keinen, grauen 
.. n unb oufgebuufeuem ©eficht, beffen nicht 
fchr fleine DJafe ben fleißigen Printer öerrieth 
unb ben mir unfern Sefern als ben unläiigfl hier 
feßhnft geroorbenen Wiiller uorftellen. 
w 3 <h tonn nicht länger bleiben, ich hob’ Der» 


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(Sin ©pfer ier feilirnfdjnft. 


475 


fprochett, um gehn Uftr nach £aufe gu foitimett," 
fatjte 3fafot> und) feiner Wiifte preifenb. 

„Sift bod) nid)t par unter bein Pantoffel ?" 
Warf jeftt ber raufte 3)orffd)inieb ein. „giirchteft 
bid) bod) uic^t auSpegautt gu werben ? Hi au tauft 
fid) oou feinem Söeibe nicht pang uub gar repie» 
ren taffen." 

3)a i'tberflop 3*>rne»röt^e baS 9(ntlift 3aIobS. 
Gr fenfte baS $aupt, wie in Wtdjbeitfen oer» 
funfen. Platte ber Sdjmieb nicht pefapt, er fei 
unter bem Pantoffel '( Unb war er’» beim nid)t ? 
gaft wofite es ihm jeftt fo fcheinett. Gr liebte 
fein S3eib, aber unter beut Pantoffel wollte er 
nicht fein. Unb er wofite eS nie unb nimmer 
fein! gu feinem gnttern ftritten groei Stimmen; 
bie eine mahnte: „@elj nach |>aufe," bie anbere 
fprad) immer ftärter: „Slcib, fei boch teilt 5J?arr. 
Sie lachen bid) ja au»!" 2öaS mar ba gu thun ? 
©ittp er, fo pab er ftillfdjmcipenb gu, baft er 
unter bem ^Pantoffel fei; blieb er, fo tf)at er 
fchmcreS Unrecht uub betrübte fein üöcib. litt» 
jcftlüffip ftonb er ba. 

35a» merfteu bie 91ubern uub beuiiftteu bie 
pünftipe ©elepenfjeit, beim bie Serfuajer finb 
immer machfam. 9tlle ftürmten jeftt mit ihren 
Sitten auf ihn ein unb üertjieficu eine lufiiige 
Stuube. Sattele follte eS ja nicht währen, alle 
wollten halb iiach £>attfe, nur jeftt noch nidjt. 
Uub gafob lieft fid) iiberreben ttttb blieb. 35er 
biefe Wüller beftellte eine glafdje 9(d)tunbfed)»= 
giper, ber Sdjmieb totirbe auch freipebip, maS 
nur feiten üorfam, uub nun Würbe tuftip pc= 
truitfen, aber auch heftip raifonnirt. gatob 
mürbe halb bebufelt unb feine fdjmache Seite pc= 
mann bie Oberhanb. 91n fein 2öeib uub feilte 
ffittber gtt &attfe buchte er nicht mehr. Salb bc= 
gahlte and) er glafcfte auf glafdje, ttttb bie ©e= 
feOfcfjajt traut uub ftritt immer Ijeftiper. 9tafth 
Oerflop bie 3eit. 

SSerfcn wir einen Slict itt gafobS SBoljnunp. 
35ort faft eitt bleiches SJeib eitifatn unboerlaffen 
üor einem iifd), ben .Kopf auf bie 9lvme pcftiiftt 
— eS war Ghriftiue, gatobS Sßeib. 3)ie jjiuber 
fchliefen feft unb nur fie wartete noch auf ben 
Sater. So lattpe war er aber auch noch nie 
auSpehlieben. 2Bie war boh beut Ijarreiiben 
2Betb fo fchtoer utn’S Jgterg, unb bagit pefcflteit 
fid) noch fdjinerglicftc 2tbnunpcii, meld)o fie tgeflett 
Dtiemanb auSgufpredjen roapte. 9lenpft(id) horchte 
fie auf baS tleinfte ©eräufei), uub flaute pur be= 
trübt gttweileit hinaus in bie monbljelle 9ta<ht, 
aber cuttilufdjt lehrte fie mieber an ihren ffMaft 
am Sifche giiriicf. Sattele noch follte fie fo war* 
ten. $)ie ihränen ftartben ihr in ben 91upett, 
als fie feufgte: „O biefeS unbeilbrinpcttbe 9imt, 
baS mir bie SRube unb bie Siebe meines WaniteS 
raubt, früher weilte er perne gu ftattfe, Wenn 
er fuh uiübe (gearbeitet hotte; jeftt ift er immer 
fort unb heute »arte ich umfonft auf feine 91n» 


fünft. Wir wirb fo bann um’S £erg, wenn ich 
au bie 3»tuuft beute." So faft fie lattpe uub 
weinte ftill unb tlapte beut Sater brobett ihre 
9totp, bi» ein leichter Schlummer fie ihren jjutu» 
ttter auf einen 9(upenblicf ocrpeffctt lieft. 

Sie hatte noch nid)t lattpe pctd)(untinert, als 
fie plöftlid) erfdjrecft entporfuhr. 35ie £auS= 
thiire war heftip gupeworfeu worbett, uub Oon 
ber kreppe her bernahm fie fdjwere, uttfichere 
dritte. Giiteit *91upenb(ia fpäter mürbe bie 
Stubenthiire aufperiffett unb über bie Schwelle 
ftolperte iljr Statut. Uub wie ftarrteit feine 
2 (upctt fo pläfertt fie an, baft fie bis iuSgniterfte 
erbebte. Ghriftiue hatte ifju nod) nie fo pefehen. 
9l(S fie crfd)rodeit ttttb äiipftliih ihn anblictte, 
murmelte er mürrifdi oor fid) hin, unb ß^riftine 
plaubte ihn etwas über „itid)t unter beut San» 
toffel fein wollen" gu berfteheit. £>atle fie ihm 
bemt Urfadhe pepeben, fo gtt fpred)en ? glatte fie 
iftn nicht immer peliebt? 

Ohne fich gn enttleiben fdjlief 3afob eitt unb 
erwachte am attbent Worpett mit fd)ti>erent itopfe 
uub bem ©efiihl pröftten GlenbS. 

$cr griebe wetr jeftt Oon ber füllen fyantilie 
petoidjett. Jjatob hörte nid)t auf bie Sitten fei= 
ne» 9BeibeS, antwortete überhaupt nur feiten, 
beim itt nüchternem 3nftanb wollte er nidjt 
perabe prob pepett fie fein; nur follte fie wiffett, 
baft fie ihn ttid)t unter bem Santoffcl halten 
Kinne. 9(1» ob baran baS brabe SBcib überhaupt 
pebad)t hätte! 

3 fafot> war nie früher pepett fein ffiecib fo ab» 
ftoftcnb pewefett, er halte |ie aufrichtip peliebt. 
91ber bott jeftt an würbe er immer licblofet. Oft 
unb oft miebcrbolte fich i f ner 91bcnb, nur mit 
bem Uuterfdjieb, baft 3«tob fich jeftt nidjt mehr 
nöthipen lieft, fottbern freituiflip blieb. Gr 
wollte feilten faubern Sriibcrn beit ScweiS lie» 
fern, baft er nicht unter bem Santcffel fei. ©epen 
feilt 9'Pcib terftarrte er itt troftipein Sdpoei» 
pett, jebettfallS baS ^ßeinlichfte für eine liebenbe 
©altin. 

Gilt taltcr Söiitter folpte. 2)er eiftpe SBinb 
pfiff fo ftarf, baft bie gfenftcr flirrten. 3» fol« 
djer Seit ift es am beftaplichften int warmen 
^imitier beim Cfett. 3» biefem haben 

ja bie beutfdjeit Sanbleute befonber» herperid)tete 
Cfenbättfe. 35ort fiftcit bann nid)t nur bie 2Pci» 
ber, fottbern auch bie Wättner pertte beifamnten. 
S5iefe fprechen mit Sorliebe über bie mit bem 
Wann attf’S Gnpfte berwobene ^ßolitif. 35agu 
rattdjen fte ihre Sfeife unb trinfen ein ©löschen 
Skitt ober 91pfelmoft, gttmeilen auch mehr. 
35rauften befiimmert fich ja baS 23eib nodb nid)t 
um politifhe Srapen. 3n folcher ©efeufd’oft 
ber Sanbleute werben Wönpel in ber ©emeinbe» 
Oermaltunp beffer befprodjen, als in offener 
Dtathsfiftunp, benn es ift ein faft allpemcitier 
gehler ber Wenfdjcn, baft fte ba fchweipen, wo 


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476 


Um JWontblnnr. 


fic fprecbeu foflteit uitb and) untgefebvt. 2 >iefe 
Otenbaiifpolitif fiiibet mit feiten i breit 2 Beg mt§ 
beit uiev Söttben, unb bie bie ba b’riit 

entworfen werben, fallen braußett meiftenS bet 
Söevflcffeit^eil anheim. 9lncb bie ^Uflenb Der« 
famuielt fidj gerne. $ie Dtaödjeit fißett beifarn» 
inen unb (binnen, unb orbeittlicbe ©uvfdjen er« 
bnlten 3»tritt unb fcbaffcit Unterhaltung. 2)a 
febnurren bann bie Dtaödjt'n unb bie Sputen 
füllen ficb mit bent ftarteu Silben, bet in bauet« 
hafte fieittwanb oerwanbett werben (oll. 

28 er weniger ^attälid) gefinnt ift, fud)t in beit 
Scheuten feilten 3 fituertreib, unb jtt biefen ge« 
bövte jeßt 3afob. Seither war ibm im 28 inter 
bie Ofeubuuf jit {taufe bet (iebfte '-IMaß gewefeu, 
aber ba» mar leibet aitber» getommen. 
„.(jirfd)" fanb er fid) oft mit bent birfen (Dliilter 
unb bent rauben 2>orffibmicb unb noib anbercit 
Spießgefelteu jufamnten. if» oerftanb fid) batb 
bon felbft, bafi jafob als ber Dteicbfte unb 2öobl= 
babenbfte and) am meifteu bezahlte, unb er 
glaubte bainit etwa» befonber» (iiroße» jit tbuit. 
UBobiit ober foüte ba» fiibreit ? 3fatob mar aller« 
bingö einer ber {>öcbfluer5ebnteten im S)orf, aber 
wie bie meifteu itanbleute batte er wobt bin* 
reicbenb Sebenömittel uitb nod) mehr, aber wenig 


©elb. $ie 3 ?d)fcbulbeu wntbeit immer größer. 
$aju taut nod) ba§ l>erberblid)e Spiet. Einfangs 
würbe e» allerbing» nur 511111 3 eitbertrcib ge« 
trieben, halb aber um ©elb, uitb ettblicb würbe 
(S 5 tir folgenfd&meren 2 eibenfd)aft. 

Unb toie ging e§ 5U {taufe ? 3 aIob mitrbe 
immer fdjroffer unb licblofer gegen feilt 28 eib. 
3brc ibrauen tonnten itjn nid)t rühren. 2(ttdj 
bie ftiuber, für bie er nod) große 3i'»>fi(imtg 
batte, blidten ben mnrrifd;eu Stater fd;eti an. 
6r war ja audj gatt5 nubevS geworben, unb ba§ 
merften fie wot)I. Sab er bie (ebenen 2Mide, 
bann tourbe er nur nod) mehr gegen feilt 28 etb 
erboft, ber er alle# jnfdjrieb, unb mitunter tnnr« 
Hielte er: „©taubt fie beim, id) fei ibr ffneebt 
geworben, al§ id) fie bfirattjete? 3eßt bringt fie 
c» and) noch fo weit, baf, bie Äinber mid) fürd)« 
ten. Sie foll'S nod) büßen." $abei blidte er fo 
tniirrifeb bor ficb bin, baf; man batte glauben 
löitnen, er fei bereit, breinsiifcblageit. £0* ließ 
er ficb allerbingö nie 511 Sdmlbeit tommeit. 
Sold) tnürrifebe Stininiuugeit tarnen gewöhn« 
lieb bor, wenn er in ber 9 tod)t betriintcn und) 
{laufe fam, 1111b bie fiittber am fDiorgen toegen 
feine» uerftörten Sluöft'beu» erfdjredt ihn utieben. 

Cgortfc|ung folgt.) 





-Hf |tm ÜUntbUiu. *-«- 

Gbitor. 


^bißer Stiiel ift mit $cbad)t ßemäljft; 
beim erftießeit f)abe ich ben Serß* 
föuiß (Siiro|xi 3 nicht. ©«$ üheint 
mir, falld fein miffenfe^aftlic^eu 
3mecf tmrließt unb man fo!d)e 
„Wufftieße" nur unternimmt, um 
faßen 311 föuneu, mau fei bvoben ßemefeu — 
beim bod) ein ßar 311 maßhaffißc§ Unternehmen, 


meldjes ba 3 SJovt in ©riunenniß bringt: „ 3 Ber 
ficb in ©efafjr beßiebt, ber fornrnt bariuuen um." 

5 lber {>iii mußte ich 31t bem in feiner 9 (rt un* 
Uerßleichlichen „ffieißeu 33 erß", ba id) bod) ein* 
mal in ber Scfyme^ mar. Söie ein Sföuiß minfte 
er mir Don ©eiif au 3 , umhin im» lmüermeib« 
lid)e ©efd^afte führten unb um mir bie greunbe, 
bie mir fud)tcn, uirfjt fauben. 



UiHigciitifid ©Ictjctycr. ®läjenie$ 'äMccv. Ix» Flfgere. £um. ©Ictfc^r des Bossons. 

SRontblancsjtette. 


Digitfzed by v^ooQie 



Um Pontblanr. 


47? 



Gin S^aß a u f einer Diligence ber fraugö» 
ftfc^eu Gompagnie, meldje fJteij'eube, ©ep;id mtb 
Briefe Don ©ettf uad) Gbamouig gunt $uß De» 
StontblaucS beförbert, mirb befteUt. 3d) farje 
o u f einer 'Diligence, beim biefe ©efäbrte finb 
ber 91uSficbt megen eigeutbmulid) eingerichtet. 
3m unter» lÖageutbeil mirb baS ©epiid auf= 
bemabrt, mübreitb auf ber breiten SJagenbede 
Sipe für 24 Sajfagiere Ijercievidjtet fiitb, bie ein 
leichtes Dach (leiden Sonne imb ctroaigen Ülefleit 
frf)iipi. 

Steine starte toeift auf einen Gdfip in erfter 
9teipe. 9llS ich ober tomme, ift berfetbe l<oit 
3emanb au« einer ameritauifdjeu Uteifegefell» 
fdjiift mit ebaratteriftifeber Freiheit in Sefdjlag 
genommen. Ohne etmaS gu faßen nehme irf) 
beu uäd)ften Stoß 
in erfter 9teibe ein. 

2lber auch baS ift ben 
oermöbnten aineri» 
fauifebeu Douriften 
nicht genehm. Sie 
erwarten noch 21n= 
bere, unb batten ba= 
ber gern für ihre 
gange ©efeüfebaft 
bie befteit ^Stä^e ber» 
auSgefijdji, obgleich 
jebem Saff.tgier ber 
Hitalt beim Htntauf 
beS Siüets auf bem» 
fetben angemiefen 
ift. Da wirb nun 
mit ber befannten 
ftuugengeläufigfeit 
b v ranf lo§ gcfdjroafet 
mtb geratpen, wer 
unb mas ber ftremb* 
littg eigentlich fei, 
mo er mobt f)er= 

tomme — aus jjranfreidj, Deutfcblanb ober 
tßoOanb, uttb roa§ man mit ibm anfangeil fott. 
Das ging fo eine Qeitlang bin mtb ber, toie ein 
preuBifdjeS Schnellfeuer, toabreub beffeit ber 
Seridjterftatter mit inöglicbft bummer DJtiene 
ftumm bafifst toie ein fjelsbiorf. 9l(S baS ,,©e» 
fiuitter" aber gar gu ftarf toirb, giebt er in aller 
SRutje feinen ^ßajfagierfcbein aitS ber Dafdje unb 
bittet bie Dame in ber erfteit ©de, adergefiifligft 
tu tefeu. — 2Iber biefe fomifdj berbliiffteit @e» 
filtert fjrangöjtfcb lefeit tarnt gufädig fjtieinanb 
Oon ber gangen ©efeüfebaft, mtb eS muff Der» 
bolmetfdjt roetben. 3fbermamt blieb jebod) auf 
bem eingenommenen $(afce, unb mir mürben 
gute Steifegenoffen. 

3ef>t gebt’S hinaus aus bem beißen ©ettf — 
bemt eö ift ber 3utimonat 1881 — bem £)ocf)* 
gebirge gu. Sicht Sferbe Dor ber Diligence, ein 
guter ftutf$er, eilt Gonbutteur unb 24 miß» 


begierige, uacb bem Slontblauc Dertangenbe 
Saffagiere. 911 fo fahren mir auf ber guten 
Straße bubin. 

Stur toenige Steilen Dott ber Stabt mirb bie 
©renge iibevfdjritten, ober eigentlich überfahren, 
mtb mir finb auf fraugdfifebetn ©ebiet. einem 
Stiid Don SaDopen nämlich, melcpeS Stapo» 
(eqn III. noch bem 1859er Itriege gu fyrantreid) 
gefcblogen. GS ift b'ftmifdjer ©runb. Durch 
biefeS 2bat ber Strbe, ba§ hinauf gum Stont* 
blaue giept, gogeu in üielfacbeit Rümpfen bie 
Scboareit ber tatbolifdjen £>ergöge Don SaDopeit 
gen ©ettf, ber Reßerftabt, um biefetbe 9tont 
uutertbait gu mnebeu, maS aber nidjt gefeint), bis 
enblicb bie SJtctropote ber fübmeftlidjeu Scpmeig 
ipre Unabbäugigfeit errang. 3u ieucu Sergen 


«<nf. 

fiibticb Don ber StrDe beteten bie ffialbettfer gn 
ibrem ©ott; bort tuurben fie Don ©(bergen unb 
Solbaten Don Scbludjt gu Schlucht, Don ©let» 
feper gu ©tetfeber getrieben, bis fie auf ber lebten 
Spiße £>alt mnebeu mußten, um iit blutigem 
Kampfe ihre Reiniger guriidgumerfen, ober gu 
unterliegen. 3» ben alten längft Derroebten 
911penbütten biefer Serge roarb baS tbeure S)ort 
©otteS Dott jungen fleißigen fjäubeu Derbmtbert» 
facht, um bann in £>i>b(eu, auf Derborgeiteit 
Statten, int Urmalb mtb im ärmlichen |>eiitt als 
Srot beS fiebeuS ftxaft gtttn Rampf gu fpeubeit. 

Streu mie ©olb, feft mie Stahl, finblid) int 
©louben unb eifrig iit ber Siebe gegen fjreunb 
unb 3?einb, hoben jene Stiinner unb grauen 
mit ibrem Slut eine @efd)id)te in jene Serge 
geftbrieben, meldbe bureb nidbtS Dermifcbt merbett 
fann. Sie finb, menfdblid) gefprotpen, unter« 
legen, biefe malbenftfcben gelben unb £>elbimten; 


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478 


Um fHoiitblntir. 


9tom bat nicht mir in ben SE^älern, fonberit 
and) in beit £>ochßebirßeit SaDopeuS fein $retij 
oufßcpflnujt, unb erft in jünßfter 3?it mürben 
weit brinnen im ©obin) unter bem Sd)ti]je ber 
freiheitlich ßefiunleu italicuifchen äteßieruiiß 
mieber einige malbeufifdje ©emeinblein ßefam* 
titelt — bie Smhfommeit ber fllaubenSftarfen 
Sätet. 

@3 ift fomifdj nnb traurig jiißleid), Wie wenig 
bie feine überieeifefje Oleifetjefellfrfjaft bon all’ 
biefer reichen ©efchidjte weiß. 2)ie meiften ber* 
felbeit meinen feft unb bejtimmt, baß ben 
Schwerem and) bie» Stüd SEßunberlanb gehöre. 
Sou ben 33 a b o i § haben fie wohl einmal im 


Stoutblancfette, an welcher aller Sagen ficb 
laben. ®on fenfreebt auffteigenben Sergmänbcn 
ftürjen biebt am fSahrmeg ober weiter bin in ben 
Schluchten trbftallhelle 33äd)e, bie im galt in 
SBafjerftaub Perfprißenb unb uoin Sonnenlicht 
illuniinirt, baS herrliche ^arheufpiel be§ Stegen* 
bogenS jeigcit. Stajeftätifche ober Injurie OelSbil* 
buttgeu frönen Diele Seine, unb weiter hinten auf 
ben böcbften ber '.Kiefen blinfeu bie fd)iieebebecfteit 
kuppen, al§ oh fie hon Steifterbunb aus glüit. 
genbem Wabafter gemeißelt worben. Sicht neben 
ben Scbueefirnen vagen fdjmarge fyclviiabelit 
himmelan, welche fo fenfverfjt anflrebeu, baß 
Weber todjuee noch @iS an ihnen haften bleiben. 





„fxirper" gelefeu. 916er biefe SaboiS ivgeitbwo 
in ber ©efcbichte unb ©eographic )it piacireu, 
barau ju beuten — ach nein. ®ie ©efd)id)le fängt 
ja — wie einer einmal faßte, 9lnno $omini 
1770 an. $od) fiub bie Üouriften uon „brühen" 
willige unb baufbarc ^uC)örev. 

9föer Porher bie Schweig gefcljen, bem bietet 
baS 9(roe*2hal in feinem linteru fiauf nichts 
Ungewöhnliches, obwohl eS auch hier fetjon nur 
prädftig genannt werben barf. SBeiter oben 
aber ift imfjelbe ber romantifchfte 2heil ©a* 
Popen» unb eines ber herrlicbften 9((pengebicte. 

Um 7 Uhr StorgenS fiub wir ausgefallen. 
6twa um 11 Uhr — fo ju fpredjen — wirb baS 
Sfjal enßer unb eußer; bie 93ergvicfen rüden 
mib. (iufS näher, unb Porii im Siibofteii 
pon 3eit ju 3eit bie alles iiberragenbe 


Sfm engen Shalßtmtb pranßt baS frifdjefte 
Söiefenßiiin, fchitiude unb ßnt ßepfleßte Sabel* 
Wölbungen bebeefen bie Sc iß ha Iben, unb aus 
unb über benfelbeu, nahe ber Schneegreuge, 
fchauen bie Statten wie Oafen ins Shal, auf 
beuen bann unb manu ein fröhlicher £mte bie 
Schalmei bläft; beim jebeS fflecfcheu urbarer 
©rbe muß ber Steufch hier beniißeti, wenn nicht 
gum 9lcferbau, fo bod) für bie SBeibe, unb über* 
all tönt bie ©locfe ber meibenben .Quh- 
2)ie 8uft wirb reiner, alpenartißer; fie fönt int 
pon ben ©iS* unb Schneegcfilben, unb ift erfüllt 
Pom Salfaut ber Sabelhölger unb bem ®uft ber 
Söiefen. Sur in ben 9llpeit fiubet fich biefe 
immerwährenbe §tifcf)e ber Satur, nur bort in 
ihren £>od)thalcrn athniet man biefe cißeuartiße, 
balfamifche Suft. 3fn auberu ©ebirßen boßcßen, 


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Um üfcmtblanr. 


479 


S. 23. beu atnerifauifcheit, brennt fosufageit baS 
fvijdjc ©riin aus uni) bie2(tiiiofpf)äre ließt frfjloül 
auf bem Wanberer. 

mein, es ift feine btofje Sudjt unb Gaprice, 
baft bie Seute in bie Ullpeit pilgern; beim mer 
nicht auf bem Utigi ftill hält, foubern einbringt 
in bol &od)gebirge, bei erhält Ijier etwas für 
Seit), Seele tiub ©eift, maS tuo anberS fo leiert 
uitbt ju fiubeit ift. 

Wir at()inen tief unb leicht; loiv föuueii uns 
nicht fatt (eben ait biefeit majeftätifcheii mit 3ir= 
neu gefrönten Sergformeit, unb an ben fofigeu 
Wiefeit unb Watten; tote beben beit Sölid guiit 
ajurblauen |>iininel unb fprechen: „&err, mie 
ftub.beiiie Werte fo groß mtb Diel, bu baft fie 
alle weislich georbuet, unb bie Gebe ift 
boll beiuer ©fite." 

Uteid) jiotir ift biefeS Smib nicht. 3)ie 
S£halgntube finb frbm.il, unb an beu 
Sergen inuf; jeöeä jRöruleiii bem Sobcu 
abgeruugeit loevbeu. SDaruin trifft 
mau auch bau Gieuf bis Ghamoni;, 
eine Strede ooit 60 Weilen, nur einige 
wohHjabenbe Ortfchafteu. ®ie Gilt* 
wohiterfchaft biefer i^iilcr ift im ©an* 

Seit arm. £)ier ift ber arme Sanopar* 
benfitabe su $)aufe, beit mir in ber 
5|ugenb fo oft mit bem Wiirmeithiere 
fabelt, unb ber, troßbein er in ber 
greinbe mehr Srot befömint, bafelbft 
oor £>eiiitit>eb uacb feinen Sergen bei* 
nabe ftirbt. begegnen uns au<h 
bie GretinS, mit bem inißgcftalteten 
JJopf, bie in all bie Utatiirberrlidjfeit 
bineinftarven, als ob biefelbe gar nicht 
borbauben. 

2trnu', febmäebtige Jtinber laufen 
Weite Streden neben ber Siligeuce ber, 
um .einen Geutiiue Gent) su er* 
bafebeu. ®a tbut ficb beim bie Utationaltugenb 
ber Ulinerifauer funb! Sie föunen nic()t genug 
geben. Gift fliegen bie fleiitereit ©elbftiicfe, bann 
bie größeren unb enblicb fjraufenftüde (20 GtS.). 
„Gs ift ja gar su friedlich, mie Oerbuugert biefe 
kleinen auSfehen," fagt eine amerifattifebe 
®ame, „haben mir beim nichts s*> effeu ?" Unb 
riibtig — es fiubeit fidj gebratene ©übiter, gutes 
Srot, ,(hupen u. f. m. ®er Gonbufteur wirb 
bureb beu j)o(nietfcber gebeten nnsiibalten. GS 
ift swar gaus unb gar gegen bie Dtegel. 21 bet 
bie 9tübrtmg iiberfömint beit Wann. Gr läßt 
ben Wagen halten, unb ba Kettern benn biefe 
amerifaniicheit ®anteu herab unb füttern an 
ber ftaubigeit Saubftraße Sauopenö ein £>erb* 
lein Settelfinber. Wir Hefen heiße 3‘threü über 
bie Wangen als ich baS fah, unb uergeffen mar 
bie amerifanifche Uteifefreiljeit, bergeffen, bafs 
man nicht muhte, wo bie Watbeufer wohnten, 
uub in meinem fersen fprach eine Stimme: 


,,©ott fegue baS amerifanifche Solf. GS finb 
troß nllebein G()rifteumeiiid)en." 

'Wittag ift gemacht, unb höhet hinauf geht’S 
in bie ©ebirgsmclt. 3<>r Ulbfiirsuug bes Weges 
führt bie neue Sanbftraßc swölf 'Weilen bon 
Gliamonir, norbmärts ab Dom 2(ruethal burd) 
eine wilbe SchluAt. Jfaum erreicht hier bie 
WittagSfoune bie Sd)lnd)tfohle imb himmelhohe 
3?elfenmänbe ragen rechts unb Huts auf, unb 
hoch oben auf benfelbeii finb gleich 2lbleri)oriten 
Heine Sillen reicher Gnglöiiber uub fjransofen 
hingesaubert. Ulur auf weiten Umwegen lönnen 
biefe Wohnftätten erreicht werben, brobeit aber 
muß ber Ülnblid ein überwültigeuber feilt, £ie 
unb ba bei Weubungeit ber Schlucht gudt ber 



SoffouiKÜHetf^er. 

Wontblauc mie üoni £iimtnel herab auf uuS 
hernieber. Utiemaub hat mehr ein 'Wort su fagen, 
alles fchweigt unb febant unb ftamit — bis eine 
amerifanifche SoiintagfchHllehreriii mit fünfter, 
lieblicher Stimme su fingen an fangt: „Gpr’ fei 
bem Sater unb bem Sohn." 3>as paeft. $ie 
ganse amerilanifdie ©efetlfchaft fällt ein, unb 
bie einfache unb boch fo großartige Aerologie 
ber Jtircpe bringt aus ber Wontblanc*Sd)lud)t 
Simt £>immet. 

„Was fingen fie," frägt ein mitreifeiiber 
fransöfifcher Offizier. „Sie loben ©ott," erhält 
er sur 2lntmort. Unb achtnugSboll innftert ber 
ftraujofe bie iiberfeeifd)e UteifegefclUchaft utib 
bleibt fortan in ©ebanfeit üerfimfen. 

Wir finb wieber im St pal ber 2lroe. Utechts 
im Süben thürmen fich bie UJtajfeu bes Wont* 
bianc’S auf, bor uuS baS $orf Ghomoiiiy. GS 
ift ein Utaturwimber, biefeS Ghamonir=2hal, 
mimberbor namentlich baburch, baß aus bem» 


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Hin Piitibianr. 


fetben ber öödjfte ©erg @uropa§ faft feiuev gau» attfd^Iiefjcn, nie ju feljen ift, obroobl aucf) fie 
gen C»öf)e nach unmittelbar ouffteigt. $a3 H &al spif» haben non über 14,000 tJtifj $öf)e. 
bei' 9(vue liegt bei (Sfyauioiiif 3338 Jujs über bev Wiifteröeiu bietet ber ©ioutblanc eine @ebirg3«, 


©eftdgunß bei Montblanc. 


9)teeve§f(ii<be; bev Montblanc ijt 14,808 
bod}; fomit bat man ©evgmojfen oov fid), bie 
unmittelbar über 11,000 guß auffteigen, wa3 
S.S. in beu ftelsgebivgen, ju tuelcbeu man über 
eine 5000 fjii» über bein ©teere liegenbe #o<bebeue 
gelangt, melier fid) alsbamt bie f. g. ©inberge 


©letfcber. unb ^irnenroelt, wie man fie in 6u. 
ropa nur bei 3^matt in ber ©tont 9to(u ©ruppe 
fiubct. 9ta<b ber fran}öfif<ben, ber 9lovbfeite. 
fteigen fecb^etjii, nach ber (üblichen, italieitifdpm 
©eite aber poaujig ©letfcber in bie SDbäler unb 
©djlucbteu. 


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Sm gftontblanc. 


481 



28a8 SBunber, tonnt Gbamo.tir im £>od)font= 
mer oott Weifetibett 0118 allen Hielttbeilcu Mudjt 
toivb! 9fuf bet lauggeftredteii «Straße be$ Sorf», 
ba» fauni eine attbeve fiat, hört man bie Sprachen 
affet ciüilifirteu unb auch einiger bafbcipilifirten 
Hölter, unb fiept Wteufchen atiö affet fetten 
Siäuber. 

©leid) am erfteit 9lbettb bot fiep öom Spal 
au$ ein prächtiges Scpaufpiel. Soft alle ftreuu 
ben fiub brau fielt auf bet fangen «Strafte Gba= 
mouir'S unb befchatten bie im inifben Wonblicbt 
glätijenbett Scpneebäupter bet Herge. Sa wirb 
plößlid) bet mit ewigem Sd)nee bebecfle Som, 
bie f)öd)fle Spiße bet Wtontblauc.ftette oott 
rotbem beugalifcbem Siebt iibergoffeu. 2 Bntt= 
berbat flammt e 8 auf unb bebedtt bie glätt. 
iieube tippe mit jauberifeben 
garten! Ginige Wtiuiiteit Währt 
ba3 nubefcbreiblicbe, ()ertlid)e 
Sthaufpiel — bann liegt wieber 
Woubglaitj über ben Hergen. 

Sod) fdjon wieber flammt riebt 
auf unb jmav bieSmal blaues, 
ba§ auf ben Glacier des Bossons 
(Hoffougletfeber) geworfen wirb, 
meldjer fieb bon bem „Som" be§ 

Wfontblaucö berabpebt unb mit 
feinen wuuberlieben Gieformen, 
unb ber ibn itmgcbenbeu 9Jto» 
riine (au» ©eröll beftebenbem 
©letfeberbamm) in biefer He. 
leuebtuug ein unnergfeieblieb Hifb 
barbietet. Sann fteigeu Wateten 
auf, ein fjeuerrab fprüpt feine 
fvuufen, fttrj — ein regelmäßig 
fjeuermert wirb am oberen 9lb« 
bang be$ WontblaitcS abge. 
bräunt. H 3 er ift benu ober ber 
fjeuerwerfer ? Gin Gttgläuber, 

Weidet ben Montblanc beffeigt 
unb boeb oben bei ber 9llpeubütte, wo er mit 
feinen Rührern übernachtet, fieb ba$ tbeure Her. 
guügeit erlaubt unb ben acht englänbifchen Wubut 
bat, bo 8 (fbiiiHoniy=Sb‘it auf eine halbe Staube 
in ein (Jeeulaub Dermanbelt 31 t haben. 

Sen ttäebfteu Wtorgen unb mehrere anbere 
Stage gebt e§ mit einem tüchtigen Rührer hinauf 
auf bie Herge, bineitt in bie Sdjlucbten, hinüber 
über bie ©letfdjer unb auch einmal balbwegö auf 
ben Wtontblanc hinauf, bettn bort, wo ber recht 
gefährliche 9lttffiieg beginnt, haften wir intte. 

9tll biefe 28anbernngett 511 febifberu, würbe 311 
weit führen. Wur fo Diel fei gejagt, baß ich 
hier, inmitten biefer großartigen «Schöpfung tut. 
fereS ©otteS, tinoergeßlicbe, reich fobnettbe Stint, 
ben oerlebte. 2 Ber aber ^ier, wie ottberömo 
ächten ©enuß in unb an ber Watur haben will, 
muß 9lug’ unb Cpr bafiir ntitbringeii.. 34 
hörte poch oben am Woutblanc in überwältigen. 


ber Hcrg. unb ©fetfcher.Sceiterie junge fjerren 
berafbeit, weld)ent „Sport" fie fidj biugeben 
wollten, wenn fie nach ©enf fänteit, mtb junge 
Samen bisfutirten über Harifer 9 ltt 3 Üge. 9(rme 
Wteufdjeit bct§, unb getaufd)te Häter, bie foldje 
ftinber jttr 91 11 § b i l b tt u g auf Weifen feitbeit! 
Wau füllte auf bie Weifeloffer fcbreibeit: „Gin 
©äiischett, ba§ 30 g aus; ein ©agag tarn und) 
$0115." Sittb e§ and) nttr 9lttStia^ntSnteufcpcn. 
bie itt folcper fterrlicbfeit gleichgültig bleiben 
föiinen, fo inöd)te matt fefbft über biefe 9 lu 8 = 
ttabm§fäile beinahe ttngebttfbig werben. 

Hont jylegdre, beffett fjöpe auf uuferm Hifb 
burcf) ein 4 >au® bejeic^net ift, mtb ber an ber 
Worbfeite be» Spal 8 bem Wontblnne gegenüber 
auffteigt, genießt ntau ben Witblid beä Hergriefen 


64lo| CtfQon am Öntferfee. 

bon ftuß 311 Spiße unb beinahe feiner ganien 
9(ti8behntttig nach; namentlich gewährt biefer 
Staiibpuutt einen mtoerglcidilicheit Hlicf auf ba» 
Guineer (Mer de Glace), ben größten Wiont. 
blanc.Sletfeper. fffiir fteigeit jeboeb ttadi redjts, 
bem Offen 311 , noch weiter auf ben Wtont Hrebent, 
Poit bem au§ bie pöcbfte Spiße be 8 Wtontblonc, 
berSom, fo unmittelbar Dor ba89liige tritt, baß 
matt meint, bie ft tippe mit einem Sprung ’cr« 
reidjett 311 tonnen, obgleich bo 8 tiefe Sfjal ba. 
3 Wifd)ett liegt. 

Ser jyiifjrer ift ein achter SaDoparbe, halb 
franjöfifd) mtb halb italieuifch, unb macht mit 
feinem breiten fji^bnt, bem ftiqett SßaiumS mtb 
ben engauliegeitbeii bis 311111 ftttie reidjettbeu £to« 
fen, fangen Strümpfen mtb fdiueren Stuben, 
eine äepte Hergfignr. Gr fprießt, wie bie met. 
fteu feiner £anb§leute, ein DerborbeneS Qfran« 
3 öfifch, mtb fiutemaf meine fran 3 öfif<he ©tarn* 


85 


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482 


(Sin Jluljb'rer $r. Partin futljer«. 


matif gar feljr Perroftet ift, holten wir anfänglich 
gar po'ffierlidje ©pradjii btt ngen. Gnblich jedoch 
geht eS fo leiblich. ©er Sergfolju erweist fich als 
ein prächtiger, treuer DJtenfch, bem ber flute ©u« 
nwr nie auSgcht, unb and) an ©ott, ben aUmädj» 
tiflen Stopfer, gläubt. 

©eine neroige Jvauft fleleitete mich, Wähtenb 
beS bortigen Aufenthaltes, übet bie fchwierigften 
©teilen ber ©letfcfyer SoffonS, Merode Glace 
unb ArgentierS. 3Bir Heiterten bie Schluchten 
hinunter, bie falben hinauf unb beftieflen auch 
einmal eine ber geringeren ©pißcit ber Stont. 
blauc.ftette. ©ie Grfteigung beS „©otnS" jebod) 
fam felbft biefent erfahrenen, uuerfcJjrodfeneit 
Sergfteiaer als ernfteS üöagnijj bor. AIS ich 
ihn am Storgen meiner Abreife mit einer „Sar= 
tie" unb anbern Rührern ungewöhnlich ernft 
unb ftumm bie Straße entlang marfdjircu fah, 
unb fragte, meßhalb er fo feierlich ciuhcrfdjreite, 
ba antwortete tic turj unb bebeutungSooll, mit 
einem Slid pm ©immel: “Monsieur — Dom 
de Montblanc ; ” feine braune ©anb aber toicS 
lintS jum ©üttdjen, bor welchem ein junges Sßeib 
mit bem ©äugling auf bem Arm ben Scheiben« 
ben fdhmerjlich michfchaute. 

Oft noch blictte ich auf ber über ben Col de 
Balme uub l'iortigiU) bewerfftelligteu Dtiidreife 
juriid jum Dom de Montblanc, ber majeftiitifd) 
brobeu, nahe beut bont Abcnbroth erleuchteten 
Firmament thronte. 

©er AbfchiebSgrujj aus bem Ghantonij>©ha(e 
war ein herrlicher. ©ie untergehenbe ©onne 
bergolbet bie in ©odjbuft flimmernbcn Klippen, 
wiiitbe, bie ©onig biifteiiben SlMefeu crfcheiueit 
in magifcher Farbenpracht, bie in .thiSfabcn her» 
abftürjenben ober burd) 3-clSblocfe fich Sahn 
brechenden Sergmaffer folieii in allen Farben 
beS ütegeubogenS nieber, bie Sögel fingen, baS 
trauliche ©eläute ber grafenbeit ©erbe ertönt, 
bie Stenfchen jaudjjen unb ich lobe ©ott, ben 
©errn. 

©er Stontblanc fain mir nicht aus ber ©rin* 
iterung, als wir an ben lieblichen ©täbten beS 
©enferfee’S — Montreux, Vevey etc., öorbei» 
fuhren, auch bann nicht, als baS burch ben „@e= 
fangenen" berühmte Schloß Gallon befucht 
mürbe. 

©either habe id) mich fc^ort oft banlenb feiner 
erinnert; auch jeßt gebenfe ich bei 98 ©rab 
©iße im ©Ratten au’S Gbamonij: ©tjal unb 
berfpüre in allen Soren ben Skchfel biefeS Gr* 
benlebenS. 



(fiii luljörer Pr. Martin £utljer*. 

3[lie ©ombibliotbet in ©ilbeSheim befielt unter 
ihren fjanbfchriftlictjen Schüßen einen im 
3af)re 1<>08 bon einem Saftor Sothfelb 
angefertigten AnSjug aus ber Ghvouif beS ©e» 
falls Johannes Clbetop, welche leiber berloreit 
gegangen ift. ©er AuSjug beginnt in Annalen, 
form mit bem ^aljre 1501 unb enthält eine große 
Fülle bou h»h'btereffantem Staterinl für bie 
beutfehe Äulturgefchichte in wortgetreuer Söieöer« 
gäbe beS Ghroniftcn. tiefer Ic^tere, ein ftreuger 
Anhänger ber rötnifchett Stirche, ftubirte im Fahre 
1515 jii Söittenberg ©heologie unb befuebte ^u« 
thcrS Sorlefungeii, über welche er ausführlich 
berichtet. ©ie Aufjeichnungcii beS ftrenggläu. 
bigen Äatholifen, ber 1553 als ©echant ju 4£>ilbeS» 
heim öerftarb, ftellen baS Sehren unb SBirten Cu. 
tfjevS uub feiner Anhänger unb ©egiter lebendiger 
ba, als irgenb ein anberer jeitgenöffifchcr Seridjt 
uub ericheinen beShalb ber Stittheilung um fo 
miirbigcr, als fie nur bon wenigen getannt fein 
biirften. 3»r Grleichterung beS SerftänbniffeS 
geben mir biefelben, welche in plattbeutfcbem 
©ialette gefdjriebeu finb, hier in hochbeut jeher 
Uebertraguug mieber, ohne jedoch bon ber naiben 
uub originellen ©arftellung abjumeichen. 

„Anno 1515 beS StoutagS nach bem weißen 
Sonntage" (ber erfte ©onntag nacbOftern) „Jam 
ich, Johannes Cibefop, nach SMttenberg unb 
mein erfter Rec tor uniycrsitatis war ber ehr« 
würbige unb hochgelehrte ©err Sohaiin bon 
totaffelftein, unb um bie 3eit hob an Sr. Star. 
tinuS Cuther, cpistolns Pauli ad Romanos ju 
(efen. ©er ©oftor hotte barauf bei Johann 
©riineitberg, bem Sndjbruder, beftellt, baß bie 
Gpifteln Sauli in weit bon einanber abftehenben 
'«Reiben (bc rige eine mit bon ber anderen) gebrueft 
würben, um beS ©loffirenS willen, benit ba Warb 
bon Cuther „bele ofer unb bi" gelefett. maS er 
ans ben alten Jatljolifcbeu ©ottoreS gefummelt 
hatte. 3ch war bamalS jweiuubjmanjig Faßte 
alt unb uad) meinem Sermögen bon gutem gleiße 
unb hörte bie CettioncS bon Startino gern. Ffb 
ging auch 3" allen feinen Srrbigten itnb Jam mit 
ihm in fonberlicheffunbfihaft, er war mein Seicht, 
bater uub biente ich ihm oft bei ber Steife, unb 
©ott weiß, baß ich nicht lüge, unb hatte an ihm 
Jemen Stängel unb Stißtranen, nur baß er mit 
ber tatholifchen töirdje unterweilen nicht übereilt. 
Jam unb in einer Srebigt einmal fagte, baß jeg« 
lieber ©eiliger im ©immel feine eigene Stafel 
habe; ben einen ©eiligen riefen fie an, wenn 
ihnen bie 3äh>w wehe träten, ben anberit, weint 
ihnen bie Augen wehe tfjäten. Gr war babei 
auch (ehr fpöttifch auf bie lieben ©eiligen, iit(on» 
berheit auf ©t. Salentin, ©erbatiuin, SBenbe« 
linum unb auf ©t. Gtjriftoph- Son bem pflegen 


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(Sotto JHettfr Jeuerflammeti. 


483 


fie in SBittenberg ju finden in toier Stimmen: 
„St. (Spriftopper, ber oicl ßeilige Wann ec.", 
unb meitn baS Toftor WnrtinuS ßörte, fo roollte 
er, mie nmn fagt, aus ber £>uut (nt bem f^eUe) 
fuhren. „3(uf foicpe Sßeife wirb ©ott pinter bie 
Spür gefeßt" (fo lauteten feine löorte), „unb 
bie ^eiligen trieften ißren Bloß oben am Tifcp." 
Tie ©tubenten p-Icftcn baS §eft ber ^eiligen 
Bordparbi unb BaiitaleouiS p palten, tränten 
unb waren fröplicp unb füprten ber Bürger 
Tödjter pnt Tanje. Untermeilen festen bie 
Jungfrauen ben ©efellen fhcinje auf. Tagegen 
prebigte Tottor Wartin fo pari unb fcparf, baß 
nun bie Eltern ipre Töcpter, bie mannbar mären, 
in iprent $aufe bepielten unb baburcp triegte 
Cut per bei ben ooruepinften Bürgern Wtpang, 
Sob, (ipre unb ^rei§." 

3um Japre 1517 ermäput JopanneSClbetop 
SutperS peftigen unb „oermetenen" (bcrmcffcnen) 
Äampf gegen TeßelS Wblaßpanbel. Cutßcr ap= 
pcllirte gegen TeßelS Baunfprtid) an ein allge» 
meines Üonjil unb „bie Appellation mürbe üon 
©tunb an gebrudt unb bie ©tnbenten fenbeten 
biefelbe ein jeber in fein Baterlanb. TuS Jener 
ging ßeftig an. Ter Sutßcr warb bon guten 
jreunbeit gebeten, er fofle gemacp tpnn, barauS 
tonnte ipitt Diel böfe Diotß begegnen, Tie Uni» 
Dcrfität befcpidte ipu unb ließ iptn fagett, er möge 
bebenten, welcp ein Berberb unb 9ticbergang ber 
neuen popeu 'tcpule burcp feine neue Seßre ent» 
fiepen tonnte. 6 t blieb unbemeglicp unb mürbe 
bon Tag p Singe poffiirtifler unb Dermefjcner. 
£>erjog Jnebricp, ber Rurfürft Don ©adjfen, bem 
Wittenberg gepörte, fanbte etlicpe Theologen unb 
Juriften an Toftor Wartin, bie iput onjeigten 
Don beS Shtrfürften wegen, Toftor JoßanneS 
Teßel märe aus bem Sanbe gezogen unb füpre 
feinen IHblaß mit fiep nacp ber Wart; beSßalb 
folleerben Teßel bergeffen unb nicpt mcpr auf 
ben 9lblaß ßpelten, benit ülblaß märe 9lb!oß. Ta 
mertte man in ben SeftioneS, bie Tottor Wartin 
Sutper fleißig unb gemiffenpaft pielt, baß er bem 
turfürftlicpen Begepr unb Befcßle nadjlebte. 
3tber burcp fein Treiben (fin Tröfent) unb Wit» 
pülfe mürben bie epistolae obscurorum vivo¬ 
rn in auf baS fdpmäplidpfte contra Theologus 
Colonienses et Lovanienses Dorgelegt unb JU 
Wittenberg aufs neue burcp Jopanii ©rünenberg 
gebrudt unb bie ©tnbenten mürben in turjer 
3 eit fo rop tntb wilb, aufrüprerifcp unb unge» 
porfam, baß alle floflegiaten mit bem Rectori 
Ü niversitatis genug p tßun patten. Tie Bürger 
tonnten bie ©tnbenten nicpt ftrafen, beim ber 
©tubenten waren bapmal Dier» bis fünfmal fo 
Diel als ber Bürger. UeberbieS patten bie ©ärger 
ber UniDerfitcit unb ben ©tubenten bie Jreißeit 
gefcpmoren. Todß ließen fiep bie ©tubenten Don 
ben Bürgern nicpt juredptmeifen, follte es auep 
Diel Blut toften. Tie lutperifepe Jreipeit maepte 


Diel UnglüdS. 3lm 9lbenb ©t. WicpaeliS fpringt 
ein ©eproabe aus bem Äollegio auf, £>afe ge» 
nanut, unb ftaep 9(nton Don ©epirftebt tobt, 
fhirj barauf warb ber lange Jopann Don &al= 
beusieben erftoepen. 3ld)t Tage banaep warb 
BnbreaS Biitnerau Don Braunfdbmeig erwürgt 
unb in ben ©raben geworfen. Wein '-Ikityeptör 
Wagifter &enrifuS ©tafemann ließ „palt Der» 
jagenbe bie loctionos ftaen unb roarbt ein 
lihisicus." TaS bradpte miep auep in ©epreden, 
unb ba bieS aefeßap, ließ mein ©ater miep Don 
Sßittenberg forbern unb nacp £>aufe polen. Unb 
in biefem jaßre 1516 tpat Tottor Sutper weiter 
nidjtS, als baß er gegen ben 9lblaß, freien BMUeit 
unb baS Jegfeuer bisputirte; aber er ließ tein 
Budp im Trud in biefem Jaßre auSgeßcn." 

31. J. 

•-•- 

§ottf$ pieiter f cucvflömiiicit. 


a n W., einem Torfe am Wain, jmifdpen 
Würjburg unb Ulfcpaffenburg, mürbe baS 
©fingftfeft mit großer Jeicrlidjfeit be= 
gangen. 91ur ein Wann feplte in ber Äircpe ; 1 
eS war ein ©epneiber, ber fi^ erft türjlicp in ber 
©emeiitbe nicbergelaffcn patte. (Sr mar gereift, 
patte gorticprittSgebanten aus ber $retnbe peim» 
gebraut unb fanb, bie 3 eit tönue beffer aitge» 
menbet werben, als mit iiircpengepeu unb bem 
Witfeiern ber jäprlicpen §efte. ©o blieb er, 
wäßrenb bie 9Zadpbarn an feinem Scufter Dor» 
übergingen unb bie ©loden ipr: „fiomm, tomni!" 
ins Canb pinauSriefeit, an feiner Arbeit unb Der» 
ließ fie nur gur SffenSjeit. Unb als bie ©loden 
jum jweiten ©otteSbienft einluben, pörte ermieber 
nidjt barauf. Ter #err aber fap, baß ber ©loden» 
ruf nicpt bermöge, baS ,£ierj ju mapnen unb auf» 

S oeden unb tlopftc auf anbere Weife an feine 
ür. Diacp bem WnpmittagSgotteSbienfte be» 
fudjte ipn ein Dlacpbar unb fanb ipit in ©djnciber» 
pofition auf feinem Tifcp unb fagte betroffen: 
„Wie, Ulncpbar ©epneiber, 3 pr feib nicpt jur 
ßirfpe gegangen an biefem popen fycfttnge ?" 
„Dlein, icp pabe nicpt getonnt, meine Slrbeit tput 
notp!" Ter 9lacpbar ließ fiep aber ben Wunb 
nicpt ffplicßen. 6 r fepiitteite ben fiopf unb ftellte 
ipm Dor, eS fei nicpt gut, ben öffcntlidjen ©otteS» 
bienft}u Dernad)läffigen, berSlrbeit 311 lieb. 9(ud) 
fei eS OJotteS öegen, Wclcper bereidpete, unb wenn 
er fo feinen Sauf beginne, werbe er eS nid)t weit 
bringen. Tem ©epneiber, welcpem biefc SDapr« 
peiten Befcpränttpeiten fdjienen, braep in lautes 
©eläepter aus unb fpottete: „greunb, bie fjrnfen 
gepen audp nidpt in bie $irdpe unb lommen boep 
weit!" Tiefe profane Antwort entfeßte ben 
frommen Sanbmann unb er Derließ baS |>nuS 
opne ein einjigeS weiteres SBort. — JÖee mürbe 


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484 


Itngelernt ober anrrfdjoffrtu 


et gu bem ^abert rebett fönnett, bet nicht auf 
©otteS (Stimme hören wollte?! 

Slber irret euch nicht, ©ott (ä jj t Seiner 
nicht fpotten. Ser Sdpieiber arbeitete bie 
gange 2öod)e fotjr aubalteub. '.Uni Sontiabenb 
ließ ©ott noch feine Sonne fd)einen über ©ute 
unb '-Böte, über ®ered)te unb Ungerechte. !gmmer« 
bin geigte fid) gegen 2 Uhr StadjmittagS eine Meine 
SBolfe; auch einige ^Regentropfen fielen. Saturn 
beeilte fid) bie Sd)neiberSfrau, welche für ihre 
Siege @va§ holen wollte. Sie trug ihr Meine« 
Jtinb, baS auf bem gujjboben fpielte, mit fiel) 
unb ihr 9Jtann blieb allein gu |)aufe. ftaum 
war bie junge grau auf ber 2Öiefe angefommen, 
alö ber ftimmcl fid) ftetS mehr berbunfelte. 
©löblich burd)jucfte ein greller S3lifc bie finftern 
SBolfen unb ein SMibftraijl fchien baS #auS beS 
©dpieiberS gu burchfaijren. Ser Stegen, ber bi«» 
her nur in tropfen gefallen mar, hörte gang auf, 
baS ©emölfe gertheilte fich unb balb war ber 
£immel wieber rein unb flat. — Sie 3lad)barn 
unb bie grau, befolgt über baS, was fie getehen, 
eilten bem betreffenden £>auje gu. Slber welch’ 
ein Slnblid! Unter bem Sifd), allem Slnfdjein 
nach tobt, lag ber Ungliitflidje: feine Kleiber 
ftanben in glömmen; mau eilte, fie ihm abgu» 
reißen, aber er gab fein SebeuSgeichen bon fid). 
Ser ©uubargt tarn unb befahl, im ©arten eine 
©rube gu graben unb ben (eblofen Körper hinein» 
gnbringen. Saun foüte man ihn mit Erbe gu» 
beefeu. Stach Verlauf einer halben Stunbe be» 
wegte fid) ber Sirme unb ftie| ein jämmerliches 
©eftöhne au«; fein ganger Jtörper mar fchmarg. 
( SRan trug ihn auf fein 33ett unb währenb ben 
folgenben 3 Sagen würbe fein Kammern in ber 
gangen 9iad)barfchnft oernommen. 

Sie äöirtungen be§ Sli&eS Waren fo eigen» 
thiiinlich. Wie fie es oft ftitb. Sticht ein gaben 
beS UleibeS, baS bet Schneiber in Strbeit hatte, 
war öerfengt, aber bie 2 Sheile ber Sd)eere waren 
jufammengefchmolgen. Sie Stabei mar tief in 
fein Äinn eingebrungen unb ber gaben mar beim 
Stabelöljr a6gef<hnitten. 

Ungeachtet beS furchtbaren 3ujtaubeS unb ber 
fdjrecf liehen Selben bnreh ben ©liftftrahl, gewährte 
ihm ber £err noch 3eit, in fich ju flehen, unb bei 
Seiner ©nabe ,£>ilfe gu fud)en. Stad) 8 Sagen 
erlangte er ben ©ebvauch ber Sprache Wieber, 
unb feine erfteu SBorte waren: „3rret end) nicht, 
©ott läßt fich nicht fpotten!" unb fo oft ein Stach» 
bar feinen traurigen 3uftanb bebauerte, wieber» 
holte et fie. 3fa, ber £>err war ihm gn fiarf ge. 
worben, hatte ihn gänglich gebrochen. Siebittern 
Shränen, bie briinftigen ©ebete begeugten feine 
tiefe Steue. Er bat nicht um Teilung, er flehte 
um Erbarmen, um ©nabe um gefu Ehrifti Wil¬ 
len unb befannte fich als grofcen Siinbet. Ser 
£>err erhörte ihn nnb gab ihm Seinen grieben, 
ber höher ift als alle ©ernunft unb erleuchtete 


ihn mit bem wahrhaftigen Sichte. 2lm 17. Sage 
würbe er oou feinen Sdjutergen erlöft unb ging, 
gleich bem Schächer am ftreug, burch beS £>errn 
©nabe gur ewigen Stühe ein. 


HugeUriit ober anerfdjaffeu? 

f s hat immer SJtenfdjen gegeben unb giebt 
auch heute noch biele, welche meinen, bie 
Stetigion fei bloS etwas Angelerntes tenb 
9ln gewöhntes. SBenn man ein Jttinb nur boit 
früh auf oou biefer auftedenben Suft fernhalte, 
fo tonne man bie leibhaftige Erfahrung machen, 
bafe eS ebenfo wie „confcffionSlofe", auch Döllig 
religionSlofe SJteufchen gebe. 

Sin biefer ©teinnng ift ein gwiefacheS wahr, 
1) bah man aflerbing« ein ©ott ebenbilblicheS 
SJteufchenherg unter Umftänben arg maltraitiren 
unb ben in ihm fd)(iunmernbeu ©ottcSfunten 
übel mit güfsen treten, ja fogar nach unb nach 
gang austreten fann nnb 2) ift auch baS waljr, 
baß ber eigentliche gntjalt ber Steligion, g. ©. 
ber chriftlichen, einem jtinbe nur buvd) lieber» 
lieferung unb Uuterweifung betannt werben 
fann. SBeun bu beinern Meinen Sohne nicht bon 
bem lebenbigeu ©ott ergäbet unb ihm bie bibli» 
fdjen ©efchichten nicht mittheilft, fo tonn er nie 
unb nimmer atcS eigener Erfinbung barauf fom« 
men unb nie Eljrift werben. Er würbe ober auch 
trofc allen Unterrichts in ber chriftlichen ©Jahr« 
heit nie unb nimmer ein Ehrift werben fönnen, 
wenn er oon £auS aus ein religionSlofer SJtenfch 
wäre, b. h- wenn im tiefften ©runbe feiner Seele 
nicht ein anerfchaffcnet 3ug nnb ein angeborenes 
©ebürfnih nad) 2Baf)rheit nnb nach ben ©eljeim. 
niffeu einer unfichtbaren SBelt fich regten, wenn 
fein £>erg nidbt unrnhig wäre, fo lange bi« baß 
e§ ruhet in ©ott. 2(ebe SJtutter, jeber Seljrer, 
jeber ©aftor, jeber SJtiffionar fönute getroft oon 
oornherein ben ©<hliiffel auf’s ©rab (egen unb 
fid) bie SJtiihe aller reiigiöfeit Unterweifung er« 
fparen, wenn nicht bewufet ober unbewußt aus 
jebent ©tenfdjenfjergen bieS gragen nach ©Jahr» 
heit, bieS Suchen nach ©ott ihm entgegenfchliige, 
unb wie bie garten ©(unten willig fiep entfalten 
unb ber Sonne ftillehalteu, fo ftiil unb froh bie 
Strahlen ber geoffenbnrten SBahrheit foffen unb 
in fich wirten lajfett würbe. 333er hat nicht fdjon 
felbft in einer ober ber aubern Sßeife ähnliches 
bon feinen .ftinbern im frilheften Alter erlebt, 
wie ich biefer Sage in ber Sto. 16 boit ©chorer« 
gamilienblatt las, unb Wobei man ben gmeifel» 
lofen Einbrud empfängt: SaS ifl nichts Sin» 
gelerntes unb (Ungewohntes, foubern baS fteigt 
gang unmittelbar unb naturmücbfifl ans bem 
eigenften ftinberhergen auf, welkes feine Stuhe 


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Ungelernt ober onerfdjojfen? 


485 


hot, bis eS ben testen ©rttnb oller Dinge er« 
fahren hat. unb in ©ott ruhen fanit. 9lu<h 
jenes fiinb giebt fid) ^ufriebeu, fobolb es bei (Sott 
felber angefominen ift nnb bie Wöglid)feit ge« 
fiiuben, baß bevfelbe ein Sud) feiner Cffeu« 
bannig nnb aller ©efjeimniffe als göttliche 2Bahr» 
beit auf bie Grbe geworfen, unb baj) nun auS 
biefer Guelle alle meufc^lic^en Siicßer gefdjöpft 
batten. Das bergige fiinb gewinnt jeber lieb, 
nur tbut einem bie arme Wutter mit ihrem 
mieberbolteit: „Sielleicbt" nnb mit ihrem „jag« 
haften tJlüflent" leib, unb wir mürben uns 
löuiglicb gefreut hoben, wenn fie nun mit freu« 
biger ©emißheit bie einfache bibiifcbe 2Babrf)eit 
in biefe buugernbe unb biirfteube fiinbeSfeele 
hätte h>».einiegen fönneu. 2Bie jammerboll, 
wenn cbrifllidje'Wiitter auf folehe fragen nur 
ein „Sielleicbt" unb ein gagbafteS fjlnftern hoben, 
wo oft ein Woment über bie Gwigteit eutfdjeibet. 
Dod) mir laffen bieieS Swicgefpräd) ouS SchorerS 
tJamilieublatt hier unberfiirgt folgen, nnb mögen 
bonn bie lieben Glterit fi(h on ähnliches aus ihrer 
Erfahrung mit ben fiinbern erinnern, unb uns 
and) bielleicht bieS ober jenes baronS mittheilen. 
2lüe aber mögen fich burdj bieS fiinb mahnen 
laffen, boch jo ben ©otteSfimfen in ben £>ergeit 
ihrer kleinen in forgfältige Sicht gu nehmen. 

„Warna, wo tommen bie Siidjer her ?" fragt 
SBilll), inbem er hinter ber Wutter Stuhl hoch« 
flettert unb fein ©efidjtcheit neugierig auf ihre 
Schulter legt. 

„Die werben gebrudt, mein fiinb!" 

„2Ber brucft fie ?" 

„Der Suchender, mein Sohn!" 

,290 hot er fie bet ?" 

„Gr hot fie oon einem Serfegcr — baS ift ein 
Wann, ber He brucfen läßt!" 

„2Bo hot beim ber fie her ?" 

Die Wutter lächelt ben fleinen Snquifitor 
liebeooll on. „Som Sdjriftlteller, tpergdjeu!" 

„2Ber ift buS?" 

„DoS ift ber Wann, ber bie Sücber fdbreibt." 

„2llle ?" 

„9tein, olle nicht — ein Wann foiin boch nicht 
alle Sücber fchreiben, eS giebt biele Schrift« 
fleller!" 

„2Bie Diele wohl ?" 

„fiinb, bciS weif} ich nicht!" 

2Bifll) ift hinter beut Stuhl herborgefommen. 
Gr fteinmt feine beiben 2lrme auf ber Wutter 
Schooß unb fieht fragenb gti ihr auf. „Warna, 
toaS fteht beim in ben Siidjern ?" 

„C bieieS, fiinb; über bie Sterne, über bie 
Grbe — über 2Mumen unb Stljiere unb über bie 
Wenfdjen." 

,,23eij} baS ber Schriftfteller olles ouS bem 
fiopf ?" 

„Sowohl!" 

„2Boher weih er eS, Warna ?" 


Die Wutter feufgt. „DoS hot er gelernt, 
2Biflt)!" 

„Son wem benn, Womo ?" 

„Son — bon feinen Seljrern!" 

„2?oit feinen Beßrern ? 2BiHt) fpridjt eS trän« 
merifch nadj. „Son wem hoben bie eS gelernt?" 
fragt er plößlid) laut. 

„Wein Sohn — ich — hie hoben eS aus an« 
bereu Suchern!" 

„2lnbere 2Micher ?" 

»3o!" 

„23oS für ?" 

„2l(te 23iid)er, mein fiinb — bie matt früher 
hatte!" 

„früher?" 2Biflt) ftiißt jeßt ben fiopf in bie 
£>anb unb blicft finnenb ginn fünfter hinaus. 
„Srüfjer ?" wieberljolt er mit abwefenbem Slicf 

— „wer hot bie bon früher gefchriebeu ?" 

„9llte Schriftfteller, fiinb!" 

„Sinb fie geftorbeu ?" 

„So!" 2Billt)S Wutter gloiibt baS ©efprädj 
beenbet — fie fromt ihre Wiljarbeit giifammen 
unb will fid) entfernen. 

„Womo!" 2lMflt) fafjt froinpfhoft ihre #anb 
unb hält fie nieber. — „Warna! Woher haben 
bie beim boS gelernt, bie bann geftorbeu finb ?" 

„Die? Die hoben e§ wieber auS auberen 
Siichern — ouS noch älteren!" 

„Unb bie?" 2BiUi)S Stimme Hingt Reifer bot 
Grrcgung. 

„Wein $erg!" 

„Warna — ich hüll tbiffen — wo bie aller« 
erfteu, bie gang erften eS gelernt hoben ?" 

Die Wutter ficht fid) hilflos um. Sie Weiß 
bie 2Bißbegicrbe beS fileinen nicht gu befriebigeu 

— gong gagbaft fliiftert fie: „fiinb, baS hieiß 
man nicht. 2.*iefleid)t — bon ©ott!" 

v Des fiinbeS &änbe geben halb mechonifch bie 
ber Wutter frei — ermiibei unb bermirrt legt 
fich baS fraufe fiöpfd)cit auf bie Senftcrboitf. 
Sut Siinmer ift eS füll, unb 2Biüb filmt, bont 
Dämmerlicht umgeben, über bie gewichtige ££rage 
nod). 

Der Wutter Schritte tönen auS bem Bteben« 
gimmer, unb glcid) barauf erfcheint fie mit ber 
Soinpe. 

„Warna!" 3wei Heine 2lrme fchlingeit fuh 
um ihren fRacfcn, imb manne fiinberlippen 
fprechen hoftig leife: „Sd) weiß eS jeßt, Warna 

— ich hob’S herouS! Der liebe ©ott, ber alles 
weiß, hot mol ein großes Such gefchriebeu, unb 
wie eS fertig war, bo warf er eS bont glimmet 
auf bie Grbe — unb ein Wann, ber gerobe bor« 
überging — ber hob eS auf unb lernte eS aus« 
menbig, unb bonn ergohlte er eS allen onbern — 
fo wor’S, nicht wahr, Warna ?" 

„Siefleicht, mein fiinb!" (9?ad)bar.) 


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4S6 


Pie pebeutung des Spiels. 


Pie Pebeutung des S|>irl0 und der Pnlerljnltuiig im pinde*- und 
$u0eudledeu, und wie jtud diefelbeii ;u leiten? 


©fettorirtt. 



II. 


f (3 Hauptgewinn beS SpielenS ifl 
funddjft unb oor allem bif r a f t= 
b i (b ii n ij }u befcid)»e», «nb ftoar 
fowobl i» leiblicher, als in gei» 
ftiger Hinficbt. Gs bient in beiben 
Begebungen fotoof)! gur VJedung, 
wie jnr Sammlung, fttr Uebung wie jnr Stcir= 
hing Der Araft, je nad) ber üevfdjicbenen 3lrt ber 
mannigfaltigen Spiele felbft. 'Dian fann bie» 
felben ihrer ©attung nach am einfadjfteu'in 33e= 
Weßlings« unb Vubefpiele, ober auch, mehr nach 
bem ©efid)tspuujt ber Spielenbeu, in gefellige 
unb einfame eintljeilen. ^ebeS biefer Spiele bat 
wieber feine eigenen Vortbeile, aber and) fRacf)» 
tpeile. Sie meifteu Vorfüge bereinigen fid) mopl 
in ben mand)evlei .gönnen ber erfteren. SaS 
rcichhaltigfte nnb fuidjlbarfte berfclben unb 
barnni mit Siecht unter unferer .Qnabenwelt ganf 
befonberS beliebt unb felbft boit Grwachfenen 
nod) gepflegt unb bochgefchüßt jft bas 33 a 11 = 
f p i e i, was nicht bloS3luge unb Haub, 3fun nnb 
Söruft übt unb träftigt, fonbern auch bereits 
gieinlich b»be 3(nforberungeit an mehr als nur 
(Sine ber geiftigen Aräfte unb 5äl)igleiten ber 
Vtitfpieler mad)t: bie Beobad)tungS* unb 3luf= 
faffuugSgabe fowie bie ßunft ber 33ercd)nung 
wirb nicht miitber, als bie ©cwanbtbeit nnb 33e* 
henbigfeit beS gangen Körpers geftärlt dtub ge« 
ftäl)lt; fie muß Dem 5!inb nicht nur bie geleufige 
Bewegung ber ©lieber lehren, fonbern ebenfofeifr 
auch fich tafd) entfcbliejjen, fdjnell unb bod) mit 
Ueberlegung baubeln, eS muß wagen unb ent» 
fagen, fich auSfeßcit linb fi<h beeten, gan} befonberS 
aber and) fich ber Spielregel unterorbnen lernen, 
lauter Singe, bie es fpäter im Sehen fefjr wofjl 
unb fef;r oft braucht unb bie eine tauni }u er» 
feßeitbe 33oriibung unb 33orbereitungS|d)ule für 
bie gait}e ©cftaltung feines GbarattcvS, feine 
fpeitere 2iid)tigfcit unb praltifd)e Verwenbbarfeit 
in ber 3üelt bilben. Hier lernt es mit Schwierig» 
leiten fampfeu, ©efafjren »ermeiben, aber auch 
befteben, Unbequemes halben, feinen Aopf }tt» 
fatnmeunebmen, ben 2Bi(leu brechen unb zugleich 
braueben unb um beS ©ati}en wiüen fid) felbft 
berliinguen. 

31 ber auch fd)<m beim lleinften Ainbe übt baS 
Spielen mit allerlei ©egenftänben itidht bloS 
feine Sinn e, namentlich ben Farben« unb ffor* 
men», ben ©cfidjtS», ©ebör» unb Saft finit, fon« 
bem auch feine 3Ö i 11 e tt 81 r a f t, ©cbttlb unb 
3luSbauer, feinen V e r fta n b, ben Sinn für baS 


33ebnlten unb 93ergleidjen ber gewonnenen Gin« 
briiefe, ba§ Verarbeiten ber einfeinen SBabrnel)* 
mutigen unb 3lnfebaunugen }u einem ©efamnit« 
bilb, baS ^eroorbringeit unb Verbiuben bon 
Vovftellungen, bas llrtheileu nnb Schließen, 
enblich aud) baS ©ebaebtniß, ben ©efchmad, 
bie V b a tt t a f i e tt. f. w. 3lnbere Spiele feffeln 
unb beiebäftigen mehr einfeine beftimntte Seiten 
unb 3?df)ig(eiten beS geiftigen ©efanimtlebenS, 
befonberS wo eine auSgefprocbene Begabung in 
irgenb einer 9tid)tung öorfjanben ijt,}. 33. bttrd) 
burch 33ilbttitg unb Schärfung beS 3 ab len* 
finttS, wiewohl gerabe biefe Spiele, alfo iuS* 
befottbere Sotto nnb Somino, guni Stjeil 
auch anbere, bie auf Berechnung beruhen, wie 
baS ebelfte, aber auch fömicrigfte aller Spiele, 
baS ö cp a ch f p i e 1, ober bie berfdgebenen 3lrten 
bon 33 r e 11 f p i e I e n, in anberer 'Jtüdficbt ge» 
fiibrlich fiub, weil fie boch fchon alS®lüdS* 
unb 3 u f a 11S f p i e 1 e (toaS fogar baS faft mit 
matbematifcher Sicherheit unb itt ftrengftcr lo» 
gifd)er3Jtetbobe fortichreitenbe Scbacbfpiel wegen 
ber Ungewißheit beS Verfahrens bon Seiten DeS 
Partners noch immer bleibt) leicht baS Aiub bis 
}tt leibenfchaftlicher Uebcrrei}uitg in 3lnfprucb 
nehmen lönnen. 

©S finb ihnen anbere unb ruhigere, baS Sen!« 
b e r m ö g e n berfetben mafwoller befchäftigenbe 
wie ba$ Ö e b u l b f p i e 1, bie mancherlei £ e g« 
f p i e Ic mit ihren berfdjiebetiett Variationen ent* 
fd)ieben borgugieheu, ober auch folcbe, bie bem» 
felben einen bis }ttr Sctufdjuug gehenben ©rfaß 
beS wirtlichen SebettS bieten, ioie bett Dfäbdjen 
ihre tß u ppeuf p ie te u. f. w., bie, wie bem 
Heineren Ainb feine Shicrchett, Häuschen, Sol« 
baten, Vf erb unb SÖageit itebft bein bagu gehö« 
rigen Stall ober auch feine ViIber büeher je. 
eine gerabegit unerfchöpfliche fjunbgrube erfiitbe« 
rif^ett Schaffens unb burch bie gahüoS fich wieber, 
holenben Begiehnngen unb 31n!nüpfnngen an baS 
Sljun unb Sreiben ber ©rwachfenett einen Holl« 
tommenen Spiegel berfetben unb eine reiche Vor» 
ratbsfammer non 6rfahruttgeu, Aenntniffeu unb 
©eidjidlichfeiten barbieten. 

Sille biejenigett Spiele, bei benen eS fich um 
harten ober 33ürfel banbeit, iniijfen gan} 
entfebiebeu unterfagt, mit aller Strenge 'bem 
Ainb ferngehalten unb attS jebent chriftlicben 
HauS gerabegu öerbaunt werben, ba fie bie @e« 
winnfucht reifen, leicht fttnt Betrug »erführen 
unb erfabrttngSmftßig meift bon ben ßinbern 
fchon fo leibenfchaftlid) betrieben werben, baß fie 


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JKe ttebeufung des Spiels. 


487 


nctljmenbig in fdjüblidjfter Seife nufrecjen mi'if* 
eit. £>ier ift bie ©efdijr, buf> fie fid) 311 einer 
flechten ©emohuheit uub guleßt gu einem (elfter« 
juften Jpang, berbuuben mit ber übten Aeigutig 
gum fchledjteften, meil geifllofeften 3 eitoevtveib 
linb 511 böfer ©efellfchaft ftei^ern, t^atfäc^licf) fo 
flrofi, baß mir fie unmöglich mehr gu ben barm« 
lofen nnb „unfcf)ulbigen" ®iugen gahleu unb bei 
unfern Riuberit irgeubmie gugeben fönnten. 

©ine ähnliche 93orfid)t erforbertt auch manche 
fog. ©efellfdjaftsfpiele namentlid) für 
bie tjminmudjjenbe gugenb in hohem ©rab. 
SBBir mögen fie geftatten mit 9füefficf)t auf ben 
ungmeifeiljafteu ©eminu, ben fie burdj ©rgieljuug 
gu Anftanb uub 2 act im 93enehmen unb eine ne» 
miffe Sicherheit beS Auftretens gemähren töuuen, 
biirfen un» ober über ben geringen Sertb beS« 
felben, menn eS beim bloßen äußern Schliff bleibt, 
nicht tätlichen; auch muß bie ©rlaubniß hitrgu 
nur fparfam gegeben, befto gemiffeiihnfter aber 
bie menn and) nur numerttiebe Leitung uub 9>e= 
anffiibtigung geübt merbeu, je mehr ein nicht 
iibevtouchteS Sichgeljen« nnb@emähren(aifen leid)t 
gu fitttieb bebenflicben Gingen führen tauu; ins« 
befoubere finb bie oft fo unendlich faben uub ge« 
fdjmacflofeu^Pfänberfpiele gu meibeit; öfters 
finb biejctbeu gerabegu unanftänbig. 

SaS baS S p i e l g e u g aubetrifft, fo berbient 
baS Ginfache unb Runftlofe fd)on mit 9iiidfid)t 
auf i&otibität uub 'Billigfeit meitauS beit SBorgug 
bor bem aflgu ©legauten uub R oft baren. ©ine 
Uebertabung mit altguoiet Spielfachen ift gleich« 
falls rneit fröhlicher atS eine allgugroße Spar« 
famfeit, tueif eS Saunenljaftigfeit, ©enußfiidjt 
unb ein unruhiges, unbefriedigtes ^erunifpielen 
an Allerlei, ohne baß ein «Spiel grüublicb unb 
gang betrieben mirb, befördert; folrfje mählerifdjcn 
Rinder merbeu (eicht auch fpäter fid) in allen mög« 
lieben @efd)äftSgroeigen unb 93erufSartcn, Ve()r= 
fächern ober Ruiiftgattungen üevfiid)en, ohne doch 
in irgend ©troaS roirflid) SlitdjtigcS gu leiften. 

S-iefe ungeniigfame unb unftäte Ucberfüllung 
ber Riuber mit unb bei bem Spiel ift fcl)r oft 
bie ©runblage ber foiialen Uubeftänbigfeit unb 
Uitgufriebeuheit ber Scanner. 9Wit mie Seniaein 
tann ein tiitbermöljnteS unb uitbergogeneS Rind 
ftdj föuiglid) oergnügen unb märe es nur ein Stücf 
Rapier, eine Schnur, einlßaar Rnöpfe ober Aägel, 
©öigehen, Steine, 931mnen k. unb gu meldjcm 
fJuriiS h«t eS bie moberne ^nbuftrie unb Spiel« 
maarenfabrif gebracht! 

Seiter ift barauf gu achten, baß namentlid) 
bei Heineren Riubern bie Spielfacbcn an ©cftalt 
ober SJtatcrial nichts SchäblicheS unb ©cfäljr* 
licheS, fcharfe Ranten, fpiße ©den, giftige gar« 
ben je. enthalten, bor allem aber füllten leicht« 
entjünblicbe ©egenftänbe ober gor Sd)iegmaffen 
feinen Seg gu ihnen finben, unb felbft ein fdjnei« 
bigeS fDteffer nicht aflgufrüij einen tpiaß in ihrer 


Stafctje beaufpruiheit bürfeu, bebor fie bamit 
richtig umgeben fönneu. ®aun aber ift bei 
einiger ©e|d)idlid)feit unb richtiger Anleitung 
uub etwa auch 93ei()iilfe bou ©rmachfenen um 
fo meuiger gegen derartige Serfgeuge eiugu» 
meuben, als befauntlidj baS befte Spielgeug im« 
mer gerabe baS ift, baS bem Rinbe nicht fchou 
etmaS gertigeS bringt, fonberu nur beu Stoff 
gu eigenem ©anbelii bietet, ©erabe barin liegt 
fein Sertlj uub Dieig, baß baS Rinb nicht bloS 
etmaS bamit tbuit, fonberu bor allem etmaS bar« 
auS machen fann. ©in einfacher troefener Saiib» 
häufen ober gar ein eigenes ©arteubeet uebft 
Spaten, ©ießfanne unb Schaufel, ein paar 
Rlößdjen uub 93rettd)cn nebft bem fleinen &am= 
mer befebäftigen uub ergäben baS Rinb meit 
mehr unb anhalteuber, als g. 93. fertige Käufer; 
93aufteine, aus benen eS fiel) nach eigener Suhl 
nnb 93biintnfie Schlöffer uub cJhürme, Rircheu 
unb 93riitfen, Steppen unb (Bürgen bauen fann, 
mehr uub ergiebiger, als eine fchou fertige Stabt, 
bie eS bödjftenS noch mit feinen Shier« ober 
ÜJtenfchenfiguren gu bebölfern bermag. Selbft» 
colorirte, auSgefchnittene unb aufgellebte 93ilber 
finb beffer unb für baS Rinb feffelitber uub bil« 
benber, als baS fdjönftgebunbeue unb iiluftrirte 
93rachtroerf, auch menn jene auf feinen eigent« 
liehen Rutiftmerllj Aiifprud) machen töuuen, nur 
miiffeit fie bon bentlidjer unb forrefter 3 eid)iutng 
unb bou reinem, ungmeibeutigem 3 uhnlt fein. 

93cibenineiftenRiubern finb 93elebrungen 
über ben rechten ©ebrattch ihrer Spielfacheu nid)t 
gang iiberfliiffig; mit bem bloßen Anfehaffen ift 
noch feßr menig gethan, menn ba§ Rinb gar nicht 
einmal meifi, maS es bamit machen foil. (pier 
füllten fid) bie ©rmachfenen, gang bcfonberS bie 
SDfütter unb älteren ©cfdgoifter, bie i'lühe nicht 
berbrießeu laffen, ober bielmehr fich felbft ben 
föftlichen ©enuß ber fDfitfreube au beS Rindes 
fjreube gönnen, unb ftd) gu ihm hiufeßen, ihm 
feine 93ilber geigen unb erfläreit, unb fie bunh 
fleine ©efdjichten ober Dleime beleben, unb fich 
bann biefclbcu bom Rinb mieberboleit laffen, 
natürlich nicht in trodeuer Schulmeiftermauier, 
ober in einer ftrengen, langmeiligen. pebantiiehen 
Seife, foubern fo tinblicf) unb einfach als mög» 
lieh; beim nur fo mirb ihm fein 93ud) mirflich 
lieb unb bertraut, unb feine bunten ©eftalten 
feine pevfönlichen ^reuube. Cber gilt eS ein 
anber 'Dfal bem Rinb 9(nmeifimg gu geben, mie 
eS ans feinen Spielfachen noch bieS ober jenes 
Acne mad)en, ober baS Alte berbeffern unb ber* 
bonfoininiien, meiter ausführen, abriinbeu fann, 
menn feine eigene ©rfinbungS« ober ©eftaltungS» 
fnjft fich evfdjöpft hot, unb bamit bie Spielluft, 
gute jaune unb ©ebulb gu ©nbe gu gehen brofjt. 
®urch folche einfachen Runftgriffe mirb fein 
Sntereffe mieber frifch gemonnen unb angeregt, 
ber gleiß belebt nnb ber flüchtige Sinn bon 


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488 


Jlie Jctifuiimg Des Spiels. 


mancher Unart nbgelenlt, namentlich auch tjcrn 
oft Phon fo jriih fich regeitben 3 er * 

ftöruiHt»trieb gemehrt. 

®oct) barf baS Sfinb aubererfeitS atuf) nicht 
alljii(niu\e mit bem Spiel lephäftigt bleiben, 
fonft erlahmt STraft mtb 3ntev:|ie, ber tJteij ber 
Dtetiljeit ftmnpft fiel) 31 t halb ab, itnb mit ber 
9ln}ie()tnii] bcrliert baffelbe auch feinen bilbenben 
Söcrth unb feine 9Birluug auf unb für bie ©r« 
3 iehung. Sahst muß itjiii namentlich ein ent« 
IcibetcS Spie^eug weuigftenS eine 3eit lang ganj 
entjogen werben, bis eS i()m mieber lieb unb be= 
gebrenSWertb biiuft. 9(uf einem gewiffeit leben« 
bigeit unb eben babureb belebenben 2 Bed)fel ber 
Spielfachen felbft, unb alfo auch ber au unb mit 
ihnen geübten Sthätigfeit beruht ja großenttkilS 
bie gauje ^oefee beS Spiels, bie fich liötbigen* 
falls ja auch fogar ganj ohne Spieljeug behelfen 
fauit unb 3 . 93. fchou in ber 93emä!tigung eines 
SloffeS ober einer 9taturfraft, in ber 93emeifte» 
rung ber eigenen Seiblicbteit unb ihrer oerßbie« 
beueu Organe unb beren mannigfaltiger Her« 
menbung ihr ©einige fiubet. $er Sßertb ber 
Spitlfachen ift alfo für baS flinb nie ein realer, 
fouberit nur ein ibealer, ober eigentlich imagi« 
inirer, ein bloS eingebilbeter Hböntaficwertb, eS 
phlägt biefelbeu wefcntlicb nur nach bem, mnS 
fie ihm bebrüten unb oorfteden, nicht toaS fie 
wirtlich fiub, muh bem, was eS -fich barunter 
beult unb was eS bamil ober barauS macht. 

3ft bie 3eit 311 m 91 u f h ö r e n b e 5 S p i e l S 
gefommen, fo nuifi entfehieben barauf gehalten 
werben, baß baS Spiefjeug 0 rbe n 11 idj auf« 
geräumt wirb, 100311 freilich and) gehört, baß 
mau bntür feinen eigenen feft beftimmteu tßlaß 
ober 93ebälter hat, unb 3 toar fodte eS ftreng 
barau gewöhnt werben, wenn irgenb eine Pflicht 
ruft, fei’s ein uothwenbigeS ©cpbüft ober ein 
freiwilliger SiebeSbicnft, ein gemeinfamer ©ang, 
bie 2ipb« ober bie Schulglode, fein Spiel f ö» 
fort eiu 3 uftelleu. ©in Hiiujlliitgeu befielbeu in 
^ci '3 unb Sinn beS SJiitbeS felbft bis in bie 
Samilienanbacht ober bie Kirche, ben Unterricht 
ober bis in Schlaf nnb 2 rau 111 hinein, laßt fich 
allerbiugS nicht immer gans permeiben ober ein« 
fach berbieteu, fdjabet über auch in bemfelben 
9A 1 aß weniger, je mehr baS Spiel felbft harnt« 
lo'fer unb reiner Dtatur mar, 

3e jünger baS Sfinb noch ift, befto eher ift eS 
ihm auch noch 3 » uevseihen, wenn baS Spiel, baS 
eben noch gans ttub faft auSfdjließlid) feine eigene 
unb einzige 9Be(t ift, auch feine ©efühtswelt 1111 b 
feinen gefammten geiftigen .funi 3011 t 1111 b 93nr« 
ftedungStreiS, b. I). STopf unb ^>ers anSfüflt, 
aber je älter eS Wirb, befto mehr muß eS lernsn, 
baß eS neben bem heiteren Spiel auch eine ernfte 
9lrbeit giebt, ber feine Straft 11110 3e>t, fein 
9Jliihen unb Streben gehört, freilich wirb baS 
nicht babureb erreicht, baß mau ihm roh nnb ge« 


maltfam fein Spiefoeug aus ber £>anb reißt, 
fonberu baburch, baß mau admöbli<b> «her mit 
jjeßeter ©oufequeus feinen Sinn Pom bloßen 
epiel weg 31 t ben Arbeiten nnb Aufgaben beS 
SebmS unb SemenS teuft. (Sitten tvefflid;cn 
Uebergang Oie^n bilbet 3 . 93. Phon baS eben ge« 
nannte ©inräumen, inbein auf biefeni feig« 
faltigen unb hübßheu piinltliihen ©inorbueii ber 
Spielfachen, obwohl eS bereits eine 9(rbeit ift, 
noch ein gewiffer 9iacbfcbimmer oon ber Hoefie 
beS Spieles felber liegt, unb ben 9lbPhieb Poit 
ihm ttub ben Uebergang 311 r eigentlichen Arbeit 
erleichtert, ©in folcheS mittleres fiub auch uiefe 
ber bereits befprochenen nnb nicht genug 311 
empfehleubeu 93epbäftigunqen unb Unteiha!« 
tungen, bie man mit bem ©efammtiiumeu 
„Hefteln" be 3 cid)iiet, besgleicben bie 9lnlage Pon 
«ammlungeit unb ähnliches, dagegen ift auf 
eigentliche Serufpiele nicht fo fehl- piel 3:1 
halten, fie oerberben meiftbeu ©efehmaef fitr baS 
eigentliche Semen, baS eben gerabe lein „Spiel", 
fonberu ein „©ruft" fein foll. auch ‘wirb gewöhn« 
lieh baS, toaS man fo leicht fich augeeignet unb 
„fpielenb" gelernt hat, ebrafo mich loicber Per» 
geffen, unb hat lange nicht bea 9i?erth unb bie 
bilbenbe Straft beS mühfain ©rworbenen. Das 
Seinen foll unb muß ein „9Kuß" fein unb blei» 
ben; im Spiel mag fich baS Sliub frei bewegen. 

SJaruut barf aber bennoch auch bem Spiel, 
fo feltfam unb faft wiberfprechenb eS Hingen 
mag, hoch auch baS ©(erneut ber 3ucht nicht 
gaci 3 fehlen. Sie wirb theilS eine Selb ft« 
jucht fein unb namentlich bei älteren Stinbern 
immer mehr merben mtiffeu, bie befonberS burch 
freiwillige Uuterorbnung unter9lnbere oberauch 
unter bie Spielregeln fich 3 eigeit wirb, HjeilS 
eine frembe 3 . 93. burch ben ©lieber, ber por 
adern auf Orbuuitg 1111 b 9lnftaub 311 fefjeit unb 
auch ad 3 iigroße Siörung ber ©rmachfenm burch 
ben Spiellärm ber Stinber 311 hiubern hat. 9Bir 
haben ja gewiß nichts bagegen, baß fie fich ntun* 
ter tummeln unb luftig fpringen, fingen unb 
pfeifen, ober gebiiljrenbe febonenbe 9lüctfiebt auf 
9(nbcre, auf Sfraitfc, 93ept)äftigte ober fonft 
fRuljebebürftige muß hoch auch baS Sfinb Phon 
felbft bei feinen Spielen nnb ©rholungeii let« 
neu. Streitig feiten oodenbS, ober gar 
Schlägereien fiub phlechterbiugS nicht subulbeu, 
fonft wirb auS bem Spiel oft „blutiger" ©ruft. 
®ut ift’S, wenn unter ben 93liifpieiem felbft 
fokhe fiub, beiten in folgen fällen eine ent« 
Phiebeue 9lntorität unb ©nergie beiwobnt 11110 
überhaupt ein folcher ©eift herricht, baß beit 
muthtoidig ftörenben Spieloerberbem unb .£jüit« 
belfucheru baS fönnbiocrf fofort 1111 b für immer 
gelegt wirb, wenn nicht, fo barf fich ber Haler 
ober Seiner ber 9tode beS ffriebenSftifterS nab 
SchicbSiichtcrS, aber Wohlgemertt beS 11 n« 
p a r t h e i f ch e 11 , nicht entgehen, barf babei 


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(Sine leljtfmmljl in jfleutfdjtanb. 


489 


ober and) nicht flcintidj unb peinlich noch allen 
Würfen fdjlugeit roofleu. 

©nblich föimte and) noch gefragt »erben, oft 
bie ©rraadjfenen and) fonft fiep noch birect unb 
perfönlich beim ©fielen ber jfinber b e t p e i« 
Iigen bürfeu ober gar foüen, ober eS biefen 
allein au t(berlafieit höben, ©ehr oft roivb eS 
gut fein, baS Giub fiep felbft nnb feinem ©piel 
fo uitgeflört als möglich aitheintaugeben unb eS 
nur gelegentlich a« überwachen, aber ohne in baS 
flifle geheimnifeDolle Sieben nnb Sehen feines 
©eifleS einaugreifen, baS, rnie mir fdjon bemert« 
ten, nur in Dotier ungehemmter unb unbefdjrnnf« 
ter Freiheit recht gebeipen fann, bafitr aber befto 
mehr burd) ^Beobachtung feiner ©elbftenthaltung 
f iir bie ©raiepung berfelben bie ©epanblung feine» 
StemperoinentS, baS ©tubium feiner Steigungen, 
©oben, Gräfte unb Snlagen an lernen. 

Snbejfen mirb eS bem tiuberfreunblidj gefinn« 
ten Sater ober fonftigen ©raiefjer Don felbft mehr 
als einmal treiben unb bräugen. and) felber, me« 
nigftenSaumeilenunb auSnnhmSmeife mit« 
jufpielen, ma§ er auch gana mopl opre Sevlebung 
beS SefpcftS tpun fann, wenn anberS biefer auf 
ber rechten gefunben unb feften fittlid)en ©runb« 
läge ruht. ©§ ift bie» für jeben einaelnen Wen« 
fdjen unb jeben einaelnen fyad eine Srt Don ©e« 
toiffenSfrage, mo Stiemanb ein Sed)t hat, beS 
Snberen Sichter a» fein, ©ana gernife mirb jeber 
ernfte Wann unb ©hrift, je älter er mirb, befto 
weniger mehr 3 eit unb Suft aum biofeen ©pielen 
haben; aber als ein befonbereS fjfeft für bie .Rin« 
ber betrachtet unb richtig behaubeit, mirb fein 
Witfpielen nur ihre ftreubc unb augleich bamii 
auch bie feine erhöh«« unb «h« felbft frifch unb 
jngeubfroh erhalten in ber Süderinnerung an 
bie golbeneit Sage bet eigenen Ginbpeit. Such 
ein 2) r. W a r t i n 8 u t h e r hat fiep nicht ge« 
fcpämt, gelegentlich mit feinem Manschen fleh auf 
bem ©tiibenboben au tummeln unb ein noch grö« 
feerer als ber gvofee ^Reformator hat an ber aflev« 
biugS einaigeii ©teile, mo er Dom Ginberfpiel 
rebet (Watth. 11,16), aum minbeften fein fabeln« 
beS Wort bagegen gefproepen. . 2)ie Sibel geht 
fonft atlerbiiigS (mit alleiniger SuSnapme Don 
©ach- 8 , 5) ftillfchmeigenb an ihm worüber, aus 
begreiflichen ©riinbeu, beim fie ift foroenig roie 
ein fieprbuch berSaturmiffenfdjaft ein ©pielbuch 
für bie Ginber. Sber ihr ©eift ift menigftenS 
äd)t eoaiigelifcp, b. p. ««pt eng unb ftreng, fon« 
bem meitheraig unb marmheraig, frei unb milb 
gefafet, bemfeibeii and» nidjt an fid) feinbfelig 
entgeqeugefejt, ober eS Dorneljm unb gleidjgiltig 
Derachtenb unb ablehnenb, fonbern ihm freunb« 
lieh, aber allerbiugS auch orbneub nnb regelnb, 
gugefehrt, beim ihr .Gern unb ©fern ift ja ber 
grofee unb ber einaig mähte Ginbetfreunb unb 
fein ©eift ein ©eift ber Ginbfcpaft, ber ffreube 
unb ber Freiheit! 


(jftue fdjiertonl)l in Peutfdjlöiib 
nor 150 Inljreu. 

S er „Sieberfcplefifche Steiger" Deröffentlidjt 
folgenbeS mtereffante fßrotofoll Dont 
Sfahve 1729: 

Sadibem auf gefdjepeneS töbtlidjeSSblebeubeS 
bisherigen ©djuimeiflerS fleh mir fünf Liebhaber 
gcmelbet, fo mürbe aimörberft Dom Pastor loci 
in einer Setftunbe nach Watth- 18, 19—20 bie 
©emeinbe au heimlicher ©rbittung göttlicher ©nabe 
au biefem wichtigen ©efchäft erinnert, fobaitn in 
ber Girdje oor Sagen unb Cpren ber ganaen ©e» 
meinbe bie ©ingprobe mit berten ©eroerbern für« 
genommen unb nach bereu ©nbigung biefelben 
im SfarrhaitS noch meiter tentiret: 

1 ) Wartin Ott, ©djufler aus S., 30 3«h«e 
beS Sehens alt, hat in ber Gird) gefangen: ©hrift 
lag in ‘JobeSoauben ic. dreierlei Ijnnbfcprift 
hat er gelefen — mittelmäfeig; brei fragen aus 
bem Serftanb beantmortet — recht; aus bem 
Cntechismo de sc. coeno (heiligen Sbeub» 
mahl) unb bie 54. Srage rccitiret ohne fehlet; 
brei Seihen dictando gefchrieben — uier fyefjler; 
beS SedjnenS.ift er burdjauS unerfahren. 

2) $atob TOähl, Weber aus 2)., hat bie ^ünf» 
aig hinter fleh- bat gefungen: O Wenfd), beroein 
bein K. SuS bem Catech. bem Dekalog (aepn 
©ebote) unb 41. groge reaitiret ohne fehler; 
dictando brei Seihen gefdjrtebeu — 5 fehler; 
beS SedjneuS and) nicht funbig. 

3) ^h’OiPP £»PP, ©chneiberauS©., fdjon ein 
alt gebrechlich«« Wann non 60 SebenSjahreit, 
follte lieber au £mttS geblieben fein, als fid) bieS 
oermeffen. &at gefangen: ©inSäminieiu geht«. 
Dictando nur brei Wörter gefchrieben — mit 
Wiifje au leien. Secpnen gana unbefamtt, aähU 
an beu Ringern raie ein fleiti Ginb. Würbe ihm 
gemelbet, bafe er thöridjt gepanbelt, fiep au mel» 
ben, maS er auch mit SUjranen unb ©eufaen he« 
fannt. 

4) Johann ©chütt, ein Geffelflirfer Don aflpier, 
hat 50 3fapre beS Sehens auf ©rben gemanbelt 
unb hat gefungen: O Smigfeit, bu 2 ) nun er» 
mort ic. IBeint Cntcch. bemerfte man, bafe er 
fotfjanen ©tiiden nodj nicht im exercitio flehet. 
Dictando brei Seihen gefchrieben — ging an, 
maS Sitchflaben betrifft, boch a«h« S«ht«r. Secp« 
neuS nur im Addiren erfahren. 

5 ) f^viebrid^ Sotp, «in Unteroffiaier aus ©tp-. 
fo im £>odjebIen Don ©rumbom’fcheii Segiment 
ben tfdbaug gegen bie ©djmeben gemacht unb 
allbort ein Sein berloren, 45 3ahre bes Sehens 
alt, hat gefungen: ©hrift lag in iobeSbanben ic. 
Catech. — moljl inue. 3?ier fragen auSbem 
©erflanb — ziemlich). Dictando brei Seihen 


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490 


£utl)tr als Jtinberfreunb. 


bocO mit 8 Feßler. 3te<hnen Addircn unb bis* 
c^cii Subtrahiron iituc. 

©3 mürbe nun eiuntütbig bnboit gehalten, baß 
3 acob Wcißl iuof)t bcr fopabelfte, wogegen beit 
anbereu, namentlich bem fteijelflider, uicfjt gu 
trauen, fintemaleu er nie! burcß bie Sanbe ftrei<f»e, 
bagegeu ber riegSfnedjt mahl bie 3fud)te( gegen 
bie armen ßiitblein gu ftarf gu gebrauchen in 
Sßerbacht gu nehmen fei, roaS benen mitleibigen 
Wütteru berfelbeu boch fehr ins fjerg ftechen_unb 
meße thmi tonnte, auch fei gmifeheit rohen _©ol* 
baten unb folchen Söürmfein boch «in Uuterfchieb 

S feßen. Der ißaftor ließ nun botiren unb mürbe 
ahl einftimmig ermählet. Da nun felber 
3 acob fütahl allejeit bon ne fumae gemefen unb 
bie gange ©emeinbe Pastorem barum bitten, 
fo giebt auch biefer im Vertrauen auf ©ottcS 
©egen gemelbeten Wähl fein votum ab. 9?acß 
abgelegten votis mürbe folgern ber ©ntfdjluß 
nebft erforberlicher ©rinuerung unb Verhalten 
eröffnet, auch angegeigt, baß er fing» gugieheit 
füllte. — hierauf mürbe bei ßerglichem ©egenS* 
munfehe bcS Pastorm mit befjeu unb ber gangen 
©emeinbe '-Bcfviebigung auch beiberfeitiger Sinig* 
feit folcßes'ßrotofoll oerfaffet unb unterfdjrieben. 


Pont Pfte«. 

Du fagß, bu magfl iiidjt beten, benn es fei 
jH Dorfj alles oorbeftimmt. — IDie? 3 f* <8ott 
^ Denn fdjoit geworben, feine fynTqe Dorftdjt 
(Ein bloßes llfyrroerf, bas an ^faben frfimirrt, 

Der tobte ZTadjlaß eines großen Küitftlcrs ? 

3ft er uicfjt l]eut uoef? ba nub mebt uttb fd>afft 
2 Un nimmer fertigen IPcrf? (Siebt biefer Duft 
Don jungen Hofen, bcr burcfy’s ^cuftcr quillt, 
Hicfjt fjoTbe Biirgfcfyaft feiner (Segctiroart, 

Unb baß er lebt unb liebt? Unb toenn er lebt, 
IDie t^Citt’ er ITTac^t nicfyt, auefy beiti f^e^ensflefyn 
3n feines Hatfjes Schluß mit aufaunefymen, 

So tuie ber Dnnftfreis beinen ^aud? empfängt, 
Unb bann < 2 rfjörnng über bidj 311 regnen? 

-♦- 

fntljer ab Ititberfrettttb* 

®om 0Mßerintenbenten kontier. 

f ir moHen alfo eintreten in SiitßcrS Jtinber* 
ftnbe. 2öir ntüffen, menn mir ihn als 
ftiuberfreunb anfehen, nicht auf feine 
SEhatenfeljen, als er mit liifjner #aub bie Shefeu 
an bie tochloßfirche fchlug, ihn nicht anfehen in 
feiner 3ettc in Grfurt, nicht mie er in SBorm# 
bor .ffaifer unb fReich ftanb, nicht in feinem 
©tubirftüWßcn auf bcr Söartbiirg, mo et bie 


ißfalmeH überfeßte, — nein, mir wollen heute )U 
ihm hineingehen in feine SJinberftube. 

©3 giebt ein tBilb, ba mirb uns bargeftellt, toie 
Suthef am äßeihuachtsobenb int greife feiner 
fjamilie fißt, unb mit feinem tiefen 9llt — mir 
mürben eS einen Donor nennen—bie SöeihnnchtS* 
lieber iingt. ©r mar ein guter WtififuS, hntte 
auch eine feine, helfe/ reine Stimme, beibe gu 
fingen unb gu reben. 3tuf bem Difcß ftanb ber 
'-Baum mit Stebfeln unb allerlei '-Behang, unb 
Welandjtboit, 3ottaS unb ftcitße fiitb auch auf 
bem '-Bilbe gu fehen. Unb ba fangen fie bie Sieber, 
bie jeßt bie ©emeinbe fingt, obgleich e§ feine ©e* 
uteinbelicber, fonbern ft i über lieber maren, bie et 
eigen» für feineßinberftube gebichtet hat: „9?om 
£>immcl hoch, ba fornnt ich her!" unb „Sobt ©ott, 
ihr ©briften allgugleich" u. a. m. 

Dabei moüen mir uns nun auch bie eingelnen 
flinber etroaS genauer anfehen. 

9lin 7. 3mti 1526 ift baS erfle geboren, fein 
©oßn SoßaitneS, ober Räuschen, ober 
fjiinfefett, mie er ihn mit Vorliebe nannte, 
©r ttjeilte einem fjrreunbe mit, baß ihm „feine 
liebe ilcitße bou großer ©otteSgnabe einen Raufen 
Seither gebracht" unb fifjreibt au ©palatin: 
„Wein .ftirfchböcflein Johannes banft S)ir mit 
feiner £>ir|<hin fchönftenS für ben Segen, beit Du 
ihnen gefchicft unb bantt in ©iinächeiiS 9tamen 
bem $aii§inann für eine ihm gefcheuftc Älapper, 
über melche berfelbe gar ftolg unb bergnügt fei." 
— ©o fiiiben mir in feilten SBriefeu, bie bon gar 
ernfiett Dingen hanbeln, benno^) öfter fRotigen 
au§ feiner Äinberftube. 

9(iit 12. Degember 1527 »urbe ihm feine ©li» 
f a b e t h geboren, bie aber am 3. 9lnguft 1528 
mieber ftarb. ©pätcr fdjreibt er: „©lifabetb hat 
uns Cebemohl gefaßt, um gu ©hriftuS gu gehen, 
burch ben 2ob gum Seben". Unb an^auSmann 
fchrieb er über ihren 2ob: ,,©ie hat mir ein 
rottnberfain tranfeS, faft roeibifcheS $erg gttrüd* 
gelafiett, fo jammert mich ihrer; nie hätte ich 
borßer gebaut, baß ein tBaterßerg fo toe:<h rnerbe 
gegen bie ftinber." 

9lm 2. Wai 1529 befallt er einen ©rfa^ in 
feiner Wagbalena, bie nnii in allen ^Briefen 
fpielt, an bie er mit aller Siebe unb 2reue ge« 
hangen. 

2lm 7. 9tobember 1531 mürbe Wartin ge« 
boreit. 

Dagu fam noch ein ©ohn iß a u l am 28. 3a« 
niiar 1533 unb bann am 17. Degcmbcr 1534 ein 
2 ö<hterihen Wargarcthe, bie ißit überlebt 
hat. ©r fah borauS, baß er ben ©intritt biefer 
Slleinen in ein reiferes9lltcr nicht erleben merbe; 
fie ift fpitter an einen {tetrn bon St unheim 
berheirathet gemefen, ber in pretißifcben Dicnften 
ftanb. ©r bemerft: „bie Siebe ber ©Item fleigt 
aflegeit niebermcirts meßr benn aufmärts — gu 
ben guleßt gebotenen, bie ber liebenben Qfiirforge 


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fuiljrr als Hinberfrtunb. 


491 


am meiften bebiirftig feien/' baruiii feat er ben 
Siiugften am meifteu lieb. 

Stitfeer wohnte im alten ftlofter; er nannte 
fein a*3eib oft fcberjweife „$err ftätfee," ober 
and) „Stofes Stütze," weil fie bie aanje ftinber» 
fcfeaar mit ihrem ©efefe regierte. «liefe an ftin» 
berfefteu fehlte es nicht bei ifent. 3m Sommer 
1531 melbete er ficfe bei einem fjreunbe „mit 
bieleit lirfcbenliebeuben Knaben" ju einem Se« 
fncb bei beffen ftirfcfeeu an. 

SutfecrS fywSftanb batte noch einen gröfeereit 
ftinbedreiS. $a war 3cfcl, SntberS ©dgoefter 
©ofen, bei ibm erjogen, ferner Sene nnb ©lfe 
ftaufmaitu, bie Södjter einer ©cfewefter, bie in 
StanSfelb berbeivatbet war. ferner bie üod)ter 
eine§ Serwaubten, 9lnna ©cfeuljeniter. 2)ie 
Sene fcfeeint fcbwer jn erjiefeen gewefen, benn als 
Seit Dietrich nm fie enthielt, wies eS Sutfeer ju« 
rüd, weil fie noch beffer erjogen werben miiffe. 
Seither fagte: will fie nicht gut tbnn, fo wolle er 
fie einem fcfemarjen {nittentnedjt neben nnb nicht 
einen frommen nnb gelehrten Staun mit ibr be= 
tränen, ©eine ©rjiefeung ntufe aber bod) wob! 
geholfen haben, benn 1538 gab er Sene freubin 
nnb mit gutem Vertrauen bem Stagifter 9lm= 
brofinS Sernbt 511 m SBeibe. 

fintber batte auch anfeerbem nod) ftofigänger 
nnb ©alle, fo bafe grofeeS Seben in feinem |>aufe 
war. ©trenne 3 ucfet lan in ber bamalinen 3 cit; 
fo bat er einmal 3>etel, SutfeerS ©djmefler ©obn, 
„geftriiben" über iifcfe nnb äußerte'über ihn: 
„berfelbe bat mich einmal fo erzürnt nnb getöbtet, 
bafe ich gauj bon meines SeibeS fträfteii gcfoin» 
men bin." ©r weiß, baß ein Sifdjof gefeorfatne 
ftinber haben foll, nnb er bat mit ftrengem ©ruft 
auf ©eborfam gehalten, ©einem ©ohne ftauS 
Weigerte er einmal brei Sage lang bie erbetene 
Serjeifeung, obgleich feine grrau nnb mehrere 
pfreunbe für ihn 3 ?itrfpratf)e einlegten, ©r er» 
flärte bamals, er wolle lieber einen tobten als 
einen ungejogeuen ©obn haben. 

6 r will aber in ©rinuernng an bie felbft» 
erfahrene alljugrofee bäterlidje »Strenge auch nicht 
ju Diel £)ärte bei ben ftinbern haben unb fagt, 
man folle allejeit auf bie fRutbe ben 9lpfel legen. 
2 )abet beobachtete er forgfältig bie ©igenart fei» 
ner ftinber, unb forfefete bem ©fearafter ber 
ft na ben befonberS nach, ©t Wollte feine ftua« 
ben §u b e in Seruf feeranbilben, ber ihren ©igen» 
ifeümlicfefeiten entfpraefe. 9Seldjer unter ihnen 
ein ftrieger werben wolle, ben Wolle er £ianS 
Säfer, bem ©rbmarfdjall, jufdhiefen; welcher 
ftubiren wolle, ben [ollen 3onaS unb Steloncfe» 
ihon haben; wer mit ber £)anb arbeiten Wolle, 
bem Wolle er $11 einem Säuern fertigen. Seim 
ftrieger hatte er fpejietl feinen fleinen Saul im 
©inn, beffen Satfee Säfer War, „Saul," fagte 
er, „folle wiber ben Süden." 9lber Saul fdin 
nicht wiber ben Süden, obgleich er es am mei» 


teften gebracht hat. ©r warb Seibarjt an ber» 
febiebenen flöten. Startin toarbifecologe unb 
ftarb fefeou mit 33 Rubren. 

Saglich würbe bmt Sutber ©otteS 5Bort ge» 
trieben; ben ftatechiSinuS, bie jeljn ©ebote unb 
ben ©tauben fpraefe er täglich mit feinen ftin« 
bem nnb befragte fie barüber. Sur ein Sater, 
ber gäitjlicfe Sriefter ift in feinem .fjaufe, tonnte 
fugen, wie Sntber gefagt bat: „Sieber £err 
©ott, wie foll ficfe ein £>erjpod)en erhoben haben, 
ba Sbrabam feinen einigen unb allertiebften 
©obn füllte tobten! 0 wie wirb ihm ber ffiang 
auf ben Serg Storia fo fcbwer angetommen fein! 
©r wirb ber Sarah nicht» babon gefagt haben." 
$a fing feine Hausfrau an unb fagte: „^efe 
faunS in meinen ftopf nicht bringen, bafe ©ott 
fo graufam 5)ingS bon jemnnb begehren feilte, 
fein ftiub felbft ju erwürgen." ®arauf aut» 
wertete $r. Suther: „Siebe ftätfee, tannft bu 
beim baS glauben, bafj ©ott feinen eingebornen 
Sohn, unfern £>errit unb #eilanb Sefum 
©hriftum, bat wollen für nnS fterbeit laffen, ba 
er bocb nid)tS Siebers im $immel unb auf ©rben 
gehabt bat, benn biefen geliebten Sohn. Söffe 
läßt er ihn für unS freudigen unb ben fefemäblidjen 
3:ob beS ftrenjeS leiben. — 9lbrabam hat muffen 
glauben, baß eine Suferftebung uon ben 2o5teit 
feilt wirb, als er feinen lieben ©obn ^fnat 
opfern follte, bon bem er bod) bie Sedjcifeuug 
hatte, bafe burch ihn ber StcffiaS ber SBelt follte 
geboren werben." 

3>m ©ommer 1527 batte er einen 3"fdfl, 
eine Cbnmacht, fo baf; er felber an feinem 9luf* 
fonimen jweifelte. „9Üo ift benn mein alter« 
licbftcS Räuschen ?" fragte er, als ihm baS ftinb 
gebracht würbe, lachte es ben Sater an: ba fprad} 
er: „O bu armes ftinblein! nun befeljle ich 
meine aflerliebfte ftätbe unb bich, allertiebfteS 
SJaiSlein, meinem lieben, frommen, treuen 
©ott. 3jh* habt nid^tS; ober ©ott, ber ein Sater 
ber Sßaifcn unb Sichter ber Sßittwen ift, wirb 
euch wohl ernähren unb Perforgeit." ©obaint 
bejeichnete er feiner Hausfrau feinen filbernen 
Secher als fein einziges irbifcheS Sermächtnife: 
„SDen ausgenommen," fagte er, „weifet bu, bafe 
Wir fonft nichts haben." — $ie tiefe Siebe in ihm 
hat er in feine ftinberftube feineingetragen, unb 
ba hat er auch biefe Siebe bfrauSgefeolt. 

Sor allem lieblich ift bie 9(rt, wie er mit fei« 
nen ftinbern fumjugehen berfteht. $aS miiffen 
wir bon ihm lernen, beim Umgang mit ben 
ftinbern, ihnen ein SBort ju fogen, baS ihr £>erj 
erfaßt. $er Stann, ber ben ftatechiSmuS ge» 
fcbricben, hat biefe ©igenfehaft in feine ftinber« 
ftube bineingebracht unb bort geformt. 

9luf ber gefte ©oburg nnbeterim Safere 
1530 neben feinet ernften «Irbeit noch 3 c >t, 
Bibeln ju fefereiben unb Sieber ju biefeteu. 9(uS 
biefer 3 dt ftainmt and) ber unbergleichlicfe fcfeöne 


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492 


Sdjiolj |lrufd|ntanenflritu 


©rief nn fein ©öfjndjeit HmiS, ber ja aflbefannt 
ift, nnb ber nicht allein in SutberS '-Biographien, 
fonbern auch in beutfchen Kinberbücberrt mit 
Utecht feinen ©laß gefuuben unb behauptet hat. 
211S feine gfrau ihm ein Gonterfei öon Senken 
borthin fdjicfte, hing er eS in bem Speifegimmer, 
bem Difch gegenüber an bie löanb, mie Zürich 
ber „Stau Doftorin" berichtete. 

Suther hat aber noch manches Seib erlebt. 

§ anS mar ein frühreifes Kiub; er lourbe mit 13 
ahren ©accalaureuS, ftubirie ©bilofopbie unb 
mürbe fiirftlicher Kongleiratfj in SBeimar. 

Die fchroerfte 3eit ift ihm aber baS © (erben 
feines SencbenS geroorüen, unb maS Suther baüon 
felbft ergäfjlt, gehört gu bem ergreifenbften. 2US 
fie noch fehr fraitf lag, fprach er: „S<h habe fie 
fehr lieb, aber, lieber ©ott, ba eS Dein Sßitle ift, 
baß Du fie bahinnehmen millft, fo miU ich fie 
gern bei Dir roijfeii." Unb ba fie olfo im ©ette 
lag, fprach ergu ihr: „©tagbalenchen, mein Doch» 
terlein. Du bliebeft gern hier bei Deinem ©ater, 
unb geucheft auch gern gu jenem ©ater!" fprach 
fie: „3a, bergiger ©ater, mie ©ott miU." Da 
fagte ber ©ater: „Du liebes Döcbterlein, ber 
©eift ift mittig, aberbaSftleifdh ift fchmacb'." unb 
manbte ficf> herum unb fprach: „3<h habe fie ja 
fehr lieb; ift baS ftleifch fo ftarf, roaS mirb bann 
ber ©eift fein?" Unb unter auberm fagte er: 

‘ „©ott hat in taufeub fahren feinem ©ifchof fo 
große ©aben gegeben als mir, benn ©ottcS ©a* 
ben fotl man fich rühmen. 3<h hin gornig auf 
mich felbft, bafj ich mich ihrer nicht Poit #ergcn 
freuen noch bauten fann; mierool)! ich untermeilen 
unferer ©hre@otteS ein Sieblein finge, unb baitf 
3 hm ein menig bafiir." 

Da nun ©tagbnleuchen in ben leßteit 3üaen 
lag unb fterben roollte, fiel ber ©ater por’rn ©ett 
auf feine Knie, meinte bitterlich unb betete, bafj 
©ott fie mode ertöten. Da Perfchieb fie nnb ent» 
fchlief in ©aterS Hauben. Die ©hittcr aber mar 
auch mobl in berfelben Kammer, hoch meiter Pom 
©ett, um ber Draurigfeit millen. DaS gcfchah 
nach 9 Uhr am 17. Sonntag nach DrinitatiS 
1542. Sie hatte, mie Suther nachher meinenb 
begeugte, ihn ihr Sebtag nie ergiirnt. ©eine 
grau tröftete er nnb fprach ! 11 ben Seibtrageuöeit: 
„3ch habe einen ^eiligen in ben Himmel gefdjicft, 
unb hätten mir einen folchen Dob, eiiteti fotchen 
Dob roollt’ idj gur ©tuub annchmen!" 9lber 
nachher befanute er noch bon fich in.©riefen: 
feine liebe Dochter fei jeßt gmar neugeboren in 
©hrifti 9tei<h, unb er unb feine ff rau füllten ©ott 
über ihr feligeS fjinübergeljen bonfen, boch fei 
bie ©tad)t ber gärtlicheu Siebe fo groß, unb baS 
91iitliß, bie ©Jorte unb ©eberbeu beS lebenben 
unb fterbenben, geljorfainften unb ehrerbietigften 
KinbeS feien ihnen fo tief ins £>evg eingefenft, 
baß fie ben Sali nicht obneSeufgen uub Sdjlucb» 
gen beS ^»ergenS, ja ohne ein eigenes ferneres 


inneres Sterben ertragen föunen, unb baß fogar 
ber Dob Gljrifti, mit meinem ja fein attbrer fich 
oergleidjeu laffe, nicht fo, mie eS fein füllte, ihren 
©chinerg gu überroinben permöge, ©pater fagte 
er: er habe jeßt ben bitterlichen 2lffeft in fich be* 
gmungen, aber nicht ohne mit einem gemiffen 
mächtigen Uitroillen ben Dob gu bebroljeu unb 
hierourch feine Dbränen gu linbern. 

Schön ift eS, mie er bie eingelnen Kinber» 
uatureii betrachtet unb baraitf eingeht. 2llS 
©tartiu feine ©uppe bergt unb fchmüdft, fagt er: 
„So aufrichtig unb ohne alle ©oSljeit märeit mir 
im ©arabieS gefinnt geioefen; biefe natürlichen 
©cherge finb bie aflerbeften au ben Kinbern. DaS 
fiitb bie liebften 9tärrlein, bie feinten Spiel* 
böget; bie thun alles einfällig, Poit fjergen unb 
natürlich." 2llS feine Kinber fich unterhalten, 
freut er fich, ro >e fie ben Fimmel fich anSmolen: 
„mit (Sffeu, Springen, Dangen, mit Slüffen PoH 
ÜJtilch unb ©ämnen Poll Semmeln." Suther 
lebt unb rnebt in ben ©eboten unb in ©otteS 
28ort, fo mirb ihm jebeS ©piel ber Kinber eine 
©tahimng, bafj man umfebveit unb mie bie Kin» 
ber merbeit müffe, um ins Himmelreich gn fom« 
men; man möge mobl meinen, baß ©ott eS fäu. 
berlich machen unb bie Keinen 9tärrlein nicht alfo 
erheben füllte: aber ©ott habe reinere ©ebanfen 
als bie ©tenfajen. Gr miiffe tmS er ft entleeren; 
müffe gar grobe ülefte unb Spähne pon uns meg* 
hauen, bis er folche Kinber aus uns mache. 

SutherS gange 2liiSbrucfmeife nnb ihre fernige 
Ära ft ift gang geeignet, baS Kinberherg gn treffen, 
©lochten mir in ber ©onntagfchule unb im HauS 
Pon ifjm uitS lehren laffen. 

(Soimlagfchulfreunb.) 

-» .- 

$d)lofj Itaifdjuiöitetißcin. 

f iu gemiffer reigpoller Schleier ber Dtomautif 
ummebtbaS©rioatlebenbeS gegenmärtigen 
HervfcherS im ©anernlaitbe unb hat man» 
eher ©hautafie ben fttnftoß gu allerlei ©efabel 
über König Subrnig unb feine SebeitSmeife ge» 
geben. Da bürfte unfere Sefer eine ©efdjreibung 
beS föniglichen H f im5 intereffiren, baS ber Gin* 
fiebler bei Hoheiifätmangau fich erbaut unb baS 
ihm feit bem H er bft 1882 gur ÜBohnuug bient. 
Gs ift bies baS Schloß 9t e u f ch m a n e n ft e i n, 
in roelchent ber Äönig and) bie 9tacbrid)t Pom 2lb» 
(eben feines mufitalifchen greunbeS ©idjnrb 
Söagner empfing. GS ift ein mahrhaft fönig» 
lieber unb lünftlerifcher Utubefiß unb gehört me» 
gen feiner Äoloffalitat gu ben grofjartigften 
cöchloßbauten beS Kontinents. DaS Schloß ftcljt 
frei auf einem Seifen gegenüber Hohenfchmangau 
unb ift but<h gmei Jithne 3itgbrücfen mit ben 


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$u $aufe. 


493 


Straße» Derbmtben, im rein italienifchen Stple, 
mit reifer Sluefchinüdung erbaut, fed)3 Stocf 
hoch, mit »ielen ©u (tonen itub Gdthürincheu Der« 
feljen. 3» ber Witte be? gewaltigen ©ranit« 
haue? erbebt fiep ein 350 fjnfe hoher Schanthurm 
mit jroei fchönen (Berauben, Don welchen grofj« 
artige (Runbfcpau in bie baperifepe £wcpebeue 
geböten ijt. Da? Dach be? ganjcit Schlöffe? ift 
mit Änpfer gebedt nnb mit uergolbeteu glatten 
burebfrenjt. Gin viefiger, t)öd)|t fein an?gearbei* 
teter Scploffpof führt jn bem uiajeftätifcpe» ©ov* 
tute unb ift ein wahre? Unitum ber Steinmeß* 
fünft. Die fjront be? rechten fjfliigel? be? 
Schlöffe? fd)iniiden jiuei 40 tynß pope ?$re?fen, 
Don fünfllerifeber f)nnb an3gefüprt, in prächtig» 
fter jyarbenwirtnng. Die eine (teilt ©eovg al? 
(Ritter ju (Roß, fäntpfenb mit bem Dradjen, bie 
anbere bie Wnria mit bem Äinbe, al? ©efepüße» 
rin ©apern?, bar./ Die Spiße be? rechten glii« 
gel? giert ein in Grj gegoffener freiftebenber 
£erolb in aftertpüinlicher (Riiftung, bie baperifepe 
Ätanbarte an ber ©eite paltenb, in bie 2nft 
fpäbenb; bie be? (inten Flügels ber eherne, 
waepenbe 2öwe ©apern?. Da? ganje feenhafte 
ftönigßfchloß ift überreich mit Doppelfänlen amb 
Statuen gegiert unb am ebefteu ben gettnefifepen 
©alaftbauten Derg(eid)bar. Die inneren (Räume 
übertreffen an ©radjt bie meitgepenbften, tüpn» 
ften ©Ijantafiebilber. ©efcpiniidt finb biefe 
(Räume mit Don Weifterpanb gefertigten 8fre§feu 
auä (Ricparb (Eßagner? „Nibelungen" unb ,,©ar* 
fifal", roie au? Gpifobeit ber gelbpg?jobre 1870 
unb 1871, auf ben baprifepen Sintpert bepg» 


babenb, unb au? ber ©efdjidjte ber baperifcpeit 
Könige Don 1806 —1867. Ueberreicb beloben 
mit Sind ift ber ©lafotib. Die ©oben finb tpeil? 
Wofaif, 1 bei 13 ©arquet. Der ftönig beroobnt 
bie ©emäcper beS f eep ften Stode?. Stüber bem 
Slrbeit?», Schlaf» unb ©ibIiotbet?fa(on befinbet 
fiep barin nur noch ein ©ortragfaloit für ba? 
föniglicpe Äabinet. 3" feinem 9(rbeii?pnmer, 
ba3 gefcbinüdt ift mit ben Süften feiner Gltern, 
(Baqner’3, Sluguft j>eigl’3, b. b. Dann’? nnb 
2 uß’, einem ©ilbniffe au? „(Rpeiitgolb" unb bem 
Silane beS Sieberpof, empfing ber Wonarcp bie 
ßunbe Don bem jähen Dobe feine? fyreunbe? 
(Eßaqner au? bem Wunbe be? Änbinet3djef3 
Winifterratb D. Siegler. 3 <h Dierten unb fünf» 
ten Stade finb bie Säle tbeil? ber umfang* 
reichen Sibliotpef, tpeil? ber ©efdjidjte in 2Baf« 
fen», Wiinjen« unb oitbcre» Sammlungen be» 
ftiinmt. Der erfte Stod ift ein mächtiger, reich 
mit ©olb befabener Stiegenbof. Die Seleucp» 
tung ift eleftrifdj, in bem Sdjlofffjof Sabtochtoff» 
ferjen, in ben inneren (Räumen ba? Gbifon» unb 
Swan*Spjtem. Die Stallräume be? Schlaffe? 
finb mit &re?ten, urborweltlicpe ©über, ge« 
fcpiniidt. SS an meitefier gerne fiept man ba? 
wahrhaft tönigliche Schloff be? bapcrifchen Won« 
arepen, an ber Seite be? lieblidjeit Glborabo? ber 
ftöuigiu«3Rutter unb bem rei^enb fcpön gelegenen 
Schlöffe Waj II., {wpeufeproangau. Neu» 
fcpwanenftein unb {mbenfcpmangait, auf hifto« 
rifcp mertroürbigem ©oben ftepenb, geben ^eug» 
niß Don bem hob?» ftnnftfinne ihrer Gebauer 
au? bem Stamme ber tEBittel?ba<per. 




1 u S a u C t . 


Sfir nnfc §ttb im einer 


®er Cleüttticr. ®er Dfeanber ift in Gflnpteii/ 
©rieeftenianb unb auef) in nuferen ©fibftnaten au 
ßaitfe; er uOenuudfevt an ben Ufern be3 ^rofee 
©trerfen. ®ie ©ärtner baten burcf) ftieiö unb 
9(ufmerffamfeit nabe an awanjifl fÄCnie ftefüllte 
Ärten mit beKrotben, nurpurrotbcu, reinmeißen unb 
gelben Slumen» mie auch tuanebe mit feinem SBobl- 
erueb au ©taube flebrad)t, unb baburdf ben Olean^ 
er ju einer afl^emein beliebten Bicrpflanac unterer 
.öäujer unb ©arten beranneaeaen. 3« feinem nuten 
Webeiben gehört Por allem eine ibm aufagenbe (Srbe. 
'Diefelbe follte utöglicbcr SBcife im J&erbft auS alten 
fflaffergrdben ober Scidjen au§geboben f ben 2Bin= 
ter binbureb abgelagert unb burd) fjroft lodet ge= 
macht werben, um im gfrubiabre, mnn nötbtfl mit 
©anb permifd)t, in Serwenbung su fommen. ©tebt 
feine ©ddammerbe jur Verfügung, fo nehme man 
eine SRifcbung pon 3 U*ei Sbeilcn frdftiger 3J2iftbeet= 
erbe f einem Sfcbeit loderen 8ebm unb einem $hoil 
©anb. ©cblammerbe ift iebod) ieber auberen Por^ 


auaiehen, weil biefe burd) fabrelange Ablagerung 
al(e3 enthält, waS ber Oleanbcv au einem fväftigen 
©ebeiben nöthig hat. Äaun man folcbe Srbe hers 
beif^affen, fo bürfen Perbältniftmä§ig fleine ©es 
fähe gewählt werben, ba bie Grfahrung lehrt, ba§ 
bie Dleanberbäume in engeren Behältern mit fräf* 
tigerßrbe beffev gebeihen, alS in groben jtÜbeln. 
®er Oleanber bebarf febr picl SBaffer. GS fei aber 
möglicbft fjlu§s ober SWcgcnwaficr, weldjeS ben Sag 
über in ber ©onite geftanben hat. ®aS falte 
©runnenwaffer ift ihm febr fdmblidj unb bewirft 
Gntblätteruug ber Sßflanaen. ®er ©tanbort im 
Sommer mufc ein foldjer fein, ba& bie Polle ©onne 
auf ben ©tamm, wie auf bie flroue eimoirfeu fann, 
wobureb baS iunge $ola gehörig auSrcifcn unb bie 
ffnofpenbilbung für baS näd>fte 3ahr fid) porbereis 
ten fann, waS auf einem fd)attigcn ©tanborte nid)t 
immer ber Soll ift. 9Jad) bem Abblübeit, unb be^ 
fonbetS gegen ben^)erbft bin, wirb mit bem Sßaffcr* 
geben aümäblig nacbgelaffen unb im SBinter nur 


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494 


3u Haufe. 


. fo oiel bcg offen, alb eben jum ?ebeit ber ^flanjc 
nothiuenOig ift. T>ab rr>u trotfen" ift in biefer 
3aln*eb$eit weniger itacbtbeilig, alö bab „su feudtt". 
T)er Standort im SBintcv fei ein froftfreieb, fühleb 
3immer ober imMothfalle auch ein tvoefener Heller, 
tocldtcMäuiuc, fobalt» bie Temperatur braußeu über 
ben Wcfricrpunft fteigt, gelüftet werben muffen» ba- 
mit fiel) fein Schimmel au ben 3weigcn bilbe unb 
toeil bie läftigc Schilblaub babuvd) ferngcbaltcn 
wirb. 3lucb lieben bie Oleauberbdume in biefer 
Muhejeit, mit aubereu $ffanscn nicht in Serübrung 
Sn fommen» fonbern wollen möglid)ft frei fteben. 
®ie Vermehrung gcid)iebt am leidjtcftcn burd) 
Stcdliitgc unb jioar im 9luguft unb September» 
welche Stedliugc am beften in eine Schale» bie halb 
mit SBafier unb halb mit Scblammerbe gefüllt ift» 
flefebt toerben. Su lefeterBeit wirb oiclfach vor ben 
giftigen Gigcnjchaften biefer'B flau $e gewarnt. Vicl= 
lcid)t beruht bieb auf Täufcbung, beim bab ©ift 
beb Oleauberb ift feine bemicicueThatfadje. • 

Stnrrljaftr geuce#fojfen. Gin erfahrener ©cirt- 
nev fefcte oor einigen fahren um feinen Vaiintgartcn 
eine Sjcnce. Gr probirte Vcrfchiebencb, um wo 
möglich bic Vfoftcn su erhalten. Gtlicbc Sabre 
nachher mar er genöthigt, bie Sencc ju oerfefeen unb 
madite babei jolgcube Gvfabrung: Tie Vfofteit, 
mcld>e er itnangefirichen gefefet batte» mären thci(= 
toeife oerfault, folche, welche mit abßclbfd)tem flalf 
angcihichen, mareu auch nicht mehr gaits gcfmib, 
bicjcnißcn aber, n>eld)c mit Petroleum (ftohlöl) an= 
geftridten umren, noch gaits feft unb hart. „Sn 3u= 
fünft," febreibt biefer ©ärtiter, „werbe ich beimScpcn 
ber^Bfoftcu auf folgenbc SBeife »erfahren: 3undd>ft 
laffe ich bie Vtoftcu gehörig trodnen, nachher be- 
ftreidie id) biefelben breimal mit Ätohlöl, laffe fie 
iebod) jebebinal, nadfbem fte außeftrichen, ßchbriß 
eintrorfnen." Gin anberer ßuter Rnftridj: 9Kan 
nehme trodeneVioften unb ftreiche fte mit felßcnber 
iDJifchuiiß an: ©efod)teb8einöl unb fleftet>te6ief>fcn= 
afd)e; biefeb mirb recht forgfältig burcheinanber ge= 
rührt, biß eine deutlich bichte SÄaffe eutfteht. Tie 
Vfoftcn merben sweiinal bamit angeftridjeu, aber 
auch iebebmal (affe man fie aut eintrödnen. 90?an 
binae einen üKann» ber bab Sehen ber Vfoften oer* 
fleht; eb lohnt fich» menn eine Arbeit red)t ßethau ift. 

ffemneichen: Ter ©efefjmad ift 
eflig. Äppctitlofißfeitf Schmiitbel, Unruhe, Schlafe 
lofißfeit» Sdnocig unb bleidjeb ftubfehen ift oor- 
banben. Tiefe Swnptome halten gewöhnlich nur 
flirre 3eit an, bann ftellt fid) nad> Grfältunß unb 
Tidtfehlern Tiarrhöe ein. Tie Stirne, Mafe unb 
•Bunge merben falt» bet^ulS acht febwad) unb cb 
ftelleu fich Äfräntpfc ein. SBirb bem Äranfen feine 
©ülfe ju Tbeil, io erfolgt tneiftenb ber Tob. 23 c= 
hanblitng: üMan siebe bem Äfranfen trodene 
reine Machtfleibcr an, bringe ihn in ein 23ett, wcl- 
Ae§ in einem luflißen 3immer fteht, unb ift ber 
Unfall heftig, fo gehe man gleich w einem erfahre^ 
neu %x\t; hat man feinen in ber Mähe, fo gebe man 
bem Äfranfen alle lOSßinuten 1 Tropfen Gampher? 
fpiritii'3. (Gin Thcil Gampher in 12 Thcile SpU 
ritii‘3 aufgeloft.) 3Ban fann e^ in ieber 2(pothefe 
haben. 3Kan reibe ben 8eib mit Gampherfpiritu^ 
unb marinen Tüchern unb gebe bem Äfranfen ein 
Älpfticr »oit einem G&löftrt »oll GampberfpirituS. 


I 9(rfcnifum unb 2Seratrum fmb gute Mittel. SJJan 
l forge, bajj berÄtranfe oiel frifche^uft befommt, gebe 
j ihm aber fein SBaffer, fonbern bei heftigem Turft 
ein fleiuc^ Stürfdjen Gio. T)erÄranfe halte ben 
Unterleib manu, hüte fid) »or falten, uugefoddcn 
Speifcn, geniefccbagegen: ©raupcnfchleim,®erftcn= 
fuppe, Meio unb ©rieb, geröftetcb T^rot (mcldieb sum 
toenigften 2 Tage alt fein mufO, ein toeid)gefodüeb 
Gi unb anberc ieid)t oevbauliÄe Spcifen, hüte ficfi 
aber bejonberb oor fauren ©euüffen. Sch up- 
mittel finb: oiel frifchc 8uft, Meinliddcit, md- 
fiigcb ^cbeu unb 9tuhc; man offne bie fjeufter ber 
Schlafzimmer früh 50?orgcub mit» (affe bie beigen 
Sonncnftvablen iüett unb Maditflciber gehörig aim= 
lüften ; man habe unb mafd)c fich oft ab im heifeen 
Sommer. ®anit enblich: man habe feine &nrd)t. 
Slbcr — ba Sterben fein Äiinbevfpiel ift unb cS'unS 
in WottcS SBort getagt ift, mab ber ^cvr oon uni 
forbert, fo meifj id) fein beffev 9)iittcl, alb fid) sum 
ÄpciTii sn menben in ber 3cit, fo lange bab »^peilte" 
uod) unfer ift. 

©erftenfiUHif für Äranfe. 50?an nehme 1 ®funb 
magcrcb frifdieb Minbflcifd) unb 395int SBaffer, thue 
eb in einen reinen Topf; fobalb cb anfängt su fod>cn, 
fd)äume man cb ab, bann ioafd)e man einen Gfelöffel 
»oll frifchc ©erfte unb thue fie in bie Sleifdjbvühe, 
laffe eb eine uub eine halbe Stunbe reebt langfam 
fochcn; man false cb nad)belieben unb laffe eb baTs 
nach einige 9D?al aiiffod)cn — unb bie ©uppe ift 
fertig sum ©ebraud). 

Reib unb aubere Buptym toerben auf äbntidje 
2(rt unbSöeife gefocht; mau fanu uad) ©elicbcn ein 
Stficf ©auimelftcifd) ober and) ein jungeb ®uhn 
nehmen, nur mu& bab Sicifd) immer frifd) uub 
mager fein. 

®ceft(jct. 90?an nehme ein faftigeb, magereb unb' 
frijd)cb Stüd SJecfftcaf, ungefähr 1 fBfunb, fdmeibe 
eb in fleine Stücfd)en unb thue felbige in einen 
neuen Duartblcddcffel, feft subccfen; biefen ftelle 
man in einen thcilmeife mit SBaffer angcfüllten 
Topf aufb ^cuer, gebe 2ld)t, bafe Oer TMcchfeffel 
immer um bie ©älfte oon fod)enbem SBaffer bcOedt 
ift unb laffe eb sioei Stunbcn laug fod)cn; hierauf 
laffe man bie g(cifd)brühe burd) eine feine Seihe 
ober reineb Tuch in eine Taffe laufen, fahe eb ein 
toenig uub eb ift fertig sum ©cbrauch. T'cn Steft 
ftelle man mit bem ficffel toieber für ben ferneren 
©ebrauch in bab fodjcubeSBaffet unb laffe eb lang= 
fam fort fod)cn. 

T>iefer 23ecfthee toirb getoöhnlich oom 9(rjt nur 
für fd)ioadje unb gcfährlid) firanfe ocrorbnet; man 
mu§ bebhalb barauf fetten, beffe baöfjlcifd) frifd) ift 
uub bie Äbeffel nicht roftig fiub. 

©elifene ©niabfel ftnb eben fa 118 gut unb toohl 5 
febmeefenb für ffraufe. 2)?au nehme einige reife 
gcfunbeSüfeäpfel, reibe fie ab, thue fie in eine reine 
TMechfd)üffel unb gieße ein toenig SSaffcr barüber; 
hierauf ftelle man fie in einen heißen Sarfofcn unb 
laffe fie baden, bib fie redit tocid) finb, man brebe 
fie einige 9Äal um unb gebe 2ldjt, baß bie Sprühe 
unb bie2lepfe( ja nid)t anbrennen; menn felbige Tcd't 
toeich, thue man etioab toeißen 3uder barüber unb 
ein toenig frifdje 3)iilch ober füßen Mahm ; ift ber 


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SonntagfdjuUJfektionen. 


495 


ffranfe aber gut ‘Diarrhöe ober SRuhr geneigt, fo 
nimmt man anftatt Stahnt gefodjte frijd)e SMild). 

3nr ftopf nttfc $aarrrittißuttQ ber ftiuber im 

Sommer hole man au3 ber Sloothcfc für 10 6ent3 
Snlts of Tartar mtb ein fleinc3 ©tücfchen feine Seife. 
SDtan thue e3 in ein reine3 ©la3 ober eine Slafche, 
unb fliehe ein Quart Stegenmaffer bavatif; man laffe 
e-3 einifle Stauben flehen, moritad) c3 fevtifl gum 
©e brauch ift. S)tait flieht eine SEaffe ooll in eine 
JBafdjfcbüffel unb reiht bie ©aut unb ba3 ©aar fliit 
bamit ein. ©ernaeb mirb ber ffepf mieber mit tau* 
marinem Stegeumaffer gmcitnal übergcmafchcu, ab= 
etroefnet, mit ein meitig ©aaröl cinflcriehen unb 
arnach erft mit einem flrohen, hernad) mit einem 
feinen ftamm burd)gefämint. 

Xn ©djmtpfen mtb bal liefen. SÖefamittict) be« 
ruht unfer leibliche^ SBoblbefinben u>efenljicf> auf 
bem richtigen unb niemals unterbrochenen fogeuann« 
ten ©toffmedifel, b. h. bie gur neuen SMutbilbung 
nöthiflen unb fleeiflneten Stährftoffe muffen aufge« 
nommen, unb alle uerbrauetten unb unfleeifliietcn 
Dheile muffen au3gefd)ieben toerben. Dem letzteren 
3me<fe bient, aufter anberen Organen, befonber3 
bie ganje äugeve ©aut, burch bereit gahllofe Vorcn 
beftäitbig eine Slu3fcbeibung oon Duiift unb Gchmciö 
ftattfinbet. Der ©chmeik ift mitunter fchr reichlid), 
meiften3 ieboch faunt bemerfbar, foll aber, mie bie 
Sluöbünftung, niemals flaut aufhören, itidit an 
einer einzigen ©teile bc3 .Qörper3, an feinem ber 
©lieber. Unter brodien mirb bie mohlthatigc ©aut« 
tbatiflfeit burch Verstopfung ber Vorcn (mc3halb 
bie ©aut oont .ftopfe bi3 gu beit Beben öfter abgc« 
Viebeit merbeit follte), unb nodi häufiger babitrch, 
bah an irgenb einem Eheile be3 Äörper3 bie Voren 
burch ffäite gujatnmengegogen, alfo ©dnoeifj unb 
SluSbünftitng unterbrüeft merbeit, ma3 man ge« 
möhnlidj al$ Srfältung begeidwet. Die leichtere 
Srfältung maß einen Schnupfen, bie fchmerere eine 


9utigcnentgünbung unb felbftben Dob herbeiführen. 
Die Statur furf)t fidi felbft baburdi gu helfen, ba§ 
fic, meun ba3 eine Slu3fd)eibung3ntittel nicht feinen 
vollen Dienft leiftet, bafleflen ein aubere3 tu erhöh« 
ter Shätigfeit antreibt; unb ein folche3 ift bie tafelt« 
fchleimbaut. Vei bem ©rfälteten bilbet fich gewöhn« 
lid) ein foflcnannter ©tocfidmupfeit, inbem bie in« 
iteren Stafenthcile änfchmcltcn; bann tritt gur flrohen 
©rleichterung bie 9öfuitg unb Slusgieftung ein, unb 
für fürgere ober längere Beit (lcfetere3 bei ber fo« 
flcnanttten ^nRucnga ober ©rippe) erfolflt ein mehr 
ober meniger bebeuteube3 S(u3ftrömen non ©dileint 
au3 ber Stufe. Die3 ntafl ein einfachc3 unb er« 
müitfchte3 9taturhi(f3mittel Sein, fann aber and), 
meint e3 gur ©rippe au3artct, eine anfteefenbe tinb 
gefährliche Äranfheit merben. S)tit bem eigentlich 
mohlthätigen ©chnupfeit (betraditet a!3 eine Sin« 
ftrengunfl ber fRatur, mit einen fehler im Verhalten 
mieber gut stt madicn) ift gcmöhnlid) ein mieber« 
holtet Stiefeu oerbunben. jjti ftolge ber Steigung 
ber Stafenfdjleimhaiit finbet ttad) einem tiefen, lang« 
fameit Sinathmcn eine furge unb heftige 9(u3« 
athmung ftatt, inbem bie fdmell unb mit fräftigem 
©toh burch bie Stafeuböhle getriebene Vuft mit 
eigeuthümlichem ©crätifcb einen Ehcil be3 barin 
angefammelten ©d)leimc3 mit fkh fortreiht, ©ier« 
nach hört ba3 bmnpfe ©efühl hinter ber ©tirue auf, 
uub felbft bie heftige Srfcfiütterung be3 Sticicn3 
mirb aI3 mohlthucnb empfunben. Vefaitntlidi fann 
auch burch fünftüdie Slciunittel, mic ©chnupftabaf, 
ba3 liefen heroorgcbradit unb bao 5>erlangen nach 
Solchem hutftlidien Steige ber StafenSdileiinhäute 
burd) bie uiifittiiige ©emöhnung an ba3 ©chnupfeit 
fo oerftärft merben, bah e3 gur unmibcrftehlichen 
9eibeitfchaft mirb. ffläbrcnb ber $eftgeit, meldie in 
früheren ^ahrhunberten Millionen oon SDteitfdieii 
in ber alten 3®elt hinraffte, mürbe c3 alö ein Sin« 
geideit ber ©enefung betrachtet, mettn cö bet bem 
ßrfraitften gum Stiefelt fam. 


Sonntagfdtul Rektionen. 


©onntafl, 2. ©ept. Stidjter 16,21—31. 

@imfo« , ö Xot>. 

1. fittoa 1120 oor ßhrifto. 

2. Ort: ©aga, ©auptftabtberSShilifter, nahe 
am SJtittelmeer, füblid) von Slofaloit gelegen. 

3. Bnfammett^attg: Sluf bie lebte Seftion folgt 
gunädift ber©diluh von 0 ibeon3 ©efdiiehte,natu« 
lieh: fein Sieg über SRibian unb Slmalcf, Ätap. 
7,9—23, neoft ©inriihtuiifl ihrer beiben dürften 
Öreb nttb ©eb tinb ©efaitgenfchaft gmeier aubc« 
reit, ©eba unb Balmuna. 6)ibcoit fdjläat 
bie ihm trofe ßphra iut$ ßiferfudit angeboteue erb« 
liehe tf önigSmürbe au3, riditet bann aber im ©epen« 
fab gum rechtmähiflcn ©otte3bienft bei ber ©tift3« 
hütte in ©iloh einen falfdiett unb ungefeblidieit in 

• feinem eigenen ©aufe gu Ophra ein, ma3 nidit 
nur feinem eigenen ©au3 gum Unheil gereid)t, fo 


bah gur ©träfe bafür alle feine Äiitber mit 91u3« 
nähme be3 einzigen Rothaut burch Slbimclcch 
cntiorbet mürben, fonbern and) für ^frael gum ftall« 
ftrief mürbe, b. h. ba3 aaitge U?olf gum Slbfall vom 
mähren ©eiligthum oerführte unb baburch ben fieim 
Späteren Unglfuf3 legte. 

Stad) 40iährigettt Stichtcramt ftirbt ©ibeon unb 
nun mahlt 3frael fid) feinen er ft eit eigenen 
£öttig unb gmar Slbimeled), 03ibeoit3 ©ohn, 
ba3 gerabe 65egenthcil feiltet bcmüthigcit 9?ater3, 
ber auf ba3£önigthum freimillig oergiebtet hatte» 
mahrenb Tuh jener in feinem Ghrgeig ben SSeg bagtt 
burch Snibermorb mit ©ilfe feiner ^Mitbürger im 
©idiem bahnt, unb mirflid) trofe Rothaut3 28ar= 
liung burch bie ^abcl vom Dornbufd), mcnigfteit3 
über einen Eheil 3fracl3 bie Dberherrfdiaft erhalt. 

Slber nach nur breijähriger Dauer berfclben ereilt 
ihn gu gerediter Vergeltung 65ottc3 Wcridit: 
©id)em felbft fällt mieber ab unb mirb ooit ihut gut 


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496 


Souutagfdjui-Jffhtionen. 


Mache gerftört, in beut nun ausbredtenben blutigen 
Bürgerkrieg aber tvirb 9lbimeled) fclbft von einem 
SBeibe buvcb einen SMühlftein vom Sburut in 
Sihcbct bevab tu lobe gejduuettert. 

m folvxt uad) ihm alä liebtet im ffieften 2: b ola 
a\\S beut Stamm 3 f a {d) a r unb im Ofteu 3 a i r 
au3 ©ileaV, beibe finb nidtt alo ftriegSbelben 
nad) au&eu, fonberu nur al$ BJiebevberfteller beä 
SHecfet^ unbbcrOrbnung imSnnevn gegenüber bem 
in 3ftael felbft eingebruugenen Bcrbevbcn tvirffam. 

9?un beginnt bie bvitte Bcriobe ber 
SJiditcrgeit, in ber 3frac( am fdnverften bar* 
nicberliegt, u'cit eä iefct uid)t nur mit (Sincm, fon* 
bern mit gwei furchtbaren Seinben tu at ei di 3 » 
tbun bat: mit ben Slmonitcrn im Storboften 
unb ben Bbiliftern im S übtveften. ©cm 
bitrd) 3ftael3 iviebcrholten ftebenfacben ®öfecn= 
bienft veranlagten faft lBjäbrigen ©ruck ber Srftc- 
reit madtt enblid) 3ephtba , ebenfalls au$©i* 
leab, burd) feinen glüeflidten Sieg bei 9Ri$pa 
unb 9lroer ein (Subc, ber ihm aber in golfle etne3 
©clübbcs feine einige Socbter koftet. 

Stad) Untcvbriufung be3 Stammet 6 p b t a i m , 
ber bie Cberberrfdtaft in gang 3fracl an fid) reiben 
tvollte, bleibt 3cbbtba noch jcd)3 3abre laus SkidUcr 
über bie brittbalb Stämme bc£ O ft i 0 r b a n * 
lanbe£, worauf ihm bort in einem 3eitraum von 
etwa 25 3abvcn nod) bie brei )oeiteren 9iichter 
(Sbgan, (flott unb 91 bb ott folgten, gleichfalls 
mehr aiS SicdjtSpfleger in Unebenheiten, benn al3 
ffriegshclvcn gegen äufjere Seinbe. ©iefe erbeben 
l'irb vielmehr nun erft red)t int2Beftiorbanlanb, 
tvo im Süben bie Bbilifter 40 3abre lang 
3ftael auf^ graufamfte unb bärtefte bebrfrefen. 

Sie felbft von unbekannter Herkunft, geben bem 
gangen Sanbe B a l ä ft i n a ben tarnen, benn ihre 
föcrrfdjaft tvirb erft von © a v ib gängltch gebrochen. 
Borerft erweckt ©ott gegen fie alä Stiebtet unb 9tädjer 
beit S i 11 t j 0 tt, ber a n f a n o e tt foll (13,5), 3f*ael 
von ihnen 31 t erlöfen. 

4. SBort* unb ©ifjterflornttjj: 9(ber bt e iß fe i¬ 
lt ft c r, b. b. bie Surften berfelbcit (93. 5), wahr* 
Weinlicb bie ftönige ber f ft tt f $ a tt p t ft ä b t e ber 
Bbilifter (aufcer©aga nod) 9l3bob unb 9b3talon, 
(Sfron unb ©ab), welche bie®eltla (bie Barte, 
ober ©chmadttcnbe) mit 1000 Silberlinge (etwa 
875 £ba(er) beftodjeit batten, ihnen ben riefen* 
ftarfeitSimfon au-3gu liefern. 9?ur bureb 9lbfd)ecrcn 
feiner ficben Stafiräerlocken gelang e8, feine toilbe 
Äraft tu brechen (B. 17—20), nicht al8 ob biefe itt 
ben .haaren felbft fleleflett batte, tvobl aber tvar baä 
tutbefdtorene .§aupt ba3 Beidjeit be3 Stofiräcr* 
©e(übvc3, ba8 nun gebrochen tvar unb mit ihm attcb 
bie ©emeinfebaft mit ©ott, bie ihn fo ftar! fletnadjt 
batte. 

3efet konnten bie in ibreut S?ebengimmer verbot* 
enen SBädjter ihn leicht bett Seinbett attSlicfcrtt, 
a§ Re ihn greifen» blenbett unb von bem hoher fle* 
leflenett Ort am Bache Soref (B. 4) im 3nttcrtt 
beS 8anbe3 berabfübren an bieSeefüfte, bi3 
ttad) ©ata, ber füblicbften ber Bbitifterftäbtc, tvo 
er ihnen bett lefeiett Streicf) gefpielt unb ben grbfitcn 
©djimpf atifletban batte (Vfll. B. 1—3). ffiic 
itu e i eherne tt Äetten tvarett an ben beibett 
©änbett ober Sü&en attflefcbloffen. 

üKablctt = bie hattbmüble breben, fottft nur 
SBcibcrarbeit, mcift ba8 ©efebäft ber Sklavinnen. 


Sing tuicber tu tvaebfen an, tvabrfdjcinlid) 
fehr balo fdtott, tvettn aud) nur allmäblid), fobalD 
unV iit bem Btafje, al$ er feine Siinbe erkannt uitb 
bereut batte, fobalb fein red)tC'i Berbältuift 311 ©ott 
itt 11 er l icb burd)aufrichtige 33 u§e tvieber berflefteüt 
tvar, tvaitbte fid) ® ott auch du her lieb bem fle* 
fdmubeten unb flebemütbiflteti helvcit tvieber gu unb 
nicht ihm nochmal^ feine altettraft aufö 9 ?ette unb 
uttflefd)tväd)t turftd unb iefet ift er tvieber ber „Sott* 
ßctveihte' 1 , ben fein ©ott min and) brauchen kann, 
um in ©otteö Stärke, nicht in feiner eißcneit 9 ?atur* 
kraft bie Seinbc, bie fdtott fllauben, ihn für immer 
bettouttflctt 3tt haben, tu befieoen. 

3brem ©ott ©afloit, biefer mäitnlidje 
^anptflott ber Bhiliiter tvar nach 1 ©am. 5, 4 
boppelfleftaltifl: Oben Sßenfch, unten ffifch. Sin 
flro§e8 Opfer gu tbun gum ©aitk für bie 
fllitdlicbe ©cfaitaennabme bebSitufon unb guflleicb 
alS übermütbiflTtolgeS©iefle^*, 8uft* unbSteuben* 
feft für taS Bolk. 

© u ter © infle bei beuOpfcrfdtmäuicn, tvurbc 
ftark ae3cd)t unb tvilb flefdnvelgt. ®a§ er vor 
11 n 3 j p ie (e, b. b. unter ©cfaitfl unb ©aitenfpiel 
einen jan^auffübre ober Proben feiner riefenbaften 
Stärke gebe. 

3tvifd)ett gm ei ©äuten, bie beiben mitt* 
lereu, gicntlid) nabe bei einanber ftebenben Bfeiler, 
bie baö ©ad) ber SeftbaKe trufleu, tveldje, nur für 
ba^ Scft felbft berfleridjtet, tvabrjdveinlid) nur leicht 
gebaut tvar; bort, unflcfäbr in bcrSHitte be§ gangen 
Scft räumet, konnte man ihn von allen Seiten au8 
bequem feben unb hören. ® a ra n lehne, nne 
tum 9lu§ruben. ®a8 StauS aber, b. v. 
bie untere Jpauptballe bcö ©öfeentempel^, tvo 
bauptfäd)ltd) bie ©roften b(» Dieid)^, bie Beamten 
unb 9[C>ürbcnträfler mit ihren Samilien ihre Blähe 
batten, im ©eqenfafc gn bem ©ad), b. b. ber 
oberen offenen ©aflerien, tvo b aS Bolf felbft ficb 
befanb unb von mo au§ man über bie Bvufttvebr 
berfelben in ben inneren ©of berabfeben konnte. 

©intjon rief ben ®ernt an, in feiner 
ffllinbbeit, ©efanacnfdmft unb Berlaffenbeit ficht 
er fid) nach ber rcd)tcn ^ilfe tun, er bat alfo, tvie er 
bie ©anb feine6 Sübrcrö looläfjt, um bieSäulen gn 
faffen, febon im ©iun, fie einguftürten, bagit 
braud)t er aber bieffrafi von Oben, ©ebenfe 
nt e i it, a \S ©eine§ jtvar untvürbiflen, aber bod) ®ir 
noch immer angehorigen finecht^, befielt Sdtmad) 
unbSebanbe au^ bie ©eine ift. SDJicb ein ft, 
b. b. mit Sinem Schlaflc, rädte, bainit batte er 
fließt unb Unrecht tu fllcidxfr Beit, Unrecht: tveil 
fich perföuliÄe SRache unb SBiebervcrgeltung ein* 
mifd)t, 5Kcd)t: tveil bie§ ttigleid) an ben Seinbett 
©otte3 verflolten tvirb. 9)teine Seele ft erbe 
git gleicher3cit mit ben Bbiliftcrn. Se ift 
alfo nicht ein vorfäfelidjcr ©elbftmorb, fonberu ein 
Opfer für fein Bolk unb Baterlanb, ba3 anberS 
nicht aeTCttet tverben kann, al^ nur um ben Brei$ 
auch feines eigenen 8eben$. 9tciflte fid) kräftifl* 
lieh / b. b. ftemmte fich mit feiner gangen nun ihm 
in vollem 9J?afje tvieberaefienkten, übermenfdjlichen 
Äraft fo feftaegen bie Säulen, ba§ er fte mit fich 
nieberrif*. ÜÄebr tvar, benn e$ tvaren nad) B. 27 
3000 SRann allein in ber oberen offenen ©alle be$ 
©cbäubeS, bagu noch bie Scute im unteren ©torf, 
tväbrenb er bei Sebgeiten blo3 Stwa§ über 1000 er* 
fchlaflen batte. 


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3onntagfd)uU|rkttonen. 


497 


©eine Sr übet, Sermanbte, Hub bie 3tam* 
mcSgenoffen, b. h. bic ©lieber beS Stammet San, 
unb feineS. Sa terS ('JHanoab'S) gangeS 
© a it S, b. h. bie Familie im enteren Sinn, h u = 
be n i b n auf, ohne vonben Sjulifteru gchinbert 
3U metben, bic vielmehr burd) biefe ftataftrophe mit 
Surcbt unb (Stauen vor beut Sott unb (Sott ^ftaclS 
erfüllt mürben r unb begruben ihn, um fei® 
nen 8 eib nicC>t unter ben gcicbeit ber gefallenen 
Sreinbe, biefer unbefebnitteuen föeiben, su taffen. 

5. $m drflaruug mtb (frbauung: a) 'Der 
©elb in 9Joth, S. 21 — 25: X)iete fam tut' 
lautbar bureb feine eigene 3 cb tt l b, nämlid) 
baburebr baßer feiner f le if cb lieben Cuft nicht 
miberftcheit mochte, unb barum jutefet auch nicht 
mehr fonnte. ®aß er fiel) mieberbolt bitrcb fic fnech- 
ten ließ, unb jmar von b e i b n t f cb e n fficibcru, 
geigt, mie übermächtig bie ©ftnbe auch in ihm, bem 
„©ottgemeihten" noch mar; er, bet (tat! unb mutbin 
mar, einen gömen 31 t erftidfen (14, 6 ), vermag bod) 
fein böfeS unb unreines öcrj nicht 3 tt bermingcu, 
ber bie Sanbe feinet Seinbe 3 erri§, fann bod) bie 
Äetten feinet Scgicrben nicf>t serhted>cn. 

Gin alter 9luSleger bemerft 311 bem getiten Sor- 
gang 3 mifcben ©imfon unb £)elila: gtebc unb (Selb 
ftnb 3 mei £auptfdjlüffcl 31 t ben SHenftbcnherrcn; 
erft bat baS ©elb ©elilaS &cr3, bann bie Siebe 
©imfonS aufgcfcbloffen. 3nbeffcn leitet ©ott, ber 
auch baS Söfe oft 311 m ©Uten lenft, bie @ad)c fo, 
bafe felbft ©imfonS febmete Scrirrungcu nod) ba 3 ii 
bienen muffen, ihn in feinen Scruf, ben ftampf mit 
ben Sbiliitcru, ciinuführeu. SBohf mar er fdjon 
vor feiner ©eburt bajit beftimmt, baf* et anfangen 
foll 3frael 31 t ertofen, aber m 0 unb m i e, blieb 
feiner eigenen 2Babl überlaffeit, unb menn et cS 
babei verfehlte, fo mugte bod) auch bieS fd)ließ(id) 
in ©otteS öaub 3um 9lnla§ metben, baft er übet- 
baupt mit 3itaelS ^feinben 3itm ,ftampf fam, ©ott 
gcbraudfte alfo nach feiner 5BeiShcit felbft 
©imfonS X l) 01 1) e i t noch alS SOlittel für feine 
3medEe. 

Gbenfo läßt auch ©ott eS 311 , bah ihm burd) ieneS 
falfdhe ffieib feine ©tärfe genommen mürbe, u>ei( 
er fleh felbft 3 ufrbrcibcn unb gucigncn U'olltc, maS 
nur ©otteS ©nabengabe mar, alfo felbft nid)t rein 
unb lautet 00 t ©ott ift. 6 t foll nun burd) biefe 
Grfahrung feiner ©djmädje lernen, mic fo gar nichts 
et in fid) lelber ohne ©otteS Seiftaitb ift. SKirmer* 
ben burd) nichts beffer über unS felbft unterrichtet, 
alS bureb unfere eigenen ©ebtedien unb SRängcl. 
Unb 3 ioat benüfet er auch hicru« miebet bic © ü n b e 
ber S b i l i ft e r: er (äbt’S (xcfchchcn, bab fic ihren 
ganjen fernen, graufamen, binterliftigeu ©cift an 
ihm auSlalfen bütfen. 

b) T) i e ft' r a f t 0 0 n © 011 , S. 26—28: Sie 
mirb ihm 311 Xheil, meil er b i 11 c t (S. 28), beim 
©ott hört auch feinen abgcfaüencit unb abtrünnigen 
ffneebt nod), fobalb et in ber 9toth ihn um feine 
£ilfe anruft. 98uu er gebemütbigt ift unb flein gc= 
motben in feinen eigenen Gingen, fann ©ott ihn 
aud) mieber erhöhen unb grob machen, bem Su|V 
fettigen ©nabe enoeifen unb in bem ©cbmacbcn 
mit feiner ©otteSfraft ntädtftg unb ftarf fein. 

Seine S u b e felbft 0 e r f d) m e i fl t bie 
© dj r i f t, fte fefet aufinetffame unb 00 m heiligen 
©eilt erleuchtete gefer voraus, bie baS red)te Ser= 
ftänbnib and) für fold)e innere Sorgänge mitbrin^ 


gen, bic baS Rille ©chcimniS gmifcbeu ber ©eele unb 
ihrem ©ott bleiben tollen. $Kit gcblcnbetcn leib= 
lidieit ?luacn, bet acrcd)ten ©träfe für biefelben, ba 
butch fic bie böie Suft bei ihm cinac3oflen, fänflt er 
ießt an, aeiftici fehenb 311 metben, in bcu ftetten mirb 
er frei unb bei bet jdmiähluben ©flaoeuarbcit ber 
redtte ft ned)t feineS ©otteS. 

c) ®er ©iefl im Xob, S. 29 — 31: SSBir 
Phriften folien aüetbuiflS aan3 auberS fielen. 
©0 ift auch ein grober Unterfcbieb swifeben © i m = 
f 0 n s unb 6 h r i ft i lefetem 'Ißort (Suf. 23,34), 
baS nid)t um Dtadie, fonbetit um ScYgcbunn ruft, 
immerhin aber n>ar and) ©imfonS Xob ein ftell = 
vertrete übet Opfertob, unb iufofern ein 
©ies mitten im Unterliegen, ein Xob, bet vieles 
von bem, nmS er gefünbigt, aud) mietet gefühnt hat, 
unb mobureb er nun eublid) bod) nod> erfüllte, )oaS 
ihm im geben nur mangelhaft gelungen mar, unb 
3 mar grobentbeilS burd) e i g e n e © dui l b. ®iefe 
fann unb foll nicht geläugnet metben: PS loat viel 
Saune, Sßillfüt, rohe ©emaltthat, Xrug unb fiift 
in feinem Xhun, er 3 crfplittert feine hohe göttliche 
fttaft, unb vergibt nur 311 oft gauj feineS hohen 
göttlidten SerufS; aber 311 m Xheil ift baS fjehh 
fchlagen beS lefetcitn bod) and) bie ©diulb teU 
n e S S 0 l f e S, baS ihn überall allein fteheit 
läßt unb sulcfet feig in bie ©änbe feinet Jveinbc über= 
antivortet. ®aS mag menn nicht 311 t <5*ntfchitlbi= 
guiig feiner Xhaten, boeb 3 ut Ptflärung feineS 
©chidfalS bienen; tvaS er nur auf in 9 (13,5), 
fonnte erft nach ©amnelS grüublid)er tnnerer 
S?eugeftaltung beS SotteS, X) a v i b aud) äuber= 
Iich gaii 3 voltenben. ^ebenfalls nmtaud) er, 
mie bie anberen Diichter, ein Sßlamx beS ©lau^ 
bc n S (öebr. 11, 32). 

Snt ©ffprecbitug unb SBieberbolnng: ©otteS 
© e r e d) t i g f e i t. 1) ©ie ftd) biefclbc im geben 
©imfonS 3 eigt. a) ©0 lange ©imfon (Sott angc- 
hört, ihm bient unb fein ©elübbe hält, ift er ftarf 
unb mäd)tig im £errn. b) ©obalb er ©ott verläfet, 
fällt er in bie £>änbe ber ^einbe. c) Stadibcm er 
mieber beten fann, mirb er and) miebet ein ©otteS= 
fämpfer. 

2) ©ie ücb biefclbc an ben Shiliftern enueift. 
a) ©ic ivcrbcn von ©ott burd) ©imfon unb Hnbcte 
ge 3 Üd)tigt. b) ©ie fiegen eine 3cit lang, merben 
aber enblicb vernietet 


©onntag, 9. ©ept. 9?utl) 1,14—22. 

föutl) nnb 92aemi. 

1. Unbcftimmt, nad) S. 1 aber icbcnfallS 
in ber i d) t e 13 e i t, unb 3 mar ivährcnb einer 
©uugcrSnoth ober Xheuerung. 9Mau nimmt am 
mahrfcbcinlicbften bie fiebeniähtige fdnvctcXJtangfal 
in 3frael in Svlge ber beftänbigen 9taub3Ügc ber 
SÄibiauitcT an (Dlid)tcr 6,1 ff.), beiten © i' 
b e 0 11 ein Gttbe mad)te (geftion 9); bann fiele bie 
©cfd)id)te etiva inS 3ahr 1215 (nad) ?(nbercit fdjoit 
1320) vor Ghtifto. 

2. Ort: ®aS ganb 3Roab, öftlidt vom 3or= 
bau; biefeS von 80 t abftammenbe Solf mohntc im 
Often beS Xobten SOiectcS bis itötblicb jum 91 1 tt 0 n, 


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498 


Soimtagfd)uU|Vhtionftu 


unb würbe crft unter Davib gänglid) untcriodft; 
ferner 3) e t b l e h e m im Stamme 3 u b a, etwa 
C SWetlen füblich von 3crujalem, bie ©eimath von 
Stuth uub Davib uub bie ©eburtäftättc beo Davib« 
fobneS 3efu3. 

8 . Ginleituug: Da3 23 ü ch l e i tt 9t u t b, eine 
2 lrt Slnbang gum 23ucb ber Sticbter, von unbefamt« 
tern Verfafier, aber iebenfa 113 crft nach Davib3 
3 c i t verfaßt, foll, ba fiel) in ben Vücbern ©a« 
mucl3 feine näheren Eingaben über Davib3 Vor¬ 
fahren finbcit, biefe Siitfe burch ein ©efcbicbt3bilb 
au3 bem frommen Familienleben berfelben au3« 
füllen, beim bie ö a u v t v e r f o n, 9tutb felbft, 
wirb bie Urgroßmutter Davib3, unb eben bamit bie 
©tammmutter Ghrifti, unb gwar trofe ihrer heib- 
n t f cb e n 91 b f n n f t; fie ift fdwn bie britte ©cibiit 
in Davib3 ©efddedjt neben ber ilanaanitin Z ha¬ 
rn a r, 1SBof. 38, unb ber ftanaanitin 9t a h a b, 
3of. 2, unb jebenfall3 bie cbelfte von allen, bie gu« 
gletd) burd) ihre Ghe mit bem gottc3fürd)tigcn uub 
recbtfdwffcnen 23oa3 am tiefften itnb iunigftcn 
mit bent mähren unb ed)ten 3fvael venvadficu mar. 

Da3 33üchlcin fehlt au3 ber 33elt, au3 tfrieg unb 
Unruhe au ben füllen ©erb bc3 ©aufe3 ein unb 
geigt, mie mitten in aller Verminung ber Siebter« 
Äeit, unter ©türm unb Drang be3 ftricge3 unb ber 
Soth, unter®affen uub Feinben bod) im ^>otfc 
@otte3 ein ftilleo, rcinc3 unb heiliget Familien« 
leben mit allen häuslichen uub gefelligen Dugenben 
blühte, ba3 fidwrftc 3cid)en unb ber tbatfächlidute 
8ewci3, baß bie3 ba3 wahre W o 11 e 3 v o l f fei, 
unb ma3 ba3 ©efefe ®otte3, unb nurbiefeS 
allein gu ivirfcn vermag, nach ber Verheißung, 
bie fdmu 5 SRof. 4,6—8 gegeben mar. ©o fteht c3 
bem 3Mid>e wohl au, ba§ un3 ben ®cg gur ©elig« 
feit geigen foll unbgcreid)t3frael3©ott3um emigen 
Sobe. 

4. SBort* uub Satßtrflämng: G 1 i m e 1 e ch au3 

Seth lehem 3uba (Sichter 19,1, gu unter« 
fcheiben von einem anberen 33ethlebem (beutfdr. 
Vrothatm) im Stamme ©ebulon, 3vf- 19, 15) 
wanbert, bi3 bie fddeditc 3^it in 3frael vorüber 
fein mirb, nach SMoab au3 mit feinem fficib 
Siaemi (bie Sieblichc) unb feinen beiben gwar 
fdwn erwachsenen, aber nodi nid)t verheiratheten 
©bhnen S)t a l o n unb ß h i li on. Stach feinem 
Dobe verheiratheten fidi bie letzteren mit gwei SMoa« 
bitiunen; Ghilion,beriüngere, mit Slrva, SWalon, 
ber ältere unb baher Grbe be3 väterlidicn ©utc3 in 
Vethlehem, 4,10, mit 9t u th (beutfdi: ©dmnbeit). 
Beim ^ahre nach b& 2lu3wanberung (V. 4) ftarbeu 
and) bte beiben ©ohne, unb gwar finberloS, fo baß 
nur noch bie brei Frauen allein übrig blieben. Da 
nun Scaemi fein 93anb mehr in ber Frembe gurürf« 
hält, mill fie wicbcr in bie vom Sttangcl befreite 
©cirnatb gurücffchren, begleitet v n beiben ©ebwie« 
gcrtödftcrn, bie mohl auch bi3her fd)oit bei ihr ge« 
mohut hatten. 

9(n ber ©reugfdjcibe (bein Slrnon, ober and) erft 
am Fvrban) forbert fie biefe gut 9tüdfchr in ihrer 
SJfutter ©au3 auf, bamit fie a(3 ®ithven bort 
weiter leben, bi3 ihnen eine neue Ghe micber eine 
neue ©cimatfi biete. 9lnfang3 meigern fiel) b e i b e 
(V. Off.), meil fie bie ©chmicgermutter git lieb ge« 
monncu haben, um fiel) von ihr gu trennen; aber 
Siaemi bringt nod)inal3 unb noch ftärfer in fte mit 
©inmci3 auf bie hoffnung3lofe unb auch fdmfclofe 


Sage, ber fie bei ihr, bet aliemben ®ittwe, ent« 
gegengingen. 

Da hüben fie (beiberfeitS) ihre ©tim« 
men auf :c., bernt beiben Sheilen geht bei 9lb« 
fdncb nahe, noch näher, al3 fdwn V. 9. Dods läßt 
91 r v a ficb enblid) bewegen, ben Vorftefiungen 
9^a?mi’3 nachgugeben unb mieber umgitfehren, ohne 
baß man ihr be3ha(b gerabe ben Vorwurf lieblofer 
©elbftfucht madien fönntc, beim fie thut e3 ja nach 
bereu eigenem wieberboltcn ®unfd)e. 3n ber hod>« 
bergigeren unb verläugmiug3wi(iigeren 9i u t h ift 
ber Drang’nach ©emeinfdmft uid>t blo3 mit Scaemi, 
fpnbern auch mit ©ottc3 Volt fo übermächtig, baß 
fie feft cutfchloffen ift, lieber a(le3 gu ovfern unb 
hingugebcn (2,11), al3 baß fie nkht mit ihr nach 
ii'anaan goge. 3 n ihrem V o l f (Vioab) u n b 
g u i h rem, ber Moabiter, Stational«@ott, b. h. 
bem ©otte Äamo3. Diefe 9lufforberung fantt ent« 
weber eruftlich gemeint getvefen fein au3 wirflidier 
Fürfovge für ba3 äußere Fortfommen unb ba3 leib« 
liehe 'Wohlergehen 9tuth3, ba3 bei ber mit irbifchen 
Glütcrn fo ivenig gefegneten alten ®tttive, bie felbft 
arm au3 ber Frembe beimtebrte, für ihre beibuifche 
Vegleitetin allerbingx^ in fianaan iveniger ficher 
war, al3 in bereu eigener unb reidieren ©eimath 
90?oab, wo fie nod> eine SKutter hatte, unb vielleicht 
wieber einen SWanu befommen tonnte; ober aber 
ift c$ (wahrfdietnlicber) al3 ein blo3 gur Vtobe 
gemachter Vorschlag angufehen, womit fie fie prüfen 
uwllte, ob unb ivie iveit e3 ihr Gruft fei, unb wie 
lauge fie bei ihr aueharren werbe. $\\\ lefetcren Fall 
hat fid) bann nicht blo3 9tuth3 Siebe unb Sreue, 
fonbern and) ihr fefter unb ftarfer ©laube neben 
bem fcbwacben unb giveifelnben ber Siaemi (V. 11 
bi3 13) befto herrlidier bewährt. 

©ingen m i te i n a n bt r = fefeten ihre Seife 
unermübet fort, einen bejchtvcrlichen 9ücg von mehr 
al3 50 teilen auf rauher Straße. 9iegte fich 
bie gange @ t a b t vor Seuaier unb Verwüst« 
berung. 3 ft b a 3 bie (alte) vi a e m i, bie vor« 
mal3 hier wohnte unb iefet fo fläglid) wieberfchrt? 
Die gehniährige Slbivcfenheit hatte fie alfo feht 
veränbert. 

9lacmi heißt: bie Snmtithige, SRara bagegen: 
33itterfeit, b. h. bie 33ittere3 erfahren, viel Drübfal 
erlitten hat, nämlich ben Verluft von ©atten unb 
©ohnen foivohl, al3 ®ut unb ©abc — fein großer 
93ewei3 von ftartem ©laubeit an bie allc3 gmn 
Vcftcii Icnfcnbe göttliche ©üte unb ®ei3heit. 
Voll, b. h. reich im Sefife von SRann unb fiin« 
bent unb voll froher ©offnting3gebanfen für bie 
3ufunft, gog id) au3, 8.1. Seer, fowohl 
be3 9i'eidithum3, al3 ber ©offnuitg beraubt. Sie 
umßte aber nid)t, wa3 fie rebctc, beim gerabe iefet 
umr fie crft recht reich geworben tut Vcfifce Suth3. 

Die © e r ft e n e r n t c ift bie fruhefte unb fiel 
etwa in bie SKitte 9lvril (3SOZof. 23,17). ©eu 
33 c t h l e h e m, früher (v v h r a t a (= fruditbar) 
genannt, ba3 von ießt an bebeutfam al3 ©tantut« 
ovtbcr.ftönig3familic Davib3 in bie ©efdndite 
3fracl3 ciutritt, unb nod> bebeutfanter al3 Gbriftt 
Öcburt3ftabt in bie ©efdtidfte ber 3Benfd>bcit. 

9t u th3 f vä tere © diicf f a lc: Die freunb« 
lidic Aufnahme bei ©oa3 (ffap. 2), ber gute Sath 
ber St a e m t (ftav. 3) unb bie glütflidic (vhc ber 
Stuth, nebft beren ®efd)lecht3regifter bi3 auf 
Davib (ifab.4). Ueber biefog. 8 evirat$ebe, 


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3onntagrd)ul:frlitionfn. 


499 


<it3 «efcfclidie bc? iiMiften ©lutöMtnjnnbtcn j 
eincS tintevlog pcritovbcucn 'OJcauncS ßcßett beiten 
SBittme Pßt. 5 9Moi. 25, 5—lu. 

