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in 2011 with funding from
University of Toronto
http://www.archive.org/details/he4diekunstden04hann
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DIE
.a».
UNSTDENKMALER
DER PROVINZ
HANNOVER
HERAUSGEGEBEN
VON DER PROVINZTAL-KOMMISSION ZUR ERFORSCHUNG UND
ERHALTUNG DER DENKMÄLER IN DER PROVINZ HANNOVER.
|. IV. REGIERUNGSBEZIRK OSNABRÜCK.
4. DIE KREISE LINGEN UND GRAFSCHAFT RENTHEIM.
BEARBEITET VON
DR. ARNOLD NÖLDEKE.
MIT 19 TAFELN UND 254 TEXTABBILDUNGEN.
HANNOVER.
SELBSTVERLAG DER PRO VINZIALVERWALTUNG.
THEODOR SCHULZES BUCHHANDLUNG.
1919.
HEB^T 14 DES GESA3J[TWEI«,H:ES.
I
1
Gebrüder Jänecke Hannover.
Vor^wort.
s
nfolge des Krieges konnten die bereits im Frühjahr 1914 begonnenen
Arbeiten zur Drucklegung dieses, die Kunstdenkmäler der Kreise Lingen
und Bentheim behandelnden Bandes erst jetzt zu Ende geführt werden. Die
Inventarisierung selbst liegt noch einige Jahre weiter zurück: die Kunst-
denkmäler im Kreise Lingen wurden im Sommer 1912, die des Kreises
Bentheim im Jahre vorher aufgenommen. Mit der Aufstellung der Denkmäler-
beschreibung, der Anfertigung der zeichnerischen und photographischen
Aufnahmen, wie mit der Bearbeitung des geschichtlichen Teiles war
Dr. phil. Arn. Nöldeke in Hannover betraut. Die Herausgabe geschah
unter Leitung des Frovinzial-Konservators Prof. Sieb er n.
Über den Plan des Gesamt Werkes und die für die Behandlung des
Stoffes maßgebenden Gesichtspunkte ist im ersten Hefte des Gesamtwerkes
(I, 1 Landkreise Hannover und Linden, Seite VI f.) des näheren berichtet.
Hier mögen deshalb nur die folgenden kurzen Andeutungen Platz finden.
In der Einleitung sollen Angaben über Lage, Größe, Natur, Bevölkerungs-
verhältnisse, über ethnographische und frühere politische und kirchliche
Zustände, über Handel und Verkehr, Straßen und Wege sowie über das
Kunsthandwerk in gedrängter Kürze und stets nur soweit gegeben werden, als
sie zum Verständnis der Denkmäler unerläßlich. Es bleibt vorbehalten^
derartige zusammenhängende, die ganze Provinz betreffende Angaben im
Schlußbande des Werkes zu machen. Aufgenommen werden alle Denkmäler,
welche dauernd in der Provinz vorhanden sind, gleichviel in welchem Besitz
sie sich befinden. Vorchristhche Denkmäler werden Jedoch nur dann berück-
sichtigt, wenn ihre Bedeutung eine solche ist, daß sie im Rahmen dieses
Werkes nicht entbehrt werden können. Das Bauernhaus ist von der
Bearbeitung ausgeschlossen. In der Gesamtanordnung sind die kirchUchen
Gebäude vorangestellt, daran schließen sich die weltlichen Bauten nach
-^ II 8*^
Maßgaho von Alfer und Hodcwtung. Die Beschreibung erfolgt auf Grund der
vorangestellten geschichtlichen Angaben und der technischen und stilistischen
Merkmale in mögli(;hst knaiiper Form: Mitteilungen über diesen Rahmen
hinaus sowie Eingehen auf wissenschaftliche Streitfragen werden vermieden.
Die Ausstattungsstücke sind in alphahetischer Reihenfolge aufgeführt.
Inschriften werden nicht sämtlich, aber in möglichst großer Zahl gegeben;
auf die Art der Typen wird im Text hingewiesen, auf eine doch nur
andeutende Wiedergabe derselben verzichtet. Unser Denkmälerverzeichnis
soll umfassende wissenschaftliche Untersuchungen vermeiden, nur dasjenige
geben, was auf Grund örtlicher Untersuchung und der bisherigen Forschung
als feststehend zu betrachten ist; es soll eine Sammelstelle der kunst-
geschichtlichen Quellen und eine Grundlage für weitere Arbeiten bilden und
endlich übersichtlich geordnetes Material für eine umfassende, allgemeine
deutsche Kunstgeschichte bieten.
Den Druck des vorliegenden Bandes besorgte die Buchdruckerei von
Gebr. Jänecke, während die Lichtdrucktafeln von der Kunstanstalt
G. Alpers jr. und die Druckstöcke der Textabbildungen von der Kimst-
anstalt L. Hemmer, sämtKch in Hannover, hergestellt wurden.
Mit Dank sei hier der bereitwilhgen Förderung gedacht, w^elche die
Aufnahmearbeiten durch Behörden, GeistUche, Lehrer und Privatleute
gefunden haben. Besonderen Dank schuldet der Verfasser Herrn Baurat
Dr. Wilh. Jänecke, jetzt in- Schleswig, für die Überlassung von Photo-
graphien — darunter derjenigen des Bentheimer Schloßplanes von
Conrad Schlaun.
Hannover, im Januar 1919.
Die Provinzial - Kommission
zur Erforschung und Erhaltung der
Denkmäler in der Provinz Hannover.
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1
Ortsverzeichnis.
(Die stärker gedruckten Seitenzahlen geben an, wo der Ort im Zusammenhang behandelt ist.
Seite
Altena 193, 203 f.
Ankam 23
Baccnm 10, 12
Bawinkel 10, 13
Beesten 10, 14 flf.
Bentheim 87, 89, 91, Schloß 93 ff., Ret. Kirche
113 ff, Kath. Kirche 117 ff., Bad 123 ff., 151
Bersenbrück 3, 26
Bramsche 10, 16 fl.
Brandlecht 91, 92, 131 ff., 181
Burgsteinfurt 3
Coevorden
Elbergen 9, 18 ff.
Emiichheim 88, 91, 136 ff.
Emsbüren 9, 18, 19, 21 ff., 68
Engden 140
Estringen 10, 26
Frenswegen 91, 140 ff.
Froren 3, 10, 28 ff.
Gildehaus 47, 87, 92, 151 ff.
Gronau 87
Grumsmühlen 33
Hange 33
Haseliinne 13
Seite
Herzforth 33 ff.
Hesepe 158 f., 219
Holthausen 35
Kreyenribbe 35
Laar 159 f.
Lage 87, 160 ff., 213
Langen, Haus 126
Lengerich .... 10, 13, 35, 36 ff., 83, 84
Leschede 10, 41 f.
Lingen, Grafschaft 5 ff., 10, 42 ff.
Lohne 63
Messingen 10, 63
Meppen 3, 6, 21
Neuenhaus 87, 89, 92, 167 ff., 219
Nordhorn 42, 88, 89, 91, 92, 174 ft".
Ohne 91, 92, 151, 185 ff.
Oldenzaal 4, 219
Plantlünne 10, 64 ff'.
Rheine 4, 9
Salzbergen 9, 10, 67 ff., 87
Schapen 10, 69 ff.
Schepsdorf 9, 10, 74 ff., 68
Schuttorf. . . 23, 87, 88, 89, 91, 92, 191 ff.
-**g IV 'i*^
HitlUi
Spelle 76
Spyck 77
Stovern 77 f.
Suttrnp 78
Tnine 10, 79 fr.
Tecklenburg ;>
Üffoln 20
Beito
ClHen 87, 91, 194, 213 ff.
Ctrecht 9, 2ia
Vcldhausen 91, 219 ff.
Venhaus 60, 82
Wettrup 11, 83 f.
Wietmarschen 19, 92, 194, 224 ff".
Wilsum 91, 213
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Hannover, den
RECHNUNG
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9^
für Hodiwohlgeboren j^gj,j^
Antonie Leeser, Buchhandlung, Leihbibliothek, Hannover
Bank-Konto: Kommerz- und Diskonto-Bank — Postsdiedi-Konto 9016 — Cellerstraße 73 — Fernruf Nord 3918
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•
Verzeichnis der Abbildungen.
Abb.
1 Der Kreis Lingen . .
2 Historische Übersichtskarte . .
3 Kirche in Beesten
4 „ „ „ Grnndriß
5 Kirche in Bramsche; Grundriß
6 „ „ „ Epitaph
7 Kirche in Elbergen; Ansicht von Nordwest
8 „ „ „ Grundriß
9 Kirche in Emsbüren; Grundriß
10 „ „ ,, Inneres
11 71 n n
12 „ „ „ Tür
13 n 71 Ti Glockenzier
14 ,1 „ ,1 Meßgewand
15 V 71 )i Taufstein
16 Kapelle in Estringen; Ansicht von Südost
17 „ „ „ Grundriß
18 Kirche in Froren; Ansicht von Südost
19 „ „ „ Grundriß
20 „ fl „ Wandvorlage im Schiff
21 r) 77 71 Tür in der Südfront
22 r, 71 71 Schnitt
23 „ „ „ Wandsäule im Chor
24 Haus Herzforth; Lageplan
25 „ „ Herrenhaus
26 „ „ Portal des Herrenhauses
27 Kirche in Lengerich; Außenansicht
28 „ „ „ Grundriß
29 „ „ „ Schnitt
30 „ ,, „ Inneres
31 „ „ „ Piscina
32 „ „ „ Taufstein
33 Lingen; Plan des Stadtkernes
34 Stadt Lingen nach Merian
35 „ „ Stich aus einem Geschichtswerk des XVII.
Jahrhunderts .
36 Lingen; reformierte Kirche, Grundriß
37 „ „ „ Innenansicht des Chores . . .
38 „ „ „ Grabplatte
39 „ Intherische „ Grundriß
40 „ „ „ Frontansicht
Seite
3
6
15
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41
43
44
44
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Tafel
-h; vi p-
Abb.
41
42
4a
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4i)
50
51
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65
66
67
68
69
70
71
72
73
74
75
76
77 a
77 b
77 c
78
79
80
81
82
83 a
83 b
84
85
86
87
Linien; InthoriHche Kirche, Kelche
„ katholische ^ Monetrunz
„ liathaiiH, Frontannicht
„ Amtsgericht (Danckelmannhaus) StraßenBeite .
„ „ „ Grundriß .
„ „ „ Schnitt . .
„ „ „ Westaneicht
Portal. . . .
„ Haus Burgstraße Nr. 8
„ „ Am Markt Nr. 8
,1 „ Baccnmerstraße Nr. 5, Grundriß
ry n V "n ^h Ansicht
'1 11 n ri "' T)
„ „ Kivelingstraße „ 8
„ ., Bnrgstraße Nr. 26, Grundriß und Ansicht .
Kirche in Plantlünne; Ansicht von Südost
„ „ „ Grundriß
,, „ „ Grabstein von 1642
11 11 n Kelch
Kirch£ in öalzbergen; Taufstein
Protestantische Kirche in Schapen; Ansicht von Süd-
osten ....
„ „ „ „ Grundriß . . .
n ., „ „ Konsole im Turm
Katholische Kirche in Schapen; Inneres
Kirche in Schepsdorf; Außenansicht
„ „ „ Grundriß
„ „ ,, Inneres
„ „ ., Monstranz
Haus Stovern; Eingang
Kirche in Tuine; Ansicht von Südost
„ „ „ Grandriß
„ „ „ Taufstein
Haus Venhaus; Lageplan
,, „ Inneres der Kapelle
Kirche in Wettrup; Inneres
Der Kreis Grafschaft Bentheim
Schloß in Bentheim; Gesamtansicht von Südwesten . .
„ „ „ Ansicht von Süden
„ ., „ „ „ Nordwest
Bentheim; Lageplan der Stadt
Schloß in Bentheim; Lageplan von 1736
■" 11 11 V\ T) 1911
„ ,, „ unteres Pforthaus
n 11 „ Sonnenuhr
„ „ ,1 inneres Pforthaus, Westseite . . .
11 « 11 „ -n Ostteite ....
71 1, „ Mauerstück beim viereckigen Turm
1) n n Katharinenkirche, Grundriß . . .
71 11 „ ri Turm; Schnitt .
,1 n n Wachstube
BeiU
51
53
54
55
55
56
56
57
58
59
60
61
61
62
65
65
66
69
71
71
72
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77
79
80
81
82
83
93
96
98
94
94
95
101
102
102
103
104
105
•<^ VII Sk~
Abb.
Seite
Tafel
88
Schloß in Benthelm; viereckiger Turm
107
89
^ runder Turm
109
90
„ „ „ Kronenburg, heutiger Zustand . .
111
91
V V V V Pfeiler
—
8
92
._ ,, Kruzifixus
112
93
Reformierte Kirche in Bentheim; Ansicht von Nord-
westen
113
94
„ „ „ „ Grundriß . . . ... .
113
95
„ „ „ „ Turm mit Querschnitt ;
Querschnitt durch
die Kirche ....
114
96
fl „ „ „ Epitaph von 1584. .
115
97
,, „ „ „ Glockeninschrift . .
116
98
,1 „ « n Kanzel
116
99
„ „ V n Sarkophag
117
100
Katholische Kirche in Bentheim; Ansicht von Südost.
118
101
„ „ „ „ Grundriß ......
118
102
„ „ „ „ Längsschnitt ....
119
103
„ „ „ „ Glasfenster von 1676
120
104
n 77 71 77 Inneres
—
9
105
„ „ „ „ Rllckwand einer
Kirchenbank . . ,
121
106
„ „ „ „ Altarleuchter ....
121
107
77 77 77 71 Blaker
122
108
Bad Bentheim; Logierhans
123
109
„ „ Pyramide im Walde
124
110
„ „ Höltingstuhl im Walde, Rückwand . . .
124
111
Bentheim; Haus Langen: geschnitzter Schrank
125
112
„ „ „ Himmelbett
125
113
„ „ „ geschnitzter Wappenaufsatz . .
126
114
„ Ackerbürgerhaus, Grundriß, Vorderansicht,
Giebelvorkragung
127
115a
„ Bürgerhaus
128
115b
., Bürgerhäuser
128
116
„ Haus am Herrenberge
129
117
„ Schrank im Besitz des Herrn Cordes
129
118
77 77 77 77 « ' « Tl
130
119
Reformierte Kirche in ßrandlecht; Anßenansicht . . .
—
10
120
71 77 77 71 Grundriß
131
121
n 71 77 77 Schnitt
131
122
„ „ „ „ Kapitell im Schiflf
und im Chor .
132
123
•T p „ ,, Innenansicht . . .
133
124
„ 1 77 71 Tl Inschriftband am
Turm
133
125
„ ., „ „ Turmportal. . . .
134
126
„ „ „ ,, Grabstein ....
134
127
11 77 77 77 Kelch
135
128
71 11 77 11 Taufstein
135
129
Kirche in Emiichheim; Grundriß
137
130
„ fl „ Schnitt
137
-^ VIII '^
Abt..
131
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134
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161
162
163
164
165
166
167
168
169
170
171
172
173
174
175
176
Kirche in Em I ich heim; Innere«
„ „ „ romanische WandvorJage im
Schill; Kapitell im Turm . .
r „ n '^'»""
„ ,, „ Taufötein
Ehem. Kloster Frenswegen; Lageplan
.. y_ „ Grundriß
,, „ „ SHdbau
n -n n SüdflUgel
„ ,, „ Westfront
„ „ „ Brunnen
,, ., y, Südseite des Klosterhofes
„ ri r Südwand der Kirchenruine
„ „ „ Ostfront
7, •• ri Pietä, jetzt in der Schloß-
kapelle zu Burgsteinfurt
•1 „ „ Madonna
„ ,, „ Schnitzstücke, jetzt im
Schloß zu Bentheim. .
T, v ., Kamin
11 ;, „ Kamin, jetzt in Bad
Bentheim
n r, rt Tanfstein, jetzt auf dem
Schlosse in Bentheim .
Kirche in Gildehans; Außenansicht
„ ,T ;, Grundriß
„ •• ri Längsschnitt
•1 „ „ Wettportal
„ •■ ,, Wanddienste in Schiff und Chor
„ „ „ Inneres
•n r, :i Turm
,7 11 n Turm, Schnitt
ji „ ,1 Glockenfries von Hemony ....
:i n ri Kanzel
n n n Kelch
r n n Kronleuchter
•1 n n Opferstock
Gildehaus; Sonnenuhr im Pfarrgarten
Kapolle in Ilcsepe; Grundriß
L a a r ; Hans Laar
Kirche in Laar; Kanzel
Haus Lage; Lageplan
55 55 Znstand im XVI. Jahrhundert
•5 „ Ruine des Kastells
„ „ Westfront
Kirche in Lage; Seitenansicht
„ ,5 „ Grundriß
7) „ „ Schnitt
n 55 V Kelch
55 51 n Kanzel
Nenenhaus; Stadtplan
HeAUi
138
139
139
141
142
143
144
144
145
146
146
146
147
149
149
1.50
152
152
1.53
153
154
155
155
155
156
157
157
158
159
158
162
162
163
163
164
164
164
165
165
166
->^ ]X g^-
Abb. Seite
177 Neuenhans; Das Amtshaus auf der Bnrg; nach einem
Holzschnitt 1G7
178 „ Stadtbild vom Ölwall aus —
179 Ref. Kirche in Nenenhaus; Ansicht 169
180 „ „ „ „ Grundriß 169
181 „ ,, „ „ Inneres —
182 „ „ „ „ Schnitt 170
183 „ „ „ „ Schnitzwerk am gräflichen
Gestühl ......:.. 170
184 „ „ „ „ Brotschtlssel —
185 Nenenhaus; Rathaus 172
186 „ Altes Pastorat 173
187a „ Haus Schölten, Ansicht.' 173
187b „ „ „ Grundriß 173
188 „ „ an der Hauptstraße 173
189 Nordhorn; Stadtplan 174
190 Ref. Kirche in Nordhorn; Außenansicht —
191 „ 7) 71 77 Grundriß 177
192 „ „ „ „ Schnitt 178
193 „ „ „ „ Inneres —
194 „ „ „ „ Pfeiler, Fuß und Kapitell . . 178
195 „ „ ,, ,1 Turm —
196 „ „ „ „ Turmportal 179
197 „ „ „ „ Kanzel 179
198 „ „ „ „ Kronleuchter 180
199 „ „ „ „ Brotschüssel —
200 Nordhorn; Augustinerhaus, nachmals Kirche, und Kapelle
auf der Burg 181
201 „ Kapelle, Grundriß 181
202 „ Rathaus 183
203a „ Haus an der Hauptstraße 184
203b „ Giebel des ehem. Neuenhäuser Tores .... 184
204 „ Pumpe 185
205 Kirche in Ohne; Außenansicht —
206 „ „ „ Grundriß 186
207 „ „ „ Längsschnitt 186
208 „ „ '„ Pfeilerkapitell 187
209 „ „ „ Inneres —
210 „ „ „ Inschrift 188
211 „ „ „ „ 389
212 „ „ „ Kanzelpult 189
213 „ „ „ Kelch 190
214 „ „ „ Taufsteiu 190
215 Schüttorf; Stadtplan 192
216 „ Piggentorn bei Mannsbrügge 193
217 „ Ref. Kirche; linke Hälfte der Inschrift am Chor 195
218 „ 71 77 Inschrift am Turm .,.'.... 195
219 „ „ „ Grundriß 196
220 „ ' „ „ Längsschnitt 197
221 „ „ „ Innenansicht gegen den Chor . . 198
222 „ „ „ sog. Brauttür 199
Tafel
13
13
15
14
14
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--^ X 8---
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Schuttorf; lief. Kirche; 'J'nrmportal .
„ Buff? Altena, Lage])lan
„ „ ;; nach einer Originaizeichnung,
angeblich im Burgdteinfurter
FiirBtI. Archive
n n )i
„ „ „ An«icht
„ Rathaus, Grundriß
„ ^ Querschnitt und Dachstnhl
„ j, Kronleuchter
n „ Trinkeimer
5, „ Vorderansicht ....
„ Haus Jürgenstr. 46a, (^rnndriß und Schnitt;
n Steinstr. 46, Grundriß
71 „ Jürgenstr. 46 a, Vorder- und Seitenansicht
n n n 46 a, Ausbildung derVorkragung
and Gliedernng der Türleibung . . .
11 „ Steinstr. 46; Kammerfach
?i n „ 46; Fenster des Kammerfaches
„ Häuser am Markt 128 a und 128
„ Ofenplatte, jetzt im Heimatmuseum zu Bentheim
Ülsen; Teil eines Kamins
„ Kirche
„ „ Teil der Südfront
„ „ Grundriß
,, „ Innenansicht
„ „ Schnitt
;, fi Konsolo
„ ., Kelch
„ Haus Jacobs
Veldhausen; Kirche, Grundriß
r, rt Schnitt
„ „ Innenansicht gegen den Chor. . . .
n „ Turm
., r> Turmportal
„ „ Kelch
., „ Brotschüssel
Wietmarschen; Stiftskirche, Außenansicht
„ „ Grundriß
„ „ Schnitt durch den Chor . ,
n „ Glockenturm
51 11 Altar
ji n Chorschranke von 1695. . .
Wilsum; Kirche, Ansicht von Süden
,, „ Grundriß
•
Beite
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Tafel
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17
19
18
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19
Sachverzeichnis.
(Die stärker gedruckten Seitenzahlen beziehen sich anf Abbildungen.)
Adeliges Hans und Gut 16, 27, 29, 33 f.,
35, 45 Anm., 67, 77, 78, 82 f., 126, 159,
160, 163, 213.
Altäre 11, 15, 20, 52, 73, 75, 84, 92, 304,
120, 147, 194, 228.
Ansichten und Pläne, ältere 44, 96, 98,
123, 162, 167, 202.
Apsis 50, 51, 187.
Balkon 109, 110.
Basilikale Anlage 24.
Becher 165, 180.
Befestigung 33, 36 Anm., 43, 64, 96, 168,
175, 193.
Bergfried 106, 107.
Bettstelle 125.
Bildnis 78, 230.
Bildwerk 25, 40, 42, 60, 117, 148, 179, 227,
228.
Blaker 123.
Brotschüssel 171, 224.
Brunnen 100, 106, 124, 144.
Brücke 78, 144, 226.
Burg 5, 7, 16, 33, 36, 42 f., 77, 83, 91, 96,
103 f., 132, 161 f., 167 f., 181, 192, 203,
213, 219.
Bügelbahn 97, 101.
Bürgerhaus 28, 56 ff., 91, 126 ff., 172 ff., 184,
207 ff., 219.
C 8. a. K.
Chor 15, 17, 19, 28, 39, 45, 47, 50, 63, 65,
68, 73, 80, 104, 118, 132, 138, 147, 153,
188, 194, 198, 220, 227.
Chorgestühl 147.
Chorschranke 92, 228.
Crucifix 14, 112, 147.
Dachreiter 27, 41, 50, 52, 53, 63, 67, 73,
84, 172, 182, 183, 219, 228.
Dachstuhl 206.
Epitaph 11, 18, 78, 81, 92, 115.
Fallgatter 102.
Gartenanlage 97, «9, 103.
Geschütz 103, 106, 110.
Gestühl 121, 139, 171, 179.
Ge wölb 6.12, 15, 17, 18, 19, 23, 28, 30, 39,
50, 66, 68, 72, 73 Holz, 74, 76 Holz, 80,
105, 108, 110, 115 und 118 Holz, 137, 147,
153 f., 156, 171 Holz, 176, 188, 200, 214, 222.
Giebel 53, 54, 58, 60, 92, 170, 175, 185.
Glasmalerei 73, 122, 148, 201.
Glocke 11, 12, 13, 15, 18, 20, 24, 31, 40,
48, 50, 52, 63, 66, 68 f., 73, 75, 76, 81 f.,
105, lief, 134 f, 136, 139, 140, 156, 165,
171, 179, 201, 217, 224, 228, 230.
Glockeninschrift 13, 15, 18, 20, 24, 31,
48, 50, 68, 73, 75, 81, 84, 116, 156 f., 179,
201, 217, 224, 228.
Goldschmiedearbeit, siehe Becher,
Brotschüssel, Kelch, Monstranz usw.
Goldschmiedezeichen 51.
Grabstein 16, 40, 48, 67, 82, 122, 135, 140,
148, 157, 217.
Hausmarke 25, 47, 59.
Holzschnitzerei 92, 125, 150.
Höltingstuhl 124.
Inschrift, siehe auch Glockeninschrift
106, 107, 108, 124, 133, 138, 145, 164,
169, 182, 188, 194, 198, 207, 211, 223.
Kamin 56, 92, 111, 115, 126, 150, 204, 205,
210, 213.
Kanzel 11, 14, 16, 32, 73, 74, 75, 76, 84,
104, 117, 121, 147, 157, 160, 165, 171,
180, 201, 214, 217, 224, 230.
Kanzelpult 157, 171.
Kapelle 19, 27, 29, 38, 41, 45, 63, 67, 74,
76, 77, 78, 82, 83, 84, 229 f.
Kapitell 15, 30, 38, 39, 104, 132, 138, 147,
153.
Kastell 45, 161, 176, 199, 222.
Kelch 41, 51, 67, 82, 136, 140, 158, 171, 180,
217, 224, 230.
XII
Kirclic, l'bcrsicJit 10 und !)1, l{a<(iim 12,
l',;ivviiik()l 13, Bc(;.st<-ii 15, Br;iiiiHch(5 17 f.,
Ell)erf(on 19 ff., KiriHljürcn 21 fl'., Froicii
30 (1., LeDf,'oiich 38 (F. und 41, I-iriKcn 45 ff,
49 fl., 51 f., Loljiio 6*3, l'l.'intliinne 65 H'.,
Salzhorf^on 68 f., Sfhapon 71 H"., Scliept--
dorf 74 fl., Si.ülle 70, 'luine 79 ff-, Wcttrup
83 f., Bontheiiii 104, 114 f., 117 H., Brand-
lecht I31ff., Kinlichheim 136 ff., Enf,'den
140, Frenswegen 147 ff., Laar 160, La{<e
164 f., Neuenhaus 169 ff., Nordhorn 176 H.,
Ohne 187 ff., Schüttorf 194 ff., Wiet-
marschen 226 ff',
Kirchenge rät, siehe Kultgcrät.
Kirchen Siegel 41), 73, 180.
Kirchturm 10, 12, 13, 15, 18, 20, 24, 30,
38, 45, 47, 03, 64, 68, 72, 75, 80, 82 f.,
104, 115, 120, 133, 138, 154, 178, 188,
194, 201, 214, 222, 228, 230.
Kloster und Stift 63, 91, 140 ff., 194, 202,
224 ff.
Kommende 181.
Konsole 15, 19, 42, 47, 66, 105, 109, 110,
111, 134, 147, 154, 170, 178, 188, 211, 215.
Kreuzgang 143.
Krenzpfosten 54, 110.
Kronleuchter 76, 84, 123, 140, 158, 171,
180, 201, 206, 217, 224.
Kultgerät, siehe auch Becher, Brot-
schüssel, Kelch, Monstranz,
Patene.
Lageplan, siehe auch Stadtplan 34, 82,
94, 95, 141, 162, 202.
Laterne, siehe auch Dachreiter und
Turm 105, 172.
Leuchter 122.
Lichtsäule 24.
Madonna 42, 148, 229.
Malerei, siehe auch Glasmalerei, Öl-
gemälde, Wandmalerei.
Maßwerk 15, 28, 38, 39, 47, 66, 75, 13 t,
138, 145, 154, 178, 200, 215, 223.
M emorienschild 201.
Meßbnch 52.
Meßgewand 18, 25, G9, 171.
Monstranz 18, 52, 76.
Monogramm 51, 98, 102, 103.
Möbel 130.
Mühle 164.
Ofenplatte 212.
Ölgemälde, s. a. Bildnis 78, 123, 230.
Opferötock 158.
Orgel .52, 218.
Patene 11.0, 180, 217, 224.
Pietä 148.
Piscina 40.
I'ortal 23, 31, 55 1, 35, 77. 134, 101, 102,
153, 178, 200, 201, 2.30.
I'redigtstu h 1, hiche Kanzel.
Profan bau 28, 52, 53 ff, 182, siehe auch
Kathans, Bürgerhaus.
Pumpe 185.
Rathaus 53, 171 f., 204 ff.. 218.
Sakramentshäuschen 11, 16, .32, 63, 67,
69, 82.
Sakristei 15, 17, 24, 30, 39, 6.5, 68, 73, 75,
81, 138, 2(XJ, 214, 227.
Sandnhrh alter 1,57.
Sar k ophag 117.
Schildwachtürmchen 97, 103, 106.
Schloß 91, 97 ff., 161, 181, 203.
Schrank 126.
Seil Ornament 19, 39, siehe auch bei
romanischen Taufsteinen.
Siegel 49, 73, 180.
Sonnenuhr 97, 158.
Stadtplan 43, 44, 94, 166, 174, 192.
Steinbruch 97, 151.
Steinmetzzeichen 16, 20, 26, 28, 31, 32,
40, 45, 49, 67, 82, 108, 13(J, 1.38, 158, 201
217, 224.
Stift, siehe auch Kloster.
Stoff 18, 25, 69, 171.
Stuckdecke 51, 56, HO, 165.
Taufe 11, 26, 40, 69, 73, 82, 123, 136, 140,
150, 219, 224.
Taufbecken 171, 224.
Tor 78, 96, 97, 99, 103, 175, 193.
Tracht 89.
Trinkeimer 206 f.
Truhe 92.
Turm 47, 97, 98, 99, 106 ff". , siehe auch
Kirchturm.
Turmhclm 30, 71, 98, 105, 110, 138, 201.
Wandmalerei 32, 40, 67, 73, 76, 92, 140,
153, 217.
Wappen 20, 32, 39, 41, 53, 78, 102, 103,
106, -107, 116, 118, 122, 124, 126, 140,
148, 157, 165, 171, 172, 183, 201, 212,
217, 224.
Wart türm 193, siehe auch Bergfried.
Künstlerverzeichnis.
1. Baumeister:
F. Bielitz 49.
C. W. Hase 12.
Niederländischer Baumeister 97.
Job. Conrad Schlaun 94, 97, 98.
2. Glockengießer:
Wilhelmus 1441, 18.
Werner (?) Wilken 1457, 48.
Johann Volkecr 1466, 20. 1477, 75.
1519,105. 1473 u. 1474, 134. 1492,201.
Wolter Westerhues 1502 (?), 201. 1508,
179. 1509, 224. 1510, 228.
Gerhard Wou und Joh. Schonebroch
1512 und 1516, 139.
Joh. Alves 1545, 15.
Jan Moor 1556, 179.
Tepe Otting 1583, 81. 1586, 32. 1599 (?),
24.
Friedr. Bntgen 1602, 20.
Michel von Ochtrnp 1620, 68.
Fransis Hemony 1641, 117.
Peter Hemony 1642, 66. 1647,73. 1648,
156.
Frans et Peter Hemony 1643, 82.
J. Jörling 1647, 73.
Joh. Fremich 1670, 156.
Kappenberg 1676, 66.
Job. Fricke 1681 und 1685, 13.
Gerhard Schimmel 1699, 24.
Andries van Bergen und M. Fremy
1725, 230.
Ciprianus ßraüz Jansz 1747, 48.
Friderikns Schweys 1748, 84.
Friedr. Moritz Rinker 175.5, 32. 1773, 69.
Christian und Röttger Voigt 1771, 201
Meister Gerhardus 1784, 15.
Wouter Slnymer 1784, 84.
A. Petit und Sohn 1787, 156.
Petit 1817, 63.