5. Sur (grflarung unb (sr&anung: a) ©ro§e 
Siehe, 58. 14—18: 9icbcjnir niefit barein, 
ein ßutc82Bort fefter Gutjcbloffcnbcit, woher SMcnfcfi 
feiner Sache innerlich genug ift r eg fann aber auch 
mißbraucht mit) fallet) aiißcwanbt werben im Streb 
mit) ßigenfinn, in Selbftüberfdiäfeunfl nnb toll* 
fübnem Seichtfinn, ber [ich nicht warnen taffen null, 
ober in Stolj unb fteifcblicber Sicherheit, bie nur 
fkh allein für weife hält. SB o b u b i n a c b e ft, 
ähnlich töricht auch Glifa jit Rliag, 2ftcn.2, 6; 
ferner ^JSctruS $u 3ciu$ f fDlarf. 10, 28. 

® ag ßro&e Sicbegopfcr 9htthg: fie flieht 
§Uleg baran, auch wag ihr bag Siebftc ift, la§t 
SSatevlanb, 58erwanbte, 58olf unb ©etter ii.i Stich 
um ber Siebe willen. Sie beweift aber bie ttechtheit ] 
unb Streue bcrfelben auch noch fpäter, worin fiel) 
geiflt, baft fie nicht b(o3 aug flücbtißcr Slttfwallunß 
unb oberflädUichem ©cfübl heyrührt: fie fammelt 
lehren für92acmi (2,2), flieht ihr bag übrifle Rffcn 
(2,18), ift ihr im 9latbe fleherjam (3,5) unb hielt 
fie auch noch alg anßefehene vornehme grau bei fich 
tn (Ihren (4, 15). 

®afür fehlt ihr aber auch ber oon (Sott auf ben 
ffinbeetflehortain (5. ©ebot) aefefete Sohn feiner3Ser= 
heißmifl (Roh. 6, 1—3) nicht: fie finbet fdwn bei 
äXcnfcbcu CDanf (1,8), Sliicrfennuttß (2,11), ©lüd= 
uuintch (2,12) unb Qfire (4,15), noch beiter aber 
lehnt ihr ©ett ielber: fie befommt ßanj ohne 3u= 
thtin, ia uuber Rrwartcn einen reichen unb, wag noch 
mehr ift, frommen 9Kann unb wirb fo buvch©otteg 
gühruua bie Slbnfrau 3)aoibg unb bie Stamm* 
mutter !3efu. ^ ^ # 

SBag ©ott jufaßt, hält er ßewif. SBar 3Iuth3 
SBahl eine cble SBabl, fo tft bie SBabl, bcm3>olf 
beg Ferrit unb feinem ©ett anftugeboren unb fiel) 
aan$ unb fett für ihn *u cntfcheiben, and) äiißletch 
für uug alle bie be ft e SB a h l, fie brinflt ben reich* 
ften unb bleibenbften Seaen für 3^it unb Gwiafeit; 
aber freilich muH man babei auf berSBeltSlüd 
verachten, befommt eg aber mehr alg reichlich Per* 
flelteu, oft jehon, wie 9Jutb, in biefer SBelt, iebeit* 
falls aber im Fimmel. SBahre Siebe geißt fich im 
Opfer: Gntfagen unb Sclbftoerläufliteu; baut ße* 
hört aber ein fefter GitltchluH unb ein cntfchicbcner 
33orfafe unb eitblid) wanbelt fich aller v 2>erluft ned) 
in ©ewintt. 

b) ©rofieg Seib, 58. 19-22: CD er 91-llmäcfi* 
tiße hat mid) febr betrübet. 9?acmi bleibt 
bleft beim Schmer* ber Ivübfal flohen, flau* anbeiS 
©iob, ber joflar nod) für fie banfcit fann (1, 21). 
9ied) beffer teilten wir bieS fettnen, bie wir bie 
Siebegabfichten ©otteg mit unS im Seiben noch oiel 
beffer feunen feilten (2Äer. 4,17). 

Rinen Slnfaitfl biefer wahren S3ctrachtiniß ber 
Seiben hat inbeffen bech auch fehon^iaemi ßemacht: 
fie weife, bafe ©ett fie baburch be mü thi fl en will. 
3tibem führt fie ben Seaen unb bie ftrucht ih\*cS 
Streut tchen iebenbia mit fich: 9tuth, ihre Stre= 
fterin im Seiben, mit ihr unb für fie in Perftreujeg* 
fdmle flewadnen, an ber fie oiel Siebe ernten barf, 
weil fie Piel Siebe ßetäct hat. 

3«r »rforrdimtg «nb 28ifbrr()olmtg: $reue 
Siebe. 1. Sie cntipviiißt aug ber Siebe ju ©ott. 


Obwohl SKoabitin, fennt 9tutfi ben ©ett 3frael8, 
unb faßt: „CDeiti SJolf k. u 

2. Sic fürchtet fich »ot nichts, fonbern tragt 
alles. 

3. Sie wirb reichlich t>on ©ott belohnt. 


Somttafl, ben 16. Sept. 1 Sam. 1,21—28. 

2>a$ (Sebct einer 2Ji «tter. 

1. Soll: Gtwa 1170 per ßhvifti ©eburt. 

2. Ort: Samuelg®eburtgort 9i a m a h (= ©ehe), 
etwa 4 teilen nerbweftlid) pou 3eruialcm ßdeßen, 
auf bem ©ebirße 6p hra i ut, baö über bae Stauutu 
gebiet Rphraitnä hinauf fief) füblid) bi3 in bav @e= 
biet be3Stammet SÖetijamin bi§ gegen SRamah hin 
erftredte. Statt SRaniah feitimt and) ber 3?ame 
9t a in a t h eor, beibeö ift nur bie abßefür^tc 8*erm 
be'i Pollen 9tamene 9tamathaim 3ophim, 
walufcheinlich baffelbe SBort wie Slrimathia. 
®ie ©efduchte ber Seftion felbft fpielt übvißcno am 
©eilißthum in Sil oh, 17 SOteilen növblich Pen 
iVfujaiem, wo feit^of. 18,1 bie Stiftehütte ftanb. 

3. Rinlritiinfl: ®ic beiten Elidier Samuel, 
welche eigentlich nur @ine Sdnift auemachen, neh¬ 
men ben Anteil ber ©efchidite ßcnau ba wieter auf, 
wo ihn bae^uch ber JWiclUer fallen ßelaffcn unb 
beruhten ah5 unmittelbare Sortiefeunj tce Sefetereit 
^frael^ weitere ©efdüdite je au ber Aoanb pou ueei 
©aupt= unb swei 9cebenpertonen: (ili unbSa = 
m u el, Saul unb © a o i b, bie erften S3eiten a(8 
bie SSertrctcr be3 Propheten- unb SSviettevthum§, 
bie lefeteren Reiben nie bie be§ ÄenißlhunW (geift= 
liehe unb ireltlühe OOrigfeit). Sie führen ben 
9i amen Samuele, weil biefer in fofevn bie 
wichtißfte 9folle in ihnen fpielt, al$ er auch noch 
unter Saul^ Segieruiiß imitier jiod) im ©eifte be3 
©errn überall cingriff unb felbft ber pon ihm ße* 
falbte ®aiub ßewijfermahen fein 9iuchfolfler, ber 
Rrbe feinceÖeiftee unb berSSollenbcr teine^SBcrfe^ 
ift. 35eun nur buvcfi bie pou Samuel begoiiueuc 
Innere9leformationbe§®olfcö war meßlich# 
bafi ba^ülonißthum unter ®aoit, bem 9)?atin nach 
bem ©er$en ©ottee, rein unb foweit ce jener treu blieb 
im Öehovjam fleßen©ottee©cbot, and) äuperl ich 
jur höchften Slüthe ftd) erheben fonnte. 

4. 3nfammnihaug: 1 Sam. l, l—20 enthält 

S a m u e l § w t ch t i ß e 58 o r ß c t ch i (h t e; e3 war 
bie-3 bie evfte biblijdc ©efduchte, bie Sutber 
la§, al3 er jmm erften 9)<al in ber filofterbibliothef 
pon Rrfurt eine pollftänbiflc lateinifche S3ibel in bie 
©anb befam. Sie ift jo ieben, amiehenb, lebeubiß, 
lehrreiÄ/ anfdiaulicb unt erbaulidi erzählt, bafi er 
beit gittbrud berfelben faft für fein ganjeg Seben 
lanß behielt. . ^ (f 

Sluf wunberbareSBcite bcrcitct®ottbte®rjichunfl 
beg 3)?anneg pot, ber fpäter nad) feinem ÜJathc bie 
Orbnuiifl in Sfrael neu herftelleu unb bie Rn t* 
um d l u n ß f e i n e % 91 e i ch c d weiter führen tollte, 
für weldug iefet eine neue ißeriobe e in tritt. 
SBahrenP bie alte 3eit einerfeitg in Rli, anecrcr- 
feitg in Simfen pollenbg pcrläuft, bereitet fich mit 
Samuel eine neue por, bie neuer Mvafte liub SBerf= 


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500 


SonniagfdjuUIWttioitftt. 


Aeuge bebarf. 2Ba3 ©ott feinem 3$olf burdi S)?ofc3 
11110 3ojua gegeben batte: 35aterlanb,©elbftftänbig= 
feit, ©efefe unb gottcsbienftliche Orbmiug, batte 
bureb beffen eigene ©dnilb nicht bie gvüchtc ge¬ 
tragen, bie e*3 batte trugen fönnen unb tollen; in 
ber 9Iicf)tcv*eü toar 35olf3tbum unb 35ricfter= 
tbnnt gleichmäßig erfeblafft, baber muffen al3 neue 
Träger ber (Sntioitfluug ba3 St ö n i g t b u m u it b 
Sßropheten tbu m ein treten. 

4. ®ort* uitb ^adjerf lärmig: (Slfana (beutfefj: 
pon (Sott erfdtaffen ober eiferen) toar nach 1 (Shron. 
7,20 — 28. 33 — 38 ein gepite; bah er eilt 
(S p h r a i nt i t e heißt, ftebt bantit ntcf>t im SBiber* 
fprudt, beim er gehörte au benjeuigen gepiten, toe(= 
epett ihr SBohncrt im ©tauirn (Spbraint angcioiefen 
tpar (ähnlich 3tid)ter 17,7), unb atoat gehörte er ber 
gamilie Ä' a b a t an. ®en tarnen © l f a it a tru* 
gen auef) febon ntebrere feiner 35orfahreti, unb gtoar 
mit SJetiebung auf bie 33efHmmung bc3 ©tammc3 
8ePi felbft, al3 be3 pon ©ott ertporbenett, ihm be* 
fonPer3 geweihten ©tammc3. 

©ein 3>ater 3 e r o b a nt ift nicht näher befannt, 
bagegeu fommt beffen 1 ©am. 1,1 genannter 35ater 
(Slibit and) 1 ßbroit. 7,27. 34 al3 (Stiel ober 
(Sliiab por. 

(S p.b r a t toar eine ber Pier groben Seoitenftäbte 
tm ®tammgebiet($phraim; toäbrcnb ber unrubigen 
SRichtencit toar bie gamilie toahrfchcinlid) pou bie- 
fern ©tammfifc in ba3 gefidterte bocbgelegcne 3t a uta 
fibergcficbelt, ba3 pou ihrem lebten ©tammoater 
beit tarnen Dtamathaim 3ophiut = bie ©oppeU 
bohle ber Sophiten erhalten batte. 

©eine grau © a n n a (= ©nabe ober 9(nmutb) 
mar lange finberlo3 geivefcn. 9?ad) einem por beut 
©errit in Silob abgelegten ©elübbe unb brunftigem 
©ebete aber, um beffeinoillen fie pon (Sü werft per* 
fpottet, bann aber getröftet toirb, tpirb ibr PerSobtt 
gefdienft, beu fie, al3 „Pott bem ©errtt erbeten", 
© a m u e l nannte. 

©iitaufaog mit feinem ganzen ©aufe, 
nämlich ba3 erfteSWal nad) Sa;itucl3 ©eburt auf 
ba3 Oftevfeft uad> ©ilob> al3 heilige ©tätte, unb 
aioar mit iämmtlid)eu ©liebem feiner gautilie, b. b. 
beit ©icnftbotcu mtb ben febon criuacbfcncit ®ir= 
bevn feiner anbereit grau fjß e n it i n a (95.2). Ta3 
Opfer tt.f.tp., ba3 er (35. 3) alljährlich nad)35or- 
ftbrift be3 ®efefee3 bar>iibringen pflegte. 

Unb fein ©elübbe (Opfer), ba3 crbie3mal 
noch aufterbem barbradjte, weil er c3 ba3 porige $Ral 
(33. 19) für ben nun cingetreteuen gall ber ©eburt 
einc3 ©obne3 gelobt hatte. 

3pö ©antta tiidit mit hinauf, toie fonft 
immer. 3) i 3 au © a tit it e 13 (S u t tu o b it u n g 
(l föJof. 21, 8 aunidjen beut aweiten unb britten 
Ccbcnojahve) toill fie biebutal unb ba3 nächfte 2Ral 
Alt feiner pflege au ©au3 bleiben, bi3 er bet lefetcren 
fotoeit cutioaeitfeu ift, um hinfort anher bem ©attfe 
erAogen loevbett ju fönnen. 

SBill icf) ibn bringen, nach bem ©eiligthum 
in Silob, bah er por bent Ferrit erfdieine, 
ihm bargcftellt unb al3 befoubcre3 (Sigcntbunt (toa3 
er freilich eigentlich al3 Cepite frfton toar) fibergeben 
tutb geweiht toerbe, ndmlicf) al3 9t a f i r ä e r. Tie 
Cepiten muhten nur pom2f>. ^lahve an jährlich eine 
gewiffe 3eit laug am ©eiligthmnc toohneu, bann 
burften fie toieber au ihren gewöhnlichen SBohitfife 
Aurüdfehveu (4 ü)toj. 8, 24 ff.), ©antuel bagegen 


follte gaitA unb für immer pou feinen (Slterit fd>ei- 
ben, unb in©ilob eineSlrt pou priefterlichem fieben 
führen, baau nod> unter ben 35.11 genannten Se* 
fdiränfuugen, unb amar emiglid), b. b. Poit 
früheiter Jlugenb an bi3 an fein 8ebcn3cubc. Sludb 
(Slfana Aeigt fich 35. 23 ganj bamit einperftanben. 

®er .fberr beftätige fein 38ort, burchben 
9)?unb (Sit, be3 ^ohepriefter3, gerebet (35. 17), ma$ 
nicht blo3 auf bie (Srfüllung ihrer 35ittc überhaupt 
gebt, fonbern auch noch burd)blideu läfjt, bah ©ott 
feine gaitA befonberen 3lbfid)ten mit biefcni fiiitbe 
habe; er hofft alfo, c3 toerbe au3 bem Knaben mit 
ber 3cit alle^ ba3 ipcrben, ma3 ftd) bie ^Mutter tm 
glaubcn3pollen 35ertraueit auf©otte3 35erheihitng 
(35f. 145,9) pon ibm ocrfpricht. Unb brachte 
ihn, am nädiften Ofterfeft nad) ber ßnhoöhnttng, 
alfo etwa 3 ^jabre alt. 23 o n ben 3 garten 
mgrcit Atoei AnniijäbrUchen 33raub= ttitb ®anfopfer 
beftimmt, ber britte Aitm SBeihopfcr für Samticl. 

(Sin (Spba(=7©alloncn) 33febl antn Speife« 
Opfer, u n b e i n e g l a f ch e SB e i n (3J Cnart) 
aitm Sranfopfer, 4 3)iof. 15,9. 12. (Sineit gar^ 
reit Pon ben brei, nämlich ben amn SBeihopfer be= 
ftimmten, fdilachteten fie, sur ftnnbilblichen 
®arfte(lung beffen, ioa3 Samuel felbft fein iollte, 
nämlich ein gciftliche3 Opfer annt lebcn3länglkben 
©ienftc ©otte3. 

3 n (S l i, ba§ biefer ihn burcf) bie anm ®ienft 
am .fteiligthuin berufenen grauen (2,22) in biefem 
felbft aufaieben laffe, bamit er febon beim frübeften 
(Srioad)cu feine3 ©eifte3 aleidi ben (Sinbrucf pou 
© otte3 heiligerSRähe in fich anfnehme. 5)a3 hier 
bei bir ftanb, por mehr al3 3 fahren (35. 9ff.), 
an berfelben ©teile, ipo fte ibr ©ebet um einen 
©obu unb ibr ©elübbe bargebradit batte. 

9iun bat ber .$crr k., Tic toill (Sli bamit 
an ben Sroft erinnern, beit er ibr bamal3 gegeben 
batte (35. 17), unb ficht in allein ®otte3 gütige 
©anb unb toeife fieitung. ©ebe idt ihn ioie= 
ber, gleidifam al3 SRüderftattung; toic ich ihn Pon 
bem Ferrit erbeten tutb erlangt habe, fo laue id> ihn 
mir nun and) toieber Pont &errn aurüefforbern unb 
abocrlangcit. Unb fte beteten an, nidt 
b(o3 (Slfana unb fcamta, fonbern and) fdtoit ber 
flciue ©amucl felbft. 

5. 3ur Grfläruug ttnP Erbauung: a) ® ent 

©errn gelobt, 35.21 — 23: ®cr ©runb- 
gebanfe ber geftion ift ber, bah ©anna burch 
bie Schule langer (Sittbebriing unb bitteren 8cibe3 
binburdtgeben nttih, ehe fie ben ooit ©ott erbetenen 
©obn befommt, tbeil3 aur Prüfung unb ©tärfnng 
ibre3 6)lauben3 unb ihrer ©ebulb, tbeil3 aur (Sr- 
loecfung ihrer ©anfharfeit, ibre3 ö5ottpertvauen3 
unb Weborfam3, tbeil3 and) bamit fie benfclben ooit 
pornherein al3 eine gaitA befonbere ©abe ©ottei 
anfeben lerne unb babitrdt toillig toerbe, ihn mit 
35crläugnung aller eigenen Cuft tinPgrcube an bem 
j?inbc©ott au toetben. SBic tief fie baburdt, uub 
Aiigleicb toobl and) burch ber ffnberreidten 35enniim 
ftoUe 3>eradttting unb trofeigen ©odunutb (35.6 ff.) 
gebeugt, betrübt uub gebemüthigt toar, fagt fie felbft 
,Qap. 2, 6; aber eben nur ben ©emüthigen giebt 
©ott ©nabe. 

Tie \>ilfe fommt aber atidj ibr nur burdt ba3 
erufte aubaltenbe ©ebet ati3 ber Tiefe ber 
«Roth unb be3 ©ergend (35. 10. 15), wo fie allc3, 
toao fie brüdt, offen unb rü<fbalt3lo3 por bem ©cmt 


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SonntogfdjtiUffhtionett. 


501 


audfdnittct (9ßl. 62, 9); bie 9?oth fo(( 311 ©ott treU 
kn, Streu* unb 9(ufed>tuug sum ©cbct, bad ift bet 
ftille unb verborgene Segen ber©rübfal. 9lu&erbeut 
ift aber and) CS l f a n a ein VJuftcr eined frommen 
©auduaterd, vgl. £uf. 2,41. 

b) ®em ©cvrn gemeibt, 93. 24—28: 25o 
bie 93 i 11 e erhört ift, ba barf and) ber © a n f nicht 
fehlen unb $war nid)t blöd ein ©auf mit leeren 
SBorteu ober blöd äufeeren Opfern, fonbcrn burch 
©baten bed ©chorfamd unb ber Selbftverläugnuug, 
burch Griülluug berÖelübbe Vf. 116,17, allerbiugd 
Riefet bann aucf) nachher ihr 9Munb über oom Cob 
©otted (ft'ap. 2). 

ÜEBad man ©ott verfpridjt, 3 . 93. sunt ©auf 
für erfahrene .ftilfe unb [Rettung, für einen befolg 
bereu Vemcid unb Segen feiner ©nabe, öicbe unb 
©reite, mufe man aucf) halten, Samuel mar oon 
feiner ©eburt an ein ® ottgemei h tcr. 

9(udj mir finb 9llle fchon ©ott gemeibt burch bie 
©a ufe unb folleit ebenfomie er aid SRafiräcr, b. h. 
9(bgefonberte oon 9ßclt unbSünbe, unb old 
©ottoerlohte, b. b. ald Gigcnthnm bed £>crrn, 
bad er burch fein theured Vlut erfauft, und ent* 
halten oon allen ftcifdjlichcn Cüften, bie miber bie 
Seele ftreiten. 

Sur ©efpredntug unb SBicbrrfeofuna: ©ie 

fromme $amilte. 1. SRutter unb Vater finb 
eined Siiincd unb bienen ©ott. 

2. Äinbcr merbeu ©ott gemeiht unb für ihn er* 
sogen. 

3. Opfer unb ©aben merben mit Stauben ge* 
bracht. 


Sonntag, 23. Sept. 1 Sam. 3,1—19. 

2>a$ tiub ©fljnnel. 

1. 3*it: Ungefähr sehn 3ahre nach ber lebten 
Seition, 1160 oor Ghrifto. 

2 . Ort: Sin ber Stiftdhütte an Siloh im mitt¬ 
leren Valäftina. 

8.Sufantmntljnng: 1 Saut. 2 ,1— 10 . $auna ’8 
herrlicher Cobgcfang, ber theild rücfmärtd meist auf 
bad fiieb 5Rofed (5 9Mof. 32), theild Vormävtd auf 
ben Sohgefaitg ber Viaria (Suf. 1 ) unb bed 3acha= 
riad; Äap. 2,11—26: SamucldGrsiehung im .OcU 
Ugthum mitten in einer Umgebung, bie ben gefähr* 
lichften Giuflufe auf ihn hätte audühen fönnen. 
©ophiti unb in eh ad, Gli’d Söhne, üben 
frcevel unb®emaltthat felhft an heiliger Statte unb 
ihr alter fchmarhcr93ater, fonft perfönlich ein from^ 
mer gottcdfürchtiger SRann, u>ie 3,18 scigt, lochrt 
ed ihnen nicht. 9(id©cgcnmirfung gegen jened höfe 
Gxcmpcl ift mohl ber noch fortbauernbe Ginfluft ber 
gottteligen föeimath, namentlich .Oanna’d Sürhitte 
für Samuel, fomirffain, bafeertrofebein in allem 
©uten uinimmt. 

4. Bort- unb Sadjfrflarnug: Samuel, ber 
Änabe, bamald etma 12—13 Jahre .alt. ©etn 
©er nt biente, am ©eiligthum, inbem er unter 
Gli (a(3 fein Untergebener) allerlet äufierlidie 9 lr= 
beiten unb Verrichtungen su bejorgen hatte, vcrgl. 
93. 15. ©ed ©erru JBort mar theuer 
(= feiten); in iener Seit tiefften inneren 9Scrfal(d 


fam ed su feiner neuen Offenbarung oon Seiten 
©otted mehr, fehlte ed boch fo aut mie aans an pro- 
phcttid)cii Viännern, bie in perfön üchemVerbältnife 
unb Umgang mit ©ott [tauben unb Viittheilungen 
oon ihm an fein Volf hätten empfangen fönnen, 
nur bad Auftreten bedÄlap. 2,27 genannten «3)?an- 
ned ©otted" seiflt, bafe mieber eine neue Seit in 
3 frael anbred)en merbe. 

91 n feinem Ort, er fd)lief mie gewöhnlich in 
feinem, su ben 93orhöfen ber Stiftdhütte aehöriacu 
©emadj. Seine 91 u a e n *., itad) 4,15 mar er 
fchon nahe bunberti&brig. 9B e il er n i dt t inehr 
(recht) fcftcii fonnte, braudite er and) immer 
3cmanb um lieft su allerlei ©ienftleiftungen. 

3 m ©empel bed ©errn, gemeint ift bie 
Stiftdhüttte, bie aber, feit ftc einen feiten Stanbort 
in Siloh gefunben, atlerbingd burch bie in ftolge 
bctooit mit ihr ooraenommenett baulichen Vevänbc^ 
rungen and einem bemcglichen Seit su einem feft= 
fteheuben ©aud gemorben mar. ®a bie Sabe 
©otted mar, meint natürlich nidü bad 9Iller= 
heiliafte felhft, mohiu ia felhft ber ftohepriefter nur 
einmal bed 3 ahred, am avofecit 93erföhnunadfeft, eins 
achen burfte, 3 3Kof. 16,1 ff., fonbcrn eine Stelle 
in unmittelbarer he fomohl bed ©cmpeld felbft, 
ald ber Sdilafftätte Gli’d, bem er ja surßaub fein 
mitfete (93. 2 ); fo allein erflärt fieft, marnm er nad)= 
her, 93. 4 ff., bei bev Stimme nicht aenau unter-- 
feheiben fonnte, moher fie fam, ob oon lefetcrer her 
ober oom Tempel felbft unb ber 93unbedlabc, mo 
©ott über bem Gherubim thronte. 

Ghe bieSampe oerlofdj, nämlidi bad Sidjt 
an bem ftebenarmiaeu aolbcnen Scuditcr im ©eilia- 
tftmn, 3>0?of. 24,1 ff., bad bie uansc$ad>t über 
brennen mufete, 2 90?of. 27, 21. Gd mar alfo noch 
fcftr früh, oor 9lnftrucft bed ^ovaend, aeacn Gnbc 
ber lefeten 9^achtmad)e — nod) u»ar ed 9iadct, aber 
fchon nahte ber ®aa/ ein Sinnbilb bed bamaliaen 
aeiftlicben 3uftanbe3 in Oifracl. ©er £err 
rief it. f. m. Sllfo mit beutlid) hörbarer 5Wennuna 
feiuedRamend. Siebe, hier bin ich, prompte 
93ercihoi(liifeit, foßlcid) feinen SBcfcftl su oernebmen 
unb su erfüllen. 

3<h habe ®tr nicht aerufeit, Gli benft 
alfo offenbar, Samuel habe blöd geträumt, benn 
auch er fclbjt hatte, felbft )oenn er oiclleicht mach 
balag, boch icbenfatld bie Stimme nid)t gehört. 
9iief abermal, ohne SuKtfel fnrs bavauf. 
Jlannte ben ©errn noch nicht, b. h. nod) 
nicht feine perföuliehe Stimme; mohl fannte er ihn 
fo, mie ihn jeber©laubige, ber im©ebct lebt, fennt 
burch bie tägliche Grfahrung feiner SJähe im.'pcrsen, 
aber noch nicht, mie bie fßtophoten, bimh unmittel¬ 
bare Offenbarung ©otted. 9ßav ihm noch 
nicht ge offenbaret, ed mar ihm noch feine 
fpesiefle Selbftmitthcilung ©otted burdvd Offen¬ 
barung, mort su ©heil gemorben, uüe fpätet; eben 
barum lag ihm auch iefet noch ber ©ebanfe fo fern, 
bafe ©ott felbft, nicht blöd Gfi ihn rufe, ©a 
merfte Glt, oielleicht buvd) etioad 93cfonbcvc3 
unb 9 luffa(lenbed an ber Stimme ober burch plöfc 
lidie innereGvleuchtung. ©afi ber &err u. f. m. 
©afe er alfo auch ihn su feinem Propheten ermählt 
habe (2,35) unb bie gehörte Stimme feine blofec 
Sinnedtäufhung fei. 

Sprad) su Samuel mcitcr, um ihm nun 
fein Vorhaben 311 enthüllen. Gin ©ing in 


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502 


SoniitagfdjuUfehtioncn. 


3 frael, nämlicfi btc aunädtft tevovftcbcr.bc jd)retf= 
lid)e 9iieberlage im fiamvf mit ben ©biliftern, wo= 
bei fic fogar bie ©unbcölabe an bieje Reiben vev= 
Iicvcii (atap. 4,1—11). ©cibe Ohren gellen 
von ber furchtbaren tfunbe, wie von einem plöfc 
lieben, fchretflidjen unb betäubenb lauten Slang* 
fturebt unb Gntfefeen ift and) baS erfte, waS über 
beit fieberen Süubcr fommen mufe, wenn eS mit ibm 
311 anfvkhtiger ©uße unb ©efehruug fommen foll. 

Diiditer über fein ©auS ewiglich, b. ft. 
fo, baft baö ©cvicht über feine Samilie nidtt mehr 
auf hören foll. Seine tfinber, bie boeb ©rieftcr 
waren unb bem ©elf mit gutem ©eifpiel batten 
vorangeben follen, ficb fchänblieh hielten, 
eigentlich: Rdb gemein machten buvd) ihre Schaub- 
(baten. 9Jicftt einmal faucr baau gefeben, 
iiocf) viel weniger fie hart angelaffen ober garftreng 
unb uachbvürflich beftvaft, wie eS feine ©flid)t nicht 
bloS ab? ihr ©ater, foubevn and) alS dichter unb 
©ohepriefter gernefeu tvave. ©oll nicf>t vcr= 
ob nt werben, baö Stvafuvtbeil ba rüber folt 
urefi (einerlei Opfer rftefgängig gemalt werben, 
nod) viel weniger feine Sduilb aufgehoben werben, 
ba er ©otteS ©ebote unb 92cd)te vollcnbS alS.\>ohe= 
prieftcv red)t wobl wnfetc, unb boeb nicht nadj ihnen 
banbeite! •‘Da bleibt ©ott fcbliefelicft nidjtS anbereS 
übrig, alS bie völlige ^evniddung. 

Sag bi8 an ben borgen, wobl mit Bittern 
unb 3 a üen bem allem nachbcnfcnb, waS ibm ver= 
Jünbigt worben war. ® i e X b ft re auf, ftatt ber 
früheren Vorhänge am Gingang in bic Stiftsbütte 
waren icfetfefteShürcn mit überflügeln angebracht, 
bie 9lbcnbS gefebioffen, Borgens wteber geöffnet 
würben, unb bieS gehörte mit au SamuelS täglichen 
©ervichtiingcn. Sr furcf>tetc fiel), um bem Sü 
feinen Schmcca au bereiten, ihm baö Ocficht 
(bie Wotteocrfcbcinung) a n a u f a gen, unb ging alfo 
ftatt beffen feiner weiteren Arbeit nacb, um einer 
Begegnung mit ihm anSauwcichcn. ©a rief ihn 
Sli, ber wohl ahnte, bafe bie bem Samuel auShcil 
geworbene Offenbarung and) ihn fclhft perfönlid) 
angehe. ©erfchweigc mir niditS, wenn 
eö auch nocf> fo hart au hören unb noch fo Schwer au 
fagen ift; nacb ber ihm fchon 2,27 ff. au äheil ge= 
worbenen 91nfünbigung ift er auf alles, auch baS 
Schlimmfte gefaxt, ©ott t h u e bir bieS unb 
b a ö = Strafe bicb felber, eine bamalS oft gebrandete 
Sonn ber ©etheuevung. <D a S bir getagt ift, 
gerabe barin liegt ja ber Bwccf ber göttlichen Offene 
barung, bafe Sli alleS bureb ihn erfahren foll. 

Sagte cS ihm alleS an, bem SBillcn 
©otteS unbebiugt ficb unteriverfenb, unb fein eige= 
neS ©efühl, Sli Schonen au wollen, verlaugncnb; 
er Sagte ibm nidjtS, alS bie Jßahrbcit, aher bic 
23ahvhcit and) gana, unverfürat, unfcefcftemgt, un= 
verhohlen. ®aS 53ovt GU’S: SS ift ber © e r r 
(cev es beid)loffen hat, unb bem man alfo boeb nid>t 
wiberftchcn fann) u. f. w., aenat amar einerfeitS 
wobl von bemüthiger Unterwerfung unb ftumincr 
Srgcbung in baS Unabäuberlicbe, aubererfcitS aber 
hoch auch von einer gewiffeu bumpfeu ©evawciflung 
nod) mehr, alS bloS gläubiger unb bußfertiger 
Beugung. 

5. Grfläntng uitb Erbauung: r) <Die 
92ad)t im Xcmpel, ©. 1 — 3: Sie ift ein 
33 i lb von 3fraclS Buftanb: je Seltener 
unb thenver ©otteS ffiort unb SSciffaguug geworben 


war, befto mehr galt eS ad)ten auf feine Stimme, 
bie fid) iept 311m erftenmal wieber hören liefe; and) 
in biefer 9tad)t fehlte eS alfo bo dj nicht gana an 
fciebt, wenn eS auch nur von wenigen unb fleineit 
Sternen in fdjroacftent ©lanae ftrablte. Äber and) 
ber 8e iid) tcr im © cilig t h u m ift ein ©ilb: 
fo trüb unb bunfel auch bie Briten ber fiinfte ©otteS 
auf Svbeu werben mögen, etnS bleibt ihr immer 
noch, baS 2Bovt ©otteS alS ihr helles 8icftt 
mitten in befracht (vgl. ©f. 119,105); nur mufe 
cS auch immer red)t auf ben 8euditer geftellt, ge= 
pflegt unb angeaünbet, von allem Unreinen gefäu- 
bert unb mit bem Oel beö ©eifteS genährt werben. 
Oie 9cähe beS ^eiügthumS, bie hefte Stätte für bie 
ivahre Üiube. 

b) Oie Stimme in ber9?acbt,93.4biS 
9: 53ic fie b r c i m a 1 an Samuel ergebt unb ihn 
bei Flamen ruft, fo fommt fie and) au unS wie^. 
b e r h o 11 unb ruft uns aum ©eborfam: fchon in 
ber Saufe finb wir berufen, ©cttco .Stinber au 
iverbeu, fie fommt an unS bureb bie 5}rcvigt feU 
ncSSBorteS, bureb unfer ©ewiffen, buvd) be= 
fonbeveRührungen unbgügungen unfcrS ScbenS, 
in ©nabe ober ©erid)t, Segen ober Strafe, ©aben 
ober5}cr(ufte k. Ott auch bureb anberc Stenf^en 
(Sltcrn, ßebrer). j|m 81. X. ivaren c^ bloS eins 
achte ©otteSntänner, bie fo pcrfönlidt berufen 
waren, 3. 5). 8lbrabam, 15)?of. 22,11.2 ®of. 3, 
4jc., im 92. X» finb eS 9lllc ohne 9luonahme; 
11 n f er e Antwort auf ©otteo 9tuf f. 9lpoftelg. 9, 
6. 9lmb bie St iüber finb bavon nid>t auSge= 
Schloffen; ivie fie bem Stufe folgen föniten unb follen, 
fclhft mitten in ber fie umgebenben argen SBelt, 
acigt eben SamuelS ©eifpiel, unb baS Mittel baau 
©f. 119,9, von ihrer Seite aber gehört vor allem 
cinS baau: bic rechte SBill igfeit aunt ©eborfam. 

c) OaS ffiort ber Stimme, 3>. 10 — 19: 
Sine Scrfünbigung bcö©crichtö, baS um bei? ©aterS 
9)ciffetbat über bie Söhne unb über ihn fclhft fonu 
tuen wirb unb fommen mufe: Sli bat fid) um bie 
Sraiehuug berfelben einft nicht befümmert, iefet be^ 
fommt er Kummer genug burd) fie aur geredtten 
Strafe, ©erabe Samuel wirb aunt ©oten bcr9Jcr= 
geltmtg gewählt, theilSiveilerbieSünbeber Familie 
Sli’Sam heften rannte unb alfoaiidtbic.^eimtudmng 
©otteS am heften verfteben fonntc, theilS um ihn 
gleich von Anfang an auf eine f d) iv e r c © r 0 b c b e S 
© e h 0 r f a m S 311 Stellen; aber er beftebt fie, ohne 
ber 9Mcufd)enfurd)t ober einem tvenn and) an fid) 
chrcniverthen ; bod) hier übel angehradtten Bart- 
aefübl in faljcher Sd>eu nachaugeben. 23er ÖH'tteS 
'Bote werben will, mufe amh, tvcun’S neth tbut, 
hartes fagen fönnen, tvenn eS bie © f l i dt t ber 
53 a b r b e i t forbert. Sli, ein 5'eifpiel von Sol= 
eben, bie and) ©otteS ©cridjte wohl nini) crfchüttern 
unb erweichen, aber nicht mehr grünblid) beugen 
unb beffern fönnen. 

B»r ©efbrechung imb »ieberholung: ®cr 9{uf 
©otteS. 1) SBann fommt berfelhc? Oft au uns 
erwarteter Beit. 3m Sd)laf, ba Samuel nid)t baran 
Pachte, ivarb er gerufen. 

2) 53ie ber SKuf aufgenommen werben foll. 53il^ 
lig. (Dreimal hört Samuel bcnfclbeit. Gublid): 
Siebe ©err, benn bein itned>t höret. 

3) 53aS will ©ott mit biefem 9fnf? UnS in feine 
©cmeiuid)aft führen unb feinen SBillcn offenbaren. 


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(tl)ronih brr ©fgfiiroart. 


503 


Clnronilt ber (Gegenwart. 


3« SrofUirtt wieberholt ficf» jefet baS ©djaufpiel, 
wcldseo vor fünfzehn fahren fiel) in Sübafrifa bar= 
bot, al3 Dort bie ® i a ma n teil fcIbev entbedt 
würben. 9)fan weife, ball ^rafilien reid) an ^ia- 
inauten ift, neue gelber würben feit Sanftem nicht 
mehr entbedt, jefet aber finb solche aufgefunben wor* 
ben unb infolge beffen ift ba$ ®iamantenficber 
unter bie bortineSevölferung gefahren. ®ie neuen 
gunbftätten liegen im Silben ber 93roving 93ahia 
am ©alobe, einem 9ccbenflu& be3 9iio 93aro3, ber 
unter 16° ftlblid)er Breite ficf> in ben atlantifdwn 
Ogean ergieift. ©eit bem 9luguft 1882 bi3 SÖ?av 3 
1883 finb 1500 OftavoS ober gegen gwelf fßfunb 
^Diamanten aufflefunben worben unb 7000 SRcns 
fd>en finb in bie urwälberreichc ©egenb geftrömt. 
SJiele haben ihr ©lud Durch ergiebige gunbe fle- 
macht; bie meiften aber finb enttäuscht wieber abgc= 
gogen. ®ie Qiamanten finb von vorgüglfther ©fite 
unb bev febwerfte bisher flefunbene wog ein Oftavo. 
Qie 3uftänbe unter ben Qiainantenfuchern werben 
al3 firauenerreacub gcfdnlbcrt. Qie Hälfte ber 9lns 
fiebler ift franf unb fein San veracht, bafe nicht gwei 
bi3 acht £obte begraben werben. 63 herrftben 5D?a- 
fern unbSumvffieber; ba3 'Hieb wirb mitten in ber 
Slnfieblung gefchladftet unb bie Üeberrefte verfaulen 
am $lafce, fo bafe bie 8uft verpestet ift. fßerfönliche 
Sicherheit exiftirt nidft, ba bie ^Regierung fidj noch 
in feiner 2Beife um bie neue9lnfteblung geflimmert 
bat. 9)iorb unb Sobtsdftag herrscht, SRaufercicn, 
gu benen mciftSßeiber bieUrjadje abgeben, finb an 
oer Zageäorbnung. Uebrigen3 fllaubt man, bah 
bieQiamantenfelbcr in ber Umgebung ftch noch fehr 
weit auSbehnen, hoch finb biefelben mitUrwalb be= 
bedt. 3ebenfaÜ3 ift ein Unternehmen bovt nicht 
antuempfchlen, fo wenig wie ba$ ©pieten in ber 
Lotterie. 

9fm canlrppeol, einer feeartiflen Grweiteruug 
beo afrifanifdien fRieicnftromtö 6onflo, erreicht 
befanntlid) beffen Schiffharfeit ihrGnbe unb von 
hier ait3 bi3 gur SRünbuua ber afrifauifeben SBefts 
fufte hehinbern ©tromfcrmeüen unb äßirbel bie 
gahrbarfeit. ©eit nun ©tanlev buvcb feine prei3- 
wurbifte 9lu3bauer in mehrjähriger Arbeit eine 
©tra§e entlang bem unteren Gongo bi3 gum@tan= 
leppool herftellte, ift e3 auch ben 9R i f f i o n a r c n 
fletunflcn, nad) jenem widjtigcn^unf te votgubringen, 
von wo au3ba3 weite Gentralafrifa burcbQampfers 
fahvten auf bem Gongo für ben ©tauben unb bie 
&n(tur erfrfftoffen werben fenuen. 9Bie wir au3 
einer Bufammenftcllung in ,,$etermann*3 ©eogras 
hifdsen 'BJittbeilungen" ersehen, ist e3 bem guhrer 
er wcftafrifanifchen 93aptiften=2Risfiou, 9feverenb 
Gontber, aelunflen, im Oftober 1882 bi3 gtim 
©tanlcvpool gu fldanaen unb hier, neben ber @ta= 
tion öeopolbville, welche von ©tanlev bereits ge* 
grünbet war, auf einem flefunb fldcflcncn ©ügel 
feine 9Riffion$ftation gu erbauen, welche nad) bem 
gerberer ber afrifanifdsen Mission 9lrt hing ton 
benannt würbe, dieser Ort, hetfet e3 in ber an= 
flcflcbcncn Quelle, bietet nidft nur beit vorgüglidftten 


9lnferptafe am Gongo, foubent ift attdj bem beben- 
tcnben^Marftplafee Öilamo bcnadibart. 9iid)t allein 
treffen au3 berUmgcgcnb bie verfd)iebenen Stämme 
hiergufammen, um ihre'JJrobuftc hier gu vertaufchen, 
fouberu auS weiter gerne fommen bie glotten ber 
Gougobcwohnet herab, um 6lfenbcin, nfte auÄ 
©flauen ewaen bie von berÄtüftc einaeführten euros 
päijchen (vrgeuflniffe einguhaubeln. üRtamo, ioo bie 
©chiffbarfeit beS 6oitao aufhört, biltet fomit einen 
wichtiflen Änotenpunft für ben ©anbei. ®urd) bie 
©nlnbuufl ber Station 9lrtbinflton hoben bie 
Saptiften=9Risfionare ba3 3id crreid)t, weldn‘3 fie 
fid) aefefet hatten, al3 nad) ber 9tüdfehr StaulepS 
von feiner ®urcbqueruna 9tfrifa3 ber flenaunte uns 
erinublidse görberer ber Mission burch reiche ©aben 
gut ^nanflriffnahme beS2)?ifsionowerfeS am Gonflo 
aufforbertc. 9>ierunbeinhalbeS 3ahr finb erforbers 
lid) flcivefen, um biefen fßunft gu erreidsen unb enb» 
flilltiq gu hefefeen, unb bte©enblinae, welche Kultur 
unb ©cfittunfl in baS ©erg 9lfrifao traqen wollen, 
ftchen im SBegriff, eingubrinflcn in baS uubefannte 
fianb, fobalb ber gu biescui B'ved erbaute Kämpfer 
„9?eace" (grieben), ivelcher im November 1882 von 
XSnfllanb abqefanbt würbe, am Stanlevpool eins 
fletroffen unb gufammenflefefet fein wirb. 9lud) eine 
fvitholifdje 9)?iffion unter fßatcr Sluflouarb ift im 
begriff, am ©tanlepbool fiel) nicbergulaffeu. 

@1 mul eine 9rt ffiahlvertoönbtffhöft guufchen 
3rlänbcrn unb Ghincfen, genauer gejagt, guu-fdsen 
xirlänbcrinnen unb Ghincfen, exiftiren, beim in 
9iorbamcrifa ift bie 3ohl ber ©cirathcn gu'isehen 
ben ©öhuen beS 9teid)S ber 9)?itte unb ben äöcbterit 
6rin’S eine ilberrafd)enb flrofie. SBährenb bie 3^ 
länberin fast niemals eine Ghe mit einem SOlox* 
monen cingeht unb nur in fcltcncu gälten einen 
©cutfdien hcirathet, nimmt fie ohne JBiberftrchcn 
einen Ghincfen gum 9D?ann. ®ic Mongolen ihrer« 
fcitS geben ben Srlänberimten beuSJorgug vor allen 
übrigen grauen 9lmerifaS. Go bilbet fid) auf biefe 
SBeife, namentlich längs ber fiüfte bcS Stillen 
DgeanS, eine bödftt eigeuthümliche feltifch=mongo= 
lifche 9Mifd)liitfl3raffe, Durch weld)c bie 9)cenjchens 
familie um eine neue, intereffante©pecie3 bcreid)ert 
svirb. 

®ie grattgoffu, tvcldje, um fid) für politische iOcifj- 
erfolge in Guropa fd)ablo3 gu halten, jefct überall 
in fernen Grbthcilen anneftiren, hat an Sun iS 
einen fetten SBiffen erworben. 91. von ©tubciu 
raud) giebt überbic8anbwirthfd)af tbeo jefet 
von grau frei ch vcnvalteten ?anbeS einen bödftt 
flünftigen Bericht an bie „ s U?onatofdnift für ben 
Oricnt M , au3 bem wir ba3 9iachstehcnbe auogichen. 
5Wad) bem 9T>interregcn brid't überall bie üppigste 
SSegetation hervor unb geigt fid) berauben in feiner 
ganseit llrfraft, beim nod) ift ba3 SOBort 9>oben= 
erfd)öpfung fürSuniS ein unbefaunter begriff, unb 
wo ber $>ftug ber ^ebuinen — ein hölzerner ©afen 
— auch noch fo leidit bie Grbc rifct unb ihm forgloS 
ba3 ©aatgut anvertraut, ba banft er ihm hunberts 


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504 


djrotiik bet (Segemuart. 


faltig bic geringe 93iühe unb ernennt Gritten, wie fie 
felbft im Banat ben Seltenheiten geboten. Unb 
Brobuftc von welcher ©fite! ‘Der Seigen fdjwer 
unb hart, wie ber beite ungarifche, bie ©erfie ber 
beften Brauergcrfte gleid). ?Jür ben ©ärtner ift 
SuitiS ein wahres terato. ©atteln, Bananen, 
9lprifofen, ^firfiche, Slepfcl, Birnen aebeiheit in 
ben föftlichftcn 3lvtcn f babei gvüncS ©emüfe baS 
gange Saht hinbuveh. 3it ben fchlechteftcn Sinter; 
luouatcn ift baS ftliina uüe bei unS int äßat, bod) 
ohne baß9ttacf>tfr6fte gu furchten wären. ©er Seiu= 
bauftnbetbiegunftigitcn^atuvbebingungen. 92ichtS 
— feilt Jyvoft, feilt ungeitiger Regelt — hinbert bei 
un unteroroeben wolfenlofem©immel bie 3eitigung 
bev Sraube, bie fdjon 3lu?angS3Hai beginnt. Sas 
Smtber, bafi bie tuncfifchcn Stauben, bie lebhaft 
mt bie Oiblifchen beS gelobten 8aitbe3 erinnern, 
Süße unb Sohlgcfdwtacf halben ttub fie gum föft= 
lichften Safelobft machen. Sabafbau, bie Kultur 
beS 9KaulbeerbatimeS unb bie Seibeitgud)t ftitbcit 
hier eine herrliche Stätte. Unabfehbare Oelbamn- 
Pflanzungen beefett bie^tücfen vieler ©ügel unb bil¬ 
den eine ©atipteinnahme beS 8anbc3. ,,©aS ©c; 
fagte gießt einen Begriff von ber GntroicflungS; 
fähigfeit biefeS SanbcS unb läßt annehmen, baß 
bereinft bent fleißigen unb intelligenten 8anbwirthe 
unb Öärtner in Sun iS fogujagen baSSolb unter 
ben ©anbcit wachten werbe unb berfelbc um ein 
reichliches 9luSfommen nicht gu forgen brauche, wenn 
er nur über bie icfct noch fchlenben meitfdilichen. 
3(rbeitSfräfte wirb verfügen fönnen." 2ld), muffen 
nur bei folcher Schilbcrung auSrufen, wann wirb 
unfet SSaterlanb einmal nach einem jold)cn Canbe 
greifen? 9Jöthig haben wtr’S wahrlich! 

\fk mty ttoih in brrGrinnermtg, baß im Sin¬ 
ter 1880 auf 1881 ber vielgcwanberte ©erharb 
DtohlfS ftd) nach 9lbcffinien begab, um beut Be* 
Iwfcher biefeS ?UpenlanbeS unter ben Sr open einen 
SÜrief unfereS ftaiferS Silhelm gu ttberbringen. 
SHohlfS war hierzu gang bei* geeignete 9Rann, hatte 
er Voch bereits unwahre 1868 ben britifchcnftelbgug 
gegen ben blutigen SheoboroS oon 91befüuicit mit= 
gemacht uub war et bei Eroberung ber jjclfcnfcfte 
uNagVala gugegen gewefen. Gr hat ießt feine 
9teiie=Sr(cbniffeiu einem bet BrocfhauS erfchiencncn 
Serie gefchUbert, welches ben Site! führt: „3)ie i ne 
äNtffion nach Slbeffinicn". ©S ift mit einer 
fein* fpegielleit starte fowie vielen hödjft charafteri= 
ftifcheu 9lbbi(tmngeit oon bem abeffiitifdien Hofmaler 
„Sauber verleben unb lieft fiel) fehr angenehm, Bor* 
herrfchenb ftnb bie persönlichen Gvfebnifje uub?lben- 
teuer, böchft werthvoll eine ncuefte ©efchid)te 3lbef= 
ftitienS tu beu lebten fünfgehn fahren, bie gtnneift 
nach Angaben beS gegenwärtigen ftaiferS 3obanne3 
gefchrieben ift. SBohlfS ift hochft ehrenvoll oon biefem 
buitflen ©errfdter empfangen worben, ia er erhielt 
fogat ben Auftrag, gwifchen 3lbeffinien unbGgppten 
griebeu gu ftiften, benn beibe9?eid)e befinben fiel) biS 
gum heutigen Sage int ftviegSguftanbe. ©ie egop= 
tifchcn Armeen, weld)e nad) 3lbeffinien vorbrangen, 
würben vernichtet — trobbem vermochten aber bie 
Sieget nicht ihren heißesten SBuufch, bieGrlangung 
ber Füftenlanbfchaft am rollten 9Meere mit bem 
$afen äWaffaita, bitrd)gufeben. MohlfS geigt aber 
gang richtig, wie eS ein 9(ft ber ©evechtigfeit ift, 
Slbeffiuicn biS anS 9Reer Vorbringen gtt laffcit, benn 


nur fo, int engen ©anbclS^ unb?|bceuauStaufch mit 
europ&ifcbeu Mächten, unhehinbert burch moham= 
mebanifche Giferfüchtelei, permag biefer chriftlichc 
Staat ftd) gu entuücfelit. Srob ber gro&ci -?(bge- 
fdnebenheit unb fchweren 3»gänglid)feit beSranbcS 
finbet SJohlfS, ba§ baffelbe einen großen Sfovtfchritt 
iit ber lebten 3«it geinadjt hat; curopäijd>erGinfIufe 
mad)t fid) überall gelteub. S)ie ?lrmce ift iefet eine 
Pöllig anbere alS früher: gange, ben Ggnpteru ab= 
genommene Satterieu unb Saufeitbc pou 'Jteming^ 
toii'©ewehreu auS gleicher Ouellc Ttub porhanben. 
ftreilid), bie chriftlichc Meligiou ift bort erftarrt, aber 
gang fo fdilimnt, wie bie meiften früheren "Jteifenbcn, 
finbet DtohlfS bie abefnnifche©eiftlid)feit nid)t. Gr 
inacht uns wenigftcuS mit ehrenooden 3(uSuahmeit 
hefannt. Sei feinem Gintritt auf afcffiuijcheS (Sc¬ 
hiet würbe er in Safeu pon ber OvtSgeiftliddcit be^ 
rügt; bie Scene, bie fid) habet entwicfeltc, fdülbert' 
er Dteifenbe folgcnbcnnaßen: „Sangfant, in feiere 
lichein Schritt, ramen bie 2)icner ber abcffinifdwn 
£ivd)e heran, alle im Ornat, ©er erfte mit einem 
monftrau.g=ähulidKn©eräthc, ber aitbere mit einem 
£reug, bev brüte mit einer fiirchcnichcllc, ber vierte 
mit einem feibeneit Fähnlein, im ©äugen etipa 
•brei&ig^crfonen, jfnaoen uub üRotichc inbegriffen, 
lefetere mit gelben ßäppcheu uubficbcrmänteln. Jm 
©albfreiS ftanben fie vor meinem 3cltc uub begann 
neu Sitancicn gu fingen, ja, fie taugten fogar unb ich 
mochte ihre babei gemachten Bewegungen feine?- 
lpegS auftäitbig neunen. 3d) ließ enblich bemOber= 
prieftcr einige Shaler reichen, loorauf er eine lange 
5Hcbe hielt: „Sir ftttb nidit beS ©elbeS wegen ge- 
fomnien, foitbern um bie 9(nfunft elneS weither- 
gefommciien ©laubcuSgenoffen gu feiern." 3d) et- 
wibevte: ,,©aS G)elb fei nid)t für fie, fie möchten eS 
ben kirnten ihres Spre^gclS geben." ©ie gange 
©cfcllfdjaft fing an fich gu jefcen unb von neuem gu 
fingen. Sie ber ©olmctfch mir angab, fangen fie 
iefet mein Soblieb." 3luf Befehl beS ftönigS 
hanncS haben fid) afleüKohainmcbaucv in 3lbcifinien 
taufen laffcit müffeit unb, wie auS beit Berichten 
poit 9io()lf‘3 heroorgeht, hohen fie fich willig barcin 
gefügt. 9(bgefehen pon einer 9lngahl 3nbcn (ga= 
lafcha) ift 3lbefftnien ießt ein glaubenSeinhcitlichcS 
8anb. Guropäifchen 3Biffioiiareit ift ber Gintritt 
verweigert; fie wirfen baher an ber ©renge unb 
9tohlfS berichtet fowohl über bie fraugöüidvfotl'o- 
Iifcf>c Sagariftenmiffion, wie and) überbte evangelifcfc 
fchwebifche bei 9)?affaua. 8e($tcre wirb vielfach ge¬ 
lobt. 3u ber von bem Brubcr 8uttbal unb ^ratt, 
fowie Pon brei biS vier anbereu perheiratheteu 9)?i}= 
fiouaren geleiteten 91nftalt werben augenblicflidj 
gegen hunbcrtutibfünfgigabefunifcheÄiiibcrergogen. 
GS ift eine Sreube gu fehen, wie bie «Q(einen, im eiltet 
von gwölf biS fünfgclm fahren, gebeiheit unb wach- 
feit. 9l((e Khftufungcn ber ©autfarbc von gelb biS 
fdjwarg finb vertreten. 9(u6cr höheren ftertigfeiteit 
tm 8efeit, Sd)reiben, 9?ed)itcn utti§ jcbcS ftinb irgenb 
ein ©anbmerf ober eine ftunit lernen, ©icr loevbca 
bie 9}?äbd>eit tm Striefen, 9?ähcn, bort bie ft nahen 
im Schuftern, ©rechjelit unterrichtet. 9llle fin^ 
reinlid) unb etiropäifch gefleibet, uub bah bic Gr- 
nährungeiite vorgüginhe tutbbenftlcincn angepaßt 
fei, braucht wohl fautn gefagt gu werben. (Sine mit 
einer Keinen Orgel verfchene ftapclle bient bagu, in 
ben ?lbefuniern baS G)efühl unb bie Siebe für bie 
chriftlid)c Religion wachgnhaltcn. 


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(Sin illuftrtrtre lamilienblatt. 


giftet 24atti>. ^ctoßer 1S83. $el}ufes ^eft. 


Wer tat dar Aexmbtel 

801 t Ättbfcifl Soflfl. 



5 tpar ein reicher, reicher Vflann; 

Don purpur unb pon Selbe 
3 P fein (Semanb; er lebt 
(Eagtäglid? fjerrlicfy unb in ^Jreuben. — 

(Ein armer IHann mit Hamen £030015, 

£ag pon (Sefcbtpäreit tief 3ernagt 
Dor feiner (Etjür unb fletjt mit (Efjränen 
Hur um ben Abfall pon ber Heießen (Eifdj, 
Den Junger 311 ftiüen. — Die t?unbe naffn 
Unb linbern lerfenb feiner Sdjtpären Pein - 
Der Urme ftarb unb (Engel trugen itjn 
3 n Ubram’s Scfyoog. Der Heicbe jtarb, 
Ulan legt ben £eib in feine jto^e (Sruft, 
§ur £)ölle fäfyrt ber (Seift. — 





futljer unb fein 

Son «Ubert Mieter. 


ur. 


S wäre wohl eine banfbare 9ltif» 
flabe, eingebenber ben 6influf( 311 
unterfingen, ben fintier auf baS 
beutfdje £>au3, auf baS beutfetje 
Familienleben auSgeübt bot. 63 
wäre ba ju reben Don feiner Sibel» 
überfeßung, bie baS befte £)nu36ucb beS beulfc^en 
SBolteS geworben, bie am 9Jtorgen unb 9tbenb 
unb am Sonntagnadjmittag bie ©lieber beS 
£aufe3 311 einer Sorlefuitg um fidb berfammelte 
unb Dtel Segen unb Üroft in bn3 beutf^e £>au§ 
gebraut bat. 68 Wäre 311 reben Don SutberS 
Siebern, bie in bem £erjen beS gangen SöolfeS 
ein freubigeS 6<bo fanben unb nod) finben, unb 
Don Denen ber 3efuit 6onjeniu8 fügte, fie hätten 


87 


mehr Seelen berfiibrt, als SutberS Streitfdjrif. 
ten unb ^ßrebiaten; Don bem (leinen ffatednS. 
muS, ben bie UJhitter bie fJinber lehrte, unb ben 
na<b SutberS ÜDleitiung ein fcauSDater mit fei. 
nem ©efinbe treiben füllte; bon ber fiauSpoftifle, 
Deren ^rebigten bis auf unfere Sage in Familien 
Dorgelefeu worben finb. 63 wäre 311 reben Don 
SutberS eigenem bäuSlidjen Sehen, baS bei ber 
großen SSerebrung, mit ber man in ben ftreifen 
feiner Anhänger auf Sutber fab, für baS beutfdjje 
SSolf Dorbilblitb geworben ift; eS märe 311 reben 
Don bem berfönlidjen Serlebre, ben Sutber mit 
fo Dielen gfamitienfreifen unterhielt. fKit ihren 
Süuben, ihren ©emiffenSqualen ober mit aller, 
lei £>ergenSanliegen (amen gar Diele ju ihm; er 


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506 


Pr. futijtr unb fein Parbier. 


fotlte 9tath unb 2roft gewähren. Unb wer nid^t als ihn hierauf ber Seiftet barbieret hatte, ba 
perfönlicf) bor ihm erfreuten tonnte, ber bat gog er feine heften Äleiber an unb hing fein gül* 
brieflich um SutfeerS Seiitung über irgenb ein ben flleinob an ben £>al§. 2a fallet ber SBar* 
SBorhaben, um feine Uuterftüfeuug bei einem ge» bier: Herr 2oftor, baS roirb fie ärgern. Suther 
Wagt erfdjeinenben Unternehmen, um feinen fagt: 2arum thue ich’S auch, Sie haben uns 
Statt) unb 2roft in allerlei Kümmerniffeii. So mehr beim genug geärgert, man muß mit ben 
e§ galt, einen Ufergweifelnbeit aufgurichten, einen ©chlangen unb fjüdhfen alfo banbeln unb um* 
3rrenben auf ben rechten Seg gu bringen, ba gehen. 2a antwortet ber Ukrbier: Stun, Herr 
Wanbte man fich an Suther unb gwar nie ber» 2ottor, fo gehet hi» in ©otteS fffrieben unb ber 
geben». 2.roh aller UlrbeitSlaft, Ite auf feinen Herr fei mit euch, baß ihr fie belehret. 2r. Suther 
Schultern lag, liefe er leinen unberatljen, feinen aber fpradj: 2aS roill ich nicht th«n; aber baS 
ungetröftet. Sohl flagte er einmal: ,,3d) werbe fann wohl gefchehen, bafe ich ihnen ei» gut Äa= 
mit Briefen boit allen Seiten überhäuft. Ul Ile pitcl lefen werbe unb (affe fie fahren." Unb hoch 
unb jebe meinen, nur ihre Uln liegen feien eS, bie machte Suther auf ben päpft liehen ©efanbten 
bet müfeige Suther ju beforgen hübe, unb fön» einen folgen Sinbrucf, bafe biefer fpäter einer 
nen nicht warten, fonbern meinen, es müffe gleich ber eifrigften SBefenner beS SoangeliumS unb 
ein Srief wieber ba fein, fobalb fie nur ben Der unerbittlichften ©egner beS ^apfttljumS 
ihrigen abgegeben haben. 3<h fann ja bo<h würbe. 

Wahrhaftig nicht als ein eingiger alle Uln liegen Seifter tretet hatte bei feinem fleifeigen Um* 
aller allein unb plöfelicfe gugleid) auSrid)ten." gange mit Suther Wohl oft erfahren, welche 
Ulber fonnte er auch nicht alle Ulnliegen fo fchneU Straft baS ©ebet SutljerS hatte, wie eS ihn er» 
erlebigen, als bie Sßittenben eS wönfcijten, er that muthigte unb tröftete, Wie eS ihn in ben ferner» 
eS bod), fobalb er 3eit bagu gewann. ften Stunben aufrecht erhielt. 2a wünfdjte ber 

Sie Suther mit Seuten au» bem SSolfe gu Seifter, bafe auch er fo gu beten Perftünbe, unb 
bertehren pflegte, bauoit geugt fein ffierfehr mit er bat Suther um eine Ulnweifung gum ©ebet. 
feinem Sarbier, bem Seifter Sßeter gu Sitten» Suther war gern bagu bereit, unb weil er meinte, 
berg. 2emfelben wirb Pon Stangwalb, einem bafe eine foldje Ulnweifung auch anberen erwüitfd)t 
bet Herausgeber Pon SutljerS 2ifd)reben, baS fein fönnte, fo liefe er baS burdj Seifter Meters 
3eugnife auSgefteHt, er fei „ein frommer, gotteS» Ulnreguug entftonbene fleine Scpriftcheu brnefen 
fürchtiger Scann gewefen, ber ©otteS - Sort unter bem Sittel: „6ine einfältige Seife gu 
gerne gehöret, gerne baPon gerebt unb Piel um beten, für einen guten ffreunb, Sei ft er Bieter 
2r. Sartin Suther gu fein pflegen." Suther SSnlbier. 1534." 

nennt ihn benn auch in bem Sittel eines fpäter 2ie Schrift beginnt mit ben Sorten: „Sie» 
»t etwähnenben Sd^riftc^enS feinen „guten ber Seifter tpeter, ich geb’S Such fo gut als ich’S 
•öfreunb". habe unb wie ich mich fclbcr mit beten halte. 

lieber ein ©efprädj SutfeerS mit Seiftet Sjßeter Unfer Herrgott geb Such unb jebermann, eS 
Wirb uns berichtet aus bem 3ahre 1937. 3n bcffergiunochen. Ulmen." 2ann berichtet Suther, 
biefem 3aljre berief ißapft USaitl II. ein ßongil wie er fclbft fich gum ©ebet anrege, iubem er mit 
nach Santua. tBorljer aber hatte er feinen ©e» feinem tpfälterlein in bie Kammer laufe ober gur 
fanbten U3aul SBergeriuS nad) 2eutfd)Ianb ge» 3 e 't eines ©otteSbienfteS nach ber Hircfee gehe, 
fanbt, um mit ben dürften über ben Crt beS bie gehn ©ebote, ben apoftolifchcu ©latiben, 
ftongilS gu unterhanbeln. Sei biefer ©elegen* Sprüche Gljrifti, Sjßauli ec. bei fich iwruehme unb 
heit traf ber päpftlicfee ©efanbte in Sittenberg betrachte, bis baS H«rg warm werbe unb gu fich 
auch mit Suther gufamnten, benn er hatte gegen felbfl fomme, hauptfädjlich ratf) er, bem ©ebete 
ben Äurfürften, auf beffen Schlöffe er wohnte, ben Ulnfang unb ben Scfelufe beS StageS gu wib» 
ben Sunfch auSgefprochen, bafe gur Sahlgeit men, weil einen ben Stag über leicht bie ©efchäfte 
and) Suther gugegogen werben möchte. 2a he* nicht bagu tommen taffen, unb man Doch ja nicht 
richtet benn nun ein 3 f 'tgenoffe: „Ullsbalbben Pom rechten ©ebete fich entwöhnen bürfe, ob* 
©onntag frühe hat $t. Suther nach feinem gleich bei einem gläubigen, gotteSfürchtigen 
SBarbiet gefdjidt, bafe er ihn barbieren unb Senfehen auch bas Sprichwort feine Sahrheit 
fchmüdfen follte. UllS ber SBarbier tomnten ift, habe: „Ser treulich arbeitet, ber betet gwic* 
hat er gefagt: Herr 2oftor, wie tömmt’S, bafe fältig." 2ann'geigt Suther, wie ber ©etenbe 
3h r eudh fo frühe wollt barbieren taffen ? 2a ben Inhalt ber eingelneit Sitten beS SßaterunferS 
antwortet 2r. Suther: 3d> fall gu beS heiligen weiter in ©ebetsworte faffen möge; er fügt aber 
IBaterS, beS tßapftS, SSotfehaft fommen, fo mufe biefen Umfehreibungen ber fieben Bitten hingu: 
ich mich laffen fc|müc!en, bafe i^ jung feheine, fo „2u foDft wiffen, oafe ich nicht will biefe Sorte 
wirb ber Segat benten: Si ber 2eiifel, ift ber alle im ©ebet gefprocfjen haben, bennba würbe 
Suther noch fo jung unb hat fo piel UngliicfS boefe gutefet ein ©eplapper unb eitel lebig ©e« 
angerichtet, was wirb et benn noch tfeun ? Unb fifewäfc barauS, fonbern ich tuiH baS H tr J bamit 


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Pr. futptr unb fein Sorbite. 


507 


geieigt unb unterrichtet haben, was es für ©e» 
bauten im ©aterunfer fajfen foH. Solche ©e« 
bauten aber tann baä^erj, wentt’S recht enoarmt 
unb ju beten (uftivl ift, tooht mit biel aitbern 
SBorten, auch wopl mit weniger ober mehr 2öor« 
ten auSfpredpen; benn ich auch feCbfi mich an 
folche SGßorte unb Silben nicht binbe, foubern 
heute fo, morgen fo bie ©Sorte fpreepe, bnitudp ich 
roarm unb luftig bin. ffomntt Wohl oft, bafj ich 
in einem Stüct ober Sitte in fo reiche ©ebnnten 
tontme, baß ich bie anbern fedps taffe alle an* 
flehen. Unb wenn foldpe reiche, flute ©ebanten 
toinmen, fo foü man bie anbern ©ebote fahren 
(affen unb folgen ©ebanten Staunt geben unb 
mit Stille 311 poren unb beileibe nicht ptttbern, 
benn ba prebigt ber heilige ©eift felbft, unb ein 
2Bort feiner ©rebigt ift beffer, benn unfereS ©e» 
beteS taufenb." 

ffion ber ©nbadpt, bie bei bem ©ebete üor allem 
nöthifl ift, fagt Sutper mit befonberer Dtücffidpt 
auf ben gfreunb, für ben er fein ©ücplein ju* 
nächft fchreibt: „©leidpwie ein guter, fleißiger 
©albierer muß feine ©ebanten, Sinne unb 
Slitflen gar genau auf baS Schentteffer unb auf 
bie öanre rieten, unb nicht bergeffeu, Wo er fei 
im Strich ober Schnitt; wo er aber sogleich will 
biel plnubern unb anbersmopin betitelt ober 
glitten, follte er wohl einem Stau! unb Stafe, bie 
ffeple bagu abfehneiben. Stlfo gar will ein feg« 
lieh 'Sing, fo eS wohl gemacht foü werben, ben 
©tenfehen gans haben mit allen Sinnen unb 
©liebem, wie man fpriept: ©Ber mancherlei 
beuft, ber beitft nichts, macht auch nichts ©uteS; 
wie bielmehr will baS ©ebet baS £>ers einig, gans 
unb allein haben, foH’S anberS ein gut ©ebet 
fein." 

Stach ber (Betrachtung beS SaferunferS wenbet 
ftep Suther su ben sehn ©eboten, bereu jebeS er 
in bierfacher ©Beife su betrachten rätp. 6 r fagt: 
„SfBeittt idp aber 3eit unb Staunt habe nach bem 
©aternofter, fo thue ich mit ben sehn ©eboten 
auch alfo unb hole ein Stücf nach bem anbern, 
bamit idh ja gntts lebig werbe, fo biel eS möglich 
ift, sunt ©ebet unb mache aus jeglichem ©ebot 
ein bierfadpeS gebrepteSffrünslein: ©iS, ich nehme 
ein jegliches ©ebot an sum erften als eine Sehre, 
wie eS beim att ihm felbft ift, unb bebente, was 
unfer #err ©ott barin fo entftlich bon mir for« 
bert. 3 l, m anbern mache ich eine $anffaguitg 
barattS, snm britten eine ©eichte, s»nt bierten 
ein ©ebet." 

©in Schluffe ber nun folgenben sehn ©etrach» 
tutigen fagt Sutper wieber: „©in gut ©ebet foü 
nicht lang fein, fonbern oft unb lebenbig. 3 ft 
barunt genug, wenn bn ein Stücf ober ein hal¬ 
bes fauitft triegen, babon bu in beinern fersen 
ein fjeiterlein fannft anfchlagen." 3 u(eßt lehrt 
Sutper noch eine einfältige SBeife, bie brei ©r- 
tifel beS ©laubenS 311 betrachten. 3 n Summa: 


©S ift ein herrliches ttttb föftlidpeS Sdhriftdhen, 
baS Sutper feinem ©arbier ju Siebe berfafet hat, 
unb es wäre mopl wert!), baß nodp heute mancher 
fiep barein oerfenfte unb attS ihm lernte, „eine 
einfältige Söeife, su beten." 

©ußer biefent Scpriftcpen enthalten SutperS 
©Berte audp noch ein türscreS ©ebiept, baS Sutper 
feinem ©arbier gemibmet pat. ©S wirb näm¬ 
lich uon ©teifter ©eter berichtet: „$)erfelbc pat 
pflogen, biel unb oft bon beS STeufelS Sift unb 
©ewa It su reben unb pat immer su fagett pflegen, 
er wolle ein groß ©uep babon unb bawiber feprei« 
ben, bamit fiep ein feber bafür wüßte su hüten. 
©S pat aber $r. ©tartin Sutper, als ber ben 
Teufel beffer gefennet, bosttmal erntelbtem ©iei= 
fter ©eteru folgenbe fcpöite Uteime banebeu einer 
Jitrseit ©uSlegung beS SprudpeS 3op. 8 , 41: 
®er Senfe! ifi ein ©törber bon ©tifiing tc. sur 
©Öarnung mit feiner |>anb in ein ©udp gefdprie« 
ben." Sutper mag feinem ©arbier Wopl sttwei- 
len ein Grentplar einer foeben erfdpienrnen 
Scprift gefdpeutt haben, unb ein foIcpeS berfap 
er alfo mit ben ©erfen, bie ben feiner Sadpe 
fepr fidpern ©arbier warnen follten. Sie ©erfe 
felbft lauteten: 

So fcharf mirb niept merbett ein ITtann, 

Der ben (Teufel g’nug fennen fann. 

<£r pängt ihm boeb ein Schlappen an 
Unb mirb ihn niept 3ufrieben lan. 

<£s fei benn £priftus bei ber Banb, 

Der pat bas Spiel ibin gar gemanbt. 

Sonft ift’s mit uns fürmapr oerlorn 
IPie oiel mir ITtenfrben fhtb geborn. 

(Er macht fiep 31t birf unb breit 
Unb meiß 3UDor, baß alles bereit, 

XDas lUeifter peter jeßt gebenft 
Unb hart fiep miber ihn befränft 
Daß er ein Such mill fcp reiben groß 
Unb ben (Teufel nicht laßen los. 

<£r benft: 3<P färeijt mich nicht fo fepr 
Diesmal tor folcper neuen Ulär; 

3cb pab’s mopl epe fo fauer gefepn 
Dor ihm mill i<p auep noch beftepn. 

3* bleibe boep ein ^iirft ber IDelt 
©bs gleich euep «Tpriften niept gefällt. 

Der große £jaufe bei mir fiept, 

ZTad) eurem tDillen menig gept 
Unb roer ba mill, .ber 3eig mir an, 

©b etma fei gemefi ein Ulann, 

U?ie peilig, groß unb flug ber fei, 

Der ror mir möcpte leben frei 
Unb ohne Schaben entlaufen mir, 

<£s märe benn einer ober oier. 

Der feiner Uteifter peter peifit 

IDas gilt’s, mein Reich bepält bas meifi? 

So troßig gar ber (Teufel ift 
Doll aller Scpalfpeit, (Tiicf unb tift. 


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508 


gtbraud) unb JHißbrauig gomiletifdjer Hilfsmittel 


Dag Dietger peter and? wohl barf 
^nfegett in ber Sadjert fdjarf, 

Dag er it?m nid?t jeig einen (Eüc! 

Unb bring it?n aud? in groß Ungliiif. 

<£r t?ats piel mel?r Seuten gett?an 
Denn immer jcmanb 3ät?len fann. 

Darum fo ijl gier Selens Seit 

Der Ceufel ift polI (Srimm unb Heib. . 

©ie fegr Cutter redt)t gatte, menn er ÜJteifter 
Ißeter bor aDjugroger ©idgergeit warnte unb 
igitt mitiifcgte, baß ber Dettfel nidgt igtti felbft 
feine Diicfe ertoeifen unb ign in großes Unglütf 
bringen mödgte, baS erwies fidg fdgon ein ?faßr 
nndg biefer ©arming. ÜJJeifter fßeter fdgeint 
nämlicg eitt fegr iäggorniger SJtann geroefen ju 


fein, unb fo wirb benn in SutgerS Difdgreben 
beridgtet, Sutger gäbe am 12. September 1538 
erjäglt, wie 5J?eifter HJeter feinen (Sibatn, ber ein 
Sanbsfnedgt gemefen, in feinem Haufe erftocgen 
gäbe, unb wie ign alfo ber Teufel bejaglet. 
AägereS über bie Urfacge biefeS HJtorbeS gaben 
mir nidgt ju ermitteln nermodgt, aucg über ©ei* 
fter Meters fpätereS Seben bermögen mir weiter 
nidgtS beijubringen, als WaS ©tangroalb itt fei» 
tter Ausgabe ber 2 ifdgreben anmerft: „©egen 
biefeS fdgrecflidgen IDtorbeS ift er fonacg mit 8 e* 
gnabung bes SebenS oermiefen worben unb enb* 
lidg an einem fremben Orte mit gerjlitger 8 e« 
rettung feiner ©ünben cgriftlicg unb feliglitg ge* 
ftorben." 




MtH)tt0rr debraud) unb Bliffbroudj Ijomiletifdjer jilfrmittd. 

«bitor. 

-Sr 

1 '' _ ? <r 

unferen eigenen Augen gefegen gaben? ffiir 
werben biefer grage gegenüber auf unfere innere 
ßrfagrung, fowie auf bie geilige ©dgrift gin« 
weifen, womit aber bereits ber ©ertg mettfdg* 
lidger Hilfsmittel angebeutet ijl, benn eine gute 
Sibelerflärtmg barf wogl in gewiffent ©mne 
ein gomiletifdgeS ©erheug genannt werben. 

Aebftbem aber, baß mir aus bem ©dgahe 
unferer ©rfagrung, fowie bem ber geil, ©dgrift 
*u 3 eugen gaben, barf nie bie Aufgabe ber 
fßrebigt betgeffen werben, baS ganje Utenfdgen« 
leben 311 erleucgten — 3 ur ©agnting, gur Strö* 
ftung, 3 ttr 3üdgtigung in ber ©eredgtigfeit. Die 
5ßrebigt foU nidgt allein seugen baoott, fon* 
bem ii bezeugen, baß in Ggrifto 3 efu ber ©eg 
beS SebenS ift. ©äre baS bloße 3cugttiß nur 
erforberlicg, fo braudgte man sur tßrebigt Weber 
SBegabung, nodg ©tubium, ttodg Hilfsmittel. 
Aber baS Uebezeugen ift eine fo fdjmere 
ffunft, baß baS 3*ugniß allein in unferem tri* 
tifdgen 3 e 'talter ben bergärteteit ©enfdgenger 3 en 
gegenüber nicgt immer burdgßglägt; fo große 
©irfttng baS eittfocge 3fiigttißgebett audg ftgon 
gerborbradgte, unb fo goeg Wir eS audg fdgajjen. 

©it biefen üßorberfiißen bie ©idgtigteit meitfcg« 
lidger unb audg gontiletifdger H'lfSmiitel aner* 
fennenb, treten mir ber Aufgabe näger, inbem 
bor allem bie geil, ©dgrift felbft, fowie gute Aus« 
legungen als gomiletifdge Ouetlen be 3 eidgnet wer* 
ben, mit meldgen faum ein fDlißbraudg getrieben 
werben fann. AnberS bergölt es fidg mit fpecieU 
b a 3 u berfaßten ©erfen, bem Ißrebiger bei ber 
Ausarbeitung ber Ißrebigt begilflidg 3 U fein — 
alfo fogenannten ©fi 33 en, DiSpofitionen unb 
auSgefügrten Ißrebigten. 



te gier gefteUte 
Aufgabe ift of* 
fettbar eilte rein 
praftifdge. AIS 
folcge gebettfe idg 
1 biefelbe 311 beganbclit, tittb werbe 
aus oollem Bergen unb lang* 
fögriger (Srfagrung unb 9Je» 
obacgtung gerauS baS bieten, 
WaS mir als baS augemcffen 
©icgtigfte crfdjeint, ogtie im 
©eringften meine gefammelten 
Anfdgauungen als für Attbere 
maßgebenb ginfleQen gu wollen. 

Ilm beit ©ertg ober llumertg, 
©ebratttg ober ©ißbraudg go* 
miletifdger Hilfsmittel allfcitig 
«ran unb ricgtig 31 t beurtgcileit, gilt 
* es bor ollem auf bie ffrage: 

V WaS ift bie Ißrebigt? 
eine flare Antwort 3 U finben. 
©irb barauf geantwortet: Die Ißrebigt ift 
ein 3 eaguiß, fo bin idg bamit einberftanben; 
bleibt man jebodj babei ftegen, fo märe bieS eine 
fegr engbegrenste Definition. Denn menn ein 
3eitgniß abgelegt werben foH, muß etwas 93e* 
3 eugteS unb ein 3 eu Ü e botganben fein, mobttrdg 
alsbalb bie (frage entftegt, ob benn wir als bie 
3eugenben, baS was bejeuflt wirb, mirllitg mit 


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tfrbraudj unb Stipbraud) potnilrtifd)rr Hilfsmittel. 


509 


2) i e f e föttnen fepr mifsbraudpt 
m e r b e n. 

Unb gtoar gunt erften burcp maffenweife, un« 
auSgemäplte SHnfdpaffung berfetben. itein 3weifl 
bei ipeologifdjen Literatur weift fo toict ©cpunb 
auf, al« ber pomiletifcpe. SBeinape jeher tleine 
jßfarrperr in 2)eutfcplanb glaubt bie Sfflelt mit 
feinen ifangelprobuften beglüden gu müffen, 
unb geminnfüdptige englifdpe unb amerifanifdpe 
3hidppäubler überflutbeit ben ÜJtarft mit gufam« 
meugetlatfcptem 3«ug. 

2Ber nun ^ier frifdpmeg gugreift unb ohne 
SluSmapl einfauft, ber begept fd^on botnemeg 
einen fÖtihgriff, welcher ibm mobl eine leere 
Äajfe, aber burdpauS feinen bereidberten ©eift in 
ÄuSficpt jteflt. ®enn anftatt inidb bon bem ©e« 
fammtroiffen, namentlidb bem tpeologifdpen, 
anregen unb beben gu laffen, mürbe idb mittelft 
foldper 93erfaptungSmeife nadb unb nndb eine 
uRufterfarte einfeitiger unb oft mertbiofer Site« 
ratur um mi(b berfammeln, welche fo bunt aus« 
fäpe, wie bie beS meilanb beut [eben Reiches, unb 
midp gemih in ben engen ©rengen bomiletifdber 
ftleinftaatlerei gefangen hielten. Wäbrenb eS 
mein 93orredpt ift, pinauSgutreten auf bie Hocp« 
macht ber 2öelt, um bon allen ©eiten gu 
empfangen, was bie beften SRenfdpen mir bieten. 

©inen ©djritt weiter gebenb, ftofien wir bem 
Hörenfagen gemäfe — benn aus ©rfabrung 
fenne idb bieS niept, glaube auch nicht, bah einer 
meiner lieben Sefcr fidp biefeS DRißgriffS fcpnlbig 
macht — auf ben 9Rißbrau$ beS SluSmenbig« 
lerttenä einer fremben IjJrebigt. 9Rit getreuem 
©cbäjhtnih nuSgeriiftete SRannet hätten fdbon, 
fo wirb berichtet, baS ßangelprobuft Slnbcrer 
SDJort für 2öort auSmenbig gelernt unb h e r = 
gefügt, benn mit einem anbern 2tuSbrud fann 
ein berartigeS ©cpaufpicl faum bezeichnet tuer« 
ben, über welches einer einft fdprieb: „3Rit 
SlblerSgefieber flog er gum Fimmel; mitSRaufe« 
gefrächje fam er herab." 

Cefters als biefe grobe SSernüßung frember 
©ebanfen, Einlage unb ©pradpe bürfte wohl, 
ohne gehöriges ffnficpnufnepmen, bie Senüpung 
eines fremben ©ntmurfS borfommen, meldjem 
felbftftänbige ©ebanfen angehängt werben, ©ol» 
cpeS Verfahren fommt mir »or, als wenn ich bie 
SÜBeicptpeile meines ftörperS über bnS ffnodjen« 
geriifte eines anbern giepen wollte; währenb bie 
entgegengefepte mißbräuchliche SRetpobe, welcher 
gemäfe in ben eigenen ©ntmurf frembe, unoer« 
baute ©ebanfen hineingetragen werben, bie um« 
gefeprte 3(Iuftratiou anbeutet, nämlich — mein 
eigen ©erüfte, an welchem SBeidptpeile angeflebt 
finb, bie burdpauS nicht auf jenes paffen. 

$afj bie eine ober bie anbere biefer SRetpoben 
SRißbrauch ber pomiletifchen Hilfsmittel ge« 
nannt werben muß, bariiber werben mir alle 
inSgefanunt einftimntig fein. 2)enn anftatt baS 


reiche pomiletifcpe Material gur ©ebanfenfamnt« 
lung unb ©ebanfenoerarbeitung, gur (Erlernung 
richtiger, gmedaemäher fDietpoben, gur ©elbft« 
erbauung unb Anregung gu benüpen, wirb baS« 
fetbe in foldper SBerfaprungSmeife ohne 9tifimi« 
lation bloS äußerlich berbraudht. Ober in anbe« 
ren Sßorten: bie geiftigen Ißrobufte anberer 
werben auf bem medpanifdpen Sßege gu einer 
ÜRafdpine gufammengefept. 

SBie nun Riemanb läugnen wirb, bah foldp 
gönglidp unnatürliche unb fidb wiberfpreepenbe 
Söenüpung pomiletifdper Hilfsmittel JRißbraudp 
gu nennen ift, fo werbe ich «udj faum auf 2ßiber« 
fprudh hohen, wenn ich f«ge, baß fiel) foldper 
fötihbrauep früher ober fpäter, niepr ober meni« 
ger rädpen muß. Slnftatt bah bie ißrebigt wie 
aus einem ©tüd unb ©uß aus botlem Hergen 
auSftrömt, wirb fte wie ein aus allerlei Stöbern 
gufammengefepteS ©etriebe fein, meldjeS auf 
feinerlei SSoben fo recht ins Stollen fommt. 2tn« 
ftatt bah bie pomiletifchen Hilfsmittel meinen 
©eift bereichern, meine formelle unb rebnerifdpe 
Siilbung beförbern, würbe icp fdhmäcper. in« 
ftatt gur ©elbftftänbigfeit perangureifen, märe 
icp an ftrüden gebunben. 2lnftatt nadp unb naep 
ben ©efammtreiepthum ber pomiletifdpen ©eiftcS» 
gaben in mich aufgunepmen unb gu »erarbeiten, 
»erbrächte icp meine 3f't mit bem 3ufnntmen« 
fepen einzelner ©tiidfe aus benfelben. ihirgnm 

— anftatt guguitepmen an bem inwenbigen 
SRenfcpen unb allerlei geiftiger unb geiftlidper 
©rfenntnih, mühte icp in folcp nicdpaiiifdpem 
tfropnbienft notpwenbigerweife perabfommen, 
unb baS ipfunb beS pomiletifchen ©cpapeS läge 
nidpt bloS brach, fonberu würbe mir gum SJlei« 
gewidpt, baS mit für immer ben Hodjmeg erfolg« 
ireidper, geheiligter Mangel »SBerebtfamfeit »er« 
fdplöffe. 

3» bem richtigen ©ebraudp po« 
miletifdper Hilfsmittel gäplen wir »or allem 
eine meislidpe SluSwapl, wobei obenan» 
fiept, baß bie 3»PI berartiger SfJerte nid)t un» 
»erpältnißmäßig groh fein füllte. 5ßie groß — 
bieS läpt fiep für bei; ©ingelnen unmöglich be« 
ftimmen, obwohl ein fDtaßftab gefunben werben 
mödpte, wenn man bebenft, baß bie H°mi(etif 
nur ein 2peil ber »ier 3meige ber Speologie — 
ejegetifepe, bogmatifdpe, piftorifepe unb paftorale 

— ift; nichts gu fagen »on anberen ©ebieten beS 
SBiffenS. 

©obann wirb ber fluge häufet nach unb nadp 
für reidpe ÜRaunigfaltigfeit forgen, 
bamit er mit möglidpft »ieleit SluffaffungSweifen 
unb fDtetpoben befannt wirb. @S ift nidpt nötpig, 
ja eS ift nidpt einmal gut, aüe 25 S3änbe Spur« 
geonS gu befißen; mir genügt ein einziger. 2Benn 
man eine 3eit lang ein pomiletifdpeS HWagagin 
gepalten, fo greife man naep einem anbern. 
ilRadpe bidp befannt mit ben beften englifdpen unb 


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510 


©ebrauA unb fMißbrauA ßomiletifAer Hilfsmittel. 


beutf Aen, ejegetifAen, tßematifAen, analptU was fte übet ben einen ober attbern ©egeitpanb 
pißen unb fpntöetifd^en $atuelvebtiern unb mcibe bietet. SA tuiü g. 58. etwas über „93erföhnung" 
ben ©Aunb gewiffenlofet SauAhänbler, ben fie naAfAlagen unb ftoße unter 33. in meinem 
bir als Prämie nnbieten. ©olAeS Seug taitn Common place book auf bie 3aßleu 6, 14, 20 
jeber bon uns eine ßüe per ©tunbe gufammen« ec., auf melden ©eiten bie betreffenben Serie 
piden. bergeiAnet finb. hinten im 58uA mag ein itaA 

5BaSaber ipbiereAte,bePeAuswahl? ©ehr ben 5BüAern ber heiligen ©cfjrift angelegtes 
leiAt ift bie Antwort auf biefe fjrage niAt. SA Sertregifter 5piaß finben. 
mit! jeboA roenigjtenS eine 2lnbeutung wagen Den richtigen ©ebrauA ßorniletifcßer Serie 
unb borausfcbiden, baß auSgefdßtiebene 5ßrebig« fpecieüer inS 91uge faffenb, begegnen mir baS 
ten unb ausführlichere Dispoptionen ben foge« ßefen berfelbeit gur Erbauung unb ^Belehrung 
nannten ©figgen bei weitem borgugießen pnb, als folgen, offne babei bie Vorbereitung auf eine 
unb gwar aus bem einfacpeu ©runbe, weit aus 5ßrebigt im Singe gu buben, 
jenen biel mehr gu lernen ift, als aus ben leß. fWiemaitb bebarf ber Grbauung mehr als ber 
teren. ißrebiger, benn er foD ja auf jebem ©c^ritt unb 

Da tnir uns nun felbftberjtänblidb bor adern Dritt geben unb immer geben. SGBaS aber fönnte 
na<b metbobi|tifcb=bomi(etifdben£)iliSmitteln um« — nüAft bcm Sorte ©otteS — gu unterer Gr* 
flauen, fo fei bemertt, baß nebft SeSlep’S 5jßvc= bauung roobl gwedbienliAer fein als bie 5$rebigt 
bigten Dr. SRiAarb Satfon’S ©ermonS immer eines reidb begabten ©otteSinanneS? Ser in 
nodb als muftergültige, ejegetißß«tbematifAe feinen fiefeftnnben auA gur Ißrebigtliteratur 
ftangelprobutte gu belraAteti finb. qlunfheon greift, wirb ben tiefgefühlten Mangel, baß es 
liefert rßetorißßen ©Awung, Sunting ejegetifcße uns niAt bergönnt ift, meßr 5ßrebigten gu hören, 
SBetraAtungen, ©ummerfielb hergliAe Snnigleit, menigftenS tfjeiltneife erfeßen. 

ScGlintod eloquente ©ebnnfenbliße u. f. ro. ©olAe honriletifA« fiefeftunben fönnen aber 

Sluf bem außermetßobiftifAen ©ebietmuß man auA für bie ^Belehrung unb fomit für bie Äan« 
gu ben gläubigen UniberfitätSprebigern gehen, gelwirffamleit feljr befruAtenb Wirten. £>eute 
wer baSfuAt, waS gemeinialiAfleiftreiA genannt greife iA gu einem Seifter in ber eigentliAen 
wirb, g. 58. ©teinmcper, yetfdhwife, SSaugßan, öomilie, unb merte mit welA ÜAerer £>anb, 
Skejjenfd. SBorgiiglicße ejregetißße ^ßrebiger finb föftliAer Grbauung unb tiefer ©djrifterfenntniß 
©tier, iholuf, 58ed, witfA, tJlewman £)aH unb er bon 3SerS gu 93erä führt; morgen hole iA mir 
iHelbiUe. ©ehr tüchtig in thematifAer 58eßanb« Slmoeifung in einer auSgegeiAneten tßematifAen 
lung — fRüling unb Stobertfon; auSgegeiAnet 58ehanblung. S e ßt geigt mir ber 9tl)etorifer ben 
betreffs ber ©tpl=58oflenbung — S°fepß harter padenben ©aßbau, unb bann ber fDtetßobiter bie 
unb ftögel; lebenSboü«praftifA — 58arneS, 58otlenbung ber Anlage. Stilen aber iji abgu« 
58innep, ©ofader unb ber neuere 'Jiönthelb; öotl merten, bah fie nur mit SPi'iße unb ©dßweiß gu 
geheiligter, praftifAer ©luth — ©erof unb folAer DteifterfAaft gelangt finb, unb iA lerne 
monob; homiletifA boüenbet — Sßiuet unb barauS, baß — fotl auA nur ein bisdßen etwas 
Dßeremin: als befteS homiletißßeS Hilfsmittel geleiftet^oerben — iA fleißig, reAt fleißig, feßr 
für Gnoeauitgett gilt mir immer noA — tfin» fleißig gu fein habe. 

net) oit ÜReüiöalS. Unb für Gafualreben? StiAtS SegügliA ber riAtigen 58enühuitg homileti« 
als bie 5Bibel, eine gute58ibelertliirung, baS was fAer ©ilfSirtittel für fpecielle ffangelttorberei* 
bu bir gefammelt, was ©ott ber £>err bir gege» tung fei gefügt, baß ber reAte ©ebrauA folAer 
ben — unb — ben GafuS, ben 3?all. SCßer ein SGßerfe gü Seiten barin befteßt, inbem man fte 
allfeitigeS, tüAtig rebiairteS ßorniletifAeS ÜRaga* hübfA im ©Alante fteßen läßt. @S giebt ©tun* 
gin hüben möAte, fAaffe PA “TheHomilist” an. ben in unferem 2eben, unb ©ott fAente fte uns 
Sft nun eine gute Auswahl homiletifAer^tilfS- reAt oft, in melAen ber ^imtnel über uns ge« 
mittel — feien es 5 ober 25 5Bänbe — in bet öffnet ift, ba ber ©trom beS heiligen ©eipeS in 
58ibliothe! borhanben, fo wirb ber riAtige ©e« ungewöhnliAem SRaße unfere ©eele belebt, bie 
brauA berfelben burdß Anlage eines Dhemata. ©Arift Ilar unb entbedt bor unfern klugen liegt 
58uAeS (Common place book) bebeutenb geför« unb unfer ©efammtwiifen unS fo gu fagen gu 
bert werben. 3ebeS Dßema wirb auf eine Seile ©ebote fleht. 3fn folAen Seiten hat PA ein 
beS 58uAeS gefArieben unb gleich baßinten 58anb fafl unbermeiblimer Dejt bem bergen eingeprägt, 
unb ©eite, wo es gu pnben, wäßrenb in einem ©ebanfen finb in 3?iille borßanben, bie 5Mnorb« 
alphaöetifAen fftegifler angegeben ift, wie oft nung giebt PA wie bon felbß unb Slluftrationen 
unb wo bapelbe Dßema im DßematabuA bor« bieten PA in PJienge an. Sn folAett ©tunben 
tömmt. 2Ber in biefer Seife niAt allein mit ßo« befteßt ber riAtige ©ebrauA ßomiletifAet ^tilfS« 
mitetifAen, fonbern auA mit anbern Serien ber« mittet in ber benfelben gefAenlten Dtuße. 3Won 
fährt, belommt feine gange 58ibliotßet fogufagen bat nichts nötßig als bie ©Arift unb ben heiligen 
in bie £anb unb lann in gang (urger 3eit fagen, ©eip, ßödßpenS einen 58lid in einen Gommentar, 


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Pie ftodjter brs fiadjtroätbtrrf. 


511 


bann roieber jur Bibel unb bon berfetben auf lieb gelingt es mit ©otteS £>ilfe, unb tielleicbt 
bie ffniee, um roieber ju ibter frifdben Ouelle wirb bie |o ju ©tanbe gefommene B«bigt jum 
jurüdjufebren. ©egen für Biele. 

©» tommen jebod) auch 3 c '* en ber Ottrre. Ober eS ift baS Umgefebrte ber gafl. Btan 
Oer KJopf brennt wie 3?euer, ober fdjeiut fo leer bot Stejt unb lofe ©ebanfeu, fiftt aber bator, 
sn fein wie eine ausgebrannte ©teppe. Oem ohne ben ©cblüffel ju finbeu. Btan liebt ben 

jjjersen fehlt bie Bnreaung; ber Himmel ift mie Bmift nicht, ton bem auS Siebt über baS ge« 

oerfdbloffen unb ber ©dfjulfad giebt taum ein wählte SBort unb ton ihm roieber auf bie ©e« 

©taubeben ab. meinbe fällt. Buch in biefem ffall finb bie tjo» 

3 n foleben ©tunben ber SEroefenfjeit fehlt nun miletifdben Hilfsmittel ton Stufen, 
tor allein ber richtige, ben eigenen ©eift feffelnbe dürfen roir fie beun aber in biefer Sßeife be« 
unb padenbe Oert, bentt baS Buflefen ber Sterte näßen ? BkSßnlb beim niebt, fo nur bie tolle 
roäbrenb ber Baftoralbefudje bringt bodß nicht Bflidbt gefebiebt, fo roir immer fleißig unb betenb 
eine fo reiebe ©rnte ein, roie manebmal behauptet finb, nie biefe Hilfsmittel ju OrägljeitSbrüden 
roirb, unb bie Bibel ijl in foleben 3 f il*t tote ein beitüßen unb nie nnfelbftftäiibig arbeiten, 
mit föftlieber fjrucbt bebangenet Baum, ohne ©S mag jroar eingeroenbet roerben, baß beS 
baß mau jur SBabf fommt. BrebigerS Her} unb ©eift immer einer reichen 

Oa greife ich benn ju meinen beften bomile» ©ebaßtammer gleichen feilte — unb roir geftefjen 
tifeben jßerten, unb febe mit beftänbigem Blief gerne, baß bie geiftlidbe 'Dürre manchmal aus 
auf bie mieb umgebenben Umftänbe unb Ber» ben bunfeln ©teilen in unfern Hei'seu ftanimt. 
baltniffe, roaS meine Sieblinge 3 U bieten haben. .Buch hilft aufrichtiges, brünftigeS ©ebet febr 
Biefleicbt finb eS jroei, tier, sehn B^higten, bie oft ohne jebeS anbere Btittel. Bber eS lommt 
burebblättert roerben, ohne baß gefunben wäre, boeb auch tor, baß bie innere 5 roden beit fi<b 
(Snblicb taucht baS rechte SBort auf! OaS bat roeiter erftreeft, unb ber Herr 311 nuferer weiteren 
gesiinbet; mit bem fann ich allenfalls etroaS an« Oemütljigung nicht gleich erhört. Bleibt man 
fangen. ba bei fiel) befteßen, fo roirb gewöhnlich baS Sie« 

Unb nun roieber jnr heil, ©ebrift. ©ebanfen fultat fein, baß ein falfdjer ©efidbtspunft erfaßt 
roerben gefaminelt, benn felbftftänbig foll felbfi unb ber Stert griinblicb ruinirt roirb. 
in geiftlicber Oürre gearbeitet roerben. Buch ent» OaS 311 bermeiben, 311 prüfen, ben Btoßftab 
fleht tiefleicbt ein Blan. Bber baS Btaterial an 3 it(egen, uns 311 roedfen, ju erbauen unb an» 
reicht noch nicht 311 . Oa finbet ficb benn in ben suregeh, basu roerben bomtletifdhe Hilfsmittel 
homiletifdhen Duellen mancher ©ebanfe, manche febr mißlich fein. 

Buroenbung, bie gebraucht roerben fönnen. @nb« 


Pie todjter be* Pad)ttt>ad)ter0. 

Bearbeitet bon Bwf. tippert. 

eun ©dhläge ton bem Oburine beS rebtfamfeit feiner Oocbter berbanfte, baß ber 
alten BatbbaufeS einer- Keinen Bürgermeifter ihn nicht fdfjon längft feines 
beutfdheu ©tabt gaben baS 3ei<ben BoftenS enthoben batte, 
sur ©infteflung ber OageSarbeit. 2öar eS ein SBunber, baß fie bie Satemen beS 
Oie miibe Bäbterin thut ihren „SRotbcn Sötten" ober ber „©olbenen ftrone" als 
leßten Babelfticb; bie Orefcber in fnlfcbe Seucbttbürme anfah, unb mit ben ©ter» 
ber ©ebeuue [teilen ihre Orefcbflegel in bie ©de; nen 2Ba<bt hielt, um auf bie ©timme ihres Ba» 
baS SBeberfdbiffcbeit ruht in feinem Hafen ton terS 3 U laufeben ? 

©arn; bie Obilren ber Häufer roerben mit einem Oie neunte ©tunbe faub ben Bater nod) mun« 
fröhlichen ,,©ute Bacbt" gefdhloffen, roäbrenb in ter unb pflidhtgetreu. @S roar bie Blitteruacbt 
ben SBirtbSbäufern bie Santpen geller brennen, unb bie frühen Btorgenftunben, welche bie Be* 
bamit ja feiner ber ©äjte fein 3'd berfeljle unb forgniß beS BJäbdhenS erroedten. Bis feine 
baran torübergehe. ©timme bie sehnte ©tunbe noch feft unb piiuft» 

©0 roenigftenS buchte bie junge Oodbter beS lieb anfünbigte, legft fie ihren ftopf auf baö 
ftäbtifdben BacbtroäcbterS, beffen ©timme in leß» fJenftergefimS unb terfudbte ein wenig 311 ruhen, 
ter 3*it ficb mehr iin luftigen greife ber 3f<v* Berhaßte BJirthShouSlaternen, ein taumeln» 
brüber hören ließ, als in ber BerH'titbigung ber ber Bater, ein brobenber Bürgermeifter unb 
©tunben ber Bacbt, unb welcher es nur ber Be» grimmige Brmutb, alle biefe ©cbredbilber rour» 



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512 


großmuttrc tuA Änktlin. 


IQ (Iroßmutter uni (fnhrlin. *31 


(Httie (Sefätdjte o^tie Worte. 



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Pi t Sodjter öes Padjtmiüljter«. 


513 


ben berbannt, als ihre lugen ficß in gefunbem 
Schlummer fctjloffen. ldj, nui gu fdjnelt foQtert 
biefe ©über in greller Sirtlichfeit mieber er» 
feinen! 

@lf Uf)t! @ie war üoflfommen road). ©benfo 
wie ber lachtmädjter, melier bie ©tunbe butd) 
ein luftiges Ürintliebcßen angeigte. 5)aS junge 
Häbcßen haßte biefen ©efang, melier an baS 
Zechgelage ber Jrintbrüber erinnerte unb nur 
gu oft ber teßte roat, melden ber truntene ©ater 
gu fingen bermochte. ©ie hätte Diel lieber baS 
alte lacßtroächterlieb gehört, baS in bielen beut» 
(eben ©täbten fo beliebt ift unb baS mit ben 
Sorten fd&ließh 

„HTenfd?eni»adjen fann nichts näßen, - 
«Sott muß toadjen, «Sott muß fdfüßen." 

S)ie8 märe im ©inflang gemefeit mit ihrer 
eigenen ©ülflofigteit unb berjeuigen beS Hädj= 
terS, meld)er oieHei«ht jeßt fdjon in ber Straße 
herumtaumelte, bie nur gu oft fein fiager anftatt 
ba§ lebier feiner nächtlichen Sacßfamfeit ge» 
mefen mar. 

Hit gurdjt unb ©offen ermartete fie bie 
näcßfte ©tunbe. ©iele Häbdjen ihres llterö 
hätten baS ©erannaßen ber HitternacßtSjtunbe 
gefürchtet, aber ihre lugft mar gu fehr mit ber 
2Birtlid)leit bertnüpft, als baß fie ftd^ bureß bie» 
jenige ber ©inbilbung Derbrängen ließ. 

®ie Sone ber HitternadjtSgtode Derhallten 
Iangfam in ben oeröbeten Straßen, aber beS 
©aterS Stimme mar nicht gu hören, ©ie fnufchte 
mit gurüdgeljaltenem Ithcm. SiefeS Scßmeigen 
überall; jeßt — nein — ja bod) — ein paar 
abgebrochene fiaute, ein fcßmacheS Sailen, mar 
alles roaS fie oernahm. 

Sieberum hatte ber teießtfinnige ©ater feine 
Pflicht Derfäumt. ©«hlaflofe ©inrooßner mar» 
teten bergebenS auf feine Stimme; bei ©onnen» 
aufgang tonnten ihn bie Arbeiter betrunten unb 
fdilafenb in bem Spore eines ©aufeS fiitben unb 
alles mar berloren. D, marum mar fie fein 
Hann? 

©ine anbere lange ©tunbe berging; rubloS 
f«hritt baS Häbdjen im 3*nrmer auf unb ab. 
@S fcßlug ein Uhr! ©ie lauste nochmals ge» 
fpannt. UeberaD ^crrfc^te tiefes ©«hmeigen. 
©lößlidj tarn fie gu einem ©ntfcßluffc. ©inen 
lugenblid fniete fie ttieber in ftillem ©ebete, 
bann löfcßte fte mit gitternber ©anb bie Campe 
aus, bertieß baS ©aus unb betrat mit eiligem 
©«hritte bie buntle Straße, nur Don bem ©e» 
banfeit an ben berfäumten ladjtroächterbienft 
unb bie bamit perbunbene ©«hanbe beS ©nterS 
geleitet. 

Sährenb biefer nächtlichen ©orgänge im ein» 
fachen laAtmädjterbäuScljen fißt im erften ©aft» 
häufe beS ©täbtcßenS ein ernfter, gelehrter Hann 
auf feinem 3immer unb beugt in eifrigem ©tu« 


bium fein ©eficht tief über ein bor ihm liegenbes 
lotenblatt. 

„Seid) eine traurige alte ©tabt bieS ift! licht 
eine eingige gute Stimme ließ fi«ß heute Ibenb 
beim ©oncert hören," brummte er, inbem er 
na«h ber Uhr faß. „©in jlrinfliebcßen um elf 
Uhr bon einem angeheiterten la«htroä«hter, ein 
elenbeS 3,°hlen aus berfelben Äeßle um groölf 
Uhr unb jeßt ift es gehn Hinuten nach ein Uhr, 
mein ©eßirn boü loten unb um mi«h herum 
fein einiger Son. traurige ßleinftäbter! Iß, 
aber maS höre i«h ba?" 

„£jört, il;r Herren, unb laßt’s eu«h fagen, 

<E i n Uhr hat Me <Slo«f’ gefcfylagen. 

«Einen Ejerrn unb einen «Sott, 

Z>er uns hilft in aller Ztoth- 
UTeufchenvachen fann nichts näßen, 

«Sott muß wachen, «Sott muß fdjüßen, 

«Er in feiner ewigen macht 
SchenF uns eine gute tlacht. 

®er alte ©ert mar aufgefprungen unb laufihte 
auf bie flarett, hellen Söne, roelcße bur«ß bie 
©title ber Hitternadjt an fein ©h r Hangen. 
Sie angegaubert ftanb et am fünfter; nochmals 
tönte bie Stimme fefter unb flarcr als borßer 
burdj bie Suft; feine gange ©eftalt gitterte bor 
lufreguna. 

Seine Zuhörer unb foldj eine Stimme! S)aS 
mar nid»t ber ©efang eines Henfdjen. „Iber, 
ob ©ttgel ober ©eift, beine Stimme muß ich 
haben für bie ©offapeüe beS SönigS." 

3nbem er bieS fugte, hüllte er fid) in feinen 
©elgrod unb eilte hinab auf bie Straße, ©in 
Hantel flatterte foeben um bie ©de unb er folgte 
ihm in feßroeigenber ©aft. 

ladjmalS berfünbete biefe fonberbare la«ht» 
mäeßterftimme bie ©tunbe. Uumilltürlich ftanb 
bet Heifter ftill unb entblößte fein ©aupt. 3)ann 
eilte et meiter. lachbem er um. bie ©de gebo» 
gen mar, gemährte er bie ©eftalt mit bem Han» 
tel in einiger ©ntfernung bor fief), mie ein treuer 
Seichter hie unb ba ftiüe ßaftenb, um in biefe 
ober jene ©de ober in bie ©öhe gu bliden. 

Iber biefer leife 2ritt unb biefe garte ©eftalt 
mar nicht bie eines Hannes, ©errounbert feßte 
er feine ©erfolgung fort, ©lößlidj ftanb bie 
©eftalt ftiH unb beugte fi«h über eine bunlle 
Haffe, mel«he im Schatten eines ©aufeS lag. 
©orfießtig naßenb hörte er einen Seufger unb 
bann bie flagcnben Sorte: 

„©ater, lieber ©ater, bieS ift beine ladjtmacße, 
ftehe auf unb rufe bie ©tunbe aus." 

35et bide Körper am ©oben berfudjte gu ge» 
hortßen. „Sie biel Uhr ift eS?" 

„lach ein Uhr! ©itte, ©ater, roieberßole maS 
ich bir borfage. ©ebeufe, maS bu bem ©iirger» 
meifter besprochen haft!" 


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514 


JMffr unb Pflt. 


Siit Snftrengung braute er bie erften gwei 
3eilen beS oben angeführten SSerfeS ^evOor; 
bann fallt er «lieber gurüd unb ertlärte hrum« 
tnenb, bafe er feine Sieber niiffe. 

Die mäbchenhafte ©eftalt fang mit einet 
Jfraft, welche ihr nur bie IBergweiflung geben 
tonnte, bie Schlufeworte: 

„(Einen £?errtt unb einen (Sott, 

Per uns fjilft in aller Ztotf}. 
menfcfyenmadjen fann nidjts näßen —" 

„Sein, wahrlich nicht» wie hierher tfaflift. 
Sie hoben Stecht, wenn Sie fi<h nach befferem 
Schule umfeben," fiel hier ber unbeobachtete 
Sanfter ein, inbem er mit bem |>ut in ber £anb, 
einen mitleibigeu 35licf auf baS Siäbchen wer» 
fenb, au? ber Dunfelljeit herbortrat. „Doch ich 
oerftehe jeftt bie Sage ber Dinge. 34 wiß 3hnen 
helfen, 3h«n Sätet nach £aufe ju bringen, 
unb bann miß ich ftott 3hrer bie übrigen Stirn» 
ben ber Sacht SBachtbienft thun. Sine 5rau 
foflte niemals einen folch gefährlichen Dienft 
oerridhteit." 

„34 fenne (Sud) nicht, unb —" hier brach fie 
bie Uuterrebung mit einem Seufger ob. Die 
folgen ber fonberbareit Situation machten fte 
bebeuflidj. 

„Fräulein, ich bin ber ßapeßmeißer beS Kö¬ 
nigs," erwiberte er, padteben alten Sacht Wächter 
am 9(rm unb gab ihr mit einer £>anbbemegung 
ju berfteheu, ihm ben 2Seg gu »eigen. 

Sie gehorchte fchweigeub. Sangfam bewegte 
fich bie fleine ©efcllfehaft burch bie bunfeln 
Strafeen, bis bor beS SadjtWä4terS £auS £alt 
gemalt Würbe. 35er ffapeßmeifter trug ben he» 
finnungSlofen Stann hinein. 


Sachbem er beitfelben auf fein Säger gebracht 
hatte, fagte er ermuthigenb gut Dod>ter: „Sie 
haben wahrlich tapfer bie Pflicht beS 33aterS er» 
füßt. ©ott war in ber $hot ein ©ott in ber 
Soll} für Sie. fürchten Sie nichts. Sie werben 
bon mir hören, fobatb 'mein Sachtmächterbienft 
gethan ift." 

Die übrigen Stunben ber Sacht füubigte bie 
tiefe Safeftimme beS föniglidhen «apeflmeifterS 
pünltlich an. 3)aS junge Stäbchen hörte bas 
®4o feiner fieberen dritte bis gunt frühen Stör» 
gen in ben ruhigen Strafeen. 

Sin Storgen War bie Aufregung unter ben 
Sewohnern beS StäbtchfnS grofe. Ueber ein 
halbes Dufeenb berfdjiebener Sadhtwächterftim» 
men hatten bie guten Seute gehört; oom lär» 
menben Üritifliebchen unb bem ©efaitg eines 
©naelS bis gur tiefen Stimme beS leibhaftigen 
SBöfen wufeten fich bie Saddam gn ergäben, 
©ine Deputation bon ^Bürgern begab fid) gum 
SBürgermeifter unb berlangte eine ftrenge Unter« 
fuchung. 

Sber biefelbe fanb ni4t flott; man tarn ber 
Sache nicht auf ben ©runb. Statt bejfeit ging 
bie Seuigfeit bon Stunb gu Stuub, bafe beS 
SachtwädhterS Do4ter mit bem ßapeflmeijter 
beS Königs, welker ji4 auf ber Suche nach 
einer guten Stimme befanb, nach ber $aupt« 
ftabt reife. 

Unb bie abergläubigen Semofjner bef^lofN, 
bafe ber neue Sachtwächter anftatt ber luWjpn 
Drintlieber bie alten, ehrwiirbigen Sßerfe fingen 
fofl, bie fie in jener benfwörbigen Sacht bon 
ber Stimme eines ©ngels bernommen hatten. 


-— 

und 


ort feiert nadj laugen (Jafyrten 
€in Sdyiff 311m trafen ein, 
Kings grüßt es blauer fymmel 
Unb lidjter Sonnenfdjein. 

(Es t^at bas UTeer burdifafyren 
3 m Sturme tueit unb breit, 

ÜTit IDogen oft gerungen; 

ITun iß’s 3itm Kuljen geit. 

€s birgt gar reiche Sd? 5 ße 
Dom fernen, fremben Straub, 
Pie tjat es treu gefütjret 
§um lieben fjeimatlßanb. 

Unb tuenn fie ausgelaben, 

So 3ie^t es tuieber aus, 

Sudyt neue 311 ben alten 
Unb fütjrt fte treu nadj f^aus. 


So roeite IDattbe^üge 
CCt^ut audj ein menfd^entfer} 

Unb fann babei erfahren 
(Sar rief an ^Jreub* unb Sdfmer). 

€s ftürmet burdj bas leben — 
Pas iß ein milbes meer — 

Port brol>’u gemalt’ge Stürme, 
Port Kiffe rings untrer. 

<Es giebt nur einen lootfen. 
Per fennt bie Reifen afl\ 

Darauf ßdj munb geßoßen 
Sdjon Schiffe otyte gatß. 

Podj oft oerfdjmäljt ber Schiffer 
Pen £ootfen treu unb gut, 

Unb rnill allein ßdj ßeuern 
3 n feefem Uebermutfj. 


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di« griff oon glr. dlabftone. 


515 


Da fetjt ein Hiff! — gerftofjen 

6at ber it^rt nodj oernommen 

Siuft nun bas Sdjiff 3 um (5runb, 

3ft er bem Huf bereit; 

Da null ben £ootfen rufen 

Dodj ruf iljn, ftol 3 er Sdjtffer, 

Der tobesbange Ittunb. 

IDenn noefy 3 um Hufen geit. 


Ä. 




(Sin Urirf tum Dir. (SUabfhmt über bau Stubium brr Dibel. 



tgingefnnbt Mn 0 . ftitnafh 


ine englifdje 3 e '* un ft lürglicß 
folgeitben ©rief beröffentlicßt, tuel* 
c^eii Btr. ©tabftone, gegenwärtig 
elfter Btinifter ber Königin ©icto= 
rin, bor einigen fahren nn einen 
(fünften j„ Btanchefter, welcher 
ißn um einige fRatßfchläge bejitglicß ber Seitung 
einer Bibeltiaffe bon ©rwacßfenen gebeten hatte, 
richtete. 

„©ertßer Herr! ©§ ift mir gang unb gor 
unmöglich, 3ßrfn Brief in einer SBeife gu be» 
nntmorten, welche 3ßrer ©rmartung, bie ©ie 
mir lunb gnben, unb beS ©egenftanbeS, ben ©ie 
mir unterbreiteten, mürbia ift. Aber ich wollte 
Offnen einige 3cil e n, welche 3ßnen gum wenig» 
fteu meine ©bntpathie auSbriicfen, Welche mir 
3bt ©unf<ß, bie im göttlichen ©ort enthaltenen 
©cßäße fich gewiffenhoft gu Bußen gu gießen, 
einflößte. 

©S ift Wohl überflilffig, Sie aufmerffam gu 
machen auf unfer Bebürfniß, Sicht oon Oben gu 
haben, auf bie ©flicht, biefeS Sicht gu fließen, um 
wachen gu löuneit gegen unfere ©inbilbungS» 
traft, unb um bie $>emuth gu bilben. 

©eiter brauche ich wohl nicht baran gu er« 
innern, baß ©ott wäßrenb langer Saßrljunberte, 
welche oor uns gemefen finb, ein Bol! gehabt 
hat, meldje8 er treulich geführt, unb bah wir 
nicht bie erjten finb, welche gu ben bur<h ©ßriftum 
unb feine Apoftel eröffneteit HeilSquelien tarnen, 
um barauS gu fköpfen. 

$cß bente, baß Sie im wichtigen ©tubium ber 
©cßrift eine regelmäßige BerfaßrungSart beob» 
achten werben, bamit ©ie gu bofttommenen unb 
feften Aefultaten gelangen. 3n biefer Hinficßt 
empfehle id* 3ßuen — ob ©ie gur anglifanifchen 
.ftircße gehören ober nicht — bie Tabelle, auf 
welcher Bibelabfcßnitte für jeben ©onntag ber« 
geiebnet fteßen. 

Aiißerbem erlaube ich wir, 3h»en folgenbe 
gmei Bunfte borgulegen: 

1) $er 3*oect aller 3hrer Bemühungen muß 
ber fein, baS ©hriftentßum in Gßrifto felbft gu 


erfaffeit, bem Heilanb näher gu tominen unb 
feinem Bilbe jiets ähnlicher gu werben. S)ie 
©bangelien, welche und beftänbig biefeS hoffte 
unb bollfommenfte Bhifterbilb borhalten, hoben 
ein 9tecßt gum Borrang über afle anbern Bücher 
ber Bibel. 

2) ©rinnere ich ©ie baran, baß bie heiligen 
©Triften nach JWei berfeßiebenen Abfi<ßten an« 
gewanbt werben tonnen: ©ineStljeilS um bie 
©eelen gu nähren, unb anberntheilS um Sehren 
barauS gu gießen. ®iefe beiben berfeßiebenen 
Anmenbungen tönneu bisweilen fich bermifdßen, 
finb aber bennoeß gwei beftimmte unb in ge« 
wiffer Begießung üon einauber abweießenbe 
©ege. ©ott hat uns mit unterfcßieblicheu Auf¬ 
gaben betraut; aber alle bebiirfen eS, auf ben 
grünen Auen ber ©djrift gemeibet unb au ben 
friftßen BJaffergueDen berfelben gelabt gu wer« 
ben. Bon biefetn ©efidjtspuntte aus betrachtet, 
ift bie Bibel für alle Btenfcßeu bon nnbergleicß« 
licßer ©infacßßeit. Aber wenn wir bie ©cßrift 
als ben ©eg anfeßen. Welcher uns ba§ Biateriol 
gu einem bogmatifeßen Seßrgebänbe gufüßren 
foll, fo berßält eS fieß aitberS; wir tonnen bie 
Bibel in biefem ff all nicht meßr benußen, oßne 
uns borßer mit bielen äußeren Hilfsmitteln unb 
ffiißrern gu berfeßen, ober oßne uns mit bieten 
ftenntniffen auSguftatten, unb befonberS mit ber 
Ifenntniß ber ©ntwicfelHng unferer fReligion, 
einet ©ntmidelung, welcße einer ber bemunbe» 
rungSmürbigfteu SEßeile ber ©efeßiehte ber 
©enfcßßeit ift, unb welcße noch meiner Auficßt 
einen ber ftärfften Beweife für bie ©aßrßeit beS 
©bangelii unb ber Barmßergigteit ©otteS liefert. 

3cß fenbe 3ßnen biefen leichten, feßnefl ge» 
geießneten ©ntwtirf, weil ich weiß, baß, wenn ich 
meine Airtttrort auffeßöbe, um fie bolltommener 
gn machen, icß biefleidjt im ®rang ber ©eftßäfte 
nie meßr bagu fäme, Sßnen überhaupt gu ont« 
Worten, ©mpfangen ©ie mit meinen heften 
©egensmiinfeßen bie Berjtcßtrung meiner aeß« 
tungSbollen ©rgebenßeit. 

©. ©. ©labftone." 


■m 


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516 


Pefttdj in einem $djinto*®rmpel. 


fkfud) in einem Sd)ittto4empel 



Son $rof. 6. Rippert. 


'iepjt bu jenen S<binto*Sempel, bet 
fid^ auf einer Serraffe erbebt, ju ber 
diele punberte don Stufen hinauf« 
führen? Ser ©laß ift febr anjie* 
penb; liebliche ©fabe fcplängeln fiep 
burcp bie grünen ©raöfläcben, melcbe mit jungen 
Sannen bepflanzt find. Socp mir rooflen in baS 
fieiligtpum felbft eintreten, roeldjeS bem Stuben* 
wn gefallener gelben geroibmet ift. Sa» portal 
beS Stempels roirb „Sorii" genannt unb fiept 
bemjenigen eines egpptifcpen SempelS ähnlich. 


blidenben Spiere Betrachten, melcbe ben Eingang 
»um Sempel bemachen, Siefe Seßteren fepen 
foroopl bem fmnbe als bem ©icpborn äpnlicp, 
bon benen unS bie ßeiben fagen, baß fie don 
ben ©öttern als ©otfcpafter gebraucht mürben. 

Ser heutige Sag ift mertroürbigermeife fein 
fffefttag. $u pörft meber latmenben Srouimel* 
fdjlag, noch fiebft bu bie mit tabaliftifcpen 3eitb«n 
bemalten Jahnen. 9lucp ber Slnblicf beS reli« 
giöfen SanjeS ber „Jtfagurä" gebt bir derloren. 
2Bir fteigeu alfo opne meiteren Slufentpalt bie 



Cingang ju einem <Bcfyiitto^einj>eI. 


®S ift nach bem Stple ber japanefifchcn 2Bopn* 
bäufev au? unbemaltem £>olje derfertigt. Ser 
Scpinto*Sempel felbft jerfüllt in brei befonbere 
Speile: ber „Sorii" bilbet ben ©ingang, ber 
„Laiben" ift ber ©ebetsplaß, hinter biefem be* 
merfen mir bie fogenaitnte „©tißa" ober öaS 
Merpeiligfte, and) oft tponfcpa genannt. 

„Scpiu" ift ein cpiuefifcpeS SSort, melcpeS 
,,©ott" bebeutet; „bo" meint 2öeg ober ©fab, fo 
baß baS ganje 2öort „Scpinto" mit „2Beg ober 
fiepre ber ©ötter" ju iiberfeßen ift. ©ei beinern 
Eintritte fiebft bu jur finiten ein fteiiterneS 
©eden, reichlich mit ©Baffer derfepen. ©Beim 
bu bicp alfo orbeutlicp reinigen roillft, epe bu bie 
Slnbacpt beginnft, fo laß unS unterbellen bie 
großen fteineruen fiaternen unb bie mütpcnb» 


Stufen beS SempelS pinan, aber o roep! eine 
nuferer japanefifchcn Srifen pat jene lange 
Srobbel, melcbe an einer Schnur über unferen 
,(topfen perabpängt, in ©eroegung gefeßt unb fic 
ift bir, roie ber Sapanefe fiep auSbriidt, an beiu 
eprroürbigeS Singe gefahren. Sie Heine Unbe* 
guemlicpfeit giebt mir ©clegenpeit, bir bie ©e* 
fepidpte biefer Srobbeln auSeinanberjufeßen. Su 
rneißt, bafe ber ©ott, beffen ©unft bu fuepft, ent* 
meber in tiner Unterhaltung begriffen ift, ober 
lief) auf Steifen befindet ober dielleicpt gar fcpläft. 
Sesmegen mußt bu tüchtig bie Srobbel jiepen. 
Siefelbe feßt eine ©locfe in ©emegung, melcbe 
laut genug ertönt, mn ben ©ott aiif beinen Se* 
fuch aufntertfam ju maepen. fjrüper patte jeber 
Slnbicptige feine eigene ©lode, aber bie jeßige 


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Prfud) tn einem $djinto=®empeL 


517 



•in GtyntQJCcafytL 


SRetpobc ift bequemer, ©ine ©tode ift unbe» 
bingt nötpig, benn ftpmt bie grofje 9Ittgapl ber 
©ötter, e§ ftnb beten über breijepntaufenb, ift 
im Stonbe ben ©ingetnen pftidptüergeffen gu 
macbeit. 

SBtidfi bu bur<$ baS ©itter ber gropen Spüre, 
t»or melcpet mir fijjen, fo fiefjft bu einen ruttben 
IDtetaüfpieget unb grofse meifee tBapierftreifen. 
Ser Spiegel ftetlt ben ©lang be§ ©öttlidjen öor. 
Sie ^apierftreifen merbcu „©opei" genannt; fie 
mürben unter bem ©inftuB (pinefifcper SRcligimtS« 
gebriiutpe eingefüprt. Ser ©cift ber ©ottbeit 
fteigt auf itgenb eine mpfteriöfe ÜEßeife gu ben 
„©obei" perab. 

©ine Kreatur, pafb groteäf unb pnlb teufliftp, 
fpielt eine grobe tRofle im japanifdpen Seben, 
unb »erbient befonberer ©rmäpuung. Sie§ ift 
ÜReifter ßitpune, ber begaubernbe länger, ber 
beftridenbe tßerfüprer ber Stcrbtidjcn. ©r mirb 
angebetet in Sserbinbung mit „Sfnari", bem 
SReiSgott, unb ift unter ben ©öttern eine 9lrt 
Sßremierminifier. Selben ift ni» befonberer Sie« 
ner ber fcptaue 3?u<p§ beigegeben, unb ihre Sem« 
pet erfennt man an ben in Stein gebeutenen 
Siiepfen, melcpe am ©ingange 2Ba<pt patten, 
'ttuep ber fedpSgepnte 9Jtif<ibo, roelcper ungefäpr 
300 3apre wor ©prifto regierte, nimmt unter 
ben ©öttern einen popen tJtang ein. SerfRame, 
unter metepem er angebetet mirb, ift „fiatpiman". 
©r ift ein ftriegägott, unb fein geft mirb im 
ndjten ÜRonat unter grofeem 3u(aufe beS $otfe§ 
gefeiert. Stattli^e ©ilbfäuten be$ ftacpitmin 
unb feiner URinijier finb überall aufgeftellt. 


Unter ben ©epintogöttern finb Reben ©ötter ber 
©tüdfetigfeit bertreten. Sie finb bie Sipufc. 
Patrone be§ langen fiebenS, 3teicptpum§ unb ber 
tägtiepen fRaprung. Jfterborragenb unter biefen 
freubenfpenbenben ©öttern ift auep bie japanifipe 
Sßenuä, „Sßentenfama", bie ©öttin ber Scpön- 



•in Xanpeltyurm. 


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518 


pefudi in rinrat 2^into-8ltm)iri. 




Clin fflvabmal. 

I)cit unb Siebe. 3)ie grauen beten fleißig 31 t ibr; 
fie bat eine feböne „Wipa" in ber 9tifd)e Don 
$ebba. $cr ©ott beS SteicbtbumS, mclcber mit 
feinem (acbenben ©efiebte unb luftigen ßoftünien 
aus jebent Wagajin ^eraudfd^aut # trägt bie 
Wiene eine» WanneS, mclcber fid) feiner 
eigenen ,(traft bemüht ift. 

Saut uns sunt Sd^hife noch im Sorüber= 
geben einen Slicf merfen auf baS japanc* 
fifdje Vantbeon. 5Das SBort „jtami", meU 
cbeS bie alten ©ebintogottheiten Don ben 
bubbbiftifeben unterfd^eibet, bebentet eine 
allgemeine Stbatfacbe mie bie 8 uft, melcbe 
mir atbmen; nid)t nur finb bie fiantiS als 
DerebrungSmürbig aiifgejeid)net in ben aU 
ten Siicbern, fonbern Staifer, gelben, alle 
9Zaturfräfte, Säume, Erlangen unb Stfjiere 
finb vir Sergötterung berechtigt. SBenn 
ber ©türm über bie Jfnfel batjinfegt, fo 
beugt ber ^apaitefe feine Stuiee oor bem 
„tärmenben (Botte." 2öenn mir nufere 
Stugen git ber ©onne emporbeben, melcbe 
ihre golbene Jlügel über Serg unb 2 f)al 
ausbreitet unb überall Seben in ber Statur 
ermedft, fo tönnen mir es nicht gerabe merf= 
miirbig finben, bah ber 3 >apanefein ihr bie 
©ottin ber Fracht oerebrt. $ie ©onnen= 
göttiu ift bie Stammmutter ooy |)inmu 
Stenno, beS erften ffaiferS. ®ie beiügften 
Stempel ber „bimmelerleucbtenben ©ö’ttin" 
finb bie Stempel Don Stfe unb fie finb bem 
frommen ^apanefeit maS 9tom bem Jtatljos 
litert ober ^erufalem bem 3 uben ift. 

Biadjbein tpir nun einige ber oornebm* 
ften japanefifebeu ©ötter unb ©öttinnen. 


fomie beren Stempel betrag 
tet buben, moüen mir einige 
Slicfe auf ben nn)tbifd)cn 
Urfprung ber ^apanefen unb 
ihrer Religion merfen. 

©he irg’enb etmaS gefebaf* 
feit mar, ejiftirte „Clmbora" 
ober ber uitcüblicbc Man in. 
3 n feinem Sereicbe eriftirten 
brei ©cifter. £er brittc bie= 
fer göttlichen ©eifter oerur= 
fad)te bie ©ntftebung einer 
imbeftimmten, unbe|cbreib= 
lid)eit Waffe. tiefer enu 
fprang nach oben bie ©outte, 
burd)fid)tig unb glänjenD, 
nad) unten ber W 011 D in iiefa= 
liebem ®lan$e. Scibe löften 
fid) nad) unb nach bon ber 
urfprünglid)en Waffe loS, 
bis fie felbft unabhängig Don 
berfelben unb Don ihren ©ott* 
beiten fid) im SBeltall bemcg* 
ten. 9luS ber unbeftimm* 
ten Waffe aber mürbe nufere ©rbe. SBähreub 
biefcS Vorgänge» entftanben fünfsebn ©ottbei* 
ten. 2)ie lebten beiben Don biefeu mürben Die 
berühmten Stfanagi unb 3fanami — ber 9lbam 
unb bie ©Da Don Jjapan, meld)e jefct als ©tamnu 


Gin $Ov6jctt«paar. 


Dptized by kjOOQlC- 





Ptfud) in rintm BdjintO’fÜempel. 


519 


©tamm=©ltern ber fünftiflen Sapanefen auf» 
treten. 

©ogar jene fJuli’8, melcbe an einem ©tocfe 
über bie ©cbulter ©iiner mit SBaffer b>» unb 
bertrageit, unb jene ffifcboertäufer, bereu ©e» 
fcbrei bie ©traße erfüllt, fie flammen alle Don 
bicfem göttlichen Ißaare ab. grembe SBölter 
mürben Don anberen ©öttern iit’S Sehen ge» 
rufen, ober feierlich nicht Don Stfauagi unb 
Jfanami; biefe batten e3 nur mit 3apan unb 
beit 2fapanefeu gu tbun. 9hm paffirte es aber, 
baß uad^bem ber japanifcbe Slbam unb feine ©oa 
biefe# 2anb geschaffen batten, bie hübfcbe @öt» 
tin ben bösartigen fjeuergott gebar, unb Dor 
©chrerfeu in bie fjölle floh. Ulbam, welcher ficf» 
nach feiner ©attiu febnte, folgte ihr in bie unter» 
irbifcpen Stegionen. 2)ort ergriff ibn jebodj 
namenlofe Singft unb Dor ©ntfeßen flob er gur 
Grbe guriicf, mo er in einem fjlufe babete, um 
feine frühere Steinbeit mieber gu erlangen. 
SBährenb biefe# SabeS traten Diele ©ottljeiten 
in’S Sehen, unb guleßt entftaub beim SluSmafcben 
feines linfeu SlngeS bie ©onnengöttin, welcher 
3apan als befonbereS ©rbe gufiel, unb gmar auf 
folgenbe Jßeije: Slbnm nnb 6Da batten unter 
ihren Stacbfoinmen einen ©ott bon munbevbarer 
Äraft. @r regierte 3apan meife unb gut, unb 
gibilifirte baS Sanb. 91 ber bie ©öttin ber ©onite 
mar etjrgeigig unb mollte, baß ibr eigenes ©ufel» 
liub über 3apau betrfcbe. ®mc<b feine $n» 
trigueu brachte fie bieS gu ©taube. 2>er ©nfel 
gog über bie SBolfenbrücfe, welche bamals £>im= 
mel unb @rbe oerbaub, angetban mit feinen 3n« 
figuien, ©cbroert, ©tein unb ©piegel, in fein 
Steicb ein. 



in ©<$intp*^riffier. 



Sine ZAngerln. 


Oer entthronte &errfcber flieg bom Fimmel 
herab, unb fam in bie ißrobing bon 3bgumo. 
Oort fab er einen ebrmiirbigen ©reis, welcher 
bitterlich weinte. „SBarum roeinft bu?" fing 
ber ©ott. „Oer große Oracbe fommt mieber, 
unb bieSmal berlangt er mein ftinb als Opfer," 
autroortete ber Sllte. ,,©ieb mir beine Stocbter 
gur ffrou, unb ich tobte ben Oracben," ermiberte 
bet entthronte ©ott. Oer ÜBater mar bamit gu» 
frieben, unb ber ©ott begab ficb an’S ©eeufer, 
mo ber brache Derftecft lag. £ier lodte er ben» 
felben bureb ein ©efäfe mit beraufebenbem ©afo 
heran, liefe ihn ficb an bemfetben beraufeben unb 
hieb ihn bann in ©tücfe. 3it bem ©dbmange 
beS Oracben fanb er eine itlinge, bie jeßt noch 
im Stempel gu „Ulme Sterafu" aufbemafert mirb. 

Oer Söobnort ber Dielen ©ötter ift gänglicb 
unbeftimmt; ebenfo ber Slufentbalt unb baS 
Oafein ber menfeblicben ©eifter nach bem Sobc. 
^a ber gange japanefifebe ©laube ift unlieber 
unb unberftätiblicb; mir müffen uns munbern, 
bafe ein folcb leeres, fabeS ©tjftem fo lange über 
ein Soll gefeerrfebt bat. ©eine ©runbiiiße Der» 
laugen, baß bie SJtenfcbeu nach bem SJtufter ihrer 
©öfter unb gelben leben foflen; fie berachten 
alle Uureiuigteit unb alles Softer, aber ihre 
©ötter unb ihre eigene ©jifteng nach bem Sobc 
fiub ihnen etroaS OüftereS. 

Unter ihren (Zeremonien ift eine, bie unterer 
gtinbtaufe ähnlich fiebt. 'Jim breifeigften jage 
nach ber ©eburt mirb baS ßiub in ben Stempel 
gebracht, mo bie Sermanbten für baffelbe beten. 
®om brüten 3>abre an muß baS ffinb alle reli» 
giöfen Uebungen mitmacbeu. Stach bem ‘Jobe 


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520 


(Sin Opfer ber leibenfdjaft. 


roivb bie Cetebe beS tiefen in ein roeißeS 
lud) gehüllt ben ^ßrieftern beS Häuften lern* 
pelS übergeben; bie Perronnbten [teilen auf einen 
5ßult neben bem $opfe ber Seiche SteiS, ©ein 
unb 5nnf)t, um bie Seele beS 33erftorbenen gu 
tröften. liefe Stationen für ben lobten toerben 
49 läge lang meiter geliefert, 3n ben Sarg 
merben außerbem noch eine für bie 3nhreSgeit 
paffenbe Äleibung gelegt, foraie ein Sonntags* 
angug, ein £ut unb ein Ueberrod. 3lu(f» mit 
einem mit Kleeblättern gefüllten Jtijfen roirb 
ber "lobte oerfebeu. Rimbert läge nach bem 
lobe roirb eine fteinerne Säule errichtet, um ben 
leßten ittubeplajj gu fenngeichnen. Später roirb 
ein öotjevuer ^fofteu iit ben ©rabfjiigel gefegt, 
meteber ben Stauten unb baS Sitter beS Serftor* 
beneu trägt. las ©rab mirb mit einem SJatn* 
biisftäbcben eingegäunt. Slud) SMumen bienen 


manchmal ginn Schmude ber ©räber, boch roer« 
ben biefetben nicht fo häufig ba*u oermanbt als 
roic bei un§. 1er bom jopanefifchen Sßolfe gead>* 
tete unb geehrte jtirfchbaum ift in ber Stäbe beS 
le&teit StuheplapeS gu finben. 3 m ©angen 
macht ber japanefifche ftirchbof einen traurigen 
©inbrud auf ben Skfudjer. Slm lobeStage 
merben bie ©räber ber Sfcrftorbenen befucht unb 
meitläuftige Getetnonien finben an bemielbeit 
ftntt. loch ber einfache Schintoqotte-bienjt 
fomobl als fein Stebenbuljler, ber prachtliebcuDe 
SBubbbaiSmuS, finb im SItiSfierben begriffen, 
ler ©inffuß beS ©briftenthuutS macht fiep fühl« 
bar. laS 'Jteich ©otteS nahm auch hier leinen 
Slnfang Kein roie ein Senfforn, aber bie 3eit 
ift nidjt mehr fern, in melier unter feinem 
Schatten and) bie 3opanefen baS »nähre &eil für 
ihr 33olt finben »uerben. 



(Eiu (Opfer Der J?ciDcufdjaft. 

Sion 28 . @ (jünger. 

*5 tr (Sortfebunfl.) 

2» „i. 

icber tarn ber Ijerr* 
liehe Frühling unb 
mieber mar eS 
IjSalmfonntag. 
mar mar am Worgeit ber 
Fimmel beroöllt, ber Um* 
gug im Ihal fchien oereitelt 
merben gu rooflen unb bie 
fieutchen im lörfdjeit .ft. 
fchauten berbrießlid) auf 
jum £>immel, mo es gang 
grau auSfal). Üalb aber 
iourbeu bie SJtienen beite* 


rer, bie SBolfen theiiten 
fich, baS fd)öne SMau lugte 
mieber beroor unb gegen Wittag mar ber #im» 
mel fo blau unb dar als je. lie ftrübliitgS* 
fonne fanbte ihre märmenben Strahlen gur ©rbe, 
alle? grünte, aller regte fich- Wunter fangen bie 
Sßöglein unb luftig {prangen bie ^unflen. 3n 
einer 2Bod)e mar ja bar Cfterfeft, mo ber Öfter* 
hafe ihnen bunte Gier legte unb auch ber fßalm* 
fonntag mar ihnen immer ein Sreubenfeft. 2öie= 
ber bemegte fid) fingenb ein 3»ft langfam thalauf 
unbthalab unb mieber ertönten bie fdjönen alten 
Gljoräle. Oben in ben SBeinbergcit [taub roie 
immer eine Schaar Steugieriger, bie fid) ber Statur 
freuten unb bem ©efang (aufchteit. lie 6rfab= 
nntg lehrt ja, baß biefer uon ber fjerne in ber 
Stegei lieblicher tönt als in ber Stäbe. SSer ein* 


mal in ber Stacht ans ber $eme lieblichem @e- 
fang gelaufcfjt hat, roeiß baS gu begeugeit. 

let ehrmiirbige ^farrherr unb feine fünfte 
©emahlin gingen am SIbenb oben in ben SBeiit* 
bergen fpagiereit unb freuten fich ber untergeben* 
ben Sonne, lie '-öeiben gehörten gu ben ©lüd« 
liehen, bie für bie Steige unb Stimme ber Statur 
Sferftänbnifj hoben, bie in jebem ©rashalm, je* 
ber SMume bie SI(Imacht unb ©iite ©otte-3 bemuit« 
berit. ©beit jefct fanbte bie fcheibenbe Sonne 
ihre lepten Strahlen alles bergolbenb über Söalb 
unb C>ügel unb mahnte bie ißeiben an ben all» 
gütigen Schöpfer unb gu ihm ftieg ihr lanl. 
ler Sßfarrberr mar ein behäbiger Wann mit 
mohlmoüenbem ©efichtSauSbrud; feine ©attin, 
©life, eine liebe fünfte fyrau, aus bereit fanften 
Singen ein garte» öranengemiith fprach. 

„lort fommt ber SMtrgermeifter," fagte eben 
jejjt ©life, bie 3ofob — benn er mar eS — bon 
ber anberit Stiftung her (angfam ihnen entgegen 
fommen fah- ©r hotte fie offenbar noch nicht 
bemertt, bemt er ging gefentten $anpteS, bem 
Slitfdjein nach tief in ©ebanten oerfunten. 

„6r geht traurig unb in fich gelehrt," öerfejjte 
ber ipfnrrherr. ,,©S roiH mir oft öorfommen, 
als ob ihn geheime Sorgen quälten. 3fh fucljte 
fchoit oetfchiebene Wale mit ihm gn fprechen, 
aber fann leine ©elegenheit finben. 6r fcheint 
mir auch öfters auSgumeichen. 2BaS ihn rooljl 
quälen mag? ©r ift gegenmärtig fehr feiten in 
ber Äirdje, meit feltener als früher. Wir tbut 


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(Sin ©pfer btt fetbenfdjnft. 


521 


eS leib um ben Wann, beim et hot baS 95er* „93?iinfd)e ^ Oncii angenehmen Spajiergang," 
trauen bcr 93iivger, auct» bemaltet et fein 9(mt fagte er fdjnefl in erjmimgeucr hrrrijdjcr £i)f* 
§n allgemeiner 3«fti«beit^eit. Seilt ganjeS 93e* lirfjfeit, bie il)m, bem Saiibmaim, ^erjlic^ fehlest 
nehmen aber erregt 3weifel in mir; eS muf; finub. 

irgeub etmaS nietjt verfjt fein. Sfritljer mar er Ohne fid> miebcr ltmjufebcn, ging er meiter, 
gciitj auberS. ©e6e ©ott, baß baS mir 3läiifdjuiit§ 9(ufaugS fdjuellcv, bann micber fo Icmgfam als 
märe." jitbor. G$ mar ihm feljv evmüufdjt, bnfi er fo 

Unb Glife ergänjte traurig: „9Iudj ju $aufe, fdniell beu Grmahnungeit beS 33farrfeerrn au»* 
fdjciht eS, ift nidjt mehr alieS mie früher. Cft gcmidjeu mar. 

ift mir, alb hätte Gfjviftiue, fein Söeib, ftillen $er 95favvfjerr uub Glife faljeu ifim einige 
Stummer, ihre 91tigcit finb öfters bermeint. 9lber 91ugcitblide traurig und), uub fohffdjiitteliib 
fte flagt fRiemanbeu ihr Seib. Sie fdjeint ein fugte ber Grftere: „Gv finf)t mir auSjumeidjeit. 
matfercb Seib §u fein, ich hob’ fie immer geliebt." 9l'ie fdimer ift eb bodj, feine Seelforgerpflidjlen 
„3a fie ift eilt bratH’b 2Beib. 3fch hörte fie auSjuiibeii, meun ber TOcnfdj allen auch noch fo 
tiodj nie über ihren ÜWaitn flogen, mo§u fie Diel* gutgemeinten Grmahuuiigcn auStoeicht. Uub 
leicht Uvfadje hätte. 911b eine treue (Sattin be* boct), idj meifeuidjt mie eS fommt, aber ich höbe 
hält fie ihren .fiunnner bei fi(h. £a fdjmeigt fie ein befonbercS Sntcrcffe für ben 93itrgermeifter, 
am liebffen gauj." trofebcm er meine 9?älje meibet. Gr mirb immer 

„9BaS mag mohl bie Urfadje ihres SfuinmcrS berfcfeloffcncr. 3dj fürd)te, er hat fich in Schmie* 
fein ?" fragte Glife. rif§feiteu oermidclt. GS thut mir febr leib, bah 

„tn SBiivgerineifler berfefert biel mit bem er fidj bitrchaub nid)t morneit läfet Do* - feinen 
gottlofen Schmieb uub bem Dürftigen TOiifler, gottlofen ©enoffcn. GS miirbe fogar einen ftar* 
tinb ihnen trau’ id) nichts ©liteS §ii; bie jieheu feuGfjaroftrr jiemlidjauf bie Ißrobe fefeen, meun 
ihn uod) in ben 9lbgrunfe, meun er fich uidjt lob* er in folcfeer ©efellfdjaft fid) bewegte, uub ber 
reifet. 3<h hohe bange ikfiitdjlnngen für ifjii IBürgermeifter hat leiber nicht biefe fjeftigfeit beS 
unb bie Seinen. — S'od) ba fommt er näher; GharafterS." 

er fieht uns noch niiht. 90ir mollen ihn griifeen." So fbrach ber ipfarrljerr, julcjjt faft §u fich 
„©uten 9lbenb, SBürgermeifier," griifete bcr feil*ft, unb enblich fliiujeu bie »eiben fdjmeigcnb 
tpfarrherr. neben einanbcr Ijfr, ber tßfarrljerr badjle über 

3afoh blidte erjtaimt auf, als er ben ©rufe 3ofob, Glife über fein 9Beib unb bie flinber 
hörte uub erfdjraf, als er beu tpfarrljerrn Dar nadj.- 

fich fnh. beim er mar feit einiger 3nt einer 9Jc= 3'afob ging finnenb loeiter unb meiter unb 
gegitung ouSgetoichen, Wo eS nur immer aiiging. gab fich nidjt fRedjeitfdjaft mohin. Gnblich ge* 
— 91uch Glife grüßte freuiiblich. ricth er in eine ^orutjalbe, mo ber 93kg mit 

3afob grüfete Dermirrt: „©utett 91benb, fjerr Bornen übertoadjfen mar. ffca ftaub er plöfelidj 
Pfarrer; guten 91benb, ftrau l|5farrcrin," uub ftifl uub blidte um fich. 3»r Sinfeit itadj oben 

K feine 95erlegenheit §it berbergcn, maS aber mar alles mit $ornen übermachfen, Dor ihm 
it gelang. 3 f mehr er fidj bemühte, befto mürbe ber 9lbhang immer fteiler, §u feiner 91edj* 
auffaflenber mar fein Seuehnien. ten mar ein äufeerft jäher ^elfenabljaiig. @an§ 

„3ht toaret feljr in ©ebanfen berfunfen, unten im ‘Jfjale flofe ber 93ad> unb befpiilte ben 
SBürflenueifter," fuhr ber tßfarrljcrr fort. „3he Reifen. GS gefehalj nidjt gnnj ohne Schaubern, 
geht ja fo einfam, lonS 3he bod) fouft nicht ge» meint baS ungeübte 9luge ba hinunter fah- $ier 
roöhnt feib. 3he fehet traurig unb nieberge* mar baS 2d)al überhaupt fehr eng, beim auch 
fchlagen aus. 3ft Glich etmaS UebleS begegnet ?" auf ber onbern Seite erhob fid) ein jiemlich flei* 
„9tein ... 3<h liebe biefe einfamen Spo§ict* ler 9lbbang. 9öeiter founte 3afob nidjt ohne 
gänge," ermiberte 3 n f°h unaufrichtig. Sicim fDtiihe fommen. 

offenbar ging er nicht aus Siebhaberei ba fpajie* „90 ei fl nidjt, mie id) aus biefer klemme fom* 
ren. $er 'fffarrherr hielt eS für beffer, nidjt men foll," murmelte er fiuflerbor fich hin. „91m 
meiter in ihn §n bräugen. 9I1S ffWeufdjeiifcnner ^onnerftag fall idjbrn ^»ivfdjmirth bejahten unb 
rnufete er gut genug, bafe er ihn btirch loeitereS hob’ boch fein C55elb, and) leine 91uSfidjt, melcheS 
Sforfdjen nur erbost hätte. ju befommen. Gr hot mir jiemlich lurj geiagt, 

. „9Bie geht es ju |>aufe, Gurem 9E0eib unb bafe er lange genug geborgt habe. Unb meine 
Gtiren fiinberu?" fragte jefet bie fanfte Glife Sdjufb ift nicht uiibebeutenb. ®a fteh’ich in 
nach fjrauenart. ber Shat mie ber CdjS am 93erge. 933aS ift ju 

„GS geht fo jiemlich gut," mar bie furje 9(nt» thun? 3dj hob’ fein Ötlb unb auch feines m 
toort, ber man amnerfte, bafe auch biefe fffrage 9lnSfid)t, tönnte überhaupt nidjt genug auftrei» 
iäflig mar; beim 3ofob rnufete eigentlich lticfet ben, meine Sdjulb ju bejahten, ^er ^lirfch» 
redjt, mie eS ben Seinen ging, baö hotte iljn in mirtfj roill fein ©elb, unb idjanbcuhalbcr miife 
Ie|ter 3eit rnenig geflimmert. ich ih» ouf irgeub eine SEBeife befriebigen. 3> i m 

38 


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522 


Sin ®pfer irr l’eibettfdjaft. 


@(iicf mciß mein 2 öeib nichts baDott. Hub 
müßte fie’o otidj, maS fümmert es inict»; ich bin 
Herr im HauS. 9lbet ich weiß leinen Dtatfj, fo 
Diel ich mich audj befinne. SaS fönute tnid) baS 
SBertraueu bev teilte foftett. ©türjte idj mid) 
pier herunter, fo märe id) biefet ^äßlic^en Sorge 
loS unb meine Scpulben mürben fefjou bejafjU. 
Dtiemanb müßte, mo id) märe, ©efdjepe bann, 
maS miü." 

Sr trat näher gnm ftelfenabpang unb bficfte 
hinunter. Set faßte ipit eisfalte» ©rauen, er 
fcproenfte bie 9'tiiße unb trat fehneü 3 itrüef. „9iein, 
jeßt miü ich noch nicht fterben. fDlir ift fo fon« 
berbar unheimlich 311 DJtutlj in biefer öbcn ©e» 
genb. Halt! ba tommt mir ein ©ebanfe, baS 
miü ich tfjun. Ser Hirfcpmirtp hat auf bei¬ 
zeiten Halbe" ein Stiief Sanb unb ich ein nid)t 
gernbe fteineä baneben. SaS tret ich ihm ab 
unb er mirb 311 frieben fein. S’ ift ja auch lein 
fo f<h(cd)ter Haitbel. SÖelannt braudtt ba» nicht 
311 merben, mit macpen’S im ©eheimen ab. 
'JJtein SBeib foü’S auch nicht erfahren unb meint 
fie’S erfährt, fo frag ich and) nicht» barnnd). 
9)tih foüeit ihre Shriinen nicpt rühren, burcp’S 
SBeineit bringt fie mich nidht unter ben tpantof» 
fei. SctS rettet mich bor offener Schaube. Sem 
Hirfdjroirtf) mirb auch bran gelegen fein, einen 
guten ©aft 311 behalten." 

3 eßt richtete er fich mieber nach feiner gansen 
Höhe auf, fletterte bann bttrch bie SBeiuberge 
hinauf, um fo 311 m Sorf 31 t gelangen, ohne 
mieber bem Pfarrer begegnen 311 müffen. 92a« 
türlich fühlte er fich ihm entfrembeter noch als 
3 Ubor. 

2Ber aber etma glaubt, 3afoh fei nach Haufe 
gegangen, täufcht fich feljr, beim jeßt ging er 
fcptuirftrnd» 31111 t „Hirf<h"- Sort mürbe bis 
ÜHitternacpt luftig gcjecpt. Sein 2 Öeib lüininerte 
ihn meniger als je. Unb mie berhiett fie fich? 
©ut genug hatte fie ba» buntpfe Saljinbrüten 
in bett leßteit Sagen benterlt, aber nie ein He *3 
gehabt, nach ber Urfacpe 31 t fragen. Sa her fiel 
tht bie ptößliche SJeränberititg fogleid) auf. 3 a* 
fob murbe inbeß immer fcproffer. Sen Sag 
barauf hatte er ben heimlichen Vertrag gefeploffeit 
unb ber Hirfchmirtl) — nun natürlich — mar er 
3 ttfriebeit gemefen. ^Brachte eS i()nt boch 93or* 
theil ttnb babei 30 g er 3 afob itttr um fo mehr an. 

3 afob murbe fogar mitunter grob gegen fein 
Söcib nach biefetn Ijfimlidjen vertrag. Sie 
nahm aüeä gebulbig hin unb Hagle ©ott ihr 
fieib. Sie 9totfj hatte ihn nicht rneifer gemacht, 
oielmehr föiiute man geneigt fein, baS Entgegen» 
gefeßte 31 t glauben, menigftenS fpracpen feilte 
Häuptlingen bafiir. 3MS jeßt mußte 92iemanb 
etma» uni beit geheimen penibel außer ihm unb 
bem H' v fd)njirth. So tonnte er ihn and) baS 
Skrtrauen ber '-Bürger nicht tofteu. 


ffiknige Sage fpäter flattg bom tRatfjtjaufe 
her baS ijeüe ©lödleiit. SBeit fepaflte ber ftare 
Schafl über baS Sorf hin unb rief bie ffiapl* 
berechtigten an bie Urne. ©S mar ein trächtiger 
Sag für bie Sorfgemeinbe, ber SBablteig. 
fDtandje begriffen bie bolle SBebeutung ber Stapl 
unb hanbelten nach beftem ÜBiffen unb ©emiffen 
unb ließen perföulidje ütücffidjten nicht mitfpre. 
djen. Slnbere bagegen maren nicht fo einfirpt». 
boü unb mentt fie einmal gegen 3 emanb einen 
©rott hatten, fiel ihre Stimme niept für ihn unb 
meint fie gleich mußten, baß er ber tüchtigjte 
fDtanii mar. So thörichte fDtenfdpen finbet man 
ja überall. 

3(u ben Sdjenfen murbe ftpon am Sormittag 
bor ber SBopl tüchtig gelärmt unb geftriiten. 
Sie Slemterjäger ließen reiflich SBein fomtnen 
unb fugten fo Stimmen für fid) 311 gemimten. 
Sa hatte natürlich Stafob einen SSortljcil unb er 
ließ e§ auch an biefem Sage an 2öein nicht 
mangeln. Saneben hatte er ja Srinfbrüber 
genug, bie tüchtig für ihn agitirten. ©S mar 
alfo bie bejte 9tuSfid)t für ihn, noch einmal 
fflürgernteifler 3 U merbeit, obgleich eine 3 tDcite 
Söapl bis jeßt nur feiten borgefoinnien mar. 
3 ubem hatte baS 2 (mt gar biele ferner ber, beim 
eS mar ttebft betn Sdjultheijjenamt baS einträg. 
lid)fte unb eljrenuoüfte. 

3 m „©afthauS 311 m Hirfdj" ging eS gan 3 he. 
fottberS lärmenb 3 U. Sort mar überhaupt baS 
Hauptquartier an foldjcn Sagen. Ser äöirtlj 
fchmuit 3 elte bergnügt, mettn er bie bollen Stuben 

fah- 

„He. SBirth, toer mirb roohl SBürgermeijter? 
3hr »ißt ja baS immer fdjott int tBorauS. wan 
tonnt euch halb für fo einen tßroppeteit palten," 
rief einer am größten Süd), ber gaits befeßt mar. 

Ser Söirtfj brepte fich um unb ertannte in 
bem btebenben ben alten Schufter Dtiepel, ber 
jmar foitft roegen Dtangel» an ©clbi'tberfluß fein 
fleißiger ©aft mar, an foldjen Sagen fiep aber 
boct) nichts abgepen ließ. Sa es fich um ben 
Sürgermeifter hanbelte, brauchte ber Höirtl) fein 
Hehl 3 u madpeit, beim 3(afob mar fein Stamm» 
gaft unb bie anbetn Bewerber artete er etttroe« 
ber nidf)t ober fie maren feine Sriufer. 

„3ch bent’, mir bepalten ben alten. Ser hat 
ja fein 9lmt tüchtig mcrroaltet. Söeiß nicht, ob 
mir etroaS bejferu tönnteu." 6 r fagte baS 3 iem» 
lieh laut, baß eS 3Ebertnann hören fomtte. 

„5öaS, ber fall mieber Söürgernteifler merben, 
baS feplt nod). Seit quält bie ©inbilbuttg fepon 
fo mie fo genug," rief jeßt bahittten Sitter mit 
einer orbentliehen fiupfernafe int ©efiept. 

„Sag’ btt baS nicht mieber, ba hinten, ober ich 
merb’ bir mit meinen Ofäuften bemeifen, baß er 
bei 1 einzig Dtedpte ift," rief miitheiibber uns tängft 
betauute Sorffcpmieb. 

Ser ba hinten budte fiep 3 itfammett unb fpraeh 


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(Sin ©pfer btt Jtöbenfdjaft. 


523 


fein SBort mehr. Ser Söirih brachte jeßt frifd>en 
ÜBein unb fugte: „SaS triutt auf baS SBoljl beS 
SürgermeifterS. Gr Ijat fdjoit begahlt." SaS 
roirtte auf Slle, unb Wär’S auf fte angefommen, 
fo wäre jeßt fchoit Safob ber wieber gewühlte 
Sürgenneifter gewefett. Segaf)lt hatte nun 3a» 
fob cillerbingS nicht, aber besprochen gu bejahen, 
unb baS genügte bem Stöirt^. 

3fafob felbft trieb fich an biefcm Sage unauf- 
hörlich in ben Scheuten herum, filmte aber 
wäljvenb beS SageS fich nüchtern gu galten. 
9Ud# toenige ber heften Sürger toaten auf feiner 
Seite, unb bor ihnen burfte et fid) nic^t bloß« 
ftetlen. Sie toufiteit ja nichts bon bem, was 
gwifdjen ihm unb bem Hirfchwivth in ben leßten 
Sagen borgegangen mar. 

Sie Stunbe ber SBaljl fam. Siet neue ©e» 
nteinberäthe würben gewählt, wie baS ein alter 
Sratich gebot. Sann fam ber Siirgermeifler an 
bie Steiße unb —2fafob erhielt bie große Wcljr» 
heit ber Stimmen, bie übrigen waren gerfplittert. 
9tun war er toicber Siirgermeifter unb baS alte 
Sehen fonnte fortgeheu. 

Unter foläjen Umftänben war jener ißalm» 
fountag=aibeiib, wo er Setbftmorbgebanfen ge» 
hegt hatte, halb aus ben ©ebanfen berbannt. 
2Ba§ foftte er fich auch mit trüben ©ebanfen 
quälen. War ja bod) feinem Gtjrgeig ©enüge ge» 
than unb fein Grebit gefiebert. 3 e ßt trug er 
fein £aupt höher als jubor. ©egen bie Seinen 
Würbe er nicht liebreicher, biefmehr rüdficßtS» 
Iofer. 

Unb wie war ber armen Ghrifline gu Wutß, 
als fie bie SMebererwäblung ihres Wanne» er» 
fuhr ? 9ld), fie war wie gerfdjmettert. Sange, 
fange bergoß fie fjeifje Shränen. Sie hatte fich 
ber Hoffnung hingfgeben, bah ihr Warnt baS 
5lmt nicht Wieber erhalten unb bann fich bcffent 
werbe. Stber alle Hoffnungen waren bernid)tet. 
Sie §ufitnft war ihr bunffer noch als je. 
Ghrifhne war fo recht ein Silb beS Jammers, 
unb 3fafob merfte baS faum. Unb baS afleS war 
bie gruCßt Iofer SReben feiner gottfofeu ©eu offen. 

IV. 

Ser Sommer war fchwill unb Ijeifj. Sie 
Saaten reiften pradjtbotl, unb bem Sanbmaun 
fdjlug baS £erg freubiger atS fonft, wenn er feine 
ffornfelber üoerfchaute. 2öar eS boch wieber 
einmal ein gefegueteS 3f«hr, baS affe Wiihen 
reichlich lohnte. Sie Sicheln würben gefchärft 
nnb bann giitg’S fveubig hinaus gttr Grnte. 3n 
folchen Seiten achtet ber fleißige Canbmann nicht 
auf bie heißen Sonncnftrahlen. Gr ift beforgt, 
feine Grnte gut unb gliicflich in bie Scheune gu 
bringen. Ser bentfehe Sauer hat fo wie fo nicht 
ju biel, nnb freut fi»h über baS Söenige um fo 
mehr. Gs ift eine alte SBahrße it, bah bem Wen» 
feßen mehr fjreube bereitet, was er im Schweiß 


feines SlngefidjteS errungen hot, als Was ihm 
nur fo ohne fein 3utßun | u p cll ©djooß fallt. 
SaS fiuben wir hier bewahrheitet. 

2BaS aber lüminerte 3afob all biefeS Sreiben ? 
Gs fchien ihm weit angenehmer, in ber fühlen 
Schenle beim Srunf gu fißen, als brauhen auf 
bem fjelb gu fchneiben unb ©arben gu binben. 
Sagelöhner traten baS für ihn. GS gab gwar 
eine 3eit, wo er felbft ber Shätigfte war, aber 
bie Wat öorii6er. 3 e ßt fam et ijur feiten, um 
wenigftenS nachgufeßen, wie bie Grnte boran» 
ging. 8für ihn war bie Grnte nicht fo reichlich 
als fonft, wobon nur er unb ber Hirfdjwirth ben 
©ruitb wißen unb Gßriftine ihn ahnen fonnte. 
Unb a<h, biefe Slßnung muhte baS bielgeprüfte 
SEßeib noch mehr beugen.- 

Gs fam ber Herbjt mit feinem luftigen Srei» 
ben. SBie gu einem gefte gogen bie fieute hinaus 
in bie SBeiuberge gur SBemlefe; unb ein fjeft ift 
bie ffieinlefe auch immer für ben Sanbmann, 
wenn ber Sßeinftocf reichlich feine brächte trägt. 
Sa trachten Söller ^ier unb bort, bie fnaßenben 
ftröfeße unb Schwärmer malten ft<h an allen 
Gcfen geltenb. 3unge unb Sitte riefen einanber 
luftig gu, unb namentlich'am Slbctib trachte es 
überall unb baS angegiinbete ftcuermerl erhellte 
bie Stacht. 

Soch wie alle ©oben ©otteS, fo wirb auch bie 
3?ru<ht ber Sieben mihbraucht. SBäßrcub fich bie 
jungen bie fußen Srauben aDgufeßr fihmeefen 
liehen, fpradjen bie Sitten fleihig bent beraufcheit» 
ben Saft gu. 9tatürli<h nicht alle; nicht jeher 
SSinger braucht auch einen Saufet) gu haben, unb 
nicht jeber hat einen. SaS muß ich git ihrer 
Scrttjeibigung beim boch fagen. 

Giner ber Unmäßigen mcir, wie fid) baS faum 
oubcvS erwarten läßt, 3tafob, ber Siirgermeifter. 
Unb jeßt war eS ja feine fo große Schaube, be= 
trunfeu gu fein, unb fo flhmanb bei ihm biefe 
leßte SChranfe. Waneber Setuinfene taumelte 
auf ben Strahen. 2fafob ließ eS fid) fehr an» 
gelegen fein, bei SBirtljen, Sacßbarn uub 3?reun* 
ben ben neuen Sfcin gu ber-fiußen, nub baS tfjat 
er aus zweierlei ©riinben: gunädjft natürlich 
bem 2Beiu uub bann auch ‘noch ben SMrthen, 
Slachbarn nnb gretmbeu gu lieb. Siefer leßtere 
©vuub war allerbingS ber weniger fCßwer» 
wiegenbe. Uub bann, warum foflte er nicht nach 
HergenSluft triufen, eS war ja alles unifonft unb 
ohne ©elb ? Slni häufigften hielt er fiel) in ber 
Heiter auf, wo Sag wttb Stacht gepreßt würbe. 
3e mehr er traut, befto größer wtirbe fein Ser» 
langen. Seim Spiel berlor er rafenb fchnefl, 
beim baS ©liief war ihm feiten hotb. 

Unb ber ©vom feines SJeibeS? Ser füm« 
merte ihn nichts, ©ar nichts fragte er nach 
ihren rotbgemeiuten Singen, fonnte höCl)fteu5 
ärgerlich werben barüber. Still meiuenb faß fie 
einmal noch um Witternacht oor ber SMege beS 


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8in Äffer brr leibeiifdjaft. 

jüngften SinbeS, baS nur wenige Monate zahlte baS #ülf(ofe feiner Sage, ohne beit SluSmeg ju 
unb betrachtete traurig ben unfdjulbigen Schläfer. fiitbeu. ©elb batte er noch weniger als ba* 
„Slrmer 2Burm," feufgte fie, „bu abuft nicht mals, babei brucften ihn noch anbere Schulben, 
bie Stotlj, bie an bem bergen beiner SJtutter nagt, bie er fonftroo gemacht butte. 2)aS afleS erwog 
Sich halb wirft nueb bu empfinben müffeit unb Safob hier in ber ©infamfeit. @r überlegte 
febeit, meßpalb beine SJtutter fo Diele iljränen Wieber, ob eS nicht bejfer wäre, fich baS fieben 
bergießt; nur gu halb wirft bu beiner Unfchulb gu nehmen, al§ ber Schanbe aitbeimgitfaßen. 
entriffeu fein. 3cb muß mein Seib ftill tragen 2>a tauchte ein unheimlicher ©ebante in ihm 
mtb habe Stiemanb, bem ich eS Hagen tarnt, als auf, ber nur einem Derworfetten ©ßarafter ober 
beu, ber über Den Sternen Wohnt. Gioig wirb einem Verzweifelten als Stettung erftbeiiieu 
es wohl nicht wahren unb broben werben wir tann. $a§ ©rftere aber traf bei Satob nicht 
glücflieber feilt. O baß ©ott fich halb erbarmte." eilt, beim er war troß feiner gefährlichen Sei* 
Sie neigte fich über baS $inb unb fügte e§ benfehaft fonft ehrlich geblieben unb hatte fich 
fanft. ©in Säcßeln — ach, eS war ein fchinerg. bis jeßt noch feine Veruntreuung ber ihm 
licheSSächeln — uinfpielte bann ihre Sippen unb anoertrauten ©elber gu Schulben fommen laf» 
ihre Singen ruhten auf beut $inb. fen. So war es alfo Verzweiflung, bie ihn 

$a hörte fie Särin, ber ihrem £>aufe näher auf ben bcillofcn ©ebanfen brachte, bäs ©elb — 
unb näher tarn. Sie nahm fchnell ein Sicht unb aus ber ©emeinbefaffe gu nehmen. Unb an bie* 
eilte bie ireppe hinunter, bemt fte hatte bereits fer Verzweiflung wäret felbft fchulb. Staliirlicb 
eine Slhnung Doit bem, was jeßt fain. Unb wollte er alles wicbererftatten, ohne baßSemanb 
Wirflid}, o Schrecfen l ®a brachten SJtänner eS merfe. Qein SBirth Will er PorUigen, er habe 
ihren betrunfeiten SJtann. 2Bie fie zitterte bei es irgenbwo entlehnt. Später fomite fi<h Stath 
bem Slnbticf! Slber fie fchwieg unb weinte nur. fitiben. Wie baS ©elb Wicbcrguerftatteu. 

3hr SJtaun würbe ins Veit gefetjafft unb bie $ct aber erhob baS ©ewiffeit feine waritenbe 

S Stacht hmburd) phautafirte er wie im $e» Stimme unb 3afob erfchracf Dor feinem eigenen 
n. dhriftine fonnte fein Sluge fdjliefecu Vlan. ©r war ja im Vcgriff ein — ßafjeubieb 
unb Derhrachte eine fuinmerDotle Stacht. ©S gu werben, ein Verbrecher! Slber nein, bä? war 
fchauberte fie nicht wenig, wenn ihr SJtamt tief: zu fchauberbaft! $a§ hatte er nicht im Sinn. 
„Sie fommen! Sie wollen mich erließen!" ©ewig wollte er afleS wieber zurücflegen unb 
®ann wieber: „®er fürchterlichefmnb will mich baS halb, fo halb als nur möglich. Sie unb 
Zerreißen!" ©iumal richtete er fich fogar auf Wann? ®a§ aüerbingS Wagte er nicht gu er* 
unb fchlng mit ben Sänften um fidj, nm bann wägen. $och er miß, er will es guriicfcrftatten. 
wimmernb fich toieber niebcrgulegen. Stie wirb er ein ftaffenbicb werben. $as wäre 

Sine 3eitlang War er franf, erholte fich aber ja fürchterlich! So lullte er nach unb nach fein 
halb wieber. ©ewiffen ein. Schwächer unb feßwädirr würbe 

* * * bie Stimme in feinem Innern unb foinit ber 

®ie Selber Ratten ihr weites ffleib angegogen gefährliche Vorfaß fefter. „Stur bieS eine SJtal 
unb fich Jur Winterlichen Sfier angefchicft. $a* miß ich’S thun unb nie wieber," fügte er gu f«h 
fob Wanberte wieber planlos braufjen umher, felbft. Unb für jeßt fchwiea baS ©cmijfeu, aber 
unb wenn et baS tßat, war immer etwas nicht Safob fonnte bod) nicht mehr froh Werben. ©8 
in Drbnung. ®ie Stirne mar ihm glüfjenb war wirflich weit mit ihm gefommen! 
heiß, baher fcfiien eS ihm eine SBoljlthat, bofj bie Slin anbern Sage ftanb er Dor bem eifernen 
Söinterluft fo frifch unb falt ihm entgegen wehte. Schranl im berfchloffenen 3immer unb gählte 
3n feinem ffopf fehwirrten bie ©ebanfen bunt mit gitternben £>änbeu, was er nöthig hatte, 
burcheinanber; er feitfte baS £aupt. Seine Vruft ®aS ©ewiffen fprach Wieber laut unb Demehm* 
hob fich heftig. lief): ,,$ha’ es nicht; werb’ein anberer SJtenfdj; 

2BaS mar wieber in bie Quere gefommen ? fu<h’ bie Sache auf anbere Steife abgumachen; 
durchaus nichts UnbebeutenbeS. ®er fiirfch* bitt* ben £>irfdjmirth um ©ebulb unb fpare." 
wirth hatte wieber unbebingt Zahlung gefordert Slber WaS foßte er jeßt thun? VJeuii nun ber 
unb babei eine brohenbe SJtlene gemacht, ^afob £)irfchwirth fich nicht meljt gebulben woüte? 
Wußte wohl. waSbaSgu bebeuten hatte, nämlich: Unb er nahm baS ©elb unb febloH ben Schranl 
„Vegahfft bu nicht, fo oernichte ich bich!" $er gu, unb wie er ben Schraitf fcytofi, fo üerfchloß 
^irfchwirth hatte ihm runbmeg erllärt, wenn er er fich bie Sthiire gut belferen |)ülfe. 28 ie fol* 
nicht binnen brei Sagen baS ©elb fchaffe. Der* genfeywer füllte baS werben! 
lange er öffentlichen Slbfcfjluß beS alten £atibel§. 6r ftotterte, als er ben £)irf<hmirtb anlog unb 
Sa mußte Sfafob bange werben, benn er merlte et muß feuerroth gemefen fein, fo war ihm gu 
wohl, baß er febon jeßt in ber Sichtung be§ 4>irfch» SJtutf). Sluch war ihm, als bliefte ihn ber £irfch* 
wirthS fowoljl als Dieler feiner SJtitbiirger um wirth etwas mißtrauifch an. diesmal fonnte 
ein VcbeutenbeS gefunfen war. @t erfannte er nicht fo leicht aufathmen, benn bas war frem* 


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Unfdjäblid) gemacht. 


525 


beS ©elb, maS er foeben auSbegahlt ^atte. Unb 
wann mollte er es rnieber giiritdlegeu ? 3mmer 
mieber !am biefe gfrage, uub immer brüngte er 
fie gitrüd. 2>a8 mar ein SBenbepuutt feines 
£ebeti8! 

Seibenfchaft treibt unaufhörlich abroärtS, baS 
erfuhr jefet 3afob. 2i‘ar er nüchtern, fo mar 
ihm ba$ ÜBerbetben tlar bor Klugen, in ba§ er 
fid) gejtürgt hotte; unb bei all feinen flutenJBor» 
fäheii rourbe eSbod) immer fchlimmer. Gr tonnte 
fid) nicht felbft beherrfcheit. Sie brennenbe ®e» 
flierbe nach einem Srunf heifchte Seftiebigung, 
unb jebe SBefriebigtttig fteigerte baS Verlangen. 
Gr fuchte luftige ©efeflfehaft in beit Scheuten, 
um roenigfteitS für einige Stunben fid) bie qua» 
lenben ©ebattfen aus bem Stopf fdjlagen gu tön» 
nen. So mürbe eS je länger je fchlimmer. 

®ott beit .£>errn, ben einjigeit Ütetter, tannte 
3alob nicht aus eigener Grfahrung, unb trug 
in üöirflichfeit and) fein Verlangen barnach. Gr 
magte 4ogar über bic {frommen gu fpotten, bie 
gegen bie SBerfiidjuuqen tapfer fiimpften, unb in 
ber Familie ihr gröfstcS irbifcheS ©lüd fanben, 
meil fie bie 3h«it liebten unb füt fie forgten, 
unb im Uebrigen ©ott bertrauten. 

2BaS anbereS mar gu ermarten, als baff 3afob 
in ber Sichtung ber ^Bürger immer mehr fonf. 
Ueble @eriid)te über ihn machten im Sorf ihre 
Ktunbe. ®a3 gefd)ieht ja in folcfjen Dörfchen um 
fo leichter, mo ffutig uub £wn§ unb alles ber» 
bettert unb berbaSt ift. Dtatürlidj mürbe nur im 
öeijeimen über ihn berljanbelt, aber hoch fo 
offen, baß halb bie Gine muffte, ma§ bie Klttbere 
Pachte. 

3afob mertte bas mohl, beim mer lein gutes 
©emiffen hat, hört alles maS ihn betrifft unb 
auch nicht betrifft. Klbcr e» befferte ihn nid)t. 
Gr mürbe täglich berfdjloffener, unb tonnte oft 
lange 3eit bor fid) hinbriiten. 3» €>aufe mar 
er nicht mehr fchroff, aber um fo mortfarger. 
9tur hixhft feiten faßen feine fiinber ihn ladjen, 
unb bod) maren fie fo frol), meint er einmal hei» 
terer mar. Sill’ baS erfüllte bie arme Ghriftiue 
nur mit mehr Sangen. 

(8ortf<*ung folgt) 

/ . -•- 

|Kiifd)aMtd) gemad)t. 

jP er alte ehrmiirbige tfJrebiger 3?. in GhriftianS» 
ncr felb, melcher bor etma 70 fahren geftorbett 

1 ift, pflegte auf feinen Spagiergängen laut 
für fich uub'Slnbere gu beten. Gr mahlte am 
liebfteit einfaine ©änge uub Certer, meil fie ihm 
bei feinem Umgänge mit feinem &errit bie be= 

ä uemften feßienen. GS mar ihm ein erljcbcitbcr 
Jebattfe, baB ©otteS Kleid) überall auf Grben 


blühen, bafs ©otteS SBifle, mic int £>intmel, alfo 
auch auf Grben gesehen merbe. 