Alexins Petit 1838, 136.
Gebr. Edelbrock 1838, 201.
J, B, Dubois 1835, 217. 1839, 224.
Dn Boits 1839, 229.
Meyer und Kühne 1853, 83.
Petit und Edelbrock 1851, 631. 858,
13. 1865, 171. 1869, 12 und 40. 1875,
24.
3. Maler:
Nikiaas Berghem 98.
Jakob Ruisdael 98.
Berkhuys 96, 98.
4. Steinmetzen:
Siehe Seite 201 Anmcrknng.
Berichtigungen und Zusätze.
Seite IX, Zeile 1 von oben: Bezeichnung zu Abb. 177 muß beißen :
Neuenhaus; Wassermühle.
Seite XU zu Patene lies 165 statt 115. 180 setze zu Brotschüssel,
218 statt 217.
Seite XIII füge hinzu: Bildschnitzer: Bernd Jürgen 75. Glocken-
gießer: Gerhard de Wou 141)0 und 1511, 160. Glockengießer: J. H.
Maerkel 1788, 7.3.
Seite 27, Zeile 5 von unten lies 1259 statt 1795.
Seite 64, Zeile 2 von oben lies dem statt den.
t
Der Kreis Lingen.
Literatur:
Die Bau- und Kunst denkmäler von Westfalen, Kreis Tecklenburg. Münster 1907.
Historische Einleitung.
Fr. Darpe, Geschichte des Herzogtums Rheina-Wolbeck in Ztschr. f. Vaterl. Gesch. u.
Altertsk. Münster, Bd. 33.
J. B. Di epenbrock, Geschichte des vormaligen MUnsterischen Amtes Meppen, Münster 1838.
Zweite Antl., Lingen 188.3.
B. A. Gold Schmidt, Geschichte der Grafschaft Lingen, Osnabrück 1850.
Großfeld, Beiträge zur Geschichte der Pfarrei und Stadt Rheine. Münster 1875.
Hamelmann, Historia ecclesiastica renati Evangelii per Westfaliam. o. 0. anno 1586.
Hermannns Stangefol, A|;^nale8 Circuli Westfalici, Colonie Agrippinae 1656.
Heimatkunde des Kreises Lingen, hrsg. vom kath. Lehrerverein, Lingen 1905.
Hobbeling, Beschreibung des ganzen Stiftes Münster, Dortmund 1792.
Job. Heinr. Jungius, Historiae antiquissimae Comitatus Benthemiensis libri tres mit dem
Codex diplomatum ac docnmentornm und Appendix, Hannoverae et Osnabrngi 1773.
V. Kindlinger, Münsterische Beiträge. Bd. I— HL Münster 1787—1793.
Nie. Kindlinger, Geschichte der Familie u. Herrschaft v. Volmerstein. Osnabrück 1801.
Krimphove, Der heilige Luidgerus, Münster 188G.
J. Lindenborn, Historia seu Notitia Ei)iscopatns Daventriensis, Coloniae Agrippinae 1670.
r. G. G. Lodtmann, Acta Osnabrugensia, Osnabrück 1778—1782.
Merian, Topographia Westphaliae o. 0. und J.
H. Wilh. Mithoff, Kunstdenkmäler und Alterthümer im Hannoverschen, Bd. VI,
Hannover 1879.
Mitteilungen des Historischen Vereins zu Osnabrück.
J. C. Möller, Geschichte der vormaligen Grafschaft Lingen, Lingen 1874.
NUnning, Moniunentorum Monasteriensium deeuvia, Vesaliae 1747.
Gerb. Arn. Rumpius, Des hl. röm. Reichs uralte hochl. Grafschaft Teoklenburg,
Bremen 1672.
(Sandhoff) Antistitum Osnabrngensis ecclesiae res gestae,. ed. Sandhotf, Monasterii 1785.
N. Schalen, Historia Westfaliae. Münster 1773.
L. Schriever, Geschichte des Kreises Lingen, I. Teil, Lingen 1905, H. Teil 1910.
J. Eb. Stüve, Beschreibung und Geschichte des Hochstiftes und Fürstenthoms Osnabrück,
Osnabrück 1787
C. Stüve, Geschichte des Hochstiftes Osnabrück bis zum Jahre 1508, Osnabrück 1853.
V, H. Sudendorf, Kommende der Ritter des deutschon Ordens in Osnabrück. Hannover 1842.
' Ad. Tibus, Gründungsgeschichte der Stifter usw. und Klöster im Bereiche des alten Bistums
Münster, Münster 1867 flf.
Wedde, Westfälischer Nationalkalender von 1806.
P. F. Weddigen, Geogr.-statist. Beschreibung der Grafschaft Lingen im Westf. hist.-geogr.
Jahrbuch, Kleinbremen 1806.
Zeitschrift des Historischen Vereins für Niedersachsen, Hannover.
Zeitschrift für Vaterländische (»eschichte und .Mtertumsknnde, Münster.
\
i| ^ 2 JK.
I) iif I I 0 II :
(!<»(1(\ traditioniiiii W'dHtfalicHriiiii, 15(1 2, Münster \8>^\. Die ältesten V(;rzeichni8HC der
Kinkündc de« MiinHtcriscIrioii DumkapitelH, bearb. v. Fr. Darpe, lid. :j, MüiiBter
1888. I>io Hobüregister des Klo.-tcrs (lierwasser und des Stiftes St. Mauritz,
bearb. v. Fr. Darpe.
Erhard, Kef^cBtae liistoricae Wcstfaliac. Fortges. u. d. Titel WeBtfälischeB Urkiindenbucli,
Hd. 1 u. 2, Münster 1847 — 18(il. Bd. 3, R. Wilmans, Die Crkanden des liistbamB
Münster, 1201—1300. Münster 1871—1888.
Falko, Codex traditionuin ('orbejeusinni, Lipsiao 17.52.
Inventar der nicht staatlichen Archive, lleftllundlll, Kreis < oesfeld, N'eröffentlichungcn
der Ilist. Koinm. der I'rov. Westf Münster 1904.
Meppener Urkundenbnch, heransi^^eg. v. II. Wcnker, 3 'ITe., Meppen 1902— 19(J5.
Jos. Niesert, Uejträge zu einem Münsterischen Urknndenbucli, Münster 1823.
Jos. Niesert, Codex Diploinaticus Steinfordiensis, Coesfeld 1835.
Osnabrücker Geschichtsquellen, hrsg. v. Hist. Ver. zn Osn., Bd. 1 n. 2, bearb. v.
Philippi und Forst, Osnabrück 1891.
Osnabrücker Urkundenbuch, Band 1—4 »bis 1500^ Bearl». von Fhilippi und Dar,
Osnabrück 1892—1902.
K ;i r t e n w e r k e :
Basse Partie de l'evesche de Münster et le Conote de Bentheni par le Sr Sanson Geograph
Ordinaire du Roy a Paris, 1692 chez H. Jaillot.
Karte der Grenzen des Freigerichtes nnd Gogerichtes zn EmsbUren von Gerh. Volbier
aus dem Jahre 1607.
Einleitung.
|er Kreis Lingen gehört zum Regierungsbezirk Osnabrück und umfaßt die
^ früheren Ämter Lingen und Freren. Seine Grenzen (s. Abb. 1) bilden
im Westen der Kreis Grafschaft Bentheim, im Norden der Kreis Meppen, im
Abb. 1. Der Kreis Lingen.
Osten Kreis Bersenbrück, im Südosten und Süden stößt er an den Westfälischen
Regierungsbezirk Münster mit dessen Kreisen Tecklenburg und Burgsteinfurt.
Der Kreis gehört ganz dem Fiachlande an und hat ungefähr die
Gestalt eines ungleichseitigen Dreieckes, dessen Spitze nach Süden gekehrt
ist, und dessen Basis im ganzen west-östliche Richtung innehält. Die Dreiecks-
fläche ist von Süden nach Norden sanft geneigt und weist an ihrer Spitze
1*
-^ 4 8^'
(lio (luichschniitliche Höhe über dem Meeresspiegel von .'{4 rn, an der Basis
die von 28 rn auf. Die höchste Erhebung in diesem (Jebiete erreicht der
Queckenberg mit 72 m.
Die Ems, die nahe der wesüichen Grenze den Kreis in süd-nördUcher
Richtung durchströmt, nimmt die Gewässer dos Landes auf: unter ihren Neben-
flüssen sind rechtsseitig als bedeutend die vereinigten Aaläufe zu nennen,
vs^elche bei Spelle in das Kreisgebiet eintreten. Die ödländereien, Moore und
Heiden, deren Ausdehnung bis in das Ende des vorigen Jahrhunderts hinein
dem Lande den Ruf von Kargheit und geringer Ertragkraft eingebracht hatten,
haben seit der allgemeineren Einführung einer intensiven Bodenkultur an
Umfang schon wesentlich abgenommen, und die Erträge sind denen von Ge-
bieten mit besserem Boden gleichwertig. Als der reichste Landstrich gelten dabei
nach wie vor dieser Zeit die Wiesenlandschaften längs des Emslaufes, Forst-
kulturen, die bezeichnenderweise zu 98 % aus Kiefernwaldungen und nur
zu je 1 % aus Fichten und Buchen bestehen, bedecken große Teile des
Kreisgebietes.
Den Haupterwerb bildet für die Bevölkerung der bäuerliche Landwirt-
schaftsbetrieb ; nur wenige größere Güter sind zu verzeichnen. Auch die
dörflichen und städtischen Handwerk- und Gewerbetreibenden pflegen eigene
Feldbestellung zu haben.
Aufstrebende Industrien weisen die Städte Lingen und der Ort Salz-
bergen auf. Es handelt sich um Eisengießereien, Maschinenfabriken, Sägewerke,
Webereien und in Lingen um eine Eisenbahnhauptwerkstätte.
Die Beschaffenheit und Zahl der Verkehrswege im Kreise Lingen
scheint noch gelegentlich den niedersächsischen Hang zur Abgeschlossenheit
und Mangel an Gemeinsinn bei der Bewohnerschaft auszuprägen, teils allerdings
muß sie lediglich als Zeichen eines noch nicht voll entwickelten lokalen
Verkehrsbedürfnisses genommen werden. Die guten Provinzialstraßen sind
meist jüngerer Entstehung. Der Verkehrsstrom, welcher das Land durchzieht,
angegeben durch Eisenbahn, Kanäle und Landstraßen, folgt heutigestags
ausgesprochen der Richtung des Emslaufes. Bis in die 70er Jahre des vorigen
Jahrhunderts bestimmten die Verkehrsrichtung dagegen vorherrschend die Be-
ziehungen zu Holland, sowohl die der alten Niedergrafschaft Lingen selber,
als auch die des deutschen Hinterlandes, welche durch die große Post-, Reise-
und Handelsstraße über die Stadt Lingen nach Amsterdam vermittelt wurden*).
Seit der Eröffnung der sogenannten Holländischen Bahn von Rheine nach
Oldenzaal verlor jene Straße ihre Bedeutung. Auch die Beziehungen der Be-
völkerung zu Holland, welche längst nach der politischen Loslösung von den
Niederlanden noch fortlebten und in der sogenannten Hollandgängerei nach-
blühten, erloschen allmählich. Nicht zum wenigsten lag der Grund dafür
in dem wirtschaftlichen Aufschwünge des Heimatlandes**).
*) Über die alten Straßen siehe M. d. Hist. Ver. zu Osn. 14, ll, 25, 27.
**) Wertvolle Einzelheiten über das Land nnd sein Volksleben hat J. Tiesmeyer
gesammelt in Heimatkunde dos Kreises Lingen, Lingen 1905, mit einer Nachlese,
or.scliienen 1913.
->^ 5 g*^
Die Geschichte der ehemaligen Grafschaft L in gen ist in besonderem Geschichte.
Maße verquickt mit der Kirchengeschichte des Landes. Über die Zeit der
ersten Glaubensboten sind sichere Nachrichten nicht überliefert. Wahrscheinlich
ist, daß die unter den Friesen wirkenden Missionare, vor allem der hl. Luidger,
welcher 809 als Bischof von Münster starb, Anteil an der Verbreitung der
Heilslehre in dem zumeist zum alten Venkigau gehörenden Gebiete der mitt-
leren Ems haben (Krimphove, Der hl. Luidgerus S. 144 — 146). Bald nach der
Einführung des Christentums erwarben die Benediktinerklöster von Verden
und Corvey Landbesitz in dieser Gegend. Ihr Einfluß beginnt aber bereits
im XIL Jahrhundert zu erlöschen und als Besitzer von Gütern und Rechten
treten die Bischöfe von Osnabrück und Münster auf.
Als weltliche Machthaber im Lande haben dabei schon frühzeitig die
Grafen von Tecklenburg zu gelten, die, wie aus den Güterverzeichnissen der
Klöster und aus Verträgen mit den Bischöfen von Osnabrück hervorgeht,
mindestens schon im XIL Jahrhundert im Lingenschen begütert waren. Mit
den Bischöfen standen sie sich kaum dauernd gut. Als Landesherren über-
nahmen sie die Schirmvogtei des Osnabrücker Bischotes und hatten dafür
das Recht der Ernennung zu fast allen Pfarren ihrer Landesteile. Fort-
währende gegenseitige Übergriffe hatten 1236 zu einem Feldzuge gegen den
Tecklenburger Grafen geführt, der für ihn unglücklich endete, so daß er gegen
eine Abfindung einige seiner Rechte an Osnabrück abtreten mußte. Im folgenden
Jahrhundert setzten neue Zwistigkeiten ein mit dem Bischof von Münster
und dem von Osnabrück, in deren Verlauf die Burg Lingen, welche die
Grafen zur Sicherung und Verbindung ihrer nördlichen und südlichen Landes-
teile schon vor 1250 erbaut hatten, von der bischöflichen Partei wiederholt
genommen wurde und eine Zeitlang besetzt blieb. Die Fehde endete zunächst
im Jahre 1400 nach der Gefangensetzung des Grafen Nicolaus II. mit einem
für diesen sehr verlustreichen Friedensschluß zu Münster. Das Lingener
Gebiet verblieb dabei im ganzen dem Grafen, aber durch die Abtretung des
Kirchspiels Hopsten an Münster wurde eine teilweise Trennung der Gebiete von
Tecklenburg und Lingen bewirkt (s. d. Karte Abb. 2). Eine Teilung wurde
in politischer Beziehung unter Beihilfe der Bischöfe von Osnabrück und
Münster gelegenthch der Beilegung eines FamiUenzwistes im Hause Tecklen-
burg 1493 angebahnt und vollzog sich im Jahre 1508, indem Niederlingen
dem Nicolaus IV., Oberlingen aber (Ibbenbüren, Brochterbeck, Recke und
Mettingen) dem Erbgrafen von Tecklenburg, Otto, zugeteilt wurde. Nicolaus
gab durch Straßenraub und Gewalttat nach kurzer Zeit dem Bischof von
Münster Anlaß, die Burg Lingen nach gelungener Überrumpelung zu besetzen.
Um wieder in deren Besitz zu gelangen, stellte Nicolaus sich als Vasall unter
die LehnsherrUchkeit des Herzogs von Geldern, der sein Onkel war und die
Räumung der Burg von dem Bischof erzwang. Als Nicolaus 1541 ohne
männUchen Erben gestorben war, fiel die Niedergrafschaft Lingen an den
Erbherrn von Tecklenburg, seinen Brudersohn Konrad. Dieser hatte schon
1525 die neue lutherische Lehre angenommen und war bestrebt, ihr Eingang
in seinen LandeUv zu denen seit 1541 also auch Lingen gehörte, zu verschaffen,
wandi»! (Ialj(!i iilx^r Willkür und (jevvaJt an, so daß ci dauernden Erfolg niclit
erzielte. So setzte er unter Verletzung der Hechte anderer auf verschiedenen
Pfarrstellon l'rcdigor mich seinem Sinne ein. zog aueh Kirchen- und Pfarr-
einkünfte eij,'erun;ichlif^ an sicli, zwang die Priester zur Khe und anderes mehr.
Abb.
Historisehe Übersichtskarte.
Wegen seiner Beteiligung am Schmalkaldischen Bunde und Unterlassung der
Lehnsmutung wurde dem Grafen Konrad durch Kaiser Karl V. die Grafschaft
Lingen entzogen und 1546 an Maximilian Egmont, Grafen von Büren, als
Lehn übertragen. Nach dessen Tode 1548 ging dieses Lehn auf das einzige
Kind Maximilian Egmonts, Anna, über.
Nach der Heirat Annas von Egmont mit Wilhelm von Nassau,
Prinzen von Oranien, zu der der Kaiser seine Zustimmung von der Bedingung
abhängig gemacht hatte, daß ihm die Grafschaft verkauft vvürde^ erwarb
Karl V. die Nieder- und Obergrafschaft Lingen. Die Verwaltung der Grafschaft,
die in Verbindung mit der Provinz Oberyssel geschehen sollte, legte er in die
Hände seiner Schwester Maria als Statthalterin der Niederlande. Deren
Hauptsorge war die Wiederherstellung des katholischen Religionswesens
in seinem ganzen Umfange. Als der Kaiser 1555 abdankte, überließ
er seinem Sohne, Philipp IL von Spanien, die Grafschaft Lingen als einen
Teil der Niederlande. Dieser ließ sich in der Person seines Statthalters, Jan
von Linge, Grafen von Arenberg, im Jahre darauf von Ständen und Stadt
huldigen. Um seine Untertanen dem katholischen Bekenntnis besser zu erhalten,
richtete er mehrere Bistümer ein und teilte die Grafschaft Lingen im Ein-
verständnis mit Papst Paul IL dem Bistume Deventer zu, dessen Bischof
nun besonders die von Philipp schon begonnene Restitution des Kirchengutes
fortsetzte.
Nach Philipps IL Abreise nach Spanien brach 1578 der Niederländische
Aufstand aus, in dessen Verlauf die Generalstaaten dem Prinzen Wilhelm I.
von Oranien die Grafschaft Lingen im Zusammenhang mit der Provinz Geldern
als Lehn übertrugen. Dabei war die Grafschaft, die von den Spaniern besetzt
war, diesen noch zu entreißen. Den Kriegsgreueln, denen die Grafschaft in
dieser Zeit ausgesetzt war, bereitete vorläufig die Eroberung Lingens durch
Wilhelm von Oranien 1597 ein Ende. Im Jahre 1602 wurde ihm die Belehnung
von der Provinz Oberyssel auf Grund der älteren von 1587 erneuert. Er
verfügte alsbald die Absetzung und Verbannung der katholischen Geistlichen
und die Einführung \md Besoldung reformierter Prediger, Lehrer und Beamten.
Die Spanier eroberten schon 1605 Lingen zurück, und behaupteten
die Grafschaft bis zum Jahre 1630. Die Einnahme durch die Spanier hatte
natürlich die alsbaldige Entfernung der oranischen Beamten und reformierten
Prediger und die Wiederherstellung des katholischen Klerus und Gottes-
dienstes zur Folge. Weil aber den Spaniern das Halten der Festung wegen
ihrer entfernten Lage zu umständlich war, zogen sie sich 1630 aus dem
Lande zurück und übertrugen die Besetzung der katholischen Liga. 1632
begann man damit, die Festungswerke von Lingen zu schleifen, um die Stadt
zu neutralisieren ; die Besatzung der Liga wurde entfernt.
Danach ergriff 1633 wieder ein Oranier, Friedrich Heinrich, dem nach
dem Tode seines Bruders Moritz die Grafschaft als Lehn übertragen war,
von Lingen Besitz. An seinen Sohn Wilhelm IL trat Spanien im Westfälischen
Frieden 1648 die Nieder- und Obergrafschaft ausdrücklich ab in der Form,
daß Lingen aus dem Reichsverbande als ein Teil der Niederlande ausschied.
Unter den Oraniern wurde wiederum mit der Besetzung der Pfarren durch
reformierte Prediger und der Beamtenstellen durch reformierte Männer, jedoch
ohne Härte begonnen; Zwang wurde erst ausgeübt, als noch während der
westfähschen Friedensverhandlungen Prinz Wilhelm IL ein Edikt erließ,
wonach die römischen Kirchen im Lande reformiert und von allen Spuren
des Papsttumes gesäubert, einstweilen auch geschlossen werden sollten,
wie denn gleichzeitig der Drost und Rentmeister ermächtigt wurde, die geist-
lichen Güter in Besitz zu nehmen.
Die oranische Herrschaft wurde in den Jahren 1672—1674, den so-
genannten Bischofsjahren, infolge der Besetzung Lingens durch den Münste-
rischen Bischof Bernhard von Galen imterbrochen, und sofort gelangten die
-^ 8 »^
Katholiken wieder in (Jen Besitz iliier Kirchen und deren (lüter. Heim
Friedensschluß 1674 aber ließ der Hischof von selbst die Regierung dem
Beamten des Prinzen übergeben.
Die (Irafen von Tecklenburg, die während der Bischofsjahre wieder
hervorgetreten waren, und nun ihre Ansi)rü(he auf die Grafschaft Lingen vor
einem Lehnsgericht der Overysselschen Stände verfochten, wurden 1084 von
diesem aller Rechte verlustig erklärt, traten aber gleichwohl 1700 ihre An-
sprüche in einem Vertrage an Preußen ab.
Friedrich I., König von Freufien, übrigens ein Vetter Wilhelms 111.
von Oranien, machte diese Ansprüche geltend, als Wilhelm, der seit 1689
König von England war, im Jahre 1702 kinderlos starb. Zugleich gestützt
auf seine Erbansprüche, nahm er noch im selben -lahre (1702) die Grafschaft
Lingen durch seinen Geheimen Rat Thomas Ernst von Dankelmann in Besitz.
In der kirchengeschichtlichen Periode von 1648 an bis hierher spielen
fortwährende konfessionelle Reibereien, Entscheidungen und Erlässe, die zur
Befestigung des reformierten Bekenntnisses im Lande dienen sollten, ihre wenig
erbauliche Rolle. (Siehe darüber Goldschmidt a. a. 0. S. 291—354.) Mit der
Besitzergreifung durch Preußen trat eine Zeit der Toleranz ein. Im Jahre 1718
durfte wieder öffentlich katholischer Gottesdienst gehalten werden, und bald
erstanden neue Gotteshäuser.
Die geistliche Jurisdiktion lag, seitdem mit dem Abfalle der Nieder-
lande das Bistum Deventer zu bestehen aufgehört hatte, in den Händen
apostolischer Vikare, denen wieder Erzpriester untergeben waren. Seit Beginn
des XVII. Jahrhunderts war die Stadt Lingen Sitz eines Erzpriesters, dem die
Aufsicht über die katholischen Gemeinden zufiel, welche trotz der oranischen
Versuche, die Reformation einzuführen, nicht unterdrückt worden w^aren. Unter
dem preußischen Regime nahm auch die Anzahl der Lutheraner zu, denen
dann 1727 die Erlaubnis freier Religionsübung erteilt wurde.
Nach der Schlacht bei Jena 1806 nahm ein französisches administratives
Kollegium mit dem Sitze zu Münster die Grafschaft Lingen in Verwaltung. Die
förmliche Abtretung durch Preußen an die Franzosen erfolgte im Frieden von
Tilsit 1807. Im folgenden Jahre wurde die Grafschaft mit dem Großherzogtum Berg
verbunden und bildete einen Teil des Emsdepartements; 1810 — 13 galt sie als dem
Departement Oberems des französischen Kaiserreiches einverleibt.
Nach der Leipziger Schlacht wurde sie zuerst einem preußischen Zivil-
gouvernement, im besonderen der Regierungskommission zu Münster unter-
worfen; aber noch im gleichen Jahre wurde die Niedergrafschaft Lingen mit
dem Kreise Emsbüren als Entschädigung für England an Hannover überwiesen
und 1815 vom Prinz-Regenten, dem nachmaligen König Georg IV. von Eng-
land, in Besitz genommen. Die Verwaltung übte die Regierung zu Osnabrück aus.
Seit der französischen Besetzung machte die Restitution der Katholiken
in ihre Rechte und Güter beständige Fortschritte. 1812 wurde Lingen der
Diözese Osnabrück unterstellt; endgültig geregelt wurden die kirchlichen Ver-
hältnisse auf Grund einer Kultusverordnung von 1822.
Der etwa 16 Q-MeiJeii umfassende .Gebietsstreifen links der Ems, in
welchem Salzbergen, Emsbüren, Elbergen und Schepsdorf liegen, hat niemals zur
Grafschaft Lingen gehört und hat deshalb in mehrfacher Hinsicht eine Sonder-
geschichte. Nachdem bis in das XIII. Jahrhundert hinein das Bistum Utrecht
seine Diözesangrenzen bis an die Ems ausgedehnt hatte, wie aus dem Um-
stände hervorgeht, daß hier die Grafen von Bentheim als Burggrafen von
Utrecht vielfach mit Rechten und Gütern belehnt worden sind (Jung, Hist.
Com. Benth., Urk. 23), scheint Utrecht sich mit Münster wegen einer Grenz-
regelung auseinandergesetzt zu haben, nach der die Mark Rheine, zu der Salz-
bergen gehörte, und Emsbüren dem Münsterischen Bischof Untertan sein sollte.
Die Bentheimer Grafen besaßen gleichwohl später noch in diesem Gebiete
Güter und Rechte (siehe unter Salzbergen), und ihrem Einflüsse ist die vor-
übergehende Besetzung der Pfarre in Salzbergen mit reformierten Predigern zu
Ende des XVI. Jahrhunderts zuzuschreiben. InnerUch wurde die Bevölkerung
des fraglichen Gebietes von der Reformation im übrigen kaum berührt. Die
Ereignisse des spanisch-niederländischen Krieges 1565— 1648 spielten wieder-
holt in diese Gegend des Bistums Münster hinein. Ais im Jahre 1803 durch
den Reichsdeputationshauptschluß das Bistum Münster säkularisiert worden
war, wurde aus dem linksemsischen Landesstreifen das Fürstentum Rheina-
Wolbeck gebildet, das dem Herzog von Looz-Corswaren übertragen wurde
(siehe Darpe, Gesch. von Rheina-Wolbeck). Napoleon schlug aber schon 1806
das Fürstentum zum Großherzogtum Berg; der mediatisierte Fürst war 1813
eben im Begriff, wieder von seinem Lande Besitz zu nehmen, als das König-
reich Preußen, ungeachtet der Ansprüche jenes Fürsten, das Land Looz-
Corswaren in Verwaltung nahm.
Während die Niedergrafschaft Lingen mit Meppen und Emsbüren schon
am 9. Juni 1815 an Hannover abgetreten wurde, geschah die Vereinigung
des Verwaltungsbezirkes Emsbüren (Amtsvogtei seit 1824) mit dem Amte
Lingen erst am 1. Oktober 1826. Einige Rechte, die der Herzog von Looz als
Domäneninhaber in Salzbergen, Emsbüren und Schepsdorf besaß, verkaufte er
nach 1826 an Hannover.
»
Unter den Bauwerken des Kreises Lingen überwiegen, sowohl der überblick
Zahl als dem kunsthistorischen Interesse nach, die kirchlichen Anlagen. Nur J^^^^ ^\^
wenigen davon aber gebührt, sei es mehr ihrer archäologischen oder mehr des Kreises
ihrer architektonischen Eigentümlichkeiten wegen, ein besonderer Platz in der
Kunstgeschichte. So bewirkt der Umstand, daß die Mehrzahl der vorhandenen
Gotteshäuser ungefähr zu gleicher Zeit, um die Wende des XVI. Jahrhunderts,
auch ungefähr nach gleichem Risse und von Meistern, offenbar der gleichen
Schule errichtet wurde, eine große Gleichförmigkeit des kunstgeschichtlichen
Gesamtbildes.
Vor dieser Gleichförmigkeit heben sich einige größere kirchHche
Baudenkmäler von bedeutenderem Interesse heraus, nämlich die dreischiffige
Hallenkirche zu Emsbüren und die zu Lengerich auf der Wallage. Bei der
ersteren bestand die Frage, ob hier eine spätromanische basilikale Anlage
iiiit KiiMizaimeu vorhandon gewesen sei; sie muß abtT verneint werden.
Ein sicheres Bild der frühromanischen Anlage ließ sich nicht mehr gewinnen, da
ihre letzten Reste jüngst entfernt worden sind. Im übrigen hat das Gotteshaus
schon um 1470 durch rm Wandlung in eine dreischiffige Hallenkirche grund-
legende Veränderungen erfahren. Auch hinsiclitlich der Lengericher Kirche ist
die Vernujtung, daß sie ursprünglich von basilikaler Anlage gewesen sei, nicht
mehr belegbar. Spätromanische Reste wurden am Chor und an der Westwand
des Schiffes neben dem Turm gefunden. Das Schiff entstammt der Zeit um 1470.
Die Kirche zu Freren hat in ihren spätromanischen Einzelformen
Beziehungen zur damaligen Architektur der Tecklenburger Grafschaft (vgl. d.
Kirche zu Schale, Kr. Tecklenburg). Ihr gotischer Chor stammt aus der
Zeit um 1480.
Als romanische Kirchenanlage erweist sich die Kirche zu Schepsdorf;
diejenige in Beesten hat wenigstens romanische Reste; beide Gotteshäuser
sind in gotischer Zeit ausgebaut, das letztere wurde damals verbreitert.
Die romanische Kirche in Salzbergen, welche mit Kreuzarraen
versehen war, ist abgebrochen und durch einen Neubau ersetzt.
Romanischer Zeit entstammen ferner eine ganze Anzahl der Kirchtürme
im Kreise Lingen. Sie sind meist konstruktiv außer Zusammenhang mit der
an ihre Ostseite sich anschließenden Kirche angelegt, auf -viereckiger Basis
ohne Fundamentabsatz und ohne außen sichtbare Geschoßteilung aus unregel-
mäßigen Quadern aufgeführt und haben auf ihrer Westseite einen kleinen,
, meist rundbogigen Eingang. Die Durchgangshalle pflegt gewölbt zu sein,
entweder als Tonne oder als Kreuzgewölbe aus Bruchstein. Ein fast kuppel-
artiges, gratloses Gewölbe überdeckt die Turmhalle in Schapen und ist
bemerkenswert durch seine figuralen Konsolen. Die Treppe zu den oberen
Stockwerken pflegt in der südlichen Turmmauer zu liegen. Lichtöffnungen
sitzen sehr hoch, hart unter dem Dachsims. Türme dieser Art besitzen
Bramsche, Freren, Lengerich, Schapen, Lingen (ref. Kirche), Tuine,
Messingen; in Plantlünne wurde der alte Turm abgebrochen und jüngst
ein neuer, unter Verwendung des alten Materials, errichtet.
Die letzten Jahrzehnte des XV. und die ersten des XVI. -Jahrhunderts
zeigen die Entfaltung einer außerordentlichen kirchlichen Bautätigkeit, wie
eingangs schon angedeutet wurde. Meist handelt es sich dabei um vollständige
Neubauten, nicht selten an Stelle älterer, verfallener Kirchen, So in Tuine,
Plantlünne, Schapen, Estringen. Es sind hier auch die jetzt nicht mehr
bestehenden Kirchen zu Bawinkel und Baccum zu nennen. Auch fast alle
Um- und Anbauten und Neuwölbungen bei Kirchen entstammen jener Zeit,
die also fast unmittelbar dem ersten Auftreten der Reformation vorausgeht.
Unter den Gotteshäusern, welche der Neuzeit angehören, sind die
reformierte Kirche zu Lingen mit gotisierendem Chor (1625), ferner die Saal-
kirchen der Katholiken in Schapen (1788) und die dreischiffige katholische
Kirche in Lingen zu nennen, die aber 1904 umgebaut ist. Eine Klause in
Le sehe de ist 1684 errichtet. Die Mehrzahl der Saalkirchen, aus der Zeit nach
dem Duldungserlaß von 1718, bestehen nicht mehr. Sie waren meist aus
->^ 11 Sk^
Fachwerk erbaut; als einziges Beispiel dieser Art ist nur noch die Kirche in
Wettrup vorhanden, nachdem diejenige in Bawinkel 1910 einer neuen
dreischiffigen Hallenkirche hat weichen müssen,
Altäre und Kanzeln aus dem XVII. und selbst aus dem XVIII. Jahr-
hundert finden sich in den katholischen — zumal in den wohlhabenderen —
Kirchen nur noch selten, da sie meist durch Erzeugnisse moderner Kevelarer
oder Osnabrücker Werkstätten ersetzt worden sind. Ein schöner Rokokoaltar,
angeblich aus dem Kloster Warendorf i. W., findet sich in der St. Luidgeri-
kirche zu Schapen.
Ähnliches gilt für die Werke kirchlicher Kleinkunst, unter denen sich
selten nur ältere Stücke finden. Hervorzuheben ist eine Strahlenmonstranz
in Lingen und eine solche in Schepsdorf.
Von den Glocken ist die älteste — in Bramsche — 1441 gegossen
von Meister Wilhelmf. Andre Meister nennen sich: Werner (?) Wilken
(1457 Lingen, ref. Kirche), Joh. Volkeer (1466 Elbergen, 1477 Schepsdorf),
Joh. Alves (1545 Beesten), Tepeotting (1586 Freren, 1583 Tuine), Fridr. Butgen
(1602 Elbergen), Michel v. Ortrup (1620 Salzbergen). Peter Hemony (1642
Plantlünne und 1647 in Schapen). Ferner nennt sich noch Moritz Rinker,
Osnabrück (1755 Freren und 1773 Salzbergen).
Spätromanische Taufsteine, wie sie in Bd. IV, 3, S. 55, als vom
Bentheimer Typ bezeichnet wurden, kommen mehrfach vor, nämlich in Tuine,.
Lengerich, Schapen, Schepsdorf, Lohne und Emsbüren.
Als jüngere Erzeugnisse der Bentheimer, insbesondere der Gildehäuser
Steinindustrie kommen vielleicht die sehr fein gearbeiteten Sakraments-
häuschen mit Wimpergen, Fialen und Krabbenwerk in Betracht, die um
1500 entstanden, und von denen Beispiele in Beesten, Freren und Lengerich
vorhanden sind.
Barock-Epitaphe, die den Arbeiten des Meisters Stenelt von Osna-
brücknahestehen, oder gar von ihm herrühren, finden sich in Bramsche und Tuine.
-^ 12 8->-
B a c c u m.
Katholische Kirche, evangcliflche Kirche.
Das Kirchdorf Baccuni, 7 km östlich von Lingen, unweit der Lingen-
Frerener Poststraßo belegen, besteht aus den Bauerschaften Münnigbüren und
Ramsei und hat rund 340 Einwohner.
Die Namensschreibweise des Ortes hat die Formen Baccamum um 10(X)
(Osn. Urk. B. I, 116). Bacheim 1160 (Osn. U. B. I, 311) und ähnliche. Wie die
Urkunden dartun, war schon um 1000 das Corveyer Kloster im Gebiet des
üeschiclite Kirchspieles Baecum begütert, erst 1160 tritt der Bischof von 0.snabrück als
Inhaber von Rechten auf. Als Gemeinde wurde Baecum selbständig erst 1516
unter dem Grafen Claus von Tecklenburg, während es bis dahin eine Bauer-
schaft des nahen Lingen gewesen war.
Über die erste Pfarrgründung findet sich bislang nichts AusdrückUches
überliefert; wahrscheinlich geschah sie aber nicht sehr lange vor der Ab-
trennung der Gemeinde von Lingen. Der Burgkaplan von Lingen war zugleich
Pfarrer in Baecum bis 1530. Die Geschicke Baccums in der Folgezeit unter-
scheiden sich kaum von denen des übrigen Kreises (s. Einleitung S. 6 und 7).
Die Kirche wurde durch oine hannoversche Kultusverordnung von 1824
simultan, bis dieses Verhältnis 1858 dadurch gelöst wurde, daß die Reformierten
einen Neubau für sich schufen.
Katholische Kirche.
Die alte, dem hl. Antonius Abbas geweihte Kirche zu Baecum wurde
um 1500 gebaut und war ein einfaches, zweijochiges Langhaus (Kirchen-
beschreibung V. 1862, Ztschr. d. Hist. Ver. für Niedersachsen). Ein Turm auf
Be- rechteckiger Basis soll vorhanden gewesen sein; wahrscheinlich bestand er,
Schreibung. ^^^ nicht die Kirche, wie die Kirchenbeschreibung zweideutig sagt, aus
,, zerschlagenen Kieseln" und gehörte in den Kreis der vielfach zu erwähnenden
romanischen Türme (s. Einleitung S. 10), während die gotische Kirche nach
dem Typ — etwa — derjenigen von Tuine beschaffen war. Sie wurde in den
Jahren 1865 und 1866 niedergelegt und durch eine neue, gotische Hausteinkirche
nach dem Plane eines Zimmermeisters aus Baecum ersetzt.
Glocken. Eine Glocke, Durchmesser 0,96 m, 1798 von WA. Riuker, Osnabrück,
gegossen.
Eine zweite, Durchmesser 0,80 m, 1869 von Petit und Edelbrock.
Evangelische Kirche.
Im Jahre 1858—1859 ist eine evangehsche Kirche in Kreuzform mit
Westturra aus Backstein im gotischen Stil von C. W. Hase erbaut. Diese
Kirche ist mit einem hölzernen Gewölbe versehen.
Glocken. Eine Glocke trägt die Meisterinschrift: W. A. Rinker in Osnabrück 1798.
-'>^ 13 8^-
BaAvinkeL
Katholische Kirche.
Das 12 km nordöstlich von Lingen in einer an Moor und Wiesen
reichen Ebene (durchschnitthche Höhe über dem Meeresspiegel 20 m) belegene
Kirchspiel Bawinkel hat etwa 1500 Einwohner und umfaßt sechs Ort-
schaften: Dorf Bawinkel, Groß-Bawinkel, Plankorth, Düsenburg, Clusorth und
Bramhar.
Die Namensschreibweise des Ortes findet sich in den Formen Bafwinckele (icschichtc.
und Baffwinkel 1456 in einer Sammelliste des sog. Türkenzehnten in der Diözese
Osnabrück (s. M. d. Hist. Ver. zu Osn., B. XII, S. 259 u. 264); ferner Baue-
hinkel 1532 (s. Diepenbrock a. a. 0. Urk. 32).
Nach Lodtmann (Acta Osn. I, S. 304) gehörte Bawinkel als Filiale
nach Lingen und war wie Baccum dem Archidiakonate des Propstes zu
Bramsche zugeteilt. Im Jahre 1460 wird ein Pfarrer in Bafwyncle erwähnt,
welcher der Kirche zu Haselünne eine Rente übertrug (Meppener Urk. S. 260,
Nr. 313). 1475 resignierte ,,Her Hermen Volcker, Vicarius to Lengerek" auf
die in Lengerich vor kurzem errichtete Vikarie zu Händen des Abtes in Werden
und wurde Pastor zu Bawinkel. Nach diesen Angaben scheint die Filiale
Bawinkel um die Mitte des XV. Jahrhunderts schon eine Kirche gehabt zu
haben. — Die Geschicke Bawinkels nach der Einführung der Reformation
ähneln denen der anderen Ortschaften des Kreises. Unter Prinz Wilhelm
Heinrich von Oranien wurde den Kathohken 1674 Kirche und Pfarrhaus ge-
nommen; erst 1718 wurde bekanntlich die öffentliche Abhaltung des katholischen
Gottesdienstes wieder erlaubt. Eine Spezialverfügung von 1815 räumte den
Katholiken die Pfarrwohnung ein, während bezüglich der Kirche von 1822 ab
das Simultanverhältnis bestand. Dem katholischen Gottesdienste hatte bis
dahin ein 1767 errichteter und dem hl. Alexander geweihter Fachwerkbau gedient.
Die Reste der älteren Kirche aus der Mitte des XV. Jahrhunderts Bc-
scheinen in Bawinkel 1830 abgetragen zu sein. Von den Steinen des Turmes, Schreibung,
welcher die Inschrift getragen haben soll: MCGCCC VI completum est, wurde
ein massiver Turm an die 1767 errichtete Alexanderkirche angebaut, für
welche seitdem das Simultan Verhältnis galt. — Diese Kirche ist nun 1904
nach Lösung des Simultanverhältnisses durch eine dreischiffige massive Hau-
steinkirche gotischen Stils für die Katholiken ersetzt worden. Die Refor-
mierten wurden nach Lengerich eingepfarrt.
Eine Glocke mit Inschrift: „M. Joh. Fricke in Gütersloh hat mich Glocken,
gegossen 1681. In te Domine speravi, non confundor in aeternum". Durch-
messer 1.13 m.
Die zweite, von M. Joh. Fricke 1685 gegossen, ist 1837 von Petit und
Edelbrock umgegossen, Durchmesser 0.74 m.
Die dritte, unterer Durchmesser 0.98 m, ist 1858 ebenfalls von Petit
und Edelbrock gegossen.
Be e s t e n.
EvangeÜHche Kirche : adeliges IlauH (nicht mehr vorhanden).
Heesten, an der Aa belegen, besteht aus den Gemeinden Beesten,
Schardingon und Talge-Wilsten und hat eine Einwohnerzahl von etwas über
lOOO Seelen. Die große Abnahme dieser Zahl gegen Goldschmidts Angabe
aus dem Anfang des XIX. Jahrhunderts (rund ]7(X) Seelen) hängt mit der .starken
Auswanderung nach Amerika zu.sammen. Hollandgängerei war in einem
Maße üblich, daß noch bis zu Anfang der 1860er .Jahre der Gebrauch der
holländischen Sprache und holländischer Schulbücher allgemein war.
Geschichte. Der Name des Ortes findet sich in den Formen Biastun (Werd. Reg. v. 890),
und Bestene (1150). Die älteste Erwähnung von 890 zählt die dem Kloster
Werden abgabenpflichtigen Höfe der Mark Beesten auf; es scheint, als ob
Beesten der Sitz des Ministerialen für den Gau Sachslinga gewesen sei. Das
Heberegister von 1150 gibt wiederum Abgabenpflichten an, die an den
Werdenschen Oberhof in Schapen fällig waren (M. d. Hist. Ver. zu Osn. 6,
713 u. 209). — Der Pfarre in Beesten geschieht in einem Lehnsregi.ster des
Osnabrücker Bischofs Johanns IL. aus den Jahren 1350—1360 Erwähnung. Die
Kirche gehörte zum Archidiakonate des Osnabrücker Dompropstes (Lodtmann,
Acta Osn. I, 304). Die Pfarreinkünfte gibt die ,, Beschrie vinge von 1550"') an.
Als die Reformation in Beesten gewaltsam durch Konrad von Tecklenburg ein-
geführt wurde, riß dieser vor allem die genannten Einkünfte an sich.
In der Folgezeit teilen Ort und Kirche ihre Schicksale mit den allgemeinen
der Grafschaft Lingen. Der reformierte Prediger Klingius, der von 1598 — 1605
in Beesten wirkte, wurde durch die Spanier vertrieben und der katholische
Gottesdienst wieder aufgenommen, der auch nach der Rückkehr der Oranier 1632
durch katholische Prediger weiter gepflegt wurde, weü die Pfarrstellen nicht
alle sogleich mit reformierten Geistlichen zu besetzen waren; die Kirche aber
nahmen die Protestanten in Besitz. Aus dem Jahre 1659 stammt ein Inventar-
verzeichnis der Kirche, das der Vogt Hamann zu Beesten an die Regierung
einzuliefern hatte: En Bichtstoel, Wienkettel, en holtenes Cruitz, dree holtene
bilde, en geschlottenes Tabernackel, en Predikstoel van vier Poelen in die
Eerde, en Crucifix (nach Schriever II, S. 358). Nach dem Verbot
von 1674 wurde der katholische Gottesdienst im geheimen ausgeübt, bis im
Jahre 1702 beim Übergange der Grafschaft Lingen in preußischen Besitz die
katholische Geistlichkeit zurückkehren durfte. Im Jahre 1824 stellte man das
Simultanverhältnis hinsichtlich der Kirche her, das seinen Abschluß fand, als
die Reformierten von Beesten und Plantlünne in dem letztgenannten Orte 1856
ihre eigene Kapelle erhielten. (Über die weitere Ordnung siehe: Gesetzsamm-
lungen für das Königreich Hannover: Verordnungen über die kirchlichen Ver-
hältnisse in der Niedergrafschaft Lingen de dato 7. Nov. 1846.)
*) S. über diese Quelle: .Schriever :i. a. 0. I. S. 142.
L
->^ 15 Sk>-
Evangelische Kirche.
Die mitten im Dorfe Beesten liegende, dem hl. Servatius geweihte
Kirche (Tafel 1, Abb. 3) ist ein einschiffiges Langhaus mit polygonalem Chor-
abschluß, ganz aus Sandsteinquadern erbaut (s. Grundriß, Abb. 4). Das
Gewölbesystem tut sich außen durch Streben kund: es sind Sterngewölbe in
Backstein auf einfach gekehlten Sandsteinrippen, die auf Wandkonsolen,
teils auch auf solchen mit Schäften (vielleicht moderne Ergänzung) ruhen.
Die Konsolen sind nach der Form doppelt geschachtelter Kapitelle gebildet.
Be-
schreibuDg.
Chor.
Abb. 4 Kirche in Beesten. Grundriß (1 : 250)
Der Chor liegt um zwei Stufen höher als das Schiff; an seine Nord-
seite fügt sich eine mit Kreuzgewölbe geschlossene Sakristei an.
Der Turm ist im Jahre 1897 infolge von Blitzschlag niedergebrannt
und 1904 neu aufgebaut. Der ursprüngliche Turm ist im Jahre 1<S74 abge- i"""-
tragen; er stand nicht in der Mittelachse der Kirche, sondern mehr an der
nördhchen Seite (Mitteilung des Pfarrers).
Dieser Umstand, wie die Beobachtung, daß auf der Nordseite des Schiffes
im zweiten und dritten Joch Fundamentabsatz und Kaffsims fehlen, gewähren
der Annahme Unterstützung, daß die Kirche ursprünglich schmaler angelegt
war und später auf erweitertem Grundriß neu aufgebaut ist, nach den Stilmerk-
malen (Fischblasen-Maßwerk in den Fenstern) im Anfang des XVI. Jahrhunderts.
Der Altar aus Holz: Empire, mit neuerem Geison. Altar.
Das alte Geläute ist 1897 beim Turmbrande zur Hälfte zerstört. Im Glocken.
Jahre 1899 wurden vier Glocken von Rudolf Edelbrock in Gescher neu her-
gestellt unter Benutzung der aus dem Jahre 1507 stammenden Marienglocke,
Die älteste Glocke hatte die Inschrift: Salvator heet ik: Johä alves goet mick
do man schref mccccclv let mi dat karspil van Bestten goten dat is waner
Gtode to love unde to eren do we de keiser hadde to beeren.
Die zweite war 1784 durch Meister Gerhardus in Holland gegossen.
->^ IG ?♦*-
(irai»j)laitcii. (iraljplatteu auf dein Chor; P^inf für ,. Pastor Beriiartl üreve" 1646 (?).
Eine zweite für Frau Voss zu Beesten, XVII. Jahrhundert. Beide stark ab-
getreten.
Kanzel. Die Kanzel aus Holz, sechseckig, um 17fX), Schalldeckel Empire.
Sakraments- Im Chor, ünks vom Altar eine Sakramentsnische aus Sandstein, spät-
laiiachPD. goti.sche Arbeit, mit W^imperge und Maßwerk. Im Tvmpanon eine Darstellung
der Auferstehung Christi. Das Ganze erscheint verwittert.
Steinmetz- Folgende Steinmetzzeichen finden sich in den Fensterleibungen der
zeichen.
Südseite :
4 1 z ^ ^ V
Hans Beesten.
Haus Beesten, wahrscheinlich ehemals an der Aa, auf dem Grunde
von Beestermöller belegen, wo Teile des Befestigungsgrabens festgestellt sein
sollen. Als erster Inhaber des Hauses wird Johannes v. B. um 1200 genannt,
ein anderer Johann v. B. wird als Besitzer des Hauses 1350 erwähnt (Lodt-
mann Acta Osnabr. I, 194). Durch Kauf ging es 1428 an die Familie Bevem
über, von der es 1512 durch Erbschaft an die Langen-Kreyenribbe kam.
1594 gelangte es durch Kauf an die Familie von Voss. Durch Heirat (nach Lodtmann
Acta Osnabr. II. S. 262) wurde die Familie von Oldenbochum 1750 Besitzerin.
Um 1820 erwarb das Haus Bentheim-Steinfurt das Gut und ließ das Burg-
gebäude abbrechen.
Bramsche.
Katholische Kirche.
Das Kirchspiel Bramsche, 11 km südhch von Lingen und einige Kilometer
östlich des Einflusses der vereinigten Aaläufe in die Ems belegen, umfaßt die
Bauerschaften Kring, Mundersum, Sommeringen, Hüvede, Wesel und den
östlichen Teil der Bauerschaft PoUe. Das Dorf selbst hat etwas über 200
Einwohner,
('eschiclite. Der alte Bezirk Hubide, in welchem das Kirchspiel liegt, wird in den
Heberegistern des Klosters Werden bereits 890 (Osn. U. B. I, 57) genannt,
spätere Urkunden belegen den Namen in der Form Hüvetfeld (Osn. U. B.
I, 280, siehe auch M. d. Hist. Ver. zu Osn. XXII, 269). Von Bramsche selbst ist
zuerst die Rede im XI. Jahrhundert (Osn. U. B. I, 116), wo das Corveyer
Heberegister seine nach Meppen abzuführenden Pachten angibt. Seine
Namensform ist Bramesge. Die Pfarre in Bramsche findet sich in einem
Register aus dem XIII. Jahrhundert erwähnt (Niesert, Cod. dipl. I, Urk. 34).
Als Patrone der Kirche werden die auch auf der Glocke von 1452 angerufene St.
'liifcl 1.
Abb. 3 u. 6.
KIRCHE IN BEESTEN; Aussenansicht. - KIRCHE IN BRAMSCHE; Inneres.
->^ 17 Sk-
Gertrudis und außerdem St. Johannes Baptista genannt (Lodtniann, Hist. ep.
Dav. 1670). über das weltliche Patronat enthält eine Urkunde von 1463
(Goldschmidt, a. a. 0. S. 566) Angaben: danach stifteten Graf Claus v.
Tecklenburg und Ritter Gerhard von Keppel einen Vergleich zwischen Johann
V. Senden und den Gebrüdern Grüter wegen Belehnung der Kirche zu Bramsche.
Die Reformation versuchte zuerst der Graf Konrad von Tecklenburg
durch die Einsetzung eines protestantischen Predigers einzuführen. Unter den
Oraniern wurden Kirche und Pfarre von den Reformierten in Besitz genommen.
i^-^*^^
Py __j*?ai_ . ■ — M.n; ■
Abb. 5. Kirche in Bramsche; Grundriß (1 : 250).
Die Katholischen hielten jedoch ihren Gottesdienst außerhalb des Ortes weiter.
Die Ereignisse der Folgezeit ähneln denen der anderen Kirchspiele in der Graf schaff.
Erst im Jahre 1806 richtete das französische Administrationskollegium zu Münster
auf Bitten der Katholischen das Simultanverhältnis hinsichtlich der Kirche
ein. Die endgültige Überweisung der Kirche und Pfarre, sowie eines Drittels
des Kirchenvermögens erfolgte im Jahre 1846.
Die gotische Kirche zu Bramsche besteht aus einem einschiffigen Lang-
hause, das aus behauenen Findlingen, Ortstein und anderem wenig gut
bearbeiteten Steinmaterial errichtet wurde (Grundriß, Abb. 5). Im Äußern
bietet sich sonst wenig Bemerkenswertes. Der Fundamentsabsatz ist weit
vorspringend und mit einfacher Schräge versehen, das Dachsims zeigt eine
mäßig tiefe Hohlkehle in der Schrägung.
Die das Gewölbesystem äußerlich bezeichnenden Streben sind zumeist
jüngeren Datums. Auf der Südseite beschränken zwei durch einen überdachten
Gang miteinander in Verbindung stehende Sakristeien, deren eine von 1877
stammt, die archäologische Beurteilung. Auch im Innern der Kirche ist diese
durch Erneuerungsarbeiten erschwert, welche 1877 vorgenommen sind. Vor
diesem Zeitpunkt schloß die Kirche mit geradlinigem Chor ab und hatte nach
Mithoff (a. a. 0. VI, S. 37) in der Mitte einen stark vorspringenden Bogen.
Sie ist dann durch einen polygonalen Chor verlängert worden (Tafel 1 , Abb. 6).
^chreibuui
-^ 18 8^
Vior .loche von Kreuzgewölben in Ziegeln üherspannen das nunmehrige Schiff,
sie ruhen auf Konsolen und hohen, flachgekehlten Gurten und Rippen nach
der Weise der Zeit um 15(X). Ursprünglich wird die Kirche flach abgedeckt
gewesen sein.
Die Fensteröffnungen sind offenbar ehemals kleiner gewesen. So
gewinnt man den Eindruck einer Kirche aus der Mitte des XIV. Jahrhunderts.
'Juim. Der Westturm, an den die Kirche herangebaut wurde., ist ohne
Fundamentsabsatz aus meist kubischen Blöcken errichtet. Sein Körper steigt
ungegliedert empor und hat in seinem oberen Teil nach jeder Seite, abgesehen
von der nach dem Schiffe hin, je zwei mit Nasenwerk versehene Schall-
öffnungen. Die Durchgangshalle ist ungewölbt, in der Südwand derselben liegt
eine Treppe. Danach ist der Turm mit dem von Tuine, Frereu und andern
in die gleiche Gruppe einzuordnen und gehört dem Ende des XIII. Jahrhunderts an.
Epitaph. Ein Epitaph in der Kirche, Südwand, Sandstein, für Conrad Grothus,
1 1612 (s. Tafel 1, Abb. 6). Das Epitaph hat im predellaartigen Unterteile Bildnis-
darstellungen des Verstorbenen und seiner Familie in üblicher Anordnung und
Arbeit. Der Hauptteil — architektonisch betont durch eine freie Säulenstellung
mit Verkröpfungen — enthält, umrahmt von einem Halbkreisbogen, ebenfalls
in flacher Arbeit eine Darstellung der Grablegung. Die Seitenstücke tragen Je drei
Wappen und enden seitlich frei in barocker Ornamentierung. Das bekrönende
Stück besteht in einem ovalen Schilde mit einer Darstellung der Auferstehung;
darüber, und ferner zu seinen beiden Seiten, neben einem barocken Füllornament
sind freistehende Statuetten angebracht. (Meister vermutlich A. Stenelt").)
Glocken. Eine Glocke mit Meisterinschrift WylhelmS fecit me ano diu MCCCCXLI
Sta Maria ora pro nobis. Durchmesser 1,07 m.
Eine zweite: Sta Gertrudis ora pro nobis ano dm MCCCCXLI. Durch-
messer 0,95 m.
Die dritte: Anno diii mcccccxvl. Maria mater gracie in hora mortis
suscipe. Durchmesser 0,80 m.
Monstranz. Eine Monstranz, Silber vergoldet, getriebene Arbeit v. J. 1672 (?). Der
Strahlenkranz aus Rosen, Weintrauben, Ähren, von einem Bande durch-
flochten. Meisterzeichen unkenntlich.
Stott". Ein Meßgewand, Ende XVIII. Jahrhundert, Ripsstoff, violett gestreift,
Wolkenbandmuster mit weißen Blumen in Seide, dazwischen eingestreut
farbige Blumensträuße.
Elbergen.
Katholisclie Kirche.
ililbergen (gegen 340 Einwohner), eine der Bauerschaften Emsbürens.
etwa halbwegs zwischen Lingen und Emsbüren, links der Ems belegen, bildet
"kirchlich eine Kapellengemeinde.
*) Vgl. Bd. IV, 3, S. 1Ü8, Anui.
->S 19 g^
Die älteste, bisher bekannte Nennung des Ortes (Osn. U. B. IV, Geschichte.
Nr. 153) hat die Schreibweise Elleberge. Andere Urkunden aus dem
XIV. Jahrhundert (Niesert, Steinfurt I, Nr. 59 und 113) behandeln Besitz und
Besitzveränderungen in Elbergen, bei denen die Grafen von Bentheim und
die von Solms, auch das Domkapitel von Münster (Darpe, Domkapitel, S. 26)
eine Rolle spielen.
Eine Kapelle scheint schon 1452 in Elbergen bestanden zu haben, in
welchem Jahre dem Grafen von Bentheim der Gebrauch des Glockenschlages
daselbst untersagt wird (Niesert, Cod. dipl. II, 2). Die Kapelle — fraglos das
Abb. 7. Kirche in Elbergen; Ansicht von Nordwest.
heute noch am Orte sich vorfindende Gotteshaus — war dem hl. Johannes
dem Täufer geweiht. Der Pastor in Emsbüren hatte als ihr Rektor die Ver-
pflichtung, an bestimmten Feiertagen in Elbergen Gottesdienst zu halten.
Nachrichten über die Folgezeit fehlen.
Das einfache Langhaus der zu Anfang des XV. Jahrhunderts errichteten
kleinen Kirche (Abb. 7) ist aus unregelmäßigen, nur ebenflächig behauenen,
teils hochkant versetzten Sandsteinbruchstücken aufgebaut; das Schiff in
drei Jochen mit Kreuzgewölben, der Chor in Fünfachtelschluß mit Fächer-
gewölbe überdeckt. Das Gewölbesystem macht sich außen durch Streben
kenntlich (s. Grundriß, Abb. 8). Die Gewölbe ruhen auf Konsolen, von denen
beiderseits je zwei langgeschäftete mit einfachen wechseln. Alle sind ver-
schieden ausgebildet; es kommt daran das Seilornament vor. Die Quergurten
verlaufen fast rundbogig'; im Profil zeigen sie, wie auch die Kreuzrippen, flache
Hohlkehlen. Die Fenster, ehemals einfach geteilt und mit Nasenwerk versehen
2*
Be-
schreibung.
-^ 20 -t^
— wie es in einem vermauerten Chorfen.ster erhalten ist - - sind breit, aber
verhältnismäßig niedrig. Eine spitzbogigc Tür, um die das Kaffsims im
Rechteck sich herumzieht, befindet sich in der Nordwand und ist jetzt zugesetzt,
'riinn. Vor der Westgiebel wand erhebt sich ein Turm auf (juadratischem
Grundriß aus Ziegeln mit P^ckverzahnungen in Sandstein. Seine Licht- und
Schallöffnungen haben Sandsteingewände. Der Turm ist gegen 1740 vom
General von Schorlemmer errichtet. In einer Nische über dem Westportal
steht die Holzstatue eines Heiligen (Paulus mit dem Schwert V).
Die Sakristei an der Nordseite des Chores ist neu.
Abb 8. Kirche in Elbergeir, Grundriß (1:850)
Altar. Der Altar, aus Holz, hat auf hoher Predella zwei glatte Säulen mit
verkröpftem Gebälk. Das Altarbild — die hl. Familie — schließt in einer
halbkreisförmigen Umrahmung, in deren Scheitel das Gräfl. von Galensche
Wappen angebracht ist. Das bekrönende Stück enthält ein kreisförmig
gefaßtes Bild; darüber ein kräftiges Sims. Die Ornamentierung zeigt Knorpel-
stil. Der Tabernakeleinsatz scheint einem anderen Altar entnommen.
Glocken. Eine Glocke mit Meisterinschrift: Friderich BVTGEN gos mi usw.,
Anno 1602, Durchmesser 0,85 m.
Eine zweite: ,,Dise kloken von Heiberg is gegossen im namen Gott
unde Sant Joannes Patron in Heiberg in monat Juny Ao 1667." mit Madonnen-
plakette, Durchmesser 0,75 m.
Eine dritte mit Meisterinschrift : Anno Dni M^cccc^lxvi johes • johan
volkeer, Durchmesser 0,65.
An einem Konsolenschaft im Chor wird gelegentlich von Erneuerungs-
arbeiten in der ersten Zeit des XVI. Jahrhunderts das nebenstehende Stein-
metzzeichen eingegraben sein: /^p^ »
Steinmetz
zeichen.
->^ 21 ^<-
Emsbüren.
Katholisclie Kirche.
iliinsbüren. halbwegs zwischen Rheine und Lingen, nahe der diese
Orte verbindenden Bahnhnie, etwa 15 km von beiden entfernt und 3 km
hnks der Ems belegen, ist ein Dorf von etwa 640 Einwohnern, mit geringen
industriellen Betrieben; zur Gemeinde von Emsbüren gehören 14 Bauerschaften.
Die Mark Emsbüren scheint ursprünglich zum Gau Bursibant gerechnet Geschichte,
worden zu sein, wie aus einer Urkunde von 838 (Erhard, Cod. dipl. I, 11),
mittelbar hervorgeht, und später, wie eine andere Urkunde von 890 (Osn.
Urk. I, 57) schließen läßt, dem Venkigau zugehört zu haben. (Vgl. Schriever,
a. a. 0. I, S. 52.)
Der Name des Ortes tritt zuerst in der Form Buren auf in einer Ur-
kunde des Bischofs Wernherus von Münster aus dem Jahre 1151 (Erhard,
Cod. dipl. II, Nr. 281); später in der Form Emsbüren (1490) und Emsbüren (1691).
Der in der erstgenannten Urkunde erwähnte Amtshof in Buren wurde
Eigentum des hl. Luidgerus (Jod. Herm. Nunning, Mon. Monast. decur. I, p. 83;
auch Schaten, Hist. westph. C, X, p. 634), der auf seinen Reisen nach Fries-
land dort abgestiegen sein soll. Für die Bedeutung des Hofes spricht, daß
er schon 1199 eigene, anerkannte Getreidemaße besaß (Erhard, Cod. dipl. II, 581),
und daß hier laut einer Urkunde vom Jahre 1212 alle zum Servitium des
bischöflichen Tisches zu Münster bestimmten Beiträge aus der Umgegend
zusammengezogen wurden (Osn. U. B. II. 49). Noch 1449 nennt eine Urkunde
eine Anzahl dem Hofe rentschuldiger Erben (Niesert, Steinfurt II, 9).
Die Gogerichtsbarkeit über die Mark Emsbüren lag schon im XIII.
Jahrhundert in der Hand der Bischöfe von Münster; Dingstätte war der Amts-
hof zu Emsbüren. Als Lehnsträger des Gerichtes werden bis 1308 Hugo v. Bar
und dessen Vorfahren genannt (Jung, Hist. Com. Benth. Urk. 58). In diesem
Jahre wurde das Lehen durch Bischof Konrad von Münster an den Grafen
Johann v. Bentheim übertragen (Niesert, Münst. Urk. V, 32); 1314 und
1319 wurde die Belehnung erneuert (Niesert, Münst. Urk. II, 52, Kindlinger,
Beiträge III, 125; Jung, Hist. Com. Benth. Urk. 58). In Verträgen von 1444
und 1452 (Niesert, Cod. dipl. II, 5, 6 u. 7) wurde wiederholt festgesetzt, daß
das Gericht innerhalb Emsbürens dem Fürstbischöfe von Münster vorbehalten
bleiben, während die Bauerschaften unter das Gogericht des Bentheimer Grafen
— damals Everwins — fallen sollten. (Im Ausführlichen siehe darüber Kind-
linger, Beiträge III, 125; Niesert, Cod. Steinf. I, 33, 42, II, 6 u. 9; Jung, Hist.