Sie nteiften gelber unb Söiefen in ber fRäße 
bott GhriftianSfelb fittb mit ^edett umgeben, 
©er Gingattg befteht in einer Sfjiir, bie mit 
einem Schlagbaum grojje Slel)nlid)feit hat. Gine 
folche 2iHefe in ber Stalje bott GhriftiaitSfelb mar 
bott ben Ginmobuertt als eitt Surd)qaitg benußt 
morben. Ser Gigenthümcr, eitt benachbarter 
Sauer, befcßloß, biefeS ferner ttidjt mehr gu ge* 
flatten, uttb mahlte bagtt baS fDJittel ber ©eroalt» 
auSübuug auf feinem ©rutib uub Soben. Gr 
berftedte fich alfo gttr 3eit beS gemöhttlichen 
SpagiergattgeS ber GljriftiauSfelber, mit einem 
tüchtigen trüget bemaffttet, hinter feiner £>ede. 
Gr mochte nicht lange gemartet haben, fiepe, ba 
tßut fid) ber Schlagbaum auf, uub ber ehrmür» 
biae Srebiger 3?. tritt in bie fdjöne 2öiefe hinein, 
©te tiefe iattbliche Stille fcheint einen ongeneh* 
men Gittbrud auf ihn gu machen; er erhebt bie 
Klugen, faltet bie &äute unb geht tetcub in ben 
©arten hinein, ittbein er laut uub bernehmlich 
folgenbe Köorie fpricfjt: 

„O bu lieber 33ater im Fimmel, featte ben 
Gigenthünter biefer fchötten üBcfißung, offenbare 
an iljm ben 3»fl beS SaterS gu beinern Sohne 
3efu Gtjrifto, uitferem £)ei(anb, meil beitt ljcili» 
gcr Sohn auch für ihn am Streng geftorbett ift, 
unb ihm Vergebung feiner Stinben ermorbett 
hat. 3ct, lieber £>eiianb, laß ifju bereinft burch 
bie Straft beitteS 58erföhnungStobcS eingeheit in 
bie feligett Kltiett beitteS ^itnmclreidjeS, bainit er 
mit uns, beittett Grlöfiett, beinett heiligen Ktamen 
emiglid) preifett tötttie!" 

©ein ^Bauern entgeht feilt SBort beS mürbigen 
©reifes, ber für ihn betet, mäßrenb er mit bem 

? 3riigel auf ber Sauer fteljt. Gr lägt ben Prügel 
allen uub toeiß nicht, mie ihm gefchieht; beim 
unmiüfürtich fällt er auf feine Sfniee uieber uub 
bleibt lauge 3*>t in biefer Stellung. KllS er 
auffteht, miH er bem fÖtann nadheilen, meil 
2hrätten über feine 39aden fließen, aber ftiH mie 
im ©rabe ift es auf ber ©iefe. $n tiefe ©e» 
bauten berlorcn, fehrt et heim. 

Seine 3rau, melche um fein 33orljaben mußte, 
fragte ihtt: „Kinn, haß bu einen ermifdfjt?" 

,,’Sld), liebe 3tatt, benle bir, ba mar einer, ber 
hat midj erroifdjt!" 

„Slbcr mie beim fo? 3)u fonnteft bich ja 
mehren!" 

„3a, ja, ber mar ftarfer als ich, beim er hatte 

Ä ubere SBaffcn. Senfe bir, eben noch fpät 
ettb geht einer über meine SEßiefe, um baS 
herginnigfte ©ebet für mich gu thun, baS id) je 
in meinem Seben gehört habe; ba padte eS nti^ 
mie mitKliefenfäuften uttb marf ntidh nieber bor 
©ott, beim ich hin ein großer Sünber! fDterfjt 
bu etmaS? SJlorgeit gehe ich gttm Ifktßor in 
GhriftiaitSfelb unb frage ihn, mie man fomerben 


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526 


(Sin grljörntr« ©rfdjlfdji 


tarnt, wie ber ©reis, bet über nufere Söiefe ging, 
ltub bu gehft mit mir!" 

911S ber '-Bauer am näcbften 9Korgett bei bem 
tprebiger 8. eintritt, ift er noch mehr erftaunt, 
beit Wann felbft bor fid) ju fefjen, ber geftern fo 
eiubringlicf) für ihn gebetet batte. „®aS i|t ber 
©otteSmauu felbft," fagte er feiner 3frau, „ber 
war e», ber betete für midj, unb alfo auch für 
bict)!" 

£cr ißrebiger läßt beibe Seutcfjcit neben fidj 
uieberfi^cn, unb erfährt nun bon bem 9)iann, 


welche Sßirfung if)it ©ott erleben ließ bon einem 
©ebet für feinen fttädjften, baS er im Umgang 
mit ihm, ber fein $erj erfüllte, unb bon bejfen 
Siebe feine 3uuge nie fdjweigen tonnte, gebetet 
bat. $er wann war grünbli<b erroeeft worben, 
unb auch auf bie fjfrau machte biefer SBorfatt 
einen ^eitfam erfdjütternben ©inbrurf, fo bafe 
beibe büret) 2cf>re unb Untermeifuug babin ge» 
wenbet würben, wo allein £nilfe niib Grlöfung 
ift bom seitlichen SBerberben: ju ber ©nabe in 
$efu (Sbtifto. 


.|— 

1 " 


Cfltt 0il)3rnti$ (öcfdjUdjt. 


»o« 6. ®. 


f in gehörntes, bem bauten nach betannteS 
©efcblecbt, baS wir beute borführen unb 
unb »war, wie wir hoffen, jut ^Belehrung 
unb Unterhaltung unferer Sefer. 

2Üir betrachten in erfter 9teibe ben «Stein» 
boef, bie wohlbetannte 9Upenjiege, welcher fo» 
gleich ertannt Wirb au feinen ungeheuren, präch» 


tig gewunbenen, fidj fühn erbebenben unb weit 
jurüagebogenen Römern, äöähvenb bie Riegen 
öerbältuißmäßig Heine fwruer haben, fiitb bie 
ber Sööcfe noch überbieS mit einer äteihe 3fur» 
eben bebeeft unb born fehr fnotig. $er Sart bet 
SBöcfe ift nie groß unb wirb im Sommer noch 
Heiner. 2)ie gewöhnliche fjarbe beS tfieljeS im 



STev StrinOtxf. 


Diglti-zed by 


Goo< 4e 









(Sin gtljornt» (Sefdjled)t. 


527 


Sommer ift afchftrau mib bie £>aare fiub fttrg 
nnb glatt; im SÖiuter fiub fie rötblid)brauner 
garbe, Diel länger als im Sommer unb Ijabeit 
mt ihren Söurjeln etmaS furje, roeicfje Sßoüe. 

3 »n feiner £)eitnatb lebt ber ©teinbod auf bcti 
Serben, mo er ebeufo fidjer 311 Sufi unb bebettbe 
ift mie bie ©ernte unb itod) größere Vorliebe für 
Prfteigung ber l)öd)fteu ©ipfel 3 eigt. • 

2Seitn crfdjredt, fängt er fogleid) an bie Serge 
hinaufguflettern, unb fielet nid)t füll, bi» er 
außer ©efabr ift. 

®ie ©teinbods^aflb 
i[t eine ebeufo ge= 
fäbrliche als müh- 
felige Sadje, unb bie 
Sunden 31 t fünften, 
ift uod) fernerer, 
meilbaS fleine ®ittft 
fcbott meitifte ©tun- 
ben nach feiner @e= 
burt im Staube ift, 
ben Pltern 311 foU 
gen. Sine (ebenbe 
^Kpen^iege ift bafjer 
eineaußerorbentlidje 
©eltenbeit unb eine 
©ammluuft, meiere 
eine folcbe enthält, 
feheuSmertb. 

®ie Sllpeugiegen 
leben meift in flei- 
neu |>eerbeu non 
fünf bi» gehn an ber 
3al)l, befteljenb au» 
einem alten Sod, 
einer Shigafyl 3 ie il e11 
nebft fünften bei* 
berlei ©efebledjt». 

3bre Sorfid)t ift 
groß; ein f(broad)er 
©erud) Dom Suftjuft 
berbeigetrageit, ber 
Slug ober bie ©tim* 
me eine» Sogeis, 
baS ^alleu eines abgelöften ©leine» fiub ihnen 
fo beftimmte 28aritungS3cid)at, als bie leib= 
baftifte ®rfd)eiitung beS 3ägcr§. 

Ognebiit ftart, ba 3 it uod) mit Körnern bc= 
maffnet, menbet ficb ber ©teinbod felbft fleften 
feinen Verfolger, meint er auf einen $lap ge* 
trieben ift, mo e» fein Entrinnen mehr giebt, 
unb fein Eingriff ift maljrbaft fiirdjterlid). 6 r 
erbebt fid) juerft auf feine Hinterbeine, läßt fid) 
bann herab, um auf Derfterfte SBeife fteften fei- 
neu ?Seinb mit troßigcin ftopf augurenneu. 

2 llte ©efd)id)t»fdjveiber erlabten, baß ber 
©teinbod mit feilten Römern ©d)ilb unb ?tan- 
3 er burd)bobreit föitne; aber, meint fo, bann 
muffen jene ©egenftänbe Don fefjr fd)(ed)tent 


Material geiuefett fein, mie ®on Duiyote’S 
fürchterliche Sturmhaube. 

3LMr geben unten bie Slbbilbuitg eine» juitfteu 
©teinbod», ber Doit ber ÜDlarfbur abftammt, bie 
mir nun betreiben rnolleu: 

Serbin me bebeutet Sdjlattgeneffcr unb ftantmt 
au» beut £Vutboftanifd)en. ®ie SWarfbur ift eilt 
merfmürbift großes uub fd)öneS 2 bier. ®ie 
9?aturforfd)er fiub itod) nidjt bariiber einig, ob 
fie eine befonbere ©attung ober nur eine Slbart 


ber gemeinen 3icge ift. 3bre$önter fiub ctmaS 
fiirger, beinahe aufrecht, in ihrer Silbuug aber 
febr Derfd)iebett. 3b^e S^tbe ift braute uub 
graufpreitfelig, mit einem auffaflenben ®oppe(* 
fleden Don reinem SBeiß au ber ©niitbflädje be» 
©chmaitgeS. Pr hat einen bödjft foitberbareit 
©ang, ben mau eher £>oppe(u nennen follte, 
beim er hält feine Dorberen ffitiee gaii 3 fteif unb 
läuft mie ein angebenber ©tußer Doit GO fahren 
mit einem mit ©id)t behafteten S ll ß unb engen 
Stiefeln. 

9?un fällte bie gewöhnliche ober HauSgiege uub 
ihre Spielarten; mie Diele eS bereu giebt, ift 
gang unbeftimint, aber minbeftenS 25 fiub bc- 
fauiit. 3Jtit einer Sefchrei billig berfelbeit moßett 



Sttarfbur. (Capm Megnceros). 


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528 


ßin gehörntes Srfdjledjt 



ger S)ie &erfteflung Don fed)3 ©fjatoU in 
Dier 3al)vcit fanu dS eine 1)ur<hf<hnittS*9lrbeit 
betrachtet tuerben. 2)er Apparat bierju ift ein- 


mir fept nicht fontmen, toeil fte für Den Magmen 
unfercS 9 lrtifelS 311 groß fein tuürbe. 

$ie tuid)tigfte 3^Ö«nart ift ol)ne 3weifel bie. 
jeitige, tr>eld)e ba§ 
fcfyöne, feine £)aar 
liefert, tuoDon bie 
©affinere = SpamlS 
gemad)t tuerben. — 

Söev eineGafbntere- 
Siegejmn crftenmal 
fiel)t, tuiirbe nid)t 
glauben, bafe ein fo 
uininfeljuliiheS ®e= 
fd)öpf einen 9lrtifel 
Dun folgern SBertfj 
erzeugen tonnte. — 

©ie ift nicht grob, 
fur*beiuig uiib fet)r 
Derfd)ieben in ber 
ffarbe; grau ift je* 
bod) Dorberrfcpenb. 

Sie ift überall bief 
mit #uar bebeeft; 
aber baffelbe gefällt 
bem eilige nicht, tueil 
es in üermorrenen 
ffnäueln herunter- 
bängt nnb and) mit 
©d)mup nnb ©taub 
bebeeft ift. 9tun, 
bieitr £>aare tuerben 
and) nicht jur ,£kt. 
ftellung ber ©barolS 
uertoeubet. $aS ei= 
gentlid)e 3 ei, g ba* 
für ift eine bnrd) bie 
langen £mare be= 
beefie uub Dar 9täffe 
gefcbiiple tuottartige, 
meidje £>aut. Steht 
bis *ebu £>äute bie= 
fer 3iegeit finb aber 
nötl)ig, unt einen 
einzigen ©baiul aiu 
fertigen ftu tönnen. 

2)er hohe ^JreiS 
eines guten Gafb= 
mere = ©batols bat 
brei ©riinbe: 1) bie 
(Einfuhr beS S9tate= 
rialS, 2) bie 9luS= 
fuhr ber fertigen 
ffiaare nnb 3) ber 
grobe 3<dauftt)anb 

in ber gfa6rilatioit. % 

Um einen groben, fd)bnen ©baml fertig ju I fach im llutrib, aber fomplijirt in ber ^PrflyiS, 


machen, an bem Dier 'Verfonen beftänbig be s 
fd)äftigt finb, ift ein 3aljr fauin geitiigenb. 
kleinere nnb geringere brauchen natürlich tbeni* 


ba bie Dielen färben mittelft $äben, bie auf flehte 
böljerne ©peiler gemuubeit, baS Diufier er$eu» 
gen, beroorgebracht tuerben müffen. 


Gaf9inrrf»3ieQtti. 
























(gilt gehörntes <5efd|Ird)t. 


529 




Ster SRouflon. (Caprovis Musiiuon.) 


3nnig öerwanbt mit ben 
3ifflfii finb 

Sie Schafe, 

obwohl biefe fich beutlid) bott* 
jenen unterfc^eibcit. 'Jie 
©time ber Schafe ift nicht 
aemölbt wie bie ber 3>egeu, 

Umbern ftacf) ober hofft* 

£wtner finb immer fpiraU 
förmig, manchmal fcffmacff. 

$ie ©eibcffeu finb guroeilm 
hornlos. 

2)iefe ©Wertungen haben 
natürlich nur ©egug auf bie 
milb lebenbeit Schafe, beim 
untere meiften einf)eimifd)cn 
haben teilte £>örncr uitb ift eS 
eine ©tSnaffnic, mcnn ein 
männliche» Schaf mit bieten 
©affen bcbnd)t mürbe, Sie 
finb im ©egcufaff ju ben 3if* 
gen, rubig, jaffm unb f riebt ict). 

2;ie ©chafe tämpfen and; 
in anberer ©eife, als bie 
3iegeu, inbem fie gcrabeitwcgS mit gefenttem ' ©alle erzeugt, Woboit unfere srletber gemacht 
ftopf ben tfeiub anldufen. ' merben aber merben fodten, meun Scffneiber unb 

©ine weitere 33erfd)iebenheit gwifdjen 3*ege 2aid)iuocber ehrlicher tDären. 9lber bie ©igen» 
unb Schaf bejieht fid) auf ba» ftell, welches furj feffaft ber ©olle, bie Slrt unb ffieife, auf meld)e 
ermähnt ju werben oerbient. ©ir finb ade be= biefelbe burd) Ätimatc unb aubere töebingungen 
tonnt mit ber ihatfadje, baff öaS Schaf bie mobifijirt merben tonnen, finb $inge, bie nicht 

fo aUgemein ber» 
ftauben finb. Ta= 
hei fommt in 33e= 
tracht, baff ohgteid) 
wir Schafe •'paar 
erzeugen taffen tön» 
neu, welche» beut 
ber 3>ege faft gleich 
lammt, mir boeff 
burd) 3iegen feine 
Sd)afmolle erjeu» 
gen taffen tonnen, 
©olle ift nothweit« 
bigerweife bas'fko* 
biift eine» falten 
ftlimaS. 

2>od) hatten wir 
un§ nicht git lange 
auf an biefett 0e= 
tonnten Schafgat» 
tungeit. ©S gieht 
noch nnbere. Xa 
ift j. SB. boS bieU 
hornige Sdjaf non 
fttepauff welches ju« 
weilen 4 aber gar 
6 £>ariicr hat. ©ine 

xev jioutnb. (a niinuii ;i^uä xiitgt-iupims ) ouDtre tlbari giebt 


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530 


(Entfernung non (SrfdjwUren unb krebsartigen Jii 6 toiid)fm. 


eS, bic gemöhitlich 3 ober 5 Körner tragen, 
unb beißen ©ttttiah» Schafe. Tann fomint baS 
fettfchmängige Schaf. beiien Schwang ungeheuer 
groß unb fett ift, unb ftellenmeife fo hart wie ein 
Heiner böljerner Stumpf, um oov 58erleßiiugeit 
burdj Scfjleifen auf bein ©oben gu beronbven. 
tiefem gegenüber ftefjt bctS fchmauglofe Schaf 
beS növbtiheu StußlaubS, bei welchem bec 
Schwang gauj miffalleitb fttrg ift. TaS tar* 
tavifrfje Schaf ift ebenfalls itierfmitrbig, um fei* 
»er großen 3?ettcutmicf(iing mitten, ober bctS 
9?ett fammelt fich bei biefein Thier in beit ©in* 
tertheiten nn unb läuft nicht über in beit Schwang. 

TaS SRoufloit, eine fcljöue ttitb ronbrKbeinlich 
befonbere Slrt uoit 3iegenfchctf, lebt iit ©orfifa unb 
Sarbinien. ©Smirbiiuch „roilbt'S Schaf" genaniit 
unb lebt in deinen ©eerbeit auf beit bergen. 


Tie leßte 9trt ber S<hnfe, bie mir ermähnen 
motten, ift baS fchöite Sloubab (ber fdjöite Schaf* 
bocf). Tiefes prächtige ©efchöpf beroohitt Storb* 
Stfrifa unb hat eine SJtenge mifjeitfchaftlicher 
unb mtbrer Stauten. ©S ift fofort erfeitnbar 
nn bcin oont ©a(S herabbäitgeuben buntten 
©oar uub beit Siüfchelit ähnlicher ©aare an ben 
5$orbertnieeit ber SJtännlichen. Tie Söeibcpeu 
haben ähnliche Slntjängfel, aber nicht fo groß 
uub auffatlenb. Tie geroöhnlidje gfarbe beS 
fßelgeS ift bitnlelblaß; es mirb etma brei grüß 
hoch. 3f n ber ©efangenfchaft ift eS gu weilen 
gaßm unb getaffen, aber fein Temperament ift 
unficher unb bei feiner großen Straft faitit er 
fetbft feinem SBärter, meint berfetbe ihm gu nah« 
fomint, fehr gefährlich merbeit. 


-*o*--*- 

UfidftMkeit Der frül)|eitt0(ii <ffiitfmuiii0 tiou dkfdjwiirm unb 


hreb0orÜ0fit 

ei ber füglich abgehaltenen ©ottfereug ame« 
«J rifaitifcher Sömtbärjte hielt fßrof. S. T. 

@uß eou HJhilabelphia einen 58ortrag über 
obiges 3l)ema. ©r giebt barin folaeube fünf 
Oerfdjiebeite ©rünbe ait, marum ein frühgeitigeS 
©iitfchreilett be§ SBMinbargteS burch Operation 
eines berartigeu SIuStoHchfeS herbeigeführt mer* 
ben foflte: i. bie ©efaljr einer Serblutnng ift 
noch nicht oorhauben, 2. ber fraitfljafte SliiSmuchS 
faitu griiitblicher operirt merben, 3. baS Stififo 
einer SMutoergiftung, bie ja fo häufig einer ber* 
artigen Operation folgt, ift geringer, 4. häßliche 
Starben merben oermiebeit. Ter fünfte unb 
wichtig fte ©runb aber ift, baß eine üßieberfchr 
ber ftranfl)cit ait bemfelbeit gleiße ober au mibe* 
reit Sörpertheilen baburdj oermiebeit mirb. 

3ftt ber TiSfuffioit biefet ©rünbe fagte ber 
Ütebner, bie Tljatfache mirb jeßt atlgemeiit aner* 
tannt, baß alle biefe StuSmüchfe, ob gut* ober 
bösartiger Statur, örtlichen UrfprititgS jtnb. 
Tciß gemiffe '-ßerfoneit git berartigen Sötlbungett 
angelegt fiitb, ift nicht nnmahtfcheinlich. befon* 
berS meint bie ©efunbheit beS fßatienteit int 9111= 
gemeinen angegriffen ift; aber baß ein ©efdjmiir 
ober Sluswiuhs fich ait irgenb einem Organ ober 
Störpertbeile einer gefuttben ißerfon ohne eine 
örtliche Itrfache bilbet, beftreitet jeber benfenbe 
Pathologe nuferer 3eit* 

3ebe ©efcßmulft ift baS Stefultat oerfehrter 
©rnähruitg eines ÄörperttjeileS, beffeit eigene 
©lemente ifjeilmeife oerbrängt merben burdh ait* 
bere, bereu oeränberter, franfhafter 28ud)S unb 
meitere ©utmidlung bieStrantheitheroorbringe;i. 


Jluoioüdjfeiu 

Sille biefe StuSmüchfe rühren bireft ober inbireft 
entroeber üoit außerorbeitllicher Sßerleßung h« 
ober haben, maS häufiger ber Soll ift, ihre Ur* 
faeße in irgenb einem medjauifcheit ©iitberniß, 
melcheS guerft Slutaithäufnitg heroorbringt uub 
biefe mieberum Oerurfacht erregte Tßatigteit unb 
©ntgiiuöung, toelche beibe früher ober fpäter bie 
Sleuberungeii in bet ©Währung beS betreffenben 
ÄörpertheileS herbei führen. Tie einfachen 
aller ©efchwüre, bie Jleineit talgigen SJtiteßer, 
bilben fich unter bent reigbareii ©iuflnße ber 
natürlichen Slbfoitberuug ber Talgbriifen nt bet 
©aut, bereit Ceffitungen berftopft fiub. 58er* 
ftopfuug eines SRildjfcinalS ift ohne 3weifel ber 
Sliifaitg beS gefährlichen 58ruftfrebfeS. SJtandje 
berartige ©ewächfe fiitb gleich beim 58eginne 
ihrer ©utmidlung leidet erfeitntlich. Slnbere 
mieber ftnb iit biefein Stabiumiiem erfahrenften 
Slrgte troß genauer 5Bcobachtuug eilt Siäthfel. 
©at ßch baS ©ernädjS oollfommeit entmicfelt, 
bann foflte jeber Slrgt feine mahre Statur etlen* 
nett. Unglücflid)ermeife berfättmen bie meiflen 
Stranfen gleich bei ber Söilbuitg einer berartigen 
©efcßmulft einen Strgt gu ©ülfe gu rufen. Sie 
laßen ber Sache ruhig ihren Sauf unb erft 
naihbem ber betreffeitbe Störpertheil in feiner 
Structur bebeuteitb Schaben gelitten hoi unb 
oft fogar bie gange ©onftitution erfchüttert ift, 
mirb bem Singe beS Sachfunbigen ©elegenheit 
gegeben, ben SluSmiichS gu befichtigen. 

©itt mit berartigem Seiben behafteter Patient 
fann fich glüct(ich feheißen, meiin er gleich bei ben 
erfteit Slitjeicheit ber ©utmidluug in bie ©änbe 


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Hus btt Sugenbjeit bts bmifdjm Paifers. 


531 


eines intelligenten, gewiffenbaften Chirurgen 
gerate Oiefer wirb nicht anfteben, feiner Ue» 
bergeugung ©uSbrucf gu geben. @r wirb es für 
feine Schaube butten, feinem Patienten gu fagen: 
„3<h Oerftebe 3breit galt nicht; er liegt außer» 
halb ber ©rengeit meiner ©rfabruitg. ffouful* 
tiren Sie einen 9lrgt, ber mehr ©elegenbeit gur 
©eobadjtung bercirtiger fjälle gehabt bat." Oer 
Feigling anbererfeitS toirb alles ibun, um feilten 
Patienten in bie 3vre gu leiten; er wirb bem 
Seiben weiter feine größere Sebeutuitg beilegen, 
(fr fürchtet ficb ibtn bie ©kbrljeit gu fagen unb 
baburcb feine eigene Unteuntnih gu begeugen; 
ja er oerfidjert feinen Sfranfeu, baß er bie ©atur 
feines gafleS ebeitfo gut öerftebe wie ber meifcfte 
unb erfabrenfte ©vjt beS SanbeS. Oiefe 9lrt 
Pott Seilten ftnb es, welche bas größte Unheil 
anricbteu. Unfimbig in ber Äunft ber Oiaguo* 
fiS unb unfähig bie ©Jabrljeit gu befemteit, laf» 
fen fie es gum ©eußerfteit fommen, bis ber arme 
©atient als festes 3iiftu<btSmittel £>ilfe am rieb» 
tigen ©laße fuebt, aber leiber ift bann bie Jlraitt» 
-beit gu weit oorgefdjritten uub bie oorgeuom» 
mene Operation, toenn fie überhaupt noch mög» 
lieb ift, faitn mit temporäre ©liiberung f^affeit. 
911S gfluftration gu Obigem bient ber Sfrebs ber 
weiblichen ©ruft. 

©eint ©ruftfrebS wartet ber gewiffenbafte 
©rgt nicht, bis auch bie ©djfelbrfifen in ©titlei» 
benfebaft gegogeit fiitb. (fr weiß, baß bie SU 
cberbeit beS ©atienteu in bcin balbigeu ©ebraueb 


beS ©lefferS unb einer grünblidjen ©uSfcbneibuitg 
liegt. (fr bringt auf eine rafefje Operation unb 
berfidjert beit ©atienteu, bafe biefelbe, wenn rieb* 
tig auSgefübrt, uieffeicfjt uöllige Teilung bewirft 
ober baß ein etwaiger Dtücffall mit wieberljolten 
Seiben erft nach langer 3 e >t eintreten wirb, 
gebermann Weiß, welches bie gewöhnlichen Die» 
fultate bei ber Operation beS ©ruftfrebfeS fint; 
feiten wirb baS Seibeit gäitglicb gehoben unb nur 
wenige grauen leben länger als acht, gehn unb 
gwölf ©tonate nach ber Operation. gn allen 
biefen gälten finb bie benachbarten ©ebilbe in 
©titleibenfcbaft gegogen worben ttitb bienen, ba 
fie Pom ©teffer nicht erreicht werben fonnten, 
neuen ©uSwücbfen gum ©tittelpunft. OaS |>erg 
blutet jebein, ber baran benft, wie tiele grauen 
entfebliche Seiben gu erbulöen haben, nur weil 
bie ©umeitbung beS ©lefferS gu lange hinaus» 
gefeboben würbe. 

Gublicb giebt eS eine Ulnffe öon Patienten, 
welche beeinflußt öon gurebtfamfeit ober falfcber 
©efdjeibeubeit ficb felbfl täufeben. Sie fühlen 
bie Spinptonte ber ifranffjeit unb wiffen, baß 
irgcitbwo im £>aufe ein Oieb fteeft, fürchten ficb 
aber, bie Sadbe grüublid) unterfueben gu laffeit. 
Sie oerbergen ficb unb ihren greititben ihren 
wahren 3ufianb, unb Woüeu bem ©ebaiifeu 
nicht 9tnum geben, baß fie an biefer fcbrecflicbeit 
Trautheit leiben. ©Me ber ©ogel Strauß ftecfeit 
fie ihren Äopf in beii'Saub, unb glauben ba» 
bureb ber ©efaljr gu entfliehen, welche fie bebroljt. 




Uns ber lujnibjrit ks imtlfdjtii $aifcr* JDitljclni. 



Bearbeitet non <E. SU. 


|f?ufere Ifiitber finb unfere Sdjäße, 
unb unfere 9tugen ruhen ooll 3« s 
friebeuheit unb Hoffnung auf 
ihnen. Oer $ r o n p r i it g ift 
botl Sehen unb ©eift. (fr hat uor« 
giigliche Oaleitte, bie gliicflicb entwicfelt unb ge» 
biibct werben, geh habe ihn feljr lieb, unb 
fpreebe oft mit ihm baooit, wie es fein wirb, 
wenn er einmal Jfönig ift.".... „Unfer Sohn 
©5 i l h e 1 in wirb, weint mich nicht ©lies trügt, 
wie fein ©ater, einfach, bieber unb Perftänbig. 
Sind) in feinem 9leufseren hat er bie meijle 91ebn» 
liebfeit mit ihiu . . 

Oieje ©Sorte, einem ©riefe ber Königin Souife 
Pon ©teuren an ihren ©ater, ben ^>erjog bon 
©ledlenbuvg.Streliß, entnommen, geugen nicht 
allein ooit ber feinen ©eobadjtmtgSgabe, fonbent 
auch bon ber mütterlichen Sorgfalt ber hohen 
grau, mit ber fie bie (frgiebung ihrer ff iuber, 
befonberS ihrer beiben älteften Söhne beS nach« 


maligen ÄöitigS griebridj ©Wilhelm IV. pon 
©reuheu unb beS gegenwärtigen beutfeben ffai» 
ferS ©Mlbelm leitete. OaS föniglicbe (flternpaar 
überwachte ihre (fiitwideliing mit eigenen ©ugeit, 
unb übte bnreb ©Jort unb ©eifpiel einen liiimit» 
telbareu (fitifluß auf fie aus. Oie ernfte ©flicht» 
treue, bie aufrichtige cbviftlicbe grömmigleit 
.griebrid) ©Wilhelms III. uub bie fjochbergigfeit, 
bie geiftige ©nmutl) unb SiebenSmiiröigteit ber 
Königin Souife, uub ber wuitberbave ftille 3au* 
ber, beit fie auf ihre Umgebung ausübte, leuch» 
teten ben beiben fiirftlicbeii Knaben fdjon in ber 
frübeften ffinbheit als ein herrliches ©lufter öor. 
— „©UerbiugS ift es mein beihefter 
©hinfd), meine ffinber gu wohl» 
wollenben ©l en f cbeu f r eilitben gu 
bi Iben," febrieb bie Sföuigin im Oegember 
1797 an ben ©rofeffor fieibenreicb in Seipgig, 
unb fpäter, als febwere 3eiteu über baS ©ater* 
(etnb gefommeii waren, fchrieb fie: „©^ungleich 


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532 


|Uis ber 3ugrub;rit bes brutfdjen Ralfen. 


bie Rachwelt meinen Flamen ute^t unter beu 
kanten berühmter grauen nennen wirb, fo wirb 
fie hoch finden, wenn fie bie Seibeu biefev 3 c 't 
erfährt, was ich bnrch fie gelitten habe: fie bul« 
bete Diel unb gurrte aus im Sulben. Sann ober 
Wfinfdje idC) nur, baß fie sugleicf) fagen möge: 
„Rbet fie gob Kinbern baS Safein, 
welche befferer Seiten würbigwa« 
ren, fie herbei}nführen geftrebt 
unb enblieh fie errungen hoben." 

Sie Rachwelt hot bereits gefprochen; unb eS 
ift als töunte mau bei manchen ernften entfCfjei» 
benbeit 2Beubepunfteu im Sehen beS jeßigeit 
beutfeheu KaiferS noch bie fegensreiche Rach» 
wirtung bes GinfluffeS wubritehmen, beu bie 
eble 0frou auf bie geiftige Gutwideluug ihrer 
©ohne aiisiU'te. — 

Sie Kinberftube, welche unmittelbar an baS 
föuigliche 3Bohn}immer greinte, war für bie 
fiirfttictjen Gltern bie 2öelt im kleinen, wo fie 
unter ben ©türmen ber Seit ^rieben unb Gr« 
hotuug tauben. Sieben Storgen empfing bort 
ber König bie Kleinen aus ben Rauben ber 
gliicffichen Stutter, um fie }u liebfofen unb 311 = 
weilen }U befchenteu; jebeu Rbeitb trat er Dor 
bem Schlafengehen noch einmal mit ber Königin 
bor bas Sette ber fchlummernben Kinber, er« 
freute fein £>cr} au bem lieblichen Rublid unb 
brüefte leife einen Kuß auf ihre Stirn. 

Sie Seitung beS Unterrichte ber beibeu älteften 
tßtinjen, welche feit bem Sommer 1800 in ben 
.fräubm beS Sr. 2ftiebvich Sellnücf, eines treff« 
liehet unb wahrhaft chriftlicheu RtanneS geruht 
hatte, würbe für ben Kroitprin}en fpäter bem 
Oberften Doit ©aubi übergeben, währeub fJrinj 
SBilljelm feilte ©tubien bei bem Ißrofeffor 9tei= 
mann fortfeßte. Gr befaß bantalS eine fchwäch« 
liehe Gonftitutiou, fo baß bie Königin aus miit= 
terlicher Seforgitiß oft feine Setjrer ermahnte, 
ihn nicht fo ft’hr an}itftreitgen. — 

SefonberS lieblich war bie freier beS 90ßeih= 
nachtsfcftes in ber föniglicheit 3?amitie. Ser 
König, ber fchoit wochenlang uorher Don ben }u 
wähleuben ©efchenfeu }ii fprechen pflegte, }itn= 
bete eigenfjäitbig bie Sichter am Ghriftbaum an 
mtb belegte jeben Stoß mit paffenben ©oben, 
bie Don beit föniglicheit Kiitbertt in bem hell» 
erleuchteten fjefffaal mit 3 nbel empfangen wur« 
ben. GS war ein Silb beS iunigften fjamilien» 
glitcfcS. Giue befottbere Ueberrafchung brachte 
ben jungen ^ßrinjen baS HBcibnncbtSfeft beS 
Wahres i803, bei welchem fie als ©efdjenfe ihre 
erften Uniformen empfingen unb}War ber Krön« 
priit} biejeitige beS DieginteitteS ©arbe bti GorpS, 
ber Sein} fjriebrich bie beS Sragoner.RegimentS 
Kurfiirft Don Sfol}=Sat)ern Ro. 1 , beffnt Gßef 
fein Sater, ber ^riit} Stibwig, gewefeit war, ber 
Sriit} SBilljelm bie Uniform beS £)ufareii«5Re= 
gintentS üoit IRuborf ober beS berühmten 3>ctcn= 


fcheit £>ufaren«fRegimentS, nämlich ben rothett 
Solmatt mit weißen ©chttüren unb Sreffeit, fo» 
wie ben bunfelbraititeit Sei} mit ebenfolchett 
©chnüreit unb Sreffeit. ©roß war bie grettbe 
ber Sriu}eit nun eine Uniform tragen }tt bi'trfen. 
Sie» gefhoh Don ©eiten beS Königs, unt bautit 
ber 3 ><gehörigfeit ber föniglicheit 'Jkiityeu }itr 
Rvmce Doit friihfter 3»gettb an RuSbrua 31 t ge» 
beu. Saut beS ©prichworteS: „Se3 Königs 
tRod ift ber höchfte Sitel!" foüten and) bie ©ohne 
beS Königs fchon frühe ben 9tocf ber Rvmee 
als ein rechtes <5h r cnflcito fchößeu lernen. RlS 
im Saljre 1805 baS Regiment „2 010 arcjpS" 
in feiner auffallenben unb bott ber übrigen Sei» 
terci abweichenben Uniform, mit langen Satt}en 
bewaffnet, bttreh Serlin marfchirte, ben Uljlanen 
ähnlich, bie fidj 1870 iit fjfrantreieh fo gefürchtet 
machten, fo äußerte s -ßriti} SBilljelm ben fehnliehen 
SBuufch, auch biefe Uniform tragen 31 t bitrfcit, 
bie ihm auch Don feinem Sater, welcher ben mi» 
litärifchen Steigungen feiner ©ohne ftets gern 
entgegeiifam, gewährt würbe. Unb fo evjchieit 
ber fleine Ißrin} feit biefer 3 eit halb als £nifar, 
halb als SoWarc}h. 

Rber baS Recht bie Uniform 31 t tragen, brachte 
auch Pflichten mit fidj. SimäChfl mußten bie 
jungen pri^lichen Retruteu eineseveirt weröeit. 
Ser König gab ihnen beSljalb beit Uuterof fi)ier 
Settiiftciu Dom Sataillou ©arbe }u ffuß 311 m 
Gjrercirmeifter nnb biefer erlcbigte fich feinet 
Aufgabe mit folgern Gruft ttttb Gifer, wie man 
ihn nur immer bei einem pflidjtgetreuen Korpo« 
rat beim 9tefruten=Gjcrciren finben fann. SaS 
nach ben jüngfteit preußifd)en SBaffenerfolgen 
aufgefomntene fylugwort: „Ser ©chitlmei» 
fter habe bie prettßifchcn Schlachten 
gewönne n," fönnte nach nuferem Safürljalten 
ebenfo richtig lauten : „Ser Korporal ift 
in Ste 11 ßen ber eigentliche S 01 fS« 
f <h u 11 e h r e t," bentt aus ber ftrengeu Schule 
ber 3 ucht, welche jeber ißreuffe — ober jeßt üiel» 
mehr jeber Scutfche — Don feinem Dollcnbeteit 
3 Wait 3 igftett SebeitSjahre an, bitrchmachen muß, 
gehen bie tüchtigften Stänner herDor. Ruch bie 
jungen KönigSföhne,' fo oft Don unwürbigen 
Schmeichlern umgeben, feheit hier iit betn ernften 
Sßilleit beS fchlicfjten aber pflichtgetreuen Stau» 
neS ihrem Gigenwiflen eine heilfDme ©chranfe 
gefeßt unb lernen ihre fiublichen Steigungen un¬ 
ter ein beftiminteS ©efeß beugen, beffeit Sebeu» 
tuug fie noch nicht Derftchen. Sie ©ebanfeit an 
©piel unb Sänbelei mochten ben föniglichcn 
Knaben wohl bergefjen, wenn fie bie ernfte unb 
ftrenge Sienftmiene beS Korporals faheu, ber 
ihnen mit einbringlicher©timme unb gernejfenem 
trochäilcßen SonfaH baS 91SG beS preußifChen 
KamafcheninarfcheS einprägte: „Ginunb 3 Wau 3 ig, 
3 weiunb 3 Wan}ig, Kniejireden, ©pißen ’runter, 
feft im Kreu 3 e ünb nicht Wanten, Gure Roheit!" 


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%m btt Sugenbjtit bts beutfcßen ftaifeM. 


533 


geigte fidj beim muß auf beit SJtieneit bes mißi* 
gen fleinen Krottpriugeit ein leidstes Säcßelit, fo 
genügte ciit Slid auf bie halbgeöffnete beS 
klebengintmerS, ttnt jebett reglementsmibrigeit 
©ebanfen gu itnterbrüden, beim bort faß feitt 
föuiglidjer Sater, ber gumeilen einen ©lief ins 
3initner warf, ober auch moßl tnit feiner @e= 
maßlin ant Slrnte eintrat, unb ben Uebtmgen 
ber Knaben mit ernfter SOtiene ^ufd^aiite. 

gu bem bringen Söilhelm regte fieß bie fol« 
batifeße Steigung frühe, ^araben unb Sternicn 
mären feine Suft, unb er tierfolgte jebeit Orupp 
marfdjirenber Solbaten fo lange er ihn feben 
lonnte. Slls Sreußen fieß gu bem »erßängniß« 
»ollen Kriege gegen Stapoleon rüftete, mar er 
no<$ gu jung, um mit ins fjelb ju gieren, ober 
er »erfolgte bie großartigen milttärifcßen Sor« 
bereitungeit bagu mit regem gntereffe. gm 
September 1806 fah er baS altberühmte Ora« 

J ouer * {Regiment SlnSbacß = Snireuth unter ben 
Hängen bes ^otjenfriebberger SJfarfcßeS in 33er= 
lin eiitriideu, unb in Sctrabe »or bem föniglidjeit 
Sßalaft »oriiberntarfcßiren; »or ihm her fuhr bie 
Königin, als Gpef beS StegimenteS, in einem 
öterfpännigeit Söagen. 

Sitte »erßängnißbofle ÜBenbung für baS 
»reußifeße Königshaus brachte ber iierbft biefeS 
gaßreS. SBäßreitb no<h int grüßjahr baS SBort 
tfriebricßs beS ©roßen ©eltuug gu haben feßien, 
„baß bie SBelt nießt fo feft auf ben Schultern 
beS SltlctS ruße, toie ber preußifeße Staat auf 
ber Slnttee," — folgte jeßt eine Stieberlage auf 
bie aubere. Stach bem ungliicflichen SlnSgang ber 
Ooppelfcßloeßt bei getta unb Sluerftäbt hatte 
Oel6riicf bie Söeifung erhalten, mit ben fönig« 
ließen bringen guuäcßft naeß Sdjmebt an ber Ober 
gu reifen, mo fie mit ber Königin gufammen« 
trafen. Oie tiefgebeugte fönigliiße SJtutter riß« 
•tete bie folgenden beitfmürbigen SBorte oit fie: 
„9lcß, meine Sößne, ißr feib in bem Sllter, mo 
etter Serftaub bie feßmeren ©reigttiffe faffen unb 
füßleit faitit, ruft füuftig, meitn eure SDtutter 
nießt meßr lebt, biefe ttttglüdlicße Stuitbe in 
euer ©ebäißtniß gttriid, meinet meinem Slnbenfeit 
üßränen, mie ich fie jeßt in biefent fcßredlicßen 
Slttgeitblide bem Untergange ber Slrmee, bem 
Ungliitfe bes SaterlanbeS meine. Slber begnügt 
eueß nießt mit ben Üßrätien aflein; ßanbelt, 
entmidelt eure Kräfte, »ielleicßt 
läßt Preußen« Scßujjgeijl fieß auf 
eueß nieber!" 

Sou ©ßmebt reiße bie fönigliiße fjnmilie 
ttaeß Stettin, bann ttaeß Oangig, unb enbliiß 
naeß Königsberg, mo fie mit bem Könige gu» 
fantmeittraf, ber aber halb roieber gttr Slrtnee 
eilte, uni bort mit bem Kaifer SKejranbet »on 
Stußlaub gufnmmen gtt treffen, ©rft gum Steu« 
jaßrStage 1807 feßrte er ttaeß Königsberg gttrüd. 
^rittg BBilßelm ßattb bamalS in feinem neun« 


fett CebeuSjahre. Sitter alten Sitte gemäß tre« 
teit bie preußifcheit ^ringen naeß erreichtem gehn« 
teil SebenSjafjre in bie Slrntce, ein ©reigniß, 
auf baS fieß ber junge $ring fcßoit im Stillen 
freute. 9IIS aber am SteujnbrStage bie föniglicße 
Satnilie gut gegenfeitigen Segliidmünfcßung gu« 
fammentrat, fagte ber König mit bem ißm eige« 
neu freunbliißen ©rnfte gu ißm: „Oa an beinern 
©eburtstage feine ©elegenßeit fein mirb, bieß 
orbentliiß eingufleiben, meil ißr naeß Stentel 
müßt, fo ernenne iß bieß heute fcßoit gum Cffi« 
gier. Oa liegt beine gnterimS=Unifoim." Uitb 
in ber Ofjat lag ba ber bamalS fogenannte gn= 
terimSrod ber ©arbeoffigiere, mit rotßein Um« 
fcßlagfrageu oßne Sißen, nebft Oegett, Stod tinb 
Seberßut auf einem Stifcße bereit. Statiirliß 
mürben bie Kleiber fogleicß angelegt, unb aitcß 
3opf unb ^uber nießt iiergeffett, obgleich erßerer 
nur ein falfcßer feitt fonnte, ba baS |iaar beS 
^ringen gu einem eigenen noeß nießt lang genug 
mar. 

9(m 3. gantiar ging bann bie Steife naß 
SReinel, meil fi<b bie ffrattgofen naß ber Sdjlaßt 
»oti SultnSf Königsberg näherten. Oie Königin 
unb ißr jiingfter Soßn, ber tjJring Karl, tonten 
am Steroenfieber erfrauft, unb mußten bie gange 
Steife in Setten eingepndt, guriidlegen. Sludß 
Sring SMlßelm erfranfte halb naeß ber Slnfunft 
in Stemel; als ber König gtt feinem ©ebtirtS» 
tage, ben 22. SOtärg, bortßitt fam, fanb er ißn 
itcicß auf beut Kranfeitlager, unb legte ißm fein 
Satent als gäßiiricß bei bem neuformirteit 
Sataiflon ©arbe gu 3?«ß auf baS Sett. Oamit 
mar bie Kinbergeit beS bringen SOilßelm gu 
Silbe, gßre ©inbriide mnreit tief liub nachhaltig 
genug, um ben reifeitben giingliiig für ben ©ruft 
beS SebenS »orgubereiten, ber halb genug an ißit 
ßerantreten follte. 

Stacß bem 3obe ber Königin Cotiife, meteße 
am 19. guli 1810 üerfeßieben mar, ging eS am 
fmflagcr König ^friebrid) SBilßelntS fülle unb 
einfach gu. Oer König liebte bie raufeßenben 
geftlußfeiten noeß meniger mie früher; au<ß 
nötßigte bie Sage bes SänbeS nah ben feßmeren 
KriegSjaßreit »ott 1806 —7 imb 1812—15 gu 
mancherlei ©iitfcßränfungen int föniglicßett^muS* 
halt. Stur beim Sefu^e ßoßer SuubeSger.offen 
ober Slitberroanbten ber föniglicßett fjamilie fan« 
ben SluSnaßmen flatt. SllS gunt Seifpiel i_m 
Sömtner 1834 bie Kaiferitt ©ßarlotte tiou Stuß« 
Ictitb, bie ältefte Oocßter beS Königs, in Serlin 
atimefeitb mar, mürbe ißr gtt ©ßrett ein überaus 
glängettbes geji »eranftaltet, genannt baS ff eft 
her m e i ß e tt St o f e, bie ebenfo bie SieblingS« 
blnme ber jttngeit Kaiferin mar, mie bie blaue 
Kornblume bie ißre,r föniglicßett SRntter. 

Oie gange Strede gmifeßett bem „Stetten 
SßaloiS" bei Sutsbam, mo bie Kaiferin refibirte, 
unb ben „KommuitS" (gmei biefem Calais gegetu 


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534 


JLus lutljers leben. 


iibcrliegenben Scblöffern), war jum Sd)miploft 
biefe? felteuen geftc? eingerid)tet worben, unb 
mil Simpeln uiib ffahnen, welche bie ruffifdjeit 
unb preuftifd)en ffarbcit unb Stoppen trugen, 
flefc^miidt. Sing?titnber waren 3elt*j£ribiineu 
für bie ©äfte errichtet; unter ber forintbifcbeu 
Säulenhalle inmitten ber £>auptfaffabe ftaub 
ba? mit weiften Stofen bebedte 3«lt ber Jtaiferin. 
Sowohl in ben Slumengeminben, tote in ben 
©emänberu ber ©amen, bie in einem anmuthi» 
gen Greife Die hoffe grau umgaben, prangte bie 
toeifte Stofe al? ^ninptfcbimuf. Sille ©äd)er, 
Stauern unb Säume in ber Umgebung waren 
mit jaftltofeu 3«fdt>ouerii befeftt. Salb nacftbem 
bie Äaiferiu erftbienen mar unb iljreit Sift unter 
bem 9tofenbatb eingenommen batte — in ihrer 
Sieblicbfeit unb 9lnmuth felbft einer weiften Stofe, 
gleich — ftbinetterteu ffanfaren unb unter ihren 
klängen erfd)ieiteit in fcbimmernber Stiftung 
unb mit ©efolge bod) ju Soft bie Stifter ber 
weiften Stofe in bett Scbranfen. Stoftrenb ab» 
wetbl’etnb bie ffläuge be? Sarifcr Eiujitg?» 
ntarfche», be? Sliidferliebe? unb be» gerabe bo= 
inal-5 in Aufnahme petoinmenen fkeitftentiebeä 
ertönten, bie freilich mit ben ritterlichen KfoftiU 
inen ein meuip bi»harmoitirten, hemepte ficb ber 
pltiujeube 3»g nach einer Keinen 9fnl)öl)e bem 
3clte ber ftaiferiu pepeniiber, wofelhft bie Stitter 
anhielteu, unb burd) ©eitlen ber Stoffen „ber 
weiften 9t o f e" ihre fjnlbigung barbrad)ten. 

Ein jeber ber Stitter hatte ficb eine ©ebife er» 
wählt, bie er auf feinem Sihilbe trup. Sorait 
ber ffroiiprinj, ber nachmalige Jtönig ^viebricb 
SBilhelm IV., mit bem Stoljlfpriich: “Tuis vic- 
tom!”— ©auu Sünj SMlljelm, bamal? in 
ber Sliitbe feiner 3ahre, im filberburcbwirftm 
SGßaffeitflcibe, mit ber $ettebe? Schwarten 9lbler* 
orbeu? pefcbmiidt, auf bem Raupte ben £>elnt 
mit aufpericbteteu 9(ölerflügelit. Sein blanfer 
Scftilb jeigte ba? SJtotto, ba? ficb in fpäteren 
fahren feine» Sehen? fo henlidj bewährte: 
,.@ott mit uns!" — ißriiu ffarl, ber jilnpere 
Sohn, hotte jum Stohlfprnd) erforen: ,,©f)iie 
beiue Sflicht!" — Sfkinj 9l(bre<ht: “Nil cnndi- 
dius !’’ — ©er Spruch be? fjerjog? bem Sraitn« 
febmeip lautete: “Nunquam retrorsum!”— 
©er be» Stinten Slbnlbert bon Sfeuften: „Ohne 
ßnnipf feilt Sieq!" n. f. w. Sachbein bie Eh«n* 
bejeiiqiinpeu boriiber waren, berftnminte bie 
Stufif, unb ber führet be? paujen 3npe^ £>cr* 
jog Earl bon 9Sedlenburg«Stre(i&, Sruber ber 
felipeit Königin Sotiife unb fommanbirenber 
©eueral be? ©arbecorp?, au?gejeicf)net bnreb 
biele gläigenbc Stoffentfjoten, mit ber ©ebife: 
„Siir Sie!" im Scbilbe, richtete eine hoeftpoetifthe 
Sufpracfte au bie Äaiferin. 

Sachbem bie ritterliche Schaar borheipejopen 
mar, bepab fich bie fjfürftin mit ben qeiabenen 
©äften in ben proften Stufcbelfaal be? Seiten 


Saldi?, unb fpenbete ihnen ihren ©an!, inbem 
fie Keine Ehrengaben unb finnige Snbenfen 
unter bie 9titter bertheilte. — ©dmit enbete 
biefe? herrlidje ffeft, unb in ber Umpebunp be» 
Seiten Calais würbe e? Wieber einfam unb ftifle 
für lange 3üt. Erft in unferen Stapelt prangen 
bie bortipen ©arten unb Sitlageit wieber in berr» 
lieber edjiinheit unter ber forgfameit pflege unb 
Seitung ber Äronprinjeffin Sictorin, bie halb 
nach it^er Sermähluitg ba? Seite Satoi? bejrg, 
mtb e? fdjeint, als h«be bas ffrjl ber weiften 
Sofe in jenen buftipen ©arten noch eilte Sach» 
bliithe, beim überall crblicfeii wir hier bie lieb» 
lieben StooSrofen, bie 2ieblinp§b(unteit ber 
Äronprinjeffiit, bie überall jarierrötheub aus 
berborpenen Cauben unb Sifeben beroorfebauen. 


* JVu0 JMIjfta feben. 

%~n einem Sobemhernhenb be§ 3ahre§ 1543 
Tit faft Suther mit feiner ©heliebffen ßätbe 
®'| unb bem im junpfrätilicbcit Sllter ftehenben 
Sencben um bett eichene» Sfifd) in bent »oit jrnei 
Äerjeit mäftip erbeuten ©emacb ihrer befebeibe« 
neu SmtSwohnutip. ©er berbftliebe 9tepen fcblnp 
praffelitb an bie Keinen in Slei pefafttcu gfenfter« 
fefteiben; SBinbftöfte fuhren bon 3eit ju 3eit 
burch bie entlaubten Säume be» ©arten?. 

©er ehrmiirbiqe Suther erwartete an biefem 
Sbenb feine ©auSfreuube, 3ona§, 3°* 

hann Supeithapen unb fiubwip Seuft. gm 
trauten Screine füllte beute wieberum bie beilipe 
SJufifa petrieben unb fleifeip pefunpeii Werbeit. 
©entt e§ war fiuther nach ben Scbitlerjabren ein 
profter Siebhaber be? peiftlidjen ©efanae?; er 
pflegte beffelben mit ben Seinen unb m ©e»- 
meinfebaft pleicbpefinnter ffreunbe, unb nannte 
be?toepcn feine aBobming fcberjweife oft feint 
©antorei. 

Sach eiitanber traten bie Erwarteten ein, 
Senf! feine ©amhe unter bem 9lrnt trapenb. 
C>arfe unb Saute hotte Qfrau Ääthe bereit? auf« 

S efteflt; e? Waren bie? bie oiel gebrauchten 3n« 
rumente ber ffamilie. 

Saftt un§ nun mit bem Sbeitbliebe: O Inx 
beatn trinitas beginnen, orbnete jeftt Suther 
an, tincbbem bie Einpetretenen ficb bon be? S?et* 
ter? Unbill erholt hotten. Seuchen trup mit 
ihrer Stimme, unterftiiftt bon 3uftu? 
3oua? bie allen geläufige Slelobie, währenb bie 
Stutter bie gweite Stimme führte unb baju bie 
f&arfe harmonifcb erflinpeit lieft, Suther unb 
Supenhopen ben Saft hieju fangen, ben 8. Senf! 
in fiinftlerifchet SBeife auf. feiner ©aiube be» 
gleitete. 

911? ber teftte Sion bertlungen war, fragte 


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jffititke fllr dlUxn unb ffljrer. 


535 


Cutter: SJtein Senilen, öerfiefteji bu aud), roa§ 
Wir (äugen? — ©er^en§mitei% mic fömtte id? ba§, 
antwortete fie ervötljenb; ba§ Cateinifc^e ift mir 
jo nur in etwa» befnnnt. 

9 htit benn, meine Sieben, fo laffet un§ and) j 
biefeS fd)öne Sieb glcid) nuberen in ein flut $eutjd) 
foffeu, fprad) jefct Sutber fiep 311 beit Männern 
menbeitb, mtb, bie Suftriunente einftroeiteii juv 
©eite ftettenb, ftbertrug man bie lateini|d)e 
£pmne iu§ $eutfd)e, bamit in foldjer gfajfiiiig 
fie nidjt nur non ber 9 Jhttter unb bent Senken, 
fouberu and) ttoit 3 »ebermaun toopl Derftauben 
werbe. 

tmtrbe ba§ Sieb nun noch einmal t)orae= 
notnmen. Sille fangen, begleitet 001 t f>arfe unb 
©arnbe, betten Sutfyer bie Saute pinjufügte, be¬ 
wegten ^erjeu»: 

Der toi btjt brei tu (Eintgfeit, 

(Ein wahrer (Sott ron ditpigfeit, 

Die Sonn’ mit bem (Eag’ poh uns meidet, 

£aß fdjeitien uns beiue göttliche leudjt; 

Des lUorgeus, (Sott, btcfy loben mir, 

Des 21beubs and? beten porbtr. 

Uufer armes £ieb rühmet bid? 

3e$uitb, immer nub etpiglid?. 

(Sott Pater, bem fei einig <£br, 

(Sott Sofju, ber ift ber eiu’ge fjerr, 

Unb bem (Eröftcr, bem fjeiFgeu (Seift 
Don nun an bis in €nrigfeit. 

. . - . ♦ . - 

dine dpifoto au0 tom £ctoit tos 
füllten 0 . pisimudi. 

$nr £aus unb $rrb um 0 a«( Ari$(»ff. 


j| ie breite ©ruft beS beutfdjeit AeicbStangterS 
301 'P gefebmiidt mit bieten Orben, welche ihm 
i in roobtoerbieitter SBürbigung feiner hoben 
SSerbieiifte bon faft aßen gefrönten Häuptern ber 
2Belt' gefpenbet ronrben. Unter ber langen Steife 
flrabteuber Gbreugeicbeit befinbet ftd> auch eine 
9tettungS.9Jtcbaifle, bertieben bon SJönig SBitpetm 
IV. bon tßreufeen. SJiSmard, einft bon einem 
®ip(omaten nm bie ©ebentunfl biefeS @^rensci= 
cbeitS befragt, antwortete furj unb abweifettb: 
„Gjcetleng, ich b»U>« bie Sewobnbeit, hier unb 
bei einem armen fDlenfdjeu baS Ceben gu retten!" 
3fa, ein armer Atann mar es, bem b. ©iSinartf 
einft mit Aufopferung alter feiner Straft baS 
Sehen rettete. ®te3 Greigttife fanb im 4E>erbft 
1846 gu ffreienmatbe in tßommern ftatt. ßier 
lag ber junge 2anbmebr*UtaneurOffi}ier b. ©iS* 
unnd im Quartier, um bie Uebiiugeit feines SRe» 
gimentS mitgumaefeen. GiueS äageS teerte er mit 


feinem Surfcbcit gur Stabt guriid. ®aS roarme 
SBetter unb bie Strapageu bo» ®ienfleS erroedten 
in ifjueu bie Sebnfmbt und) ber behaglichen 
üöobuung. 3m faufenbeit (Galopp flogen bie 
©ferbe babiu. AtS bie (Reiter ain Starker 
See borüber jagten, ftitfgle baS ©ferb beS Sur* 
feben unb warf feinen Leiter fopfiiber in bie 
naffe 2iefe. ®er ©tarnt, beS Schwimmens ttn* 
funbig, fd)ien rettungslos bertoren. ©i§inavcf, 
gwar fchmeifetriefenb unb miibe, fprang bom 
©ferbe, warf fid) tobeStiihn in bie fttutbeit, er» 
griff beit Grtrinfeubeu unb brachte ihn mit gro» 
feer Anftveitguiig unb eigener SebenSgefaljr giiid* 
lieb auS Ufer. ®a eS bis gur Stabt noch meit 
mar, fo mufete man uod) tangere 3eit in beit 
naffeu Stleibern jn ©ferbe bleiben. ©iSmard 
gog fid) eine langwierige Grtiiltung gu. (Sin 
rbenmatifcbeS Ceiben war bie AuS ibni 

bat fitf) jene febmergbafte Aearatgie entwidett, 
Wetdjcbic ibattraft bes9teid)StanglerS täbmt unb 
ibn bon 3 f 't gu 3 e *t gtoiitgt, bie Sorge um baS 
SBobl bcS beutfcbeit 9teid)eS anbertt ^äitbett ait» 
gubertraueit, ‘fid) aus bem öffentlichen Sieben in 
bie Stille gurtidgugiebeit. Atljäbrlicb weilt ber 
ffürft auf einige Afouafc im !Babe gu ftiffingen, 
foffeu wir, bnfe ibm bie ftur in biefem 
bie erfebnte @efunbbeit bringen wirb. 


HJiithe für dUmt unb fdjrcr. 


„Safet uns im (Srnft fein." 

®iefeS waren bie JBorte beS nnftcrbticben 
SBafbington, ait feine Gruppen gerichtet beim 
llebcrfebreiteit beS Sela Ware, Jtirg bor ber tut» 
bergcfetidjeit Scblacbt bei Sventon. Saffett ficb 
biefe 2!3orte nicht mit berfelben Angenteffeitbeit 
an jeben Sonntagfcbatarbeiter über bie gange 
fiänge unb ©reite ttttfcreS SanbeS richten? ®ie» 
fe§ ift (eine 3«it um gtt fcbluntinerit unb uittbätig 
gu fein. Um für biefeS wichtige Röert tiidjtig gu 
werben, ift mancherlei ttötbig, aber bas Aötbigfte 
ift geiftticber Gruft, beffen Quette ber bfiiige 
wift ift. SEBir bebürfeu biefen Seift, nid)t nur 
bafe er gtt uns fomnte, fonbent uns erfülle, als 
eine atleS burdtbrittgertbe unb altes befiegenbe 
@otteS»ftraft. ®er ©rebiger bebarf fein, mit 
beffev gu prebtgen, ber Superinteubeitt, um bie 
Schute beffer gu leiten, ber fiebrer, um Oeffcr gu 
uuterriebten. 2Btt folleit ftets bebenfeu, bafe ber 
Strom nie über feine Quelle fteigt. So faitit 
audb ein Sebrer nie mit Grfotg baS (ehren, was 
er nicht fet6ft erfahren bot. AIS Arbeiter im 
geiftticben üteidje „l a fe t tt tt S i nt G r n ft e f e i tt." 
Steigt baber hinauf iit eine reinere Atmofpbäre. 


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636 


üiitite für tfltern unb JVIjret. 


fle nnft bu bei ne ©filier? 

©tubirft bu auch beit Gljarafter beiner <Sdf»ü» 
ler? Wenn nicht, wie faitnjt bu wißen, welches 
bie bcfte 93ehanblungSmeife ift ? Was fehlt 
jener alten Uhr bort in ber Gcfe? „Sie hat 
baS ©^miereu nöthig," fagft bu. Der Uhren» 
flicfer fcgiittelt beit $opf unb fpricfjt: „ 3 }dj map 
fie auScinanbcr nehmen." Gr entfernt 3dger 
unb 3iff i ' r bl rt it unb baS ganje SQ3erf lonunt ber» 
au». ba fefjlt’S," fpricht er, inbem er 

ein befchäbigteS Stäbchen nätjer betrachtet. £aft 
bu je and) fo beine Schüler jerlegt ? Du fagft, 
Wilhelm fei tounberlicf) unb miberfpenftig. Das 
ift eS nicht, aber er tann eS nicht ertragen, wenn 
man ihn lächerlich macht, unb baß bii ihn aus» 
lachteft, hat ihn unangenehm berührt. Du barfft 
ihn nicht teicherlich machen. Unb ’S ©reichen habe 
bir eine Unwahrheit gefagt, fpridjft bu. ©3 
gefchahe nicht abfithtlich, fonbern fie ift fdjilchteru, 
unb als bu fie iit gereijtem Sion anfläffteft, ent» 
fchlüpfte ihrem geängftigten Iferjeu eine Un» 
toahvheit, worüber fie felbft erfchracf. Unb weißt 
bu aiuh, baß bie Sita eitet ift ? Hßecfe bafjer 
nicht beu ftoljeu tßfau. • Gart wirb beineu lo» 
deitbcu ©orten folgen, aber treiben faunft bu 
ihn nicht einen 3oö- Unb ber ©onberling, ber 
fchüchterue tleine fjranj ift arm unb fühlt fi.f) 
jurüefgefeßt. S 9 efndE)e ihn in feiner #eiinat(j. 
S)er Umgang mit ifinbent ift üon großer Wich» 
tigfeit. Um fie recht ju behanbetn, muh mau fie 
recht oerfteheu. SJiadf): bieß oertraut mit biefeit 
fleiueu Uhvwerfeu, h'lte fie in Drbnung unb 
im ©aitg. 

$raftif<he 9lntoenbung. 

Wenn bu bie Wahrheiten, bie bu in ber 
©onntugfchule ju lehren hofl, bloS bem 93er» 
ftanbe beS JifiubeS eiuprägft, fo inöchteft bu ba» 
Sehren ebenfowohl ganj untertaffen, ©oft ber 
Unterricht niemals über ben 93erftanb beS ßinbeS 
hinausgehen, fo wäre eS beffer, er würbe ganj 
unterbleiben. Wenn bein ©treben nicht höher 
gefteUt ift, al» bloS ben 23er|’taiib ju erreichen, 
■fo inöchteft bu beine ©teile als Sehrer ebeitfo» 
Wohl aufgebeu. Du haft es in beinern Unter» 
ri<ht mit bem ©ewigen, mitberganjen ©einüths» 
betchaffeuheit unb bem Willen beS JtiitbeS 311 
thuu. GS fei benu, baß bie burdj bid) gelehrte 
Wahrheit früher ober fpäter bon bem ffmbe er» 
griffen unb erfahren nnb in ihm ju ©eift unb 
Sebeit wirb, fonft ift fie meggemorfen. 

Gs ift baffer beS ©onntagfchultehrerS heiligfte 
tßflicht, mit ber ganjen ftraffmnb Schärfe gött» 
lieber Wahrheit in baS ^nnerfte ber tfinberfeele 
einjubriugen. Du foHft nicht nur fein Wiffen, 
fonbern fein ©ewiffen erregen unb bctS Äinb 
beftiminen fid) j$u entfdjeiben. Gs ift eine 
Pöchft feierliche Slrheit, bettn fie befaßt fich mit 


ben höchften unb wichtigften Dhotfacßen menfeh« 
liehen Sehens; Gs ift eine göttliche 9trbeit unb 
fann nicht ohne übernatürliche £)iüfe »errietet 
werben. 

Unfere ©onntagfdhutarbeit ift nnr ju oft 
berlorene SJtütje, einfach weit es bem ©uperin» 
tenbenten unb ben Sehrern an tiefer Ueberjeugung 
unb heiligem Grnft fehlt. 3ti unfern ©chiilen 
ejiftirt oft ju oiel Sänbctei, ju biet gefellfchaft» 
liehe Weiterleit, raufchenbe Suftbarfeit in ©efang 
unb ©efüfjlSaufregung. Gs fehlt ju fehr aii 
heiliger ©eben, göttlicher Gbrfurdjt, tiefer Ue* 
btrseugung, ernfter Steue, feftem ©lauben, grünb» 
lieber Gntfchloffenheit, ernenernber straft unb 
erbauenbein Grnft. 

Sieber ©onntagfdjullebrer, fliehe mit Steblicß» 
feit unb 9lufriihtigfeit beiiteS $erjenS unb mit 
ber ganjen Straft beineS Willens bie ^Belehrung 
beiner Schüler: rechte mit ihnen; gebe fie nicht 
auf; bete für fie; überzeuge fie bon beinern tie» 
fen Grnft in biefer fo wichtigen Sache. 3 11 oiel 
fehlt eS oft bem ©onntagfchullebrer felbft an 
tiefer ernfter grömmigfeit. 93eherjigt, o Sehrer. 
euren hohen unb herrlichen 93eruf! Durch ffleiß 
unb Sreue föuut ihr in ber £>anb ©otteS baS 
Wcrfyug fein, biefeit ober jenen jur «eligfeit 
Jti führen, ©licht bei jeber Seftion einige mich» 
tige Wahrheiten tief nnb bleibenb in’S £>evj ein« 
jufenfen. 9tber bor einem Gjtrein laßt euch 
warnen, peinigt eure ©chüler nicht mit ftereo» 
tppen unb enblofen Grmahnungeit, benn biefe 
bringen mehr Schaben als ließen. 3<h beob» 
artete fchon, wie .Qinbern, unter 9luffi<ht folcher 
Sehrer bie ©onntagfchule jur peinlidheu ©efau* 
genfdhaft würbe. 

Stumpfheit im Semen ift auch 
Stumpfheit im Sehren. 

Gs ift eine gefällige Säufchnng, oujuitehmen, 
baß ein ßhmerfäHiger Schüler jufolge feiner 
cinftigen Stumpfheit ein befferer Sehrer wirb. 
Gin ftumpfer ©chüler mag in Wirflidjfeit ein 
jiemtich guter Sehrer werben. Saßt nnS, bie mir 
einftenS fdjmerfällige ©dhüler Waren nnb ießt 
Sehrer fein müffen, ob gute ober flechte, beffen 
tutS freuen. Unb ftnb wir gute Sehrer, fo wer« 
ben wir es fein, ungeachtet wir früher jtumpfe 
©chüler waren, unb nicht in ftolge beffen. 

Gs wirb behauptet, baß ein fchwerfiilliger 
©chüler, wenn er Sehrer wirb, nuS Grfabning 
bie ©chwierigteit im Semen fennt. Gs fcheint 
fo, unb es läge hierin gewiß eine große Wahr* 
heit, wenn man überjeugt fein biirfte, baß bie 
©chmierigfeiten, beneit man ju begegnen hot, 
immer bei ollen ©dhüleru biefelben mären. 9 tber 
bie Dbotfache ift, baß jeber ©chüler feine be* 
fonberen ©chwierigteiten hat. DiefeS wenigftenS 
ift in großem Waße ber galt. Unb was erfor. 
berlich ift, ift ein Sehrer, ber bon Statur unb 


\h 


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jfflte id) rin Poktor würbe. 


53? 


burdj Uebuug bie ©abe befißt, leicht ltnb fdjuell 
baS |>inberniß ju finben, welches brnt Sd)ü(er 
im Siege liegt, fei es mm ein $uiberntß, baS 
einftenS itjm felbft Sibtoierigteit bereitete ober 
nicht. Siefelbe Sufgewedtbeit, bie gum Seinen 
befähigt, befähigt auch gum Sebrert. $ie Super- 
inienbeuteit follteu fiel) immer bemühen, bie 
fähigften unb aufgemedteften 'fJerfoneit für baS 
Sebramt gu fiebern, mit ber Sorausfeßung, baß 
enbere nötbige Cmalififationen nid^t fehlen. 

©ine ber wefeutlichften fjäbigfeiten eines fluten 
Servers ift bie ©abe, eines Sd)üler3 ^inberniife 
31 t üerfteljen. Unb biefe ©abe ift mit größerer 
Sicherheit in einer ^Jerfoit gu finben, bie in ibret 
3ugenb ein aufgemedter Schüler mar. 

SDeS Sountagfcbullebterß bobet 
93 e r u f. 

2b«!«« Sebter, ibr ftebt an ben Sergabbän- 
gen, roo bie flcinen 33äd)lein cutipringen unb 
mie leid)! tonnt ißt ihren Sauf beftiminen. 2 a 8 
Säcblcin, welches feinen Saut in einen Sumpf 
gefunben bot unb in bcmfclben fief» Datiert, 
pätte leicht in eint anbere '.Richtung in einen 
brauchbaren Strom tonnen geleitet werben. 
SDßie Icicbt tonnt ißr bnreb 2reue unb Stbätigfcit 
baS junge Ccben beS SibiilerS, baS fidj gur 
Siinbc neigt, guut ©uten tenfen unb einen miß« 
lieben Wenfcbeit auS ihm machen, roebbet ber 
Weufebbeit gum iRußen unb ©oft gur ©bre flf= 
reicht. 93ebergigt euren hoben Seruf unb lernt 
bie Mittel hoch icbäßeit, btircf) Welche ihr bie lau« 
uifeben ©emütber als irvenbe 23ädjlein in bie 
redete Strömung gu leiden Dermögt. ©3 fei 
euer ernfter ©ntfchluß, in 3ulunft mehr gu tbun 
als je. 


lüie t$ km, baff id) ein Poktor 
«mrbf. 

©ou Jfcr. X. ®. 

enn i<b gnrüdbenft an bie erjien 
©inbrüde, welche meinem Sehen 
feine Sichtung, feine tljeuerften 
'Snfidjten unb ©runbfäße ein- 
prägten, fo fteigt Dor mir baS 
Silb einer lieben, ieibcuben fyrau — meiner 
Slutter — auf, unb taufenbfach banfe id) ihr 
noch b l ’nt» wie fie fo früh bie lleinen Klinber» 
bänbe jfeb falten lefjrte, fo früh, baß id) nicht 
weiß, wann es gum erften fötale gefcbeljen. Unb 
wie fie fo jung mir fchon bie ©emißbeit gewedt, 
baß ©ott aflgeit mein 93itten höre unb — wo 
feine ewige SöeiSbeit es aeftatte — auch erhöre, 
fo fpracb ber #err felbft fein „ 3 a" unb „Simen" 


gu biefer inneren ©ewißheit, fo bau ich es nim¬ 
mer Dergefieu, nimmer bau traurigen 3 weifel 
anbeimfalleu tonnte, ber beut taufenbe üou Jor¬ 
gen irre werben läßt. 

SDie fonnige KtiuDcrgeit mit ihren fröhlichen 
Spielen in ©arten unb SBiefen follte mir früh 
getrübt werben. 3 l h war erft im Diertat 3 abre, 
als meine über alles geliebte ÜLRutter ertrantte, 
um 3 <Jb«, forgenfebwere 3 nljre biuburcb au if)r 
Ktraideubett gefeffelt gu fein. 2113 bie Seiben 
meiner guten Siuttcr gar nicht euben wollten; 
als jeber neue 91rgt feines 23orgongerS Sicbigin 
wohl gum geufter hinaus gu werfen, aber nicht 
mehr als jener gu helfen Derftanb, ba hörte id) 
Wobt bann unb wann baooit flüftern, wenn meine 
liebe Stutter fterbe, fo müßte mein Sater ber 
Dielen Klinber wegen febon wieber beirotben, unb 
bei einer Stiefmutter werbe Wohl alles anberS 
werben. S3e(d)’ ein ©rauen befd)licb mich bei 
bem 2 Bort! Staren nicht olle Stiefmütter, Dott 
beiten bie ’Utärdjeit crgäblen, entfeßlid)e boshafte 
©efeböpfe ? 93eftütigten nicht bie 93emertungen 
ber iReufdjeu bie Stafjrbeit biefer 9fninif)nie? 
Sein, meine eingige, taufte, fromme Stutter 
burfte uns nicht Derlaffen, um uns jo Id)’ einer 
Derbaßten Stiefmutter gu überlaßen! 2iMe rang 
ich laut im ©ebet gu ©ott um ißr theureS Sehen, 
unb fefter unb fefter würbe in um* bie lieber* 
geugung, baß mein 93 atcr im .{limnie! mein 
beißeS Sitten erfüllen müßte. fRicßtS mochte mich 
irre an biefem fefteu ©laubeit, nicht ba§ immer 
elenbere 9lu§fet)en ber geliebten fl raufen, als 
ihre Scibeti fid> fchon iu’S britte 3‘d)r hinein 
auSbebnteu; uid)t baS bebauernbe Ktopffchiitteln 
ber betmheubeu nreimbe, wenn fie ftumm, ohne 
ein 2Bort Don Hoffnung auS bem .paufe fd)lid)en. 
3n befonberS fdßoeren Stunbeit tröftete ich bie 
liebe Seibenbe wohl febon bamalS mit ber 2luS» 
ficht: wenn ich nur erft groß fei, bann würbe ich 
2 lrgt unb tlüger als biefe alle — bann machte 
ich fie gefunb. Srourig Uichelub fdjiittelte fie 
bann wohl ben Klopf unb fagte: „5)agu gehört 
Diel ©elb, mein Kfinb, unb wir finb nur arme 
Seute." Stamit batte fie freilich 9ted)t, beim mir 
bewohnten ein 23aiternbnu§, unb 9(eder unb 
2Biefen ringSuiuber waren nicht unfer ©igeu« 
tbum, foitbern nur gepachtet. 

9(ber ihr ©inwurf febiiehterie mid) nicht im 
©eringften ein. glatte fie felbft mich nicht früh 
ben reichen #errn teiineu gelehrt, ber auf nufere 
Sitten auch bie Stittel bereit batte, uns gu hel¬ 
fen. fRein, bamalS fchon ftanb es bei mir: ein 
&oftor müßte ich werben, unb nicht ruhen noch 
raften wollte ich, Ä 0 idj ber 2 beucrfteu, bie bie 
©rbe für mich trug, Klräfte unb ©cfunbbeit er¬ 
rungen batte. 

3 nbeffeit fchienen alle meine beißen 2 Bünf<he 
unb ©ebete nicht helfen gu wollen, unb eS fam 
ein uitoergeßlicb — trüber Stag, an bem fie mich 
89 



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538 


Pie id) ein gtohtor würbe. 


nicht mehr in hören fchieit, als ich (aut an ihrem 
Sd)nicr 3 cuölager 31 t ©ott um £ilfe floate. DuS 
3 immcr füllte fiel) mit leife tretenbcn, flüfterit» 
ben 9Jtcnfd)cit. „{aore auf 311 beten," fagte mein 
Sater ernft, „beine arme Wutter liegt im Ster» 
ben." „DaS ift nid»t möglüh," fd)rie irf) laut— 
„hilf, £err 3efwS, hilf-" — Sa meinte aüe§ 
laut um mich f)et — „Sie ift ja fcbcit tobt, böre 
auf" — unb alle flauten, irf) allein betete weiter, 
©ntfejjlidj Hang mir beS trauentben SaterS ©e= 
bot in’S Obr an einen auroefenben jungen Set» 
ter, er möge oom Sobeit Stroh holen 31 t einer 
Streu für bie Dobte. Drobenb (teilte id) mich 
bem Setter in ber Dl)iir entgegen, brol)enb hielt 
icb ilp meine fleiiten ftäufie entgegen — „baß 
bu nirf;t Strol) bolft, meine Wutter ift nimmer 
tobt, unb fie ioll in iljrem Seit bleiben." 
^llugcbulbigwinlte mein Sater meiner älteren 
Sdpefter, bie mirf) geroaltfam (jinauc-füfjrte ein 
Stücf oom {laufe entfernt. 34 fümpfte einen 
Bezweifelten Mampf um meine rfreif;cit, aber 
babei rief icb immer laut 311 ©ott bem Ülllmärf)= 
tigeit, er möge — mie er eiuft üa 3 aruS wieber 
lebenbig gemacht, aurf) f)ier helfen unb unsarmen 
Miuberu bie SJtuttcr erhalten. „Da hätte ber 
liebe ©ott oiel 311 t()uu," fagte adjfeljndenb eine 
Nachbarin, „wenn er auf folrf)’ einen fleinen 
bummen jungen hören Wollte." 

O, wie mirf) baS ergrimmte! „34 will 311 
ihr, 31 t meiner 9Jtutter," rief irf), mich gemalt» 
fam ber feffelnbeu £>anb meiner Schweflet ent» 
rei|cnb. ftiirjtc bem .{laufe 31 t — unb Wenn 
mein Sater, ber eben in ber £>auStf)ür erfrf)ien, 
mich tobtfrfjlug, ich batte nichts bagegen, unter 
ber SorauSfeßnng, baß ich nur bei meiner 9Jtut= 
ter ruhen burfte. 

Slber mein Satcr ftrafte mich IciiteSWegS, als 
i4 311 ihm tarn; er rief and) bie Srfpefter, nahm 
itnS an ber £>aub unb führte uns in’S Mrvanfcu» 
3 immer. @3 war eine längere 3 cit oergangen, 
feit mirf) bie Sdjmefter fortgeführt. 9ticmaub 
meinte mehr, felbft beS ftrengen SaterS Stuge 
blirfie milb. Wan miitfte uns, rerfit leife 31 t 
gehen—bann fliifterte eine unbewegliche Stimme 
inir 311 : „Die Wntter lebt, eSToar nur ein lau» 
ger Starrtrampf, ber fie tobt fcheinen lieb." 
SBuitöcrfclige Stunbe! 3h r Anbeuten bot mein 
ganges Sieben l)inbur 4 gemirlt unb mirf) ge» 
mahnt, baß, was ben Wcnfrfjen unmöglich fcheint, 
eS borf) bei Jjctt nicht ift. 9!och lange, fcchsuiib» 
3 mair,ig 3p« lebte bie theitre Wutter mit ttnS, 
nad)bcm fie in bemfelbeit 3 obre ihr langes 
ffranfcnbrtt ocrlaffen hotte. Sou biefen erften 
Grljörungen meiner Äinbergebete an, bie mir 
einen mächtigen Ginbruct machten, gmeifelte ich 
nicht mehr, bah beS {lernt $anb über mir fei, 
unb munberbar genug foflte meine SlebenSerfah» 
rung meine 3 n 0 crfid)t beftätigen. 

3 e größer irf) würbe, um fo größer mürbe 


auch mein 2 Bunf 4 , einft Dottor 311 werben. Son 
bem $ranfenbett ber Wutter eilten meine ©e« 
banten balb wieber in bie {>ütten ber Sinnen. 
2 üie oiel toftete uns bie jahrelange firantheit — 
Wie fd)ön mußte cs fein, bermaleinft bie Firmen 
gefüllt) machen 3 U bürfen, ohne ihnen foldjie 
©elbopfcr aufsuerlegen. SÖtit ftiUcr Scgciftcrung 
begleitete biefe SluSfübt mich burch bie S4uU 
jaijre, unb als ich nach ber Dorffrf)ule baS @pm= 
nafium ber nächftgelegencn Stabt abfoloirt batte 
— ba begannen bie glorreichen ftriegsjabre 1813 
unb 14. SDÖie gern ich auch mitge 3 ogen märe 
nach tfranlreirf), man fanb mich SU i«ng «ob 3 u 
frf)mächlicb. bie Wittel 311 m Stitöircn fehlten, 
unb mit betrübtem äerjeit bereitete ich mich, in 
mein {teimathSbörfmen jurüdsiilehreu. 

Da fragte mich ®r. ©., ber an ber Spifce 
eines SasarettjS in Sact)jeu ftanb, ob irf) bei ihm 
mich wollte 311 m är 3 tlid)cn Seruf anlernen laffeii, 
guglcirf) auSiibcnb baS, WaS ich eben lernte. SÖcr 
weit gliirflirfjer als irf), beim außer ber militär» 
ältlichen Stleibnng erhielt id) einen ticinen ©e» 
halt. Seiber machte ber ^ricbeitSfdjlitß biefer 
fvreube balb ein Gube. 34)- nnb meine jungen 
Kollegen erhielten Crbre, uad) Serlin 311 tom» 
men, wo Wir feiertirf)ft cntlafjen werben folltcn 
mit ber Grlaubuiß, noch brei Sage länger bort 
31 t bleiben, bann aber unfern Wiiitärroct 0631 t» 
legen unb in bie öeintatl) 31 t reifen. Die mciften 
meiner Kollegen lehrten fröhlich gleich ben erften 
Dag 311 ben 3b*ißen beim. 91 irf)t fo ich- yüt 
mirf) l)ieg bie {icimfehr Slbfchieb bon einem 
mir fo erfchuten SebeuSbcruf; mußte irf) eS borf) 
nur 31 t gut, bag meine Glterit für mirf) uirfjt bie 
Stubicnjal)te be 3 ühlen tonnten, bie nothwenbi» 
gerweife meiner Promotion borauSgehen mufe» 
ten. Drüben {icrseitS fchritt irf) wieber unb mie» 
ber burch bie Straffen ber mir fremben 9 tefiben 3 , 
bergebenS fud)te id) in meinem ©ebächtuig nach 
irgenb einem belannten 9?amen, nach irgetib 
einem 9Jteufd)en, ber mir rathen ober helfen 
tonnte. 9ta<h £>auS unb ein Sauer werben — 
fo ftanb unerbittlich mein ©cfdjid Por mir. 3um 
legten Wal wanberte irf) bie Sinben hinab—aff 
bie dielen fjenfter ber sabdofen Käufer fabelt 
auf mich betnieber, wie eben fo niete frembe 
gleichgültige Singen. Da — fab id) rerfit? grüßte 
äuS einem geöffneten 3 c 11 ft er eines gegenüber» 
liegenbeit {laufeS mich ein belannteS Wenfcben» 
angefidit. @S War ein 9}?ann aus unferem Dorf» 
eben, ein lieber alter fyvettttb meiner Sltuttcr. 

34 weiß nirft. Wie lange i4 tief oerfuuten in 
©ebanfeit auf ber Straße ftebcit blieb. Da 
legte fi4 plößlüh eine ,f)anb auf meine Schulter. 
„3unger nreemb, finb Sie noch immer hier?" 
flaug es in mein erftauntcS Chr uttb bcrfclbc 
Dr. ©., ber mich für baS Satarctl) einft gewor» 
ben, ftanb oor mir. Gr war mir ja immer ein 
1 freunblidtcr ©önuer gewefen — fo tlagte irf) iljm 


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öif idj ein Poktor mürbe. 


539 


offen mein Seit), baft mir bie Wittel fehlten 311111 
argtlid)eit Stubium, unb id) nun morgen für 
immer in mein $orf ^uriicf miiffe. „©ielleicbt 
Hiebt cS ttod) einen WuSmcq" — tröftcte er, in* 
bem er mid) mit ficb führte. „65 aiebt f)ier in 
©erlitt bie „©epinicve", melche auf Staatsfoften 
bie fünften Werste cr^iefjt unter ber ©ebinquttq, 
baß biefelbeit fpäter eine qcmiffe Steife Don 3ab* 
ren bem Staat a(S Wiiitürärgte bienen. 3‘d) 
fetttte beit (Generalarzt, meldjer über bie Wuf* 
nabute 31 t bcftiminen bat, unb trenn id) 3 bucit 
and) teilte iiniiiipen £)offiiitttqcn ermeefen möchte, 
ba ber Witbranq 311 Dieter Wuftalt fcf)r qroft ift, 
fo biirften Sie bod) bei einer fpüteren ©acattg 
bebadjt toerben. «ftoleu Sie fid) beut Dfadjmittaft 
Dott mir einen ©rief an ben ©eneralargt unb 
berfudjeit Sie 3b v £>eil!" 

Wit mdd)em $ant fd)ieb ich Don bem lieben 
Wanne, mit meid/ frofjer £mffnunq— benn bie 
3 uftettb bofft fo leid)t unb ftern! —botte icb mir 
bett Derhetftcnen ©rief. 3it bem ©orgimmer beS 
©eneralargte» ftanbcu Diele Wenfdjeit. Uitifor* 
men unb orbenqefd)mütfte Wäuiter marteten auf 
6 inlaft. Schüchtern, tuie id) mar, ftelite icb in icb 
mit meinem ©rief in ber £>aitb an bie ©ittqanqS* 
t()ür unb machte mich mit bent ©ebattfen Der« 
traut, baft icb in biefer qlängenben unb gabt« 
reid)en ©efeflfdjaft mobl nicht ermarten bürfte, 
beut ttod) Dorftdaffcit 311 merben. 

®a öffnete ficb bie Übür beS ©predjgintmerS, 
unb ber ©eneralargt beftleitete irqettb einen bo(jen 
Wilitür bis gur WuSqanqStbür, an ber id) mit 
meinem ©riefe ftanb. 

,,©3a5 buben Sie ba ?" fraqte er mid) guriief* 
febrenb, unb icb reichte if)iit ben ©rief. Sind) 
toeniftcit Wiituten mürbe id) 311 il)ut qcrufcit. 6 r 
batte bett ©rief ftelcfen unb bebauerte, ntid) itid^t 
fofort in bie „©epiniere" aufuebmen 311 föitnen. 
2 Bobt aber fdjluq er mir oor, einftmeileit itt eine 
anbere ntcbigini|d)c ©orbcreitunqSfchitle eiitgu* 
treten, Doit mo aus mir bie erfte ©afaitg in ber 
„©epimere" tollte ftcficbert merben. ©oll ®an! 
nabm id) mein unermartetes ©tüd an. 

„©liitf" nannten cS bie Seute, fabelhaftem 
©liirf; mir mar es tncbr, meit mehr. Wber ttod) 
fehlte einm gunt Sottor. 9115 meine Stubieitgeit 
gu 6 itbe mar, tollte id) mein qrofteS Staats* 
eramcit macbeit, unb bagtt qehörteu 300 Sbaler, 
id) reifte alfo 31 t meinen ©ttern ehe id) ntid) mel= 
bete, unb fraqte fie, ob fie iitt Stanbe feien, eine 
fo qrofte Summe für mid) bereit 31 t halten, bie 
ich ftern fpäter 3 iirücf t gaf)len mollte, unb fie faqten 
mir, id) biirfe mich rubift tnclbeit, ba» nötbifte 
©elb fofle Doit ihnen unb ihren greitnbeii be= 
fd)afft merben. 

groben Reigens reifte ich suriid, nnb als id) 
promoDiren folltc, fdiricb id) ben 61tern, nun 
möchten fie mir ba» ©elb fcbicfeit. 9Iber id) er= 
hudt teilte Wutmort. Weine Unruhe mud)5 0011 


$aq 311 2 aq— id) fchrieb ttod) einmal— aitqft* 
Doll laq id) im genfter gur ^eit, mo ber ©rief* 
bote fontntett folltc — immer ocrqebettS. 34 
bat unb flehte 311 ©ott iit meiner qroften Wttftft, 
baft jept nodj mein SieblinftSmunfd) feheitern 
füllte. Wber biefeS Wal laut feine ©rijörunq, 
fein ©rief, fein ©elb. 

2 )a blieb mir benn fdjlieftlid) nichts meiter 
übriq, als mich in bett qraufameu ©ebaitfett 311 
fiitbeit, baft id) eben meinem iJebettSberuf ent* 
faqen muffe; eS mar biellcicht biefer beiße äBiittfdj 
ber 3faaf, bejfcn Cpfcrunq ©ott üoit mir for* 
berte, meil er bi» ba()iit mich mit fo Diel ©nabe 
qcfeqnet butte. 2riibcu ©crjcnS fdjricb ich utt 
meinen bDd)Dcref)rteit ©eneralargt, ich miiffe um 
meine ßntlaffitnq aitS betn ärgtlidjcit Wilitär* 
bienft bitten, ba meine Wittel uitbeftreiflidjer* 
toeife auSqcbliebeit. 

34 mietbete mir ein Keines, inöqlidjft bod) s 
qeleqeneS Stübdjeit, bamit meine ©rifteugmittel 
nicht aUgufcbttell 311 6 ube qinqcit, tutb fuchte 
mich mit ber freublofeu bertraut 31 t 

machen. 

So mar ein bcfonbcrS banqcr Wadpuittaq qe* 
fomntett. Cbqleid) id) nicht mehr auf Wntm’ort 
Don beit 6 ltcrn rechnen fottnte, immer mieber 
ftahl mit fieberhafter Unruhe ficb eine leptc$off* 
nunq mir itt’S #erg, mettn bie 3eit fant, mo ber 
©riefbote meine Strafte abqittq. So (aq id) an 
jenem trauriqen 9tad)mittaq and) im jeitfter, 
ltnb fd)ott Dott ferne hielt ber ©rieftröqer einen 
©rief empor. jHopfenbcu ^er.geitS ftiirgte ich 
ihm entqeqcn — ad), es mar tt i d) t bie £)aub* 
fchriftber qelicbteit 61tern, es maren bie Sdirift* 
3 Üqc meines ©encrafargtcS, bie biefer ©rief tntq, 
utib mcit meq fdjlcubcrtc id) ihn Don mir, betitt 
er enthielt ja bie qemiiufchte ©ntlaffunq. 34 
fottnte mich nict)t entfd)liefteit, bie SBortc, bie 
meine 6 ntlaffmtq uutcrfchricben, fofort 31 t lefen. 
6 in qait 3 Dcrgmeifclter (Gebaute fant mir. 
bett ßrieqSgeiteit — fo butte id) Dott ©idett qe= 
hört — Derbarqeit Wand)c ifjr ©iqcntbum an 
Orte, mo man ©elb für qemöbnlid) nicht fud)t; 
DieHeicht, menn ich qettau bie Wöbe! unb ©dett 
biefeS uiifcheittbaren ©entacbeS burdjfucbte, fanb 
icb, mas id) brauchte — id) mollte es ja nur bor* 
qen — bciliq qelobte id) meinem ©ott, folltc ich 
auf biefe ©jeife bie Wittel finben, bie mir fehl* 
ten, fo füllten meine erften ©initahntett 3 iir Wiicf= 
3 ahlunq beftimmt fein. Unb nun ftte eS an ein 
Sudjen tutb Klopfen, bnft bie altcilr9)}öbd fich 
nicht meniq loerbett qemmtbert hüben, ^siit 
Scbreibfetrctär entbedfe ich foftur ein qeheitne» 
l Jvach, maS lanqe all’ meinen Wnftrertquttqeit, e» 
gu öffnen, fpottete, eitblid) mich es eittiqen ^attt= 
merfd)läqen, tun mir leere PouDertS tutb Der* 
qilbte ©riefe 311 geiqcu. ©uttäufdjt tutb befd)ämt 
ruhte id) eitblicf) Don ber Wrbeit. ^e() 2hör mollte 
auf titcttfd)ltd)c JSeife mir ^ilfe fd)affen, aber: 


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540 


(£r wirb ft|en unb fdimeljett. 


„mit Sorgen unb mit (Srämert 
Unb mit felbft eigner Pein 
£äjjt (Sott fiify gar nidjts nehmen, 

£s mu§ e r b e t e n fein." 

Snblicb flehte ich um ©ebulb unb Srgebttng 
in mein ©efcfjicf unb griff bann etwas muthiger 
nad) bem (Brief, ber mein ©ihicffal entfeheiben 
fodte. 2öa§ aber erblicfieit meine Stgen! '©er 
eble ©eneralatgt feprieb mir, bev Mangel au beit 
paar buiibert Ifjaleru fode mir (ein frittberniß 
auf meinem (Berufsroege werben; er (teile fie 
mir mit ber eiiitiefc^lovfeiteu 'Jlitroeifung auf fei» 
neu '-Baitquier ptr Verfügung, möge ich fie ab» 
pihleu mie ich fönute. 

So groß unb fo grünblich patte im (Hugenblicf 
ber bödjften Moth ©ott wieder geholfen, baß mir 
ftide ®anfei't()raneu bie dlugcn netten. 

Srft lange 3 c *t fpiiter hörte id) ben ©runb, 
roeShalb oou meinen Sltern baS Derpeißene ©elb 
nicht eingetroffen. 3fn jenen 3cit pr », wo bie 
'Uoftoerbinbungen noch (eineSroegS fo georbnet 
mären mie heute, hatte ein mich beneibeuber 
(Bttrfcpe unfereS Dorfes meine beiben Briefe, bie 
man ihm ptr Mitnahme auf ber ncichften "Boft 
gegeben, einfach untericplagen unb meine Sltern 
ahnten nicht, in welch’ trauriger Sage ich mich 
befanb. 

©o mar ich nun wirtlich $>o(tor, mie eS ber 
((eine (Bube im (Bauernhaus einft geträumt, bem 
man nur bie Uuinöglichfeit für bie Srfilüttng 
feines SuitfcheS entgegen hielt, unb hatte fogar 
bie Srlaubniß, baSjenige (Jtegiment-.jjU nennen, 
pi bem ich am (iebften öerfetit fein möihte. 3<h 
mahlte ein SaDaderie='Jlegiment, aber man he» 
beutete mich ^gleich, bafi ich mir (eine Hoffnung 
machen möchte, einen fo oielbegefjrten ipiaß pt 
erhalten, unb baß bie (ttntmort mich oennuthlich 
einem 3”tanterie=5Regiment ptorbneit roerbe. 

S)a träumte ich eiuft einen feltfamen lebhaften 


SEraum — einen jener Sräume, bie man ft<h 
fihlechterbingS niept erfläreu fann. 3h (am 
mit ber 'fßoft in eine frembe ©tabt, ftieg am 
Marftplc© aus, fah bie fräufer, einige mit (Bäu» 
men Dor ber SEpür, in foldjer ®eutii<h(eit, baß 
ich fie auch roadjenb noch ade einzeln unterfepieb. 
Sine Menge frember ßeute (amen mir grüßend 
entgegen, reichten mir bie franb unb geleiteten 
mich pt einem biefer fritufer. 9llS ich halb bar» 
auf miöer alles Smarten eine Slnfteflung bei 
einem Ulanen «SRegiment erhielt unb in bie mir 
ööllig frembe ©tobt einfufjr, ba ftanb öot mir 
ber Marftplap aus meinem 2raum unb bas 
ftauS. das ich fortan mein eigenes nennen fodte, 
unb was mir alfo im SEraiim gezeigt mar, roie 
eiuft Mofen baS Derpeißene ßaitb. 

Senn ich ptroeileit einem engen ffreuttbeS« 
(reis meinen öebenSlauf erzählte, fo antwortete 
man mir wot)(: Diel ©lücf, in bet Spat Diel 
©litcfl Mir toar eS aber mehr. Diel mehr. Mir 
roar es ©otteS nmnberbare ffiihrung, bie mich 
geleitet; mir mar es ber ©cbetsiegen ber from» 
men 'Mutter, ber mir baS frans gebaut; unb mit 
unauSfprehlicher £>eligfeit oerdärte biefe Ueber» 
pugtutq mein langes ßeben, beim adftpg Dode 
3ahre bleichen meinen ©©eitel. Unb roeitu 
©ott mir bis pt biefer ©tnnbe bie prüfte ließ, 
lag unb Stacht meinem (Beruf nadjpigeben; 
wenn er mir manche poeifelpafte Ufiir mit Sr» 
folg fegnete; roenn er bem ©reis bie Sapr» 
heit beffen fepmeefen läßt, was ber ,<tnabe einit 
oorahuenb als ffreube entpfaub: baß es (öftlich 
ift, bem Sinnen ßiuberuug feiner ©cpmerpm 
bringen pt bürfett umfonft, toie ich es umfonft 
empfangen, bann habe ich wohl nden Schmarp 
feheru ber ©egemoart pim Ir oft für fo Diel 
ffreubeu ht meinem laugen Sehen pt ban(en, 
baß fie auch baS reichlich erfahrene ßeib nicht 
auSptlöfcpen Dermag. 


* 



(fr wirb ffyu uub fdjmcl|en unb bo$ Silber rciut$cu. #r wirb 
bie Hiiiber £iui reiiiigeu uub läutcru wir §olb^|bi Silber. 


fjl ie poölfjährige Marie roar ein Jfinb, in bef» 
fen frerjeit ber ©eilt ©otteS feine dir beit be= 
’ gounnen hatte. Manch herrliche ©ebeint* 
uiffe bes feplicpten ©otteStoörteS, ben Seifen 
uub Mlugen biefer Seit Derborgen, enthiidteit 
fiel) Der nach Saljrbfit fuchenben (tinberfeele. 
Siuft laS fie baS prophetifche (BerheißungStoort; 
Sr toirb fipeu unb fd)melgen unb baS 
©ilber reinigen jc. $en allgemeinen ©inn 
biefeS ©otteöioorteS uerftanb fie, beim fie wußte. 


öeiben foden bieMinber ©otteS prüfen unb be. 
wahren. 3lber trneS blieb ihr ttitdat, weshalb 
es nämlich beiße: ©r wirb „fiftett". 

©ie ging pir Mutter unb fragte: „Sarum 
heißt eS: Sr wirb f i ßeit unb fchmelgen bie itin» 
ber 2eoi? Sir fteheit Doch immer, wenn wir 
focteu." — Kie Mutter wies fie ptin (Bater, aber 
auch biefer tonnte feinem ffinbe bie genügeube 
(flusfuuft nicht geben, machte eS aber nicht roie 
gar Diele (Bäter, Denen bie berechtigten fragen 


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Jlif ©tihetten= unb ÜSitelfrage. 


541 


ihrer .Riaber unbequem fiub, unb bie, um ficb 
felbft ja feine ©lößen gu qeben, ibuen aus« 
roeidjeube 9lntmorten ertbeileu, ober uugebulbig 
ibuen ©cbmeigen gebieten. „Wiein Siinb," fprad) 
er, „gmar ift auch mir bet ©iitn biefeä ’©otte§= 
mortC'j niibt gang flar, aber nufer ©acbbar, ber 
©otbfdjmieb, ift in ©otteö ©lort unb ©legen er» 
fabreu, oerftebt auch fein ©anbroert fo gut, baß 
er roifjen toirb, wie e§ ficb mit bem ©cbmeigen 
ber ebeln Wietalte öerbatt." 

Wlarie eilte gu bem mürbigeu 9llten, mürbe 
freunbticb begrüßt unb brachte gum britten Wint 
ihre 5rage nor. Sie mar gur guten Stunbe ge» 
lommen, benn grabe mar ber ©olbicbmieb im 
©egtiff, einen Sieget mit «Silber auf’s ©cbmelg« 
feuer gu bringen. ,,©eße bid) gu mir," fpract» er, 
„i<b muß mich amb babei feßeit; nun («baue auf» 
merffani in bie fcbmelgenbe ©läge hinein. 5lacb 
einiger 3 eit fomint ein SlugenbEief, ba nehme icb 
rafcb ben Siegel biumeg." 

Wiarie feßie ficb neben ben freunblicben Sitten 
unb btidte uubermaubt in ba§ fc^nietjeiibe ©?e= 
taü. Sa§ Silber bemegte ficb unrnbig unb 
trübe, unb mar mie mit einer matten, glnngloieit 
ftaut iibergogeu. ©tößlicb aber febien biefefpaut 
fictj gu tbeileu unb nach alten Seiten roeggugieben. 
Sie©laffe roarb ruhig uitb funfelte im febönften 
©tait^e, fo baß be» ©reifet unb be» Rinbeä ©e» 
fiebt ficb bariit abfpiegelteu. 9tber nur einen 
©ugeitblicf, benn rafcb iiabnt gerabe jeßt ber 
©otbfcbmieb ben Sieget Dom feiler. 

„Sieb’, ©larie," fpracb er, „ba$ nennen mir 
ben e>ilberblief; ben pflegen mit ©otb» 


fdjmiebe fißenb abgumnrten. ©obalb er er» 
fdjeiut, muß ba§ ©über oom Sfeuer genommen 
roerbeii, fouft mirb e» mieber trübe, unb fpiegelt 
nie fo Har mehr be§ Wienfc^eu ©ilb mieber. So 
mie mir ©otbfcbmiebe tut# nun beim ©cbmetgen 
feßeit, um biefen Stugenblicf recht genau erfpäben 
git föiineu, fo feßt ber große ©otbfcbmieb im 
Fimmel, meim er un§ mit febeiubar harter £aub 
burib Ceibeu fcbmelgeu unb täutcru miß, ficb auch 
gleicbfam in 'Jtube nieber, unb märtet forgfättig 
auf ben 9tugenb(icf, ba fidj bei bem Wienfetjen, 
melcber ihm in ©Jabrbeit fo mertbbott ift mie 
foftbareS Silber, ba§ nnrubige ©logen unb 
©trauben in ber ©tutb ber Srübfat legt, ba 
ftiller, feliger Triebe eiugiebt, unb er felber, 
©ott ber 4 )err, fein 93ilb in be§ ©lenfcben fper» 
gen miebererbtieft, mie mir uitfer ©ngefiebt im 
glängenben ©über faben — fein ©ilb, baS er 
ihm aiterfcbaffen bat. 2 )«"" «ber ift bie ©tunbe 
ber Seibeit Porüber, bie Stunbe ber £nilfe ge» 
fomnteu, unb rafcb nimmt ber £err bie ©einen 
au§ bem fetter ber 9lnfed)tuug biumeg. Sarum 
beißt c§: „©r mirb fißen unb febmetgen." 

Sie Cebeiieerfabrung gum gangen ©erftäub» 
niß biefer ©otteömabrbeü fehlte bem $inbe noch, 
ober in feinem ©ngefiebt leuchtete etmaö Don bem 
^engniß be» heiligen ©eifteS, ber feinen ©eift 
für bie ©labrbeit be§ göttlichen ©lorte» öffnete. 
Saufbar unb froh «erließ Wiarie ben Sitten unb 
eilte äu ©ater unb SJiutter, bie ficb nicht fdjäm» 
teil, au§ ihres Rinbe» SJtunb fiel) ba§ ©erftänb» 
niß ber Schrift öffnen ju taffen. 

(Slachbar.) 


>*«H< 


Pie Etiketten- mb STitelfraije im erßen mumhnitifdjm 




er erfte Kongreß trat befanntlicb in ©ero 
©orf gufammen. Ser ©enat gäblte 22 
©litglieber, nub 11 berfelben batten ber 
ßonfiitution3».Ronuention angebört. $brer po« 
litifcbeu ©teflimg ho* maren fie fjöberaliftcn, 
b. b. ©ertbeibiger »■Luiögticbft ftarten ©entral» 
gemalt, unb ©artiwÄiftcn, ober auch „ftrenge 
SRepnbiifaner", melctje ben eiujetneii Staaten ein 
mögtiebft große» ©laß «on 9JJjj?t«otltom tuen beit 
31 t erhalten miiufcbtcn, unb ittit oft läcbertidbem 
Mißtrauen auf alle nur im (fntferntefteu auf 
(Sentralifation gerictjteten potitifihen ©eftrebuu» 
gen blidten. 3 « ben Rührern jener gehörten 
3 obn 9tbam§, fmmilton u. f. m.; an ber ©piße 
biefer ftanb Stcffcvfon. Stuch ber pennfbtoanifche 
Senator ©tactap, ber ©erfaifer unferer Sericbte, 
mar leßteren beigiigäblen. ©in ©atriot au§ ber 
alten ©djule, ein ©eifteäoermanbter ©atrief 


f)enrp’§ unb ©amuet 9lbam§’, betrachtete er bie 
©entralifationäbeftrebungen ber neuen Äonfti» 
tution mit einigem ©lifjtraiien, unb hielt e§ für 
geboten, baß bie 2 tu§ii 6 nng ber ber ©eneral» 
Sftegierung oertiebenen großen ©lacht menigftenS 
forgfättig überroadjt merbe. @r mar ein ©ianu 
«011 echt republifanifeben ©igenfehaften, ber ba 
glaubte, baß bie breigebu Kolonien ficb be» ftei» 
feit ©eremonienframä beö britifchen ffönigtbum§ 
nicht enttebigt, um eine eigene ©tonarebie auf» 
gurichten, unb eine mabre fjurlbt flößten ihm bie 
©emübungen einiger ber föberatiftifchen Seiter 
ein, europäifche Sitten unb fpofgebräuebe auch 
in ber jungen 9tepub!if beintifch gu machen. 
9öa$ man in biefer ©egiebung ©MCtiam ©laclap 
unb feinen ©efinnungögenoffen gu bauten bat, 
nub eine mie oerbängnifeootle SBenbung bie 
Singe hätten nehmen mögen, menn bie ©töne 



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542 


JHe <Stiketten= unb Sitelfrage. 


ber f^öbcrotiftcn bie Obcrbonb bedielten, miife 
finite idu()1 gebeut einlcudjten, bcr bie '-Berichte 
beS peunfplbanifd)en Senators mit 9tufmertfam« 
teit ftubirt. 

'.'(m 23. 9tpril 1789 mar Sßafhinptou in 9lem 
$orf anpefommeit, unb fofort eröfftrete bcr eben 
gufammeupetretene Konprefe feine lepislntibe 
Dhütipleit! 9)lon hätte mopl annebmeu tollen, 
bnfe ber Senat HöichtipercS gu erlebipeit peljnbt, 
als fid) fofort in eine lebhafte ©rörterunp ber 
bent fhüfibeuten unb ben hödjften SöuubcS» 
beamten 311 oerleihenbeit Sfitel 311 flinken; allein 
fattifch war bie» ber erfte ©eratbunpspepeuftanb, 
ber ben Senat ootn peuannten Slope bi» 311 m 
14. fDiai P0113 aiisfdjliefclicb befchüftipte. ,9aum 
hatte 3ohn 9lbamS, ber SBiceprüfibent, ben 2Jor= 
fiß be» Senat» übernommen unb eine fehr würbe» 
bolle ©röffnuupSrebe oom Stapel pelafjeit, als 
mau eia Komite eiufejgte gur (Srwäqunp eines 
Sßorfdjlnfl» für Dtepelmtg beS ©efchäftSDerfehrS 
groifcheu beiben Käufern, ber eS auf nichts @e= 
rindere» abpefeben hatte, als ben Senat mit ber 
dangen feubaliftifehen fjerrlichfeit be» britifcheit 
ÖberhaufeS 311 tunfleiben, bem fJtepräfeutnntcn» 
häufe aber bie bemiithipe Stelliuid ber eitplifchen 
©eiueineu in früheren ^ahrhmiberteit onguwei» 
fen. ©ine '.Dtittfeeiliinp be» Senats an bnS &nuS 
follte einfach burch ben Scfrctür übermittelt, 
jebe TOttheilunp beS Kaufes an ben Senat aber 
burd) gluei feiner 'Dtitplieber pcrfönlid) nach heut 
Senat»=Sofal gebracht werben, wo fie fich bor 
beu Schrautcit ollerfeitS tief 31 t berbeupen unb 
bis ginn c=iße be» fjlröfibenten borgufchreiten bat» 
teu, bem fie bann, unter abermalicgen beboteften 
2$erbcitpiinpeu, bie Schriftfiücfe cingubänbigeit, 
toorauf fie in p leid) er 29eife ben 9tiicfgiig aitgu» 
treten, fich au ben Sd)ranten nochmals mit pe= 
horfamften Sücflinpen berabfehiebenb. 2 l(Sbiefer 
'-Borfchlap gur Keitittnife be» öaitfeS pelanpte, 
brach baffelbe in lautes ©elüchter aus. 5)iefeS 
refpeftroibripe ©elächter fiteint bie prnbitätifchen 
Herren boui Senat berpeftalt aus bcr ffaffunp 
gebracht gu haben, baß befugter Sßorfchlap im 
Komite fteefen blieb^ 9?od) eine anbere fchwieripe 
ffrape machte bem «enatspriifibenten fofort biel 
Stopfgerbrecheit. ©r mußte in faft täglichen 
fd)riftlid)en IBerfebr mit bem Sprecher beS £>nu» 
feS treten, wußte aber nicht, wie er ihn tituliren 
follte. 3fn feiner SBerlegentjeit frapte er baS 
|>auS felber um 9tath. ®em £>nufe aber fdjien 
biefe 2 itulatur=ffrape fehr pleicfepiltip; e» pab 
feine Antwort. ®cr Senats » ^rafibent wieber» 
holte feine fjfrap'e unb beantragte, bem Sprecher 
baS 'fkäbifat „sichtbar" gu ertfeeilen; ober baS 
$nuS lehnte beu 9(utrop ob. 

, 3n bcr Sitwiiß beS 25. Slpril befchöftipte fich 
ber Senat au»fd)licfelicb mit bem '|troprainm 
ber ffeierlidifeiten bei ber beDorftebenbcn ©in» 
weihunp -fkäfibent SüßofhinptonS. Unb fie()e ba, 


ÜDtr. 2tbamS fanb fich in neuer 33erlepenl)eit. 
„föleiue Herren," rebele er ben Senat an, ,,id) 
weife nicht, ob bie Urheber unferer Kouftitution 
bie gwei Könige 0011 Sparta, ober bie gwei Kon» 
fuln oon SJtoin im Illupe pehobt hatten, inbem fte 
bie gwei Ulemter beS 'firäfibenten unb äMcepräfi» 
beuten fchufen, unb bent einen olle 9Hacht Der» 
liehen, ben onbent aber gu einem bloßen Schon« 
fliief machten. Dlfeine Stellung ift eine fehr 
fjhwieripe. 3cp bin ein gweitheilipeS Söefeu im 
Sein unb im Können. 91IS '-Bicepuifibeut bin 
ich DticfetS, unb map boeb möplicherweife 91 lies 
werben. 21 ber nebenbei bin ich auch Hjkäfibent 
beS eenatS. 2Bcmi nun ber Ißräfibent bie Se» 
notsfammer betritt, wo» fall ich bann fein?" 
SiefeS Schweipen hwfchte im Senat, l'ian foh 
fid) Derwuubert an, unb Diiemonb wußte bie 
fjrape beS s f3räfibeuten gu beantworten, ©üblich 
griff ©iswortfj, Senator Don ©onnecticut unb 
gleichfalls fötitplieb ber KonftitutionS» Äon» 
oention, noch bem auf bem Sifehe liepenben l>|« 
emplar ber Konftitutiou unb blätterte borin eine 
2 iki(e hi” unb her. » 4 >err fl ui üben t," bepanu 
er enblid) in berfelben proDitütifchcn SBeifel „ich 
habe bie Konftitution nochpefchlapen, unb ba 
finbe id) beim — eS unterliegt par feinem ;Stoei= 
fei, fterr fräfibent —, wo irpenö ber Senat n^ 
befiubet, £>err fräfiOeut, ba ift and) ^Ijr f lot| 
— Weiter aber — weiter weiß ich in biefer Suche 
wirtlich feine 9luSfunft 311 ertheileu." 

'Sie ^naupuration flräfibent 3Bofhiuptou’S 
erfolpte am 30. Stpril. 911» fich ber Senat Der» 
fummelte, war fein fSräfibent mit einer neuen 
(Stifcttenfrope bei ber |>anb. ©r wünfehte gu 
wiffen, ob ber Senat bie gu erwortenbe 9lnrebe 
be» fräfibenten ftehenb ober fißenb onhören 
folle. 2(bermaIipeS bebeuflidjeS Sinnen unb 
Kopffchiittelu. Senator See brachte feine penauen 
Kenutniffe ber porlnmeutarifchcu SBerhiittniffe 
©nplonbs an ben 9!lanu. ®ie SorbS pflepteit 
ber Shvottrebe beS Köuip» fißenb guguhören, 
wäbrcnb bie ©etneinen ftehen müßten. Senator 
3fgarb erwies fich in biefent Kapitel pleich be» 
wonbert, uub erläuterte bie 9lnpobe feines Kol» 
lepen See bnbin, bnfe bie ©emeinen, wenn fte 
3 ur ftarlamentSeröffuuup nach bem fbauie ber 
SorbS befchieben werben^^n fteljeu müßten, 
weil feine Siße für fie olffffnben feien, ^röß» 
beut 9lbamS briiftete fich, ft' habe ben ftorla» 
mentSeröffnunpe» fehr höufip beipetoohnt, aber 
baS ©ebränpe ber 'Damen fei immer fo proß pe= 
weien, bnfe er feinen rechten Ueberblid gu pe« 
wiunen bermo^jt. Senator ©arrol meinte, IMS 
peböre 9UIeS nid^t gur Snd)f. ©S fei patig pleich» 
piltip, was man in ©nplatib thue; hier befinbe 
man fiih in 9lmerifa unb thue was man wolle. 
Siele wichtigen 9?erhanblunpen würben burd) 
bie 9lngeipe unterbrochen, bafe baS $>auS bereit 
fei, fiel) mit bem Senat gu ocrcinipcn. 9US bie 


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Pie (Etiketten* unb Sitelfroge. 


543 


3itauguratiouS=Geremotiien begannen, benahm 
fub fclbft ber gemiegte Wr. 2lbantS etioaS lintifdj. 
9licfet minber beilegen roar SBafhington felüer 
toäfjreub beS PortvageS feiner 2lDreffe. @r jit= 
terle, ftocfte ^äufia. als ob er fein Wanuflript 
nicht ju lefeit oermödfee, unb ließ bie Siechte hau* 
fig burcfe bie Suft faufeit, als ob er ficfe im bicfe* 
ieften Scblacbtgctümtnel befinbe. ®er Hinbrucf, 
ben er bet biefcr ©elcgenbeit auf Wr. Waclat) 
gemalt, freien fein fef>r günftiger getoefen ju 
fein. 

911S 2a gS barauf in ber Senatsfifeung baS 
Protololl ber ^naitgilratiouSfeicrlidjteiten ber* 
lefen mürbe, batte ber Hievt auf Slnroeifttrtg beS 
Senatspräfibcuten, bie Pbreffe beS Präfiöcnten 
al§ „allerguäöigfte Siebe" (“His most pracious 
speech”) bejeiebnet. Waclitp liefe ben ©lief über 
bie Wienen feiner .(follegeit febmeifen unb fnttb, 
bafe fie alle anbnebtig gusufeören fefeienen unb an 
ber betreffeubeu Pegcicfeititttg feinen 9lnftofe nab* 
men. Hr aber hielt es für feine Pflicht, gegen 
biefen Entlang an bie Holonialjeiteit Proteft ein* 
fliegen unb ju beantragen, ben betreffenben 
'itusbruef su ftreicben unb einfach bott ber Siebe 
beS Präfebeuten 31 t fpreeben. ^ßröfibent SlbainS 
tonnte nicht begreifen, bafe man ficb an einer 
/Form ftofee, bie fo lauge im Scbmitng getoefen 
unb an eine 'Jiegimntg erinnere, unter ber ficb 
baS Polt lange Safere bod) fefer toobl befunben. 
Wr. 'Uiaclat) marffee ben pröfebenten barauf 
aufmertfam, bafe bieS einftmalS alltrbingS ber 
galt getoefen, bafe aber im Sauf ber lefeteit ijabr* 
sehnte eine erfolgreiche Sleoolution gegen biefe 
(Regierung, bie ficb nllntitlig 51 t einer briiefenben 
gefialtet, ftattgefuuben, unb bafe baS Soll jefet 
felbft bie att baS cbentalige iitouarcbifcbe 'Regime 
eriituernbett /formen oerabfebeue. Stach längerer 
Debatte gab ber Senat „ftillfcbmeigenb" feine 
Snftimmung bagu, bafe bie Söorte “most gra- 
cious” geftriibeit tourben. 

Hine ber erfteit /fragen, mit beiten ficb ber 
Senat bcfdjäftigte, toar bie, mit toelcben Scbran* 
fett ber (Stilette man ben pröfebenten umgeben 
fotle, ob es paffeitb fein mürbe, einem 3 eben 
freien 3 utritt ju ihm 31 t geftatten, ober ob eS 
ratbfam erfcbeiite, iljn burcfe gerniffe Porfcferifteit 
ber (Stifette Don feinen Witbiirgern 311 trennen. 
Senator Hamilton erflärte liefe in einem aus* 
fübrlicbett iRemoraubum für SefetercS. ®ie 
ffrage mürbe borläufig nicht in offener Sitjung 
berbanbelt, fonbern präfibent PbamS fottb eS 
attgemejfener, bie Senatoren unb ffongrefemit* 
«lieber pribatim baritber auSbofen 311 laffen. 
2Säre bie preffe bereits eine Wacht im Staate 
getoefen unb hätte matt bor feunbert Rubren ben 
„Sfnteruieroer" gefannt, fo mürbe ficb bie Saibe 
gemiffermafeen bott felber gemacht haben. So 
aber mar ber Pro/efe geitvaubenber. ©eneral 
St. Glair batte ben Auftrag erhalten, £>rn. 


Wacfap auSguforfcfeeit, unb er entlebigte ftcb beS* 
felbcit, inbeut er mit beut Senator, unter Hrör* 
ieruitg beS SbetnaS, eine halbe Stuitbe lang bor 
ber St. paulsfirche auf unb obfpa 3 ierte. Wa* 
dag nahm fein Platt bor ben Wuitb, fottberit 
fpvacb als achter Stepublitaner. 'Jtatürlicfe müffe 
man bermeiben, bafe ber Präfibent bon aber 
SÖelt überlaufen merbe, meil ihm bann teilte 
3eit übrig bleibe gur Hvlebigttng feiner Staats* 
gefcfeäftej aber ihn ab 3 ufpcrreii unb beut Polte 
nur bei Teierlicben (Sclcgcuheiteu 31 t 3 eigen, mie 
einen inbifefeen 2 )alai* 2 anta, fei eben fo uttpaf* 
fenb. Unter gemiffen Hittfiferuiiluugeit tnüffe 
er feinen Witbürgent auch pribatim Zugänglich 
fein, beim meint mau ihn nur öffentlich febe, 
merbe man ihn für eine blofee puppe, für baS 
Sßerlgeug 'Ruberer halten — es merbe ficb bann 
mirtlicb atlmälig eine Wacht hinter bein 2 ljrou 
hüben. 6 s febeint, bafe fiel) bie gefunbeit 'Rnficb* 
tett Wacfafe’ä febon batttalS Pahit gebrochen, unb 
fie finb bis auf ben heutigen Sag bie mn fegeben* 
ben geblieben. 

3 n 3 toifcbeii batte baS 2itel=Sommittee beS 
Senats fleißige Peratbuttg gepflogen unb bie Pe= 
nennungen aller Potentaten ber 6 rbe in Grtoä* 
gung gesogen, ob fie nicht ettoa für ben prüfe* 
benten 311 bermertheu toärett. (Sine 3eit lang 
fcfjien man bie beim fföttig bott polen übliche 
iitulatur „SÖafeUWajeftät" am paffeubfieu 31 t 
fenben. Scbliefeliib einigte mau ficb aber auf 
ben 2itcl: „Seine Roheit ber präfibent ber 
Per. Staaten bon Slmerifa utib Proteitor ihrer 
tfreiheiten". 2)ieS mar ber Porfcfelag, ben baS 
Ütommittee in feinem am 9. Wat erftatteten 
Pericbt einbraebte. Sie Debatte erftreefte ficfe 
über fünf Sage. Senator 3färb feblitg ben 
Sitel „(* reellen}" oor, fcbliefelicb aber ftimmte 
man auf föberaliftifdter Seite beut Porfcblag beS 
ÄommitteeS bei. Sie Senatoren Hatroll unb 
/Fern befäinpften ben Slntrog, bet aber ihre pur* 
tei beträchtlich in ber Winberfeeit mar, mürbe 
öerfelbe bod) angenommen morben fein, meint 
nicht Wr. Wadap baS StcpräfeiitaiitenhauS er* 
folgreicb bearbeitet hätte, fo bafe fed) biefeS ber 
bott 3ofen DtbamS unb Wr. See auSgebedteit 
läppifcfeeit Titulatur Iräftig miberfefete. Sur* 
auf fteflte SlbantS bie Pehauptung auf, bafe ba* 
^tattS in biefer /Frage fcbleibterbiitgS leine .slottt* 
petett} befefee, fottbern bafe ber Senat unb ber 
Präfibent aüein baritber 3 U eutfiheiben hätten. 
2 öenn präfibent SÖafhingtou Wr. ^efferfou 31111 t 
(iicfanbten in /Franlreid) ernenne, fo mürben 
bentielben bort allerlei |obo $itei 3 ufomitten, 
toogegett eS fiib boeb fehr fottberbar atiSttähnte, 
toenu ber Präfibent felber 311 einem folcbcu Jitel 
nicht bereibtigt fein follte. 3m geiamtuteu 91uS* 
lanbe mürbe man oor bem fchiichlett „Wcorige 
PJafhiitgton, präfibent ber Per. Staaten," 
blutmeuig Uiefpctt haben. ®a erhob ficb Wr. 


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514 


Pie (Etiketten- uub ÖÜtelfrage. 


Ntaclal) unb hielt eine cinbringliche Diebe ju 
©unften ber in ber ©ouftitntion feftgeftcdteu 
einfad^en Stitel. ©iefe ©onftitution feitne aber 
nur einen „Bräfibent ber Ber. Staaten", oljite 
ade? weitere Beimerf, ebenfo feitne fie ©efanöte, 
idinifter u.f. m., oerlcilje irrten aber feine be» 
fonberen Bräbifate. Stehe eS bem Senat nnb 
bem tßräiibeuten ju, bic .Qonftitution JU äubern? 
©iefe »erbiete auSbrüdfidj jebeu 9lbelStitcl, nnb 
feinem Bürger ber 33er. Staaten fei es geftattet, 
einen folgen Stitel non einem auswärtigen Bio* 
nard)en anjunehmen. Natürlich fei man ebenfo 
wenig berechtigt, foldje SEitet felber ju f(hoffen. 
9i3aS bie große Waffe anberer Sauber benfe, 
fönne für bie 33er. Staaten nicht mafegebenb fein. 
9ßaS fpeped ben fiir ben Bräfibenten auSge* 
wählten Stitel eines BefchiißerS ber amcrifanifchen 
Freiheiten aulaitge, fo fei er fthoit um beSwiüen 
unpaffenb, weil bie ©onftitution biefe Nufgabe 
bereits bem Kongreß geftedt habe. 9lufeer ihm 
gebe eS feinen Befdjüfeer amerifaitifcher Freiheit 
ten, unb felbft ©eneral 9Bafbington als foldjen 
ju bezeichnen, würbe £o<hoerratlj fein. 

©iefe energifihe Sprache machte aderbingS 
©inbrud; gleichwohl Würbe fie ben Senat nicht 
umgeftimmt haben, weint nicht baS Nepräfentan* 
tenhauS feinen 33läiteit entgegen gewefen märe 
unb ben gorbifchen knoten furjer tfvinb burch* 
hauen hätte, inbeitt eS ©eneral 3!öofhington iit 
einer 3ufchrift einfach als „Bräfibenten ber 93er. 
Staaten" anrebete. ©atauf fanb fid) ber Senat 
peranlafet, fein ©itel=©ommittee oder weiteren 
33erathung jii entheben unb ju befchliefeen, hin* 
fiihtlich ber Titulatur beS Staatsoberhauptes 
oorläufig bem Beifpiel beS anbem Kaufes ju 
folgen. dßas nun Sßaftjington felber anlangt, 
fo hat man eigentlich nie erfahren, Was fein 
eigener Stanbpunft in btefer Stitelfrage gewefen, 
nimmt aber an, bafe, wenn er auf Seiten ber 
©egner aufeerorbentlidjer Stitulaturen geftanben, 
eS ja nur eines SBorteS ober dßiinfches aus feinem 
Wuitbe beburft hätte, um bie Frag«- welche ben 
JJongrefe ju einer 3eit, ba fo oiele wichtigere ©e* 
genftiinbe Porlagen, mehrere SEßocf>en befdjäftigte, 
fofort jur ©rlebigung ju bringen. SBafhing* 
ton fcheint in biefem wie in bielen anberen Bunt* 
ten föberaliftifche 9lnfi<bten gehegt ju haben, 
wie er ja auch befanntlich baS ätifeere Sdjauge» 
prünge liebte unb eilte gewiffe ©tifette begünftigte. 
$n ben Dlufjeichiiniigen WacIapS fiuben wir bie 
Bemerfuug, baß fiefe berfelbe große Blühe (je* 
geben, 3S$afbingtouS perfönfiche Nnfichten in bie* 
fer Frage fcnnen gu lernen, aber nicht erfolgreich 
gewefen fei. UcbrigenS miiffe man ihm juge» 
ftehen, baß er eine ftrenge Neutralität bewahrt, 
wenn er auch nicht gerabe ben PotfSthtimlidfen 
otanbpunft eingenommen, was ja ftcher fofort 
belannt geworben märe, ^febenfads finb bie 
33er. Staaten bem maeferen ißennjplöanier Bla» 


clap unb feinen bamaligen Barteigenoffen ju 
großem ©nute oerpflichtet, beim ohne ihre enet* 
gifhen Bemühungen wären an ber 3Biege unfe« 
res republitanifchen StaatSwefeuS mancherlei 
fchlimtne Fehler gemacht worben, bie fidj mög» 
lidjerweife für bie 3ufunft beS 2aubeS tierhäng* 
ni|t>od erwiefett hätten, ©in SEitel wirb Bielen 
als ein feljr gleichgültiges ©ing erfcheiiteu, unb 
buch mag er einen unberechenbaren ©influfe äu* 
feein. 2öer weife, ob bie grofeartige Schöpfung 
ber'Urheber ber ©onftitution ben furchtbaren 
Sturm beS 33ürgerfriegeS unb feiner unmittel, 
baren Folgen überlebt hätte, wenn eS ben im 
©runbe bodj Piel mehr für monarchifche, als 
rcpublifanifche Onftitution fChmärmeuben Fö* 
beraliften im Oahve 1789 gelungen märe, ben 
einfachen Bräfibenten ber 93er. Staaten ju „Sr. 
Roheit bem Bräfibenten ber 93er. Staaten oon 
Nmerila unb Broteftor ihrer Freiheiten" umpi* 
geftalten. ©lüdliCfeermeife war bie föberaliftifche 
Bartei im genannten Oaljre noch nicht entfernt 
fo ftart, als zwei Oafjre fpäter, wo e§ ben Bat* 
tifulaviften nicht mehr gelungen märe, ihre Bläne 
ju h>ntertreiben. Sie oerljinberte bie Söieber* 
mahl BlaclapS unb feiner Freunbe, uttb eine 3eit 
lang fChien fte unumfdjränfte ©ewalt ju beftfeen. 
©lüdlicherweife gab fich im Bolle halb eine ent* 
fchiebene Neattion funb, ehe eS ihr noch möglich 
gewefen, im ©runbgefefe be« SaubcS irgenb welche 
Nenberungen Porjunehmeu. SBilliuni Biaclaty 
lebte bis jum Oabte 1804 itub war noch 3euge, 
bafe bie ftreng republifanifchen Obeeu, bie emft* 
malS nur Pon thm unb einem Heilten fiätiflein 
Pon Freunben pertreten worbeit, im Bolle bie 
Dberhanb gewannen unb als bie bem Sanbe 
einjig etfpriefelichen anerlannt würben. Blit 
bem ©nbe ber Bräfibentfchaft oon Oohn 9lbamS 
gerieth bie föberaliftifche Bartei podftänbig in 
Berfad, unb brei Oafere por bem Stöbe Niaciap’S 
trug eS fich 3 «, bafe ©homaS Oefferfon auf fei« 
nem mageren Klepper, ohne adeS ©efolge ober 
©ienerfdtaft, wie ein einfacher ßanbreifenber, 
por baS Capitol geritten lam, feine ÜJtähre an 
einen höljernen 3aun anbanb unb bann bor 
baS perfammelte Boll hintrat, um ihm feine 
9IntrittSbotfchaft als Bräfibent ber Ber. Staaten 
porjttlegen unb fnh einfehwören ju Iaffeit. ©a 
mar feine Bebe mehr bon „Sr. Roheit bem Beo* 
teftor" unb ber fchlichte „Bräfibent ber Ber. 
Staaten" würbe nicht nur Pom eigenen Bolle, 
foubern pon aden Böllern ber ©rbe ebenfo Ijod) 
geachtet, als ob er einen ffönigS- ober Äaifertitel 
geführt. 

(Bell. Journal.) 


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ilct befdjäuite Spötter. 


545 


Cfiiie (Ontcrnluintation in 
{Jommenu 

'TVc auf $efef)l fjriebrid) 3Sill)c(iitd I. int 
I.J 1736 in bev Iturmarf burd) beu 
T 6 ()of bey ßeiftlidjen Departements Gocceji 
abfteöaltcne ©cneraluifitation bev ©eiftlieben 
batte nach be£ ^löni^S 9Keiminc\ ein fo fec^enS-- 
reic^eS Grciebitijj geliefert bap er für ba» foU 
flenbe 3 al)r eine äfntli^e für bie ^vouiiM Vom* 
inern aubefafyl. GS füllten alle ^rebiaer bev 
^roüinj üevfamtnelt merbeii in Göttin, ein jebev 
üon ifjiten füllte einen ©ibeltert erhalten, über 
roelc^en er brei baranf eine ^rebiflt 311 baU 
teit habe; auBerbem tollten „ihre Planten unb 
©tubieit, tuo unb auf roddje 9lrt fold)c aepfloflen 
worben, fluütblid) erforfdjet werben." Die 9JlaH* 
reßel rief allfleiueiue Giitväftimg unter ber Weift* 
lidjfeit Ijerüor, bou beiten einige 9lmtöbiiiber io= 
#ar beu ippüi^rt)p^eu auf^aumten 311 einem 
iedfett 9titt in» iaub ber Satire. (Sine berartifle 
metrifdje ßaoaltabe lautete: 

„S^r ^räpüfiti .ftoljeu an bie ©crrit St)n= 
übaky, wie fie bor bey Ferrit Samuel bmt 
Gocceji GrfteHenj bie 9temie paffireit mußten* 
Göylin 1737." 

3b r Srüber, iuo hinaus? — IDir reifen uadj 
dosltn. 

<Ey, lieben, mas bemegt €ud? 4 Mcfcn IDeg 3U 
3tcbn ? 

Der gau3C Klerus feil bort bie Kerne paffircit, 

Unb auf bem rjof^cridjt ftdj in perfon fijHrcn. 

doccejt, imfev dljcf, ber große ptäfibent, 

Den preußcus Oberhaupt ^ter^u bat fyödifl er* 
nennt, 

Soll uns bcs Königs XDort unb ItMllensmotuung 
beuten, 

So bei Kaffation man uicfyt barf iiberfcbrcitcu. 

tt>er aber giebt bie Koft 311 biefer IDallfabrt her? 

Kuf feinen eignen Solb 311 reifen ift 311 febtrer. 

(1. ftoriuib. Äap. 9 . 93 . 7 . ) 

Unb mer pcrfiefyt bas Umt, meint Kinbcr fiitb 
311 taufen, 

Die mcgcit Sdjmadjljcit oft (Scfalir bcs lebens 
laufen ? 

IDenn bei ber fiedjen geit ein Kranfer (Erojl 
begehrt, 

llnb feinen priefter bat, bet? ibtn bas Kmt 
aemäbrt ? 

Dodj mas bemütf idj nüdj, hier meinen IDitj 
31t jeigen? 

pie geiten finb 3U fdjlcdjt, brum mill icb lieber 
febwetgen. 

---- 


Per bcfdjömte Spötter. 

t u beu ftintertänbern bon ©anaba mahnte 
ein ciuter ©eiftlicber, berein ft, .wie 3 faaf, 
„auSgjug $ii filmen auf bem fjelbe nm ben 
9lbenb." ©r fanb fieb halb an bev ©ren$c eines 
SöalbeS, in ben er bincinging unb einen bereits 
betretenen Sßfub berfotgte, gan$ in 9iad)benfvn 
oerfunfen, bis eS bnnfet rourbe, tmb er mit 
Sdjrcdeii baran baebte, baf; er merbe eine 9lad)t 
im Söalbe jnbringen mitnen. 

'-ßlöjjtlieb fab er in ber jerne ein Siebt $mifcben 
ben SBäunten bmcbfibimmern, unb in ber fioff= 
nnng, eS möchte bictleicbt ans bem fünfter einer 
glitte tonunen, bie ibm ein gaftlicbeS Cbbaeb 
gemähten föunte, eilte er baranf $u, fanb aber 
$n feiner Urberrafcbimg feine £riittc, fembetn 
einen freien '{Hufi im iBalbe, unb auf bemfelben 
anS rob behauenen 33auniftämmeu ein tau$ef» 
tibnlid)cä ©eriift aufgeriebtet, bon bem berab ein 
fRebner $n einer 9(u$abl bon 3ubörern rebete. 
©r bad)te erfreut bei fieb feibft: „^efl bube eine 
SBcrfaminfung fttfenfdjen gcfnitben, bie öier $u 
einem 9fbcnb*©ottcSbknft $iifammengctomnien 
finb, unb irgenb ein ^ßrebiger berfiinbigt ibne« 
$u biefer Stunbe noet) baS 9teid) ©olteS nnb 
feine Oiercd)tigteit." 9(IS er aber näher tarn, loie 
greif; toat feine Ueberrafdnmg nnb fein (Sr= 
fdutden, ba er in beut Dfcbner einen jungen 
9)fanit fanb, ber I)öd)ft gotteSläftcrlidje 2Borte 
fpraet), inbent er ben Slümäebtigen btrauSfor« 
berte, fein 9(crgfteS an ihm $n tbnn, im 3om 
fdjrcdtidje tßenoünfdbungen gegen bie ©crcdjtig* 
feit bes .böebfien anSftiej;, unb bie fiibnften unb 
entfejjli^ften i'ebaubtungen bcs Unglaubens in 
93e$ug auf ein fünftigeS Sehen frei unb öffent» 
lieb ouf$uftctten roagie. ®S mar mirttieb eine 
fdjauertidje Scene, bon einigen ßieufadelit er* 
icudjtct, bie hierher unb bortbin ein fladernbeS 
Sid)t roarfeu, mäbrenb anbere Stetten in böDiger 
^nnfelbeit blieben. 5>?it gefpannter Stufmerf* 
famfeit fiorditcn bie 3nbörer nuf ben 9febner, 
unb als er ficb nieberfepte, erfdjoll ein lautes 
S?eifa(lrufcn, mobei ber ©ine beu 9Inbcrit $u 
iiberhieten fudbte. 

„Tiefe ©ctegenbeit barf ich nicht boritbergeben 
Iaffen," baebte ber ©eifttidbe bei fidb feibft; „tdj) 
muß auftreten unb reben; bie @b*e meines ©ot» 
teS unb feine Sache fovbert eS." Tod) fcbcute et 
fieb, fo gan$ unoorbereitet, roie er mar, berbor* 
$ufreten; er mufjte niebt reibt, toaS er feigen 
foflte. Ta erhob fi<b plö^tieb ein 2Rann bon 
mittleren fahren, gefunb unb ftarf bon 2IuS= 
feben, unb fagte, fieb n»f feinen Stuhl tebnenb: 
„tJreunbe, ich baf 1 « beute Sibenb ein 5i3ort $u eiidb 
$u reben. 3<b merbe mieb niebt bannt abgeben, 
bie SemciSgrünbe beS fRcbnerS, beit mir foeben 
gehört hoben, $u miberlegen; id) merbe feinen 


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546 


frauen^rihing. 


SSorlvag ntöjt beurtljeUen; iif) racrbe nid)t§ Doti 
bcnt jagen, toa-3 mir in feiner 9tcbe als ©otteg= 
(äftcvung evfdjieiieii ift. 34 werbe eud) nur eine 
©cfdjidjtc ergäl)leit, iiub wenn t4 ba§ getijan, e» 
eud) fei ber überlaffen, beit Sdjlujj Daran» git gie* 
Ijeit. ©eitern ging icf) am Ufer jene» ^luffeS; 
id) fal) auf ben Sellen einen jungen Samt iu 
einem '-Boot. Sa» '-Boot mar ni4t leidjt gu len* 
len, e» ging gerabe auf Die ©trmnfdjuellen Io§; 
ber arme Seitjd), tonnte bie 9tuber nid)t ge* 
brauchen, unb id) faf>, baß er nidjt im «taube 
mar, ba» '-Boot au» Ufer gu bringen. 34 f>if) 
ibn in Jobe»angjt feine £>änbe ringen; itacf) unb 
na4 gab er ben iBerjudj auf, fein Sebeit gu retten, 
fniete nieber unb fd^rie in tBergroeipuitg: O ©ott, 
erbarme bi4 meiner Seele! meint mein 2cib 
nic^t gerettet merbeit tarnt, erbarme bieb meiner 
Seele! 34 l)örte il)it, mie er bcfannte, baß er 
ein Säfterer gemefeit fei, mtb mie et gelobte, e§ 
nimmer mieber gu t()uu, meint ©ott ibm nur bieS 
Sal ba$ Seben f4enten molle. 34 ljörte, wie 


er bie ©nabe ©otte» tun Gljrifti mifleit anflebte, 
unb ernftli4 bat, bafj feilt ©rlöfuitgvblut ibm 
ju gute tommen möge. Sicfe ?lrme retteten ben 
lungeit Sann au» beit 3flutfjen! 34 ftürgte 
mi4 biacin, gog Da» '-Boot an’§ Ufer unb rettete 
fein Üebeit. ©ben biefer junge Saun bat eu4 
foeben angerebet unb feinen «djopfer berflu4t. 
Sa» fagt ibr bagu, fieute?" 

Ser 'Jtebiter fejjite fi4 nieber. San mag ft4 
beuten, mel4 ein S4recfeu ben elcnben Seitfdjen 
bur4fu()r, unb mie bie 3ul)örcr mit einem Sal 
ein anöere» Sieb anftimmtcu unb einfabeu, baß, 
mabrenb e» leiebt fei, auf feftem 3Jooen unb in 
guter Si4er()cit bem Mimidjtigcn gu trojjeu, eS 
eine eigene Sa4e Damit fei, meint mau ant Staube 
be» Soüe» jtelje. Sir glauben :_3cöcr Scnf4 
bat am (Snbe no4 fo tjicl ©emifjeit, um über* 
gengt gu fein, bajg ©ott ibn für feine Siinbeit 
ftrafen tnuft, mtb in jebetn bergen finben bie 
Sorte ber S4rift einen Sieberball: „Sill man 
fi4 ni4t betebreu, fo bat er baä S4mert gement!" 


——— 

Iraucitieitung. 


®or Hier Jnljren fafteit an einem herrlidtett %\\\\* 
ein alter .'Oevv unb ein iuitße$, fchonc$ JRäbdicit 
in Gebauten beviuitfen unter ben 'Buchen bc$ Siciiv 
leubcne* bet s Kien (v$ waren Bater unb Xodttcr. 
«Stein 'löovt fam über ihre ütwn. (5r blidte hin¬ 
ein in bte Vanbjchait mit einem mchmuthöbolleu 
3itß, al^ laae bort bie laitaberßanßcite fonnißc 
aenb vor ihm. S)a§ uRäbchen betrachtete mit 
athcmlofcr Spannr.itß eine Atncife, bte fiel) abmühte, 
ein Stüefchcn vmU , ba-S bicl ardfier mar aJ3 bie 
deine Arbeiterin felbft, über bie (Nfraöftaliiic nt fehlen 
Veit. 3)a blieb ber deine Balten an einer 'Kurs 
Aelfafcv häufen; tvoft aller Bemühungen be*3 Xbiev- 
ebeuo lieft er fich nicht meiterbemeaeu, fo baft bie 
Ameife, an bem (*rfolß ihrer Anftrenaunßen oenmei' 
fclitb, eüiß baoon lief. «Bater," faßte ba3 SMab* 
eben plcfelich mit lenchteuben Außen, «wenn bte 
Atitcije nochmals fotnint, um ihre Arbeit aufmneh- 
tuen, bann null auch idj nod) einen Berfuch maßen!" 
ftr iticdc beiftimmenb mit bem Afopf; bann ließen 
beibe ihre Bliefe mieber auf bem #olfitücfd)en ruhen. 
Unb fie feinte mvftcf, bie unermüblidje Ameife, unb 
cS ßclanß ihr nach heiften Bemühunßcn, ben Span 
flott ut machen ttitb nach bem Bau au fchleppcit. 
Auch bie juuße Dame hielt BJort unb machte noch 
einen Bevfuch, ber ebeitfo ßlücffich aimfiel mie ieiter 
ber au^bauevitbeii Ameife. Sie mar Sonfünftlertn; 
Weinüth unb A'eißunß branßtcn fie ^ur claffifchen 
fOdifif. ftoffnuitß^frcubiß mar fie xmr ;Vahre^fvift 
nach Bavi:> ßeaaiißcu, aber ale echte .Sfünftlcriii 
fonnte fie fich boit, mo bie 'IVciiße lebißlich für ba^ 
Birtuofcnthum Sinn unb Ancvfenuuuß hat, nur in 
ben enßen W reifen ber töenncv ben erhofften Beifall 
crrinßen. Sas ßab ßctänjrhtc (Srmartuitßcn, nie- 


berbrüefenbe ‘DiRomettte. ®er 0?uth entfiel ihr, fie 
lehrte heim unb mellte berichten. Au^ev Aiiöbaucr 
ber deinen Ameife brobett aut Bcwwrhatte fie eine 
Vehre ßemßeit, neue ©offnuitacn ßefchbpft, unb 
halb befeelte fie mieber bao alte heilige Jyeuer. Aoch 
ein Berfuch, ber lebte* Sie ßiitß nach Bonbon, mtb 
alc< fie, von Beifall uutrauicht, ihr evfteo (voncert 
ßab, ba ßebachte fie unter 2 Ina neu ber SRühvunß ber 
Ameife am iiahleithcrß. Amt ift fie eine berühmte 
fifuiftlerin, eine ber ßefeicrtftcn 3ntcrpretinucn ber 
claffifchen joitutufe; allein ber deinen fichrmciftcriH* 
ber fie bieiS 51t bevbanfen hat, bevßiftt fie nimmer. 
Alle Sommer, mcnit fie heim nach BSien fommt, 
ficht fie hinauf wmAlahlcubcvß, \\\ jener Stelle, mo 
fie fich felbft mieberßefuttbett, mtb an biefetu Bläft- 
dum and) mar e^ oor n»eitißcn laacn, mo fie einem 
ivvcuttb bie ©efd)id)tc bott bem Ameijcuorafcl cr= 
jahltc. 

^in ßon^ boqüßUdjfr unb toohltftätißcr ÄaH* 
ßfber für alle iuttßcu grauen ift ba^ deine 25 ert 
bon Abolphine ‘Breithaupt „ 3 )?uttcrpflicht unb vSiin= 
be§pflcße" (Berlaß bon ß. 5 V. ßittrid) iu "Berlin), 
iu melchent ba^ midttiae, bon hcrborraßcnbeit Acrfieit 
fchott oft hehanbelte Shenta auf eine nette, fratten- 
haft sartc unb anmuthiße SBeifc befprochcit mirb. 
2öie eine treue, dtißc unb liebebolle "IRutter toetft 
bieBcvfaffevin mit ihren iunßen Bdtfchmeficru über 
alle bie 'Bfiichteit tutb Sorßett \u reben, meldje bet 
beßlüdeitbc Beruf ber Wutterfchaft mit fich bvinßt, 
tutb ihnen treffliche, auf eißeite Grfahrtutßeu ßefiftbte 
Aathühläae ^11 crtheilen über ba8 Bcrhalteit oor unb 
nach ber Wcburt bco ffiitbcS, über bie erfte ß*mdh- 
runfl unb Abmartunß bcficlbeit, bie Bfießc w&hrenb 


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Jraiienjeitmuj. 


547 


bet perfdnebeneit flinberfranf beiten iinb bie Ueber= 
wachunfl feiner ferner» (fntwicfeluua unb (Svsiehun» 
i» tövperlicher unt> 0eifti0ev ©infiebt. äSieleS barin 
enthaltene ma>j icbou früher »efac\t worben fei», 
aber uid)t mit io flaven und fd)licbte» Teerten; »ct113 
hcfonbevS empfehlen nur aber bte Äapttel über bie 
3 lmme u»b bie ftinbermäbdjen, baS Schicfwerben 
imb bie Pflichten bev Butter aeaett ihre heran= 
wachfcude Socbter ber 3lufmn*ffamfeit imferer \?efe- 
rinnen f be»c» je »\a»cber oernüuftiae 2Btnf ber 
praftifche» grau juflute fointnen dürfte. 

$ic rcfolnieu ttmrrtfititrrmneit taffe» fidj »icht 
fo leicht i» Verlegenheit bringen, fo»bet» berftebe» 
bei Wesenheit, be» Spich um$ubreben, wie fol* 
0eitdeS Veifpiel jci»t. (^ine i»»»e Tarne i» ibofton, 
bie allei» i» einem ^ferdebahnwaoen fuhr, mürbe 
längereüeit wo» einem ihraeaenüberfifeenbeniunnen 
ättann i» ber breiftefte» u»b »»befcbeibe»fte» SBetfe 
aiifleftarrt, woaeae» weder ei» Sanoriren noch cr= 
3ÜrnteS Stirnvuiuelu helfe» wollte. Sie heftete 
»u» ihre Sinnen unoerwandt auf eine» beftimuite» 
^Bunft a» feinem 'Jiocffraaen, hiebt unter feinem 
fibr, »abm 9 lnfan »3 eine W\c\k dcS 3 lbfcheuS an, 
welche allmählich in bie einer beimliibe» Velufti^ 
011110 »berainfl, unb feinte fich barauf lächelnd ab. 
Ter alfo [flirte »erietb in töbtlicbc ‘Iscrleaenbett, 
ruefte unrubia auf feinem Sifc bi» »nb ber, oer= 
brebte frampfhaft be» Üopf und rolite udffaft bie 
2 l»ae» a»S be» Noblen, um bie oevbadnüte Stelle 
3» betrad)te», rieb immer eifriger au beut öermeint- 
lidteit Slecf herum, ftür.ste enblicb am beut Jöa»e» 
»nb eilte in baS näcbfte :)teftauratiouolofal, um in 
eine» Spiegel 3» jeben unb 3» eutbecfeit, bah eben 
nichts 311 febe» war. Tie iunge 2 Kth war aber be» 
läftiflen 92 ad)bar 0lüdlidj loS. 


* Weftutbe SRäuucr. (finer ber »efunbeften 3 Ken= 

Sehen, welche aegemoärti» leben,_ift ber leitenbe 

9 )cinifter(f«a(a«b‘ 5 , ®labftone. „Sprecht nur nicht 
00» Wladftone’S Weift," faate oor etwa 30 fahren 
ei» enalifdjer Schriftsteller, „er ift »iihtö im 3 kr- 
»leid) 3» feinem itörper." (Sin Sierteliabrhunbert 
iana aehrauchtc er aar feine» 3 ti 3 t; unb bau» 300 
er ei»en Solchen nur bin^u, um fich immer »nb im= 
mer wieder faaeit tu laffe», bah feine förderliche 
Verfaffuna eine eiferne fei. 3 Bicberbolt madUc er 
Syuhrcifeu oon awölf Stuuben tätlich; unb im 
fdtliinmften Souboncr Sdmeeaeftöber wanberte er 
ben weiten 2i$C0 oon 35 eftmi»fter 3» feiner $rioat= 
mobnutifl in Carlen Street suriief, mochte eS 
ternaebt ober bret Uhr IVovcu'uä fein. 3113 Sdtläfer 
war er unoevaleichlich, Stunbe war fein Safe, 
nid)t 3 mehr, nichts weither; faitin leate er fich bin, 
fo fchlief er alfobalb ei», unb bic 3 , ein halbes ^abr= 
ininbert lang durchacfe&t, oerbunben mit einer aufter? 
orbentlicfcen 3 )ia|ua»»a in allen Weitüffen, fieberte 
ihm jene rfufbaltlofe ©errfebaft über feine forpev- 
liehen .Strafte, bie allen feinen 3lmt30en offen faft 
wie ein SBunber erscheint. Tie auherorbeutüdmen 
XmvlameutSfifeimaen, bei welchen e 3 fich um baS 
Stehen unb Sailen feinet Äabinetö banbeite, be¬ 
rührten ihn nur oberflächlich, raubten ihm feine 
SBiertclftuube Schlaf. Tas 'Jfebnerfieber fanntc er 
»ar nicht, unb baber fiepte er leicht über feine Wca- 
»er, bereu Äraft in einer einnacn 3>erhanbluti0 er- 
Schöpft war. ilebriflcuS werben wir »id>t feblaehen, 


wen» wir annehmen,, bah auch ber cnalifchc Sonn- 
taa mit feiner wobltbueubcn :)fuhc unb Stille fei¬ 
ne» ^littbeil an biefer ^eiftunaefdbiflfeit beb ena= 
lijcben Ü)ti»ifter3 bat. SBeniafteiw bat einer feiner 
früheren Slmtouorfldnaer, ber befatinte f^orb fßah 
nterfto», ber ebenfalls bei fortbauernber förperlid)er 
ifrifche ein bobe^ Filter erreichte, ed mit (^ntfdneben= 
beit aw3aefprod)e», baft er fein rüftmeb Öreifenalter 
wefentlich bem Umftanbe oerbanfe, baü er feit feinen 
^ünalinaeiabren fich burd) nid)to um feine Sonn= 
taaenube habe brinaen laffen. 2)a^ ift ber alte unb 
immer mieber neue Se^en, ber im Sinbalten ßbtt' 
lieber Orbnunaen lie»t. — 

8eft ba^ euren ^Männern oor. 

löor einiger 8ctt flarh in Trüffel ein reicher, 
alter ©afleftoh, ber beinahe fei» aa»^ ftrotV$$>er= 
möaen einem ihm polli» unbefannte» junac» s D^b= 
d)en, einer Nähterin, permacht bat. ®er ^cvftovbenc 
war ndmlid) ei» Criflinäl, eine xHvt ^ioaeued, ber 
3nmr nicht in einer Sonne wohnte, aber meift nur 
beobalb au^rina, um „^enfeben" 3» fudten. Um 
bie ^echtfcbaffenbeit feiner ^itmcnfdk'n auf bie 
5>robe 311 [teilen, erfann unb unternahm er oft bie 
feltfamfteu (Experimente, bie leiber meifteu§ uiu 
aünftig att^fielen, unb ihn in feiner fchlccbten ®et= 
nun» pon bev 9 Selt beftärften. So fuhr er einft 
(ditaere tätlich biefelbe Stverfe in einem OittnU 
bu 3 unb fette fiel) fteto auf ben 'XUafe bicht neben 
bem honbucteur. (fr vermittelte febr beveitwilli» 
ba'S .^in= unb ©eraeben bc^ Wclbebv unb iebeemal, 
wenn ber Konbucteur fileinaelb bevattö^ahlte, übcr= 
reichte ltnfev Sonberlitm bem betveffeuben Jahrflaft 
bie Summe, aber er füflte ftetö unbemerft unb febr 
»efdncft ein Welbftürf a»6 feiner Safcbc bittstt, uüe 
ioenu fich ber (Jonbucteur »eirvt unb m viel beraub 
aeflcben hätte, worauf er bann feine Vcnte febarf be= 
obad>tete. SMefclhen wählten rttbi» ihr Weib, merf* 
ten natürlid) ben 3rrtbum, zahlten noch einmal unb 
ftccften hierauf fchmun3elnb ihren fleinen l'vofit ein. 
9 ?od) oft wieberhottc ber 3 llte fein Ai'unftftücf, aber 
unter ben Ptelen iJJevfoncn war auch nicht eine, bie 
mit bem armen Gonbucteur, ber bee Saa^ nur bvet 
Svanco perbieutc, ®?ttleib batte, unb ihm fein Weib 
»tvütfaab. (finee Xaaco aber rief ein iitnoeö Wal' 
eben fofort baftifl: „Ponbucteur, Sie haben mir 
einen halben S*ranc 3» viel fteaeben!" unb reidUe 
bao Weib bin. Dao Wcfichi beo SonberlinaS bellte 
fich auf unb würbe orbentliih fveubta Pcrflärt. (fr 
ainfl bem Habchen nach, ocifcbaffte fid) ihre 3 (breffc 
unb 300 (frfunbi0un0cn über fie ein, bie jedenfalls 
aünftia auSnefallen fein muhten, beim baS 3<?hn= 
Souöftüd erwarb bem reblichcu S)iabd)en bie 6rb= 
febaft pon einer halben 3)iillion. 

ift nithtö neues mehr, bafi fich and> ®amen 
buellivcn; bat man bodi evft füv^licfi in ^JJario ein 
Vcifpicl bapon erlebt. Reicht allein init bem < Se0cn 
unb ber X*iftole tu ber ©anb fteben fid^bie We0»e- 
vinuen mutbia 0e0enübcr, felbft bie Sd)auer Por 
bem unbeimlidien amerifanifcbeit Tttell haben bic 
nerpenftavfen junnen ®amen ber ^ebtteit ab»e= 
ftveift. Ter X>reio in biefer X3c3iebun0 aber gebührt 
3wci junaeu SWäbchcn in Tebvectin, Schülerinnen 
ber bortiacn höheren Söchterfcbule, welche 0C3ciat 
haben, wie man beut amcvifanifcheu Tuell feine 
lebenÖ0efabrlichen Soloen nehmen tarnt, ohne bah 


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548 


$rauen;eitung. 


eS feine 3nrd>tbrtvfeit verliert. ‘Die beibeu bci&blü= 
tigeu uugavifchcn fleincu Ü3arffitc6e gerietben auS 
•bisher unbcfaunteu®vünben aneiuanber; cSerfolgte 
eine .fteratiSforbermig, uub matt eittfcC)ieb [ich für 
amerifanifcöeS Ouell. 3it bev ÄuSfübvtnigSweije 
bcffelbcit liegt bic reforntatorifebe äragwette beS 
Vorgebens. 2Bem bie fchwarae S?ugel gufaUe, fo 
würbe entfcbicben, Der fei verpflichtet, an bem tmb 
beut Sage feine „3*roufrou$" ober StirnlCxfdteu, 
Pott profaifcheu SRenfdjcu and) Sintpelfranfeii ge¬ 
nannt, abaufcbnci&en. OaSjenige ber betben BJab- 
eben, weldteS baS verhängnisvolle 800 S aog, erfüllte 
and) wirtlich uncrfdtrodeit ihre fd)u>erc '45ftid>t unb 
erfcbieit am feitgejebteu Oag ohne bic javteit brau¬ 
nen ßöcfchen, welche ibvc Stirn fo lieblich umfpielt 
batten. SBürbe baS ftarfe©cfdftecbt nicht gut tbun, 
biefent trefflichen Beifpiel m folgen unb lieber beit 
©dwurrbart aitm Opfer fallen au laffeit alS bie 
tnorberifebe Sfrtgel burchS £era au tagen? 

G* biirftc toolil Wenige Vereine geben, weldte 
beit SRotbleibenbeu bie .öülfe in fo harter ffieife au? 
fommen laffen mie ber Verein Saitbifin in Berlin, 
ber (ich bie Uuterftü&ttng armer ©odmerinnen $ur 
Aufgabe ftellt uub bieS unter ben naebftehenben 
SHobalitäten bewirft. SS fiitb jmei ©cibbüdjfeu 
porbaitbeit, welche in bic Käufer ber iReidjeii unb 
Firmen gefenbet werben, in betten ein ftantilienju* 
wadvS emtritt. Oie eine Bücbfc ift vcrficgelt; fie 
enthalt einen ©elbbetrag uub barf nur an beftimm? 
ten SEcrmiueu pon bem Vorftanb geöffnet werben. 
Oie anbeve Budde ift offen unb enthalt eine 
Summe, über welche bie 3B6chneriit nach Bebarf 
bis aur vollen .frohe verfügen famt. Oer t>crblei= 
benbe 9teft muh auS ber offenen Bücbie in bie ver? 
fiegettc gefebüttet, unb erltere mup leer aurüdgeftetlt 
werben. BMu weih fonitt niemals, ipelcber Betrag 
ihr entnommen, ia nicht einmal, ob überhaupt etwas 
barauS für bic Söchnerin oerwenbet würbe. Oie 
reiche fliubbcttcriu fenbet bie Bücbfc ebenfo leer 
aurücf nfte bte arme. ^Selche Spcnbe bie erftere 
geopfert, unb weld)c ©abe bie lefetere empfangen 
hat, bleibt unbetannt. OerOürfttge hat genoin? 
meit uub braudft fich beffeu nid)t au fchanten; ber 
SBohlhabcnbe bat@uteS gethan itttb fauit ftch beffeu 
nicht rühmen. SS ift bieS eine gar finnige Sin? 
richtung, woburch ©elegeuheit geboten wirb, BJobl* 
thaten au empfangen ohne Befcbämung unbSEBoht 
thatcu au erweifen ohne Vergeltung. 

boö Vnreou einer wiener Sofaltelegraphttt* 
ftatiou trat ein eleganter frevr, ber am $ult ein 
Briefcouvert mit ber '^lbreffe befdmeb unb mit arti? 
ger Verbeugung gegen bie Orabtiungfvau fiel) eben 
entfernen wollte, als biefc ihn mit ben 2 B orten apo? 
ftropbirtc: ,, 3 ftbaSeinc 8 fred)heit, bloftauinSdjrei? 
beit ba herein au fouimen!" Oer frerr erflärte, er 
habe geglaubt, baft baS fiofal auSnabntSweife auch 
au biefent Hrnecf beut Vublifum aut Verfügung ftebe. 
SBeitu übrigen^ baS Uebcrfchreiten biefer Schwelle 
abfolut mit ber Aufgabe einer Oepefdje perbnitben 


fei, fo wolle er gern eine foldte abfenben. Sr erlegte 
bie jat;c, empfing ein Formular unb füllte eS mit 
folgenbem Oo£t an bie Slbrcffe ber Otvection ber 
9(uftalt auS: „Oie Beamtin biefer Station fpridft 
aller froflidfteit frobn" unb reichte cS ber fura an? 
gebtttibenen Oaute timt Sdjalter hinein. Sie laS 
beit für fte wenig fd>meid>cll>afteit Inhalt unb bie 
Unterfchrift, bie einer fehr gead)tetcn Verfönlidftett, 
unb fab fpradftoS ba, ein Bilb beS Jammers. 
„VBettit eS^bneit unangenehm ift, mein grättleiu," 
tagte ber freu, ber in feinem freraen ein mettfchlich 
führen fühlte, „fo halten Sie in ©otteSnamen bie 
Oepefdte, aber in 3 nfunftgefälligft auch 3 hre@rob- 
heit autücf.^ Oer Beamtin blieb bie Befchätnung 
evfpart, bem OrahtbicfeBefchwerbe über ihre regle? 
mentSwibrtge Unart autupertrauen. Seit biefer 
Scene waltet fie ihres WmteS mit auSgefmbter ipöf- 
üdtfeit unb 3 imovfomme»Uteit. 

3 « Snglanb tttth Hmrrifa pflegt man attfeer ber 

filbernen uub golbetteu ©odtaeit auch noch bie hol? 
aerite unb aintternc ^todtaeit au feiern unb bei ©eie? 
genbett biefer fteftltcbfeiten ooit ben ?freuuben, Ver? 
wanbteu uub Befannteu mehr ober weniger elegante 
©efdtenfe au $ola?, veip. 3 iimgerätbfd)aften au 
foutincn. Sin eitglifcher ©umorift gibt nunmehr 
allen jungen Shepaareit ben Math, biefeS angenehme 
Sttftcnt nod) weiter auSaubehnen unb nod) tocitcrc 
©ochaeitSgebeuftageau begehen, um ihrcSBirthfdtaft 
na^ allen Seiten hin a» Pervoliftäitbigeu. s Jtodj 
Verlauf beS erfteu 3nhreS ber Sbe würbe feinen 
Vorfdjlägeit aufolge bie baumwodeue ©odtaeit, nach 
bem aweiteu 3 ahr bie leberne, nach bem britteu bie 
blecherne, nach bem fünften bie holaertte, nach bem 
filbcntcu bie woUcne, itad) bem aehnten bie aiitnevne, 
uad) beut awolftcu bie feibene, nad) bem fünfaebntcu 
bie glüferne, itadt beut awattaigften bie poraellanene, 
ttadi beut fünfunbawanatgftcn bie filberne .^odvaeit 
ju feiern fein. Von nun an werben bte ©efebenfe 
immer foftbarer, beim nachbreifeigiäbriger©befolgt 
bie elfenbeinerne, uadt pievtigiahriger She folgt bie 
BerleuhoAaeit, nach füitfaigiabviger bie golbette unb 
nach fedtSaig Sahteit bie biamanteite 4 )od)aeit. 

Ser ift reicher? 3 tühmt man in meiner ©egen? 
wart beit reichen 9tothid)ilb, ber pon feinen imgeheu? 
ren Sinfünften Oaufenbc für bie Sraiehuttg armer 
Ätitbcr, für bie Teilung pou Üraufen, für bie 
Bffcge von ©reifen opfert —fo bin icb gerührt nnb 
preifeihn. 

Wber, inbettt ich ihn rühme unb gerührt bin, fouimt 
mir unmidfftrlid) eine arme Baucrnfamiltc in ben 
Sinn, bie ein 3Baifcnfinb, eine arme Vcrwanbte, in 
ihre zerrüttete, eleube föütte aufnahm, „ffiiv tvodeit 
bic Äathe au uuS nehmen," fagte baS SBeib, „eS foftet 
unS awar unfern lebten ©rofdwn; tvir werben nicht 
einmal Sala haben, um liniere Suppe au jalaett . ." 
„ s )?tm, bann effeit wir fie mtgefalacn," antwortete ber 
Bauer, ihr3Rann. 

BtS au biefent Bauer heran reicht Stotbichilb 
noch lange nicht! 


- e.rOxa. 


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SonntaßfdjttUfebttonen, 


549 


^omitaöfdjul Rektionen. 


Sonntag, ben 7 . Oft. 1 Sam. 4 , 10 — 18 . 

©1 Vt $oi>. 

1. ftfit: 1141 o. ßftr. 

2. Ort: © i l o, eine Stabt im Stamme Gphtaittt, 
etwa 12 engliicbc teilen füblkb von Sichern unb 
20 eilen nörblich von ^icrufalcm. 

8 . 3 nfammriif)anß: ©erttrieg zwifdpn ben Shi* 
liftern unt^jvacl ift auf’S A'ette auSgebrocheu. Ob 
bic 3fracliten, turrh ben Untergang fo vieler Sbk 
Itftcr beim Sturz tcS©emvel3 zu Gaza ermutbigt, 
baS philiftänche >d) abzujchüttelu verfueftt batten, 
obeT ob bie Shilifter fiel) wegen ber 9?ieberlage, bie 
ihnen Simfon noch in feinem ©obe bereitet hatte, 
an ;Mrael rächen mtb ihre ©ervfdjaft weiter au&= 
behnen wollten, läßt fid> nicht entjeheiben. einer 
blutigen Schlacht bei Aphcf waren bie 3fraeliten 
gefchlageit Worten. ©a liehen Re in ihrer Sftoth bie 
Su nbcMate von Silo holen, in ber Hoffnung, 
bah bie Auwejcnheit terfclben im Vager ihnen ben 
Seiftanb Sottet unb ben ©ieg hber ihre Feinte 
verfchaffeu werte. Umionft; fte erlitten eine zweite 
noch fcbwcrcre 'Jtieterlagc; fclbft bie SunbeSlabe 
fiel in bie ©ante ber Feinte. Ohne Bmeifel hatte 
Samuel, bei* nach H. 1 um bieje Seit »ein fßrophe« 
renamt antrat, 3 fracl 511 m SSiterftanb gegen bie 
Shilifter aufgemuntert. Oer AuSaang beS .ffrtegeS 
Mricn feinen göttlichen 2 Vvuf nicht 51 t beftätigen. 
Aber wie fchou 9iid)t. 20 , I 8 ff. Wett zu einem Kriege 
aufforbevte, ber nicht fogleich nun ©iege führte, meil 
zuvor jeine ©emütbigung beS SotfeS s J?oth that, fo 
muhte hier suerft (Mottet Strafgericht über ba$ ©ati3 
Gli’S unb über bab heibuifd) geworbene Holt er= 
gehen, ehe er [ich an feinem Solf bureb ben Sieg 
über befjeu heibnifche Unterbrüder verherrlichen 
fonnte. 

4. Start* unb S*<ftrrf(ämtß: Untere Veftion be- 
innt mit ber ©d)ilberuug ber zweiten 9 ?ieberlage 
er jjjracliten. Oie Vate bcS ©errn mar 001 t Silo 
abgeholt unb mit großem ^ubet int Säger empfang 
gen worben. ©elbft bie Shiliftcr fürchteten fkh, al3 
fic bie Anwefenheit ber SunbeSlabc erfuhren. Aber 
ber ©err ftanb loiber ^fvael. 

®. 10 . ©ie ^ h i 1 1 ftcr — bie alten Grbfciitbe 
?lfraeh3, welche einen Sanbftvich an ber SOceevc'?füfte 
fübweftlirf) 00 m Stamme Fuba bewohnten — ftri U 
ten. ©ie Schlacht fanb nach S. 1 hei Aphef unb 
Gbeitezer ftatt. Oer letztere Ort erhielt feinen 
Aamcit cvft bei einer fpätcreu Gelegenheit (1 ©am. 
7,12), wirb aber hier fchon jutn 3>orau*3 mit bem 
fväter allgemein befannten SWaincn bezeichnet, Seite 
Orte muffen etliche SOicileu novblich obev norbweft« 
lieh von ^cvufalem gelegen hohen, 3 ftael warb 
gefcf>lagen. ©a3 ©cer nmibe gänzlich auScin« 
anber gefprengt, unb ein ieglid)er floh unb 
fehlte in feine ©eimath gurürf, bie nationale 
Sache verloren gebenb. ©er 3>erluft 3fvacl3 be= 
trug 30,000 Staun, unb ühcrbicS würbe bie 
SitnbeSlabe genommen (25. 11). ©ie 93un= 
bcSlabe war ba3 ©mnbol ber Gegenwart Gotte*? 


unter feinem 2 ?oIfe, unb zwar nad) ben zwei ©aupt« 
fetten feiner Offenbarung: 1 ) nad) feiner ©eilige 
feit unb Gcved)tigfcit, worauf bic in ber 
SuubeSlabc verwahrten GefepeStafeln hinwiefen; 
2 ) nad) feiner Harnt herzig feit, welche buvdi 
beit Gnabenftuhl, ben Werfel ber SunbeSlabe, bar« 
geftellt war. ®a$ 2 ?olf hatte auf bie äußere SJfit* 
fithrung ber Sunbeälabe beim ftautpf wiber feine 
Feinte vertraut, als ob biefelbe ein gemeines .Satt* 
bermittel wäre, unb vergeffen, bafi ber gerechte Gott 
nur beiten feine Havmhcr$igfcit erweift, bie feine 
Gebote halten unb über ettvaige Uebertretungcu 
aufriditig Stifte thttn. ©a$ war eine heibnifdte 
©eitfweife, bie von einer fläglidieit SSerbüfterung 
ihreS®latibenS burd) heibttifdten Aberglauben zeugt, 
wie beim auch feine Spur bavon zu Rüben ift, baff 
fie in ftdi gegangen wären unb fid) gefragt hätten, 
ob bie Uriache ihrer 91iebcrlage nicht in ber wiber 
ihre ©ünbe ftch offenbarenben Gerecbtigfcit GottcS 
liege, ©te @Tobenittg ber HunbeSlabe bnrdt bie 
Hhilifter hatte einen hoppelten Stocef. Sie follte 
1 ) bte 3 ftae!iteu zur Hitfte erwecten unb zu ihrem 
Gott sttrücffühven, 2 ) feilten bieHhiliftev erfahren, 
baft ber Gott 3iraclS bennodi mächtiger fei alS ihre 
Götter (flap. 51. ©ie Söhne Gli’S, ©ophni 
unb fßinehaS, famen in ber Schlacht um, wie ber 
©err zuvor bem C9(i aitgefünbigt hatte Wap. 2, 34). 

®. 12. ©a li cf einer, ein Flüchtling, auS 
bem Stamme Sen ja min. x 'im Gebiete 
bicfeS StammeS lag wahrfcbeinlid) ber Schauplaß 
ber ©d)lad)t. Gin Seniaminite, bei* mit ber Ifofa« 
lität vertraut war, fonnte baher am ebeften mit ber 
SchrecfeuS= unb ivauerbotfehaft zu Gli nach Silo 
gelangen, wo bamalS bie Stiftshütte Raub. ©aS 
S e r r e i ft e n ber Jflciber u. f. w. toar ein Seichen 
ber ©rauer unb beS Schmerzes. 

®. 13. G l i faß auf bem Stuhl an beut 
äußeren ©hör bei* StiftShüttc, an bem 28 c g e, 
auf ivcldiem ein etwaiger 2'otc auS bei* Schlacht 
anfommen mußte. Sein ©erz war zaghaft. 
Gr hatte eine Ahnung beS bevorflchenbcu UnglücfS, 
loaS um fo natürlicher ift, ba bie ftap. 2, 27—36 
unb 3,10—18 von bem «©ervn angefünbigten Ge¬ 
richte noch nicht cingetvoffcn waren. Siclleidtf war 
bie SitubeSlabe gegen feine befieve (S*inficht ino Vager 
abgeholt worben, unb er hatte nur in feiner Sdnoäche 
Zitiert feine Ginwilligung bazit gegeben. U c b e r 
bieSabe GotteS. GS ift ein Sctociv für bic 
R-römmigfeit Gli’S, baft nidit feine Söhne, fonbcrit 
bie SunbeSlabc ihm bie ineifte Sorge madit. © ie 
ganze Stabt fd'ric, b. h. bie ©Vnoohner 
brachen in ein lautcS 28ehf!ageu auS über bic 9iie- 
berlaae, wcldie 3 ivael erlitten, unb mehr nod) über 
ben 2?erfuft ber Sunbcslabc; beim mit ber s SunbeS* 
late glaubten fie and) ben ©dmb 3 ehoivthS ver* 
loren zu haben, ©rofe ber Serbüftcrimg bcS relk 
giöfen SewufttfeinS ift ber theofratifchc Sinn im 
Solfe bod) noch nicht erftovben. .©ieS zeigt fiel) and) 
in ber Silage ber fterbenben SBithoc beSSinchaS: 
,,©te ©errlidffeit ift babiu von 3 ftael, beim bic 
Vabe GottcS ift genommen \ u (S. 22 .) 


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550 


, SonntögfdjuUfcktioneu. 


®. 14 . 15 . ©ührcitbGIt fielt, waltrfdtcinlidt bei 
einem <ßriefter ober V'evitcn, nach ber Uriadte be3 ©e= 
tummelt in ber Stabt, welches bis 51 t ibm biuauf- 
braiift^crfunbiate, fam beriete mit bet ivauer« 
betfebaft bei ibm an.^ (9 l i*§ 91u ft e n w a r e u 
b 11 u f e l. (9*r war in feinem 911 tcr evblinbet, wahr= 
fcbcinlicb am foftcnannteit fdtwarzen Staat, ber 
burdt ttäbmmtft bcs 3ehttcrv3 entftebt unb mtheik 
bar ift. (n* tonnte babcv wobei* bie zerriffenen Ai lei¬ 
bet, nod> bas mit ©rbe bebeefte ftanpt bc3 93oten 
feben. Saburch mürbe ber crfdnittcrnbc Ginbrncf 
ber Sraucrbotfdtaft noch erhobt. 

®. 16. 3 eh b i n h e n 10 a u § b e m $ e e r e 
Vt c f ( oben. 93Jit bieien ©orten bezeichnet lieb ber 
9k'tc a 1-3 einen, ber bie ©abrbeit zu beruhten im 
©taube ift. 93? ein Sohn, (vin 9luSbvttcf vater= 
lidter Aveunblicbfeit, ftauz bent fanften ßbaraftcr 
Gli’3 cntü'rechcnb. 

®. 17. Sa antwortete ber SScrfün? 
biaer. Ser Bericht enthält nichts al3 Sbatfadtcit, 
eine immer febveeflieber alo bie anbere, unb biefe 
Sbatfachcii treffen beit greifen ©ohcDtieftcr Sdtlaft 
für Schlaft in vier 9lbfäfcen: ^frael tftftc- 
flohen vorbei! v l' h i l i ft e r it, eine ftvofee 
© cb l a eh t im 9> 0 1 f i ft ft c f eh eben, b c i n e 
b e i b e 11 Sohne f i 11 b tobt unb baju ift b i e 
£ a b e b e s 93 u 11 b c 3 ft c n 011111 t e 11 . 