Com. Benth. Urk. 58.) Der Schultenhof selbst blieb bischöflich, und als der
Kreis Emsbüren infolge der Reichsdeputation zu Regensburg 1803 dem Herzog
von Looz und Corswaren zufiel, wurde er Domänengut. 1815 kam Emsbüren
mit dem Kreise Meppen an Hannover (siehe Grefe, Leitfaden zum Studium
des hannov. Privatrechtes, S. 118).
Die dem hl. Andreas geweihte Kirche (s. d. Grundriß, Abb. 9) zu Be-
Emsbüren ist eine dreischiffige, gotische Hallenkirche von vier Jochsystemen, sfl^reibung.
'lafcl 2.
Abb. 11 u. 10.
KIRCHE IN EMSBÜREN; Südfront. - Inneres,
->8 23 S^-
Die Nebenschiffe zeigen die Jocheinteilung im Äußeren durch Strebepfeiler
und Giebeldächer, welche in das Dach des Hauptschiffes einschneiden. Der
Chor, der ein kreuzgewölbtes Joch und polygonalen Abschluß hat, ist im
Jahre 1858 (nach der Kirchenbeschreibung von 1861) an Stelle eines kleineren
erbaut. Der mächtige Turm vor der Westfront wurde nach dem Muster
desjenigen im benachbarten Schüttorf errichtet und 1884 vollendet. Die gleich-
hohen Kreuzgewölbe des Mittelschiffes (Tafel 2, Abb. 10) werden von Rund-
pfeilern mit achteckigen Basen und Kämpfern getragen; sie sind auf schwach
gekehlten Sandsteinrippen in Ziegeln ausgeführt. Die im Profil rechteckigen
Scheidbögen werden von einer tiefen Hohlkehle beseitet. Die Seitenschiffe
sind mit Verwendung von Konsolen gewölbt; ihre Scheitel erreichen aber nicht
die Höhe derer des Mittelschiffes.
Für die archäologische Beurteilung der Kirche kommt das Vorhandensein
von romanischen Bauteilen in Betracht. An der Südwestecke der Kirche
sind dies erstens der an der Turmseite zwischen Mittel- und Südschiff im
Kircheninneren belegene Wandpfeiler, der beiderseits eingebundene Dreiviertel-
säulen hat: ferner das Wandstück, dem dieser Pfeiler innen vorliegt, und
welches zugleich die Westfront des Südschiffes ausmacht. Von gleichem
Charakter, nämlich aus meist kubischen Sandsteinblöcken aufgebaut, erweist
sich auch die südliche Umfassungsmauer des Südschiffes bis zum zweiten Joche
einschließlich (s. Tafel 2, Abb. 11), d. h. soweit die Wand unterhalb des
Kaffsimses ins Auge gefaßt wird. Im zweiten Joch liegt dann, vom Kaffsims
in rechteckiger Ausbuchtung umzogen, die bei Mithoff (VI, S. 41), folgender-
maßen beschriebene Tür (Tafel 3, Abb. 12): ,,Die rechteckige Öffnung
wird durch je eine, im rechtwinkeligen Rücksprunge der Türlaibung stehende,
in der Mitte gegürtete Säule beseitet, deren Schaft in der unteren Hälfte
achteckig, in der oberen gewunden gearbeitet ist und ein einfaches, kelch-
förmiges Blätterkapitäl trägt. Das halbrunde Tympanon wird an seinen Enden
von zwei Konsolen gestützt, die oberhalb der eben gedachten Kapitale hervor-
treten. Dasselbe hat eine halbrunde Füllung, worin ein Kreuz zwischen zwei
Rosetten erscheint. Die nächste Umrahmung dieser Füllung wird durch eine
Art Schachbrettomament gebildet, eine zweite äußere Einfassung derselben
enthält in ihrem unteren horizontalen Teile einen Palmettenfries, im Bogen
aber romanisches Ranken werk." Mithoff datiert das Tor in das Ende des
XII. oder in den Anfang des XIII. Jahrhunderts. Das romanische Material der
Südwand sieht Mithoff (VI, S. 41) hier als in zweiter Verwendung befindlich
an — wie es scheint, nicht mit Unrecht.
An der Nordseite der Kirche ist die Stirnwand des dritten Joches von
Westen bis zum Giebel hinauf alt; das gotische Fenster wurde in moderner
Zeit hineingebrochen. Dieses Joch wird in der Kirchenbeschreibung von 1861
als Kreuzarm der Kirche bezeichnet; seine ,, romanischen Gurtbogen" sollen 1857
„gotisiert" worden sein (nach Heimatkunde d. Kr. Lirigen, .1. Folge, S. 198). Das
nördliche Seitenschiff aus romanischer Zeit hatte etwa die halbe Breite des
gegenwärtigen Nordschiffes. Man gewinnt danach ein Bild von der romanischen
Kirchenanlage hier, das etwa in Ankum (s. Bd. IV, 3, S. 60) seine Analogie hat
und auch hin.siclillich der (irundrnaße Ähniichkeiton aufweist. J)as alte
nördlich*! .Seitonschiff in P]in,s})ürfin, wie es die Kirchonbeschreibun^ von 1861
darstellt, war der Überrest einer frühromanischen basilikalen Anlage, die in
spätromanischer Zeit erweitert und verändert wurde, Reste dieses spät-
romanischen Umbaus sind, wie gesagt wurde, in der .Südwestecke der
Kirche urid außerd(;m in dem Joche des Nordschiffes erhalten geblieben, welches
die Beschreibung von 1861 als Kreuzarm bezeichnet. Wie sich aber der positive
Befimd hinsichtlich der sj)ätromanischen Kirchenanlage darstellt, kann von
einer Kreuzkirche nicht die Rede sein und hinsichtlich der frühromanischen
Anlage fehlen für oder wider die Annahme einer solchen jegliche Anhaltspunkte.
Abb. 13. Kirche in Emsbüren : Glockenzier (1699).
'Innu.
Glockoii.
Im Übrigen stammt die Kirche, wie mitgeteilt, aus gotischer Zeit: um 1471.
Es scheint, als ob das mit Steingewölbe versehene Joch, das vierte im Mittel-
schiff, ehemals den Chor ausgemacht habe, hinter dem der 1858 abgebrochene
dreiseitige Abschluß lag. Das nördlich hiervon liegende Gewölbejoch ist an Stelle
einer Sakristei getreten.
Der alte, romanische Turm war auf viereckiger Basis errichtet und —
nach der Kirchenbeschreibung von 1861 — mit niedrigem, rippenlosem Gewölbe
in der Durchgangshalle ausgestattet: er ist in den 1860er Jahren durch den
mächtigen, 79 ra hohen Turm von heute ersetzt.
Die älteste Glocke: Durchmesser 1,15m. Inschrift: Vivos voco • fulgura-
frango • te • colo • pia • vocor • que • maria • kerckswaren tho Emmesbüren 1599.
M. T. 0. (Gießer vielleicht Tepe Ottinck).
Die nächstältere, Durchmesser 0,98 m. Inschrift: Vivos traho, mortuos
pello • fulgura frango, pietatem instillo et vocor Johannes usw. — 1699. Gerhard
Schimmel me feeit Daventriae. Der Mantel trägt die Plakette St. Johannis
mit der Unterschrift De Sanjoan. Im Ornamentband sind Hirsche. Adler
und Wappen in Rankenwerk als Motive verwandt (Abb. 13).
Die dritte, 1875 durch Petit und Edelbrock umgegossene Glocke,
Durchmesser 1,58 m, trug die Inschrift: S. Andreas is min naeme-min gelvet
si vor godt bequaeme anno 1530 johans werpe f.
Die vierte, 1875, von Petit und Edelbrock, Durchmesser 1,32 m.
Eine Lichtsäule, Sandstein, Höhe 1,75 m, ans dem Anfange des XVI. Lichtsäule.
Jahrhunderts. Der Sockel von 0,6H : 0,66 cm Seitenlänge geht ins Achteck über
und trägt ein etwa ein Drittel des Ganzen ausmachendes achteckiges Postament.
Dessen Seitenflächen sind teils durch gotisches Maßwerk belebt; auch eine Spitz-
bogenblende mit Schild und Hausmarke und eine kleine, von einem Falz um-
zogene Nische kommen daran vor. Der auf dem Postament ruhende Haupt-
Abb. 14. Kirche in Emsbüren; Meßgewand
körper ist aus einem Stück und von 44 : 44 cm Seitenlänge. Er wird durch
vier gewundene Säulen gebildet, die oben durch eine achteckige Platte zusammen-
gehalten sind. Auf dieser ist, den Spuren von Klammern nach, noch ein
anderer Gegenstand befestigt gewesen. Die Lichtsäule steht außen vor der
Südfrontmitte der Kirche. Ein ähnliches Stück soll in Münster-Überwasser
auf dem Kirchhofe sein.
Ein Meßgewand, mit Stickerei auf der Brust- und Rückenseite, aus Meß'>-ewand.
dem Anfange des XVI. Jahrhunderts (Abb. 14).
Die bei Mithoff (VI, 41), erwähnten Apostelfiguren, die aus der ehemaligen statuen
Minoritenkirche zu Münster stammten, waren stark bewegte Arbeiten aus der
-^ 2G i^-
Mitte des XVIII. lahrhunderts. Sie sind in don 1890ftr .lahren in den Kunst-
handel gekommen.
Steiniuotz- Steininelzzeichen in den F'ensterleibungen der Kirche:
zeichen.
•^
=f^^T
Taufe. Ein Taufstein, Bentheinier Material. Höhe 94 ein. oberer Durchmesser
87 eni (Abb. 15), von fast zylindrischer Form, mit kaum abgesetztem Fuß.
Abb. 16. Kirche in Emsbüren; Taufstein.
trägt in seiner unteren Hälfte zwei Umgürtungen aus je einem einfachen,
tauähnlichen Wulst. Die übrigbleibende Zylinderfläche ist durch eine romanische
Zwergarkadendarstellung in flachem Relief belebt. (Vgl. die Taufsteine zu
Bersenbrück und Üffeln, Kr. Bersenbrück, Bd. IV, 3, S. 90 u. 191.)
Estringen.
Katliolisclie Kapelle (außer Gebranch).
üie Bauerschaft Estringen, 6 km südöstlich von Lingen und 2 km
nördlich von Bramsche, rechts der Ems belegen, gehört politisch zu diesem,
kirchlich zu Lingen.
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Die in einer Urkunde des XII. Jahrhunderts auftretende Namensform ist Geschichte.
Asderingon (0. U. B. I, 116, § 16). Eine Urkunde des Jahres 1250 (0. U.
B. II, 572) bezeugt die Zugehörigkeit Estringens zur Pfarre Lingen. Von einem
Hause Estrink, das Eigentum des Grafen von Tecklenburg war und von diesem
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Abb. 16. Kapelle in Estringen; Ansieht von Südost.
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Abb. 17. Kapelle in Estringen: Grundriß (1:250).
dem Kloster Gravenhorst geschenkt wurde, berichtet eine Urkunde des Jahres
1257*), den adehgen Namen von Esterynck nennt eine Urkunde von 1795
(0. U. B. m, 212).
Die Estringer Kapelle ist nach einer Inschrift über der Südtür 1520
erbaut. Sie wurde bei den Versuchen Cords v. Tecklenburg, die Reformation
einzuführen, 1540 „ruiniert" (Goldschmidt a. a. 0., S. 38) und unter den
*) Die Urkunde wie auch U. B. III, 501 und die „Beschrlvinge" erwähnen eine
jetzt vergessene, namenkundlich interessante ürtlichkeit Honovere.
•^'i 28 }^'
Oraniern If/JT— 1005, und «luiiii vom l(i.'>3 al) den Kefonnierteii überwiesen.
1756 zerstörte ein Brand den IJachstuhl und vielleicht auch die Gewölbe. Im
Jahre 1S27 wurde der Westieil zur Schule ausgebaut. Im übrif^en i.st die
Kapelle unbenutzt,
lid- Die Kstringer Kapelle (Abb. 10) hat ein aus glatt behauenen Sandstein -
»chroibunK. (madpm bestehendes Langhaus, das ehemals, wie sich aus der Stellung der
Streben im Äußern ergibt, in zwei -lochen, wahrscheinlich glatt aus der Wand
heraus, gewölbt war. Der Chor schließt mit drei Seiten eines regelmäßigen
Achteckes (s. Grundriß, Abb. 17). Die jetzt zugesetzten Spitzbogenfenster
zeigen noch Reste von Dreipaß und Fischbla.senmaßwerk. Über der Südtür
ist die Jahreszahl M^CCCCCXX eingemeißelt. Auf dem Westende des Daches
befindet sich ein vierseitiger Dachreiter.
Steinmetz- Steinmetzzeichen in den Fensterleibungen: ^{ % ^
reichen ^ X' ^ ^VnT-^
Freren.
Unierte Kirche, katb. Kirche (1S99).
Der Ort Freren (etwas über 700 Einwohner) hat sich angebaut am
Ostabhange eines sandigen Höhenrückens, im geologischen Flußgebiet der Aa,
das sich in dieser Gegend durch ausgedehnte Sümpfe kennzeichnet, welche
erst seit 1902 entwässert worden sind. Der Ort wurde 1732 (vgl. Weddes
westfäl. Nationalkalender von 1800, S. 49) vom König Friedrich Wilhelm von
Preußen zur Stadt erhoben. Gute Verbindungswege, die Lage an der Haupt-
poststraße von Osnabrück nach Amsterdam und die 1880 angelegte Eisenbahn
Rheine-Quackenbrück hoben Handel und Verkehr des Platzes: er ist der
Marktort für sieben Bauerschaften, die auch zu seinem Kirchspiele gehören.
(Über das Amt Freren siehe Goldschmidt, S, 319, Anm. 1 u. S. 498.) Der
Charakter Frerens ist der einer offenen Landstadt. Die Häuser sind reihen-
weise an den drei "Landstraßen angebaut, welche sich in der Nähe des Markt-
platzes und der Kirche gabeln. Das Alter der Wohnhäuser reicht nicht über
den Ausgang des XVII. Jahrhunderts zurüc^k. Der größere Teil gehört dem
Anfange des XIX. Jahrhunderts an und zeigt holländische Baueigentümlich-
keiten, kleinformatige Ziegel, geraden Fenstersturz, gewalmte Giebel. Das
Amtsgericht, das aus drei Backsteinbauten besteht, ist 1832 bezogen worden.
Geschichte. Die Namensschreibweise des Ortes kommt vor in den Formen Vrederen
um 1152 (vgl. Sandhoff B. I, S. 115; auch Kindlinger a. a. 0., 2. Bd.,
U. 30, § 9, Register des Abtes Widekind, 1185 — 1205), Friduren in einer
Urkunde zwischen 891 und 1037 betreffs einer Landschenkung an Corvey.
Friderun um 1000 (0. U. B. I, 116a), Vrideren 1150. Fredderen 1195
(0. U. B. I, 418).
->*§ 29 S^
Freien gehörte in alter Zeit wahrscheinlich zui Mark Sachslingen im
Venkigau, in dem es, weil es Taufkirche war (0. U. B. I, 302, v. J. 1157),
die erste Kirchengründung gewesen sein wird. Und zwar ist diese Gründung
mit Wahrscheinlichkeit dem hl. Wiho zuzuschreiben, der bis 772 in der
später als Nordland bezeichneten Gegend, wozu der Venkigau gehörte, als
Missionar wirkte. Als Pfarrkirche wird die Frerener Kirche in einer Urkunde
vom Jahre 1152 bezeugt (Sandhoff a. a. 0. I, 115). Das Patronatsrecht über
sie erhielt und übte aus das Kloster zu Corvey (0. U. B. I, 279, um
d. J. 1150). Noch im Jahre 1658 erhob der Abt von Corvey Ansprüche auf
das Patronat (Kindlinger a. a. 0., S. 232). Als erster Kirchenpatron gilt der
hl. Andreas Ap. Erst später wurde der hl. Vitus als Corveyer Schutzheiliger
dazu angenommen (vgl. Lindenborn, a. a. 0., S. 552). Goldschmidt. Urk. 7,
ferner M. d. Hist. Ver. zu Osn. 22, 262, nennen einige Priester der Kirche
aus den Jahren 1456 und 1457. Von einer Stiftung eines Benificiums zu
Ehren der Jungfrau Maria, des Erzengels Gabriel und der heiligen drei Könige
durch Ghysecke Budde auf dem Hause Hange und Cord Vrige aus dem Jahre
1459 handelt mit Beziehung auf eine verlorene Urkunde Goldschmidt S. 17 ff.
Über die Pfarreinkünfte enthält die „Beschrivinge" des Notars Wilde von 1550
eingehende Angaben. (Siehe darüber Schriever, B. II, S. 240 ff.)
Das Kloster zu Corvey besaß, wie es in der ganzen Gegend vielfach
Besitz hatte, so in Freren einen Haupthof (0. U. B. I, 20, 26, 36, 37, Gl, 62).
Das Besitzverhältnis verwischt sich im Laufe des XIII. und XIV. Jahrhunderts.
Allgemein tritt seit dem XIII. Jahrhundert der bischöfl. Stuhl von Osnabrück
mit Rechten in der Gegend auf. (Siehe Lodtmann a. a. 0. I, 81 und M. d.
Hist. Ver. zu Osn. 3, 117.) Von einem anderen Corveyschen Hofe in Freren
wird im Lehnbuche von 1355 gehandelt (Ztschr. für Vaterl. Gesch. und Alter-
tumskunde, Münster, B. 41, S. 82). Auch die „Beschrivinge" von 1555 er-
wähnt den Hof.
Die Einführung der Reformation in Freien datiert mit der Einsetzung
eines lutherischen Predigers durch den Grafen Conrad I. von Tecklenburg
(1541—1546). Dieser kirchliche Eingriff und andere Neuerungen, zugleich auch
Grenzstreitigkeiten, führten zu täthchem Überfall auf Freren durch den fürst-
bischöflichen Vogt und schließlich zur Klage zwischen dem Bischof von
Osnabrück und Conrad von Tecklenburg (Goldschmidt, S. 40). Der Tod
Conrads unterbrach die Einführung der Reformation. 1559—1590 gehörte
Freren zu dem neuerrichteten Bistum Deventer. (Siehe Lindenborn a. a. 0.,
p. 30 ff.) Die Ereignisse des spanisch-niederländischen und des Dreißigjährigen
Krieges hatten wie allerorts, so auch in P'reren die Wirkung, daß der Besitz
von Kirche, Schule und kirchlichen Gütern einem beständigen Wechsel zwischen
Katholiken und Reformierten unterlag, bis ihn 1674 die Katholiken end-
gültig verloren.
Der katholische Gottesdienst wurde verbotenermaßen in Heimlichkeit
abgehalten, bis Jahrzehnte später duldsamere Zeiten gestatteten, ein kleines
Gotteshaus auf dem Settruper Felde zu errichten (1708), das 1749 durch eine
Notkirche aus Fach werk ersetzt wurde und 1784 einen Turm mit Glocke
-^ 30 h<^
achroibun}^.
erhielt. Die katholische Gemeinde besitzt jetzt ein neues dreischiffiges Gottes-
haus, das 1899 geweiht wurde. In Freien unierten sich die wenigen Refor-
mierten und Lutheraner im .Jahre 1823: dadurch entging die j)rotestantische
Gemeinde dem (ieschick der Cberweisung an das Kirchspiol Schapen und blieb '
im Besitz der alten Kirche.
Die Frerener Kirche (Abb. 18) liegt auf einer natürlichen Erhöhung
inmitten ihres jetzt nicht mehr benutzten Kirchhofs. Der dreigeschossige
Turm aus behauenen Findlingen ist augenscheinUch der älteste Teil der Kirche
Abb. 18. Kirche in Freren; Ansicht von Südost.
(um 1200). Freilich stammt sein oberstes Geschoß mit gekuppelten, spitz-
bogigea Fenstern aus der Zeit um 1350. Der Turmhelm bildet eine achtseitige
Pyramide. Das Schiff (vgl. Grundriß, Abb. 19) ist an den Turm herangebaut;
es besteht, wie die außen vortretenden Streben zeigen, aus drei Jochen und
zeigt Stilformen der romanisch-gotischen Übergangszeit. Der Chor schließt
mit fünf Seiten eines Achtecks ab und entstammt gotischer Zeit. Als Material
finden sich an dem älteren Teil der Kirche, namentlich augenfällig an der
Südseite, ganze Blöcke aus Muschelkalk verwandt; Fenster- und Tür-
umrahmungen sind von gut zunftmäßiger Arbeit.
Im Chor ist das Material weniger sorgfältig gewählt. An der Südseite
der Kirche hat ein gewölbter Anbau (Sakristei) bestanden, dessen ehemalige
Zugangstür in der Wand des dritten Joches (ehemaligen Chores) sichtbar wird.
Von den drei Jochen des Schiffes tragen die ersten beiden
Kreuzgewölbe auf starken, spätromanischen Wandvorlagen (Abb. 20) mit ein-
^>^ 31 Sk^
gebundenen Säulen in den Ecken und auf spitzen Schildbögen und kräftigen
Rippen in Haustein. Die Gurten sind spitzbogig (s. d. Schnitt Abb. 22). Das
dritte Joch hat ein gotisches Sterngewölbe in Backstein, und der Chor ist in
Abb. 19 Kirche in Freren ; Grundriß (1 : 250)
gleicher Weise auf Wandsäulen in Backstein ab-
gewölbt. Im ersten Joch liegen zwei Türen (die an ^
der Nordseite ist zugesetzt), beide zeigen Rundwülste
mit Knäufen und sind spitzbogig geschlossen (s. Tafel 3,
Abb. 21). Das spitzbogige Fenster über der Südtür
hat erst später seine gegenwärtige Gestalt erhalten.
Im zweiten Joche finden sich rundbogig geschlossene,
hochansetzende Fenster, die ebenfalls mit Rundsäulen
und Knäufen daran nach der Weise der Übergangs-
zeit versehen sind. Auch das dritte Joch hat rund-
bogig geschlossene Fenster hüben und drüben, die
aber glatte Leibungen und Steinschnitt nach der Art
des Anfangs des XIII. Jahrhunderts besitzen und so
den Schluß gestatten, daß dieses Joch der älteste Teil
der Kirche sei, über den in Hinblick auf die Be-
schaffenheit des Mauerwerkes und die Spuren einer
Sakristei anzunehmen ist, daß er ehemals den Chor
der Kirche gebildet habe. Der um eine Stufe erhöhte
Chor trägt an Wandsäulen (s. Abb. 23) Sakraments-
nische und Fenster, sowie in den vorkommenden
Steinmetzzeichen die Merkmale der letzten Jahrzehnte
des XV. Jahrhunderts.
Eine Glocke mit der zweireihigen Inschrift in
lateinischen Großbuchstaben: Verbum domini manet
Glocken.
Abb. 20. Kirche in Freren;
Wandvorlage im Schiff.
^H ?,2 h<^
Kanzel,
in aeteruurii Gisbert. Diderich uiidf Hugo Budden (iebrodere. Herrninrich
Lobekens. Pastor tho Freren anno 1586. M. Tepeottinck. Untere Durcli-
mosser l,;i2 in.
Eine zweite, mit ebenfalls zweireihiger Inschrift in lateinischen üroß-
l)uchstaben und der Meisterbezeichnung : Friedrich Moritz Rincker von Osnabrück
hat mich gegossen iin Jahre 1755 nach ?>eren. Durch-
messer 1,15 ni.
Die Kanzel, von Holz, mit sechseckigem Stuhl auf Fuß
und sechseckigem, einfachem Schalldeckel, etwa Anfang
XVII. Jahrhunderts. Die Flächen des Stuhles haben Füllungen
in Form von Renaissancenischen.
Abb. 2i. Kiicbe in Freien ; Schnitt,
Abb. 23. Kirche in
Freren ; Wandsäule
im Chor.
Orgel. Der Orgelprospekt, einfach, 1696 vom Prinzen von Oranien der Kirche
geschenkt, trägt am Gehäuse das oranische Wappen.
Sakraments- Ein Sakramentshäuschen aus feinem Sandstein, mit Sockel unterhalb
bauschen. ^^^ rechteckigen Nische und durchbrochenem, baldachinartig vorgezogenem
Wimpergenwerk oberhalb desselben. Spätgotische Arbeit.
Waui- Im ersten und zweiten Joche fanden sich bei Erneuerungsarbeiten
gema e. ^^^ j^q^ farbige Darstellungen der Mutter Gottes mit dem Kinde, Anbetung
der Weisen, des hl. Christophorus und einiger Apostel.
Steinmetz- An den Leibungsquadern der Chorfenster und der Nordstreben, zwischen
zeichen, qj^^j. ^^^ Schiff, finden sich nachstehende Steinmetzzeichen:
%^
Katboli.sche Kirche.
Das katholische Gotteshaus, eine dreischiffige Hallenkirche nach
gotischem Stil, ist in den Jahren 1895—1899 erbaut. Ausstattung, Geräte und
Glocken sind neu. Über eine Glocke aus dem Jahre 1784 siehe unter Wettrup.
Grumsmühlen.
Das Gut Grumsmühlen in der Bauerschaft Langen gehört zu den
älteren Edelmannshöfen in der Grafschaft Lingen (Goldschmidt a. a. 0., S. 2).
In der ersten Hälfte des XVI. Jahrhunderts sollen ein Turm und Gräfte daselbst
angelegt worden sein. Der Turm besteht nicht mehr. Das Gut befindet sich
in Besitz der Freiherrlichen Familie von Böselager.
Hange.
Zu Hange, einem zur Bauerschaft Settlage gehörenden Gute an der
Aa, 2 km südöstlich von Freren, bestand ehemals ein Schloß. Als Besitzer
treten im XV. Jahrhundert die Buddes auf. Um 1650 wird der Herr von
Ascheberg zum Hange genannt (Goldschmidt a. a. 0., S. 17 f. u. S. 126). Der
Jetzige Besitzer hat den Gutskomplex dem Klerus zur Errichtung eines Er-
ziehungsheimes vermacht. Von älteren baulichen Resten ist nur noch das
Eingangstor — etwa um 1780 — vorhanden.
Herzfort h.
Gutshaas.
Im Elberger Markengebiet erbaute der Bischof Ludwig II. von Münster
bei Herzevorthe — Hriesforda (0. U. B. I, 57), Herssenveerde um 1400 genannt
— an der Ems um 1336 eine Burg „tor Slipse" zum Schutze des Ober- und
Niederstiftes Lingen gegen den Grafen von Tecklenburg. Als Burgmannen
boten sich ihm nach einer Urkunde dieses Jahres (Niesert a. a. 0. II, 73)
zwei Knappen aus dem Hause von Senden an, die wahrscheinlich auch als
solche angenommen wurden und nach der baldigen Zerstörung der Burg tor
Slipse durch den Grafen von Tecklenburg die in der Nähe derselben neu
aufgeführte Burg Herzevorth bewohnten. Auch diese wurde zerstört, und
zwar durch den Bentheimer Grafen, aber bald durch Bischof Heidenreich
Wulf wiederhergestellt (Diepenbrock a. a. 0., S. 176, 180 ff., 185 f., Goldschmidt
a. a. 0., S. 39). Die Besitzer von Herzforth wechselten wiederholt und sind
geschichtlich nicht einwandfrei überhefert. Im XVIII. Jahrhundert finden sich
3
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-^ 34 ?---
die Familien von Landslxrrfzr-i und von Hrtiorlcrnrrifi genannt: uni 1780 eine
Gräfin von Nessolrodi; zu lOhrenhoff n. Durcfi Heirat i<ani von dieser aus das Gut
in Besitz der Familie von Möller und um 18ö() durch Kauf an einen Baron von
Morsey, weleher seinerseits es bald an den Herzog von Arenberg weiter verkaufte.
Abb. 24. Haus Ilerzfoith. Lugeplaii (1 : ÖOOO).
Be-
schreibnna-.
Das Haus Herzforth — <() km ssw. von Lingen — ist eine ungefähr
quadratische, von einer Graft umzogene Anlage (s. Abb. 24). Die im Halbkreis
ausgebuchtete Zugangseite im Osten enthält eine Pforte mit Brücke, beseitet von
kleinen, quadratischen, mit gebrochenem Zeltdach versehenen Pavillonbauten.
Abb. 25. Uaus Herzforth: Herrenhaus.
Gegenüber, jenseits des durch Wirtschaftsgebäude (jetzt ist nur noch das
südliche vorhanden) seitlich begrenzten Hofes, liegt das Herrenhaus. Der Rest
des Komplexes innerhalb der Graft wird von Gärten eingenommen. Die Gesamt-
anlage ist einheitlich und wird dem Münsterischen Barockarchitekten Joh
Conr. Schlaun (1094 — 1773) zugeschrieben.
Das Herrenhaus (Abb. 25), aus kleinformatigen Ziegeln mit Sockel.
Eck Verzahnung, Kranzsims, Fenster- und Türgewänden aus Sandstein, ist ein
eingeschossiger Bau; das Dach gewalmtund mit je einem Kamin auf dem First-
->^ nö sp-
ende versehen. Zwei kleine Fiügelanbuuten sind gartenwärts hinausgeschoben,
so daß der Grundriß etwa U-förmige Gestalt annimmt. Die Hoffront enthält
in einem wenig vorgezogenen Risalit (Abb. 26) die Eingangstür mit einer
Freitreppe davor. Der Risalitgiebel
setzt von den Seiten her in konkav
geschwungenen Linien an und schließt
mit einem verkröpften Sims in Kreis-
bogenform. Im Giebelfeld findet sich
ein (jetzt vermauertes) Rundfenster.
Die Haustür hat als Verdachung einen
verkröpften Segmentgiebel und im
Giebelfelde das Wappen der von
Schorlemer.
Das hohe Kellergeschoß ist mit
vorzüglich gemauerten Backstein-
kreuzgew^ölben ohne Verputz über-
deckt. Es enthält außer der ge-
räumigen Küche und Vorratsräumen
eine jetzt vernachlässigte kleine
Hauskapelle. Im Erdgeschoß sind
der Vorhalle, welche die Breite des
Risalits, aber nur die halbe Tiefe
des Gebäudes einnimmt, die in zwei
Reihen nebeneinander angeordneten Abb. 20. Haus iierzfoitii : Poitai des Herrenhauses
Zimmer angegliedert.
Holthausen.
riolthausen (nach Goldschmidt a. a. 0., S. 2), ein Gut im Amte Lingen,
ehemals ein Herrensitz derer von Flaginch.
Kreyenribbe.
Kreyenribbe, ein jetzt nicht mehr vorhandenes Gut, südUch von
Lengerich, zur Bauerschaft Lengerich gehörend. Seine Stätte ist am Blomenberg
erkennbar. Im XVI. -Jahrhundert gehörte das Gut der Familie von Langen-
Kreyenribbe, später den von Alten-Boccum (Goldschmidt a. a. 0., S. 2).
Lengerich.
Reformierte Kirche. Kutli. Kirclic 187.'».
Das Dorf Lengerich, 16 km onö, von Lingen in einer wiesenreichen
Niederung am Rande von Sandhöhen angebaut, hat etwas über 500 Einwohner
und eine Bauerschaft von über 1200 Einwohnern.
Geschiclite Der Name Lengerich tritt wiederholt auf in Urkunden, welche den
Besitz verschiedener Klöster in der Mark Lengerich behandeln : so in der
Form Lengreke zwischen 900 und 10(X) (0. L'. B. I, 62), Lengirichi um \i)Q^)
(0. U. B. I, 116, § 28), ferner Leingercho 1160 (0. U. B. I, 311), Lengerike
(0. U. B. III. 625).
Das Lengericher Gotteshaus gehört zu den ältesten Stiftungen in der
alten Mark Saxlinga. Wahrscheinlich hat schon 819 eine Ecclesia= Pfarrkirche
in Lengerich bestanden (s. Schriever I, S. 107), wenn auch die frühesten
urkundlichen Erwähnungen der Pfarrkirche erst 1269 sich finden. (Eine
Erwähnung s. 0. U. B. III, 395.) Besonders genannt sei hier der Tausch vertrag,
in welchem Bernardus de Ahauss seinen Hauptsitz, den ,,Sadelhoff tho
Lengericke" mit Zubehör ,,dem heren Abtte unnd Conuente * tho Werden"
gegen einen andern Sadelhof vertauscht (0. U. B. III, 397, s. auch M. d. Hist.
Ver. zu Osn. 4, 364 ff.).
Dieser Bernhard war Patron der Pfarre und der Kirche zu Lengerich,
deren Gründung wahrscheinlich von seinen Vorfahren ausgegangen war, wie
denn auch Kirche und Pfarre auf dem Grund und Boden des Sadelhofes
standen. Als Vögte der Abtei Werden auf dem Sadelhof wurden mit dem
Tausche die Hakes übernommen, welche eine mit Wall und Graben bewehrte
Burg, die noch 1579 als ,, Hakenburg" erwähnt wird, aufführten*).
Der Familie Hake folgte 1565 auf dem Sadelhofe die Familie Tork,
deren Mannesstamm 1638 erlosch. (Über die Torks s. M. d. Hist. Ver. zu Osn.,
Bd. 4, 377.) Darauf war bis 1756 die Famihe von Reede im Besitz des
Hofes, welcher dann auf die Familie Droste zu Vischering überging.
Schutzheiliger der Kirche zu Lengerich war der hl. Benediktus, dessen
Erwählung auf den etwa seit 1269 zu datierenden Einfluß der Benediktiner-
Abtei in Werden zurückzuführen sein mag. Das Patronatsrecht über die
Kirche lag in den Händen der Hakes, die es noch 1478 besaßen. In einem
Lehnsbriefe von 1565 wurde es jedoch dem Abte vorbehalten, der es zuletzt
im Jahre 1672 ausübte. Um die Reformation einzuführen, setzte Graf
Nicolaus IV. zu Lingen, unter Nichtachtung Jener Patron atsrechte, einen
reformierten Pfarrer ein. Sein Nachfolger, Graf Conrad von Tecklenburg,
beging noch weitergehende Übergriffe, die 1543 zur Klage zwischen ihm und
dem Abte führten (s. Goldschmidt a. a. 0., S. 37 und 49).
*) Nach Heimat künde des Kreises Lingen (^S. 9»;) lag" sie im jetzigen Garten des
Krankenhauses nnd war aus Ziegelsteinen erbaut, sie hatte einen Innen- und Aufsengrabeu :
dieser ist noch erhalten, jener aber, der noch durch eine 2V2 "i hohe Mauer mit festen
halbeisernen Türen verstärkt war, ist 179o beim Alibruch der Burg zugesebiittct wordeu
Tafel 4.
Abb. 21 u. 30.
KIRCHE IN LRNQERICn; Aussenansicht,
InnereSi
iryj8 fiel im Zusammenhang mit dem Vordringen der Niederländer im
Lingonschen auch zu Lengerich Kirche, Kirchenverrnögen und Pfarre den
Heformierten zu. Zwar gelangten diese Güter schon 1605 an die Katholiken
zurück, doch wurden sie seit dem Edikt des Prinzen Wilhelm II. von Oranien
und der Einführung eines reformierten Predigers 1651 — wenn auch stark
umstritten — Besitz der Reformierten. Seitdem hielten die Katholiken ihren
Ciottesdienst anfangs in einem Saale auf dem Hause Tork, wohin auch der
von Johann von Tork und seiner üemahlin geschenkte Altar verbracht war,
später in einem Bethause aus Fachwerk außerhalb des Ortes. Gelegenthch
des bischöflich-münsterschen Vorstoßes im Jahre 1074 bemächtigten sich
vorübergehend die Katholiken ihrer ehemaligen Kirche, wurden aber durch
holländische Soldaten daraus vertrieben. Der Streit um den Besitz der Kirche
und eine Entschädigung für das den Katholiken verloren gegangene Kirchen-
vermögen setzte sich bis 18(52 fort und schlief dann unerledigt ein, so daß
die Kirche im Besitz der Reformierten geblieben ist.
Die katholische Gemeinde zu Lengerich erbaute sich eine eigene drei-
schiffige Kirche, die 1905 geweiht werden konnte.
Be- Die alte Kirche zu Lengerich (s. Tafel 4, Abb. 27j hegt etwas
Bc reibung. gj.jjQi^i^ inmitten ihres Kirchhofes. Die umliegenden Häuser sollen noch
Jetzt größtenteils im Besitz von Heuerleuten der Großbauern aus
dem Kirchspiele sein, die ehemals, wenn sie zum Gottesdienst kamen, hier
abstiegen.
Die Kirche (Grundr., Abb. 28) besteht aus einem dreischiffigen Lang-
hause, hat im Osten einen Chor mit VorJoch und einen Abschluß in fünf
Seiten eines Achtecks. Außen kennzeichnet sich das Gewölbesystem durch
Streben. Der im Westen vorgelagerte Turm gehört in die bereits genannte
Gruppe der romanischen Kirchtürme (s. Einleitung S. 10).
Turm. Der Turm besteht bis zu einer Höhe von etwa 17,50 m aus Granit-
Mauerwerk. Das darüber anhebende Turmgeschoß aus Quadern ist Jüngei
und, wie eine Inschrift an der westlichen Außenseite besagt, 1528 aufgesetzt.
Den Abschluß bildet ein niedriges Walmdach. Die Durchgangshalle im Erd-
geschoß hat eine rundbogig geschlossene Tür im Westen und zwei Türöff-
nungen gegen das Schiff hin, deren Rundbogen über Kämpfern mit Platte
und Hohlkehle ansetzen. Die Schallöffnungen im alten Teile des Turmes
zeigen ebenfalls Rundbogen, die durch Säulen mit Würfelkapitellen geteilt
sind. Solcher gekuppelter Fenster sitzen zwei in Jeder Turmseite. Das obere
Turmgeschoß hat Je ein gotisches Fenster.
Schiif. Das an den Turm anstoßende Mauerwerk der Westwand des Schiffe>
unterscheidet sich in seiner Art von dem des übrigen Schiffes, scheint aber
übereinzustimmen mit dem Mauerwerk des VorJoches vom Chor, das als
Merkmale zur Datierung die hochansetzenden, schmalen, spitzbogigen Fenster
mit Nasenwerk (erste Hälfte des XIV. Jahrhunderts) aufweist. Das Langhaus
besteht im übrigen aus Bruchsteinmauerwerk mit Quadereinfassung. Die drei
Mitteljoche sind auf Rundpfeilern mit polygonalen Basen und Hohlkehlen -
kapitellen gewölbt; die Seitenjoche zeigen an den Umfassungswänden Konsolen
->-§ 39 §K^
(Abb. 29). Die Architekturglieder weisen auf die Zeit um 1480 hin. Die
Gewölbe sind durchweg in Backstein ausgeführt (s. Tafel 4, Abb. 30).
In der Nordseite befindet sich eine einfache Spitzbogentür, die vom
Kaffsims rechteckig umzogen wird; darüber ist eine rechteckige Nische an-
gebracht, welche die Figur des hJ. Benedikt enthält. Eine andere Tür in der Süd-
wand des westlichen Joches und ferner je eine in der Nord- und Südwand des
Vorjoches zum Chor, deren letztere in eine jetzt nicht mehr vorhandene Sakristei
geführt zu haben scheint, sind heutigestages vermauert.
Abb. 29. Kirche in Lengerich: Schnitt (i :250.;
Die Fenster im Langhaus und im Chorabschluß zeigen Fischblasen-
uud Dreipaßmuster.
In dem Vorjoche des um zwei Stufen erhöhten Chores finden sich an Chor.
Pfeilerbasen und Kämpfern Profile im Stile der Übergangszeit. Eine Kappe
des Kreuzgewölbes besteht noch aus Bruchstein, während die übrigen die all-
gemein kurz vor 1500 auftretende Backsteinwölbung aufweisen. Der Chor-
abschluß hat Netzgewölbe mit reich ausgebildetem Mittelschlußstein, an dem
Wappen und Seilornament angebracht sind. Die Eckdienste, auf denen das
Gewölbe ruht, haben zwölfeckige Basen und sechseckige Kelchkapitelle mit
geschweiften Seiten.
-5-8 40 >K-
(ilockcii.
Cii rahsteine.
Piscina.
Skulpturen.
Steinmetz-
zeichen.
Taufe.
Die jetzt vorhandeiioti Glocken sind 1869 von IVtit unH Edelbrock
aus dem Metalle der drei älteren umgegossen. Nach der Kirchenbeschreihung
von 1861 .stammten deren zwei aus dem lahre 1672; die dritte war älter.
Kinige Grabsteine, zuinei.st .stark abgetreten, liegen auf dem Chor.
Einer zeigt die Gestalt eines Priesters mit gefaltenen Händen und der Um-
schrift: 1549. In die dionsij Pastor Johannes
Wesselinck codit hie.
Drei andere von 1630, 16;j3, 1654 zeigen
ebenfalls Priester, den Kelch haltend.
Weitere sind bei Mithoff VI, S. 80, ihren
Inschriften nach mitgeteilt.
Unter dem südUchen Fenster im Chorstern
findet sich eine spätgotische Piscina. Ihre
Nische ist mit Wimperge geschlossen, deren
Bogen nach oben in einer flachen Kreuzblume
ausgezogen ist. Zu beiden Seiten steile Fialen
(Abb. 31).
Eine Benediktusstatuette, Sandstein, Höhe
etwa 90 cm, verwittert, in einer Nische ober-
halb der Nordtür außen; vielleicht XVII. Jahr-
hundert.
Zwei Statuen, aus marmorähnlichem Ma-
terial, Je auf Konsolen, zu seiten des Chor-
bogens: links Madonna mit dem Kinde, ge-
schenkt von Wilh. Fried, a Reede S. Cath.
Ecclesiae Mon. Co. -1631, rechts St. Joseph
oder der Apostel Johannes (rechte Hand fehlt).
Auf dem Sockel: Joan Torck et Anna Magda-
lena a Reede Conjuges 1632.
Die nachstehend abgebildeten Steinmetzzeichen finden sich in den
Fensterleibungen von Schiff und Chor:
Abb. 31. Kirche in Leugerich; Pifcina.
±^ ±
^± tJ'
Wand-
gemälde.
Ein Tauf stein aus Bentheimer Material, Höhe 93 cm, oberer Durch-
messer 82 cm (Abb. 32). Das Gefäß ist vom Fuß deutlich abgesetzt. Vom
Quadrat der Fußplatte zum Rund des Schaftes vermitteln geradlinige Eck-
blattbildungen, die sich ganz bis unter den Rundwulst hinaufziehen, mit welchem
das eigentliche Becken sich absetzt. Dieses hat im unteren Drittel nach außen sich
weitende, konische, im übrigen zyhndrische Form und trägt hier in schwachem,
durch Ausarbeiten des Grundes hervorgebrachten Relief einen Streifen von roma-
nischen Zwergarkadeu und darüber das Doppeltaumuster in ebensolcher Arbeit.
Spätgotische und ungeschickte Wandmalereien kamen bei Erneuerungs-
arbeiten um 1895 zutage, sind aber übertüncht worden (s. Aufsatz v. Lötter in
Niedersachsen 1908, N- 21).
->^ 41 g^^
Abb. 32. Kirche in Lengerich ; Taufstein.
Kirche der Katholiken.
Nach dem oranischen Erlasse gegen die Ausübung des katholischen
Gottesdienstes, entstand eine Notkirche in der Nähe von L., welche von
1715 — 1718 benutzt wurde. Als darauf unter preußischer Herrschaft der Gottes-
dienst im Lande wieder gestattet wurde, errichtete man bald in Lengerich
selbst eine Notkirche. 1776 war eine Fachwerkkirche mit einem Dachreiter
über dem Chore fertiggestellt, die dem hl. Benedikt geweiht wurde. Sie hat
bis 1873 bestanden, in welchem Jahre eine neuerbaute gotische Hausteinkirche
mit hohem Westturm in Gebrauch genommen wurde.
Ein Meßkelch, aus Silber, mit Wappen des Friedr. v. Reede (XVII. Kelch.
Jahrhundert) hat Gravierungen: 1. Christus am Kreuze mit der Stadt Jerusalem,
der schmerzhaften Mutter und dem hl. Johannes; 2. das Bildnis des hl. Benedikt;
3. das des hl. Friedrich.
Leschede.
Katholische Klause.
Am Wege Leschede-Plantlünne, etwa 1,5 km von der Bahn,
liegt eine aus Sandstein auf oblonger Grundlage aufgeführte Klause (4 : 7 m),
deren Satteldach von einem sechsseitigen Dachreiter bekrönt wird. Über dem Ein-
-^ 42 ?^-
^aii^'o im Ost^nehel ist auf einer Konsolo vor einer Draperie in Stein die
Sandsteinfimir der Mutter Gottes als Ilirnnielskönigin mit dem Zepter in der
Hechten angebracht; die Linke, die das Christuskind getragen haben wird, ist
al)gebrochen. An der Konsole liest man ,,Jesus, Maria". Stifterinschriflen
mit den Jahreszahlen lG8;j und lü84 befinden sich an der Konsole. Die Stein-
figuren auf dem Altare im Innern der Klause, die hl. Mutter Gottes und
St. Johannes, entstammen derselben Zeit.
Lin g e n.
Reformierte Kirche, lutherische Kirche, katholische Kirche, ehemaliges Akademisches
Gymnasium, Rathaus, Danckelmannhaus, Privathiiuser.
L i u g e n an der Ems ist als Hauptort des Kreises Sitz des Landratsamtes
und eines Amtsgerichtes und hat 8021 Einwohner. Der Gomeindebezirk, Stadt
und Stadtflur, umfaßt eine Fläche von 1224 ha. Die Mehrzahl der Einwohner
gehört dem kathohschen Bekenntnis an, während gegen 3300 sich den übrigen
christlichen Konfessionen zurechnen. Die Stadt Lingen (Plan, Abb. 33) liegt
an wichtigen Verkehrsstraßen und an der Staatseisenbahn Emden-Rheine ; durch
den Dortmund- Emskanal ist sie mit dem westfälischen Industriegebiet und
durch dem Ems-Vechtekanal über Nordhorn mit dem niederländischen Kanal-
system verbunden.
Die Einwohnerschaft findet zum großen Teil ihren Lebensunterhalt als
Angestellte und Beamte der zahlreichen Behörden ; ein weiterer, großer Teil ist
bei den an Zahl und Umfang stark zunehmenden industriellen Unternehmungen
als Arbeiter beschäftigt. Wie in der Einleitung erwähnt, sind dabei kleine
landwirtschaftliche Betriebe üblich.
Geschichte. Der Ursprung der Stadt mag in einem Oberhofe zu suchen sein, der
urkundHch 1227 (0. U. B. II, 231) erwähnt wird und der mit Wahrscheinlich-
keit der Adelsfamilie von Linge zugehörte (s. a. die Einleitung Seite .5). Die
Anlage der Stadt wurde begünstigt durch den Umstand, daß hier inmitten
großer Moore ein Geestland sich zungenartig bis an die Ems erstreckte und
so einen natürlichen Schutz gegen feindliche Überfälle, zugleich aber auch
eine geeignete Übergangsstelle über die Ems schuf. Die Stadt lag ursprünglich
unmittelbar am rechten Flußufer; erst etwa im XVI. Jahrhundert hat die Ems
ihren Lauf weiter westlich verlegt.
Lingen besaß 1327 Stadtgerechtigkeit und wird in einer Urkunde dieses
Jahres geradezu oppidum, Stadt, genannt (Goldschmidt a. a. 0. V. III). In der
gleichen Urkunde werden Burgmänner oppidi linghe erwähnt; über die Burg
selbst erfahren wir aber nichts Näheres. Über Lingen als Festung und ein
Kastell, das bei der Stadt lag und zweifellos die alte Burg war, treten zuerst
• ->£ 43 8^-
Nachrichten auf im Jahre 1516, wo Bischof Erich von Münster, welcher die
Stadt eroberte, die schon vorhandenen Festungswerke ausbauen und das
Kastell verstärken ließ.
Abb. 33. Lingen; Plan des Stadtkernes, 1913.
R. K. = Ref. Kirche, K. K. = Kath. Kirche, L. K. = Luth. Kirche,
R.-Hs. := Rathaus, A.-Uer. = Amtsgericht.
Von der Anlage neuer Befestigungen wird berichtet aus der Zeit
des Prinzen Moritz von Oranien (1600) und des Obersten Spinola (1607). Bei
Gelegenheit der Namensfeier Philipps IL von Spanien entstand Feuer auf
der Burg ; der Pulverturm flog in die Luft, und die übrigen Gebäude der Burg
-*«S 44 ?*o-
wurden orschüttort und f^ospron^t (lOOT): din Hur^ wurde jedoch bald d.-irauf
wiodorhorgostollt '' ).
Die wiederholten Eroherunj^en und Kontributionen, die Kin(iuartierungs-
lasten und die Kosten, wflchc di«- Untorhalturifi der P'estungswerke verursachten,
Abb. 31. Stadt Linien nach Merlan.
Mölleutor
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Löckentor
Abb. 3,'). Stadt Lingen, Stich aus einem Geschichtswerk de.s XVII. Jahrhunderts
*) Von der Burg und der Burgpforte zog sich das l'estungswerk im Kreise nach der
liöckenpforte (Loicuni-porta), welche die Löckenstraße bei dem Bach, der die Löckenstraßc
quert, abschloß (vgl. Abb. 34 und Abb. 35). Von da setzte sich das Festnngsgemäuer fort nach
der Möllenpforte. Hier zählte man zwei Bollwerke, an der einen Seite den Grüwwel, an
der andern Seite den Spanschen Bock. Dann gingen die Mauern weiter bis zur Burgpforte,
an verschiedenen Stellen durch Forts bewehrt. Das Möllentor und das Burgtor waren mit
Hameien (Gattern) versehen; doch wurden die Gatter 1611 vom Möllentor nach dem
->B 45 gK-
veranlaßten die Bürger wiederholt um die Niederlegung derselben einzukommen.
Im Jahre 1632 wurde endlich die Genehmigung hierzu erteilt und in den fol-
genden Jahren die Schleifang der Festung nach und nach ausgeführt.
Als Straßen der Stadt, die nach den Magistratsakten um 1600 etwa
1200 Einwohner gezählt haben muß, werden 1564 die ,,Grote Strate", die
Loiken Strate, die Achter Strate 1594, die Kerkstrate 1608 und die luntzke
Stege 1564 genannt.
Reformierte Kirche.
Eine Urkunde des Jahres 1250 (0. U. B, II, 572) erwähnt das Bestehen Geschichte,
einer Pfarre zu Lingen, die damals allerdings schon länger bestanden haben
muß. Ihr Patron war der Tecklenburger Graf, der samt seinen Burgmannen
im genannten Jahre eine Vikarie zu dieser Pfarre stiftete. Ausdrücklich wird
dabei von dem Vorhandensein einer älteren Kirche gesprochen, die innerhalb
der Stadt belegen w^ar. Außerhalb der Stadtgrenze gab es eine alte Kapelle
mit besonderem Friedhofe, von der im Anfange des XVII. Jahrhunderts noch
die Rede ist. (Lindenborn, a. a. 0.) Außerdem war auf der Burg eine Burg-
kapelle vorhanden.
Die der hl. Walpurgis geweihte Pfarrkirche stand auf der Stätte der
heutigen reformierten Kirche und wurde vom Grafen Konrad von Tecklenburg
in der Mitte des XVI. Jahrhunderts, wahrscheinlich wegen Baufälligkeit, bis auf ,
den Turm — denselben, der zur jetzigen reformierten Kirche gehört — nieder-
gerissen. Die Katholiken Lingens bauten, wie es scheint, ziemlich bald darauf
eine Holzkirche an den Turm heran, die ihnen aber 1598 genommen wurde.
Unter den veränderten konfessionellen Verhältnissen nach der Wiedereinnahme
Lingens durch Spinola wurde der Bau verbessert, und zwar wurde der
Chorbau in Sandsteinen ausgeführt (1627), die dem 1607 niedergebrannten
Kastell unter Genehmigung der Finanzkammer zu Brüssel entnommen waren
und übrigens größtenteils von der durch Cord von Tecklenburg nieder-
gerissenen alten Kirche stammten, wie sich auch an den Steinmetzzeichen daran
erkennen läßt. Das Schiff, das bis dahin aus Fachwerk bestand, w^urde erst
1770 von den Reformierten ausgebaut, nachdem im eigenen Lande und in
den Niederlanden die Gelder dazu gesammelt worden waren.
Die Kirche der Reformierten (Grundriß, Abb. 36) besteht demnach aus Bc-
einem langrechteckigen Schiff mit polygonalem Chor und einem Westturm, schroibnug.
Als Material erscheint äußerlich Sandstein aus den Bentheimer Brüchen.
Löckentor verlegt. Am Möllentor wurde eine Zugbrücke angebracht. Die Hanptbefesti-
gungsanlagen befanden sich zwischen Burgpforte und Löckeutor. Etwa in der Mitte lag
das Kastell, ein „proper fast huys", mit einem breiten, großen Wall und vier Rondellen,
welche zwei Gräben umgaben. Der erste Graben lag zwischen dem Haupthanse und dem
Wall, der andere Graben außerhall) des Walles und der Rondelle. Hier befand sich auch
die Artillerie, Munition und der Pulverturm. Die Schleifung der Festung wurde 1632 be-
gonnen mit der Niederreißung des Hauses und der Burg Lingen. Nach einer Unterbrechung
scheint die Abtragung der Festungswerke 1638 vollendet zu sein. Auf dem den Namen
Casteel tragenden Platze steht noch heute ein Rest des Pulverturmes (spätgotisch) und des
Gemäuers der alten Burg. (Nach Schriever a. a. 0. B. I, S. 14.;
->^ 47 gK-
Das Schiff ist nach der Art der Saalkirchen jener Zeit mit einer Sohift.
am Dachstuhl hängenden Holzdecke in Form eines flachen Spiegelgewölbes
überdeckt. Die großen Fenster sind in Korbbögen geschlossen; eine Mitteltür
mit ebensolchem Schluß befindet sich in der Südwand. Den Langwänden
liegen außen Streben vor, mit spätgotischen Abdeckungen, die hier als in
zweiter Verwendung befindhch anzusprechen sind.
Der Chor (Abb. 37) ist vom Schiffe durch einen auf Halbsäulen chor.
ruhenden, runden Triumphbogen geschieden und hat vor dem Chorstern noch
ein im Kreuzgewölbe überdecktes Joch. Die Rippen der Gewölbe gehen
aus Konsolen in Vasenform hervor und haben im Querschnitt über den Ein-
kehlungen auf beiden Seiten noch je einen Rundstab. Die Kanten sind ab-
gefast. Die Wölbungen selbst sind in Ziegeln ausgeführt.
Abb. 37. Reformierte Kirche in Liagen: Innenan.sicht des Chores.
Die spitzbogig geschlossenen und mit reichem Maßwerk versehenen
Fenster im Chor sind in jüngerer Zeit erneuert. Eine Tür mit geradem Sturz
und Kragkonsolen, an deren Vorderseite je ein Engelskopf von jenem
negeroiden Typus angebracht ist, der auch sonst (z, B. an der Kanzel in
Gildehaus) um diese Zeit in der Gegend auftritt, befindet sich in der Nordwand
des Chores. Der Sturz trägt im Innern Bürgermarken und Namen sowie die
Datumsinschrift: 29. Mai 1629.
Der Westturm ist in seinem unteren Geschoß teilweise alt und besteht Turm,
aus Findlingen mit Ziegelausflickungen. An der Schiffseite liegt ein romanischer
Schildbogen, der zu der ehemaligen Wölbung der Turmhalle gehört hat. Die
Eingangstür an der Westseite ist erneuert.
Im oberen Turmgeschosse befinden sich spitzbogige, durch je einen Pfosten
geteilte, Schallöffnungeu. Der Helm hat die Gestalt einer achtseitigen Pyramide.
-^ 48 8^
Glocken. Eine Glocke, Durchmesser 1,47 m, Höhe 1,18 m. mit Wappen, das
einen doppelköpfigen Adler darstellt. Inschrift: rnaria is min narne • Werner (?)
Wilken .... anno domini m cccc Ivii (1457).
Eine zweite, Durchmesser 1,'J5 m, Höhe 1,()7 m. Die lahresinschrift
ist 1602. Der Meister nennt sich nicht.
Abb. 38. Reformierte Kirche in Lingen;
Grabplatte von KiOi;.
Eine dritte, Durchmesser 0,74 m, Höhe 0,64 m. Inschrift: Me fecit
Ciprianus Crans Jansz, Amstelodami Anno 1747. Lateinische Großbuchstaben.
Grabstein. Ein Grabstein langrechteckiger Gestalt (Abb, 38) für den „Heere
Evert van Ensse usw. Drost te Ooeverden usw., f 1606", mit dem flach-
erhabenen Bildnis des Verstorbenen in Panzerrüstung, umrahmt von
einer Nischenarchitektur in Renaissanceformen. Zu Füßen der Figur ist eine
Tafel mit der vorhin auszugsweise angeführten Legende, zu Häupten über
->8 49 ^-
der Nische eine solche mit dem Wahlspruch ,,jusques a la mort" angebracht.
In den vier Ecken ist je ein Wappen angeordnet.
Das Klassikalsiegel enthält im runden Felde einen Mann in mittel- Siegel.
alterlicher Tracht mit Hut, auf seinen Schultern ein Lamm tragend. Umschrift:
Quaero oves perditas in deserto. Randschrift: Sigillum Classis Lingensis.
Steinmetzzeichen am Chor: Steiumetz
zeichen.
^ ^ £1L_ ^A^ ^
A71
Lutherische Kirche.
Bei der Übernahme der Niedergrafschaft Lingen durch Preußen im
Jahre 1702 war die Anzahl der Lutheraner in Lingen nur gering. 1724 betrug
sie zehn, stieg dann aber infolge des Zuzuges aus anderen preußischen Landes-
Abb. 39. Lutherische Kirche in Lingen; Grundriß (1:250).
teilen bis zum Jahre 1733 auf 200, so daß, nachdem längst ein Prediger für
die Gemeinde bestellt war, mit dem Bau einer eigenen Kirche in diesem Jahre
begonnen wurde. Dieser war 1737 beendet. Der von F. BieHtz gezeichnete
Entwurf der Kirche wird in den Pfarrakten aufbewahrt.
Die lutherische Kirche (Grundriß, Abb, 39j ist in Ziegeln aufgeführt Be-
und hat Ecklisenen, Gesimse sowie Fenster- und Türgewände aus Sandstein. Schreibung.
4
Ihre urspriidgliclic Oricjiilierung isl, fast nord-.süfllicli ; bei ilirer Vergrößerung
durch einen Ostflügcl, vor etwa einem Jahrzehnt, hat man den Chor in einen
Ausbau gen Westen verlegt. Oberhalb des alten Nordgiebels an der Hauptfront
befindet sich ein Dachreiter (A})b. 40).
Abb. 40. Lutherische Kirche in Lingen; Frontansicht.
Glocke.
Das Schiff besteht, in der ursprünglichen Anlage der Kirche, aus
zwei mit scharfgrätigen Kreuzgewölben überdeckten Jochen, deren eines
9 X 9 m Seitenlänge mißt, während das andere, nördlich davon belegene nur
die halbe Tiefe besitzt. An das quadratische Joch schHeßt sich als halbkreis-
förmige Apsis der Chor an, dessen Gewölbe durch zwei Rippen geteilt wird.
Eine Glocke, Durchmesser 0,57; Inschrift in lateinischen Groß-
buchstaben: Sit nomen Domini benedictura Amstelodami 1708.
->-§ 51 g«<-
Zwei Kelche, Silber (Abb. 41). Bei beiden: Fuß und Schaft rund, Kelche.
Knauf birnenförmig, Kuppa am Rande auswärts geschweift. Der Kelch in der
Abb. 41- Lutherische Kirche in Lingen; Kelche.
Abbildung links ist datiert 1727; Beschaustempel undeutlich (Löwe?) Meister-
monogramm: T. H. Der Kelch rechts, datiert 1789. Beschaustempel: das
Lingener Wappen, Meisterzeichen: M,
Katholische Kirche.
Wie mitgeteilt, hatten die Katholiken um 1627 mit dem Ausbau der
sogenannten ,,alden Kercke" begonnen und deren Chor in Sandstein erneuert.
Nachdem im Jahre 1633 die Stadt durch den Prinzen Heinrich von Oranien
erneut eingenommen war, fiel diese Kirche den Reformierten zu, welche bis
1648 eine seit 1606 bestehende katholische Garnisonkirche, die sogenannte
italienische Kirche, benutzt hatten. Wiewohl nun dieses Gotteshaus im
genannten Jahre frei wurde, blieben die Katholiken gehalten, ihren Gottesdienst
jenseits der Grenze in Hohendarme auszuüben. Erst als 1717 unter preußischem
Regiment der Duldungserlaß ergangen war, baute man eine Fachwerkkirche
für den katholischen Gottesdienst, die noch bis 1836 bestand.
Die jetzt vorhandene, 1905 mit einem Turm versehene und 1910 durch bc-
eine Chorapsis erweiterte Kirche wurde in den Jahren 1835 — 1836 aus Ziegeln schrcibimg.
errichtet. Es ist eine dreischiffige Anlage von vornehmer und bedeutender
innerer Raumwirkung. Zwei Reihen von sechs kräftigen, hochanstrebenden
toskanischen Säulen mit geradem Gebälk tragen die geputzte Bretterdecke, die
in den Seitenschiffen gerade, im Mittelschiff im Halbkreis gewölbt ist; an
den Wänden entsprechend Pilastervorlageu. Im Osten und Westen schließen
sich in Verlängerung der Seitenschiffe durch Rundbogen abgetrennte, quadrati-
sche Felder an, während das Mittelschiff zwischen ihnen bis zum Chor, be-
ziehungsweise Turm fortläuft. Im Westen ist die Orgelempore eingebaut und
wird im Mittelschiff von zwei dorischen Säulen unterstützt, die neu hinzu-
f^ei'ii^tcii 'rdli! sind in ro/naiiisclien Formen g<;lialten, (Ji<; in kleinlicher
Detaillierung sich dem Altar wenig harmonisch angliedern. Auf dem West-
giebel befand sich ehemals ein Dachreiter. Zum Patron des Gotteshauses
wurde der hl. Bonifazius und die hl. Walpurgis als Kompatronin angenommen.
Glocke. Eine angeblich von 1414 stammende Glocke wurde 1900 umgegossen.
Kultgcriite. Eine Strahlennionstranz, Silber, teilweise vergoldet (Tafel 3, Abb. 42),
Höhe 64 cm, auf ovalem Fuß. Im Kranz aus stilisiertem Weinlaub befindet
sich zu beiden Seiten je ein schwebender Engel ; in der Mitte darüber Gottvater.
Die Arbeit stammt aus der Zeit um 1700. Der Fuß ist 1812 erneuert.