®. 18 . Sa er ber 8abe (Mottet ftc = 
b a d) te. Saft fterabe bics beut (9li ben £ob be= 
rcitete, ift wiebet ein 93cwci3 feiner Aiömmiftfcit. 
Se3 9>olfe3 (vbre unb Atraft mochte babin fein; fei¬ 
nes Kaufes llnterftaiift ntodite unaiiibaltfam, 1111 = 
vermciblicb fein. Unter biefe3 (Bericht batte er fidt 
flebciiftt mit bem ©orte: „(93 ift ber A>err, er thue 
was ihm woblctcfällt. M 91ber ber 9>erluft bc3 .s>cilift- 
ibum3 an bie \>eiben ftab ibm ben Jotcsftofi. 5viel 
er zur ücf, au 3 Schmerz unb Scbrcrfeu ohnmarfj« 
tift ftctvorben. S e tt 11 e r war alt u tt b c i n 
fdtwercr 9)?ftnn: alt unb baber febwadt, fo 
baft ihn ber Scbrecfen Icidtt fibermannen fonitte; 
fdtwer, baber war fein ftall um fo ftefäbrlicher. 
SBennflleicb (vii ^ Job ein fehveeflidter war uitb ba3 
(Set'väfte eines ftottlidicn ©trafacridtts batte, ftarh 
er boeb in ber iyurebt ©vttcS. (9*3 ift noch nberbic3 
ein ehrlicher unb vühmltdtcr Job, au3 93efümmer= 
ttift um bie (vbre (Spottes zu fterhen. Xrofc feiner 
Rebler tonnen wir bem (vli unferc Xheilnahmc nicht 
verfaftcit. (9r war ein frommer Wann, was nicht 
nur fein Schmerz über ben ikrluft ber 9Mutbe3labe 
bezcitftt, fonbern faft mehr noch feine ftillebcmntbifte 
Untevwerfmift unter bas fchwerc ©ctteSfteridtt, wcl* 
dtc3 ibm aiiftefiinbiftt worben war (3,16—19); aber 
er war ein jebwacher, allzu 11 aebftiebifter (9barafter, 
was fidt beionbero in ber funbbaften SWadtjidtt ftecten 
feine Söhne offenbart, wcldte beim atidt basWcricht 
(Lottes über ihn herbeiführte. (9 r r i dt t c t c ^ f - 
racl 4 0 uabve. Sie ftriechifche 9Mbcl -lieber- 
fefeunft ber Sevtuaftinta lieft faljcblich 20 jabre. 
9?ach (vlt’s £vb verliert Silo alle 93ebeuttnift als 
Wittelyuntt be3 ifraclitifdtcn Aiultns, fein ober¬ 
st oft er wohnt mehr bafelbft, unb bie Stiftsbütte 
felbft finbeii wir fortan an anberen Orten. 355a hr= 
fcbcinlicb würbe Silo von ben 9>hiliftern, beiten 
nach bem ftroheu Sicfte bei Gbetiezer fein ifraclitifcbcs 
X>eev mehr ftCfteuiiberftanb, zerftövt, obwohl bie ©e- 
fchichte hierüber nichts berichtet. 


5, Bur Grfläruiiß aittb Grbauunß: r) S i e 

Sdiladit. 9>. 10. 11. ©ott läfit in ber ©cfdnchte 
feines OieicheS oft feiten eintreten, in beiten e8 
fcheint, als ob ber A’ürft tiefer 91'dt für immer beit 
Stea bavoiiftctraften batte, ©oldie Beiten finb Bci= 
ten beS ©eridits am .ssanfe ©otteS, iveldte ben Bmeif 
haben, alle biejcniftcn, welche in Sßahrbcit znm 
9'olfe bcs A>crrn ftebörett, offenbar werben zn laffett, 
bei* .'Oencbelei bcs tobten ©latibcns unb bcs bnreh 
ben ©cbeiit ber ©ottfdiftfeit verbedten UnalatibenS 
ein (vube zu iiiadicn uitb tu beit (yvnft reditiebaffener 
9Mif;e biiicinzufübren. — Sie ftröfiten veliftiöfen 
Vorrechte fdiüben ititS nicht, wenn wir fie nidttredit 
bennben. Sie 9Muibeslabe felbft ftevieth in bet 
l'hiliftcr ,t>änbe, uitb ihre jväftcr ipovhnt uitb 
93iucbaS ivitrben beibe erfdilaftcit. Senfe bodt9cies 
manb, bafi er ficb vor bem Borne ©ottes fchüfeen 
föitne, tvenn er beit 93iantd irftenb eines firdtlicben 
33efenntniffe§ umbäitfte; eS werben einmal 9>ide 
in bie äufierfte Rinftcrntfi hinanSfteftohen werben* 
bie mitGbrifto fteftcffcn unb ftctrunfen haben. Sc8 
©ebreien über eilt bcrcinbredienbcS Öcridit ©otteS 
ift tvertbloS, Wenn babei baS S5efcnntnin fehlt: 
„SaS haben wir mit uitferett ©üitben vcrfcbulbet," 
1111 b tveitn man fid> itidti in iUifte unb ©tauben zu 
©ottes ©nabe unb 93armberziftfeit wenbet. 

b) Ser 9E ä dt t e r. 8 S. 12—15. Sie wahre 
Srömmiftfeit offenbart fielt in Beiten ftvofien litt- 
ftlücfs unb Reibens barin, baff ber ©dttnerz tntb bie 
Ailaftc uidtt bei bem 4>cr{u[t irbifdter Wüter fteben 
bleibt, fonbern ihren bodtftcu ©eftcnftattb in bem 
®cr(uft ber ©nabenfteftenwart ©ottes finbet. ©0 
zeiftt fich hier bei (9li bie Bnniftfeit feiner frommen 
©efiiittmtft in bem Schweiften beS ©chmerzcS über 
beit ®er(uft feiner ©ohne unb in bent Sau (werben 
bcS Schmerzes allein über ben 9>erluft ber 93unbe§= 
labe unb bie 9>crlcfeuitft ber (9bre ©ottes. ffiabre 
5yröiumiftfeit f^ridtt mit 9lffnvb: „SSettit id^ nur 
bidt habe, fo fraae tdt itidtt nach Simmel tntb (9rbe." 
Sariiut fpricCtt ber Serr: „©er nicht vevläfn 91tter 
unb ^Mutter u. f. w. um meinetwillen uitb um bc3 
GvaitftdituiW willen, ber ift meiner itidtt wevth." 

c) Ser 93eridtt. 9>. 16—18. ©3 ift ftcwijj 
ein fdttoerer Ahtmuter für fromme Gltcrn, tvenn fie 
uiifteratbene, ftvttlofc Ai'inbcr haben; bovvclt fdtwer 
aber, tvcittt biefe fiinbev unbufjfevtifl fterben, unb 
bie Glterit fielt ben 9>ovwurf ntadten muffen, bah fie 
felbft bureb allzufttofic Sdtwädte tntb s 9tadtfticbiftfeit 
vielleicht Sdtulb au bem Uitftlücf ihrer Aiinbev feien. 
(vii’3 Sonne aittft in büfterer 25olfe unter. Sie 
Süubc unb ©ottlofiftfcit feiner ©ohne, tveldte er 
burdt feine allzuftrofic 9iadtftiebiftfeit felbft acuähvt 

! batte, führten zuletzt fein Jdwccflidteä Gilbe herbei, 
©ott ftraft zuweilen ftutc Männer wefteit ihrer 9>cr- 
ftcbunftcit mit ätifierftcr ©trenne zum 93eftcu uitb 
zur 91'armutft für 9lnbcre. — 9(udt ein vlö^lidt^ 
fcbrcrflicbes Sterben unter ben ©dtläfteu eines felbft- 
verfdmlbdeit ©traffterichts fanit eilt feliftes ©tcr^ 
ben itt beut Icbcitbiftcit ©ott fein, wenn bas Serz 
unter bem 9fufc: „©ott allein bic Ghre!" brid)tl 


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SonntagfdjuU^ehtioitcu. 


551 


Sonntag, ben 14* Cft. 1 Sam. 7, 3 —17* 

©amud, ber Slidjter. j 

1. 3crt: 1120 v. (5,i)x. \ 

2. Ort: ©Jizpa in bem Stamme ©eitiamiit. 

3. 3H|ammcuI|attg: Ruf bie Ricbevlage bei (Sbc* 1 
uc\ev folgte eine ctu>a zwanzig 3 ahre bauevnbe ©eit 
tiefer nationaler ßritiebvigung unb allgemeiner, 
©ermirrmtg, über melcbe mir feine näheren 9Jad)- 
richten befifeen. 3Biv miffen nur io viel, bah Samuel 
mährettb bieier Seit in allen Stämmen alb ein ^ro¬ 
her Prophet beo -Vertu anerfannt mar unb in ber 
Stille auf eine religiöfe mie politifcbe ÜSicbevgebuvt 
beb ©olfeb hinarbeitete, ©egen (viibc biefer ©eriobe! 
tritt er bann alb Siebter unb Setter ©fvaelb auf, 
verhimmelt bas ©olf zuerft 311 einem nationalen 
©ufttage nach ©Jizpa unb führt bann bic Jöccre 
Sfraelb 311111 .stampf unb Sieg gegen feine JJeitibc. 
©ie ©unbcolubc hefinbet fiel) in ttiriath -©earim. 
©ie ©hilifter hatten biefelbe nicht lauge behalten. 
S3on bemöerrn mit Kbmercit ©lagen heimgef uebt (1 
Sam. 5), hatten fte bab ihnen furditbar acioorbcne 
ifraelitifche .Vciligthum zuvücfgefanbt, unb bie 
Sfraeliten hatten baffelbe auf ber £>che beb ©ebir= 
geb ^uba in ber oben ermähnten Stabt itiriatb 5 
Xlearim (b. i. ©albftabt) untergebraebt. 

4. ffiort* ttiib Saihcrflärutig: 3 n. 4. Sa* 
muel fprach — etma 20 jahve nad) beut ©crluft 
ber ©unbcolabc—jitm ganzen fraufe ©>vacl, 
mahrfcheinlich iubem er alb ©uftprebigev bab Vanb 
burdizog: S 0 i h r e u ch b e f e b re t. Sach ©. 2 
ift eine Umfchr beb ©olfeb zu bem £>crrn bereite 
eiugetretcii unb Samuel fuüpft nun an bie bereitet 
vorhaubene reuige Stimmung unter bem ©olfe an. 
©on ganzem -V erzen. (Srine ©efehrung, bie 
nid)t bab ganze .Ocrz ergreift, ift merthlob in Sottet 
Sinnen, 3Bir ftehen hier vor einem unerbittlichen 
r, 6 ntmcber Ober". Ihut von euch bie frciu= 
ben Götter, ©iefremben©etter, von beiicu hier 
bie Rebe ift unb bie alb 31 ft h a r 01 h unb © a a- 
lim (©. 4) bezeichnet merbeit, finbbiephiliftäifcheu, 
bereu ©erehrung mährenb beet ©erfallb beb theofra- 
tifdien Scbcnb ßingaug gefuuben hatte, ©aal ift 
bie männliche ftauptgottheit ber fanaanitifchen 
©ölfer. ©ie ©riechen vergleichen ihn baher meU 
ftenb mit Jupiter; häufiger er ich eint er auch alb 
S 0 n n e u g 0 11 (2 .Sion. 33, f>), mcfjhalb er auch 1 
nicht feiten mit 31 p 0 110 verglichen loirb. © a a= 
lim ift bie ©ichrzahl von ©aal, eb bezeichnet ieboch 
nicht verfebiebene ©ottheiten, fonbevn nur ein unb 
biefelbe ©ottheit nach verfchiebenen 3lvteu unb for¬ 
men feiner ©erehrung. 3 u biefer -SMnficht hat 
©aal verfebiebene Seinamen, z. ©. ©aal ©eritb 
(Sicht. 8 , 33), ©aal ©telfart, ©aal ©eor (4 ilVof. 
25, 1 ff.) ©aal Sebnb (2 .Stöii. 1 , 2 . 3.) 31 ft h a= 
v 01 h ift bie ©t ehr za bl von 31 ft h or e t h, gvtcchifd) 
Stftartc (Stcrnföntgin). 3lfthoreth ift bie 3Ronb- 
götün, ber bem Sonnengott ©aal cnlfprechenbe 
ioeibliche ©öfcc, baher meift neben ihm genannt unb 
mit ihm verehrt. R i ch t e t e 11 e r £> er z 311 be m 
£> er r 11 11 .f.m. ©er V i 11 fchr zu Sehovah mu ft bie 
31 b lehr von ben ©bfeen, ber .s> in fchr zu bem leben= 
bigcnÖott bic3lbfehr von ber ©eit unb ber Süube 
vorangcheit. So mirb er euch erretten, 
©iefe ©orte laffeu bcutlid) auf eine Unterbindung 
von Seiten ber ©hilifter fd)lieftcn. ©er hier zu 


©runbe liegcnbc ©ebanfe ift: Stellt ihr euer ©un- 
becmcrhältiuft zu ©ott burch aufrichtige unb grüitb- 
lidie ©efehrung ivicber her, io mirb auch ©ott fid) 
Zit euch fehreu mtb fich als euer ©uubcvfiott ivicber 
enveiieit, iubem er cud? von euren Jyeinbcu errettet. 
Samuelo ©rebiezt ivar nicht vergeblich, ©ie Sl\\\- 
ber ;©‘racl t baten von fiel) be 11 ©aal im 
u. f. m. ©er ©bfeenbtenft mürbe gänzlich befeitiflt 
unb bie auojchliehlichc ©erehruim ^ehovah 0 uue- 
ber hcvczcftellt. 

IB. 5. ©er f a m tu e 11 b a 3 fl a 11 ze frael 
gen ©? i z P a. ©er ©ived biefer ©crfamiiiluiifl 
marbieiGieberhcrftclluiifl beb ©untcb zivifdien ©ott 
unb bem ganzen ©olfe, Icitiebmego bie ©orberettung 
beb ©efvciuugbfampfeb gegen bie ©hiliftcr, menn- 
gleich bie Veptcrcn bie ©erjatitiiiluiig unter biefem 
friegerifcheti ©efichtbpuuft auffafzten (©. 7). ©er 
©erjammluiigbovt ©Hzpa (b. h. ©arte) ift mahr= 
fcheiitlich bab heutige 3cebt Sammel (b. h. ©rophet 
Samuel), (vb lag in bem ©ebiet beb Stammeb 
© e 11 i a in i 11 , fünf "©teilen norbmeftlich von 3Seru= 
Salem, ©afi td) für euch bitte, tiehmlich 
»vegcit euren bibhevigen ©erfüiibiguugeit, baf? bie* 
{eiben eud) vergeben merbeit. _ So betete cinft "JQiofe 
für bub ©olf, nachbcm cb fiel) mit bem golbcneii 
Äalbe verjünbigt hatte (2 ©?of. 32, 11 ff.;. 

®. 6. Unb fte j d) b p f t e 11 SS affe r. ©a§ 
biefeo ©Safferjchopfen unb -3lubgie6en eine ©eittiV 
thigung ober einen Shräitenergufi bebeuten iollte, 
ift nicht mahrfchetulich; ev ivar vielmehr eine Reini¬ 
gung, bab mit ben Siinbeu befledte Jöaffcr mürbe 
attbgegoffeu zum Seichen, baft fie nun hofften, bie 
Sünbeit feien getilgt (vgl. 1 'IVof. 35, 2). Unb 
fie jafteten, ivic am grofieit ©eriohuungotage 
gefchah (3 9Mof. 16, 29). ©ab ‘Saften ift ein 3lub= 
brud ber beinüthigeu ©»eugung vor ©ott, loie bab 
Berreifteit ber Kleiber, ©eftreucu bcö .Shaupteb mit 
3liche u ub baö 31 n legen eiiteb groben ,\i leibeb > S arfeb). 
3 a m u c l vicb t c t cl ©iefcb Rtcbtcit beftanb ba= 
rin, baf? Samuel einerfeito Recht unb ©ereebtigfett 
nach bem ©efep hanbhabte, anbercvjeitb alb eigent¬ 
licher Regent bie inneren Slngelcgenheiteu beb ©ol- 
feo orbnctc. 

®. 7 . ©a bte ©h ilitter horten, 11. f. m. 
©ntmcber jähen fie bie ©erfammtung ali? eine frie= 
gediehe nu, iubem fie nichtb von ihrem eigentlidien 
©HH'd muhten, ober fie fannten biefen mohl tmb 
mollten ^frael in feinem unbeivaffneten ^uftanbe 
überfallen. 

©.8. © i e Ä i n b c r 3 f r a e l f ü r d) t c t e n 
f i d), mären alfo offenbar auf einen feinblichen Ucber- 
fall nicht gefafjt unb nidit vorbereitet. S p r a cb e u 
zu Sa m 11 e l. ©ie SJruditber ©efebruug N \ivaclb 
zeigt ficb barin, bah bab ©olf in feiner Roth nidit 
bei ©^cujcbcn, fonbevn bei ©ott .fcülfe flicht. V a ft 
11 i ch t a b, f ii r u n b z u f cb r e i c 11 . Samuel 
hatte bem ©olf feine iyürbitte zugeiagt unter ber 
©lebittgmig ber ©efchrung (©. 3). ©iefe '©ebtn- 
gung jft nun erfüllt. Sie haben ihren ©ott mie- 
bergefunbeit, hinter beut fie hergefeufzt (un j er eit 
©ott). Samuel betet für bab ©olf um Ret= 
titng aub ber ©hilifter ftaitb. ©aft nebenbei auch 
bie nöthigen militärifchcn ©orbereitungen getroffen 
mürben, ergiebt fiel) aub ©. 11. 

©. 9. Sab ©raubopjev, ivelcheb Samuel im 
Rainen beb ©olfeb barbrachte, iollte bie völlige .Otit- 
gabe 3fraclb an feinen ©ott üuiibilblich barftcücn. 


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552 


$ountagfdjuU|eltti<mftt. 


£)er £ett erhörte ihn* ®ic Srhörung be3 ! uub feinem ©ott wachte, unb felbft bem ßenigthum 
®ebete3 ift in bem 93. 10 erzählten ©organg in ber gegenüber machte er noch Seine Autorität al3 lefeter 
thatfächlichcn £>ilfe be3 $mn enthalten. ©Jan bc* i Wtehter gelteut. 3 vfl umher au ©ethel u.f.w», 
achte bic anschauliche Qarftcllung bc3 ©organg3: um an biefen bvei Stätten ©ericht jn halten, ©e* 
Samuel ift mit ber Darbringung be3 Opferb be* thel (aß im ©ebiete be3 Stammeo ©enjamin, au 
fchäftigt, bic ©hilifter rüden mähreitb befielt immer ber ©renje beb Stammes Spbraim. ©ilga l. (53 
nältet heran, Jfrael märtet auf Samuels ©ebet ber gab in ©aläftina brei Stäbte biefe3 9?amcn3. $ier 
S>ilfc beb &errn, gewaltige Denucrjchläge folgen j haben mir au bab in ber Jorbanebene, amifchen bem 
aufeinanber, mahrfdjeinlieft mit ©türm uub Jpagel t Sovfcau mtb Jericho gelegene ©ilgal 311 benfen. 
verbunben, babuvch werben bie ©hilifter in ©e^ © 0 n Seinen SRuubreiSen (ehrte Samuel ftetb nach 
ftürtimg nnb ©evmirruug verfefet, iie ergreifen bie SRamath jtivfuf. &icr hatte er feinen ftänbigeu 
flucht, ihr ©erhaben ift vereitelt. ©ohnort als ©efifcer eineb $aufc3. ©ante bem 

Ä.ll. ©eth = &ar (J&auS beb Satnmeb) ift £>evrn einen 9lltar. DaS ©riefterthum mar in 
vielleicht ibeutifeb mit bem Orte töorrä, berawi» Befall gerathen, bab Sentvalheiligthum feitSli ’3 
fchen Jeridw mtb ©ethfean lag. Stob aufgehoben. Daher opferte bab ©olf nun 

®. 12. Samuel nahm einen ©teilt. Senf- auch an Orten, meldte meber burdt bie Stnmcfenheit 
fteiuc aur (Srinneruug an bebeutungbvollc ©egeben* ber StiftSbütte, noclt burdt bie ber ©imbeSlabe ge* 
heiten fommen im 9üterthum häufig vov(läßof. heiligt maren, mtb felbft Samuel fügte fich biefem 
28,18). S e n (beutfeh: Bahn) mar entmeber eine ©ebrauch, intern er in diamath einen 9lltar erbaute. 
jahnÄhitlich geformte SelSfpiße, ober ein auf ober $)?adt bem ©efefce Sollte freilidt nur vor ber Stifte 
bei einem berartigen Reifen gelegener Ort. Sbeit* butte geopfert werben; aber jo lange ©unveSlabe 
eaer — Stein ber $ilfe. Samuel felbft erflärt bie uub Stiftsbütte getrennt maren, nnb überhaupt 
©Kbeutung be39tomen3 in ben ©orten: ©iS bie« fein georbneter SultuS in bem Scntralbeiligthum 
her hat ber &err geholfen. Der Stein mar ftattfaub, mar bie ©erehrttitg ©otteb an fokhen 
alfo ein Denfftein, melchen bab baitfbave ©elf aur außevgcfeßlidteu Suttusftättcnjeftattet. 

Shre beb feemt errichtete, ber ihm auf fo munter* 1 5. Bur (Srflärnng nnb (ftbannng: a) Sin 

bare ©eiie amn Sieg verhelfen. Dicfcv Denfftein 9tcf orma tor. ©. 3—6. Jebe toahre ©efebrung 
mar um fo bebeutmtgbvoller, ba Jivael gerabe hier, ift eine ©efehrung von ganzem fteraen. Sie 
bei ßbcne$er, awanaig Jahre vorher, jene furdttbave bcmcift fielt in bem ernften mtb entfdtiebencn ©ntrft 
9?ieberlage erlitten hatte, in me Über felbft bie ©11 n* mit allem, mab mibcr©ott ift, inbbefonbere mir 
beblabe in bie föäubc ber | 5 ctnbc gefallen mar. allem, woran bab &er$ alb an feinem ®öfcen hängt. 

®. 18. Die s ßhilifter mürben gebäntpft, ©ott forbert bab gan te $er$. „fRicmanb fanr. 
b. b. gänzlich betiegt, aber nicht unterjodtt, fo baß atveien Herren bienen" (ÜMatth. 6 , 24). — ©ie bab 
ihre nationale Selbftftänbigfeit aufgehört hatte, fteil beb Sin*cluen, fo hängt atidt bab £eil eineb 
DieS mar fetitebmegb ber fyall, vielmehr bauerte bic ©olfeb voit ber Stellung ab, bie cb tu ©ott ein« 
©ebrängniu vott Seiten ber ©hilifter auch fernerhin nimmt, ^©eredttigfeit erhöhet ein ©olf, aber bie 
noch fort, aber eb gelang ihnen nidtt mehr, mit einer Stutbe iit ber Ceute ©ertevben." ©ie ber Abfall 
gröBereit .öecrebmacbt in bi§ Warfen Bfraclb von ©ott Unheil nnb ©erberben nnb inneren 3er* 
eintufallcn, mtb in ben noch ftattfinbenben fall tur Böige hat, fo famt ein inncrlid) tervütieteb 
flämpfeu mar bie .’paub beb ßevrn wiber ©olfblcben nur burdt SHürffehr ju ©ott erneuert 
Sie. So lange Samuel lebte, alfo and) noch tur merbeu. — Samuel mar fein ©riefter, aber feine 
Beit Saul’b, benn Samuel ftarb erft menige 3 ahre Siirbitte für bab ©olf mar eine pvieftevlidie Ihat, 
vor Saul. burd) meldte er mit gleidicm SHedite mie 2)?ofe, ber 

®. 14. Sb mürben ?|frael bie Stabte auch nicht bem SMntte nach ©rieftcr mar, alb Stelle 
wieber. Samuel hält alfo bie ©hilifter nicht nur Vertreter vor ©ott eiutreteu fonnte. 3n biefem 
ferne von ben ©reuten Bfvaelb, fonbern braug audt Sinne tverbeu alle ©laubigen beb teilen ©unbeb 
in bab von ihnen befepte ©cbict ein, uub eroberte alb ©rieftet bctcidmetfl ©etri 2 ,9). Samuel macht 
bie ifraclitifchcit Stabte mieber, melche bie ©hilifter bie ©efehrung beb ©olfeb tut ©ebingung feiner 
an fid) geriffen hatten. ©onSfron an bibgen f^iirtMttc. ©?it vollem SKcd)t; benn feine Fürbitte, 
©ab. Sfvou, bie nörvlidnte bev 3ofua 13, 3 ge= amhßhrifti felbft nicht, fann einem fD?enfd*en 51 t 
nannten Shibte, heißt icht 91 f ir uub liegt 12 ©feU Statten f out men, wenn er ntd>t wahre ©Miße thut. 
lett füböftlich von 3 affa. ©ath ift mahrfcheinlieh — 8 anb= mtb 3?eichbtage, wenn etmab ©uteb bar= 
bab heutige Sei eb Saf ich, 15 ©{eilen füblich auf foll aubgcrichtet merbeu, feilen mit ©Miße nnb 
von SBainleh unb 12 SKcilcn iüböftlich von Sfebob. ©ebet augefangen merbeu. Sin nationaler'©ufttag, 
3)iefe beiben Stäbte felbft finb übrigenb nidit ein^ mie ber tu 9Mitpa, ift ein Sreigniß, über tvcldteb fid> 
geichlofien, fonbern beteichnen auf phiiiftäifcherSeite feie Sngc.l im Fimmel freuen. Sine ©arallele tu 
bic Dichtung uub 9lubbehnung, in me l eher bie ^frac' j biefem ©u ft tag 3frael3 bilbet bie ©ußc bev 9iini- 
litcti bie verlorenen Stäbte mieber erlangten. ! viten (Jon. 3). 

Jjrael hatte Jyricben mit ben 91 mevitern. I b) S i n Sürf prccher. ©.7—12. ©äbvcnb 
T.teje iverben barum envähut, meil fie in ben er= Jirael auf bem ©Mißtag in SWitpa vcvfannuclt mar, 
U'ähntcn (Megenbeu nächft ben ©hiliftern bie ntäd)* I mürbe e3 von ben ©hiliftern überfallen, 
tigfteu Aeinbe jfraelb tvareu. ] So bietet bei’ Satan feine gante Wad\t auf gegen 

®. 15—17. Samuel r i ch l e t e J f r a e 1 einen Sünber, ber ©uße thut unb fid) befehven mill. 
i*eiit V. eben lang, b. (v. bi3 tu feinem Sob. Jfracl tvar 511 m Kampfe nid)t gevüftct. Shräncu 
9luch mahvenb bev Regierung Sau 1*3 behielt er bie unb ©cbete tvareu bie ©affen, mit welchen e 3 ben 
Stellung cinc3 ©vopheten, bet über bie treue ©e= , JJcinb au3 bem 3felbc fchlug. Samuel betet unb 
mahrung bc3 ©unbeövevhältniffco jtvifdien Jivael opfert für bao ©olf. Sv vertritt un 3 6 hriftu 3 


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Sönntagfdjul^ehiumen. 


553 


vor (Sott bnvdft feilt 23crföhiumgSopfer unb feine 
Sürtuttc; unb lotr muffen unS in allen unjereit ©e= 
Beten auf fein ©erbieuft unb Sühnopfer ftüfceu # 
wenn wir bet ©ott Grhörung fiiibeu wollen. 
Samnct’S ©cbet wirb aufS Jperrlicbfte erbort. Sie 
^bilifter werben burch (Sottet augenfcbeinlicbcS 
Gingvcifcn <\efcölaacitf unb Üiraeterntet mitSreubeit 
bic Srudjt feiner Sefebruita. 92mt ba eS mit (einem 
©ott wieber verBunbeu ift, fann fein Seinb ibm 
wicberitehcn. SaffdBe erfährt ^eber, ber fid) gu 
(Sott Befebrt bat. »Sit ©ott für unS, wer mag 
wiber uu$ fein!" Sautuel feiert beit Sieg über bie 
ißbiUfter bttrd) bie SrricBtung eines ScnffteinS, 
beit er 5Beneger nennt. Ser 9tuf: 33iS hierher 
hat ber &err geholfen! ift ein Dtuf 1. baufbarer Gr= 
iimcumg an bic gemadjtcu Gvfalvrungen ber §ülfe 
beS $crtn (bis hiclwr!), 2. bcmütlngcu 93efcuut- 
uiffeS, bah mit nuferer iOt.aebt nichts gethan ift tuib 
feine föülfc allem itnx> erhält unb Bewahrt, 3. per* 
traueuSvollev öoffiuuifl DlitgcftebtS ber ferneren 
$ütfSbcbüvrtigfeit. 

c) (Sin Diegent. 93. 13 — 17. 3a bem Be= 
(ehrten s 3olfc befanntc [ich ber ©ctr. SatnucfS 
DticBteramt war fortan gefrönt mit Seaett mtb Gr= 
folg. Sie an bie fBbÜiftcv verlorene Stabte wut» 
beu wieber gewonnen. Sicfe neureichen födege 
Israels mit beit Sßbiliftcrn ftub ein 93i(b bcS 
föamvfcS ber fcctliauug, iit welchem ber neue Dtöenjdj 
baS ©ebiet allmählich wicbcr erobert, welches ber 
alte 9Kenfd) auch nach ber ©iebergeburt nod) jtu 
Behaupten fucht. ©i: bic prieftcrliche Sürbitte, fo 
wirb aud) ber pricftcrlicbe Opferbicitft v>o,t Samuel 
für baö 98olf verwaltet, woraus wir wohl auf beit 
tiefen Setfall bet levitifrhen föultuSorbnung fchlie* 
neu biirfcn. Sie freiere von bem Sciitralhciligthum 
loSgelöfie ^orin ber ©otteS Verehrung, ber wir hin 
tuib wteber im ?lltcn Scitament begegnen, ijl eine 
£>iitmei|ung barauf, bah bie mofaifrfic GiiltuSorb- 
iiuuet eben nur eine päbagogifch fpntbolifdie 93ebeu= 
tung hatte, unb bie Slnbetung ©otteS im ©eift unb 
in ber ©ahrheit fd)on bamatS beu eigentlichen 
SDiittelpunft aüeS ©ottcSbienfteS Bilbete. 


Sonntag, 21. Oft. 1 Sam. 8, l—10. 

3frael »erlangt eilten Sänig. 

1. Beit: 1095 vor 6hr. 

2. Ort: 92amath auf beut ©ebirge Gphraiin. 

3. eiulritfttbf ©emerfungen. Gin wuchtiger 
Slbfchnitt in ber ©efdwhte ^fradS. SaS 93olf vcr= 
aulafit burch baS fchlecbte Verhalten ber Sohne 
Säumers, fowie burch bie brohenbe Stellung bcS 
SlmmouitcrföniftS 92ahaS (12,12) bittet um einen 
föoitig. 9iid)t nur Samuel, fonberit ber den jelbft 
erblidtbarin eineScvadUuitg fcineSföönigthumS, 
eine 9lujlebnung beS SolfeS gegen feinen himm* 
lifd>en fööttig. 3'uav follten nach alten ©eitfa= 
gmigen (1 5Ötof. 17, 6; 35, 11) föhnige auS Slbra- 
haut’S Samen hervorgehen, unb 99?ofe hatte im 
propheti)d)cn 93lid auf biefe 3üt bereits ein föönigS= 
gefefc gegeben (5 9Moj. 17, 14—20). 9lttd) innfttc 
bic f bit i fl tiefte ©ürbe, bie fo wcfentlirf) mm kirnte 
beS SMcffiaS gehörte, ebenfo fein* wie bie prieftet 


licöe unb prophettfdje in ber Gntwüfctung 
beS eilten ^mtbeS vorbtlblid) bargeftcllt werben. 
9lbet bie Sorberung beS SoifeS war bennod) un* 
göttlich, weil fie vor ber i}eit unb ohne ben rcddcit 
©runb war. Sie verwarten baburd) Samuel, beit 
ber &err ihnen 3um dichter gegeben unb in Samuel 
auch beit £>errtt felbft. ©eil fie einen föhnig 
wollen, ehe ©ott will, giebt er ihnen aud) einen 
föhnig, wie fie ihn wollen, nicht nad) bent .freuen 
©üitcS, fonberit nach bem Serien bcS SolfeS, nicht 
auS äuba’S Stamm, aber wohl einesföopfeS höher, 
beim alleS Solf (10, 23). 

4. SBorfcmtB Sodierflflnmg: 93. l. Sa Sa¬ 
ut ttel alt warb. 92ach ber gewöhnlichen 9ln^ 
nähme war er um biefe 3eit etwa 60 ^abre alt unb 
lebte nach Saul’S Grwählung sitin föhnig noch un* 
gefähr 10 3ahre. Sefete feine Söhne 3tt 
9t i d) te r it, b. h. er nahm fte 311 feinen ©ehülfen 
an, bamit fie an entfernten Orten, umhin Samuel 
felbft feines vovgcrüdten 9lltcrS ivegcu nicht mehr 
wohl gehen fennte, feine Stelle vertreten mochten. 
Sicfe Sorfchtungen SamuelS laffeit uuS barauf 
ftBliehen, bai er unter ber ©ürbc unb beu 9(nftreiu 
gungen fcineS 9tichterauitcS früh gealtert war. 

®. 2. 3oel. . . 91 Bia. biefeit 9tamen, 
welche Samuel feinen Söhnen gab, fprid)t fiel) feine 
theofrathtfehe ©eftnuung, feine Svömmigfeit auS. 
3oel beißt nehmlid) auf Seutfch: „Jehovab ift 
©ott," 91 via: „90?ein Satcrift 3chovah." 93er= 
feba tag im füblichen Sheile beS StaunneS !^uba 
an ber philiftäifchen ©reu^c, alfo in bem ©ebicte, 
welches Samuel nad) beut Siege bei (vbcnc*er ben 
hiliftcru allmäbücb u'ieber entrtffen hatte (7, 14). 
erabc hier mag bic SluSübung beS 9tid)teramteS 
mit Bcfoubereit Sduvievigfeitcn unb ^efdjwcvben 
verBmtbcu gewefeit fein. 

3. Sic Ginicpung ber Söhne Samucl’S w 
Richtern crwicS fid) alv eine verfehlte. S i e wa 11s 
beiten n id) t in feinem ©ege. CSS ift nicht 
wahrscheinlich, baft Samuel fid) in ber (Svjiebung 
feiner Söhne bevfdteu fia^heit fchulbig gemadü 
hat, um bereu uulleu er bem (Sli baS göttliche ©c= 
rieht hatte verfünbigen muffen. Srobbcm mußte 
er an feinen Söhnen biefelbc traurige (vvfahrung 
inadten wie fein Vorgänger im Diicbteratntc. Dltich 
bie fvömmftcn Dliäuner fönnen ihre Svömmigfeit 
uid)t auf ihre Dtachfommen vererben; unb fo viel and) 
eine fromme Gmidutug vermag, beu 9(uSfd)lag giebt 
mlefet bod) bie freie Selbftbcftimmung beS 311 Gr3ie= 
henben. Sie neigten i i ch jum ©ctg, waö 
[ich batin fnnbgab, bah ftc © c f ch e tt f e nah nt e u 
mtb baS 92echt beugten, b. h. fie liehen fid) 
bcftechen. Somit übevtrateu fie bac> ©efefe beS 
föenit (2 5Wof. 23, 6. 8; 3 5Mof. 16, 19) unb 5er- 
flörteu ben ©runb unb ®oben, auf welchem baS 
9üd>teramt im 9Jolf ruhte. 

©. 4. 5. Sa verfammelten fich alle 
91 c 11 e ft c n. Sic 9leHeften fiub hier wie ftherall 
bic 92eprä(entauten bcS 93olfcS (2 9Xof. 3, 16; 12, 
21). SaS gange ©olf ift bcinuad) iit Bewegung 
gegen ben Beftehcnbcn Buftanb ber Singe. S u 
Bift alt geworben u.f.w. 3weierlei machen 
bte 9leltefteu als ©runb für bic Sorbcritng, bic fie 
ftelltcn, geltenb: 1. baS Dlltcr Samucrs, alfo beu 
93?angel an Gneigte im Dfegimcnt, wcldicnt bie Gitt= 
fcfeuitg feiner Söhne gu 9)citvichtcvn nicht abgulyelfen 
vermochte, 2. Vcn üblen ©anbei, baS 9)2ihregiment, 


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554 


SotmtngfdjuUJfehtionen. 


feiner Söhne. © e fe e einen St ö n i g übet 
u n 3. G3 ßcveicht bem SSolfe sur Ghre, baft e3 biefe 
S3erfaffunß3cinberunß niebt eißenmäd)tiß vernahm, 
fonberu fiel) biefelbe burch ben Propheten ©amuei 
von feinem himmlifcben ftöuiße erbat, wennßleid) in 
eißenwiüißer Sßcife. 5)et uuö rid)te. ©amuei 
mar Diicbter; fte forberten alfo nichts ©erinacre3, 
al3 ba§ et aurfuftvete unb einen ftöniß an feiner 
Statt einfefee. 23 ie alle Reiben haben. 
3m Orient ift bie monardufche Staat3oerfaffunß 
allgemein hervfchenb; 3fracl unterfebieb ficf> fomit 
fdjon burch feine theofratifche SScrfaffuna wefcntlidj 
von allen übrigen SSölfern. ©erabe biefen Untere 
febieb miß ba3 SSolf nun aufgehoben winen. (53 
miß in S3e$uß auf ben ©laus unb bie SRacht fönißs 
lic&et föerrfehaft anbeten Sßölferit nid)t nad)ftebcn. 

®. 6. ®a3 ßeftel Samuel übel u.f. m. 
6 r nahm e3 nid)t übel auf, ba§ fte ba3 Uurccbt fei¬ 
ner Söhne rüflten, aueb nubt, bah fie auf fein Älter 
hinmiefen, unb bamit anbeuteten, baft er nidjtmebr 
im Staube fei, bie ßanse Saft be3 Ämtc3 nt haßen, 
mährenb feine Söhne übel thaten. 23a3 ihm mifc 
fiel, mar ba3 S3etlanßen nad) einem ffö= 
niß, al3 SEräßet be3 fRcßimcntä. ®iefc3 2Ser= 
lanßen mar in breifadjer ©inficht nnteebt unb fünb- 
lieft. 1) Sie perlaußtcn einen fiöiüß ftatt bc3 von 
©ott beftellten unb herrlich leßitimivten 9tiditcr3 
Samuel. ®a3 mar ein Unrecht ßcßcn Samuel unb 
fomit eine Sünbe ßeaen ben ©ervn. 2) Ocnt 2'cv- 
lanßen nach einem it'öniße laß bei bem SSolfe ber 
SBahit nt ©runbe, ba& ©ott ohnmdd>tiß fei, ihnen 
stt helfen. Änftatt in ihrer Sünbe, fuebten fie in 
ihrer SScrfaffmiß ben ©runb ihre3 Unterließen^ im 
$ampf ßeßett bie fjeinbe, unb meinten in bem fföniß= 
thutn eine ©ilfe neben ©ott nt finbett. ®a3 mär 
ein SRanael an ©ottpertrauen, alfo abermals eine 
SSerfünbißintß ßeßcn ©ott. ®a$u farn 3) ba§ fie 
nid)t marteteu, bi3 ©ott ihnen einen Äöniß ßab, 
fonbern eißcnmilliß einen Äöitiß forberten, wenn 
fie einen folcbcn für nöthiß hielten, alfo ihrUrtbeil 
m anmaScnbcr 23eife über ba3 Urtbeil ©otteS ftell= 
ten. Samuel betete. Sief erßriffeit pon ber in 
iener Sorbcrnuß be*3 93olfe3 licßenben Sicrfünbißuuß, 
triiß er bie ßame Änßclcßcnheit bem ©errn per, unb 
ermieS ficb and) hierin wieber, wie bei iebem luicftti- 
ßen 23citbepunfte in ber @efd)ichte fciitc3 2Solf3, 
flau* al3 ber bcmütbißc, ©ott erßebene fDtaim unb 
©elb be3 ©ebet3. 

®*7—9. ©ehorebe ber Stimme be3 
SS o l f 3. ®ie (5rmäblunß eine3 5?öniß3, b.h. citte3 
einheitlichen Stoßenten be3 gangen 2Solfe3 nach t n = 
iieit unb a u ft c u ftanb nicht im SBiberfpruch mit 
ber 3bee ber ifraelitifcben Sbeofratie, fonft hdtte 
©ott bie ftcrberuiiß be3 SSolfes nicht bemillißt. Uit* 
redftt mar bie SVorberunß nur, meil biefelbc nicht in 
ber rechten ©efinminß ßcftcllt morben mar. ®te3 
fpritht auch ber©ert bcutlich au3 in ben SBorten: 
Sie haben nicht bich u. f. m. 23ie herab= 
laffenb rebet ber ©err hier mit feinem ftneeftte! (Sr 
gieht ihn ab von ber SJetrachtmiß bc3 UnbanfS, ben 
ba§ SSolf ßcaeu feine heue 91mt3führunß bemie3, 
unb meift ihn baßeaen hin auf bie oiel frfjwerere 
SBeleibißunß ber ßöttlidteu 9Wajeftöt. Sie verwarfen 
bie ©errfchaft ihve3 himmtifeben fiöniß3, unb moß= 
ten nad) ber ©eiben SBeife reßiert fein. CDarin laß 
ber eißentliche flern ihrer SSerfünbißimß. (53 mar 
biefelbe Sünbe ber feit ber Grrettunß au3 Gßppten 


fo oft bemiefenen abtrünnißen ©ertnnunß, welche 
hier mieber hevporhat. S)a3 in folcher ©efinnunß 
vcrlaußteftönißthum mar um nid)t3 beffer, a(3 ba3 
25 erlaffen 3ehovah’3, um an bem 
©öttern 31 t bienen. SSerfünbiße ihnen 
ba3 SÄccf>t be3 flönißS. ®a3 wfRcch^ ift 
hier nieftt ba3 luirfüdfte, von ©ott bem Äöniße ein= 
ßcräumte 9ted>t, fonbern ba3 SRcd)t, a'eld)e3 ein 
afiatifd)er ®cfpot fich anmaftt, ohne bah äufjere, 
mcnfd)lid)e Schranfeit ihn 3 »vfufhalten. 9Boriu 
bicfc3 9ted)t befteht, mirb SS. 11—16 aubeinanber? 
ßefefet. 

®. 10. ®em ßöttlichen Sluftrane ßcindft halt nun 
Samuel bem SSolfe ba3 9icd)t be3 flöniß3 vor, um» 
nue au3 SS. 19 hervotßeht, baffelbe moinößlid) nom 
3 tt bemeßen, ba§ e3 von feiner Sotberunß abftche; 
aber „e3 meiaerte fich su gehorchen ber Stimme Sa* 
muel3 unb fprad)en: 9Mit nid)tcn, fonbern e3 fott 
ein fföuiß über un3 fein" u. f. m. 

5. Snt <£rflartusß nnb frhönnna: a) $a$ 
SSerlanßen ber Slelteftcn. 2S. 1—5. I)ie 
Sleltefteit bcßrünbctcn ihre fyorbcrunß mit ©amue(3 
Älter unb bem Übeln Verhalten feiner ©ohne. ®a3 
Ccfetere )uar aber offenbar mehr ein SSormaub, benu 
ßcßen berßleid)en nRiilbräurhe bot ba3 Äönißthum 
noch menißer eine Äbhilfe bar, al3 ba3 SRichteramt. 
2luf Samuel mu§ aber hofebem biefer ©inmei3 auf 
ba3 TWiftpcrftatteu feiner Söhne einen fdmtcT$li(hen 
Ginbrucf ßemacht haben. ®cnn e3 ßiebt für fromme 
Gltern feinen aröfeerenSchmeTS a!3 ben, unaerathene 
ffinber su haben. — S)ie S3efchaffenl>eit ber SReaies 
rnuß be3 fianbc3 burd) Samuel unb feine Söhne 
mar—jvennßleith ba3 Verhalten ber ficfetcrcn höchft 
ftrafbar mar — hoch ntd)t berart, ba§ eine Äenbe^ 
muß ber SSerfanunß uothmenbiß ßemefen iväre. 
®vi3 SSolf mar eben bc3 9Jid)teramte3 überbrüffiß 
ßovorben, unb fcftnte ftch nach ®eränberunß. Un^ 
sufvicbenheit, ??rcube an ber SerÄnbenntß unb ba3 
SSerlanßen nach äuherem ©lause Rnb beut fD?enjehen 
natürlich, fie beßlciten ihn von ber SBieae bi3 gum 
©rabe, )vcun ©otte3 ©nabe ihn nicht befreit. Unb 
U'O biefe Svicbe einmal vorhanben finb, ba finbet 
fich immer leid)t ein SSormaub, biefelbcn $u befrie« 
bißcu. — 9?acft ber thcofratifchcn 93erfaffunß3ftael$ 
hcrrfchte ber ^en fclbft al3 unfichtlHivev, himmlifcher 
.(i'öuia über fein SSolf, unb bie SRidtfer maven nur 
bie üßerfseiiße biefe3 uitfichtbamt ßöniß3. Die3 
aenüßte bem SSolfe nicht mehr, fie molltcn einen 
ftcfttbare.it Iföniß, ber vor ihnen hersöße, nad) ber 
25eife ber anberett SSölfcr. (53 fehlte am rechten 
©laubeit. ®er ©ott, ben fte nicht fintilicft loahr^ 
nehmen fonnten, ftanb ihnen su ferne; fie mollten 
ihren fföniß mit Ätißen fehen unb mit fnänben 
greifen fönnen. SBie tief murgelt auch biefe QznU 
meife in bem fersen be3 natürlichen 3Henfchenl 
3Ba3 nur nicht finnlkh mahntchmcn fönnen, hat 
feine fÄealitdt für un3. ®aher ift c3 bem uinoiebcr^ 
ßeborenen fersen fo fehmet, auf ©ott su vertrauen 
unb für ben ftimntel su leben. 

b)<Derftnmmerbe3 9fid)ter3. SS. 6. 
Samuel tritt un3 an biefem SBenbcpunft ber @e- 
feftieftte be3 SSolfe3 @otte3 and) in ber fReihc bet 
äRänner ©otte3 entßeßen, welche bie Sibel al3 ©eft 
ben im ©ebet uu3 vorÄuaen führt, wie Äbraham, 
2Rofe3, 3ofua, CDavib, (5lia3. SSolfe rebenb, 
vertrat er vor bemfelbeu ©ott al3 fein JBrophet; su 
©ott flehenb, vertrat er vor ©ott ba3 SSolf al3 fein 


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Sonntegfdjukfektionftu 


555 


»ricftcr(irf>er 9Wittler* — Samuel^ SBeifpiet Ic^rt 
unS, wie mir im©ebet au ©ott fliehen unb unS von 
ihm leiten laffeit muffen, wenn nufer ©era buvd) 
fchmcre Anfedftitugeu beunruhigt uub gequält wirb. 

c) ©ie G n t f ch e i b u u g b e 8 ©errn. ©aS 
Verlangen beS VolfcS nach einem Könige wargott= 
wibrig, fünbig. ©cuuoch erfüllte ©utt bafielbe. 
©iefe (Erfüllung bereitete baS von ©ott gewollte 
Königthum ©avib’S vor, erwicS fidj aber auuäcbft 
al$ Strafe für baS eigenwillige Volt in ber im* 
thcofratifdicn Regierung Saul’S, bcc um feines Ab= 
falls willen von ©ott verworfen werben mtiftte. 
S3ir erfennen hieraus baS Verhältnis beS göttlichen 
VJilleuS mint menfdfticheit, uw biefee [ich in füitb= 
lieber SBeife bem göttlichen entgegenfteüt. ©ott 
hebt nie bie Freiheit kS mcnfddidjcu VJillcnS auf. 
ümar fud>t er benfclben burob bie Offenbarung in 
feinem ®orte von ber verfehlten Dichtung Minut 
gubringen (Grflärimg iw V. lo) r fchliefftich aber 
überlauter ibu ftetS feiner freien Selbftbcftimmitng. 
3it bie SBarnuug unb Mahnung buvcb baS SBort 
fruchtlos geblieben, io muh bie menfcblirfie Verfchrt= 
heit bennod) aitr fXealit innig ber göttlichen fttcidiS* 
unb ©eilSplänc bienen. So würbe hier ©avib’S 
Königthum vorbereitet; unb in ähnlidier Sßcife ift 
im 9t. 3;. bie gröjjte Siinbe beS VunbcSvoltcS, ba§ 
cS feinen König freuaigte, bie Veraulaffuna gemor* 
beit tu ber Grlofuug ber ®elt. ©er fDienfch aber, 
weither feinen SBillen bem göttlichen SBillen gegen* 
über cigcnfinnig burchgefefet hat, muff bie folgen 
feiner Verfebrtheit a (8 feine Strafe traacn. So 
hier Sfrael, welches bie Grfahrung machen muhte, 
bafj ber von ihm geforberte König verworfen würbe; 
fo aber auch ieber einzelne fDlenfch, bet währeub fei* 
neS GrbcnlebenS feinen üöillen nicht unter beit23i(* 
len ©otteS beugen wollte, unb hernach in bet ewi= 
gen Trennung von ©ott bie golgen feiuer Verteilt* 
heit tragen mu§. 


©onntag, ben 28. Oft. 1 Sam. 10,17—27. 

€>aur$ (Smä^Iung jum Äbnig. 

1. Seit: 1095 ». ßfu. 

2. Ort: üMiapa im Stamme Seniamin. 

8. (Sinleitettbe Semertnugnt: ©te SBaM beS 
erften ^öuigS von Jlftael ift eine hödjft mcrnoürbige 
^Begebenheit. ©et ©ert wühlt ihn auS uub be* 
jeichnet ihn feinem Propheten; unb bcnnod> erweift 
er ftd) nachher nidrt alS ber redfte, alS bet 9)?ann 
nath bem ©eraeit ©otteS. Von Samuel fclhit in 
bie ©ememfehaft mit ©ott unb in feinen Vcritf eins 
geführt, mit©aben beS hl. ©eifteS angethan, habet 
voll 9)tuth uub straft, vermag er bcnnoch bie ©e* 
fimiung eiiteS Königs beS VitnbcSvolfcS nicht jtt 
bewahren. (Sr hanbclt nach eigenem SBillcn, tu 
rohem ilraftgeffthl, mit bem Streben, gciftlicbe unb 
weltliche Allgewalt im SSolfc an ftch au reihen, unb 
geräth fo auf ben 23eg, 3ftael feines eigenthüm= 
liehen ÄleinobS, feiner ©otteSherrfdmft, 311 berau= 
ben. ^Daft er aber bcnnoch von ©ott auSerfchen 
war, ift eine Shatfadje, wcldic in ber ©efdudite ber 
Offenbarung mand)e Analogie fiubet, 3 . 2J. tn ber 


SBahl beS 3ubaS jum Stpoftct. ©ie 25orgeWid)te 
ber Srw&hlung Saurs, fein ©uihen ttacb oen ver^ 
lorcnen Sfclinnen jeineS SJaterS, fein 23cfu(h bei 
Samuel tmb feine Salbung 311 m Könige wirb ffap. 
6—10,16 eraählt. 3 n unterer Scftiott wirb bann 
weiter berietet, wie ©aul burd)’S 800 S förmlich 
311 m ffönig etngefefet unb bem ®olf vorgeftellt wirb. 

4. ©orttuibSaÄcrfläruitg: S. 17. Samuel 
bettefbaS Sßolf. ©ie SSolfSvcrfammluug, 
wel(he Samuel nach 2 Äi 3 bct beruft, weilficban 
biefen Ort bie ©Tinnerting an bie ftap. *l t 5ff. be^ 
richtete grofie SiegcSthat fitüpfte, hat ben 
bie im Verborgenen gcfd)ehene ©rwahlung Saul’S 
3 ttm flöittg SftaelS vor allem SSolfe au conftatircn, 
unb bem erwählten Könige bte SBcihe 311 feinem 
filmte 3 U ertheilen. GS war von SBuhtigteit. bafe 
bicS vor beit SKcpräfcntauten beS gangen VolfcS 
gefthah, weil fonft leicht Unaufriebcnheit cntftchcn 
unb bie auf ber SScrfaromlintg nidft vertretenen 
©tamme bem Äönige bic fllnerfenmmg vertagen 
fonnten. Vor bem ©errn. ©icicr SluSbrud 
wirb gebraucht entweber 1 ) weil bie VunbeSlabe 311 
biefex Vcrfammlung nad> fD^iapa gebracht worben 
war, ober 2 ) weil berßerr überhaupt bei ieber Vcr* 
fammluug feiueS Voltes gcgcmvävtig gebadjt wirb, 
ober 3) weil in biefem f?alle ©ottcS ©egeuwart unb 
Gntfchcibung bei ber önigSmahl in gan 3 bcfonbc= 
rer Söcife erfleht unb erwartet würbe. 

®. 18. ©aS Volf ift nach 9Wijpa w nt bem 
errn" verfammelt worben; nun rebet ber 
err, alS ber bimmlifche Äönig ^fvacl’S, 311 feinem 
Volfe bitrch Samuel, ^in furacn, fchlagcitben ©or¬ 
ten halt ©amitel bem Voll bie (önialichcn SEhatcn 
vor, bureb welihc ftd) ber ©err an ihm verherrlicht 
hatte: ©ie©erauSführung auSGgppten, 
bie Grrettung auS oer©anb berGgpps 
ter (unmittelbar nach ber Ausführung) unb bie 
Grrettung aitS ber ©anb aller ber 
Königreiche, bie fie bebrürft hatten, 
©ie lebten fKadjtthatcn ©otteS erftredten firfj herab 
biS auf bie neuefte 3 cit, biS auf ben Sieg von 
SDlijpa (7,5), von bem ber „Stein bcr©ilfe"vor 
ihren Augen .Rcuguifi ablcgte. ?fm Sichte biefer 
Shatfachcit crfchcint bie Süntc ber Verwerfung 
^ehovah’ö um fo gröber unb ftrafbaver. 

8/19. 3hr habt euren G)ott verworfen, 
wiefern baS Verlangen nach einem Könige ein 
„Verwerfen ©ottcS" nmr, ift in ber vorigen Scttion 
iu V. 6—9 erEldrt uwrbcn. ©retet nun vor 
ben ©errn nach euren Stämmen. 9?a<h 
ber fcharfen Strafrebe, in welcher bem Volfe noch 
einmal bie ganae Vebeutung feincS VcgchvcnS vom 
religiöfen ©eftdftSpunfte auS vor Augen geführt 
worben, erfolgt bie thatfädftidje ©cwährung ber 
gorberung beS VolfS nach bem göttlichen Vefcht 
( 8 , 22 ) burth bie Aufforbcrung surSSahl burch’S 
8008 . ©aS Voll foll hersutreten vor 
ben ©errn, b. h. vorbei! Altar, welchen Samuel 
nach Kap. 7,9 bem ©errn errichtet hatte. 9iadj 
euren Stämmen unb fjrteunbfcbaften, 
nach bem ©cbräijihen: „unb ©aufcnbeit." fD?ofe 
hatte baS Volt aut Grteidftcrung ber SßeditSpflcge 
nach Staufcnbcn, ©Huberten u.f. w. abactbciU, unb 
über icbe folche Abtheilung ©auptmänner gefefet 
(29)?of. 18,25). ©iefeGintheilung fchlofe ftd) wahr* 
fchcinlich an bie natürlidie ©licberung in ©cfchled)= 
tcr unb gamilieit an, fo bah bie 23c3eidjmmg „3:aus 


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556 3onntagftyul=£cktt<men. 


fettbe" oteid>t>cbctitenb ift mit „©efcblechter", ba ein 
®cfcfjle<ht wohl au taufcnb gamilienbäupter um- 
faffcn mochte. ®a& bet König burdfS 800 S unb 
nicht Durch SolfSabftitnmung erwählt würbe, ent- 
fpridjt gang bem Sharafter Der ifraelitifchen $heofra= 
tie. ©er König fottte nicht auS einer SolfSmacht 
heroorgehen; 3 ebooah felbft fottte feinem Solle 
einen König flehen, wie er ihm bisher bie dichter 
flefleben hatte. 

®. 20 . 21 . 3hch bem ait:h fouft üblichen Ser= 
fahren beim Soofeu würbe junächft Der Stamm, 
bann ber töeibe. nach baS ©efdftecht, Die Familien 
unD fcfjtiehlich baS eiujelne ®üeD ber gramiüe burch 
baS 800 S beftimmt. 2Bie baS 8 oofen fclbft hier 
oorgenotnmen würbe, ift nicht gejagt. ©ewöbnlich 
flefchah eS Durch Werfen Der ju biefem 3>Pede be* 
fttmmten Würfel ober Säfelchen (%>f. 18, 6 . 8 ; 
Sott. 1 , 7; Sgedj. 24, 7); Doch ram aiuh baS 
Nehmen beS 8oofe3 auS einem®efä§e oor (4 Wof. 
33, 54; 3 Wof. 6 , 9). ©aS 8 efetcre fcheint hier Der 
Satt flewefen ja fein. Unter Den Stämmen 3tfrael£ 
würbe nun ber Stamm S e n j a in i n, unter Den 
©efchlechtern biefeS Stammes baS ©cfchledft Wo* 
triS (ein fonft nie Dorf ommenber 'Kirne), unter Den 
Samilien biefeS ©cfchtedjteS bie Familie KiS unb 
fchliefttich unter beit einuttneit ©lieber biefer ftaini* 
iie Saul getroffen. ©a baS äfcfultat beS 8 oofcS 
unter Den 3fraeliten alS Sittfchetbung ©otteS aitge= 
fcheit würbe, fo biente baffelbe hier nicht nur bagu, 
Saul alS Den oon Sott erwählten König bei bem 
Solle 31 t beglaubigen, fonbern eS gab auch biefein 
felbft bie wolle ©ewiftbeit, baß feine Srwäblung unb 
Salbung Durch Samuel in Uebercinftimmung mit 
bem gütlichen Witten gefchehen fei. Sic fanben 
ihn n i ch t. Saul, weither in Solge ber ßröffnun* 
gen SamuelS jum SoraitS wujftc, waS baS (Srgeb- 
niS beS SoojenS fein würbe, hatte (ich oerftedt, unb 
jwar entweber um fich feiner Erhebung auf Den 
ffönigStbrou wentjiehen, ober, waS wahrscheinlicher 
ift, auS werjeihlicher Schüchternheit unb aufrichtiger 
©erntttb. 

®. 22. Sie fragten Den ©ernt, mittelft 
beS Urim ttitb ©buntmim ( 8 .: „ 8 icht ttitb 
SRecht"), welch:? ftch auf bem Sruitfchilb beS bohe= 
priefterlichen SeibrodS befattb. Statin biefelbe 
eigentlich beftanb, lägt [ich nicht ficher ermitteln, 
©ic 'Befragung ^ebooab’S Durch biefeS Wittel fottte 
nach 2 Wof. 28 atterbingS Durch Den ©obettprieftcr 
gefchehen. ©a ieboch baS bobepricfterliche Amt tu 
biefer 3 eit ttnbefefet war, muffen toir annehmen, 
bah irgenb ein Srieftet an Dem bohcpriefterlicbeu 
AmtSfchmud biefe feierliche Befragung oornabm. 
(Sr hat fich unter bie ©eräthe oerftedt. 
®ie ©eräthe fiitb ohne Bweifel baS $etfegepäd beS 
ju WUpa tufammengefommenen Solls. 

®. 23. Sie holten ihn. SS ift ein fchoner 
ßharafterjug Saul’S, baff er bei biefer ©elegeitheit 
befcheiben jurüdftebt unb wartet, bis er gesucht ttitb 
auS feinem Scrftcd herbeigeholt wirb. Sr war 
eines ©aupteS länger Denn baS Soll. 
Saul’S stattliche @rö§e unb Irtegerifche Schönheit 
wirb hier wieber, wie fthott Kap. 9, 2 auSbtüdlich 
heroorgeboben. ®aS war ein König, wie ihn baS 
Sol! begehrte, baS Sleifch für feinen Arm hielt, ein 
König nach bem ©efchmad ber „©eiben" umher, 
ämponirenbe Körpergeftalt galt im ganten heibui^ 
fihen Altertbum als ein ©auptoorjug eittcS KöttigS 


ober Sclbhcrrtt. Wau bettle nur an bie bomerifäjen 
©eiben. 

®.24. Uttb Samuel fprach: ®a fehet 
ihr, welchen ber ©err erwählet hat. 
AuS ber gangen ©arftelfung ift flar, baft, waS htcr 
woit ber göttlichen (Srwäblung gefagt wirb, nicht in 
Dein Sinn 3 U nehmen ift, alS wäre Saul wirf lieh 
ber Srwäblte ©otteS, b. b. r/ein Wann nach bem 

f ernen ©otteS" gewefett. ©ott gab 3frael einen 
önig, toie fie ihn wollten. ©ieS beutet auch 
Samuel an, trenn er alS Kennzeichen beS Srwähl 
teu ©otteS Die Sille übciragenbe ©röfje SattfS 
nennt („ihm ift feiner gleich"). älS fpater bcrfelbc 
Samuel beit Sluftrag erhielt, Den Äönig ju falbett r 
beit ©ott felbft feinem Solle geben wollte, Den 
„Wann nach bem ©cr$en ©otteS", aab ihm ©ott 
bie Steifung: „Siehe nicht an feine ©eftalt.... 
beim eS gehet nicltt, toie ein WcttfÄ ftehet; ein 
Wcitfch ftehet, toaS oor tilgen ift, Der ©err aber 
fiehet baS ©erj an." (1 Sam. 16, 7.) ®aS 3*«ö 5 
ttift SamuelS: „®aS tft ber 00 m ©emt erwählte 
ftötttg," in Serbittbmtg mit bem Stnbmd bet 16* 
ntgliiheu Srjchciuung SaurSertoecfeitetue mächtige 
Segeifterung unter Dem Soll, toelche SiiSbmcl ftn* 
bet in bem ©ulbigungSruf: ©lüd jtt Dem Äö* 
tttge! waS utifcrcm: „SS lebe berÄoitig!" ent* 
fpvüht. 

®. 25. %iU Rechte beS ifönigtetdjeS. 
©iefe :)techte beS Königreiches finb wohl ju uitter* 
fcheibeu wen beut „Siecht beS Königs" Kap. 8,11 ff., 
wo Samuel bem Solle bie angemaftten Seftigniffc 
bargelegt hat, toie fie wen beit heibnifchen ©cSpoteit 
in unumfchräitfter SBillfürattSgeübt würben, ©ic 
hier erwähnten „"liedttc beS Königreiches" ftimmten 
uinweifelhaft im SSefeittlichen mit bem KotttgSgc* 
fefe 5 Woi. 17, 14—20 üherein uttb hanbelten alfo 
poit ber Stellung, toelche ber König in bem theofm* 
tiichcit Staate ©ott unb bem Sollegegenübereinneh^ 
men fottte. ©aS SBcfctt beS tl\cofratifd)ctt Staates 
aber beftanb eben baviit, baßt>er3Bille ©otteS, alSbeS 
himuilifchen Königs, beibe, König uttb Soll, regierte 
ttub beherrfchte. 8 egte eS 00 t oett ©etrn. ®ie 
Strt ttitb Steife, wie bieS gefchah, ift nicht näher an* 
gegeben, ^ebenfalls würbe bie Schrift alS heilige 
Urfunbe ber Aufrichtung unb SRegeluttg beS theofva* 
tifchen KönigtbuutS an einer ftcheren Stelle, „oor 
bem Ättgcfichtc bei? ©crrit," niebergclcgt unb bett 
Sricftern jur Setoahrung tthergebett. Srofebem ift 
biefelbe pcrlorett gegangen. Sattt net liefe alleS 
Soll gehen. ©aSKönigtbum tritt noch jurüd 
hinter baS Stophetenthum, wa§ baritt angebeutet 
ift, bah nicht Saul, fonbertt Samuel bie Sntlaf* 
fung bc? SolfeS oottjieht. 

®. 26. S a u l g 111 g heim in feines SatcrS 
©ntS nach ©thea uttb ju feiner früheren Se* 
fihtftiguitg, bem Aderbau. ©iertn jeigt ftch nicht 
nur SattlS beinütbiger Sinn, fonbertt auch feilte 
richtige Senrtheilung ber Scrhältniffc. ®ie Wo= 
ttanhie war noch fo neu ittjjfrael, bafi ber König 
leine attgemeitte unb willige Anerfcnumtg erwarten 
Durfte (befonberS nicht nach beit S. 27 erwähnten 
Sorgängett), biS er ftch bttreh einen ftcgreichen 
KrieaSmg alS Sefreier Stfraetö oott feinen Scinben 
b: oährt hatte. Saul erwartete bähet in füllet 
3 urüdgejoaenheit bie geit, ba ber ©err ihm @c(e= 
gen heit geben toürbe, ftch a(S König um baS Soll 
3 iracl oerbicut gu machen, ©iefe ©elegeuheit bot 


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3u Ijaufe. 


557 


lieft ftalb. Dod) begleitete beit Saul fdwn iefet ctit 
DheilbeS©eere$, weld)er©era®ott 
rührte, baft fic ihrer ©flöht eingebenf waren. 

8 . 27. Die ©egner Saul ’8 werben alä 1 o f c 
(mdjtSwüvbige) 8 eute bezeichnet. 3 hreDppofition 
tritt zu Dage 1 ) in ber ©eraditung Saitl ’6 utib {ei« 
itC‘3 ftönigthumS al$ einer Döllig unnüfcen 3nfti« 
tiitiou; 2 ) in ber ©erweigeriing ber ®cfd>enfc, bie 
nach morgen läitbifchcr Sitte beut ftönige alö Beiden 
bet (Shrerbietuna unb be3 ©chorfamä gebührten. 
Denn freiwillig feargebradite ©efebenfe ober ®abett 
gehörten zu ben regelmäftigen (Einnahmen ber {für« 
ften. ©au 1*3 Verhalten biefen Sfeinben ßeßenüber 
3 eugt Don Setbftbeberrfdjung, aber auch Den grober 
ßlußheit. Denn wenn Saul auch baS Red)t ge« 
habt hatte, iefet fdwn gegen folcfte fehltöbe ©erä&ter 
feinet 9lmtc$ cnergifdt cinzufchrcitcn, fo hätte ba 8 
bodj für feine Stellung 31 t bem ganzen ©olf leicht 
{ehr nachtheilig werben föniten, befonberä wenn 
biefe offenen ©egner — wa3 wahrscheinlich ift — 
ben StammcShäuptern ber gröberen, früher mit ber 
{fübterfdiaft betrauten Stämme 3uba unb gpbraim 
angehörtcu. 

5. $nr Grf Inning unb ßrbannng: a) 3frael 
Derwirft feinen ©errit al$ ftöni§. SS. 17 
bis 19. Dicfc Sünbe wirb bem ©olfe tn ernfter 
©uftprebigt Dorgehalten. Die fräftigften Mittel 
3 ur Srwerfung wahrer Stifte finb 1 ) bie bemüthi- 
aenbeßrinnerung an bie ohne ©erbienft erfahrenen 
©nabenerweifuitgen, in benen [ich bcr.öevr als nufer 
barmherziger ©ater bejeugt hat (©. 18); 2 ) bie ftra« 
fenbe ©orbalttmg utifereä Unpanfe unb nuferer 
Untreue, mit ber wir ihm gelohnt haben (SS. 19) 
unb 3) bie befchämenbe ©tnweifung auf bie Dennoch 
nicht dou mtS weichetibe ©nabe unb Dreue ©otteS, 
mit ber er ftd> fogar 311 unfereu oft füublichen Sßün« 
{eben berabläftt. 

b) 3fi*ael fucht einen Äönig. SS. 20 — 22 . 
Die Sluwenbuug beS 8oofe3, um in zweifelhaften 
{fällen eine (rntfeheibung nach bem Sßilleit ©otteS 
(Spt. 16,30) herbei 3 uführen, fommt im 81. D. fehr 
häufig Dor, unb zwar ttiefti feiten, wie in unterer 


geftion auf au3brücflid)CH göttlichen ©efehl; beim 
baft Samuel hier in göttlichem 8 luftrage hanbclt, 
unterliegt feinem 3weifel (ogl. 3 SMof. 16, 8 ff. 
4 9Rof-17. 4 9Rof. 26, 55ff. 3of. 14, 2 . 3of. 7, 
14ff. 1 Sam. 14, 41 ff. 3on. 1 , 7 u. 81.). 3m 
9h D. fommt ba$ 8oo3 nur 9lpg. 1,26 bei ber ßr« 
wählung be$ 8tpoftc(3 URattbiaS Dor. Rad) bem 
©organg ber ©rübergemeinbe, weld?e bie Sinmen« 
j.buuß be3 8 oofe$ bei ben ocrfdiicbcnften ©elcgcu« 
heiten, befonberS auch bei ber ©efefeung Don 91cm« 
tern unb ßhefchlieftunaen empfiehlt, haben Diele 
©laubige ben ©ebrauch angenommen, in zweifei« 
haften fällen bas 8oo3 entfeheiben 311 iaffen. Da« 
bei wirb aber oft arger 9Riftbraud> getrieben. Run 
geht e3 freilich nidit an» bem ßhriften beit ©ebraud) 
DeS 8 oofeS ganz SU Derbictcn. SBad im 9t. D. ©ott 
felbft angcovbnct tmb im Reuen bie 9lpoftcl gethan 
haben, bürfen wir nidit für unrecht erflären. SBcht 
aber muft Dor bem Rftftbraud) bcS 8oofc3 gewarnt 
unb barauf atifmerffam gemacht werben, baft eine 
Stnwenbung beS 8 oofe§ ohne Dorhergehenbeb ernftcS 
©ebet, ohne oölligeS SSertrauen auf baS Sßaltcn 
ber göttlichen SSorfebung unb ohne willige unb Del« 
lige Unterwerfung unter bie ßntfeheibung beS SoofcS 
ein fünbhafteä unb 63ott miftfvilligeö Seginneit ift. 

c) 3ftael finbet einen Völlig. SS. 23—27. 
Obwohl Saut ein Dom Solle ©ott abgc 3 wungeucr 
Äöntg unb nicht wie Daoib ein w 9)cann nach bem 
©erzen ©otteS" war, fo bemhtigte bie ©efinnung, 
welche er bei feinem Regierungsantritt an ben Dag 
legte, hoch 3 « ben beften ©Öffnungen. Sefonbcrä 

ß hnete er fieft burdj feine Demuth unb Se« 
eiben heit auS. SBahre ©emuth unb Se« 
feheibenheit wurzelt in einem Dom ©eifte ©otteS 
berührten ©erzen (10, 6 ), fic beweift fieft Dor©ott 
in bem Scfenutnift ber Uuwiirbtgfcit uub Unlüch- 
tigfeit für ben Dicnft in feinem Reich, Dor 9)?en« 
fchen in befcheibener 3 urüdhaltimg (S. 22 ) unb 
im Schweigen (27); fie wirb gefrönt oon ©ott mit 
bem Seruf zu feinem Dienfte (21.24), unb Don ben 
SRenfdien mit bem Don ®ott gewirften Seifall bet 
©erzen (26). 




1# S a w St. 

Sfür unb $erb Don einer ©au^fran. 


gertftyffögen. 3 vgcnb 3 «manb, ber bie beften 
SctriebSmethoben in ßuropa beobachtet hat, wirb 
bie SBiditigfeit ber Dollfommenften ©erriditung beS 
SobcnS für bic Slufitahme ber Saat begreifen. DaS 
Seacferu fugt bem ©oben RichtS hinzu, aber e3 bc« 
güuftigt bie ©eränberung ber {formen ber für bie 
6 mährung ber fßflanseii erforberlidien Subftauzen, 
unb fomit ift ©fingen unb ßggen iubireft bem 
SBitchS förberlich. ^)er ©oben ift bie gvofte ©oy- 
rathSfammer ber ©Ranzen = Rähvftoffe unb er hält 
biefetben in {folge ihrer UnlöSlidifeit zurüd. {vev« 
ner, eS ift nur burch bie ßinwirfmia ber 8 uft uub 
aller biefer chemifcben unb anberen ©orgänge, bie 
mit ben Rainen SSerwittening, Rihififation u.f.w. 
belegt werben, baft bie uothwcitbuien Subftanzcn 
in eine löSlidie {form übergehen unb fo zu* 9luf- 


nähme Don ben SBurzeln ber watbfenben ©flanzen 
geeignet finb. Die ßhemic bcS ©obenS, tnbeni fie 
beffer Dcrftanben wirb, lehrt in erftcv 8 iuic bie SBich- 
tigfeit bcS häufigen 8 ocfernS ber Öberflädie beS 
ßulturfelbeS. 9 luS biefent ©vunbe empfiehlt fid) 
baS ©flügen im ©erbft. 9lud> auS anbern ©rünbeu 
mag bic Stoppel ober ber Rafcn im ©erbft unter« 
gepflügt werben. Rieht nur cirfulirt bie 8 uft freier 
unb ber ©rozeft ber Bcrfeftimg unlöelidier Sub« 
[tanzen geht fdmeüer Dor fich, fonbem bie medianifche 
©efchaffenheit beS ©obenS wirb nod) bebeutenb Der« 
beffert. Sollten 3nfcften, bereu 8arDen oberßnger« 
lingc im ©oben fein, wirft baS ©erbftpflügen fie 
auS ihren SSintcrguartieren 1111 b Diele gehen 311 
©vunbe. Slbgefehen Don biefen ©ortheilen, herrfcht 
um biefe 3cit ein Dcrhältniftinäftiger Stillftanb in 


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558 


£u Haufe. 


beu Selbarbeiten unb atteS ^SfliiQen ober fonfüge 
Scaderung OeS SobenS oerminbert mefetttlid) Oie 
Sile in Oeu gefdjäftigen SJonaten OeS SrüblingS. 
®er itachDenfenDe uitO erfolgreiche Farmer plant 
feine Arbeiten Dcrartifl# baft Oie eine ^abrc^aett in 
mehr als einer ©iuficht ber anOern hilft. 

fangen tu Töpfen. Sftt (Eintritt falter 2Bit- 
tcrnug werben Oie ichönftcu Sflangen in Töpfe ge^ 
fefet unb in’S .©auS genommen. SS ift gu bcOenfen, 
baft Oie Sährftäche ber ffiurgeltt fcbr befchränft wirb 
unb baft bie Toöferbe beShaib febr gut fein mu§. 
Sludj tnuft man forgfältig mit bem Sufnebmen ber 
Sflangeu umgehen, baft nicht gu oiel (Srbe abfdllt, 
fonft möchten bieSftattgen leicht uertvodcten. Küm= 
lieh in ^Eöpfc gefefcte Sflaitgen erforbem oiel 2Ba)= 
fev, befonbcrS wenn fte in ein Bimmer mit ziemlich 
hoher Temperatur fommeit. Sufterbem muffen bie 
$jlanieu ©oitnenfchein unb Buft haben. T)ie 
Settftet au Oer (üblichen ©eite beS ©attfcS ftitb im¬ 
mer Oie heften. Sei geeigneter Sftcge (unb Oiefelbe 
macht nicht oiel Stühe, wenn alles rechtzeitig ge- 
fchieht) faitn mau im JBiitter eine hübfehe Samm¬ 
lung Sflangen haben, Oie burch ihren 'älnblid ba3 
Singe erfreut unb burch ihren wohltiecheitbeit ©eruh 
uni erquidt, wenn brausen atteS erftarrt ift. 

Sommerh(nl|enbe Bwiebdu nnb Knollen werben 
im ©erbft, ehe Oer pfrofteintritt, aufgenommen, einige 
Stage an ber fiuft getroduet unb bann au einem 
froftfreieu Ort aufbewahrt. Satgiffeit, SrocuS, 
Tulpenzwiebeln unb Säontenwitncln füllten Sitbe 
September ober ÄnfangS Oftober auSgepflangt 
werben. T)tcfe Slumen erforbem einen reichen 
Soben unb einen warmen fonuigen Stab im ®at= 
ten. Sachocm bie ©artenbeete im .©erbft berge-- 
richtet, pflanze mau bie Bmiebcln unb Tulpen brei 
Bott tief unb fecftS Bott oon einanber. Stau bc- 
bedc fte mit Stbe tittO ehe berSroft eintritt, bcbccfe 
man baS Sect mit ctwaS ©treu ober Baitb. 3m 
Jfrühiahr entferne man baffelhe, lodere Ocn Sobeit 
ein wenig, unb wenn bann bie Bwiebclu empöre 
leimen, gebe man ?lcht ttnb wache gegen Sachtfröfte 
unb betfe baS Seet in falten Sachten gu. Sluch 
muffen bie ©artenbeetc immer etwaS höher jein alS 
ber Xafenplafe. Sleibt ffiaiicr auf einem ©arten¬ 
beete fteheu, fo perfaulen Oie Sflattgcn. Sarziffeu 
unb SrocuS werben etwas naher gufammett ge- 
pflangt. ®ie $dome follte einen iinmcrwdbrcnben 
Slafe haben im ©arten. Stau nimmt bie äBurgel 
tut .©erbft nicht auf, fonbern (dpt fie ftchcit; fte 
braucht eine etwaS erhöhte Sage, guten reichen 
uitb lodern ©raub, unb nie barf auf biefe ®artcn= 
beete getreten ober heritmgelaufen werben. Oie 
ührigen ©artcnbccte fottteit im ©erbft gut gebangt 
werben. Stau grabt ben Dünger ein unb mit bem 
{Rechen unb ©paten macht man bie Seeteein wenig 
in Orbnung, bamit ber ©arten nicht fo unanfehn= 
lieh auSfehe. 

(Braue »ohnnt einguntadjeii. ®ie Söhnen ntüf= 
feit iitng unb gart fein, werben bann abgewafchen, 
abgezogen unb gefdmitten unb roh eingefalzeu unb 
bchaubelt wie ©auerfraut. Qie ©cfdfic muffen 
äufterit rein gehalten werben. Stau nimmt zu einem 
Sinter Pott grüner Söhnen eine ©attboott Sah, 
ftoftt bie Söhnen feft in ben Topf ober Saft unb 


fülle nie ben Topf gu oott, ba bie Sohlten beftän= 
big unter ber Srübe gehalten werben muffen, fonft 
oerberben fte. (Dann bebede matt biefelbeit mit einem 
reinen weiften Tuch uitb einem runbcnSvett unb be= 
fchwere biefeS mit einem fchweren Stein. Stau rnuft 
oon Beit gu Beit nachfchaneu, Tuch, Svett unbStein 
rein abwafafen uitb follte bie Srübe gu fehr eittge= 
trodnet fein, fo rnuft man bie Söhnen wieber mit 
etwa3 JBaffer hebedett ober mit gelöstem ©algpöfel 
nad)gie6ett. 

©auerfraut. SJait nimmt gu einem Sinter fetit- 
geidmittcueS SBeiftfraut, eine Heine ©anbooü ©alg, 
»erfährt genau wie beim Siuutacbeu ber Söhnen, 
mtr rnuft matt eS eine Beitlang oben ftehen laffen 
in ber SBänue, bis eS gut burchfduert ift; cd erhält 
baburch einen oiel belfern ©efebmad. So muftims 
liier rein gehalten unb mit Srühe bd)etft fctiu 3« 
ffiintcr [teilt man eS in beu ffeller. 

®ie mau ©auerfraut fod}t. S?att nimmt eine 
eiferne Sfaitnc, thuteiucngrofteußöffelpollSdmtalg 
hinein unb ein Ouart ©auerfraut, läftt eS eine 
©titube langfam lochen unb gieftt fortwälnenb ein 
wenig focbeubeS SBaffer nach, bamit eo nirf>t an- 
hreitne. T)ann tbue man eS auS ber Sfaititc, 
nehme einen aitbent Söffcl Pott ©chmalg, einen 
Theelöffel oott S?ehl nnb rühre eS, wdhrenb Oie 
Sfaitue heift wirb, hinein. DaS ftraut wirb wieber 
in bieSfannc gethan, beftdnbig umgerühvt nnb zu* 
lebt wirb eilte rohgeriebene Kartoffel hinein gerührt. 
Stau taffe baS ©ange noch gehn Stiuuten fochen 
unb eS ift fertig gum ©ebrauch. 

@iue aubrre SBrife ©auerfraut gu fodjru. Stau 

nimmt ein Stüd frifdieS ©chwetnefleifih unb gwei 
Quart ©auerfraut, inan läftt e$ (angfain gipet 
©tuitbcnlang fochen, giebt Sicht, baft ^ nicht an¬ 
brennt. Um biefeS gu ocrhütcu, aieftt mau, fo oft 
bie Srühe ftd) Perfocht, ein wenig focpeubcS SBaffcr 
iit ben Topf* 

ftartoffelmug. B« obigem ©ericht paftt ffar= 
toffelmuS. Statt focht Kartoffeln mit fflaffer 
unb ©alg. Sachbem fte u>cich gefocht ftnb, werben 
fte abgegoffett unb fein geftampft; bann nimmt man 
einen großen Söflfel poll Sutter, etwaö füftc Stilch 
ober focbettbeS UBafter, rührt bie Kartoffeln gut 
burcheittauber unb fteht, ob fte recht gcfalzcit ftnb. 
®aitn thut man bie Kartoffeln in eine hetfte ©diüf- 
fel unb fantt nach Selieben in Sutter braun gebra¬ 
tene Bwiebeln ober feitigcftofteiten, in Sutter gelb 
geröfteten B^icbad ober mit fein gewürfeltem, gelb 
gebratenem ©ped bid bcftrichen, beifügen. 

Xtt Keller. T)ie ©ochfluth tut Icfcteit Srühiahr 
follte öfter nufere Slufmerffamfeit auf bie Keller 
lenfen. SichtS fehabet ber ©efunbheit mehr alo ein 
ttafter unb feuchter Kettet. 2Ba8 immer im KcUcr 
aufbewahrt wirb, SBiiiter ober ©ommer, eS fotttc 
ein iebeS barnach fchauett, baft nichts ffierfaulteS ober 
ScrborbeitcS im Keller ftehen ober liegen bleibt, 
weil baburch Sieber uitb anitedenbe Kraufhcitcn 
entftcheu. T)anu haben mandie Beute bie ®cuwhn- 
heit, alteS ©olg unb atterlei Stumpelgeug, baS fte 
faft nie gebrauchen, im Keller aufgitbewahren. SS 
werben biefe unnöthigen Sachen fchimmlidj unb 


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Chronik ber Äegenroört 


559 


oerbreiten einen fcbledjten ©erucb. Dtefc oevbor* nimmt oierTheile groben Äieg, ein Tbeif.ßalf uub 
Bene 8uft mirb oon ben ©emohueritbeg $aufeg ein- ein Theil Gement. Sieg unb Gement nrirb troCfeu 
aeatbmet. Sin nutet Seiler fotlte im Sommer buvdieiuanoer gemengt uub 6 big 8 3oll tief auf ben 
fühl unb frifcb fein unb int ©Sinter marin genug, SellerboDen auSgchrcitet. Der Salt mirb mit JBaf» 
um bie Sachen au fchüfeeit oov ftroft unb Sdlte. fer angemacht unb eine ebene Schiebt oon bieiem 
Detfelbe füllte teben Dan gelüftet merben unb wirb über ben Sieg unb Seinent geleqt, barnacb Idßt 
Durchtug Baben, eg fei benn eg itt 3U falt. Sinb man ben ©oben tro(fiten. Dann nimmt man eine 
bie ffellermdnbe feucht, fo mache man ©Jörtel oon ameite 8ape, Beftehenb aug einem Theil Gementunb 
hydraulic Gement unb beftreiche bie äßduoe bamit. amei Theilett Sanb. Gg mirb mieber recht eben ge» 
ferner fann au(b ein fefter unb bauerhafter Seiler» uiaAt unb mit abgelöfchtem Salf feft gefefct uub 
hoben oon biefern Sement gemacht merDeiu ©tan Barnacb getroduet. 

-- 

tfhtottiH btt töeaenttiart. 


Wonofiol ober Cetitraüflnmg ber »egirntttg*- 
Bemalt? Diejenigen Seute, melcbe ben uBunb fo 
meit auftbun gegen bie Sentralifation in unferer 
©intbegregierung, oergeffen gemöhnlicb, baf in ben 
©er. Staaten Gentralfrdfte malten, bie taiifenbmal 
fchlimmer finb alg eine ftarfe, centralifirte ©uitbeg» 
{Regierung, ndmlidj — bie ©tonopole. 

Die Gifenbahucn», bie Telegraphen» unb biele 
anbeve Gompagnien finb ©tonopole, toeldte in ficb 
nicht allein ungebcuteg Kapital, fonbernauch unge¬ 
heuren politischen Gütfluß unb qefettfcbaftlicbe SKacht 
conaentrirt Baben unb eg eittaig unb allein auf bie 
Bereicherung unb ©iachtftellung Ginaelner abfehen. 

Dicfc Monopole finb bie eigentlich gefährlichen 
Gentralfrdfte, unb miß man ihnen an 8eibe gehen, 
fo reichen baau bie ©taebtbefugniffe ber einzelnen 
Staaten—unb menn fie noch fo fehr ermeitert mür» 
ben — nicht aug. Giner großen Gifenbahngefell» 
fchaft, beren Scbienenftrduge burch ein halbem Du- 
feeitb Staaten gehen, ober einem Telegrapheitfoftem, 
bag feine Drahte über ben ganaen Kontinent ge» 
fpannt hat, ift mit bem ©efefcbucbe ciiteg etnaelnen 
Staateg boch nicht beiaufommen. Sofien bähet 
biefe ©tonopole unter bie Kontrolle beg Sogenannten 
Staates—mir haben hier ja eigentlich leinen Staat 
im europdifcheu Sinne—geftellt toerbett, fo Idßt ficb 
bag nicht burch bie ©efebgebungen oon fo unb fo 
otelen cinaelnen ©emeinmelen bemerfftelligen, fon» 
bettt einaig unb allein burch bie ©efefcgebung ber 
Union, b. b. burch ben Gongreß bet ©er. Staaten, 
Dem in ben ©dnben Sinaelner centralifirten ©2o= 
nopol mug eine frdftige®efebge6ung unb einefraf* 
tige Ssefutioe entgegengeftellt merben, biefe beiben 
©emalten aber riehen ihre Sraft hoch nur aug einer 
ftarfen Sentralifation. 

Dag finb einfache Wahrheiten, bie amh ber ein» 
fachfte ©erftanb begreifen muß. Gg fann a. ©. 
bem fchdblichen Ginftuß beg Telegraphen * ©tono» 
polg, beffen Stdrfe fich erft fürtlich mieber Bei bem 
Strife ber TelegrapheuBeamten geaeigt hat, nurba» 
burch nachhaltig entgegengemirft merben, baß bag 
bittet bie fcibftgemählte {Regierung oertretene S3o(f 
feine eigenen Tclegraphenltnien errichtet. Dag 
Telegraphtren foftet lebt hier in 9(merifa biennal 
fo oiel mie in anberen cioilifirten Cdnbern. Wir 
aahlen für bie einfache Depefdje oon nur gehn Wor» 
ten 25 Cents für 100 engUfcbe ©teilen, 40 GentS für 


500 ©teilen unb einen Dollar für meiterc Sutfer» 
nungeit. 3n Deutfchlanb foftet eine Depejchc oon 
amaitaig Worten auf eine Sntfernung oon 120 
englifcBcn ©teilen 12 Sentg. Durch gana Italien 
fann man eine Depefche oon fünfaehu SBorten für 
19 Sentg fehiefen. ©elgien unb bie Schmeia nehmen 
für 20 SGBorte 9 Sentg, felbft in Snglanb, bag fehr 
jpdt erft sum fRegieruiigotelearaphen üBergegangen 
ift, fann man fefet für 12 Sentg burch bag ganae 
8anb telegraphireu. 9?ur mir hier in Stmerifa 
müffeu bag ©icrfachc aahlen, bamit bie großen 
3Ronopo!e acht uub mehr ©roaent Dioibcnbe auf 
ein fünf unb Sechsfach oenodfferteg Kapital aahlen 
fönnen. Dem Unfug muß eht Snbe gemacht mer* 
ben unbimar auf bem SBege, baß ber ©unb feine 
eigenen Telegvaphenlinien evrid)tet, auf bie ©jfjht 
hin, baß bahei ein meuig centralifirt mirb. ©io^ 
nopol ober Gen tra Ire gier una, uoifchen bie^ 
feit Beiben hat bag amerifanifche ©olf gu mdhleu 
unb in ben fünftigen polittfeheu Äduipfen merben 
biefe Sefmigen oben anftehen. 

echte atnerifaitifche 2ueÄ« Sinige ©ottiu^ 
ger ©aufftmpel fauten füralich, mie ein Sorrefpon* 
beut ber „Güte. Sommercial ©a.aette^ berichtete, fehr 
übel an. Sie gingen burch bie Straßen unb ehi 
amerifaitifdier Stubent fdmitt an ihneu oorüBer. 
Da biefer jju feinem Sorpg gehörte, fo glaubte bag 
Trio, ihn emfchüchtern au fönnen, unb einer berfet 
Ben trat auf ben ftmerifauer au unb Bemerfte f ber» 
fclbe habe thn geftoßen unb er oevlange Sattgfaf» 
tion. Der Stmerifaner faate höflich, baß eS thm 
leib tbue, menn er in ber ßfle einen ©affanten Be» 
rührt, unb entfchulbigte fich; jefet fauten aber alle 
brei unb oetlattateit in roher, ftümttfcher SBeife ©e» 
ntiathtttutg. Der Stmerifaner oerlor fein ©iort 
mehr an bie butnmen fonbern marf feinen 

fRocf oon fid) unb im ©u mdlate fich ber größte mit 
braun unb blau gefchlageitem ©efid)t in ber ©offe# 
batttt mürben bie anberen oerforgt, ieber erhielt nach 
©eraengluft „Satigfaftion" umrauf ber „JBeftem 
©oo" feinen 9ioCt aitaoq unb feine SBege ging. ®g 
ift feitbom feinem eingefallen, itod) mehr Sattgfaf» 
tion oon thm ait perlangen. — Dag Ift bag echte 
amerifanifche Duell, unb menn man biefeg brüben 
heimifch mähen moute, anftatt beg albernen 3Rdn* 
telchcng für ben SelBftmorb, fo mürbe man wenig» 


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560 


Cljroiiih her ©egemtmrf. 


ftenS biefc^ Öaitb nicht blamlreit, iitbem man eS für 
eine Sache ueranwortlidj macht, bic eS niemals ge? 
fannt bat. 

lieber bie ©riiutoe, tocMjc bie gatttmg beö 
Vajifleb geaen bie Jiretijfifdie Regierung bcftiinmeu 
ober beetimuffen, bringt bie „Köln. ^tg." fein* auS? 
führltche, oon glauhwütbiger ©eite ftamntenbe 
NJittheilungeu. Nach Boranfchirfung einer fcurcö 
Sbatfacben belegten Gbaraftcriitif beS BapfteS wirb, 
baran erinnert, ba§ futa oor beginn beS Gonclaoe 
ober wdhrenb beffelben awifchett bem Bapft mtb ben 
iejuitiKben NJitgliebern beS ©eiligen GotlegimnS ein 
Abfommen aetroffen würbe, welches ihm für ben 
Sali feiner ffiahl petfehiebene Scrpftidjtungen auf? 
erlegte. Sßelchet Art biefe Bevpffühtimgcn waren, 
läßt ftcb barauS entnebmen, bajj alSbalb nach ber 
Sbroubefteiguug Seo’S Xlli. bie einzelnen Gongre? 
gationen an einem Anfehen gelangten, welches ihnen 
unter BiuS IX. perfagt war; ber Nachfolger beffcl? 
ben wollte nur im Ginperftdnbnl§ mit ben Garbi? 
ndlett regieren. N2ait nimmt an, bafj bie 3eiuiten 
eS fo pon ihm geforbert batten, weil fie auf folcbe 
äßeife ibn am ücberiteu beaufsichtigen unb leiten 
tonnten. Dafj ßco ftcb biefem unterwarf, 

mujjte bei ber betanuten ©elbttftdnbigfeit feines 
GharaftevS um fo auffattenber erscheinen. Die 
Neigung aum 'IBiberftanb gegen bie Beponmmbung 
ber 3cfuiten blieb beim auch nicht auS, unb einer 
folchcn Anwaitblung perbanft bie Annäherung an 
bie prcuftifche Negierung ihren Urtyrung. AIS ber 
GarbinalftaatMecretdr grauebi fid) tm Ginperftäub? 
ni§ tnii beut Bapft entichlojj, aur ©cvftellung beS 
SviebeitS mit Breu&cll nicht unerhebliche Bugeitdnb? 
niffe au machen, würbe bem Garbinal 8#ochow3fi 
pon ben Unpcrfobnlicben ber Auftrag, bem Staate 
fecretär bie Öefdhrlicbfeit ber neuen pdpftliiheu Bo? 
iitif auScinanbcraufcfeen. Die Unterhaltung ber 
beiben Äirchcnfünten fanb Nlitte 3uli 1878 ftatt 
unb joll au leibenfcbaftlicben AuSeinanberfefeungcit 
geführt haben. Der ©taatSfecretär blieb aber feft 
auf feiner oerfohnlidjen fialtuug beftehen. JBeitigc 
Sage fpdter war in ber $nrcbe ©. ÜRaria in Gam? 
pitelli baS 5eft, bei ipeldjem Gatbinal Staitchi er? 
franfte unb ftarb. ©elueS äÄitarbeiterS beraubt, 
belichtete 8eo XIII. aundchft auf ein felbftftdnbigeS 
Borgehcu in ber preufeifeben 5?ird)enfrage unb fegte 
eine eigene GarbtnalScommiffion für biefelbe ein. 
SBäbrehb ber wiener Besprechung machte ber Bapft 
inbefe einen neuen Berfuch; bie prcufnfdje Angele« 
genbeit au Torbern bureb Grlafi beS Breoe Pont 24. 
Sebtuar 1880 an Grabifdjof NielcherS. DiefeS 
Srcpe batte ber GarbinalScommiffion nicht pevgele? 
gen. Der bamalige Nuntius 3acobiiti übergab 
baffelbe am 1. N?dra bem Btinaen Neufi, unb Pier 
fflocheit fpdter erfldrte ber NuntiuS auf ©tunb einer 
pon Nom erhaltenen 23eifung, baS Breoe Kirne 
nicht eher in Botlaug gefegt werben, alS biS bie 
prcußifchc Negierung eine lange Neihe Pon Borfra? 
gen bejahenb beantwortet habe. Diese Anorbnung 
führte aum Abbruch ber Bcrhanbltingcn. Dasselbe 
Schidfal batte ber ©ebanfe beS BapftcS, bie Auer« 
fennung ber Anaeiacpflicbt Porldufig auf bie gegen« 
todrtig erlcbigten SJüfarrcien au befebrduten unb auf 


bieferSrttnblage au einet tbeilweifcuSSerftdubigung 
au gelangen. Jfm Saufe beS 3anuar 1883 wurbe 
ber $aptf genöthigt, bieieit 33orfa)lag berGarbinal$« 
commiffion aur ^erathung au übergeben. 
Grgebuig berjelben war bie Note SJacobini’S bom 
19. Januar, bereu Raffung ben 5}orfd)lag be3^?ap- 
fte3 für bie pre.uBifcbe Negierung unannehmbar 
machte. „G3 fragt fiel) al)o/ fügt ber ©cwähr-o' 
mann ber „ftöln. i}tg. w hinan, „mit wem e3 bie 
Negierungen tut Satitan au tbun haben, werbort 
bao legte.23ort au fpred)eit hat, ber fßapft ober bie 
3ejuiteu." 

®tfinne r Uehrtfrhttteittmttitgeit mtb Aatnrerrig« 
niffe aller Art haben feit 9Kenfd)engebcufeu feine 
folcbe ©ewalt entfaltet unb feinen folchcn Schaben 
eingerichtet, wie au unterer „Seit, ffaum haben lieh 
bie am Ohio burd) bie 3luth bejehdtigten Ortfchaf« 
ten wicbcr etwaS erholt, fo timt Pon ü)?innefota ein 
©ebreefruf, wo ein drittel ber fchöneit Stabt Nocfic^ 
fter bureb einen Sturm aerftört wurbe unb beinahe 
100 SDieitfcben uin3 ficben famen. 

®ie Amerifaner ertragen e$ nicht mehr, ba§ eure* 
pdifchc 6)cfe(lichaften ben 'öerfebr awifcbeu ber alten 
unb neuen ’Jöclt auefrfdteßüch Permitteln. Sie 
wollen iefet and) in bie Schranfen treten unb natür* 
lid> bie floufurveuten — Pieüeüht auf Aiofteu ecr 
Sicherheit — jutn weuigften in bejug auf Schuelligs 
feit auöftecheu. 3n fünf biö hdchften^ icch3 Sagen 
nach Guropa! So lautet ihr Sdbgejcbret. jgie 
foll ba3 Problem geloft werben? hierüber gehen bie 
Anfichtcn au3einanber. ®er eine Unternehmer, 
Äapitdu Sunbborg, baut jegt einen Dampfer, 
welcher poit ben bisherigen gana abweirf)t. Der? 
felbe ift gana flachr jtnft bemnacb wenig ein, unb 
foll mehr über bie 2Bellen bahingleiten, wdhrenb 
man fonft beftrebt ift, bie ^luthen mit einer febarfen 
®ug au fpalten. DaS Sd)ifferhalt awei Sdirauben, 
bie hittter bemSteuenuber angeorbnetfinb, unbba? 
her in aiemlich ruhigem 23af|er arbeiten, unb Pier 
NJafcbineu pon sufammen 18,000 Bferbefraft! 
Na um bietet baö Sdaiff für 1600$affagicre mtb 3000 
Sonnen Stacht. GS ift 450 Su& lang unb 66 breit, 
©anj anberS ber New ®ovfcr Blipen. Diefer 
ScbilfSbauer bleibt bet ber hergebradjtcn Schiffs? 
form unb will bie ©efdjwiubigfeit bureb bie fchlan? 
rere ©eftalt feiiteS SahractigcS, ben SBegfall ber 
N?aftcu, welche nur aufbaltcn folleit, unb eine im 
Serbdltuifj noch mdcbtigereSRafcbineeraiclen. ©ein 
Dampfer „NJeteor" ift nur 16 2rn§ breit bei einer 
fidnge Poit 156 Su§, unb mit einer SRafchine poit 
1000 Bferbefraft perfcbeit, weld)e ber Schraube bie 
unerhörte ©efebwinbigfeit Pon 360 Umbrchungen 
in ber ÜRinute, 6 in ber ©efunbe pcrleibcn foll! 
Sonft gelten 90 Umbrchungen für fchr anftdttbig. 
Beibe Unternehmer pcrfprcdicn eine Schnelligfcit 
pon 33—34 Kilometern in ber ©tunbe. DaS ift 
freilich erft baS Sempo ber Gilgütevaüge; au beben? 
fen ift aber, ba§ eiitfolcbcr Oaeaitbampfcr nirgcnbS 
bdlt, unb infolge beffcu.tbatidchlid) mit einem $|}er? 
fonenaug wetteifern fann. ÖJir finb neugierig, 
ob Sunbborg unb SÖUpen halten werben, waS iic 
perfpreeben. 


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fliuiflra r w y inu ui j um gütig. — «tienotp, uw. 
41 


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um tjuben mir cd 


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(Sin illujtrirtes Jamilienblatt. 


gffter jüanb. November 1883. Elftes $eft. 


•Mcjum $utl)et-§ubüaum. *«• 



Cfbitor. 


u<b tnir feiern bon ^erjen ben 
400 * jährigen ©eburtStag bee 
großen WartinuS, unb wer eS 
webten will, bet wirb brao aus» 
gelabt. 5 ttf) bin proteftantifcber 
Gbrift unb ein beutfdjer Wann, 
be§bnlb trete i<b in ben fjeftreifien ein unb rufe: 
©elobt fei ©ott, bafe bie ©efcbicbte einen Suttjer, 
«ine ^Reformation Jennt. Sann man auch nicht 
jeben ©ab unter» 
jeidbnen, ben Tr. 

W a r t i n u S ge» 
f«brieben, unb bot 
er auch als S'iub 
feiner 3eit man» 

<j&e mittelalterliche 
©cbladfe nicht ab» 
ftreifen tonnen, fo 
ift Tr. Wartin 
SJutber bocb eine 
beutfcb» «briftlicbe 
£elbengeftalt, wie 
bie ©efcbicbte teine 
anbere Jennt; fo 
ift feine Sebeu» 
tuitg bocb fo groß, 
baß biefelbe oon 
allen ©eiten unb 
$u aller on» 
erfannt wirb, unb 
ift er als beutfdber 
Wann bem «an* 

3 «n beutfcben Sol! 
burcb bie ©nabe 
©otteS fo oiel ge» 
worben, baß ihn 
bieS Sol! nicht fo 
fibneß bergeffen 
wirb. 

Um in edjter 
gfeftfreube mitju« 
feiern, baju be« aut^runb$rauUrtuia 


! barf es feiner £utber»9tnbeterei. Tie bat ber 
große ^Reformator felbft gar febr berabfebeut, 
i unb eS märe miinfcbenSmertb, wenn gemiffe mit 
gor fleineti ©reichen unb großen Wäulcben auS» 
! geftattete (Siferer manche ber betreffenben Sraft» 
ftellen in SutberS ©ebriften ouSwenbig lernten, 

! wie 3 . S. bie, in welcher er fagt: „Siel finb 
j ihrer, bie um meinetwillen glauben, aber jene 
I finb allein bie reebtfebaffenen, bie bariit bleiben, 

ob fie auch höre» 
teil, baß i<b eS 
felbft wiberriefe 
unb abtrete. TaS 
finb bie, bie nichts 
barnacb fragen, 
wie SöfeS, ©räu« 
liebes unb©<bänb« 
liebes fie hören 
con mir ober Don 
ben Unfern. Tenn 
fit glauben nicht 
an ben Cutber, 
fonbern an Gbri» 
ftuni felbft. TaS 
2 l'ort bot fie, unb 
fie hoben bas 
Söort: ben Sutber 
laffen fie fahren, 
er fei ein Sub’ 
ober heilig, ©ott 
taun fowobl burcb 
Salaam als 3e« 
foiam, burcb Sai» 
hbont als burcb 
Setrum, ja burcb 
einen 6 fel leben." 

Glicht wahr, baS 
beißt febr fräftig 
gefproebeu ? aber 
echt euangelifcb ift 
eS auch, unb bar» 
smta. - #i|tn«4, 1498 , um hoben wir es 


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56 Z 


Jum #utl)rr*3ul)U3um. 



£utycv im 14. 3a$re. — Staubbilb $u ötfenac§. 


bergefefet, Wie wir bentt überhaupt in bem Sri» 
genben ben $oftor Sutberum meiftenS felbft 
reben lajfcn woflen. 

2Bir haben nicht im ©inne, eine gelehrte 9lb« 


hanblung über ßutherS SBebeutung, übet bie 
folgen ber ^Reformation unb unfere barauS ent« 
fpriiigenben Pflichten ju liefern. 6§ ift ja ein 
©eburtstagsfeft, baS wir feiern, unb ba wollen 


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jturn |utl)tr°Dubiläum. 


563 



2*i$er in $cm. 1512, 


mir womöglich ein 2ebenS- unb (S^aroJterbilb 
beS ©haften unb beS ©olfSmanneS für'S ©olf 
entwerfen, unb wo immer tljunlich, ibn f eIbft 
reben lajfen. 

©eine befannte 2ebenSgefcbichte berühren wir 
nur in ihren £>aut>tmomenten, unb flehen fo- 
bann j(ur ©barafterfthilberung über, fo wie fleh 
biefelbe ans 2utherS eifleneit ©Triften unb 9luS= 
faßen erfliebt. 

2lm iO. ©obember 1483 würbe bem ©erg- 
mann &anS 2uther, wohnhaft stt ©töhra im 
SLbüriitger 2anbe, ein ©öbndjen befchert, mäh« 
renb er mit ferner (Shefrau auf ben ©tarft nach 
©isleben flereijt mar, bas am folflenben, bem 
©tartinStag, fletauft mürbe unb ben tarnen 
3J?artin erhielt. @(hli(ht unb recht würbe ber 
kleine ju ©lansfelb, wo bie ©Item fich halb 
nach ©tartinS ©eburt nieberließen, erjogen. 
©iel 3ueferbrot hofs nicht flefleben, unb bie 
fRuthe mar, wenn nötbifl, auch nicht müßig. 
2uther felbft faflt: „©teilt ©ater fiäupte mid) 
einmal fo fehr, baß ich ihn floh unb warb ihm 
flram, bis er mich mieber ju fich gewöhnte. SDie 


©lütter fiäupte mich einmal um einer geringen 
©ttf} willen, baß ba§ ©lut barnach flofe." 

3n ber ©chule, wo ©lartin fleißig lernte. 
Warb er ebenfalls nicht bermöhnt. 3fn ©ifencnb, 
wo er bie lateinifctje ©chule befuchte, ging e§ bem 
Knaben tümmerlich unb er mußte. Wie fo manch 
anberer, um fein ©rot fingen, ober wie er felbft 
faflt — „panem propter deum (©rot um ©ot- 
•teS willen) fchreien." „©erachte mir feiner," 
faflte 2utber fpciter einmal, „bie ©efeHen, bie 
ttor ber 2bür ben ©rotreiflen fingen, ©in auch 
fotch ©artefen=£)engft flewefen unb nun bahin 
fommen, baß ich nicht wollte mit bem tiirüfdjen 
ffaifer taufchen." ®ie fromme Urfttla ©otta 
nahm ihn enblich in ihr $auS auf, unb jeßt 
hatte eS ©tartinus flut. 

Slnno 1501 fanbten ihn bie ©Item nach Er¬ 
furt, wo er bie SRecbtSgelehrfamfeit ftubiren 
foDte. fleißig wie immer, befieht er fich einmal 
auf ber ©ibliotbef bie ©üdjer, unb fommt ba 
über eine tateinifdje Sibel, bie er borßer nie ge¬ 
feiten. 2)ie bietet ©peife für fein hungrig ^erj, 
unb er lieft fie bon Anfang ju ©nbe burch, ber- 


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564 


Jum #utljer=,3ubil8um. 



grunWbcrg unb Sutfcr. — 9tctc$*tag in ©ormS, 17. Styril 1521. 


fäumt aber feine ©tubien.nidjt, unb wirb fdjon 
1505 ©iagifter bet freien fünfte, alfo im 
22. CebenSjabre. Sine ftraufbeit bringt ibn 
auf anbere ©ebanfen. ©iit ber ^urifterei roiü’S 
Con ba an nicfet mehr oorwärtS, unb er gebt in§ 
Sluguftinertlofter ju Srfurt, wo er |id) mit 
ftrenger grömmigteit bie ©eiigfeit ju oerbienen 
geöaditc. ®a muhte ficb nun ber ©ruber ©iar* 


tinuS „hart aber »ergeblidj ab, ein febenbiger 
heiliger ju werben," obwohl er neben bem 
stlofterbienft auch fleißig in ber ©ibel la§. 9tu<b 
ba§ Sßittenberger fit oft er, wobin ibn $r. ©tau« 
biß, nadjbcni ©r. SWartinuS bie ©riefterweibe 
empfangen, braute, „tbat ibm fein gut." 9todj 
Weniger bie Steife nad) Stom, bie er in CrbenS* 
angeiegenbeiten unternahm. Unb bod) biente 


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$um futljrr=3ubiläuin. 


565 



biefe Deife bagu, baS e^rtict)e $erg gur ©ntfdjei« 
bung gu bringen. @S warb ißm guoiel; «nb 
unter ad beut Sieffelefen unb firc^tidjen großn« 
bienjt rief if)in eine innere Stimme fortroährenb 
gu: „Der ©eredjte toirb feineg ©tauben» le6en." 
Dies ©ort warb fortan ber ©ahlfprucß feineg 
fiebenS, unb groeifelnb an Dom, feljrte er oon 
bort tjeim. Die Doftorroürbe, mit meldjer mau 
ißn beehrte, hob biefen 3 rof 'fei nicht, unb atg 
Anno 1517 ber 2eßel ing fianb tarn unb feine 
Ablaßgettel oertaufte, ba tonnte fich fiuther, ber 
in ©ittenberg Stabtpfarrer ae- 
toorben unb in hohem Anfepen 
ftanb, nicht mehr hotten. 3uerji 
begann er gegen baS Ablaßmefen 
„fäuberlidj gu prebigen," unb alg 
baS nichts half» entfdhloß fich 
fiuther, „in bie große Saute ein 
fiod) gu machen." 

Dun mürbe ber Reformator 
fchnetl oon einem Schritt gum 
anbern gegrouttgen, unb ohne 
baß er es anfänglich gemoflt 
hätte, enbtich genöttjigt, ben 
Sruch mit Dom gu ooügieljen. 

Am 31. Ottober 1517 fchtug 
er bie berühmten 95 Säße 
an ber Scßloßfirche gu ©itten« 
berg an; im April 1518 Der« 
theibigte er biefelbcn gu fjeibel« 
berg tn einer Disputation; im 
Ottober bejfetben Jahres oer« 
focht er bie Sache beS ©oange- 
IiumS oor bem päpftlichen 91b» 
aefanbten .ff a je tan gu Augsburg. 

3m 3ahre 1519 dielt er bie 
Disputation mit ©cf in Seipgig. 

Darauf folgte bie päpftliche 
Sannbutle, bie Sutper am 10. 

Degember 1520 oor bem ©tfter» 
thor in ©ittenberg oerbrannte, 
unb baS 3ohr barauf oor Sfaifer 
unb Deich (April 1521) für ben 
eoangelifdjen (Stauben ein folcp 
mächtig 3 e ugniß abtegte, baß 
ber DeicpStag gu ©ormS oon Sielen als ber 
(Geburtstag ber eoangelifchen Itirche DeutfchlanbS 
betrachtet roirb. 

^ebenfalls mar jeßt ber Sruch oerfiegelt. Siele 
dürften, (Grafen unb Herren, ©eiehrte bon 
hohem Stuf unb ^»unberttaufenbe aus bem Solt 
roaren Anhänger ber Deformation geroorben. 
Stuf feinem SatmoS, ber ©artburg, arbeitete 
fiuther ein 3apr lang an ber Ueberfeßung beS 
Deuen DeftamenteS unb anbern Schriften, oer« 
heirathete fich 1525 mit Katharina oon Sora unb 
mirfte bis gu feinem feligen ©nbe (18. fjeb. 1546) 
unermüblich unb mithilfe oieler Stitnrbeiter für 
Ausbreitung unb Sefejtigung ber Deformation. 


I.- 

fragen mir nun, maS ber ©runbton biefeS 
reifen, folgenfcproeren fiebenS geroefen, fo lau« 
tet bie Antwort: „DichtS anbereS, als f e u r i« 
ger, unerfchütter lieber © lau benS« 
m ut h" 

3eneS gefchichttich benfmürbige ©ort, baS ber 
Deformator bem Deichstag gu ©ormS gurief: 
„f>ier ftt'he ich, i<h fattn nicht anberS, ©ott helfe 
mir, Amen!" begegnet bie £auptcparatteriftif 


auf ber ©arthm*. — 1W1—15W. 

feines ©efcnS. Das, mornit fiuther ben ©lauben 
bezeichnet, baß berfelbe nichts anbereS, benn „bie 
©ahrheit im bergen fei, baS ift, baß bas £>erg Oon 
©ott nicht anberS benft noch hält, benn roie in ber 
©afjrbeit nach feinem ©orte gu benten unb gu 
halten ifh" baS hat biefer ©otteSmann in feinem 
gangen fieben befräftigt. Durch ben ©lauben 
in (fbrifto feft gemurgelt unb gegrünbet, mar 
Dr. fiuther oon einem nnerfcbütterlidjen ©ott» 
oertrauen befeelt, baS nid>t roenig gum ©rfolg 
ber Deformation beitrug, unb ihn in ben ichroie« 
rigften fingen ben richtigen ©eg treffen ließ. 

AIS man g. S. Sebenten auSfprad), ob er auch 
in Augsburg fidjer fein toerbe, roohin er gut 


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566 


$um futher=>3ubiläum. 



33erantmortung Dor Kajetan gerufen mürbe, 
antroortete er: „SEBaS tann ich Derlieren? «IRein 
4?auS ift befteöt; eS ift nocf) übrig ber fchmache 
unb gebrechliche Seih; nehmen fie biefen,.fo roer= 
ben fie mich etma um groei ober eine SebenSftunbe 
ärmer machen; bie ©eele aber merben fie mir 
nicht nehmen. «Dtit bem SEobe ift bas (Soonge- 
Iium erlauft, mit bem SEobe ift eS geprebigt, 
burcp ben SEob ift es befiegelt morben, burch ben 
Üob muff eS auch erhalten merben." 


2ut$er tritt in ben «$eftonb. 18. Suni 1525. 

6he er nach SBormS ging, mornten Diele feiner 
tfreunbe. 6t aber fpradj: „2Benn ich berufen 
merbe, fo miü ich, fo Diel an mir ift mich eher 
!rant hinführen taffen, falls ich nicht gefunb tom« 
men fönnte; moüen fie bie «Sache mit ©emalt 
hanbeln, fo ift fie ©ott befohlen. SDer lebet unb 
herrfdjt noch, ber bie brei fölänner im feurigen 
Ofen erholten. SCßiD er mich ober nicht erholten, 
fo ift’S um meinen ffopf eine gor fdjlechte ©a<he." 
SBieberum fprach er: „2öenn fie gleich ein ffeuer 
mochten groifdjen SBormS unb SBittenberg bis 


on ben £>immel hinan, fo miü ich bodj, meil ich 
geforbert bin, bem SBehemotb in fein SRaul groi- 
fcheit bie großen Sühne treten, ©htiftum beten* 
nen unb benfelben malten loffen." 

2)nS ift ber Wann, ber aus berfelben Duelle 
herouS fein unfterblicb „©ott helfe mir" Dor 
ffoifer unb (Reich fpredjen tonnte. 

«Rachbem er ein Sohr auf ber Sönrtburg gu» 
gebraut unb bie ©chroarmgeifter Unglüd onge« 
richtet, tritt er mit bemfelben «Dhitlje aus feiner 
fieberen Surg berbor, inbem er 
an feinen ffurfiirften fchreibt: 
„9luS Siebe gu 6urer ff urf iirftl. 
©noben höbe ich biefcS Sohr 
mich einfdjliehen (offen: ouS 
«Roth ober beS eigenen ©emif- 
fenS, bo bei längerer «Rachgie» 
bigfeit boS ©Dangelium ernie* 
brigt mirb unb ber Teufel ben 
spiafc einnimmt, rno ich ihm 
länger auch nur eine $anb 
breit meiepe, muh ich ein onbe« 
res bagu thun unb menii’S neun 
SEage eitel $ergog ©eorgen reg¬ 
nete." (£ergog ©eorg Don 
©adpfen mor Sutper’S erbittet- 
ter fjeinb.) 

©ott gmingt unb ruft," fogt 
er, „unb bie Urfache bringt; 
eS mu$ unb mid olfo fein: fo 
fei eS olfo im «Romen 3efu 
©hrifti, beS &errn über Sehen 
unb Job." 

II. 

Obmobl ober biefe Sofung 
beS unerfchütterlichften ©lau« 
benSmutheS fein ganges Sehen 
leitet, fo ift berfelbe bodh ouep in 
2)r. «ÖtortinuS mit tiublidhet 
Oemuth gepaart gemefen. 

©o unDermüftlich er auch on 
ber Don ihm erfonnteu SBobr- 
heit oft bis gum SEtofc fefthielt, 
fo Kein unb beniütpig tonnte 
er Dor ©ott fein. „3<h beborf 
eS oft mobl." fdhreibt er einmal, 
„bah ein ffinb mit mir rebet. 
Solches gefdhieht barum, auf bah mir uns nicht 
rühmen tonnen, als mären mir feibft mächtig 
genug, uns gu helfen unb gu beftefjen, fonbern 
bah bie ffraft €|rifti in uns gerühmt unb ge- 
priefen merbe. Storum muh weit oft einet hel¬ 
fen, ber im gangen Seihe nicht fo Diel Sheoloaiam 
hot, als ich in einem Ringer höbe, auf baff ich 
lerne, bah ich ohne ©htiftum nichts Dermöge." 

©elbft bem ißapft gegenüber tonnte erjumei« 
len fein beinüthig bleiben unb fchrieb gu «iifang 
beS ffirdhenftreiteS on ihn: „Sch begeuge Dor 


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$um #utljer=,3ubiläum. 


667 


©ott unb allen fheaturen, baß ich nie willens 
gewefen, noch heutigen SageS bin, baß id) mit 
mit ©mft hätte borgefeßet, bet römif 4 en Äircße 
unb (Surer Weiligfeit ©ewalt auf einerlei 2Beife 
anjuareifen, ober mit itgenb einer ßift etwas 
abjubrechen." 

„Unfer ©ott," fagt er ein anbermal, „ift ein 
©ott ber fiebrigen unb Semüthigen. Straft 
wirb in © 4 nw 4 heit ftarf, wenn wir nicht f 4 wa 4 


in biefen jämmerlichen unb gefährlichen 3 eiten. 
(Sr nährt aber biefelbe ohne Unterlaß burcfctäg* 
ließe Betrachtung unb Uebung in ©otteS Söort. 
(Sr läfjet leinen Sag borübergehen, baß er nicht 
minbeftenS brei ©tunben, unb jtoar bie, welche 
311 m Stubiren am paffenbften finb, auf’s ©ebet 
oermenbet. (Sinmat qliicfte es mir, baß ich ihn 
beten hörte, ©uter ©ott, welch’ ein ©tauben 
War in feinen SBorten. '34 weiß/ fügte er. 



$r. SDlartimi«, 

wären, fo müroen wir ftolj; er fann feine Straft 
nicht betoeifen, benn in ber Schwachheit." 

m. 

Sie Quelle aus welcher Sutber foldj bemüthig* 
glaubenSmuthigeS Sehen nährte, ift bas ©ebet 
unb baS 2Bort ©otteS. 2Bel<h ein Beter er 
gewefen ift, bafür liegen biele Seugntffe bor. 
So 3 . B. feßreibt ber fütagifter Beit Sietrich an 
fDlelancßton: „34 fann nicht genug bewunbern 
bie auSnebmenbe ©tanbhaftigleit, bie Weiterleit, 
ben ©tauben unb bie {wffnung biefeS BtanneS 


b© Äiitberframb. 

'baß bu unfer ©ott unb Bater bift; alfo bin ich 
gewiß, baß bu bie Berfolger beiner Stinber wirft 
31 t ©4anben ma4en ; thuft bu’S ni4t, fo ift bie 
©efaßr bein unb unfer allzumal; bein ift biefer 
ganse Wanbel, wir finb baoon gegangen, weil 
Wir wußten, barum woQeft bu ihn bertßeibigen." 

Belannt ift, wie Sutßer bie Ba4t oor bem 
Dtei4stag 3 U UBormS im ©ebet 3ubra4te. „9111» 
nötiger, ewiger ©ott" fpta4 er, „wie ift eS 
ein arm Sing um bie 2 Beit! 2Bie fperrt fie ben 
Seuten bie TOäuler auf? SEBie flein nnb gering 

ift baS Bertrauen ber Btenf4en auf ©ott- 

-. 214 ©ott, 0 , bu mein ©ott! bu mein 


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568 


3um #ut^er*3ttbiliium. 


©ott! ftef)e bu mir bei miber aller ©eit Ser« 
nunft unb 2ßei§beit. Stjue es! bu mußt e§ 
tljun! bu aßein! 3ft e§ bocb nicht meine, fon« 
berit beine ©a*e; habe ich hoch für meine Ser« 
fon hier nichts ju flauen, unb mit biefen großen 
f>erren ber ©eit ju tljun. ©oßte ich bo* au* 
toohl gute, geruhige Stage haben unb unoerroor« 
ten fein. Slber bein ift bie Sache, £>err 1 bie 
gerecht unb ernig ift! Stehe mir bei, bu treuer 


Solche ©ebetsfreubigfeit unb ©rhörungsge« 
mif*«it tourben genährt bur* bie ftete ®ef*äf« 

a mit bem ©orte ©otteS. ©ie fejt er in 
. ben ftanb, mie biel Äraft unb Stroft au* 
in ben brohenbften ©efahren, mie IjeßeS Sicht au* 
in ben bunfelften Sagen es ihm fpenbete, babon 
jeugen aüe feine Sriefe. ©3 mar ihm mirtli* 
baS ©ort be§ lebenbigen ©ottes, baS boß unb 
ganj erfüßt roerben muh. fJta* ihm tann ber 



£u$a: alt Ratcfyt unb ©c&ulnwfter. 


unb emiger ©ott! 3f* berlaffe mi* auf feinen 
9 Jlenf*en! ©3 ift umfonft unb bergebenS; e§ 
hinfet aflcS, roaS f(eif*li* ift unb na* 3?leif* 
.f*medt. 0, ©ott, höreft bu ni*t, mein ©ott? 
SBiji bu tobt? Stein, bu fannft nicht fterben, bu 
berbirgft bi* aflein. £>aft bu mi* baju er« 
mählt? i* frage bi*, mie i* es bein geroijj 

mein! ©i, fo matte es ©ott!-Unb 

foflte mein Scib bariiber 311 ©runb unb Soben, 
ja gu Sriimmern gehen! Safür aber bein ©ori 
unb ©eift mir gut ift. Sie Seele ift bein, unb 
gehört bir ju, unb bleibt au* bir etoig. Simen! 
©ott hilf mir! Simen." 


©laubige feft barauf bauen, benn ju ihm fpri*t 
©ott, um ihn ju ftärfen unb feiner ©nabe gemifj 
ju tna*en; ber Ungläubige aber muh baoor Jit¬ 
tern, benn ihm oerfünbigt es baS ©eri*t. Siefc 
alte Sehre mar Sutljer in gleif* unb Slut über» 
gegangen mie nur menigen, unbanSbiefer Oueße 
ift bie ©Ijarafteriftit feines ©efenS h«rt>orge» 
gangen. 

IV. 

Sin f*meren inneren 3 tnfe*tungen hot e£ bem 
Sr. StartinuS aber trofc feines ©laubenSmutheS 


DigitizeeHDy 


Google , . 
















Jum fuU)rr«$ubUäum. 


569 


burdjauS nic^t gefehlt. ffr ^at innere Kämpfe 
burchgemacht unb ©flachten geflogen wie wobt 
nur wenige Wenfdpn, unb „bet SLeufel feßte ihm 
ar hart ju." ffinmal mürbe er auf ber Söart« 
urg bon bem Söfen fo hart angefod)ten, baß er 
bermeint bat i^n leibhaftig 31t {eben, alfo, baß 
et au<b ba§ Tintenfaß genommen unb nach ibnt 
geworfen bot. meiner f^lccf noch jeßuitb auf ber 
©artburg ju feben ift. 

©ehr oft ermudjfen ibm innere Sümpfe bar« 
über, bafs bie '-jkebigt bes ffbangeliumS fo wenig 


ohne Uebung unb ffrfabrung lernt man nichts, 
©t. tßauluS bat auch feinen Teufel gehabt, ber 
ihn bat mit Rauften gefd)lagen unb ihn alfo 
mit feinen Anfechtungen getrieben, fleißig in ber 
heiligen ©d)rift ju ftubiren. Alfo bab’ ich ben 
papjt, bie Unioerfitäten unb alle ©elebrten unb 
burdj fie ben Teufel felbft am £>alje gehabt, bie 
haben mi(b in bte ©bei gejagt, baß ich fie fleißig 
gelefen unb bamit ihren regten Sßerftaub enblitb 
erlanget habe." 

2 >iefeS giunbament, auf bem er unerfd)ütterlicb 



»r. Sut$a:, bar 6anflmcifter. 


frustete. Unb eines Abenbs fagte ®r. SutljeruS 
Aber $ifdj: „Weine prebigt ift nicht« nnbereS, 
benn als ging idj burd) einen großen ©alb unb 
fdjrie, baß es berroieberbaflt, baß idj bas ffdjo 
unb ben 2Bieberfd)ofI hörte; benn ich fefje unb 
merfe, baß Aiemanb ben ff hriftum will für einen 
errn haben." — Alfo flagte einer ber größten 
rebiger aller 3«iten. 

$ie Anfechtung mar ihm jebocb eine habe 
©djule, auf welcher er gar Diel gelernt. „Sfcß 
habe," fagt er, „meine Jheologiam nicht auf ein« 
mal gelernt, fonbern habe immer tiefer unb tie« 
fer grübeln müffen. $03u haben mich meine 
SJerfiidjungen unb Anfechtungen gebracht, benn 


fleht, oerleibt bem ^Reformator in aß biefen 
fchweren fffehben ben rechten fmmor unb acht 
d)riftlid)e $eiterfeit. $afiir zeugen Diele feiner 
Briefe unb 3 :ifdjgefprädje. Aber bumme ©päße, 
feichte ober gar anzügliche ©iße fommen nie 
aus feinem Wunbe. ©eine fRcbe bat ©inn unb 
Serftnnb. Aud) ift er in feiner gröbli^feit nie 
ein Schlemmet gewefen, unb jenen Aeirn, wel« 
djer ihm oft in ben Wunb gelegt Wirb: „©er 
nicht liebt ©ein, SHBeib unb ©efang, ber bleibt 
ein Aarr fein Sehen lang" fiitben wir in feinen 
Schriften nicht, iß audh nicht ermiefen, baß er 
foldjeS je gefugt. $ie ^kaffer unb ©äufer ha» 
ben ißm bas angebicbtet, um bamit ißt wüfteS 


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570 


$um £utljer»3ubiläum. 



gn’Ä ©otcr^au«. fiile&en, iS. fje&. 1646. 


Treiben 31t bemänteln. Gr liebte ÜOlufifo; aber 
e§ roaren ©otteSlieber, bie er fang. Gr genojs 
SCßeiu; aber nicht au« Ueberinutb. Gr roar fei« 
ner 'Toftorin ftätbe ein treuer, liebeuber ©atte; 
aber tein Merroelt«=2öeiberuarr. 


V. 

9 U§ ^Reformator, ©ibefiiberfefcer, ©cbriftftet« 
ler, Grjieber ber 3 ugenb foroie feine« gangen 
©olle« bat er einen §(eiB unb aflfeitige Stbiitigfeit 























Jum #tither«3ubiläum. 


571 


entwidelt, bie gerabegu wunderbar gemefen, unb 
bie beutlichften Semeife dafür finb, baß Suther 
nicht ber „luftige fl 1 um patt" gemefen, als ben ihn 
leichtsinnige Sienfchen oft begegnen möchten. 

Sie beutfdje Sibelübetfeßung allein ift ein 
SBert, baS ein ERenfchenleben ouSfüllen tönnte. 
„2Bir arbeiteten," berietet er felbft, „baß mir in 
drei Sagen gumeilen taum brei 3 e ^ en lohnten 
fertigen, Sieber, nun e§ berbeutfdjet unb bereit 
ift, faitn’S ein 3ebet lefen unb meiftern; läuft 
Giner jeßt mit ben Elugen durch brei ober toier 
Slätter, roirb aber nicht gemahr, welche Sßaden 
unb ff (öße ba gelegen finb." 

fRebft bem fährieb er unabläffig: tflugfchriften 
gur Sfflehr unb Sehr, fjauSpoftilien, einen ffate« 
djiSmuS, roie an Straft unb Soltsthümliähteit 
fein anberer boranfteht u. f. m. 

Sie SDfufifa hat Suther nicht blo§ hoch ge» 
halten, fonbern fanb auch 3eit, biefelbe 511 trei» 
ben, unb hat mehrere ber berrlidjflcn Äfernlieber 
ber eoangelifdhen ffirdfe gebiähtet. „Sie Stufifa," 
fäßreibt er, „ift halbe Sucht unb Suddmeifierin, 
fo bie Seute gelinber, fanftmüthiger, fittfamer, 
oerniinftiger macht, Stan muß biefe gute, feine 
ffunft in ben Schulen behalten. Gin Schul» 
meifter muß fingen föttnen, fonfl (ehe ich ihn 
nicht an. ftötan foll auch junge EWänner gurn 
ißrebigtamt nicht oerorbnen, fie hoben fich benn 
in ber Schule wohl öerfuäht unb geübt, fonber« 
lieh in ber ffunft gu reben unb gu fingen." 

©ott ber £err hat auch in biefer Sichtung 
feine Arbeit reichlich gefegnet, unb heute noch 
fingt bie Gßrißenheit: „Gin fefte Surg;" „3luS 
tiefer Sott);" „S0111 Fimmel hoch" 2c. 

Somit Sibel, ffatechiSmuS unb Sieber recht 
ins Soll hinein Kirnen, hat fich 2>r. Suther ber 
Schulen mit großem gleiße angenommen, unb 
biele Sdjul= unb ffirepenpifitationen gehalten, 
unb auch ein Süchlein gefchrieben, welches anbe» 
ren Sifitatoren Einleitung ertßeilte. Unb fchon 
tut 3ahre 1530 fonnte er an ben ffurfürßen 
fchreiben: „Gs wäcpfet jeßunb baher bie garte 
Siigenb bon ffnäblein unb EJtägblein mit bem 
ffatechiSmuS unb ber Sdjrift tnohl gugerichtet, 
baß mir’S in meinem bergen fanft thut! baß ich 
fehen mag, wie jeßt junge ffnäblein unb ERägb« 
lein mehr lernen, glauben unb reben fönnen 
bon ©ott unb bon Gbtißo, benn guborljin unb 
noch alle fflöfter unb Schulen gefonnt haben 
unb noch fönnen." 

Ellfo iß ber große ERann nicht bloS ber firch» 
lidje ^Reformator, fonbern burch feine Schrift« 
Seilerei unb Sdjulmeifterei auch ber Grgieljer 
feines SolteS geworben, worüber fiep Sebermann 
männiglich freuen fottte. 

VI. 

Snbem Suther in ben Gpeßanb trat, brachte 
et bie bon ©ott beftimmte Otbnung wieber gu 


Gbreit. Unb hier, in feinem £>eim, bei feiner 
ffäthe, unter feinen ffinbern entfaltet fich oft 
ber fReichthum feines chriftlichen ©emütheS wie 
faum anberswo. 

Sr. Schürf meinte gwar, als er bon ber be= 
borßepenben $eiratp hörte: „SCßennbiefer ERöndj 
ein SBeib nähme, fo mürbe bie gange ÜEBelt unb 
ber Seufel felber lachen, unb er ade feine Sache 
bamii berberhen." Seither aber fagte im ©egen« 
tljeit: „Sie Gngel werben fiep darüber freuen, 
unb ber Seufel wirb barüber fauer fehen." 

Suther behielt recht. £>eute noch freuen ßch 
Gngel unb ERenfchen über baS Ghe» unb Ga» 
milieitleben beS ^Reformators. SBelch ein fößlid) 
GheßanbSberhältitiß ift baSgmifcheu Suther unb 
feiner Softorin ffäthe! EÖelch ein Familien« 
bater unb ffinberfreunb ift ber große Steforma» 
tor! EBer lernen miß mit ffinbern umgugeben, 
muß bei folchen ERenfäpen in bie Schule gehen. 
Statt bieler Seifpiele dafür, wie echt tinblid) 
Sr. ERartiiucS mit unb unter ffinbern Wat, 
feßen wir einen Sßeil beS befannten SriefeS an 
fein ©änSdjen, ben er bon ber Sefte ffoburg aus 
fährieb, her: 

„©nabe unb Triebe in Ghrifto, mein liebes 
Söhnichen. 3<h felje gerne, wenn du wohl lernft 
unb ßeißig beteß. Shu’ alfo, mein Söhniäpen, 
unb fahre fort; wenn id» heim fomme, miü iäh 
bir einen fäpönen Sahrmartt mitbringen. 

3<h weiß einen hübfähen lußigen ©arten, ba 
gehen biel ffinber innen, haben gülbene fRöcflein 
an unb lefen fchöne Elepfel unter ben Säumen 
unb Simen, ftirfdjen, Spilling unb Sflaumen; 
ftngen, fprinaen unb ßnb fröhlich; haben auch 
fchöne Heine Sferblein mit gülbenen Säumen 
unb ßlbemen Sätteln. Sa fragte ich ben ERann, 
beS ber ©arten iß, weß bie ffinber mären ? Sa 
fpraäh er: es ßnb ffinber, bie gern beten, lernen 
unb fromm finb. Sa fpraäh ich: Sieber Staun, 
ich bab’ auch einen Sohn, heißt 3>änßäben Suther, 
möcpt er nicht auch in ben ©arten foinmen, baß 
er auch folcp’ fchöne Elepfel unb Simen effen 
möchte? Sa fpraäh ber EJtann; wenn er gern 
betet, lernt unb fromm ift, foll er auch in ben 
©arten tommen ic. k .“ 

„SaS iß ia eitel ipßantaße," fagt ber hoch¬ 
gelahrte Sheologe mit bem paßörliäpen Son. 

„Sun gut, mein Sieber, fag’S 'mal beinern 
11 e i n e n £änß<hen intereffanter, beßer, t i n b« 
l i äh wahrer, unb tomm unb ergähle mir, wie 
bu’S gemacht haß." 

VII. 

Gin Ghaiatter mit- fo pielen hellen, liähten 
Seiten weiß felbßoerßänbliäb Sähatten auf; 
auch im ebelßen, frömmßen ERenfcpenleben ßn« 
ben ß<h Schladen. Suther iß leine Ausnahme. 
Elber wir feiern heute ja ©eburtstag, ba wollen 
wir bie fRungeln nicht ans Sicht sieben. Semertt 


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572 


SteebrngebUebrn. 


fei nur, baß bie oft überaus große fteftigleit beS 
$r. 3 RartinuS oft feine beften fjfreunbe betrübt 
bat, unb er bei feiner ÜJieinungSgeioißpeit oft 
berart unb mit folgen Sßorten unb 2baten be¬ 
harrete, baß bie brüberlicpe Siebe berietet rourbe. 
3 m ©anjeit aber jeigt fein Sitb einen ©erecpten, 
ber feines ©laubenS lebt. Unb rote fein Sehen, 
fo mar auch fein Heimgang in’S SaterpauS. 

©ein leßteS üöerf mar ein fjriebensroerf, in« 
bem er 1546 in (Sisleben ©treitigfeiten jroifepen 
ben ©rafen fDtanSfelb »ermittelte unb auSglicp. 
©<pon auf bem SBege bapin fühlte er febr fcproaep 
unb mußte in ber ©tabt, ebe bie Serpanblungen 
noib niept ganj ju ©nbe roaren, ju 33 ett gebraut 
merben. „SßatfS ©ott, i<b gebe ju SÖett," fagte 
er. „3n »eine £>änbe befehle iep meinen ©eift, 
bu baft mich erlöst, bu treuer ©ott." Unb als 
bie ©rafen unb ©räfinnen, bie Werkte unb 
Qfreunbe um fein Sett flehen, ba faltet ber ftranfe 


bie £änbe unb betet: „0 mein pimmlifeper ®a« 
ter, mein ©ott unb Später unfereS £>errn 3 efu 
Gprifti, bu £>eilanb »üeS 2 rofteS, up baute bit, 
baß bu mir beinen lieben ©obn 3efum Gpriftum 
offenbaret baft» an ben i<b glaube, ben idj ge« 
prebigt unb befannt hob’, melden ber leibige 
ißapft unb alle ©ottlofen fepänben, »erfolgen 
unb läftern; iep bitte bi(b, mein £>err 3efu, lab 
bir mein ©eetcpen empfohlen fein" u. f. ro. 

9 toep einige v)tnl fagt er auf loteinifep: „Slfo 
bat ©ott bie 2Belt geliebt, auf baß aüe, bie an 
ihn glauben, ni<bt berloren merben, fonbern baS 
emige Sehen haben," unb — „Sater, in beine 
£>änbe befehle iep meinen ©eift; bu baft mich 
erlöfet, bu treuer ©ott," unb bann entfeplief er 
in berfelben ©tabt, ba er geboren, unb fein ©eift 
ging am 18 . Ofebr. 1546 ju ©ott, bet ihn gege» 
ben batte. 


$tiduug*Uu(mu 


Sou Raufet 

Jlanbibat £ioljtein machte brei teilen in ber 
9 tunbe aüe tßfarrpäufer unb — Kirchen 
elr unficper. ©eit er aus jroingenben unb 
petuniären SH iict fiepten bie #auSleprerfteüe beim 
öarou £iopl6acp angenommen, mar eS menig« 
ftenS fein unauSgefeßteS SBeftreben, ben ©epaben, 
ben er in Söejiepung auf feine füuftige Saufbabn 
bureb biefe £>auSleprerfcpaft fiep felber angetpan, 
in jeber möglichen Söcife auSjitbcffern. 0 a ipm 
baäftircpenrecpnungStoefen, bie amtlichen ©cprei= 
bereien, ber ftonfirmationSunterriept u. f. ro. ber 
SHatur ber ©aepe naep unbefaitnt bleiben mußten, 
fo fiupte er fiep roenigftenS fo »iel als möglich im 
Sßortrag ju üben unb prebigte frifep brauf loS, 
überall, roo ipin.ein Sßfarrer gaftlicp bie ftanjel 
einräumte. SJBie ernft er eS mit biefem einen, 
ipm mögliepft ju ©ebote ftepenben, ©tüd napm, 
beroiefen feine fonntäglicpeit SBefucpe in aüen 
spfarrpänfern ber Umgegenb. Sßaron ftoplbacp, 
fein Sßrinjipal, fcperjte geroöpnlicp fepon am 
©onnabeitb früh: „SHun, lieber £err ftanbibat, 
ju roclepem 2pore jiepeit ©ie beim morgen früh 
aus?" 3 uroeilen aber tpat ber SBaroti gar ein 
übriges, ließ ipm ben gutmütpigen ©epeefen fat« 
teln, »on bem er mußte, baß er ben ©onntagS» 
reiter am '.übmb fidjer unb peil mieber nach £>aufe 
tragen merbe, unb erlaubte niept feiten, baß beS 
ftaubibaten 3ögling, ber jmölficiprige fturt, auf 
feinem 'Poitp mitreiten burfte, namentlich, roenn 
ber ftanbibat in ein SßfarrpauS einjufapren ge« 
baepte, in bem jüngere ftiaber roaren. 9 llfo mit 


tunt Serge. 

feinem Sßrinsipal jtanb unfer ftanbibat gut; er 
mar auep eine liebe £>aut, patte neben großer 
©utmütpigteit »iel SBefonnenpeit, unb roar im 
MtagS« roie ©efeüfcpaftsleben juüorfommenb 
unb eingepenb. 2öie fepon gefagt, trug er ben 
brennenben Sßunfcp in fiep, aufs befte auSgerü« 
ftet einft ein Pfarramt anjutreten. ©elbjioer» 
ftänbliep prägte biefeS Verlangen ipm einen gro. 
ßen fittliepen (Srnft auf, unb ba er einen feften 
pofitioen ©runb unter feinen 3?üßen, überbieS 
Sjramen mit 9 Zr. 1 beftanben patte, fo gab er 
einen ftanbibaien ab, wie er im Suepe ftept. 

„Sieber 3 ?reunb, umgeteprt wirb ein ©epup ■ 
barauS, roenben Sie gefäüigft ben ©epeefen unb 
reiten ©ie pier pinauS," fagte laepenb ber Saron, 
als ftanbibat £>olftein an einem ©onntag.SDtaien« 
morgen in baS leßte erreiepbare unb ipm noch 
unbefannte SjßfarrpauS einfallen rooüte, fiep aber 
in ber £)immelSgegenb geirrt patte. fÜtit gutem 
#umor roanbte er feinen ©epeefen unb trabte, 
»on feinem 3<>gling begleitet, naep ber entgegen« 
gefeßten SRieptung. ®er leßtere roar meißeitS 
bei folcpen Stiften in fepleepter ©emeinfepaft, benn 
ber £>err ftanbibat roar »er roeiß »o, fap unb 
pörte niepts, unb fturt tonnte als Keiner Jeder 
Üteiter naep DerjenSluft mit feinem Sjßonp unge« 
roöpnliepe 2ouren ausfüpren unb ungeroöpnliepe 
Sffiege roäplen, als §. S. bie ©räben am SGßege, 
ber £>ert ftanbibat hätte mit beftem SDBijfen »or« 
fommenben 0 aüS befeproören tönnen, baß er 
'niepts gefepen'. Slber fein Slbroefenbfein patte 


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Stedungebliebra. 


573 


eine ^lücfliö^e (Brenje unb fo langte er benn aucfj 
an biefem Waienmorgen p guter 3?tt in ©au* 
fenborf au, banb beibe ^Sfetbe }toar etroaS un* 
lommentmäßig, iebcwf) lieber an ben Stafetpun, - 
ber ben Slumengarten oor bem Sfarrbaufe ein* 
friebigte, gabelte glüdlid) baS ©tubemnäbeben 
auf, bie ebenfo unfommentmäßig Oeppicbe auf 
bem ©elänber bet Sortreppe flopfte, bänbigte 
ihr feine ftarte ein, birigirte fürforglicb feinen 
Keinen Segleiter pm 2luSruben auf eine ©arten* 
baut unb ging mit langen Schritten pnfdjen 
beit Slumenbeeten auf unb ab. 3unäd)ft machte 
er Toilette, war eben babei bie Uöefte, bie beim 
9titt in bie ©öbe gerutfe^t, orbentlich Runter 
hi jiepen, als ein fjrauentopf fidj lächelnb Dom 
öfenfter prüdbog, um bem Öoilettenfünftler bie 
Seriegenbeit p erfparen, falls er etwa auffeben 
füllte. Seiber mar biefe Sorficbt p fpät gefom» 
men, benn bet ilanbibat butte mit einem Sier« 
telsblict botb ben fffrauentopf gefeljen unb mar 
nun in einiger Seforgniß als ein eitler Utarr an* 
aefeben p werben. 35a aber in biefem 2lugen* 
blief ber Sfurrberr auf ber Schwelle beS ©aufeS 
erfdbien unb ibm einen belieben guten Worgen 
jurief unb na<b Sraucb bie fRedjte entgegen* 
ftredte, aud) berfidjerte, baß er ibm Durchaus 
ni<bt mehr unbefannt fei, fonbern ibn Don ©ö* 
renfagen fenne, ba oergaß er gliicflitberroeife fein 
Walbeur, baebte auch fpäter nicht tnebr baran, 
als er nun gar in einem Äorbftubl am ffaffee* 
tifcb neben ber ©auSfrau fafe. 2l(IerbingS gingS 
für einen Woment burdj feine Seele, baff er bie» 
fen Äopf bereits am fünfter geflaut, aber, wie 
gefügt, im näcbften Woment mar ber unliebfame 
Sorfall glüdlicb Dergeffen. 3)ann faß er in 
einem alten Seichtftubt hinter bem Elitäre in ber 
Äirdte unb notirte mit Sleijtift bie fdjönften 
©teilen in ber S^ebigt, um nachher mit bem 
Sfarrberrn barüber fpredjen p tbnnen. Unb 
bann faß er roieber im 5$amilien}immer neben 
ber ©auSfrau unb roanbelte etroaS fpäter mit bem 
Saure bie feböne alte SinbenaHee beS großen 
Pfarrgartens auf unb ab, roäbrenb ftrißdjen, I 
beS Pfarrers achtjähriger ©obn, mit .ffurt biete 
• fjreunbfcbaft fd^loß. 21 uf biefer Sromenabe 
faßte ficb unfer ffanbibat benn auch ein ©er}, 
ben Sfurrberrn um bie S?ait}el an irgenb einem 
Sonntage }u bitten, roas jener liebenSroürbig 
}ufagte. Oie Sonne ging unter, als ber San* 
bibat mit feinem Segleiter ben ©eimmeg antrat. 
2 Bar er auf feinem, ©erritt fdjroeigfam geroefen, 
fo mar er es jeßt erft recht, er mar gan} entpdt 
Don biefer neuen Setanntfdjaft unb fchroelgte 
förmlich in ber Erinnerung. 35aS mußte er, 
baß wenn et ft<b einjt unter ben Pächtern beS 
SanbeS umfeße, nur bie ©nabe Dor feinen 2tugen 
fittbe, bie biefer 3?rau in ©aufenborf gleiche. 
Er batte im Saufe beS ÜageS unb ©efpräd)S 
nic^t btoS fein ganjeS ©er} mit allem 2Bünf<ben 


unb ©offen ihr DertrauenSDoH geöffnet, fonbern 
auch fein tbeologifcbeS ©laubenSbefenntniß ab* 
gelegt unb batte foldj eingebenbeS unb feines, 

! }arteS Serftänbniß bei ihr gefunben. ©ie mar, 
j mit ©eine }u rebett, roie eine Slume fo bolb, fo 
. lieb unb fdjön, fie mar mehr: mar roie eine 
1 Sonne, beren ©trabten wärmen unb ftrüdjte 
1 }eitigen. 2Bobl bem ©aufe, baS }um Wittel* 

, punit ein folch geflärteS, fefteS unb fixeres ©er} 
bat! SSobl bem Wanne, ber folchen Sdjaß fein 
eigen nennt, unb bejfen ©aus folchen ©cbmud 
aüf}uroeifen bat! — Ünroillfürltdb brürfte er bie 
©chenfel an fein 9toß unb gab im ©alboergeffen 
bem Scheden einen unbermutbeten Schlag mit ber 
Seitgerte gerabe }roif<hen bie Obren, roo entfdjie* 
ben fein balbtoegS Derftänbiger Seiter binfehlägt, 
roaS benn ben Scheden bermaßen in Aufregung 
Derfeßte, baß er mehrere fogenannte Sodfprünge 
machte, bann aber ben Äopf upifchen bie Sorber* 
beine nahm unb mit feinem weiter babin faujte 
unb nicht eher ©alt machte, als bis er fchnanfenb 
bor feiner befannten ©talltbüre jianb. Er batte 
fi<b biefe? treulofen Schlages }Wif<hen bie Obren 
unb falfchen ©cbenfelbrudS entfdjieben nicht Der* 
feben, batte gemächlich getrottet, roobl proeilen 
einmal ben $opf gehoben unb bem Soup berlan* 
genb nachgeroiebert, als fturt, beS träumerifeben, 
Iangfamen ütitteS mübe, flott DorauS trabte, 
batte Dom gelben ©afer geträumt, ben ihm bet 
©taüpetev auSnabmSroeife bieSmal reiflich in 
bie Grippe fchüttete, unb mar eben babei gerne» 
fen, in Inbetracht ber reichlichen ©aferportion, 
fi<h mit feinem Sfetbelofe auSpföpnen, als ihn 
ber tüdifebe Schlag traf. 3)er Saron hätte roobl 
taufenb Obaler rtidbt fo lieb genommen, als fei. 
nen .Qanbibaten willenlos auf bem fonft fo gut« 
mütbigen Scheden baberfaufen }u feben. OaS 
fluge fftof; aber fpißte bie Obren, als ber Stall* 
peter es in Empfang nahm, fab prüfenb feine 
9tafe entlang unb in bie Sfrippe, ob bie freunb« 
liehen Silber Don ber ©aferportion auch nicht 
bloß ©atlucination geroefen unb fdjrotete bann 
tapfer barnuf loS. Oa rebe noch einer Don ber 
Unoernunft ber $biete. 

fftur einige SBocben hielt e§ ber Äanbibat aus, 
es }og ihn mächtig nach ©aufenborf. 2llS eines 
OageS im $uni ©eburtStagStuchen für Äurt ge* 
baden rourben, unb auf SBunfdj beS SaronS ber 
3 unge beute einen fdjulfreien Öag haben foHte, 
ba glaubte ber .ffanbibat biefen ffferientag nicht 
beffer anroenben }u fönnen, als inbem er nach 
I ©aufenborf pilgerte. Et fam im glübenben 
Sonnenbranbe an feinem 3'efe an unb — fanb 
I baS ©aus berfdjloffen. Oie beiben Wägbe jäteten 
1 im ©emüfegarten Untraut, auf fein Sefragen 
befam er ben Sefdjeib, baß bie ©errf(haften aus* 
i gefahren feien, bie Jfinber mitgenommen hätten, 
imb in ber fpäten Wittagsftunbe bfimtebren 
mürben. Er mehrte ab, als baS Wäbchen ihm 


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674 


Stafcntgrblifbnt. 


baS £au 5 auffchliehen wollte, unb meinte, et 
*iehe eine ©artenbant braußen unb bie fc^attige 
Sinbenatlee bet ©tube bor. Oa8 hotte er fo im 
Seidjtfinn hingemorfen, nicht bebentenb, baf? in 
ber StittagS3eit nach einer gujjmanberung Pon 
anbertholb Steilen unb mit einer SBartejeit bon 
brei Stunbeu bor fich ein tüljleS 3 immer, baju 
baffenbe Settüre, biefleidjt noch flat ein jur Ser* 
fügung ftehenbes ©opha eine begehrenswerte 
Sache fei. ©enug, als er einige 3 e 't auf ber 
©artenbaii! geruht batte, mar S ibm, als um» 
nebele Schlaf feine Sinne, mit taffem < 5 nt* 
fdjluh fcbüttelte er ben Sann bon fich unb träumte 
fich in bie 3 «U hinein, menn er &auS unb £>of 
haben mürbe. Stber all bie frönen träume unb 
Shatitafieen tonnten ihn ni(f)t bot ber HRübigfeit 
retten, er fab fi<b bem ©<hlafe bebingunqSloS 
preiSgegeben unb befcfjloh nun bod) oernünfttger* 
Weife, ben Sro 3 eß im £>aufe bur<h3uma<hen. 
5 }aS genfter ber Söobnftube, nach bem ©emüfe. 
garten gelegen, ftanb offen, als guter Sturnet 
fefcte er ben gufj auf bie borfpringenbe gunba» 
mentfante unb im nächften 9 lugenblid fafj er 
gefcbidt unb fidler auf bem genftertopfe. OaS 
©oplja erfcbien ihm wie ein £>afen unb baS ©e* 
!i(ber ber ÜJiägbe hinter ihm brein, wie unfdjut* 
bigeS, halb freunbfdjaftlicbeS ©etläff eines ©ei* 
benfpifceS. 3 fn f pater StittagSftunbe fuhr bettn 
auch glüdlich bie gamilie auf einem Klapper» 
wagen mit elenben ©trobgefäfen belegt bot, *ur 
tiefen ©ntriiftung unferes Kanbibaten. 9 l(S 
echter Kabalier fprang er bienfteifrig herbei, hob 
baS fleine breijähtige SieSchen freunbfchaftlich 
herunter, mährenb griß, als ein nicht minber 
gewanbter Sturner, behenbe über baS SBageitrab 
{(eiterte, bann beförberte unfer Kanbibat fein 
gbeal jur ©rbe, immer im befchämenben ©efüljl, 
baß ein fo elenbes ©efährt für einen Säuern 
allenfalls paffenb, aber nimmer für eine Oame 
fei. ©r gelobte fich im ©titlen unb bann öffent» 
lieh bor ben Ohren beS Sfotrljerrn unb beffen 
grau, baß, menn er einmal Sforrer fein würbe, 
feine grau nicht anberS, als im Sanba'uer fahren 
bürfe unb foüe, maS bem Sfarrer ein über» 
legeueS Sächeln abnöthigte unb bie |>auSfrau 311 
ber Semerfung bernnläßte, bah ein .Klapper» 
wagen lange gut genug fei, worauf fein Sbeal, 
wenn möglich, wegen ihrer grensenlofen Se« 
fcheibenheit unb ?lnfprud)S(ofigteit noch um 
einige gufj höher in feinen Slugen geftiegen 
wäre, wenn fie nicht bereits bie allererfie ©tufe 
inne gehabt hätte. 

Oer Sonntag ftanb alfo fefi, an bem ber 
Kanbibat in fjaufenborf prebigen foflte, eS war 
ber 3weitfolgenbe, bis baljin würbe er feiner 
Sieinung nadj mit ber Ausarbeitung fertig fein; 
felig manberte er am Slhenb bie anbertholb Stei* 
len 3urüct, ein ©tiid Sieges begleitet öom Sfatr» 
herrn unb grißchen; felig ober bielmehr bell he» 


friebigenben ©elbftgefühlS manberte er 3U gufj 
auch am perabrebeten ©onntag bereits StorgenS 
um fieben Uhr in £>aufenborf ein, Kopf unb 
fierj boH herrlicher ©ebanfen. 9 t od) - waren ihm 
unglüdlicljerweife bie glügel gebunben, tonnte 
fein freies Sßort, leinen freien ©ebanten auf ber 
Kanjel einflechten, mar tnedjtifch ans Konjept 
gebunben, aber bet freie ©ebantenflug mürbe 
fdwn burch Uebung fommen, bas mußte er; ge» 
lernt hatte er übrigens fein Konjept oorjügltth, 
baffelbe ausgearbeitet mit oielem »leih uiib im 
Uebrigen wußte er, bah ©ott leinen Oetitfdjen 
berläßt. Oen Sfarrer bat er um eingefjenbe 
Kritif unb ber Sforrfrau berfidjerte er, bah eine 
Semertung über feine Srebigt bon ihren wohl* 
moHenben unb berftänbigen Sippen ihm ein 
grober ©eminn fein würben. @0 nach allen 
©eiten bin wohl borgefehen, beftieg er mit fidje* 
rem Schritt bie Kaniel unb hielt in ber 2hat 
ohne Koi^ept einen fliehenben freien Sortrag, 
ber obenem biefen Soqug bor bielen anbern 
Kanbibatenprebigter. hatte, aus einem gläubi* 
gen, an feinen |>errn hmgegebenen £erjen su 
tommen. 

Seudjtenben AugeS, mit gerötljeten SBangen 
unb tlopfenbem £>eraen fdjritt er 3Wifdjen bem 
©hepaare in ber groben Sinbenaüee auf unb ab, 
aitherorbentlich begierig, ihre Kritit ju hören; 
er muhte, bah fie in ber £auptfa<he mit ihm 3u» 
frieben feien, eine wohlwoflenbe Kritit über 
Dtebenpunfte wollte er mit taufenb greuben ent* 
gegennehmen. Oer Pfarrer fchmieg hartnädig, 
ber Kanbibat tonnte fid)8 fo unb anberS beuten, 
er wanbte fich baher ber grau 311, unb bat um 
ihr Urtfjeil. ©in feines Sächeln fpielte in ihren 
$ügen, maS ebenfalls fo unb anberS gebeutet 
werben tonnte; enblidj fagte fie: ,,©ie tragen 
einen fchlimnten geinb mit auf bie Kai^el." 

Setroffen blidte ber Kanbibat fie an, aber 
3Ürnen tonnte er ob biefeS füljnen SusfprncheS 
nicht; ber ©ebante, feinen fchlimmften geinb 
mit fich auf bie Knn3ei 31t tragen, war ihm ab* 
folut neu, er tonnte ihn augenblidlich nirgenbS 
unterbringen, muhte entfehieben 3«it gewinnen, 
©nblich ftotterte er: „Orüden ©ie fich beftimin» 
ter aus." 

,,©ie haben 3U biel ©elbjibemußtfein, man 
hört, nein, man fieht eS ghnen an, bah ©ie ein 
gemachter Staun finb: hoben tüchtig gearbeitet, 
bann tüchtig gelernt unb finb fid) bemnht, außer* 
bem ein bübfcbeS Organ unb einen fliehenben 
Sortrag mitjubringen." 

„ 9 tun ja, finb biefe Oinge tabelnSmerth ?" 

„Sn fich nicht; fie werben aber 311 einer ©ebulb, 
fobalb man fie ins $ei(igthum trägt." 

„grau Sforrer," fagte er feljr ernft, unb man 
hörte eS bem Klang feiner Stimme an, baß er 
innerlich berleßt unb etwas entrüftet mar, bah 
fie über Oinge ihm einen Sormurf machte, bie 


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Stedungrblieben. 


675 


itt feinen 9lugen ein entfcßiebener $orgug waren, 
„grauen-urtheilen nach bem ©efü£»l." 

,,9tun feßen Sie, baß Sie eine eingehenbe 
(fritif nic^t oertragen," entgegnete bie ^Jfarterin 
lacßenb. 

„(fritif über pofitibe Oinae feßr woßl; aber 
©efiißle, bie in ber Suft fcßweben unb obfolut 
ungreifbar fittb, gegen bie bin id) wehrlos." 

(ItwaS berftimmt faß bie ©efeflfcßaft beim 
SHittagStifcß. Sem guten (tanbibateu mar baS 
Seinen näher benn baS Sachen, ber Sßfarrßerr 
machte ein ©eficßt, als mode er fagen: man ber» 
brennt fidj an Steffeln leicht bie ginger, unb bie 
fjauSfrau brachte in ihrem gangen Sefen baS 
wart gum 9luSbrud: mem nicht gu rathen, bem 
ifi nicht gu helfen. Ser (tanbibat half nachher 
aKerbingö butdj feine gefeOige ©emanbtljeit glücf« 
lieh über bie Heine immerhin häßliche (tlippe 
hinweg, aber einen Stachel behielt er hoch, ber 
auch nicht fa gang mich, felbft als ber Ißfarrßerr 
bie (taitgel ban heut über brei Soeben ihm gang 
bon felber antrug, inbem er an bem Sonntag 
nothmenbig oerreifen müffe. SaS mar etroaS 
Del für bie Sunbe, bemieS ihm beutlich, baß 
ber Pfarrer als ein Sann, bet etroaS bon ber 
Sache oerfteht, attberS urtheile. 

6r grübelte ben gangen £>eimtoeg über bie 
Sorte ber tßiarrfrau nach unb mar fdjließlidj 
glüdlicß fo meit gefomnten, mit gutem ©ewiffen 
gur SageSorbnung übergehen gu lönnen. 911s er 
brei Soeben fpäter am berabrebeten Sonntag, 
morgen mieber benfclben Sea ging, fonnte er 
orbentlidj über fuß felber lachen, fidj an jenem 
Sonntag bon einer grau, menn auch bortreff, 
liehen, ja, hinimliidjen grau, aber hoch nur 
immer grau, aus ber gafjung gebracht gu fin. 
ben. 3m bie grauen fi^en hinter bem Ofen, 
mährenb bie SMänner ihre £mut g U gjtorfte tra» 
gen müffen, fie faß gemütlich tn ihrer (fireß« 
banf unb fritifirte, er mühte fidj auf ber Mangel 
ab unb — erntete nach reblicß bergoifenem 
Schweiße unb harter Arbeit nichtSfagenbe Sieben 
über SelbftbeWußtfein. — Unb Wie foüte er 
benn auftreten? tonnte fie ihm baS gefäüigft 
nicht auch fugen? foüte er mit fcßlotternben 
(tnieen, mit bor Slngft gefträubten paaren bie 
(tangel ßinanfteigen unb bie ©eineinbe unten an 
jebem Äomma fein £>ergflopfen bernehmeit 
iajfen ? Sar er in biefer Situation ©ott unb 
ber ©emeinbe wohlgefäüiger? Unmilltürlich 
fchritt er rafdjer aus, er mußte, baß feine er. 
barmungSlofe (hitiferin baheim fei, fie foüte 
heute übergeugt roerben, baß ein tüchtiger «Qcrl 
auch tüchtiges gu (elften oermöge, unb bann mit 
gutem SRedjt fich bie Seit bon einer geroiffen 
|>ölje anfeßen tonne. Sie lebenSmüben langer 
unb 3weifler fteeften mo anbers, — baS mußte 
er — nicht im frifdjen, arbeitsluftigen unb ar. 
beitSträftigen, in bie £)öße fteigenben 9lar, fon= 


bem im lebenS» unb alterSmüben Pfarrer, ber 
mit gaßnlofem Sunbe abgeftanbene '-ßrebigten 
hält, bie Stiemanb feit fahren mehr goutirt, ber 
initfammt feinen tßrebigten enlfdßieben in bie 
Stumpeltammer getßan werben müßte. 

SaS feßabete es, baß Sonntagmorgen war 
unb ber fßrebigtftußl feiner im ©otteStjaufe 
harrte, baß bie (tireßgängerinnen mit flattern« 
ben ftaubenbänbern auf ben Segen fießtbar 
mürben, er roanberte mit einer Seit boü ©e. 
banten, guter ißläne unb guten, feften 93 or« 
fäßen aüein feine Straße, baher pfiff er benn 
auch im Uebermaß beS ©efüßlS einen wahren 
£>btnnuS, ein Sieb ohne Sorte, baß es meithin 
in bie ffornfelber fcßallte unb bie Spaßen auf 
ben Seibenbäumen am Sege etwas unruhig 
auf« unb abmibpten, unb bann erft babonflogen, 
als er in bie blähe tarn, als moüten fie bamit 
befunben: gelt, ber tann fein Stüdlein beffer, 
als unfereiner, ba müffen wir fdjlecßterbingS baS 
gelb räumen. 

Unfet (tanbibat ließ bie Selobie „3efuS meine 
3uberfidjt" fingen, eine Selobie, bie ihn immer 
in ®egeifterung berfeßte, roie er etwas fpäter 
berfießerte; auf ber Mangel War er gang unb boü, 
bie tßrebigt hatte biele gute ©ebanten als (fern, 
unb als Umfleibung eine anfehnlicße £>iiüe oon 
tßeologifchen gloSfeln, WaS man im gewöhnlichen 
Sehen ßöcßft profan mit Südenbiißer gu begeieß. 
nen pflegt; gliidlicßerweife arbeitete er fieß bann 
wieber fo meit bureß, um eine padenbe Steüe 
auch mit paefenber ©ewaIt barlegen gu tönnen. 

Sieber manbertett fie unter ben Sinben auf 
unb ab, nur mit bem Unterfcßieb, baß heute ber 
Sritte, ber Pfarrer, fehlte, unb toieber tummelte 
bie grau ihren unglücflidten ©aul, fagte (ein 
SterbenSroörtcßen oon ben überaus feßöuen, fa, 
gewaltigen Steüen, bon feiner populären 9(rt gu 
reben, betonte nur immer mieber baS ausgeprägte 
SelbftbeWußtfein unb berjiieg fieß fogar gu bem 
beleibigenben SluSruf: „Schabe!" — Sie boeß 
grauen eigenfinnig fein fönnen, nach SSernunft« 
grünben feinen Sreier fragen! — -freute riß benn 
auch unferem Ifanbibaten bie ©ebulb, er warf 
bie ißm gur gmeiten Statur geworbene fröflicßfeit 
unb ben feinen Ülnftanb faft mit einem fernigen 
glucße hinter fieß, unb leßrte bie fleiue fuper. 
finge grau SoreS. Oer heilige 3 ortI über bie 
förmliche Sefubeluug feiner ©eifteSarbeit leuch« 
tete auS feinen 9lugen, als er fcßließlid) ben leß« 
ten Orumpf auSfpielte unb beräcßtlich fagte: 
„@S ift, wie ich feßon neulich betonte, feßr fcßliinm 
mit grauen ftreiten, weil fie nicht logifcß beiden 
fönnen; fie bewegen fieß in nebelhaften, unbe« 
ftimmten ©efüßlen unb holten bann baran feft 
mit einer 3äßigleit, bie einen flaren .Vf opf ge« 
rabegu in 93ergmeiflung bringen fann. 93on ben 
gebilbeten grauen abgefeßen, ift es mir übrigens 
giemlicß egal, bon ben alten Seibern ungünftig 


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676 


Steffeengebluben. 


beurteilt gu werben, finge dünner werben 
fdjliefslich guftimmen." 

„|)alt, wein grcunb," faßte ihn nun bie Heine 
grau energifch an, „Sie finb in bic giften ge« 
rannt, bon ba ift erft recht fein Ausweg, nur 
Umfeijr; ber Srebiger prebigt faft nur Dor 
grauen, (offen bie ihn fallen, bann ift’S fcf)limm 
um ihn befteüt, unb was bie „flugen SJfänner" 
anbetrifft, fo fteljtS fejt, bafj, wenn fie einmal 
in bie Kirche gehen, fie nicht bie Sßahtnehmung 
machen motlen, bafj ber Swbiger auf ber Mangel 
noch fllüget als fie, alfo allen über ift, fonbern, 
baß fie fich erbauen Wollen, hingehen, um angu» 
beten. SSßenn aber ber fluge Srebiger mit jeher 
fDfiene gu erfennen giebt: Seht, was ihr für 
einen tüchtigen Äerl habt, ber fann fich fehen 
lajfen, bann erbaut es nicht bie ©emeinbe, fon* 
bern eS hinbert, ftört, unb aus bem ©egen ift 
unbermerft ein gluch geworben, ©ott aber 
fchwört, baß er feinen Aubm feinem ©ößcn lajfe 
— ©ie, &err ßanbibat, finb ghr eigener ©öße, 
laffen ©ie bon fich ab unb gehen ©ie niebrig 
herein, bann wirb #immelsthau gum ©egen ber 
unter ihnen fißenben ©emeinbe aus ihrer $rebigt 
herniebetfaüen." 

Gr fagtc fchon längft fein SGßort -mehr, hörte 
nur fchweigenb, mit einem tief berleßten Oulber» 
gefixt bie gange ©uabe an, bann unb wann nur 

f llitt ein halb fpöttifcher 3ug, gerabe wie April, 
onnenfdhein, über fein ©efidjt. Siit grofeem 
©efchicf brachte er feine ©efäljrtin auf ein anbe« 
teS Schema. #err ©ott, ber Schöpfer, hat wahr¬ 
lich baS Stanto an SerftanbeSträften bei ben 
grauen mit 3 ungengeläufigfeit ausgeglichen! 

GS mar in ber Stichaelgeit, als ber ^ßaftor in 
£aufenborf unferem Äanbibaten auf beffen 
innige Sitten 311 m brittenmal bie Mangel ein» 
räumte. Oie Kirche War boH, benn bte 9teu« 
fonfirmirten gingen heut« gum erjtenmal mit 
Gltern unb ©eicpmiftern gum heiligen Abenb« 
mahl. Oer ftanbibat .oerficherte bem Sfarr« 
herrn, baß eS eine 2 uft fei, in einer bollen Sfirthe 
gu prebigen. Als er ben Storgentaffee getrun« 
len, promenirte er, feine Srebigt 3 um lefctenmal 
memorirenb, in ber betannten Sinbenaüee. 

3 war hatte am Haffeetifdj, als bie SRebe auf 
gut ausgearbeitete unb gut memorirte Srebigten 
fam, bie ©auSfrau in ihrer Art roieber fo einen 
unoerbaulichen Srocten fjingemorfen, hatte, alles 
Wiffen moüenb, fehr übergeugenb gejagt, als er 
ergählte, baß er bie ©auptftellen feiner ^ßrcbiflt 
noch einmal in ber ©afriftei burchncbme: ,,©e« 
brauchen ©ie fiinftig in ber ©atriftei ben Set« 
fcpemel, baS .Qougept mag ruhig in ber Sibel 
liegen bleiben"—aber was machte er fidj batauS, 
Was trauen fagen, unb märe eS felbft biefe grau. 
— Söahrettb er bahinwanbcrte, Jam eine gang 
gewaltig feierliche Stimmung über ihn, er möchte 
nicht biojj in ber Sfirdjie, er mochte am liebften 


ber gangen ÜBelt, 8 uft unb Grbe, ia, ben Sögeln 
unter bem Fimmel mit bereoten Sippen berfün* 
ben: „©rofj ift ber %ame beS &errn 3ebaoth !* 
3n biefer gehobenen Stimmung ging er gut 
$ir<he, erwartete ben Sfarrer, in ber ©afriftei 
auf« unb abgehenb, wenn jener oon ber Abhal¬ 
tung ber Siturgie gurücffehren würbe. 3n biefer 
gehobenen Stimmung griff er noch einmal nach 
bem $ongept, obwohl jeher SoffuS bereits in fein 
©ebächtniß wie eingegraben war. 3u Diel beS 
©uten lonnte man nie tljun. (Der Setfcbemel 
mit bem ffrugifij am ßintergrunbe ber Sföanb 
blieb unberührt. Orgel unb ©emeinbe ftimmten 
mieber bie Stelobie „3efuS meine 3uoerfidht" an, 
unter beffen Sflängen unfer ftanbibat faft wie 
jauchgenb bie Jfangeltreppe hinanfliea. OaS 
Äongept lag ftcherheitshalber in bet aufgefdjla« 
genen Sibel auf ber ftangelbrüfhing, aber er 
mar nun, ©ott fei OanJ, fo weit gefdjult, um eS 
nicht mehr gu braunen. Sur bem GingangS« 
gebet merJte man bie gehobene Stimmung beS 
SrebigerS nicht an: bie Heine grau im Sfare. 
fiuhl fchalt es in ihrem ©ergen fogar „lebern," 
unb ber Sforrherr im alten Seichtftuhl mur« 
melte „ift nicht maS;" aber als erft ber SEejt Der« 
lefen war, ba raufchte feine Siebe wie ein Sera» 
firom, baS Jtongept mar halb öergeffen, Dielmehr 
überflügelt, neue ©ebanten ftrömten gu, neue 
Silber, bie alle untergebracht fein wollten, er 
fonnte fich beS Materials taum erwehren. Unb 
nun Jam er in ben ©eelenguftanb eines hört« 
gefottenen ©ünberS, auch etwas, maSaar nicht 
im $ongept ftanb, aber er mar faft Sieifter in 
ber Seelenmalerei, unb bie ©emeinbe laufchte. 
OaS Silb war Doflenbet, er fefete ben lebten Sin« 
felftrich an mit: „fiuftig gelebt unb felig gcftor« 
ben, bas hat bem Teufel bie Rechnung oerbor« 
ben." GS fchmetterte nur fo im &irchengemölbe. 
Oa — mar alles in feinem ©ebächtniß unb in 
feiner Shantafie auSgelöfcht. Gr ftanb hoch 
aufgerichtet unb bleich wie eine Starmorftatue, 
bann überflutbete ihn eine SlutWeHe bis in bie 
©aare. — Aur einen ©ebanfen, einen etitgigen! 
einen gaben gum anfpinnen! Ai$tS. UÖenn 
feine ©eifteSJräfte in biefem entfefclidjen Augen« 
blid ihn menigftenS ans SJongept erinnert hät¬ 
ten, er hätte ja wie ein Schullnabe barin blät« 
lern unb bann ablefen Jönnen. — 9ii<htS. Gine 
fehreefliche Verlegenheit bemächtigte fid) ber ®e» 
meinbe unter ihm, mehr benn hunbert Stafchen« 
tücher tarnen plößlich gum Sorfchein unb eS be« 
gann ein Scbneugen, als blafe ein ganges irom« 
peterforpS; bie muthigften Stänner fcharrten 
mit ben güßen unb getrauten fich nicht ben 
Machbar angufefjeit, eS War eine Situation, bie 
baS Slut gerinnen machen lonnte. 2)er flotte 
Srebiger aber toftete bie SBahrheit jenes Spru¬ 
ches: „Son ©ott Derlaffen." Oie Mangel bünfte 
ihm ein ©djanbpfahl, feine Augen wanberten 


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flas fÜrautnlebrn. 


577 


gläfern an ben fJirchenroänben entlang, bis fic 
mechonifch an bem gropen $ru3ifir, roeldjeS am 
Gnbe beS flird)cuf<bipeS hing, bangen blieben. 
®a ebenfalls ein ©erlaftenfein Dem ©ott imb 
©tenfhen. frerr, erbarme bid)! ftöfjnte er, bis 
311m Tobe geänftigt, er loar im töciiriff 3ufam= 
tnensufinfen. ©or feine ©tigen fam baS .Qotnept, 
er hob es oerlebrt, mit ber lebten Seite in bie 
©abe bes ©efidjts, ba — ja, ba b<ng ein fvabett, 
ba ftanben tocblupfäfce, unb an ben erftert beften 
Inüpfte er an unb trug mit Möglicher ©liette tmb 
Hügliger Stimme unb halb tonlos baS Weber* 
gefcijriebene Dor. 