Dedikationsinschrift unter dem Fuße. Kein Meister- und Beschauzeichen.
Ein Ciborium, Silber, vergoldet, Höhe etwa 45 cm. Fuß in Achtpaßform.
Kuppa mit Deckel versehen, glatt, nur am Anlauf silberne, aufgelegte Ranken.
Meßbuch. Ein Meßbuch in Großfolio mit Silberbeschlägen: Die Eckverzierungen
tragen Engelsköpfe, das Medaillon eine Huldigung der Gottesmutter in
getriebener Arbeit.
Akademisches Gymnasium*).
Die oben erwähnte italienische Kirche wurde wegen Baufälligkeit
gegen 1678 niedergerissen und an ihrer Stelle durch den Prinzen von Uranien
ein akademisches Gymnasium erbaut, nachdem eine Lateinschule schon
vorher bestanden hatte. An dieser nach dem Muster holländischer Universitäten
eingerichteten Akademie waren die vier Fakultäten zunächst durch ebensoviele,
später durch sieben Professoren vertreten. Die Anzahl der Studierenden,
welche zum großen Teil aus Niederländern bestand, schwankte zwischen 5^'
und 200. Die Anstalt verfiel gegen Ende des XVIII. Jahrhunderts und wurde
als ,, unvollkommen und zwecklos" im Jahre 1818 durch ein Reskript des
Großbrit.-Hannov. Cabinets-Ministeriums aufgehoben.
Das schmucklose Gebäude des akademischen Gymnasiums, am Kirch-
platz der lutherischen Kirche gelegen, enthält im Erdgeschoß eine Aula:
außerdem einige Klassenzimmer.
Altes Seminar.
Das alte Seminar am Schulplatz Nr. 5 und 6 wurde 1685 erbaut und
enthielt im Erdgeschoß Lehrerwohnungen und Wirtschaftsräume, während das
Obergeschoß zur Unterbringung von 40 — 50 Zöglingen der Lateinschule diente.
Die Architektur des zweigeschossigen, mit Walmdach versehenen
Hauses ist insofern bemerkenswert, als sie eine Verbindung von Fachwerk-
und Massivbau anstrebt. Die Außenwände sind gegliedert durch 30 cm
starke, 1,50 m weit gestellte Holzpfosten, die auf kleinen, aus dem Sandstein-
sockel vortretenden Postamenten stehen und ohne Unterbrechung und ohne
Riegelverbindung durch beide Geschosse gehen. Das einfache Gurtgesims und
das reicher profilierte Traufgesims sind aus Holz hergestellt. Die beiden mit
Giebelverdachung versehenen Eingänge stammen aus dem Jahre 1840.
*) Lit.: Fest-Programm des Gymnasium Georgianum znLingen von 1880. Daselbst
Quellenangaben.
->S 53 g^-
Rathaas.
Das am Markt belegene Rathaus (Abb. 43) ist ein eingeschossiger
Putzbau auf rechteckigem Grundriß. Die Umfassungswände sind in Bruch-
stein hergestellt, die Giebel wohl später (1663) in Backstein erneuert. Die
Front mit doppelarmiger Freitreppe hat einen Staffelgiebel und als Bekrönung
darüber einen achtseitigen, offenen Dachreiter, dessen Haube in geschweiften
Linien ausgezogen ist. Der Giebel zeigt wagerechte Teilung durch feine Sand-
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Abb. 43. Bathaus in Lingen; Frontansicht.
steinsirase. Tür und Fenster sind rechteckig; die Beschaffenheit der Fenster-
gewände wird nicht die ursprüngliche sein. Oberhalb der Tür im Giebelfeld
ist das Wappen der Stadt eingelassen: ein von zwei Löwen gehaltener Schild
mit drei Türmen, darüber eine fünfzackige Krone. Die Ankereisen am Giebel
in Höhe des Hauptgesimses bilden die Jahreszahl 1663.
Das mittels der Freitreppe zugängliche Obergeschoß enthält an der
Rückseite den quer zur Gebäudeachse liegenden Sitzungssaal, außerdem einen
Vorplatz und zwei kleine Seitenräume.
Amtsgericht, ehem. Danckelmannsches Haus.
Das an der Burgstraße vor dem Stadtgraben belegene Gebäude des
Königlichen Amtsgerichtes war nach dem Allianzwappen, das über dem
Portal angebracht ist, ehemals Besitz des ,,Silvest. Danckelman".
-^ 54 i?->-
l*]ino Urkund»,' von 1()35 lUiunt Silvester von Danckelmann als prinzlicli
oranischoii Richter und Gograf der Stadt und des Landes Lingen; vielleicht
war er der Vater des Freiherrn Eberhard v. Danckelmann, der 1043 in der
Grafschaft Lingen gciboren wurde und später Erzieher des Kurfürsten von
Brandenburg war, dos nachmaligen Königs Friedrichs I. von Preußen.
Das ehemals Danckelmannsche Haus (Abb. 44) ist ein zweigeschossiger
Bau auf rechteckigem Grundriß (Abb. 45), dessen Sockel und architektonische
Abb. 44. Amtsgericht in Lingen; (ehemal. Danckelmannscbes Haus). Straßenseite.
Gliederung aus Sandstein bestehen, während die Umfassungsmauern im
übrigen aus Ziegeln mit geputzten Außenflächen aufgeführt sind. Die Geschoß-
teilung ist ringsum durch ein zartes Bandsims kenntUch gemacht; die steilen
Giebel weisen ebenfalls eine wagerechte Gliederung auf und tragen je einen
mächtigen Kamin als Bekrönung. Die Ausbildung der durch beide Geschosse
gehenden Quaderpilaster und des Kranzgesimses steht in der Formgebung
nicht im Einklänge mit der Behandlung jener Glieder.
Die rechteckigen Fenster zeigen nicht mehr die ursprüngliche Fassung
mit schmalem Sandsteingewände und Kreuzpfostenteilung, wie sie sich besonders
an der Westfront (Abb. 47) bei eingemauerten und unter dem Putz versteckten
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Abb. 45. Amtsgericht in Lingen; (ehem. Danckelmaunsches Haus). Grundriß des Erdgeschosses (1 : 250) *).
Fenstern vorgefunden hat. Dagegen
ist der an der Gartenseite belegene
einzige Eingang ohne wesentliche
Veränderung gebheben (Abb. 48).
Eine doppelarmige Freitreppe mit
schlichtem Eisengeländer zwischen
Balustern vermittelt den Zugang.
Das Portalgewände zeigt Quader-
teilung; der gerade Sturz ist durch
Zwickelkonsolen gestützt und zeigt
in einem Schilde die Jahreszahl
1646. Zwei gekuppelte, rechteckige
Fenster dienen als Oberlicht. Den
Abschluß bildet eine Verdachung
mit flachem Segmentbogen, der aber
— offenbar nachträglich — durch-
brochen wurde, um einen quadrati-
schen Stein mit dem Allianzwappen
Silvester Danckelmann und der Beata
Derenthal aufzunehmen.
Die Änderung der Fassaden
erfolgte, den Formen nach zu ur-
teilen, im Anfang des XVIII. Jahr-
hunderts, als auch die Toranlage
rechts der Straßenfront hinzugefügt
Abb. 46. Amtsgericht in Lingen; Schnitt. wurdc. Sie bestcht aus einer breiten
*) Abb. 46, 46 nnd 47 nach Aufnahmezeichnungen desKöniglichen Hochbauamts in Lingeu.
Einfahit und zwei seitlichen Nebeneingängen, die höher aufragenden Haupt-
pfoiler von Vasen ])ekrünt; auf dem freistehenden Abschlußpfeiler ein sitzender
Löwe mit dem Danckelmaimschen Wappenschild. Der Hofraum wird nach
dem dahinterliegenden Garten durch ein Holzgitter zwischen Sandsteinpfeilern
abgeschlossen. An den Torpfeilern je ein Waj»pen (beide mit denselben
VjjiiP»"
=
(ii!.«^^-v*T
Abb. 47. Amtsgericht in Lingen ; Westansicht.
Abb. 48. Amtsgericht in Lingen: Portal a. d. Garte
Wappenbildern) und darunter steht einerseits Silvester Diedreich Danckelman,
andererseits Eberhardine Beate von Danckelmann.
Die Raumteilung im Innern wird durch eine in der Mittel-
querachse des Gebäudes angelegte Diele mit Treppenhaus und seitlich
davon in der Mittellängsachse des Gebäudes sich öffnende Vorplätze be-
stimmt (Abb. 45). Einige Räume des Erdgeschosses haben gute Stuckdecken
und Kamine.
Bürgerhäuser.
Die älteren bürgerlichen Wohnhäuser *sind aus Fachwerk und mit
den Giebelfronten der Straße zugekehrt. Wohl keins hat die große Feuersbrunst
->^ 57 i^<-
i
von 1548, die nach Stangefol (a. a. 0. IV, pag. 49 ff.), mehr als die Hälfte
aller Häuser in Asche legte, überstanden, und in den Belagerungen, welche die
Stadt durch die Holländer unter dem Prinzen Moritz von Oranien 1597, some
durch die Spanier unter Spinola 1605 erfuhr, ist vermutlich die Ursache zu
suchen, daß auch aus der zweiten Hälfte des XVI. Jahrhunderts nur wenige
Häuser erhalten sind und in der Folgezeit der Massivbau bevorzugt worden ist.
Abb. 49. Lingen ; Haus Burgstraße Kr. 8.
Um 1775 heißt es in einem ministeriellen Reskript: die Stadt Lingen
enthalte „noch keine 300 Häuser, welche größtenteils auch nur kleine Hütten"
seien. Die Häuser waren zumeist einstöckig und auf ackerbürgerliche Bedürf-
nisse berechnet, wie sich entnehmen läßt aus einem behördlichen Meinungs-
austausch über die Geeignetheit Lingens als Universitätsstadt. Darin wird
geltend gemacht, daß es an Heizöfen in den Häusern gebreche, so daß also
der Küchenherd als die üblicherweise einzige Feuerstätte des bürgerlichen
Hauses von damals angesehen werden muß.
Unter den Fachwerkhäusern sind zwei Arten zu unterscheiden.
Die eine und die ursprünglich im Emsland übliche kennzeichnet sich dadurch,
daß die eingeschossigen Bauten in den Seitenwänden sehr weit gestellte
-^ oH S^-
Ständer aufwoison. Ihre Entfernung betrügt 1,50 m und mehr. In demselben
Abstände liogon dann auch die quer gerichteten Balken, aber nicht in Höhe
der Traufe, sondern etwa 1 m tiefer, so daß das Dachgeschoß zugunsten
einer besseren Ausnutzung als Lagerraum einen Drempel erhalten hat. Die
Balken erfüllen zugleich die Funktion von Ankern und sind dement-
sprechend ausgebildet, nämlich durch die Ständer gezapft und außen mit
Keilen festgetrieben. Als ein Beispiel sei das Haus Elisabethstraße 5
genannt.
Die zweite Art schließt sich der Osnabrücker Bauweise an, wie sie
uns in dem Hause
Burgstraße Nr. 8 entgegentritt (Abb. 49). Es ist im .Jahre 1641
errichtet, zweigeschossig mit viermal vorgekragtem Giebel. In den Giebel-
gefachen gemusterte Ziegelausmauerung. Das Untergeschoß ist stark ver-
ändert; auch im oberen Geschoß
ist die Gefachieilung nicht die
ursprüngliche. Die Vorkragungen
sind auf Hakenbalken mit Knaggen-
stützung bewerkstelligt. Im ersten
Giebelgeschoß besteht die Schwelle
aus zwei übereinandergelegten
Hölzern; das obere, in der Mitte
durch den kräftigeren Ständer
unterbrochen, trägt eingeschnitte-
nen Rosettenschmuck, das untere
eine zweizeilige Inschrift in lateini-
schen Großbuchstaben : HER
STRECKE • AVS • DEINE • HAND
VND ■ BEWARE • DIT • HAVS
VOR-VNGLVCK-VND ■ BRANDT
— SVSTINET • SVSTINVIT • ET
SVSTINEBIT . ME • DEXTRA
•lEHOV.E, HOSPITY RECTOR
SEMPER SIT L.ET^'S VT RECTOR
UT JOB . SIT • PATIENTIS DEO •
DANTE -NIHIL -VALET • IN VIDI A
ET . DEO ■ NON • DANTE • NIHIL • VALET • LABOR • NEC • INDVSTRIA. — IN
LEIDEN • STILLE • IST • GOTTES • WILLE • STILLE • VND • VNVERMESSEN •
VERGVNNET-BRODT. WIRT -VIEL -GEGESSEN 1641. Ferner auf der
Schwelle des Obergeschosses : WIE STEHEST • DV- NARRE -VND MEISTERST .
MICH • VIEL • ICH - BEZIMMER - MEINE • HAVSTEDE - SO -WEIT • ALS • ICH
ES - HABEN - WILL • WER • HIR - WIL • BORGEN • VND - NICHT • BEZALE
BLEIBT • EHR - ZV • HAVS • MAN • SAL - IM • NICHT • HOLEN. Auf dem schon
erwähnten Mittelständer des Giebels ist in vertieften Umrißlinien die Dar
Stellung einer Katze und einer Eule angebracht mit der Unterschrift: ,,Katte
(hl sult weten verguut Brodt wirdt viel Geten".
Abb. 50. Lingen ; Haus Am Markt Nr. 8.
->^ 59 5^-
Neben die Fachwerkhäuser treten seit Anfang des XVII. Jahrhunderts
Ziegelbauten unter holländischem Einfluß, zum Teil mit sparsamer Ver-
wendung von Sandstein.
Am Markt Nr. 8. Haus aus kleinformatigen Ziegeln, Jetzt ver-
putzt und stark verändert. Der Grundriß ist windschief; der Aufbau zwei-
geschossig. Am Ostgiebel (Abb. 50) ist das Volutenwerk aus Sandstein in
Formen des ausgehenden XVI. Jahrhunderts erhalten.
Jitie'i QeitK tie/e
Abb. 51. Lingen; Haus Baccumerstraße Nr. 5. 1C68 erbaut;
der Giebel 1777 erneuert. Grundriß.
Marienstraße Nr. 1. Das zweigeschossige Haus, jetzt stark ver-
ändert, ist nach den zu Zahlen ausgeschmiedeten Ankersplinten 1646 gebaut
aus kleinen „Leidener" Steinen (Format 17:8:4 cm). Über den Fenstern
flachbogige Entlastungsbogen. Neben dem Hause an der Lookenstraße eine
rundbogige Einfahrt mit Sandsteingliederung ; zu beiden Seiten Pilastervorlagen
mit toskanischen Kapitellen; Schlußstein mit Löwenkopf geziert; im Fries die
Jahreszahl: Aö MDCXLVII.
Am Markt Nr. 7. In der Westwand eingemauert ein Werkstein
mit zwei Hausmarkenschildchen ; als Ankersplinte die Jahreszahl 1651.
Schiachterstraße Nr. 1. In der Vorderwand des Hauses ein
Hausmarkenschild in Kartuschumrahmung mit der Jahreszahl 1655.
Baccumerstraße Nr. 5. Eingeschossiges Giebelhaus aus klein-
formatigen Ziegeln, 1668 erbaut. Der Giebel ist 1777 erneuert; der Grundriß
verändert und durch Anbau erweitert (Abb. 51). Der Giebel, dessen Schrä-
gung mittels Stromschichten hergestellt ist, hat am Anlauf beiderseits Sand-
steinaufsätze mit Kugelbekrönungen und an der Spitze eine Halbkreis-
verdachung ebenfalls mit Kugelbekrönung (Abb. 52).
L()ok(!nstr. Nr. 10. An dem HauKe befindet sich eine Heiligenfigur,
St. Andreas, über einer Kartusche mit Inschrift und der Jahreszahl 1695.
Baccumerstraße Nr. 9, Das in Abb. 53 wiedergegebene Haus
zeigt in der Architektur Verwandtschaft mit der lutherischen Kirche und wird
ungefähr gleichzeitig erbaut scÄn (1 7;i;5). Format der F>acksteine 25,5 : 11,5 : 4,5 cm.
Abb. ;")2. Lingen; Haus Baccumerstraße Nr. 5.
Große Straße Nr. G. Zweigeschossiges Giebelhaus aus der zweitem
Hälfte desXVIIL Jahrhunderts; Ziegel mit Werkstein, jetzt verputzt. Zwischen
den Geschossen einfaches Band, unter dem Giebel profiliertes Gesims. Drei-
eckgiebel mit Voluten am Anlauf der Schrägen, auf der Spitze eine Ver-
dachung in geschwungener Form mit Vasenbekrönung. Fenster rechteckig
in schlichter Sandsteinumrahmung.
Kivelingstraße Nr. 8. Fünfachsiges, zweigeschossiges Haus aus
Ziegeln, erbaut etwa 1820—1830 (Abb. 54). Um diese Zeit setzt die klassizi-
stische Formgebung ein,' ebenfalls unter niederländischer Einwirkung. Sockel
Ecklisenen, Fenster- und Türumrahmungen aus Sandstein. Weitausladendes
Bandsims und Hauptsims. Das Dach flach und gewalmt. Haustür mii
Oberlicht.
Lookenstraße Nr. 14. Eingeschossiges Haus mit Mansardendach:
Ziegel mit Sandstein. Traufe nach der Straße. Neun Achsen, davon dit
->§ 61 g-c-
f
iiiiiiiiiii
Abb. 53 Liugen; Haus Baccumerstraße Nr. 9. (i: lüO.)
Abb. 54. Lingen; Haus Kivelingstraße Nr. 8.
iiiittlcrcii drei iiiil dorn Kirif^riMf.' in fiiictii wcni^ vojs|)rin{/(;ii(J(!ii Risalit, das,
/Avei^escliossig, über kiüfligeiM Haujjlgosiiiis mit f-inr-r aus Hol/ hergestellten
Balustrade wagerecht abgeschlossen ist.
Abb. 55. Lingen; Haus Burgstraße Kr. 26, erbaut 1858;
Grundriß und Ansicht.
Burgstraße Nr. 26. Zweigeschossiges, siebenachsiges Haus aus
Ziegeln, erbaut 1858 (Grundriß Abb. 55). Hölzerne, zurückliegende Fenster-
iind Türgewände. Hauptsims stark ausladend. Die Haustür hat gerade
Balken verdachung aus Holz.
Lohne.
Zwei katholische Kapellen (nicht mehr vorhanden) Kirche 1851.
Jciiue zu Schepsdorf gehörende Bauerschaft wird iu der Stiftungs-
urkunde des Klosters Wietmarschen von 1152 in der Schreibweise Loen
genannt. Der Ort hatte bis 1835 zwei Kapellen, in denen von dem Geistlichen
in Schepsdorf an bestimmten Tagen Gottesdienst gehalten wurde. Ein Brand
vernichtete im genannten Jahre die eine der Kapellen, während die andere,
eine Klause, 1873 abgebrochen wurde, nachdem indes in den Jahren 1849 — 1851
eine Kirche mit Dachreiter neu errichtet worden war.
Die einzige Glocke, Durchmesser 0,51 m, ist 1851 von Petit und Edel- Glocke,
brock gegossen.
Messingen.
Katholische Kirche.
Messingen, ein nw. von Beesten belegenes Dorf (gegen 620 Ein- Geschichte,
wohner), wird in der Schreibweise Massinge im Corveyer Heberegister von
1150 bereits erwähnt.
Der Ort war kirchlich abhängig von der Pfarre zu Tuine, dessen Filial
er auch war (Goldschmidt a. a. 0. S. 2), hat aber seit unbekannter Zeit eine
eigene Kapelle besessen, welche dem hl. Antonius Abbas als Schutzheiligen
anbefohlen war. Im Jahre 1806 wurde diese ziur Pfarrkirche erhoben.
Das alte Gotteshaus, das 1862 bis auf den Turm niedergelegt und Be-
durch eine neue gotische Hausteinkirche ersetzt worden ist, bestand nach Schreibung-
Mithoff (VI, S. 94) aus einem romanischen Schiff, dessen Mauern fast 1,46 m stark
waren, und einem aus spätgotischer Zeit stammenden Chor. Der Westturm
war aus Findlingen errichtet. Chor und Schiff hatten einfache Kreuzgewölbe,
nur die gewölbte Decke, zunächst dem Turm, bestand aus Brettern.
Der erhalten gebliebene Turm wurde 1855 um 4,76 m im Mauerwerk
erhöht und mit neuem Helme versehen. Seine spitzbogigen Türen und Fenster
sind Jüngere Veränderungen.
Eine Glocke von 1804, Durchmesser 0,85 m, von W. A. Rinker in Glocke.
Osnabrück gegossen.
Die zweite, Durchmesser 0,75 m. Inschrift: Petit me fecit 1817.
Ein gotisches Sakramentshäuschen aus Kalkstein ist in dem Neubau Sakraments
von 1862 wieder eingemauert. bauschen.
•^ (;-4 H-"
Plantlünne.
Kafholi.sclie Kirche, ev.-ref. Kai)<*ll<! 1S56.
Das Kirchspiel Plantlünne besieht aus den Ortschaften: Plantlünne
(270 Einwohner), Altenlünne, Varenrode, Heitel und den Gutsbe/.irk
Neuhaus und bildet den südlichsten Teil der ehemaligen Niedergrafschaft
Lingen. Das Kirchspielgebiet wird von der Plantlünner und der Speller Aa
durchflössen.
Geschichte ^®^ Name des Ortes Lünne, welche Bezeichnung ursprünglich für
Plantlünne und Altenlünne galt, kommt 890 im Werdener Heberegister zum
erstenmal vor, und zwar in der Form Lunni; später in gleicher Schreibweise
im Corveyer und Schapener Register. Im Jahre 1150 tritt er im Werdener
Heberegister auch in der Form Lunnen auf (0. U. B. I, llü u. 280). Erst 1272
findet sich der Name Plantlünne (0. U. B. III, 572, 573). Bei allen diesen
Nennungen handelt es sich um Gerechtsame und Einkünfte der Klöster. —
Nach einer Sage hat bereits im IX. Jahrhundert in Altenlünne eine Kirche
bestanden, von der man auch Reste im Jahre 1880 in einem Garten gefunden
haben will. Im XVI. Jahrhundert jedenfalls wurde die noch jetzt bestehende
Kirche nach Plantlünne verlegt. Als Kirchturm mag dabei ein bereits be-
stehender und im Schnat- und Markenbuch (s. Schriever a. a. 0. II, 280)
von 1400 erwähnter Wartturm verwendet worden sein. Der ältere
Kirchturm wurde 1824 abgebrochen, 1859 dafür ein neuer Glockenturm
erbaut. Im Jahre 1597 erfolgte mit der Besitzergreifung der Grafschaft
Lingen durch Wilhelm von Uranien auch in Plantlünne die Vertreibung
des katholischen Priesters. Die Kirche wie das Kirchenvermögen wurde
damals Besitz der Reformierten, bis im Jahre 1605 die Spanier die alte
Ordnung wiederherstellten. Gegen Ende des Dreißigjährigen Krieges
zeigt das Verhalten der Plantlünner Gemeinde ein Hinneigen zum refor-
mierten Bekenntnis; es blieb auch ferner schwankend, bis durch das
Eingreifen eines apostolischen Vikars im Jahre 1659 die katholische Lehre
neu befestigt wurde.
Die ferneren geschichtlichen Ereignisse in Plantlünne verknüpfen
sich eng mit der allgemeinen Geschichte der Grafschaft. — Nach
einer Kultusverordnung der hannoverschen Regierung vom Jahre 1824
erfolgte zwei Jahre später die Überweisung der Kirche als Simultankirche
an die Gemeinden der beiden Konfessionen. Die Lösung dieses Simultan-
verhältnisses kam 1857 zustande; die Reformierten erbauten eine eigene,
neue Kirche.
Die dem hl. Vitus geweihte Kirche der Katholiken (Abb. 56) ist nach
einer Inschrift an der Nordseite des Schiffes oberhalb des dort befindlichen
Einganges 1523 erbaut. Die Inschrift in Minuskeln lautet: anno dom^
MV^III un twintig is getymert dyt godeshus
Auch die entsprechende Tür an der Südseite hat im Spitzbogen die
gleiche Jahreszahl.
->^ Go g*<-
Die Kirche (s. den Grundriß, Abb. 57) ist ein einschiffiges, dreijochiges Be-
Langhaus aus Sandsteinquadern mit polygonalem Chorabschluß. Eine gewölbte Schreibung.
Abb. 56. Kirche in »Plantlünne Ansicht von Südost.
Abb. 57. Kirche in Plantlünne; Grundriß (1:250).
Sakristei befindet sich an der Südseite. Der Turm, welcher teilweise aus
altem Material errichtet wurde, stammt aus dem Jahre 1859. Die Gewölbe-
joche der Kirche machen sich im Äußern derselben durch Streben mit Giebelchen
M
->2 T)!') 5H-
iti Eselsrückeriforrii kenntlich. Difj Gewölbe bestehen aus Haekstein und sind
Netzgew()lbe, deren leicht gekehlte Kij)j)en und (iurten auf Wandkonsolen
nach der Form eines doppelt geschachtelten Kelches ruhen. Die Fenster sind
zumeist einfach geteilt und mit Maßwerk in Fischblasen- und Dreijiaßmuster
versehen. Der Chor liegt um eine Stufe erhöht und enthielt ehemals die Gruft
der adeligen Familie auf Venhaus.
Abb. 58. Kirche in Plantlünne;
Grabstein des C. V von Eipperda u. s. Gemahlin, von IC 12.
Glocken. Eine Glocke, Durchmesser 0,99 m, mit Meisterinschrift: Petrus Hemony
me fecit 1642. Glockenbild: Christus am Kreuze, an dessen Seiten zwei
Engel schweben, unter dem Kreuz Maria und Johannes.
Eine zweite, 1881 umgegossene Glocke, soll 1676 von einem Gießer
Kappen berg, nach einigen Berichten aus einer noch älteren Glocke ge-
gossen sein.
Grabstein. Ein Grabstein, rechteckiger Form, an der Kirchhofsmauer aufgesetzt,
datiert 1642 (Abb. 58), enthält in flacher Arbeit das Bildnis des Ehepaares
->Ȥ C)l ^-
Carl Victor v. Ripperda in gekuppelter Nische; oberhalb und unterhalb je
vier Wappen. Der Rand von gotisierender Schrift umzogen; (s. über C. V. v.
Ripperda: Schriever a. a. 0. II, S. 311).
Ein Kelch, Silber vergoldet (s. Tafel 5, Abb. 59); Fuß in Sechspaß- Kelch,
form, Schaft sechsseitig, der flache Knauf ebenso, Rotuli als Engelsköpfe aus-
gebildet, nach dem Stil Ende des XVII. Jahrhunderts ; die Kuppa mit geradlinig
ansteigenden Wandungen ist offenbar noch gotisch.
Ein Sakramentshäuschen aus Sandstein mit Wimpergenschluß, im Chor, Sakrameuts-
spätgotisch. Höhe 1,93 m, Breite 0,75 m. bauschen.
Steinmetzzeichen an den Leibungsquadern der Fenster: Steinmetz-
JU /> /i zeichen.
^^ ^^ ^^
Bei 1873 vorgenommenen Erneuerungsarbeiten zeigten [sich Wandmale-
reien, welche darstellten: die Flucht nach Ägypten, Nordseite hinter der Kirchtür;
weiter nach Osten zu zwei Bischöfe ; dann Christus an einem Torwege stehend,
mit der Unterschrift: Salvator mundi: er geleitet einen Jüngling in Priester-
kleidung und mit einer Lilie in der Hand; darüber die Inschrift: ego sum via.
Fernere Bilder an derselben Wand: Johannes Ap. mit dem Kelch, aus
dem eine Schlange hervorkriecht. Über dem Sakramentshäuschen: ein Engel,
kniend vor einer gotischen Monstranz; auf der Südseite des Chores: Maria;
in der Nähe der Kanzel: St. Georg mit dem Drachen. — Weitere Gemälde
waren nicht zu deuten.
^
Wand-
malereien.
Evangelisch-reformierte Kapelle.
Die evangehsch-reformierte Gemeinde zu Plantlünne erbaute sich im
Jahre 1856 eine Kapelle, einen einfachen Backsteinbau gotischen Stiles.
Eine kleine Glocke, 1856 gegossen, hängt im Dachreiter.
Salzbergen.
Katholische Kirche.
oalzbergen, eine unweit der Ems, auf deren linkem Ufer im südlichen
Teile des Kreises Lingen belegene Ortschaft von 1301 Einwohnern, wird von
der 1855 erbauten Eisenbahnlinie Rheine-Oldenzaal berührt und hat namentlich
seitdem industriell sehr gewonnen.
Als Sitz eines Edelhofes tritt Salzbergen zuerst auf in der Schreib- Geschichte.
weise Saltesberch im Jahre 1172 in einer Schenkungsurkunde des Bischofs
Ludwig von Münster an zwei Brüder de Saltesberch. Das Geschlecht derer
von Saitesberg wird wiederholt in den älteren Urkunden genannt, aus denen
auch ihre gute Stellung zur Kurie hervorgeht. (Niesert, Urksamml. II, Nr. 156.
0. U. B. I, 409, 433; U, 22; s. auch Schriever a. a. 0. II, 375.) Die Kirche zu Salz-
bergen ist wahrscheinlich als Fihale von Rheine, und zwar unter Beteiligung der
Edlen von Saitesberg gegründet (s. Schriever a. a. 0. II, 373, woselbst Belege
aus den Urkunden). Zu Ende des XIII. Jahrhunderts erlosch das Geschlecht.
5*
Aiich die Grafen von Beniheirn liatten Besitz in Salzbergen und treten
seit 1H26 als Laienpatrone über die Kirche auf (drk. im Pfarrarchiv), deren
Pfarre sie damals mit einigen Grundstücken belehnten. (Die Einkünfte von
dem Salzberger Pfarrhofe finden sich verzeichnet 0. U. B. II, 253.)
Die Abhängigkeit der Pfarre zu Salzbergen von dem Bentheimer
Grafenhause brachte Ende des XVI. Jahrhunderts die Einführung der Reformation
mit sich und die Anstellung von lutherischen Predigern, deren zwei nachein-
ander amtierten. Den zweiten traf das Geschick, vor dem Eindringen Tillyscher
Truppen in das Gebiet von Salzbergen, seinen Posten verlassen zu müssen.
Da« Patronat über die Kirche übertrug Graf Ernst Wilhelm von Berjtheim
nach seinem Rücktritt zur katholischen Religion dem Kreuzherrnkloster zu Bent-
lage. Die Einwohnerschaft hatte sich größtenteils schon um die Mitte des
XVII. Jahrhunderts dem katholischen Bekenntnis wieder zugewandt, und IßGl
fanden sich keine Protestanten mehr vor (Goldschmidt a. a. 0., S. 1.59). Nach
dem Reichsdeputationshauptschluß 1803 kam Salzbergen wie das übrige links-
emsische Gebiet des aufgelösten Bistums Münster an den Herzog von Looz-
Corswaren (s. Einleitung, S. 9).
Im Jahre 1824 wurde Salzbergen, welches 1815 hannoversch geworden
war, mit Emsbüren und Schepsdorf durch eine Bulle des Papstes Leo XII.
dem Bistum Osnabrück einverleibt.
Be- Die alte romanische Kirche zu Salz bergen ist niedergelegt; an ihrer Stelle
Schreibung, wurde in den Jahren 1896 — 1903 ein neuer, gotischer Hausteinbau aufgeführt.