Gr mar nod) immer roie betäubt, felbft als er 
beim ©tittagStifdj ber fjodiberebrteii frauSfrau 
gegeniiberfap unb beren ermunternbe unb trö= 
ftenbe ©lide auf ficb fühlte; auch ba nodj, als 
nach beut Gifen ber ©farrberr mit feinem ©alte 
ben milbeit frerbftnacbmittag in gewohnter ©Jeife 
im ©arten 3itbrad)te. Souft fo finnig an» unb 
aufgelegt, marS ihm beute gleichgültig, baß am 
Spalier bie golbgelbe unb blaue Traube reifte 
unb einlabenbroinfte, unb baS ft'apcbm im Sanbe 
mit feiner SonntagSroäfcfje befd^iifti^t toar, batte 
amb feinen Sinn für ftripehen, ber mit beinahe 
ebenfo gropem Grüfte als er felber Pfarrer 
fpielte, Don meinem Rapier ficb ©äffeben um ben 
frais (jebunben, eine ©ettbede als Tatar male* 
rifeb iibergeroorfeit batte unb anbäebtig bie ©rab* 
rebe einem tobten ©ogel hielt, bem baS Heine 
CieSdjen, mie es bei fieidjenbegängniffen üblich, 
reiibliebe Thronen nadjroeinte. ©Jie gefaqt, er 
fab unb hörte nichts, ber Schlag hotte ihn an 
ber emppnblidjften Stelle getroffen, mar ba^u fo 
ungeahnt, fo beiintiüfifd) Ijetniebergefabren. — 
O, roejr jterben fönnte! — 


pnb Dergangcn. 9 luS unferem San* 
bibaten ift ein ©farrberr gemorben, gan§ fo roie 
er es einft geträumt ober nicht. 3toar bat er 
nid}! gan3 genau baS Gbenbilb ber fleinen [yrau 
in fraufenborf gefunben, als er ficb unter ben 
Töchtern beS SanbeS umfab, benn ^beale follen 
febroer erreichbar fein, aber bo<b immer eine ihr 
etroaS ähnliche, faft fo lieb unb gut, fo berftün* 
big, fo gebaltDoll roie jene, aber nicht gan3; er 
ift 3uroeilen nicht gan3 mit ihr jufricben, roie baS 
häufig bei ©lämtern Dotlommen fotl, welche in 
einem ©tiqenblid himmelhoch jaulen über ben 
„Sd)ap", ben ihnen ©ott befdjeert, unb im nä«h= 
Pen, roenn auch nicht jum Tobe, aber hoch recht 
merllidj betrübt finb über ben Schatten, ber baS 
liebe fjraucnbilb 3uroeilen Derbüftert. 9Iuch 
träumte er einft Don einem Sanbauer — aber 
immer noch „reicht eS nicht", nämlich baS ©etb 
baju, unb er fährt mit einem ©tietbsroagen, ber 
tocrjroeifelte ©ebnlicbfeit mit jenem berüchtigten 
fflapperroagen in fraufenborf bot, unb unfer 
©farrberr berfichert bann feinem 3roeiten lieben 


3 d), baß ber ©Jagen „fange gut genug" fei, ge* 
rabe roie 3U feiner 3 c 'i bie Heine Jraii in frau* 
feuborf. ©her etroaS befipt er, roaS nicht fo 
leicht jeber ©farrberr bat, felbft roeuuS ber ©rjt, 
roie hier, jcfriuncil für nöthig holt, nämlich ein 
©eitpferb, unb jroar in alter ©eininiS3cii3, einen 
Scheden, ben ihm fein junger ©atrou, feiuebema» 
liger 3 ögling, Shirt Don froblbacb, in bantbarcr 
©erebrung gefdjenft bot. 3 ebo<h in einigen Stü* 
den ift uns unfer ©farrberr Dollftänbig neu unb 
fremb, alles anbere finb bolbbefannte 3iige: er 
bat bie übergroße 3 »Derfid)t(ichleit auf feine 
eigene ©ortrefflichfeit eingebüpt; fobamt fpriebt 
er nicht mehr geriugfehäpig Don ben „alten ©Jei* 
bem", bie Sonntags in ber Slirche fijjeu, eS gebt 
fogar bie 9 tebe in ber ©emeinbe, baß ihr ©farr* 
ijerr einft an einem pari befnehten ©otteSbienft 
am Dfterfonntage ben ©tännern in ber ©rebigt 
gefagt hohe, fie möchten 3iifebeit, bap nicht bie 
f^raiien allein baS ©eich ©otteS ererben, fie feien 
bebenflich in baS frintertreffen geratben, lapen 
pch Don ben „©Jeibcrn" Derbrängen unb — be* 
fhämen. Gr ftellt fie überbieS gan3 ungeroöbn* 
(ich hoch/ feit er erfahren, roie einft eine eS mit 
ihm gut gemeint, er ohne ihr mahneitbeS, fchar* 
feS ©Jort fidjerlich in ber eigenen ©ortrefflidpcit 
ertrunfen wäre unb ronbrfcheinlid) gor nicht baS 
geroaltfame ©n f affen ©otteS Derftanben hotte, 
bamalS, als er ihn ftedcu lieg. Selbft bie Welt* 
berühmte unb — berüchtigte 3ungengeroanötbeit 
ber grauen, ift er geneigt, gütig 311 beuten, feit 
er roeifs, bafj biefe 3»ngengeroanbf)eit oft tapfer 
ins 3 eug 311 geben Derftefrt, roenn felbft bie 
mutbigften ©tänner 3agenb bon ferne fteben unb 
bie Gntroidelung 3roar mit Dielein Sittereffe, 
jebennoch fchroeigenb Derfolgen. 

9 luS bem flotten ffanbibaten Don ehemals, ber 
eine ©Jelt gewinnen unb erobern, unb biefe ©Jelt 
bann 311 feinen 3?üjjen feljen rooflte, ber in bö<bP 
bebetiflichem SbealiSmuS feine beften Kräfte Der* 
geubete, ip ein geroaltDoller ©tonn in ber golbe* 
nen ©litte sroifchen gefunbem ©ealiSmuS unb 
glüdlichem SbealiSmuS geworben. Oft, fept 
oft erzählte er feinen fjreunben bie ©efdjicbte, Wie 
er einft auf ber ,ffan3el mitten im Siegesberoupt* 
fein — ftedengeblicben. 

(Öueüronffer für’S beutfehe ©oll.) 


Pa0 träum leben. 

©on frauter. 

fff räume — pnb Schäume! ©0 fagt ber ©oltS* 
Jfe munb, fpricht aber bamit nur eine tbeil» 
* weife ©Jabrbeit aus. Gbrlich geftanben 
faffen wir ben poptiDen Inhalt Don allem 3U* 
fammen, roaS felbft bie ©JiPenfdjaft 3ur ©uf« 
beßung beS Traumlebens beigebracht hot, fo hot 
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578 


J)as (Traumleben. 


auch fie übet baffelbe lein weiteres 2idjt, als bie 
Sßoltsroeiö^eit im obigen Saß auSfpridff, gu 
$aae geförbert. Sdjaumartig perlt empor, ffe|t 
fliidotig unb gerfließt bie Sraumerfheinuitg t'o 
unbewußt als ungewollt, bcnnod) gugleih nah 
bem (Bemußtfein unb Höillen binuedenb, als 
fpiele fie tänbelnb mit beit (BerbinbungSfäben gu 
beibett. 

SEBeil nun aber boh ein jeber ÜRenfh träumt 
unb oft Sräume bot. weihe einen tiefen Ein* 
brud auf feinem ©emüthe gurüdlaffen, einen 
Eiubrud, beit er jahrelang nicht loS wirb, unb 
foinit ffd) häufig bewogett fühlt über biefe näht» 
liehen Vorgänge feines Seelenlebens naeßguben» 
ten unb einett ErllärungSgrunb gu finben, fo 
bürfte es fhott um biefer Urfadje willen wichtig 
fein, barüber Einiges gu hören. 

Ser Sraum, althochbeutfh troum, mit bem 
lat. dormire fhlafett, ftaminberwanbt, ift, wie 
ihn bie (Braut im fjoßettlieb richtig bejeidjnet, 
ein SEßathett beS -fjerjenS, wiihrenb man fdlläft. 
SaS £erg mit feilten Stieben uttb Einbildungen 
ift bie eigentliche SBerlffätte beS SräumenS, baS 
^irnleben mit feinett Erinnerungen aus bem 
wahren Sehen ift gleichfam ber #anblanger. 
HöaS aber auch in biefer nie rufjeitben UBerf* 
ftätte ber menfchlidjen Seele porgeht, fo flüchtig 
unb fdjnetl bie Vorgänge im Sraum bem (Be* 
mußtfein beS DJlenfdjen gur Äentttniß tommen, 
fo ergiebt fih hieraus eben boch nicßtSbeffo» 
weniger bie (Bihtigleit beS SraumlebenS über» 
haupt. Es ift nicht immer bebeutungSloS; mit» 
unter lann es ein richtiger Spiegel gur Ertennt» 
niß unferer felbft fein; ja nicht feiten bot es für 
Offenbarungen beS Derrn einen bequemen 9ln= 
fiiüpfuitgSpimtt, wobott uttS bie '-Bibel Piele (Be* 
(ege giebt. 3fn ähnlicher SEßeife faßt auch ber 
berühmte 'Bhdofoph Richte bie Seelenthätigfeit 
im Schlaf beim RRenfhen auf. Er fagt hier» 
über: „Sie Seele umfaßt einen weit größeren 
(Reihtfjum pon Kräften unb (Begießungen, als 
in ber (Regel in ihrem Semußtfeiu ßeroortreten. 
3u biefern (Reichthum gehört baS ben URenfhen 
ohne bewußte URotibe leitenbe, warttenbe unb 
3ulünftigeS maßrgebenbe (RhnuttgSPermögen, 
welches im Shfofguffanb, wo bie äußeren Sinne 
gebunben finb, häufig entbunbeit wirb, unb in 
bie formen ber 3ufunft webt." Ser Salmub 
nennt ben Srattm ebenfalls finnreich tftt ber 
(Eßeiffagung, wie ber Sabbatß uV ber gufünftigen 
Söelt, baS fetter A ber Atolle fei. 

$n WaS heffeßt nun aber eigentlich baS Srätt» 
men ? Saffelbe ift leineSWegS gu Perwechfeln mit 
bem Schlaf, beibe bürfen nicht gufammengemor* 
fen werben. Jfin Schlaf gießt fid) bie Seele gu* 
riief pott bem Sehen unb Sreiben ber Hlußeuwelt, 
um fich in bie oerborgenen Siefen ihres innerften 
Sehens hinein gu fenten. Siefe Sßätigfeit Poll» 
gieht fie jeboch nicht aqS freier (Eßiflfiir, fonbern 


erft, wenn fie fich bagu genöthigt fühlt, einer» 
feitS bttreh bie Erfchöpfung ihres eigenen Sehens, 
anbererfeits burch bie Ermübuitg beS unter ihrer 
(Botmäßigfeit ftehenben SeibeS. SEBäßrettb fte 
nun im Schlafe ctlfo hinabfinft bis auf ihren 
innerften fiebenSßerb, erhebt fie fich anbererfeits 
auf eine oerhältnißmäßig höh« gelegene, fhon 
bämmernbe (Region beS SBewußtfeinS, bie bem 
bemegeuben SageSbemußtfein näher fleht, baßer 
and) bie Sräume im leichten oielfacff fhlummern* 
ben Schlaf, beS SlbenbS unmittelbar muh bem 
Einfhlafeit, ober beS URorgenS fttrg oor bem Er» 
wachen fid) bei uns weniger perlieren, unb wir 
foinit beim Erwachen gewöhnlich fie eher noch 
wiffeu. Sie Seele ift foniit in einem 3uftattb, 
wo fie ber oberen (Eßelt, Pon wo fie ftammt, 
näher, baßer eS uns auch nicht wunbern barf, 
wenn nah ben alten Ueberlieferungen ber SBöl« 
fer, wie nah ben eigenen Erfahrungen, fo manche 
fromme Seele gerabegu Schlaf unb Srattm als 
ein birefteS DRittel betrachtet für befonbere Offen* 
barungen ©otteS. Unb wer wollte eS itt 'Jlbrebe 
fteflen, baß ©ott nicht fhon burh einen Sraum 
baS wttttberbare SBalten feiner (Borfeßung mit 
bem- Seben beS Eingelnen, wie auch mit gangen 
(Böllern geoffenbart hot. SEBer' möchte aus fal* 
fhem (Rigorismus bem barmßergigett unb aß» 
Weifen ©ott wehren, wenn er in befonberen unb 
außergewöhnlichen fällen liebff anbern Mitteln 
auh bie ffiße, aber einbringlihe Sptahe beS 
SraumeS gebrauhen will, um eine gebuttbeite 
Seele gu Weden, eine bußfertige, fhühterne gu 
tröffen. (Eßenn wir auh. Wie bemertt, im 3111= 
gemeinen ben Sräumen lein großes ©emießt bei* 
legen löttnen, fo lann eben boeß nicht geläugnet 
werben, baß ©ott ber $err biefeS (Dtittel benüßt 
hat unb geitweiS noh benüßt, wenn er eS in fet* 
ner allweifen (Borfeßung angegeigt finbet, uns 
auf wichtige Singe oorgubereiten, uns gureht 
gu weifen, tn Srübfalen gu tröffen, unb wo wir 
$)ilfe finben, ober wo mir 2lnbern fie erweifen 
iotlen. Solhe Sräume finben wir in ber heil. 
Schrift eine große Slngahl ih bermeife mir auf 
bie Sräume 9lbrabamS, 13Rof. 15,12—14; 
Safobs, 1 5Rof. 28; ^ofepßS unb Sßha« 
raoS, lURof. 37, 41; 9lbimeleh§. lÜRof. 
20,3—8; SabanS, lSRof.31,24,• (Rebu. 
labnegar unb Saniels, San. 2. 4. 7; 
baS SBeib beS (fli(atuS, 9Rattß.27,19 tc. 
Ulehntihe Offenbarungen ©otteS an ben Uten» 
fhen lönnten bis gur (Reugeii aus glaubwürbigett 
Duellen ber (Eßelt*, Kirchen* intb ffRiffionS* 
gefdtihte burh Piele (Beifpiele bewiefen werben. 

SEßenn wir eS nun auh mit (Recht als 3«h«tt 
einer abergläubifheit ©efinnung anfehett, wenn 
ein dRenfh auf jeben Sraum achtet, fo ;jinb 
beffett ungeachtet boh niht afle Sräume gtjoed» 
uttb bebeutungSloS. Saßer mir auh nicht fehl 
gehen werben, wenn mir fie eintßeilen im be» 


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Pas Eraumleben. 


579 


beutungSlofe uiib in bebeutfamc, unter meid)’ fcßlug id) in meiner Bibel, bie mir meine gute 
teueren mir befonberS bie ('3 e tu i f f e 11 >3 träume Mutter mit auf bie Unioerfität gegeben bat, auf 
berDorßeben unb jmei auffaüeube Erfahrungen unb fanb mirtlicß bie BJorte: „Ünb ber ©err 
mittbeiten möchten, bereu Söaßrhcit roobl Der» rccfte feine ©aub au» unb riibrete meinen Btunb 
bürgt ift, unbbiefehrmenig betannt fein Dürften. unb fprad) ju mir: fiefje, ich lege meine Utforte in 
9 ilS ber nüchterne, tritifd) angelegte Schrift» beinen Munb!" Senfe mein Erftaunen, mein 
ftetler 2 e f f i n g lüimtich fid) noch auf ber Uni» ■ Entlegen bei bem 2 efeit biefer 3 eil<‘n .... id) 
uerfität befanb,' ftubirte mit ihm jufammen ein merfc meinen 9 tod über unb fomme mm ju bir, 
Jüngling bon guter Familie, beffen Eltern ihm | Seffing, unb frage, maS fagft bu ju biefer @o= 
ein nicht unbebeutenbes Vermögen ßinterlaffen feßiebte?" 

hatten. Sein einnehmenbeS Üleußere, mie feine Seffing antmortete ihm naCb feiner betannten 
feßönen ©aben intcreffirtcn Seifing für ihn, unb nüchternen Senfroeife, menn er auch nicht an 
er Dfrfucßte es baher, fid) feiner anjuneljmen eine befonbere göttliche Erfcßeinung glaube, boeß 
unb ihn in ein ernfteS Stubium ber BMffenfcßaft bie laute unb briugenbe Stimme beS ©emiffenS 
einjuiiihren. Seiber gelang ißmbieS nicht; benn nicht ju mißtennen unb 311 tnißbeuten fei. Sie» 
ba jener bei aller Siebensioürbigfeit leicßtfinnig feS, fein antlagenbeS ©eroiffen, habe auch im 
unb Don fcbmaCbem Ebarnfter mar, fanb er mehr Traume nicht geruht, ben Munb eine« fprad)= 
©efnlleit an bem Umgang mit rohen, auSfcßmei» lofen 2 fjiere§ ju gebrauchen unb ihm fein Sehen 
fenbeu ©enoffen, bie ihn immer tiefer in allerlei Dorsu halten :c. 

Unfittlid)feiten unb Softer oerftridten. Schon hat Ser oerirrte Jüngling faßte roirtliCb ben ern» 
Seffing faft jebe Hoffnung aufgegeben, ben jun» ften Borfaß, biefem Otatß 31t folgen. Einft aber 
gen Mann, für ben er noch immer baS märmfte begegnete er auf einem einfamett S pasievgange, 
ijntcreffe empfanb, oor bem Dollftänbigen Unter» begleitet Don feinem treuen Betlo, bem jilbeln» 
gang su benmljren, als biefer eine» Morgens ben Schmarrn feiner früheren ©enoffen, toelche 
bleich unb Derftört auf fein 3 immer tarn unb einem benachbarten BergniigungSort 3uftrömten. 
ihm erflärte, baß er ihm einen ebeufo munbet» Sie umringten ihn fogleicß, forberten ihn auf 
baren als erfchütternben Borfall 311 entbeden mitjugehen unb riffen enblid) ben B 3 iberftreben» 
habe. Seffing mar auf irgenb ein nächtliches ben mit fid) fort. Bei bem ©elage fpotteteu fie 
DerbrießliCßeS Abenteuer gefaßt; allein jener er» erft feiner neuen Sinnes» unb SebenSart, unb 
3äßlte ihm nach einem turnen Eingang folgen» brangett bann in ihn, ihnen bie Beranlaffuug 
beS: „ 3 bh mar heute fpät nach Mitternacht Don 3U entbeden. Sange mich er aus; enblich aber, 
einem EommerS nach ©aufe gefommeti, roarf erbißt Dom Meine, ersäßlte er ihnen bie @e= 
mich halb entfleibet aufs Bett unb fchlief halb feßiebte feines SraumeS. 91 lleS hörte fie 
ein. Sa träumte mir, baß Betlo (fo hieß fein ftill an; ein flüchtiger ©«hauet, ein 

« fiCß meinem Sette n.ißerte, feine Borber» ern ft er ©ebante an Sob unb ©erießt 
nf bie Sehne beS bacanftoßenben Stuhles flog burd) ihre Seelen, unb für einen 91 ugenblid 
legte unb förmlich 3 1 ' prebigen beginne. Seine berftummte ber roilbe ©efang. Sann aber er» 
Brebigt mar gan3 allein an mich gerichtet, unb hob fid) ber oermegenften Burfcßen einer, unb 
enthielt ungefähr baffelbe, maS bu, lieber Seffing, fudjte baS ©anse ins SäCberlicße 31t sieben, in» 
mir feßon oft gefggt ha ft: Bormiirfe über mei» bem er benierfte, ber falfcße Bropßet fei für ben 
nen bisherigen Sebensmanbel, Ermahnungen 31t Berfucß, einem ftameraben feine ffreube getrübt 
einem beffereu, nur mit anbern BuSbrüden unb unb bie Schrift mißbraucht su haben, Dor ©e«* 
— nimm eS mir nicht übel — in einer meit traft» rieht 3U [teilen. 9 llle lachten. Ser arme ©unb 
bolleren SpraCße. Seine Morte fcfjienen ben mürbe auf bem Stuhle in bie Stellung gebracht, 
Propheten entlehnt, feine 3 l *nge flammte mie bie er im Staunte hatte, unb cinftimmig 311111 
Reiter. . . Seine 9 tebe rührte mid) tief; ich bin Sobe Derurtheilt. Ser abtrünnige Jüngling 
überzeugt, ich habe im Schlaf Darüber gemeint. 1 erfeßrat über biefett BuSfprucb; ba jeboeß ber 
Er fdjlöß feine Ermahnung mit einer furcht» | ©unb feit jenem Sroum für ißn felbft ettoaS 
baren Marttung. Er braßte mir, baß menn iCß Unheimliches hatte, fo miberfeßte er fid) nicht, 
meinen bisherigen Manbel fortfeße, i cß heute al§ bie ©efetlen baS Sßicr faßten, ißm einen 
über feChS Monate eine Seiche fein j Stein an ben ©als befeftigten unb es in einem 
merbe. unb bamit bu fießft, fagte er, baß id), ; näßen Seid) ertränften. Ser ©unb hatte beim 
ein unDernünftigeS Sßier, nicht aus mir felbft Meggeßen nicht gebellt, foitbern nur geftöbnt 
ctlfo fpredje, fonbern baß ein ©ößerer mich ge» ttnb einen fCßmersDoOen, feßeibenben Biid auf 
fenbet ßat, um bidj su marnen unb momögiieh feinen ©errn gemorfen. 3 £ aeS Stößnen, biefer 
noch su retten, fo fcßlage nur in Deiner Bibel Blid tarnen bem Jüngling jebodj nießt meßr aus 
3 er. 1 , 9 auf, mo bu bie Beglaubigung meiner bem ©ebäcßtniß, bie ©eftalt beS SßiereS Der» 
»enbung finbefi. Mit biefen Morten enbete ber folgte ißn überall im SSadjeu mie im Sraum. 
©unb feine Brebigt, unb ich erroaeßte. Sofort, Sie 3 etrüttung ber ©efunbßeit beS Jünglings 


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580 


jUsbauer unter Sdjimfriglteiten. 


nahm burdj feine auf’s Steue begonnene 91uS* 
fdimeifungcn immer mcpr gu unb nad)fcd)S 
211 o 11 ateii uad) jene m 2rau nt mar ber 
arme 93t e n f d) begraben. 

Gbcnfo merlmiirbig, aber mit befferem 91uS* 
gang f)atte ein Hottcntottcn=Häuptliug mit Sta* 
men Jontcr Slfrifancr einen Oraunt, ber 
if)u gur maprpaften Scfeprung veraulapie unb 
bcffcu ©efcpidjte unS ber eprmürbige TOifftonar 
9Ji o f f a t ergäplt. 

OiefeS Häuptlings Soofung mar ber Worb. 
91m fröplicpften ruljte fein Sluge auf erfdjlagencn 
Seidjeu unb verbrannten Hütten. Gr hieß, fo 
meit man ihn fannte, „ber Same SlfrifaS" unb 
ein Siamaquafjäuptling äußerte fiep über ipit 
bei feinem SJiiffionar: „Sd) habe midj manch* 
mal mit meinem gangen Soll, mit SÖeib unb 
Slinb in bie Höhlen ber Serge ober in bie obe 
Söiltmiß geflüdjtet; mir moüten lieber unter ben 
Siaubtpieren bie 9täd)te Verbringen, als bem 
Router SIfrifaner gur Scitte fallen." 

9lber auep biefer milbe SJieufcp foflte ein Gigen* 
tpum beS Herrn merben unb gmar guitäd)ft burdj 
einen Sraum, ber einen entfepeibenben unb mäcp* 
tiflen Ginbrucf auf if)tt maepte. 3>pm träumte, 
er fäl)e fiep unten an einem jäljen unb fctjroffen 
Serge ftepen, über ben er geben mufete. Gin 
fd)ntaler Sußfteig führte längs eines fenlrecpten 
SelfeuabpaugS bis gtir oberften Spipe hinauf. 
Bur Sinteii beS 2öegeS fah man unten ben 
fürd)terlicpen 9lbgrnnb brennen, als märe eS ein 
feuriger Ofen. Stauch ftieg Von bort auf unb 
Slifce leuchteten bagmifdjen. Gr fah fiep um, 
ob er nicht einen anbern SluSmeq finbe; beim 
2eib unb Seele gitterten Vor biefem Slugcublicf. 
9tber Giner erfepien über bem Slbgrunb, beß 
Stimme mar mie Oonner, ber fprad): H^* 
Jöniten feine anberS anfommen als auf bem 
fcpntalen $fab. Gr verfugte nun ben ichmalen 
$fab fjinangitfteigen, bie Hi£* aber, bie von bem 
Seifen rechts, an ben er fidj anlehuen mufcte, 
^urüdgemorfen mürbe, mar faft noch unerträg* 
lieber als bie, mel(he aus bem feurigen Slbgrunb 
aufftieg. Gr tonnte iticpt mehr meiter; 2eib 
unb Seele verfepmaepteten ihm. Oa richtete er 
feine 9lugen in bie Höhe unb fah oben Bcmanb 
auf bem grünen Serge fiepen, von ben lieblichen 
Strahlen ber Sonne beleuchtet. Oie ©eftalt 
tarn näper, trat bis an ben Stanb bcS Seifen* 
abpangeS unb mintte ipm. 3ept fafete er neuen 
SDtutp unb inbem er bie peifeen SBangen mit 
vorgepaltenen Hänben befepattet, bringt er burdj 
Stauch unb ©lutp, einen 2Beg, von bem er ge* 
glaubt patte, fein Sienfcp forme ipn vollbringen 
unb auSpalten. Gnblicp erreichte er bie lang* 
erfepnte Hope; ba ftraplt alles in bunter $ra<pt 
unb Henlicpfeit. Gr mit! ben Unbefannten an* 
reben; ba ermaepte er. 

Slfrilaiter tonnte ben Oraum niept mepr ver* 


geffen; er quälte gleich einem Oorn im Sleifcp ; 
immer mieber mußte er bariiber nadjbenfen, toaS 
mohl ber Oraum gu bebeuten pabe, bis er Sne* 
ben faitb im Slute beS 2amnteS unb er in jenem 
fd)inalen $fab ben fcpmalen SÖeg unb in jenem 
Unbefannten ben H e ^ an b feiner Seele erfannt 
patte, von bem er von ben TOiffionaren fepon 
gepört patte. 

Oaß in biefen beiben Oräumen bie H^nb beS 
Herrn gu erlernten ift, fann mopl Stiemanb läug* 
neu, mie fie uns auch lebhaft erinnern an bie 
Stelle Hmö 33, 15—17: „^m 3/rau nt e beS ©e* 
fid)ts in ber Stacpt, rnenn ber ^cplaf auf bie 
2eute fällt, menu fie fcplafen auf bem Sette, 
ba öffnet er baS Opr ber 2eute, unb fepreefet fie, 
unb gücptiget fie, bafe er ben Sienfcpen von fei* 
nem Sornepmen rnenbe, uitb befdjirme ipn Vor 
Hoffart." 


Jlwbauer unter #d)imrrigkriten. 

Sott $. 


^liefet immer feaben biejenigen, bie mit ben 
l'l menigften Scfemierigfeiten gu fämpfen ba* 
vr ben, auefe ben feöcfeften (Srfolg anfgitmeifen, 
meiftenS geigt ba§ Seben üielmefer gerabe bnS 
©egeutfeeil. So möchte ich auch feeute eud) Don 
brei Bürnnern ergäfelen, meiere faft mit uniiber. 
minblicfeen £>inberniffen gu ringen batten, bi§ fie 
am gliingenbeu 3< eIe iferer Arbeit ftanben, ber 
©rfte mit fturgfiefetigfeit, ber 3rodte mit Dölliger 
Slinbfeeit, ber dritte mit Saubfeeit, unb bo<b 
brachten fie alte e§ gu einer bebeutenben ©röfee. 

$er (Sr fie ift ber ©efdn<bt§f<breiber (ßreöcott, 
ber, um eine ©eidjicbte öferbinanbS unb^fabetlaS 
Don Spanien fdjreiben gu fönnen, bie fpanifdhe 
Sprache unb Literatur ftubirte unb gu biefem 
3tnec! ficb eine Utenge Siicber au§ Spanien fom. 
men liefe. 9l(§ fie antamen, tonnte er fie aber 
nicht lefen, benn feine fdfon feit Saferen tränten 
5lugen waren fo furefetbar entgünbet, bafe man 
befürchten mufete, fie mürben bei fortgefefetem 
©ebrauefe Doüenb§ gang erbliitben. ©leiAwofet 
Derlor er ben fDJutfe nidfet, fonbern befdhlofe, bie 
für fein SBerf nötfeigen Stubien bennoefe gu ma» 
(feen, inbem er einen Sßorlefer anftetlte. aber er 
fanb fKieinanb, ber Spanifcfe berjianb; boefe ba 
bie fpanifcfeeit Sucfeftaben gerabe fo auöfefeen Wie 
bie englifcfeen, fo mar e§ boefe mögtiefe, 3femanb 
gu befommen, ber mit einiger Unterftüfeung be. 
treffs ber 9lu§fpracfee ber fpanifefeen 'Borte ifem 
menigftenä Dortefen tonnte, auife wenn er felbft 
feine 3bee Don iferem Sinn featte. Unb fo fafeen 
fte oft beibe einen gangen langen Sommertag 
feinburefe unter ben alten Säumen bei tßreScotfS 


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(Blaube unb Hoffnung. 


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Glaube trnb Jjjofuuttg. 


k enu bie Bruft in Kiimmerniflfen, 
£?art getroffen, fdjrner 3 erriffen, 
2XengftIid^ mailt unb miibfam 
bebt; 

0 bann ruft’s oon fernen b?öljen: 
„(Erbengram roirb balb oergetjen, 
(Traue bem, ber 0ben lebtl" 


IPenn bie IDüufdjc fid? 3 erfpalten 
Unb in flattcrnbcn (Seftaltcn 
Spottenb bir poriibe^iclfn: 

0 bann nafftt in golb’ncn (Träumen 
Hoffnungen aus fjöfycrn Hantnen, 
Die im Duft ber gufuuft blüffn! 

IPenn bas liebfite miü auf (Erben 
Diii? pcrlajjett, untreu roerben, 
(Tljräuenleer bein Huge ftarrt; 
Wirf bid? in bcs Paters Hrme, 

Dajj er 3 ärtlid? fid) erbarme, 

Hub bie ^rcube beiuer tjarrtl 

IDiU in ZTacbt bein (Tag pergeljen, 
ein frohes IPieberfefyen, 

Hus bem Dunfcl blitjt bas lid?t; 
leben fteigt aus (Sräbergrauen; 
Ejallclujaf?, bein Pertrauen 
Unb bein <51 a u b e täufcfyte nid?t! 


(<T. (Srumbadj.) 




U 


4 


4 



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582 


äufgefißaut unb (Sott oertraut 


t auS neben einanber, ber (Sine laS Seite für 
eite, offne and) nur ein einjigeS Bort ju ber» 
ftetjen ober richtig fprecßeit 511 tonnen unb ber 
Bnbere backte ü6er beit Sinn beS ©elefenen naeß. 
Später rourbe Beiben bie Sacpc etmaS leister unb 
geläufiger unb als gar ein Sorlefer fid) faitb, ber 
Spanifiß tonnte, gingS mit ber Arbeit boppelt 
fo fcßnell Poran uitb $reScott machte fic^ nun, 
itaißbem er BHeS gattj genau_ü6cr(egt hatte, toaS 
er fcfjreibett roollte, an baS Schreiben felbft. (Sr 
beitußte baju einen großen leeren Ijöijernen 
Bilberraßmen, oon bem 3 ?ormat beS 311 befeßrei» 
benben Rapiers, quer oon einer Seite jur Bu» 
bem mit feinen Weffingbräßten bezogen, bie 
ißm als öinieit bienen mußten. (Sr fCßrieb aber 
nidjt mit f?eber unb Stinte, fonberit über fein 
SSlatt legte er einen feinen 'Bogen Seibcupapier, 
toie mau eS jum DurcßjeiCßnen braucht, unb auf 
biefeS fdjrieb er bie Borte mit einem fein ge» 
f pißten ©riffel, fo baß man bie 3üge auf bem 
barunter befiitbiidjen Blatt erfennen tonnte, 
mierooßl fo fdßmacß, baß nur fein ißrioatfefretär, 
ber feine £>anbfcßrift genau fannte, ftc heraus« 
braute, unb bann für beit Seßcr beutlicß ab» 
feßrieb. So brachte er jeßn iitiibcooHc ^aßre 
mit biefem 'Berte ju; aber amt) nodj itaeß bem 
(Srfcßeinen berfelben blieb er cbeufo fleißig im 
BüCßcricßreiben bis au feinen Dob. 

Der jroeite, feßon ganj erblinbete, Wann, Pon 
bem ißr böten fotlet, mar ber berühmte 9 iatur« 
forftßer 6 u b e r, ber beftc Beobachter unb Ken» 
uer ber Bienen, ber feßon mit IG faßten fein 
Bugenlicßt ooflftäitbig eingebiißt batte. ©leicß» 
roobl gelang es ibm über baS Beim unb bie 
©eroobnljeiten ber Bienen, ihre Ratur, ibr fieben 
unb Treiben fo genaue Beobachtungen anjuftel» 
len, baß ein ganj neues Siebt auf Piele bis babitt 
ttodj Pötlig mtbcfaitute (Sigenfdjaften berfelben 
fiel, namentlich auf bie eigcittbümlidjen Ser» 
bältniffe ber Königinnen, Drohnen unb BrbeitS« 
bienen, Solbateit unb Solijiften im Bienen ftoef 
11. f. m. Bber mie machte er baS? (Sr fal) fie 
bitrcß bie Bugen feiner fyrau, bie ihn fo beglich 
liebte, baß fie ißr ©efießt ißm für feine gelehrten 
Oforfdjuitgen jur Serfüguug ftelftc. (Sr lehrte 
fie, ißre fcßarfeit Sagen ganj im Dien ft e feiner 
Biffeufcßaft 31t gebrauchen : fie gingen mit ein» 
auber an einen Bienenftocf; er fugte ißr, roaS er 
gerne befoitbers genau beobachtet haben mode 
unb mie fie es am beftett bamit anjugreifen habe, 
unb fie berichtete ißm bie (Srqebniffe ihrer Unter» 
iueßungen. Dann 30g er barauS feine Scßlüffe 
uitb bittirte ißr bann feilt berühmtes Buch über 
beit Bienenftaat, muß beffeit ©rfcßeineit uiele ge» 
leßrte 'Jtatitrforjcßer erft erfuhren, baß ein blin» 
ber Wann mehr uott beit Bmtbern unb ©eßeim» 
niffen beS BienenftaatS gefeßen hatte, als man« 
Cßer Wann mit jtoei gefitnben Bugen. 

Der Dritte ift ber taube 3 0 ß n K i 110, ber 


befannte Bibelforfcßer. (Sr mar ber Soßtt eines 
armen WaurerS. BIS er einmal feinem Bater 
ben Wörtel, ben er jum Bau eines Kaufes 
brauchte, auf ber Scßulter hinauf trug unb lang» 
fam bie Seiter emporftieg, glitt er aus unb fiel 
hinunter. Biele Bodßen lang lag er tränt unb 
leibenb barnieber. BIS feine Bunben roieber 
heilten, hatte er baS ©efjör Pollftänbig oerloren 
unb mußte in’S BrrneußauS. £)ier bureß feine 
Daubßeit gatt3 auf fteß felber angemiefen, er» 
tnaeßte in ißm ein maßrer Heißhunger für’S 
Sefen. Racß unb muß borgte er fuß immer meßr 
Bücßer jufammen unb oerfcßlang ißren Inhalt, 
bis enblicß einige eble Wenfcßenfreunbe auf ißn 
atifmerffam mürben unb entbeetten, baß er ganj 
unter ber .$anb ein bebeutenbeS Waß oon ae« 
lehrten Kentitniffen fuß angeeignet hatte. Wit 
gfreuben naßm er bie bon ißnen gemachten Bn« 
erbietungen, ißm ju meiterem grünblicßem Stu» 
bium ju oerßelfen, an unb fo gelang eS ißm enb« 
ließ, felbft mehrere auSgejeicßnete Bücßer jur (Sr» 
lärutta ber heiligen Schrift ju oerfaffeti, bie 
cßon Wancßem gute Dienfte jum beffern Ber» 
länbniß ber Bibel geleitet haben. 


Hufgeftyaut uitb (Sott vertraut 

Bon <9. »om*. 


u Bnfang beS acßtjeßnten SaßrßnnbertS 
lebte ein junger Wufitant in Süiteburg, 
ber bem ©runbfaß beS großen Reformators 
Dr. W. Sutßer ßulbigte: „Bet unb arbeit, fo 
ßilft ©ott aüejeit." (Sr hatte feine feßöne £ei» 
matß (Sifenacß nur aus Brmutß mit ber f)eibe» 
rejibenj Oertaufcßt, tiacßbem ißm beim (SßorbeS 
fürftlicß Süneburgifdßen Sanft WicßaelS @pm» 
tiafiumS eine Stelle als DiStantift angeboten 
raorbeti. (Sigentlicß mar er nur Sänger aus 
Rotß, benn mit feinem Klabierfpiet tonnte er ben 
Kampf umS Dafein nicht befteßen. Benn er 
Srioatftunben gab, empfing er brei Wariengro» 
feßen. ©lüefte eS ißm aber, einen Scßüler beim 
ffrübftücf ober BeSpern 311 treffen, fo fiel als 
Ürtra Honorar aueß noeß ein Butterbrob für 
ißn ab. 

BUroödßentlicß pilgerte ber Bcßtjebnjährige 
naeß bem fünf Weilen entfernten Hamburg, 
benn hier in ber reießen ©anbelSftabt, mo an ber 
Katßarinenfircße ber berühmte Weißer Johann 
Bbam Dteinfen angeftetlt mar, tonnte ber junge 
Dßüringer feßr oiei lernen, rnenn er bem Orgel» 
fpiele SReinfen’S regelmäßig 311 hörte. 

Bei feinen Befudjen in Hamburg fpetulirte 
ber junge Wufitant nebenbei auf ein Unterfom« 
men, meldjeS geeignet gemefen märe, feine ftrenge 



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JHäbdienbilbung. 


583 


®iät unnötig gu machen; beim auf bie Stauer 
Dielt er eS bei bet Süneburger Soft nicht auS. 

Ginft trat er, nacbbem niieberitm em 3?erfu<h, 
in Hamburg eine ©teile gu erbalten, feblgefcbla» 
gen toar, feinen SRüdmeg red^t nicbergefcblageit 
an. ©ein fDtutb war gebroden, aber nimmer» 
mehr fein ©ottoer trauen. ©ein finblidjer ©laube 
batte in ber ®rüfungSfd)ule beS CebenS beten, 
hoffen nnb märten gelernt, unb fo blicfte er ancb 
auf biefem triibfeligen ©ange boll frober 3u* 
berficbt auf gu ben Sergen, bon mannen uns 
■£>ilfe lommt. 3u feinem bitter» £>ergeleib butte 
fi<b längft ber 2t)rann junger gefeilt, als ibm 
unermartet aus einem SßirtbSbouS an ber 2anb= 
ftrafee ein berlocfenber Srateugerud) in bie fJtafe 
ftieg, ber feine ©(brüte unmillfürlich hemmte. 
Gr ma<bte bor ber 2 bür ber Verberge £>alt, gog 
fein leberneS Seutelcben berbor, unb gäblte ben 
(argen, aflgufargen Rabatt. 

$ta öffnete firtj über feinem Raupte ein ften» 
fter. ©in ©aft, roeldber beS jungen fDlanneS 
niebi mißgiwerftebenbe 9fftion angefeben batte, 
toarf ibm ein paar ©peiferefte gu; eS waren 
jroei #eringSföpfe. SCßenn ber hungrige biefe 
Fragmente beS geineinften ©eefifcheS begierig 
bom ©oben aufbob, fo batte er bagu gang be= 
fonbere Seranlaffuttg. Gr mar ein 2büringer, 
unb in feinem fteimatblanbe galt bamalS unb 
gilt noch beute ber „folgen ßaruitg" für einen 
Sederbiiieit. 9tucb ber junge Wufifant liebte bie 
geringe, 9Hit bem ?lermel feines IRodeS pupte 
ber Gmpfänger bie Häupter feiner Sieben, ba — 
entbedte er gmifeben ben Siemen eines jeben ber» 
ftedt, groei blinteube $ufaten! fDtebr als fein 
Sobn für brei Wouate betrug, batte ibm 3?or= 
tuua gugeroorfen. 

2Ber bie Stolle ber ©liidSgöttin gefpielt, (onnte 
er nicht erfahren, beim als er min, ouSgerüftet 
mit einem felteneu IReichtbum, bas SBirtbSbauS 
betrat, um ficb giülid) gu tbun, tonnte er beu 
Wohltätigen ©aft nicht entbeden. 

$ie alfo gefpenbete ©abe fepte ben Gmpfänger 
in ben ©tanb. uod) länger in feiner ©teHnng 
auSgubarren. 9tud) ^nbregfrift gelang es ihm 
mit $ilfe treuer tJreunbe gu ber ßoffapelle und) 
SBeimar gu (onimen. 3taS ÜJJorgenrotb einer 
neuen 3 e 't mar für ihn angebrochen. fDlädjtig 
entfaltete fein ©cniuS bie Schwingen, unb ftieg 
als leucbteitbeS Weftirn am Sunftbimmel beut» 
feber Station empor. 

©eit anbertbalb Jtabrbunberten fenut nnb 
ehrt bie 2öelt biefen SJtufifanten, ber fein ©e= 
ringerer mar, als XeutfdjianbS erfter unb groß» 
ter Crgelfpieler mtb Crgelcotnponift, nämlich 
Sobann ©ebaftian 33ad), geb. 21. Stärg 1C85 
gu Gifenadj, geft. 30. 3uli 1750 gu Seipgig. 

GineS feiner fDleifterroerfe (Sirdjencantnten) 
führt ben Uitel: ,,©ott ift mein Sönig". 

ffiie febön, wie herrlich, fprecfjen gu fönnen. 


©ott ift mein Sönig. $er barf getroft bem 
Sater über ben ©ternen feine ÜBege befehlen, 
barum: 

Sing’, bet’ unb gel)’ auf (Sottes IDegen, 
Derrid)tc beine pfHdjt getreu, 

(trau ihm unb feinem reichen Segen, 

So n>irb er täglich bei bir neu: 

Denn wer nur feine guoerfiebt 
2tuf (Sott fetjt, ben »erlägt er nid)tl 


Ittäödjntbilöuiig. 

San Gntnta §erger. 

f äbrenb man febr toiel ©emi^t auf bie ®il« 
buitg beS Sitaben legt, roirb in fo man« 
eben, ja in ben weiften fjfäflen bie Silbung 
beS fDtäbcbenS oernadjläffigt. 

2Bobl ift eS wahr, baf; ber berangemadjfeite, 
gum fUtanueSalter gereifte Snabe feinen tßlap 
auf ber 95übne ber 2Belt einnebmen muff, uno 
weither 91rt berfelbe ainh fein mag, ift eS notb= 
menbig, bajj ber Snabe menigftenS eine gewöhn» 
liehe ©djulbifbung befipt, nnb mehr ober minber 
mit ben betfebiebenen 2Biffenf<haften befannt ift. 

Cbroobl aber baS fDtäbcbcn feine fol<b’ öffent» 
lidje ©teile einnebmen roivb ober feilte, ift eS 
bod) ebenfo wichtig, bag feine Söilbuitg mit glei« 
eher Sorgfalt überwacht unb geleitet werbe. 

SSiele Gltern befinben fidt) in einem großen 
3rrtbum, inbem fie fidt) einbilben, baf; eS ae« 
nügenb ift, wenn bie Södjter lefeu unb fd)reioen 
fönnen, nnb baf; ihre Silbung nur in praftif<ber 
Sennlttif; ber pauSavbeit beftebe, unb bat ein 
Weibchen Stift gum Sefen, unb nimmt bie unb 
ba eine 3eüung ober ein ®u<h gur ^anb, fo 
wirb fie geitDerfchwenberifd) genannt, unb ihr 
2efen als ein Uebel betrachtet, welches burdjauS 
übermutiben werben mufe. GS ift wahr, baß 
manche Wäbd)en guoiel 3eit gum Öefen berwen« 
ben, unb baburd) nötbige Pflichten berfäumen, 
was natürlich unrecht ift, tmb ihnen nur gum 
©chaben gereicht. 

ffiäbrenb ber Snabe bis gu einem gemiffen 
91lter alle Freiheit bot, nach ben ©djulffunben 
1 fich gu nmitfiren, unb burdj bie ®ewegung int 
freien eine gefunbe Sonftitution unb einen ftarf 
gebilbeten Sörper gu erlangen, unb burcf» ®e« 
obachtung ber Statur fo manche Senntniffe fich 
angueignen, ift baS fÖläbchen in ben meiften 
3?äKen aus ^>auS gefeffelt, eittmeber itgenb 
welche 2lrbeit gu bcrrichten, ober, wie eS bei ber 
reicheren Slaffe häufig ber f^cill ifl, um bie guten 
Sleiber gu fdjonen unb bie ©efichtsfarbe fd)ön 
weif; gu bewahren, ©o mancher ©eufger ent« 


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584 


Plöbdienbilbung. 


fließt ber kleinen, »enn fie fiebt, tuie anbere 5Tin= 
ber, beren ©Item tninber ftreng finb, fic^ im 
herrlichen ©onnenfchein tummeln, Don ©anb 
£hid)en bacten, ©töbte bauen uitb fo mancherlei 
fünftliche Sachen machen ober fonft, ungebinbert 
auf bem grünen Stufen if;r ©{fiel treiben, »äb= 
renb fte bödjftenS ein ober jtoei ©tünbdjen beS 
$ageS mit ber Slmme fittlid) bie ©änge beS 
©artenS burebwanbern barf. 

©dfon in ber früheren ?>iu]cnb faßte bem 
Stäbchen fo»obl als bem ßnaben jeben Stag 
eine geraunte. 3eit erlaubt fein, fiel) in bequemer 
Jtleibung ungebinbert Don allen ©orgen bem 
©piele im freien ju ergeben, nur foßte barauf 
gefeben toerben, baß bie ©pielgenoffen Dom fei» 
ben Silier uitb artige .Qiüber finb. 

SBenn bann burch baS Spielen im ©anb unb 
in bet ©onne baS Qleibchen ein wenig befdpnußt 
unb baS ©efidjtdjen Derbrannt wirb, faßte bie 
Stutter nicht gu ftreng fein. 2)iefe Stäben »er« 
ben mehr a(§ jehnfad) erfeßt burch ben gefunben 
Qörper, »eichen ba§ Qinb gewinnt. ein ge« 
funber Körper als jjfunbament Dorbanbcit, bann 
fann ohne ©eforgniß, bie SluSbilbung beS ©ei« 
fte§ beförbert »erben. 

SebeS Stäbchen foßte einen grfinblidjen ©le« 
mentar«Schulunterricht genießen unb wenn 
möglich fi<h höhere .Qcnntniffe aneignen; boch 
foßte in ber ©rwäfjlung bcrfelben Stüdficht ge« 
nommen »erben auf bie itatürlid)cn Slnlagen 
beS StäbdjenS, beim bie 3eit, »eiche für fold)e 
©tubien Derroanbt wirb, für bie bas Stäbchen 
burchauS feine 2uft ober natürliche 21 ttlagen bot, 
ift Derfäumte 3eit. , 

3u bem empfeblungSioertbeften ©tubien ge« 
hören Stufif, Stalen, ©efdjidjte, Statbematif 
unb ipbhfiologie. Stufif ermuntert ben Stelan« 
<holif<ben unb befänftigt ben 3omigen. 2>ur<h 
fie »irb bie ©efcflfihaft erheitert unb baS Sehen 
berfebönert. fötalen erwedt einen ©inn für baS 
©chörte unb Derebelt ben ©efebmad; ©efchichte 
ftärft baS ©ebädjtniß; Statbematif fchärft ben 
©crftaitb unb ©bbffalogie ift bie Qenntniß Dom 
Körperbau beS fDtenfcben unb ben ©efunbbeitS« 
regeln, unb manche Äranfbeit fönnte Derbütet 
werben, »enn jebe #auSfrau mit biefem ©tu« 
bium befannt wäre. 

$ur<b ©ittjiebung einer guten ©djulbilbung 
tauben bie ©Item ißren 2örtern, »aS fie burch 
leine ©d)äße, welche fte ihnen binterlaffcn mö= 
gen, erfeßen föttnen, benit 9tcid)tbümcr Dergeben 
oft, aber bie Schüße beS ©eifteS fönnen nie ge« 
raubt »erben unb fönnen ben täglichen ©röb« 
erwerb um Sieles erleichtern. 

2>ie Silbung beS JtinbeS gebt beftänbig bor 
fid), nicht nur in ber furjen 3eit, in »eldjer eS 
unter ber beftänbigen Slnfficht be§ SebrerS ift, 
fonbern auch in ben freien, bem ©piele ge»ib= 
meten ©tunben, in »eichen ba§ ßittb umbiffent« 


lidb bon ben ©borafteren unb SfenfungSarten 
feiner ©pielgenoffen beeinflußt »irb. Südjer, 
bie jur Unterhaltung ober jum 3e<tDertreib ge» 
lefen »erben, finb ein anberer mistiger fjactor 
biefer inbirecten ©ilbung. ©S »irb oft argu» 
mentirt, baß ber gute ober böfe ©influß folcber 
ffiiid;cr auf ben ©eift ober ©borafter fefjr nnbe«. 
bcutenb ift, unb baß im fcblimmften Solle ba§ 
Sefen berfelben nur eine ©ergeubung ber 3 e *^ 
fei. Slbcr bie§ ift ein großer Jfrrtbum, benit 
biefe ©lieber »irfen täglich, jo ftünblich auf bie 
Sugenb unfereS SanbeS. ©tauche ©üdber finb- 
rein, »abr unb erbebenb unb berebeln baS ©e» 
mütb; anbere bagegen finb giftig unb erniebri» 
genb unb »irfen ©erberben. ©Item foflen »oht 
barauf achten, »eiche ©ücher ihre Stinber lefen, 
bodj ift e§ nidjt rathfam, bie fchlechteit ftreng ju 
berbieten, »eil oft baburdj bie Seugierbe geioedt 
unb berftärft »irb unb oft ju mitternächtlicher 
©tunbe, »enn bie ©Item längft im fanftetr 
©chlumnter ruhen, »irb biefeS ©erbot ungebin« 
bert übertreten. Slber burch freunblid>e, "ernfte 
©rflärung foßte bem Qiitbe beutlich gemacht 
»erben, wie nacbtljeilig foldje Südjer unb ©ebrif» 
teit für baffelbc finb, unb hoben bie ©Item baS 
3utrauen beS ÄiitbeS gewonnen, baß baffelbe 
Weiß unb fühlt, ber ©ater ober bie Stutter 
meint eS gut mit ihm, »irb biefer ©tan feiten 
fcblfdjlagen. 

©iefleidjt am bebeutenbften ift baS elterliche 
©jempel, bejfen ©influß beftänbig unb mächtig» 
lieh wirft. Sticht nur abmen bie ßinber baSje« 
nige nach, t®aS fte feben, fonbern ber ©eift, ber 
fie umgiebt, burdjbringt ißr ©emütb- 

3)a ber ©MrfungSfreiS beS Stäbchens meifteitS 
im 4?aufe ift, ift es felbftDerftänblid), baß fie 
bnuptfächlid) praftifdje $enntniffe Don £>auS= 
arbeit befißett faßte, ob fie in fpäteren fahren 
fctbft baDon ©ebrauch machen muß, ober über 
Sicnftboten ju befehlen hoben »irb. 

3ur wahren Silbung gehört ein guter, fefter 
©baraftcr, benn gerabe b'er religiöfe unb mora« 
lifdje 2ßeil ber ©Übung ift baS ©lentent, welches 
allem Slnbern feinen ©fertb Derleißt. fflo immer 
baS ©täbeben fidj befinbet, muß fie wiffen fid) 
anftänbig unb »oblgefittet ju betragen unb »o 
immer fie mit Slnbern in Serübrung fommt, 
foßte fie einen bilbenben unb Derebelitben ©in» 
fluß auSübcn. 

©o wie bie Steligion bie größte cibilifirenbe 
©taebt auf Grben, fo ift bie Sfrömmigfcit ber 
©chliiffel afler wahren Silbung unb ©ittli^teit, 
unb wo wahre fSfrömmigfeit im bergen thront, 
»irb fie ben ©barafter imb ©ßanbel beS ©ten* 
f<ben regieren. 


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Hatfearina II. 


585 


putljariita II., Batfrriu non Jlttfjlaub. 

®on 3. ®djlaBtitljaitf. 

iefe burd) ©eift unb Staaten attS= j ntalom eine ZntfagungSurfunbe beS ruffifd^en 
gejeichnete #errf<herin war Die Ibronee gur Unterzeichnung borgelegt würbe, 
iochter beS dürften Zhriftian leiftete er ohne 3ögern {folge, unb lief; fich als 
9luguft bon 2lnfealt»3erbft. ©e« ©efatigener nad) bem fjatibhaufe 9topfd)a brin. 
bereit am 2. *Diai 1729 $u Stettin, gen, mo er am 17.3»l< 1762 unter ben Rauben 
Wo ihr Sater als preufeifefeer ©ouoerneur ftanb, bon Serfcfewörern ftarb. 
erhielt fie bei ihrer iaufe bie fJtamen Sophie ®ie Krönung ber neuen Derrfcherin et folgte 
9lugufte, tmirbe, erft 15 2fah« alt, auf Ser. halb barauf am 22. September. Sott bem ©en. 
antajfung ffriebrichs II- bon Preußen, im 3afete fer ^uroetier Sauzin liefe fie fief) eine Krone an. 
1745 mit bem ©rofefürfiett 'Bieter Permäbtt, ber fertigen, bie 2 StiUionen 9tübet foftete, unb mit 
im Safere 1762 als Seter 111. ben ruffifd^en wenig Sbanberungen nod) beute als Kuiferfrone 
$ferou beftieg. gebraucht wirb. 3)iefelbe ift mit 58 großen unb 

Sei ihrem Uebertritt zur grie<hif(h s Iatholifdjen 4878 Keinen Sritlanten, fomie mit 75 matten 
Kirche nafem fie bie 9tamen Katharina Sleriewna '-Perlen befefet unb 30 Zentimeter hoefe. 
an. $ie Sermähluitg warb am 10. September Zineßieoolution bon wenigen Stauben brachte 
1745 mit grofeem Sotnp ooDjogen, unb bie erften eine bcutfdje 3?ürftentod)ter auf ben SLferoit ber 
3abre fetjien ein gliidlicfecs Serhältnife jwifefeen 3a r en. 

ben betben Z begatten objuwatten, bie Zreigttijfe SDtit 9ted)t legt ibr bie ©efdjichte ben Flamen 
fpiiterer 3fabrc führten aber eine Zntfrembung ber grofeen Kaiferitt bei. ®ie Slätte Seters beS 
herbei, bie mit ber 3eit immer gröfeer tmirbe, ©rofeett jur ©efittung, Kräftigung unb Ser. 
bis jebeS feinen eigenen fJteigungen liacfeging. gröfeerttng 9tufelanbS, würben bon ihr mit Zrnft, 
9IlS ber Kaifer bertauten liefe, feine ©emafefin ©efdjicf, SuSbauer unb Zrfolg betrieben, 
fainmt ihrem Sohne Seter in ein Klofter fper. 3" ber Unterbrücfung ber Sufftäube im 9teid)e 
reu ju laffen, fafete fie ben fühlten Ztitfcfelufe, war fie erfolgreich, unb faft alte ihre Kriege be. 
ihrem ©emahl bie .fjerrfchaft ju entreifeen, unb enbete fie mit einer Sergröfeerung ÜtufelanbS, 
fich fetbft auf ben Sfhron ÜtufelanbS zu fehen. unb berfefeaffte ihm ein fühlbares Gewicht in ber 
9tad)bem fte finge unb eutichloffene Sfättner SSagfdjale europäifeber Staaten, 
im Staat unb £>eer für fich gewonnen hotte, ®en Siirfen nahm fie bie Krim ab, int Ser. 
berliefe fte in ber 9Jacfet beS 9. 3uli 1762 baS ein mit Cefterreid) unb Sreufeen ftridb fie Solen 
Suftfchtofe Seterhof unb eilte berfleibet ber aus ber 9feif)e ber ^Rationen unb rife Kurlattb 
fmuptftabt ju, wo fie 5 Uhr SiorgenS anlangte. att fi<b. 

Schon um 7 Uhr fetfe fie in ©arbeuitiform zu Stich in Sficn befeftigte unb erweiterte fie ihre 
Sferbe, unb ritt, bott mehreren Snhängern be. ÜJlacfef unb ©renje, entrife Serfien ben £>afen 
gleitet, bor bie Kafernen ber ©arbe, welche in Verbeut, unb berfuchte noch furz bor ihrem $obe, 
ber Sfeittuttg, ber Kaifer fei geflorbett, ihr ohne fich 8<hWebenS burd) eine feeirath ju berfichern. 
Schwierigfeit ben <Sib ber Sirene fchwuren. Son ©egen bie franjöfifdje Seoolution hotte fie 
hier zog fie in bie Kafanfirche, Wo berahrebeter. einen folcfeen SMberwiflen, bafe fie aßen Serfehr 
weife bie ©eiftlidßeit unb ber Sifd)of bon 9iow. mit bem ueuformirteu Staate abbrach, 
gorob fie erwarteten, in beffett ©attbe fie fihwur, 9fid)t nur nach Sttfeen entfaltete fie eine er. 
bie ©efefee beS 9teid)eS unb bie ^Religion beS ftauttlicbe Stljätigfeit, auch int Ämtern beS 9iei. 
SolfeS aufrecht ju erhalten. 9loch ZrUjeilung cfeeS wirfte fie als bilbettbe Schöpferin auf allen 
ber Skiljen berlünbigten Kanonenfchüffe ben er. ©ebieten ein. 

ftaunten Setbohnern SeterSburgS bie 2öahl einer ®ie Serwaltung ber 9ied)tSpfIege war bisher 
neuen ^errfcherin. ber SMDfür ber 9ticbter anheimgeftetlt, bie nach 

3n einem Wanifeft, welkes fie fogleid) erliefe, einem bereiteten ©efefebud) naa) Selieben baS 
fitnbigte fie an, bafe fie auf ben ©unfd) ih«r 9fecht hanbhabten. 

Sötfer als „Kaiferin Katharina II" ben 3:hion : Katharina fafete ben fühnen ©ebanfen, ben 
befteige, baS Saterlanb bom Untergang ju retten, j 9luffen ein neues ffiefefebud) ju geben, unb fdjrieb 
911S ber Kaifer Kuttbe bon biefen Sorgängen ] ihre berühmt geworbene „9lnmeifung jum ®e. 
erhielt, founte er feinen feflen, mannhaften <5nt=! fefebuche." 

fchlufe fuffen, unb ba er fich beim £>eere unb be= 91uS aßen Sö(ferfd)aften ihres umfangreichen 
fonberS bei ber ©eiftlichfeit uttliebfam gemacht ©ebieteS liefe fie^lbgeorbnetejufnmmenfommen, 
hatte, fanb er ttirgenbS nachhaltige Unter, um ihnen bie fHnmeifungen borlcfett ju laffen. 
ftüfeung. 911S ihm burch ben Kammerherrn ®ie Sifeuugen würben mit ber gröfeten freier- 



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586 


Wit |jö!)le bei Suratj. 


lidjfeit eröffnet unb Ratljarine hörte ungefefjen in bie bebaglicfffte Stimmung berfefft würbe, 
ben S3erf)anb(ungen gu. 91IS einft in einem ^alaft ihre SBüffe mit rotier 

$ie 9lbgeorbneteit ertheilten ihr ben öeinnmen {färbe befubelt worben mar unb alle Urnffeffenben 
ber ©roffen, ber SBeifen, beriJRutter be» ißolfeS. in f)öd)[te ©ittrüffung nuSbrachen, fagte ffe 
5tur ben lebten Flamen erffärte ffe onnehmeit gu lacffenb : OaS mar gewiß ein 'Uage, ber mein 
fönnen. ©ans Europa goflte ihr Sei fall unb ffarfes Söhnt infen lächerlich machen will, 
legte ihr ben fRamen ber ©efeffgeberin beS 9tor= ] $apff *PiuS VI. ffhloff eiitff einen Srief an 
benS bei. ®aff feine erfpriefflicheren IRefuItate ffe mit ben SB orten: ,,©oti möchte hoch bie 
für bie SDßohlfahrt beS SanbeS au» ber Ser* Äaiferin erleuchten unb ffe gu ber heiligen fatljo= 
fainmlung entsprangen, barait waren bie ffch oft lifchen Rirdje jurücfführen," worauf ffe erroi« 
freugenben !Jntereffcn unb bie Sefdjränftheit ber berte: Sie bitte ©ott, hoch benSßapff gu erlemh» 
91bgeorbneten fdhulb. ten unb ihn in ben Scho off ber rechtgläubigen 

Um eine allgemeine 93olfSergiebting hfrbeiju« griechifchen fii reffe gu führen. ÜJtit SPinbern 
führen, feffte ffe eine ©rgiefjungS»©ommifffon berfeffrte unb fpiette ffe gerne unb fchrieb fogar 
ein, welche 9lnftatten gut Silbung bon Seffrern, für ben Unterricht ihrer ©nfel bie Sibliotfjef ber 
fRormalfcffulen unb gewöhnlichen Schulen im ©rofffürffen. 

ganten ^Reiche anlegen füllte. ®en ©efanbten frember $öfe, ben Wienern 

Sie fChicfte ©eiehrte in bie berfcffiebenen $ro» ihrer Stacht unb bem Solfe gegenüber geigte ffe 
bingen ihres weiten SReicffeS, um bie Schliffe ber ffdj gang anberS. Sobalb ffe bie .fpanbfCfjube 
fRatur, bie Sitten, ben SilbungSgrab ber 33öl= angelegt unb ihre 3intmer berlaffen hotte, nah« 
ferfCffaften unb bie Spuren ber alten 3eit 31 t er= men ihre 3üge ben 91uSbrucf furefftgebietenber 
forfcffen. Sie felbff berfaffte Ueberfeffungeit Cwffeit an, unb bie liebenSwürbige, bergnügte 
auSlänbifcher Sßerfe unb beS 9IlterthumS unb ffrau berwanbelte ffch 3 ur majeffätifchen ©ijr« 
gab benjeitigen, bie fiCh bamit befdjäftigten Se= furcht aebietenben Raiferin, ber man nur fCffüCh« 
tobnung. Stit rafflofem ©ifer förbcrte ffe bie tern [ich nahte. 

[Rechtspflege, Gibilifation, ,[fünfte, SBiffenfchaft Katharina war in ihrer 3ugenb fcffön gewe« 
unb ben wcferbau unb trug Sorge für bie Firmen fen, ©ragie unb Slnmutff blieben ihr auch im 
unb Unterbrücften, felbff auS fremben Säubern. Alter. Sie mar mittlerer ©röffe unb mofflge« 
3eber Siffung beS StaatSratffeS wohnte ffe per= wachfen, hotte eine offene Stirn, gebogene Safe 
föitlich bei, jebe ®epefche, bie einlief, laS ffe unb in ihren blauen Gingen matten ffch Sanft« 
felbff unb hatte über jebem jEfjeil beS bielfach mnth unb Stotg. 93ei einem auSbrudfSboHen 
aegtieberten [Reiches ihr roncfffameS Auge. 'Sie ©effchte befaß ffe fo biet SelbffbeherrfChung, baff 
©runblagen ihres ©harafterS waren Stenfch« man nie auf bemfelben bemerfen fonnte, was in 
liebfeit, SBoblwolIen unb ©roffmuth, mährenb ihr ihrer Seele borging. Sie lebte febr nüchtern, 
SJutfj, ©ntfCffloffenheit, SEffätigfeit unb Släffff friihffücfte nur wenig, aff mäffig gu SRittag unb 
gung ffttlidje ©iqenfdjaften an iffr waren. 3hre enthielt ffch gängtiCff ber Abenbmafflgeit. 
^auptleibenfChaften waren ©hrqeig, [Ruffm unb Am 17. Sobember 1796, nach B4iähriger 9 te= 
©roberungsfucht, ihre fehler bie ihres StanbeS, gierung, ftarb ffe an ben {folgen eines Schlag« 
ihre Sitten bie ber £>öfe ihre» 3aljrbunbertS. fluffeS, umgeben bon ihren Angehörigen, bie 
3m ^ribatumgang war ffe IiebenSwürbig unb : Ströme bon SEhränen bergoffen,'beweint bon 
milbe, baff ihre Umgebung bunff ihren Junior I ihrer Umgebung, betrauert bon gang [Rufflanb. 


Pic goljlf bei fttrni). 

®on Arno ©. ©aebeleiit. 

^|n|er herrliche £>ubfon = ffluff wirb fehr oft giebt, iff nicht nur bie romantifeffe Sage, fonbern 
•v bon SReifenben ber amerifanifeffe [Rhein auch baS ©efCffichtliche, welches ffch um bas ©äuge 
genannt, bodj wer fCffon einmal ben 23atcr fcfflingt. 

'Rhein befahren unb jene reigenben Sanbfchnften, ®oCh Wer ba fagt, baff unfere neue £>eimatb 
welche feine Ufer fchmiitfen, betrachtet unb bie arm iff an fRomcintif, ber irrt ffch gewaltig, 
alten Sutgen, Denfmäler längff bergangener ©otteS $anb hat auch hier biete Aaturmunber 
3eiten angeffaunt hat, wirb miffen, wie wenig erraffen. 3w Offen ffnb eS bie „SBhite fDloun. 
ber 95crgleiCb ein richtiger iff. 2öaS bielen Sanb» tainS", in ben mittleren Staaten bie AfleghenieS 
fdiaften in ber alten Seit einen folgen IReig mit ihren fChönen Scenerien, im SBeften bie 


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Pie Höljlt bei £urmj. 


587 



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588 


Pie Ijöple bei ^uraij. 


wolfenüberragenben üiocft) WountainS, rodele 
Don 3aljr 311 3>al)T Don SaufenDen befugt uitb 
bewunbert werben. Unb mancher Caubftricp er« 
freut nicht nur meinen feiner lieblichen Saue baS 
9luge, foubern mich gefcpicptlicpe ©rinneruugen 
werben in bem ©emiitpe beS ©ebitbeten rnaep« 
gerufen. Ohne ^lueifel fteht hierin bie ©egenb 
obenan, welcpe_bie Stabt Baltimore Don SJÖeften, 
fRorben unb «tibeu umgiebt, unb bie Staaten 
Warplaub. SSii^inia, ©3eft=©irginia unb ©enii« 
fplDnuien umfcplieBt. fRomantifcp ift biefe ©e= 
genb wegen beS fchönen bewatbeten „©lue Otibge 
©ebirgeS", hie unb ba Don Strömen, wie ben 
©otomac unb Shenanboah, burepbrodpen — 
piftorifcp, weit biefe ©egenb ber Sdpauplaß be§ 
bebauernöwertpen SrubertriegeS gewefen. Siefe 
©egenb ift in leßter 3eit noch berühmter gewor» 
ben burep bie ungefähr Dor 5 3(ihren entbeefte 
|iöple bei Curap. 2Ber pat nicht fchon Don bem 
unterirbifetjen SBunber, ber Weimmutppöple in 
ftentucfp gelefen ? 9tber in ber Spat wirb Warn« 
mutp Don Curat) übertroffen. 

©inem tängft gehegten 9Buufcpe nadpgebeitb, 
machte fich ber Schreiber biefe» in ©efellfdpaft 
einiger 9tmtSbrüber Don Saltimore auf, um baS 
ju fehen, waS für unbefcpreiblicp gilt. 

©on jßnfpington an fteigt bie ©altimore unb 
Ohio ©ifenbapn beträchtlich, unb botb fiept man 
im ©orbeigruube ben Wie ©ewitterwotfen aus« 
fepenbeu ®ebirg»jug liegen. fRacpbeni ber ©oto« 
mac mit feinen [teilen gelswänben baS 91uge ber 
fReifcnben eine 3rit lang erfreut patte, freujte 
ba» Sampfrofe „£>arper§ gerrp"; jur Cinfen 
fepen wir gopn ©rown’S gort unb bie 'Jtuinen 
beS 9Bnffen«9lrfenalS tiegen. ©ei Spenanboap 
3'imction werben wir auf baS ©eteife ber e>pen« 
anboap=Sapn gebracht, unb nach 3*'rücf(egung 
Don weiteren 6(5 Weiten erfdpallt ber 9tuf beS 
©onbucteurS: „Curap!" 

Sie Sage biefeö StäbtcpenS ja fepen, ift fepon 
ber Wiipe unb beS ©elbeS wertp. 9tber lange 
3«it 311 biepterifepen ©etradptungen haben wir 
niept, benn noch finb wir niept an Ort unb Stelle, 
©ine 9(ii3eipl ©efäprte fiepen bereit, um bie 
Sotiriften nach ber jwei Weilen entfernten 4?öple 
311 bringen. Schnell füllt fiep eine ber gerabe 
niept fepr eleganten ©guipagen unb fort ging eS 
über bie raupe ©ebirgsftrajje — in ber Spat 
eine Seefahrt im kleinen! 

Ser ©laß, worunter bie |>öple fiep befinbet, 
ift ein tapfer liügel, über ben ©ingang 3itr 
©rotte ift ein £>au§ gebaut. fRacpbem bie ©e= 
fueper fiep iprer fRegenfcpirine unb ipreS ©e= 
pädeS entlebigt patten, ging e§, an ber Spiße 
ein fuubiger güprer, in bie Unterwelt. Ser 
©ingang ift 3'iemlich enge unb finfter, boep halb 
erweitert fiep berfetbe. Sa nodp um eine 2Ben= 
bung, eine eleftrifcpe Campe giebt uns baS Cicpt 
unb plößlidp büntt eS uns, wir finb in eines 


ber unterirbifepen Sdpaßpäufer oerfeßt, welche 
3werge unb fiobolbe im ©efiß paben. ©ine 
weite geräumige ^jallc liegt Dor uns, ungefähr 
30 guß poep; Don ber Sede pängen bie glän3en« 
ben, in oerfepiebenen garben fdpimniernben ©e« 
fteine herab, welche burep baS elettrifdpe Cicpt 
beleuchtet, wie ungeheure ©impfen erfepeinen. 
9©opl allen Cippeu entfcpliipfte bei biefem impo« 
feinten 9lnblid ein bewunbernbeS „91p!" Socp eS 
ift ja nur ber 9lnfang, unb wie eS unfer güprer 
nennt: „©utrance .fiall". ©§ gept Dormcirt». 
9ßafpiiigton’S Säule unb ein ©lumengarten 
finb bie näcpften ©egenftänbe, welcpe burep bie 
Steine gebilbet finb. SBafpington’S Säule ift 
20 gufj poep unb gept Dom ©oben bis 31er Sede, 
umgeben Don taufenb (leinen Säulcpen, unb 
fiepe! sur rechten finbeft bu ben ©lumengarten, 
fleine unb große ©emäcpfe fepeiuen aus bem 
glatten ©runbe peroorgefproffen 3U fein, unb je 
mept man piublidt, befto natürlicher erfepeint eS. 
fRun gept es über eine natürliche ©rüde in eine 
£>alle, weldpc „baS Speater" benannt ift, unb 
alles bis jeßt ©efepene übertrifft. Süden wir 
Don hier riidwärts, fo paben wir einen Ueber« 
blid bis 311111 ©ingang, bon Dornen aber leueptet 
uns ein ©pnoS Don ©efteinen unb pellen fRifcpen 
unb ©ängen entgegen; boep wir ftnb allein. 
Unfer güprer ift uns Dorangeeilt 3U einer anbe« 
reu iutereffanten ©ruppe. ©iSmard! ruft er 
uns entgegen. ©iSmard? ©i, wie fommt ber 
benn nach ©irginien ? Socp anf’S neue ruft ber 
giiprer uuS ben 9tamen ber gormation 3U, unb 
bieSmal Derftept eS ber Scpreiber reept: „gifdl* 
martt!" 

Unb wirfliep, ba pängen fie 3U Staufenben, 
große unb (leine gif^e, grau unb weiß gefärbt. 
— O, wie natürlich! Wän (ann (aum baSSüige 
abwenben, um — bodp nur ein noep größeres 
Jöiutber 3U fepen. SBir wenben u«S reepts, unb 
nadp bem ©rfteigen Don 75 Stufen befinben wir 
1111S in einem geräumigen Saale ,,©lfen«£>ei» 
matp". Ser Saal mag ca. 500 gujj lang unb 
2—300 gnfs breit fein, bie Sede pat ein bläu» 
licpeS 9luSfepeti. ©in nieberer ©ang füprt uns 
naep einer fJiifcpe, eS ift gan3 bun(el; plö|licp be« 
inerten wir, bafi fiep 3U nuferen güpen ein tiefer 
9lbgrunb auftpnt, unergriinblicp, wie ber güp« 
rer bemerft. @S foD ber ©nbeS fein. Sodp ganj 
unten tief im ftintergrunbe befinbet fiep eine 
Cicptgeftalt; ber immer 3ur 9luS(unft bereite 
„@uibe" erdärt: „bie Säule fei ein ©efpenft." 
fRocp eine ganje SReipe Don Heineren Singen tre« 
ten uns iit biefem Speile ber $öple entgegen. 
|>ier ber Äopf eines flameelS, ba lange 3öpffn 
Don Sropfftein, bie faft ben ©oben erreicht paben, 
unb immer tropft unb rinnt eS nodp. SaS ift 
bie ewig fpielenbe Spule, weldpe biefe ©eftalten 
webt, gn eine jweite fRifcpe eiitbiegenb, finben 
wir eine Quelle frifepen SDafferS, um3äunt Don 


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Pit piiljlt bei furaij. 


589 



einem gangen SBalb tneißer 3äpi<b e,t — unb 
inbem mir burd) einen ©ang nach einer nuberen 
3lbtbeilung eilen, merben imS non betn Rührer 
etliche am Soben liegenbe ßnodjen gezeigt. ©S 
füllen 9Jlenfcbenfno<ben fein. Oie ©elebrten 
0>r. Sofepf) Seibp non Ißbilabelpbia unb Or. 
©Imer Sfepnolbs non bem <Smitbfonian=3>nftitut 
haben biefe Angabe als mabr beftatigt. Slnnto« 
miften fagcit, eS feien bie Ueberrcfte eiltet inbio« 
uifchen itinbeS. 3lit anberen ©teilen ber V>ol)le 
merben 3lbbriicfe non ÜDtoccafin’S unb auberen 
gußfpuren gezeigt. 

©ine an ben nielfachften ©ebilben 
reiche ©rotte, „Oberon", burdjmau» 
bem mir unb fommen nadj ber 9tie» 
fenbaüe. 2lm ©ingange berfelben 
tnirb ein non ber Oede perabfjängen* 
beS, burcbficbtigcS ©eftein gegeigt, buc¬ 
hen 5iamen „©elena’S ©baml" trägt. 

2öir finb in ber 9tiefen«©atle. Ood) 
teer ift im ©tatibe, biefe» Panorama 
gu befebreiben ? „Oitauia’S Schleier" 
beißt eineä ber riefenbaften berab* 
bängenben ©ebilbe, ffliidionen große 
unb tleine 3apfen unb Jfegel bangen 
non allen ©eiten bernieber. Oagu noch 
baS eleftrifcbe Siebt, meldjeS in bet 
Obat ben ffienuß um bie Hälfte er» 
höbt. Oer gefrorene Springbrunnen 
ift ein anbereS Söuitber. — 2Sie na» 
türlid)! 28eiß roie ©<bnee unb ©iS, 
unb bie nieten 3äpf<ben gu bunberten 
uub aber bunberten b?rabbängenb. 

Unfer SEBeg gebt jeßt nach ber ©atbe« 
brate. Oie Schönheiten ber unter« 
irbiftben 2öelt haben hier ihren ©ipfel« 
puntt erreicht. 3 ur »«bten feben mir 
eine Mangel mit Sebacbung, mie fie 
noch jeßt in fatbolifdjen Kirchen gu 
feben finb. 3m ©intergrunbe ftebt 
bie Orgel, eine 3uFatnmenfeßung non 
ca. 3 gfufe langen ©talagmiten, bie 
nie! 2febnlid)feit mit ben pfeifen einet 
Orgel haben. 3 U unferer Sermun« 
berung fpielt ber Rührer, ba bie 
Oropffteine einen beben Älang geben, gmei Sie« 
ber auf biefer fteinernen Orgel ab. 3n>ei anbere 
©teine liefern ben Saßton ber ©loden. 

Oocb feijt, hier ift baS treue ülbbilb beS Obur« 
meS gu Sabel, toie gemauert ftebt er ba, ein 
merfroürbigeS Silb! Oocb roatum nerfueben, 
alles aufgugeiebnen, maS biefer Obeil ber ©üble 
enthält, ba eS bo<b unmüglid) ift. 

OaS eleftrifcbe Siebt flattert mie ungebulbig, 
bafs eS beruntergebraebt mürbe in biefe Unter« 
melt, aber getabe biet entroidelt es feine nofl« 
fommene Utacbt. @S nermebrt ben ftontraft non 
Siebt unb ©chatten, morauf es in einer ©üblen« 
feene fo niel anfommt. Unter feinem ©lange 


fd)dnt bie meifje Formation mie 5ßerlenfd)immer, 
mäbrenb bie bernfteinfarbige ber älteren unb 
buufleren ©efteine miebaS fdjünfte ©olb leuchten. 

Oie ©cbünbeit unb Sieblidjfeit fann nicht 
übertrieben merben, nein, menfctjtidje Sprache ift 
nicht im ©taube, eS mürbiglid) gu preifen gur 
©bre ©otteS, ber 3llle§ fo fjevrlid) gemacht. Oie 
©intmel ergäblen bie ©bre ©otteS, unb hier pre« 
bigen es uns bie Oiefen fo beutlid). $)?it einem 
heiligen ©cßauer, mit tiefer ©befürcht rufen mir 
betenb auS: ,,©err, mie finb bod) beine Söerfe 
fo groß!" 


Drget in b«r Surn^b^le. 

SKir neriaffen biefen Ort unb fommen nach 
b£r ^Betrachtung einer gangen Uleibe ber munber« 
barften ©egenftänbe in eine noch geräumigere 
©alle, ben Sallfaal. Oiefe 31 bt bei lang liegt am 
ttefften, 260 3?uj? unter ber Oberfläche ber ©rbe. 
3(n einer ©de beS OangfaaleS befinbet ficb ein 
ftirchbof. Sont fchmargeit ©runbe erbeben ficb 
rneiße ©teine, ©ätilen unb Ouabrate, melche ben 
©rabfteinen täufebenb gleichen. 

2Bir ermähnen non ben nielen 3-iguren nur 
noch bie „Säule ber ffaiferitt" unb eine entrollte 
Oede (fiebe Silb). DJtit ©cbmergen nehmen mir 
non biefer anberen 2Belt 3lbfd)ieb, ba bie 3«>t 
gefommen, um ben ©eimmeg angutreten. 


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590 


Knfer ©efangbudj. 


Tie Suragpöple würbe im 9tuguft 1878 bon 
9 t. 3. Gampcll cnibccft, ber atiep bet erfte roar, 
welker fie burcpforfcpte. 2cßteS Fopr ging fie 
in bic £>anbe ber Spenanboap=Eifenbapn=6om» 
pagnic über, melcpe fie für $40,000 bon bem 
Entbeder taufte. Tie Spanbotte» linb 91iam» 
mutt) = Kopien finb größer, als bie bei Surap, 
bocp finb bie Söänbe bet erfteren faft fab(. Ta» 
per werben fie bon Surap roeit übertroffen. — 
Tie ganze Hingebung befteEjt aus Kallftein, 
große 4>öplcn werben überhaupt nur in Kalt» 
fteinregionen gefunben. Tropffteinformationen 
finb geroöpiiliip weiß, tnegeit iprer 3ufammen= 
feßuttg bon .Statt unb DJtagnefia, mit ber 3 e 'l 
erpalten fie auep eine bunftere Färbung. 

Tie Formationen, roelepe mir in ber Curap» 
pople finben, finb folgenbe: 

© t a 1 a 11 i t e n. Tiefes finb bon ber Tede 
perabpangenbe 3opfen. Sie nepmen ipren 9ln= 


fang in einem tropfen foplenfauerpattigen 
SBajferS (curbonic ncid), melcper an ber Tede 
pängt, beit itatt auf (oft, unb inbem er berbunftet, 
benfelbeu juriutläßt, ber bann bie mannigfaep» 
ften Formen ber Tropffteine bilbet. 

Tocp niept afle Tropfen bleiben an ber State 
pängen. Siele fallen auf beit ©oben unb bilben 
bann bie © t a 1 a g m i t c n, Formationen, melcpe 
bon unten naep oben roaepfen. Ferner finben 
mir noep § e l i 11 i t e n (grieetyifep iUanm perurn» 
brepen), unb in ben berfeptebenen ©een unb 
Cuellen, beren bie £>öple biele pat, perlen» 
f ormationen. 

Ter bi» jeßt entbedte Tpeil ber fjöple beträgt 
5 Steilen, bocp finb, toie gefügt, üerfcpicbene 916= 
tpeilungen noep unerforfept. Sie lange 3«** 
genommen pat, epe bie £öple fo geworben, roie 
mir fie jeßt bejieptigen tonnen, ift auep ben ®e» 
leprten ein Problem. 


^ntfpridjt ttiifcr (ßefaiitjlMdj ben Pebürfmf]Tc« brr Birdje, ober ijt 
eine iKtbeffeniitg beffelbeu ttmufdjeiiotuerth ? 


San ®. 

I. 

enn biefe Frage in ber (eßteren 3«it ba unb 
bort aufgetaiupt ift, fo ftept bielleiept unter 
ben CSutftepungSgriiiiben, bie bem 9tuge 
eine» gemöpulidjen ©terblicpeu noep erteiepbar 
finb, bie Tpatfacpe oovan, baß ba» TurepfcpnittS» 
alter ber ©efangbiteper unterer Stutterfircpe 
etwas über 10 Fapre betragt. 9tngefi<ptS ber 
leßtcn Dtebifion beS etiglifcpeu ©efangbuepeS 
Hingt eS faft riiprenb, rnenn in ber 9tnenipfep= 
hing ber litebificm ooit 1849 fünf ©ifepöfe über 
iprer WamenSituterfcprift bie fiirtpe zu einem 
Sucpe begliidroünfcpen, meltpeS traft ber 3apl, 
ber Stannigfaltigteit unb beS SertpeS feiner 
fiieber „für fommenbe ©cfepleepter" 
feiner Serbefferung bebürfen mirb. S)er leßte 
biefer ©ifepöfe mar faum geftorben nnb meprere 
©lieber beS tftebifionScomiteS roaren noep am 
Seben, als, menn man gewieptigen nnb geroiep». 
tigften Stimmen ©lauben fepenten barf, „ b a S 
bringenbe ©ebitrfniß ber $irepe" 
mit einem neuen ©efangbuep befriebigt mürbe. 
Ob bie Tpntfadpe, baß baS Tur^fcpnittSalter 
ber ©efangbiieper ber Stetpobiftentirdpe geringer 
ift, als baS einiger ©eproefterfirepen, feinen 
©runb in geringeren Kräften, ein mnftergiltigeS 
©efangbuep perjnftetlen ober in größerem ©tre» 
ben ber $ir<pe naep SSollfommenpeit pat, bleibe 
bapingefteUt. ©enügenb für meinen 3med ift 


S&eitrr. 

bie Tpatfaepe: Unfer ©efangbuep pat 
halb bas TurepfcpnittSa Iter erreidjt, 
unb füllte eS einer fReoifion unterzogen werben, 
fo mirb ipm pöepftenS ber ©ortmirf ju ntaepen 
fein, baß es niept beffer mar, als feige ©cpmeftern 
im englifepen ©emanb. 

Senn miep mm troft biefer @<pan*e eine ge» 
miffe ©dpen abpält, fepnell in baS Verlangen 
naep einem berbefferten ©efangbuep einjuftim* 
men, fo bebarf baS mopl feiner Entfepulbigung. 
3uerft einmal fepeibet man bon alten Freünben 
niept gern. Tann pat biefeS Sßuep überpaupt 
amp feine eprmiirbige ©efdpiepte pinter fiep. @5 
pat ben beutfepen fÖeetpobiSmuS bon ber fiälfte 
feiner jeßigen ttumerifepen ©tärle an bis Pieper 
imrep all feine Kämpfe unb ©iege pinburep 
begleitet. $tn ©otteSpanS uttb im Kämmerlein, 
ini Fabel beS FrfclgS in ber ffirepe, unb in ber 
Trauer an ©arg unb ©rab pat es mit ©otteS 
2 Bort un^äplige fÜJtale ben fetigften 9tugen= 
Mitten peiltger Fofube, ober eines großen peiii« 
gen SeibeS ben paffenben 9luSbruef berliepen. 
2öie manepe Erinnerung an TpaborS 4>öpen im 
ipilgerlouf bleibt unauftöstiep mit einem 2peil 
feines FupolteS berfnüpft. 

9111 biefeS beftimmt miep, bem Tpema bie 
Söenbung zu geben, mefepe in erfter Sinie b i e 
Sinmürfe gegen unfer ©efangjbuep 
unb baS auf fie gegrünbete ©er» 



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Jänfcr (Befangbud). 


591 


langen ltad) einer ©erbefferuitg ber 
Iritifdben ©tüfung unterwirft. Sin möglicbft 
unpartbeiifcbeS ©erfahren babei, wirb ja bie 
©tängel beS ©udßeS oon felbft nufbedten. 

Die erfte Sforberung, bie wir, um bamit gu 
beginnen, an b e n 5 n b a 11 eines lird^Iicfjen 
®efangbu<b§ richten, ift wobt bie, baß e S ber 
begeifterte 9luSbrud ber göttlidien 
iffiobrbeit fei, wie bie$ir<bebiefe 
StBobrbfit aufgefaßt bat unb Iebrt- 

Sßenn in biefer 'Hinftdjt je begrünbete ©e» 
benfen gegen uufer ©efangbudb geäußert worben 
finb, fo blieb eS mir unbefannt. f^aft baS Sin» 
iige, baS mir babonju Obren tarn, war bie ©e» 
fdpwerbe, baß baS Somite in redbt unbiblifcber 
SOßeife baS Sieb 246: „SSßo ift 3efuS, mein 93er» 
langen k." unter bie Ütubrif: „3u gegenfeitiger 
Srmunterung unb Srmabnung" aufgenommen 
habe, unb ©rebiger oft taftloS genug feien, bie 
Seute aufguforbern gu fingen: 

„lTleiite Seel’ iji feljr betrübet 
Unb pon Sünben müb’ unb matt, 
tt»o iji >fus, ben fic liebet, 

Der midf einji erforen hat ?" 

3ßie wäre wobt für foldbe Seute bie 93et» 
befferung: 

„UTeine Seel’ iji fcbwer betrogen, 

3n Derblenbung rcirfj unb fatt. 

Rett’ Pom ^einb, ber fie belogen, 

Du, ber Uugenfalbe bat." 

Die gweite gorberuna, bie an ben Snbalt 
eine§ fachlichen ©efangoudbeS gu ftetten ift, ift 
bie, baß e S mögticbft reichhaltig bie 
oerfdbiebenen ©eiten djriftIi<ber 
Sebte unb dbriftlidben Sehens be = 
banbte. Damit habe icb aber baS auSge» 
fprodben, worum eS ficb bei bem 93erlangen nach 
einem neuen ©efangbudb bauptfächlicf) banbeit. 
Das ift mit anbern aßorten ber Hauptborwurf, 
bet unferm ©efanabuch gemalt wirb, baß es 
ibm atlgufebr an ©iannigfaltigfeit gebricht. 

Diefer ©ormurf gebt faft fetbftoerftänbtidb 
meift oon uns ©rebigern ait§, unb formulirt 
fidb in feiner ©piße in bie ßlage, baß wir oft 
iein Sieb finben tonnen, welches bie ©emeinbe 
auf Deyt uub 9ßrebigt Dorbereitet. ©liefen wir 
nun gunädbft bem 93orwurf fetbft fdjjärfer iit’S 
fttuge, fo febeint er mir WenigftenS tfjeilweife auf 
©tißberftänbniß gu beruhen unb ungerecht gu fein. 
8Bir ©rebiger finben eben guweiten wunderbare 
Dejte unb noch oiet wunberlichere $bemen. DaS 
eingige mir befannte ©efangbudb, welches ba an» 
näbernb reichhaltig genug wäre, ift baS oon 
Diaton ©ottfdbalb in Sibenftod im Sabre 1737 
berauSgegebene, welches für alle ©tänbe uub 
©orfommniife paffenbe Sieber barbieteu Wollte. 
'Ja giebt es Sieber gum ©ebraudb beim ©pa= 
gierengeben, bei ©eüatterfcbaften, bei ©äffe unb 


Dürre, bei Srfdbeinung eines flometen, bei 
ferneren ©rogeffen, bei ©cblaflofigfeit, bei ©orge 
wegen oieler SHnber, Sieber für 9lbelige, 9lb» 
Dofaten, 9lmtleute, ©rgneiüerftänbige, ©aber uub 
©arbiere, ©auern, habe unb niebere ©ebiente ic.; 
und) für einen geheimen ©taatSminifter unb für 
©tubeuten. Uub bamit nicht gufrieben, bittet 
ber Herausgeber auSbrüdlicg, man möge boeb 
bie ©efäüigfeit haben, unb ihm einige noch 
maugelnbe Sieber für ©autler, ©eiltänger, 
Dajcbenfpieler, Hofnarren, ©chelme, Diebe, 3t 0 
geuner unb ©pißbuben mittbeileu. Sin ©e* 
fongbudb, baS in ber Dßat einer gewijfen mober» 
nen ©rebigtweife nicht febr unpaffenb gnr ©eite 
fteßeit würbe, nur baß eS auch Sieber für ©ferbe* 
rennen, ©tunicipalmablen u. bergl. enthalten 
müßte. Dod) abgefeben oon foldben 9(uSfchrei» 
tungen füllte bie Dbatfadbe nicht Dergeffen wer» 
ben, baß nicht 9llleS, was geprebigt werben muß, 
beSfjalb auch ©egeuftanb eines geiftlidben Siebes 
fein fann. Sin eflatanter ©eweis baüon ift g. ©. 
bie Demperengfrage. aßeldb eine feurige ©e» 
rebtfamfeit bat fie geraffen, unb welch eine 
gliibenbe Siteratnr ift ihr entfprungen. 9Bo finb 
aber unfere ©efangbudbiieber über biefeit ©egen» 
ftanb ? „Sin ganges Sieb über ©täßigfeit, unb 
baS matt genug," fagt man unS. Sch möchte 
fragen: 9Bo finb bie Dentperenglieber überhaupt? 
Das ©ebifionScomite beS etiglifdben ©efangbudjS 
tonnte nichts ©efriebigenbeS finben. Ober toll« 
ten mir oieKeicht im Srnft ©etmereien überfeßen, 
beren eine g. ©. mit einem SboruS begleitet ift, 
ber in Deutfeh etwa lauten mürbe: 

„Das Sier muß hinunter, bas IDaffcr herauf?" 

DaS liebe aßaffer mag paffenber ©egenftanb 
fein für eine ©inbar’fcbe Obe, gum Singen geijt* 
lieber, lieblicher Sieber macht bet greübenmein 
beS heil. ©eifteS mehr gefdbidt. Sdb meineStbeilS 
begehre and) feines befferen Siebes oor einet 
Demperengprebigt, als unfer ©efangbudb eS tn: 
„9ßie gut ift’S oon ber ©ünbe frei" unb oielen 
ähnlichen bietet, ffaun idb üotlenbS ein freubigeS 
Singen beS „Dtuft getroft ihr aßäcbterftiminen" 
haben, fo gebt mir in ber ©idbtung an Segeifte» 
ruitg nichts ab. 

SP aber troß aflebem bie Stage über ©tätiget 
an ©tannigfaltigfeit in unferm ©udße nicht hoch 
begrünbet? ©idjt im allgemeinen ©lan, beim 
ber ift faft fo reichhaltig, als ber ber beiben beften 
mir befannten ©cfangbüdber, bem unfrer ©tut» 
terfirdbe in engtifcher unb bem ,,9Gßürttem» 
bergifdben ©efahgbucb" in beutfdßer Sprache. 
Sn einzelnen SRubrifen aber, baS muß gugeftan» 
ben werben, ift fühlbarer ©tangel an Siebern, 
bie allgemein gu bermenben finb. ©ietleidbt nir» 
genbS mehr als in ber SRubrif, wo wir Sieber 
für chriftlidbe Dbätigfeit fudben. Daß mir ba 
uns beinah oerlajfen finben, ift aber teinesmegs 


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592 


Sn ftt Sefangbudj. 


Schulb ber Pfänner, bie unfer ©efaitgbiicb ju» 
fammengqleUt buben. SDenn erfilicb, wenn auch 
ba§ griedpfcbe 2Bort „poema" beu Pegriff boii 
Söerf in fid) birgt, uiib baS Sßort „poefie" 
eigentlich fdjaffcn bebcutet, fo ift bodjbaS Schaf* 
feit ober Süirten Weniger ©egenftanb ber Poefie, 
nnb flute fleiftlidje Sieber über cbriftücbe SLbätig* 
feit finb febmer 311 finben. OaS eine': „Seelen, 
laßt uns ©uteä tbun" ausgenommen, ift felbft 
bie reidje beutfdje £n)mnologie fcljr arm bariit. 
^ebenfalls roieflen Die beiben neueren eiifllifebett 
Sieber, bie Wir fllüdliefjerroeife in fluter lieber* 
fejmng haben: „9luf, beim bie 9iad)t wirb tom* 
men" unb: „Gin iagwerf für ben fjeikmb" 
UllleS, was mir in biefer 9tid)timg belannt ift, 
weit auf. Zweitens aber finb feit ber heraus* 
flabe be§ ©efangbucbS in Hohem Ptaße bie 
Söhne an bie Stelle ber beimgegangenen Päter 
getreten, 1111 b baß biefe bie fdpuierigeit beutfdjeu 
Gboräle, ans welchen biefer 2beil beS ©efang* 
buchs faft ausnahmslos beftefjt, nicht finden, 
mag ju beflageu fein, bleibt aber nicbtsöefto* 
wenifler 2 ()ütfad)e, bie nicht wohl 311 änbern ift. 
tiefer lcßtere Punft erflärt überhaupt einen 
roßen Shcil beS besagten PtaitgelS an Ptannig« 
altiflteit twn oerwenbbareu Siebern. 3iin großen 
©aii 3 en bietet unfer ©efangbud) eine treffliche 
2luSmabl Dentfcher Gfjoräle. Ginige -Perlen, wie: 
„5ßie foll id) bid) empfangen" unb ähnliche aus* 
genommen, befißen mir bie herrlichften Sliithen. 
$aß aber nur oerhältnißmäßig wenige ©emein* 
ben einen auch nur annähernben ©ebrauch öon 
biefem 2baße machen, wirb 'JiiemanD beftreiten 
wollen. Pteine 9lnfid)t ift, baß biele biefer Gho= 
täte unfern Perbältniffen auch gar nicht ange* 
meffen finb. Stext unb Ptufif finb fo bitrcbauS 
maffio unb majeftatifch angelegt unb auf ftarten 
Stimmenchor berechnet, baß es mir richtiges 
©efühl 3 U fein fcheint, wenn unfere Heineren 
©emeinben nicht baran beiden, biefe riefigen 
Schöpfungen 311 fingen. Slußerbent ift heute eS 
bauptfäcf)li<b bie hier geborene 3 ugenb, bie ben 
©efang 31 t tragen hat, unb bie Gomponijlen ber 
Ghorolmelobieu fingen fo gern in ben oberen 
Soprantönen, bie ungefähr 3 Wei Slöne über bem 
2)ur<bfd)nittSfoprau ber Ulmerifaner liegen. 

SQßaS bie Sorm ber Sieber betrifft, fo 
bürfte bie Sortierung berechtigt fein, baß f i e 
ben anertannten Siegeln ber Äunft 
entfprechen unb gegen ben gefunben 
©efchmad ber jemaligen 3 e i t nicht 
Der ft ofeeu bür feit. 2)aS meint aber gar 
anbereS, als jene poefielofe 9lrmfeligfeit, bie, 
weil fie felbft feiner Pegeifterung fähig, gerne 
alle höhere Pegeifterung auf ihren PtaulmnrfS* 
ftanbpunft hinabsiehen möchte. 3)ie ÄleinigfeitS* 
främerei, bie weil fie feiner Sbce fähig, gern an 
Silben flaubt, ift nicht fiunft. Sie hat ft<h ein* 
mal jwar in 2 )eutfchlanb als folche breit gemacht 


unb befoitberS an ben ©efangbüchent ihr faube- 
tes fianbmerf geübt. S)a mürbe bann: 

„Befiehl bu beinc ZPegc" 

in 

„<£mpftcljl bu beine IDege" 

umaeroanbelt, tueil fca§ „Ijöflidjer" fei. $a 
tourbe au3: 

,/<£iu’ feße Burg ift unfer <Sott" 

ein: 

„€in ftarfer Sdjutj iß unfer (Sott" 

gemacht, weil „fefte Purg" ju mittelalterlich 
laute. 

„Putt ruhen alle lüälDer, 

Pieß, OTenfdjen, Stä&t’ unb gelber, 

<£s fcßläft bie ganje JPelt" 
hatte ber alte ©erharbt gefungen. $ie hochweife 
ßritif fanb aber, baß baS ber SBiffenfchaft 
wiberfpreche, nach welcher es ja nur auf ber hal- 
beit Grbfugel 3 U einer 3eit Stacht fei, unb ber* 
befferte: (!?) 

„<£s fdjläft bie halbe XDelt." 

SSiele ber alten Sieber waren aber gar 311 un* 
gelettf, um fidj nach ber ffuitft juftußen 3 U (affen, 
fo mußten fie beim neuen weichen, echten Äin* 
bem biefer Shilturperiobe. Plan pries barin bie 
Säkisbeit ©otteS 3 . 39. in ber (Einrichtung ber 
menfhlicheu Statur. SÜSelch’ ein ebel ®ut um 
bie Sprache: 

„ttimmer fönitt’ ich h* er auf <£rben 
IPetfe, froh u,, b glörflicb werben, 
müßt’ icß ohne Sprache fein." 

SBie gut ift’S, baß unfere 9lugenliber ftdh öon 
felber heben, unb wir fie nicht mit ben £änben 
aufsieben muffen, wie man etwa Vorhänge auf* 
3* e bt: 

„Tldi roie u?urb’ es elenb laßen, 

• IDcnu man jte mit ijänben faffett 
Unb nad^ aufwärts jtcl^en müßte; 

Das bebettfe, lieber Ct^riftel" 

Ober wie gütig ift ©ott, baß er uns in ber 
ftub 

„Pas (Ebier gefeßenfet, 

Pas mit feiner mild? uns tränfet, 

Pas bie Seudje fit ne II per bannt," 

nämlich burch bie Schußpocfen. 3Bem fdjaubert 
nicht bie $aut ob folchem eisfalten Dteimgetlin* 
ael ? So entfebiebenen ©egner ich wich aber bon 
folchem, wenn noch .fo sierlichent Dteimgebredjfcl 
Weiß, fo öermag ich boa) nicht ber weitöerbreite* 
ten Älage bei 3 uftimmen, baß unfer ©efangbuch 
3 U fühl unb fteif fei. 55aß gmar manche Pater 
bie Sieblinge ihrer 3ugettb öermiffen, ift höchft 
natürlich, unb baß, wo folche Pater ben ©efang 
noch führen, befonberS in 3eiten ber Sluflebimg, 
biefe Sieblinge immer mieber ben Plan betreten, 
wirb fein meifer Prebiaer boreilig *u wehren 
fliehen. SBenn aber felbft prebiger behaupten. 


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Unfer ©efangbudj. 


593 


Imß bic beften Sieber bes alten ©efangbuchS in 
bent unfrtflen fehlen, fo ift baS ungerecht. ©ott* 
lob, baß 5 . 93. mancher ©horus ober manche» 
Intermezzo, ba» folche ttmnberbare SegenSfraft 
•enthalten haben fofl, bnreh unfer ©efatigbud) 
abgethan mürbe. 6 » ift einfach nicht roahr, bafe 
ein größerer Segen auf ben iüorten ruht: 
„(Ermuntert eud?, % frommen, frommen, 
^ro=o--mmcn, 

§eigt eurer Eampen Schein. 

Per 2 lbenb ift gefommen, ?ommen, ?o*o*mmen." 

ober: 

„Begegnet ihm auf (Erben, (Erben, &e*rben, 

Plit freubigen (Seberben, berben, b-*e*rben" 

al§ auf bent einfadhen Seyt, unb ob auch ber 
©ebanfenga.tg jerrifjett mirb burd) ©infdhiebung 
jroifcheit bie beibett Hälften eines 9 JerfeS öon: 

„0 <Ehrcn?ronen friegen mir, rPetni mtfer 
f^eilanb fommt, 

3a, Siegcspalmen tragen mir, 3 n unferm 
Paterlanb." 

Ser Steyt üott: „@inen Sag im Rummel (eben" 
ift zu allen beruünftigen 3 ^ecfen geniigenb unb 
bebarf burchauS beit @horuS nicht/ beit man aus 
ber lebten 3*üe eines SerfeS mit bem 3ufaß bon 
„©loria, &aüelujah!" hübet, unb bann in Sor« 
liffinto fingt: 

„(Slorta, fjallelujahl Pod? mahrhaftig eine pein." 

©tan laffe bodh baS herrliche Sieb: „0 liebfter 
£>err, ich armes Äittb", mie es ift, unb fafele 
nicht bon Segen beim Singen bott: 

„0 liebfter t?err, id? armes Kitib, 

Unter bem Pol? bes Ijerrn, 

Pas nirgenbs (Eroft nod? Hube ftnb’t, 

Unter bem Pol? bes fjerrit, 

IPill mi<b fo elettb als id? bin, 

Unter bem Pol? bes ^errn, 

Por beinen 2lugcu legen h*U/ 

Unter bem Pol? bes fjerrn. 

Pu mei§t es, mie t<h bin perirrt, 

Unter bem Pol? bes Fjerrn, 
Befdjmert, perftujtert unb permirrt; 

Unter bem Pol? bes Berrn, 

(Es ift mein ganjer 3ommerftanb 

Unter bem Pol? bes f^errn, 

Pir beffer als mir felbft be?annt. 

Unter bem Pol? bes £jerrn. 

Sie S*euitbe ber mobernett luftigen SBaare 
in chriftlidben ©efängen möchte ich an ba» llr* 
theil oott 93ifd)of 3aneS erinnern, nad) meinem 
biefe geiftliche $oefie au» 2 Sheilett 'ßoefie, 
1 Sheil ^Religion unb 7 Sheilett Unfintt befteht. 
Siir mahrett SOßerth flehen eben hoch bie alten 
jfcrnlieber riefengrofc nttb himmelhoch über ber 


ganzen Slutfj ber fogeitannten „innigen" unb 
„herzlichen" mobertteti Tidjtevei. 

Sann hätte ich in formeller ^)iuficf>t nichts an 
unferm ©efangbuth auszufeßeu ? Sod) ja, eiiti« 
ge* muß ben (fintoiirfen in biefer £)inficht gu= 
geftanben merbeit. 9tothgebrungen muß ein be* 
beutenber SheÜ utifere» ©ej'angbmheS au» 
Uebcrfeßitngen befielen, unb füllten mir eine 
9teuifion befotnmen, bie für unfere SBebiirfniffe 
eine ^erbefferuttg ift, fo mirb baS noch öiel mehr 
ber SaU fein. $uf biefem Selb hat nun unfer 
Such neben Diel Sicht auch tiefe Schatten. 2 ßie 
g. ba» fchrerflidje $)ta<hmcrf: 

„3t* Sünbett mäl 3 te id? mich lang ic." 
je in nufer ©efaitgbmh fam, ift roohl bem ©omrite 
felbft fo unerllärlich als mir. 9(ud) ber be* 
geiftertfte S^euttb unteres ©efatigbud)» mirb 
feine ßntfchulbigung für folche 95erfe fiubett: 

„3” Sünben mäl 3 te id? mid? lang 
Unb trotjte furcht nttb 5d?am, 

Pod? enblicb marb mein toller <5ang 
(Sehemmt; hört mie es fam: 

3<h f a h/ als h*ng in feinem Blut 
21m Ureu3espfahl ein ITTann, 

Unb ftarr, bod? mie mit fanftem ITTuth 
Sah er mich jierbenb an. 


Unb mein cSemijfeit hört’ ich fchrei’tt, 

3n tiefem Schmerze fchreit’s:" 

3ohn 9fett)ton, ber Sichter be^ fchönen 0ri^ 
gittal», mar ja ein großer Süttbev geroefen, aber 
311 foldh’ „tollem ©ang" in 9feimerei hat er fid) 
nicht au» feinen Siittben „herau»gemälzt." Sh m 
fomol)! al» 91ttbern mar es gemiß unbegreiflich, 
mie man zugleich „ftarr, bod) mie mit fanftem 
uth" attgefehen merbett fautt. 91uch bie lieber* 
fefeung: „Sein Seibe nach getrennt," ift höchft 
fehülerhaft, uub follte burcf) eine beffere erjeßt 
fein. Steinte mie: 

„Pie t?er 3 cn erft pereint. 

Bis er uns 311 fid) nimmt, 

Uns 311 bem IPer? beftimmt, 

IPeil es fo mohl gelingt. 

Balb ift bie Hrbeit aus 
Pou unferm fchmereu 21 int; 

Panti fommcn 21 lle mir nad? f^aus 
Per IHeiftcr rufet: Komm tl 

Per treue Knecht, ber hier 
Ulit (Ehräneu ausgefät, 

Per mirb im l^immcl für uub für 
2lud) ernten fein (Sehet" 
ift auefy ber fmmblidjften 'Jtac^fic^t faft ju Diel 
jiiciemuttjet. 


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594 


üos Toll bie Sontitogfdjule rein? 


Cb baS: „Cer att bem Äreuj ift unfer ©ott" 
Ueberfeßunq ober Original ift, tarnt id) nicht 
fagen. Cafe e§ aber faft ungenießbare Stetten 
fiat, ift nidjt ju leugnen, •ffiarum nüchterne 
tßrofa Wie: 

„Per ift ber Jjerr ber f^errltdjfeit. 

„3a," fcfyreit bie IPelt ftd? fyci§, 

Pie fogenannte <£fyrißenfyeit, 

„IPer iji, ber bas nid?t a>ei§?" 

„IPtr glauben all an 3efum Cfjrift, 
tDir glauben bie <5efd?td?t\ 

Unb n?er ein <£fyrtj* geboren ift, 

Per jiueifelt baran nidjt," 
burdb SReimerei faft läd^erlid^ machen ? 

Cie ff rage: 3 ft bie Serbefferung unfereS ©e» 
fangbucbeS wünfdbenSwertb, swingt uns nach 
ben Kräften um^ufiidjen, bie eine wirtliche Ser» 
befferung in 2luSfi<ht fteflen. Cie befte Kraft, 
wetdje bem ©omite öon 1865 jur Seite ftanb, 
3. G. fipon, ber Säuger bon: „2Bir finb nur 
Silger mtb ffremblinge hier," fdjtägt längft bie 
#arfe bor ©otteS 2b^>n. Caß ib» ber gemütb» 
bolle Sänger bon: „£>eimatblanb, 0 roie fdjöit 
bift bu" uhb „O fürd>te bi<h nicht, meine Seel’", 


Cr. G. 3?. SauluS, bofl erfeßt, fei gerne äuge« 
ftauben. Cann haben mir eine poetifeße 5fraft 
in 5p. Ctäring, bie uns mufterailtige Ue6er» 
tragungeit bietet. 2tudb unfere Sonntagfdjul« 
©efangbücper bieten etliche Sieber, bie unfer 
©efangbudb bereichern würben. 3fdj erinnere 
nur an: „So wie id) bin, mein fRedbt unb Brief"; 
„$err, id» hör’ bon SegenSftrinnen"; „3(db toeife 
einen Strom"; „O 3fefu, fdbon ber Same bein" 
u. f. m. 

3um Sdjluß bann biefeS: 

1) Sßäbrenb jugegeben ift, baß unfer ©e« 
fangbudj an bebeutenben Mängeln leibet, fo finb 
biefe Mängel bodj feineSWegS gefährlicher fttatur. 

2) CaS SÖebürfniß eines neuen ®efanq6uctjeS 
ift beSbatb auch, feineSWegS fo bringenb, als 
übereilte SorWürfe eS biefleidpt erfepeinen laffen. 

3) SMr mürben ein Wirtlich berbefferteS ©e» 
fangbud) atterbingS als ein Siittel jum Sufbau 
beS SReicpeS ©otteS mit greuben begrüßen, finb 
aber feft überzeugt, baß ein fotdbeS mir bie fjrudjt 
ernftefter Arbeit ber beften Kräfte ber Kircbe 
fein tann. ^ebenfalls fottte nicht baran gebaut 
werben, ehe bie berfdjiebenen SEheile ber Kirche 
WenigftenS butep bie jährlichen Gonferenjen ihr 
Sertangen barnaih auSgebrüÄt haben. 


» KgW «a 


pa0 kamt unb foll bie $onntagfd)ule für bie <$rtnetiibe fein? 

»Ott 3. SB. deute. 


ine ©emeinbe ohne Sonntagfdbute, ift wie 
eine ffamilie ohne Kinber unb Sonntag« 
fepute ohne ©emeinbe ift wie ein Kinb ohne 
Stutter; beibe gehören jufammen unb tonnen 
niept gut bon einanber getrennt werben. 2Bäp= 
renb wir bie ©emeinbe als bie Stutter betrachten, 
fo ift bie Sonntagfdbute bie Tochter unb finb 
folglich febr eng miteinanber oerbunben. 

Stöieberum: ©ine ©emeinbe ohne Sonntag« 
fdjute ift wie ein Saumgarten, ber nur alte 
Säume hat, bie nach unb nach abfterben, aber 
niept burep junge erfeßt werben, unb bemjufolge 
werben in einer fReipe bon faßten nur abgeftor« 
bene Säume bortjanben fein. So wirb and) eine 
©emeinbe enblid) auSfterben, wenn fie nicht burdb 
bie Sonntagfdbute — ja aus ben Seihen ber 
3ugenb — Grfaß empfängt. 

Cie Sonntagfdbute tann unb fottte 
für bie ©emeinbe fein, was ein 
Kinb ber Stutter gegenüber ift. 
Son ber einen Seite bebarf baS Kinb jpoar bie 
'Pflege ber Stutter, bon ber anberen Seite bebarf 
aber' audj wobt bie ÜRutter bie $ütfe beS Kin» 
beS, benn eS tann ihr oftmals jur -f)anb gehn. 
So bebarf auch bie Sonntagfdjute bie Sflege ber 


©emeinbe, aber audb bie ©emeinbe bie fjfilfe ber 
Sonntagfdbute. 2Bir finben, baß nicht nur bie 
©emeinbe in ber Sonntagfdbute arbeitet, fonbem 
baß auch wirtlich bie Sonntagfdbute für bie 
©emeinbe arbeitet. @S muß bemjufotge bie 
Sonntagfdbute einen ©inftuß auf bie ©emeinbe 
ausüben unb eine Stitarbeiterin in ber ©emeinbe 
fein. 

Söie ein getjorfameS Kinb tann 
unb fottte bie $reube feer ÜJtutter 
fein, fo tann unbfotl audb bieSonn« 
tagfebute bie ?>reube ber ©emeinbe 
fein, ©ine gute unb blüljenbe Sonntagfdbute 
bereitet ber ©emeinbe Diele unb große 3?reube. 
ttöie wobtttjuenb unb aufmunternb ift es nicht 
für eine ©emeinbe, an bem Unterricht ber 3ti« 
genb Sbeil jit nehmen in ben berfdhiebenen Ktaf» 
fen! 2Pie wirb ba oftmals baS $erj ber mitten 
erfreut unb wieberum jung, ©ine ©emeinbe 
ohne Sonntagfdbute entbehrt eine große greube 
unb fie ift wirtlich nur eine halbe ©emeinbe. 

Stuf, ihr ©emeinben, möchte idb rufen, freut 
euch über bie Sonntagfdputen — über bie theure 
^ugenb, benn fie ift bte Hoffnung ber Kirche! 
2Bie ein Kiitb ein Sporn für bie 



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(Sin #pfer ber leibmfdjoft. 


595 


Mutter ift, unb tote fie burdjbaf* 
f e l b i g e an ihre Mutterpflichten 
erinnert wirb unb an getrieben, 
für i p r $ i n b 3 u f 0 rgeu unb 3 u a r= 
beiten, 11 nt e S 5 u e r 3 i e I) e n für e t to a S 
91 ii 1t t i dp e S, f 0 i ft, f a n n u n b f 0 11 a u <h 
bic S 011 utagfcpule ein © p 0 r n für 
bieöemeinbefein. 

Säprenb fie bie 3ugenb in ber ©onntagfdjule 
betrachtet, fo toirb fie an ihre Pflichten berfelben 
gegenüber erinnert, unb follte baburdj ficperlich 
angetricben werben, für biefetbe 311 forgen unb 
fie für bie SJirctje, ja, für bie Seit unb ben 
Itimmet ersiehen. O, toie fodte nicht bie ©e= 
meinbe angetrieben werben, ihre oofle Sßflicht io= 
fort getreu unb gewiffenbaft 311 erfüllen! 

3 u 1 e ft t t a n 11 unb f 011 b i e © 0 n n= 
t a g f cp u 1 e bie Oueile, fein, w 0 b it r dp 
bie ©emeinbe fortgepflangt wirb. 
9luS ben SReipen ber Sonntagfchulen fönnen unb 
füllten nach unb nach bie fReipen, welche gelichtet 
werben in ben ©emeinben, wjeber auSgefüHt 
werben. Senn biefeS nicht gefdjieht, fo werben 
bie ffirdjen halb leer ftepen. Unfere Söhne unb 
Jöcpter füllen, fönnen unb ntüffen einfteuS un» 
fere Stoße eiunehnten in ber f?ircpe, nacpbem wir 
auSgemirft hüben unb ba§ iagewerf Dollbracht. 
9luS ihr füllen unfere ©lieber pfiwotgebn ; aus 
ihr miiffen unfere ©onntagfchularbeiter wieber 
geitomTneu werben; auSbiefer Quelle füllen uns 
unfere ^kebiger, unfere 93orft. 91elteften unb un= 
fere ©bitoren für unfere 3 eitf<hriften fontmen. 
9luS ben ©ountagfchulen )oBten unfere Sifcpöfe 
genommen werben. %a, auS ben Sonntagfchu* 
len füllen unb fönnen einfteuS bie Säume beS 
Rimmels gefüllt werben. Seldp eine herrliche 
uttb erfolgreiche 3 ufuttft ftellt nicht bie ©onn* 
tagfchule ber ©enteiitbe in 9luSficpt! 

Qarum auf, auf ©emeinben, auf ihr ©onn« 
tagfchularbeiter, auf unb wirft weil es Sag ift, 
bie Dtadpt wirb fommen, ba 9fientanb mehr wir« 
fen fann! 


Pie Stimme bc0 ($ftm|ft«0. 

(fingefanbt tiott §. St. 


©in fjoHänbifcher Mildjhänbler in X. hotte 
fich ein nettes Sümmchen erfpart unb oerfaufte 
feine £>abfeligfeiten, um nach Stmerifa 311 gehen 
unb bort ©runbbefißer 3 U werben. IRotter« 
bam ging er in biefer 9lbficht frohen MutpeS an 
Sorb eines Kämpfers. Unterwegs 6 egab er fich 
öfters nach unten, öffnete feinen ff off er unb 
johlte bie Planten 2 | ©ulbeuftücfe, welche in 
3 Wei Seutel Bertpeilt waren. Ser 9lffe beS 


ffapitänS hotte manchmal bahei 3 ugefefjen, unb 
als mein Säuerlein nochmals an einem Morgen 
mit bem 3oplen beS ©elbeS beS einen SeutelS 
fertig War unb benfelbeu eben bei Seite legte, 
um mit bem 3 Weiten bie nämliche Manipulation 
üor 3 unebmen, hotte ber ftlffe im 9lu ben erften 
erwifcht, lief nadp oben unb tletterte in ben 9J}aft= 
bäum beS SdjiffeS. Sort öffnete er ben Seutel 
unb warf bie blctnfen Scheiben eine nach ber 
anberen in’S Meer. fRatploS fah mein 33äuer= 
lein bem 9lffeit 311 , bis baS lebte ©tücf im Meer 
öerfcpwunben war, unb ber 9lffe ben leeren Seit« 
tel auf baS Secf warf. ,,©ott ift gerecht," fagte 
ber Milchbauer refignirt, „9l(leS, was ich butdp 
baS Qfälfdpen mit 9Boffer berbient höbe, hot ber 
©atan auch mieber iitS Soffer geworfen!" 


(fin %frr btt fribmMiaft 

Sou ®. ©(jünger. 

(gi'rtfefcung.) 

V. 

S War wieber ein langer, trüber, 
fiürmifcher Sinter, ber folgte. 
Unb hotte 3ofob baS ©elb wieber 
3 urüdgelegt ? 9fein, cjber er hotte 
noch mehr genommen. 9liemanb 
fonnte baS miffen, unb 9fiemanb 
wußte eS. 9tur bem fecpmieb unb bem Müller 
fam’S ein SiScpeu fonberbar üor, baß 3ofob nie 
mehr in ©elboerlegeupeit war; aber er war 
ihnen *ein guter ©ruber, weil er gerne besohlte, 
unb fo behielten fie ihre ©ebanfen für fich- 
3 ofobs ©emiffen hotte bei jebem neuen ©riff in 
bie ffaffe fchwächer gefprocijen, unb enblich gor 
fein ©epör mehr befontmen. 

Unb hoch fonnte er fich beS ©ebanfenS an bie 
3 ufunft nicht gans entfcplagen; unb fie würbe 
immer bunfler, immer brope'nber, baS ©elb im« 
mer weniger. Sie, Weint er’S niesurüdbesapleu 
fonnte, wenn man ihn ertappte ? SaS bann t 
3 afob geftanb eS fich mit Schaubern: bann war« 
tcte feiner ©dpanbe unb ©ntehrung. 9?icptS aber 
bäuchte ihm fürchterlicher als baS. Qocp wo war 
ein 9IuSweg ? Sollte er ©iiter üerfaufen ? 9lein, 
baS ging nicht, baS ließ fein SWI 3 nicht 311 , unb 
3 ubem hätten argwöhitifche Seute boch nach bem 
©runb geforfcht. SaS war ba 31 t machen ? 3o= 
fob überlegte mtb überlegte wieber. Biber immer 
fam ber alte Schluß: ©r hotte fich in ein 2abt)= 
riutf) Bon ©chwierigfeiteit gebracht, aus bem er 
feinen jHusmeg mehr fanb.' ©r buchte fich biefen 
Schluß nicht nur wadpenb, fonbern träumte ipn 
auch. 

Qer Sinter würbe milber, bie Schneemaifen 



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596 


(Sin ®pfer bet feibenfdiaft. 


eilten in fjorrn bon ©affer bem Staate gu 1111 b 
bie Sonne ftieg aflmäblig P^et. 3atob um* j 
weljte bie tnilbere Suft wie SBorboten einer fchwe« j 
ren 3 e <t- ©enn ber grühling ins Sanb tarn, ! 
ttmrben alljitfjrlidj bie Äaße unb bie Südjer bce 
©ürgermeifterS unterfudjt. So mifllommen ber 
tfriibling bem ©tenfchen fonft aud) ift, 3[tifob , 
fefjnte ibn gum erften ©tal in feinem Seben nicht 
herbei. Biber er tarn näher, ob er raiHfommen 
mar ober nicht; unb auch bie gefürchtete Stunbe 
riicfte näher. Sollte er bie Sdjanbe erleben? 
Soüte er mit Ringern auf fid» beuten laffen ? 
©ein, baS rooflte er nicht erleben, lieber — unb 
babov gitterte er — Wollte er fterbcn, wenn nötbig 
burd) eigene £anb. BIß fein Sinnen unb ©ad)* 
benten führte gu feinem ©efultat, unb fein ©an 
Wollte ihm glücfen. So gerieth er in büftere 
©ergmeiflung, in eine Stimmung, bie bem 
©Jenfdjen baS Sehen als läftig erscheinen läfet. 
6 r fudhte immer bie einfamften ©äße auf, um 
bort ungeftörter über fein @lenb nachbrüten gu 
föiinen. 

(fbrißine fonnte biefe ©erßörung in bem 
©efen ihres 5©anneS nicht berborgen bleiben; 
bodh ben ©runb wußte fie nicht, ßätte er fid) 
ihr bod) anbertraut, hätte er ihr bod) fein ©lenb 
geftanben unb ben ©eg ber Umfehr betreten, 
bann wäre ihm jebenfaflS geholfen worben, ohne 
gerabe Schanbe gu erleben. Biber baS wollte er 
nicht, fie follte baS nicht wiffen. (St machte eS 
gerabe wie ber (Svtvinfenbe, ber gerne gerettet 
Werben möchte, aber ©iemanb wiffen .laffen will, 
baß er in ®cfal)r ift; ber wirb ficherlidh unter* 
gehen. Blnßatt nach £>ilfe gu ruftn, berfenfte er 
fich nur tiefer in bie fjlutl). @r war fanft 
jeßt gegen fein ©eib, feljr fanft, aber er ging 
ihr au§ bem ©ege. ^ebenfalls fürchtete er, fie 
möchte merfen, maS ihm fehle nnb am (Snbe ihn 
fragen. 2)aS hätte fie aHerbingS nicht gethan. 
So nahte gang langfam, nur für ^afob gu 
fchnell, ber Frühling. — • 

@S waren jene wedjfelooflen Sage, wie fie ge« 
möhnlich bem Frühling böranaehen. 3^ßt war 
milber Sonnenfchein, plöjihh berbunfelte fich 
baS 3?irmament unb es ftürmte unb regnete 
heftig, um halb miebcr bem Sonnenfd)ein auf 
turge 3«it SB laß gu machen. 

3n einer biefer ftiivmifcfjen Bleichte fdjritt ein 
BJlann langfam unb mit gefenttem Raupte bem 
Stl)ale gu. $er Sturm heulte unb gumeilen fiel 
ber Stegen in fdjweren iropfen hernieber. (SS 
war ftoeffinfter, unb nur wenn ber ©tonb für 
einige Blugenblide aus feinem ©erfted herbor» 
tarn, warf er fein blaffeS Sicht auf bie Sanb» 
fchaft. So intereffant baS auch für ben Se* 
obachter fein mochte, für ben einfamen ©anberer 
tarnt baS nur unangenehm fein, benu burd) baS 
eitweife fcerborbrechen beS DtonbeS wirb nad) 
einem ©crfdhwinben bie Stacht nur um fo 


febmärger unb unheimlicher. ©ie’S um ihn her 
! ftürmte, fo tobte eS, unb noch mehr, in bem 
1 ©ufen beS ©tanneS, ber bem Schale gufchritt. 

! $ann unb wann blidte er ängßlid) um fid), ob 
ihm ©iemanb folge. $aS$unfe( war ihm will* 
fommener als baS blaffe ©tonblicht; felbft biefer 
i ftiHe 3euge, ber ©ionb, mar ihm unermünßhi. 
Schwarg mie bie ©acht War ber ©(an, ber ihn 
hinunter trieb in’S übal. ©ergmeiflung liefe ihn 
baS Bleufeerße befd)liefeen, Wa§ ein ©tenfeh thun 
fann. 

£aS 2hal mar erreicht, unb er ftanb bort am 
©ach unb ftarrte in bie fjluthen. ©ingS um 
ihn heulte ber Sturm, unb auch ber Sach raufdjte 
mächtiger als fonft. ©ie war bodh bie Stacht fo 
fdhauerlid)! Unb als gerabe ber Stuf einer ©ule 
an fein Chr brang, guefte er gufammen. filang 
baS nicht mie eine ©arnung, ober mar eS ber 
Stuf gum $obe ? ®er ©tann ging eine 3eit lang 
biifter baS Ufer entlang unb blieb bann an einer 
Stelle ftehen, wo baS ©affer weniger tief war. 

$er geneigte Sefer hat bereits erratben, bafe 
er SelbßmorbSgebaulen hegte. Unb bodh, blidte 
er in’S ©affer, fo fdjauberte ihm baoor. Ster* 
ben möchte er wohl, unb boch fürchtet er jtd) bor 
bem Stöbe. ©nblid) faßte ber ©lann oergweifelt 
©tuth. (Sr legt #ut unb 3ade ab unb nähert 
fich bem ©ach. 3*>gernb tritt er in§ ©affer, 
tiefer unb tiefer, bis eS ihm über bie nie reicht. 
Biber tiefer miß er nicht gehen, eS friert ihn jeßt 
fdjon an allen ©liebem, ©eiter gehen, nein, 
baS miß er nicht, ©enn er fich hier ins ©affet 
legte, biefleicht würbe er ertrinfen; aber ba 
burdhfdhaubert eS ihn immer eifiget, baß feine 
3äbne flappern. Unb ihn erfafet plößlidj ein 
©rauen, ein namenlofeS ©eben, ©rofe unb ent* 
feßlidh ftarrt ihn ber iob an, unb er flieht mit 
Sittern bie Steße. 3hm ift, als oerlange bet 
2ob ihn bodh Jur ©eilte, ©ie oon ffurien ge« 
peitfdht eilt er aus bem Sthale bem 3)orfe ju. 
Sterben! 2)aS war ihm jeßt ein fürchterlicher 
©ebanfe. 

,,©ur nicht fterben! nidht jierben!" leuchte er. 
,,©?ir wirb fo fdhmatg bor ben Blugen!" ©ie 
fdhredlidh fchien ihm baS 3fenfeitS. 3hm War, 
als ftarrte ihm ber 2ob aus aßen ©den ent* 
gegen. „ffort! fort! aus biefem unheimlichen 
Shal! Proben wirb mir oießeidht leichter. So 
fürchterlich fam mir ber Stob noch nie Oor. fffür 
mich giebt eS leine Btettung mehr, ich bin öcr* 
loren burdh eigene Sdhulb. O wohin jeßt? ©o 
foß idh (Slenber einen Schlupfwinfel finben ? 3« 
meiner ©ruß brennt’S, als ob eine $öße ba 
brinnen märe, ©eh, mir iß als ob ringsum 
bie ©Öfen Ireifdjten unb mich begehrten! ©eh, 
ße haften nadh mir!" S)et Blngßfdhweife ßanb 
ihm lalt auf ber Stirne, unb er lief immer 
fdjnefler. ©nblicf) mürbe er ruhiger. ,,©ie weit 
i ift eS bodh mit mir gelommen; ach, mie gebauten« 


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@in ©pfer ber feibenfdiaft. 


597 


los habe ih mid) unb bie Weinen ins ßleub ne- 
ftürgt. Sie müffen M meiner fhümen." ©r 
näherte fidf jeßt bem Sorfe, unb bie große furcht 
oevlor fih unb machte ber alten Schwermut!) 
mieber Vlaß. Ser Sefer Wirb längft 3afob in 
ihm erfannt hoben. So toeit hotte er'S jeßt ge» 
bracht, baß er überhaupt an Umfeljr nicht meht 
benlen mochte, weil jie ihm unmöglich fchien. 

9113 er bnrdj baS Sotf ging, brannten ba unb 
bort noch Sichter, auch war eS in manchem fjaufe 
noch lebhaft. Sie SelbftmorbSgebaufen ber» 
gingen ihm für immer unb all fein Sinnen war 
barauf gerichtet, wie ber ©chanbe gu entfliehen; 
benn in ber #cimatlj war feine» VleibenS nicht 
mehr. — SBerftört Jam er nah fjoufe unb ging 
ben Seinen auS bem 2Bege, ba er fürchtete, feine 
Verftörung möchte ihnen auf fallen; unb jeßt 
galt eS nmfomehr, alles wohl gu berbergen. 

SBährenb ber nächfien Sage hotte er immer- 
nur einen ©ebanfeit: „9Bie entfonline ich biefer 
©efaßr?" Ser Frühling war ba, unb ber Sag 
ber Derhäugnijwoflen Äaffenrebifion nicht ferne. 
Vis bahnt wollte et unter leinen Umftänben 
mehr in ber ijjeimath fein. Vläne würben ge» 
mäht unb uetmorfen, unb noch immer fonnte et 
ben Ausweg niht finben. ©nb(icf) Jam ihm ein 
©ebanfe, ben er fefthielt: er wollte heimlich nah 
9lmerifa auswanbern; baS mar wenigftenS niht 
fo fürchterlich als Selbftmorb. 9lllerbing3 War 
ba$ bann ein 91bfhieb bon ber ^ciinath für 
immer, beim freiwillig wollte er nicht wieber» 
lehren. Hub baS ©elb gur Steife? Stirn — ba 
lonnte er ja noch einmal eine Summe aus ber 
Staffe nehmen, es tarn ja jeßt auf etwa» mehr 
auch ni<h* mehr an. Sn 9lmerifct hoffte er bann 
9tuhe gti finben! ? — 

©S mar alfo eine hefchloffene Sache, baf; So* 
tob hfiwlih nah 9lmerifa entweichen wollte. 
So traf er benn gang füll feine Vorbereitungen 
unb gmar fo, baß lein Verbadjt erwähle. ©r 
fuhte fogar eine heitere, forglofe Wiene angiu 
nehmen,' aber aufls Verteilen oerftanb er fih 
fhleht. So fehr fih ©hriftine auh freute, baß 
ihr Wann mehr gu £>aufe blieb, fo lonnte fie 
boh niht reht froh werben, weil bange 9lfjnun= 
gen ihr fügten, baß ihr etwas Schlimmes bebor» 
ftehe. Uni) boh bähte fie nie an baS, rnogu ihr 
Wann fih entfhloffen hotte, fo etwas wäre ihr 
auh wohl nie in ben Sinn gefommen. Sft cS 
niht eine Sbatfadje, baß es bem Wenfcßen leih* 
ter ift ein bereingebroheneS Ungliid 311 tragen, 
als gu wiffeit, baß Ungemach tomrnt, unb fih fo 
fortmäßrenb in banger furcht abguguälen ? So 
war es benn noch fine SBohlthot bei allem Uebel, 
bafe ©ßrijtine wenigftenS baS SBirflihe niht 
oorauSfah. ®ie furcht nimmt bem Wenfhen 
bie Ära ft, aber ber Äampf ftäljlt feinen 9lrm, 
1111 b fo wirft er fih bann muthig ben fiinber* 
niffen entgegen, mit weihen er gu tämpfen hat. 


VI. 

©3 mar wieber einmal ipalmfonntag. Sie 
Sonne ftanb prahtbotl am Fimmel unb bie 
äuge Vatur feierte ein geft. Unb biefen Sag 
atte Safob gut glüht beftimmt. ^ebenfalls 
hatte er niht fhleht gewählt, beim gerabe an 
biefem Sage tonnte fein Söeggeljen am menigfteit 
auf fallen. Schon als noch alles fhlief, traf er 
üerftohlen bie leßten Vorbereitungen, unb baS 
mar halb gefhehen. 9to<h einmal öffnete er ben 
eifernen Sdjranf unb holte fth ©elb heraus, 
genug um über ben Ocean gu tommen unb brü» 
ben noh ein Heines 3eh r gelb gu haben. Vatür» 
lih blieb ba nur fehr wenig guriid. 

91IS baS alles gefhehen war, berfjielt er fich 
gang ruhig, um ja leinen Verbacht gu erregen 
unb afs fogar noh ein geringes griihftitd. £ätte 
©ßriftine ihm in baS £erg feßen fönnen, wie 
Wäre fie etfhrodcn! Sann burdrfhritt er noh 
einmal — ginn leßten Wal — baS ganje #au3, 
ging in Stad, Scheune unb ÄeHer, als ob er 
bon allem 9lbfd)ieb nehmen wollte, bielleiht mar 
eS auh fo. ©r ftreihelte fogar 311 m 9lbfhieb ben 
fcwfbunb, nur ben Wenfhen ging er aus bem 
2 ßege. 6 r fah fih in feinem gangen 9lnmcfen 
noch einmal um, ftanb eine 3 ft long im ©nr* 
ten unb lehrte bann ins £au3 gurüd. — 3 um 
leßten Wal follte er baS alles fegen, gum leßten 
Wal fein eigen nennen. 

©ang leife fhlih er in bie Kammer gur 9Btege. 
Sa ©fjriftine noh in ber Ä ließe befhäftigt mar, 
brauhte er leine Störung gu fürchten. Sange 
betrachtete er ben fhlafenben Änaben, ber ;a 
niht ahnen fonnte, maS in beS Vaters Sruft 
borging, nihtS miffen fonnte bon all feinen 
fcoirgen. 3eßt unifpielte ein Säheln bie Sippen 
beS unfhulbigen ÄinbeS unb ber Vater ftanb 
gang uertieft unb wanbte fein 9luge bon feinem 
Sieblinge. 6 r beugte fih nieber unb fiifcte bie 
Keinen Sippen. Sa» gfinb öffnete bie klugen 
unb fah, noh halb im Schlummer, Tähelnb fei* 
nen Vater an, bem bie Sljränen in ben 9lugen 
ftanben. SaS War ja auch baS eingige menfdj« 
lihe ÜBefen, bon bem er 9lbfcßieb nehmen fonnte, 
benn baS Äinb fonnte ihn nicht berratfjen. Ser 
Meine ftredte ihm lädjelub bie furgen 9lermhen 
entgegen, als ob er ben Vater fefthalten wollte, 
biefem fam es wenigftenS fo bor. Sa fonnte es 
Safob niht mehr länger auShalten, er berliejj 
bie Äammer — für immer. 

Vachbein er fih übergeugt hatte, baß Viemanb 
ihn beachtete, fhlih er fih aus bem £>aufe unb 
ging baoon. Soh noh einmal mußte er guriid* 
blicfen, noh einmal fein £>eim feßen unb bann 
giug’S einer trofttofen 3ufunft entgegen, ob» 
gleich er eigentlich tRuße fuhte. 

Sa Safob im Sorfe aiifgemahfen war, unb 
fein ganges Seben, mit 9liiSiiah'me ber paar 


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598 


Sin ©pfer bet feibenfdjoft. 


3apre, feie er in beS ffönigs 9totf »erlebt, ba 
äucjebradfjt patte, mußte er alle '-Pfabe, aucp bie 
berborgenften, unb gelangte fo unbeachtet in’S 
Opal. ®t ging über bie fteinerne Vrüde unb 
fap bie ©teile, röo er in Jener stacht geftanben, 
unb aucp jeßt burcpgitdte ihn ein ©cprcden, wenn 
er fiep an jene Stunbe erinnerte. Oie Erinne* 
vung mar ihm guroiber, fo roanbte er fiep fcpneß 
roieber ab unb feßte feinen ©ang fori. Er flieg 
bie fteile ©teige auf ber anbern ©eite beS SEpa= 
leS b'nan unb ftanb erft ftiH, als er oben mar. 

Oer ftimmel mar fo lieblidp blau unb flar 
unb bie Vöglein jioitfdjerten fo munter, als ob 
fie beute auf befonbcre Hßeife ben Ißalmfonntag 
feiern roollten. Oie ©onne fcpien aber au<p fo 
belebenb unb fdjön, marum füllten fie ba nicht 
ihrem ©djöpfer ihr Soblieb fingen? 21ber 3a= 
fobs Ohren flang alles mie ein vlbfdjiebslieb. 

Oort brühen fah er baS niebliche Oörfcpen, 
an baS fiep alle Erinnerungen feines Sehens 
t nüpften; unb biefeS liebe Oörfcpen foKte er gum 
leßten Wal fehen? SBie ehrmürbig ragte bocp 
bie alte ffircbe mit ihrem hohen jEhurm aus ber 
Steipe ber Raufer empor, ©ie mar ihm nie fo 
ehrmürbig borgelommett. Vierunbgroangig Sapre 
maren baipingefcprounben, feit er als Eonfirmaub 
bort am 9lltar geftanben; bamals hatte er Oprä- 
neu aufrichtiger 9tüprung gemeint, beim bie 
SBicptigfeit ber ftanblung mar ihm giemlicp Har 
geroorben. damals mar ihm fein Verfprecpen 
ernft geroefen, aber mie fcplecpt hatte er’S gepal» 
ten. 3fa, hätte er banaep gehanbelt, fo brauchte 
er nid)t ber fteimatp gu entfliehen, damals 
lebten nod) feine theuren Eltern, bie längjl im 
©rabe ruhen. Oort brühen liegen fie in falter 
©ruft, ©ein SBlicf hängt an bem ftillen fjrieb- 
hof mit feinen bteleu ffreugen, bie ben Wenfcpen 
an bie ©terblichteit mahnen. 3ofobS Vlid um¬ 
flort fiep mit Opränen. Oort liegt WampeS 
begraben, baS ihm im Sehen theiier geroelen 
mar. ©ein erftgeborneS ffiitb, ein liebliches 
ffnäblein, mußte er bort ber Erbe übergeben. 
OaS hatte ihn bamals Diel ®<pmerg gelüftet, 
aber roaS mar eS gegen ieinen jeßigen Jammer! 
2Barum ift er nicht auch fo früh geftorben! Er 
märe jept im ftimmel, mo fein ffinb ift. — Oie 
gange fchöne 3 t ’> t ber 3ugenb gog bor feiner 
©eele ooriiber. 3 m ©eifte ift er roieber ein 
lebensfroher ffitabe beim luftigen ©piel mit 
feinen ffameraben. 2Bie unfcpulbig unb harm¬ 
los mar bamals fein Sehen. ;Vber Oag lächelte 
ihn freunblich an. Oer ff nabe fepafft fich ia 
immer felbft eine SBelt unb empfinbet feiten 
Saugeroeile. — Er ift roieber Jüngling. 31n ber 
»eite beS SiebepenS geht er burch §felb unb 
Söalb, ober fingt frohe Sieber mit feinen ffa» 
meraben. 2Bie mar er fo gliidlicp, fo gang ohne 
©orgenl OaS Siebepen fammelt Vlumen unb 
binbet ein hübfcheS ©träui;d)on, baS er an ben 


ftut ftedt ober roinbet fie einen fepönen ffrang. 
Söie mar eS ihm fo feproer geroorben, fid) bon 
ihr gu trennen, als er ©olbat roerben mußte. 
Enbtidp lehrt er roieber heim unb nun freit er 
um fie. OaS mar eine herrliche 3eit! 2tm 2Utar 
ftept er — es mar ber glüdlicpfte 5Eag feines 
SebenS — unb reicht feiner Eljriftine gum hei¬ 
ligen Vunbe bie ftanb. Er gelobt fie fein Seben 
lang gu lieben unb gu ehren unb für fie gu for- 
gen) fie auf ftänben gu tragen. Unb baS ©e= 
liibbe mar ihm bamals ernft geroefen, aber mie 
fd)led)t hatte er feinen ©eprour gehalten 1 — ©o 
ftanb er lange in ©ebanlen berfunlen unb baepte 
an bie Vergangenheit, bie er leiber nicht roieber 
gurüdrufen tonnte. 

Oa tönte bon ferne ©lodengeiäute an fein 
Dpr unb Satob ermatte mie aus einem SEraum. 
Oie gange raupe SäMrllicpleit lam ipm roieber 
gum Veroufstfein. ©o feierlich waren ipm biefe 
fflänge noep nie borgetommen. Sßlößlicp fepaßte 
aud) baS ©elöute bon feiner eigenen fteimatp 
herüber. 3hm tlang’S mie mäßige Wohnung. 
Oa mürben bie tiefften ©aiten feines ©emütpS 
gerüprt unb bie SEpränen roßten über feine 
SBangen. ©o ftanb er tief gerührt unb laufcpte 
unb meinte. 3 um leßten Wal fotlte er baS hö¬ 
ren unb baS fterg möchte ipm brechen bei bem 
©ebanten. 2lber länger bulbet’S ipn nicht; er 
faßt mit gitternber ftanb nach bem ftut, fcproenlt 
ipn gegen bie fteimatp mie gum 9lbfcpieb. „9lbe, 
liebes Oörfcpen, biep fep icp nie roieber. Wit 
fernerem ftergen fepeibe icp, um nie miebergufep» 
ren. 3n bir pah’ i<P biel ©uteS genoffen unb 
für baS alles roerbe icp bir unb ben Weinen eine 
©djanbe fein. Seht toopl, meine SEpeuren, ber« 
gebt eurem armen Vater, ber burep eigene ©djulb 
m Vergroeiflung geratpen ift unb euep in’S Elenb 
geftiirjt pat. Sdp fann’S niept mepr anbern." 

©o fpraep er, bann itocp ein Vlid naep bem 
Oorf unb ber arme ^lücptling ging weiter, roäp» 
renb ipm baS fterg faft pörbar Hopfte. Er eiUe 
meiter mie ein Oieb. 


©epen mir noep einmal gutücf in ba§ Oörf» 
epen, roo noch baS ©lodengeiäute fepaßt. Oie 
meiften ber Vemopner finb auf bem ©ege gur 
ftirepe. 31ucp Epriftine pat ben ffirepengang 
angetreten, ©äprenb ipr Warnt roeit brühen 
über bem Opale baboneilt, geht fie in baS ftauS 
©otteS. ©eldp ein Unterfdpieb! ©ie roeiß ja 
niept, roelcp eine Vrüfung iprer märtet, menn 
gleich ipr baS fterg feproer ift mie feiten. ES ijt 
baS eine unerflärlicpe 5lpnnng, roie mir Wen« 
fdpen fie oft haben, opne reept gu roiffen roeSpalb. 

-Epriftine’S ?Inbacpt mar tief, ©ie fiepte gu 
iprem pimmlifcpen Vater für ihren Wann unb 
ipre ftinber unb um ©ebulb unb ff raft für iiep. 
3 pr Uunimer mar groß unb boep ftanb ipr nocp 


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Per feidjrnräuber. 


599 


größerer beßor. 0, was foüte baS oielgepriifte 
SBeib noch erleben! 

Ss mürbe Wittag, unb if)r Wann tarn nid&t 
jur Wahlakt. SDoeß war bas fchon oft oorge» 
Kommen, unb jo fonnte es nicht befonberS auf* 
fallen. SS würbe 9lbenb, unb er war noch nicht 
ba. Unb al§ ber Worgen tarn, unb fie ibn noch 
nicht fanb, ba erwarte in ibt eine fc^rerflic^e 
iübuuug. $och fcßwieg fie. Vielleicht war eS 
• nicht fo. ^alob würbe gefugt, aber nirgeitbS 
gefunben. ©elbft an ben Ufern beS VacßeS 
würbe naehgefucßt, aber obtie Erfolg. @S war 
überbauet unmöglich, eine ©pur jn entbecfen,. 
benn bie war nitr im ©elbfcßranf ju finben. 
$en ober fonnte man nicht erbrechen, ohne über« 
aeugt ju fein, baß irgenb ein Verbreihen bor« 
liege. 

eine Sßoche lang würbe fo gefugt, unb bann 
ber eiferne ©thront erbrochen; unb ba lag alles 
fo jiemlid) flar. fjaft ber ganje ©d)nß war fort, 
unb welcher ©ebanfe lag bann näher, als Safob 
habe fid» ins VuSlanb geflüchtet ? SBohiit? ®aS 
tonnte man wohl oermutljen, aber nicht beftimmt 
wijfen. 

Shtifüne war troftloS. 2llfo fo mußte bie 
©ache enben! SBaS fie fchon lauge gefürchtet 
hatte, mar in nur noch fchlimmerem Waffe ge» 
tommen: 3fafobS Seibenfcßaft hatte fie ins Slenb 
geftürjt. 3Bie gerne hätte fie alle 9lrmuth mit 
Safob getheilt, wenn er nur als ein gebelferter 
Wann noch bagemefen wäre, ©ie hätte ihm 
treulich nur ©eite geftanben, aber jeßt mar alles 
aus. 3eßt ging feine Schanbe auch auf fie unb 
bie ftinber über. 

S)em ©efeße mußte ©eniige gethan werben, 
man mußte nach 3tafof» fahnben taffen unb feine 
©pur ju erreichen fuchen. 3eßt erwachte in ben 
£erjen aller Bürger ein tiefes Witleib mit bet 
armen Sßtiftiue. Wan mußte eigentlich nicht 
recht, was man ihr wiinfdjen foüte, ob ihr Wann 
eingeholt unb als Verbrecher jurücttranSportirt 
werbe, ober für immer oerfcholleu bleibe. Viele 
hielten baS leßtere für baS Vefte, ba fie faum 
glauben möchten, baß er ein befferer EauSoater 
Werbe, wenn er nach Srbulbung ber ©träfe 
wieber surfieffomme. UebrigenS wußten fie auch 
gut genug, baß fieuten wie Jfatob fo etwas eher 
Sum Verberben, als aur Veffevung gereicht. @o 
würbe bie ffahnbung nicht fo gar ernftlid) be= 
trieben. 

Natürlich hatte (Shriftine gutaumochen, was 
3afob genommen hatte, unb baS war nicht 
Wenig. $hr S£roft mar, baß ihre Söhne, bie 
bereits eine Eilfe fein tonnten, ihr fräftig bei» 
flehen würben. Unb fie tbaten es. ©ie waren 
arm geworben burdjbie ©cßulbbeS Vaters, aber 
; fie mollteii fidh wieber emporarbeiten mit oer» 
einigter Kraft. Solche ©tiißen (inberten bur<h 
ihte Eingebung ber Wutter Schmers. Shriftine 


war überhaupt ein wacfereS SSßeib unb bersagte 
nicht. 

©o oerging 3ahr auf 3ahr, unb Dom Vater 
tarn feine Wichricpt. Sr war für immer oer« 
fcholleti. 3war tarn einmal eine bunfle Vot« 
feßaft, ober ohne weiteren SemeiS ber SBahrßeit. 
Ss flang alles fo unglaublich- 5)ie ©ohne ar= 
beiteten fich empor unb würben Shrenmänner, 
auf welche Shriftine mit mütterlichem ©tols 
blicfeit fonnte. Sange mußten fie an ber ©chulb 
beS Vaters tragen. 

<6$lu6 folgt.) 


Per Jttdjmräitber. 


f ährenb beS leßten großen beutf<h*ftansö« 
fifcheit Krieges gingen oiele ©eiftliche muh 
öfrantreicfj, um ben ©olbaten, befonbers 
ben oermnnbeten, ben SEroft beS Sbangeliums 
SU bringen. Sinem berfelben hatte fich ein from» 
mer Wann, fltamenS SBalter, angefchlojfen, bet 
feinen Veruf aufgab, um auf biefe SBeife feinen 
armen Vrübern su bienen. SineS StageS, als 
bie beiben nahe an ben Vorpoften ber beutfeßen 
Vrmee waren, begegneten ihnen mehrere @ol« 
baten, welche einen gefehlten, gans oersmeifelt 
auSfehenben Wann sur Einrichtung führten, 
©ie wagten bie Vcgleiter su fragen, wegen mel« 
chen Verbrechens ber 'Wann sum iobe oerurtheilt 
fei. „SÖegen Seraubung ber lobten," mar bie 
furse Antwort, „baS Kriegsgericht beftraft bieS 
mit bem Stöbe." 

„3ft er auf ben Stob oorbereitet ?" fragte mit« 
leibig ber ©eiftliche. — „SlaS wiifen mir nicht," 
mürbe geantwortet. Vher einer Oon ihnen, ber 
Cfficier, ber bie Gruppen anführte, menbete fich 
SU bem ©eiftlichen unb fagte: „SS fcheint, feerr, 
baß ©ie ein Vrebiger beS Sbangeliums finb; 
©ie fönnen gleich nachher mit bem armen Wann 
fpredjen." 

2 >er ©eiftliche ging *u ihm hin unb fprach 
ernftlich mit bem Verbrecher; aber bie einsige 
9lntmort, bie er befam, war ein Kopffdjütteln. 
„9lein," fagte er enblich, „ich bin nicht bereit su 
fterben. 5)er Stob swar beunruhigt mich nicht. 
Wein Kummer unb meine SEhtäneu finb wegen 
meiner armen Svraii uub meiner fleineu Kinber, 
bie ich gans ohne Wittel unb troftloS anrücf« 
laffen muß; meine ©ebanten finb immer bei 
ihnen, beunruhigen ©ie mich jeßt mit nichts 
Slnberem mehr! 

91IS er auf biefe Söeife su fpreeßen fortfuhr, 
trat ber alte Wann, ber bisher aufmerffam su« 
gehört hatte, auf ihn su. „Wein ffrreimb," fagte 
er. „ich weine mit bir. hohe feine 3rau unb 
fein Kinb; mein E er S hat fchon lange Trieben 


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600 


3ugrab»<3beale. 


in ©ott gefunben, bet ©ob hat für mich feine 
Scßrecfen, er ift mir nur ein roiflfommener ©aft; 
ich will fterben ftatt beiner. 34 habe w 41 $ 3 U 
berlieren, aber fo feljr, febr bici §u gewinnen: 
ich gebe mein fieben für baS ©einige." 

Alle umher waren beftürjt über bieS merfwür« 
bige Anerbieten; als aber ber fommanbirenbe 
Officier fab, baß ber alte Wann boüfommen 
©rnft machte, fagte er: „34 bube nicht bie Wadjt, 
3 Ören Sorfchlag anjunebmen, mir wollen aber 
jurücf in» Saget geben unb biefe feltfame Sache 
bem ©eneral mittheilen." So lehrten nun alle 
um; auf bem 2Bege ging .fjerr SBalter neben 
bem armen gefeffelten ©efangenen unb fpra 4 
mit ihm Don bem #eil, Das allein in ©hrifio 3 U 
finben ift. 

Auch ber ©eneral mar, als er bie Sache Der» 
nahm, über bie Waffen erftaunt unb fragte ben 
alten Wann, ob es ihm mit biefem Sorfdjlag 
wirtlich ernft fei. „©ewiß," antwortete biefer, 
„ich Derfichere Sie, ber ©ob bat feine Schreien 
für mich; ich gehöre bem |>errn ©fjriftuS an 
unb gebe nur 31 t ihm; ich will gerne mein Sehen 
als Söfegelb für biefen armen Wann bingeben." 

©er ©eneral mar noch mehr erftaunt unb 
brachte bie Sache bor ben «ronptinjen. ©iefer 
lieb Alle oor fich fominen unb iprad) ju &errn 
Söalter: ,,©aS ©efeß erlaubt nicht, Sie an 
Stelle biefeS WanneS anjuueljmen, aber idb fann 
6 in§ tbuu, ich fann begnabigen. ihcnfe 
3hnen biefeS WanneS Sehen, anftatt beS 3hri= 
gen!" 

©rinnert nicht bie Siebe biefeS brauen Wan» 
neS, ber fein Sehen für ben armen, Derlorenen 
Sruber ^tncfab, an bie SiebeStfjat Don ©olga» 
tfja, bie mir in ber IfJaffionSjeit uns Dor bie 
Seele ftellen, unb Don welcher ber Apoftel fagt: 
©aran hoben wir erfannt bie Siebe, baff 3ef”S 
©hriftuS fein Sehen gelaffeu hat für bie Sriiber, 
unb mir foHen auch baS Sehen für bie Srüber 
laffen? 



Sera SB. ©. 


JB| ie 3 ugenb träumt, ©olbene ©räume träumt 
P fie in ihrem Wafs unb ©ebanfenfreiS, fo» 
i wohl unter bem niebern Süttenbach, wie 
unter ben ftoljen 3>nneit ber ipaläfte. Sor 
ihrer Shantafie liegt ja baS Sehen, ohne Unter» 
fcfjieb beS e>tanbeS, mehr ober weniger wie ein 
gelobtes Sanb boH lachenber Auen unb reijenber 
3 aubergärten auSgebreitet. 3 a, nicht feiten 
fpannt fid£) über baffelbe ein golbeneS Aeß faft 


märchenhafter Scenen, Silber unb ©efialten 
aus, unb fie hofft, einft bieS unb bas ju werben, 
unb bieß einft ju gewinnen, ju erftreben ober 
jenes, ©er Slütfjenmonb beS Sehens eilt fchnell 
Dorbei. ©er ©raum ber 3 ugenb ift halb auS» 
geträumt. 3öie im ffluge finb bie 3 ahte fl** 
naht, ba fich nun Dermirflidjen foü, was man im 
SebenSmai mit bunflem Sehnfucßtsbrang in 
buftigen Umriffen Don ferne grüßte. 

2öie Siele machen aber bie ©rfahrung, baß 
gar WoncheS eben nur ein füßer ©raum jiigenb» 
ließet ©inhilbungSlraft, eine Soefie ohne 9tea« 
•lität unb SDßefen gehlieben, wenn auch Durch 
©otteS Sreunblichfeit unb ©üte nicht ÜBenigeS 
ihnen mirflidj gugefaüen ift. Unb wenn fie 
biefe Strebejiele nun erreicht unb unter Anberem 
u einem erwünfehten ffiirfungSfreife fich beru» 
eu, jur ©rünbung eines eigenen fjerbeS fi<h in 
ben Staub gefeßt, Don bem lieblichen ©eßege 
eines gliicflichen ©he» unb Familienlebens fidj 
umfriebigt, ja gar ju befonberen ©bren fich et* 
hoben fehen, ba Derlautet in ihrem 3 n, *eren 
AehnlidjeS, wie baS 2Bort jenes WanneS im 
©bnngelium: „ 3 ß, trinf, fei wohlgemuth, liebe 
Seele, benn bu jjaft einen Sorratfj auf lange 
3 ahre!" 

©S währt jeboch nicht lange, fo läßt aud) in 
ihnen fich bie Attermeltsipradje Dernehmen: ,,©S 
ift hoch nicht, nein, lange fo nicht, wie ith’S in 
meinen 3 ugenbtagen mir habe träumen laffen!" 
Utur ja halb fehen fie baS fogenannte 3beale 
nnb ju bichterifchem ftochflug Sefcßmingenbe 
uor ihren 3uftänben weichen, ©er ©rbe Seiben 
unb Sorgen wußten frühe genug auch 3 » ihrem 
Sarabiefe ben ©ingang ju finben. 3h« Set* 
hältniffe lehrten auch ihre Wängel, mit benen 
ja alles Wenfchliche unb 3rbif4r behaftet ift, 
fomie ihre profaifchen Seiten mehr ober minber 
ftarf unb grell heraus. 2öie Sieles, baS An» 
fangS fie fo hoch entjücfte, oerlor für fie Durch 
bie ©ewoßnheit beS SefißeS admälig feinen 
9teij unb 3auber. Unb war ihnen auch Don 
Allem, was einft bem Auge ihrer Shantafie fo 
üetheißungSreicß unb glänjenb Dorgefdjwebt, im 
©runbe nichts geraubt, ja fam fogar baS ©ine 
ober Anbere neu bingu, fo fühlten fie fich hoch 
im tiefften 3aneren ihrer Seele btitch biefeS 
AüeS nichts weniger als Wahrhaft befriebigt. 
Sielmehr geftanben fie fich, wenn fie ihre 3u* 
ftänbe an ben ©raumgebilben unb 3 bealen ihrer 
3 ugenb maßen, baß fie in unzähligen Seiießun» 
gen gar bitter enttänfeht feien. 

An folchem ©nttänfcßuugSfchmerje haben mir 
ber ©lücflicßen biefer ©rbe feßon Waitche geiftig 
hinfiechen fehen. Wenfdjen auf ben ßöcßfteit 
flöhen irbiteßer ©errlichfeit, Söürbenträger erften 
fRangcS, Segiiuftigte, bereu Sruft Don ©hren» 
Zeichen ftroßte, Dteicße, bie felbft ihre Schöße faum 
ju überblicfen Dermochten, ja lorbeerbetränjte 


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jfroei Semen in einet Jfad)t 


601 


Oidjter unb weltberühmte ftünftler gingen all* 
malig ttübfelig ihre Straße, gogen eine Säure, 
ohne felbft gu wiffen, ro.öer tuen unb was, bet* 
grämten ftch je mehr unb mehr in ihrem Innern 
unb erfdjienen mit ©ott unb ber ©eit ger fallen. 

, 3 b r c Sfbeale waren verronnen unb fie wanbeiten 
wie in einer Oebe. 

3>uuge fffreunbe, auch unter euch wirb eS nicht 
gang an folgen fehlen, bie mandjer pf>a ntaftifcfje 
3 ouber nod) gefangen hält. Biidbeucf) wirb fid) 
ber 3 auber löfen, wenn nicht im ytu, |o bo<h im 
SebeuSfortgang nach unb nad). Sür bie 3eit 
aber, ba bie (Suttäufdjung eintritt, unb aud) if)r 
über bieS unb baS, was mit fcbiücrnbem Orug* 
lidfit gegenwärtig noch ba» Oafein euch berflärt, 
bie beßhattenbe ©olfe ficb breiten fegt, fei bor 
allem Bnbern KinS eud) angewünfeht, nämlich, 
baß ißr bann wohlgemut!) bem Siebter möget 
nachfingen fönnen: 

,,©ft bat mir’s tief betrübt bett Sinn, 

Daß bies unb bas nur (Trug ; 

Seit 3*fus mein, fahr’ 2tUes tjtn 1 
2tn itftn t;ab’ idj genug. 

Utas fnb cerbunfle um mid) tjer, 

IDas midj umfdjatten mag, 

Seit meines £cbens Sonne (£r, 

3ft’s immer um miefj Cagl" 

-•-- 

|wei Smien tu eiurr |lad)t. 


f ittwe Bnnifon batte ihre OageSarbeit boD* 
enbet. Sie tonnte fid) teine Vorwürfe 
machen über eine berfäumte Pflicht. 3 b* 
ftochen im großen $jaufe war für biefen Oag 
üorbei; ihre eigenen ärmlichen 3 'mmer würben ! 
feit ihrer 9tüdfef)r in ferupulöfe Orbnnng ge* \ 
bracht. 3fgli(be§ war an feinem Orte unb bie 
©ittwe, bie nidht fehr leicht meber mit fid) nodh : 
mit Zubern gufrieben gu ftctlen war, befchloß, fich 
gur iRufje gu begeben, ©he fie jeboch baS that, J 
nahm fie ihre '©ibel, wie fie feit breißig fahren 
jeben Bbenb getljan hatte, unb (nS ein Kapitel. 
@ie hatte foweit, „banf ber ©üte," wie fie gu fa= 
gen pflegte, noch teine ©rille beburft, unb nur 
9tad)tS unb wenn fie fehr ermübet war, mar ihr 
baS fielen fdhwer. 

Sänger als eine Stunbe las fie Kapitel nach 
Kapitel, benn ihr ©eift mar auffaHenb beun* 
ruhigt. Oie ©orte, welche bie Betrübten 3al)r= 
hunberte hinburd) getröftet hatten, beruhigten 
fie. 3uleßt, baS 'Buch gumachenb, fniete fie nie* 
ber unb betete fehr ernftlid) — nicht für fich. 
aber für ihren Sohn — ihren eingigen jungen, 


Weit im ©eften, im Säger ber Bergleute. Kr 
berließ fie bor gmei fahren botl Hoffnung, mit 
einem großen ©ermögen gurüd gu lehren, uno fie 
badhte baher oft. Wie eS ihm wohl ergehen werbe. 
Oiefe fRadjt war ihr ©ebet jeboch, wie oft gubor, 
baß Ciarrp einen größeren Segen, bie föftliche 
©erle, ben Trieben ©otteS fiitben möchte. Sie 
rang lange unb ernftlidj im ©ebet um biefen 
| Segen, unb enblidj, felbft nicht mijfenb, warum 
fie gebruugen Warb, biefe iRacht fo anhaltenb gu 
beten, ftanb fie bon ihren ftnieen auf unb begab 
fi<h gur SRuhe. 

Quitte ihr Blid bie Kntfernung gu burdhbrin* 
gen bermod)t, als fie im ©ebet auf ihren ftnieen 
bor ©ott lag unb hätte hineinbringen fönnen in 
bie öütte, wo ihr Sohn lag, bann märe fie 3«u* 
ain folgenber Scene gewefen: Buf einem rauhen 
Säger, welches mohlthuenbe £>änbe bereitet hat* 
ten, fo gut als eS baS Sagerleben geftattete, lag 
ihr Sohn im ffieberfchiummer. Kin junger 
Bergmann im rauhen ©emanbe faß gu feiner 
Seite. Sanft legte er ben falten Umfdjlag 
Wieber auf, welchen ber Seibenbe abgeworfen 
hatte, unb fprach gärtlidj unb beruljigenb gu ihm. 
©arrtfS ©eift irrte umher; er buchte, eS wäre 
feine Blatter. „Btutter, bergifi eS nicht. Ber* 
giß bu eS nicht, fage ich- 3 <h tagte bir, ich würbe 
gurüdfommen, unb baS werbe ich auch." 

,,©o wohnt beine Btutter, fjarrp? Soll ich 
ihr lagen, bu feieft franf?" 

Oie (frage erhielt feine Antwort. Oie ber* 
borrten Sippen bewegten fich Ühnell. 3 ad ffree* 
man, ber ©ärter, biidte fich über ben ft raufen, 
um bie ©orte gu fangen: „ 3 <b muß gehen — 
muß heim gehen." 

Oer junge Btann gur Seite manbte fid) ab, 
um fidf) bie Oljtänen gu trodneit, ba legte er ben 
fieberigen ftopf etwas höher, baß er bequemer 
ruhen fonnte. Ks freien ben ftrniifen gu beleben. 
Kr begann gu fingen — feine flare hübfehe 
Stimme flang fchmach in biefer milben Kinfam* 
feit — „£>eimatlj, fuße £>eimath!" 

3 n ber Bbficht, ihn gu erfreuen, fiel 3 ad ein 
unb bollenbete baS Sieb. 

f>arrt) lag gang ftill, feine blauen Bugen ftier* 
ten nach ber offenen Obüre, barnad» fanfeit bie 
Bugen lieber gu unb er fiel in einen unruhigen 
Schlummer. 

Biit ber ftüfjle ber Btorgenbämmerung fehrte 
baS Bewußtfein auch »icber unb .ftarvp ermatte, 

1 nod) unter ber Bflege feines ffreuitbeS fich fin* 

I benb. „3ad," fprach mit fchwadher Stimme, 

! „fterbe ich? 3 fh träumte leßte Stacht, baß meine 
©lütter hier fei, unb baß fie mir aus ihrer alten 
Bibel borlaS unb für mich betete. 3°d, idj 
miinfdhte, bu miirbeft mir ein wenig oorleien. 
Oort ift eine Bibel in meiner 'Jfeifetafche. meine 
©lütter ftedte fie bahin, ich laS fie nicht oiel, 
aber ich habe fie nicht berloren." 


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602 


3ht feen Sonnenfdjein. 


Sein fjreunb fanb baS Su4 unb fagte: 
was foü ich Icfcn?" 

„Som berlornen ©obn! 3# bin ein berlor» 
ner ©obn," fd)ludjjte er. 3 n<t ber als ff nabe 
in bie Sonutagf4ule gegangen war, faub bie 
etefle unb laS: „(Sin ©tann batte gmeen ©öbne." 
Diefe befannten SBorte fcfeienen baS »erblichene 
©cbä4tniB aufgurütteln unb neu gu beleben. 
3 ad fuhr fort gu tefen: „ba fcblug er in ficb unb 
jpva4" —„baS bin ich'' murmelte fein 3 11 höret, 
mäbrenb Dbräneit unter ben gefcbloffenen ©ugen» 
libern berborquoHen. „34 tniH mich aufma^en 
unb gu meinem Sater geben." Die blauen 
klugen öffneten fi 4 unb blidfleit 3 ad ernftbaft 
an unb er fagte: „34 möchte meine ©lütter 
feben." 

„Siellei4t triffji bu ffe im £>immel." 

,,©ie gebt in ben Fimmel! ©ie ift gang be« 
reitet bafür. 34 Wünf4te, >4 märe auch fo be» 
reitet." Die paar lebten ©eu&erungen waren 
fanin bernebmtmr. 3 l ’d beugte fi 4 nieber, hielt 
ben ©lunb nabe an bas 0 br beb fterbenben 
3ünglingS unb fagte langfam unb beutlicb: 
„"Da er aber no4 ferne bon bannen mar, fabe 
ibn fein ©ater, unb jammerte ibn, lief unb fiel 
ibm um ben ©alb unb füffete ibn." 

Die blaffen Sippen f4ienen fi4 mieber gu be» 
raegen. 3 a< * ftetancg eS, einige SBorte gu ber« 
fteljen: „34 — mid — aufma 4 en — unb — 
geben," — eint ©aufe; bann: „34 habe ge» 
fünbigt — gefünbigt." 

Die SBorte waren laum gefprocfeen, alb er 
plöpli 4 auffprang unb tjeruinföaute, alb ob er 
3 emanb fäbe unb rief: „©lütter! i 4 will tom» 
men! i 4 — m—itü" 

„Sege bi4 nieber," fagte 3<>d, „lege bi4 nie» 
ber," aber er fpracb gu einer berlaffenen pülle. 
£arrt) mar babin. 


Jl« ftrn Soiitrnifdjtm 


inft lag in einem unf 4 önen Söinfel eineb 
uralten ©üfe4enS i" Stuttgart ein 
f4minbfu4tiger ©tenf4, mel 4 er bon ber 
©ta 4 t ber ffraufbeit fcbwer gu leiben batte, 
©ein finftereb, talteb $tüb 4 en, in me! 4 eb meber 
Sonne mxb ©fonb bineinf4aute, alfo au4 wohl 
wenig gefunbe Suft einbrang, mar ficherlicb nic^t 
geeignet, bern fiechen Seibe gur ffräftigung gu 
bienen. ©IS nun ber SBinter fi4 geroenbet unb 
ber griiblinq feinen (Singug mit Sang unb 
fflaug unb hellem ©onnenfchein gebalteu, ba 
blicfte auch ber ffrante bur4 bie Scheiben auf 
gum fonnigen Fimmel; er wollte fo gerne bin* 
aus in ben warmen Sonnenf 4 ein, in bie er» 
quicfenbe Suft beb ©taien. (Snbli4 Wagte er’b. 


©tübfam fro 4 er bie balsbre 4 erif 4 en Drep» 
pen binab unb fefcte feinen fjruß iub Sreie. 9hm 
lag ni 4 t ferne babon am 9lanbe einer breiten, 
f 4 önen ©trafse ein Raufen ©alten, bie guge* 
ridjtet waren, um bon ben 3 immer(euten halb 
aufgeri4tet gu werben gu einem jtattlüben Sau. 
Dortbin f4*eppte er fi4, unb fafe nun blaß unb 
blei4, matt unb mübe auf ben Salten. ©tili 
fab er einem ©touret gu, ber beute gum erften 
©tale feine Steine bebauen wollte, um mit 
©oberen ben ©runb für ben Sau feft gu legen. 
Der ©tann fietjt bot ff raufen an, unb läßt ftdj 
mit ipm in ein ©efpräd) ein. Worin biefer jagt, 
baß ibm bie gute Suft fo unenblkb rnobl tbue. 
Sßenn er nur alle Dage fi 4 hierher fefcen tonnte! 

JD," fagt ber ©lauter, „rnenn’S nur baS ift, 
ba tann ich betfen. lieber ben ©littag in bet 
fjeierftuitbe hole i4 Gu 4 am ©nfang herab unb 
trage (5u4 am (Snbe mieber hinauf!" 

DaS nahm ber fiec^c ©tann mit fjfreuben auf, 
unb bon ba an ging ber ©taurer tciglkb jeinem 
greunbe na4- trug ihn auf feiner Schulter herab 
unb wieber hinauf. 9ta<b 14 Dagen batte e§ 
mol)l ein Gnbe. ©ott nahm ben ffranten beim 
gnr ewigen 9tube. ©ber ber ©Innrer batte ge« 
tbau, ma§ er tonnte, unb ber ©Clmä 4 tige batte 
bie Siebe gefeben. ©S giebt au4 einen Sonnen« 
f4ein für bie Seelen. Das ift ©otteS 2Bort. 
— Sift bu ein ©brift, fo mache es mit trän« 
fen fjergen ebenfo wie ber ©laurer mit feinem 
tränten fjreimbe. 3«ig« ihnen beine Siebe unb 
führe fie in ben Sonnenf 4 ein ber reichen @ot* 
teSgnabe. 


€in ^tmmerjprudj. 

Ijaus, fjöre melden guten Segen 
lUir fjeute mpUen auf bidj legen! 

3n beinern (Srunb liegt (Sottes IPort, 

Üas IPort uerbleib’ bein treuer ^ort. 

(Sott fteüe ftd? t>or beine (Eljür, 

Unb fpred?: „3<*? n>oljn’ mit ^reuben Ijierl" 
(Sott fd?au 3 U beinern ^enftcr ein, 

Unb fprecfy: „Ulf beine Sorg’ ift meinl" 

(Sott ftrecf aus feine mädjfge £)anb 
Unb ruf: „Ulf Scbab’ fei abgemanbt/' 

(Sott fenbe feinen f>immelsfrf?ein, 

Unb roolf bein liebt in ITäcbten fein. 

(Er pfla^e hier ben ^riebensbaum 
Unb iiberfd^atte biefen Kaum, 
laß Palmen ber (Serecbtigfeit 
ßier madjfen für bie (EmigPcit. 

(Uus unbefannter Quelle.) 

4 1 3C |. 


Digi — by 


Gog ?k 




?rauen;rttttflg. 


603 


fr atien 


GWc ftadüe. ®ie Gjfaiferin Gugenie fammelt 
alüt>cnbe Sohlen auf bie billigen ©äupter bet 20 iar= 
leillaner. ®ie ©tabt Btorfcille batte bem fiaifer 
alS Seichen ihrer 9lnhängfid)feit ein prächtiges 
©runoftücf gefchenft, auf baS ber lefetere ein Schloß 
bauen liefe. AIS bie faiferliche £>errlid)feit ver= 
fdmninben mar, fanben bie Bewohner ber treuen 
©tabt, fie fonnten eigentlich baS ©runbftücf mit 
bcm 3d)lofe heiler brauchen, alS ohne bafjelbe, unb 
bie Saifcrin mußte um ihr Bcfifcthum einen iana= 
wierigen Broiefe führen. Machbem fie benfclben in 
allen 3 nftamen gewonnen, erflärt fie, fie übcrlaffc 
baS ftreitige Obieft ber ©tabt äRarfeille. ® er Brief 
ber Gsfaiferin an ben ehemaligen ©taatSminifter 
Motiher hat folgenben Sßortlaut: „®en 15. C£e- 
Acmber, gamborough ©all (©antS). SOiciit lieber 
©err Mouher! 3d) erhielt baS Schreiben, burch mcf= 
d)cS Sie mich benachrichtigen, baßber Mppellation3= 
hof non Mir baS Urtheil beftdtigte, welches baS 
Mfarfeiller ©ericht in bem non ber ©emeinbcbehörbe 
biejer ©tabt gegen mich eingeleiteten BvoAeß ge= 
fprochen hat. ^nbem id) vor ben ©erichtcn mein 
Mecht vertheibigte, that id) eS bauptfächlich auS 
Mdrtung vor bem franiöfifcheit Midjtcrftaube; benn 
hatte ich meine Sache im Voraus verloren gegeben, 
fo würbe bieS bebeutet haben, bafe bie Seibenfchaft 
ober baS perfönlicße 3ntereffe bie Befdjlüffe beS ©e= 
rid)tS imfereS SanbeS beeinflnffen fönne. Mher 
heute, ioo biefeS Mecht anerfannt ift, will idi bie 
©vunbrtücfe nicht behalten, welche bie ©tabt BJars 
kille früher bem Saifer Aum ©efchcnf madite unb 
welche fie heute abftreitct. 3 dj bitte ©ie, infolge 
beffen bie nothmenbigcn ©dritte All thun, um in 
meinem Hainen ber Stabt ben Bart unb baSSdrtoß 
Bharo au geben, ivelcheS ber Satfer auf feine Soften 
bauen liefe. ^Inbem ich fo banbele, glaube id) bem 
©ebaufen benenigen au folgen, bie nid)t mehr finb, 
unb ich hoffe, bafe ©ie, ber Sie beren ergebener 
greunb untren, mein Hum billigen werben. 3 d) 
will biefeS ©chreiben nirlit fddießen, ohne ©ie 311 
bitten, für mich bem auSgeAcidmeten Mbvofaten 311 
banfen, ber, obgleich von unS burrh feine politifchen 
Mnfehauungen getrennt, nur baS Mecht unb bie ©e= 
redUigfeit inS M 11 ge fafete, unb biefe ©ache mit 
grofeem SEalent oertheibigte. ©lauben ©ie u. f. w. 
G u g e n i e." 

Ghi flerifal gefinnter frangdfifd^er 0djriftftelIcr 

veröffentlicht einige haarftrdubenbe ®aten über baS 
an inbifdjeS Büßerthum eriitnernbe, fafteiungSreidje 
Sehen ber Moniten ber heil. Glara. Gr batte in 
einer Familienangelegenheit mit ber Bovftchertn beS 
GlariffenflofterS tm 3nvalibenvicrtel au BnriS 3» 
vevfehren, unb empfing bie 9lit^fünfte auS bem 
SMunbe biefer ehrwürbigett Sratt, bie wohl alS eine 
verläßliche Quelle über bie Vorgänge gelten barf, 
welche fiel) hinter ben SWauern biefer geiftlidieit 3 u- 
flucbtSftätte abfpielen. Bon ben 18 filofterfrauett, 
bie hier beifammen leben, finb 14 weniger alS 23 
* 3ahre alt; bie Gsiftenj, meld>e bie £od)ter ber heil. 
Glara führen, ift eine fo qualvolle, bafe fiefaftauS= 


I eitung. 


nahmSloS in ber Blüthe ber 3ahre bahingerafft 
loerben. Beinahe alle entftammen bochariftofra' 
tifchen Familien. ^nt Alter von 16 bi$ 17 fahren 
nehmen fie, nach ciniährigeut MoviAiat, ben Schleier, 
©ie tragen Kleiber au^ rauhem Söollftoff mit einem 
Stvid al$ ©ürtel; ba3 gaiiAe 3ahr müffen fie bar- 
fuß auf ben falten ©teinvlatten ber 3 cllcu unb ber 
Kapelle gehen; fie warnten ftdj niemals an einem 
^cue^ ba fclbft ber fiüchcnberb, an weldiem bie 
fiaientd)wefteru walten, außerhalb be§ ihnen 311 = 
gdugli^eu ^ereichö liegt. 3bre Mahrung beftcht in 
Üträuter- unb ©etnüfefuvven; fjleifd) genießen ftc 
nur einmal im 3 abr, am SBeihnacbtMag. 3 hte 
Schlafftdtte, bie nur einen Ouabratmeter Ober= 
flddje bietet, geftattet fein Muoftrecfen ber ©lieber, 
ffire fech'öftünbige 92ad)truhe toirb burd) ein Atvei= 
ftünbige^ ©ebet in ber töapelle unterbrodten. 3 cbn 
©tunben be^ Sage^ bringen fie fnieenb vor bem 
Elitär 311 . ©ie leben von 9llmofeu unb bem Grtrag 
ber unbebentenbeti ipanbarbeiten, bie fie neben ben 
religiofeit Uebuitgcn verrichten. ®ie Megel fchreibt 
ihnen ein faft ununterbrodtene^ @tillfd)u>eigen vor. 
©ie gewöhnen fich berart ba$ Meben ab, bafe, wie 
bie 5lebtiffin bem öefucher mit einem gewiffen ©tol 3 
vcrRcherte, mehrere ber ©chweftern nicht mehr im 
©taube finb, einen orbentlichen ©afe 3 U bilben. 
3eber Serfehr mit ber Slufeenwelt ift ihnen untere 
fagt; felbft ihre Gltern bürfeit fie nur einmal im 
3aht au3 ber Gittfernung feheit. SBeitu eine Monne 
ftirbt, fo wirb fie von ben ©ettoffinneit in einen 
rohen ©arg gebettet, ber auf bie ÖveiiAe bev Glaufur 
geftcllt wirb, wo bie behorblicl>c Sobteitjdwiu ftatb 
finbet. ®er ©d)riftfteller, bem man biefe 3Kit= 
theilungeit über ba3 geben ber efftatifchen .©immel 8 = 
braute verbanft, ift voll 33ewunberung ßir bie ©ei= 
ligfeit biefer von allem 3 rbifchen loöaelöften, nur 
ber $afteiung unb bem ©ebet lebettbett 3 ungfrauen. 
Gr glaubt, bafe bie ©eftion ber 8 eid>eu biefer Mon= 
tten eine aufterorbentlichc Gntioidelung ihrer — 
©er 3 en unb ©ehirne ergeben muffe. ®er frühAeitige 
Sob ber 33üßerinncn ift {ebenfalls ein iöeu'eiS ba= 
für, bafe baS Megime, bcm fie unterworfen finb, 
gaiiA barnach angethan ift, fiörper unb ©eift biefer 
Opfer beS religiöfen Fanatismus rafch unb ficher 
3113 erftoren. 

$rht3 9tnla| ßbril, ein ©ohn beS fiaiferS von 
5Maroffo, lernte im vorigen 3ahr an s -öorb beS 
SampfevS, auf welchem er vonber?$ilgerfahrt nach 
M^effa heinifchrtc, eine italicnifdje ©ouvernattte 
feitnen, bie ihn burch ihre Schönheit unb ©raAie 
entiüdte. ©eine Sewunberung venvanbelte fich in 
heiße Siebe, unb er gelohte ber Angebeteten, bafe er 
fie heirathen würbe, wenn fte ihmjum ©ofe feines 
SSatcrS folgen wolle. Gr gab ber ®ame aufeerbem 
bie 5 ?erfid)eriing, bafe fie feine einige ©attin bleu 
ben feile. 2 ?or einem italienifchen Gonfulat würbe 
bie Uebercinfunft in binbenber Form vereinbart. 
®er faiferliche 9Sater fnüpfte feine Bewilligung 311 
bem Ghebunb an bie Bebingung, bafe bie .©ocuAeit 
erft binnen 3^hreSfrift ftattfinbe, unb bie prafum^ 


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604 


$rautn;eitung. 


tioe Vringcfjtn ingwifchen bic Oberleitung bcr Sr* 
giehung bet jödjtcr beS ©errfcberS überdehnte* D aS 
Vrobejahr nabt feinem ßnbe, uub bie Verlobten 
werben bemnächft ihren ©mtb beftegeln, ohne baß 
bie SBraut ihren djriftlidjen ©tauben abfebwört. 
Sie wirb übrigens nicht bie einzige ßbriftin unter 
ben ©Jitgticbern ber maroffanifdien SultanSfamitie 
fein, benn ein Oltfel bcS grinsen ©Julap GbriS, 
ber Scbcrif oon llebgan# lebt in glüdlidjer C^be mit 
einer Snglänberin uub hat trofe feiner Verbei* 
rathung mit einer Ungläubigen feine hohe geifttidje 
SBürOe beibchaltcn. 

eine girma in Wcmtreal fünbigt einen efeftrifchen 
fioebapparat an, ber, wenn er ftch in ber ©rartS 
bewähren follte, einen bcr fehnfüchtigften SBünfche 
ber .©auSfraucn ocrwirflicben würbe* Der Apparat 
befteht auS einer ooüfommen ifotirten SMctatl* 
Pfanne, ^m ©enfet münbet ber eine ©ot ber eiet 
irifchcn Scitung; ber atibere ©ol fpielt unter bem 
©oben ber ©fanne in freiSförmiger Bewegung, um 
bie ßifce gleichmäßig gu oertbeiien. £6nig ©ein* 
rieh wünfehte iebem Sauer beS SonntagS ein 
©ubn in ben jopf. ©ätte ber gute flöitig in unfern 
jagen gelebt, fo hätte er ber armen ©auöfrau baju 
auch einen elcftrifcbcn Äodjtopf gewünfeht, benn in 
einem folchen ließe ftch baS ©ubn taufenbmal Be* 
queiner foeben, alS in bem trabitionellen pot du feu. 

Sie ÄSttbcr, welche ohne icbe Segleitung BIoS mit 
einem ihre SReiferoutc Beteidjnenbeit jäfeldjen um 
ben ©alS, Streifen non jatifcnbcit engtifefver 9Wei= 
len auf ben amerifanifchcn SifcnBafmen unb 
Dampfern, gerotffermaßen unter bem Schuß beS 
©ithltfumS guritalegen, haben ein allerbtngS etwaS 
befdwibenercS ©egenftüd an ber 7*iäbrigen jodder 
beS itapeflmeifterS ©tarfe in ©rag gefunbeit. DaS 
junge Dämchen, mit ©laib, 9)?antel, Umbäitge* 
taßhe unb ber am ©alte hängeitben SKoutentafel 
auSgeftattet, hat ohne ©eleit bie 9teife oon Stag i 
nach ftonftang mrüdgelegt, unb ift nach 36ftünbiger 
gabrt wohlbehalten an feinem ©eftimmungSort 
angelangt. Die jafel trug bte Stuffcbrift: ©rag* 
©tlien*gurth'3dpoanborf=VegenSBurg=9iugSBurg= 
8inbau*S’ouftang. DaS fleitte gräulctit befaß feine 
birecte gabrfarte unb führte etne ©anbfaffe, auS 
ber eö feine Verpflegung beftritt* 

Sit 3rauenfHmmrei!it§6ewegimg unb bie grauen*! 
emancipationSfrage überhaupt greift iefet tit Gng* 
lanb mehr unb mehr um fich. 9im 26. $unt würbe 
unter bem Vorfiß beS ©arlamentSmitgliebS SDJr. 
3acoB ©right in Bonbon ein oielbefucbteS 9)?eeting 
abgehalten, baS fich für Buerfennung beS 2Babt* 
rechte an bie Stauen attStprach, unb mehrere 9icfo= 
littionen in biefern ©iitne faßte. Sei biefer ©e* 
legen heit fchilberten gmet Bef a nute amcrifanifche 
Vovfämpferinncn ber grauenredde, SflfrS. ©tanton 
unb üHiß ©iifan 9(nthoim, bie ©tellting ber grauen 
in ben Vereinigten Staaten unb gäblten eine 3ieibe 
oon SrwerBSiweigcn auf, bie noch oor 40 fahren 
bem weiblichen ©cfdrtccht gäuglich oerfcbloffen 
waren* 9ln Stefle ber grauenärgte ftitb jefet jau* 
feitbe oon grauen felbft alS biplomtrte 9lcrgte mit 
SluSgeicbnimg thätig; währenb bie grauen früher 
böcbftenS ihren SOZännern ©arbinenprebigten halten 
tonnten, fpredien fie iefct oon beri^anael als ge- 


aditete ©eclforger gu gahlreichen ©euteinbeit. ©onft 
gatten bie SOiänner für bie natürüd)en Vertheibiget 
ber Srauen in Ämertfa, aber iefet oertheibigen aittft 
bie Sranen SJänner, unb gwar oor ©eriiht. ®a^ 
Dtcchtoftubium ftcht thnen offen, unb weibliche 9lb= 
bofaten, bte felbft bor bem hofften ©erichtShof 
blaibiren tonnen, ftitb in ben Vereiuiaten ©taaten 
taft ebcitfo gahlreid), wie ihre männlichen Kollegen. 
Die Verbreitung oon Ütfeuigfeitcn war immer eine 
8ieblingS=Sefd)äftiguitg beS fchonen ©efddechtS, 
barum barf man fich nicht wunberu, baß Srauen 
Bettungen rebigireit, Südter perlegen uttbbie©älfte 
be§ großen ©eereS bcr Steporter bilben. Die 
giehung ber Sugeitb liegt in ben meiften Schulen ia 
ihren ©äitben, unb ber Voftperfehr wirb jttm großen 
SCheil Poit ihnen vermittelt. Sticht weniger atö 
5000 weibliche Voftmeifter giebt eS in ben Ver¬ 
einigten Staaten, leiber aber, wie 3)tiß fRnthonp 
Bemerfte, nur auf ben fcblecbt botirten Soften, ba 
bie SOZänner burch ihren politifdjen Sinfiuß fidh 
bie einträgtidiften Sieden gu fid)ern wiffen: „So 
lange wir nicht baS SBahlrecht haben, Bleiben wir 
Sflapinnen," fagte bie Stebnerin, —- „bieb müffen 
wir erringen, unb ift e$ erft in unfern ©änben, fo 
wirb bie erftc Solgc fein, baß wir ber 9Käßtgfeit& 
Bewegung ginn ©ieg perhelfen unb [trifte Sperr* 
ftunben ber SBirthShäufcr einführen" — eine ©e* 
merfung, bie mit großem Scifad aufgenommen 
wttrbe. Die SQtännerwelt hat, wie e8 Scheint, in 
I Mmetifa feine erfreulidien BufunftSauSRchtenj unb 
bie ßnglänberinnen möchten eS ihren amerifamfehen 
©chweftern barin gar gu gern naddhuit. Uebrigen^ 
wollen unS bie Seifpielc, weld)e 9)tiß Slnthoup atö 
BefonberS leitchtenbe VorBilber beS anterifanifeben 
weiblichen ©elbftftänbigfeitSPrangS anführte, wenig 
gut Stadjeifcruitg oexlodenb erfdjeinen. SS waren 
bieS namentlich eine iunge Dame, welche alS 9®e* 
porter einer Stewporfer Beitung bie amerifanifeben 
Viehmärfte befuchte, ferner bie Docbter einer un* 
Bemittelten Samilie, welche feine 8uft hatte, ihrer 
3)tutter in ber ^auSwirthfchaft Behilflid) gu fein, 
fonbem lieber nach bem fernen SBeften ging unb 
bort mit erborgtem ©elb ein Stücf 8anb raufte, 
beffen SeBauung ihr enblich nach Pielen fehlgefchla* 
gelten Verfuchcn glüefte, unb last not least ein nach 
unfercit Scgriffen höchft unperfdjämtcS ©auSmäb- 
djen, bie ihrem ©errtt, ber fich über bie fdjlecht ge^ 
puljtcn Stiefeln beflagt, ertoibert, er folle fich bie 
©tiefet fünftig felber pttfeeit; eS fei ohnehin feine 


Slrbeit für 
mad)cn. 


grauen, fd)mubige Stiefel Blanf gu 


Sie Waderen WabÄen tum Vaffar Koffeae Bei 

9?ew §Jorf, wcldje fich rürglich gegen bic geiftlofe StB* 
rid)terei auflchntcit, erhalten pon einem 9®ed>fcl* 
Blatte folgenbeS 8ob: ^Srapo, amerifanifdvc S)läb* 
d)en, Srapo! 2SaS bie jungen SMänner nid)t wagen, 
ba§ wagt ihr, unb geigt baburtb, baß ihr nicht nur 
wiffet, waS ihr wollt, fonbem aut h ben SRuth habt, 
eS auSgiifprecheit. greilich hat bie Vaffar*gafultät 
ftch porläußg noch nidit bemüßigt gefehen, ben re* 
bedifchen Stubentinnen nadmigeBen. Sdxabet nichts 
— ber ^mpul§ ift gegeben. Unb baS, waS benfenbe 
Sehrer jd)on feit fahren erftreben, mag einigen Bin* 
fen SRäochen am Snbe mit einem Schlage gelingen: 
9lbfdwffung beS VatentnnfugS unb ber Shtengeichen 
in ben Schulen uufereS fianbeS." 


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$u H«ufe. 


605 


5 « Hauff. 

ftan# nttb #erb bon einer $an$fran. 


Stangenftlferie j n nbnUiintem. $iel ©ellerie I 
mirb mahrfchetnlid) burch au biel SBdriuc, ald burd) 
ftrenße itdltc befdjdbißt. Öbmohl empffnblidier mie 
biele attberc ©emüfe, fdiabet ihm hoch ein leichter 
jjroft nicht. CDie 9Rarftßdrtner laffen ben ©tanßcn= 
fellerie manchmal Rehen, mo er mdchft, häufeln bid 
SU bcn ©pifeeit ©rbe baßeaen an unb bcbeden bie 
Blätter, meint ftrenße £dlte nabt; aber hier ift bad 
Wtfo, bah bet fo belaffene ©ellerie nicht immer 
heraudßcnommen merben fann, meitn gemünfdff 
mirb, bedhalb fomrnt ber für ben ÜSerfauf beftimmte 
in bie ©rdben. ®ie ©rdben muffen an einer ©teile 
ein, mo Reh fein SSaffer in benfelBen feimmelt; Re | 
ollten nicht über lOBoll breit fein; bie Tiefe hdnßt 
bon ber ©übe ber ^flansen ab. ®er ©ellerie mirb 
aufrecht bicht hineinßeftellt, unb feine Srbc fomint 
Bagmifdjen. ®ie ©pifeen merben mit Sldttern, 
grobem $eu ober ©troh bebetft; bied ßcfchieht erft, 
wenn ftreitße ffdlte beborftcht; aber bad Material 
follte beftdnbiß für ben fofortißen ©ebraitd) sur 
$anb fein, tim fflefdidbißtniß bureb Chhifeen su 
bermeiben, mirb bad (äinfefecit in bie ©rdben fo 
laitße berfchobeit, ald bied ohne ©efahr ßefchehen 
fann. 2Benn fein frübseitißer#roft eintritt, ift (5nbe 
^obentber in ben meinen ©eßenben faft immer bie 
befte Beit. Slber bie $ flanken in ben Leihen mer= 
ben $nfanßd bed SMonatd burch 9lnhäufetn ben 
Grbe aefdjüfet. ®ie ©pifcen leiben nicht, meun and) 
bad Thermometer 5—6 ©rab unter ben ©efrier- 
buitft fdllt. ®ie Sebedunß maß anfdnßlich leidff 
fein, unb mirb mit sunehmenber Ädlte bermehrt, 
bis fie fcbliehltch 6 ober 8 B»ll hoch ift. $ad 9ütf= 
bemahren bon ©eiterte tmSfeller ift nur bann möß s 
lieh, menn matt einen fieller hat, ber im 2Binter 
fühl ift. 3ft ber ifellerboben cementirt ober mit 
Sacffteinen ßebflaftert, fo müffen einige Soll hod) 
©rbe barauf ßcmorfen merben. (Sine SRcihe Bretter 
bon ber $ohe ber $flaii$en, mirb 9 3^1 bon ber 
Äellermanb errichtet; ber Dtaum mirb mit ben auf- 
rechtfteheitbcn $flansen gefüllt, gerabe mie bei ben 
©rdben. 9 3oll bon biefem entfernt, merben smei 
anbere Sretterreihen mit 9 3olUfmifchenraum er= 
richtet, unb baburdj eilt meiterer Behälter hergcftcllt: 
biefer mirb mieber mit üßflanscn ßefüUt. ®aburcb 
fomrnt ber Sellerie in 9 3oll breite Leihen, bie 
9 3otl ?lbftanb haben, T)ie 3mif<henrdume folleit 
bad ©rhifeen, melched ftattfiubct menit ßröhere ^Raf¬ 
fen sufammenßebrdnat Rehen, bermeiben. 93efteht 
ber Äellcrbobeit aud (Srbe, fo merben fletne pfähle 
aeßen bie Sretter in ben Stoben ßetriebeit, um bie 
Bretter atu $lab m halten. ©ine foldje SRafje 
$Ranseu mirft btel SBarme ab, unb ßute 93ente 
lation ift erforberlich, bamit bie Temperatur nie= 
briß bleibe. 

&djtoriftefkii<b jum leuihmt elttjttböfcltt. 9luf 
100 ipfunb Sleifch (Schiitfen, ©chulterftüde, halbe 
Äöbfe, ©beafeiten) rechne man 5 ßjfttitb ©als unb 
2i tittsett ©albeter. 9)?an beftrene ben SBobcn beS 
SaffeS bünn mit ©als, teibe bic ©peeffeiten ßchöriß 


mit ©als ein unb bermifche bann baS übriae ©als mit 
bem Salpeter, hiermit reibe man bicSchinfett k. fo 
Rarf ein, bah fie fein ©als mehr aufnehmen. 8eße 
bie ©diinfeit unten inS Sah; fülle iebeti 9taum, 
auch ben fleinften, mit flcinen ©tütfen Sleifdh auo 
unb pade alles fo, bah eS feft an einanber ließt, 
ftreue baS übriß ßebliebene©als laßenmeifeauf baS 
gleifd), unb leße bie Seiten, auch mitSalsbeftreut, 
oben auf. Son biefem feften Bufammenpacfen 
hdnßt ber reine ©efdimad beS SleifmeS ab. ®ie 
lanße baS ^leifch in ^ßofel ließen mup, barüber ift 
man berfchiebcner 9lnfid)t. 3d) mürbe tunßeS Sleifdh 
bon fleinen ©dnoeinen 8 Taße, baßeßen leifch bon 
ßrohen ©chmeincn (unb beSmeßen and) ßröhere 
©türfe) 12—14 Taße in ?J6fel ließen laffen. 3Ran 
ftelle baS gleijih aber immer an einen fühlen ißlafe. 
®aiut hdiiße man cS sutn SHdiidiern an einen luf= 
tißen unb rditchere momoßlid) mitSBathholber, 
mosu man auf folßenbeJöeife leidst eineßinrichtuiiß 
treffen fann: (S^ mirb nämlich ba, mo ßerduchert 
merben foll, ein alter Ofen ohne ®edel unb fRöhre 
hinßeftellt unb mit einißen ®achholbersmcigen ße= 
füllt, bie anßesünbet merben. 5)ie^ mirb mentaftend 
8 Sfcaße laitß mieberholt, mdbrenb au^ bem meifA 
burch Ceffnen ber Senfter hduffß 8uft ßeßeben mer= 
ben muh, u>cil nidst 5Raud) allein, fonbem SRaiuh 
mit guft abmechfelnb, bem fJIetfcBe einen ßuten @e= 
fdimad ßeben. 

CbR^iRß. ®ie mm (Sfftß beftimmten ^epfel 
ober SMrnen (auch abgefallene fann man basu ber- 
; menben, nur müffen btefelben abßeioafchen merben) 
merben fo flein ald mößlich ßeftampft unb in einer 
Dbftpreffe reiht trotfen audßepreht. ®er fo erhalt 
tene uRoft wirb in offene Raffer ßethan, moriit er 
I 8—10 Säße Rehen bleibt. $)te Unreinißfeit adhrt 
nach oben, unb mirb borRdjtiß abßenommen, bann 
ber SRoft in Sdffer ßefüllt, unb biefe an einen mar= 
men Ort ßebracht. 9?un erfolßt noch etmad ©dh= 
rung aud bem ©puttbloch, unb ber borher in 
Slafchen surüdgeftellte SRoft mirb sutn SWachfüllen 
gebraust. ?|Rbie ©dhruitß gans beenbet, fo mirb 
bad ©pttnblod) mit einem nicht su bichten ©tuet 
öeinmanb bebeeft, unb bie Raffer bleiben bid sutn 
|yrühiahr rtthiß ließen, mo man aldbaitn ben (Sfffg 
in Jdffer ober ^lafchen absapft. Unten im San 
Rnbet Reh immer ein siemlich ftarfer ©afe. 6d ift 
ein ßttted 3etd)en, menn Rth eine $aut auf ber 
Oberfldche bilbet, bie bor bem Slbsapfen nitht ße= 
Rört merben barf. 

billige unb batterfytfte (f ilkmt. ©ine aud- 
reichenbe ÜRenße ffteßenmaffer für bcn ©ebrauch ber 
Familie, für ben ©tall unb gum Seßieheit im ©ar¬ 
ten, ift bad ^auptbebürfnih auf bem Sanbe. Oad 
©itibernih, biefe SBaffermeiiße Reh su berfdiaffeit, 
finb bie ßefürditeten äudlaaeu. ®ad@raben ititb 
9ludmaitern ber ©ifterne mit ^Bacf= ober ^rud)* 
Reinen foftet ©elb. ®ie meiften ^arnterfvauen 
haben sutn SBafdieu nur SJrunuenmaffer, mehhed 


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606 


3u Haufe* 


fic mit bem (Sinter heraufgiehen, tmb im Scheunen- 
feiler ift feine Verrichtung gur Srlangung beS 
©ränfcwafferS getroffen, Sine Sifterne, bie fämuit= 
lieber auf baS ©ach beS ©aufeS ober ber ©djeuue 
faUcnbc Scgenwaffer faßt, ift im Vereid) eines jjeben 
thätigen SauncrS, unb fie entfdjäbigt icbeö 3ahr 
burdj bie 9lrbeit3erfparm&, bie grö&ere Sequemiid)- 
feit im ©auShaft wie in ber ©djeune für bie gehab= 
tenAMten. Silier nuferer Sathbarn, ber@ärtner 
unb Farmer ift, bat im oorigen Sabre eine Sifterne 
für fein SreibhauS gebaut, itttb war Jo gufrieben 
bamit, baß er biefen i&erbft eine gweite für beit ®ar= 
ten unb bie ©cbeune berftellte. ©ie evfte 9lu3gabc 
war für baS 9lu3graben an ber ©übfeite ber 
©cbeune, wo ber Sroft itid)t [ehr tief einbringt. 
Sie Sifterne ift etwa lOftuft tief, 10 grüß imffiurd)= 
nteffer am ©oben unb 12 gitß oben, ©erhoben 
ift fiefifler 8ebnt oben unb fompafter ftieS weiter 
unten. 3lber©anb, wenn fompaft genug, baßer 
nicht abrutfebt, eignet ftch ebenfo gut. ®ie ©eiten 
ber (Sifterne werben fo eben alS möglid) gemacht, 
unb mit einem Sefen bfntner Vortlanb=Sement= 
mörtel auf ©oben unb ©eiten gcftricben. ©iefer 
troefnet febr fdjnell, unb oier= ober fünfmaliges 
©eftreirhen ftellt ein ftarfeS unb bichteS ©afin ber, 
welches oollfommen genügt, um alles hineinfom= 
meitbe fflaffer gu halten. ©ie 9(u3lageu für Sement 
finb gering, unb bie bümte Prüfte, hinter welcher 
ber fompafte Untergrunb ficb befinbet, ift ebenfo 
bauerhaft, wie ein SZauevwcrf au$ ©ruch= ober 
©aeffteinen. Bur ©ebeefung bienen ein Sitß bide 
A?aftanienholgbalfen> an ber einen ©eite behauen, 
unb barüber ließen gwei BollbicfeAfaftauienbohlen. 
3wei Sohren leiten baS SBaffer oon ben ©aibrinnen 
ber ©cbeune hinein. (Sine für baS Steinigen ber 
Sifterne unb baS 9lnbtingen ber ©untpe genügend 
große Oeffnuitß ift oben gelaffen. ®ie planten 
würben etwa gwei ftuß bodj mit Srbe bebeeft — ein 
auSreichenber Schuß gegen Sfroft in biefer ©egenb. 
Sie (Sifterne faftt 8000 ©allonen, ober mehr, unb 
aiebt in aewöbitlicbeit Schreit auSretchenb SBaffer 
für baS SSieb unb bie ©criefetung im ©arten* Sie 
ßangen 9lu3lagen für Arbeit, $olg unb Sement be- 
trußen etwa fünfgehn ©otlarS. ©ie meiften 5?av= 
iner föunen bie erforberlicbc Arbeit unb ba3 Jpolg 
felbft liefern, unb nur ber ©ortlaub^Sement ocr= 
urfaebt Äloften. ©er Sement bartet ficb unter 2Baf= 
fer unb wirb fo feft wte Stein. 

©in* * Mäßigeren ttidjtljeilig? 2lb- 

wechfelnbc Xhätigfcit unb Sube ift ein Saturgefeß 
für ieben ©heil beS AlörperS, außer bent Jpergen unb 
ben Slutgefäßen. ©ieS ©efeß fann nicht ocrleßt 
werben, ohne baß mehr ober weniger naebtbeilige 
Sefultate bie ftoige finb, man mag fie bemerfen 
ober nicht, ©er menfchlicbe Stagen muß feine 3ei= 
ten ber Sube haben, ober er wirb gefibwäcbt unb 
oerfagt fchließlidj ben ©ienft. Sn gewiffem ©tnne 
ift er bie Stahlmüble, weld)e ben gangen Alörper mit 
Sabrunß oevforgt. ©ie S?üble bleibt thätig, fo 
lange barin ctwaS gu oerarbeiten ift. Sine gewöhn- 
Inbe febwere Stahlgeit erforbert 4—5 ©tuitben bis 
fie aufgclöft unb in ben Organismus überßegangen 
ift; ein fdnoacber Stagen braucht länger, ©aitn 
muh ber Stagen minbeftenS eine ober gwei ©tunben 


Suhe haben, um fid) wieber gu erholen, wäbrenb 
welcher Beit bie anbern Äörpertheilc unb ber ©eift 
thätig fein föunen* 3n ber Segel folltcu nicht we* 
itiger alS fecbS ©tunben gwifdjen ben Stablgeiten 
oerftreicben. Sin 3mbiß irgenb einer 9(rt, felbft 
3Bilch, weint fie in ben SJtagen fommt, che bie oor* 
herigeStahlgcit oerbaut unb er auSgerubt, ift nach- 
tbeilig. Sffeit »vifeben beit Stahlgeiteu, foidjen, 
Bucferwerf, Obft ober irgenb etwas, baS oerbaut 
werben muh, hält ben Stagen thätia, unb beraubt 
ihn ber notbwenbigen Suhe. ©aS ©efübl ber 91b- 
gefpanntheit bei hattet Arbeit ift meiftenS eine 
ftolge ber ©törung, bie ein fräftigeS grühftücf ober 
9D?ittageffen oevurfadd, inbem im ©ommev bie an- 
ftrengeitbe Arbeit unb bie brüdettbe ©ifec bem SSer= 
bauen beffelben hiubcrliib waren* ©er 3mbi6 be* 
feitigt eS (fo meint 3ftand)er), macht aber ben SDiagen 
unfähig, bie nächfte SÖJablgeit gut gu oerarbeiten. 
9lm betten ift eS, wenn gmifdjen ben rcgelmä§igen 
SBahlgeiten^nicht gegeffen wirb; man höre mit i>em 
Arbeiten auf, wenn man febr abgefpannt fühlt, 
ruhe ficb eine halbe ©tunbe auS unb arbeite bann 
mit erneuter Äraft weiter* 93erüdfid)tigung biefer 
fünfte wirb bie förperlübe unb geiftige geiftungS* 
fähißfeit wäbrenb einer Seihe oon fahren bebeu^ 
tenb oermehren. 

Sht leichtes Mittel gegen Mottenfraß im $el|» 
Wert, ©o zeitig man bie $clgfad)en im Stühiaht 
entbehren fann, werben fieforgfältig auSgeflopft 
unb auSgebürftet unb in $appfd)ad)teln gelegt; 
bie Schachteln ftccft man bann in einen neuen, ein= 
fachen Äiffenübergug; gro§e ^elgfragen unb 3Bän= 
iel fann man in gröberen Uebermgen aufbewahten, 
nur müffen bicfclben neu ober fo gut wie neu fein. 
©aS ©eheimuifj ift biefeS: Sin $ang fleiiteS ffie^ 
genbeS 3nfeft ift oertnögenb in bie fleinften 8öcher 
eingubringen, unb mub baber ber Uebergug feft unb 
bid)t fein. 3$ hebe meine fCelgfacbett iebeS 3ahr 
auf biefe SBeife auf, unb würbe fdwit gefragt, wie 
ich fie fdmbe. SBollene ©adjen, bie ben ©ommer 
hinburch nid)t gebraucht werben, fann man auf 
äbnfidje 9Beife aufheben. 

%tr Sinffitß eines großen Manne#. Sn einem 

Sonntag, fo ergählt ein alter ©olbat oon Äentuc6>, 
ber unter ©eneral 3adfon bei Sew Orleans 
fochten, unb wohl wußte, waS für ein &elb ber 
©eneral in feinen rüftigen Sagen gewefen, ging idb 
in bte ©ermitage Äirche unb fah ben alteu greifen 
©eneral bemüthig am Stltar nieberfnieen. ©aS 
hl. 9lbenbmahl würbe gefeiert, ©er alte ©olbat 
ftanb wie oom SBlife getroffen. Sach bem ©otteS= 
bienftc bemerfte man ihn; er war fo in fich gefehrt 
unb nachbenfeub, ba§ man ihn nach bem ©ninbe 
fragte, ©eine Antwort lautete: 

„911S td) ben Sfann fah, ber ©djlachten fchlug, 
9lrmeen befiegte, Parteien unb ßabhietcn opponirte, 
ohne gu wanfen; alS ich ihn auf feinen Änicen fah, 
©ott angubeten in iener Kirche, ba faßte ich gu mtr 
felber: 28enn ©eneral 3acffon ©ott ocrehrt, bann 
fann ich euch faßen, ift eS hohe Beit, bafe ich auch 
anfange." 

93ter SBocben nachher fdjlofj er ftd) ber Äirche an, 
unb lebte unb ftarb alS etn würbigeS SKüglieb. 


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$onntagfd)ul=jektionra. 


607 


Sonntagfftul Rektionen. 


Sonntag, bcn 4. Bov. l ©am» 12,13—25. 

©amuel’« flbfdjiebStoorte. 

1. 3*0: 1095 ». Gfcr. 

2 . Ort: ©ilgal tut 3 orbantbat. 

8. ^uiammntfHtiig: ©aul mar nach ber git Sföiapa 
vod 30 genen £önig3mahl mieber in ba3 väterliche 
©au3 nach ©ibea 311 feiner bisherigen länblichen 
Befftäftigung aurücfgcfehrt. Da gab ihm ein (Sin- 
fall beS 3(mmoniterfönipS BabaS @elegcn= 
beit, feine Berufung 311 m fonigliftcn 3lmte burft 
einen herrlichen ©ieg über bic ?jrciube 3 fraeft 311 
bewähren. BabaS mar in baS Oftiorbanlanb ein- 
gebrungen unb belagerte bie ©tabt 3 abeS in 
©ileab. B?it unerhörter ©raufamfeit brohte er, 
jebem Bewohner ber unglütfliften ©tabt baS rechte 
3(uge aiftauftcftcn. 3n biefer Boft fanbtcn bie 
jftbcfitcn Boten „in alte fflrensen StffraelS" 
— alfo au ben einaelnen ©tdmmen, ein Beweis, 
wie wenig fic noch von betn Könige entarteten — 
um biefelben aur föilfc berbeiaurufeit. 31(3 bie Boten 
ait ©aul tarnen, gerieft ber ©cift beS öerrn über 
ibn. Durch bie ©tücfe eine3 aerfteiltcn fWinbcS, 
melfte er in ade ©rensen 3frael3 fanbte, rief er baS 
Bolf aum Kampfe auf. Balb batte er 330,000 
ÜJiann um fiel) verfammelt, mit weiften er 3abe3 
entfeßte unb baS öeer ber 3lmmoniter gänalich auf= 
rieb, B2it einem 3(ft ber ©nabe gegen bie Scanner, 
weifte ibn nach feiner Erwählung git Biiapa ver= 
fpottet batten, fronte ber junge Zeitig bcn Sag fcU 
nft erften ©iegeS. Durch biefcii guten Anfang 
Sauft ermutbigt, verfammelte ©amuel baS Bolf 
nach ©ilgal aur Beitätigung beS ÄönigtbumS. 
Bei biefer Berfammlung hielt er eine ergreifenbe 
fWebe, in welcher er fidnig unb Bolf aum ©cborfam 
egen Slebovab ermähnte. Sin Xbeil biefer Stcbc 
ilbet bcn ©egenftanb uitferer Scftion. 

4. ©ort^ nnP Safte rflärung: ©amueft Bebe 
auf ber BolfSverfammlung au ©ilgal mar in ge= 
wiffem Sinne eine 3lbfftieb3rcbe. Bon nun an aog 
er fift von ber regelmäßigen richterlichen 3lmt3= 
tbätigfeit aurütf, um bie Sutfcbeibung ber Streitige 
feiten im Bolf unb bic geitung ber öffentlichen 3lit= 
gelegenbeiten im Einaelnen bem Könige au über* 
taffen. 3113 eine förmliche Bieberlegung feinet 3lmte3 
bürfen mir jeboft biefe föanblung nicht anfeben. 
Sin B?ann mic Samuel fonnte unmöglicb in ^frael 
leben, ohne in gemiffem Sinn immerfort fein Ber- 
tretet vor ©ott unb ber Leiter feiner Slngelegenbeiten 
au bleiben, ©o erfebeint er beim auch ferner noch 
aft ber Bevollmächtigte ©otteS feinem Bolfe gegen= 
über, befonberS bei ber Salbung DavibS unb bei 
ber Bermerfung ©auft. — ©amuel ftebt am Sage 
von ©ilgal auf bem &öbepunft feiner öffentlichen 
SBirffamfeit. 3113 Brophet führt erfiönig unb 
Bolf aufaminen vor ba3 3 lngefiftt be3 .frerrtt, unb 
verpflichtet beibe au unverbrüchlichem ©cborfam 
gegen ben ffiidcn ^ebovabS. 3113 Biftter fefet er 
auf @otte3 Befehl ben geforberten Äönig ein, führt 
feine unb be3 &ertn Safte gegen ba3 treuloje Bolf, 


inbem er mit bemfelben rechtet unb e3 antlagt, läßt 
in Donner unb SBetter bie Btaieftät unb ben Som 
bc3 verfftmähten unfiebtbaren ÄöitigS ihm ent¬ 
gegentreten unb verhängt £>cil ober Bcrberbcn über 
Äönig unb Bolf, je naft ihrem Berbalten au bcn 
Srmabnungen unb Borfchriften, bie er ihnen aft 
Bropbet gegeben. Snblift vcrfpricht er aft 
ft er, be3 Bolfe3 ©afte bleibenb auf fürbittenbem 
ßeraen au tragen. 

5. 3nr Srflämng imV Srbammg: 

a) SmeiSBege. B. 13—15. ©amuel bat bem 
Bolfe, B. 1 — 12 , naftgemiefen, baß meber er bei 
ber Bermaltung fcine3 9tiftteramte3, noch ber ©err 
in ber bisherigen gübruna 3 fraeft ihm gcgrünbe= 
ten 3lnlaß baau gegeben, bei bem Sinfad ber 3lm= 
monitcr einen Völlig au verlangen, fftun, ba 
habt ihr. 3Bit bem SBörtften „nnn u gebt ©a= 
muel, B. 13, von ber Betrachtung ber Bergangen¬ 
beit auf bie ©egenmart über. Den ihrermäblet 
habt. Daß ba3 Bolf ben ffönig „ermäblt" habe, 
fann von ber Bcrfon be3 ©aul nicht gefagt wer¬ 
ben, fonbern nur von bem £önig überhaupt, von 
ber monarftifften f)tegierung3form. ©aul aber 
mürbe burcb’3 ßoo3 von bem^errn felbftaum 
Völlig ?|fraeft beftimmt. Die3 mirb aiftbrüdflift 
hervorgeboben in ben ^Borten: Der &err bat 
einen fiönig über euch gefefet. SBar bie 
gorberung bc3 BolfeS auft ein 3lft ber geinbfftaft 
gegen ©ott, fo hat fic ©ott hoch erfüllt, bamitSfrael 
Durch Srfabrung lerne, baß fein SBoWergcben nicht 
von ber Sinfcfeung eine3 irbifften ÄtönigtbumS, 
fonbern allein von ©otte3 ©egen unb Beiftanb ab- 
hänge, ©o gemährt ber £err häufig unfere tböricfc 
ten unb verfebrten Bitten, um unS burft fftmera^ 
lifte Erfahrungen aur Srrenntniß unfereS geblerS 
au bringen. Sm Bcifpiel hierfür ift Betru3, ber 
bei bem Sturm auf bem ©ee ©eneaaretb ben auf 
bem ffiafier manbeinben Bieifter bat: ,,©err, bifi 
bu e3, fo beiß mich au bir fommen auf bem SBaffer.^ 
63 mar eine vermeffene Bitte, geboren au3 beut 
eigeniiebigen Berlangen, e3 ben anberen Jiünviern 
auvorauthun, augleift a 6 er eine Bitte, in melfter fift 
ein geioaltigerSlaube funb tbat. 3ln biefem @lau= 
ben nagte ieboft ber 2Burm ber ©elbfierbebung, 
baher fehlte ihm bie aiftbauernbe ftraft. ffaum ift 
Bettu3 auf be3 ©errn (Scheiß aift bem ©ftiffe ge¬ 
treten, fo finbet er Urfafte, feine ©elbftüber- 
b e b u n g au beflagen; beim beim 3lnbücf ber fturm= 
gepeitfftten SBeden verläßt ihn ber Bhitb, unb er 
fängt an au finfen. ^eßt erft ruft Betrift in tiefer 
©eeienangft: „$err, hilf mir!" morauf ber.fterrihn 
in feiner herablaffeitben, erbarmenben Siebe aift 
bem 25edengrabc rettet. Betrift aber bat bie Seftion 
gelernt, baß nur ber b em ü tb ige ©laube von ©ott 
mit ©ieg gefrönt mirb. 

B. 14.15: 3mei SBegc legt ©amuel nun bem 
Bolfe vor. 3u überfeßeit ift: SBenn il)x nun 
ben Jperrn fürftten merbet. . . . unb ihr 
unb euer fiönig bem £>errn, eurem ©ott, 

folgen merbet, -(ergänae etma: fo ftebt es 

mobl); merbet ibv aber u. f. m. 3 n fftüftteit 


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608 


Sotmtogfdiufefehttonen. 


SDBovtcn evflärt Samuel Dem S3olfe, baß ihre SBohl* 
fahrt von ihrem ©chorfam gegen ©ott abhänge. 
©ott fchenft aüen benen, welche ihm in wahrer 9litf= 
riebtigfeit bienen unb {einem SBorte gehordien, bie 
©nabe ber SlitSbauer unb beS SSeharrenS in feiner 
Nachfolge; bie Ungehorfamen bagegen ftürgcu fich 
Jelbft inS Unglüd. 'Denn wer ©ott nidbt alS feinen 
fiöitig anerfeniten will, bei* muh ihn bodj alS feinen 
dichter anerfennen. SBir lernen alfo aue^ biefeit 
Serien: 2Kit wem ber ©err ift, unb wem 
er wiberftehet. Die Slntwort auf biefe ftrage 
ift oaoon abhängig: 1) ob man beut Ferrit fta> gum 
©igeitthum geweiht hat a) in wahrer ©otteS* 
f tt rcf) t, b) in wahrem ©otteS b i ett ft, — ober nicht; 
2) ob man gang unb gar betn SBillen beS Ferrit 
gehorfant ift a) inbem man feinem SBorte ge* 
iwrht unb b) feinen ©eboten nicht wiberftrebt — 
ober nicht; unb 3) ob man mit feinem gangen 
SB anbei bem ©errn bei feinen Rührungen folg* 
fam ift, inbem man a) ben oon ihm gewiefeneu SBcg 
einhält unb b) baS oon ihm gefteefte 3id int Singe 
behalt — ober nicht. — ©3 giebt für beit SRenfchcn 
fein grö§ere3 Unglüd, alS wenn bie ©aitb beS 
iperrn wiber ihn ift. tiefer ©otteShanb, bie 
ftch gttr Strafe nach bem Siutber auSftredt, fann 
deiner entrinnen 053f. 139, 7—12). 

b) DaS Brechen. SS. 16—19. ®. 16: $re* 
tet nun her. Diefe SBorte weifen gurüd auf S3. 
7, too Samuel mit betnfelbett SluSbrud baS 33olf 
aufforbert, oor bem Ferrit mit ihm gu rech* 
ten über alle SBohlthaten, bie ©ott ihnen unb 
ihren S3äterit ergeigt habe. SBir haben alfo gleich* 

S am eine SgeridjtSfcene oor unS, in welker Samuel 
>ie Saclje ©otteS gegen fein abtrünniges SSolf führt. 
3um 3eugni§ bafür, baß ©ott bem S3olfe gegen* 
über im Rechte fei, oerweift er auf ein 3eichen, 
baS ber ©err oor ihren91 ugen thun werbe. 

®. 17: 3ft nicht jefet bie SBeigenernte? 
Die SBeigenernte fällt in SMäftina in ben SRonat 
2Ra i, eine Seit, in welcher (wie auch in ben fol* 
genben üRonaten 3»ui unb 3uli) ©ewitter unb 
Stegen gattg unerhörte ©rfcheinuitgeit finb. ©iit ®e* 
Witter mit Donner unb Stegen oerfünbigt baher 
Samuel bem SSolfe a(S ein ooit ©ott gegebenes 
Seichen, an bem bie ^fraeliteit erfennen füllten, wie 
Khmer fie fich burch bte JJorberung eines ffönigS an 
©ott oerfüitbigt hätten. 

®. 18: Slttf SamuelS ©ebet tritt baS angefün* 
bigte 3eichen wirflich ein. 3n biefem außerorbent* 
liehen ©reigniß fprach fich ©otteS SOtißfallen an fci= 
nem SSolfe gang in betreiben SBeifc auS, wie Äap. 
7,10 fein SKißfallen an ben Sßhiliftern, welche ber 
©err gleichfalls auf SamttelS ©ebet burch ein @e* 
Witter gefchredt hatte, bab fie oor 3faae( gefchlagen 
worbeit waren. 3ugleich offenbarte btefeS 3cichen 
bie Dhorheit beS sßolfeS, welches ooit einem Könige 
mehr Schub unb ©ilfe erwartete, alS ooit ©ott unb 
feinem Propheten. Ueber folche Äräfte, wie fie Sa* 
muel burch feilt ©ebet in Bewegung fefete, foititte 
thr&önig nicht oerfügcit. ©üblich liegt in biefem 
3eicbcit Oie Slnbeutung, bab ©ott, wenngleich bie 
Sage 3fraclS iefct fo glücflich tinb heiter fcheine, wie 
baS SBetter in ber SBeigenernte, beitnodi, wenn eS 
ihm gefalle, biefer heiteren 9tuhe plöplich ein ©nbe 
machen unb ne mit Sturm unb Unglüd oerfolgeit 
föttne. 

®. 19: Die SBirfuitg beS oott Samuel erbetenen 


SBunbergeichettS ift, bab baS SSolf oott grober 
Surcht oor bent ©errn unb oor Samuel 
ergriffen wirb. „SScr Samuel," weil er ihnen alS 
baS SBerfgeug ber richterlichen 9Racht unb ©errlidj* 
feit ihres himmlifchen ÄöttigS erfchieit. Ste befen* 
neu ihre S ü üben, befonberS auch bie Sünbe, 
eilten Äönig begehrt gu haben. SSielc SDten* 
felgen finb nidit anbevS gur ©rfenntnib ihrer Sun* 
beit gu bringen, alS burdi bie ©ewitterftüvme ber 
Seiben unb beS UnglüdS. Sie fpradteit gu Sa* 
muel: SMttc für bciite Unechte. 3efet er= 
feinten fie, wie fehr fie beS SManneS noch bebürfen, 
ben fie oor fiurgein erft tu ftväflicßer Unbanfbarfeit 
hatten bet Seite fdüeben wollen. So werben ein* 
mal SSiele, welche ©hriftum hier oerworfen haben, 
wüitfchen, ba§ er fie oor ©ott oertreten unb ben 
3orn beS Slllmächtipen oon ihnen wenben möchte 
— wenn eS gtt fpät tft. 

c) ®er Öehrer. SS. 20—25. Samuel fucht 
nun baS gebentüthigte unb buhfertige SSolf in ber 
Streue gegen ^chooah gu befeftiaen. ®er3uhalt 
feiner fKebe erinnert att bie ^IbfchtebSrebeit 3ofuaS 
(3of. 23. 24). 

®. 20 mtb 21 enthalten ein breifadteS STOahn= 
wort an baS bußfertige SSolf: 1) ©itt SBort ber 
Erinnerung: w3hr habt baS Uebel 
alles getban." Samuel ift weit baoon ent* 
fernt, baS SSolf burch ©efcböiiigung ober Sntfchuh 
bigung feiner Sünbe beruhigen uno in eine falfche 
Sicherheit hineittreben gu wollen, wie baS wohl gu* 
weilen oon fefiledtten Seclforgertt geschieht. 9?ein, 
fte follen ihre Sünbe in ihrer gangen Schwere füh' 
ieit; benn nur in gerfchlageiten ©ergen wächftber 
rechte ©laube an bie oergebenbe Öiebe ©otteS. 
2) ©in SBort ber ©ttabe: „gürd>tet euch 
nid) t." ©otteS ©eiligfeit unb ©erechtigfeit fotl 
ttnS nicht abfdjredeit, auf feine ©nabe Att hoffen. 
3tt biefer ©Öffnung berechtigen uitS nicht nur bie 
gabireichen ©nabettoerheifiunaen, welche ©ott im 
51. unb S3unbe ben S3ußfertigen gegeben hat, 
fonbern oor allem ber SSerföhnungStob ©briftt, 
burch weld)en ©ott thatfäd)lich erflärt bat, ba§ er 
nid)t wolle ben &ob beS SünberS, fonbern ba§ er 
fi^h belehre unb lebe. 3) ©in SBort ber ©rmah* 
nung gur Streue: „SBeichet ui^ht hinter 
bem © e r r n ab" u. f. m., welches bie Sorbe* 
rung, bem ©emt oon gangem ©ergen gu 
bienen, unb bie SB a r n u n g o o r bem 
©öfeenbienft („wei Ä et nicht bem ©iteln 
nach") in fich fchiießt. ®ie ©öfeen werben alS 
w© i t e 1 e" begeichnet, weil fie in fich felbft nichtig 
finb, unb weber helfen noch erretten tonnen. 

®. 22: Stuf bie Ermahnung folgt nun bie tröffe 
lieheSSerftcherung: 3)er©err oerläfit fein 
SS o l f n i ch t. 5)iefe SSerficberung wirb begrünbet 
burd) ben ©inweiS auf bie Erwählung 3ftaelS. 
®a ber ©en euch nach feiner freien ©nabe einmal 
gu feinem-SSolfe erwählt hat („er hat an ge* 
fangen" u. f. w.), fo bient nun eure Erhaltung 
gur 33erherrlicbung feines SiamenS; ein ®e* 
banfe, ber im 91. Steftamente häufig wieberfehrt, 
g. SÖ. 5 3Rof. 7, 8; ©cf. 36, 21 ff.; 3ef. 43, 25. 

®. 28: 9luch feine Fürbitte oerfpricht Samuel 
bem bußfertigen S3olfc; unb gwar begeichnet er bie* 
felbe-alS eine 53f liefet, burch bereu SSerfäumniß er 
I fidi o e r f ü n 0 i g e n würbe. SS ift eine Unter* 
i laffungSfünbe, nicht für baS SBohl beS ®olfcS 


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$ 0 nntagfd)ul=j*rhtionrn. 609 


©otteb ,su beten. Sefonberb bürfen Seelforger eb 
nicht unterlaßen, für bieieitigen $u beten, weldje 
©ott ihrer Obhut aubertraut hat. DaS Volt hatte 
Samuel nur für ben borliegenben lall um feine 
ftürbitte gebeten, aber er bcrfpricht ihnen für fic 51 t 
beten, jo lange er lebe. Oie llnterlaffuna ber ftftr= 
bitte für bie ©rüber, ift eine Sünbe wiber ben 
fterrn: 1 ) weil bie Seelen ber trüber fein Sigen= 
thum finb; 2 ) weil beröerr bie Fürbitte fordert alb 
Reichen unb ftrudft ber Siebe, bie aub feiner Vater- 
hebe fließt, unb in welcher fidj bie ©?enfchen alb 
feine Älinber bor ihm bewähren feilen; 3) weil ber 
fterr unb in ber ©Gemeinfdjaft, in bie er unb gefefet 
hat, befonbere Veranlaffungen unb Aufforberungen 
sur Fürbitte aiebt. 

®. 24: Samuel fchlieht feine 5Hebe mit einer 
einbringlichen ©rmahnung sur Breite gegen ben 
$errn. fürchtet ben .yerrn. V. 20 heiht eb: 
„fürchtet euch niefit , u b. h. mit fnecbtifcher furcht; 
hier: „fürchtet ben öerrn," nämlich mit ber 
finblicfien ©hrfurdjt, weldie fiefi fefieut, beb Vaterb 
©Gebot su übertreten, nicht blob aub Angft bor ber 
Strafe, fonbern auch aub Siebe, bie ben geliebten 
Vater nicht betrüben will. Die rechte ©ottebfurdft 
offenbart ftcb im ©ehorjam, im treuen Oienfte 
bon gansein ftersen. IllS ©eweggrunb 
nennt Samuel bie (Erinnernnaen an bie groben 
Dinge, welche ber föerr au ^ jrael aethan, 
bie ©rwählung AbrahamS, bie ©rrettung ^fraelb 
aub ©gppten, bie Offenbarung am Sinai, bie ©r- 
oberung beb gelobten Saubeb u. f. w. ©inen noch 
biel härteren Seweggrunb surn Dienfte ®otteb 
haben wir; beim wab ©ott für unb aethan hat, ift 
uuenblich mehr, als wab er für bab altteftament 
liebe ©unbebbolf that. Die ©rlöfung ber IBelt 
burd) ben lob ©hrifti, auf welche bie 5 Jrom* 
tneu beb Eliten ©uitbcb im ©lauben hofften, ift nun 
bollbracfit; bab ©Gröhefte, wab ©ott für bie 3ften- 
fcheit thun tonnte, ift gefcheheu; wie füllten wir noch 
Saubern, unb aub Daufbarfeit bem Dienfte beffen 
Sit weihen, ber unb fo unaubfpredjlich aeliebt hat! 
— „Dab that id) für bich, wab thtift bu für mid)?" 
fdtrieb 3iusenborf eiuft im töaufe gottlofer Scute 
unter ein ©rucifi^. Die Seutchen lafen nach feiner 
Ilbreife bie weniaen IBorte, unb würben fo mächtig 
boit benfelben ergriffen, bah fie fiefi su ©ott befehrten. 

®. 25: Die ©rmahnung sur Irene gegen ben 
.vberrn oerftärft Samuel nod) Durch bie Drohung: 
'Iß erb et ihr aber übel h anbei n u.f.w. „©es 
rechtigfeit erhöhet ein Volf; aber bie Sünbe ift ber 
Scute Verberben." Diefeb IBort hat fiefi nicht nur 
in ber ©efchidjte 3 ftaelb erfüllt, fonbern eb erfüllt 
fiefi heute noch in ber ©efehiefite ber Reiche biefer 
IBelt. „Die IBeltgefchichte ift bab — ober wenige 
ftenb ein — IBeltgericht." 


Sonntag, ben 11 . Itob. 1 Sam. 15,12—26. 

€>auF$ Scrwerfung. 

1. fteU: 1079 ». Shr. 

2. Ort: ©ilgal im ^orbanthal. 

3.3nfantttienlKtitQ: fftachbem Saul auf ber 
Volfbberfammlung su ©ilgal allgemein alb öitig 


anerfannt worben war, machte 3 frne( ben ernftlidjen 
SBcrfucfir bab^och ber Vhilifter pänslid) ab,jurner^ 
fcn. Saulb IBaffen waren fiegrcidi, wo er fte fiin- 
trug. I?icbt nur bie Vhilifter, auch bie ©bomiter 
im Silben, bie Moabiter im Offen, felbft bie Smer 
im Itorben (bie Könige bon Qobci) muhten fiefi 
ftriebenbbebingungen bon ihm borfdweiben laßen 
1 (Äap. 14). So lieh fid) in Saulb erffer 3eit alleb 
bortrefflich an. Seiber aber bergaft er nur su halb 
in herrifebem ©igenwillen feine theefratifefie Stels 
lung. Sdwn bor bem Kriege mit ben SJSfiiliftern 
hatte er fid) bermeffen, felbft su opfern, unb fchon 
bamalb hatte Samuel ihm berfünbigt, bah auf 
folche IBeife fein ffteich nidft beftchen fönne. Iiiin 
füll er nach ©otteb ©ebot Amalef fdftagen unb 
berbannen. Die Umalefiter, welche aufberftalbs 
infei Sinai wohnten, hatten nämlich auf rauben 
rifd)c IBeife bab 9Solf Ssfrael auf feinem 3uge burch 
bie IBüfte angefallen (2 9D?of. 17,8—16). Unb ba- 
malb fd)on hatte ber $err bie Vertilgung Ilmalcfb 
bcfdftoffeu (2 2Kof. 17,14). 9Juu, ba bab D?ah fei= 
11 er Sünben boll ift, feil Saul bab göttliräe Ver= 
tilgungburtheil bollsiehen. ©r aber fchont aub 
©itclfeit beb fiönigb Ilgag unb aub ©abfudit beb 
beffen Viehb. IBar eb nun fchon sur 3eit fcofiiab 
fo furchtbar eruft gerädff worben, bah ein ^fraelit 
aub ber Ueute einer oerbannten Stabt etioab für 
fiefi genommen hatte Qof. 7), um uüe oicl mehr 
muhte bieb bei bem Könige ^ftaelb gefdiehen, 
beffen Ungchorfam in entjdieibenben Ilugenblirfen 
ben beb gausen Volfeb nach fiefi sieben unb ben oöl= 
ligen Abfall borbereiten muhte! Daher bab eiter= 
gifdie ©ingreifen Samuelb. 

4. SBart= ttttH Söchcrflärung: Der gottlicfie Ve= 
fehl, Ilmalef (wie früher bie fanaauitifeben Voller) 
su berbannen, b. h. gänslich aubsnrotten, mag 
hart unb graufam feftetnen; wir bürfen aber nicht 
überfehen, bah biefe Ilnbrottung nid)tb anbeveb ift, 
alb ein ©Gottesgericht wie bie Sünbfluth unb bie 
Vernichtung Sobomb unb ©lomorrab, nur bah fi(h 
©Gott bieemal nicht roher 9?aturfräfte, fonbern freier 
Vcrfönlichfeiten, nämlich feineb Volfeb 3frael, sur 
Ilubführung beb @erid)tb bebiente. — Die Ver= 
fdwnung Ilgagb unb beb beffen Viehb war barum 
ein fo gewaltiger Greuel, weil bab Verbannte alb 
©otteb©igenthum galt. Die Verbannung felbft 
war Demnach eine Ilrt Opfer, nur unterfchieb fie ftcfi 
non bem eigentlichen Opfer baburd), bah fic feine 
finnbilblid) ftellbertretenbe Vebeutung hatte. 

5. 3nr ©rflämug imb ©rböiumg: 

a) ©erechter Dabei. V. 12 —19. ®. 12: 
Samuel madUe f 1 rf' frühe auf, nad)bem er 
bie Itacht borher in tiefer Vefümmcrnih um Saut 
unb im ©ebet für ihn unb für fein Volt sugebradft 
hatte — bah er Saul begegnete, welcher 
eben mit feinem $eere bon bem Ilmalefiterfriege 
heimfehrte. $ a r m e l, ber Ort, wo Samuel ben 
Aufenthalt Saulb erfuhr, ift nicht bab Vorgebirge 
ftarmel^ fonbern ein fleineb Stäbtdien in 3uba, 
etioa 3Stunben füblicfi bon.frebron gelegen, ©egen* 
wärtig heiht baffelbe „Äturmul^. .^ier hatte fiefi 
Saul, ftatt über feine Sünbe Vuhc su thun, ein 
Siege b seichen (naefi bem ©Grunbtert „eine 
ßanb") aufgerichtet. Dah ber Iluobrucf „.^oanb" 
im ©ebräifdien sur ©eseidmung eineo Dconumentb 
gebraucht uürb, erflärt fich wohl baraub, bah bab 
©{onument bie ©eftimmung hat, wie mit auf- 


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610 


SonntögfdjuM’flttumrii. 


Behobener ©aut) auf ein be ft i muttes Greiflttih hinzm 
metfeu. 93ou karinel mar Saul u>citer nach © i l- 
flal ßezoßcn. ©ier traf ihn Samuel. 

93. 13. 9ln beutjelbeii Orte/ mo er bie feierliche 
93 er pf l i ch t u n ß Saul’S mit* bcS 93olfe3 zum um 
bebiiiftteu ©ehorjam (kap. 12) aeßeu beit ©errn 
oorßenominen hatte, oollzieht biefer iefet bas ®e- 
ttcb t über Saul meßeit feinet UttßehorfamS. 9Jacb 
allem, mas bisher zmtjdjeu Samuel uuD Saul oor= 
fleftaitfleu mar (kap. 13 — 15 , l), muhte fdnm Sa= 
muel’3 blohe ©rfdjeinunfl für Saul eine 2luflaße uitb 
©emiffenSiitabnuitfl fein. 3it bem23emuhtfeinfeiner 
Sdjttlb, bie er aber nicht bcfeitnen, uitb über bie er 
ficb mit allerlei kauften ber Heuchelei unb ber 9üße 
felbft täufeben unb biitmeßjefeeii miü, nimmt er ftlcicl) 
Pott oornheretn Samuel fleftcnüber bie ^JJofition ber 
Sertbeibifliinft ein, inbein er 1. bem Samuel mit 
erjuninftener ffreunblkbtcit in bem ©ruhmort: ®e- 
feflitet feilt bu u. f. m. nicht blos eutßCßen-, 
fouberu guporfomint, 2. fofort bie 23erfid)evunfl bim 
gufüftt: y ch h a b e b e 3 © e r r n 28 o r t erfüllt. 
Oamit jaftt er eiitcrfeitS bie 'JBahrhcit, beim er hat 
bie 9)2acbt ber Jtmalefiter ßebrocbeit, anbrerfeits aber 
eine 8üße, beim er hat bie Don ©ott ßebotene 93er^ 
bannunft Slutalefs nicht auSßejübrt. — fRiemaub 
prahlt fo Diel mit feiner ©cilißfeit a 16 berienifle, 
melcber berfelben ermatißelt (9uf. 18 , 11. 12). 

93.14. Saul mtrb lüften fteftraft burd) bie 
Stimme ber 0 hiere, bie er fteflen ©otteS 
©ebot oerjdmut hat. x )n ber ftraße Samuel’S: 
93 a £ i ft b c u n b a s f ii r e i n 9316 cf e n u. f. n>. 
ließt eine heilifle, oernuhtenbe Tronic. — 23iele 
brüften fiel) mit ihrem ©ehorfain ßeaen ©ott; aber 
ihre 28erfe, ihre ftleifcbcsluft, ihre äöeltliebe, ihre 
Seibenfcbaftlidrfcit, ihre 3ieblofiftfcit unb ihre ftroben 
9>flichtuerfdumuiffe leßcn ^euflitifj mtber fie ab unb 
Strafen fie Öiißett. 

93. 15. Saul Schreitet fort in ber Cüße unb ©eu-- 
rhelei unb fucht and) ie($t noch fid) zu rechtfertiftcn, 
inbein er 1. bie flanke Schn Ib ber 93erfchoitimfl 
beo 93tebes auf bas 9?olf fchiebt — maä nach 
93 . 9 eine ßrobe^üaemar — unb 2 . bicUcbertretuiifl 
bc3 ftöttlidien ©ebots zu bchboitißen jucht bureb ben 
23ormanb, ba3 93olf habe bie beften Schafe 
uttb 9huber perfchon t, um b iefeiben bem 
©errn zu opfern. Oieä mar offenbar eine beudj= 
lerijehe Gntjdmlbißuiiß; benn poh bem Oattfopfer 
öeiu'B bas 93olf einen bebeutenben Slntbeit, ia eS 
beftaub btejes Opfer ipohl nur in einem Schlade 
teil an heilißcr Stätte (kap. 14 , 33 ff.), fo bah bie 
Müdficbt auf ben Ferrit uitb feine Gbre in biefem 
Salle {ebenfalls eine 92ebcnjache mar. UeberbicS 
toirb bie 93erjcbomutß 9lßa{j’$, bie ßcmih in erfter 
ßiitie bem Saul felbft zur Öafi fiel, pou biefem 9>or= 
maiib ßar nicht berührt, ba 3)cenfdjenOpfer im ©e- 
fefe perboten mären. 

93. 16. 17. Oer lüftiierifchen uub heuchlerifchen 
Ütebc Saul’s (teilt Samuel feierlich unb fchneibifl 
entflCften, mas ber ©er r zu ihm in ber SRacbt ße- 
rebet hat. Unb nun folflt bie ßeipaltiße, nieber- 
fchmetternbe :)iebe, in melcher Samuel in ber äRacbt 
leiner ßöttlichen Seubuiiß beut heuchlerifdien kbniß 
bie i)37a^fc oom ©efichte reiht uub ihm feine Sdnilb 
tu ihrer ßatizett ©rohe por 9lußen (teilt. Biterft er¬ 
innert er ihn an feine Grbebuiiß aus ber ^iebrißfeit 
zur 23ürbe beS könißtbums. Oie 98orte: O a b u 
fleht mar ft p o r b eine u 91 uß eit, erinnern an 


©auPS eißeite 2Borte kap. 9, 21. Samuel bezeiefc 
net hier inbireft ben ©odimutb feines ^erjen§ 
aloben tieffteit ©runb feiner 9lbfehr Don bemßevrn. 
O e r & c rr f a l b t e b i ch. Oie ©rbobuiiß Saul*6 
mar ein ©uabenatt ©ottes, ber ben Jpoffärtißeit 
miberftehet unb es ben Oemüthißen ßelitiaeu Iaht, 
^e fleiner mir finb in linieren 9liißen, um fo ßrbher 
finb U'ir in ben Slußett ©ottes. Oer Slpoftel 9ßau' 
Ins, ber Don ft<h faßte: ,,3d) hin ber ©eriitßfie unter 
ben 9lpofteln, al^ ber id) nicht merth hin, bah ich ein 
Slpoftel beiße" (lffor. 15,10), mürbe pon ©ottsum 
©rünber ber christlichen ftirche unter ben ©eiben 
auserjehen. 

93. 18. 92itn Permeift Samuel beitköniß auf 
bie hefttmmte ßottlidie ^iffton, mekhe ihm tu 93e= 
treff ber 9lmalefiter aufßetvaßen morbeit ipar. Oie 
S ü itb c r, bie 91 ma 1 e(i ter. 3n biefen SBorten 
mirb ber ©runb anßeaehen, marutn bie ^malelitcr 
Pertilßt merbeit feilten. 

93. 19. Oie ^raße: SBarttm haft bu nid)t 
ßehorcht u. f. m., enthält bie ftird)thar ernfte9lm 
flöße: Ou hi|t bem ausbrüdlidien ©ehote ©otteS 
uiißchorfam ßemefen. Oiefer Uiißehorfaut mar bop^ 
pclt ftrafhar, ba Saul, ben ©ott aus feiner 9iiebria- 
fett auf ben konißSthron erhöhen hatte,suberSünbe 
beh UnßehorjamS nod) bie ber Unbanfharfeit 
hinjufüßte. Oie folßenbeit SBorte: O u h a ft b i ch 
um Sftauhe ßemanbt u. f. m. bezeichnen 
aS Verhalten Saul’S als ein auS ©ahßier herpor= 
aeßaußcneS. Saul hatte ben firieft ßeßeit 9lmalef 
tm 9luftraße ©otteS ßeführt, aher ßleidizeitift batte 
er and) feinen eißenett 93ortheil im Äuße unb felbft' 
fücbtiße 9iüdfid)ten perhinberten ihn an ber ftemiffen- 
haften püllfommenen SrffittunftfeinerSKiffion. 9Bie 
lei^t ßefchieht e3 auch heute noch, bah fid) bei unfe^ 
rem 93irfeit für ben ©errit felbftfüd)tiße 93emeß' 
ßrünbe eitifcblcid)cu, unb mir im Oienftc ©otteö 
mehr unS felbft unb unfereGhre alS ben ©errn unb 
bie ßhre fciiteS 92amcuS fud)cn. OaS ift ein üfaub 
an bem ©errn. Oarum prüfe ein Seber nicht nur 
ben SBcrtb feiner ©anbluitßcn, fonoern oor allem 
and) beit ber 93cmeßflrünbe, meld)e ihn bei feinen 
©atibluitßen leiten! Oentt ber ©err fiehet ba§ 
©erg an. 

b) Sd)l echte Gntfchulbißimß. ®. 20. 
21. Sani oerftodt fich nod) meiter 1. in triiaeriftber 
Selbftrcchtfcrtißmtß, inbein er bie ihm zur Öaft fte= 
leßte Schulb entfchiebcit leitßuet unb behauptet: er 
habe bie ihm ßemorbene SOHffiott ausße= 
rid)tet, 3euße betßefanßen herßebradttc 
9lßaa (beit er aber nad) bem aöttlicbcu 93efchl 
ßleid)fatls hätte perbannen folleii) uitb bas per- 
niditete 9(ma le t i tero ol f (93.21); 2.tu heud>= 
lerifcher Gntfcbitlbißintß, ttämlid) ber ^ßicberhcluitß 
bcS 9?ortpanbS, bah bas 93olf bas perfcboitte 93ich 
bem ©errn habe zum O pter briitßen moüett (23. 
22). Oies fonnte an fid)alS ein frotnmc§23crf)altcu 
erfebeinen; aber ber ©err hatte auberS aeboteit, uur> 
nicht, maS un§ ßiitbünft, fottberu maS®ott Don uns 
haben null, Sollen mir tbun. Saul macht mit feiner 
Gntfcbulbißuuß feine Srnbe immer fcblimtuer. ©r 
fußt zu feiner erften Süttbe noch neue Sünbett hinzu. 
Gr miberfpridjt bem Propheten, er leitßnet, bah er 
tiitßchorfant ßemefen, er oerfleinert bie Scbttlb uub 
ipälzt fie Pott ftib auf baS 9Jolf; erbraudtt ben Oieitft 
©ottes zum 93ormanb ber Gntfcbulbianitß alö ein 
jdtnbbcr ©eucbler, ber felbft »or ©otteS Slümiffenhcit 


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SonniagfdjuU^fhttoitrn. 


611 


feinen ffiefpeft hat. — 2Bte oerfchlagett ift bie per- 
berbte mcnfdtlicbe Statur in ihrer beudtlerifdteit 
©elbftrechtfertigung. S3 ift ein «treuliches Hafter, 
wenn 3emanb feinen ©etA, Ungehorfattt unb anbere 
©ünben mit bev Steligioiivanbacht befdtcmgeti will. 

c) Göttliche Verwerfn ng. 9?. 22. 23. 
®. 22. ©amtiere Antwort reiht alle Stillen ttieber, 
mitbenen ©aul bemüht mar, feine©üttbe tu beeten. 
SB eine ft bu, ba ft (Mot t ® ef a l len haben, f. 
w. (Sin erhabenes ©rophetenmort, welches barauf 
hinweift, bah aller Opferbienft finit bi Iblich auf ein 
©öhereS, ®eiftlidte£ hinbeutete tmb in fich ielbft fei= 
nen SBerth hatte. Da, wo ber ©err © e h o r f a nt 
forbert/ fann man ihm nicht mit Opfern bienen, mtb 
baniit feine ftorbcruug umgehen, Autnal ba bic ©e= 
beutung bes Opfert (befottberS bes ©ranbcpfereO 
bie oölltge ©ingabe bc3 SBcnfdten tum ©chorfam 
gegen ©ott ift. Sleuhere Opfer, bei welchen bie ©e- 
ftnnung bemüthigen ©ehorfamS unb (iebenbev.Ein¬ 
gebung fehlt, ftttb baher bem ©errn ein ©Vettel. Da= 
mit ift ©attl’3 Verfucb, feinen unb be$ Volfe$ litt- 
gehorfam mit bem Bwed beS Opfert tu entfdmlbigen, 
gerichtet. ©ehorfaiit ift beffer, beim Opfer. 
Jfu bem Opfer bringt berSBenfcb nur feine ©abe 
unb weiht fie ®ott mm (Sigenthum, im ®ehorfam 
bringt er feinen eigenen SBillen unb bamit ficb felbft 
— unb ba£ ift mehr. 

».23. U n g e h o r f a m ift e i n e 3 « u ber e i= 
f ü n b e, ttadt bem ©runbtext: „SBahrfagerei." SBie 
in ber SBahrfagerei unb int ®6feenbicltft 
ber lebeitbige Wott oerletignet nnb oerworfen wirb, 
fo ift auch bieSBibcrfpenftigfeit unb bie Änffehmtitg 
wiber ben SBillen unb ba3 ©ebot be3 ©errn, alfo ber 
U n g e h or f a nt, eine 9lbfehr pon bem ©errn unb 
eine Verwerfung be$ ©errn. Darum folgt nun 
ba§ göttliche 9>ermerfung3urtbeil: SBeil bu beS 

errn SBort perworfen ha ft, tt. f. w. Der 

err haitbelt nach bem ©efefe ber SBieberoergelttntg: 
wiflft bu ®ott nicht, f o ! a tt tt a u <h er b i <h n i dt t 
a 1 8 Kön i g anerfettneu. Die Verwerfung 
© a tt T ä ift hiermit auögefprodteit. $lber bie Vcl^ 
Ziehung biefe3 llvtheihS gefeftieht auf bewunberintg§- 
würbige SBeiie gant alliuählidt burch ben ®ang ber 
©egebeuheiten, ittbent ©aul Schritt für Schritt 
weiter povfcbreitct in fein Verberhett hinein.— ©ott 
perwirft fBietnanb, er werbe benn 3 UPor pon ihm 
perworfett. 

d) 9iufclofe Mene. V. 24—26. ».24. Da 

f p r a ch © a u (: ch h a h e g e f tt tt b i g t. Da3 I 
ernfte gewaltige SBort ©antners hat nun hoch ($in= 
bruef auf Sani gemacht, unb bie 9lngft por bev an- 
gefünbigteu, göttlidten Verwerfung preht ihm ein 
© ü tt b e n h e f c tt tt t tt i ft ati8. Slber eitt ©uhbe- 
fett u tu ift unter ben ©dtlägett beS burch bie begangene j 
©üttbe oeruriachten Uebel$ uttb ber baritt erlittenen I 
Strafe ift häufig feilt 9(u$brud wahrer ©erAensbuhe. | 
Sludt bei ©aul nidtt; bentt obwohl er nun befennt, 
bah erbeö©ernt©efehl u tt b ©a m tief 3 
SB o v t e ü b e r g a tt g e n h a b e, jeigt hoch fein bi§= j 
höriges unb ferneres Verhalten, bau er mehr unter 
bem (Sinbrucf be3 göttlichen VerwerfungSurtheils 
nnb ber gewaltigen Verfönlicbfeit ©amucl’s fielt be- 
müthigte unb feine ©üttbe befantttc, als aus wirt¬ 
lichem ©chmer.3 über feine ©üttbe. Die SBorte: 
D eitn i ch fürchtete baä V olf u. f. w. zeigen 
uit$ ben © ett ch I e r, beut bie Shre uttb ®tinft ber 
Sßeitfcben lieber ift als bie ©nabe ©ottcä. ?ludt 


liegt in bettfelben bei aflem ©efenntnih ber füttb- 
haften 9lbhängigfeit oon SBeitfdteit hoch unoerfenn= 
bar wicber bie 9lbfidtt, mit ber ©inmeifung auf ba$ 
Volt feine ©dwlb au ntilbertt. 

».25. Uttb tttt tt perg icb mir bie © ü ttbe. 
92icht fofort an ® ott menbet er fuhmitbiefer SMtte, 
fottbern an © a nt tt e I. Ss ift ihm Per allem barttm 
31 t tbuii, ©amtiere SBohlwollen unb ©eifall wieber 
m gewinnen. fSaft fdteint es, al$ ob er fich Per 
©amttel mehr fürchtete al§ porÖott felbft; unb 
allerbittgs war ein offener ©rtidt mit ©amttel für 
feine ©telluitg im Volfe hödtft gef ähr lieft (vgl. 
V. 30). ©amuel fonnte ©aul bie ©üttbe uidttper- 
geben, fonbern nur für ihn m ®ott um Vergebung 
beten. Unb ba^ hätte er gewift gethait, wenn©aul’s 
Vuhe aufrichtig gewefett wäre. DieS toar aber nidtt 
ber SaH; barunt fdteint Samuel fich pon ©aul ab- 
gewanbt m haben, ©ieratif bezieht fich bie Vitte 
©atil’^: fiehre um mit mir u. i. w. Vefennt- 
nift, erneute Cmtfchulbigung, fWuf unt Vergebung, 
Vitte unt ©amuel^ Vleibett, (Srfläruttg sit ®ott 
treten au motten, ba3 a(Ie§ folgt fdmell hinter eitt= 
anber in ängftlicher ©aft. ©aul wirb pott feinem 
®ewiffen gefdtlagen, aber fein ©er* ift nidtt ^er- 
fchlagen. Sr giebt bodt nid't ©ott bie Shre. 

®. 26. Darum weift ©amttel feine ©itte für* 
uttb beftimmt ab unb wieberho It ba8 gött= 
liehe VerwerfungSurtheil noch einmal, 
©ättc ©aul wahre ©uhe gethatt, fo hätte erVer= 
gebuttg erlangt, fo getpifi wie Daoib, bem ber ©err, 
obwohl er noch fchwerev gefünbi^t hatte al§ ©attl, 
bettttodt auf feine buhfertige ©ttte (ogl. Vf. 51) 
alle feine ©üttbett pergeben hat. fMberSaul’gVuhe 
war nidtt aufrichtig; beim er war nidtt barüber be= 
fümmert, bah er ©ott oerunebrt hatte, fottbern nur 
barüber, bah er baS Königreich oerlierett fottte. 


Sonntag, 18. 9?op. 1 ©am. 16,1—19* 

Salbung. 

1. Ärit: 1065 t>. (Jbr. 

2. Crt: ©ethl ehern (b. i. ©robbanS) tm 
Stamme ^uba. 

8. Sufammetthattg: Obwohl Awifdtett ben in ber 
porigen ?eftion erzählten Sreigttiffen unb ber @al= 
biing Dapib’s 14 J[ahre oerfloffen fittb, wirb un8 
bodt über biefett Beitraum nichts beridttet. ©aul 
hat aufgehört, ber Srtpählte be$ ©errtt au fein; feine 
©efdtidtte gewinnt baher erft Pott ba an wieber heiI8= 
gefdtichtlidte^ 3nteteffe, wo er in ©eaiehung 311 Da= 
oib tritt. 

4. SBort* unb ©achcrflämug. 1. Die Dinge be$ 
Reiches ©ottes gehen ttadt höheren göttlidien $ath= 
fchlüffett unaufhaltfam ihren ©ang fort, wenn and) 
men>chlidte ©üttbe, fammt bem über ftc fontmettbeti 
©ericht, wie hier bei ©aul, ben ©lättett ber göttlidten 
Sßeisheit in ben SBcg 31 t treten fcheint. gerabe 
burch menfdlidtc ©üttbe unb Dborhett empfängt bie 
©cfdticbte be^S Veidtes ©otte6 häufig unter ber £ei= 
tung ber göttlidten Vorfehuttg neue Bmpulfe au 
höherer Sntwicfelung. 2. Die f i tt tt b i l b l i ch e 
© a l btt ttg wttrbe fowohl an leblofen ©egen* 
ftänbeit porgettoinnteit, a. ©. Deitffteinett (1 3Bof. 


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612 


Sotinto 9 fd?uU|fktioiteit< 


28 , 18 ; 31 , 13 ), befonber3 and) am ©eiligthutn, bet 
@tift3hütte, ©unbeölabe, bem Sdiatibrottifcb, bent 
Seuchter, Raucbaltar u. j. m. f al3 auch an iß e r -1 
f o n e u. Unter bicfett mürben gefalbt ber © ohe* 
priefter unb bie ©riefter, fobanit bie = 
pbeteit (menigftenä nad) 1 Hon. 19 , 16 ) unbenblich 
bie Hönige. Die gälle, mo bie Salbung ton 
Hötttgen ermähnt mivb, taffen oermuthen, bajj bie* 
felbe nur oorgenommett zu merben pflegte, bei ©e* 
ginn einer neuen ©errfdierfamilic, ober unter Um* 
Ränben, mo ba3 Recht ber Jhronbefteiguug leicht 
tonnte ftreitifl gemadit merben (1 Hött. 1 , 34 ; 2 Hon. 
11 , 12 ; 23 , 30 ). 2Bie ba3 altteftamentlidie Honig* 
tburn, ©obepriefterthmn unb Prophetentburn feine 
tottfommene Grfüflung erft in Ghrifto gefunben bat, 
fo bat aud) ba3 ©iitnbilb ber Salbung feine 
pollfommeue Grfülluug erft in ihm befommen, bem 
ber bei!. ©eift Perlieben mar nicht nach bem iDiaft 
(ißf. 45 , 8; ©?attb. 3 , 16 ). Sofern bie ®laubigen 
beffelbett ©eifte3 tbeilhaftig ftnb, merben auch fie 
©ejalbte be3 ©crrit ober ein fönigltd)e3 ißriefter- 
tbum genannt (1 ©etri 2, 9; Offcnb. 1, 5 u. 6). 

5. Hnt GrNäruug unb Erbauung: 

a) De3 ©ertn Stuftrap. ©.1 — 3. ®. 1: 
SBie lange t r d fl ft bu 8etb u.f.m. Der gött* 
Iid)e ©ormtrrf behebt fich barauf, baß ©amuel bei 
feinem fortbauernben Schmer* über ben immerhin 
beflagen3mertben Buftanb Sattl3 ftcb nicht fofort 
mit feinen ©ebanfett in bie Rathfcblüffe Sottet Rn* 
bet. Daher macht ber ©err ihn iefet burdj bie 
üßorte: ben ich termorfen habe, barauf auf« 
merffain, baß er Saul ein für allemal aufgegeben 
unb an feiner Statt fich einen anbeven .Honig für 
fein ©olf au3erfcbett habe. Samuel erhalt nun 
ben ©efebl, biefeit Honig zu falben. 3fai beißt: 
ber ©elbftftäubige. Die SB orte: gebe bin u.f.m. 
fefeeu eine genaue ©cfanntjdiaft Saimtcl3 mit 3 f a i 
unb feinem ©attfe ooratt3. Daß bic Familie 3fai’3 
eine begüterte mar, ift nach ©. 10 unzweifelhaft. 
Daß in ibr eine mabre ©ottc3furcbt unb grömtnig* 
feit berrfdjte, erhellt att3 Dem ©erfebr Satnttel3 mit 
ihr unb au3 ber Dpferfeter, bie er in bem ©attfe 
peranftattete. 

®. 2. 3: SBie bisher bie Trauer um Saul ba3 
©emütb Santtieß einnabm, fo iefet bie gurebt 
oor ihm. SBie foll ich bingeben? Saul 
wirb’3 erfahren u.f.m. Dicfe3 ©cbeitleit be¬ 
ruht naturgemäß barauf, baß Saul troßbc3gött* 
üd)en ©ermevfung3urtbetl3 noch ber reditmäßige 
Honig 3f*ael3 mar, ©amuel alfo bttrd) bie Sal¬ 
bung eiltet Slnberen jum Hönige bem Saul al3 
Gtttpörer unb ©errätber erfcbeineit mußte, auch mettn 
er fid) zur Rechtfertigung auf ben göttlidien ©cfehl 
berief. Die gurd)t ©amticlS mirb baburch 
befeitigt, baß ber ©err ihm beftimmt angiebt, 
ma3 er zu thun habe, um bie Salbung Daoibä oor 
Saul perborgen zu halten. Samuel foll nämlich 
im ©aufe 3fai*3 jum Swecfe eiltet Dpferfefte3 
erfibeinen. Ohne 3u'eitel gefchah e3 nicht feiten, 
baß Samuel auf feinen Reifen nicht nur au ben 
beftimmten heiligen Orlen ©ctbel, ©ilgal unb 
$)?ima, fonberit auch fonft öffentliche ©otte3bienfte 
ober Opferfefte Peranftaltcte, fo baß für 3fai fein 
(vvfeheineu in Bethlehem zu biefem 3mecfe tiid)t3 
Sluffa(teiibe3 hatte. ©ott ber Uebertragung be3 
Höuigthum3 an Daotb follte er oor ber ©aitb noch 
nid)t3 ermähnen. — Sluch nicht ein Schein ooit Un= I 


mabrheit ruht auf bem SBorte; 3d) bin gefom* 
men u.f.m. 2Bie ©au!3 Salbung ( 10 , 16 ) per* 
fdnoiegen blieb, fo follte aud) Daoib3 Salbung 
nach bem heiligen SBUlen ®otte3 noch ein ©eheiut- 
uiß bleiben, ©amuel follte biefeS ©ebeimniß be? 
mähren. Die SSerbergung befleißen hinter bem 
Opferaft mar feine ^üge. — ©3 ift ein großer Unter* 
fchieb *ioifAen einer Unmabrheit, ba man fagt, ma3 
falfch ift, unb einer SSerfchmiegenbeit, meun mau 
bamit, ma3 Slnberen au miffen nicht nötbig ift, oor* 
Rcbtig au Reh bält(Hap. 10 , 15 . 16 ). ©ätte ©a* 
muel bie Salbung Daoib3 *um Honig über 3frael 
bRentlid) ooll*ogen, fo hätte er bamit unfehlbar 
einen IMngevfrieg heroorgerufen. Gin folcher lag 
aber nidit in ber SlbRcht ®otte3. Daher mußte bie 
Salbung Daoib3 ober menigften3 bie ©ebeutung 
biefer Salbung geheim gehalten merben. 

b) De3 ©errn SBahl. ©.4 — 12. ®. 4: 
©amuel tbat u.f.m. ©or bem ftriften ©ehor- 
am, ber fich unter ben SBilleu be3 ©errn beugte f 
chmanb bie trübe fflcmüth3ftimmung, bie in ©ot* 
tc3 2Sege fid) nidit Rüben fonnte. Da e ntfefeten 
fid) bie Sic Heften. 2öenu ©amuel aud) nicht 
mehr ba3 Riditcramt fbrmlid) befleibete, fo erfthien 
er hoch nod) in ähulidier SBeife mie früher, mo er 
riditenb ba3 Canb burd)*og, hie unb ba, um unoer* 
muthet ©iRtation *u halten unb fein ©Bächteramt 
al3 ©ropbet *u üben. Sormiegenb mar e3 ihm ba* 
bei um ernfte Rüge unb Slbftellung bcö ©bfen, ba3 
er fanb, *u thun. hierauf beucht fid) ba3 er* 
fchrodene ©ebahren ber Slelteften unb bic ängftliche 
grage: 3R’3 griebe, baß bu foinmft? 

®. 5: Samuel beruhigt bie Slelteften, inbem er 
bic ©evanftaltung einer Opferfeier al3 ben .3mcd 
feinet Hommen3 angiebt, unb Auglcich bie Slelteften 
unb ba3 ©elf ooit ©cthlebem aufforbert, fich $u 
heiligen— burch SBafchungen unb Slnlegung rei¬ 
ner fileiber, moburch finnbilblid) bie Reinigung ber 
Seele für ben ©erfebr mit ©ott bezeichnet mürbe 
(2 SS^of. 19, 10. 22) — unt an ber Opferfeier theil* 
nehmen *u fbnncn. 3 f a i aber unb feine 
Sohne heiligte er felbft, b. h. er er* 
mahnte fie befonbev3, fiel) zu heiligen, unb Itib fie 
ein, bie Opfermahlzcit mit ihm zu ge* 
n i e ß e tt. 3RR unb feine Söhne maren e$ ia por* 
ttehmlich, bencn ba3 Öpferfeft galt. 

®. 6. 7; S118 nun bie Söhne 3fai’3 zur Opfer- 
mahlzcit tarnen, f a h e Samuel ben G l i a b 
an, unb gebaute, er rnödjtc ber ®efalbte 
be3 $errn fein. Der$err aber belehrt ihn in 
feinem 3unent burch ben h. ©eift über ein 3 m e U 
f a di e 3: 1) baß er fich nicht burch ben Ginbrud ber 
imponirenben äußeren Grfcbeimmg GUab3 beftint* 
men laffen bitrfe; unb zumr barum nidit, meil ber 
,^crr 2) nicht nach ber SRcnfdicu ©Jeifc urtheilt. 
Denn ein 90? e n f ch f i e h e t, m a 3 por 
Sl tt g e n i ft tt. f. m. 3u tiefen SBovten liegt eine 
leifeSlnfpichtng auf Saul; beim ma3 ihn bcut©olfc 
befonber3 etnpfahlr mar eben feine äußere GHftalt 
(9, 2). ©ott urtheilt anber3. Rieht bie äußere Gt* 

, fdieimmg, fonberti ber im 3nnern bc3 SMenfdicn, 

I im ö erzen, oerborgene ®ath, bie fromme ®c* 
fiintuitg ift’3, ma3 ben Slu3fchlag giebt bei bem, 
ber ©erzen unbRierett prüft. SGollett mir bie Ifcen* 
fchett redit bcurtheilen, fo muffen aud) mir mehr unb 
mehr lernen, fie nidit nad) bem Slnfehen, fonbern 
I nach ber ©efchaffenheit ihrer ©erzen zu tagten. — 


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$onntagfdjul=#fhtionen. 


613 


®iebt bab ©era beit ^lu^fcfelag bet (Sott, jo titug eb 
tntfere erfte Sorge fein, bafe bte Scfdtaffenbeit unfe= 
reb ©eraenb eine gottgefällige fei. teilte folche ©et= 
aenböefdmffenheit fettnen wir unb aber nicht felbft 
geben; fie muff erbeten jein. 

8. 8—10: T a vic f 3fai ben Mb in abab. 
©iecuach jebeint Samuel beut 3fat niitgetbeilt au 
haben, bah er oon ®ott beauftragt fei, einen feiner 
©ohne gti ja Iben, worattb ieboeb uid)t aefdfioffen 
werben barf, ba§ er ihn auch über bie Sebeutuitg 
biejer Salbung unterrichtet habe, wab iebenfaüb 
nicht ber galt mar. 2Bie bei teliab, fo erhält Sa= , 
muel auch bei M b i n a b a b unb © a m nt a tinb 
be* übrigen oier trübem T a o t b b, tuelche i 
3iai ber jfteihe nach a tt ihm t>orübergeben 
lagt, eine abjchlägige Antwort oon bem Ferrit. 
9?ad)bem auch ber fiebeute oorübergegaitgeit, 
Jpricbt ©arniiel au 3fai: Ter ©err hat berev t 
feinen erwählet. Tiefeb ffiort, melcheb fidt 
ia auch auf eine ßrtuäblung autn prophetischen >>\e= i 
rufe beziehen fonnte, war in biejer Unbestimmtheit 
ein fHäthjel, beffeit Söjung bem 3fai erft aub ber 
nadtfolgenben ©efebuhte feineb iütigften Sohueb fid) 
ergeben feilte. — ©ott weifi bie ©eCmlb ber ©lau- I 
bigen oft lange au prüfen au ihrem heften, ba§ er j 
fie in ihrem ©lauben befefttge. 

.8.11: te ö i ft n o ch übrig ber f l e i tt ft e. I 
• SJach ber gewöhnlichen 'Mitnahme toar T a o i b I 

M : ber ©eltebtc) bamalb etwa 20 3ahre alt. j 
tet berSdtafc. OffenbarbadtteiMaigar j 
nicht baran, bah Tavib ber oom ©errn tevmäblte 
fein fonnte, unb lieh ihn baher bei beit Schafen au= 
rüd, toährenb er jelbft mit feinen übrigen Söhnen i 
ficb m Samuel begab. Mber eben babuvd) würbe 
unter ber Seituiig ber göttlichen SSorfehung offeu= 
bar, bah bie terwäblunq Taoibb nidtt Samuelb 
ober 3iai’$, jottberit ©otteb 2Bcrf jei. Samuel 
beiht nun beit 3fai, feinen ^üngften herbeirufeu, 
inbem er erflärt: wir werben unb u id)t fegen, 
nämlich aum Opfermahl, bib erhieherfomme. 

8.12: ßr war bräunlich, nach bem ©ruitb- 
tejt: rötblich. Ter Mubbrua ift ohne 3weifel 
nicht oon ber ©aut, fonberit oon ber gfarbe beb 
©aareb au oerftehen. Taoib hatte rothblonbcb 
©aar, wab in jüblichett fiänbern t wo eb feiten ift, 
für eine grofie Schönheit gilt. S D? i t f ch ö n e n 
Mugeit unb guter ©eftalt. teb fehlte alfo auch 
bem Taoib nicht an förperlichen Soraügen, atuh er 
war ein fdtöncr iDfann, wie fein Sruber teliab; 
aber bab mar’b nicht, wab ihn aum ©egenflattb beb 
göttlichen ’ffiohlgefalleno machte, ter bereinigte mit 
feinen förperlidten s 3oraügen ben Mbel ber Seele, 
bie gottgefällige ©cfinitung, unb biefe allein be~ 
fähigte ihn, Träger beb meffianifdten Ätöuigtbumb 
au werben, ©ott fiehet bab ©era an. 

c) Teb ©ernt ©efalbter. 8.18: Mlb Sa= 
muel beit Taoib erblidte, fprach ber ©err: M u f 
unb falbe ihn. Turdt bie innere Stimme beb 
©eifteb ift Samuel allen 3weifelit enthoben. Sei= 
ner Sache gewih, bollaieht er bie Salbung an Ta~ 
bib unter f e i it e it s 3 r ü b e r n. Tie 23ebeit= 
tung biejer Salbung war nicht nur bem ^\fai unb 
feinett übrigen Söhnen, fonberit wohl auch bem 
Taoib felbft bot ber ©aitb noch bunfei. Tie Sa(= 
bung war ein Simtbilb ber 3Wittbeiluttg beb 
aöttlidten ©eifteb an ben ©ejalbteit. Tiefe 
SHittheilting beb Seiftet fanb beim auch bei Taoib 


albbalb ftatt: Ter®eift beb ©errn tarn auf 
Tabib. Tieo fbititte nur gefchehen, weil bei Ta= 
bib ber fittlid)=religiöfe ©eraenbauftanb, welchen biefe 
©eiftebmittheilung ooraubjefet, bereite borhanbeit 
war. teilt 3eugntfe hierfür hübet ber 23fte ißSalm, 
weldter aub ber 3cit feineb ©irtenlebenb ftainmt. 
teb bauerte freilid) nod) lange (etwa 10 3ahre), ehe 
Tabib bab Mint autrat, für melcheb ihm hier bie 
Sahen ber liehen würben. Mber bab ift eben bab 
s 3ceue unb teigenthümliche in Taoibb Äiönigthum, 
ba§ eb einen rein innerltdten Urfprung hat, unb 
alle föniglicben ©aben erft in ber ^iebrigfeit unb 
im Kampfe bib aum terliegeit fiegreidj fid) eutwideht 
muhten, bib er bie ©errfebaft im 3Jolfe empfing. 
Much hierin ift Tabib ein 8orbilb feineb Sohneb 
(Ghrifti), beffeit 9ieicb nicht boit biefer Sßelt war. — 
Ter befte beweib itnferer terwähluitg autu Reiche 
©otteb ift uitfere fBerficgelung mit bein heil, ©eift 
unb bie terfabrung feineb ©ttabenwerfb in nuferen 
©eraen. 

Mub ber ©efchidjte ber terwähluitg Tabibb ler= 
neu wir: 1) ber ©err erwählt nid)tbieienigen, welche 
burd) befonbere ©aben ber fRatur bov Mnberett auo= 
geaeidtuet ftnb, fottbern er erwählt 2) bieienigeti, 
toelche bab größere ober geringere s Äah ber ©nabe 
©otteb, bab ihnen ungebeten ift, ntitTveue beitüpeit, 
3) biejenigen, toelche biefe Treue burd) lauteren ßifer 
unb ©ehorfam in ber ihnen aneertrauten Mrbeit 
beweifeit unb eitbltd) 4) bieiettigeit, toelche auch nach 
etwaigem ©eliitaeit ber Mrbeit fich nid>t ruhturebig 
heroorbrängett, fonberit in Temutb unb ftiller 3u s 
rüdgejogenheit bleiben, bib ber ©err fie herooraieht. 

Samuel ging ttad) s 3lanta aurüd. Ta6 
Taoib mit ihm (vielleicht and) mit ber borligeit 
s X s rophetenjd)tile) iit ftetem ®erfehr ftaub, ift nach 
ber folgenben @eid)ichte nicht atoeifelhaft (vgl. Atap. 
19, 20ff.). 3it biefer 8erbinbung mit bcitt s l>ro= 
pheteit warb ihm bie Ahuibe oon ber hohen v 3ebeu= 
tuug feiner Salbung, unb unter ber fortfdtreiteitbeit 
terleud)tung feineb inneren Sebeno buvch ben heil, 
©eift empfing er bie terfenntniü oou ben Mufgaben 
feineb föniglichen ©erufb unb bie Muörüftuitg au 
beittf eiben. 


Sonntag, ben 25. 9?oo. 1 Sam. 17, 38—51. 

5)atrib unb ©oltatlj. 


1. Seit: 1063 ». (Sf>r. 

2. Crt: 


l) Tab Cager ber ^Shilifter bei Sodto 
(iefct Shuweifeh) in ber tebene 3uba, etwa 4 beut= 
fche teilen fftbioeftlidt von ^erufalent unb 3 beut* 
fdte 2>?eilett iübweftlidt oon Bethlehem. 2) Tab 
Säger ber Olfraeliteit: ber te i d) g r ti tt b (hebr. Thal 
ber Terebinten) itorböftlicb oon Socho, eine ThaU 
ebene int 28abp Sur. 

8. 3ufamiueit4aua: Tie fcheinbare iöefehrung 
Sattlb (Atap. 15, 24) war nur eine oorübergebeube 
Regung bce ©efühlb gewefeit. Turch muthtoilligeb 
Sünbigen hatte er beit ©eift bes ©errn aus feinem 
©eraen oerfcheudtt; nun fanbte ihm ö^ott auv Strafe 
einen böfen ©eift, ber ihn gewaltig jehredte 
unb dnaftigte. Seine Atnedtte riethen ihm, biwch 
Saitenlpiel bie finitere 5Wa<ht au bannen. So 


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614 SomttoijfdiuUfelttumfn. 

würbe ^amb, bcr ein ausgezeichneterSaitenfpieler ©auI ihm feine eigene ffiaff enrüftung au, 
war, an ben fcnifiUcheu £>of gebracht. ©päter wenig ahneub, bafe ber, bein er iefet feinen Jpelin 
fdicint ber böfe Weift wieber auf längere 3 cit oon aufs fcaupt fefete, halb feine ffrome erben werbe, 
©aul gewichen zu fein; wenigstens rinbeit wip7Da= P. 39: £>afe ®anib Sauls Müftung anlcgt, be= 
oib ffap. 17,15 mieber zu J&aufe bei feiner &irten= weift, bafe er ungefähr bicfelbe Statur mit ihm 
befchäftigung. 3 fai ift inzwischen alt geworben hatte. <£afe er barin nicht gehen fann» wirb 
(17,12) unb ®aoib in bad Spätere ^ugenbalter ein= oon ®aoib felbft nicht bamit begrönbet, bafe fie ihm 
getreten. ®a bricht oon neuem ein ffrieg mit zu grofe fei, fonbern bafe er nicht baran gewöhnt 
ben P hiliftern aud. CDer Miefe ©oliath aud fei, [ich in Solcher Müftung zu bewegen. ©r erfennt# 
©ath Spricht bem Apeere ^fraeld öffentlich frohn. bafe fie ihm im Kampfe nur hinberlidj fein würbe# 
Miemanb wagt ed, feiner föeraudforberitng zu ToU unb legt fie ab. 

gen, bid ®aoib, ber oon feinem Sätet z» feinen ®. 40: ©obanit zieht er mm nicht geringen @t* 
Stübern ind &eer geichicft worben war, baoon hört Staunen 5111er Statt oes fdnoeven ffiaffenfchmiufcd 
unb Sich oofl lebenbigen ©ottoertrauend entschliefet, wieberum fein leichted ©dsäfergewaitb an unb greift 
ben ffampf mit bem gefürchteten liefen aufziuteb- zu feiner Apirtenaubrüftuug, bie in nichts weiter be= 
men. Por Saul geführt, theilt er biefem feinen fteht, als in feinem Stab unb feiner ©cbleubet* 
Porfafe mit. ®ed fföuigd ©ebenfen übenoinbet er tfefetere war ben Wirten eben fo nötbig# wie jener# 
burch ben ©inweid auf ben Schuh unb ©ciftanb um bie wilben Schiere aud ber fterne afczuhalten. 
feinet ©otted, ber ihm in feinem ftirtenberuf ben 3 nt ©ebraueb berfelben muhte ®aoib alfo wohl 
Sieg über fiöwen unb ©ärenoedieben habe unb ihn geübt unb gemanbt fein. (Sgl. ein ©eifpiel bet 
gewife auch aud ber ©anb biefed pbiliftevd erretten ©cbleuberfunft Micbt. 20,16.) @o ging®aoib auf 
werbe. ben Philister 31 t. Mber was oermoebte er mit Stoa 

4. ÄBort' unb ©atherflärmig : 3ot 3eit ber ßrr= unb ©chleuber gegen ben gepanzerten unb mit 
oberitng ffaitaaud burd) ?|ofua begegnen und unter Schwert unb Speer bewaffneten Miefen? 9Äcnjcfc 
ben ©ewobnern bed gelobten Saubed oerfdsiebene lieh betrachtet ging ber muthige Jüngling bem ficbe* 
Miefe ngefchlechter, bie ben gemeinfamen i ren £obe entgegen. 5lber ‘Daoib geht nicht im Set* 
Mamen ber M e p h a i m, im SBestiorbaulanb oor- j trauen auf menfchlicbc ffraft unb ffunft, fonbern im 
zugdweife ber (? n a f i m führten. 3» biefeu Mic= ! Pcrtraucn auf ben ©errn. ©otted Pracht unb 
feit gehörte unter aitbereti auch O g , ber Völlig 31 t ©tärfe bebarf feiner menfdtlichen 2 Rittel; fie ift fi<h 
©afan (5 5Wof. 3, ll; ^of. 12,4). Ucber bie ©cr= felbft genug, unb braucht fich nicht anberdwober 
funft biefer Stämme beftehen breierlei Mnficb- etwad zu borgen, !^m Sertrauen auf biefe ©otted= 
ten: 1 ) Sie feien Bwcige bed fanaanitifdjen, ind= macht Schreitet ®aotb, nachbem er f ü n f glatte 
befoitbere amoritifdieu ©auptftammed. 2 ) $te ff i e f e l and bem Sette eined ben (Sicbgrimb burefe 
meiften neueren gorfeber halten fte für oorfanaanu fchneibenben ©acbed aufgegriffen unb in feine Safche 
tifche Ureinwohner, welche fich allmälig mit ben eim geborgen, unter bem ©efpötte ber Sinen unb nutet 
gemauberteu ffanaauitern, Phöniziern unb phi= ber gefpannten (Erwartung ber 5(nberen bem phU 
lifteru auf frieblicbe 5Beife oerinifchten, aber zur lifter entgegen. 

3eit unb aud) Später noch in einzelnen ©e= ©eiftlidic Machbilber biefed ©elbenganged hat bie 

Schlechtem forterjftirten. 3) 3 u biefer Einnahme ®efchid)te manche aufzuweifen. 5D?an benfe nur an 
fügen einige bebcutenbe Autoritäten noch hinzu, baji Luther, ber trofe ber Sebenfen ängftlicher Stuben^ 
bie Mephaim, wie bie s ](inalefiter, 5 linoriter unb bie gelehrter bie fchwere SBaffenrüftung fdwlaftifd)et 
egpptifcheu ©pffod zu bem femitifeben Stamme ©dutlioeidheit oon fich warf, unb frei heroortretenb 
$ub gehört haben, unb f.hon in oorhiftorifchen mit ben fünf ©auptftücfen feiued ffatediidmud ben 
Beiten uad) ffanaau cingewanbert feien. ®iefe Miefen zu Morn Siegreich barnieberftreefte. — T>er 
lefetere Zunahme ift freilief) nirgenbd gcfchichtlid) be= j ffampf ®aoibd mit ©oliath ift faft in allen Bügen 
jeugt, erklärt aber bie femitifdie Sprache ber ffa- | ein treffenbed ©ilb bed ffampfed, weldien fowohl 
naaniter (Hamiten), welche fonft fdiwer zu erflären ’ Phriftud ald auch jeber einzelne C^hrift mit bem Sa^ 
ift, unb hat baher oicl für fid). T)ie ©röfte biefer tan, Sowie bed ffampfed, weldien bieffirchemit bem 
Miefen war aufjerorbentlich, aber hoch nicht fo un- Meidie bed Sataud zu tämpfen hat. 
geheuer, wie biefelbe pou ben ^tiben in ihren tal- b) ® a d Bnfommentreffen. S. 41—47. 
mubifchen Phantafien bargeftellt wirb, ©oliath JB. 41—44: SBährenb fich ‘Daoib bem ©oliath 
war nad) P. 4 fedid ©llcn unb eine Spanne i nähert, betrachte! biefer feinen ©cgner genauer, unb 
hoch, wad nach ben heften 5lutoritäten fooiel wie fein ©Urf wirb babei ein perädbtlicher, weiter 
9 Sufi 1 Boll uufered ©?afted ift. ©eifpiele ooit in I)apib feinen friegerifdien Selben, fonbern nur 
foldjcrfförperlänge finb im5llterthum unb in neue- einen poii 5 lnfehen lieblichen Jüngling er^ 
rer Beit feinedwegd unerhört. ®ie Sfelette bed blieft. tiefem Wirten gegenüber glaubt er ftch fei- 
Pufio unb bcr Secuubilla, über welche Plimud be= ned fvrfolged fteber. — ©elbftübcrhcbung unb forg- 
riditet, waren nod) einen Boll länger. Uehrigeud lofe Sicherheit finb oft bie Povzeidien bed nahen 
fdieiiien Miefen im dltcrthum häufiger gewefen zu ftalld. Unb ber Philifter Sprach zu ®apib. 
fein, ald heute. Muht nur bie heil. Schrift weife Bwiegefprädie por einem Bweifampf waten, wie 
Pon Miefeitgefchlechtcrn, and) burd) bie Sagen aller bad ©eifpiel ber honterifdien gelben zeigt, im 9Utcr^ 
alten Sölfer zieht fid> bie ©rtunerung an biefelben thnm Sehr gewöhnlidi. ®cn Inhalt biefer 
hinburch. gefpräche bilbeten meiftend ^ohreben auf bie eigene 

5. Bur (frfläritug ittib ^rbanmtg: Perfon ober Sdnnähungcu bed ©egnerd. ©in »di 

a) ®ie SBaffeu. ©.38 — 40 . S.38: Um beim ein föunb? ©oliathjühlt fich bcleibigt, 

®apib in ben Stanb zu fefecn, ben gcioaltigen bafe ihm 'Dapib mit einem Stocfe entgegentritt, 
©egner mit gleichen 23affen zu befämpfeu, legt mit bem man nicht äWenfchen, fonbern Shiere be< 


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(Hjronih brr (Segenroart. 


615 


banbeit. Unb flu^te bcm CDaib bei fei' 
nein ©ott. Der Stampf ber 3fraeliten mit ben 
fBbÜifteru ift nicht mir ein Stampf gsoifdsen biefen 
35ölfern, fonbcrn gußleicb auch ein Stampf 3ehooahb 
ßcßcn bie ©oben ber 3>hüifter. Darum ffncl>tc ®o- 
liath bem Daoib „bei" ober beffer „in feinem 
©ott", b A). inbem er feinen ©ott oerhbhnte, um 
Daoib um fo tiefer nt oerlefecn. 

45—48: Daoibb Slntsoort auf ©oliathb 
©cbmähunßen enthalt folßenPe ©auptaebanfen: 
1) Suncichft hebt Daoib beit ©eßenjafe heroor gsoi= 
fdsen feinem ©tanPpunft unb bein ©tanbpunft 
©oliathb (unb fomit auch nötigen bem ©taubpunft 
ber3fraelitenunbbemberfßfulifter): Du tommft 
gu mir, auf beine eigene Straft fufeenb u.f.io., ich 
b a fleflc u fomiiie g u b ir im tarnen b eb 
$>evvn. Der „Siame beb £errn" ift bem Daoib 
ber 3n begriff aller Offenbarungen, burch ioelche ber 
(ebenbifle ©ott fid) ieinem 35olfe gu erfenneu gegeben 
hat. Unter ben oerfcbiebeneit $lubbrüdeu, burch 
soeldse Pab SBefett ©otteb begeichnet soirb, gebraucht 
Daoib hier, ber Situation entjprecbeub, benienißeu, 
sveldser ihn in 33egug auf feine S^errfdsermacbt bar- 
ftellt: föerr 3ebäoth, b. h. £>err ber hinim- 
iijdseu ©eerfdiaaren. 2) ©obann fpricht Daoib bie 
fletoiffe 3uoerficbt aub, bah ber ,sperr ihm ben 
Sieg perleihen soerbe (35.46). Stiitmpbirem 
ber ßelbeumuth fdson oor bem Siege unb bemüthi- 
geb ©idsbeugen oor bem öerrn, alb bem, ber ben 
©iea oerlciht, finb hier bet Daoib oerbunben. 
3) ferner fpricht er bie Hoffnung aub, bah burch bie 
fcilfe, speiche ©ott ber .sperr feinem 33olfe in biefem 
Stege verleihe, alleSÜelt gu ber Srfenntnih 
fommen toerbe, bah Sfrael einen ©ott 
habe, ber fkh feinet 35olfeb annimmt, unb 4) bah 
3frael felbft burch biefen ©iea erfenneu soerbe, 
bah ber .sperr nicht ber änderen Mittel, beb © d) ioe r= 
teb unb ©pieheb, m feiner .Oilfe bebürfe, unb 
Pah er felbft es fei, ber bie ^einbe in f ei neb 35 o l- 
feb &änbe gebe. — Die Demutb, ber©laubc 
unb bie ftrommißfeit, soeldte bie StePe Daoibb ath= 
met, hüben einen fchonen ©egenfafe gu bem fredsen 
Uebertnuth beb 33hilifterb. 2lber eben in biefer De= 
muth, bie nichts oon ber eiaenen Straft unb alleb 
oon bem föerru erspartet, ließt bie toahre ©tdrfe. 
35gl. 2 Stör. 12, 7—10. 

c) DerSieß. 35.48—51. JB. 48. 49: Stauin 
hat Daoib aubßerebet, alb ber ff5biüfter gum Stampf 


OTlironik ber 


Gilt flüter Snftottb ber $htflf herrfcht trofe allem 
Silagen unb SBimmeru in unfern 93er. Staaten. 
Dab fleht aub bem ^Berichte beb ftatiftifcheu 33üreaub 
heroor. Dem gufolae hat ber SBertb ber oon ben 
35er. ©taaten aubgeführteu .ftaubelbartifel ben ber 
Rinfuhr um mehr alb lutnbert Millionen Dollarb 
überfliegen. Dab heiht in ber .ftanbelbfpracbe: Die 
S>anbelbbilang fteht um runb hunbert Millionen 
Dollarb gu ©unften ber 35er. ©taaten, ober mit 
nod) anberen 3Borten aubflebrüdt: um bie gegeiu 


flefleu ihn oorrüdt. 9?un eilt aud) Daoib ooll 
StampfbegierPe auf ihn gu. Der unerjdsrodene Muth 
DaoiPb tritt hefonberb heroor burd) Pie 33emerfung, 
Pah er „oom 3euße", richtiger: „auf bab 3eug 
(oPer Pie ©dslachtorbnung) Per 3»hilifter gu" bem 
©oliath entfleaen lief. 3m 8aufc nimmt er einen 
©dsleuPerftein aub Per £ajd)e, unb ehe Per ütiefe 
3eit finPet, gum SBurf mit bem ©peere aueguholeu, 
trifft Per ©tein oon Daoibb ©chleitber 
feine ©time, bie ervielleichtaub©eringfdmbung 
Pe* ©efluerb unhebedt flelaffeit, er umnft uuP ftiirgt 
mit fcbauerlidjem Xobebftöhnen gufammen. SBie 
leicht hätte Daoib fehlen fonneu! vlber ©otteb 3?or- 
fehunfl lenfte Pen 3*üiß beb ©teineb, unP gab ihm 
folche Äraft, bah er tief in Pab &aupt ©oliathb 
Prang. SBie gebrechlich ift ber Menfch, unb loie 
leicht fann ein jdseinbar ßerinßer UmftauP auch bem 
fräftißften Sehen ein Rnbe madien! Der ©tarfe 
rühme fid) nicht feiner ©tarfe! ©ott miberftehet Pen 
©offährtißen unb mad)t gu ©dianben, bie ihn unb 
fein 35olf oerachteu. 

50: 5llfo uhenoaub Daoib ben 3$hi = 
l ift er. Rtioab ©roheb für bab 9?eid) ©otteb im 
Kampfe miPer Pie 3öelt fann nur berieniße atibrid)= 
ten, Speicher soie Daoib 1) ftch felbft befämpft unb 
ühenoinbet, Unredst unb SSerläumbunß mit©ebulb 
träßt unb nicht 33bfeb mit 33bfetn oerßilt; 2) ooit 
heiiißem 3orn soiber alle ©ünbe unb ©ottlofißfeit 
unb oon heilißer 33cfleifterunß für Pie Rhre beb 
©errn erfüllt ift; 3) Pen ©iea im fiantpfc nicht oon 
eißeucr ftraft enoartet, fonbern allein auf ben &errn 
fein 35crtraueu fefet. 

51: ©oliath spar soahrjdseinlid) noch nidst 
pbüifl tobt, Paher hieb ihm Daoib noch —unb 
gsoar mit feinem eißenen ©dssoert — ben .ft o p f a b. 
Daoibb ©iea über ©oliath ift ein 35orbitb auf ben 
©iea Rhrifti, beb ©ohneb Daoibb, über Pen ©atan 
unb alle äftächte Per ftiufternife, fosoie auf ben ©ieß, 
soeldsen auds soir burch Rhriftum über alle unfere 
??einbe erlanflen follen. Die 3>hilifter erßriffeit 
nad) bem ^aüe ©oliathb erfchcoden bie Slncht. 
Daburds brachen fie Pen 35ertraß (35. 9), nach soel= 
ehern fie oevpffidstet sparen, iefet oor 3frael bie 3Baf= 
fen gu ftreden unb fich Per Obmadst Per ©ieaer gu 
untersoerfen. Darum ßefdsah eb mit flutem Siechte, 
Pah Piefe Pen ftlüdstUnßen bib nach Sfron nadsfefeten, 
oiele auf Pem Siüdgtißc nicberfdslußen unb fich ihxeb 
Saßerb alb ßutcr 33eute bemächtißten. 


töecientoart. 


feitifle Stechnuufl aubgußleidsen, muh bab Slublanb 
Pen 35er. ©taaten mehr alb 100 9Hi Üt onen Dollarb 
in ©olP herautsahlen. 

Dieb ift ein fehr erfreulicher 3»ftanb ber Dinße. 
Rin Sanb, soeldseb, naihbem eb alle feine < ©ebürf= 
niffe oom 9lublanbe aefauft hat, nod) 100 äNillienen 
baareb ©elb heraubbefommt, muh ftöb in einem 
3uftanbc arofier 33lüthe befinbeit. 3m oerßaußenen 
3ahre profitirten soir bei SlbfchluB ber ^anbelb- 
bilang nur sveniß über 25 Millionen; heute finb eb 


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616 


Gßtonih ber Segenroart. 


mehr ald 100 ^Millionen. Dad tft hoch erfreulieh! 
— Sreilid) finb ed untere Aderprobufte, melde und 
biejen Ucberfdmß oerfchaffen. Aber mir finb froh 
unb banfbar für biete fßrobufte, welche und foidje 
Silans oerfchaffen. 

3« Xrntfißlaub mar bie Cnther-^eier ju 2Bitten= 
berg bad inteveffantefte Greigniß beo SNonatd. Sie 
bilbete gemiffermaßen ben Stittelpunft ber su Ghrett 
bed Sutbcr - 3ubUäumd ucranftalteten populären 
fteftliehfeiten, mährenb bie wivflübc ©eburtdfeier 
bed tKeformatord im November eine mehr firchlidic 
fein mirb. Der Aiaifer erliefe eine Gabinetdorbre, 
morin er ald oberfter Sifchof ber eoangelifdjeit ^irrfsc 
ein marmed 3ntereffe für bie ^eier an ben Sag 
legte, unb ben Ahouprinseu mit feiner Vertretung 
bet berfelbeit beauftragte. ‘Die ©tabt ffiittenberg 
batte ficb aufd 9?eicfefte gefcbmüdt, unb wohl an 
50,000 G)äfte, worunter mehr ald 2000 ©ciftlidje, 
in ihren ^Kauern oerfammelt. Der Attonprins, 
melier in Segleitung bed grinsen Albrccht unb bed 
Änltudntinifterd oon ©oßlet eintraf, wohnte fofort 
betn fteft=©ottedbienft bei, ttnb begab fid) bann in 
bie ©cbloßfirche, um er einen prächtigen 8orbeer= 
Ahaus auf Suther’d ©rab legte. Die ©aupt=5yeier 
fanb barauf in betn renooirten ©aale bed alten 
Uniuerfitätdgebaubed ftatt, in melcbem fiuther feine 
Sorlefungen gtt halten pflegte. Die 8utber-ftalle 
mürbe bttreb eine $ebe bed Ahonprinsen eröffnet. 
Gr fcfelofe mit ben JBorten: „99?ag biefer 8uther= 
Sag bastt beitragen, bie proteftantifche ©cfiunung 
Sit ftärfen, bie bentfebe eoangelifcbe Alirrbe »er Un- 
einigfeit su bewahren unb ben ©runb sunt ewigen 
^rieben su legen." ©pater mürben oerfdnebene Vor- 
träge über Öutherd geben ttnbSBirfen gehalten, unb 
am Abenb fanbett Saufette unb fonftige f?cftlicb= 
feiten ftatt. 3ebed .fraud ber ©tabt mar iüuminirt 
unb beforirt. ©roßc Volfdinaffen sogen bureb bie 
©trafeen unb fangen 8utber’fcbe ßieber, namentlid) 
bcnßhoral: „Gin’ feite Surg ift nufer ©ott!" Dad 
warme 3utercffe, melcbed ber Ahtifer unb ber Ahon= 
priits an ber fteier genommen, hat im gansen pro= 
teftantifeben Deutfdüanb einen febr günftigen Giit= 
brttef gemacht. 

Gin grnitjofe über Ämerifa. G)raf ©abtiel 
b’^auffonoille, einet ber fraitsofifcben Ghrengäfte, 
bie im 3ahre 1881 , sufammen mit ben sieben ©teit= 
ben, sur hunbertiäbrigen Seiet bed © i e g e d o o u 
8} o r f t o w u ooit ben bereinigten Staaten ein^ 
gelaben waren, hat in einem eben erfebienenen 
Suche “A Travers les Etats Unis” feine hteftgen 
^teifeeinbrüefe unb Seobacbtungen niebergelegt, and 
betten mir ciniged mittheilen. 

Gr bemeift ficb im Allgemeinen ald sietultcb febar- 
fer Seobachter, obwohl in feinem Sericht 'manche 
©dmifeer porfontmett. —2Bie ben meiften eitropäi- 
feben Sefucbertt nöthtgt auch ihm bie Organisation 
ber htefigett fteuerwehr große Scmttnberung 
ab. Gr hat bie Sciftungdfähigfeit berfelbeit mit 
eigenen Augen su beobachten (Gelegenheit gehabt, 
unb bereit großartige Apparate auf ber, su teuer 
3dt fpesiell für biefe Sraitcbe oeranftalteten Aud= 
Heilung feituen gelernt. Gr fotnint babei su beiti 


Schluß, baß bie Vorführungen sur Scfämpfitug 
eiited audgebrod>enen Schabenfeiterd in Atnerifa 
felbft in ©täbten werten tÄanged meitgehenber unb 
swedeutfpreebenber feien, ald itt ber fransöftfebett 
JBeltftabt. 

Sei einer ben fteftgäften su Ghrcn arrauejirten 
9tunbfahrt gelangt ber Autor auch nach Sa Hintere 
uub befuebt hier bie DfRsin einer größeren 3eituug, 
„She Saltimore American", Dad giebt ihm Ser- 
anlaffung, Rrf> über bie aitterifanifcbe Steife 
überhaupt aitdsufprecben. Gr ftnbet biefelbe ber 
fransöfifdteit überlegen, ernfter rebigirt, inhaltreicber 
unb politifch sugefpifeter, ittt Sone freilich weniger 
glatt ttitb höflid), oielntehr oft recht itngenirt, ftarf 
perfönlich unb iniurtöd; allein fie hüte ficb hoch eor 
Angriffen auf Männer ober gar ftrauen, bie nicht 
felbft herandforbernbe Urfathe ba.su geben, fie mache 
bie ©fanbalofa ttidü sur föauptfadie, wie bted oiel- 
facb bie fransöftfde Steife thue unb flehe im Suitfte 
ber SZoral becenter ba ald biefe, mäbrenb auch su- 
gleich bie SKehrsahl ber 8efer in biefem Suufte 
ftreitger fei ald in Stanfreich. 

3um Schluß fei hier nodt bad Gehirne feiner Se- 
obadttuitgen fürs miebergegebeit. Gr fagt: „3}?ei= 
iter Anfidbt ttadt fantt matt bie ^Bereinigten Staaten 
nicht bereift haben, ohne bie Ueberseugung su ge= 
minnen, baß man ficb unter einem außerorbentlich 
fräftigeit, gerechten uub oon 3ugenb unb Schaffend^ 
luft burdibruitgetten Solfe bewegt. Süer oon einem 
9?iebergaitg biefer Staaten fpridtt, hat niemalb 
einen miß babiu gefefet, unb wenn hoch, fo gejdmh 
ed mit Voreingenommenheit, mad gaits bafielbe ift. 
Die Bufunft biefcd Vanbeo in lanbmirthidtaftlicher 
wie inbuftriellev .Oinfidit ift ttnernteßlidt. ©eitit 
einem lebeudfväftigen, arbeitfamen tlitb ertverlvd^ 
luftigen Seife bie s J?atur, wie hier, anfeheinenb un- 
erfchöpfltdte ipilfdguellen bietet, wenn fort unb fort 
frifdted Slut in feine Abern fid) ergießt, unb wenn 
bie eiitsige ©chmierigfeit, bie feine Gnheicfelung 
oersögert, nur in bent ^Dtißoerhältniß feiner foloffa- 
leit 8änberftredeu unb feiner Seoölferungdsabl bc= 
fteht, fo famt man ihm gewiß nur bie allerglücf- 
lidifte 3ufutift prophezeien." 

^ir 9torb^adfir'Vatit ift alfo eröffnet. Sandte 
Sehen barin nur eine Gifeubahn=Spefulation, bie 
ber Sahn-Atönig Sillarb ind 8eben gerufen, um 
reich su werben. An lefeterem zweifeln mir feinen 
Augeitblirf, bentt 92ietnanb läßt Reh in folchc ©pe^ 
fulatioiteit ein, um nichtd babei ju oerbienett. 2Bie 
bem aber auch fei, unb wie bie ©pefulation Schlie߬ 
lich auch audfalien mag — fo öffnet bie $orb; 
aciRc Sahn ein tingeheured ©ebiet ber Vereinigten 
taaten, mad bem gansen Solfe, aber namentlich 
bem 9?orbmeften su ©ute fotttmen toirb. 2Ber bied 
nicht glaubt, ber gehe nur einmal tiadt ©t. Saul 
uub SKinneapolid unb fehe, wie biefe ©täbte feit 
Serpollftänbigung bed ttorbmeftlidien Gifenbahit= 
nefeed sugenommen haben. 3n fech^ fahren finb 
fie breimal fo groß an Umfang unb Ginmohnersah! 
geworben. Unb zwar ift biefed ffiachdthum nament* 
lid) in ben lebten fahren gefchehen. 2Sad and 
immer biefe s 3torb Sacific für bie Spefnlaitteti thut 
ober nid)t thut — für bad 8anb ift Re ein ©egen. 



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—-ottjmcta ßelautert gu merben. ®a$ ©Reiben be$ 
©cliebten brachte ihm sum erften 3Ral ba3 ©eheim* 
nih beS SEobeS nabe, uitb übte einen fiarfen, für’S 
panje fieben bauernben Sinfluh auf ibn auS. 9Son 
lefet an ernfter ßeftimmt, befdjäftißte ftcb bet ffleine 


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f ii f djem ®titflu§ f 

•*. i ” ‘ v - ■ v v -v »cbonjebtfrühe 
. ; ' > : * v er fannte feine 

i n . ; f v /©dnueftem unb 

' i ' mi * nerfammeln unb 
. * -v, iren tonnte. SDer 

aa v a i a bot baju Dräd)tifle 

i ( ine 2Ral Sets, bai 
< . , . <•; gehalten, unb ba8 

: a. . i a, f.r fteineSihaar »ers 
a t v ;m jur ©inrichtunß 

: ; vi . - v i v ;tunfl. Srflenb ein 
1 , ;, f . ■ *" u ba8 5D?aterial jum 

r >. siw „Staub" erhoben, 

% ' » »..» i ’uve unb ben „Staub" 

uv ’ . . ■ ' *’ v mi unfer Sfaaf dn# 

*■ v.norte ihn feinrflute, 

’ • • , rnb betete mit unb 

’! ii * • > hier Seete aufflinß 

mv K.n 4;. 4 u.. üa ^jtteS ermdrmt n>arb. 
Ob bie^ ba§ mar, maß man ©efebrunß nennt, 
muhte er nicht, aber er muhte, unb meih beute, bah 
er ©ott, beffen SSolf unb alle feine SBerfe liebte, 
unb fann ftch ber Seit ni(ht erinnern, ba bie8 nicht 
ber Sali mar. 


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(Sin illuftrtrtes lamilienblatt. 


gffter 3$anb. |>cjeinßer 1883. Zwölftes 


P«. JO. Pil(l), f$. P. 

§ inet bet Ißifüdfe bet ^If^dfCi^en JSetflobißen x$t. 


Gbitor. 


25. 2Rara 1825 erblitfte tu 8 emig= 
ton, Stftfflin 60 ., $a., einem Rei= 
e nen, au freut fcf>oucn Suniata Slufi 
V tu herrlicher ©ebivgggegenb gelegen 
neu ©täbtchen, ein Söhnten beg 
Srucbtbänbterg ©ileo utib feiner 
Sbcggttin bag Siebt bet ©eit unb 
erbieU in bet Saufe freit kanten Sfaaf ©Übelm. 

Dort, in 3Ritten jener materifcben ©ebirggmelt, 
mucbg ber kleine auf, uitb fcbon in frübcfter 3 u= 
genb mürbe burcb bie ibn umgebenbe großartige 
5Ratur ber ©inu für bag ©ebene unb Srbabene tut 
Änaben gemeeft, burd) welchen ftd) f^dter berSDJanit 
fo febr augaeidmete. 

©eine ©Item gehörten ber oroteftantifeben ©oig= 
cooalfirdie an, ttitb obmobl bie 3Retbobiften fdion 
im Sabre 1815 in Semigton Suß gefaßt batten, 
maren fie mäbrenb ber gaitjen ^iiflenbjeit unfereg 
Sfaafg bie Verachteten unb bie een fielen ©eiten 
©ebaßten. ©eine üMutter gebörte unter bie erften, 
melcbe bureb bie SOktbobiften au ©ott geführt mur= 
beu, unb itocb beute erinnert ftd) ber gereifte 3Ratm 
lebhaft baran, .mit meteber Verachtung bie einen 
unb heftiger Seinbfcbaft bie attbern mäbrenb feiner 
Änabenjett auf bag Heine, am Snbe beg Orteg 
ftebenbe badfteinerne$?etbobiftenfircblein febauten. 
dorthin manberte er ohne 3 weifel oft au ber&anb 
ber titnig frommen 3Rutter, mäbrenb ber Vater im 
Verbanbe ber ©oi3cooalfird)e big ein Sabr oor fei= 
item Sobe oerblieb, au meldjer 3 eit er auf einer ooit 
beit SRetbobiften abaebaltenen Sageroetfammlitng 
grünblicbc ©iebergeourt erfttbr unb im Srittmob 
beg ©lattbettg aur ewigen ©eimatb ging. 

®tefcr unerfefelicbe SSertuft traf ben Reinen Sfaaf 
im feebgten Sabr. ©g mar fein erfter, großer 
©djmera. ®rei Sabre lang litt ber Vater an einem 
burd) einen ttnglütfgfall berbeigefübrten ©ebreeben, 
bag ibn oiel ait’g &aug feffelte. Oer bem SSater 
mit alubenber $inbegliebe ergebene $nabe leiftete 
bent Öeibenben oft ©efellfcbaft unb erhielt bamalg 
febott eine Slbnung baoon, mag eg beißt, in 8 eib unb 
©cbmera gelautert au merbett. Oag Scheiben beg 
©cliebteit brachte ihm sttm erften 3Ral bag ®ebeim= 
niß beg Smbeg nabe, unb übte einen ftarfen, für’g 
panae fieben bauerttben Sinfluß auf ibn aug. Von 
lefet an emfter geftimmt, befebäftigte ficb ber Äleine 


oiel mit djriftlicber ©abrbeit, unb trat balb barauf 
in bie ©onntagfdutle ber SWetbobiften ein. 

£>ier febenfte ihm ©ott eine debt gottfelige, ge= 
heiligte Stau alg Sebrerin. Sie lebt beute itodj, 
unb obmohl febr fdjmad) unb leibenb, ift fie ftetg 
freubig in ©ott, betet oiel für ben, ber eiitfi alg frei? 
ner, gelodter ifnabe ihr ©cbüler im Satffteinfird)* 
lein war, unb ftebt in lebenbiger Hoffnung ihrem 
Ferrit entgegen, ©edijig Sabre lanp ift biefe 
SRutter in 3 §rael ein leucbtcitb (briftltd) Sorbilb 
geioefen, bat oiele (Seelen aum ^errn geführt unb 
mar ein reicher ©egen für ba§ ganae ©täbtdien. 

Wuber ihr lebten in 8 emi 8 ton bamalS noch an= 
bete jur 30?etbobifteufircbe gebörenbe gottfelige 
Srauen, unb namentlidi ftnb e3 feebö berfelben, 
loelcbe oon ^ebermann alö brennenbe unb fdjeinenbe 
Siebter beaeubnet mürben. 3u biefen gehörte bie 
SOhitter nufere^ 33ifcbof§. Sie lourbe aebtaig Sabre 
alt unb mar über füufaig Sabre SMitglieb ber 3Re- 
tbobiftenfirebe. 

$>er kleine Sfaaf befanb fidj aber nicht blo§ oon 
frübefter ^tigenb an unter ddjt d)riftlicbem ©influfj, 
fonbern fern ßnabenfinu mürbe and) febon febr frühe 
auf ba3 ^Srebigtamt gerichtet, unb er tannte feine 
gröbere Sreube, al3 menn er feine ©cbioeftem unb 
anbere 9?acbbar§finber um ficb oerfammeln unb 
einen ffinbergotteSbienft imorooirtren founte. ®er 
geräumige ©oeicber be§ ©aufe§ bot baau oräd)tige 
©elegenbeit. ®a mürbe ba§, eine 5Dial Set?, ba$ 
anbere 3Wal iflafioerfammtung gehalten, unb ba 8 
britte 9Kal gefrrebigt. Sa, bie Reine ©ebaar oer= 
ftieg ficb fogar bann unb mann aur ©inridjtung 
einer 9 D?iniatur= 8 ageroerfammlung. Stgenb ein 
Such ober eine Derfe lieferte ba§ SRaterial aum 
,r3elt", ein Schemel marb aum „©taub" erhoben, 
auf ben ©änfen faß bieSemeinbe unb ben „©taub" 
nahm in ebrmürbigfter ©altung nnfer Sfaaf dwi 

3n feinem aebnten Sabre führte ibn feinrgute, 
gottfelige Sebterin aum Elitär unb betete mit unb 
für ibn, bi$ ein neu Siebt in feiner Seele anfging 
unb fein $era oon ber Siebe ©otteb ermannt marb. 
Ob bie3 ba3 mar, mag man ®efehrung nennt, 
muftte er nicht, aber er mufjte, unb meift beute, ba§ 
er ©ott, beffen SSolf unb alle feine ©erfe liebte, 
unb fann ficb ber 3 cit nicht erinnern, ba bieg nicht 
ber Sali mar. 


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618 


»ft>. 3. P. Piletj I. 


Dem ®ebrau<he gemdfe trug matt ben 9?amcn 
Sfaal SBilhelm Sßileo inS fHegtfter ber lird)Ud)en 
$robemitglicber ein, toofelbft berfelbe oier 3ahve 
lang hübfd) ftchen blieb, ebne ba§3emanb weiter 
nach bem tarnen ober helfen Sigenthümer gefragt 
batte. 3n feinem oiergehnten 3ahre befud)te ©ott 
jene ©emeinbe in einer anbern Srwedung. 2Bie- 
ber lag ^faaf am Altar unb wieberum warb fein 
92ame tnS Vroberegifter eingetragen. Dabei 
'blicb’S aber auch, benn in jener alten guten 3dt 
hetümmerte man ficb im gangen wentg um baS 
wShriftcntbum ber Äinber", unb nur mit $obf- 
fcjbütteln unb 3metfeln fah man auf bie chriftliche 
Srfahrung ber üinber, unb gwar nicht etwa bloS 
oon ©eiten halbhergiger Ä'irchenmitgliebcr, fon= 
bem auch bon ©eiten ernfter ftlaffenfuhret. 2Bie 
bem aber auch fei — bieSmal trat 3faaf nad) Ab¬ 
lauf ber ootgefdjriebenen fed)S monatlichen $robe= 
seit alS äRitglteb in ben Äirchenocrbanb ein. 

Unterbeffen waren aud) bie weltlichen 23iffen= 
fdjaften nicht berfdumt worben. 3n einem deinen 
VlotfhduSchen führte ein armer, alter ®rüpocl, ber 
jeben Sag bie Scltion beS lommenben [ich felbft 
eifrig einbldute, unb fo alS wiffenfdjaftlicheS Sicht 
gldngte, ben fchulmeifterlichen Stab. DaS war 
ber erfte ©ert ^Srofeffor unjercS jungen ©tubenten. 
Sin neueS Shor ber SSiffcnfchaft ging in ber Sr- 
Öffnung ber erften Vublitfdjule auf, unb hier würbe 
in einem großen Sacffteingebdube in ©emeinfebaft 
bon etwa 200 anbern ifnaben unb 30?dbdjen hier 
3ahre lang ber tf'amof mit beS SBiffenS 2ßad)ten 
unter mancherlei Seib unb ftreub geführt. Darauf 
ging’S aur Atabemie, wofelbft bie Vorbereitung 
aufS Sollege borgenommen würbe, unb gwar ge= 
fchah all bteS mit bem 3iel im Auge, inS n5rebigt= 
amt au treten, benn feit feinem 14. Sabre lebte bie 
grünbliche Uebergeugung im Änaben, bafe er fid) 
bem heiligen Dienfte gu wibmen habe. 

Dafe ein 5)2etbobiftenjunge bie Atabemie befuche, 
unb fbdter inS Sollege eintreten wolle, baS wargu 
bamaliger3cit in jener©egenb etwas unerhörtes; 
benn biefe „ArtSeute" gehörten ber VoltSmeinung 
nad) nicht auf bie hohe Schule; namentlich nicht, 
wenn fie nur SDiethobiftenorebiger werben wollten. 
SS warbefehalb nadjgerabe fein rofiger Vfab, ben 
ber „3)2ethobiften ©tubent unb Vrebiger" in ber 
Atabemie gu wanbeln hatte. Sr lämpftc jeboch 
unter Anfechtung unb Verachtung ben guten 
fi'ampf, wuchs in ber ©nabe ®otte$ unb ftieg in 
ber Achtung ber ftirdje in bem©rabe, bafe er jajon 
im fechSgehntenSahr a(S©ebilfSdafeführer einem 
bewahrten Shriften unb auS Snglanb eingewan* 
berten Solalorebiger beigegeben würbe, oon wel= 
ehern er oiel lernte. 3m ftebengehnten 3ahre er- 
hdlt ber junge SRann SrmahnerS=8iceng, im ad)t= 
gehnten bie Scfdjeinigung aiS Sotalprebiger. 

SBieberum fud)t®ottber &err im SBinter 1842— 
43 jene ©egenb mit einer tiefen weiteroerbreiteten 
Srwedung heim. DaS geringe ©dugein ber 9föe= 
thobiften in SewiSton erhalt einen 3uwachS oon 
300 belehrten Seelen; alle anbere Äirchengemein- 
fchaften werben oom AuSgufe beS heiligen ©eifteS 
erfrifcht, unb Saufenbe gu ©ott belehrt. Da ift 
benn ber junge Sofalprebiget 3* 2B* SOßilep in 
feinem Slement. Sr oerldfet geitweilig bie ©chule 
unb giebt ftch gdnglich biefemSBcrle htn, inbem er 
faft unauSgefefet ermahnt, prebigt unb £>auSbefud)e 


macht; eine Arbeit, bie für einen löjdhrigen 3üng- 
ling allgu aufreibenbift, unb für weldje er hohen 
VreiS begahlt. AIS bie Sxtra=Verfammlungen im 
Frühjahr 1843 mm ©chlu§ tarnen, hat er fi<h ein 
hartndrfipeS^alSleiben gugegogen,unb bebauertben 
faftgdngltd>en Verluft feiner lonft guten Stimme. 

©eh^monatlicher Aufenthalt in ber ©oebfehufe, 
bie er wieber begieht, bringt fo wenig Vefferuitg, 
bafj Urteilsfähige ber Meinung finb,bie©timme 
werbe nie wieber fo erftarten, bafi fie für bie Vre* 
bigt tauglich fei. <Der 9Beg gur Äangel fchien oer= 
foerrt gu fein unb mit traurigem, oielpeferüftem 
^ergen übernimmt ber Jüngling im SBtnter 1844 
eine ©d)ule i wofelbft ferne leibenbe Stimme auch 
mit ber größten Anftrcngung faurn auSreicht, unb 
ben ©ebanfen an’S Vrebigtamt geioaltfatn in ben 
©intevgrunb brdngt. 3)arum wirb im jjrübiahr 
1845 ein anbeveS ^adj ergriffen — baS uÖebtcini- 
fdje, we(d)eS ©tubium in bem Heilten Dorf 2Biff= 
lin eifrig betrieben wirb. 

Dort fdmofte ber 2KetbobiSmuS noch um feine 
Ssifteng. 3n einem deinen halbgcrfallenen ©ol 3 = 
gebaube hielt bie ®anbool(ÜD2ethobiften ihre®ot= 
teSbienfte, unb bie gange Schaar berielben beftanb 
auS 13 ÄirchenmttgUebern. Unter ihnen befanb 
fidj ein innig frommes in ernfter Shriftenarbeit 
fid) bethdtigenbcS3)2db(hen mit lüfecr Stimme unb 
einnchmcnbem Söefen - JranciSla 3» äKartin. 
3m bergen bcS jnnaen 3)2cbicinerS forad) eS — g c= 
f u n8 e n, unb brei 3ahre barauf tourbe granciSfa 
feine geliebte unb liebenbe ©attin. Sie begleitete 
ihn fpdtcr inS 2)2iffionSfelb nach Shina unb bort, 
weitoraufecn im^eibenlanbe, wo fie 1853 gur ^)ei= 
math ging, ruht ihre irbifd)e £üUe biS gum Sage 
ber glorreichen Auferftebung. 

AIS im 3ahr 1846 baS mebicinifche Doltot= 

S men mit AuSgeidjnung beftanben war, hatte 
auch baS ipalSteiben berart gebeffert, ba§ ber 
junge 3Kebiciner wieberunt ein 3abr lang alS 8o= 
talorebiger gu bienen oermochte. 

? efet tritt aud) wieber bie alte Uebergeugung, 
er ftch bem Vrebigtamt gu wibmen habe, in 
ben Vorbergrunb. Seine ftreunbe finb getheilter 
Meinung. Die einen rathen, bei ber 9)2ebidn 
ju oerharren, bie anbern — unb unter ihnen auch 
berbefannte ocnnfoloantfch-beutfchc ehrwürbige 
ejcentrifd)e 3afob ©ruber Orangen auf Sintritt 
inS Vtcbigtamt. Aber acb — in bamaliger alter 
guter 3eit beftanb eine ©djranle, welche felbft ein 
©ruber nicht hinwegeommanbiren tonnte. Uitfer 
junger ©err Doftor war am Vorabenb gur ®och- 
geit mit fträulein 5D2artin angelangt; bamalS aber 
würben oerheirathete Vrebigcr nicht auf Vtobe in 
bie Sonfereng aufgenommen. Der rnadere ®ru= 
ber meinte ^war, ba§ ba halb geholfen fei, man 
müffe einfach bie $eirath unb bie 3Mebicin oerab- 
fchieben unb fo eine fHabitaltur bewerfftelligen. 
DaS war aber bem Vrdutigam benn hoch etmaS 
gu ftarf. Sr oerehelichtc fich unb liefe fid) im n>eft= 
liehen Vennfoloanien a j§ 5)ottor ber 3Kebicm 
nieber, wo eS genug Arbeit gab unb ber junge 
3Rebiciner in fofern Srfolg hatte, alS eS ihm pe= 
lang, oiele fitanlen gu heilen. Aber financtctt 
glüate eS in 2Beft=Vennfoloanien nicht unb aufeet= 
bem oerüefe ben 3Rebiciner nie bie Uebergeugung, 
bafe feine SebenSaufgabe in bcrVrebigt beSSoan- 
geliumS beftehc. Sr ,wanbte ftch befehalb nach 


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*m. 3. P. PUei), ff. P. 


619 


©erathfdjlagunfl mit ©aftor unb ©orft.-Slelteften 
wieberum an btc Gonferena,' unb wieberum warb 
geantwortet: „Äein ©lafe für oerheirathete ©te= 
biger." 

SBar ba$ nicht ein Singeraei^ ©otteS, ba§ uad> 
allem boeb bie 9Rebicin bet richtige Sebenäberuf fei? 
SllS foldjer würbe bie Slbweifung aufgefajjt, unb 
mit finben ben nachmaligen, auf ber Äanael fo er= 
folgreicben ©ijdjof auf berSReife nach 0!t=©ennf*)l= 
oanien, wo et ficb eine gute ©egenb aur ©rasiä 
auSgefudjt, mit bein ©ebanfeu, niemals mehr bie 
Äanael ju betteten. Ser frühere ©aftor war gc= 
beten worben, in bet fircblicben ©efdjeinigung nur 
oom ©lieberrecbt unb nichts bom Sofalorebiger ju 
fagen. SarauS jebod) mürbe uid)t$, obwohl fein 
aitoeret Schein acceptirt warb. 

Äaum aber war bet junge Slrat in ©ottöoille, ©a., 
ein wenig eingerichtet, fo fam bet bortige 9Retho= 
biftenorebiger, 9lco. 3 * ©. &ogaiiO/ lelbft ein 
refcbbegabter Äauaelrebuet, ine Softorftübd)en unb 
fagte, er bube bon beut früheren &errn ©aftor, 9tco. 
SB. &. Sauf bie ©efebeinigung empfangen, bah ber 
Slnfömmling SRUglieb bet Strebe unb Sofalprebiger 
fei. Slnfänglicb wollte ficb ber junge Softor ba¬ 
gegen fträuben, bet aweite, ruhige ©ebanfe aber 
tagte ihm, bafj biefe ©ruber weifet unb bejjer han= 
beiten al3 et, unb febon ben folgenbeit Sonntag 
finben wir ihn auf bet Sanael au ©ottSoille. 

Srei 3ahte erfolgreicher unb eintrdglidjer ©ra^iä 
gingen burcb$ Sanb. ©lürflicb aber war inner 
Slrat nicht in bet Slu3übung feinet ©erufä, benn et 
warb mehr unb mehr iiberjeugt, ba§ ba3 ©rebiger= 
amt feine SebenSaufgabe fei. Sie Sheologte in= 
tereffirte ihn mehr al3 bie SRebiain; et prebigte oft 
unb war glücflicbet auf bet Sanael al8 in feinet 
äratlidjen Arbeit. Slucb fagten ihm feine Srennbc 
beftänbig, et habe feinen ©etuf oerfeblt, fo ba& et 
im Stöhiahr 1850 noch einmal barein willigte, bei 
bet ©hilabelpbia Gonferena unter ber ©ebingung 
gemelbet au werben, ba§ e$ nur gefdjehe, wenn 
SluSfidjt für feine Slufnabme oothanben fei. 

Ser betreffenbe ©orft.=Sleltefte befprach fichmit 
Sr. Surbin, bem bamaügen Sefretär ber SRif- 
fjonSgefellfcbaft, welcher froh war, enblidj ben 
uRann gefunben au haben, beneralS „mebicinifcben 
SRijfionär" für Ghina fuebte. 

2fcfet war bie ©ahn frei. Sr. Surbin fdmeb 
an ben jungen Slrat, welker ©rief auf ihn wie auf 
feine ©attin einen tiefen Ginbrua machte, ©cibe 
erfannten in ber ganaen Slngelegenheit bie ©or= 
fehung ©otteS, welche ihnen gerabe ben ©eruf au- 
wieS, nach welchem ihre ©eraen oerlangten. 

Sie finb bereit au geben; Sr. Surbin fommt 
auf einen ©efud)/ bei welkem SllleS arrangirt wirb. 
SBäbrenb be3 Sommert wirb ba$ Softorgefdjäft 
abgewicfelt, Spätjabr unb SBinter aber bienen au 
fpeaiellen, in Ghina au oerwerthenben mebicinifcben 
Stubien. 3m Spätiaht 1850 wirb ber junge 
Slrat officied alä 3Rifftonar inftaHirt, in bie ©enef- 
fee Gonferena auf ©tobe augelaffen, nach ber ©hila- 
belbhia Gonferena tran^ferirt, im 3Rdra 1851 oon 
fflifcuof 3«ue^ al^ $)iafon unb Sleltefter orbinirt, 
unb am 13.3Rdra beöfelben 3«hre^ fegelt ba$ junge 
©aar in ©efetlfcbaft mit ©ertn Golber unb ©attin 
unb Srdulein Sealo gen Ghina. 

G$ war eine lange «Jahrt, bie bamal§ um ba§ 
Gap ber guten ©offnung gemacht werben mufcte, 


wenn man oon^lmerifa au§ Ghina erreichen wollte. 
®reiü)?onate wahrte biefelbe, aber eitbüd) erreid)ten 
bie 9Riifionare ^ongfong nach 96tdgiger Steife. 
Sobaiin ging’^ in einem leid)tgebauten, fleinen 
bortugiefifchen Sd)iff ad>t Sage ber Äufte entlang 
nach bem enblidjen ©eftimmun^orte goodiou». 
Schifffahrten gehörten banial^ nicht au ben Suft- 
reifen, loeber auf bem Dcean noch au berÄufte; 
aber unfere Steifenben fanben ihre 3ufriebenheit 
unb ihre Starte in ©ott. 

Sie Ghina=©tiffion lag au jener 3eit in ber 
ffinbheit. Sie war im eigentlichen Sinne beb 
SBorteö ber erfte SOtijfiou^oerfud) ber©ifd). ©tetho= 
biftcn=Äird)e unter einem beibnifdjen ©olf. Slüe^ 
gefebah oerfueböweife, fowohl oon ber 3Riffionö= 
bchörbe alä and) oon ben SRiffionaren. Sie 
SRiffionare Gollin^ unb SBhite waren 1847 aur 
5 luffud)ung be^ geeigneten SRifftonSboftenS ooraugi 
gegangen unb hatten bie 500 SReilen uörblid) oon 
Ganton gelegene Stabt Äoodiow gewählt, wo fo= 
eben ber amerifanifebe ©oarb unb bie ©tiffion^ 
gefellfd)aft ber euglifdien Gbiocobalfirche ihre Slrbeit 
begonnen hatten. Sie Slubenwelt mujjte gar 
wenig oon ^ooebow unb Ghina überhanbt, bie 
Ghinefen aber nod) loenigcr oon ber 9lu6emoelt. 
3m 3uhre 1848 waren bie SRiffionare 9t. S. 
©taclao unb fceuro $icfod nach Ghina gefegelt, 
unb 1850 fehrten Gollin^ unb Jpidocf mit bureb ba^ 
Glima erfrfjüttcrtcr ©efunbheit wieber nach ben 
©er. Staaten, wo ber Grftere halb barauf in feiner 
©eiinath in 93tid)igan ftarb. 

3m 3&bt 1851 ftanben in Ghina bie 9Riffionare 
SRaclao, SBhite, Golber unb SBileo mit ihren ©ott 
geweihten ©attinnen. SRaclao unb SBhite hatten 
gerabe fo oiele Sortfdiritte gentadd, um fidö ben 
Gingeboreucn ein wenig ocrftdnblid) au machen. 
Souft mubte 51U&8 oon ©runb auö gelernt unb fo 
ju fagen gefebaffen werben. Sie uRiffionare be= 
fafeen fein ©eim; fie fannten weber ba£ ©olf, 
beffeit Sprad)e nod) beffen ©ebrduebe. Sic Ghi- 
liefen fürditeten utib oerad)teten bie Srentben unb 
fd)mad)teten no(b unter ben üblen 9tad)wirfungen 
be^ „Obium^ftneg^. 

©on biefer 3eit an, fage 1850, barf ber wirtliche 
Slnfang ber Gbina=9Riffioit ber ©ifeb. 9Reth. fiircbe 
batirt werben. Sille oorhergehenben Grfolge waren 
bur^ biefeu Ärieg oeruichtet uwrbeii. Stiemanb 
in fjooebow mar ber Sprache foweit mächtig, ba§ 
er ficb getraut hätte, aum ©ölte au prebigen. 
Ginige fleiue Käufer waren für gotteöbienftlicbe 
3 weae gemiethet worben, unb man hatte eine 
tleine Schule in 9teo. SJtaclai)’^ ©eiin erötrnet. 

Sille ©tiffionare wirtten fleißig, guten ©rmtb au 
legen, unb hatten bie Sreube, ihre Slrbeit oon ©ott 
gejegnet au fehen. Sa brach bie grofje Sai ©iitg 
Siebeilion atiä unb oerheerte in fdireilidient Sd)lacb= 
teil unb fürchterlicher 3erftörung bie gerabe weltlich 
oon ber 9Riffion gelegenen ©rooinaeu. Sa§ ©olf 
in Soo^ow fnirfchte förmlich oor Grregung unb bie 
Sremben aitterten für ihre Sidierheit; bie SRebeüen 
hatten au einer 3eit im Siorben ber Stabt eine 
biefe bebrohenbe Stellung eingenommen. 
berte fopflofet Seicbuame fd)wammen ben *Jlu§ 
hinab unb legten 3eu<jni& oom grdulidien ©emefeel 
ab, ba$ nur wenige uReilen nörblich ftatt^efunbeu.* 
SRanche fürchteten für ba^ Sehen unb Gigenthum 
ber 9Riffionare unb rietben ihnen, in ©ongfoitg 


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620 


juo. 3 . m. »Ufi), ft 


Sicherheit au filmen. SRaclap ltnb Selber ent- 
fchloffeit ficb 311 flehen, mähreitb SBhite mit feiner 
trauten ©attiit porauSgeetlt war. 3- 2B. SBilet) 
X)Ueb auf bem gefährlichen ©offen. 

©a harrten nun er unb feine heroifebe ®attin tu 
einer erreflten heibnifcheit ©eoolferung, Aufruhr unb 
©cmefeel in nächfter Stäbe, unter großen ©rüfuttgett 
einen langen, heifeeit Sommer unb ein langet trau= 
rigeS ©pätjahr auf ber SDtiffionSftation auS. Sine 
SßinbSbraut ftürmt ber fiüftc entlang unb richtet 
grofje ©ermüftung an : eine ftluth folgt, welche bie 
©orftäbte unter SBaffer fefet. Sine SBoche unb 
länger tonnen bie ©arreitbett beS woflenben SBafferS 
wegen feinen Schritt über bie Schwelle thun, unb 
alS bie J^litth verlaufen, ba bleibt ©ebrnufe unb 
SOioraft, wie fic nur in einer Shinefenftabt gefunbett 
werben. 

©ie (Sefitubheit ber treuen ®attin wanft; ber 
itobeSmurin nagt an berfelben unb im Tonern ber 
fdjeibet fie Pont fleliebteu Satten unb ihren Äinbern. 
3 n rquhgejimmertem ©arg tragen umnachtete ©ei« 
ben bie ©üöe ber ©etreueit auf beit gebräuchlichen 
©ambuSftaitgen hinaus auf einen ©ügel ber ©or= 
ftabt. ©ort liegt fie begraben, wartenb hcrpoviu« 
gehen in ber Aufevftehung als eine ber Srlofeteit 
Shina’S, unb als ein Srftling berer, welche für bie 
Ghriftianifncung ieiteS ©olfcS ihr Scbeit opferten. 

3 efet ftaitb ber ÜHann mitten im ©cibenlanb mit 
feinen jwei muttcrlofen flinblein allein. Sänger 
tonnte unb burfte er nicht bleiben. 3m 3ahr 1854 
fehrte er mit feinen kleinen naeft Amerifa jurftef. 

Aber nicht, um nie wieber gu tommen. ©ott ber 
©err hat ihm für feine Sreue eine grofee ftreube be« 
fcheert. 33 i f ch 0 f 9Büet> zieht anno 1877 wieberum 
nach Ghina, mn in berfelben ©tabt, wo er fo oiel 
gewirft unb gelitten, eine jährliche Sonferenj 31 t or« 
ganifireit! ©or 23 3ahrcit hatte erfjoochow mit 
ebroebenem ©erzen unb wenig ©Öffnungen für’S 
ortige 3RiffioitSmerf wertaffen. Unb waS ftitbet 
er? ©amalS befanb ftdj fein einziger Kaufmann 
in ber ©tabt, unb ber ©anbei würbe nur burch 
zwei Opiumfcbiffe »ermittelt, — fefet (1877) blüht 
eine grofje ©anbelSfoloitie. ©amalS — nicht eine 
5firche, noch ein einziger eingeborner Shrift; iefet — 
brei grofte Äircften ber ©ifefj. 2)?eth. SDtiffion nebft 
ben ©otteShäufern aitberer. ©amalS — burften 
(ich Gurqpäer beit Verträgen gemä§ nicht über fünf 
Steilen über bie ©tabtgremeit wagen; iefet — reicht 
baS ©tiffionSgebiet 150 ©teilen nach 9torben unb 
SBefteit, unb 200 ©teilen ttaeft ©üben unb Offen. 
3wifcben 4= unb 5,000 eingeborite Shrifteit lebten 
bamalS in ber ©tabt unb bie ©tatiftifen ber ©?if= 
fion ber Sifdj. ©ieth. Kirche weifen (1877) folgenbe 
3ahleit auf: ©rebiaer35, eingeborene©ehilfeit 72, 
Sofatorebiger 60, ©titglieber 1,235, ©robeglieber 
776, &obeSfäde 22 , ffinber getauft542, Srwachfene 
getauft 145 (in einem 3«hr); Jfirchen unb ffapeöen 
60, 2Berth 810,190; JBohmutgen für eingeborene 
©rebiger 15, SGBerth 81 , 601 ; betgetragen zum ©re= 
bigergehalt 8621, für fi'ircbeubauteit 81,024, für bie 
Sinnen 898, für aitbere firchliche Ausgaben 8294. 

jffiir fehren nach Amerifa zurücf unb finbeit ben 
früheren ©tifftonar halb nach feiner Anfunft als 
©aftor einet ®emeinbe auf ©taten 3 $lanb bei 
9tem gort, wohin er oon ©ifdjof ©iorriS gefanbt 
tuurbe. 3m 3abr 1855 würbe ber iefeige ©ifchof 
»on ber ©hilabelpbia in bie SKewarf Gonferenj 


tranSferirt, unb bebiente in berfelben 1857 u.1858 
bie ©emeinben an ber ©alfep ©tra§e in ©ewarf, 
fowie bie Srinitp«Sirche zu ©ew 3erfep. Antto 
1858 finbeit wir ihn als ©rincipal beS ©enning¬ 
ton ©eminarS, in welcher Stellung er bis 1864 
berblieb. 3m Srühjahr biefeS 3ahreS würbe er 
wieber als ©aftor ber Srinttp = Ätrche 3 U 3 erfep 
ernannt, begleitete aber baS Slmt nur bis gum 
3Hai, in welchem 3)?onat er »on berS3cncral-Son= 
feren 3 3 um Dtebafteur beS Ladies’ Repository er¬ 
wählt warb, in welcher ©tellung er mit fehr be« 
beutenbem Srfolg wirfte, btS bie ®eneral=Gonfe« 
reit 3 beS 3abreS 1872 3te». 3 . SB. SBilep 88 . ®. 
3 itm ©ifchof erwählte. 

2Bir lernten ihn im 3«htc 1865 alS Sbitor beS 
Ladies’ Repository feinten, unb erinnern uitS noch 
wohl, mit welcher Sreunblichfeit unb 3»öorfotiu 
menheit ber bamaltge SKebafteur ben gerabe ange= 
fommeiten ©UfS = Sbitor beS Apologeten in ber 
weltbefaitnten bunfeln AmtSftube an ber achten 
unb 9Rainftra§e 3 « Ginciitnati bearüfete nttb mit 
welch gewinnenber8eutfelijjfeit er eittfpradh- 
©eitbem haben wir ben Sßaitn immer lieber ge= 
Wonnen. Unermüblidj in feiner ebitoricllen AtntS= 
tbätigfeit hatte er immer ein freunblicheS ffiort r 
war ftetS bereit fHath 3 U ertheilett unb bie foftbare 
3 cit für bie, welche [ich an ihn menbeten, 311 ge= 
brauchen. Unb heute empfängt ber ©ifdwf mit 
berfelben ©erjlidjfeit ade, ©eutfehe unb Ameri- 
faner, Schwar 3 e unb Sßeifee, bie ihn „auf einen 
Augenblick 3 u fprechen wünfehen, unb flieht ihnen 
AuSfunft. Ob bie 3 U überwältigcitbe Sorre^ 
fponbeit3 beinahe berghoch angemaebfen ift, ober 
trgeitb ein fchwieriger Amtsfall ÜHtthe macht, bu 
gehft, mein lieber 8 efer, bei SÖtfc^of 9Bilcp nie fehl 
unb wirft immer nicht nur ben beglichen 2 BiÜ- 
fomm emeS chrtftlichen ©entleman, fonbem andh 
ben werthbolleit SRath eines erfahrungSrei^en 
Cannes unb burch unb burch gebilbeten ®eifteS 
erhalten. 

©ie ©eifteSbilbung beS ©ifchofS ift eine äufeerft 
atlfeitigc unb abgerunbete, fo ba§ Weber Süden 
noch f<harf ausgeprägte Sdeit su eittbecfen ftnb. 
©eine Anfichten uttb ©runbfäfee fittb feft auSge« 
baut, fein Urtheil aber wirb ftetS in mafepoüer 
©prache auSgebrüctt. 3m Sonferett 3 faal, wenn 
100 biS 300 oft unruhige ©eifter 3 U leiten fiitb, 
gefchieht »on ihm nicht baS,waS man mit„©tränge« 
anüehen" bezeichnet. SheeSfi^ aber ber ©efretär 
recht Perfiebt, finbet er tn feinem ©rotofoll, ba§ 
eine game SKenge ©efAäfte in gröfeter Ütuhe unb 
mit richtigen* ©efchäftStaft abgewidelt fiitb. 
„Oiefer 3 «öführer, w fagte einmal ein waeferer 
SReifeprebiger, „ift felbft fo wohl geölt, bafe man 
baS Stollen ber äßajchine gar nicht hört." 

AIS 9tebner fteht©ifchof SBilep in ben oorberen 
SReiheit ber Strebe, unb zwar nicht allein bezüglich 
ber Äanzelberebtfamfcit, fottbern betreffs 9tebcn 
aßer Art. ©ie ©ebanfen richtig unb fchon auS- 
subrüefen, baS ift ihm fo natürlich wie baS Ath« 
men. Unb er hat ©ebanfen über alles. SOBir 
haben ihn in ©rebigerperfammluitgen uttb bei % 
anbern ©elegenheiten über philofoj)hifd)e, theo? 
logifche unb praftifche Ihemata gehört, auf beren 
©orbereitung ber fftebner faum etn Siertelftünb^ 
chen zu perwenben hatte, unb — tmmer bewunber« 
ten wir ben 3 beenreichthum, bie fflarheit ber 


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JHaren bie erflen beutfdj=amerikömfdjeii Pioniere gläubige COjriften ? 


621 


®arftellung unb bie mie ein unerschöpflicher ©orn 
fliefienbe Sprache. Auf bet ffansel liebt e3 bet 
i8ifcC>of oft bie Argumente bet ©egner genau fixirt 
barsuftellen, moburch gewöhnlich großes Jntereffe 
erregt mirb. — Jft et aber einmal über beit argu= 
mentatioen Stheil feiner ©rebigt hinaus mtb greift 
et in bie 3mlle be$ SLhemaö hinein, fo reißt feine 
pathetische, mit Salbung ooin heiligen (Seifte be= 
leitete ©erebtfamfeit bie Berfaminelten hin unb 
emirft oft bebeutenbe Siefultate. 

Al$ 3 cC>riftfteüer hat ©ifcbof BJileti eine fruchte 
bare Ihatigfeit entmicfelt. Seine perfönlidieu ©eU 
träge für’3 “Ladies’ Repository” uilb “Golden 
Hours” mürben mehrere große l‘2mo ©änbe füllen. 
Sein ffierf über Ghina unb Japan ift meit be= 
rühmt, Außerbein bat er bie beiben merthoollen 
SBücbet “Fallen Missionaries of Foochow” mtb 
“Religion of the Family” gefchrieben. 

®er 8eiben3feldj ift unfcrm ©ifdiof nicht erfpart 
geblieben; et hat benfelben vielmehr biä auf bie 
&efe gefoftet. 6 t fab einet ^weiten ©attiu itt’3 
©rab; verlor burdi einen Unglürf^falt einen ftoff- 
nungävollen Sohn unb bat Schmers unb ©ram 
aller Art erfahren. Jebodj — auch im aüertiefften 
ßeib, ober bei perfönlidieu Äörperfdimächen fiitben 
mir biefelbe Seutfcligteit unb biefelbe treue Bflidit- 
erfülluitg. Jn ^toterer hat et in beit smolf Jah= 
reit feinet ©ischofäamteä 185,000 teilen meit ge= 
reift, bie ÜHiffionen in Ghina, Japan unb Guropa 
befucht, führte bie Aufsicht übet bie ^Montana, 
Utah, Ghina unb Japan 3)2iffioit, orbinitte T84 
®iafoite unb 560 Aeltefte, fchtieb mehr alä 15,000 
amtliche ^Briefe, hat fort unb fort geprebigt, Bor= 
träge unb Anfpracheit gehalten mtb viele ßircheit 
eingemeiht. 

Außerbem hat ©ifchof 2Bilep von Anfang an 


oiel 3 eit unb ffraft bet ©efellfchaft für frei- 
gelaffeue Sflaveit gemibmet, alS beten ©räfibent 
er schon smolf Jahre im Segen mirft unb in allen 
ihren Angelegenheiten ein perjönüdieö Jntereffe 
nimmt. 

SDZoge ©ott bet ©crr feine ©efunbheit ftärfeit 
unb ihn noch viele Jahre lang sutn Segen bet 
Jtirthe, sunt ©eften be3 8 anbe§ unb sutn SBohle 
ber äKenfdiheit mitten laffett. 

* * 

• 

SBejihalb ich biefen 8 cben§lauf ersählte? 

JBetl sum Grften berfelbe ein reicher unb viel= 
bemegter ift, au3 melcbcnt Jebermaun 8ehre unb 
Segen fchöpfeit fann. SBenn man immer nur oou 
ben großen SEobten rebet, fomntt bie 3GBclt am 
Gnbe auf bie Meinung, namentlich bie junge 2Bclt, 
baß alle guten, tüchtigen 33?enfcheu im Simmel 
feien, bie Grbe aber ben aitbern überlaffen bleibe. 
®arunt gilt e3, manchmal auch baS 8ebcnsbilb 
eine$ nodi im ©rbenthal SBallenben aufjurollen. 

3 um 3meiten meine id), baß foldi ein ©ilb midi 
unb bie ©rüber im Amte ftärfe. 2Bir lernen bar 5 
auä, baß e3 nidit bloß mir finb, bie große ©ürbeit 
tragen, oiel Arbeit haben, im 8eibe meinen, fonberit 
baß bie bebeutcnbften ©Jänner ber ilircbc, welche 
nur alle Sage beobachten fönnen, c3 nicht helfet 
haben. 

3 um dritten giebt e3 überall junge Männer, bie 
e$ brängt, im ©etdie ©otteS al§ Brebiger su arbei¬ 
ten, beneit ftch aber mandierlei ©inbcrniffe ent= 
gegeuftellen; beiten fagt biefeS ©ilb: Sei nur ge= 
treu unb nicht ungeftünt; menn@ottbid) hraucheu 
fann, fo fehlt e3 ihm au Mitteln unb SBegen nicht. 
Gr mirb AUe3 herrlid) hinauöführeu. 


Uforen Me erjteii kutfdpnmerihnnifdjen pioiitere gläubige ftljrifte»? 

Gbitor. 


J m ©Jonat Oftober feierten in allen größeren 
Stäbten bie Oeutfchen ba3 200 jährige Jubi¬ 
läum ber Anfunft ber erften beutfehen ©io= 
niere in ben bereinigten Staaten. SBaren 
fd)on früher einseine Oeutfdhe in ber Steilen JBelt 
gelanbet unb haben fid) biefelben hiet ntebevgelaffeu, 
fo batirt fich bie erfte beutfehe Golonie boeb erft oom 
6 . Oftober 1683, an melchem Oatum 13 beutfehe 
Samilien ftch ba nieberließen, mo jefet ©ermantomn 
gans nahe bei ©hilabelphia fteht. 

®aß ein fold)e^ Greigniß mit großen JfeftlichfeU 
ten begangen mürbe, ift erfreulich unb gereift sur 
Ghre ber ®eutfd)eu. Oaß biefe J?eier aber überall 
au^fd)ließlid) in ©änben außerfirchlicher beutfd)er 
Ginmanberer lag, bie ben ©tauben an bie 'Iöahr= 
heilen ber heil. Schrift längft su ben Äinbermähr= 
dien sählen, baS ift nid>t fo fehr erfreulich, beim bie- 
femümftanbe ift e£ susufchreiben, baß bie beutfehen 
Scftrcbcn ba^ ^aupt=Gharacterifticum jener erften 
beutfdien Golonte faft gar uid)t berührten, nämlich 
ba§ einfache, ernfte bi bl if die Ghriftenthum 
ber Goloniften. G3 mar gans am ©lafee, baß aitdi 


beutfehe, bie niditS oon biblifdiem Ghriftenthum 
miffen molleit, an biefem Jubelfcfte theilnahmen. 
Jitbem aber bie freier au^fchließlich su einer S)e= 
inonfhation bedienigtn ^eutfdithumS, loeldieS 
©otte§ ffiort alö übermunbenen Stanbpunft be¬ 
trachtet unb bem ©ier= unb SBein-Gultuo hulbigt, 
gemacht lourbe, gefdiah jenen erften frommen beut- 
fdien Gimoanberern nidit ©crecbtigfeit. Sie famen 
unter Anführung be^ ernftgläubigen unb gelehrten 
©aftoriu^ auf ©eraulaffung. SBilliam ©cnn’^ 
herüber, um ben Befolgungen m entgehen, bie fie 
in ber ©egenb oon Grefelb unb anberen ©egenben 
in ®cutfdilanb ihrer religiöfen ©emiffenöüber= 
seuguitg loegen su bulben hatten, unb gehörten alfo 
biircbauS uidit 311 beiten, meld>e mit Berachtung auf 
ba3 Ghriftenthum hcrunterfdiauten. 

Uub mit jenen erften beutfdien Anfieblern glam 
ben noch heute oielc ®eutfdi=Amenfaner an ben 
lebenbigen GH'tt, unb proteftiren gegen bie Pon fie¬ 
len bet Seftrebncr aufgeftellte ©ehauptung, baß 
ba§ ganse ®eutfdi=Amerifanerthum heute meit 
über bie „einfältigen Anfichten jener alten Bioniere" 


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622 


Srn Sdjweifer l&odjlanb. 


potßetücft fei unb bcm 2 Betn= unb 2 Mer=ßultu§ 
bulbiße. 

JBte bem aber auch fei, — mir freuen un3 bar= 
über, bafe btefe-3 (Sreißittü überbaupt feierlich be= 
ßaitßen mürbe, ittib führen beit ßeneißteit Cefer auf 
einen SHiißenblid in jene alte 3 ett aurüd. 

Situ 6 . Oftober 1683 sieben 13 Familien, bie 
foebeit in fUbilabelpbia lanbeten, Innatts an ben 
gliife SBifjabiceon. 3)a$ ihnen jitßenneicite fianb 
ift eine 2öilbni§, in melcber Oie braunen ffinber beo 
2Balt>e3 beut meifeeit trüber ein freuitblicb 28i(l- 
fomin bieten. 5J5aftorin3 mar oorangeeilt unb batte 
2 llleä sum (Smpfattß vorbereitet. 

8113 fie fiel) nun im SBalbe ein tuentß gesammelt, 
ba mürbe ßleid) beit erfteit Saß ©otteobienft ßeba(= 
ten, unb nadjbem bie erfteit SHixfüütten errichtet 


maten, marb auch ein einfaches ©otteSbauS au$ 
©auinftdminen ße$immert. ®ie erfteit in ©er* 
mantomn ßebruateit 99üd)cr maren reiißiöfe. Oie 
ßaitse ßoloitie tvuß baS ©eprdße einer cb r i ft l i cb e n 
Slitfiebluiiß, unb meitit fBaftoriuS auch ben äJeini: 
„SBein, Seilt, äßeberfchveiii" in baS SBappeit ©er* 
uiaittomn’S aufnabitt, barf ber erfte Stbcil biefeS 
Sprüchleins nicht etma babiit auSßeleßtmcrben, alS 
ob teite Pioniere 3 ed)er ßemefen unb bem ffietit* 
fitltuS ßebuibißt batten, mie viel mobevite Oeutfcb^ 
^Imerifaner. Seite Srftlinac am SBiffabiccon maven 
Oudfer, aWenitoniten u. f. m., nüdjterue, arbeit- 
fante Seute, beiten linum viel mehr bebeutete alS 
vinum uitb bie eS iebenfallS nicht als Seruf ber 
Oeutfdieit attfaben, ben @eitii§ ßeiftlßcr ©etrdnfe 
Sinn ©Aiboletb in ben 93er. Staaten su erbeben. 


— g rQn 


$tn Sdjroeijer iodflnnit kr Berner JWpen. 


ewtw. 


einer 5llpen ! Sie ftnb bie Seljnfuiht 
jebeS BaturfreunbeS. 2öer im 
Sommer burdj Deutfdjlanb unb bie 
Sc^roeij jiept, bem begegnet bieS 
SBort öfters als irgenb ein anbereS 
im Blunbe bcS IReifenbert, unb taufenbe eilen 
bortbin. 

©ie 6 t e§ and) im Berner Dherlanb nirgenbS 
einen puiitt, an meinem man fid) fo in bnS 
6 erj ber Hod)gebirgSme(t Derfcßt fiebt, wie bei 
3ermatt in ber Blaut 9tofa ©rtippe, fo bieten bie 
Berner Blpen bod) foldje medjfelfeitige Blannig« 
fattigteit ber Dljäler unb Seen, Schönheit unb 
2lbel ber Bergformen, roie man fie nirgenbS an» 
bers in ben Üllpen unb nicht febr oft auf ©rben 
finbet. 

®aju finb fie and) leichter 31 t erreichen als baS 
|)erj ber ^llpenfette bei 3 ermatt unb bi (ben aus 
biefen ©rünben im Sommer ben 3>flt>unft tau» 
fenber Beifenber aus aller Herren Sauber. 

Blertmürbig ift bie Dfjotfache, baß Diele foldjer 
Schwerer, welche bie fonftige Sßelt geieben 
haben, biefe Perle ihres eigenen SanbeS noch nie 
Don ber Bähe geflaut. Sie maren in Blündjen, 
Straßburg, Berlin, mohl aud) in Sßien unb fo» 
gar in Baris — aber baS Berner Dberlanb! 
taS ift ja fo etmaS gewöhnliches. Sie gehen 
auf ben Ütigi unb minien ben Bergriefen Don 
ferne ju, unb — babei bleibt es wohl 3 ab re lang. 
Solches geftanben uns aufrichtige Schweizer» 
Icnte felbft unb mir buchten babei an baS Söort 
Dom '-Propheten, ber nichts gilt im Baterlanbe. 

Unb Propheten lönnen alle unb auch biefe 
mächtigen ©otteSfcpöpfungen an uns werben, 
wenn wir nur nicht hei ihnen ftehen bleiben, 



„$u paft beitte ©Äulen bir aufgebaut 
Unb betne Tempel aegrttubet, 

SBobtu mein aläubtgtf 9luge fdpiut, 

^ert- unb Haler c3 finbet." 

fonbern an ihrer Haub weiter gehen 311 m Sdjö» 
pfer, ber ba ift „Unfer Bater in bem Himmel". 

SBer aber baS Treiben ber Ober(anbS=SReifen» 
ben im Berner Bahnhof ein wenig beiaufcht, 
wirb im ©011301 wenig Don biefem 3uge nach 
bein ^öchften wahrnehmen. Die größte Sehn« 
fmht, 100311 es eine Jliisahl bringt, fleht und, 
einem hol)«n fRaturgenufe; bie meiften aber finb 
gelommen, um in ©enufifuebt fröhliche, fleifch« 
liehe Dage 3 U oerleben, welches ©runbihema in 
allen 3 lin 9 fn ^ er gebilbeten Bölfer aus biefem 
Btenfqentnäuel herausllingt. 

Da wir biefe Douriften fchon läiwfi lennen 
unb es uns Derlangt, in Btitten bcS S<hwei3er« 
üolfeS 311 reifen, unb auch noch anbere nahe» 
liegenbe ©riinbe Dorliegett, fo wählen mir ben 
©ifenbahnwagen britter fflaffe. 

©in Scheibegn© an Bern, wo unfer ffreunb 
Peter weilt, untwbaS mir finiter nochmals be* 
rühren, unb wir bampfen bem Hochgebirge 311 , 
ber Stabt Dfjun entgegen. 

©S finb fernige, fräftige ©eftalten, bie uns um« 
geben. Blanche tragen bie malerifthe Dradjt jener 
Hochthäler, anbere hoben fid) au^ fchou Don ber 
jhiltur beleden laffen, unb fteden, unb 3 mar 
nicht 311 ihrem Bortheil, in ftabtifchen Kleibern. 
Der ächte Berner OberUiitbcr Bauer aber uitb 
feine Bäuerin, bie wollen 0011 bem Parifer f^irle» 
fan 3 nichts mifien. — finb fie boeb freie Sdhwei» 
3 er unb Weber Äaifer noch SReich, noch ber Blobe 
linterthan. Sie prangen im Bationalfoflüm 
unb würben, wenn fie’S and) fönnten, ui'htian» 
bereS reben als Berner=bütfch. 