Nach Mithoff (VI, S. 150) war die alte Kirche ein aus Quadern und
Bruchsteinen errichteter, einschiffiger Bau mit kleinen Kreuzflügeln, in romanischen
Formen angelegt, aber in gotischer Zeit umgestaltet. Es waren rundbogige
Türen und kleine, rundbogige, zum Teil vermauerte Fenster vorhanden. Gotisch
waren der dreiseitige Chor und der Westturm. Dieser jedoch hatte nach einer
Beschädigung durch Sturmwind im Jahre 1660 (s. Goldschmidt a. a. 0. 139)
in seinem oberen Teil Erneuerungsarbeiten erfahren. Die Maße der alten
Kirche waren: Länge von Schiff und Chor 20,45 m, Breite 7,30 m und in den
Kreuzarmen 11,98 m. Der Turm sprang 4,67 m vor und hatte quadratischen
Grundriß. Sämtliche Innenräume waren mit Kreuzgewölben überspannt, auch
der Turm hatte eine gewölbte Durchgangshalle, die mit zum Schiffe gezogen
war. Die Sakristei allein war in einer Tonne gewölbt. Im Schlußstein des
Türbogens an der Nordseite erschien ein plastisch vortretender Kopf und auf
dem Sturze der rechteckigen Türöffnung eine unleserliche gotische Datumsangabe.
Glocken. Die kleine Glocke, Durchmesser 0,96 m, trägt die Inschrift Anno
domini mcccccxxxvlU sanctus ciliakus unse hillige patroen. Bidde voer uns
ihesum in des hemmeis troen.
Die zweite, Durchmesser 1,02 m, 1620 von Michael von Ochtrup
gegossen, mit Reliefkopf am langen Felde. Inschrift: Mors Salzbergenses
Judex Coelumque Repente Tollet Disentiet Capiet Quos Nesciat Orcus.
Michael von Ochtorpe me fecit 1620 xv. Mai.
Die dritte, 1773 gegossen, Durchmesser 1,23 m, mit Ornamentbanci
in Rokoko und flachem Wappenrelief. Inschrift: Patrone Hl. Maria Bitte Füi
die Salzbergensche Gemeinde, Damit Sie Fuir Brand, Hagel Und Donner
Befreyt Bleibe . etc. Anno 1773. Am langen Felde 17 ... . dormite. Dum
trahor audite. Voco vos ad sacra. Venite. Rincker v, Osnabrück me fecit.
Ein aus Salzbergen stammendes Pluviale aus gewebtem Stoff mit Pluviale.
Mustern von Tiergestalten befindet sich nach Mithoff (V S. 150) in Osnabrück.
Ein Sakramentshäuschen, Kalkstein, Höhe 60 cm, Renaissance, stark Sakräments-
verwittert, in der Sakristei der neuen Kirche eingemauert. Zwei Engel mit »lauschen.
Weihrauchfässern sind rechts und links der Nische karyatidenähnlich ver-
wendet, unter einem Gebälk mit Giebelverdachung in Kreisbogenform.
Abb. 60. Kirche in Salzbergen; Taufstein.
Ein Taufstein, Bentheimer Material und Typ, Höhe 89 cm, oberer Taufe.
Durchmesser 85 cm (s. Abb. 60). Als Eckvermittlungen am Fuß vier hockende
Männchen, Am Becken eine Reihe von sechs Masken, darüber, von Doppeltauen
unten und oben eingefaßt, die Weinranke. Verwandtschaft mit ihm zeigt
der Stein in Bippen (Kreis Bersenbrück).
Schapen.
Protestantische Kirche, katholische Kirche,
ochapen, in einer wiesenreichen Niederung an einer Nebenaa der
Großen Aa, 3 km so. von Beesten gelegen, ist ein Dorf von etwa 1400 Ein-
wohnern und besteht aus vier Bauerschaften, deren Stammhöfe auf den
höher gelegenen Stellen der Gegend gegründet waren.
(ioscliiclit(\ Der Xaine Schapen findet sich in den Formen Scapahaniina und
Schapham (800), Scapaliainme (1150). Die Abtei Werden besaß einen Oborhof
in Schapen, über deren Einkünfte die Werdener Heberegister von 890 und
1150 berichten (0. U. B. I, 57 u. 280, ferner M. d. Hist. Ver. zu Osn. G, lüB f.
u. 209). Auch Corvey scheint innerhalb der Dorf mark Schapen Besitz gehabt
zu haben (s. dar. Schriever II, S. 326, vgl. ferner 0. U, B. I, 24 u. 25). Später
tritt der Bischof von Osnabrück als Besitzer von Lehnsgütern im Kirchsjtiel
Schapen auf (s. Sudendorf, Komm. d. K. dtsch. Ord.)*).
Die Beschriviuge **) des Rentmeisters Limborg von 1550 ferner bringt
Eingehenderes über den Besitzstand des Grafen von Tecklenburg als
Landesherrn um 1400, der Werdener Abtei usf. (Weiteres bei Großfeld.
Beiträge zur Gesch. der Stadt Rheine S. 30.) Auf dem Sadelhofe zu Schapen,
dem Oberhofe der Werdener Abtei, wurde das Abteigericht über die Abtfreien
des Klosters gehalten, d. h. über die Besitzer der in den Heberegistern als
Abguitt bezeichneten, eigenbehörigen Stätten des Sadelhofes, bis es durch Konrad
von Tecklenburg 1540 aufgehoben v^urde (Rumpius a. a. 0. S. 44).
Auf dem Sadelhofe, der um 804 von Karl dem Großen an Werden
geschenkt vs^ar (0. U. B. I, 116 § 25 u. 26), soll von Werden aus schon in
früher Zeit eine Kapelle mit Kirchhof angelegt worden sein, die als Filiale
zu einer andern Kirche gehört haben muß. Denn, da als Patron der Schapener
Kirche der hl. Luidger in Frage kommt, und Luidgerikirchen erst nach dem
Jahre 1000 im Münsterlaude auftreten, so wird sie als Pfarrkirche bis dahin
nicht bestanden haben, sondern eben Filiale einer andern Kirche gewesen sein.
Hingegen scheint aus dem Heberegister von 1150, das eine Abgabenpflicht
eines Plantlünner Bauern an Schapen angibt, geschlossen werden zu dürfen,
daß die Kirche inzwischen Pfarrkirche geworden war. Der Abt von Werden
war weltlicher Patron und besetzte die Pfarre sowie die seit 1366 eingerichtete
Vikariestelle St. Crucis (Goldschmidt S. 16) urkundlich vor 1432 (nach
Schriever II, S. 329). Er erhielt das Recht auch über die von Schapen ab-
hängige Kapelle zu Hopsten, die nach Goldschmidt (Urk. IV) bereits 1343
bestand. Das Patronatsrecht wurde noch 1672 während der sogenannten
Bischofsjahre von der Abtei ausgeübt. Schapen gehörte übrigens zum Archi-
diakonate des Osnabrücker Dompropstes (Lodtmann I, 304).
Im Jahre 1400 fiel mehr als ein Drittel der Gemeinde, darunter Hopsten,
politisch an das Münsterland (Kindlinger, Münst. Beitr. Urk. XXV), und 1537
machte sich Hopsten auch kirchlich vom Mutterorte frei (Goldschmidt S. 24).
Um 1541 stellte Konrad von Tecklenburg einen Predikanten in Schapen an,
Die Geschichte Schapens hat in der Folgezeit viel Gemeinsames
mit der der anderen Plätze der Niedergrafschaft Lingen. Unter den Oraniern
um 1650 wurde der katholische Priester entfernt, der kathohsche Gottesdienst
aber insgeheim in der Nähe des Ortes weiter ausgeübt. Unter Wilhelm III
*) Über einen Besitz, den die Abtei Herford in Schapen 1386 gewann, siehe Dan^e
Einkünfte und Lelinsrej^.ster der Fürstabtei Herford, sowie Heberollen des Stiftes anl
dem Berge bei Herford (B. VI des Codex traditionum Westfalicarum S. 209).
**) Über diese Quelle f^ielie Schriever a. a. 0. I, S. 142.
^^ 71 ?^^
von Oranien, 1674, erhielt die reformierte Gemeinde die Kirche zu Schapen als
Eigentum überwiesen, was durch die Hannoversche Kultusverordnung von 1829
Bestätigung fand. Als Filialen wurden der Kirche dabei die Gemeinden von
Beesten und Plantlünne untergeordnet. Erst 1717 erhielten die Katholiken
die Erlaubnis zur öffentlichen Abhaltung ihres Gottesdienstes; sie erbauten
darauf 1718 eine Notkirche und 1788 — 1789 die jetzt noch bestehende Saalkirche.
Protestantische Kirche. '
Die im wesentlichen spätgotischer Zeit entstammende Kirche zu Be-
Schapen (Abb. Gl) hegt abseits des heutigen Ortes in etwas erhöhter Lage ä<'°''®'""°J
inmitten ihres Kirchhofes.
Abb. 61. Protestantische Kirche in Schapen; Ansicht von Südosten
Abb. G2. Protestantische Kirche in Schapen; Grundriß (i:2.")0).
Der dreistöckige Turm mit achtseitig pyramidalem Helm ist nach Turm
einem Brande im Jahre 1866 größtenteils neuaufgebaut, aber in seinem
unteren Stockwerk unverändert geblieben; er hat eine in Bruchstein gewölbte
Durchf^angshalle (s. d. Grundriß, Abb. 02), deren Wölbung einer flachen
Kuppel gleichkommt. Die.se i.st auf Schildbögen mit Konsolen ausgeführt,
deren zwei figurale Ausbildung erfahren haben. Und zwar trägt die in der
Nordostecke das vollplastische Rumpf bildnis einer männlichen Person in Mantel
(Abb. 63), welche in der Rechten ein LiHenszepter hält ; die Linke ist abgeschlagen ;
das von herabhängendem Haar und einem Kopftuch seitlich eingefaßte
Gesicht ist beschädigt; auf dem Haupte scheint wulstähnlich ein R^if zu
liegen. Ihrem Charakter nach gehören Figur und Wölbung in die Zeit um 12(XJ.
Abb 63. Protestantische Kirche in Schapeu: Konsole im Turm.
Bei dem erwähnten Neuaufbau des Turmes fand sich im Mauerwerk
ein Inschriftstein mit der Jahreszahl MCCCCCIX, der Jetzt im Inneren des
Turmes am Glockenstuhl eingelassen ist. ' (Mithoff und nach ihm andere
nennen fälschlich die Jahreszahl 1540.) Das Datum scheint die Errichtung
der 1866 vernichteten Turmstockwerke anzugeben und ist vermutlich zugleich
auf die übrige Kirche zu beziehen.
Schiffu.Chor. Das Schiff besteht aus drei äußerlich durch Streben gekennzeichneten
Jochen. Man gewinnt nach Form und Ansehen des Sandsteinmateriales den
Eindruck, als haben hier die Quadern der älteren romanischen Kirche Wieder-
verwendung gefunden, während für den Chor neues Material gehauen werden
mußte. Die Wölbungen des Schiffes sind auf Konsolen und Rippen nach
Kreuzgewölbeform in Ziegeln ausgeführt; die des höherliegenden und in fünf Seiten
eines Achtecks schließenden Chores entsprechend in Fächerform. Die Kon-
Tafel 6.
I
Abb. 64 II. 75.
I KATH. KIRCHE IN SCHAFEN; Inneres. — KIRCHE IN WETTRUP; Inneres,
solen sind teilweise als Fratzen ausgebildet; Türen und Fenster in Schiff
und Chor schließen spitzbogig, die Fenster sind einpfostig geteilt und haben
Fischblasenmaßwerk.
Eine Sakristei mit Tonnengewölbe legt sich an die Nordseite des Chores. Sakristei.
Im oberen Teil des Maßwerkes an der Südseite des Schiffes, bemalte Glas-
Glasfenster, unbedeutend, um 1500. . malereien.
Zwei Glocken, 1867 umgegossen. Die größere hatte zur Inschrift: Glocken.
Salvator mundi salvum fac populum tuum quem pretioso sanguine redemisti usw.
Petrus Hemony me fecit anno 1647.
Die kleinere: J. Jörling. Ludgerus vocor tempore sacro populum
scapensem (voco) anno 1647.
Die Kanzel aus Holz, etwa 1830 errichtet, an der Ostwand des Chores. Kanzel.
Eine doppelarmige Treppe führt zum fünfseitigen Kanzelstuhl; der fünfeckige
Schalldeckel ruht auf zwei Säulen. Die Kanzel ist weiß lackiert.
Das Kirchensiegel enthält im runden Felde ein Schaf, darunter eine Siegel.
Pistole und zwei gekreuzte Schwerter.
In den Leibungsquadern der Fenster und Türen nachstehende Stein- Steinmetz-
zeicheu.
metzzeichen: ^=Jr ^^ ^4rF \^ >
Ein Taufstein der Bentheimer Gruppe, Höhe 65 cm, im oberen Durch- Taufe,
messer 80 cm, ist stg,rk verwittert und beschädigt. (Er wird als Regen-
faß benutzt!) Seine Eigentümlichkeit sind drei ReUefköpfe und Rosetten
am Becken.
Wandmalereien mit dem Charakter derer von Lengerich (s. daselbst) Wand-
sollen 1853 bei Erneuerungsarbeiten zum Vorschein gekommen, aber über- "^'''^^^''^len.
tüncht sein.
Katholische Kirche.
Die 1788 erbaute St. Luidgerikirche der Katholiken ist eine Saalkirche Be-
aus Bruchstein, geputzt und mit verzahnten Eckquadern versehen. Fenster Schreibung,
und Türumrahmungen bestehen aus Sandstein. Der um zwei Stufen erhöht
liegende Chor schließt mit drei Seiten eines Achtecks. Die Holzdecke, in
Spiegelgewölbeform, ist am Dachstuhl aufgehängt (Tafel 6, Abb. 64).' Oberhalb
des Westgiebels erhebt sich ein Dachreiter. Seit 1903 ist ein Glockenturm
neben der Kirche (Südseite) errichtet.
Der Haupt- und die beiden Nebenaltäre mit offenen Säulenstellungen Altar,
(erste Hälfte des XVIII. Jahrhunderts) sollen aus dem Kloster Warendorf in
Westfalen stammen: hohe Predella, die Seitenstücke flügelartig vorgezogen;
Säulen mit glattem Schaft und korinthischem Kapitell; verkröpftes Gebälk;
im Mittelstück geschwungenes Sims. Am Hauptaltar ist das bekrönende
Stück baldachinartig mit Volutenriegeln ausgebildet; darin eine Strahlen glorie
(s. Tafel 6, Abb. 64). Die Nebenaltäre einfacher.
Eine Glocke im Dachreiter von 1788. Meister: J. H. Maerkel in Warendorf . Glocken.
Durchmesser 0,68 m. Die übrigen Glocken stammen aus dem Jahre 1903.
-^ 71 »**-
Kinizcl. I)if> Kanzel aus Holz, erste
achteckigen Stuhl mit Fuß. Die
Kranzgohäiigeu in Regence belegt.
(s. Tafel 0, Abb. 64).
Hälfte des XVIII. Jahrhunderts, hat
»Stuhlkanten sind mit geschnitzten
Der S<;halldeckel trägt Engelsfiguren
Geschichte.
Be-
pchreibunii-,
Schiff.
Schepsdorf.
ochepsdorf, ein an einem alten Emsübergange der ehemals sehr
verkehrsreichen Straße von Lingen nach Amsterdam und Üveryssel, 2,5 km
sw. von Lingen belegenes Dorf von 1360 Einwohnern, ohne Industrie, umfaßt
die Bauerschaften Rheitlage, Lohne, Darme und den Gutsbezirk Herzford.
Der Name des Ortes tritt 1291 in der Form Schepesthorpe (0. U. B.
IV, 324) 1313 Scepesdorpe, auf. Schepsdorf ist nach Tibus eine Filiale von
Emsbüren, wo es regelmäßig zur Synode erscheinen mußte; hatte aber im
X. Jahrhundert schon eine eigene Kapelle. Nach der Überlieferung
sollen Benediktiner hier zuerst missioniert und auf dem Hesselberge, etwa
1 km nw. der jetzigen Kirche, ein Kloster besessen haben. Spuren davon
sind aber nicht festzustellen. Als Patron der Kirche, die 1291 zur Pfarrkirche
erhoben wurde (vgl. Schriever a. a. 0. I, S. 117), wird der hl. Alexander Martyr
verehrt, einer der sieben Söhne der hl. Felicitas, dessen Gebeine 850 von
Rom nach Wildeshausen überführt wurden. In der Reformationszeit blieb
Schepsdorf katholisch.
Die Kirche zu Schepsdorf (Tafel 7, Abb. 65) besteht aus einem in
drei Jochen gewölbten Langhause mit einem Westturm. Der Chorabschluß
in fünf Seiten eines regelmäßigen Achtecks ist 1874 angelegt (s. Grundriß, Abb. 66).
Die beiden westlichen Joche haben Umfassungsmauern aus romanischer
Zeit: an der Nordseite findet sich die Verwendung von Granitfindhngen,
während an der Südseite scheitrecht behauene Bruchsteine, oft von kubischer
Form, das Material bilden. Auf jener Seite ist außerdem eine zugesetzte
Rundbogentür, auf dieser ein rundbogiges Fenster zu erkennen, beide
größtenteils durch eine gotische Strebe verdeckt. In romanischer Zeit werden
die verhältnismäßig schwachen Mauern nur eine Holzdecke getragen haben.
Das dritte Joch ist dem Augenscheine nach gegen Ende des XV. Jahr-
hunderts angefügt. In dieser Zeit (1479) verkaufte auch, nach Urkunden im
Pfarrarchive, die Kirche Ländereien ; die Wahrscheinlichkeit, daß der Erlös für die
bauliche Veränderung des Gotteshauses hat verwendet werden sollen, liegt vor
und unterstützt diese Datierung.
Das dritte Joch, das damals geschaffen wurde, diente als Chor und
war geradlinig geschlossen. Gleichzeitig Avurden die in Ziegeln hergestellten
Gewölbe eingezogen und durch Streben gesichert. Es sind Kreuzgewölbe aul
flachgekehlten Sandsteinrippen, die zum Teil auf Wanddiensten, andernteils
auf Konsolen ruhen (Tafel 7, Abb. 67).
Tafel 7.
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Abb. 65 u. ()/.
KIRCHE IN SCHEPSDORF: Aulieiiaiisicht, ^ Inntiiansicht.
Außerdem legte man damals die breiteren, einfach geteilten und mit
Maßwerk versehenen Fenster in den beiden älteren Jochen, sowie die Türen
im ersten Joche an. Das Fenstermaßwerk ist aber 1874 gänzlich erneuert.
Zu der gegen das Ende des XV. Jahrhunderts geschehenen weiteren Turm.
Ausgestaltung des Gotteshauses gehört ferner die Anlage des Westturmes.
Sein Quaderbau erhebt sich auf quadratischer Grundlage mit Sockel und
einmaliger Geschoßabsetz,ung und hat eine spitzbogig geschlossene Westtür
in der auf Sandsteinrippen mit Ziegeln gewölbten Durchgangshalle; in seinem
oberen Geschoß hat er in jeder Seite eine spitzbogige und einfach geteilte
Schallöffnung. Über dem Dachsims erhebt sich der Turmhelm als acht-
seitige Pyramide.
Abb. 66. Kirche in Schepsdorf; Grundriß (l:2üu).
An die Nordseite des dritten Joches fügt sich eine gotische, gewölbte Sakristei.
Sakristei, in deren Fensterleibungen mehrere Steinmetzzeichen sichtbar sind, an.
An der Südseite des gleichen Joches scheint ein ähnlicher Anbau aus späterer
Zeit bestanden zu haben.
Altar, Kanzel, Orgel, Beichtstühle sind neu. Den alten Hochaltar hatte Altar,Kaiizel,
Gertrudis von Langen 1343 geschenkt. 1348 wurde unter Bischof Ludwig Orgel.
von Münster zu dem Liebfrauenaltar noch ein Altar zu Ehren des hl. Johannes
des Täufers gestiftet.
1657 schenkte Rittmeister Franz Rolandt von Lohn, welcher damals
auf Herzford wohnte, einen neuen Altar. Derselbe wurde von Bernd Jürgen
in Münster angefertigt und 1658 durch Fuhrleute abgeholt (Nachricht im
Pfarrarchiv).
Der „Preckstoel" war 1581 lt. Kirchenrechnung verbessert worden.
Eine Glocke mit der Inschrift: jhesus maria sanctus alexander patronus Glocken,
johan folkeer anno dni m^cccc^lxxvn^^. Durchmesser 1,25 m.
Eine zweite: jhesus maria Johannes saneta felicitas, johan folkeer
anno dni m®cccclxxvu<>. Durchmesser 0,87 m.
Eine dritte: etwa 1904 umReschmolzen, stammte nach Mitlioff (IV, S. 104)
aus dem -lahre 14;i0.
Krön- Die Spindel eines im übrigen neuen Kronleuchters ist alt. Sie besteht
Icnchter. .^^^^^ Messingguß, endet unten in einen Löwenkopf mit King und hat als
Krone die Figur der Madonna auf der Erdkugel mit der Schlange zu Füßen.
Monstranz. Eine silbervergoldete Strahlenmonstranz (Tafel 5, Abb. 68) mit Engels-
köpfen und schwebenden Engeln im Kranz; in der Mitte oben Gott- Vater.
Getriebene Arbeit, ohne Meisterzeichen, Mitte des XVIII. -Jahrhunderts.
Wand- Bei den Bauarbeiten, 1874, kamen Malereien an den Gewölben zum
inalercien, Vorschein, sind dann aber übertüncht worden. Über dem Hochaltar Dar-
stellung des Erlösers, an anderen Gewölbekappen Himmel und Hölle.
Steinmetz- An den Leibungsquadern der Sakristeifenster finden sich nachstehende
zeichen.
Steinmetzzeichen :
S p e 1 1 e.
Katholische Kirche.
O pelle, ein 70 km nö. von Rheine, im Wiesengebiet der Aa belegenes
Dorf (572 Einwohner), gehörte seit den ältesten Zeiten bis zum Jahre 182G
als Bauerschaft zu Plantlünne.
Im Werdener Heberegister vom Jahre 890 (0. U. B. I, 57) wird der
Ort in der Schreibweise Spenilon, 1150 in der Form Spenlo genannt (0. U.
Geschichte, ß j^ 280). Wiewohl Spelle nach Plantlünne eingepfarrt war, besaß es schon
um 1550 eine eigene, aus Fach werk errichtete Kapelle, deren die ,,Beschrivinge"
des Amtes Lingen Erwähnung tut. Nach der Einführung der Reformation
findet sie sich im Besitze der Protestanten ; sie wurde um 1800 abgebrochen,
weil für die immer geringer werdende Seelenzahl der protestantischen Gemeinde
die Unterhaltungskosten zu hoch waren. Zwei Jahrzehnte vorher, 1778, nach-
dem der bekannte Duidungserlaß ergangen war, hatten sich die Katholiken
ein Gotteshaus aus Fachwerk erbaut, das bis zum Jahre 1870 bestanden hat.
Schutzpatron dieser Kirche war Johannes der' Täufer. Ein Glockenhaus
befand sich auf dem in der Nähe liegenden Kirchhofe. Die Gemeinde wurde
1826 zur Pfarrgemeinde erhoben.
Im Jahre 1870 wurde an Stelle der alten Kirche ein gotischer Neubau
aus Backstein mit Holzgewölben errichtet.
Glocken Eine Glocke, Durchmesser 0,51 m; Inschrift: Alexius Petit me fecit 1797.
Die beiden anderen Glocken sind 1869 von Edelbrock in Gescher gegossen.
Kanzel. Kanzel aus Holz, achteckiger Stuhl mit Fuß, Arbeit Ende des XVIIl.
Jahrhunderts, die Evangelistenfiguren am Stuhl stark bewegt aus der Zeit
um 1700.
Spyck oder Spiek.
Gut.
Als Besitzer der ehemals in unmittelbarer Nähe der Kirche zu Bramsche
belegenen Burg Spiek, traten im XV. Jahrhundert die von Senden auf; durch
Erheiratung gelangte sie an die Familie von Marfeld, die um 1550 von der
Familie Grothaus von dem Kronenberg bei Tecklenburg abge.löst wurde.
Die Burg, zu der die Bramscher Kirche als Kapelle gehört haben soll,
wurde 1558 in einem Streite Cords von Grothaus mit Osnabrück zerstört und
nicht wieder aufgebaut.
1651 kam das Gut durch Erbschaft an die Familie v. Langen, welche
1838 ausstarb. Seitdem gehört es der Familie Oosthuys.
S t o V e r n.
Gut.
Das Rittergut Stovern liegt 2 km sw. von Salzbergen. Als frühester
Besitzer des Hofes Stovern wird urkundlich 1169 ein Conrad Cervus. Ministerial des
Abb. 69. Haus Stovern; Eingang
raafen Otio von lienlhoirn f^cnunnl, der das (iut in diesem -lalire an die
.lühaiiniter-Kouiiiiendc! in Steinfurl. verkaufte (0. U. B. III, 4i)2). Vorn XIV.
Jahrhundert an bis Anfang des XVII. -lahrhunderts befand sich Stovern im
Besitz des Klosters zu Bentlage und kam IGll durch Kauf an die Gebrüder
von Morrien vom Falkenhofe zu Rheine. Dietrich von Morden verkaufte 166(J
das Gut an Herm. Heinrich Bentinck; 1079 wird als Erbherr von Stovern
Johann von Hövel angegeben. Um 1715 karn es an die Familie von Twickel,
in deren Besitz es sich bis zur Gegenwart befindet. (Mit Benutzung eines
Auszuges aus den Akten des Gutes.) Auf dem Gutshofe ist eine Kapelle
vorhanden, der schon Papst Benedikt XIV. 1751 Privilegien verlieh.
Be- l^ie von einer Graft umgebenen, in U-form einen Hof einschließenden
schreibnng-, Gebäude sind, sov^^eit sie nicht neuerdings umgebaut und erweitert wurden,
in der zweiten Hälfte des XVII. Jahrhunderts in Ziegeln errichtet. Fenster und
Türen haben schlichte Sandsteingewände. Der eine Flügel, der mit dem alten,
eingeschossigen Herrenhause abschHeßt, wird durch das Torgebäude unter-
brochen, das ganz aus Sandstein hergestellt und, von einem anderen Gutshof
der V. Twickel stammend, hier wieder aufgeführt ist (Abb. 09). An der Brücke
davor in schmiedeeisernen Ankern die Jahreszahl 1714. Die vor den Brücken-
pfeilern aufgestellten Sandsteinfiguren, Neptun und Herkules, haben ursprünglich
einen anderen Standort gehabt; die bekrönenden Vasen sind neu hinzugefügt.
Der andere, frei vortretende Flügel, der die Jahreszahl 1007 aufweist, enthält
die Räume der Gutsverwaltung und am Ende eine Kapelle. Hier am Giebel
ein Wappen und die Jahreszahl 1750.
In der Kapelle finden sich die aus Holz hergesteUten und mit Wappen
gezierten Epitaphien des Hermann Bentinch f 1075, und des Johann Rudolf
von Hövel f am 5. Januar 1701, ferner eine Reihe von Ölgemälden: vier
Evangelisten, St. Antonius, St. Theresia, Schmerzensmann, Verkündigung.
Madonna, Kreuzabnahme und, besonders bemerkenswert, ein Porträt des
Bischofs Ernst, Friedrich v. Twickel f 1734, der vor einer Madonna kniend
dargestellt ist.
S u 1 1 r u p.
Outtrup, eine nach Tuine eingepfarrte Bauerschaft, erhielt laut
einer Urkunde vom Jahre 1450 (Goldschmidt a. a. 0. S. 17 u. Urk. 0) die Bau-
erlaubnis zu einer Kapelle auf dem alten Suttruper Kirchhofe. Sie ist nicht
mehr erhalten. Auch das adelige Haus derer von Suttrup besteht nicht mehr
(siehe darüber Schriever II, S. 108).
-^ 79 S^-
T u i n e.
Kirche (simultan).
Das Dorf Tu ine (gegen 1050 Einwohner), liegt 4 km wnw. von
Froren an der alten Poststraße Osnabrück-Lingen. Handel und Industrie sind
von geringer Bedeutung. Zu Tuine gehören fünf Bauerschaften.
Der Name des Ortes kommt vor in den Schreibweisen Thuinum in einer
Schenkungsurkunde von 836 (0. U. B. I, 20), ferner Dune im XL Jahrhundert
(das.I, 116, §27) undThunen 1160 (das. I, 311), endlich Tune 1198 (das. 1,418).
Abb. 70. Kirche in Tuine; Ansicht von Südost.
Die Kirchengründung zu Tuine scheint in karolingische Zeit zurück- Geschichte,
zureichen, vorausgesetzt, daß es diese Kirche ist, welche in einer Urkunde
von 821 als zum Münsterischen Bischofsstuhl gehörig in dem im übrigen
Osnabrückischen Venkigau bezeichnet wird. (Goldschmidt, S. 1 1 ; Lindenborn,
S. 550; 0. U. B. I, 7.) Die Kirche hat den hl. Georg als Schutzheiligen. Das
Patronat besaß der bischöfliche Stuhl zu Münster; weltliche Patrone waren vom
XII. Jahrh. an die Herren von Tuine. Noch 1350 wurde ein Mathaeus de Thuine
mit dem Altar der Kirche belehnt (Lodtmann, Acta Osn. I, S. 111). Mit dem
Wechsel der Besitzer des Hofes von Tuine aber wechselte auch das Patronat.
Im Tuiner Gebiet hatte das Kloster Corvey mannigfachen Besitz, wie das
Abgabenverzeichnis vom Jahre 1195 mitteilt (0. U. B. I, 418 u. a.).
Der Münsterische Besitz in Tuine*) schrumpfte bis gegen 1550 auf
einen einzigen Hof in Baccum zusammen. Im Zusammenhang mit den in der
*) Über den zu Münster lehnshörigen Hof zu Tuine (Fraukenhaus) siehe Gold-
schmidt, S. 100, Anin. 8, und Schriever II, S. 153, ferner Goldschmidt, S. 15 u. Anm. 15,
auch Goldschmidt, Urk. 6.
Kinleitung f^eschi kl orten ^Ereignissen der Zeit kam 1597 Kirche und I^farre in
den Bcisilz der Reformierten, fiel aber \i)()'> an die Katholiken zurück, 1648
erfolgte wieder die Einführung eines reformierten Predigers. Der katholische
(iottesdienst wurde in Heimlichkeit abgehalten, bis im Jahre 1718 der Bau
eines Bethauses aus Fachwerk sich ermöglichen liefi Nach der hannoverschen
Kultusverordnung wurden 1824 die Reformierten von Tuine nach Freren ein-
gepfarrt (Nachtrag zur Kultusverordnung vom 51. März 1824). Die reformierte
Kirche wurde dann Simultankirche: wird aber heutigestages fast ledighch für
den katholischen Kult benutzt.
Abb. 71. Kirche in Tuiiie: Grundriß (l:iöO).
Be- Die Kirche zu Tuine (Abb. 70), auf einer geringen Bodenerhöhung inmitten
Schreibung, ihres Kirchhof es belegen, entstammt den ersten Jahrzehnten des XVI. Jahrhunderts.
Der im Westen vorgelagerte Turm freilich gehört in die schon er-
wähnte Gruppe der Türme aus romanischer Zeit (vgl. Messingen, Freren,
Baccum, Lengerich, Schapen usw.). Er ist aus Bruchstein und Findlingen
aufgeführt und an den Ecken - mit Quadern versehen. Eine spitzbogige
Tür führt in die mit dem Schiff in Verbindung stehende Durchgangshalle,
welche mit einem Tonnengewölbe über Kämpfern mit Platte und Schräge
abgewölbt ist. In seinem oberen Teil hat der Turm fast rundbogige, gekuppelte
Schallöcher. Das Drempelgeschoß und der Helm in Laternenform stammen
aus dem Jahre 1851. Der Turm steht etwas schräg zur Schiffslängsachse.