Daran muß fich nun auch ein fübbeutfdjeS- 
Chr erft gewöhnen, beim biefer berühmte Dia» 


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w m iu** 


3m $d)uiei;tr $od)lan&, 


623 



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624 


3m Sdjroeqet Hodjlanb. 



£$un im ©crn«r D&erlöttb. 


left lautet als ob er au» eitel Aebdauten be= 
ftänbe. 3ft nian aber einmal ein wenig im 
©eleife, fo fornmt man aud) mit nnb finbei ein 
fernig, ^erjig Soll, baS gewiß eine große 3 »* 
tunff oor fid) bot- wenn — es ooin Sramttroein 
gerettet unb für wabreSßbriftentbum gewonnen 
werben tann. 

SJBer baS ©djroeijerbol! na<b ben aufgeftußten, 
um einen bolben Saßen an ben Ärenjroegen 
jobelnben «Sängerinnen, nach unwirfdjen ober 
gar groben Sahn beamten, ober nach ben „Saug» 
tmmßen" in ben fogenannten großen ©aftbäuferit 
beurteilt, ber erhält ein fd)iefe§ Urtbeil. 5 Dtan 
muß unter’S mirtlicbe Soli felbft geben, in bie 
ffamilien ber beffern filaße eintreten unb bei 
berffrau Söirtbin im UleitwÖaftbauS einfebren, 
um 311 entbeden, baß noch oiel alte Sieberfeit im 


S^meüerbolf jtedt, bafe bie $ur<hf<hnittsbilbung 
eine feßr gute, unb man in ber Verberge recht 
mobl aufgehoben ift, ohne 31t $obe gefcbrößft 311 
werben. 

freilich hoben Unglaube unb Sünbe in ber 
Sdjweifl. wo fid) bem übrigen ffeftlanb ©uropaS 
gegenüber alles, fo auch baS Söfe, freier ent» 
faltet, aud> bebeutenbe Serbeerungen angericbtet. 
9 ln |)er3Web unb Stenfdjenelenb fehlt eSbeßbalb 
ni(bt. ©in reich mit ibtänen beneßteS Statt 
an§ biefem ffiapitel wirb uns auf ber furzen 
Strede Don Sern bis 2 Bid)trad) Don einer 3 ün* 
gerin beS £>errn, welche 3U ben gremblingen 
Sertrauen faßt, aufgefcblagen. Sie bittet um 
einen in Ulmerifa 3U leiftenben ®ienft ber Sarm» 
ber3igfeit. Was natürlich auch gerne gewährt 
Wirb. 311 S ich ober fpäter irgenbwg in Ohio in 



SDie »erntr 2Upeu. 


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3m Sd)tnei|er fjodjlanb. 


625 



Ausübung biefeä $)ienfteä bie ©eftalten unb 
Slradjleit ber SBetreffenbeit, bamalö im Gifen» 
babnroagcn fid) ©efinblidjeit flaute, b« bact>te 
id) — „ad), Imevita, maö bift bu bod) für ein 
nüchternes, prattifrf)eS, litoellirenbeä 2 anb!" — 
3 ebo<b mag e» auch für fie, roie fo bielen anbent 
jur (Sctjnle werben, wo fie 2 )en fiitben, ber nod) 
»iet taufenbmal herrlicher ift, als bie ©ergriefeit 
mtb f)od)tf)äler be§ ©erner Oberlanbeö. $)er 
4 >err fchenfe e§. 

2 >er 3 «fl nähert fid) bem £>o<bgebirge. $eut. 
lieber treten hinter ben ©orbergen bie mit Schnee 
bebedten Sergfetten beruor; unter ihnen unb 
Jungfrau, Giger unb fDiönch bie hbdhften. xiiit 
etroa§ ^Bhnntafie fann man {ich aus bem leßtge« 
nannten «liefen recht wohl 
eine ©JöncbSgeftalt ju« 
recht legen. Ullfo bat 
and) bie begabte 2 )idjterin 
©Jetn Käufer getban, in* 
bem fie fingt: 

„Sie haben fie oertrieben, 
bie HTöndje bort im üt{al; 

Doch einer fleht ba brüben 
(8a r feft imSonneitftrahl. 

Den taffen fie toohl flehen 
im meinen Schneege* 
tpanb, 

Ittit priefterlidjem (fletjev 
bas ffaupt 3U (Sott ge* 
roanbt. 

groar hüllt in tDoItenftöre 
er oft fein tpeifjes ffaupt, 

Dag er nicht fei}’ unb höre, 

»as feinen $ufj uin< 
fdjitaubt. 

€r fleht ja abgefebieben, 
ein tJtönch, bem fjerrn 
gemeiht, 

3« ewig fliflem ^rieben, 
erreicht non feinem 
Streit." 


2)ie Sonne ift im ©efieit unter ben ftorijoitt 
binabgefunfen. 2 )ie tieferen $böter fdjimmern 
in bunflem ©eroaube, aber bie höheren ©erg. 
gipfel, au<b bie, met<be noch nicht mit Schnee be. 
beeft fiitb, leuchten in feurigem SRotl). 2 öie nun 
bie Sonne immer tiefer unter ben ^orijoitt bin* 
ab fittft, sieht fid) baS ©tüben ber ©erge Don 
©ipfel ju ©ipfel bis auf bie bö<bfte Spifce be$ 
©ebirgS jutüd. 

3ej)t finb bie ©orberge, welche bie Sdbneejone 
nid)t erreichen, pötlig befchattet, unb bie Sdjitee. 
fette fcbiminert in befto fiärferem, röt()lid)em unb 
gelblichem ©lanje, au<b ber himntel barüber 
rötbet ftch prächtiger. 

3 ebn, jmanjig ©linuten ftaunen mir baä 


auf ba* airn. 


S)er ©Jittag ift beinahe babin; ber Abenb 
bricht heran; abun am Senner See nicht mehr 
ferne. „S‘ ifd) fei ©ölfli am Fimmel," fagte 
neben un§ ein ftämntiger Dberlänber, ,,b’ 3fmig- 
fräu roirb fuerig ffi." 

Gr meinte bamit, baß mir baS Alpenglühen 
fchauen mürben. Unb alfo mar e§ auch- 
©enn bie Sonne auf. ober untergeht, ge. 
fangen 2 icbtftrablen, mäbrenb fie noch nicht über, 
ober fchort unter bem £orijonte fteht, burd) bie 
Spiegelung ber obern 2uftfdjid)ten in tmfer 
Auge. ®a# ift bie Urfadje ber Dämmerung 
unb ber fffärbung be§ £>orijonte3 am ©Jorgen 
unb Abenb bei hellem ©etter. 

3 it ähnlicher ©eife entftefjt ba§ mnnberbare 
Alpenglühen. G§ ift bie auf bie ©erge gegoffene 
Abenbrötbe. 


! pratbtooße Sdjaufpiel an, unb nun finb auch bie 
i unteren ©artien ber Schneefette in Schatten ge. 
i hüllt unb nur bie bödjften ©ipfel febeineu mie 
i ungeheure glühenbe Sohlen, in feuerrothein 
] ©lanje über bem bunfelen ©efilbe ju febmeben. 
i ©Jan meint prächtige, Don ber Grbe loögelöfte 
; fjeuerförper 311 feben, welche über bie Schatten 
J ber Grbe triumpbiren. 

| „Steh h«n ! Dom v f Iammenfraii} umfctjlungeit 
Das Raupt ber 21lpe, glutbumrollt, 
j 2l(s ob 311 fpareu ihr gelungen 
€in CEbeil pon ihrem (Ltgcsgolb !" 

Seboch — auch biefer Jvlamtnentronj finft enb. 
lieb unter im $uniel be» AbertbS. 3dj aber 
habe auf. Grben noch fein pädjtiger fjarbenfpiel 
gefebaut; ich beufe an ben ©lauj ber Groigteit, 


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626 


3m Srßweijtr $jodjlanb. 




2>r «Rofenlaut ©letföer. 

in welchem bie 93evflärtcn thronen, unb an baS, 
wa§ Snngenbeder fintt: 

„lt>ie wirb mir fein, roenn bcines fjauptes Strahlen 
Hletn Ejaupt umleucßten, bas bem cSrab ciitfdjmanb, 
Unb wenn im tjimmelsglaus fidj por mir malen 
Die ^renben, bie fein fterMidj Rerj empfaitb I 
IDie roirb mir fein 1 CD, tcclcbc Seligfeit 
£mpftnb’ icf), benf’ idi jener ^renbenjeit 1" 

3<ß trete Don ber Plattform, Don wo ich baS 
unDergleicßliche Sicßtfpiel geflaut, in ben 2Bagen 
Surüd unb mein 2luge trifft ba jit* 
näcßft ein Wütterlein aus bem Serner 
Oberlanb, ba§ offenbar nid^t »t ben 
9lermften gehört unb in fieß Derfunfen 
Don all ber 4>errlicßfeit bort oben am 
©ebivge nichts miffen will. 

„3ßt habt aber Doch ein wnnber» 
fcßöneS 2anb," fage ich sum Wütter« 
ieiit. 

„3a," antwortet fie, inbent fie bie 
harten $änbe faltet unb muß mit ei» 
nem Dielfageitben ©lief anfieht, „amer, 
bie Fercha chiimmer nitt effa!" 

$aS alfo ift eS, an was baS ge« 
plagte Wenfdjjentiub auch in Witten 
biefeS großartigen Stüde Schöpfung 
bentt — an Das liebe ©rot, an ben 
stampf uni'!' Unfein. Tics einjige 
2Bort ber ©eruer fvrau gab mir mehr 
Sn beuten als Dielleidjt ein ganser 
©aub über fd)wei,serifd)e 9tatioualöfo= 
nomie Dermodjt hätte. 2Mrbe mir 
nicht fefjori Dorher bie richtige Urfacße 


ber ftarten fcßweiserifcßeii ©uSwanöerung 
tunb geworben fein, jefet wäre fie offen« 
barlicb bot 9lugeit gelegen. 2tuch bie 
Scßweij ift ttberDölfert, unb auch bie Me« 
publif tann nicht genug ©rot feßaffen. 

„Station 2hun," ruft ber ©onbufteur, 
„wer nach Snterlafen fährt, fleigt erjt in 
Sdjetslingen aus." 

3u biefett gehören wir unb finben uns 
halb mit ber übrigen ©ifetibabngefell« 
fißaft auf einem tleinen, aber bübfdjen 
Kämpfer, ber uns auf bem 2ßuner See 
nach 3nterlaten bringt. 

@S ift Döllig 9tacßt geworben; swar 
ift es feine SJtonb« aber eine helle Ster* 
nennacht, ©rau unb feßwars fdßaut uns 
bie gelSmaffe beS ©ebirgeS an, gefpen« 
fterbaft lugen bie weißen Schneeflächen 
ber SRiefen auf uns herab, ©s ift eine 
Scene, bie feierlich ftimmt unb baS ®e« 
feßnatter ber ©efeßwafeigen Derftummen 
macht. Selbft bie tfransofen fdjeinen 
bie galanten ÜtebenSarten Dergeffen su 
haben. Sebermann feßweigt, ober flüfler: 
unb — feßaut an. 

So erreichen wir ^nterlafen, bie berühmte 
Sommerfrifdße s w i f cß e n ben Seen, bem $ßn. 
net unb Srienjer nämlicß. 9lucß hier üben bie 
großen ©afthöfe, Weber SRitfdßarb noch ©ranb 
©ictoria, wo man um fcßwereS ©elb in ben „fie» 
benten Luftballon" einquartirt wirb, auf uns 
irgenb welche ©nsießungstraft aus. 2öir sieben 
in eines jener Meinen, reinlichen, guten ©afthäu» 
fer, welche man im ©äbefer immer unten finbet 
(foflten eigentlich oben fteßen), unb befinben uns 
feßr woßl babei. 


J'aS ©rimfel 


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Um Sd|toet;er $jodjlanb. 


627 


3a, bie ?$rau Sßirtfjin bereitete in ber 2tuS* 
maß! beS 3> m tuer§ fogar nocß eine angenehme 
Ueberrafcßung. 

borgend jroifchen jroei unb brei Ubr toaChe 
ich auf unb geroahre, baß burd) baS fünfter un= 
ter beni etroaS anfgejogenen Sorljang ein ganj 
eigenthümliCheS SBcife flimmert. Der Sorßang 
roirb aufgejogen unb fiebe — ba fdjaut ba§ Sil* 
berhorn ber 3ungfrau — ber beriihmtefte Serg* 
riefe ber Serner vllpeit — Dom ©lanj beS StonbS 
beleuchtet, ber feitbem aufgegangen, ins fünfter. 


ihrem eigenartigen, nur in ben SIpen fi<b fin* 
benben Stroma, hinauf motten mir ein menig, 
unb herunter möchten mir f(bauen Don biefen 
herrlichen Sergen auf bie ©letfcßer unb Statten, 
in bie Schluchten unb $bäter. 

9lber m o h i n benn ? Der Stege, bie juttt 
Schönen führen, giebt eS ja fo Diele; unb roie 
machen roir’S ? 

lieber baS leßtere, baS roie, ertheilt ein alter 
Seifefprud) beS Sßitanber Don Sittenmatb Satt), 
meldher fagt: 



«Jungfrau, tjohe, reine, fürftlirbe ©eftalt, 

Die int Ilionbenfdieine milbes tidjt umwallt! 
£fodj com hehren (Throne ftrahlt bein Ungeficfct, 
Das bie ßimmclstrone bräutlich fd?ön umflicht.' 

So reijenb unb er* 
haben mar ber Snblid, 
baß bie ©efätfrten brü* 
ben im anbern Sitmner 
gemecft mürben. Da 
ftanben mir benn unb 
rooüten nimmer fatt 
merbeu Dom Sehen unb 
Serounbern. 2lm lieb* 
ften hätten mir einen 
Keinen Slorgenfpajier* 
gang jum jungfräu* 
liehen Serg gemacht. 

Da berfetbe jebodj troß 
feiner feßeinbaren Sähe 
immer noch fo 15 Stei* 
len entfernt ift, unb 
beffen Spißen 12= bis 
13,000 (Jufj hoch oben 
liegen, fo bleiben mir 
hübfeh unten unb be* 
trachten uns ben Son* 
nenaufgang. 

Die Storgenröthe 
bämmert. 3nbenDßä* 
lern liegt noch bas Dunfel ber Sacht, finfter 
ftarren bie ^ichtenroalbuugen an ben fteilen Hai* 
ben, unb nur im Dämmerlichte beben fich bie 
Staffen meiter unten fteljenber pfeifen ab, mäh» 
tenb ber erfte Souuenftraht bereits ben ©ipfet 
beS SilberhorneS gefügt unb mit rotljer ©luth 
iibergoffen hat. ©otbumfäumte SJolfeit Der* 
mäßlen Fimmel unb (Srbe unb nach unb nach 
gläntf bie ganje Sette beS Hochgebirges in bem 
Sicht beS $ügeS. 

3nterla!eu ift ein Sommeranfenthatt. mo 
Diele Sotnmevfrifchler ruhen unb fich Dergitügen, 
unb jugleich ein Stanbguartier für foiche, bie 
gerne Douren im Hocßgebirg machen. Staub* 
quartier föniten mir jroar nicht machen, benn 
mir reifen amerilanifch, baS heißt fchnelt; aber 

bie Ho<bg«birgSluft m üf| C n mir atljmen mit 


„IDer reifen will, 

Der fd;weig fein füll, 
eßeh’ fteten (Tritt, 

Heßm’ nidjt oiel mit, 

(Eret’ an am 


Unb 


frühen 
ITlorgen, 
laffe ßeim bie 
Sorgen." 


SSßenn irgenb, fogitt 
bei einer Seife im Hoch* 
gebirg baS „nimm nicht 
Diet mit". Die reichen 
öeute mit ihren .ftof* 
fern, Schachteln, Süch» 
fen, Siinbeln unb Sa* 
bieS ftnb in bem Hoch= 
gebirg boch nach allem 
recht arme Dröpflein, 
bie fich felbft. Sieh, 
Stenf^en unb Singen 
plagen unb Don roegen 
ihren Siebenfachen gar 
niCht jum eigentlichen 
©enuß, noch Diel roeni* 
ger aber jur Erholung 
unb Äörperftärfung 
fommen. 

Der ®ic&bac$. Slfo — ©epäcf 

unb hoCheigener ©epäCf* 

träger — fo gehen mir. 

Unb roohin ? Sun bahin, mo nicht jeber 
SttlermeltSreifenbe hiugeht unb roomöglicß ben 
gleichen 2Beg nicht jum jroeiten Slat. 

Diefem Säßlein gemäß mirb Dor altem bie 
Softftraße Don 3nterlafen nach ©rinbelmatb ge* 
mieben, unb mir erreichen biefeS große Dorf unb 
Hocßtbal ber Serner Slpen auf bem tjerrlicKett 
öaumpfab über bie Sleitger Slp. Diefer Sieg 
führt juerft nach bem berühmten Sauterbrunnen 
mit bem Stnubbad), beffen Silb mir fcßoin früher 
brachten, ber aber in „unferm" heißen Sommer 
beinahe eingetroefnet mar unb nur roie einbiinn’ 
ffäbeleiit feine 1,500 bis 1,600 grüß ßerabjog. 
3m obern Sauterbrunner Dßal fteigen 1,500 
bis 2,500 fjuß hohe ÄatffelSmänbe’ fteil jum 
Himmel unb überall fiürjeu SBafferfäQe herab 


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628 


3m $dpoei}tr godjlonb. 


unb quellen frifd^e Srunnett, baber bet 9iame 
„Sauterbvunnen". 

Sott biefem $orfe gebts ben fed^Sftünbigett S3eg 
Aber bie Menget 2l(j) na<b ©rinbeimalb. Seim 
4?otet Jungfrau erfd)eint biefer Sergriefe, bie 
Jungfrau, mit feinen unermejjlidjen Schnee. 


toa(b=3:baI, fonbetn auf ben größten $bei( ber 
Serner 2Ilpen bat, unb ben festen $0eit aller 
SfpengtetfÄer, ba§ Reifet bie größte jufammen« 
bangetiöe ©tetfd^ermaffe ber SUgen, überfielt. 

3fn fteilem 'ilbftieg toirb ©riitbelroalb erteilt. 
Son ^ter und) 9taft unb (Rub in einer Verberge 



felbern in feiner ganzen Klarheit unb £>errlicb; > 
teit unb täufdjt ba§ 'Jlugenntaß berinajjett, baß I 
inan auf ©cbußtoeite nabe ju fein frf;cint. 

Son gier fütjrt ber Sfab auf bie tleine ©d>eib= 
cd, oon roeldjem fdjarf abfafleitben ©rat mau 
nid)t nur einen iiberrn[d)enben Süd in§ ©rinbel» 


ber „{(einen Seute" tttieber binauf auf bie norb. 
öft(id) gelegene grofje ©djeibecf, auf toeldjetn 
3öege nian bie prädjtige Serggcftalt be§ SBetter» 
bottteä faft immer ttor fidf) b<it. Son hier auf 
ba$ gaulborn, ben Serg jtoifdjen bem Srienjer 
©ee mit bem „faulen" ©eftcin (baber ber (Käme) 







(fin Sag aus Pc. Partin lutljer’s feben. 


629 


unb ber wunberfjerrlicben SluSficht auf bie Set» 
ner Sllpen, beten Stielen man fjier in unmittel» 
barer Stäbe fehaut. Oa griifeeit fie uns ade bie 
„^örner", 3 Beüfjorn, 2 SetterI)orn, ©djroarjborn 
unb not allem baS ginfteraborn, ber ^öd)fte 
Serg ber Serner Sllpen mit gungfrau, ©iger 
unb SJiönch, im ©anjen etwa 30 fdjneebebecfte 
Serggipfet, Wäbrenb im Storben unb Storboften 
bie Srienjer, Uffciner, Söierroatbftätter unb 
3 itfler ©een wie blaue Singen 311 uns b^auf» 
gucten unb non weiter gerne Rigi unb $ilatuS 
uns beti ©rufe juwinfen. 

drunten im fReitfeenbacfetfeal (baS Sarabies 
ber SRaler unb itünftler) wirb oon biefer Serg» 
tour etwas geraftet, unb wir fönnten üoin ©oft» 
bauS biiwuffteiflen jum Rofenloui»©tetf<her, ber 
berühmt ift wegen feines Haren, frtjftaflbenen 
©ifeS. Slber wir bringen oorwärtS, bem Star» 
tbale ju, itad) SJteiriitgcn, bem feit bem Sranbe 
bon 1879 fo bübfcb gufgebauten ©tbweijer» 
Oorf. 

{>ier reifen wieber gar biete berr(icfee Serg» 
pfabe ben Siaturfreunb, fo 3. S. ber jum Rfjone» 
gletfeher über bie ©rimfel mit bem ©rimfei» 
boSpij, welchen 2 Beg wir früher einmal wanber» 
ten, unb biete anbere. 9 Bir muffen jebocfe 311* 
riicf 311m Sierwalbftätter ©ee unb bon bort nach 
3 üri<b. 

2 Bir menbeit uns beSbatb 3unäd)ft nach Srienj, 
am ©ee gleitben Siamens, befugen bon ba in 


©ile ben ©iefebad) mit ber jefet gebauten ©cfeief» 
ebene=Sabit, bie nicht burch Oampf, fonbern 
mittelft beS ©emidjtS ber Silagen betrieben wirb, 
inbem ber berabfabrenbe immer burch SBaffer, 
baS man in einen Sebälter oben ein» unb unten 
Wieber auSfliefeen täfet, befdfewert wirb. 

Oer Srünig 5 ßop, ber bon Sriem nach 2 u« 
jern führt, gehört ju ben gangbarften in ber 
©djweij unb ift ein guter breiter gaijrweg, auf 
Welchem biel Sllpenberrlichteit ju fefeen ift. 

Oiefe Stlpenwanberungen haben mir au Ceib, 
©eel’ unb ©eift fehr wohl gethan. gtbeSinal 
bin ich boit ben Sergen frifefe unb wohlgemut!) 
heruntergeftiegen unb habe bor „unferen front» 
men Schwbjerlüt" in 3 ürid), Sern, Safet unb 
attbern Orten geprebigt, Sorträge über bie 
©onntag = ©chulfache gehalten, ju ben lieben 
©d)wt)äerfinbern gerebet, ohne jtt ermübett. 3u 
beit 3wifchenpaufett bin i<h bann wieber hinauf» 
eftiegen jur Stirn unb t)ab mich an ©otteS gro» 
er ©d)öpfung erfreut unb erbaut, unb bin 
bantbar gewefen unb heute noch banfbar, bafe 
id) nach langjähriger, unauSgefefeter Strbeit 
einige turje Sage tn ber ©chweijertuft ©rljolung 
fchöpfen tonnte. 

^rifebett ITtutt) 311 Kampf unb £eib 
£)at>’ id? tbatoärts t>on ber f>öh’ getragen; 
KIpen, Klpen 1 uitoergefjlidj feib 
ItTeinem Bereit 'l? r in allen Sagen. 


€in ®a0 aii0 Pr» Marti» futljfr'ö febril. 


Bearbeitet tum SB. 6. 


gjf|]as gahr 1837 war eine 3 e >t harter 
003 fchwerer ffäntpfe unb ift mit ehernem 
vfÄs) ©riffel in bie Unfein ber beutfehen Re» 
jormationS» ©efebiefete eingegraben. ©S War 
am 25 . Januar biefeS gafjreS, bafe fiefe 2 uther 
mit greunben uttb Äoüegeit auf ben SBeg maAte 
nach ©chmattatben, um allerlei Oinge 311 oe» 
rnthen unb 3ug(ei<h baS ©inigungSwerf mit ben 
oberbeutfcheit Üfeeotogen in Betreff ber Stbenb» 
mahlsfrage 3U einem Slbfcfelufe 3U bringen. $a= 
fetbft befiel ihn aber eine fo heftige Ärantheit, 
bafe et bie ©tabt eilenbs wieber berlaffen mufete. 
Sltit ber ficfeerit ©rwartung, bie ©einen nicht 
mehr 3U feheit unb als Seiche in Sßittenberg ein« 
3ti3iehen, reifte er non bannen. Unterwegs hatte 
er arge ©dpne^eti, aber bereits in Uambacfe 
bejferte es fid). Ood) war bie ©efahr noch nicht 
oorüber; in ©otha tag Sutfeer noch einmal auf 
ben Uob tränt barnieber, unb hatte ftd) fchan 3U 
feinem Slbfcfeiebe gefchieft. Stuch bieSmat ging 
ber Stnfalt glüefliefe oorüber; aber erft am 14 . 


Stär3 langte er ift SBittenberg an, noch faft un» 
fähig 3U gehen, jeboch in ber ©enefnng begriffen. 
SWgemein in überrafchenbjter Söeife 3eigte fich 
bie Ufeeilnafeme in ber Stühe unb in ber gerne. 
SltleS wetteiferte in Se3eugung feiner greube, fo 
bafe grau Stätbe ffiiche unb fetter Oolt triegte 
unb befehalb mit ben eben bamats im {taufe 
meilenben Uifchgenoffeit, ben Sefehlufe fafete, ein 
feierlidjeS ©enefungSfeft 31t oeranftatten itnb ba» 
u alle greunbe unb Sermanbte, bie 3U erreichen 
eien, einsulabeit. 

Stach langen Serathungen warb man einig, 
es fülle mit ber geier ber Oottor auf ben Uag 
Uobiä überrafcht werben, welches als feines Ser» 
mähtungStageS er ohnehin im häuslichen Greife 
gern 3U gebenten pflegte. Oie beiben SJtonate 
bis 311m erwähnten Uag flogen in gewohnter, 
gerabe bamals fehr reger ©efchäftigfeit hin, ber 
geftniorgen brach an; wir Wollen im ©eift ben 
grofeen Reformator burch biefen häuslichen 
©hren» unb geiertag begleiten. 


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630 


Hin (Sag au« 9t. 9tartin futyer’« feiten. 


Um fünf Ufjr beS dRorgenS foflte ihm bet 
etfte ffcftgrufe gebraut werben; aber fdjon um 
hier Upr mar er wad) geworben unb faß in fei« 
item ©tubirgimmer uor feinem ©falterbuche, 
au» bem er feinen dRorgenfegen gu beten pflegte. 
2)a erhob fiep auf einmal bicht oot feiner Spür 
Pon fräftigen dRännerftimmen ber ©efang feines 
ln 3*iten beS beißeften Kampfes gebid^teten unb 
Pon ihm felbft componirten SiebeS: „Sin’ fefte 
©urg ift unfer ©ott." 

Sutper’s £>auS War eine offene Verberge. 3fm 
3ahre 1537 beflanb ber Kreis feiner SLifcpgenof» 
fen auS: 35r.Jjfoacf}. dRörlein, (Dtagifter ©lato, 
ffcrbinanb ä dRaugiS, S)r. ßieronptnuS Seiler, 
®r. Kafpar £eiberi<h aus tfreiberg, dRagifter 
dlnton Sauterbadj auS ©tolpen; außer biefen 
hatten fich eingefunben ©eorg (Rörer, 2)iafonuS 
in Sittenberg, Slgrifola, ber fich eben bamats 
in Sittenberg aufhielt, unb dRacjifter 3oh. 
©chlaginljaufen. ©ie waren gumeift treffliche 
©änger, unb hatten fich gu biefent fyeft ben für« 
fürftiichen ©änaermeifter 3(o^ann Saltper auS 
Sorgau heimlim beftelit, unb unter beffen Sei« 
iung eine üon ihm tunftreich gefegte Soinpofition 
beS Siebes einftubirt, mit ber fie ben ÜDottor nun 
überrafchten. 

Slls bet ©efang beenbigt war, trat Suther 
heraus gu ihnen unb Pernahm nun, bafe man 
ben heutigen £ag als fein ©crmäljlungS» unb 
©enefungsfeft zugleich gu feiern entfdjloffen fei; 
unb fd)on fah er hinter ihnen feine gange £>auS« 
genoffenfdhaft in ffeiertagsfleibern berfammelt. 
Me nmgaben ihn glücfroünfchenb, unb bie Kiit« 
berfdjaar liefe ihm nicht eher (Ruhe, als bis er 
fie ber (Reihe nach auf ben Strm genommen unb 
abgefüfet hatte. Slls er nun barauf in bewegten 
Sorten feinem alten ffreunb Saltber unb ben 
©ängern feinen $ant auScjefprodjen, mahnte 
bie fjausfrau, es fei nun 3«»t gum ffrühflüd in 
bie Sopnftube hinabgugepen. dRagbalena aber 
meinte, gerabe heute müfete ber ©ater erft ben 
Katechismus mit ihnen beten, gumal gerabe heute 
baS ewige Seben an ber (Reihe fei, unb bon bem 
wiffe ber ©ater fo fchön gu ergäben. ®er 
S)ottor mar mit feinem SieblingStöd)ter<hen ein« 
berftanben. 5)abei pflegten bie Kinber ber (Reihe 
nach ein ©tticf beS Katechismus pergufagen, unb 
er erflärte es ihnen bann in feiner Seife. |>eute 
fianb er bei ben Sorten: unb ein ewiges Seben. 

Unter Stnberem fagte babei nadjbenflid) ber 
elfjährige fpanS: „Mer Sßater, idj !ann mir 
bodh gar nicht benfen, wie wir in ber Smigfeit 
Werben bie 3cit gubringen." 

„3a," fagte Suther, „ich fann’S auch nicht ber« 
fteheti. j)enn es wirb feine ©eränberung, feine 
Strbeit, meber Sffen noch Utinfen ober gu fchaffen 
fein. 3<h halte aber, mir werben bort fo biel 
angufdjauen haben, bafe wir nicht wiffen, wie 
uns bie 3eit bergeht." 


®a fagte ber Seprer ber Knaben, dRagifter 
tfrattgiSfuS: „Sein lieber £>anS, ich habe ein¬ 
mal mit ®oftor ©fjilippuS gefprochen, unb ber 
wies mich hin auf Sop.14; ba fleht gefchrieben: 
$err geige uns ben Sßater, fo genüget uns. $)aS 
wirb unfer fefjr liebliches Obfeftioum fein, ba» 
mit werben wir genug gu fchaffen haben." 

„2)aS ift fein gerebet," fagte ber SJoftor, „ba 
bat Philippus gang recht. 5$ habe einft eine 
©efchichte gelefen bon einem frommen dRönch; 
ber ging frühe in ben Salb, um gu beten; unb 
als er bafelbft war, hörte er ein Sßöalein fingen, 
fo wunberlieblich, wie er eS fein Sebtag nicht 
gehört; er fonnte fi<h gar nicht loSreifeen unb 
ging ihm immer nach. Slls er nun bachte, er 
möchte wohl eine ©tunbe gegangen fein, unb es 
möchte 3 c it fein, gur ffrühmette wieber in fein 
Klofter gurücfgufepren, ba machte er fich eilenb 
auf ben Heimweg. Ms er aber aus bem Salbe 
fam, ba fannte er bie ©egenb gar nicht wieber, 
Stiles War gang beränbert; auch fein Klofter war 
gang anberS geworben. Unb als er an bie 
Spüre fam, machte ihm ein gang frember ©fort« 
ner auf, unb in ber Kirche fah er laute frembe 
©efichter, unb auch bie Sprache flang ihm gang 
fremb. Slls er nun fich berwunberte unb weiter 
forfchte, fannte ihn auch Keiner; nur einet ber 
älteften dRöndje erinnerte fich, bafe man in feiner 
Sugenb bon einem ©ruber gefprochen, ber fid} 
im Salbe berirrt habe unb nicht wiebetgefom« 
men fei. SDa fam es heraus, bafe er über hun« 
bert ijapre im Salbe bem ©öglein nachgegangen 
fei, unb es bünfte ihn fanm eine fleine ©tunbe. 
@o wirb’S uns aud) fein; wir werben fo biel gu 
fepen unb gu hören haben, bafe punbert 3apre 
Werben herum fein, wie eine dRinute. — Slbet 
nun, liebe Kinbet, taffet uns bas ©aterunfer 
fptechen unb unfer dRorgenfüpplein effen, benn 
eS ift halb 3eit, bafe ich in mein Kollegium 
gehe." 

©o fdplofe Suther feine dRorgenanbacpt, unb 
barauf lub er alle bie ©änger gu bem dRorgen» 
imbife ein, ben Käthe borforglich bereitet hatte. 
Slls fie biefen unter heitern ©efprädjen bergehrt, 
rüftete fich ber 2)oftor unb ging mit feinem ffa* 
muluS in baS grofee Slubitorium, wo er feinen 
3uhörern fdjon feit mehreren fahren baS ßrfte 
©u<h dRofiS erflärte. 

(Rach ©eenbigung feiner ©otlefung pflegte 
Suther, wenn nicht anbere feelforgerifdje ober 
afabemifche (Pflichten ihn aus bem |>aufe tiefen, 
in feinem ©tubirgimmex bis gum dRittag gu 
arbeiten. Ser aber meint, ber $oftor habe bei 
feiner Slrbeit bleiben fönnen, ber weife freilich 
nicht, was SlQeS in biefen dRorgenflunben in 
feinem .fraufe gufammenfirömte, um fich 9fathS 
bei ihm gu erholen. Kaum hatte er fich an fei¬ 
nen £if<h flefefet unb bie fffeber ergriffen, fo trat 
ein armer ©tubent ein, ber um ein Sllmofen gur 


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(Sin Sog aus 9t. Partin ^utljet's feben. 


631 


ffrortfeßuitg feiner ©tubien bat. Jtaum tte 
er biefen mit einigen ©olbgülben befriebigt, als 
es auf’S Steue Hopfte. Sluf fein : ©ereiic! öff» 
nete fein ©ifhgenoffe Johannes ©hueibemein 
ganj jagbaft bie Spür nur halb unb fragte, ob 
er mofjl auf eine turje 3*it ben §errn ©oftor 
ftören biirfe; er habe eine fernere ©hulb auf 
bem ©emiffen, unb jte nagt mir faft bas £>era 
ab; ich feße nicht ein, toie t<h aus ber Verlegen» 
heit mir Reifen foQe. 

Stun, was ift'S benn ferneres, mein lieber Jo» 
hanneS, entgegnete Suther; benfe bu fteßeft in 
bem Seihtftuhl, unb rebe offen bie ganje Scpulb 
bir oom fjerjen. 

Sich. £>err ©oftor, ich höbe einer Jungfrau 
bie ©he oerfprochen. Stun höbe ich’S meiner 
ÜDtutter gefchrieben, unb fie gebeten, ihre ©in» 
tDilligung ju geben ; aber fie hot mir fetjr hört 
unb nngnäbig geantwortet, fie möge Don ber 
©ache nichts roiffen. ©aS SJtägblein aber hat 
mein 2öort, unb berläßt fich barauf; fie läßt 
mir feine Stuße unb roifl fich bie Slugen ausmei» 
nen.* £elft uns, lieber £)err ©oftor, auf Such 
ftebt unfere leßte Hoffnung. 

©aS ift ein böfer Raubet, fagte ber ©oftor 
fehr ernft; unb ich mag mich in folche Sachen 
eigentlich nicht mifchen, benn es ruht (ein ©otteS* 
fegen auf einem lj«iinli<hen Serlöbniß. ©S tßut 
mir fehr roeh, baß in meinem eigenen #aufe eine 
foldje Uebeltßat gefheßen ift; benn bie fjeinbe 
lauem auf mich, unb toaS unter meinem ©ache 
ift, foDte mir helfen, ben Stuf beS Kaufes rein 
unb unbeflecft ju erhalten, wie e§ fich jiemet, baß 
es in einem tpriftfic^en Stebigerßaufe iugehe. 
©enn ein tßrebiger prebigt nicht allein, fonbern 
fein ganjeS £>acts muß prebigen, fein Sßeib, fein 
©efinbe, feine flinber, feine ©ifhgenoffen. ©aS 
hätteft bu tDoljl bebenfen folleit. 

Sich io, fehltet unb ftraft mich, fpraeß ber 
Jüngling fleßenb, ich hob’S Derbient, abet ber» 
laßt mid) nicht in meiner Stotß! 

©h« *h in bjefer ©ache einen Schritt tfjue, 
fuhr Suther fort, muß ich wißen, mer bie 93er» 
iobte ift. ©S pflegen woßlgeftttete Jungfrauen 
fich nicht alfo einjjulaffen; unb ift es eine un« 
faubere, fo iann ich unmöglich rathen, baß bu 
mit ihr in ben ©heftanb trittfi, unb am aller» 
toenigjten etwas baju thun. 

9ld) nein, lieber #err ©oftor, es ift ein ganj i 
fittiaeS unb anftänbigeS SJtäbhen, euer eigenes 
Seicßtfinb, beS StacfjbarS 2ödster ©ufanne. Jßr 
feitnt fie ja unb habt fie felbft oft gerühmt. 

Sllfo mein eigenes Seidjtfinb ift bie SJtitfün» 
berin. Stun, gut gewählt hoft bu, Johannes, 
©inen ©runb gegen baS Stäbchen wüßte ich nicht, 
unb auch um ihretwillen will ich an beine SJtutter 
fchreiben, baß fie Don ihrem SBiberfprudj abläßt. 
9BiD fte aber Don ihrer ©ntfeheibung nicht ab» 
laffen, fo hoft bu als geßorfamer @oßn bich 


ihrem Söillen ju fügen. Jeßt geh’ unb fcfjicfe 
mir baS SJtäbhen her. — ©er Jüngling er» 
fchöpfte fich > n ©aitffagungen, aber Suther fhob 
ihn aus ber ©ßitr. 

Jeßt war bem ©oftor eine SBeile 9futje ge» 
gönnt unb er hotte fie fleißig auSgenußt, als ein 
fchüchterneS, fauin bernehmbareS Klopfen er« 
tönte. Stuf feinen Stuf erfdjien mit ßohgerötße» 
ten üöangett unb Derweiuten Stugeu beS Stach« 
barS ©ufanne. ©er ©oftor ließ fie juerft jiem« 
lief) ernft unb herb on, unb hielt ihr baS be» 
gangene Unrecht nach ollen ©eiten hin Dor bie 
9lugen, würbe aber buref) ihre bemütbige Steue 
halb berfößnt, unb Derfprach ihr nun, bei ber 
SJtutter beS Johannes für fie ein gutes 9Bort 
einaulegen, wogegen fie ihm baS ©erfprechen 
geben mußte, wenn biefelbe auf ihrer Steigerung 
beharre, ben ©tubenten feines SBorteS au ent» 
binben, unb biefe ©träfe für ihren Seihtfinn in 
©rgebung unb ©ernuth hiuaunehmen. SUS er 
fte fo weih unb gefügig fah, rebete er ihr wieber 
SJtutß au unb entließ fie mit einer bäterlihen 
©rmahnnng. 

Stach bem Seihtfinbe erfdjien eine feierliche 
©eputation ber 9Bittenberger ©tubentcufchaft, 
fdjöne, ftattlifhe ©eftalten in ber tleibfamen 
©rächt ber 3rit, 93arettS mit mallenben Gebern 
auf bem £>aupt, an einem breifarbigen Sanbe» 
lier einen gewaltigen Schläger nach fich f<hl«b* 
penb, ©tulpenftiefeln mit flirrenben ©poren an 
ben ffitßen, einen an ben Slermelit gefdjlißten, 
mit bunter ©eibe reich gefütterten ©ammetroef 
unb eben begleichen baufeßenbe £ofen tragenb. 
©S War auf ben Stacßmittag eine folenue ©epo» 
fition anberaumt in bem großen Stemter eines 
ßlofterS, baS feßt au UuiberfitötSawecfen biente, 
unb ©r. Suther würbe bringenb erfucht, baS 
Jeft burh feine ©egenwart au ehren. 6r fagte 
freunblih a u < unb berfprah auh bie ©epofitionS» 
rebe au holten, weihe ber Sieftor ihm autragen 
ließ. 

@o ging’S weiter. 3unähft fam ein armer 
©yulant aus Ungarn, ber beS ebangelifcßen 
©laubenS halber bertrieben unb feiner ©üter be* 
raubt mar. ©r bat Seither um ein ©arleßen 
aur Steife in feine £>eimatfj. Suther mar in 
großer Serlegenßeit; er felbft hotte fih flänalih 
ausgegeben, unb erji bor wenigen ©agen war er, 
ba eine ößnlihe Sitte ihm borlag, Äätfje über 
ihre ©pinbe gegangen unb hotte baS Sothengelb 
ber Stinber einem armen Scrtriebenen gefhenft. 
Jnbeffen ©ilfe mußte gefhofft werben ; er ging 
an einen Söanbfhranf unb nahm einen filbernen 
Seher, ben ihm ber Jfurfürft einft berehrt, ßft» 
aus ; ben foBte ber SJtann bei einem Juben au 
Selbe mähen, ©a biefer fih entfhieben mei» 

8 erte, Suthern biefeS werthbollen ©efhenfeS au 
erauben, fo brüefte ber ©oftor mit einem rafh«« 
i ©riff ben Seher aufammen unb fagte: fo, nun 


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632 


Sin ®ag aus Br. Partin futhers leben. 


ift eS fein SSed&er mehr, nun ift eS nur elenbcS 
Silber; er niißte mir ja fo nichts, id) batte ibn 
im Scbrante fielen ; was faitn ibm beijereS roi« 
berfabreu, als baß er einem ©briftenntenfcberi in 
feinen Siötben bient. fJtebmt ibn, guter ^reuitb, 
unb t()ut; wie ich euch Reifee, $amit jmang er 
bie ©abe bem Söittenben auf unb brängte ibn 
faft mit ©emalt aus ber Stube. 

$)ann tarn ein Wöncb, ber feiner ebaitgelifcben 
Uebcrjeuguug wegen aus bem .Ulober entwichen 
war, unb fich nun bon feiner .jjänbe Arbeit er» 
nähren wollte; Sutber batte für ibn einen ©rief 
an einen befreunbeten SSucßbruder in Nürnberg 
gefcbrieben, worin er ibn bat, ben Wann in feine 
' 2 BerIftatt aufpnebtnen ; er bänbigte ibm ben» 
felben mit einer fdjon bereit liegenden ©abe jur 
Steife ein. Weiter tarn eine fjfrau, bereu Wann 
wegen 3>agbfreüel im ©efangniß lag ; Sutber 
batte für fie ein Schreiben an ben betreffenben 
©beimann berfaßt, bem Wanne feine Strafe ju 
erlaffen. Raum mar biefe fort, fo trat ein 
SSater mit feinem etwa jmölfjäbrigen Söbnlein 
herein, ein ebrfamer Bürger eines naben Sanb» 
ftäbtdjenS. £>err Softor, bub er an, id) toinme 
in einer febr wichtigen Slngelegenbeit, um mir 
©uren Statb jh erbitten. 3 )ie|er mein Sobn 
bat ju feiner fjantbierung Suft; bagegeit liegt 
er ben ganjen ijag über ben Büchern, icf) glaube 
faft, ber Satan bot es ihm in ben Ropi gefeilt, 
baß er ftubiren will. SBaS fofl ich machen? ©in 
Cwnbmcrt muß ber Sube lernen, benn baS Stu» 
biren toftet oiel ©elb, unb wer weih, ob etwas 
aus bem jungen wirb. Seib fo gut unb feßt 
bem Surften ben Ropf tüchtig jurecht, baß er 
©eborfam lernt. 

Sutber fab fith erft lange ben SSater unb ben 
Sohn an. 3>er erftere fdjien ihm ein Wann ju 
fein, ber Wobl etwas an ben Sobn menben 
fönnte; ber festere batte ein aufgewecfteS, flu« 
ges ©eficht, etwas febr Heftes unb ©ntfcbloffeneS, 
aber auch Scheues unb SSerfcbloffeneS im SBefen. 
2>ann fprach er mit großem ©rnft: 2)ie Sache, 
mein lieber fjfreuub, muß reiflich überlegt wer« 
ben. ©be man ein Rinb jum Stubiren läffet, 
muß es juoor geprüft werben, ob eS auch bie 
rechten ©abeit hot unb ob es ein roobtgeratben 
Rinb ift, baS 3?leiß unb ©ifer jeiget.' So müffen 
mir ©uren Sohn erft bon berfiänbigen Seuten 
gehörig unteriudjen laßen, unb baS fofl gefcheben. 

Sutber fuhr eifrig fort, bem SSater bie ©flieh* 
teil ber ©Item in ber ©rjiebung ihrer Rinber 
eiujuprägen unb beffen ©igenfinn ju beugen, ba 
öffnete ber fJfninuluS bie 2bür unb melbete, baß 
bie gelehrten Herren ^ieronpmuS Sdjurff, ©aS= 
par©ruciger, Weldjior Rling, SSbilippuS Welan« 
dbtbon unb ljuftuS SfoitaS angelangt feien, um 
mit Sutber ein bringenbeS, bom Rurfürften 3fo= 
bann bon Sachfen geforberteS ©utaeßten über 
bie SSefchicfung beS ©oncilS ju beratben. 


SUfo, mein guter ftreunb, wanbte fich Sutber 
an ben ÖürgerSmann, fo biel ift gerebet, wenn 
euer Sobn eS mit bem Stubium im ©rnft meint 
unb bie ©aben baju bat. S5aS fönnen wir aber 
in biefer Stunbe nicht ausmachen, unb fo bitte 
ich euch, feib beute mit eurem Söbnlein mein 
©aft. — &err £>ieronpiuuS SSefoIb erhielt ben 
Sluftrag, bie ©eiben in baS 2'ßobnjinimcr hinab» 
jufübren unb fie eiuftmeilen mit bem Röthigen 
ju berforgen. 

$ie gelehrten $oftoren ober fehlen fich nun 
jufammen unb nahmen baS bon Sutber bereits 
entworfene Schreiben an ben Rurfürften bor; 
es bauerte nicht lange, benn eS banbeite fich nur 
um eine Scßlußberatbung unb um bie Unter« 
febrift. 

Unter biefen SSefcßäftigungen War es Wittag 
geworben; ber 3>oftor lub fie alle jur 2 afel unb 
ging mit ihnen in baS Wohnzimmer hinab. 
$ort batten fich inbeffen bie anberu ©elabenen 
berfammelt. Sba war $r. SSugenßageit, ber 
Waler StifaS ©ranach, SlmbrofiuS '-Bernbarb 
mit feiner grau, ber bon Sutber oft erwähnten 
Wubme Seite, unb bie beiben SSerleger Sutßer’S, 
bie SDrucfer unb SSucbbänbler ©eorg iKbam unb 
Johannes Suft. 

Sie Herren bertheilten fich in ©ruppen 311 ber* 
trautem ©efpräcb, Sutber feßte fuß mit bem 
SürgerSinann in einen Siß ber genfternifebe 
unb rebete über bie Sache, in ber fie unterbrochen 
worben waren, weiter mit ihm. 3)aS Söbnlein 
langweilte fich inbeß in biefer ihm böflig unbe¬ 
fangen ©efellfcßaft, unb behüte fich aus einer 
©efe in bie anbere. grau Rätbe braute jeßt ben 
ftattfießen SöilbfcßweinSbraten, ben bie dürften 
bon Slnbalt gefenbet, auf beu Stifcß, wo er oer« 
lodenb bem Rnabeu in bie Stafe bampfte. SllS 
Rätbe beu Dtüdeu gemenbet unb er fich bon ben 
in eifrigem ©efpräcb begriffenen Herren unbe» 
merft glaubte, mifthte er aus feiner ©de berbor 
unb machte fidj barüber, bie braune £>aut, bie 
ihm in bie Singen flach, bebäeßtig abjujicben unb 
üum Wunbe ju führen. 3ftt biefem Slugenblicf 
bemerlte ihn Sutber. Shin, mein greunb, rief 
er plößlicß ladjenb, inbem er ben ©ater auf ben 
Schiedet aufmerffam machte, febt boch, ba ift 
baS Stätbfel gelöft, rooju euer Söbnlein Suft 
unb ©efebid bat, wenn es mit bem Stubiren 
nicht gebt. Sehet, wie tunftmäfjig er bem 
Schweinebraten bie fjaut abjiebt; wenn alle 
Stride reißen, fönnt ihr ihn jum ©erber in bie 
Sehre geben. 3)er erfdjrodene SSürger fuhr auf 
baS hoffnungsreiche gfrüdjtchen los, um ihm baS 
^anbwerf 311 legen; biefeS aber batte fich, ba eS 
fidb entbedt fab, fchleuntgft »iebet in feine ©de 
gefliicbtet. 3>er SSater war ganj außer fich unb 
wollte, inbem er taufenb ©ntfdjulbigungen ftam» 
melte, fich mit feinem Söbnlein aus bem Staube 
machen; Sutber aber befeßwi^tigte ißn unb hieß 


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(Sin ®ag atu Pr. Partin J’utljer’s febeit. 


633 


ihn bleiben. Oer Surfte werbe Woßl Sauger ^rebiger nah bent ^erjen ©otteS aber gehören 
fpüren, gebe eS ißm bodj felbft nicht beffer, unb neun etücfe: 1) Oafe er fein richtig unb orbent* 
baS fei ein Setzen, bafe es 3 e *t fei, gu SLifcbe gu lieh lehren tonne; 2) fofl er einen feinen Stopf 
gehen, ©eine liebe SauSfrau hob« ihm fefton haben; 3) wohl berebt fein; 4) fofl er eine gute 
mit ben 2lugen gemiutt unb fei begierig, bafe Stimme haben; 5) ein gutes ©ebäcßtnife; 6) fotl 
man ihrer Stohfunft bie gebührenbe Öhre er. er toijfen aufgujhören; 7) foll er feines Wittges 
Weife. gewife unb fleißig fein; 8) foll er ßeib unb ße. 

So ftrömte benn, als ber 9tuf erfcfjotl, bie ben, ©ut unb Öhre baran feßeit; 9) foH er fid) 
gange große Oifhgefeßfhaft gu allen Ohüten boit 3 eher mann laffen bejiren unb geheien. 
herein unb pflangte fich anbähtig hinter bie 211» einer ber ©üfte bie Semerfung machte: 
Stühle, erroartenb, baß ber Hausherr bas Üifh» in ber Stirne höre man immer nur baffclbe, bie 
gebet fpreeße. Siebe 3reunbe, hub ßutljet an, 2Brebiger follten auch Heine SSeränberuitgen ein. 
mir haben heute fo lange auf bas öffen ge. bringen, — fagte ßuther lahenb: OaS gemahnt 
Wartet, baß baS fürgefte iifchgebet baS hefte ift. mich an einen guten ©efetlen, ber mir einft bas. 
ßaffet fehen, wer oermag eS am türgeften im felbe fagte. öS war ein SaccalaureuS, frifch 
©ratiaS gu fprehen? Oa liefe fidh Or. löugen. aus bent Ofen. Oen liefe ich einft prebigen unb 
hagen’S trüftige Stimme bernehmen, er fpraclj ging mit ihm in bie ©atriftei. Setr Ooftor, 
in feinem plattbeutfdjen Sltutterbialefte: „Oit fagte er, e§ ift ein fehler, bafe Wir in ber Stircfee 
unb bat, Orodeit unb natt, ©efegn’ uns ©att," immer beim 2llten unb hergebrachten flehen 
b. h- OieS unb baS, Irocfen unb nafe, ©efegn’ bleiben; bie ßeutlein muffen fehen, bafe wir 
uns ©ott. — öi, Or. Sommer, fprad) ßuther Weiter tommen. SBarum lefen wir ben SEejt 
lächelnb, ihr habt ganger neun 2Borte gebraucht; aus bem 23uh ? Sßare eS nicht beffer. Wir fag. 
WaSgilt’S, ich thu’S mit gwei Oritttheilen; unb ten ihn frei auS bem ©ebächtnife her; würben 
betete: Christus Jesus sit potus et esus ba nicht bie Seute ftd) berwunbern unb fagen: 
(öhtiftuS 3 e fuS fei uns ©peife unb Orant). Sehet, ber tann bie S3ibel auSWenbig! OaS ift 
SermagS etwa einer noch türger, ber fage feinen ein red^ter SDtannl — ÜDiein lieber ©efell, fagte 
Spruch. ich ju thm, baS follt ihr h.übfch taffen bleiben. 

3h tann euch ben Sieg nicht laffen, fprach Oer Äned^t ift nicht über feinen Dieifter. 9iuit 
ba Or. tßhilippus 9Jte(an<hthon; ich bente, ich lefen wir tn ben öbangelien, bafe unfer £>eilanb 
thu’S mit einem Oritttheil eurer fedfj§ SODorte; in ber Spnagoge, als er feine ißrebigt anßub, 
unb faltete bie £>änbe unb betete: Benedictus fich öaS Such reichen liefe, unb las fernen Oejt 
benedicat, b. i. ber ©efegnete fegne es. aus 2fefaia. Oamit ging ich in meinen tßrebigt. 

ülein lieber Philipp, rief ber Oottor, bu ha ft, ftufel unb liefe ihn allein. Siebe ba, als mein 
wie immer, ben $reiS babon getragen. Bürger SaccalaureuS auf bie Stängel fommt, fehe ich, 
unb beffer, benn bu, fdjreibt, fprtcht unb betet bafe er bie ©ibel tn ber ©atriftei gelaffen hatte, 
mir Stemer. Unb nun, liebe ©efellen, laffet Unb er hub nun an, feinen Oejrt frei aus bem 
uns maefet gugreifen, unb fehen unb febmeden, ©ebächtnife gu fagen: 3h hin ein guter Sitte. 
Wie frcunblidj ber $err ift unb Wie gut meine SBeiter aber fant baS ÜDtännlein nicht, hatte ben 
Stäthe gelocht hat. Oejt richtig bergeffen. SBieber hub er an: 3h 

Oie Säfte lachten unb folgten wader ber eben bin ein guter Jurte, unb blieb Wieberum fledert, 
erhaltenen ^Mahnung. SBäßrenb ber fDtahlgeit OaS britte DRal Winfelte er mit tläalicher 
lam baS ©efprädj auch auf bie Stunft beS 2ßre. Stimme: 3h bin ein guter flirte, unb tonnte 
bigenS. ßuther feßte ihnen in feiner beutlichen wieber nicht weiter. Oa überfief mir bie ©afle; 
Sprache bie Siegeln unb ©tunbfäße auSeinanber, ich ftanb in meinem Stuhle auf unb fprach ju 
nach welchen er feine tßrebigten einrichte. — ihm: Ou bift ein gutes Schaf; für beinen gür. 
Gefragt, ob er nicht biefe Siegeln in ein fein, miß bift bu geftraft; fteig nur herab! OaS liefe 
turg Sprüchlein gufammenfaffen tönne, ant= er fidh nicht gweimal fagen, lief flugs herab unb 
wortete ßuther, warum nicht ? ÖS lautet: ©eh’ berbarg fich in ber ©atriftei. 3h aber holte 
flugs hinauf, thu’S Ktaul auf, hör’ mir bie SBibel unb legte ben ßeuten ben Öejt 
ba Ib wieber auf. Ober alfo: 3 U einem aus. 

5ßrebiger, wie ihn bie SBelt ißt haben miß, ge. Unter foldhen ©efprähen war baS ÜBahl bot. 
hören fehS Stüde: 1) Oaß er gelehrt fei; gefeßritten, unb gum Schluffe brachte Stäthe noch 
2) bafe er eine feine 2tuSfprahe habe; 3) bafe et eine ©hüffel mit Rechten, Schmerlen, goreßen, 
berebt fei; 4) bafe er eine fhöne Sßerfon fei, bie Slautbärfhen unb Äarpfen. 
bie 2Jtägblein unb gräulein lieb tönnen haben; 2llS baS SJtahl beenbet war, forberte ßuther 
5) bafe er tein ©elb nehme, fonbern ©elb gu. feinen greunb, ben ©angmeijiet SEBatther, auf, 
gebe; 6) bafe er rebe, wie man’S gerne hört, mit ben Oifchgenojfen unb ben Stinbern eine 
SBer’S alfo halt, bem wirb ber grofee Saufe wie Wotette gu fingen, unb bie 2llten fangen hetj» 
SBaffer gufaflen. 3 U einem rehtfhaffenen haft mit. Oann gab et feinen SEifhgenoffen 

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634 


(Sin (Sag out fr. Pattin futtjers leben. 


ben Auftrag, in ben 6of gu gefeit unb bie flegel» 
bahn hergurichten. (fine folcfje liefe er öfter nad^ 
Sifeh feerftellen, um fid) eine heilfame Sewegung 
nach bem Kffien gu machen; er pflegte bann felbft 
ben erften ©<hub gu ttjun. AIS fie auf biefe 
Seife fidj weiblich tummelten, tarn plöfelicb eine 
feattlidje ©<haar bon ©tubenten im boüen Ornat 
mit einer gähne angegogen, um bie Srofefjoren 
unb namentlich Sutfeer gu ber ®epofitionSfeier» 
lühfeit abgufeolen, gu meiner fie ihr flammen gu* 
gefagt. — ®aS ®eponiren mar eine auf allen 
beutfcfeen Uniberfitäten gebräuchliche ©itte; bie 
frifcfe augetommenen ©tubenten tnurben in feiberg, 
haftet Seife gleichfam aus ^feieren gu DJtenf(hen 
gemacht, b. tj. aus bem Gebiete ber ungebilbeten 
rohen SJtaffe in baS ber gebilbeten unb feinen 
cives Academici berfefet, nnchbem fie gubor ein 
ebenfalls meift fcherghafteS Kramen bor bem 
®cpofetor beftanben. 3n bem borlicgenben goß 
foflten gmei reiche junge Abelige aus Oranten 
bepoitirt merben. 

Stadjbem bie Keremonie if)r Knbe erteilt, 
brauten bie ©tubenten Sutfeern unb feine ©äfte 
nadfe £auS, bann gingen jene in ein nahes ®orf, 
tpo ber AbfoloirfchmauS feattfinben follte. 

Suther bat nun feine ©äfte, fie möchten fid) 
in ben ©arten begeben, ben er bor bem (f tfter« 
tbore befafe, bort moüten fee ben Abenb gemein, 
[am berleben. Kr felbft miiffe erft noch mit 
igonaS ein armes Seidjttinb, baS allerlei Anfech¬ 
tungen habe, bef liehen unb tröften, bann werbe 
er auch fogleidj nad)fommen. 

©o gefdjab’S. Stach biefem feelforgerlidjen 
Sefudj machte fe<h Suther mit jfuftus 3onaS 
auf, ben greunbeit in ben ©arten itacfegugefeen. 
AIS fee taum burefe baS Klftertljor gegangen 
Waren unb bie Säuern ber gefeung hinter [ich 
batten, tyradj fee ein Settier um eine ©abe an. 
Seither reifte ihm fein ©dherflein; auch 3uftuS, 
ber etwas fparfam war, gog ben Seutel unb 
fudhte lange barin herum, bis er ben paffenbett 
Pfennig faitb. Kr gab ihn bem Settier mit ben 
Sorten: wer weife, wie unb wo ©ott es mir 
einmal wieber giebt! AIS fee einige Schritte ge. 
gangen waren, buh Sutber lacfeenb an: „Ki, 
lieber 3ufte, hätte idh bod) nicht gebacht, bafe bu 
ein fo alter grauer feuchter feiefe. Sfcfeuft als 
ob ber liebe ©ott bir tein Almofen wieber geben 
miifete unb weifet bo<h, bafe bu eS nur ihm wieber 
giebft; hätte er bit’S nicht guerft gegeben, wie 
woütefe bu bem ätmfeen Settier ein ©cherflein 
reichen ? Unb bu giebft hoch nur bon beinern 
Ueberfluffe; taufenofaqj bafe bu’S gewonnen, 
unb machft ein ©efeferei, wie eine £enne, wenn 


fee ein Ki gelegt, bafe bu ein SaufenbUjeil wieber 
abgiebft." — iguftuSigonaS war feines greunbeS 
Aippenftöfee fefjon gewohnt unb nahm fee gebul« 
big hin, ohne bafe bie greunbfdjaft getrübt warb, 
unb fo tarnen bie beiben, als fegon ber laue 
©ommerabenb hereinbrach, in Sutfeer’S ©arten 
an. £feer brachte ber ®oltor gern feine Abenbe 
im flreife feiner gamilie gu. ©ie fanben bie 
©efellfchaft bereits beifammen; bie flinber tob* 
ten in ben flieSgängen unb auf ben Aafcnpläfeen 
umher; bie älteren grauen faßen theilSimr bem 
£äuslein, theils hotten fee fi<h auf bem Steifen 
gelagert, ober fchritten in lebhaftem ©efprädj 
auf unb ab. 

Ks bauerte nicht lange, fo rief grau flätfee 
gum Abenbeffen, es war inbefe unmöglich bie 
gange gafelreidje ©efellfchaft auf einmal an einem 
Orte gu bewirken, unb fo öertheitten fee fech 
effenb unb plaubernb butch ben gangen ©arten, 
wo jeber ein Släfedjen fanb. Stur bie älteren, 
angefeheneren ©äfte fanben fech auf bem SRunb. 
theile Por bem ©artenfeäuSchen gufammen. ®aS 
SRafel fowie ber übrige Abenb »erliefen in ge» 
moljnter Seife unter ernfeen unb fdjergbaften 
Aeben, Suther mufete »iel ergäfeleit unb tfeat fein 
SefteS, bie ©äfte ehrlich auSguhalten. Unterbefe 
War bie Stacht hfreingebrocheu; ®r. SJiartin liefe 
einige SBinblidfeer angünben, unb forberte 
greunb Saltfeer auf, noch mit ben ©ängern ein 
Abenblieb gum Seften gu geben.- ®iefer war 
gar willig bagu, unb halb tönte ein Sfaim, bon 
ben geübten ©timmen gefungen, in bie laue 
Stacht hinaus. 

©ang unerwartet hatten fech gafelreiche 3ufeörer 
eingefunben. Kin langer 3ug mit gaaeln nahte 
fech burcf) baS UniberfitätSfeolg bem ©arten; cS 
waren bte bon ihrem ©cfimaufe heimfehrenben 
©tubenten. Als fie ben ©efang hörten, hielten 
fee an berStbüre ftiü unb bilbeten mit ben gadeltt 
einen fialblreiS. Unb als ber ^falm berllungen 
war, feimmten fee ein fräftigeS Gaudeamus 
igitur an. Als fee geenbet, trat Suther herbor 
unb bebantte fech für ben freunblichen ©rufe, 
darauf orbnete fech ber 3uci; fee nahmen ben 
geliebten Sehrer mit feinen ©äfeen in bie SAitte, 
unb in folchem ©eleite lehrte bie gefegefefefdjaft 
in bie ©tabt gurüd. 

®amit fchliefeen wir bie ©figge eines 2age8 
auS SutherS Sehen. ®ie gefcfei<htli<hen 2haten 
beS ^Reformators fenb wohl aßen belannt; biefe 
lleinen 3üfl e feines SribatlebenS wollen aus 
Duellen gefammelt fein, wie fee nicht 2febermann 
gugänglidp fenb. 




—DigitizecHsy 


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Pas (Srbbebeu auf Hsdjia. 


635 


3U0ett{eit$eit über bas Cfrbbebeu auf $ 0 d)ia. 

San CtmSralum. 


or einiget 3*it brauten bie 3eitungen tele. 
grat>l)ifd)e fRadjrichten über baS fgjrecflicbe 
(jrbbeben, baS auf ^Schia, einer {leinen, 
fübweftlid) t>ott Neapel gelegenen unb Wegen fei. 
ner SBäber berühmten uftb Diel befudjten 3nfel, 
ftattgefunben. 

Seither fanb baS nod) fürchterlichere (Srbbebeit 


es jroar nicht gefehlt. Einige $age not bem 
llnglüd waren manche Quellen plö&iid) berfiegt, 
bie Stämpfe aus ben fjeilbrunnen ftiegen heißer 
auf, als fonft, unb leichte ©rbbewegungen war. 
ben oerfbürt. 9lber baS Wenfchenfinb ift ja 
immer fo ficherl Unb bie Einwohner, welche 
jene 3ei<hen wohl wahmahmeu, fchwiegen, weil 




fcnfk$t ber ®tabt Cöfanticdola auf tor bm Örbbeben. 


auf ber 3nfel 3«ba ftatt, bei welchem 80,000 
Wfttfchen umgetommen fein follen. 

2BaS es um ein folcheS Grbbeben ift, wie ohn* 
mächtig ber Wenfd) biefen nnterirbifcijen ©ewnl« 
ten gegenüber bafteht, um wie biel fcbredbafter 
folcheS „3ürnen ber (Srbe" ift, als fJeuerS» ober 
SSBafjerSnoth, unb wie unberechenbar bie 9tet« 
tung, bafür liefern bie jefct borliegenben 9ln« 
gaben geretteter Slugenjeugen neues SBeweiS« 
material. 

UHitten in ben Vergnügungen beS SlbenbS, 
ober im Schlaf, ober inbem Schlaflofe noch 
einen Spajiergang unter Italiens wollenlofem 
Fimmel machten, würben bie SUjnungStofen bom 
Stöbe überrafcht. 5ln SßarnungSjeichen hatte 


fie bie gremben nicht etfchrecfen wollten. 9lur 
wenige ber erfahrenen Sabegäfte oerließen auf 
jene Wohnungen hin bie 3fnfel. 

Qie fJataftropbe brach alfo unoerfehenS herein 
unb eine 5lugeitjeugin, eine SBürttembergerin, 
welche mit ihrem leibenben Sohne auf SSchia 
weilte, fdjwibt über ihre grlebniffe in jener 
SdjrecfenSnacht: 

„3<h faß mit mehreren fjreunben auf ber 
weiten ^erraffe im heiteren ©efprädj, bie Sterne 
leuchteten uns, im übrigen hatten toir fein Sicht. 
Wein Sohn, bem bie 2uft auf 3sdjia fo wohl 
gethan, lag in feinem 3immer im feften Schlaf. 
Vtößlid) hörten wir etwas, was ich nicht befcprei. 
ben tarnt, es {lang wie ber $onner unzählbarer 


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63« 


Pas (frbbfbtn auf 3sd)ia. 





$a« ®rbbcf*u auf 


DtgitiZFd by 


Googl 
















JIob (Stbbeben auf Sedjia. 


637 


Äanonen, gu flleid^er 3eit gerieH) baS £>attS in 
^Bewegung, guerft hob eS fi<h, fenfte fi<h mit 
Stöhnen, Slecbgen unb Äraren, unb bann batte 
ich baS ©efüljl, als wenn SlüeS int Greife benint 
gewirbelt mürbe, rechts unb linfs neben mir 
fragten unb ftiirgten bie panier. ©8 roar plöjt= 
Ii(b ftocffinftere Stacht, fein £nmmel, fein SJteer 
gu feben, nicht-, flar nichts, bie Cuft Doll non 
bichtem, feinem ©taub, ber auf uns nieber 


ttnb Strümpfe im Schutt jlecfen. 33) rief ben 
Stanten meines ©obtteS unb erhielt feine Slnt» 
roort, ich taftete mich DorroärtS, allein fnnbSllleS 
Doll Schutthaufen. $BaS roar aus meinem 
©ohne geworben? Uuterbefs batte ber £immei 
eine büfterrotbe fjarbe angenommen unb im 
&albbunfel taftete ich nach ber 2reppe. SDiefe 
roar mit Schutt bebecft, unb mit fiebenS* 
gefabr ging unb froch ich nieberroärts, bis ich 



©rbkfcen mif Sftfcla. — Äu8örahmß bott Sevfößtieieit i« Cafflmtaiola ^olbotm. 


regnete unb uns gu erfticfen brobte. SlHe Slnbe* 
ren ftürgten nieber, nur ich blieb an bie SBanb 
gelehnt fifecn unb batte halb bie Sefinnung Der» 
loren. SllS ich gu mir felber fam, fübite ich 
mich feftgebunben unb bemertte, baß mein halber 
Äörper in ©chutt unb ©teilten begraben roar, 
im Uebrigen fühlte ich leine Serleßung. @ine 
rounberbare Stube fam über mich, obgleich Don 
allen ©eiten, unter mir, über mir, ^otunter» 
gefd)rei unb Hilferufe ertönten. 3<b begann 
mit großer Slnflrengung mich aus bem Schutt 
gu befreien. Welches mir in 3eit Don einer 
©tunbe gelang. Stabei blieben aber Schube 


enblich ben feften ©oben erreicht butte. $er 
weite i|3laß am SJteere roar aber gänjlicb mit 
fcharfem ©chutt unb ©eröü bebecft unb ich tnar 
barfuß. $a fam mir mein Unifcblagetucb gut 
gu flotten, ich legte baffelbe immer röieber Dot 
mich bin, um meine fchmergenbett f$üße barauf 
gu feßen, bis ich enblich boS 2)teer erreichte. 3d) 
roar mit ©taub bebecft, Singen unb SJiuttb Doll 
©taub, gierig tranf ich einen ©cblucf ©eerooffer, 
unb bann fiel ich IraftloS nieber. 2PaS roar 
aus meinem ©obu geworben? Sch fab mich um 
nach fjilfe unb erblicfte in meiner Stäbe unfern 
Wiener, bat ihn flehentlich, nach meinem ©ob« 


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r 


638 9as ©rbbeben auf 3>djia. 

gu geben, aber et weigerte ftd» im ©inblid auf ©rbbebeitS gefd>ab unb gefdbeben muftte. Die 
bie SebenSaefabt. ©üblich erbarmte fich meiner 3* mmer &öben finb faß überafl Steinwölbungeu, 
ein Sartenfübrer. Derfelbe ging hinauf unb bie Fuftböben nie ©olg, fonbern Steingetäfel, 
brachte mir bie ffunbe: 34 habe mit 3b r *nt Moment beS ©rbbebenS wichen btefelben, 
Sobu burd» bie Dbür gefprodieu unb er bat mir bie ©äufer ftlir^ten in lieb gufammen, alles ger* 
geantroortet: 34 befirtbe mied» unoerfebrt in febmetternb. So gefcbal) eS g. '3. in bein Salon 
meinem Sett, möge es nur meiner 'JJtutter roobl ber Siccoln Sentinella mit ieiner froben ©efefl* 
geben! ©leid» barauf tarn Dr. M. unb erfannte febaft. Dort finb bie Sebenben auf ber Stelle 
mid). 34 fagte ibm Don meinem Sobn unb erfiblagen. 911s man bie Dobten fanb, faß Dor 
feiner gefährlichen Sage. (Sr autroortete: 34 bem Sianoforte ber tobte, jugenölicbe .(flauier. 
miß ihm helfen, unb eilte baoon. Salb barauf fpieler, baS Motenbudj aufgefdjiagen. 3eif4'net* 
tarn er roieber unb (egte meinen Sobn, ben er tert, entftellt, gerriffen unb gerjleifcbt fab man 
unter SebenSgefabr aus bem triimmerbaften bie Dobten; auf einer reich gefleibeten Frau, 
©aufe getragen batte, an meiner Seite nieber beren ©als mit perlen gefdjmiicft toar, lag ein 
nieber. SBiis mit meinem Sobn in jener fdjmerer Scbtanl. Die mauern ber ©otelS unb 
SdjrecfenSftunbe gefdjab, ift rounberbar ju er» gasreicher Siflen auf 3§4>a fiub Don enormer 
gäbien. (Sr bat in feinem S.blaf üon jenen ent» Starte unb tief aus bem Soben aufgemauert, 
feftlichen Sefuitben nichts gemerft, ni<btS Don 3m 3ab r e 1881 fd»einen fie ber Schuft geroefen 
bem grauenhaften ©etöfe gehört, er bat nicht bie ju fein. Die meifteit ©äufer finb bagegen mit 
geriugfte Serlefturtg baoongetragen." leichten Stauern gebaut, oft Don beträchtlicher 

Der Äratife berichtete folgenbeS: „9l(S i4 auf» ©öfje. ©ier finb meiftenS auch bie 'Mauern ein* 
wachte, fanb ich meine 9lugen doH Staub, ebenfo geftürgt unb haben Diele oon Denen, welche auf 
meine Dedfe unb fühlte mit ben ©ünben an ber ber Strafte Waren, erfragen. 

Seite meines SBetteS Salten unb groben Schutt. 2Bie bei biefer Äataftroplje überall noch in 
Da buchte ich, baS ©aus rnüffe eingeftürjt fein, ©äufern befinbliche tßerfonen unoerfebrt ge» 
auch hörte ich Don allen Seiten ©ilfegefdjjrei unb blieben finb, ift ben ©eretteten felbft ein 
entfeftliches jammern. 34 rief nach meiner Mäibfel. 

SMutter, aber erhielt teine Antwort. Um mich 2Bir erwähnen nur einige Fäfle Don benen, 
batte idj feineMngft, ba$te nur an meine Mutter welche Mugengeugen mittheilten. ©ine im Sett 
unb befahl uns beibe in ©otteS ©anb. Dann liegenbe Frau ift mit bemfelben mehrere Stoet* 
lag ich ftiH mtb ruhig, bis Dr. m. mich an’S Werfe binuntergeftürgt, ohne oerleftt gu werben; 
SBaffjr trug." ein Mann, gleichfalls im Sett, fieftt ben Fufi* 

SBir (affen nun feine 'Mutter weiter ergäben: hoben in bie Diefe finfen, allein baS Sett bleibt 
„91m Ufer würbe bie 3 a ©l ber bem Dobe (Snt» auf einem Meft beS FuftbobeitS flehen. Dr. M. 
roitnenen immer gröftet, Diele berfelben waren weift nicht, wie er aus bem ©aufe gelangt ijt, 
nur notbbiirftig betleibet, Diele trugen nur ein ihm war es, als würbe er aus bem fünfter ge* 
©emb, Diele batten Serleftnngen unb waren wie fcjjleubert. ©in Staun blieb moblerhalteu auf ber 
burch ein HBunber, auf bem ffiege gur 'Marine, Dbürfchmeße beS 3'mmerS im oberen Stocf 
über Schutt unb Driimmer tletternb, Dor ben flehen, roäbrenb rechts unb liitfSaßeS in Den Mb* 
eiitjlürgeitben Mauern bewahrt geblieben. 3« grunb ftürgte. Die StBiege eines ÄinbeS mit 
ber Macht toar es ungewöhnlich falt, man lauerte festerem barin fattb man unoerfebrt nach Dier* 
Dicht bei einanber auf bem feuchten Ufer, ein unbgmangig Stunben auf einer (Sifterue ftebenb. 
fpärlidjes Sicht unb widtommene SBärme gaben Manche oerbanfen ihre SebeitSrettung ben aßer« 
einige Scbeiterbaufeit aus gttfammengelefenem geringfügigfien Umflänben. Die Familie beS 

» . Das ©efchrei ber Serunglücften ertönte DirettorS S- befanb fidj bei ber Äataftropbe im 
unb fort, eS Hang, als wenn wittielttbe uttb Salon beS ©otelS, Setter, Mutter, gwei Dödjter, 
beulenbe Jbiere fich aus aßer ©eit auf biefem Schwiegertochter mit ihrem Mittb tpurben in bie 
Slaft gnfammengebrängt hätten ! Dr. M. eilte liefe gefdjleubert, unb unter bem Schutt be* 
fort, um nach Kräften gu retten, er bat bie gange graben, bie jüitgfte Dochter macht im fclbeu Mo* 
Macht gearbeitet, ©nblich graute ber Morgen. ment einen Sprung nach bem Fenfter unb Hebt 
Uufere Mugen richteten fich auf baS Meer, eub» fich Dort oon Schutt unb Salten iejl umringt, 
lieb faben mir ©ilfe erfebeinen. Um 9 Uhr ! Sie hört aus ber Diefe noch lange bie Stimme 
Morgens am Sonntag tarn ber erfte Dampfer, ihres SaterS, nann fein Möcbeln unb bann 
ber linS arme, ©ilflofe Flüchtlinge aufnahm." Dobtenftiße. 3br felbft gelingt eS, einenMrm frei 
So weit bie fehlste ©rgäblung auS bem gu machen, bie Manfchette gu löfen unb mit ber« 
'Munbe ber genannten 'Mutter. felbeit gu Winten, fo warb fie gerettet, ©ine in 

"Ber bie Sauart unb ©inriefttung ber ©äufet Meapel anfäffige beutfehe Familie befanb Ü4 in* 
auf 3^4ia fennt, tann fich unfebwer eine Sor» Säulenftof eines SabeetabliffeinentS, wo glüd» 
ftellung pon bem madhen, maS im Moment beS (icbermeife ber Soben im 3ahre 1881 mit eifei* 


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Pas Jlejept ;u »inet glUdtüdjen CSt)e. 


639 


nen klammern öerficpert mar. Tie gange Stacht 
fabelt fte in SJiitteu eines SßallS Don Trümmern 
guaebracht. Stm SJtorgen fmb fie mit ©tüpe unb 
SebenSgefabr ü6er Trümmer, Tobte uub 93er* 
rounbete hinweg geflettert. Tabei gelang e§ 


ihnen, einen ©erwunbeten gu retten. TaS im 
bereits ermähnten Theater befinbtiche ©ublitum 
gelangte unoerfebrt inS fjreie. Ter betreffeube 
©cpaufpieler tarn am anbern borgen im ©e« 
roanb beS ©ulcinetlo in Neapel an. 


Pa0 i^eiept ju ettter öltimlidjeu (jfh t. 

ffion ÄamiDa. 


fjAÖÄ J ber Santthen, wie tarnt man nur 
I fiSf!»’ «inen SJtann heirathen, beit man 
nicht genau fennt! Ta hat [ich 
I 7j@life ©djmibt mit bem 93aumeifter geller 
f u berlobt unb hat ihn nur ein paarmal ge* 
r*' fehen. 9Bie lange fenne ich fcpon meinen 
|, k Heinrich 1 . weife aber aud), ich werbe 
J \ f glüdlid) mit ihm fein, er ift ein Sngel!" 

'' „Stun, nun, Stiitb, ich gweifle gar nicht 
f an beinern fiinftigen ©peglüd, «8 mag 
y angenehmer fein unb ein SJtäbchen wirb 
4 lieber in ben ©peftanb treten, wenn es beS 
T 93erlobten Temperament unb ©igenfcpaf* 
I ten fchon ein wenig ftubirt hat, benot es 
{ auf eroig mit ihm nerbunben wirb, aber 
’ eine ©arantie für eine glüdlicpe ©pe bietet 
eine lange Sefanntfchaft nicht, bie§ ©lüdf beruht 
auf etwas gang Slnberem. SÜS ich noch in ber 

©rübergemeine wohnte"- 

„fttch’Tantchen, bort werben bie ©rautpaare 
gufaminengelooft, nicht wahr?" 

„Thorpeit, ftinb! $n ber ©rübergemeine 
hat, wie überall, ein lebet junge SJtann baS 
Stecht, bie ©raut gu wählen. MerbingS tommt 
es bort nod) jept öfters bor, bafe ein SJtiffionär, 
ber einige 3iah« in einem fernen Sanbe unoet* 
heirathet, gleichfam auf ©tobe mar, wenn er 
bann bie ©rlaubniß gu feiner ©erheirnthung er* 
hält, bie SJtiffionSbirettion erfucht, ihm „wegen 
SJtangel an Tainenbefanntfchaft" eine ©raut gu 
erlefen. Tie „©rüber" beS SJtiffionSoorjlanbeS 
halten bann Umfchau unter ben Töchtern beS 
SanbeS, wählen eine ihnen paffenb fdjeineube 
Jungfrau unb gebrauchen bas SooS, o. h. fie 
bitten in ernjtein ©ebet ©ott, feinen SEßillen 
offenbaren gu moQeu, ob fie biefer Schmefter ben 
^eiratpSantrag machen Jollen ober nicht. Ta* 
rauf wirb DaS 8ooS gezogen; fällt bie Antwort 
bejaheub aus, fo wirb ber betreffenben Jungfrau 
ber Antrag gemacht, es fleht ihr inbejj frei, ben* 
felbeit abgulepnen, fie tann ungegmungen pan* 
beln. ©ine folche £>eiratbSgeichi<hte wollte ich 
bir eben ergäben. 911S id| noch in ber ©rüber* 
gemeine wohnte, lernte ich «inen alten efjtmür* 
bigen SOtiffionar unb feine ©attin fennen. ©S 


waren gar liebe Seutdjen. 3f<h fetje jle noch bor 
mir, er, eine unterfepte rüflige ©eftalt mit bem 
©ammtfäppchen auf bem weifeen 6aar, baS 
freunbliche SJtüttercpeu neben ihm. SBenn man 
bon $eirathSgefd)i<hten rebete, ergab Ite Der alte 
$err gar gu gern feine eigene ©efdjidjte. 

„3fch warb," fo berichtete er, „fedjSunbgmongig 
Sab« alt, als SJtiffionär gu ben ©SfimoS nach 
Sabrabor gefchidt. TaS ©ingewöhnen bort 
warb mir nicht leicht; baS rauhe t?lima, bie ton* 
fonantenreiche, fcp wer gu erleruenbe ßstimo* 
fpracpe, baS ftumpfe unreinliche ©olf, bereiteten 
mir manche Stotp. Tagu bie ©ehnfudpt nach 
ber £>eimatb — einmal nur im 2fahr, im Slu* 
guft, tommt baS SJtiifionSfcbiff unb bringt Stach* 
rieht aus ©uropa unb trägt im ©pätperbft 
©rüfee gurüd. Stach bier Sahrcn hatte ich mich 
eingelebt in ben neuen ©erpättniffen. Ta er* 
ßing bon ber SJliffionSbiredioit bie Slnfrage, ob 
ich wich berheirathen Wolle, ich folle eine ©raut 
beftimmen. 3<h fc^ricb gutüa: $<h trüge fein 
Silb im bergen, es feien mir alle Töchter beS 
SanbeS gleich, i<h bäte bie ©rüber eine ©raut 
für mich gu wählen, bie gu meinem Sllter unb 
Temperament paffe unb praltifdj tüchtig fei. — 
Ter ©rief warb foubertirt unb fortgefdpidt. 
Ginige 'S tu üben barauf befiel mich «ine wert* 
mürbige Unruhe. Tu paft gefdprieben, fiel mir 
ein, es finb bir alle gleich unb plöplidb ftanb 
baS ©ilb einet Jungfrau bor meinen ©eifteS* 
äugen, bie ich bei einem ©efuep in $. gefepen. 
Tiefe Scpmefter, obgleich gang manierlich nngn* 
fepen, patte mir einen unangenehmen ©inbrud 
gemalt. 9Benn eS nur biefe niept wäre, feufgte 
icp auf. Thorpeit, fdpalt ich, wie foflten bie 
©rüber gerabe biefe für mich wählen? Tod) bie 
Unrupe blieb. JßaS war gu tpuu? TaS Soot 
mit meinem ©rief war fort. SJtan beute fiep 
meine Sage, ©in 3abr laug in Spannung 
gu leben, wer bie ©raut fein wirb. 3cp empfahl 
bem treuen .fjerrn bet SEßelten, welcher alle 9Bege 
feiner Jtinber gum ©eften lenft, meine Sin* 
gelegenbeit unb traute ihm gu, bafe er SlHeS 
wopl machen werbe, eitifamen, bangen 
©t.unben regte fiep im ^nnerften inbefe immer 


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640 


Pf SJoggeli. 


toieber ber 2Bunf<h: wenn’S nur biefe nicht 
märe! 

„$)er lange ©Unter bering, ber ©ommer 
fam unb mit ihm bie 9iad)rieht: ba§ 9JiiffionS« 
fepiff ift ba. itlopfenben fjergenS rüftete ich 
mid), bie anfommenbe ©raut gu bemifltommnen. 
3» ^Begleitung eines Kollegen, ber ebenfalls 
feine ©raut erwartete, fuhr ich in einem ©oot 
ttadO bem @d)iff. 9118 mir uns bemfelben 
näherten, faljen mir Seute auf bem ©etbeef, 
unter ihnen — mein £)erj brofjte gu gerfpringen 
— jene Don mir fo ungeroünfehte Jungfrau. 
9tber noch mar Hoffnung, fie tonnte ia bie 
©raut meines Kollegen fein! ®er Don Guropa 
juriicffeJjrenbe ©tiffiönar, ber bort gur Grpolung 
geroefeu mar, übernahm bie ©orftellung. „©eine 
©raut, lieber 9t.," fprach et unb führte mir bie 
unliebfame Jungfrau gu.- 

©o meit pflegte ber alte |>err feine ©cfdjichte 
gu ergäben, bann rief er fröhlich'• „SJtuttcrdjen, 
ergäbe roeiter!" „9tuu ja," ergriff bie freunb« 
liefje 9Jtatrone ba§ ©3ort, ,,id) wohnte im @<hroe= 
fternpaufe gu ü. unb erhielt, als ich fünf unb* 
gwangig 3apr alt roat, Don ber 9J?iffion§bireftio;i 
ben Eintrag, mit bem 9Jtiffionar 9t. in Sabrabor 
in ben Gpeftanb 311 treten. ;^<h entfann mich, 
biefen 9)laitn ein ft bei einer mir bcfnmtten 3?a= 
miiie getroffen gu haben, bod) mar biefe Segeg« 
nung Diel 311 flüchtig aeroefeu, um einen Giitbrucf 
311 l)intertaffen. 9fad) manchem Ueberlegen 
nahm ich eitblich ben Eintrag an, babei bentenb: 
Gs toinrnt rooljl Don ©ott. 3cf) gewann fogar 
fjreubigfeit, nach bem oben Sabrabor 311 gieren. 
9ta<h einem fehmeren 9lbfd)ieb Don ber fjeimatf) 
reifte ich nach Sonbon unb fcgelte Doit bort auS 
mit bem 9JtiffionSf<hiff ab. ©ie ©eereife miihrte 
ungewöhnlich lang unb mit fyreuben erblicfte ich 
enbiieh bie Sabraborifdje ft'iifte. ©Jar baS Snnb 
gleich ein öbe§, meine .fteimatf) follteeS nun werben 
unb bie Hoffnung auf eine gliicfliche 3 u!uitft an 
ber ©eite eines treuen 9JtamteS belebte mich. 
GtroaS bang warb mir bennoch, als ich ben 
„frembeit" Sräutigam nahen fab. — ©ie pein« 
lieh berlegene@ 3 eneber gegenteiligen ©orfteilung 
War Dorüber; ich erwartete einige freunbliche 
SQBorte aus bem 9Jtunbe meines ©erlobien gu Der« 
nehmen, aber finfter bliefte et mich cm, murmelte 
unDerftänblidje Stehen wie: „9tachhet erflären, 
entfchulbigen." 

„3m ÜtiffionShauS angelangt, würben Wir 
©erlobten allein .geloffen unb mein ©räutigam 
erjähtte mir nun ohne Umfehweife Don feiner 
ülbiteigung gegen mid) unb feinen Kämpfen; 
bah id) bennoch feine ©raut geworben fei, felje er 
als ©ottcS Rügung an; er wolle mir ein getreuer 
Ghemann fein, ich fofle nur Öebulb haben, ©atm 
bat er in inbrüuftigem ©ebet ©ott ben fierrn, 
bafe er unS bie nötpige Siebe 311 einanber Der« 
leihen möge unb Detfjinbere, baff menfehlicher 


Gigenfinn uns trenne, welche Gr fo wunberBar 
gutammengeführt. ©rei Sage nach meiner 9ltt« 
lunft würben wir ehelich mit einanber ber« 
bunben." — 

Seuchtenben 9lugeS hatte ber alte &err guge« 
hört. „Unb ©tutterdjen," unterbrach er icfit 
fein ^rauchen, ,,fag’, waren wir nicht bie glüa« 
iidjften fröhli^ften Gheleute ?" 

„3a," erwibigge bie Stlte, „unb wir finb es 
noch- Gine hatte ©<hule für mein ftolgeS £>erg 
War biefer Anfang unferes GheftanbeS inbejs boch, 
aber fie trug fegenSreiche 3?tüd)te. 3<f> war ba« 
mals gar gu fepr übergeugt, alle bie guten Gigen« 
fdjaften gu befi^eu, welche einen 9Jtann gliidlich 
machen. 9tun muhte ich bemütpig um bie Siehe 
meines 9Jtanne8 werben, lernte mein leibenfehaft« 
lidjeS ©3efen in 3ud)t nehmen unb wenn mir bte 
Straft bagu fehlte, fo erbat ich fie mir bon oben. 
©0 warb ich friebbotl unb glüdlid)." 

„©iehft bu, Stinb," fagte baS Tantchen, „ba 
haft bu baS 9tegept gu einem glücflichen Gljeftaitb. 
©ie Scutchen ruhen längft auf bem fdhattigen 
©otteSacfer gu 9t., ihr 9lnbenfen wirb noch beute 
geehrt. ©Me hat bir aber biefe ©efdndite ge« 
fallen ?" 

„O fehr gut," erwiberte bie Stickte, „aber lieh 
ift ntir’S boct), baff ich meinen Heinrich fdjon fo 
lange fenne — bie arme ©dpwefter in Sabraborl" 

„3ft auch fchöner fo. ÜBenn bu aber fpäter 
Derheirathet bi ft, ber erfte ©UidfcligteitSraufdj 
Dorüber fein Wirb unb bie 3f<t einer gewiffen 
Grnüchterung eintritt, wirb eS bir bielletcht Dor« 
tommen, als wäret ihr beibc, bu unb beiu £>ein« 
rieh feine Gngel. ©ann mache es wie bie 
©chroefter, fliehe bir ein ftilteS Stämmerlein — 
bieS ©tittel hilft aHerroegett!" (©aheitn.) 


$3 Pf logge». S 

üHunbart.) 

’ft trurig, ote’s bem galjt, 

IPil er, mte’s ttub bötf4 
(Es ITörtlt, bas mer 3uttcm feit, 

9rab, als betts be lt>inb furt treit. 

De 3099U brurf^t fie 0 l]rc nie, 

(Es ift 311m Sadje-n-öppcMe. 

f^üt fdjicft-e-b’ IHuetter 3ur ^rau Bas, 

De 3og^eIi gal^t unb t^olt es < 5 las. 

De Datter ^at gern Baucfytubacf, 

Da byolt be 3 oggeIi en Sarf. 

De Dattcr ijt gli bfunne gjt 

Unb fteeft 3ur Straf be brt. 


D i g iti z ed by vnO0^t€ 




tön finnigen gddjjeitngefdienlu 


641 


X>c Halber tritt 3um IJoggeli 3ue 
Unb feit: De djönnt’jt mer öppis ttjue. 
(Bang bol mer gitig uf ber pojt, 

De 3oggeli bringt e Ijalbt HToft. 

Der teurer mö(bt fpa3iere gab, 

Unb bäb fin Stocf bibeiine gla, 

Seb gang uu ^ fyol mxn Stocf, 
De 3 oggli gebt unb bringt en Horf. 

Si IHuetter ift am <£ljodje gl*/ 

Da fehlt e-r-e es €i bebi. 

Sie feit 311m Bueb: (Saug bol es €t, 
De 3 oggli gebt unb bringt en Stei. 

So madjt’s be 3 oggeli alli (Eag, 

XDxl er uf b* £iit nüb lofe mag. 

De 3 oggli git fein red)te IHa, 

IDenn er nüb beffer loje dja. 


(fin ftiittige« $od)|eit00cfd)euk. 

ijj?in Dorneljmer £>ert hielt einft &ochgeit unb 
|£ hatte baju neben üornebinen ©äften auch ben 
**T $orffcf)uljen, einen fdjlichten, aber feinen 
unb chriftiichen Wann, gefaben. 9tadjbem nun bie 
bornebmen Herren Diele föftlidje ©oben, bet eine 
biefe unb ber onbere jene überreizt batten, Jam 
juleßt auch ber Schulje baljer, brachte eine fleiuc 1 
Stapfel unb fagte: „Wein ©roßDater felig bat i 
eiuft ben .£)oflänbern gebient unb mir bie= 9ln= ' 
benfen binterlaffen. ÖaS gebe ich 3hnen, lieber 
#err, an 3b rf,n ©hrentage, brauchen Sie eS I 
in ©efunbbeit, unb ber barmljerjigc ©ott 
rooBe Sie Seine SeiSljeit lehren!" — 'Üls nun 
ber |>err bie $apfel aufmachte, fanb er barin 
eine filberne Wiinje, mie fie bie £)oBänber einft 
hatten fdjfagen laffen, um ben ^rieben mit ben 
©nglänbetu ju erhalten. ®uf ber einen Seite 
toar ein Stoch Ochfen abgebilbet mit ber lateini* 
fd^en Umfchrift, bie in beutfeber Ueberfefcung 
etwa lautet: „W i t einanber finb mir ftarf"; 
auf ber anbern Seite ein paar irbene iöpfe, bie 
auf bem Weere fchroimmen, baneben roieber ein 
paar lateinifche Sorte, bie 311 beutfei) etroa hei» 
|en mürben: „S i b e r einanber gehen mir in 
Scherben." SaS jeiflle ber ©rat feiner jungen 
dran unb fügte: ,,©i fieh’, mein Stinb, mir 
haben heute manche feine ©abe befommeu, hoch 
hat ber Bauersmann uns mahrlich nicht bie 
fchlechtefte gegeben!" — £ie 9iußanmenbnng 
mögen fich bie geneigten Sefer, bie halb in ben 
heiligen ©heftanb treten moüen ober bereits 
eingetreteu finb, felbft machen unb — barnach 
thun! 


JDet ift ber «lii(Mid)fief 


f ls ber berühmte, aber in feinen fpäteren 
Lebensjahren fo unglüdtliche italienifche 
dichter jtarquarto Ü a f f 0 im Sfatjre 
1570 als 26iäljriger Wattn am franjüftfchen 
&ofe meilte, fragte ihn eines SageS bev Äöttig 
Äarl IX.: „Staffo, mer iji nach ©urem @r= 
meffen ber ©lüdlidhfte?" Ohne fiep ju befinnen, 
antmortete ber $)idhter: „©ott." — „$aS meifc 
mohl jeber," ermiberte Äarl, „aber nach bem 
Fimmel foBte meine graae nicht gehen. 3 ,cf) 
meinte Dielmehr: mer außer ©ott unb nach 
ihm?" — Sieberttm ohne 3öflern atitroortete 
ber dichter: „Ser ©ott am äf)nli<hfien gemor» 
ben ift." — ©ar fein, bünft es uttS, hat ber 
berühmte Säuger beS „befreiten ^erttfalem" ge» 
antmortet. &at nicht auch bet fjeilanb gefagt: 
„Selig finb, bie reines fterjettS finb; bentt fie 
merben ©ott flauen"? 9teintgfeit,beS fpevjenS 
ift ©ottäljnlichJeit; je reiner baS £>erj, um fo 
ähnlicher ift es bem ©ater im fjimmel; mer 
aber ©ott fchaut, ber hat bie Summa aBer 
©lücffeligfeit. 


(fin ®n»0 burd) bie fdjtöeifmfdjf 
fntibe0aii0|leUiiii0 fu jförid). 

©on $r. Suljberger in graaffurt a. St. 

*§^l| ie fchöne Simmatftabt, auch fdjmeijerifcheS 
gyii ©tpen genannt, erfreut fich ihres flnfjt» 
fchen ©obenS, ihrer reichen Äunftfchähe 
unb roiffenfchaftlichen ^nftitute unb befonberS 
ihrer prachtoonen Sage megen je länger je mehr 
eines ftarten SrembenbefiicheS. ®iefeS 3jaf)r 
aber ift ber 3ug Don f^remben unb ©inljeimi» 
fchen nach 3 üridj ein außergeroöhnlich großer, 
fo bafe oft bie ©aftpöfe bie fjremben faum unter» 
bringen fönnen. $ie Urfadje biefer ftarten 
3 reqnenj ju erfahren, braucht man nicht meit ju 
gehen, bemt fie bitbet feit einigen Wonateit baS 
SageSgefpräch 1111 b gehört es 311 ben Oingen, bie 
fiih bei jebem Scpmeijer fo 311 fagen Don felbft 
Derftefjen, nämlich bie S a n b e S a u S ft e 11 11 n g 
311 befuchen. 

Seit ber ©nrifer unb Sonboner SeltauS» 
ftellung folgten eine Wenge internationaler unb 
nationaler ©emerbe» unb Äunft»9luSfteflungen. 
3 n biefem Sahre finben außer ber genannten 
nicht roeniger als brei folcfjer ?luSfteliungen ju 
gleicher 3eit ftatt: bie $)pgieue»^luSfteBung ju 


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642 


Pit ffmeijeriffe #anb»au»flftlung in Ittridj, 


'-Berlin, bie internntionole GoIonial«9luSfteßung 
gu 9linfterbam unb bie internationale Sfunft« 
auSfteflung gu SJtünfen. 

Sor 26 ^cfren (1857) toar bie britte ff wei« 
geriff e 9tuSfteflung in Sern in einem eingigen 
©ebäube untergebraft, beute nimmt fie als bie 
oierte einen Stimm ein, weifet etwa ber Hälfte 
beSjenigen gleiffommt, ben bie ffiienet 9tu§« 
ftellung eingenommen batte. 2Ba§ fann benn 
bie Keine Schweig gegenüber jenen gleicbgeitigen 
Slusfteflunaen noch StennenSwertheS bieten, wo« 
mit eS bie llufmerffamfeit ber ffreniben erregen 
unb feffeln fönnte ? Unb bof bringen Gjtra» 
giige bon allen Stiftungen außer ©fweiger, 
Deutffe, Italiener, ffrangofen, Gnglänber unb 
fogar Slmerifoner herbei, bie einen ober mehrere 
Jage bem Sefufe ber 2anbe8auSfteßung mib» 
men. 2Bie beinahe jebem Sefufer, fo erging eS 
auf wir, baß if bei meinem ©ang burf bie« 
felbe gerne alle meine 3?reunbe bei mir gehabt 
hätte; ba biefeS felbftberftänfclif nif t möglif 
war, fo möfte if ben werfen Sefern oon £auS 
unb 4)erb, Unter benen ja auf biele ©fweiger 
fitib, etwa§ bon biefem ©tüd baterlänbiffer 
Äuuft nnb Sfnbuftrie mittheilen. 

3u ber näf ften Stöße beS ftattlifen Sahn«, 
ßofes flattern an hohen SJtaften bunte SBimpel 
unb oon ben ©iebeln ber 9luSfteßungSgebäube 
wehen Bahnen mit bem ©fweigermnppen unb 
laben jeben Slnfommenben freunblif ein, feine 
©f ritte ber gwiff en ber Simmnt unb ©ißl ge« 
legeuen Keinen ^albinfel gugumenbett, weife 
bon bem ffluffe eäßl burfffnitten ift. Son 
alten, hertlif en Säumen beff attet unb inmitten 
ff öuer Stafenpläße ftehen bie beiben großen 9lu8« 
fteflungSgebäube; ffon bon weitem hört man 
bas fröhlife Dreiheit unb fummt eS um bie 
£>a fielt nnb in benfelben wie ein Sienenff warm. 
Sir treten erroartungSbofl burf einen flaggen» 
geff miidten Sogen in bie St a f f i n e n h a i l e, 
gwiffen ben Sfeilern jteheit ff müde ©fweiger« 
häuSfen für bie SBaftpoften. £)ier finb bie 
Stoßprobufte unbberen erjte Serarbei« 
tung gur ©fau gefteßt. Daoon ift u. 91. ber 
91 § p h a 11 bom Sal be DraberS gu nennen, weil 
er naf bein Urtßeil bon ©af funbigeit in feiner 
Dualität bon feinem anbern übertroffen werben 
fort, Gbeiifo feßenSWertß ift eine reife ©amm« 
luug bon 918 b e ft unb bie batauS gefertigten 
Stanufalturen, fowie ber berühmte Dbon» 
f f i e f e r, Welfer gur Daf bebedunq baS ffönfte 
SJtaterial unb ber lernbegierigen $ugenb eine 
utigäßlige Stenge oon ©freib» unb Siefen« 
tafeln liefert. 

9Benn GtwaS ©eff mad haben foß, bann barf 
baS ©alg nif t fehlen unb fo lieferten bie © a« 
(inen bon Ser unb bem Stßeine ihre Srobufte. 
Daß unfer 2anb biefe nothwenbige SEBürge nif t 
entbehrt, bemeift bie Stßeinfaline, bie fo ergiebig 


ift, baß fie aßein bie gange ©fweig mit ©alg 
oerfeßen fönnte. 3n ber fiafle unb auf ben 
freien Släßen finben fif gaplreife Sfrbeiteit in 
Gement. Die mehr als Sfaßrtaufenbe alten 
Sau werfe ber Stömer fprefeu nof heute nif t 
aßein für bie Sebeutung unb ben Söertfj biefeS 
Sinbemittels, fonbern auf, baß fie baSfelbe gu 
benutzen öerftanben. Grft gegen Gnbe beS bori* 
gen ^aßrbunbertS tarn baSfelbe wieber in 9ln= 
Wenbung unb bilbet heute einen gang bebeutenben 
£anbelSartifel, in bejfen Sereitung unb Serar« 
beitung feit einigen fahren bie ©fweig bom 
SluSlanb nif t mehr übertroffen wirb. £ier et« 
hebt fif eine große Säule bon biefem, bem 3<>h« 
ber 3?it fo erfolgteif roiberfteßenbeit Staterial, 
ba betritt man einen Stofaifboben, beffeit 3e*f* 
nung unoerwüftlif fein foß, unb bort erblidt 
man einen Sogen, welfer troß feiner gewaltigen 
Selaftung nif t gufammenftürgt. Sßaßrlif, ein 
ff äßbareS SJtaterial für unfere an luftigen ©pe« 
fulationen fonft fo reife 3«*- 

9ln bie Stohff offe reißen fif bie S a u m a t e« 
r i a l i e n. Die reife Sammlung bom harten 
Urgeftein bis gu ben weifen ©ebilben ber Sie« 
laffe unb ber ffreibe, oon ©ranit, 911ahaftet, 
Surafalf, ©anbftein, @f iefer, Stagelfluh ic. oon 
anbern geigen, baß bie ©fweig buf ftäblif ftein« 
reif ift. Unter biefen ©teinarten trägt un« 
ftreitig ber antife Starmor bon ©aiflon«@njon 
(SBafliS) mit feiner praftboßen 3«*f nungunb 
Färbung in SBeiß unb ©tün ben erften SreiS 
babon. 9lm Stanbe ber Staff inenßaße fteßt ein 
Seftibül in altbeutffem ©effmad mit einem 
altarartigen Diffe, einer ©ewölbetßür, einet 
Stiffe, etner ©elänbertreppe unb einem ßoßen 
ßamin aus ben berff iebenen Saufleinen errif tet 
in auSgegeifneter Searbeitung unb praftbol« 
ler Solitur. Daneben befinben fif ftßlboße 
©culpturarbeiten bom ©aufe Doret oon 
Sebep (üßaabtlanb), welfeS fif burf feine 
ftunftprobufte eines SettrufeS erfreut. — 2Bäß« 
renb ßier ber tobte Stein burf feine tünftleriffe 
Serarbeitung gu feiner boßen ©eltung tomint, 
fo wirb anbern Orts ber -lebenbigen Sflonge ißr 
Steft, inbem ber gange 9luSfteflunqSpart mit 
buftenben Slumenbeeten bebedt ijl, bie mit ißrer 
Sarbenpraf t unb burf ißre geff madboße ©rup* 
pirung unfer 9luge ergäben unb eine angenehme 
ißbwef felung bieten. Sfn einer geff madooßen 
Stotunbe ber SJtaffinenßafle ifl ein Sßälbfen 
bon ©Qpreffett unb Stabelhölgern angelegt, auf 
beffen grünem StooSboben ftränge unb SouquctS 
gelagert finb. 

Die Dhonwaarenfabrilanten neß« 
men unter ben 9luSfleßern eine ehrenboße ©tefle 
ein. Som einfafen ftüfengeff irr bis gur eie« 
ganten Safe, oom flafen, funftlofen ©efäß bis 
gum farbenreifen, mit aflerlei Sfiguren gegierten 
ift eine reife Goßection oorßanben. Giner biefet 


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Pie fdjturiferifdje fanbesausftellung in jtlirid). 


643 


Oljonfünftler ift an Ort unb Stelle unb ber« 
fertigt auf feiner Oreljfdjeibe bor ben 9lugeit ber 
aufmertfamen 3uf<hauer auS einem formlofeit 
Stile! iSöon eine Weilte ber öerfdjiebenften ©e= 
fäße. Üßätjrenb idh ber funftgeübten $anb gu« 
flaute, roie fie fo gcfd)icft ben $been beS SteifierS 
3?orm gu geben beritanb, mürbe id) unroiUfiirlidj 
an baS 2Bort Sauli (3töm. 9, 26) erinnert, mo 
er bon bem ^oljeitSrecht beS Schöpfer» fpricht, 
ben Steufdjen nach bem Wag feiner ©eisljeit 
uitb ©üte berfdjiebene ©aben auSgutheilen unb 
ihnen berfd)iebene Steifungen im 2eben angu» 
meifeii. OaS einfache funftlofe ©efäjj fommt in 
einem meifen £)aiiSf)olt ebenfo gut mie baS funft« 
bollfte an feinen rechten Stoß unb gu feiner red)= 
ten Serroerthung, beägleic^en jeber Stenfch, roel« 
d)er fief) bon ber |>anb feines Schöpfers nach fei« 
nein h. SSJitlen bilben läßt. Oie futg gugemeffene 
3eit brängte mid) aber meine theologifdjen Se« 
tradhtungen abgubredjen unb meine ©anberung 
fortgufeßen. — 3>m 0 f e n b a u madht fid) mie« 
ber bie alte ftunft geltenb, mie fie feiner 3oit 
fpegieH in ©interthur blühte. 

Gs fiitb gar gemütblich« Slameraben, biefe 
alten, grünen ßacbelöfen mit ihren plaffifdhen 
Sergiermtgen unb hiftorijdjen Silbern, bie fidh 
bem finblidf)en ©emüth uitb ©ebädjtnifj biel 
lebenbiger einprägen als oft burdh einen troefenen 
©efdhidjtSunterricht. Stit ihren breiten Stufen 
unb Santen laben fie bie ftauSbetoobner im 
©inter gar freunbfich gutn marmen 9lbercbfiß 
unb spiauberftünbdhen ein, fo bafj ein folcher 
Ofen Sieles bon ben alten 3 e >f« n «rgäbleu 
fönnte, roenn fie bie .fhtnft beS Sprechens ber« 
fiünben. Sur einer hot einmal ein böfeS Spiel 
berrathen, roeil ihm ein gefdheibter 3funge in 
Sugern ben Storbplan fdblechter ©efellen geflagt 
hat; ob er noch antiguarifdh gu hoben ift, möchte 
ich bejmeifeln, mo fonft er noch hie unb ba bie« 
fefben Oienfte thun fönnte. 

Uner ben Grgeugniffen ber St e t a 11 i n b u« 
jirie geicbueti fich u. 91. geroaltige ftaffefdbränfe 
aus, ihre geheimen Siegel unb unerbrechlicheu 
Schlöffet finb gang genial angebracht unb fiebern 
bem beforgten Gigentbümer feine golbenen, fil» 
bernen unb papierenen Sdhäfje bor fjeuer unb 
Oiebsljänben; fotebe $unftprobufte finb aber 
trofs ber ff an ft unb beS borhaitbenen SeicbtbumS 
ein Testimonium paupertatis für uitfer cibifi« 
firteS ©efdhlecht. — Unter ben ffl u R ft o b 1 * unb 
©eichgußartifeln nehmen bie fjabrifate 
bon ©. ffrifeber ouS Sdjaffboufen eine herbor« 
ragenbe Stelle ein ; biefe girma liefert einen 
Stahl bon fo borgüglicher Oualität, mie er felbft 
in Gitglanb nicht beffer gefunben toirb. 

Oie StafcbinenauSftel lung beroeift 
glängenb, baß bie Sd&roeig troß ihrer 9irmuth an 
Sobftoffen unb ber fie einengenben 3oflfdbraitfen 
im eblen ©ettftreit mit anbetn Stationen in mehr 


als einer Sichtung fidh gu ben hödhfteu Stufen 
emporgefchrnungen hot. ©äbrenö bnS plat« 
fdhernbe ©afferrab im ftillen 2hole in ber Stühle 
noch immer feine guten Oienfte tbut, feßt bie 
2 u r b i ii e bie mächtigften, eifernen Sdhmung» 
räber unb bur<h biefe eine Ungabi onberer Säbe’r« 
merle in ben fjabrifen in Seroegung. Oer 
2urbi neu bau hot besholb in ber Sdjmeig, 
toelche über fo gablreidje ©afferfräfte gu berfügeit 
hot, eine große Sebeutung getoonnen. Unter 
ben Oampfmafdhinen giehen befonberS gmei nicht 
allein burdb ihre Oimenfioncn, fonbern ciudb 
burdb präcife, tunftboüe Gonftruftion unb burd) 
bie Silbe ihrer Seroegung bie 9lufmerffantfcit 
aller Sefudtjer auf fid). Oiefe beiben Sentil« 
bampfmafdhinen, bie eine bon ©ebr. Sulger aus 
©interthur, bie anbere aus ber bortigen fioto» 
motioefabrif, mürben an bet leßten Sarifer ©eit« 
auSfteOung mit gmei bon ben fedjS großen Steifen 
prämiirt. — Gin grofjer 2heil ber Stafcf)inen 
bient ber Saummollenfpiuiterei. Sei 
einer folchen bollfiänbig aufgeftellten, arbeiteuben 
Stafcbine bot man ©elegenheit bie gange Ser« 
arbeitung beS SobprobufteS gu betrachten; in 
einem eifernen Gt)linber liegt bie Saummolle bis 
fie in rotirenbe Seroegung gerät!) unb 9lnfangS 
gu lodferen Strängen, nach unb nach aber gu 
bidbteren unb guleßt gum feften ffaben gegmirnt 
auf Spulen aufgemunben roirb. — Seben ber 
Saumroonenffjinnerei ftehtbieSeibenmebe« 
rei, borgüglich im Ganton 3>iti(h unb Safel, 
oben an. Unter ben auSgeftetlten ©ebftüljlen 
finboor9lllem bie roeltberiiljmten me<bo« 
nifchen gu nennen. £ö<hft intereffant finb 
bie S t i cf m a f ch i tt e n, meldhe oor 50 fahren 
eingeführt mürben. 9ln bem einen Gnbe beS 
SJebftuljleS fißt ein 9lrbeiter unb fährt mit einer 
9lrt Stordhfdhnabel (3eidbnnngSinftrument) ber 
an ber Seite beS ©ebftuljleS aufgefpannten 
3eidhnung nach, bie gange Stafcbine folgt-jeber 
feiner Seroegung unb roebt auf biefe ©eife baS 
borgegeichnete Stufter in ben Stoff ein. 3m 
3ahr 1882 fianben in 13 Gantonen 14,883 fol« 
djer Sticfmafdhinen. Gine anbere St a f dh i n e 
verfertigt mit berounberungsmürbiger Schnellig« 
feit-feine Strümpfe. — Gine riefigeSo» 
piermafdhine liefert ein Sapierbanb, mit 
bem man eine Stredfe Don circa 4 Stunben 
Sänge bebeden fönnte. — Oie SBunber ber 
Gleftricität feßen auch hier burdh 'hte leudh» 
tenbe unb beroegenbe $raft bie Sefudher in Gr« 
jtaunen. Sorn in ber Stafdhinenhalle ift eine 
bpnamo«eIeftrifche Stafchine, meldhe als Glefri« 
citätsergeuger bient nnb gugleidh eine Stafdhine 
fpeift, bie fünftlidheS Gis fabricirt. 

Obmohl id) ifreunb bon mafdhinenmäfei« 
ger 9lrbeit bin unb eine gemiffe 9lbneigung be« 
fißc gegen baS eiferne ©etriebe einer abfoluten 
^errfdhaft, fo hot nebft ben genannten unb ben 


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644 


(Stellen. 


Dielen nodb ungenannten gcinj befonberS eine 
Mafchine mir bie Uebergeugung abgeroonnen, 
baß ber menfdblidbe ©eift auch auf biefem ®e» 
biete in unterem ^a^rfjunbert feine böcbften 
Oriutnpbe in ber ©eberrfehuitg ber tobten_ s JÖia= 
terie feiert, ift eS bod), als ob ber ©eift beS 
©rfinberS in feinem genialen Mafd)inenroerfe 
berförpert oor uns ftänbe. 3;cne ermähnte 
Mafchine, bie oon erftaunten 3 uf (buttern immer 
belagert, ift eine <5 <b r a u b e n m a f <b t n e. 
Ueber ber Mafchine liegen in einer Art fjülfe 
eine Menge furger, bider Orabtftifte; fobalb 
bie Mafchine in ©eroegung ift, Jommt eine ©abel 
unb pacft einige biefer «Stifte fo feft, baß feiner 
mieber enttoifd^en fann, führt fie im näcbften 
Augenblid in baS ©etriebe beS AäberroetfeS, too 
fie oor unfeten Augen oerfcbroinöet, aber in 
gang lurjer 3«it toirb fie mieber ficptbar, guerft 
mit einem ©eroinbe, bann mit einem Äopfe Der» 
feben; bann greift eine anbere ©abel nach ber 
fertigen Schraube unb legt fie mit SRube im 
Oriumpb gang gragiöS in ein nebenftebenbeS 
©efiiß, mo fiep lebe Secunbe neue Äamerabeu 
ibr gugefeüen. 

©ine anbere, auch für bie näcbften ©eneratio» 


nen unb fünften ©ef<ble(bter bebeutungSbolle 
Mafchine ift biefenige, burdb roelcbe man fidj eine 
39a bn mitten burdb ben granitenen ©ergriefen 
St. ©ottbarbt gebrochen bot- Söingig tlein er» 
fdjeint biefe 39obrmafdbine im ©erbältniß 
gu bem geroaltigen ©egner, ben fie gu überroin» 
ben batte. Mit fräftigem Anfaß beginnt fie an 
geroäblter Stelle ihre Arbeit unb hört nicht auf, 
bi§ fie ihren Stahl gang tief eiugebobrt bat; 
langfam, aber ficber bringt fie DorroärtS in baS 
innere beS ©ergeS; traft beS SprengftoffeS er» 
meitert fidb ihre 39abn immer mehr, bis fie enb» 
lieb baS große SBerf üollenbet unb auf ber anbern 
Seite beS 33ergeS angelangt ift im fottnigen 
Italien, mo am Stage ber ©röffnung ber @ott» 
barbtbabn ein oielftimmigeS ©ibat 3talia, 
©ioat ßeloetia ertönte, unb mir fügen bingu 
95ioat ©ermania. 

©S märe nodb Mancherlei unb über mancher» 
lei Abteilungen aus biefer Anstellung gu be» 
ridbten. OaS Obige aber genüge, um gu geigen, 
baß biefe AuSfteHung begüglidj berOualität unb 
ber Anorbnung ber auSgefteHten ©egenftönbe 
felbft nicht hinter ben ©arifer unb SCßiener Aus» 
fteUungen gurüdgeblieben ift. 


© «e l u n. 

San Anna $örr. 


'ö efanntlieh ift biefeS Obema alt; aber beß» 
® halb ift es um nichts meitiger lehrreich, 
e/r OaS Alte muß uachgerabe nicht uninteref» 
fant fein. Alle SBabrbeit ift alt, eroig mie bie 
©migfeit; fie ift baS giinbament, roorauf bie 
gange Schöpfung fiep grünbet. Aeue SBahrpei» 
tengiebt eS nicht; bie ©bilofopbie mag groar neue 
Seiten ber Söabrbeit entbeden, aber fie fann nie 
neue SBabrbeit erforfeßen. Alle SSBabrbeit ift 
unaufhörlich, unüeränberlidh, eroig. Oie 3 e 't 
mit ihren ©eränberungen unb fReoolutionen 
beränbert fie nicht. Sie ift immer jung mnb 
beute fo mächtig als gu Anfang ber Schöpfung. 

2Bir oerfeßen uns im ©eifte roeit hinüber an 
baS roeftlicbe ©nbe unfereS Kontinents, fliehen in 
einem ©ebirge eine reine, fprubelnbe Quelle auf, 
fdbenfeu bem leifen ©eplätfeher beS SßafferS ®c» 
hör unb laufeben feiner ©rjäblung, mie es fich 
in ©eftalt eines Stromes ben Öügel abmärts 
burdb grüne SBälber unb buftenbe fyluren 
minbet. @ar manches Sntereffante tonnten mir 
ohne 3meifel hier lernen, aber mir mofleu utifere 
Aufmertiamfeit auf höhere, mehr geiftige Quel» 
len, bie Quellen ber 3fnteüigeng unb Stugenb 
richten. 


AaftlofeS Streben, 3?üHe unb ©rünblidbleit 
finb bie ©ebittguitgen für ben, melcber hier thätig 
fein roiH. Oiefelben auch nur einigermaßen gu 
erfüllen, toftet aüerbingS große Mühe unb be» 
baulichen fffleiß. 

3e tiefer mir aber in biefe Quefle hinein 
fdhauen, um fo mehr geminnt fie an Sntereffe 
unb Sdhönbeit. Oer Menfch trägt in fich bie 
Quelle «Des ©uten unb ©Öfen beroorgen. OaS 
©efäbrlicbfte babei ift, baß bie ©ebanten unb 
2Büuf<he, roelcbe in einem Men f eben bergen ent» 
ftebcu, fo fie böfe finb, nicht nur ben ©e» 
treffenben Derberben, fonbern auch einen großen 
©influß auf Solche auSübeit, mit benen er in 
©erüßrung fommt. 3a, folcbct ©ittfluß erlifdßt 
oft nod) nicht, roettn bet, meldher ihn bfroor« 
gerufen, auch nicht mehr ift. 

And) baS ©utc unb SBabre ftirbt nicht, ©in 
berühmter Schreiber fagt: ,,©S ift AidßtS, nein, 
nid)ts Schönes unb ©uteS, baS ftirbt unb bergeffen 
roirb.“ Q, menn bie guten Obuten beS ntenfcb» 
liehen ©efdblechtS bis gu ihrer Quelle berfolgt 
roerben lönnten, mie idböu mürbe fogar ber öob 
erfcheinen; mie Diel SBobltbätigfeit, Mitleib, 
©armbergigfeit unb reine Siebe mürben ihren 


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P« foninoehrmonn ooc Slttf. 


645 


llrfprung in einem ©tobe finbeii! Wicht ein 
eittgiget Gugel wirb bem Fimmel gugefügt, roel» 
d)er nicht auf bie, bie ihn hier geliebt, einen feg» 
nenben Einfluß auäiibt. (Sin roabrer Gbrift ift 
iin fieben nüjjlich, aber bie „göttlichen Gebern" 
finb am meijten brauchbar und) bem lobe. 

Sutber ift tobt, aber bie ^Reformation tebt. 
Unojr, ÜReloiU unb ©enberfou finb gejlorbeti, 
aber ©dbottlanb bebiitt ftetS feinen ©abatb unb 
chriftlicbe ©eroobner, eine ©ibel in jebem ©au§ 
unb eine ©dfule in jebem Ort. ©unnait ift 
längft in ber Gwigfeit; aber fein Ginflup wirft 
immer noch im fieben ©ieler in ©eftalt feiner 
©ilgerreife. 

G§ 'ift eine traurige 2B«brbeit, baß in ben 
©ergen ber meifteit Wtenfchen eine öerborgene 
Quelle rubt, bie in ber ©tunbe ber ©erfucljung 
immerbar brobt, fie gu überwältigen. Oiefe 
Stbotfoche ift betrübeitb unb hoch boffnungser» 
regeitb. ‘Ser ©ebantc baran mag un§ in ber 
Stunde ber ©cfabr ftärten. Gr warnt und, baß 
Wir im fieben nie lieber finb unb c3 gelte, „Scbilb= 
waepen ber ©kebfamfeit aufgnfteöen, unb 3Bad)= 
feuer be3 ©ebetS" lobern gu taffen. 


SBer oermag bie SRacht für ©ut ober 33ö§ gu 
befebreiben, bie ein-eingiger Sab, Dom Obre auf» 
genommener ©ab, b^oorrufen tonn ! Ober ift 
e§ möglich, bie ©emütb§bemegungen, ©orfäfce 
unb ©anblungen abgufebäben, bie in einem ein» 
gigen ©Sorte ihren Urfprung hoben mögen! 
Seichte unb lofe SBorte mögen anfänglich ol§ unbe» 
beutenb erfebeinen, aber wenn e§ auch nur oerbal» 
lenbe SBorte finb, fo gleichen fie bo<b ben ©taub» 
fiibett ber Siftel. ^ebe» Räbchen wirb auf ben 
5-lügeln be» SBiube» fortgefübrt unb tragt in 
ficb ben Jteim ber fröhlichen ©flange. Sagegeu 
mag ein freunblicheS, gütiges SBort wie ,,©aU 
fam" auf ein munbeS ©erg fallen unb Früchte 
tragen, bie erft in ber Gwigfeit geerntet werben. 

3tebe§ Btenfdben ©er* mag gur OueUe aller 
©lücffeligfcit werben, $e mehr ficb ber SWenfch 
beßbalb fetbft erfennt, unb mit ©otteS ©ilfe 
gur echten SBerebelung, gur SBiebergeburt fommt, 
befto reiner, ebler unb göttlicher werben auch bie 
©unblutigen, bie aus bem ©ergen entfpringen, 
bis er im feligen ^enfeitS ficb gänglich oerliert 
in ber Quelle be§ ewigen fiebenS. 




Per £«ilwel}nminn por 3Kd}. 

fjebor tum ftöpptn. 


QUlit finßerem 23 licf unb gefenftem l}aupt, 
(Entmaffnet, ber Ubier unb Jahnen beraubt, 
(Sefangen, oerfallen bem Kriegsgefetj, 
giefj’n ad^igtaufenb ^Jra^ofen aus IHefc. 

Umfonfi gerungen, gehungert, gemalt, 

Xtun bod? übergeben in beutfd?e IHacfyt, — 

traf fie bas Sdjicffal mit manchem Schlag, 
Qeut’ aber, f^eut’ iß ber fdjmerfte Cag. 

Kein Spiel ertönet, nidjt Sang, nod> Klang, 

Sie fdjreiten 3Ürnenb bie Straß’ entlang 
Sie murmeln ^Jlüdje unb fnirfcfyen bie gäfyn’: 
,,Maudits Prussiens! - - Derrätljer Ba3ainel" 

Die mäße, oerfjeerte Stätte bort, 

Die mar oon oielen ber £jeimaHjort, 

Sonß lag ein ladjenbes Dörfchen im (Efjal, 

3etjt fiarren bie (ßiebel fö öbe unb fafß. 

Dod? fdjaul mo am $'xxfobtx €rntefran3 fd?manft, 
f Da minft nod? ein £}üttdjen, non Heben umranft, 
So ftill unb fo frieblidj, oon Ittenfcfyen bemofynt, 

Uls Ijätte ber Krieg juß bies ^letfdjen oerfcfymt. 

Da blirft oon ber £aube mit IDeinlaubbadj 
€in rojtges tDeib bem guge nad?, 

(Ein Kinb auf bem Hrme, eins fd^miegt fi<^ ifyr an, 
Das britte, bas tfält ein frember IlTann. 


3m gug ertönt ein Jreubenruf laut: 

„XTTcin IDeib, lieb IDeib ! meine Kinber traut 1 " 
Unb oon ben (Sefattgnen fpringt einer fjerbei 
Unb fjer3t bas IDeib unb bie Kinber, bie 3mei; — 

D od} mie er 3um britten jtd? nfcget, alsbalb 
(Semaf^rt er ben ^remben unb menbet ftd? Palt: 
„IDer ift’s ? U^as rnill fjier ber frembe (Saft ? 
IDes ijt bas Kinb, bas ifjn fd^meidjelnb umfaßt?' 

Der frembe mißt il^t? mit offenem Hlicf: 

„Dein (Saft bin id? morben burcf? Kriegsgefd^icf, 
Du bliebeft aud? gar 3U lange aus, 

Da fjütef id? ftatt beiner bas Üfans. 

„Denn als bu marft oon (Sefal^ren umbroljt, 

Da rang bein U?eib in Kinbesnotlj, 

Da fam ins ^aus bir ber frembe Ulann 
Unb naljm ßd? ber anberen Kinber an. 

„Unb meil es Ijier oieles 3U f^affen gab, 

So natjm id? ber Kranfen bie Urbeit ab, 

0ft l^ab’ xd} auf ,felbmad? bie Ijalbe Had^t, 

Die fyalbe bei beinen Kinbern gemad?t. 

„Dein ^aus unb £fabe blieb mofßoermafirt, 

(Sott fd^üßte bir gnäbig bie Kinblein 3art, 

Dein IDeib genas oon Kranfl^eit unb ffarm, 

Dein Jüngßes f^ab’ i(^ fjier auf bem Krm." — 


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646 


Hud) eitu rounberbart fUgung Sötte». 


Da preßt es ber atibre mit inniger £uft 
gum erfteitmal an bie Daterbruß, 

Drauf briicft er bem (Safte fo warnt bie £}anb; 
„Jjab Danf, jetjt biji bu mir wofylbefannt. 

„Du warft mein ^Jeinb im umwölften (Etjal, 
Jjeut* fjaft bu befiegt midj 3 um 3 weitenmal, 

Du tyaft es tapfer unb treu gemeint, 

(Sott fegne bidj, mein wacfrer ^Jeiitb I 


„£?ordj, preußifdj Kommanbo! ljab’ länger nid?t §ett, 
muß weiter itadj Deutfdjlanb, (Sott mei§ wie weit, 
2lbe, lieb IDeib unb ity: Kinber gut, 
laß’ euefy in ebler Jeinbe fjut !" 

<£r tritt in ben §ug, fie marfdjiren Ijinbann, 
Hactyblicft pon ber fjiitte ber £anbwef}rinann, 

Don ber IDattge träuft iljm bie (Efyräne liitb, — 

<£r benft ans eigene IDeib unb Kinb. 

(„Daheim/ 4 ) 


Hud) ritte tmm&crbare pgung Lottes. 


f ei bem bor einigen Soeben bei o h l f u r t 
flattgefunbenen Gifenbaljn«Unglücf et* 
eignete fich auch, mie uns ein Sugenjeuge 
berichtet, folgende merfroürbige ^Begebenheit. 
Gine iunge ^rau hatte ihr fleineö Stiubdjen in 
einem mit löetten roohl oerfeljenen ßorbe in 
einem Sagen bierter Stlajfe bei fidj. Sfinb unb 
Horb waren itaih bem llngliltf fpurlog ber* 
jkhlounbeit. ©o biet auch bie oerjmeifelnbe 
■Dtutter, bie übrigens uitberleßt mar, fuchte unb 
fragte, baS ftiiib mar niiht ju finben. @o 
mußte moht angenommen werben, baß baSfelbe 
unter ben Krümmern begraben Hege. 

Gnblid) fdjicfte [ich benn auih bie 'XRutter bin* 
tenben $)erjen§ an, ben Sdjauplaß ju berlaffen. 
Gin Arbeiter leuchtete ihr boran. 5lber fiehe ba, 
als ber Schein ber 2nferne in einen jiemlicf) 
entfernten Sfdjetanal fiel, ba ftanb in bemfetben 


aufrecht unb uuberfehrt ber fforb, unb in ben 
Setten ßhlief baö flinbehen fo ruhig, mie au ber 
Sutterbruft, unb and) nicht eine Schramme mar 
ju fetjen. $a nicht anjunehmen ift, baß ba 8 
5linb bei bem furchtbaren 9(upraQ, mit bem eS 
fortgefhleubert mürbe, nicht ermacht fein foflte, 
fo ift e§ toahrfcheinlidj, baß fein ©efchrei in bem 
erfteu Särm ungehört berhaflte unb es ft<h bann 
in ben Schlaf gemeint batte. 

„Gin muuberlichet 311 fall baö!" fpridjt ber 
Unglaube, menit er foldje ©ef^ichten hört, beren 
Sahrheit nicht angejroeifclt merben faitn. Sir 
aber benlen an ba§ Sort: „Gr hat feinen 
Gngeltt befohlen über bir, baß fie bi<h behüten 
auf allen oeinen Segen; baß fie bid) auf ben 
£ätiben tragen, unb bu beinen ffrtiß nicht an 
einen Stein ftößeft." Sf. 91. 


Per Himmel 

Jfjjer Fimmel molle geben," ober: „mir fönnen 
xi ben £>immel nicht genug preifen," „ba§ 

i uerhiite ber £immel," — mir hören folche 
Sleußeruugen öfter bei 9llt unb 3fung. Ser ift 
benn aber biefer Fimmel? 3 <h toeiß, baß 
Slancher fagen roitb: ©ott roohnt im f>im« 
mel, unb ba iffs ja ganj gleich, ob ich Tage: 
„©o 11 " ober „bet &immel". Senn nun 
mein Sater aber in ber Oberjtube wohnte, unb 
ftatt ju fagen: „mein Sätet," ich immer fagen 
wollte: „bie Oberltube," fo mürbe man mit 
Siecht glauben, es roüre bei mir im Oberftiibchen 
nicht recht richtig. 3fe lieber ich meinen Sater 
habe, je inniger mein Serhältniß ju ihm ift, 
befto weniger »erbe ich folcfje Sorte brauchen, 
bie es unerrathen (affen, baß ich ihn meine; hohe 
ich ihn lieb, fo muß ich fagen: mein Saterl 
ber liebe Sater! 

Gs haben h'utjutage biele Stenßhen eine 
orbentliche Scheu, bon „© o 11 " ju reben. 
„Fimmel," baö geht fdjon eher, benn ber 


wolle geben* 

Fimmel ift feine S^fon, ju ber ich tn einet he* 
ftimmten Sejieljung ftelje, beren Strafe ober 3 orn 
ich 3 » fürchten hätte; Fimmel ift etwas fo 
Sebelhafteö, Unbeftimmteö, baß man fich babei 
beitfen fann, maö man will, ober fich auch gar 
nichts babei ju benten braucht. Uub wie ju 
©ott, fo Wehen mir ju G h r i ft u m. Sie halten 
fich für Ghriften, weil fie — feine 3oben finb; 
aber fie nehmen Stnftoß baran, wenn auch nur 
ber Same G h r i fl u S ober 3 e f u S auSgefpro* 
chen wirb; fie umgehen* 8 , wo eS einmal un* 
oermeiblich ift, unb fagen: ber Stifter uuferet 
Seligion. ©ott es furcht liegt nicht jum 
©runbe, aber — 8 ? u r dj t. 

Creue wirb allein gefrönt; 

Hebe bid? im (Slaubensleben. 

Don ber IDelt fei gern perffötint, 

DDeistjeit laß Dir reidjlidj geben, 
gielj mtd?, jSefu ! ganj 311 Dir; 

2 IUes, 2 llles bijfc Du mir. 


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Prei in Einem. 


647 


Pm in dinem. <*• 

Son $. 6 . 


uch bie Silber im Suche ber Statur tönnen 
bagu bienen, bie göttliche Stahrljeit oft 
in eigeiithümlicher SDBeife gu oeraufdhau* 
licken, fo baß fie für einen aufmerfiamen uub 
nadhbenfeubeu Setradfiter leicht uerftänblid) unb 
behältlich werben. ®ie gange Statt ift ein 
Evangelium in Silbern: 2)er £)immel, baS 
Steer, ber ©anb, bie Slumen ber Selber, baS 
fleinfte Sfufeft, baS ©ouuenftäubdheit, Sögel 
unb beerben, ©enfforit unb Sauerteig, ItieS 
tann uns an irgenb eine Sehre ber heiligen 
©chrift mahnen. 16er um biefe (eifeit Segie» 
hungeit uub buutlen Erinnerungen tu oerftehen 
unb ihren öerbotgeuen ©inn ans Siegt gu gieben, 
braucht e$ itidbt btoS eines febenbeu lugeS, fon* 
bern auch eines gläubigen &ergenS. 

3u einem Stalb gog lebten Sommer ein fon* 
betbarer Saum meine Sliefe uub ©ebaitleit auf 
rieh, an welchem brei beutlicb uuterfchiebene 
Stämme aus einer einzigen gemeiufchaftlichen 
SEBurgel fproffen. Unmittelbar aus ber legieren 
wuchs guuäehft nur ein eiugiger hob« unb biefer 
©tamm etroa bis auf 14 3o(l gerabe empor, 
bann tbeilte er fich in brei befonbere Stämme 
ober Säume, feber von eigenthüinlieher ©eftalt 
uub mit feinen Derfcbiebeueit heften unb 3wei* 
gen, tooDou ber eine in einer gewiffen ftölje fich 
wieber fpaltete unb fo bie beibeu anbern um» 
fehläng unb gleidjfam feft wie in gwei auSge» 
fpaunten Firmen umfehloß. tiefer mertwürbige 
StatchS hiuberte aber bie natürliche Entmicftung 
nicht. $er ©aft flofe in regelmäßiger Staife 
burch ben Saum, bie Slätter geigten ihre ÄnoS* 
pen, bie Sliithen tarnen gur rechten 3«it uub baS 
grüne Saub bedfte ihn im Sommer. Siele neu» 
gierige 3 u f4äuer fanben fich ein, um biefeS 


merfroürbige 9taturfpiel ju fetfen, bie meiften 
Wohl ohne einen ©inn für bie tiefe 3bee, bie fich 
bilblidf) baritt barfteüte: bie eine ©runbwurgel, 
bie Siebe; bie beiben fRebenftämute in ihrer 
gegenfeitigen Serbinbung unb litgiebung, ihre 
fchliejsliche SJieberbereinigung, ift baS llleS 
nicht ein ©innbilb ber heiligen 2)rei»Einigfeit? 

©o Wirb ber Sibeltunbige audh h«ute noch 
überall im Sebeit 35iuge finben, bie bagu bienen 
tonnen, ben ©inn eingelnet buutler ©teilen gu 
erläutern, beult bie SDBelt ift heute noch nicht Diel 
anberS als vor gweituufeub fahren, audh h«ute 
noch lehren uns bie Silien auf bein Selb« unb 
bie Sperlinge auf bern Stoche baS herrliche ©ott« 
bertraueu, ber Seigenbaum wächft noch ebeufo 
wie früher unb ber Staigeit trägt lehren unb 
Srüdhte. SuSbefonbere aber ift bie burch bie 
gange heilige ©chrift fo oft portommenbe 3äbl 
S)rei eine fpmbolifche ober mgftifche, b. tj. eine 
foldhe, bie einen befonberen berborgenen ©inn 
hat, ber freilich bein oberflächlichen Sefer unb 
bein gewöhnlichen Serftanb meiftenS entgeht, 
©o finben wir fie fdhon im alten Steftament: 
Stofes wirb brei Stonate Perftedtt; bie SimbeS. 
labe bleibt brei Stouate im ßaufe beS Obeb» 
cbomS; EliaS beugt fich breimal über beu trauten 
©otju ber SJittwe, baß er wieber genefe; Daniel 
tnieete breimal ieben Stag gum ©ebete uieber; 
3efuS lag brei Stage lang im ©rabe u. f. m. 
lud) im Seiche ber Satur, namentlich in bet 
Spangenwelt, wiebertjolt fich biefe 3ahl oft in 
einer fo mertwürbigeii, ja atiffalleuben SBeife, 
baß baS gläubige ©emüth baritt (eicht eine ln» 
fpielung auf einen tieferen ©inn, eilte geheim* 
nißbolle Segiehung auf bie®rei=Einigteit finben 
tann. 





(Hu (tyfer bet fäbeufHjaft. 


So« S9. Eifriger. 


dfagalob War in größter Eile ber nädhften 
Eifenbahnftation gugeeilt, bie lange 
©tunben entfernt war. ES galt gu 
lU _ entwifeben, ehe feine Ibwefenheit auf* 
fiel. Er war nie oorher auf einer 
Eifenbahn gefahren, benn in feinem $>örfcpen 
war fte nur bern 9tamen nach betaimt, nur 
Stanige hätten je eine foldhe gefeben unb Un» 


(©chiuß.) 


gehettreS babon ergählt. Es War alfo fein 
leidhteS Unternehmen, mit biefer Eifenbahn bas 
Staite gu fliehen. Stodh in feiner Sage war teilte 
Stahl übrig, es war baS eingige Stittel, fdhiteü 
unb ficher gu entfommen. 

Eitblicb erreichte er bie erfehnte Station unb 
taufte fich «in SiHet nach Stuttgart. Er mußte 
bort bis gum Ibenb warten, ehe er weiterfahren 


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648 


(ftn ©pfer bet letbenfdjaft. 


tonnte, ©o mufete er fiA bie Seit auf beftmög« 
lid)e SBeife turj ju machen filmen. ©twa ein 
3abr t>or£)cr mar er einmal in Stuttgart ge« 
inefen unb batte fiA bamalS niefjt genug nmn« 
bern fönneit über all bie ©<f»ön^eitcit, welche itjm 
ju ©efiAt tarnen. ©Iit bem größten Sntereffe 
batte er fiel) alles jeigeit unb ertlären laffen Don 
feinem bort mobnenben SBetter. feilte tarn ibm 
alles |o unfeeimliA oor, er fitblte fiA burcbauS 
nicht bebaglicb- UeberbieS mußte er fiA Dorfeben, 
feinem Setter niebt in bie Hänbe ju laufen. @r 
ging über ben ©Alofeplaß unb ehrfurchtSboD an 
ben SBachen Dorüber. Denn maS irgenb einen 
Sbeil Don einer ©taatSuniform trug, flößte ihm 
©Areden ein. Dann marfchirte er weiter unb 
bog iit bie Stedarftrafee ein. 9tbet hier waren 
§it Diele SllenfAen unb weit burfte er nicht gehen, 
ohne fid) ber ©efabt auSjufeßen ju berirren, fo 
bog er in bie föniglidpen Anlagen ein. Sange 
fiußte er nach 3«ftveuung unb fanb fie nicht, 
©elbft ber große ©pringorunnen, Dor bem er 
baS leßte ©cal ftauneitb geftanben, batte fein 
Sfntereffe für ib» unb bie ©olbfifcße, bie ihn fo 
entjiidt batten, erfreuten ihn nicht ntebt. So 
trieb er fiA meiftenS auf ben am wenigften fre« 
quentirten ©eitengängen umher unb fc^te fiA 
enblich nieber. Die 3eü würbe ihm entfeßliA 
lang. SIA, wie weit toar es boA mit ihm ge« 
tommeu! Sangfam oerging Minute nach ©li« 
nute, ganj langfam ging bie Sonne nach bem 
SEßeften. Da fdfjwirrten ihm bie ©ebanfeu bunt 
burd) ben ftopf, boA wollen wir nicht auSplau« 
bern, was er altes gebaut bat. Der ©Aatffinn 
bes geneigten SeferS tann fiA baS fAon Don fetbft 
Oorfteflen. 

©nbliA fam berSlbenb. 3afob ging auf ben 
Sabnbof unb taufte fid) ein SBillet nah Ham« 
bürg. Das war bie entfdjeibenbe tfabrt, glüdte 
fie, fo war er fiAer. ©r feßte fiA in bie bunfelfte 
©de eines SBaggonS nnb halb braufte ber 3«9 
baoon, in bie tiefe 9tad)t hinaus. Daß es finfter 
war, mußte Satob mifltommen fein, beitn fo 
tonnte man ihn wenigftenS niAt beobaAten. 
Unb boA gerabe in ber ©litte beS SBagenS faß 
einer, ber — fo fAien es 3atob wenigftenS — 
fortmäbrenb naA ibw herüber fab. 3eßt fam 
er fogar näher unb feßte fiA ibw gerabe gegen« 
über. 3fafob batte bie größte ©tiibe, feine Stuf« 
regung *u mäßigen. staum wagte er aufju» 
feben. Der ffrembe fAien enbliA wit fiA einig 
unb fragte 3afob : „3ft ©uet Slawe ©. unb feib 
3b r auS ffeuerbaA ?" 

3atob mar burA biefe (frage um Sieles tubi« 
ger geworben unb atbmete erleiAtert auf. ©r 
war wenigftenS ber ©efuAte niAt. 

„©ein, bin noA nie bort gewefen," war bie 
Antwort unb eben wollte er nodj feinen ©amen 
angeben, als ihm einfiel, baS tönnte am ©nbe 
üble folgen haben. 


„SliAtS für ungut," fuhr ber Slnbere fort. 
„3br febt einem ©ianne in ffeuerbaA febr äbn« 
liA. mit welAem iA früher oft jufammen fam." 

3afob atbmete noA teiAter auf naA ä’efer 
©rflärung unb nidte, jum 3 f 'Am, baß er bie 
tfrage niAt Deriible. Der ffrembe hätte nun 
gerne eine Unterhaltung mit ihm angefniipft, 
aber ohne allen ©rfolg, benn Safob beantwortete 
feine (fragen nur turj unb auSmeiAenb, ober 
auA gar niAt. SIIS ber 3ug mieber anbielt, 
ftieg ber ffrentbe aus unb überließ 3afob feinen 
©ebanfen. 

©o ging ber 3ug weiter unb 3fafob blieb in 
bie ©de beS 2ßagenS gelauert, ©tußte er bie 
3üge meAfeln, fo gefAab baS immer mit bop« 
petter Slngfi. Denn er fürAtete fAon bie ©er« 
folget, obgleiA Der jweite Sag feiner ffluAt eben 
erft anaebroAen war. ©nbliA nidte er wäbrenb 
ber (fahrt ermattet ein. ©in ©Ataf tonnte es 
niAt genannt werben. Sunte Silber umtanjten 
ihn in feinen Sräumen. ©r ift in ben ©trafeen 
Stuttgarts unb batte fiA Derirrt. Sange gebt 
er umher unb tarnt fiA niAt *nreAtfinben. ©nb« 
liA finbet er ben 2Beg jur Äönigftraße unb ba 
wirb eS ihm plößliA buntel bor ben Singen. 
Stiles berfAwimmt Dor feinen ©lideu. ©t will 
weiter eiten unb tann niAt, feine ©lieber ber« 
agen ben Dienft. 2ßie er gerabe hinter fiA 
ieljt, gewahrt er einen ©tann, ber ihn forfAenb 
leobaAtet. Slber er tann nidbt entrinnen, fo 
ehr er fiA auA anftrengt. ©lößliA fühltet 
iA gepaeft — unb jeßt ermaAte er entfeßt unb 
; itterte an allen ©liebem. Unb ba faij er ben 
Sonbutteur Dor fiA, ber naA feinem Siflet 
fragte. 

SÖie war er boA fo froh, baß es nur ein 
Sraum gewefen mar. ©Iit aller ©laAt fträubte 
er fiA gegen ben ©Alaf, ba bie Sräume fo ent« 
feßtiA Waren. 

©nbliA biefe eS: „Hamburg! SIfieS aitSjiei« 
gen!" Der erfefente Hafen war alfo erreicht 
unb boA tonnte 3afob beffen niAt froh werben. 
©S waren immer biefelben ©efühle, immer baS» 
felbc Sangen. SBenn er auf bem ©Aiffe bem 
Dielgepriefenen Sanbe ber (freibeit jufteuere, 
hoffte er fröhlicher ju werben. Sanae brauAte 
er niAt gerabe ju warten auf bie Slbfahrt eines 
Dampfers. Slber bie (frage war, was foflte er 
thun, wenn man feinen Safe oerlangte ? SBie 
leiAt tonnten ba noA ade feine Hoffnungen ju 
niAte werben unb er noA als ©efangener mit 
©Aanbe beloben, bie Ütüdreife antreten müffen. 
O, welAe ©orgen hat ein fo oerirrter ©lenfA 
niAt, Sag unb StaAt quälen fie ihn unb rauben 
ihm aüe Kühe. 

3um erften ©tal in feinem Seben fafe er baS 
weite ©leer oor fiA- Der SBalb ber ©tajten 
maAtf ihn erftaunen. Das war boA ein galt) 
anbereS Sreiben, als baheim unb alles fremb 


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(Sin ©pfet brr <£ribrnfitjafl. 


649 


uub uiibefamtt. So lange er »arten mußte, 
hielt er fid^ immer braußen am £afeit auf unb 
faß ben Statrofeu gu, wie fie §rad)t Oon uub gti 
ben Skiffen fuhren. 9luf ihn, ben fjrembling 
hatte Siemanb SRiidficbt. ®a gab eS SRippen» 
flöße uub Vefcbiinpfmigeit ber empfinblidjften 
9ht. „9lu§ bem 2ßeg, Sauer!" tief einer, ber 
acrabe mit einem ft'arren bem $>afen gufuhr. 
3atob gudte gufammett uub ging au« bem Skg. 
3n ftafenftäbten werben ja überhaupt bie 9luS» 
wauberer fo oft nur als eine SBaare betrachtet 
unb auch fo bebaubeit. Sur bie ®ienftmänuer 
uub ftotelbefißer finb wenn fie etwas 

babei gewinnen föuneit, aber auch mir bann. 
9luberu falls finb fie gerabe bie Uuperfchämteften. 

So empfiublicb foldje Seßanblung auch gu 
fiaufe 3[nfob oerleßt hätte, hier nahm er olle» 
gebulbig hin uub war froh, als er enbticjh einmal 
au Sort» eine» ®ainpferS tarn. ©r ging hin* 
unter gu ben Kajüten be» 3wifd)enbecf3 unb wie 
fo unbehaglich fam’S ihm ba Dor. 5)a waren fo 
biete ©efießter, bie er nicht fannte unb er wußte 
launt, ob er bariiber froh ober traurig fein fodte. 
Unb immer tarn wieber bie furcht oor ber Ser» 
foiguug. Sr ging wieber gurüd auf baS Ser» 
beef unb fah nach bem öaube, wo eine gaffenbe 
Stenge ftanb, eine Stenge, bie nicht bagu ange» 
than war, ben «bfeßiebsfehmerg ber Sdjeibenben 
witgufiiblen. 

2)a3 Schiff war gur 9tbfahrt bereit, bie Sla* 
träfen lichteten bie 9lnfer unb über alles hin tön¬ 
ten bie ©omiuanborufe be» ftapitänö. 2>aS 
Schiff fchaufette, bie große, gewaltige Stafcßiiie 
regte fich, als bie fchrtlle ^Pfeife ba§ Signal ge» 
geben hotte. 9ttte '-Paffagiere waren auf bem 
Vcrbcd unb bie Sieber ber Statrofen berftumm» 
teu, bie oorher fo luftig erflutigen waren. 3o* 
fob fah ftarr nach bcin Saube, ba§ immer Keiner 
Würbe uub immer weniger fidjtbar. ®ort hatte 
er gehofft, feinen ©vorn gnriidgulajfeit, aber er 
war mit ihm gegangen unb jeßt quälte ihn 
büftere Verzweiflung. ®er Verfolgung mar er 
Wohl entronnen unb bie flucht ihm geglüeft, 
aber olle Ouaten in feinem Sufen waren jeßt 
nur tun fo fühlbarer. 2öo war noch Hoffnung 
für ihn! 

®a3 Sanb mar bereits außer Sicht, baS Schiff 
fchaufette unaufhörlich unb 3fofob würbe mit 
Pielen anberu Vaffagieren feeftanf. So wenig 
(Befaßt biefe ffranfheit auch an fi<h felbft bringt, 
fo eutfeßlicß fcheint fie bem flranfen. ®S fdßeiut 
aber auch gang befonberS grauenhaft, auf bem 
Steer gu fterbeu uub in beit Stellen begraben gu 
»erben. Sach bier Stagen war ^afob wieber 
im Staube, auf ba§ Serbecf gu gehen, wo eine 
veinere Suft wehte, als ba brunten im 3wifchcu» 
beef. ®ocß meid)’ ein 9(nblicf bot fich ihm bar! 
©in fürchterlicher Sturm »üthete. Solch’ ein 
Vilb hatte er noch nie gefeheu, nie fich borgt!« 


ftedeu oermocht. $au£ho<h thürmten fich bie 
VJelleit empor, um wieber gufnntmen gu ftürgeu 
ober fich am Schiffe gu brechen ober gar »eit 
über baS Schiff hereiiignftürgen. SBeun bet 
Sütenfd) überhaupt uo$ Seweife bet Störte 
©otteS feheu will: hier fiubet er einen ber 
fprecbeubfteu. 9luch 3atob empfanb baS. ®op« 
fielt elenb tarn er fich felbft oor, er War ja mit 
bem Schiffe ein Spielball ber SBeflen. ©t tannte 
eben nicht ben 2roft, ben ein wahrer ©ßrift im 
©lauben unb Vertrauen auf ©ott fiubet. ®er 
©ebcmfe au biefen allmächtigen unb gerechten 
©ott tonnte ihn nur erfeßreden, er tannte ihn ja 
nicht als feinen Vater. 

3atob mar immer fetjr gurüdgegogen unb gar 
mancher ber Vaffagiere tonnte iljn nicht recht be« 
greifen, ©in i'aiibniaun war et, baS tonnte 
mau ihm Wohl anfehen, aber fonft war auch 
nichts aus ihm heraitSgubringcn, ba er auf f$ra« 
gen burdjouS nicht eingiug, fich ih«tn öielmehr 
fo fdinefl als möglich entgoq. So blieb er ein 
tJrcmbling unb Sonberling bei ben Slitreifeit* 
ben. 9luf einem Skiffe werben bie Vaffagiere 
gar fcfmeO miteiuanber betannt unb bie 3utüd» 
gegogenheit muß ba um fo mehr auffafien. Ser» 
fchiebene 9tnfict)teit würben über ihn laut, aber 
Sicmanb hatte bie richtige. 

®cm armen tfiücßtling mar baS gange Freiheit 
ber Statrofen unb Vaffagiere gumiber. ©S war 
bod) ein gar gu großer Unterfchieb gwifdhen biefen 
unb feinen Siitbürgerit in bem frieblicheu ®örf« 
djeit, baS et berlajfeu hatte. 2Bie leichtfinnig 
waren biefe Stenfcßen! V3a§ ihm felbft bis jeßt 
als uiiantaftbar heilig erfdint, badiber wagten 
biefe Vollen gu reißen. ®aS itatüvl : ch nur, fo 
lange feine ©efohr ift. 

jjn berfelben ©ajüte mit ^afob befanben fich 
Stciifchen ber berfeßiebenßeu ©efinnung. ®a 
War ein giemlid) alter, fehl - chriftlich gefilmter 
St amt, ber eben noch einmal einen leßteu Vefudj 
in ®eutfd)faub gemacht hatte. ®ort war ein 
luftiger 3unggcfe(le, ber fchon biel gereift hatte 
unb auch jeßt nicht guin erfleu Stell über beit 
Oceait fuhr. £>ätte 3ofob fich an Scinanb an« 
fcßließeit woHett, fo hätte er {ebenfalls ben freunb« 
ließen 9llten gewählt. ®a er aber nähere Ve¬ 
rübung mit irgenb 3entanb Oetmieb, fonnte es 
nicht fo weit fomiiteu. 

3n einer Sacht mm tobte baS SJcer gerabegu 
fürchterlich. ®aS Schiff war in ber größten Ve» 
megmtg. 3eßt mürben bie Vaffagiere auf 
ihrem Saget auf biefe, bann wieber auf jene 
Seite geworfen, tleberafi raffelte unb polterte eS; 
bie Stinber fingen an gu weinen unb audj bie 
9llten betonten £>immelaitgft. 3afob ftarrte 
oergweifelt in baS ®mtfel hinaus, benn nur 
braußen im allgemeinen Saum brannten gmei 
fchwache Sichter. ®er fromme 9llte, ber gerabe 
neben 3afob fein Säger hatte, faltete bie i>äube 


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650 


(Sin ttpfrr brr fPribenfdjaft. 


unb betete teife, möhrenb er fonft bie größte 
©ccleuruljc befunbete. 3 atob beneibete beit 
9llten um fein ©lüd. ©et luftige Suitggefelle 
batte oft geprahlt, baß. er mit ©ott unb aüer 
Steligiou tängft fertig fei, alles als eitet SJtciljr» 
d)eit betraute. 3 eßt ober mar ihm anberS 311 
SJtiitt). ftauiu hatte ber ©türm recht 311 toben 
angefaitgeu, als er mit ber größten Slngft fich 
braußen an einen tßfoften lehnte, benn fonft 
tonnte er fich nicht holten. ©ort ftanb er roie 
eine mal)re 3aminergeftalt. 3üie etenb ift bodj 
fo ein leicht finniger tßraljlhanS in ber Stotl). 
©11 brängt fich ihn« bie fctjvecfiidje ©emißheit auf, 
baß e3 benn boih einen gerechten ©ott geben 
muffe.— ©obalb fich aber ber ©turnt legte, 
mar auch ber (Sruft öoriiber. 

„Sanb! Sanb!" ertönte eS eine» borgen» 
Som SBerbect her. 3 afob mußte nicht redjt, ob 
er fiel) barüher freuen follte ober nicht. Hßoljl 
hoffte er briiben Stuhe ju finben, aber ach, biefe 
Hoffnung mar fo fchroach. 

vrn. 

©aS erfehnte Sanb mar alfo erreicht, aber 
nicht bie erfehnte Stuße gefunben. ©ie erfte 
(Jrage mar, mo follte er fich hinmenben? Unb 
fd)ou biefe erfte Stage blieb unbeautmortet. ©0 
ging er mit bent größten 9J!eufd)euftrom meiter 
unb gerieth fo in bie große £>afenftabt Stern 
|)ort. 9tber maS tmir ba für ein ©reiben! Stie 
im Traume hatte er folch eine 9)tenfd)enmaffe 
gefeheit, nie ein fo buntes ©urcheiitauber. (SS 
farbeite in ber ©hat bie größte Slufmertfamteit 
feincrfeitS, baß er nicht überrumpelt mürbe. 
©aS mar ihm natürlich halb überaus liiftig unb 
er fudjte herauSjutommeu. 9tod) mehr ängftig« 
teu ihn bie oieleit foricheubeu Gingen, bie auf ihn 
gerichtet mären. 9illerbiug8 gefchah baS nur 
megen feines 91uSfet)cnS, morauS man fogleich 
auf beu beutfehen '-Bauer fdjließen tonnte, er aber 
fürchtete einen ganj auberit ©runtu 

(Sublid) gelang eS ihm, in eine leiten gaffe 311 
fomnien, mo er fein planlofe» SBunberit fort» 
feßte. (Sr mochte fo öielleidjt eine halbe Stiinbe! 
gegangen fein, als er plößlich eine ©timme 
neben fich f)örte. 

„£>allo(), SanbSntann! ©eit mann feib benn 
3thr hier?" rief ihm 3entanb 3 U. 91(3 Satob 
um fich blidte, fal) ft einen 9Jtann neben fich, 
ber ihn freunblid) anliichclte. (Sr hatte biefeit 
füienfchcn in feinem Sehen noch nie gefchen, mie 
tonnte er ihn itnr fo oertraut anreben. llnb 
bod) fchien er ein feiner $err 3 u fein. ©0 ! 
bad)te Sa tob; ein 9)teitf<hcnfenner aber hatte, 
auberS gebadjt, er hätte in beit liftigeu 9(ugeit 
ben falfdjeu 3mh3 ertannt uitb im gänseit 23e= 
feit einen öon jener ©orte 9}tenid)eu, bie beu 
Unroifjenbeu unb Uimorfichtigeit 311 übertölpeln 
fudjen. 3$on biefer ftlafje mar nun biefer 


®lenf<h einer unb hatte ftd) Safob als Seute 
auSerfehen. ©iefer mußte ja nicht, baß es folche 
'Dieufcheu geben tonne, batton hörte man in fei« 
nent ©orfe nichts. ©er fd)led)te fterl mertte 
mof)l, baß er feinen übleit (Siitbrucf auf 3atob 
gemacht hatte, unb batuit mar ja bas «Spiel fo 
öiel ajS geroouneit. 

„©acht 3hr Arbeit?" fragte er bal.er meiter. 
9113 aber 3afob noch immer fdgoieg, feßte er 
hinju: „3(4 tarnt (Sud) babei mißen, meint 
3fhr es münfeht." 

^eßt mürbe eS 3(afob um ein SBebeiiteubeS 
leichter, barait hatte er eigentlich noch gar nicht 
gebucht. SBeun er 91rbeit hätte — unb battach 
mußte er fich ja bod) umfehett —, fo öerfdjaffte 
ihm baS üieüeidjt Stuße. 

,,3d) bin erft hf»t hier augefomnten unb 
tciine Stientanb hier," fagte er enblich. 

„Stint, bann mifl ich 6ner '-Berather fein, benn 
allein fommt 3ßi' hier nicht burd). 3 $ mill 
©ach juerft in ber ©tobt herumführeu unb 
(Sud) bann 91rbeit öerfdgiffen. ftoinint mit!" 

3afob 3 ögerte nicht lange; benn baS fd^ieit 
ihm ein burchauS gliidlid)er Unfall 311 fein, baß 
er gerabe mit biefeitt „£>errtt" ba 3 ufaininenfani. 
©0 ging er mit bem uermeint(id;eu fjteunb roei« 
ter. tiefer fuchtc ihn auf’s fBefte 311 unter» 
halten. (Sr cr^ätjlte öon bem großen 9(eid)thum, 
ben fid) hier einer leicht erringen töune, unb baß 
er fchou manchem neuen 2 (iifömmliug geholfen 
habe, e3 fei baS überhaupt feine Suft. ©olche 
©djmiitbler berftehen fich ia meifterhaft auf’s 
Unterhalten. 

„ 2 !Me mär’3, meint mir hier rintehrten, 3 hr 
loerbet mot)l fmuger haben. älMr haben ja 
tiod) 3 eit?" 

3aTob hatte nichts eingumeiiben, benn ber 
öontehme £>err flößte ihm Siefpett ein. @0 
traten fie in eine ber elenbeften ifneipen Stern 
$orf’S. 

„©ring einmal ein gutes ©inner nnferem 
SanbSmann, er ift hungrig!" rief er bem SHäb« 
cheit 311 , bie pfiffig lächelte unb nidte. 

(S§ fah eigentlich burchauS nicht appetitlich 
nuS in biefer ©peltutfe, aber auf bie öielen 2luf» 
forberunaen feines ^Begleiters hin fprad) 3atob 
bent aufgetrageneu iÖlittageffen 31 t. 3 enet 
fchien burchauS freigebig 311 fein, beim er ließ 
es au ©ier nie fehlen unb nöthigte 3 afob mie« 
bcrljolt 311 triufeii. 

ftaum hatte 3 atob ein ©las getrunten, als 
er bereits ©chmiitbel fühlte, ©ein sroeifelfjaf» 
ter tfreunb gab ihm ben Statt), mehr 3 U triuten, 
bann merbe ihm beffer. 9lber ber ©chminbel 
öermehrte fich unb bctlb üerlor 3<t(ob baS '-Be« 
mußtiein. 2 BaS meiter mit ihm gefchah, mußte 
er nicht. 

9113 er mieber crmachte, befaitb er fich in 
Strreft. 23ie mar er nur bortljiu gelommen? 


-Digitized 


byGoogJe^- 



Sin @pfer ber fribenfpaft. 


651 


Sr felbft mußte baS nipt. Stau ^atte ißn in 
einer Htinne liegeitb gefunbeit unb auf bie Soli* 
geiftation trauSportirt. ©ein Selb mar fort 
imb feine .(fleiber gerriffen. Sie ©ape tonnte 
nipt lange ein Htätßfel bleiben; er ergäßlte, roie 
er mit einem fein gefleibeteit £errit in eine 
©diente getontnten fei unb bort ßlößlip ©proin* 
bet oerfpiirt bube. Ser Soligei mar mit biefer 
Srtläruitg bie gange ©efpipte tlar. 3}« 11 « ffetl 
batte ibn bttrp ein befonbereS Mittel betäubt 
unb bann beraubt nnb aus Der ©peilte gefpafft. 
HJtait ertlärte ißm, baß bi« nichts getßau roer* 
ben fönne uitb entließ ibn, elenber als je gubor. 

Sa ftiutö er alfo micber auf ber Straße, ratß» 
lofer als geftern. damals b^tte er baS ©precfc 
ließe feiner Sage noch nicht fo tief emßfunben, 
als jeßt. ©eine größte Sorge mar jeßt, fo 
fcßnelt als möglip bein geräufpbofleit Htero f^ort 
gn entfließen. ©etb batte er nipt, baS mar ißm 
ja geraubt morben, fo mußte er eben auf ©pit* 
fterS '.Rappen futfpiren unb biefe roaren btirp* 
aus nicht meßr raßpemißitlip. Htiemanb batte 
jeßt uoeb hinter bem elenben ©eroanb ben eße= 
maligen Sürgermeifter öoit S. gefugt. 

HBaßreub gctfob fomeiter marfc^irte, trat ißin 
in bellen, flaren Silbern bie föeiinatß bor bie 
©eele. Sa fab er feine Sßriftiue mit rotßge* 
meinten Hltigen unb bie ffinber nach bem Sater 
fragen; ja ihm mar, als müßte er hören, mie 
bie'Mitbürger mit Seracbtung oon ißm fprapen. 
HÖarum mußte er auch geben! glätte er nicht 
ebeufogut bleiben föuueu! Sie ©panbe bort 
märe jeOcitfaflS uiibl fo fprecflip geroefen, als 
fein jeßigeS ©picffal. Sv batte fiep ja bureb ein 
reptfpaffeues «eben unb gleiß mieber empor* 
arbeiten föuueu. geßt mar alles worüber, alles 
berloren ; roarunt mar er aueb fo tßöript! — 
feine Sßriftiüe batte es bop immer am heften 
mit ihm gemeint. HBie tonnte er auch fo riief= 
fiptSloS gegen fie fein 1 SEBirb es ißm jeßt über* 
baupt gelingen, fein Sehen nop mübfam gu 
friften ? Hin ein Sinporfommen bapte er nipt 
im Sntferntefteu. Sr mirb mie ein Stain unu 
ßermanbern nnb itirgenbS Stnße finben, bis ber 
Sob bem elenben Scheit eilt Silbe macht unb 
auch bann tonnte er ja nichts beffereS erroarteit. 

©oliße unb äßnlipe ©ebanfen fueßte er ber* 
‘gebenS bou fip gu roeifen; unb unter adern beut* 
ließ trat immer mieber fein unglüdlicbeS HBeib 
unb feine .ffinber, bie er Hille entehrt unb in 
©ß.iitDc guriicfgelaffeit hatte, oor bie ©eele. 
2Boßiu er ciqcittlip ging, mußte er nießt, er ging 
eben immer roeiter unb roeiter. Sr tonnte über* 
ßaupt feinen rechten ©ebanfen faffen, bagu 
fepmirrte eS gu feßr in feinem Jfopf. 

Sie Sonne mar bereits untergegaugen, als er 
fid) mübe unb matt in eine einfamfteßeitbe, alte 
£>iitte fplip unb bort halb in einen unruhigen 
©plaf fanr. 91p, ba iimtangteu ißu bie Silber 


I nop biel erfpredeitber. Sr fplief fo fort bis 
Borgens, als fpon bie ©onite mieber aufge» 
gangen mar. 

9lit biefem Sage mußte er beim bop gu einem 
Sutfpluß fomnieit, rooßiit er fip eigentlip men» 
ben unb maS er tfjun moflte. Sr mar mirtlip 
mieber etmaS gefammclter unb guroeileit aup 
rußiger, ©o ging er bemt auf bie HBanberfpaft, 
um fo balb als möglip Htrbeit gu finben. Sann, 
hoffte er, merbe e§ ißm moßler. Hlbcr aup baS 
Htrbeitfinben ging felbft in bem gefegneten Hirne* 
rifa uipt fo fpnen. Sntmeber berftanb man 
ißu uipt, ober mürbe er hart abgemiefeit. glätte 
er nipt ßie unb ba ein mitleibigeS^ierg gefunben, 
er märe balb berßungert. 2Ber mollte aup bie* 
feit SÖteitfpen mit feinen gerlumpten ifleibern ! 
Ss mar meuigftenS ein ©lücf für ißn, baß bie 
Soligei ßiergulanbe nipt fo ftreuge giiftriiftioneu 
ßat als brühen, fonft hätte man ißn 6alb gefaßt. 

©o mar er etma gmei Sikpen ltieift ber Saßu* 
littie uapgeqaitqen, als fip enblip ein mitleibi* 
ger garnier feiner erbarmte. 3i e ßt foitnte er 
menigftenS arbeiten. Hlbcr and) mit ber Hlrbeit 
tarn bie Htuße nipt mieber. 2öie fo tnanper 
©proergepriifte ßat bureb Hlnflreugung unb Hlr» 
beit fein fieib auf Hltigenblide uerqeffen lönneit; 
aber mer fip felbft unb uipt nur fip allein, 
fonbern aup anbern baS Sletib bereitet ßat, finbet 
eben nirgcnbS 9tuße. gafob tßat feilte Sflipt 
nap ßräften. Sem garnter fiel baS HBefett 
feines HlvbeiterS feßr auf; benn er ging allem 
Serteßr mit anbern aus bent 2L ! eg unb fupte fo 
biel als möglip bie Sinfamfeit. Cft hörte ber 
ber garnier ißn fproere ©etifger ßerbovftoßen 
unb ßatte tiefes HRitleib mit bem armen HJtann. 
3mar mußte er bie Urfadje teS ÄummerS nipt, 
fupte aber bop bem Hlrmeit baS Sehen gu ber* 
fußen, mo ißm baS möglip mar. £>ätte ißm 
bop $afob feine ©efpipte ergäßlt, eS märe jeben* 
falls gu feinem HIP hl gemefen. 

Ss mar ntittlermeile ber Sommer gur Htcige 
getommen tmb 3iafob faß nur nop trauriger 
unb leibenber aus. Ser garmer ßatte ißn bis 
jeßt mit grageu berfpont, enblip hielt er eS 
aber bop fiir’S Sefte, ißn nap feinem Stummer 
gu fragen. 

„Sage, Safob, Stt blidft iinmer fo traurig. 
HBiflft Sit mir bertrauen, maS Sip quält? 
Sietleipt tarnt ip Sir rot beit." Stit biefen 
©orten roanbte er fip eines HJforgeitS au gofob, 
ber gerabe baS Sieb füttert! 

gafob faß ben rooßlmeiitenbett Statin mit 
feupteu Hingen an, fpüttelte traurig ben ßopf 
unb maitbte fip ab. Ser garnier mar gu gut* 
ßergig, um ißn mit meitereu gragen gu quälen. 

IX. 

Hirn anbern HJtorqeit mar gafob fpurloS ber* 
fpmunben unb ßatte beinahe alle feilte £>abfeiig« 


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652 


Gin ©pfer ber $eibeufdjaft 


leiten, bie allerbingi uid)t gerabe bebeutenb ma« 
teit, gurüdgelaffeu. ®em Farmer fam bie ©ad)e 
rounberlidj bot, unb et laut gu bem ©djluß, baß 
3atob irgenb ©tmai auf bem ©etoiffen haben 
müffe. 

3afob mar in bet Stacht noch auf unb babon 
gegangen als ein wabtei ©üb bei Jammers. 
UBobiu et jeßt im £erbft geben fotlte, mußte et 
felbft nicht. Stur eine» mar ihm Har, er müffe 
fort, et fönne ei nicht länger auibalten. 2ange 
tonnte ei ja fo nicht mehr mit iljm Währen. 
Oftii^er ober fpäter mußte er feinem Stummer 
erliegen, b.ii geftanb er ficf) felbft. ©eine ©langen 
mareu tief eingefunten, feine £aare erftaunlidj 
fc^nefl gran gemorben unb bie Haltung mar eine 
jientlidj gebeugte; furg, er mar roäljrenb eiuei 
©oinuteri um jefju Sfoßre älter gemorben. 

@o fd)lid) er fiep bai roenig anjiefjenbe Sljal 
hinan, mo bie fjarin gelegen mar. ©in Heiner 
©ad) floß langfam tljalab unb auf beibeu ©ei« 
ten roud)i milnei ©efträudb unb fonßigei Un« 
traut. $er Sßeg mar nidgt gerabe angenehm 
unb führte oft burct) $id unb $ünn. ftür ben 
ameritanifd)eu fjfußgänger giebt ei ja überhaupt 
nur einen fieberen ©leg nub bai ift bie ©tfeu» 
bahntinie; biefe aber ift ein feljr ermübenber 
tJußroeg. 3tafob maulte nur müljfam bormärti. 

Unb jeßt traten noch f^recflichcre ©über ali 
utoor oor feine ©eele. <§r fab fein ©leib unb 
eine Stinber am ©ettelftab, Don allen ©tenfdjeu 
beradjtet unb berftoßen, unb baüon — mar er 
allein bie Urfadje. (Sr ali ©ater butte bie ©ei« 
nen elenb gemacht. ©3ie mar ei nur möglich, 
baß ©ottei ©erechtigteit ihn noch auf ber (Srbe 
bulbete: maruin butte fie ihn nicht läugft Der« 
niebtet ? (Sr butte ei ja Derbient. 

Ohne auch nur einmal auiguruljen, mar er 
bii gum ©benb fo fortgeroantt; benit über ben 
foltern feine* ©eroiffeni unb ben fcbredlidjeit 
©buutafiebilbern mertte er tauin, mie matt uitb 
febroud) er mürbe. Ulli eben bie ©onite unter« 
ging, näherte er ficb eiit?in Keinen ©täbteben, 
bai in bem Sljale lag. ©d)on fab er ben Dtaud) 
Don ben Slaminen auffteigen unb babei fiel ibm 
ein, mclchen greujenlofeu junger er bube. 9todj 
eine Heine ©trede fdjleppte er ji<h mübfnin fort 
unb ba mürbe ihm fdjroärger unb feßmärjer Dor 
ben Singen, er fudjte roeiter gu geben, aber bie 
Strafte Derfagten; feine ©inne fchmanben, er 
manftc unb fanf mit einem tiefen ©eufger be« 
wußtloi gufammen. 

2lli er erroachte, befanb er ftcb in einem febr 
einfach möblirten 3immer in einem angenehmen 
©ett unb fühlte fid) tobtmübe. Stebß ihm maren 
noch Derfcbiebene Stranfe unb »ein freunblidjer 
SBärter im 3'mmer. Seßterer mar ginn ©liid 
beutfdj unb Don ihm erfuhr 3«tob, baß er ficb 
im iwipital befinbe. 3G3ie mar er nur hierher* 
getpmmen ? 


3afob mar beroußtloi auf jener ©teile liegen 
geblieben, unb fo butte ihn ein ©tann gefunben, 
ber bort Darüber ging, ©tan brachte ihn foglcicb 
iu’i fjofpital unb flickte feine Sebeitigeißer mir« 
ber gu ermedeit. ©i maren aber jeßt bereiti 
fünfunbbreißig ©tauben bergangen, ali 3atob 
mieber gum ©eroußtfein fam. Stuf ©enefung 
mar b>e* nicht mehr gu buffen, beim ber ©rgt 
ertlärte, baß alle jtröfte, mahrfcbeiulidj infolge 
fernerer ©utbebriingeit ober großen Jtummeri 
aufgerieben feien. 3afob fühlte fein ©nbe naben 
unb aui feinen ©lidrn lai man bie ©ergmeif« 
lung. Säglich mürbe er fdjmädjer unb elenber, 
unb bagegeu bulf auch bie befte ©flege uicbti. 

3n ber fünften Stacht bemächtigte ft<h feiner 
eine ©eelenangft fo fdbrcdlid), baß erben 2Bär» 
ter bringenb bat, bo<b bei ibnt bleiben gu wollen. 
(Sinige ©tunben feufgte unb jammerte er faft 
unauigefeßt, unb auch bie Sroftmorte bei 2öär= 
teri tonnten ihn nießt beruhigen. 

„Sür mich ift ferne Hoffnung mehr! 3<h 
bin berlorenl 3<b betbiene bie £>öflef" hauste 
er Dergmeifelt. 

©ine 3eit lang ftarrte er DergmeiflungiDoll 
biitaui in bie St(idjt, bii er um ©titternad)t 
bläßlich frampfljaft bie ,f)anb bei SBärteri er« 
faßte unb ib>t mit einem fcbrcdlicben ©lid anfab, 
ber aber milber unb matter mürbe. 

„3<h muß fterben — ich fübl’i; — bai f>erg 
brid)t mir — ba auf ber ©ruß liegt’i. — O, 
ich bub’ meine Familie entehrt, — febmäblicb 
im ©tidb gelaffen — unb fanit’i nicht mehr än« 

bem.-®er Stummer bricht mir bai 

£>erg.-Sb«n ©ie einem ©terbeuben eine 

SBobltbat:-©djreiben ©ie meinem ©leib 

— nach meinem Sobe, — baß ich — an ge« 
brodjenem £ergen geftorben fei, — megen meiner 

f (roßen ©ünbe. — ©agen ©ie ihr,-mie 

ehr ei — midb gereut habe, — «nb — fie mirb 

mir bergeben.-©<b, fie — mar iminet 

fo gut. — O ..." ©i fehlte ihm bie Straft, 
weiter gu fptedben, unb feine ©ugen fanten ihm 
auf einige ©ugeitblide gu. 92od) einmal öffnete 
er fie linb hauchte mit gebrochener ©timme: 

„0 — meine — ffinber, — mie-" ®ie 

©timme Derfagte. 9todb einige ©lale Perfudjte 
er bergebeni gu fpreeben. 9tocb ein bergroeif* 
lungiboller ©lid nach bem ©Järter, ein febmerer 
©euiger unb — er mar nicht mehr. 

©o enbete ber eiitji fo geartete ©ürgermeifter 
bon St. 9tur einer trauerte für ihn, unb bai 
mar ber ©Järter. Ohne Sbränen mürbe ber 
©arg in bie ©ruft gefeutt nub feine ©luine giert 
ben Keinen £>ügel. lieber bie ©eele but ber 
9lflmäd)tige unb ©eredbte unb ©näbige ben Stieb* 
teriprud) gefällt. S)ai mar ein Opfer ber 
S e i b e n f <h a f t. £>üte 2>id), greunb, baß 
S)ein <5nbe ein febönerei fei. - ©ei linb merbe 
ein ©briß- 


—Digitized-toy 


Google 




Pr Bnöprl ut be JUohtt. 


653 


Pe Imipcl ut bt Höhlt. 


/“kll meer *it ©talpör," fä flartoogt 3o^en, 

Tfl bo (am pt berftört to #uu8, „all meer ’it 
SOtalpör, nu iS be flitäpel ut be fllotte 
faden!" 

„SBieber nids," feggt fiene §roo, „icf meente, 
bat b<r ©raub toär, ÖS Su bar fo $cll§( anlopen 
lamft." 

„Stille ban ©raub," feggt 3od>ett, „baroör 
bewahr uns ©ott; mie funiien ja nitp mal tlep. 
beu un Mann fcptau, um Site binanuer to 
frigen." 

„Sett St nu man erft bal un brinl ’n flopp 
Sb«-" feggt fiene Mne ©taree, „Su büft gaitj 
beraltereert." 

„38 of gien Söuitner, mien flinb," flennt 
Soeben mit ’n poge Silipt, „mi geibt ot nidS 
börbi. S’iS bau Sage nett fejj SfBeefe, bat uitfe 
gobe ©afior begraben iS, un nu fallt be flnapel 
ut be fllotte; icf fegg Si, nett bi be ©aftor fielt 
©rab iS be bal falleit, un bet ’n ©att in be ©rbe 
reten ban bree ffoot. 3<* ttieet mijfe, bat be ode 
£eer bar nodj in be ©runb bau triüt bet." 

Soeben fette fid in b’ fjörn, floppte fiene ©iepe 
un brunt ’n floppte Spee nu paplbe beepe Söul» 
len ut bat Stöbe, ’un fiene ffroo fcpmitfterte un 
ja : „Si fo, mien Sung, nu banip Si be Irufe 
proden man ban be Stceru weg, annerS mot icf 
ja nodj mal mit ’t Strififer fomeu, bat Su ’t 
©efiibt meer glatt frigft." 

„|jefl goob fcpnafeit," feggt Sodjeit, ftet unfe 
öde £>eer roegfalleu iS, liggt alle Saft allein up 
mien SdjullerSman iiunertüSteit bebarte pe 
fid botp fepmet ut aS ’n ©adooen, un paffte be 
Sorgen un be ©rillen mit be Sabafsroulfen 
meg. 

Mner ©törgen gung be Siinne peller up, 
man bi flartoogt Soeben maS ’t betrutfen fiiicpt, 
un mau tuuit pum be beepe ©ebaitfcu unb fmare 
Sörgeit anmarten. Se grote flneept ©erb fä : 
„ltnfe ©uur iS bau ©tijrgenS mit ’t berfeprte 
Seen böran to’t ©ebb ut|tappt," un Sinne ©taree 
fä: „©aber, unfe leebeit $eer gibt uns fo’n ino. 
jen Sag, un Su fitft ut, aS bree Sage Stegen, 
meer, pejt Su meer ©tufenüften in be flop ?" 

,,©e," feggt Soppen, „gien SJtufenüften in be 
flopp, man beflnäpel in be ©tage; nu fegg iitS, 
mo mot bat mit be flnapel ?" 

„Ser meer in!" feggt be ffroo fört of, „ber 
meer in! mat annerS ? pör, Soeben, menn Su 
Si Sroarigfeiten inafen bäpft, roor roi ’n goben 
©aftor meer pertrigen füllen, bat tun id ber. 
ftapn, man bat Su Si Stacptfiplapen um be olle 
flnapel terbretft, bat geit mi boip adto miet." 

Socken fä, pe mud bat niip adeen up fiep nep. 
men, pe mud be ©teente baröbet bagen up bau 
MenbS fejj Üpr, un bat be pe beim ot. 


Se fiiloige Stoenb fllotte fejj fatten be ©uuren 
ban’tflaSpel alle binanuer in be „patbe ©taan", 
um ober be flitüpel to beraben. ©rft gung bat 
©efpräf ober bat ieeme»florn un be poge fianb. 
ftrateuumlagen un be ©eepprifeit un be Sroine. 
fraufpeit, bann fpvatfen fe ober baS fcmöllanb; 
be (Sen parr be ©teierS ©rer penbroept un be 
Seite fett; be Sinnet parr fielt Stiid in SJtaben 
liggen un fe müden morgen menueit, menn’t 
Söeer bleeb ; be Sarbe maS ad bi’t Sroälen, fe 
parren’t Stamibbag ad in SBiffeit tregeu, un 
maffeu tegen Sloenb anfangen to oppern; be 
©eere maS ad mit tmee Spann bi’t Snföpren 
meft un par bat eene ©ulb ad pglb bull; — un 
fo gung bat rnieber pen to föben Üpr, bo fä flarf. 
bogt Sotpen: 

„2öeuit ji pum nu nodj fepn miden bann morb 
bat Sib, fiS nu noep leept." 

So dünnen be ©nuten ade up, un gungen to 
be flartpofsport in na be UnglüdSftä un beteten 
bat Spid. 

„jjei ji fien Ceben fo mat fepen !" fä fffraitj 
SBulfor, „bree Qfoot beep ftiftel in be ©runb, 
anto in unfe feliae &eer fien ©rab!" fllaaS 
©ettelfamp fä: „Sat fo’n Sing bor tomal ut. 
faden tunn, be bee of tregen parr, be parr ot ’n 
goben patt." 

„©tat lieft bat ©att in be fllotte nu grot," fä 
ÜBiöm flörte, un aS fe nu ade 11 a hoben feiert, 
feggt ber lauge fjrieberf: „Sferme £>ötpte! bat 
belob id jo, ’t pebb leber, bat pe be Sprung matt 
pet, aS id." 

„Stett afferat," feggt flunrab ©uSfer, „bien 
Spriffen ban ©eenen maffen ouftoben aS 3$* 
iötelS, man roenit be peele olle fllotte bor iS an. 
fetten lomen maS, bau hoben up bien flopp, 
bann parft Su Si na ’n nepe Slapniüße ot niep 
meer umfetett." 

So fpratten fe ober bat ©ebnd, blot SoponnS 
ban’t ScpattpuS fä nidS nid), pe maS bau beep. 
benfenbe Slrt un teef ntepr bp bat ©rab ban fien 
goobe ©aftor a§ up be flniipel, uit flarfbogt 
Socpcn matte fid of fiene ©ebanfen un fä: „Sa 
ja, ’t gibt fid mat to beleben, mel parr bat boept! 
bör’n Söeef ob mat no<p beibe up pör ©ofteu, un 
nu binanuer in be ©runb." Samt gungen fe 
fadjte na be „patoe ©taan", un aS fc ut ’t ©ten« 
gel ©eer ’n Söge bapu un be ©iepe ftoppt par. 
reu, bo fä be flartoogt Swpeu : „Stu, flinuerS, 
mat biidpt jo ?" 

„Sa," fä Stettelfamp, „pe fad ber jamol meer 
in moten !" un Söultor fä: „©tat bop mi mit 
’n fllotte fünner flnäpel;" un ©uSter fä: „Stett 
atterat, be ode Sunge pet ad menuig Scplag ut. 
beelt, mepr aS unfe ode SUtejter, man id reten, 
pe tann’t noep mol meer maepten;" un be Slnuern 


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654 


lUrlsrttljer Sdjulknaben pot 80 Saljrrn. 


mafien bar o! alle böv, int Jochen Snrloogt fä : 
„$e harr bor o! fo ober bodjt, «n fiene ftvoo 
|arr bot of tneeiit. ©Jan mat faiflft Tu beim, 
©cbattbnfer ? «Du ^eft be flüiige Woeub ttod) ejicii 
©Juitb open bahn, iS Ti be Simpel of ut be 
Sloffe fallen?" „©itt noch iu’t ©cet," antmorbe 
^obanueS, „id beide, 1114 t be olle Simpel, bat 
um» 1111 ofprot, id beb bar up be Sarfbof ’n gnn 3 
aitueru Simpel tut be liggt mi fmar up’t 
£>art. ©aßt 11 p, mat id feigen loiH. Tat reine 
(Soaugelium bat is be olle grote Sloffe, be l)et 
fo’it bartelten Slang, be ^ört man fid nicb fatt; 
uit be ©aftor, be bat 2 öorb prebigen beibt füoer 
nn echt in ©eeft un Srad)t, bat i» be Sitäpel in 
be Sloffe, be bum anfleit, bat be fien bartelten 
Ton giot. Un menit nnf’ |>eer ©ott 1111 fo ’11 
treuen ©aftor ofröppt, bann i» be Simpel 11 t be 
Slotfe fallen; bann paßt up, bat be ber toeer in 
filmt, atttterS i» bat doangeliiim ftumiu, un böt’ 
jo oör bat neemobfebe ©roteitanteiioolf, be be 
grote Sloffe fiuiiim bebben miileu, un inifleit bat 
olle reine ©uaitgelium offdjaffen, 1111 jo allerbanb 
SDipfeS un netje ©ieteu Pörmafeii. Te bangen 
jo be Toren Pull pan ©eilen 1111 ©cbapsflotfeit 
uit Soblpotten un tüillen jo bor roat mit Pör* 
pingelit." 

„ s Jtett afferat," fä Stturab ©tisfer, 111 t Söul» 
for plinfte mit be Cgeit un fä: „Hei jit in’t 


2uur?" un ©ettelfamp fä: „Taufe für Obji, 
id biln antterS ’n Seeobebber Pan Sohl, benn 

Spccf uitb Kotjl 

iEtjut £cib unb Seele rooM, 

matt för biffe Soblpotteit bebanf id mi boeb. bat 
giot fmalle ©offen unb bide fiieoen un SSBaUr» 
foppen." 

„SEBabr is’t, toafjr is’t," fä Sarfbogt Soeben, 
„roabr is’t, mat ^obanne» ©djattljufer feggt bet, 
un mine fjroo bet bat of feggt. Unfe olle $cer 
bet tut» alle up’t £>art brageit as mi bum 11 p 
Rauben, un bet bufettbmal beben, bat ( 5 ^viftu -3 
un fielt rein (Snangelittm bi uns blioeu tnug bet 
ait’t @ntte; meint mi nu mit neemobfebe ©iugelce 
aitfuitgcn Iper, tut bat olle (Soangelium as ’tt 
ftuiiiiue Slolfe bangen leeteit, bann toürb be 
nitb blot trillen in be ©runb, aS bo be Simpel 
bi bum bat fut, bann rniirb be fid liod) in’t ©rau 
umfehren. Utt nu abjüS, Situier, itütnS lat 
fid ’u tieemobfcben ©Jiub um be Sopp mcibett, 
ooer aibt Tage fattt mi meer binuaititer, tun to 
feljn, bat mi meer ’n echten Sttäpel itt be Slolt 
triften." 

©0 befcbloteu be ©uttren, 1111 unf’ ftcer ©ott 
gab fien ©egen barto, tut nab ’n Pörbct 3 «br 
majfen be beibe SnäpelS ber meer itt, litt be 
Stoffen giutgeit na aS oör bartelf utt moi. 




üntloniher $djulhuabfii m 80 lahmt. 


9t«4 ffrommel, eingefanbt 

t in ©ater mar auf ©djlojj ©irfeufelb auf 
beut JgmnbSriid geboren, baS bamalS 311 
©abett gehörte. Ter ©voßoater, ber bort 
j tttarfgräflidber ©amneifter toar, tuitrbe 
im l^abre 1799 nach SarlSrufie perfekt uitb 30 g 
mit feiner fffantilie bortbin. Ta mar allerbingS 
bie febönfte 3eit für ben ©ater Porbei. Tenn 
auf ©cblofe ©irfeufelb mar Freiheit, SBalb unb 
gelb; groifdjen ©ferbett, Silben, ©d)afett uitb 
Hübnern trieben fid) -bie ©ttbett be» Sanbbait» 
tueifterS mit betten beS gorftmeifter» uitb @e= 
ricbtsaftuarS tttnber, bie alle bort mobitteu. Dimt 
auf einmal mußten mir herunter in bie enge 
grabliitige SSefibeiti, bamalS eine ©tabt mit 
12,000 Siitmobnern, mo jeberbeit auberit fannte. 

Ter Hauslehrer oerließ uns, mit bem fiebboeb 
noch immer über bie ©tunben rebeu ließ, menu 
er and) ben roenig empfeblenSmertbeit 9iatncn 
,,Od)»" führte; ftati beffett ging eS in bie ©dpile, 
in ba» batttalige „Lyceum iÜustre“, ba§ nicht 
mcit Pont ©pitalplaß mar. Ta gab’s gleich bie 
erfteu Tbrätieit bei beut gejtrengen Server uitb 


oott 3 . 9tülfnt I« ©remett. 

bei ben ©Jitfcbülern bie erfien Sümpfe. Tenn 
e§ mar in SarlSrube nicht attberS, a(3 roie itt 
anbent ©dptlen; man utu|te ft*h ben ©ittlaß 
erfämpfett. ©3 gebt bem ©üblein, mie ©ieifter 
©odler, bem £abn, ber auf einen fretitbeit C>of 
ober Tuttgbaufeu fommt, uitb ftih in manchem 
ritterlichen ©trauß erft bct§ Itansrecht erobern 
muß. @iit Uinftanb aber oerfcblimmerte bie 
(Sache gemaltig. 

Ter ©roßoater, ber feiner 3«rt lange itt 6 itg* 
laub getoefen, batte eine befottbere ©orliebe für 
biefe» 2 anb unb feine ©itten uttb fleibete be»» 
halb and) feine Subett engliM). 6 itt blaues, fei» 
ttc» 29äm3d)en über bie ©ruft, ben Hafö offen unb 
ben meißelt ^embfragett breit über bas ©Jam» 
gelegt, toeiße Ciofen, ©chube, auf bem Sopf aber 
nur fursgefchnitteue Ciaare uttb fonft nicht« ba» 
rauf, lein iput unb feilte ©Jiifte, fo sogen 311 m 
©dped ber Sarisruber Spceiflett bie englifirten 
.fnttibSriider auf. Tenn bie SarlSrnbcr ,,-fccrrii 
©üben" trugen große lange Uebetröde mit gel» 
ben ?(uffchlägen aut Sragett unb au allen Gden 


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iUrin alt» JftUHtrltin; 


655 


beS SRodeS, welker über bie flniee ging, gelb» 
leberne Seinfleiber, bie über bem fl nie gugelnöpft 
waren, große ©tulpenjliefeln unb f^warje Oolje 
£a(3&inüen, aus beneit ber Stopf mit s JJiiif)e her» 
ausfdjaute. Oben auf bem flopfe pomabifirte 
unb gebrannte Soden unb lange 3öpfe, bie bi» 
auf ben ©oben reichten, meint fie baS tjödjfte Stoß 
ber ©cbönbeit Ratten, auf bein flopfe ein brei» 
ediger |)ut im ©ommer, uitb im SOßiitler eine 
bide ©elgfappe mit langem, üben überliegcit» 
bem ftudjsfcbmang, fo ftiegen bie (Singeboreueu 
baöer. 

@o fain’S benn bälb gu ©^Jägereien unb bie 
3 öpfe mußten gehörig bran glauben, bis enblieb 
ffricbe warb. Um 10 Ubr erhielten bie Steigern 
ein tJrübflüd, beftefjeub in einem ©lafe SÖein 
unb einein ©tüd warmen ©raten, baS bie Se» 
bienten iin ©c^ulpofe feroirteit. Oft er^ä^lte 
uns ber ©ater, wie bie anbern minberreicben gu 
einem Söder wanberten, ber in ber Sähe bcS 
Spceum» wohnte. Oer badte „©algmedeu" unb 
„£örtt(e" unb um’3 Seujabr ber um bie „OainOe» 
bei", Stiiunfein unb Fräulein in Sreßelteig. Oa 
pafjirte «3 ihm einmal, baß er über bem '-Baden 
einfcblicf utib fämiitllicbe Oam6ebei$ fdbmarg oer» 
brannten. Oie 3frau fällig bie ^iiube über 
bein Stopf jufaininen, als fie ben ©ajabeu befab 
unb rief: „Staun, eS ift alle» b' |l l" Gr aber 
befann fid) unb fagte: „Stutter, geb’ unb rupf’ 
bem ©odler feine fdjönften Gebern au». Stopf» 
fibiittelub ging bie grau hinaus unb halb bürte 
man baS ©eminfel be» &abu§. 

2113 fie bie geberit brätle, nabm fie ber 
Sädermeifter unb feßte eine nach ber anbern 
auf bie Häupter feiner fcbmnrgen Segion unb 
wartete, bis er ben erften Silben gur ©djule 
geben fab. Oiefen rief er herein, gab ibm eins 


bon ben ©racbtejemplaren gutn ©räfent unb 
fagte: „Süble, beut ift OreifönigStag, ba bat» 
lauter Stobrentöpfe gegeben, ba baft bu einen; 
fag’S nur ben anbern." OaS Süblein bemuu» 
berte ben fdjmargett 2)tobreu unb geigte ibn guut 
bobeit (Srgößcit in ber ©djule. Uni gehn Ubr 
aber ftünnte bie Jfugeitb bie Säderei; äße Woll» 
ten Stobrenfopfe babeit, unb in wenigen Stiim» 
ten war ber gange Sorratb aufgeräumt, 
©dbmiingeltib fagte aber ber Söder: „©iebft 
bu, grau, eS fommt biel auf ben Samen an, ben 
man einer ©a<be giebt," momit berfelbe eine 
große Sßabrbeit auSgefprocßen. 

So troden unb pbilifterbaft bie bamalige 
©tabtjugeub auch auSfab, fo fpufte boib in bin 
bejopften, pomabifirteit flöbfeit aßerbanb Su= 
benmutbwiüeii. 3n ber fRcfibeng mar and) ein 
Sbeater, unb babineingugeben eine Spauptfreube. 
2lber woher baS Selb nehmen? Oa gab’3 nur 
ein Stittel, unb baS war felbft mitfpielen. grei» 
lieb ftaub feiner bon ben Subeu auf bem 2b f a s 
tergettel, foubern fie famen unter bie ßtnbrif 
Solf u. f. w. Unter 21nbenn war ein beliebtes 
©tiid „Oonaumeibcben", in melcbem tangenbe 
©tide bortommen. Schnell waren bie £mnbs» 
rüder jungen bereit, einen folgen m.t (Smpfiu» 
bung gu fpieleu. 2lifo hinein in ben ©ad, unb 
bafür baS näcbfte Stal einen gveiplaß im 
Obeater. 2lber ber unglüdlidje ©ad war nicht 
feft gehöht unb plaßte mitten in ber Sorftelluug 
im jlb^to beim Sangen. Oer Oufef, bee 
SaterS Sruber, purgelte au» bem ©ade heraus 
bor bie gufdiauenbe Stenge, bie ihn fofort er» 
fannte unb wie aus einem Stunbe erftaunt rief: 
„OaS iß ja grommetS ©buarb!" OaS gab gu 
Öaufe eine ©eene unb bie Sretter würben ber» 
boten." 


Ulelit alte* Pütlerleto, ober: pa* töcmiflVu im ganbel. 


Suf. 19, 20; 1 3Wofe 39, 9; 2 9Rofe 20,12; 0$>r. 14, 34; 

3M- 4, 6. 


3 mtf). 6, 33; 8, 44; 2 9Hof. 20, 16; 


iac 6 St&enbS !atn ein iunger SOlenfd) su mir," 
ersdhlt ein Sßrebiger, „ber feit einigen 3Roua= 
ten in einer Speaereibanblnng angcftellt war 
unb bem Verlauf oblag. S3 mar fein elfter 
$lab, unb fein ©err, ber ihn fvcunblicfe behanbelte, 
hatte |tc() alle 9Mühe gegeben, ihn in bie ©anblung 
ein$ufübren. Sr forberte aber von ihm gewiffe ® iuge, 
bie biefer für unrecht hiett, unb ohne bie e3 bod) un= 
ntöglid) fein füllte, ben ©anbei oovtheilhaft iua= 
eben. SBenn j.S. 3emanb!am,mnehoa6su faufen, 
fo füllte er e3 an ber ftletbung, an bem 9luc'jchen 
unb an ben SGBorten merfen, ob er ben 2Bevth ber 
SBaare fenne, im anbern 5all ben hofften $>vei$ 
verlangen. SBenn man fid) über beit hohen $rciw 


oerumnbertc, feile er antworten: „2Bir haben e-3 
nie billiger gegeben" — ober aiuh: „5)a3 ift ber 
ftoftenpreiS; ©ie werben e3 nivgenbö billiger be= 
fommen." Sincr gewiffen ßlatfc een ßäufevn 
gegenüber füllte er immer suerft ein drittel 311 viel 
verlangen, in ber ©offnung, man tverbe besah 5 
len, uub nur im duherften Salle feilte er hinunter^ 
gehen unb bann lagen: „9Biv verfichcrn @ie, wir 
verlieren babei, allein wir thun e§ in ber ©offnung, 
Sic werben un3 3hv Zutrauen fd)cnfen." — 5 luv 3 , 
feine Aufgabe war, 311 lügen unb 311 übcrvovthcileu. 
ÜUollte er c3 nid)t thun, fo unterlieft e3 fein ©evr 
niemals, ihm feine UnAufricbcnhcit 311 bezeugen. 
Oft hatte er ihm feine Gebeuten betannt; allein 



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656 


Ptriu altes fttiitterlem. 


bcr Kaufmann lachte ihn au6 unb fagte, er fei eben 
ein Neuling, bab fei eine angenommene Sade, unb 
3cberntann mache eb io, — er fei tu bem $anbel 
nod) unerfahren. — „3,<h iveife wohl, ba& tdj ein 
Sßeuling mn*" faßte ber iunße ÜSann gan$ betrübt. 
„3«h bin auf bem 8anbe eraoaen Worten unb fenne 
bie SBelt nicht. üMeine Knitter iit eine arme 
SBittme, bie nid)t viel an meine (Srsiehung hat wen= 
ben tonnen; aler ich weift, bafe fiebieje ©anblungb= 
weife nicht billiaen mürbe. 6b mürbe ihr Kummer 
machen, wenn fie wftfete, bafe ich oenotbtöt bin, ade 
Üaae folcheb su thun." 

®)er iunße 3Sann fraßte mich um SRath unb er- 
aShlte mir oom Urtbeil feiner SDiutter. 3<h er¬ 
widerte ihm: 

j,3<h bin überseugt, bafe 3hre 2Rutter nicht adeiit 
frommer, fonbern auch verftänbiger ift alb 3hr 
©err. geigen Sie bem Stathe 3brer SÄuttcr!" 

w 91ber bann werbe id) meinen Vlafe verlieren; 
ich bin für ein 3«hr gebungen, unb meine 3eit ift 
nod) nicht aub." 

„9lun ßut, laffeit Sie nur 3hren Vlafe fahren. 
Sie finb ohne Zweifel bereit, 3hren Verpflichtung 
gen nachaufommen; Sie haben fid) aber nid>t vcr= 
pfücfetet, au lüften unb au betriißen. Saften Sic 
3hrem ©errn, eb fei 3hnen nicht gleidflültia, ob 
Sie ©ott beleibiften ober ihm wohlgcfädig feien, 
— ob Sie bem Vater ber 8üge ober bem wahrhafte 
flen ©ott bieiteten." 

„ffienn id) fo au ihm fpvüdje, fo mürbe er ntid) 
auf ber Stelle entlaffeu, unb ich mürbe ohne 3ln- 
ftellunft fein!" 

„903ab thut bab? ©raben Sie Kartoffeln aub, 
pufeeit Sie Schuhe, fehreu Sie bie Straßen, unb 
thun Sie lieber SlUeb, alb ba§ Sie einer fold)en 
Verfud)unft unterließen." 

„Slber er faßt, alle Vielt thue baffelbe, unb man 
tonnte fonft aav nid)t ©anbei treiben." 

„®ab ifi nicht mahr. 6b ftiebt überad ehrlidie 
Seute, unb man fann im ©anbei fo gut wie anberb= 
um ehrlich fein. SBenn übrigens ein 3Keufd) nicht 
auf ehrliche SBeife ©anbei treiben fann, fo fann er 
babei nid)t in ben ©immel fommen. ?tber id) mie- 
berhole eb, feine ^Behauptung ift burdjanb unrichtig. 
Sie finb nod) imift, wenn Sic aber barauf ad)teu, wie 
eb in ber SGBclt auflebt, jo werben Sie fehen, bafe 
Seute wie 3hr ©err aerabe nicht bieien»flen finb, bereu 
©anbei geteiht: wenn er fid) nicht ändert, fo wirb’b 
in furaem fdlecht ftchen mit feinen ©efdwften." v 

„O, er ift ein gewandter SJcanit," faßte ber 3üng= 
Iiitfl lädelub. 

„®er Teufel ift and) nicht buinm, unb bod) ift er 
ber größte £iwr von ber aanaen 2Belt. Seine 8ift 
hat ihn betroßen unb macht, bafe er ewig banferott 
wirb. ©r ift ein fo grofecr 8üßner, baß SRiemanb 
ihm ftlaubt, fclbft wenn er baju fdjwort. Vielleicht 
wirb eb 3hrent ©errn einiae 3eit bienieben aut 
gehen; aber, wie bie Schrift faßt, erwirb in Ver- 
luchung unb Stride fallen, wie ade bie, weide veid) 
werben wollen, ja, er ift fdwn hineingefaden, unb 
wenn er fid) nicht befehrt, fo ftftrst er in’b ewige 
Verberben. 2Bab aber fein seitliches ©lücf betrifft, 
fo bin id), ohne ein Vrophet su fein, überzeugt, baß 
biefer üMann snlcfet au ©runbe flehen wirb, ©eben 
Sie ad)t, unb benfen Sic an uiid), wenn Sic ihn 
in swanjifl 3ahrcn in ber ftrmutt) unb Vcrachtunß 
fehen." 


„SBarum fllatiben Sie bab ?" fraßte ber iunße 
SMenfdj ga»$ erftaunt. 

„Um feiner ilnreblichfeit widen. Seine Kunben 
unb bcfonberS feine beften werben nad» unb nach 
oon ihm flehen, weil fie fich auf feine SBorte akbt 
oerlaffen tonnen, unb feine Süßen werben ihm mehr 
Verluft alb ©ewinn susieheu. ©b ßubt in bet 
Stabt wohl ein ®ufecnb Seute: ßauffculc,ÜÄefeßcr f 
Spesereihänbler unb Sdmciber, bie ich uicibc unv 
immer meibeu iverbe, weil fie mich einmal belogen 
haben. 3d ermahne meine grau unb meine fiin- 
ber, baffelbe sn thun, unb wenn irgenb ein greiinD 
6rfunbißiinßen über fie bei mir cinsieht, fo feige ich 
ihm, wab ich weih unb warne ihn oor benfelben." 

®er jmiße 3Mann fd)ien fehr niebevßefddagen. 
w 3d) weife nid)t, wab ich anfaitßcn follte, wenn id» 
meinen Vlnfe verlöre," faßte er; „mein ©err ßiebt 
mir fo fleinen Sohn, bafe id) fanm mein ^foftflelb 
bcaahlcn fann; meine SOlutter forßt für meine filci* 
bunß, unb wenn id) ben Vlafe verliere, fo weife ich 
nid)t, wie ich nur einen SKouat mein geben triften 
follte." 

„Sefecn Sie vor adern 3hr Vertrauen auf ©ott. 
©tauben Sie, er werbe Sie vcrlaffen, ivcil Sie 
3hrcn Vlafe verloren haben au3 ©ehorfam ßcnen 
feine ©ebotc? ©ewife tiidd, fo banbeit er nie. 
Sitten Sie ihn, bafe er Sie leite. Veten Sie?" 

„3a, id) habe eß einiße 3)fal ßethan. 3?adi einer 
Vvebißt, weide id) vor einißcu SHonateu ßchort, 
ftnfl id an ben ©errn su fuden." 

„Srlauben Sie mir, bafe id) eine graßc an Sie 
richte, unb antworten Sie mir aufriddiß. ©at 3hr 
Verlaiißcn, ©ott su fliehen, nidit abßenbmmcn, al3 
Sie ßenotbißt waren, feinem ©efefee uiißchorfam 
SU fein ?" 

SÖadbem er einen Äuaenblicf nachßebacht, ant= 
wortete er: „3d ßlaube faft." 

„So wibciftreben Sie bem heiligen ©eifl nicht 
(änaev!" antwortete ich ihm. # 

2ßir fpraden noch ernft mit einanber weiter, unb 
ich übersctiflte mich .halb, bafe feine täßlidcn Ser= 
fudniiißen ihn au einer aufrichtigen Sinneoänbe= 
runa gchinbert hatten. 9?ad)bem er mit grofeem 
Srnftc sußehbrt hatte, wab id) von bem fpvacb, wa§ 
ba§ ©efefe von unb forbere, unb waS^e Suabe beb 
ßvauflelittmb unb anbiete, fraßte er mich: »Unb 
nun, wab rathen Sie mir su thun ?" 

„3d rathe 3hncn einfad, gehen Sie löieber in 
3hven 8aben, unb erfüllen Sie treulich 3hre Vflid* 
ten, aber lüften Sie nicht, ffienn 3htten 3hr ©err 
Vorwürfe macht, fo antworten Sie mit Sanftimith 
unb 9ldtting, Sie feien bereit, adeb su thun, wab 
fid mit ben ©eboteit ©ottcb vertrage; Sie fonnten 
aber unincßlich lüften. 3ft er verftänbifl, fo wirb 
er Sie bafür nur um fo mehr achten, wenn er aber 
ebenfo thoricht alb flewiffenlob ift, wirb er Sie halb 
entlaffeu. ®ann fliehen Sie einen anbern Vlafe; 
aber vor adern thun Sie Vufee unb glauben Sie an 
3cfum Shriftum." ^ 

®ab fd)liifl burdj. ®er 3ünglinß fuchtc von ba 
an ben ©errn unb würbe ein cutfdicbencr Gbrjjt. 
Sein Vviusipal, bem feine 9?eblichfeit mifefiel^u^ 
liefe ihn balb. 6r befam aber einen anbern Vlafe 
unb uuirbc, nachbem er fich burd) feine fRechtfdaffens 
heit unb feinen Verftanb im ©efehäfte aubgeseid)neti 
ein anaefeheiter Kaufmann. 3<h fomme nie mÄ 
ihm sufammen, ohne bafe ich uiidj feiner geiftißen 


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Um $amitt. 


657 


Fortfdjritte tinb bet Sichtung, n>ctrf>e et genieht, 
freuen föitntc. ©ein ehemaliger £crr mctcfye fiebeit 
Spähte nach unfetet erften Sufamnienfunft Sanfc= 
xott uub verlor nicht allein lein Sermögeu, fonbetn 
and) bic allgemeine Sichtung unb lebt in gana bürf= 
tifleu Umftänben. 

©einem alten SMütterlciit — beim fo nannte ct 
auS Siebe feine SMuttet immer — habe id) bie Stuf* 
ridjtigfcit unb bie Scfebrung bicfcS iiutgen 9Ken= 
fdteit immet augefdjriebcn. Ohne ben ©ittfluh, bcu 
ibve ftommen Selebrungcn auf ihn auSgeiibt, batte 
et mich nie aufgefud)t, unb in meinem etften ®e* 


ff3täcC>e bentetfte ich febt balb f bah ttid)t$ einen fo 
mächtigen Siitfluh auf ihn auöiibtc, alS bie 6rin= 
nerung au feine alte SXuttcr, beten SRante no<h iefet 
in allen feinen ©efprädjett tvieberfebrt. 

3» biefet ®cfd)id)tc, barauS alle jungen ©cfdjäftS= 
leute ein Seifpicl nehmen, alle ©cciforger lernen 
fvüctt, tvie groß ibt (Sinfhifj auf bie in evnftev Ser= 
fud)ung ftebenben Jünglinge ift, auS bet abet auch 
gar lieblid) unb tröftlid) au feben ift, bab 9Rutter= 
liebe, SRuttenvort unb SKuttergcbet wie eine ÜRauer 
ben mebrlofen ©obn au febiifeen vermögen. 


* 


Jtm ft atuitu 

-o$o- 


Ober an nett. 

Gingefanbt Von ©. ® u t b, 93orft Sielt. beS (Eine. 2)iftr. 

3ßo i no bi jung gtvea, bo bau i iitirS ttaut 
uit bab mi im ©piegel alS ®oftor oft b’jd)aut. 

91 fd)ötieS ®iploma bätt i gat au gern g’bätt, 
tvo ©UeS fid) biufelt, non unta ruffchaut — 
ober au nött. 

®e ®ofterbut bat io fdjo SKandjer befomma, 
bet mit beut Sau einet (Sallefdte begonna. 

2Ba$ giltö? bort fteefa ®ofterhiit nob mehr, i mett, 
— tvenu ettglifche Settern mi belfa ginn ftontma — 
ober au nett. 

2BaS i gleruet in be verividjette Beita, 
freilidt, fanu mit fei ®iplotna beteita; 
föebräifd), griedjifdb latein ftebt vor mit am Srett; 
feil müht i fdjo letita ttob, fo mit be 3eita — 
ober au nött. 

Sout ©dwlmcifter uff müßt i halb a = tu a n a s ita 
jnm Sräfioenta — mi nött au blantira; 

©tied)ifd), lateinifch, englifd) uit beutfeh — beS 
Quartett 

tonnt i atuar leibenblid) fdjo c o n i u g i r a — 
ober au nött. 

30?ei ©tetn ifd) iut ©teiga, fell®iplonta ®i, ®i, 
beS bau fie venuidta in’S ©auS gefchidt für mi. 

SBie tvacfelt mit feitbev ntei ©ütle fo. nett! 

3. 81 — S’ beuget fid) adjtungSvollft 3eber iit’S 
Änie — 
ober au nött. 

Sßufcantuenbu ng. 

Sjhnciber, tveutt reiten tuillft, fattel bein’it So d 
Fübt’ bein’ ©aiS ncbeitbct, reit* im ©alopp — 
SBatunt beitn nött? 

Slittetifa, Slittetifa ! SBie grün fittb beitte Slätter! 
Sfeubo ffiiplotna fpenbeft bu aunt ©aubium bet 
©pötter! 

Exit. 

WiUJ ein @mnb. SEBie Piel unb mannigfaltig 
bie ©tiinbe auch fein mögen, auS melden bie Seute 


ui bie ©cfättgniffe toanbertt muffen, fo ftebt hoch 
getvih eiuaig in feinet Slrt ba ein SBiener ©dmeiber* 
gefell, welcher, toobl cttvaS butt von ©ebciit, fich 
bet guten Sflege tvegen in bvei 6boleta=Saaaretbe 
eiitaufd)leid)en gemuht batte ohne tränt au fein unb 
fdjliefjlid) in gerid)tlid)eÜntcvfud)ung geaogen umtbe, 
uue auf bet Sorlabung tvöttlid) ftanb: „wegen un? 
befugtet Slumahung bet Gbolera." 

$11$ ©uflati ©traufjeitö 5ititif be3 ßvang. 

3obauni^ gelefeit batte, fdnicb et: 

^©dt biefeS Sud), ba§ ctv’ge SBabtbeit ift, 
ein lugcnfdnvattgver ©itoftifet gcfdjriebeit, 
bann bat 3abrtaufcnb lange 3eju^ Sbvift 
beit Teufel butd) Seelaebub vetttieben!" 

»u« ber 3nfhuf«ouSfhiube. SBatum ftedt ein 
©olbat, tvenu et mit bet ßcifenbabn buvd) einen 
Suitnel fährt, ben Äopf nicht aitm geuftet hinaus? 
„®amit et bcu SCuttttel nid)t bcfd)äbigt." 

2Baö tbut ein ©olbat, tvenu er attö Setfebett 
feinem Sieutenant auf ben ftufe getreten bat? w gt 
tbut eine Ohrfeige friegen." 

^ie ftutterfprmhc tlingt unter Umftänben tvie 
eine ftentbe Sprache, tvaS man an folgettben tafd) 
biuteteinaitbet au fptechenbett ©äfeen probiren fanu: 

?lal afe et; ©upp’ah et; lange Stale ah fie. 
Sieb! uue näht fie; berSWabe habt fich; berSlff 
näht auch. SÜfäbt bet 2lbt audh 4>eu ? 

«in ejfd iu eiue SBlumr bfrtuanbdt? SBcnu baS 
attgeben fanu, bann mag ®artvin’S Sebte von bem 
Ucbcvgaitg bet Sitten hoch tvobl richtig fein. 3a baS 
fantt jtefdtcben, ift gefcheheu. ffiettn audt geivobn- 
lidje ©tetblidte eS nid)t tbun föitncn, hohe Obtig= 
feit fanu eS. SliiS einem fiibbeutfdjcn ®vtfe tvitb 
itäntlid) berichtet, bah ein Siutvobncr SJatueuö 3v= 
bann ßfel fid) an bie ^Regierung getvanbt batte mit 
bet Sitte, au geftatten, bah et unb feine fed)ö ft ins 
bet an ©teile beS bisher geführten Familiennamens 
„©fei" fortan ben Stauten w Sluute" fübten. ®ie 
SRcgietttng bat folihe Sitte genehmigt. 

®ihtlrr batte in feinen 3uf}cnbiabreit einen 
Steunb, bet glaubte tvobl attd) btchten au fönnen, 


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658 


Um Hämin; 


/ 


er hatte eS aber nod) uid)t flcpvofciret. $113 bet 
Sidjter einmal wieber im oertrauten Steife einige 
feinet ©ebidjte oorgetragen tinb bie Vewunberung 
aller geerntet hatte, liehen feine Sorbecren bem 
greunbe feine 9tuhe unb berfelbe bejchlofe ernftlid), 
nun auch einmal einen Verfud) gu wagen unb ben 
VcgafuS gu befteigen. golgenben SageS attrapirte 
ihn Schiller jufällig hei feinem erften dtitf. 63 war 
an einem heißen Sommernadnnittage, alS Schiller 
hei feinem greunbe eintrat unb ihn an feinem 
Schreihtifd) filjenb unb fchwifeenb über einem %« 
pierblatt im feiten Sd)lafe antraf. Seife fd)lid) fid) 
bet Sichter heran, unb neugierig, waS fein greitnb 
wohl im Sdnoeifee feinet SlngefichtS ftubire, fdjqutc 
er über feine Schulter auf baS Ißlatt, unb warf ehr 
ühcrrafcht, auf bemfelhen ben erften bichterifchcn 
Verfuch gu finben, weldjcr alfo lautete: 

„Sie Sonne fenbet ihre Strahlcnfpifecn 
Üffiohl auf beS 9Rcere3 tiefftcu ©runb." 

Offenbar hatte ihn bie unbewohnte Arbeit fehr 
angegriffen, beim er fdmarchte tief. Schiller nahm 
fad)te bie gebet unb fd)rieb barunter: 
r[ Sie gifdje fangen an gu fchwifecn, 

O Sonne niad) eS nid)t gu bunt!" 

Saun fd)lid) er unbemerft oon bannen, wie er 
gefommen unb fo ift Ieiber92iemanb3engc gewefen, 
waS bei* Sd)läfer für klugen bemacht, alS er er« 
wadjte unb baS ®ebid)t ferüfl fanb. 

Bi# fiir’n ftojif? ßin ©utSbefifeer fanb auf 
einem ?lder ein Sfelett, welches er für ben ftopf 
ciueöftinbeS hielt. SBeil er nun permuthete, eS 
läge ein Verbrechen Por, fdjidte er baS Sfclett, in 
einer Schachtel perpadt, an ben benachbarten Ve« 
girfSargt mit ber 9luffchrift: „ftinböfopf!" 92ach 
einigen Sagen erhielt er bie Schachtel gurüd mit 
ber neuen 2luffd)rift: „Sd)af3fopf!" 

Difegliuftc ®§?p#L ,,©ört, ftinbev," faßte bie 
3)2ama, „wenn heut* Slbenb ber neue Onfel gum 
93efud>c ba ift, fo bürft 3hr mir nid)t pon feinen 
©aaren fpredien — merft’S Such wohl!" — 2liu 
3tbenb bei Sikh fabte nun ber fleine $lbolf, per* 
Willibert nach beS ÜnfelS ftahlfopf geißenb: »5tber 
9Mauta, ba halt bu heut’ früh gefagt, wir foUten 
nid)t pon beS Onfcl3 paaren fpredjcn — ber hat ia 
bar feine!" 

Bau ergäljlt, bafe granfün, alS er anfinb gu fht« 
biren, gerne gang gewöhnlichen ©adieu hoddlin« 
benbe tedmifefee 92ameit beilebte. ©ineS 9lbenb3 
theilte er feinem Vater mit, ba§ er üDJolluSfen per- 
fchludt habe. Ser bute 3Hann war hierüber nid>t 
wenib erfrfwoden, nahm feinen Venjamin beim 
Sinne unb Yief bie ©auSgenoffen gu föilfe. Sie 
SMutter fam mit loarmcm SBaffev, ber ©auSfucdit 
ftürmte mit ber ©artenfprifee herbei. 53a3 bie 
übriben mitbraditcn, ba rüber fdjweibt bie 9Rpthe. 
Sie pereinten fträfte arbeiteten nun eine halbe 
©allone (!) ® aff er in beS armen VcniaminS foalS 
hinunter, hoben ihn an ben gufefohlen in bie .frohe 
unb fchüttclten bann au3 SeibcSfräften, wahrenb 
ber alte granflin änbftlid) bemerfte: ,,'IBenn wir 
bieShicre nid)t herauSbefomnten, wirb nufer Vcnnp 
oergiftet." 2113 fie cnblich heraus waren unb Ven« 
iauiiii erflärte, bafe befaßte Obicfte Sluftcru feien, 


oerwaubclte fid> bie ängftliche gürfovge beS VatcrS 
in würbigen 3ovn unb ber Sohn ma&te Vefannt« 
fdmft mit bem Sofferriemen. 9Kan fügt noch bin* 
gu, bafe graitflinS Sprache pon Da an aufeerorbent« 
lieh cinfad) unb oerftäublidj gewefen fei. 

Bie ritt ftönia einem and ber Bibel «nt« 
ttiortet. Sbnig niidjarb pon fenglanb hatte feinen 
®egner Philipp Pon granfrcich in einem bluti= 
gen Sreften btfiegt. Unter ben ®efanaenen u>ar 
and) ein Vifdwf, ber in Poller SBaffenrürtung gegen 
bie ßnglänbcr gefod)ten hatte. Sönig 92id)arb 
bad)te: „2öie id) bkb fiitbc,- fo richte ich bid)!" unb 
lieh ben geiftlidien ©errn mit ben anbern graiuofcn 
hübfih in’o ©cfängniö wanbern. SaS hörte Vnpft 
ßöleftin III. unb fd>ricb in barfdiem Vefehlöton: 
„Sieb mir meinen Sohn gurücf!" 9?id>arb liefe bem 
Vifd)of ben ciferiien Vanger, ben berfelbc in ber 
Schlacht getragen, auSgiebcn, fd)idte bcnfclbcn burch 
eine ©cfanbtfÄaft an ben $apft unb fchrieb bagu 
1 s D?of. 37, 32: ^Siefen haben wir gefunben; 
fiehc, ob e3 beineö SohneS 9iod fei ober nicht!" 

ßin feöfrr 2mdPfe(!rr. 9(m Schiffe eineS fRechen« 
fchaftöberid)tc3 ber ßifenbahnbireftion gu 9K., wo¬ 
rin biefclbe fich bebcutenb herau3gcftrid>en hatte, 
machte ein Pom Scfcer falfd) gegriffenes l ftatt f 
einen fatalen Streich. 63 hiefegulefet: „Sie uu- 
tcrgeidjncte Sireftion hnt beui obigen ^Bericht ni^tS 
mehr hingugnlügeu." 

Soltairr’S ftritif. 6in Sidjterltng, ben ooritefe 
men ©efellfdKiftSfreifen pon VariS ungehörig, hatte 
Voltaire miebcrholcntlid» mit 3pfcnbuugcn feiner 
bichterifchcn gabrifatc bclaftigt unb beftürmte ihn, 
wo er ihn fah, mit Vittcn um eiue Veurtheilung 
berfelben. Voltaire fonnte fid) enblid) ben ftürmi= 
fdjen 3mnuthungeu rieht langer entgiehen unb per« 
fprach, ba3 lcbtgefd)idte ü)2antifcript gu lefen unb 
mit einer Sritif gu perfehen. Ser Sid)terliug war 
glürflidj unb perlebte einige Sage angenehmfter 
Spannung, ba er Poll erfreulkhcn SelbftgefühlS 
nid)t gweifclte, bafe bie Veurtheilung eme günftige 
fein werbe. 9(m pierten Sage langte fein aWanu« 
feript, begleitet Pon einem gievtidjen Villet Vot 
taire’3, wicber an, unb lefetercS lautete Piclocr« 
fprcchenb: ^chhabeJihrcSidjtung aufu.crffam ge« 
lefen. 9)?etne ftritif befchränft fid) auf Sifgung 
eines einzigen Vudiftabcn, womit gleidigeitig mein 
Urtheil über baS ffierf gegeben ift!" Ser Voctafter 
warglüdlid). „$n!" rief er ftrahlenben VlideS 
auS, „baS nenne id) einen Srfolg! 9Jur eilt Vuch« 
ftabe getilgt — fonft älleS tabelloS — in ber Shat! 
eines weiteren, atiSgefprochenen UrtheilS bebai*f eS 
Seitens eincS fo fritif^en ©eifteS, wie ©err von 
Voltaire, heran feinen eigenen 3)2anuferipten u m 
bamtbergig gu ftreidjen pflegt, uid)t!" Unb mit por 
Ungebnlb gitternben föänbcn öffnete er baS 9Wanu« 
feript uiib bnrdflog feine 3cilcn, um ben getilgten 
Vuchftabeu gu entbeden. 3lber Vlatt auf Vlatt 
mufete er PcrgebcnS umfchlagcn, bis er enblid) auf 
ber allerlefeten Seite Vudntabe unb Urtheil fanb. 
Voltaire batte im ©d)lufewort “fin M (ßnbe) ben lefe« 
ten Viidiftabcn biuthftrid)cn, fo bafe nun ber per« 
bleibenbe Üicft “fi M (beutjeh: pfui!) ein ebenfo nach« 
brüdlid^3 alS unerwartetes Urtheil über baS iui« 
glüdlidje Sichtwerf auSfprach. 


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fröuenjtitung. 


659 


$a$ Älter ber eitvopäifdtfu unb auhereuropäifdien 
^Monarchen [teilt fiel) 3 »r 3eit wie folgt: Äaifcr 
SBilhelm Don ®eutfd)laub ift 86 3abve alt, bet 
Jtonig bev Siicberlanbc 66 3abve, ber töonig Don 
®änemarf 65, bie ftenigin Don ßitglanb 64, bev 
fiouig Don Sßüvtteinbevg 60, bev tfaifer Don Sra= 
filien 57, bev Äloniö Don Sachfcu 55, berftönig Don 
Schweben unb Norwegen 54, ber Staifev Don Ocfiev= 
Yeid) 52, berftouig ber Selgier 48, bevßönig oon 
Sovtugal 44, bet fionig Don Siumanicn 44, bet 
Sultan bet Sfitfei 40, bet Äöuig Don Italien 39, 


bet Äaifev Don Stuhlanb 38, bcrffouig Don Sapcvn 
37, bet ilonig Don ©riedjenlaub 37, bet ftonig Don 
Setbien 28 unb enblid) bet Äöuig Don Spanien, 
bet evft 25 3al)te alt ift. 

©<W3 einerlei, „ffiillft bu Sdwiah obet Sutter, 
Srifec?" fvaßte bie ©Jeifterin ibven fiebvling, als fic 
bie Stullen 311 m ^Ibeubeffcu fdnnieven will. — „Ift 
i3 allend cinjal, Stau SJeeftern," antwortete bev 
flcine Sftffifud; „Td)inedcu bl)if id ja bod) nifd)t 
baoon r 




Jratit tt; dluttg. 


3 n brr tarnen * Stabranftalt 311 SNorbevncp ift, 
offenbar Don )oeiblid)et £>anb gefchrieben, folßenbet 
Scvd an bet S 3 anb 311 lefen: 

Unb bleibft bu fifeeit, o’9J?ägbelein, 

®cnf nid)t, bah oevfeblt bein lieben. 

63 ßeben nid)t alle Strauben ÜBetn — 

63 um 6 and) Siefinen ßeben. 

®ie3 (fine ift fid)ev unb gaii 3 gemihr — 

28ie feilt’ e3 and) anberd fein ? — 

63 jdnncdeu alle Slcfincn fftß, 

®od) jauev ift mancher fficin. 

3 «t ttortorgtftbrtt vt $arbaitgrr 14 geftattet bie 8 an- 
besfitte nur foldien 3Räbd)en |id) 31 t Detloben, )odd)e 
baden, fvinnen unb ftviden tonnen. ®iefer Sraucb 
bat 3 itrSolßc, bah cd in jener ©egenb faum ein ein- 
3 tge 3 SKäbcheu ßiebt, melcbed nicht fdjon tut eiltet 
Don fünfzehn fahren Dollenbete Sieiftevin in biefen 
fünften ift. ®cr febnfiidfidimlle ®vang, tn bie 
Sdjaat bev ©bcftanbdcaiibibatinnen aufgenoiumcn 
31 t werben unb ben Sefabignngdiiachmeid füv bie 
©audmuttevfehaft 311 evlanaen, ftacftclt bie beiraths^ 
luftißen Södjtev bed 8anbc3 31 t foldjcm ßifcv an, 
bah iie ed fd)on fvüb 3 eitig 3 uv Sivtuofitdt in biefen 
nützlichen ©antterungen bringen. 3Ber bott auf 
Svcievsfüheu acht, bet ift 311111 Soraitd fidjev» baß et 
eine Frau ine ©aud befommt, meld)e bie SWatuvU 
tätdprüfung im Spinnen, Stviden unb Sadcn 
“cum laude” beftanben bat. 

Frauenfreie. 

®er Frauen Seele gleicht bein tiefen SKeevc: 

Ob fdmell etteßt lieh feine SBcllcn beben, 

63 ebbt bie Flutb — unb ruhig U'icbcr fdjwehcn 

Stuf feinem ©vitiib bed £>immeld Sterncnbcete. 

2 B<u|olbt. 

Glue $iihma<heriu in St. ?outd im Staat SDlif* 
outi bat in ibvem A>ausbalt eine 3 bee 311 t prafti= 
eben Äusfübvung ßebvacbt, welche hübet iebenfa 113 
mit ald „Devfebvte SSJclt" betrachtet worben märe. 
Sie fotßt näinlid) für bas ©elboerbienen unb be^ 
ßiebt fiel) ivüb Don 8 Ubv an in ibr ©eidiäft, mäb- 
venb ibv ©attc, bet feine red)t ptaftifebe gfanfccs 
natut 311 befifecn febeint, babciin allen uurthfcbaffc 
lieben Arbeiten obließt, Gr ftebt ftub bei 3 eitcn 


auf, macht Feuer, räumt auf, beforßt bad Fvühftürf 
unb hält bann toabvenb betSibipefcnbcit feinet Stau 
ba3 ^au3 in febönftev Ovbnunß, fd)cuert, umjdjt, 
bügelt, fod)t unb wartet ba3 Äinb. Seine ©attiii 
evtbcilt ibm ba3 befte Bob unb faßt, ev mad)e alled 
im böd)fteu ©vabe nett unb fauber, Dcvftcbc aud^ fo 
ßut 311 foebeu, ba& er c3 mit icbcv Stau in bev Stabt 
aufuebmen fbnue, unb rätb allen D)citfd)weftevu, 
beten Scannet fid> Don ibven Stauen erhalten taffen, 
auf baä brinßenbfte an, fie auf biefe SBcifc nüfeiid) 
311 machen. 

$ie fünigliihe 3 udrrfibalr. 9 Rau fdweibt bem 
„®. S)f.=Sl. M aus bem vaag: ®ie iungc Königin 
Don ^ollanb, bie Schweltet bev fo früh Devblidjcncu 
Sviiueffiu 9 )?arie Don 2 Balbed=Spvmont, führt mit 
ibvem ©einabl ba 3 bavmonifd)fte Familienleben. 
®ie iugenblicbe Süvftin liebt bie febonen fünfte 
unb bat c 3 namentlich in bevSKalevei 311 einet be^ 
wunbevn 3 iDCttben Sevtigfeit gcbvadit. So übev= 
rafd)te fie ben 5 lönig 311111 SBeihnadjtsfefte mit einem 
prad)tDollcu, Don ibv eißcnbäubig gemalten Sov= 
3eUan=SevDicc. ®cv bobe ©etv umv Don biefev uu= 
eriDavtcten ©abe fo entiüdt, bah er bc 3 ®anfe 3 
fein Gnbe muhte unb nod) am felben ^Unrnb feinem 
Devtraiitcu flammevbiener bie Sorge füv ba 3 fünft- 
levifebe ©cfd)enf auf bie Seele baub. „®iefe 3 Ser- 
Dice," faßte ev, „ift füv mid) ba 3 föftlidifte Älemob 
unter allen Äunftfcbäfeen, weld)e id) befifee, unb 
mein 3*>rn wirb uncrbittlid) ^eben treffen, bet mir 
etioa 3 baoon 3crbrid)t. ®ev Unglüdlidie loave fo= 
fort fcinc 3 ®ienfte 3 entlaffen." G 3 Devgingen eiutge 
Sage, unb cine 3 S 3 iovgcn 3 erbat fid) mit beftürjtcr 
SDJienc bev ftammevbicnev eine ^lubien3 bei ber Sic- 
nigiu, um ibv 311 beruhten, bah er ba 3 Unglüd ge= 
habt habe, Don bem foftbavcu Sevoice bie 3 udev= 
fd)alc 311 3crbvcd)en, unb bah er nun fürd)te tom 
SouDcran fofovt entlaffcn m werben, ^ulbooll 
inbeh muhte ihn bie iuiige Süvftin 311 tvoiten unb 
befahl bent geanaftigten ®icnev, ibv ein Släfd)d)cn 
jene 3 flüifigen veiine^ 31t bringen, ba 3 inan in 
Franfrcicb unter bem troftenben Siamen “ne pleurez- 
plus” befannt ift. ®ic Königin muhte mit gvoher 
Äiunftfevtigfeit bie aerbrochenc ®ofe wicber 3ufam= 
men3iifügen, unb fo pavabivte fic nod) am nämlichen 
SKotvßen auf bem füvftlichcn Stfihftüdstifd). ®er 
ftoitig traut feinen jbee, ald plbfelid) feine ©e= 


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660 


frcrantpitung. 


mabliit fiel) erhob, bie geleimte Bmferbofe in bie 

§ anb nahm unb fie mit allen Beiden tiefiten ßr= 
ireefen# gn Voben fallen lieft. „^Dfaieftät," faßte 1 
bie Sfönigin, auf bie Scherben ber loftbaren Schale 
beutenb, „SRaieftät, bin id) nun and) meine# Äuttc# 
entlaffeit?" — „Oh," fagte ber Äouig, berftänbnifts 
innig lächelnb, „Sie finb ein Sngel — pleurez- 
plusr 

Sie botbariftofratif^c SEoditer beS33?iötonenf6nifl8 
Vanberbilt machte in Saratoga,bem Sammclpunft 
ber feinen ©eit, ihrem Vater eine abfäütoe ©emer= 
fung über bie 2lrtigfciten, welche er an eine höd)ft 
elegant gefleibete, aber burch bulgäre# Auftreten ihre 
niebere^lbfunft oerrathenbe® arne berfdjwenbet habe, 
bie fid) ihm al# eine Sefannte borftcllte. „©a# 
muffen bie Cetite bon un8 beulen/ Vater," meinte 
ba# hochmüthige Sräulein, „wennfiebidj mitfokher 
Vertraulid)fcit mit einem ©eib berfchren feben, 
ba# nod) bor wenigen fahren mit ©eflügel in beit 
©aufertt haufireit ging?" ,,3d) erinnere mid) red)t 
wohl an biefeit Untftanb, mein $inb," antwortete 
ber3)?annber ungezählten ^Billionen, „aber ich habe 
eheitfo wenig bergeffen, baft Deine grau 3Kanta einft= 
mal# in 3wb ben äBatrofen Vier au#fchänfte, ba# 
©la# au brei ßent#, währenb ich mit felbftgefifd)tcn 
8luftem in beu Straften hauffren ging. Statt und 
uitferer Vergangenheit gu fchänteit, follen wir un# 
barüber freuen, baft wir e# burch Steift unb ©lud 
foweit gebracht." 

Ser «rmtjirtnj na n ^reuften beftichte in VegleU 
tung feiner ©emahlin bie 2lrheit#fd)ule eine# unter 
ber ^ßrotection ber ifroiwringefftn ftchenben berliner 
Sagar#. „©ogu bient bie Heine 8abe unter ber 
Wäbmafdjine?" Jntg ber Vring ba# niebliche Sräu- 
Ieiit, welche# an berfelbeit eine Arbeit au#führte. 
„6# bient gunt Slufbewahrcn bon SMafchinenbeftanb* 
theilen, lonigliche ©oheit," Jsefam er gur Antwort. 
3)tit rafchem ©riffbie 8abe aufgiehenb, entbeefte er 
gu feiner gröftten ©eiterfeit in bemfelben ein Stulle. 
„3ft bie8 auch etwa ein SRafchinenbeftanbtheil," 
meinte er l&d)elnb. „©ewift," antwortete fchlagfertig 
bie junge ®ame, „bie Stulle bient ja gum 3ufaut' 
jnenhalteu ber Veftanbtfteile be# menfdjlidjen 5J6r= 
ber#." „SRait lieht," faßte ber Vring fdjmungelnb 
gu feiner ©einahlin, „baft ber Umgang mit Wäh= 
mafchinen auf ben weiblichen ©eift eine günftige 
©irfung äuftert." (Srtöthenb quittirte bie gewanbte 
Wähmafchinennbmbhe ba# fchmeichclhafte ßomptU 
ment mit einem auftergewöbnlich tiefen ihtid#. 

hrrol}(hf§ Wätuhru. 9Ban fdjreibt au# ® ör#* 
borf: ©ie ein junge# ©äbdjen brei Surfchen an 
SRuth unb Varmhergigfcit ftbertroffen hat, babon 
folgenbe Sbatfache. Vei ber groften Ueberfchwem^ 
mung hatte [ich ba# ©affer fo fehr ßeftaut, baft e# 
gweiSuft hoch in bie ©ohnung einer armen ©ittwe 
einbrang. ®ie ©ittwe rief für fich unb ihre gwei 
Äinbcr um ßülfe, aber oergeblid), obfehon brei Sur= 
fdien mit ©afferftiefelu angethan am ©affer ftan= 
ben. ®ic 20jährige Tochter einer ©ittwe bafelbft 
bat bie brei Vurfdjen, bie bebrängte Stau unb ihre 
fiinber gu holen, aber bergeben#; ba wagt fich ba# 


SKdbdien burdi bieSlnth, holt bie Srau jumjrenfter 
herauf trägt fie 20Suft weitburdfba# tiefe ©affer, 
unternimmt noch gweimal ben gefährlid)en ©anß 
unb rettet bie beiben Äinber. ©ätten bie brei Sur= 
fd)en ftch auf ben ffieß gemacht, fo beburftc e# nur 
biefe# einen ©äuge#, währenb ba# braue SKäbchen 
ben ©eg ohne ©af ferftiefel bretmalße 2 
hen muftte. Äur (Shre be§ üKäbchenS fei ihvSßame 
hier genannt, fie heiftt © i l b e l m i n e 2W e n ß e S. 

Ser »rieftnarfmfammelttmth fcheint eine neue, 
ebenfo aeiftreidje Sicbhaberei eine gefährliche ßom 
cuneng bereiten ju wollen# eine Siebhabcrei, bie er? 
wiefenermaften thren Urfbrunß im Äöbfchen einer 
bretjehnjährigen Vewborfcrin gefunben hat. ®ie 
üöeftfcerin biefeS St obfdienö war bon bem ßhtßeig be= 
feelt, irgenb eine ßolleftion ihr eigen gu nennen, 
wekher oer ßharafter auSgefbrodjener Örißinalität 
innewohue. 3m Suchen nad) einer nod) nicht ba« 
gewefeneu 3bee larn ihr ber leuditenbe ©ebanfe, eine 
Sammlunß bon 3ournallöbfen angulegen. ®er 
fiobf einer Bcitung ift belanntlich jener Iheil beä 
23latte8, welcher tu grofter Sdnrift beffen Manien, 
bie Slbonnementbbcbinßuugen, Sahrgang,Kummer, 
®atum u. f. w. enthält. 3n aller Stille madde 
fie fich an6 ©erf, unb halb hatte fte in einer Weihe 
bon SoUantcu bie ftattlidje 3ahl bon etwa 2000 
3ournalföbfen au§ aller©enen Sänber unb in allen 
Spradicn beö 6rbball§ bereinigt. ®a belanntlich 
l'appetit vient en mangeant,fo erllärt bie 3«haberin 
biejer Sdiäfec, nicht eher ruhen gu wollen, bi$ fie 
minbeftcnS 25,000 flopfe in ihrer Sammlung 
bereinigt. (SS ift bieS fein ®ing ber Unmoglidifeit, 
beim inSlmerifa allein erjd)einen gegen 10,000 3eU 
tungen. ®anlberingeni6fen3Kift aud bem Vnnfee- 
lanbe, bereu 3bee gunächft bort rajehen Entlang 
gefunben, erfmlieftt fich ber franfhaften SannneU 
wuth ber Beitgenoffen ein neue# fcegebvenSwerthe# 
Biel. Wod) ift bie Sriefmarle nicht tobt» unb fchon 
ertönt ber Stuf: lebe ber 3oumallobfi 

Sie ftirgifen haben ihre althergebraditen Sitten 
auch heute nod) mehr ober minber erhalten. Bu= 
weilen werben bie Sornehmften einc^ Stamme# gu 
angcfchcncn Wuffen eingelaben, u»obei mau fich oft 
uid)t wenig über bie naiben ©emerfnngen ber Stc^ 
benfohne gu amüftren bflegt. So hatte ber ©ouber= 
neur bon Orenburg unlängft einen flirgifenchan jur 
Safel gefaben, unb bem ßhan gegenülH!r faft eine 
fehr bübfdje junge Srau, bie ©attin eine# mjflfdien 
Offigier#. ®er iJtrgife wanbte lein 8luge bon ihr, 
fie gefiel ihm aufterorbentlid), unb ba bie fiirgifen 
ihre Swuien laufen, lonnte er ftd) nicht enthalten, 
au#gurufen: „Saufenb Sd)afe würbe td) für biefe 
Srau bort geben!" ?(lfe$ lachte über biefe uugc' 
fünftelte Sewuuberuug, unb ber ©ouberneur, fer 
ftch. einen Sdierg mit feinem nncibilifirten ©aft 
machen, ober benfclben bielleid)t in Verlegenheit 
bringen wollte, fragte ihn, tnbem er auf feine eigene 
©emahtin beutete: —„©ie bicl giebft bu aber wohl 
für biefe?" „0, ©err!" berfefete ber ßhan, ohne 
fich gu befinnen, „frage ba# nicht, fo biele Schflfe 
hat feiner auf ber gangen weiten ©eit!" 



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3u $auft. 


661 


1 

Sir ©an« ttnfc ©trh 

Sie eigene ©eimath* O, eigener ©erb, bu füfceg 
Sßort, ein Baiiber fcfoliefjt bid) ein! 

(Sine ©eimath, einen eignen ©erb! wer arbeitet 
miD ringt nicht bajftr unb bod) erlangen nicht alle 
bag fiel) vorgeftedte 3W* 68 ftarh fürtlidj int Olten 
ein SMaiin im SBertb Von 20 ^Millionen DoUarg. 
SUg uad) feinem 2obe feine Sreunbe fein ©aug 
burd)fitd)ten, faitben fte eg aufg einfachfte moblirt 
unb beforirt. Der äKann hatte fid) ftreng an feilt 
©ejdjäft gehalten, unb wenig Sßefeit unb SKuffeben 
gemacht. Siit iunger SDiantt verbient 12 Doll. bie 
ÖBodjc, mit 7 ©oll. tarnt er gut leben, nimmt er bie 
erfreuten 5 Doll. unb tbut fie in einen öativereiit, 
fo erwirbt er fich im Verlauf von 5 big 6 fahren 
2000 Doll.; felbft wenn in biefer 3cit fein Sohn 
nicht erbebt würbe. 9Rit biefer Summe wäre ein 
uter Anfang gemacht. 2lbcr ach — wie viele iuugc 
eute zeigen fchon frühzeitig Steigungen zum 9(uf- 
wattb, fte wollen ftanbe$gem&6 leben, ihre 9(ti^- 
gaben fiitb oft gröjjer alg ihre Sinnabmen; an eine 
eigne ©eimath wirb nid)t gebadfi. (Sin erfahrener 
üSanit pflegte zu faßen: „Sitter tarnt fid) glüdlich 
fd)ä&en,bet fein ©cfdjaft verficht, ber eine ©eimath 
bat unb ber eine gute Srait gefrnbeit/ Slber um 
biefeg Srbenglüd 31 t befifeeit, müffen wir uitfcre ff in« 
ber erziehen. Siele Sltern stehen fchon frühzeitig 
Gewinn aug ihren ffinbern, fo bettfen fie wenig« 
fteitg. Sie werben ber Schule entzogen unb müffen 
in einer Sabrif für einen geringen Sohn arbeiten, 
ihre S3ilbmtg wirb verfäumt, wag fie nie nadjbolcn, 
unb bieje Äfmber fühlen beit SRangel an ffenntnifj 
in fpäteren 3nhren. 3u wag föitnen fie aitberg ge« 
braudjt werben, alg zur Verrichtung harter Arbeit, 
weil ihr (Seift nid)t gebilbet ift. Dieffiuber müffen 
von ber SRutter angelcitet werben, nicht allein bie 
SRäbdjeit, foitberu auch bie ff naben. Die SMuttcr 
hat in beit meiften Süllen bag Schirffal ber Santilie 
in ihrer ©anb. 3ft ber ©auSvater ben Sag über 
befd)äftigt aufeerhälb beg ©aufeg, bann wehe ben 
ffinbern, toenn itidfi bieSJiutter fich ihrer annimmt. 
Da ift bie Sdmlbilbung. Dag ffiitb fontmt ttad) 
©anfe, eg beflagt fich fiter ben Sebrer; bie 9J?utter 
laufet beut ffiitbc, anftatt bie Sache zu unterfudteit, 
arf bag liebe ff inb zu ©aitfe bleiben, big ein au« 
berer Seferer fontmt; eg ift ber erfte Schritt zum Ser* 
berheit. Da ift eine anbere äRutter, bie unterfudt 
bie Sache ganz genau, hanbelt anberg unb ihr 
ffinb ift gerettet. Dann feefd)äftige matt bie fflei« 
nen etwag währeitb ber freien Stunbeu. ff iuber, 
weld>e man früh znr Arbeit anbält, werben ttüfe« 
lidte SMänner unb Sraueit. Unb man gebe ja Slrtfi, 
wie unb mit welcher ©efellfchaft bie ffiitbet ihre 
9tbenbe verbringen. Dort fiben eineg Jlbenbg eilte 
Änjabl ffnaben im Serfted; fie legen ein wenig 
©elb zufamuteti unb einer unter ihnen wirb in eine 
Scheute gefdfidt; er holt Vier unb fie hinten unb 
raudjen bann. Sin ff nahe von biefer ©efellichaft 
wirb eincg Sonntagg STOorgeng von feinen Sltern 
in bie ffirdte gefdnat; auf bem Sßege bahin treffen 
ihn feine ffamerabeit; welche ihn von berftirche 
weglodcit, um wdhreub beg ©ottegbienfteg gute 


a m f t. 

non einer ©anifratt. 

Beit haben zu tonnen. Sie gehen nad) bem Ohio« 
flu§, finbeit bort ein tleineg S(o§ unb fc^eit fid) 
barauf; ber rei&eitbe Strom zieht bag tleute ©c« 
fährt in bie liefe, bic ©efellfchaft rettet fich, aber 
ber flehte ffitabe, ber von feinen Sltern iit bie 
ffirdje gefdndt tvurbc, erhinft. Darum, SDiutter, 
hüt* ben fleineit Sufe. Sine britte SMutter liebt 
eine bübfdte äufeere Srfdieinung. 3hre Sochter 
entfaltet ttdj toie eine liebliche ©luttte. Die 2Rut« 
ter merft bieg balb. „teilte Sochtcr barf nie 
©augarbeit verrichten/ 1 faßte einmal eine SMutter 
Ztt mir, (she shall never soil her hatids). SBie 
leicht wirb ba ein SOiäbdjcn ruinivt! Sie wirb eitel, 
will aufgepubt unb ftetg in ©cjellfchaften fein. 
Snbltch — „meine Sodjter foll einen reidjeit SMann 
heirathen," unb and) biejeg gelingt oft. 3cfet ift 
ber ©öbepunft beg ©lüdeg erftiegen, benft bie 
äRutter. ?lbcr bic Sochter! 3hr ©atte entbedt 
gar halb, ba& er an einem unglcid)cn 3oche zieht. 
Die Silbung ift veruadhläffigt, bie Sdwnheit 
vergeht ttttb — bie Shefdjeibung folgt. jn 
einet uttfever grofheu Stabte gab eg einmal beten 
nicht weniger alg fcdvzig in einer 9Boche. — 5Wod) 
ein ®tlb: ,,©utc Scad)t, ©rofipava!" rief eine 
fü§e, fleine ffinbevftimme. 3ioei junge Sheleute 
waren ztim Scfud) bei beg iDJauncg Sltern; fie 
wollten eben nad) ©aujc gehen, alg ich beit ff leinen 
horte, ^d) febe mir bie fieutc rcd)t genau an ttttb 
heitterfe tu ben ©cfiditgzügcn ber iungett Stau 
Svaurigfeit unb SEBchmuth. 3hr‘Satte frriefat 
nid)t mehr liebevoll unb järtlid) mit ihr, toie früher; 
faunt hat er ihr bag flctitfie ff inb in bie 9lrme ge^ 
legt, fo ift er fdwit braunen vor ber Shür hei feinen 
ffameraben. 3d) frage, woher foinntt itt ber tur= 
Zeit Seit biefe ffieräitberuttg? „3a ; " fagt mit ge 5 
meffeitcit SB orten ber Sater, „metn ©eittrich her 
triitft/ 3d) fannte bie gainilie; bie ffinber 
burften ihre Slbenbc auf ber Strafte zuhringen unb 
eilten jo Stritt für Sdnitt bem SSerberbctt zu. Die 
Srait rann in ber fjamilie viel, uitenblich viel he« 
Zioedcit, aber audj viel, uitcnbli^ viel vetnad)läffi« 
gen. SBolleit wir baruut ein glüdlidieg ©eim 
haben, fo muffen wir algSMütter barauf feheit, bajj 
wir bemjelhen wohlerzogene Söhne unb Södjter 
Zufuhren. 

Schwäher im @ottrd|atife. 3m Dorfe 9t. war 
ein datier, ber zwar regclinähig z«nt ©ottegbienfte 
fid) einfanb, aber auch chenfo regelmä§ig wäbrenb 
heg Orjtelvorfrielg unb mitunter and) ttod) währeitb 
beg ©eiangeg mit feinen 9tadiharn über alle mog« 
ltden weltlichen Dinge, alg ba finb SDtarffrreite 
unb SSiehhänhel, ©irthghaug«91benteuer unb Sßvo« 
zcfjgcidjichten, zu bigeutiren pflegte. 3 C lauter ber 
Santor fpielie, um fo fräftiger erhob USlauberntichel 
feine Stimme, ja, toenn ber SSaftor bereitg auf bie 
flattzcl geftiegen war, unb ehe her lebte Orgelton 
, verhallte, fein ftilleg ©ehet verriditete, ba cricholl 
, mandunal aug ber Sde, wo 9Rtd)el faft, nicht etwa 
1 ein leiieg Slüftern, fonbem eine uttaitftänbig halb« 
i laute Unterhaltung. 


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662 


Ju üanfe« 


Sieben üvbcitHicf)cu tftrdjeitgaft mußte ba3 vcr= 
bricßcit. ©anj bejoubcv-3 aber verbroß e3 ben Ov= 
ganifteu, bev mb auf feine ftunft bie Orgel 511 
„fdjlageu", viel 311 flute that, unb beut c3 abjd)culicb 
verfallt, baß ein fo unpolivter SRichel e3 nicht für 
ber üRühc tvertb hielt, auf bie funftvoü hevvovge- 
locfteit Sötte be3 ©ott fleiveibten 3iiftniment3 31 t 
laufdtett. 

,,'IBarte!" baebte er, „bidj frieg* ich brau, bu 
Bärenhäuter! ©ie'gottlofe Sreube, bie bu au 
beinern $ird)ettfd)wab baft, miu idj bir fdjott vcr= 
falten!" 

Gv wartete beit nächsten Sonntag ab, fefete Reh 
auf ba3 Orgel bätt! lein nnb rtebtete ben Hcincu 
Spiegel, ber über ibut angebraebt war, etwas tut 
Seite, fo baß er in bemielbeu nicht ettva ben fßaftor 
auf Der ftatttel, fonbern voll unb genau 3Rid)el3 
breitet bidbadige3 ©eRdjt erbfiden fomtte. ßattm 
batte er augefaitgeu, Da3 93orfpiet in faitfteu Sonett 
erflingeit 31 t lajfeit, fo fab er auch febott int Spiegel 
B?id)el3 Scbwafewerfteuge in Shätigfcit, aber bie 
9Borte tönten nod) etwa*3 (eife unb gebäinpft, üutc- 
mal 3Ridicl bodj nicht tvünfcben tonnte, baß bie 
gante Berfautmlung ihn höre. 2 Bie ein verfebmib- 
tev ffiegelagerev auf feine Beute, lauerte jekt ber 
Organift auf beit Biebermann. Unverntcvn 30 g 
er an ber Orgel ein Stcaiftev nach betn anbcrit; nach 
jebent 3ng aber verftävrte ftcf> iDIidjefä Stimme, bi3 
enblicb ber ÜBann auf ber Orgelbant alle Dtegiftcr 
glüdlich berattS batte unb bie gante Songctvalt ber 
vollen Orgel prächtig babinftutbete. ^efet war 
9Rid)cl’3 Stimme, tvelcbe gleichen Schritt getbait 
hatte, ba angelangt, mobil! ber Gatttor Re haben 
wollte. Blöfelich hob biefer bie 3 ehtt Singer von 
beit Saften unb bie Süße vom Bebal. SllleS in ber 
Äirobe wir Rill wie bie tieffte ©albeinfamfeit, nur 
attS 'üRicbel’S Gcte fcballteu mit gattter Sungeitfraft 
bie eifrig gefprocbeiten geflügelten SEBorte: „3a, 
aber auer bat a fntmmeS ©ortt!" 

SBovoit anberS tonnte eraefprodjen haben, al$ 
vom Ocbfenhaitbel unb von Der unfebönen JJopf= 
äievbe bes lieben BhftvielvS, beffen Bilb ben maderu 
9»idi:( in bie Berfainmlung ber ©laubigen begleitet 
batte? 

®:r Ganter hatte feinen 3 wed erreicht. BJidjcl 
war entfcfelicb blautirt unb mußte noch nach 3 a hr 
ttttb Sag hören, baß er von feinem frutnmbornigen 
Ocbfcn ber ganzen ©emciube in ber Sfircbe eine Riebe 
getbait habe. Gr febämte unb ärgerte ftdj über bie 
SJiaßeit, hat Reh aber von beut Sage an gebeRert, 
unb feine Ocbicit-- unb ÜRarftgefprädje nur noch 
außerhalb ber Sfircbenmauern an ben Biatttt ae= 
bracht. (Ghr. Botfcbafter.) 

611II ftom. 3Rm nimmt 2 Ouart reine $ 0 ( 3 = 
afebe unb eine ©alloite SBaffcr, thut c3 tu einen ei= 
fernen ffeffel unb läßt c3 einige Minuten fochen, 
bann febäumt man ab unb läßt c3 falt werben; 
bantacb gießt man bie reine Sauge in ein ©cfäß 
ttttb wäfcht bcu ffeffel. ©ann nimmt man 2 Ouart 
weißet SBclfcbforn, thut e3 in ben fieffel, gießt bie 
Sauge barüber unb läßt e*3 eine halbe Stunbe 
foihett, man rührt e3 öfter tun unb verfocht fiel) ba3 
SSaffer, fo gießt man hin unb wieber focbcnbeS nach, 
©ann gießt man bie Sauge ab unb fdnvenft bann 
baSÄorn einige $Wal mitffiaffer, barnad) thut man 
ba$ -SJoru in eine große Scbüffel, bebeeft e3 mit 


SBaffer unb reibt eß mit ben föäubcn, bis bie raube 
©aut gatts abgerieben, bann fpült man c3, biß e$ 
gaii 3 flar uttb rein geworben, baritarf) thut matt c3 
3 uvücf in ben S'effcl nnb fod)t eS, bi3 e$ weid) wirb, 
bann thut man 3 ulefct noch einen Söffcl voll Sali 
hinein. 

©fflüflfl. Biete ©tthuer legen währeitb be$ 
ÜBintcrS, wenn Re einen warmen Stall unb gutes 

f jrutter haben. ®ic Sbicre feilten im Stall nidit 
0 gebväugt fein unb Hefter ttttb SBäube halte inan 
rci von UugeRefer. ©amt follte ber Stall an ber 
üblidteit Seite Sanfter haben, baniit Die warme 
Biittagsfonne einbringt, ttttb läßt man währenb 
biefer 3eit bie kühner auf ben £>of 311 m Swttent, 
fo (antt utait bie Ställe reinigen mtb lüften. ®er 
„Äni. 2 lgr." eutpReblt Stvobbäcber für Siehftäüe 
wegen ber SBärnte. 3Ratt hat Re in ®eittfd)laitb 
fd)ou lange, ©ort nimmt matt 9?odcnftrohr e§ ift 
am läitgften uttb and) am reinlidtften, c§ tvirb mit 
betn ©refdtflegcl gebrofdten, ein 9Rantt hebt eine 
ungebundene ©arbe ttttb ein Änabe pufet Re au3 
mit einem fdmtalett, lang^infigen Leihen; eo wirb 
in große ©arben gebuttben ttttb weggcflellt. ©antt 
nimmt matt einett erfahrenen N 3Rattn, ber e3 vecftcht, 
Strohbädtcr 31t evridtten. — ©anu bae fjuttcv für 
©cflügcl. ©chadter Äichl unb ©rünfutter wirb 
von ben Hühnern neben beut ©etreibe gern gefreffen; 
unb Scute, bie itt beraube von SdRadithäufern 
ober Stabten unb 50?ärftcn wohnen, füllten Rd) 
billige Odtfcnfleiidtabfälle holen, al$ ba finb: Sutu 
gen, Sebcv, $er 3 u. bgl. ©iefe in einem großen 
töcffcl gefodtt unb fein gchadt, finb befonberö gut 
für kühner, bie legen, mtb nebenbei 3 evftoßcne 
Slufterfdtaleit uttb feiiigehadteÄnocben für bie Bil= 
bttttg von Gierfdtalen. ©amt ift fvübgemäfteteS 
©eRügel vovtheilhafter al3 ba§ fpäte, and) halten 
frifdtgclegte Gier im SBintcr immer einen hobeu 
ij}rei3. 

^ie Gbffrbfibnng. Gin wohlhabender 9Wann, 
ber 3ahve lang itt Sri^ben mit feiner Svatt gelebt. 
®a feine Ghe aber tinberfcä tvar, fatti er, wte 
polcott I. auf ben Ginfall, fid> von feiner ©attin 3 U 
trennen. 3 »cvft follte iebod) noch ein Scft gefeiert 
werben im .ftaitfe, 100311 beiberfeitö Srcuubc eilige- 
laben würben, „©cttii wiffe," fagte ber SRann, 
„tvtr haben in Sviebett gelebt. So nimm bir beim 
au3 meinem ©attfe mit, wa3 bir am beftett gefällt, 
auf baß bu Rcheft, wie id) fein Böfeo gegen bicb 
hege!" 

„®etn gefdiehc alfo!" fpratfi ba3 SBeib. G3 
wttrbe aber gegcjfen uttb getruttfen bi§ itt bie Dia^t 
hinein nnb viele würben vom Sdjlafe übermaitnt. 
Unter ihnen and) ber^au3hctr. ffattiit fahebieS 
fein ffieib, al3 Re befahl, ihn fanft nach ihreö 
Batevs 3>aufc 31 t tragen ttttb in ein Bett 311 legen. 
Sie aber fefete fid) 3 ttr Seite beffelbeit unb ivartete, 
bi3 er erwachte. Unb ba er munter geworben, 
wtinbcrtc er Rdi ttttb fragte: „SBie gefchicht ntir? 
2Bo bin id) ? 2BaS bebeutet bie§ ?" ©a trat feine 
Svatt hinter betn Borhangc, ber fie verbarg, hervor 
unb bat ihn, nicht itt Slngft 31 t fein, er fei in ihreä 
Batcr3 .^attfe. „ 3 ch in beine3 Batev3 £>aufe? rt 
rief ev. „®eib, wah habe ich mit beinern Batcv 311 
fdtaffen?" Sic aber fpvad) mit frcunblidien BJovten: 
„9Kcin lieber BJatin, habe ein ivenig ©ebulb unb 


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SoimtagObnUMtionen. 


663 


laß bid) oon mir baran erinnern, wie t»u befahlt: 
©o nimm au3 meinem .ftanfe mit, wa*3 bir am 
heften acfällt! 9?un gefiel mir unter allen Ätoft&ar- 
feiten bcffelben nid)t3 fo fein*, a(3 bu, unb ift fein 
©d)afc auf ber Grbe, für beu id) bid) (affen mödjte! 


3d) that alfo wie bu mir gcheiften baft !" — ‘Da 
mürbe bem äNanne ba3 $erj aufgethan, er umarmte 
fie weinenb unb nabrn fie wieber an al3 fein SBcib, 
unb fie lebten binfort miteinanber glürfüd) unb ju= 
trieben. 


* 


Sotmtagfdiul Rektionen. 


Sonntag, ben 2. ®ej. 


1 Sam. 18,1—16. 


getnb ©anl. 

1. 8tit: 1063 vorGhr., unmittelbar ttacT) ben 
in ber porigen Seftion erzählten ©egebenheiten. 

2. Ort: ©ibea im Stamme Seniamin, ©auf 3 
©aterftabr. 

3. &adjUdje ©orftemc rfititgcii: ?(uf wunberbare 
Sßeife wirb bie |5r e u u b f d)a f t 3 on a thg n *3 
eine Stufe sunt ftönigöthron für Daoib. 2Bie alle 
gübrunaen ©otte3 babin aujammenwirfen, baß 
biefer SKanit nad) ©ottc3 fernen innerlich 311 m 
Ifönige beraußebilbet mürbe, ehe äufterlidj bie SRadjt 
in feine ©änbe fam, fo füllte bie ftreiiubfcbaft mit 
3onathan insbefonbere ihn im oollften Sinne sum 
Untertban machen, cbe er ©errfdjer warb; unb in 
ber SEbat befeftißte fie in Dambbie ©efinnung ber 
Siebe unbDrciie ßcaen feinen ft'önig fo, baft fie fid) 
bi3 jur büd)ften Selbftoerleugnung, m Sejnbe^' 
liebe, erbeb. $lbcr wäbrenb Daoib’3 ©erfönlid)= 
feit, fein @lauben3mnth unb bie sarte 3nnerlicbfeit 
feinet ©ott ßebeilißten <§erjen3, auf ben geiftesuer- 
wanbten 3miatban einen fo mächtigen Ginbrurf 
machte, baft er ibn lieb gewann „wie fein eigen 
£>era", wenbet ftd) Saul immer mehr non ibm ab 
unb oerftrirft fid) in ber ©erfolgung Daoib’3 
immer tiefer in feine Sünbe. $lu3 ber 
©elbftfudjt entfpringt werft ber $eib; an3 
bem $eib wirb allmählich ber §aft unb bie 
ftreinbjebaft ßeberen, unb von ihnen qu3 
fommt’3 al3balb, fei’3 auf oerberfteu, fei’3 auf offe¬ 
nen ©egen, 311 m 9Rorb — r wer feinen ©ruber 
hälfet, ber ift ein SEobtfchläger." Dem ©eifpiel 
©aul’3 treten aur Seite bie ©eifpiele ftain’3 unb 
ber ©rüber 3 0 fepb’S. 

4. 8ur Grflaruug unb Grbanuug. 

a)Die Siebe be3 ©rinaen. ©. 1—4. 

®. 1. Da er (Daoib) an3gerebet batte 

mit Saul, ©on biefer Unterrebunß ift un3 
ftap. 17, 58 nur febr weniß berietet. G3 ift ieboeb 
flar, baft fid) bicfelbe auf Daoib’3 Familie, fowie 
auf feine frühere 8ebeu3gefcbicbte bejog, wa3 bei ber 
©elobnuuß, weld)e Saul nad) ftap. 17, 25 bem 
Ueberwinber be3@oliath uerfprodjeu batte, f au in 
anbcr3 fein founte. ©ei biefer Unterrebunß aeigte 
fid) Daoib’3 ßharafter in fo oortheilbaftem 8id)te, 
baft er fid) ba3 £>cra be3 ftönig3fobne3 3 0 n a - 
tban wie im Sturm eroberte. 3onatban, fclbft 
ein frommer, tapferer ftrieg3mann (ftap. 14), er= 
fennt in Daoib eine ibm perwanbte ©elbcnnatur 
unb gewinnt ibn lieb mit ber felbftlofen Eingebung 
wahrer ftreunbfd)aft. Sdjeinbar ltnüberfteiglid>c 


©diranfen erheben fid) trennenb awifcbeu bem fte? 
nißSfobnc unb bem föirtenf naben. 3(ber 3 oita= 
tban’3 Siebe fcbwiugt fiel) nicht nur leicht über bie 
Sdjcibewänbc bc3 StanbcS hinweg, fonbern fie er* 
weift fid) and) nod> oiel fchwcrcrcn ©robeit gnoacb^ 
fen* 3 onatban fab ben rubmgcfrontenfyvcimb oon 
feinem ©olfe mit einer ©egcifteriinß auf ben Sdülb 
gehoben, bie wohl baju angetban war, ben 9?cib in 
ihm ju werfen; aber feine auS ©ott geborene Siebe 
erftiat icbe3 berartige ©efübl. ©Johl mochte ibm 
eine Slbnung fagen, baft einft bie päterlide Ärone 
nid)t ihm, bem natürlichen (Srben bcrfelbcn, fonbern 
feinem Sreunbc ®avib aufallen fbnne. 9ltcr and) 
bie'3 tonnte feinerR-reunbfdaft feinen Abbruch Ibun. 
— Sold)e Sreunbjdjaft ift eine ©abc ©otte^, unb 
wohl un§, wenn er un$ einen folgen 3 -reunb ge= 
febenft! ift ein fdrfimmeS Beugnift für bie ®e- 
mutb unb Siebe eines 9)cenfd)en, wenn erbarüber 
fingt, baft er feinen greunb habe, ober behauptet, 
baft er feiueS Svcuubco bebürfe. 3 ft e^ and) allein 
bie greunbfdaft Ghrifti, bie un 8 fclig madd, fo bc= 
fteht boeb ein Sbeil bicferScligfeit für nufer Gvben- 
lebcn and) barin, baft wir ber feftliriien Segnungen 
ber „©emeinfdaft ber ©eiligen" theilbaftig werben. 

©. 2 . ©ielleid)t u>ar bie innige Buneigting, 
U'eld)^ Sonatban m ®aoib faftte, ein ^auptgrunb, 
warum Saul ben ®aoib bei fid) behielt unb n i <t> t 
wicbcr in feincS ©atcrS ©atiö gurürf» 
f eh reu lieft. ®aoib fpielte nun wicbcr vor Saul 
wie früher, aber feine Stellung am $ofe war ben= 
noch eine anberc; benn ber ^elbeniüugliug, ber ben 
gefürchteten liefen ©oliatb erfd)lagen unb bc$ ft 0 = 
niß'S Sohn, 3onatban, sunt greunbe hatte, fonute 
nid)t mehr in feine frühere Stellung eino unbcfann= 
ten unb unbeachteten ©arfenfpielcrS auriteffinfen. 

©. 3. ffiie greuubfdmft ®aoib’ö unb 3ona= 
tban’3 würbe beftegelt burch einen feierlid)en ©unb 
ber Siebe unb be^ ©ertraueu^, welchen fie, wahr» 
fcheinlid) burd) einen gegenfeitigen Gib, mit ein- 
anber frfjloffen. ®ieter ^rcunbjdjaftobunb war 
nid)t eine SBcltfreunbfdjaft, bei ber im ©runbe 
Gincr in bem Ünbcrn nur ficb felber liebt, unb 
egoiftifdje 3 utercffen, wie feiner 9}atur fie auch im= 
nicr feien, bad uerfnüpfenbe ©anb bilben. 3 cne 
beiben liebten eiuanbcv wahrhaft in G'ott, bem fic 
fid) in heiligen SBciheftunben 311 ®ienft begeben 
batten, unb ihre ?(nfchauungcn, Urtbcilc unb ©e= 
ftrebungen ftanben in einem oollcnbetcn Ginflang 
mit einanber. fteine natürliche Sreunbfchaft founnt 
biefer Sreunbfchaft in ©ott gleich. 

®. 4 . ®urd) bie ©efchenfung ®apib'§ mit jei= 
nein Obergewanb, ©tantel u. f. w. frönt 3 o= 
natbau ben feierlichen ?lft ber ©unbcSfdrfic&ung. 


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664 


SötmtagfdiHUMtionett. 


Nicht um ®aoib mit einer bem ©ofleben entfprechen* 
beit fileibung auSsuftatten , Soubern um thn alS 
einen bev ooritebrnften ebenbürtigen UticgShelben j« 
ehren, befdienfte Jonathan feinen greimb mit feiner 
fürftlid)cn SBaffcnrüftung. ®afj äonathan in bie? 
fern grcnnbfdjaftSbiinbe ben Anfang utaebt, ent* 
fr>ric 6 t ber Stellung, welche er alS ÄönigSfohn bem 
Hingen ©irten gegenüber am ©ofe eiimahm. 

b) ®ie GiferfucC)t beS ÄöitigS. 35. 5 
bi 8 11 . 

®. 5. IXnb ® aotb 30 g auS. ® iefet 8 tuS= 
bruef famt nach bem 3 nfammcnhang nur Don frie= 
gerifdjen Unternebmungen Derftanbcu werben, $u 
welken ®aoib Don Saul auSgefanbt würbe. J|n 
ber SluSfübrung biejer Unternebmungen erwieS (ich 
®aoib ebenfo pflicötgetreu wie lübn ttnb muthig. 
3Ber einmal berrfeben unb gebieten foll, mu§ erft 
gehorchen lernen. 3 « ©aufe loar ®aoib ein gc* 
borfamer Sohn feiiteS SaterS 3fai gcwcfeiii iefet 
erwieS erlich alS geborfauter ®icitet fcincS fönig= 
lieben ©errn Saul. 3Bcr in einem Berufe treu 
gewefen ift, oon bem barf man erwarten, bafe er cS 
auch in einem anberen fei. Er hielt Sich flüg = 
lieb, b. b. er banbeite bei bicfei; Unternehmungen 
weife unb befonnen unb war baher ftctS glüdlidj 
unb erfolgreich. ®aher fefete ihn Saul nun 
über bie SriegS leute, b. b. er ernannte ihn 
Sunt Befehlshaber einer Schaar Don ßriegcrit. 
®urdi feine petföitlidje SiebenSmürbigfcit wie bureb 
ben Erfolg in feinen $ricgS$ügcn gelangte ffiaoib 
halb su großer Beliebtheit in ben Singen beS gan = 
seit 35oltS unb auch in ben Slugeu ber Unechte 
('Beamten) SauTS. Selbft Dom Neibe ber 
©öflingc blieb er bei feiner bersgewinnenben Sie- 
bcnSwürbigfeit Derfcbont. ®er ©err mad)t SlllcS 
recht unb gut; er, ber einen ®aoib fo wuitberbar 
geführt unb auch un ffleinften für feinen fünftigen 
Beruf evsogeu bat, wirb gewife auch unS führen, 
wie eS 311 nuferem Beften bient, wenn wir unS nur 
Don ihm ftetS führen laffen. 

®. 6. JBähtenb 35. 1—4 berichtet worben ift, 
waS mit ®aoib unmittelbar nach feinem Siege 
über@oliatb gefebab, wie er ^onatban’S greunb 
würbe unb bleibenb an ben ©of SaufS tarn, er= 
säblt 35. 5 weiter, ba§ Saul ben ®aoib Sofort 311 
friegerifebeu Unternebmungen Derwenbet unb ihm 
ein ßomntanbo über flriegSleute übertragen habe. 
Nun war nach Sapitel 17,52. 53 ber Ärieg mit ben 
35biliftern nach ©oliatb’S Xob noch nicht beenbet, 
fonbern eS würben ihnen noch mehrere SWicberlagert 
bereitet, unb erft uachbem ihre Ntadjt gebrodieit 
war, feinten bie ^fraeliten Regreich Don bem $ricgS= 
suge jurüct. Set biefer ©elegenbeit erft ereignete 
Sieb, waS 35. 6—8 erjäblt wirb. ®ie Nüdfebr beS 
ftegreidjen ©ecveS wirb su einem Stiumphaug. 3n 
allen Stabten wirb ihm ein feierlicher Ern* 
pfang bereitet. Namentlich finb eS bie grauen, 
bie ftd) in ©ulbigungeit aller Slrt überbieten. Sie 
eben bem itonige entgegen unb feiern mit ®e* 
ang unb Neigen, mit ©anbpaufeit, 
gre üben rufen unb jriangeln ( 8 utb. un= 
richtig „©eigen") bie beimfebrenben Sieger. 

®. 7. 8 . ®et 3Bed)felgefaitg: Saul bat 
$ a u f e n b g ef d) la ge n ti. f. w. ift wabtfdieiiH 
lid) ein Brucbftüd auS einem 35olfSliebe, weldieS 
bezeugt, wcldi’ bobeS Slnfeben ®aoib burdi feinen 
Sieg über ©oliatb in ben Singen beS 35olfeS et* 


laugt batte. ®a ergrimmte Saul. ®a$ 
8 ob ®aoib’S Dcrgdllte ihm ben pausen iriumph. 
©ine bofe Eiferfudit lochte in feinem ©erjeu auf. 
Ntir, murmelte er Derbroffcn Dor fiel) bm, geben 
fie SD auf eil b f unb Bebntattfeub 3 cneut! 
®aS Äönigreich will noch fein eigen 
werben! Schon hier alfo beginnt eine büftcre 
Slbnuug ihm susuraunen, bafe ®pDib ber SNann 
fei, bem ©ott bie ©errfchaft über fein Seif beftimmt 
habe. ®te'S ift bie EutftebungSgcfdnchte beS Nci* 
beS unb ©affeS, weldie fortan Saul’S Serbaltcu 
gegen ®aoib diarafterifirten. — Sine patvictifcbe 
Siegesfeier war iefet in ^fracl allerbiugS am Slafee; 
aber eine würbigere, alS fie Dom Seife begangen 
würbe. ®ie Sobgefänge hätten Dor SlUent bem 
©errn ertönen mimen, ber fid) beS unbewebrten 
©irten f naben alS feines SBerfjcugeS gur Srrcttung 
fcineS SolfcS bebient batte. ®aS Solf Derfaunte 
bieS unb Dergötterte baS SBerfjeug. 3Bie häufig 
begegnen wir biefer Serirtung bei bem heutigen 
©cid)led)te, bei bem wir bie iDieufdicnDcrgöttcrnng, 
ben „ÄultuS beS ©eitiuS", fich nid)t feiten bis 311111 
SBahnRun Steigern feben! 3Kan feiere immerhin 
feine ©eiben unb winbe gorbeerfräuse Sillen, bie 
fich um baS ©cineinwobl Dcrbient gemadit haben; 
aber man Dergeffe nid)t, fid) burd) baS, waS 2Ren= 
fd>eu ©rofeeS unb SblcS Dollbradit haben, juerft an 
ben Sater ber ©eifter erinnern 311 (affen, oon bem 
jebe gute unb Dollfommcue ©abe foinnit, unb gebe 
thm bie Sbre, bie ihm gebührt. 

®. 9. Saul fab ® a d ib fauer an. 
Son biefer ©elegenbeit batirte ber bofe# neibifefee 
SMicf, mit bem Saul fortan ben ®aoib octradjtete. 
®aS Singe ift ber Spiegel ber Seele. Sind) ®aoib 
laS gewife in bem Rnftern 33lid beS ffonigS, ba§ in 
ber ©efinnung Saul'S gegen ihn eine Utumanblung 
eingetreten war. 

®. 10. ®eS aubern StageS gerieth 
ber bofe ©ei ft ©otteS über Sa ul. ®et 
„bofe ©eift ©otteS" ift ber bofe ©eift, loeldben ©ott 
bem Saul 3 iir Strafe fanbte. ®iefer bofe ©eift 
war, wie wir auS ber Entfernung ®aDibS Dom 
foniglicheu ©ofe fchließen bürfen, eine 3 eit lang 
Don Saul gewuhen, iefet fommt ber alte 3uftanb 
innerer Zerrüttung wiebet über ihn, unb swar in 
golge femeS NcibeS uub©affeS gejjen®aDib. 2Bet 
feinen Nädiften bäht, gibt bem Satan Staunt in 
feinem ©cr 3 cn. Er weiffagte, b. b. er rebete 
in efftatifeber ffiegeifterung wie bie Srophetcn; 
aber loaS er rebete, war nur berSluSbrucf feiner 
SButb, nidit göttliche Offenbarung. Nach ftap. 16, 
16 fudjte ®aDib burch bie Älänge feines Saiteiu 

K biefe SButb 311 Derfdieuchcit; aber ba er felbft 
egeuftanb berfclben loar, riditete Reh ber S(uS= 
bruch ber Naferei Saul’S in einem SÖtorbDerfuch 
g^geit ihn. ®aS S a i t c n f p i e 1 in ber ©anb 
®aoib’S unb ber Speer in ber©aitbSaufS — 
bie Stelle beS ScepterS Dertrctenb — werben hier 
in fdjarfem ©egenfafe einanber gegenübcrgeftcllt. 

®. 11. Unb er (Saul) fdiofe beit SBurf* 
fpieh u. f. w. ®a§ ®aDib uad) biefer Sers 
folgung nicht fogteich entjliebt unb Saul oerläftt. 
ift ein 3 eichen feiner großartig cblett unb juglcich 
glaubenSfreubigeit ©efinnung. Nidft eher siebt er 
fich oon bem ffönige surüd, alS bis er ficht, ba§ 
biefer ihm tiidft bloS in eiitsclncn Slnfällen bcSSBalni 5 
finnS, fonbern mit ruhiger Ucbcrlcguttg nach bem 


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Sonnta9fd)nl*#ffeiionfii. 


665 


Sehen tradjtet. 3n bet Serfotgung ®aoib*3 burd) 
©aut fpiegett fid) oorbilblid) bie Serfolgung ber 
©emcinbe Ghrifti bnrcf> ©aut von Sarfen (^ipfta. 
9, 14). 9lber mähvenb Saul oon ©ibca bcm böfcn 
©eilte iÄaum flat) itnb ein fd)redlid)c3 (5nbc nahm, 
hörte Saut von Sarfen auf bie Stimme be*3 bcili- 
fleu ©eiltet unb mürbe ein au3crmät)tte3 Diüftseug 
©otte3. 

®. 12. Saul fürchtete f icf> oor ® aoib. 
SMau folltc eher ermatten, baß ©aoib fid) vor Saut 
gefüvdjtet hätte, meil ber böfc ©cift fo mächtig in 
ihm mar, al3 baß Saut fid) oor ©aoib fürd>tcte f 
H>eil bev ©err fid) au biefem bcfaimtc. 91bcr memt 
bev SÜlcnfri) lieh uoti ©ott lo3flcvif|cu unb ©ott ihn 
oerlaffcu hat, bann ängftigt ihn nichts mehr, al3 
meint ev fieht, baß ©ott fid) beitttod) lebcnbig unb 
träftig iit feiner Umflehuna beaeuflt. 3e fidtbaver 
bie ftanb be3 fierrn mit ©aoib mar, um fo nit= 
beim liehet unb furchtbarer erfebieu btefer beut ilöitig, 
uut fo mehr, ba jeber neue Srfotg ©aoib’3 bie 911)= 
mutfl in ihm befeftifleit mußte, baß biefer ber oon 
©ott erwählte Äonig 3Ü’ael3 fei. 

®. 18. Sie ftcinbfchaft fleflcit ©aoib unb bie 
Äurdjtoor ihm, bemoß beit Saut, ihn au 8 feiner 
0Jähe j u entfernen. (Sv feite ihn aum durften 
(ifricgSoberftcu) über taufenb SKaiin. ©ott meiß 
ba3 liebet, meldjeS beit frommen oon beit ©ottlofeit 
attflcthait mirb, in ®utc3 au oermanbetu. (5r aog 
au3 u. f. m. ©tefe Starte finb mic S. 5 oon 
fricgerifchen Unternehmitttflcn au oerftehen. 

®. 14. 15. 23ie bei früheren Unternehmungen 
hat ©aoib and) ießt mieber oicl ©lud unb (Erfolg, 
©aburd) mürbe aber bie Surcht Saul’S oor ©aoib 
nur nod) größer, er fd)eucte fid) oor .ihm; 
beim er fab au3 biefeit neuen (Erfolgen mir um fo 
beuttidjev, baß ©ott mit ®aotb toar, ihn 
aber oertaffen hatte. 

®. 16. ©ana 3fracl uitb ?(uba hatte 
©aoib lieb, ba3 flattae Solf hing ihm an, fein 
SHnfchcu ftieg oon Sag au Sag. ®te3 mußte itt 
©aul’3 Seetc neben ber fturdjt audj bie Dual be3 
SWcibeS uitb ber ßiferfudit erhöhen. So mirb ber 
©eelen$uftanb Saul’S immer büfterer, bie 3Äad)te 
ber 3‘iufterniß nehmen immer oölltger Scfiß ooit 
ihm, unb tocil er lieh nid)t in aufrichtiger Süße 
unter bie öaub ©otteS beugt unb sunt ©ehorfam 
gegen ©ott aurücffchvt, oerfättt er rcttungStoS bcm 
Scrbcrbcu. „3Ber ba flehet, fehe a«/ baß er nicht 
fade!" 


©oitittafl, beit 9. ®ea. 1 Sam. 20, 32—42. 

2)nbib’$ greunb ^ouatyait. 

1. «fit: 1062 i>. Sfor. 

2. £>rt: 3Bahvfd)ciitlid) ©ibea im Stamme Sem 
iamiit, Santo Satcrftabt. 

3. 1) ©aoib’3 Serheirathung 
mit ©au 1*3 Sochtcr itWidml (1 ©am. 18,17—20). 
2) ©aoib’3 ftludjt oor Saut (19,1—18). 3) ®a= 
oib bei Samuel in 9?aioth (19,19—24). 4) 3o= 
nathan’3 fyüvfptadie für ©aoib (20, 1—29). 

4. Cinleitrubr »emerfnttgeii: 9tuS ber Shat- 
fache, baß ©aoib (itad) S. 5) bei Saul’3 Opfer= 
mahljeit aur S*eier be3 SRcumonbSfeftcS erwartet 


mürbe, fomie barauS, baß Jonathan an beit 9Rorb= 
aitfchlägeit Saut’3 gegen ®aoib noch ameifelt(S. 2), 
geht heroor, baß, mab bisher oon Scrfuchcn, ®aoib 
gefangen au nehmen, beridjtet ift, unter aitbeveit 
Sormdubeit mar betrieben movben, etma unter bent 
Sormanb, baß ber Völlig ihn in bvingtidhen ©e- 
fdmften foredeit tnüffc, meßhatb and) bie, meld)e 
®aoib holen fottten, „Soten" heißen. ®aoib aber 
mar über bie böie?lbfiditbe3$üitig3 itidit im 3'»ci- 
fei. ®od) hoffte er, oieltcid)t burdj Jonathan, beu 
ÄKmig nod) einmal umauftimincn. ®er Serfud) 
^onothan’3 fd)tug ieboch gSnalid) fehl* — ®ie 
ycothtüge, bereu fid) Sonathan auf ®aoib’3 
Sertangen oor feinem Satcr hebiente (S. 28 u. 29), 
ift in feiner üßeife m cntfd)utbigcn. 3mav fonnte 
oom attteftament(icucn Stanbouufte bieSftid)t un« 
bebingter 3Sahvhaftigfeit nod) nid)t fo ftar, mie Oom 
neuteftamenttidjen erfannt mevben; aber troßbem 
mirb and) fdjon im 91. Stcftament ba3 „Sügcn" ents 
fdiieben oerbotcu (3S?of. 19,11), unb ®aoib fetbft 
evflärt Sf* 34,14: „Sebüte beine Ciooen, baß fte 
nid)t ^nig veben." So mirb beim auch bie 9ioth s 
lüge 3onathan’3 buvd) bie Shatfadjen, metche fi^ 
au fic fuüpfcn, fetbft gerichtet, ©aut bimhfehaute 
fie atöbatb. Seine baburch gereiste ffiuth richtet 
fid) auf Jonathan fetbft, unb auch gegen ®aoib 
mirb feine (Erbitterung nur noch größer. Ohne 9tn- 
menbung ber 8üge hätten beibe im Sertraucit auf 
ben ©ervn fiel) oereinigen unb ihm ihre Sadje he- 
fehlen fölten. G3 ift hier au oevgtcidicn, mie ©ott 
einft bie Sügc 9(bvaham’3 unb äfnaf’3 an’3 Sicht 
Sog unb auuichte mad)te (150?of. 12, 11 ff.; 26,7 ff.) 
uno ber 8ügc91cbcffa f 3 unb 3afob’3 bie Strafe fol¬ 
gen ließ (1 SKof. 27, 6 ff.). 

5. 2Bort= nnb Sacherflantiig: © er 92 e u m o n b, 
ber erfte Sag eincS ieglicbcu SJonatS mürbe bei'ben 
3uben feftlid) begangen (4 9)2of. 10,10). (53 mür¬ 
ben befoubevc Opfer bargcbvacht, mit metchen nid)t 
fetten 3?amitiengaftmahtc (®. 5. 27) oerbunbeu 
mareu. Svompctcnfdjatl oevfünbigte ben Sag unb 
begleitete bie Opfevfcicr. (Sine befonbere Scbcu- 
tung erhielten bie 9lcumpnb3tage al3 fefte 3cit- 
marfen, innerhalb loelcher fiel) ber ganse SfeftfreiS 
be3 fiird)euiahr3 bemegte. 9)iit ber Seftimmuug 
be3 92cumonb3tagc3 mürbe e3 in fpätercr 3eit fo 
gehalten, baß, mer bie SOionbofidiel auerft fah, e3 
bem Hoheit 92ath, ber au icbem 30. bc3 9Ronat3 
oom SKorgen bi3 aum 9lhenb oerfaminelt blieb, an= 
juaeigen hatte, morauf ber §ohc 92ath ben Anfang 
oe3 ?jefte3 anfünbigte. ifonnte man megen trüben 
2Better3 bie 9Honb|1d)el nid)t fehen, fo mürbe ber 
auf ben 30. folgeubc Sag ohne mcitere Serfünbi- 
flung at3 92eumonb3tag gefeiert. 

6. $nx ^rflärung uub erbanuug: 

a) ®ie ©efahr. S. 32—34. 

®. 32. 88. Goliath an an tm ortete. Saul 
faß mit feinem ©aufc a« Sifche, mo ©aoib’3 ©iß 
fchon feit amei Sagen teer gemefen mar. Jonathan 
hatte ®aoib’3 9tbmcfcnhcit entfehutbigen motten 
burd) bie 9?othtüge, er fei au einem fjamilienfefte 
nach Scthlehcm gegangen; Saul aber hatte biefclbe 
fofort buTchfchaut unb forbertc nun oott 3ovu Oon 
feinem Sohne, baß er ©aoib herbeifdjaffe, bamit 
er umgcbrad)t mcrbc. 91(3 ©runb hierfür giebt er 
an, baß, fo tauge ber Sohn 3fai*3 lebe, Jonathan 
unb fein töönigrcid) nidit befteheu tonne. Sroßbem 
SButhauobrud) fcinc3 Sater3 fud)t Jonathan bie 


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666 


Sonntagfd)ul=£rhlionfn. 


itnfdmlb feinet SvetmbeS mit rubiflcm unb milbcm 
aSovt 311 bejeußeu unb ihn alS einen foCefteti barm* 
ftellcn, bet uiifleredjter SBeife beit Xob erleiden 
Würbe, ähnlich wie £ap. 19 f 4.5. ‘Damals ßcwanu 
noch tic befferc Stimme in ©aufS ©erjeu bie 
Obcrbanb. ©icr ift ec fdwit in oöllißcr unecht 
feftaft feinet Seibenfdmft, ein willcitlofcS SBevfjeufl 
feiiteS bliitbeu ©affcS. 6t arcift uad) feinem ©peer 
unb, wie früher ben CDaoib, fo flicht et nun bett 
Jonathan mit bcuifelOeu ju btird) bohren —7 unb 
baS SlnßcfidjtS bet ocrfammcltcn SifdtßefellfdjaftI 
©0 ßan,5 bat et bie ©cvrfcßaft übet fiet) felbft ver= 
loten. 91 im etfenut 3&uatban, baß eS bei feinem 
SSntet eine abflemadjte ©acbe fei, ben 2)aoib 311 
tobten. 

KB. 34. 61 ß i n fl b i n a u 3 mit fl t i m nt i - 
fletn 3 otn, b. b. in dußetftet Jlufvefluufl unb 
tief ftcr 33ef muntern iß. 31 nt fotflcnbcu Säße 
aß unb ttanf et nid)tS vor Straurißfeit. 
93eu wirb’S munbetn? '9ft.ui verfeße fid) in feine 
fiafle. (SS war ihm toobl bewußt, mit welchem 
9lad)brttd baS flöttlicbe ©efefe ben fl'inbctn (Shr= 
fuccbt unb ©ehorfaut fleflen 35atcr uttb Sftuttcr cin= 
frbatfe. Unb nun butte et beS 9?atcrS 3oru unb 
©aß fleflen fid) entflammt unb uiu&te bcfotfleit, baß 
biefem auch bet 9ftuttev Sind) ficb juflefeden toctbc, 
wenn et feinem gteunbe Srette halte, i.i, bemfclbcn 
foaat ben 958 cß sunt väterlichen Sbroite bahnen 
helfe, ©ollle et bie Siebe unb ben ©cfleit bet 
Sltern unb baS ©lud beS (SltevnbaufeS bcrSteunb- 
fdtaft ®aoib'S opfern? SBir fCmncit imS benfen, 
tote fdjwcr ihm bet (Sutfcbluß flctootbcu. 31 bet et 
wanfte nicht in feinet Svene fleflen ®aoib, benit et 
toat ficb flat bewußt, baß er baS Opfer nicht fotoobl 
feinet Siebe 31t ®aoit> alS vielmehr bem Mcrhbcfc 
ftcu btiwfle, beffen fHathfdjlnß übet ben ©obu 
3jai’S für ihn fein SRatbfcl nicht toat. 28ic 3o= 
natban bem S)aoib, fo muffen nur ßbvifto 9lllc$ 
311m Opfer btiuflen. „2Bet 35atet ober ÜRuttcr 
mehr liebt beim mich, bet ift meinet itidjt toerth." 

b) ®aS 3cidien. 35.35-40. 

®. 35. 31 m Worfleu beS britteu SaßeS 
A i it fl 3 0 n a t b a n tt. f. to. ®aS Ucbereinfoms 
men bet beiben Srcunbc toat folßcnbcS flctoefen: 
S)aoifc wollte «n ben 92eumonb§taflcn nicht au bet 
fönifllidjen Safel cvfdjcinciw fonbetn ficb in bet 
9?abc bet ©tabt oetbotflcu halten; Sfonatbau aber 
feilte ihm nach bem jwciteit Scftmahlc 9Jadjvid)t 
btiuflen, ob unb tote ber .ftbitifl ftch übet ihn ße= 
Äußert habe. 2 Bävc bieS nid)t moßlidj, ohne 3luf= 
feben 31t ctteflcn, fo follte et, alS aclte eS einet 
SBaffeitfibuttfl, btet 35 feile nach einem bem 
SBcrftcde Saoib’S nahe aelcßcncn fünfte abfdjie- 
ßcit. 9tief ec bann ben ftnabcu, bet ihm bic ab* 
flcfcboffeuen Steile 3urüdbritißcn füllte: „©ehe bin, 
fudte bie Pfeile!" fo füllte bicS bem CDaoib ein 
3eid)en fein, baß ©cfahr für ihn oorbaubeit fei; 
tief et ihm aber: „©iebc, bie 35feilc licflcn hier- 
wävtS hinter biv," fo bebeutete bicS bem gteunbe, 
eS fei Stiebe unb habe feine ©cfahr. Oicfcnt 
llebeteinfommcu flcutaß, bcaah fid) nun Jonathan 
auf’S Selb, um Oaoib oon bet ihm brohenben ®e= 
fahr 311 bcnarfttidttiflcn. 6 i tt tlcincrftnafce 
mit ihm — ein flciitet £nabe, weil ein foldjer 
nicht fo leicCtt Sctbadtt fchopfte. 

®. 36—39. SBahtcnb in 35. 20—22 oon btei 
Pfeilen bic 9fcbc ift, wirb hier nur c i n 35feil, ben 


Jonathan abfeboß, erwähnt. ®tefe ®irteveit 3 ift 
nidit butd) bie Mitnahme 3 u löfen, Jonathan habe 
baS Verfahren abflefuvjt unb nur einmal flefeboffen, 
toeil ©efabt im 3>crmfle flewefeu fei, beim bie 3 lb- 
fdtießiutfl oon btei ^Steilen bilbet ein ©auptmomeut 
in ber 35etabtcbunfl, unb toave foldtc (Silc, tote bei 
biefet©tflÄvunfl oorauSflcfcßt wirb, notbifl flctwfen, 
fo batte bie nadtfolßenbe 3lbfd)icbSjccne uidtt mehr 
ftattfinben fbnncn, toie fie batflcftellt ift. 3Sielmebt 
ift anumebmen, baß öS 3 onathan mit jebetn ber 
btei 35fcile fo flemaebt habe, inbem et euttoebev bie 
btei $feile fllcidt nach ciitanbct abfeßoß ober brei= 
mal baffclbe 35erfabvcn toiebevbolte. ©0 wußte 
nun 3)aoib, wie bie ©acbeu ftaubeii. ®et 
Ättabc wußte nidttS bar um, itatnlid) ba= 
rum, baß bic SBovtc 3 onatban'S eiflcntlidt bem 
Oaoib flaltcn, unb baß biefer in feinem 35erftcd mit 
podjeubeut ©cr 3 cn auf biefelbett bovdtte. 

c) 6 felübbc. 35. 40—42. 

®. 40. ®a 3 oitatbatt viuflSuinbcv 9Jicinattb 
etfpahte, oon bent er fid) batte beobachtet fllaubcn 
tonnen, fehiefte et ben Änabcn, oicllcidtt unter bem 
35ottoanbe, baß et felbft fid) noch eine 9öeile unflc- 
ftört im Sveicu ui cvflcbctt untufd)c, mit 35oflett unb 
iK'd)er in bic ©tabt voraus unb waubeite bann 
bem Orte 31 t, wo ®aoib oerbotflctt toat. 

®. 41. ®aoiberhob fid) von bet ©übfeite 
(®i>ittaflfei te) beS S^lfettS bet, wo et fid) 
oerftedt batte, toabveitb bet erzählte 35otflaitfl auf 
ber nach Sorbett flefebtten ©eite ftattfaub, von 
weld)ct bet üfnabe ttad) bet ubtbltd) von bem 95er- 
fted flefcflcncn ©tabt 31 tritdfehrte, fo baß biefev ihm 
ooflifl ocvbotflett bleiben fonnte. 3u biefev i^e= 
jeichuttufl bet ©immclSßeßenb ftimmt eS febt ßtit 
toenn ®aoib uadjhcv in füblidjev Stidduiifl naev 
9?ob floh. ®ic ctflrcifcube ®arftel(unfl beS fd)met3= 
vollen 9lbfd)icbS eutfpricht ber tiefen Skwcflunflf 
wcldtc 93cibcr ©ersen in biefeut ernften 9luflcublid 
bet £rcnnuiifl ctfltiff unb übcvtoÄUiflte, ba einet 
beit anbern wie feine eiflcne ©eele liebte. Saoib, 
libevmannt von feinem®efüble, beseitflibem Stcunbe 
feinen Sauf, feilte ©oduKbittttfl unb Siebe, inbem 
er nach movflcnianbifcbctit 95vattd) dreimal f ich 
vor ihm auf fein 9 lut(ife 311 t 6 rbc uic = 
b c vto itf t. 3 onatban wehrt ihm, vidttet ihn auf, 
briidt ihn an feine S5ruft, unb93eibe licflcn weincitb 
cinanbcv in ben Sfrtucn, mit bet 3 lid)cm s lMubertuffe 
ihren SStitib «beficflclnb. Unb wie 95icleS erfließt 
fidj attS ihrem bcwcfltcn 3unetn in beit ttummen 
Sbtincn, bic am rcidtlidntcn attS ®aoib’S Slttflcit 
ftromen! Sieben bem 9lbfd)icbSweb, tocld)’ eine 
tiefe Stauet übet ben Rammet im ÄoitiflShaufc, 
weld)’ ein @d)iner$ baut ber, su biefem ©ati)c fidt in 
eine ©tellititfl bineiiiflebranflt 311 fcbcit, bic mit ber 
Otbntinfl ©ottcS fo wenifl tut ©inflaufl ftaub, unb 
weld) eine Solle oon baitfleit 9(bnuitflcn unb 
füid)tunflcn für bie näd)ftc 3 itfunft, fowobl für bie 
eiflene toic für bie Bufunft ©atil’S, ja für bic beS 
flaitieit 9SolfcS! — Shvauen 3 U verfließen, ift feine 
@d)anbe, wenn mir bet 9 lnlaß ein wütbiflcr ift. 
®aoib unb Jonathan waren fletoiß tapfere 
net; aber fie weinten, alS bet ©aß ©aul’S fie von 
cinanbcr riß. 9lttd) 3cfuS bat am ©rabc beS Sa- 
3 atuS unb auf bet ©öhe beS OelbevflS, alS et auf 
bic ©tabt 3etttfalcm berabfdmutc, bie 3 «»« ©e- 
rieftte reif war, flcweiitt, unb fid) eben bamii alS 
cdjtcr SOfcnfd) enviefen. 


Digttked — QOQtC 



Sonntagfdiiilsfrhtionfn. 


667 


®.42. Unb 3onathau fpracft zu Daoib. 
Dem (aut weincnbeit Sreunbe gegenüber uiitjj 30 = 
natban baß Abfcbiebnebmcu fd)itell abbred)eit. 
©ehe bin mit 5 neben, forid)t er, uub fügt 
bann I>tnsit: 2 Baß mir beibe gefdnooren 
baten u.f. w., baß bleibe ewiglich* Der 
Sreunbfd)aftßbuub, beit Sonatbait unb Daoib mit 
einanber gefdjloffeit haben, ift ein 33unb beß 
der nt. Jjhre Srcunbfcbaft beruhte baber nidjt 
bloß auf beut natürlichen 3 uge beß acflcufcitiflcu 
Sßohlgefallenß, foitbertt fte batte ihren tieffteit 
©runb in ber ©emeinfebaft beiber mit beut lcbcn= 
bigeit ©ott. ©ie waren e i it ß in ber Stid)tung unb 
doffitung auf ben lebenbigeit ©ott unb in tem be= 
müthigen ©eborfam gegen feinen bciiiacit Söilleit. 
Die Srinnerung an beit Buiib, welchen fie beibe be- 
febmoren batten, follte ihnen ben Sdnnerj ber Dreit= 
ttuna er(eirf)tern. Der in ©ott aefd)loffcnen Sreunbs 
fdjaft fonnte bie leibliche Trennung feinen ©intrag 
tbun. Sonatban fonnte freilid) bem fjrcunbe feinem 
Vater gegenüber fortan nur noch loentg nfifecn, beim 
ber 33rucb awifeben ©aul unb bem ©ohne Sfai’ß 
mar unheilbar; bagegen fanb Daoib foätcr noch 
einmal ©elegen heit, feine Srcunbfcbaft gegen 3ona= 
tban an beffen Sohn 9R e o b i b o f e t b ju bemeifen 
(2 ©am. 9). — Stad» biefer evarcifenben Abfrbiebß= 
feene trennen fid) bie beibett Sreunbe. Daoib gebt 
fliehenb feineß 3Begeß, um in Nob bei beut dofieit- 
oriefter Abimcled) eilte 3 uftucbtßftätte ju fttdjcn; 
Sonatfmn aber febrt in entgesengefefetcr Slidjtung 
nach ber ©tabt jurud. 


©ountag, ben 16. Dej. 1 ©am. 24,1—17. 

Stabil» öerfdjont feinen ftetnb. 

1 . 3 dt: 1061 d. S&t. 

2. Ort: Sngebi am weftlidjcn Ufer beß Dobten 
3Reereß. 

3. 3nftmnieubattg: Daoib weitbet fleh sundebft 
nad) Nob, einer Vriefterftabt nabe bei Scnifalcin. 
öier foeift ihn ber dobepriefter 31 bi me lech mit 
©djaubrobeu unb giebt ihm ©oliatb’ß ©djwert. 
Von ba flieht er 311 m Vhilifterfönig d> i ß 001 t 
©atb. dier gerätb er aber btircb baß 3Ri&traucn 
ber ßnedbte beß Adjiß in eine bebeuflicbe Sage, anß 
welcher ihn nur oerftellter VJabnftnn rettet (,s?av>. 
21 ). 3n ber döble Abulhm, nid)t weit oon Beth¬ 
lehem, wohin er iefet flüchtete, fainmelit ftcb 400 
9Ranti um ihn (ffao. 22 ). ÜRit ihrer dülfe rettet 
er $ eg ila oon einem räubevifchcu ©infall ber Vbi= 
lifter. Balb nachher wirb er in ber SBüfte SN a 0 n 
oon ©aul eingcfd)loffcn unb entgeht ber ©cfangen- 
fchaft ttnr bureb einen (Siufall ber Vhilifter iit bie 
©rcujen Suba’ß, welcher ©aul 311 m fchleunigen 
Aufbruch nötbigt. 

4. 3ur Grflänmg nttb tfrimöutsg, 

a) ©dioneitbe Siebe. 33. 1 — 8 . 

®. 1 * 33on feinem Verfolger befreit, 30 g Da- 
oib oon 9Raon hinauf uub blieb in ber 
33urg (beffer: auf ben Berghohen) Sngebi. 
©itgebt (beutid): Quelle beß Bodß), baß heutige 
Aiit Dfdtebbi, ift etwa 6 ©tmtben in uorboftlidjer 
{Richtung oon SNaon entfernt. 6 ß liegt 3 ientli(h in 


ber SNitte ber Sßeftfeite beß Dobtcit SNccreß am 
Staube ber SBufte Suba in einer gebirgigen ©egenb 
mit Halffteinbobcit. ©d)roff abftüvscnbe Sdien 
unb tiefe ©d)lucbteit, bie gegen baß SobteuReer 
laufen, unb zahlreiche doblcn in beuftalffteinfelfcn 
boten Daoib unb feiner fleiiteit ©ebaav oortrefflube 
©chluoftoinfel, in weld)cn fte fid) oor ihren 33er- 
folgern bergen tonnten. 

®. 2 . Balb tauten ihnen bie giiuftigcit Verhält* 
niffe ber ©egenb wohl su ©tatten. Denn fauut 
batte Saul bie Vbiliftcr surüdgetrieben, alß er 
fid) auch idjon wteber 3111 * Verfolgung Daoib’ß auf* 
mad)te unb zwar mit einer ©d)aar oon 3,000 fi'vie* 
gern. Diefe Bcbavrlidjfcit ©aul’ß in feinem böfeit 
Vorhaben uitb baß ©ingenommeufein jeitteß gan 3 eit 
Suuern oon feinem blutigen Vlan gegen Daoib 
weift barauf bin, baß er in Daoib einen gefähr¬ 
lichen Nebenbuhler, einen ©egcttfonig, fab, gegen 
weiten er mit überlegener 3 abl geübter firieger 3 U 
Selb 3 tcbcit 31 t ntüffen glaubte, um ihn um ieben 
Vreiß in feine ©cwalt su befommeu. — 3Bie wäre 
eß zu wünfehen, ba§ bie frommen in Slußübung beß 
©uten fo oiel glcib anwenbeten, alß bie ©ottlofen 
in Slußübung beßBofcit. Da warb ihm att= 
gefagt. Durd) Scute, bie Daoib übel wollten, 
ober and) oicllcid)t burch eigenß basit angefteüte 
©Oähcr erhielt ©aul Äuitbc oon bem 31ufenlbalte 
Daoib’ß. 

®. 4. e 1 f e tt b e r © c m f c tt" cber „Steins 

böde" hieben oiclleid)t biefc Seifen im Nritube beß 
Volfeß beßwcgcit, weil fie bei ihrer ©djroffbeit unb 
SSilbheit einen beliebten Aufenthalt wilber 3iw« 
bilbetcn. 3lud) ber Name ©ngcbi, Quelle beß Bodß, 
weift auf baß häufige Vorfommen biefer Dbicre hin. 
Sind) iefet noch häufen in iciter ©egenb 33 erg 3 iegen. 

ben frfjtoer 3 ugänglid)eu ©Fluchten unb döhlen 
jud)te nun ©aul mit feinen 3,000 Nianit nad) Da= 
oib. Denn baß fid) Daoib mit feiner geringen 
aRanufchaft in ben @d)luofwinfcln beß ©ebirgß 
oerborgcit halte, burfte er wohl mit Ncd)t att= 
nehmen, ©ab unb giebt eß hoch bort uod) heute 
döhlen» in toeleben fidjDaufcnbeoerfteden tonnten! 
Die SRänncr Daoib’ß haben nur miß nid)t 
alß Stäuber ober Svcibcutcr 311 beuten, tote 3Raitd)e 
wollen. SOBarett and) Viele außStolh unb Slrinuth 
311 Daoib hinaußgezogett, fo bürfen totr fie tmß bod) 
nid)t alß ein zufammengelaufeneß, oerbreiherifcheß 
Ö3efitibcl oorftellett. 33efanbcn fid) bod) unter ihnen 
and) bie Verwanbten Daoib’ß, bie toie er felbft oor 
©aul flüchtig geworben waren, uub anher ihnen 
noch ber Vroohet ©a^, ©atnuci’ßStachfolger, unb 
A b i a t h a r, ber ©ohit beß dohenoriefterß Ähi- 
nteled), welcher mit bem hohcuoriefterlidjen 8 eib= 
rod ber blutigen 9?ad)c ©aul’ß (Äaj>. 22, 9—23) 
entfommen unb 311 Daoib geflohen war. SWatidje 
ber Begleiter Daoib’ß uuirbcii fpätcr heroonagenbe 
delben unb Sclbhenit beß Daoibifrijett Sönigreichß. 

®. 4. D i e © d) a f h ü r b c n beseid>nen, toie bie 
„Seifen ber ©entfett", eine befannte Sotalität unb. 
zwar ohne 3 'oetfel eine ber 3 ahlreichett frmhtbaren, 
mit üobigem ©raßwud)ß bebedten ©teilen, burrf) 
welche bie SQBüfte Sngebi ftth auß 3 cid)net, unb welche 
mitten in ber fonft wüften unb wilben ©egenb 311111 
Aufenthalt oon derben bienen, ©ine döhle in ber 
Nähe erfieht fid) ©aul aum Naftort, unb er ging 
hinein, feine Süße 31 t bedeti, b. h. um 
feine Notbbuxft 31 t oerridjtcn. Da& er fid) itad)her 


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SonntagfdruUJPrfeitoitfit. 


668 


nicbcraeleßt habe unb eiitßefdtlafen fei/ läßt fief) ba= 
rau3 jchlicßcn, baß Dauib unbenterft einen 3ipfel 
feinet 9tocfc3 abjdtiteibeit fonnte. Dauib aber 
unb feine‘OKänner faßen hinten in bet 
© 6 h 1 e. Die Davftellunß fefet eine fcftr ßroße 
©öhle uorau3, wie fie tu jener ©eßeitb bdufiß 
finb. 

®. 5. ‘Die ©Idtitter Dauib’3 rietbeit biefem, bie 
©eleßenbeit gu benübcit unb ficb feine3 Dobfeittbe3 
gu eitilebiaen. Die 28orte: Da3 ift ber Daß, 
bau ott ber ©err btt flcfaat bat .u. f. w. 
begehen ficb eutweber auf eine beftimmte 2Bciffa= 
flituflr welche Dauib uon einem ©ropbeteu, etwa 
ben ©ab, erhalten hatte unb weldte nun uon feinen 
©efdhvten auf bie vovücflcnbc ©eleßciibeit beH'flcit 
würbe, ober föuueu fie auch bebcuten: „Dic3 ift 
bei*Stafl, an wcldteut ber ©err gu bir faßt: Siehe" 
u. f. tu. Dauib tueift bie 9Sevfuct)unfl gut 9?acf>e 
unb Selbfthulfe uon ftch unb beßitüßt ficb bamit, 
einen 3iP.fel uon Saul’3 9tocf abgu= 
fdmeiUen. Dicfe3 Bcicbeu bauoit, baß Saut in 
feinen ©diibeu ßewefen unb baß er beffen weht* 
iofeu 3 u ft a u b hatte beniifccn fönneu, um ihn 
gtt tobten, wollte Dauib in ©ditben haben, um ßc- 
leßentlid) Saut ßeßenüber ©ebrattd) batou gu 
madten. Da r n a dt f dt l uß ihm fein © e v g. 
Dieter 9lu3bvucf ift in etbifdteut Sinne gu faffeu: 
e3 fdtluß ihm fein ©etuiffeit. 8lu3 bem ^adtfolßcn- 
ben erhellt, tuie Dauib Satil’3 ©cvfon al3 eine 
aeheilißte anfab. ©r madtte ficb nun nadther einen 
SSorwurf barfibev, baß er ihm ein Stücf feinet ®e= 
wanbed heimlidt eutwenbet unb babttvd) bie Gl\r= 
furcht uor feiner ©erfott ucrlefet batte. 

®. 6. Da3 (affe ber ^err ferne uon 
mir f c i n u. f. tu. ©3 ift cm rclißibfer ©ruitb, 
ber ihn abhdlt, bem 9?atb ber 9Rdnuer gu folßei^ 
Um ®otte3 willen, weil Saul ber ©efalbte be3 
©errn ift, tuill er ed nicht tbun. ©iernad) founte 
Dauib auch nicht ein 2Bort uom ©crrit emufaußcn 
haben, mit Saul gu tbun, wa3 ihm aefallc. Seine 
©efährten haben alfo enttueber bie ©. 5 außcfitbrte 
äBeiffaßtmß uerbreht unb falfch ßcbeutct, ober ent* 
halten bie SBorte: Siebe, ba3 ift ber Daß u. f. tu. 
nur ihre eiaene 9lu3leßuitß ber bem Dauib fidt bar= 
bietenben ©elcßenheit gur 9tacbe au feinem ©crfc(= 
aev. ©ar oft ßefchieht ed, baß map bureb fd)eiu= 
bare ©erwenbuitß be3 2Borte3 @otte3 ttit3 gu uer= 
führen fucht; man prüfe baber 2t(le3 unb behalte 
ba3 ©efte. 

®. 8. Dauib wie3 feine STOdnner uon 
fich. Dauib hat wirtlich in biefem Sluaettblicf 
einen ßrößeren Sieß erfodtten, a(3 bort im Kampfe 
tuiber ©oliatb (Spr. 16, 32). Gaffet und ©err 
tuerben über uu3 felber, (affet un3 beit 3orn itt und 
befdmpfen unb beit Seiitb im eißeneit ©ergett übers 
tuinbett. ©3 ift ein tuunberjamer, üuerau3 lehr* 
reidter 9lttblid, tuie ber ftucbtiße Dauib feinen £ob= 
feinu fcOüfet tuiber bie ©anb feiner S^inbe. SBie 
uiel ebter ift biefc ©efinnuitß al3 bie ©efimuiiiß 
ber ffiortführcr be3 mobenteit 92ibili3mu3, tuetd)e 
offen ben ftürftenmorb prebißett! 

b) 9t ecbtettb c 8 iebe. ©. 9—15. 

®. 9. Ohne gu ahnen, tua3 ihm tuiberfahrett 
fei, erhob ftdt Saul, um unter feine ftrießer gurüefs 
gufehrett. Da eilte Dauib auf icbe ©efahr bin, 
ber er fid) ettua au3feßen föunte, bem Äoniße nach 
unb rief: SDtein ©err Aon iß! Saul tuaubte 


fidt um, unb tuie groß tuar fein Grftautten, ben 
©eaeitftaub feiite3 ©affe3 uor fidt gu erblicfeit. 

®. 10. Dauib benufet nun bie ihm burdj flott* 
lidte Sußintß ßebotette ©elcßenheit, um beut ©er= 
folßer feine Uttfchulb gti betheuern unb ihm babttrdj 
einen Stadbet in’3 ©etuiffeit gu werfen. 6 t 
ueißte fein Slntlife gur 6tbc, — ein 
9(it3bru<f tiefftcr Ghrerbietmiß, welcher ber 9litrcbe: 
„iOiciit ©err ftöttiß!" entfpridtt — unb fpvach 
gu Saul: SBaruttt ßehorchft bu u. f. tu. 
Dauib wußte, baß fidt geute an Sauf3 ©of befan= 
ben, tuelche e3 fich gurSlufßabe ntadtten, ihn bei 
bem iföniße angufchtucirgcit unb al3 feilten fteittb 
barguftetlen.. 9litf fie begieben fich tttandje ^falntett, 
g. 93. $f. 7,1-9. 

®. 11. ©ier beweift Dauib bie Unwahrheit ber 
Skjcbulbißititßen, bitrdt tuelche iette ®erleuntber ihn 
bei bem fibnißc angufdnucirgcn fuebten. SBärcn 
ieite 93efd)iilbißuitßeit tuahr, bann batte Saul bie 
©übte, in welcher er aerubt, nidtt lebenbiß uevlaffen. 
Dauib bebt au3bruc!lid) heruor, baß bie ®ers 
fiidjuiiß, Saut gu erwürßeit, an ihn hetanßctreteit 
fei („e3 warb ßefaßt" u. f. tu.); aber er bes 
geußt gußleid), baß er ihn uerfdjont habe, unb 
gtuar barunt, weil Saitl’3 95crfon burdt bicSals 
bitttß ginn fiöitiß 3fracl3 für ihn ßebeilißt unb 
unuerlcfelid) fei. 

®. 12. äReitt ffiater! So nennt Dauib 
beit Äoniß nid)t blöd barunt, weil berfclbc fein 
Sdnuicßcruater tuar, fonbevn uiclutcbv weil bad 
©cfübl ber ®crehrunß, wcld)e3 er ßeßctt ben ©c= 
falbtcit be3©errit empfinbet, ihn uiuuillfürlich in 
biefen ?lu3ruf audbredten ließ. ©3 ift ein ÜBort 
gdrtlidter gicbe, tueldtcd beit Saul mddjtiß erßriff, 
fo baß er nicht umhin founte, mit: „9Kcitt Sobttr 
(®. 16) gu antworten. Siehe bod) ben 

& ipfel. Der3iPfd uon bent 9tode Saul’3 in 
auib’3 ©aub lieferte 1) ben $Bctuci$, baß Saul 
uon ©ott in Dauib’3 ©dnbe ßcßcbeit war; 2) ben 
23ewei3, baß Dauib ber bbfett 9lnfd)Idße tmfdnilbia 
war, tueldte ihm feine ©eßtter bei Saul gur Saft 
leßten. 3tit fdtrofren 65eßcnfafe gu ber pictdtöuollen 
SScrfdjonuitß Saul’3 burd) Dauib ftcht ba3 SSers 
halten SauT3: 3d) habe evtt bir nidtt fie* 
fünbiat unb bu i a fl ft meine Seele. 

®. 13. Der ©err wirb richten. 3it 
biefett Sßortcit fpridtt ftd) bie ©rßebiutß in ben 
SBillcn ©otted au3, welche bie ©ntfcbeibuuß über 
9?ed)t unb Unredrf, Uitfdnilb unb Sdjulb ©ott aits 
hcimftellt, ndhvettb bie SBorte: Der ©err wirb 
tu i cb a tt b i r r d dt eit, bie 3nwvfiibt Dauib*d 
begeußeit, baß Saul’3 tutßcrcd)te3 Verhalten ßCßen 
ihn nidtt uiißeftraft bleiben werbe. 

®. 14. Die SBorte: ®on ©ottlofen 
f o ut m t U tt t u ß c u b (ßlcidtbcbcutcnb mit bem 
neuteftamentlidtcu: 9lit beit 3-rüdtteit evfennt matt 
beit 33aum) bienen bem 9lu3fpruch Dauib’3: ff 9)cVme 
©anb foll nidtt über bir fein" giir Scßrünbuitß. 
Der ©ebanfe ift: id) bin fein ©ottlofcr, bavuui 
tuirb nadt iettetn alten Safe uon mir ttichtd Söfed 
ßcaen bich unternommen werben. 

®. 15. SBcut ia fl ft bu na^ ? Dem mit 
©hre tittb 9Hadtt au3ßeftatteten J?öttiß uon 
3frael ftellt Dauib fidt felbft ßeßenüber unter 
beut ®ilb eincS tobten © u ttbe3. Der ©u ttb 
ift ©ilb cinc3 ucradttctcu, ßeriitßen SKettfchcu, ber 
tobte ©unb ©ilb cine3 unfchdblicbcit, in feinet 


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Sonnto9fd)«l=^fhtioneii. 


669 


Weife acf&brlid>cn Wenfchen. DieSSerßlckhunß mit 
bem e 51 o b füßt bann nod) ben ©cßviff bes ©eriitß- 
füßißeu hiuAU. 3Bo$u, u>il( Daoib {aßen, bietcft bu 
uta Stifter Äoniß 3frad3 bein $ecr auf ßcßcn 
einen fo ((einen, ßerinßfüßißen mtb tittflcfäbrltdjcn 
Keniaten wie id). So tuen iß ein tobtev ©unb etwas 
Uaoen unb ein SM) CScfabv brinßen fault, bin ich 

— abßefehen ooit bev mit fchlcnben bofen ©cimnutiß 

— im Staube, bir ©aberben au bereiten; warum 
alfo all biefer Wufwaitb, warum biefe erbitterte ©er= 
folaii.tß? 

®. 10, 3utn Sdjlufi feiner 9icbc wieberholt Da- 
oib nod> einmal feine ©eutfunß auf bie richterliche 
GntfdKMbuna (Sottet, unb fpvidrt abermals bie fefte 
Suocrmht auS, bah ©ott ihm 3tcd)t fcbaffeit werbe. 
Wie lehrreich itt bod> biefe ©ercinißuna oon Ghrer= 
bictuna unb cdjteui WanneSmuth! GS ift eben ein 
Änedd bcS §ervn, ber ba rebet, ein Änedd beS 
©errn bell ÖotteSfimht. — Gutem Ghviftcu Aiemt 
©eKhcibcnhcit unb Ghvevbiettuiß in allen Stüden. 
9Cbcr baS uhlicht uid)t auS, ball wir itid>r and) bie 
Wahrheit (aßen, Awar mit aller ©cKheibcnhcit, aber 
bod) mit Offenheit. — ©ott ift bev Sürfpredier, 
Siebter unb 3iäd)cr bevor, bie um ©erechtißteit willen 
leiben. 

c) Sießcnbe Siebe. 35. 16. 17. 

®. 16. 3iad)bem Daoib auSfterebet, erwicbcrt 
©aul nicht ohne fichtbare ©eweßuuß: 3ft baS 
it i d) t b e i u e S t i ut m e, m ei n S o h n D a o ib? 
Offenbar haben bie hergUchcn Worte, welche Daoib 
•Ui ihm ßerebet hat,' einen tiefen unb ßcwaltißen 
Giubnuf auf fein ©entüth ßemadd unb einen fdmr= 
feit Stachel in fein ©ewiffen ßcbrucft. DieS Seiften 
biefer ptöfcluhen cblercn ©cweßttitß feinet inneren 
ScbenS ift fein lauteS 2Beinen, ©icr ift 
ttiddS oon ©eudielci unb ©crftcüunß anumchmcn. 
©aul ift burd) bie beweßlicheu, pietätSooilen Wovte 
Daoib’S an einer oorborßeiteit Stelle feinet ^nnern r 
Wo er ber Wad)t ber 'Wahrheit noch gttßänßlidj war, 
erfaßt worben unb ßiebt biefer eblercn Sewcßuitß 
ütaum, wenn biefclbe aud) feinen ©eftanb hat. 
Daoib’S ©cifpiel lehrt unS, wie man feinen Sein- 
beu feuriße Äohleit auf baS ftaupt fammelt (Spr. 
25, 22). ©robive baS Wittel bemüthißcr, ßebulbi= 
aer Siebe, weldwS Daoib ßebraucht hat, fo toirft bu 
bie Wacht biefer Siebe fennen lernen. Daoib’S Siebe 
fiepte burch bie 'Wahrheit, weldje er Saul oovhielt. 
GS ift ein fräftiß Dinß um baS 3eußnih oon ber 
Wahrheit. (Darum ßiebt ber &err feinen 3unßcrn 
bie %twetfmiß Waith. 18,15. 

®. 18. Saul muß ber Wahrheit bie Ghve ßeben. 
(Der Äontraft oon Daoib’S Unfdmlb unb feiner 
unaerediteu ©erfolßiuiß hat fein ©ewiffen ßctroffen. 
(Daoib hat ihm baS ©ofe, welches er ihm AUßcbadd, 
mit ©utem oerßolten. DaS brennt auf feinem 
#aupt wie feuriae Äohleit unb nöthißt ihm baS 
©eftänbnifj ab: Su bift ßcved)ter, beim ich. 
(Den Seiub mit Siebe unb ßuten (Borten gwiiißcu, 
ift ber fcheufte Sieß. Saul ift überwunbeu, aber 
Au einer ßvunblichen, baueruben ©effcviniß fcinint 
eS beunod) nid)t. 3Jovuberßchenbe ßutc ©ebanfen 
unb ©efühle ober and) ein paar ßute 3}orfafee unb 
(Sntfchluffe finb noch feine iVfehrunß. G'S muß 
oor allem unfereut ©ott ßcßcnüber anbpr3 mit un3 
werben. 63 muh au einer oöllißen Sinnc3dnbe= 
muß, Aiir aufricütißcn 9tcuc übet nufere Sünbc unb 
Aut oertraucnSooUcu Slnciftnuitft ber ftettlidjen 


©uabc fommen. (DaS ift ber eiiiAißC 9Bcß, auf 
beut eine wahre (ücfehnmß au Staube foiumeu fann. 


Sonntaß, ben 23. DeA. 1 Sam. 31,1—13. 

©aul’S nitb 3[oiint^nn’« Xob. 

1. 8flt: 1056 u. 6(ir. 

2. Crt: <Daä ©cbivßc ©ilboa bftlid) oon ber 
Gbene 3cfrcc(. 

3. 3ufammrnt)tuß: (Der reiche (Babal vciAt burd) 
hohueubc 3>cvwctßcrmiß ber fvcunblidift erbetenen 
llntcrftüfemiß mit SebenSmittcln ®aoib’3 3ovn; 
alver lUbißail, 3?abal’3 ©attin, verhütet burd) 
faufte Worte unb veid)e ©efehenfe Daoib’3 3?ad>e 
unb U'irD nad)9fabal’3 balbißem £obe fcinc©attiu 
(1 Sam. 25). 3um su'eileti Wal fchoiit (Daoib 
Saul’3 Scbcn in ber Wüftc Siph (Äap. 26). 
(Darnad) kßiebt er fid) wicbcr in ben Sdutfe be3 
35hiliftcrföniß3 ^d)i3,bcr ihm bieStabt3if laß 
gur SBohuuna auweift (tfap. 27). 3ld)i§ Wvicßt 
beu Saul unb mir ba$ Wi§tvaucu feiner Surften 
beweftt ihn, pou feiner Sorbcrmtß, baft Daoib an 
bem Äampfc thcilnchme, abguftchen (29). Saul, 
ber in befferen Siaßcn fclbft alle3aubevev unb 2Bahr= 
faßer aitögtivottcn bemüht ßctocfcu war, nimmt, ba 
ihm bev ©cvr toebev burd) Sid)t unb 9tcd)t, nod) 
burd) (träume, liech burd) Propheten autioovtet, 
feine 3uflud)t m Dobtenbefdnoövcvin in Gnbor, u>o 
ber ©cift ©nimicl'ä ihm oerfünbißte: „Worßcit 
wirft bu unb beine Sohne mit mir fein." 

4. dtulutmtif ®n»erftmftrn. Die lebte Seither 
fHeßienuiß Saul’3 loar eine Seit ber 3cvfcbuitß bc3 
3Solfe3, weldte3 feine Ginheit, bie c3 in bem theo* 
fratifchen Äoniß haben feilte, oerlovcn hatte unb in 
einen Sevfall ßevieth, loeldter an beu Suftanb ber 
^uflöfuuß w&hrenb ber 9tid)terAcit erinnert. Giuen 
9Mi<f in biefe Wirren laffen uu3 nicht b(o3 bie 9lu= 
beutuiiftcit be3 1.3>ud)c3 Samuel^ über ben ßvofeen 
Slnhanft, ioeld)en D a o i b währenb feiner SBevfol* 
ßiuifl fanb, thuu, fonbevn audt bie cvftängcnbcn Gr- 
gählunften ber Ghvcnifa, nad) weldicr nid)t nur 
Wänner au3 bcui ©tautme 3uba, fonbevn and) 
©abiten unb ©eniaminiten unb enblichaudtWanaf^ 
fiten (1 Ghr. 12, 19—22) fid) ihm anfdtloffcu. So 
hatte Daoib in S^flßß ein fivießeheer (1 Ghv. 12,2l) 
aus ftreitharen Wänuern verfchicbeucv Stämme, 
mit welchen er alobalb itad) Saul’3 2:ob gi:näd)ft 
im ©ercich be3 Stammet 3uba, in e h r o n, ba3 
ihm burdt feine ßottlid)e ©cvufuuß übevtvaßene theo- 
fratifd>e Äonißveich aufvid)tcn tonnte. 

5. Sur £rf(äraitft mtb ^rhaunttg. 

n) 9cicber(aßc unb Dob. ©. 1—3. 

®. 1. Die©hilif!cr heftuben fid) mit ihrer ßauAen 
Wacht in bev Gbene 3 e f vc c (. 3fracl ift oor bem 
fießreid) oovbrinßenben Scinbe bereits bi3 au ba3 
©cbivße ©ilboa, bie novblidie ©ovmauer bcS 
©ebivßcS Gphvaim, gurrictßewichcn. ipter fommt 
cc> gur entfeheibenben Schlad)t, bic einen uußlücf= 
liehen 3lu3ßanß nimmt. Wie tonnte e§ auch anbcrS 
fein! Der thcotratifche ©cift war auS bem .*oecve 
Saul’S ßewidwn. Dev unßlücflid)c Äoniß hat mit 
©ott ßebvocheit, unb barinn aud) ©ott, bev £crr, 
mit ihm. 


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670 


^nutagfdjul*J?fMioiifiu 


8. 2. 9Mit furchtbarem Ungeftünt bringe« bic 
Shtliftet gegen bic ifraeütifdbeit Streitevfdjaaren 
oov, welche ©aul, feinem friegeriidjeu ßbarafter 
treu, in eigenev Serjon befehligte. 3w SEaufenbeit 
falten feine (Setreuen ihm gur Siechten unb gut 
ginfen. Sou beut ^Momente aber an, ba bie geinbe 
Saul felbft im Schlachtgewühl gewahren, richtet 
fid) bie ©pifee beb $lngrifib auf ihn unb feine näcbfte 
Umgebung. ©eine ©ache ift oerlorcn. ®ie 
iEapferften finb fchon gefallen, unb unter ihnen 
ambbrei feiner ©ohne: 31 bi nab ab, 3)1 a Ich i* 
f u a unb ber treffliche Jonathan* — 33ei ßott- 
lieben Strafgerichten müfien bie grommen oft mit 
ben ©ottlofen leiben. 3Ran ftope fich bavan nicht 
fonbern glaube, bah benen, bie ®ott lieben, and) 
foldjeb muh gum Selten bienen (SRöin. 8, 28). 

8. 3. ® ie ©chüfeen trafen ihn, b. b. fte 
ftieheit auf ihn, ben fchon Porhev hart Sebrdngten. 
(Sr warb fehr oerwunbet, nad) bem ©runb* 
test: „febrerjebreeft." ©ie Pfeile ber Sogenfcbüfeen, 
weldje ihn nun umfehwirrten, geigten ihm, bafe feine 
3icttung mehr möglich fei. ©er fonft fo tapfere 
unb unerfdnoefene ©aul wirb jefet oergaat, bie 
Schieden beb bofeit ©ewiffenb, welche ihn fchon bor 
ber ©djlacht geängftigt, rauhen ihm ben SDtutb unb 
bie ßtaft. 

S ©elbftmorb unb ©chanbe. S. 4—10. 
.4. 3iche betn Schwert. Sbentfpricbt 
ßang bem ber Sergweijliing anheiuißefadenen 6ha- 
raftev Saurb, bah er, mir noch ben SEob burd) bic 
©anb ber ^ihilifter oor Slußen fehenb, poit feinem 
©affen träger getöbtet fein will. ©amit 
nicht biefe Unhefchnitteiten tommen 
unb treihen©pott mitinir. SllfobieSBah- 
rmiß feiner armen Sbre por ber ©eit ift bab Singige, 
wab ihm in ben lebten Wugenbiiden feinet gehend 
noch am ©ergen ließt; an bab ©chidfal, bab feiner 
wartet nach bem £obc, fiheint er ßar nichts» benfen. 
©er ©affeuträtfer hebt Por bem ©ebanfen, feine 
©anb an bie aeheilißte fjerfon feinet tonißlichcn 
©ernt leßen gu follen, entfebt gnriid. Sr hatte ja 
bab geben beb SKmigb gn behüten unb war oeranN 
wörtlich für ba ffelbe. ® a ergreift berftonig 
ent fehl offen fein eigenebSdnoert, ftemmt 
beffen Änauf auf bie Srbe unb ftürgt fid) in 
t affelbe hinein. 

8. 5. 3llb fein ©affenträger ihn blutenb gufain* 
tnenftürgen fab, folgte er feinem Scifpiel. Sr wollte 
feinen ©evvn nicht überleben; oielleüht mochte er 
aud> besorgen, bah man ihn alb ben 3Börbcr beb 
ßönigb betrachten unb beftrafen werbe. — ©ehe, 
wehe! Sei biejen geühen macht fein ©ottebengel. 
©er abcY, ber ein „9)?örber Pon 3lnfang w beiht, 
feiert einen SEviumpb. Sine feltene Seute, bie hier 
ihm guaefallen! gliicb in berSerfon beb ©affen* 
trägevb? ©iv evlauben mi3 hierüber fein Uvtheil gu 
fällen, ©ewig liegt eb unb näher, biefen ©etreuen 
gu beweinen, alb ihn gu perbammen. 

8.6. $l(fo ftarb ©aui. Sin Snbe mit 
©djreden ift ber natürliche $lfcfd)luh eineb ber ©ünbe 
geweihten gebend. ©ie ©ünbe beginnt flein unb 
itnfcbeinbav, bic Serftoaung gebt@(hritt fürSdwitt 
por fid). ©ie ©ünbe ift eine furchtbare 9Mad)t: 
erft thut ber äWenfch bie ©ünbe unb, wenn er fte 
längere Seit geübt, f a n n er gulefet nid>t mehr pou 
ihr lafien, unb bab Snbe ift, bah er nicht mehr pou 
ihr lafien will, ©ebenfet an ©aul’b Subc unb 


werbet fing bei 3eiteu! ©ie furdftbar ift eb büdj, 
fterben in feinen ©unten, unbuhfertigbahinfahren, 
tinpovbereitet binühergehen oor©otteb flttdjtevftubl! 
©ie fdjredlicb, bann nidftS aufu«eifcn gu tonnen 
al^ eine Pergeutete ©nabengeit. — ®ie grage, ob 
ein ©etbftmörber felig werben fonnc, bavf nidft ohue 
alle Sefchräutuugcn perncint werben. S3 fomuten 
f?äUe Por, wo felbft fromme Serfoncn in uupcvfchul^ 
beten Süiwanbluugen pon Svrftnn ©elbftmorb be^ 
gehen. Sollten fte baruui ewig perlorcn fein? Ober 
follten jene cbriftlidjen grauen unb Jungfrauen, 
welche gur 3eit ber Shriftenperfdgungcn ©clbft= 
mort begingen, tun ber Sntebrung gu entgehen, be8* 
wegen pevbammt worben jein? ®cwi6iiid)t. Stroh* 
bem ift ber ©elbftmorb ent[d)ieben alS ©ünbe 
gu peruvtheilen# unb gwar baruut, weil fid) ber 
3Senfch burch benfelben eigcnmdd)tig pon allen 
ben Sflid)ten lobreiht, welche ©olt ihm hienietett 
auferlegt hat, unb ungerufen bie Sforte beb 
SEobeb auffprengt. Sb ift immer ein Sewcib pon 
SMaubenbjhwdcbc unb uKangel an Srgebung in 
©otteb SBillcn, wenn ein äHenfcb fid) felbft' mit 
Scwuhtfcin bab geben nimmt. Sb fehlt ihm ber 
3)iuth, bie geibeit unb Uebel beb gebenb gu trvigen, 
unb fo greift er in feiner Serblenbung gu einem 
nod) weit gröberen Uebel — bem Sob. 33enn in 
unferen SEagen ber ©elbftmorb fo häufig geworben 
ift, jo liegt bie Urfacfee baoon nirgenbb anberb, alb 
in bem Uebevhanbnehnten beb Uitglaubcnb unb ber 
©ottpergefjenheit. 2Ule feine 3xänncr. ®iefe 
äBorte finb nicht budjftäblidj gn nehmen, ba g. S. 
Slbncr am geben geblieben war. Sb begeidmei bie* 
fer ?lubbrud nur bie gänglidje 3}ieberlage beb ©eereb. 

®. 7. ©ier werben nod) äSänner Jfraelb 
enodhnt, u^elche an bem Äampfe niihtSEheil genom* 
men hatten, unb weldje jeufeit bem ©riinbe 
(beb SEhalb) unb jenfeit beb Jorban waren, 
©er „©runb" ift bie 3cieberung g)oifd>cn betn ©e* 
bivge ©ilboa im ©üben unb bem ticinen £erraon 
im 5fiorbeit, in weldcr bie Sbene Jefveel fich fort* 
fefct; ber Jorban mit feinem weftlid>en Ufer bilbete 
bie ©renge biefer 9ciebcrimg. ®ie Scwobncr biejer 
©egenb flohen bei ber Äunbe Pon ber 3iicberlage 
©anl’b, worauf bie Shilifter pon ihren 
©täbten Sefih nahmen. 

8. 8. ©eb anbern SEageb (b. h. nach bet 
Ghladft) tarnen bie Shilifter. ©ie©cblacht 
hatte UKihrfdKinlid) bib gum Slbcnb gebauert, fo 
bah bie ©nnfelbeit nicht gefiattet batte, bab Slün* 
bevimgbgcfd)äft Porgunehmen. 

8. 9. Sergleidje 1 Shron. 10, 9, wo eb hei§t: 
w ©ie plünberten ihn aub unt> nahmen fein ©aupt 
unb feine ©affen unb janbten" u. f. w. Sie fanbten 
alfo ©auTb ©aupt unb feine ©affen im ganbe 
umher, um bic frohe Sotfchaft gu pertün* 
ben im ©aufe ihrer ©öpen, b. b. ben 3>rie* 
ftem, welche bafetbft bienten, unb bem SSolf. 
©aurb ©anpt unb ©affen waren für Sriefter unb 
Sott 3ci<ben beb ©iegb. 

8.10. Sie legten feinen ©arnifdj in bab 
©aub ber Iftharothf n. f. w. ©iefeb »©aub 
ber 31 ft ha rot b" ift wa hvfheinlid) ber letübmte, 
pon ©erobot erwähnte Scnubtempel in Slbtalon. 
©ab ©a upt ©aufb würbe nach bem Scridft ber 
Shronifa an bab »©aub ®agon*b" geheftet. 3?acb 
S. 12 oerfubren bie Shilifter in gleich barharifchet 
©cife mit bcu geid)namen ber ©ohne ©aul’b. 


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Cljromk brr (Stgennjurt. 


671 


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©ent ftrsähler, bei* hauptfädilid) nur über ©aufS 
©efebief berieten wollte, fam eS jebod) gunäcbft nur 
barauf au, ntitsuthcileu, wa3 mit beut 8eid)itant 
Snttl’3 gefdmh. ®a fflctbfan, ba3 beutle 
©cifan, nad) biefer 8ngabe in beu Hauben ber 
Philiftcr war, fo muffen wir annebmen, baß bie= 
felbeit baS 8anb bis an beit 3orban befefeten. ©ie 
fieidmamc würben ohne bte abgefchlageiten Mopfe 
augeKblagcn, ba bie lefetcrcu mit beit SOBaffen su 
©iegcStropbäen bienten unb außen au beu ©6feett= 
tempeln aufgeftedt waretu 
c) Verbreit nung unb Segräbttiß. 
V. 11—13. 

®. 11. ©ie ©efebimpfung feiiteS SeichnamS, 
welche ©aul fo febr gefürchtet batte, toar trofe feinet 
©dbftmorbeS eingetreteu. 9hm aber fam ihm um 

ä irael3 willen, beffen MCmig nicht in oölliger 
dwiarf) su ©ruitb geben feilte, ttoeb eine (Srinnc- 
rung au3 feiner belfern 3<üt ju ©tatten. ©ic 
Bürger oon 3ahe^ in ©üeab gebachten ber 
©rrettung, bie er ihnen einftsur rechten 3cit gcbrad)t 
batte (Map. 11), unb beftatteten feinen Seidjnam 
ebrenooll unb betrauerten beit gefallenen Äonig. 
813 jic hotten, wa3 bie Philiftcr ge* 
tban batten, gebuchten fte beffen, wa$ ©aut 
eiuft ihnen gelbatt batte. 

®. 12. (S3 machten fich a uf, wa3 ft reitbare 
SDfänner waren, unb gingen bie gattse 
9? adit (nämlich unter beut ©clmfee ber 9tad)t, um 
ibr Vorhaben oor beit Pbiliftern oerborgeit su bah 
leit) unb itabnten bie 8eid)ttame oon 
ber 93taucr berab . . . unb oerbrantt- 
ten fie. ©ie beut Hcibentbmn eipeittbümliche 
unb in 3frael uach 3 2Kof. 20 nur bet ben jd>wer= 


ften SBerhrechertt suläffige Verbrennung ber 
8 e i d) e u gefdtab, wäbrenb fonft bie ©eftattung 
ber lobten in berßrbe bei beit 3fraeliten ©raud) 
war, wobl nicht bcßbalh, weil bie 3abefiten fürch¬ 
teten, baß im Salle einer ffiunabme ihrer ©tabt 
bie Seichttante nodj einmal bcfdnmpft werben wtir= 
ben, fottberii wahrfcheinüch beßbalb, toeil biefelbeit 
burd) 9lbfd)lagung ber Mbpfe bereit ocrftünuuclt 
waren unb baber für bie gewöhnliche ©eftattung 
uid)t mein* geeignet erfchicnett. — ©ie in unfereit 
Sagen wieber auffotnutenbe unb oon Vielen mit 
fo großem Geifer befürwortete ©itte ber 8cid)enoers 
brenituitg oerbanft ihre Popularität wobl tnebr 
einer in gewiffen Mreifen bcrrfdienben Hinneigung 
Stirn Hctbentbum unb beibuifd)er ©itte, als beit 
Vortbeilen, wcldte biefelbe in bfcnomifdjer unb 
fanitarifeber Hinfkht bieten foll. 

®. 13. ©ie nahmen ihre ©.ebeine 
unb begruben fie — nur ba$ Slcifcb wmte 
alfo oerbrannt, vielleicht weil bie3 fd)on in Vcr= 
wefititg übergeftaugeit war. ©ie ©ebeiite 
bcgr u b e n f i c ti it t er be m V a u m e (bebr. 
ber SamariSfa) *u 3abc$. Unb f.a fte ten 
fieben Sage. 3nm Stieben berSrauer. (S'S 
toar ein Vewei3 ihrer ©aitfbarfcit für ihre Rrreh 
tung ooit ben 8iumouitcrn. „©anfeit" fommt 
oon ^beitfcn"; bie ©anfbarfeit beftebt alfo barin, 
baß man au empfangene SBobltbaten „benft" nno 
bemgemäß banbelt, wie bie Sewobncr oon 3abe3 
getbait haben. ©a3 Saften ift ein int ganseit 
älltertbum gewobnlidier 8u3brud ber Srauer. 
©pater ließ ©aoib bie ©ebeine ©att(’3 unb feiner 
©ohne im ßrbbegräbniß ©aiil’3 su 3«la im 
©tamnte Seniamin beftatten (2 ©am. 21, 11 ff). 


-^--- 

Cßrotttlt btt Gegenwart. 


reö if " 




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Aüü' ' 


Sie Wetbobißen in Canaba haben ftd) nunmebt 
jti einer Mircbengemeinfcbaft organiftrt. ©ott möge 
feie alfo vereinigte Mirdie reichlich fegiten. ©ie bat 
gewiß eine hoffnnngSoolle Bufnnft oor ftd) unb ibr 
gute3 ©eifpiel bat bereite anbere angeregt. 8tt$ 
8itftralicn unb 9®eufeelattb fommt nämlich bie 
92adjrid)t, baß bie bortigcit methobiftifchen ©emeini 
frhafteit nad) Vorgang ber caitabifchen fih auf eine 
Veteinigting$ = ©afi3 oerftänbigt haben unb bie 
tbatfächlidje Union in nicht ferner 3cit beoorftebt. 

9)iau febreibt biefc Vereinigungen bem ©iitfluß 
ber in goitbon 1881 geballcncn cCuiucnifchcn 6on= 
ferettt bc3 9){etbobi3mn3 su. SBcnn biefe Gonferens 
9?id)t3 bewirft hätte a(3 fold)C Union getrennter 
Äheben, fo wäre e3 ber 9)?übe. toertb gewefett, jene 
große Verfammlung absubaltcn. Unb wenn ofu- 
tuenijdte Konfcrcnsen and) fernerhin fo(d) praftifdtc 
fRefuttate erseugen, fo bergen fie ttcbeuMSlcmcntc 
itt ßd), weld)C immer wieber bie Veranlaffung su 
anbern berartigett 3ufautmenfünftcn toerben. 

licßtffitmer in ben Vereinigten Staaten. @8 

gibt nicht wenig: cingebilbete SNcnfcftcn in ben 
Ver. Staaten, weiche auf bie (Sinwattberer — unb 


auch auf bte ©eutfehen — a!3 eine ttttwiffenbe 
9Kenf(hettmaffe berabblicfen. Solche Seilte fömt= 
ten ftd) beffer befebäftigen, wenn fie, gleich oielett 
gebilbeteit 8merifanern, einmal im eigenen 8anbe 
orbcittlicb Uutfchau hielten. @o wirb g. ©. be¬ 
richtet, baß in ber ©tabt 9?cw SJorf allein 200,000 
Minber ohne ©dmluntcrricht aufwadifctt. 3n 
ßhicago geben 5T Vrogent berer, wehhe int ©chul- 
alter ftehen, nicht in bte ©dwle; in ©t. 8oui3 
50,000 nicht unb in (Sinciitnati 40,000. 

3m ©üben finb 69 ©roseitt ber farbigen ttub 39 
Proseut ber weißen ©eoolferttug nicht im ©taube 
su Icfcti unb su fchreibett. 

©ort bmnten int fonnigen ©üben muffen über¬ 
haupt betreffs ber Unwiftcnhcit 3uftänbe herrfdten, 
oon betten nur SBenigc richtige ©egriffe haben. 

©o s. ©• horten, wir no^ nicht lange her in 
Quiuco, 3Hw ben Vortrag einer P?i)|ion3frau, 
welche in ben ©übftaatcn toirfte. 3hre Eingaben 
waren fo frappant, baß fic unter bte üRäbrchen ge= 
gäblt werben müßten, ftünbe bte ©ame ttid)t weit 
über bem Verbadd ber $tuffdmciberci, unb fonitte 
fte nidit Ort, Pevfoncn unb 3mgen für ihre 8n= 
gaben liefern. Unter anberett Shatjad&cu crsählte 


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672 


Äijnmilf^er Gegenwart. 


fic aitdj, baft be 3 21beiib§ ein tun^cY Surfdje unb 
ein Svvuicmtmmct 311 ihrem 9 J<ann, weld)cr cbcit= 
falls als Pvebiger im ©üben arbeitet» gcfommcn, 
«m ficf> trauen 311 taffen. 

®cr pvebiger frägt: „9Ba3 ift ihr 9?ame, mein 
immer greunb?" 

„^act." 

tf%i) meine» welches ihr ©efdftedjtSname fei." 

glicht fcaS meine icfi; ©ie muffen bod) noch einen 
onbern Hainen haben." 

„Pfau hieb mid) immer nur 3 ad." 

(Sinfehenb, bab er alfo nicht vorwärts fomme, 
fi\igt ber paftov nach beut Hainen bcS PatevS. 

„®er heibt and) 3fld," antwortet bev hoffnungS* 
»olle ©pröfcling be 3 SübenS. - 

»»Unb u>ie nodj ?" 

,».S>ab nie etwaS 9(nbcv3 gehört alä 3ad." 

„ 9 lber, lieber gveunb» ich mu§ ihren ©cfd)(ed)t 3 = 
namen haben» feil ft faiin ich fie nid»t trauen." 

„?Bir wollen unS aber haben unb ba wirb 3ad 
unb Pfavp genügeub fein." 

®er Präutigam warb eublid) 311 feinem nahe' 
wohnenben Onfel gefanbt, um ftuSfunft 311 holen» 
bie er fdftieblid) and) brad)te unb barauf getraut 
warb. 

»,'33ie bie Praut auSgefehen," fefete bie 5 Biffton§= 
frau hin3u, „baS mögen fid) meine 3uhövcr au$= 
malen." 

SDJan $cige unS einen JBinfel ®eutfdjlaub§, in 
welchem Solche 3 uftänbe vovfommcn, eine ©egenb, 
in weld>er 39 p 1*03011 1 loeber lefen nod) fehretben 
tonnen, eine ©rojjitabt, in weld)cr 200,000 ober 
and), nur 10,000 jdmlpftidftige ftiubcr nid)t 3ur 
©d)utc gehen, unb — fomme alSDanu unb fprcd)e 
von ben unwiffeuben Uutch. 

$er 9 fo$göitg brr Saljlett-in Ohio unb 3 owa 
hat wiebevum alte Pad)tvab 3 =Propheten wad)ge= 
rufen, unb cS wäre wirtlich inteveffant mit 011311= 
hören, wie mau bieS unb jenes hätte aHberS machen 
folleit, wenn bergleicben 9 cebeu 3 arten nid)t fdwn fo 
oft bagewefeit wären, fo bafj biefelben Langeweile 
unb ©ahnen oerurfad)en. 2Bir iverben babei immer 
an Napoleon I. erinnert, ivetdier fagte, bafe bie 
Oeftcvreicber ftctS ben beften ftriegSratb hielten, 
unmittelbar nachbem er fie tüchtig gcfdftagen hafce. 

91nftatt foldier unfruchtbaren SKeftcsioncn wollen 
wir lieber bie Shatfachen ruhig betrachten. 

®a ift benn feftwhaltcn, bah bie Semperensfadjc 
in 3owa sum aweiteu 9 Wal einen entfehiebenen ©icg 
bavongetragen hat. ®er früher von bem Polfe 
30ivab 3111- ©taatSconftitution beigefügte 3ufafe, 
Webber bie ^abrifatioit unb ben Perfauf geiftigcr 
©etränte verbot, würbe eineb gorutfehlerb wegen 


für ungültig erflävt. 9?un hanbeltc eS fidi barum, 
eine Legislatur 311 erwählen, weldje folden Bufafc 
nod) ein Pial sur 9lbfttmmung in red)tsgültigev#ovm 
verlegt. ®ie ®emotraten m 3 owa ertlärtcn fid) 
gegen Prohibition, bie SHepublifancr bafür unb bie 
lefeteren gewannen bie SBahlfd)lad)t, unb fomit bie 
Legislatur. 

©0 gut aber ift bie SBahl in Ohio nid)t ausgc- 
fallen. 3wav hat ber pvohibition$ = 3ufflfe eine 
©timmensahl erhalten, wie fte wohl nur wenige im 
©infte fid) vorftellten. $lu3 etwas über 700,000 
©timmen würben 320,000 für Prohibition abge= 
geben. ®ic Dtcpublifancr würben bagegen gcfchla? 
gen, ber Slbvotat teS $llfoholismuS — Pidftcr 
ßoablcv — sinn ©ouverneur erwählt unb bie 
Ohio=Lcgislatur hat eine bebeutenbe, bemofratifde 
Majorität. SBaruni, wie, wo baS ?UlcS fo getont 
men, barüber ^erbrechen fich fehr viele ben Stopf, 
ohne babei cigcntlid) mehr herauSanbringen alS 
PJutbmajjungen. SSürben bie SGahlen in Ohio 
vorgenommen ivcvben, wie 3 . P. iui Pfufterftaat 
Äentudv, wo 9?ame unb ftbftimmiuig eines 3eg= 
liehen regiftrirt unb 311 r Pefidftigung offen ift, fo 
tonnten ©rinib unb Uv ja de leidtcr gefunben iv er¬ 
ben, ba aber Ohio, ©ott fei ®anf, freieo Pallot 
hat, fo wirb man wohl nicht jo jehneü Licht über bie 
©ehciinniffc bringen. 

3 ‘vci ®inge aber ftnb gewi§. 

ferften3 finb weit über breibunberttaufenb ©tim= 
men für Prohibition abgegeben worben, unb wenn 
biefelbe nun audi nicht angenommen ift, fo feilten 
bie 9üfoholiften fid) bie ©timmeii 3 abl boeb iebeomal 
betradUcn, ehe fie mit ihren Soiberiingcn wicber (0 
auftreten,a!3 ob f i c bic 8 tevräfentantcn be3 Polfe3, 
bie S:eiuvcven 3 lciite aber nur ein elenb Häuflein 
^•anatifer feien. Ob bie ©d)iiav3brenner, SBirthe 
k. fid) biefe gvofee, für Prohibition abgegebene 
©timuiciianjabl 3111 * Lehre bienen laffen, muB abgc* 
wartet werben. 2 öir hoffen tau ui barauf. 

3u'eitcn3 barf man fid> trob biefer 300,000 feiner 
Säufdwng hingeben. Süv bie nächften 3ahve fteht 
in Ohio nidjtö bevor al3 fdnverer fiampf. ®ie 
Semperen 3 fad)e hat iveber von ber Legislatur, nod) 
vom ©ouverneur, nod) — am ©nbe auch vom ober* 
fte« Ohio-@cvid)t§hof ivgcnb wcld)e Pegünftigimg 
311 erwarten. 2 Äand>e meinen fogar, bafe iefet and) 
oa3 fogcngnnte ©cottgefeb, wcld)e§ ben ©etränfe- 
hanbel befteuert, iviberrufen werben würbe. ®cr 
Shroiiiffdneibev gehört iveber 311 ben @d)ivar 3 = 
fehern, nod) hört er ba3 ©ra§ wad)fen. 6 v evfennt 
aber mit allen anbern Leuten, welche bie Sßelt mit 
nüchternen Llugen anfehauen, bafe nod) beifje 
@d)lad)ten 311 fchlagen finb, bU ber SUfoholismu^ 
au^ Ohio vertrieben ift. 



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