.Schiffii.Chor. Die einschiffige Kirche ist in drei Jochen gewölbt und hat einen
Chorabschluß in fünf Seiten eines regelmäßigen Achtecks (s. Grundriß, Abb. 71);
sie ist aus Sandsteinquadern erbaut und weist im Äußeren Strebepfeiler auf:
und zwar zeigen das erste und zweite Joch Stern- und das dritte Joch
Kreuzgewölbe. Nur die Quergurte und die Rippen zwischen dem ersten
und zweiten Joch ruhen auf Konsolen; im übrigen wachsen Rippen und
Gurten aus der glatten Wand heraus. Im westlichen Schiffjoch liegen, wie
üblich, je eine Tür in Nord- und Südwand. Die letztere zeigt im vScheitel
des Spitzbogens sich kreuzende Stäbe. Die Fenster sind mit Pischblasen-
maßwerk versehen; unter ihnen entlang läuft außen, die Streben umfassend,
ein Kaffsims.
Die an der Nordseite angelegte, kreuzgevvölbte Sakristei weist ein ge- Sakristei,
kuppeltes Fenster mit halbrunden Lichtöffuungen auf, deren Jede mit gotischem
Nasen werk besetzt ist. Darüber steht die Jahreszahl MCCCCCXXII.
Abb. 72. Kirche In Tuine; Taufstelii
Ein Epitaph aus feinem Sandstein, für ein 1631 gestorbenes Mitglied Epitaph,
der Familie v. Böselager hat dreiteiligen, durch Säulenstellungen hervorgehobenen
Aufbau: im predellaartigen Unterteil vier Rildnisfiguren in volkunder Arbeit;
im Mittelstück als Hauptbild zwischen Säulen mit konkav geschwungenem
Gebälk eine Darstellung der Kreuzigung in flacher Arbeit. Die Seitenflügel
mit niedrigerem Gebälk enthalten links eine Kreuztragung, rechts eine Grab-
legung ; das bekrönende Stück mit einer Doppelsäulenstellung und gebrochenem
Segmentgiebel trägt eine Himmelfahrtsdarstellung. Die Ornamentik ist barock.
Freistehende Figuren sind auf dem Gebälk und als Bekrön ung angebracht.
Zu beiden Seiten des Epitaphs finden sich je sechs Medaillons in die Wand
eingelassen, auf denen Engel mit den Marterwerkzeugen dargestellt sind.
Die größere Glocke mit der Meisterinschrift: Anno 1583 Godt mick Tepe Glocken.
Otting dat is war. Durchmesser 1.29 m.
6
-^ 82 %-■'-
Die kleinere mit der Meisterhe/eichnun«.': Frans cl l'(;lriis Hemony
nie l'ec. A<> ]<)4.'>. Durchmesser 1,12 m.
(Ji:il)si(iii. Ein Grabstein von U)52 auf dem Chor.
Kclclif. Ein Kelch von 1750 mit Sechspaßfnß, SilF)er vergoldet.
Ein zweiter nnd dritter, Silber vergoldet, mit öechspaßfnß. ebenfalls
von unf>;efähr 17Ö0,
'l'Miifo. Ein Taufstein der Ijentheimer Gruppe, Sandstein, Höhe 88 cm, oberer
Durchmesser S3 cm (Abb. 72): Weinranke, Tauornament und I^aimettenwerk
am Becken, Tierfigurßn am Sockel.
Sakraments- Ein Sakramentshäuschen aus feinem Sandstein mit Wimpergen und
hauschen. Maßwerk oberhalb der Nische, spätgotische Arbeit; im Chor.
Steinmetz- An den Leibungsquadem der Fenster und Tiiren die nach-stehenden
zeichen.
Steinmetzzeichen
T\
V e n h a u s.
Geschichte, \jdiB Haus Venhaus wird bereits zur Zeit der Gründung des Kapitels
St. Mauritii bei Münster. 1177, als diesem abgabepflichtig erwähnt. Um die
^^^^^^^^^
Abb. 78. Venhaus; Lageplan (l:5u00).
I. Kapelle; II. Ehemal. Pforthaus, jetzt Pl'arre.
Mitte des XV. -lahrhunderts wurde in Venehues eine Burg erbaut (Darpe. Kl.
Überwasser usw. a. a. 0. 192 f.). Besitzer des Hauses w^aren damals die von
->8 83 S-<-
Langen aus der gleichen Familie wie die zu Herzfort. Durch Erheiratung
gelangte das Haus gegen 1470 in den Besitz der Familie von Valcke. Etwa
100 Jahre später sind die von Ripperda Besitzer von Venhaus.
Die Burg wurde 1623 infolge des Treffens zwischen Tilly und Christian
von Braunschweig auf dem Lonner Bruch niedergebrannt; aber 1632 neu-
aufgebaut durch Carl Victor von Ripperda •"). Zu Ende des XVII. Jahrhunderts
folgt im Besitz des damals überschuldeten Hauses Venhaus die Familie von
Abb. 71. Haus Venhaus; Inneres der Kapelle.
I
t
Recke, die ein Nebengebäude des Gutes zur Kapelle einrichtete. Den Gottes-
dienst versahen die Kreuzherren auf Bentlage. Um 1740 trat die freiherrliche
Familie von Landsberg-Steinfurt den Besitz des Gutes an, und behielt es
bis 1876.
Von den Baulichkeiten des ehemals von Wassergräben umzogenen gg.
Hauses (s. Lageplan, Abb. 73) sind nur der jetzt als Kapelle (kath.) benutzte schreihnn;.
langrechteckige Nordflügel (Abb. 74) und der Ostflügel vorhanden, der als
Pfarrhaus dient.
Eine Glocke, Durchmesser 0,50 m, 1853 von Meyer und Kühne jn Glocke.
Bochum gegossen.
Wettrup.
Ratholisclie Kirche.
Wettrup, ein im nordöstlichsten Teile des Lingener Kreises, 11 km
nördlich von Fürstenau, belegenes Dorf mit über 650 katholischen Einwohnern
hat von allem Anfang an kirchUch zu Lengerich gehört, bis es im Jahre 1900
mit der Erhebung seiner Kirche zur Pfarrkirche selbständig wurde.
*) Sein Grabstein ist abgebildet Seite (JG.
Ü*
Goßchichtc. Der Naino des Orti's winl beniits im Werdf-nor Hfljore^nster aus dem
X. lalirlmndf^rl in der Form WetlioMt,h()r|»e (0. V.. \\. 1. 57), im XVI. laiir-
Jiiuidert WetrtijX! oder Weterpe genannt (IJiepenbroek a. a. ().. Urk. 32).
Nach der „Beschrivinge" von \h'.)i) war in Wettrup im -lahre 1522 eine
Kapelle erbaut worden, die von Lengerieh aus bedient wurde. Durch Cord
von Tecklenburg wurden die reichen Einkünfte der Kapelle eingezogen, 1504
aber durch die Spanier zurückgegeben. Im -lahre 1597 und wieder 1033 fielen
Kapelle und Einkünfte den Reformierten zu, in gleicher Weise wie in den
übrigen Teilen der Grafschaft. Bei der abnehmenden Anzahl der Protestanten
gelangten die Katholiken Wettru])S im -lahre 180G in den Besitz der Kaj)elle
und bauten hSll ein neues Gotteshaus, das jetzt noch vorhanden ist. Patron
der Kirche ist der hl. Einsiedler Antonius.
Be- Die Kirche zu Wettru|) (s. Tafel 0. Abb. 7.5) besteht aus Fachwerk
^" inid hat langrechteckigen Grundriß. Auf dem 1845 in Ziegeln erneuerten
Westgiebel ist ein Dachreiter angebracht. Die Decke im Innern ist nach der
Form eines Spiegelgewölbes in Holzverschalung gebildet.
Altar. Der Altar aus Holz, mit offener Anordnung von vier glatten
korinthischen Säulen, weiß lackiert, Arbeit des XVIII. .Jahrhunderts
(s. Tafel 0, Abb. 75).
Glocken. ßi^e Glocke, Durchmesser 48 cm ; daran die Bildplakette der hl. Maria
mit dem Kinde und des hl. Antonius von Padua. Inschrift: Soli Deo honor et
gloria. Friderikus Schweys me fecit Monasterii 1748.
Die Glocke ist nicht im Gebrauch, weil zersprungen. Statt ihrer
entlieh die Gemeinde eine Glocke aus Freren; Durchme.sser 0,49 m, Inschrift:
De Vrijheyd is van konink Friderik ontfangen Gm deese klok alhier te Hangen
Dus Luyde Wij Voor Goods ens koninks Eer lang leevd Friderik onse Heer.
Amsterdam 1. July 1784. Door W outer Sluymer.
Kanzel. Die Kanzel aus Holz, mit einfachem sechsseitigen Stuhl auf Fuß und
Schalldeckel. Ende XVIII. Jahrhundert (s. Tafel 6, Abb. 75).
Krön- Ein Kronleuchter aus Gelbguß, Spindel mit Knäufen und Kugel, zwei
leuchter. Reihen von S-förmigen Armen. XVIII. Jahrhundert.
I
Der Kreis Grafschaft Bentheiro.
Literatur:
Annalen des Gotteshauses Marienwald, genannt Frenswegen, ans Originalurkunden und
authentischen Akten zusammengetragen durch Carl von Cooth, canonicus regularis
daselbst, Ms. 3 Foliobände; Burgsteinf. Schloßarchiv. Daselbst andere Frens-
wegener Chroniken in Handschrift z. B. :
Chronicon Frenswedense des Johannes von Horstmar, zur ersten Centenar-
feler 1494 verfaßt;
Chronica der Graveu vonn Bentheim vom Jahr MCXXII bis ufs Jahr MDCXIII,
Pergamentband, 19 Pergamentblätter; Burgsteinfurter Schloßarchiv IV.
Kepertorium A. 1.
Geburt und Herkunft der Grafen von Bentheim, von anno 1122 bis 1509, aufgesetzt 1564.
Nun aber continuieret bis 1606; wahrscheinlich von einem Frensweger Mönch,
in der Königlichen und Provinzial-Bibliothek Hannover.
Hcnr. V. Hövel, Speculum Westphaliae veteris, in der Provinzial-Bibliothek.
Altin g, Descriptio agri Batavi et Frisii sive Notitia Germaniae inferioris, Amstelcdami 1697.
Joannes de Beka et Wilhelmus Heda, Historia Ultrajectina, Ultrajecti 1643.
P. Bertii Commcntarium rerum Germanicarum, Amsteledami 1616.
IL Böttger, Diöcesan- und Gaugrenzen Norddeutschlands, Halle 1875.
Joh. Busch, Chronicon Canonicorum Regularium Ordinis St. Augustini Windhemcnsis.
Hrsg. V. d. Hist. Commission der Prov. Sachsen (Dr. Grube), Halle 1886.
J. B. Die penbrock, Geschichte des vormaligen Müusterschen Amtes Meppen, Münster 1838.
K. G. Döhmann, Das Leben des Grafen Arnold von Bentheim 1554 — 1606, nach den
Handschriften herausgegeben, Burgsteinfurter Gymnasialprogramm 1903.
Paulus Hachenberg, Tubantns redivivus, zu Steinfurt anno 1663, 2. Auflage 1741.
Herrn. Hamelmanni opera genealogico-historica de Westphalia et Saxonia inferiori
Lemgoviae 1711.
Kamel mann, Historia ecclesiastica renati Evangelii per Westfaliam, o. 0., anno 1586.
Hobbeling, Beschreibung des ganzen Stiftes Münster, Dortmund 1742.
F. Jostes, Aus Westfalens Vergangenheit (Festschrift) Münster 1893, Veröffentlichungen
der Hist. Commission für Westfalen, Heft IV.
Kampschulte, Westfälische Kirchenpatrocinien, Paderborn 1867.
Kindlinger, Geschichte der älteren Grafen.
ter Kuile, Geschiedkundige Aanteekeningen op de Havezathen van Twenthe, Almclo 1911.
J. Lindeborn, Historia sen Notitia Episcopatus Daventriensis, Coloniae Agrippinac 1670.
Merian, Topographia Westphaliae (Steinfurt).
H. Wilh. H. Mithoff, Kunstdenkmäler und Alterthümer im Hannoverschen, Bd. VI,
Hannover 1879.
Joh. Casp. Möller, Geschichte der Grafschaft Bentheim, Lingen 1879.
Nordhoff, Stadt, und ländl. Bauwesen Westfalens, in Zeitschrift für Geschichte und
Altertumskunde Westfalens 1900. Bd. 58.
Nünning, Monumentorum Monast. decuria, Vesaliae, 1747.
Osu abrücker Monatsblätter.
-^ 80 8«^-
.loliaa l'icardi, Koilo Hcschrijvin^rc van (!(Miit,'e verKctene cn veiborgfjnt; AiJtiquiteten
d(!r provinticii cn landen, K''lcf^<iu tiissclicn flo Noordzce, de YHHel, Emec en
Lippe etc. t'AniHterdani 16<JU.
F. F. von Raet von IJögclBcamp, Benthcim, StcinfurtiHchc, La{<i8cli(;, OberyBHolschi!
und HoiiHligc IJeiträfTo zur GcHchichtc VVeHtfalcns, ziij^loirh ein VcrHuch einer
Provinziai-GeHCliiclite ävr mcrkwürdif^cn Graf.scliaft Hcntlicim, liurf^stcinfurt 1805.
llonricüs Arnoldu« Riimpius, instoriHcli-j^eographisch-gencalo^^ischc Boschreibiing
der malten Röniisdicn Reichs GrafHchat't Bentheiin etc. o. 0., 1728.
Nicolai Schalen HiHtoria WcHtfaliac, Mün8t<r 1773.
HormannuH Stangefol, Annale« Circuli WciStphalici, Coloniae Ajp-ippinae 1056.
Joh. Dietrich von Steinen, Westphälische Geschichte, fünf Teile, Lemgo 1755— 18<J4.
W. Stokuiann in Gemeinschaft mit J). Mlllder und L. Weduwijn, Die Grafschaft Henthcim,
eine historisch -topographische .Studie. Aufsatzfolge von 183 Nummern in der
Bentheimer Zeitung 189H.
Ad. Tibus, Gründungsgeschichte der Stifter, Pfarrkirchen, Klöster und Kapellen,
Münster 1885.
Tibns, Geschichtl. Nachrichten über die Weihbischöfe von Münster, Münster J862.
Vaterländisches Archiv.
W. F. Vi seh, Prcdikant tc Wilsuin, Gesehicdonis van hct graafschap Benthcim, ZwoUo 1820.
L. Wcduwen, Heimatkunde des Kreises Grafschaft Benthcim, Bentheim 1905.
Quellen:
Akten über Bentheim in der Provinzial-Bibliothek Hannover, Vol. VIIL
Bentheimer Urkunden im Staatsarchive zu Osnabrück.
Urkunden und Akten im Burgsteinfurtcr Schloßarchive, siehe Veröffentlichungen der
Historischen Kommission Westfalens, Heft IV, 1903, Steinfurt.
Erhard, Regcstae historiac Westfalicae, Münster 1847 — 1861, fortgesetzt durch K. Wilmans,
u. d. Titel Westfälisches Urkundcnbuch, 5 Bde., Münster 1871—1888.
Joh. Heinr. .Jung, Historiae antiquissimae Comitatus Benthemiensis libri tres mit 'dem
Codex diplomatura ac documentorum und dem Appendix diplomatum, Hannoverae
et Osnabrugi 1773.
Jos. Niesert, Beiträge zn einem Münsterschen Urkundcnbuch, Münster 1823.
Osnabrücker Urkundeabnch, bearb. u. hrsg. von F. Philippi (Bd. 3 f. von M. Bär),
Bd. 1—4, Osnabrück 1892—1902.
Kartenwerk:
C o ra i t a t u s Benthem et Steinfurt, Auetore Joanne Westenberg, Amsteledami, ungefähr 1630.
Einleitung.
|er Kreis Grafschaft Bentheim gehört zum Regierungsbezirk Osna-
brück und grenzt im Norden an die niederländische Provinz Drente
und an den hannoverschen Kreis Meppen; im Osten an den Kreis Lingen;
im Süden an den westfäHschen Kreis Steinfurt und die niederländische
Provinz Overyssel; im Westen ebenfalls an Overyssel, auch die Twente
genannt. Das Areal des Kreises beträgt 915,61 njkm mit einer Einwohner-
zahl von (1905) 38098 Seelen; ist also verhältnismäßig dünn bevölkert. Das
Land bildet eine von Süden nach Norden abfallende schräge Ebene mit einer
durchschnittlichen Höhe über dem Meeresspiegel von etwa 22 m. Die west-
lichen Ausläufer des Teutoburger Waldes treten innerhalb der Grafschaft mit
größeren Höhen bei Bentheim (110 m) und Gildehaus (60 m) zutage^und
etwa 6 km nördlich von Bentheim im Isterberge (68 m). Im übrigen und ab-
gesehen von dem Ülsener Dünengebiet (Höhen bis zu 80 m) ist das Land eben.
Etwa vier Fünftel der Gesamtfläche besteht aus Sandboden, ein Sechstel aus
Moor, während ein leichter sandiger Lehmboden den Rest ausmacht. Die
Kultur der Ödländereien macht stetige Fortschritte. Die besseren Boden-
arten bringen Getreide, Hülsenfrüchte, Flachs, Rübsamen und Kartoffeln
hervor. Große Weide- und Wiesenflächen begleiten marschenartig den Lauf
der Vechte. Holz wächst im Bentheimer Walde und im Samer Rott.
Von Südosten nach Nordwesten wird die Grafschaft Bentheim durch-
flössen von der Vechte. Die Dinkel, die auf westfälischem und holländischem
Boden parallel dazu verläuft, tritt erst unweit von Lage in Bentheimer Gebiet
ein und mündet nordwestlich von Neuenhaus in die Vechte. Die Bedeutung
dieser Wasseradern als Schiffahrtswege (siehe Nordhoff, Westfalenland und
die urgeschichtl. Anthropologie S. 21, auch Jung, Hist. Com. Benth., S. 119,
264 . .) hat sich infolge der Anlage von guten Landstraßen und Eisenbahnen
völhg verloren. Noch im Anfange des XIX. Jahrhunderts soUen jährhch 1000
beladene Schiffe vechteaufwärts die Stadt Schüttorf passiert haben. Jetzt
besteht eine wenig lebhafte, aber zunehmende Binnenschiffahrt auf den Kanälen
von Nordhorn ab nach der Ems und nach Almelo zum Anschluß an das
holländische Kanalsystem. Die Bahn von Almelo nach Salzbergen, welche
1863 angelegt wurde, berührt die Städte Bentheim und Schüttorf. Der
nördliche Teil des Kreises, die sogenannte Niedergrafschaft, ist vollständig
■^ 88 8^-
orst vor (^iiii^on .lalin^n durch dir; Krcish;ihii von (ii(jiiiui nb«;r Bontln-'irri
luicli Ooevordon erschlossen; diese Bahn folgt dem Laufe der alten Haupt-
verkehrstraße des Landes.
Niederlande
Niederlande
I 1 I I I 1 I ' Kl,.,
Abb. 76. Der Kreis Grafschaft Bentheim.
Die Einwohnerschaft treibt Ackerbau, Torfbau und Viehzucht. Selbst
da, wo städtische Fabrikbetriebe eniporblühten, wie in Nordhorn oder
Schüttorf, bleibt die Grundlage des Lebensunterhaltes meist das, was der
eigene Garten oder das eigene Feld aufbringt. Bei Bentheim und Gildehaus
bieten die Steinbrüche Erwerljsquellen. Die Industrie im Kreise befaßt sich
I
->^S 89 gK-
nanieiitlich mit Baumwollspinnerei und -weberei. Etwa drei Viertel der
Einwohnerschaft hängt dem evangelisch-reformierten Bekenntnisse an, rund
ein Sechstel ist katholisch, während der Rest der altreformierten oder
lutherischen Kirche und ganz wenige der israelitischen Religion angehören.
Eine nüchterne, streng religiöse und ernste Lebensauffassung ist dem Graf-
schafter eigen. Er hängt am Hergebrachten, das unter dem wachsenden Einflüsse
des Verkehrs zu schwinden beginnt. Die Umgangssprache — eine dem Platt-
holländischen der Twente und Drenthe nahestehende Mundart — wird mehr und
mehr vom Hochdeutschen verdrängt. In den Kirchen hat die holländische Predigt
allgemein aufgehört, nur der Gesang der Lieder und Psalmen ist, wenigstens
in der Niedergrafschaft, noch holländisch. Trachten werden noch von Frauen
der ländlichen Bevölkerung, vorzüglich im Kirchspiel Nordhorn, und sonst in
der Niedergrafschaft getragen. (Siehe Abb. in Westf. Trachtenbuch Tafel VI.)
Der Kreis Grafschaft Bentheim hat 4 Städte: Bentheim, Schüt-
torf, Nordhorn, Neuenhaus, 73 Landgemeinden und 3 Gutsbezirke.
Der Verwaltungssitz ist Bentheim; ein Hilfsbeamter des Landrats sitzt in
Neuen haus; sein Verwaltungsbezirk deckt sich mit der alten Umgrenzung
der Niedergrafschaft. In beiden Städten befindet sich ein Amtsgericht.
Der Name der Grafschaft findet sich in folgenden Formen: Binedheim Geschichte,
ca. 1050 (Werdener Heberegister), Binitheim (AnaUsta Saxo im Jahre 1116)
Benthem (XII. Jahrhundert wiederholt) ebenso Bintheim, Benethem, Bynethem.
Über die Namenserklärung siehe Förstemann, Altdeutsches Namenbuch II,
Nordhausen 1872, Sp. 228 ff.
Bei einigen älteren Geschichtsschreibern werden Grafen von Bentheim
aus dem X.— XII. Jahrhundert genannt (vgl. die Untersuchungen in Jimgs
Hist. Com. Benth., S. 56—59), die aber nicht als historisch beglaubigt gelten
können. Die älteste Nennung von Bentheim — urbs Binitheim — findet
sich bei dem sogenannten Analista Saxo (Mon. Germ. hist. S. S. VI, S. 753)
für das Jahr 1116, in welchem die Burg durch den Herzog und späteren
Kaiser Lothar von Sachsen zerstört sein soll, worauf der Herr derselben sich
auf seine Stammgüter in der Twente zurückgezogen haben mag (siehe die
Urk. Erh. Cod. dipl. Nr. 240).
Die Grafschaft ging vermutlich um das Jahr 1134 in den Besitz der
Gertrudis Palatina aus dem Hause Bayern-Sachsen-Northeim, einer Schwägerin
des Kaisers Lothar von Sachsen, über. Diese, die Stifterin des Klosters
Wietmarschen, starb kurz nach 1154, dem Datum der Wietmarscher Stiftungs-
urkunde. Ihre Tochter aus zweiter Ehe, welche den Grafen Dietrich IV. von
Holland heiratete, war die Mutter Ottos, des ersten Grafen von Bentheim
(1182-12091?)).
Sein zweiter Nachfolger und Enkel, Otto V., fügte nach seiner Heirat
mit Helwigis, der einzigen Tochter des Grafen Otto von Tecklenburg, seinem
Titel den eines Grafen von Tecklenburg hinzu. Gegen Ende seines Lebens
ließ er sich bei den Deutschordensrittern der hl. Maria zu Utrecht einkleiden.
Ihm folgte sein zweiter Sohn, Ecbert, ein Mann von friedlicher Gesinnung, der
sich die Hebung der Kultur in seinem Lande angelegen sein ließ und gute
V,i'7,\i'hiiu<ic\\ /Ulli lit.it'clitor Stuhl |ifl<'<.'l(;. Dum Hur^^rafonarnt, da.s die
iiüiitlK'iiiK'r (Iral'fMi von den Biscliöffu /,u Leim trugen, ontsa^te Eclxjrts
zweiter Sohn, -lohannos, der ihm in der l{c;zierung gefolgt war. Von dessen
fünC Söhnen kamcui nacheinander (hei zur Regierung : zuletzt (18G5) Bernhard 1.,
der unter dem Namen Pater Bernd hekannle Förderer des Klosters P'renswegen.
Mit ihm starb sein Geschlecht aus.
Zu seinem Nachfolger liatte er, da er weder Kinder noch Anverwandte
väterlicherseits besaß, bei Lebzeiten bereits (1404) den Junker Everwin von
Güterswyk bestimmt. 1421 trat dieser als Everwin I. die Regierung an.
Infolge seiuei' Heirat mit Metta, der Tochtei' des Dynasten von Steinfurt, kam
eine Erbeinigung der Häuser Bentheim und Steinfurt zustande.
Aus zweiter Ehe besaß Everwin zwei Söhne, von denen der ältere,
Bernhard, Bentheim, der jüngere Steinfurt erhielt, hi der bentheimischen
Linie zeichnete sich P]verwin IL, Bernhards Sohn, aus. Unter dem kaiserlichen
Statthalter, dem Herzog Georg von Sachsen, war er Gouverneur von Friesland :
man nannte ihn den Reichen und Weisen. Durch ihn erlangte die Grafschaft
Bentheim die Herrlichkeit Emiich heim und das Gericht daselbst zurück.
Das Bentheimer Schloß erhielt namenthch durch ihn sein heutiges Aussehen.
Da er ohne männlichen Erben war, so wurde seine Tochter, Maria,
mit dem Erben der steinfurtischen Linie — der ebenfalls Everwin hieß und
zwar der Dritte genannt wurde — vermählt, so daß beide Grafschaften aufs
neue vereint waren.
Unter Everwins 111. Nachfolger, Arnold I. (1530 — 1553), fand im Jahre
1544 die lutherische Lehre Eingang in die Grafschaft. Arnold IL (1554—1606)
erklärte sich 1574 zur reformierten Lehre und bewirkte deren allgemeine
Einführung im Lande. Nach dem 1557 erfolgten Tode Konrads von Tecklenburg
erbte er die Grafschaft Tecklenburg und die Herrschaft Rheda.
Das Geschlecht teilte sich nach Arnold 11. in zw^ei Linien. Die jüngere
Linie, deren Stifter Arnold Jobst (1606—1643) war, spaltete sich wiederum in
die Linien Bentheim-Steinfurt und Bentheim-Bentheim. Ernst Wilhelm
(1643 — 1693), der Sohn des vorhin genannten Arnold Jobst, schwor unter
dem Einflüsse der Gegenreformation den reformierten Glauben ab und nahm
den Katholizismus an.
Die Linie Bentheim-Bentheim erlosch 1803 mit dem in Paris ver-
storbenen Friedrich Carl Philipp. Die Grafschaft, welche er für die Zeit von
1753—1819 an Hannover verpfändet hatte, fiel der Linie Bentheim-Steinfurt
zu. 1806 wurden beide Grafschaften durch die Rheinbundakte dem Groß-
herzogtum Berg einverleibt und kamen 1810 mit dessen Auflösung an Frankreich.
Der Wiener Kongreß sprach die Hoheitsrechte über Bentheim Hannover zu,
das also 1813 Besitz von der Grafschaft nahm, dem gräfhchen Hause aber
für den Verlust der Landeshoheitsrechte gewisse Zugeständnisse an Grundbesitz
machte. Graf Ludwig Wilhelm von Bentheim-Steinfurt wurde 1817 preußischer-
seits in den erbhchen Fürstenstand erhoben. Mit der Auflösung des Königreichs
Hannover (1866) kam die ehemalige Grafschaft Bentheim an Preußen.
-^ 91 g^-
Die Denkmäler kirchlicher Baukunst im Gebiete der Grafschaft Bent- Übersicht
heim, denen eine höhere kunsthistorische Bewertung zukommt, stammen Denkmäler
sämtlich aus der Zeit vor der Einführung der Zwingli-Calvinischen Glaubens- des Kreises,
lehre. Die kostbare Kirche des Klosters zu Frens wegen, das der Kunst-
feindlichkeit dieses Bekenntnisses entzogen blieb, ist 1883 ein Raub der
Flammen geworden.
Die Kirchen des Bentheimer Kreises sind fast durchweg aus Sand-
stein erbaut; die ältesten davon entstammen der letzten Hälfte des XII. und
dem Anfange des XIII. Jahrhunderts. Zu diesen gehört die Kirche zu Ohne
mit Schiff und Turm und der Chor der Katharinenkirche auf dem Schlosse
zu Bentheim; sodann der Turm zu Ülsen in seinen unteren Teilen. Etwas
jüngere Werke sind der Wietmarscher Chor und der alte Teil der Kirche
zu E ml ich he im. Um 1350 scheint der Glockenturm zu Gildehaus und
der von Emiichheim zu setzen zu sein; ferner gegen die Mitte des XIV-
Jahrhunderts das sogenannte Archiv der Bentheimer reformierten Kirche und
die Anlage des Schiffes der Gildehäuser Kirche. Eine ganz bedeutende Bau-
tätigkeit wurde in der Zeit von etwa 1440 bis in die ersten Jahrzehnte des
XVI. Jahrhunderts hinein entfaltet: Schüttorf, Brandlecht, Nordhorn,
Veld hausen und Ülsen erhielten damals ihre Gotteshäuser in der Form,
wie sie überkommen sind. Auch die erste Wilsuraer Kapelle, von der heute
nur der Turm noch steht, gehörte dahin. Ihre Türme erhielten diese Kirchen,
abgesehen von dem Nordhorner, zumeist im ersten Jahrzehnt des XVI. Jahr-
hunderts; sie lassen als Muster den Schüttorf er Turm erkennen, der mit
der Jahreszahl 1502 datiert ist. Seit 1484 (Emiichheim) treten Steinmetzzeichen
an den Baudenkmälern des Kreises zuerst auf. Gleichzeitig finden sich die
ersten Gewölbe in Ziegeln auf Hausteinrippen und meist mit ringförmigem
Schlußstein versehen.
Die Kirchen der reformierten Zeit sind einfache, innen weiß gehaltene
Saalkirchen, die oft mit tiefbraunem Eichengestühl versehen sind und einen
würdigen Eindruck hervorrufen.
Unter den Profanbauten steht hinsichtlich des kunstgeschichthchen
Interesses das Bentheimer Schloß voran. Der älteste Teil davon, der soge-
nannte Heidentempel in der Kronenburg, gehört noch etwa der Mitte
des XIII. Jahrhunderts an. Der Rest der Kronenburg hingegen mag ungefähr
gleichzeitig mit dem viereckigen Turm unter der Regierung Everwyns II.
(1473 — 1530) erbaut sein, der runde Turm um 1500, Alle Befestigungsauf-
bauten und alle sonstigen Gebäude — von der Katharinenkirche war schon
die Rede — sind späteren Datums (Ende des XVII. und Anfang des XVIII. Jahr-
hunderts). Das Schüttorfer Rathaus gehört möglicherweise noch dem XIV. Jahr-
hundert an. Was von der Burg Altena übrig ist, stammt aus der Zeit um 1600.
Die städtischen Wohnhäuser sind zumeist nach dem Schema des
Sassenhauses eingerichtet. Vollständige Fachwerkbauten sind häufig in
Bentheim und Schüttorf, etwas seltener in den Städten der Niedergraf-
schaft. Wenige entstammen der Zeit vor dem Dreißigjährigen Kriege. Die
älteren haben mit Brettern verschalte Giebel; es folgen der Zeit nach Fach-
-^, 02 ;?->-
vvork^icbcl mit ^crmislertor Zicgclaiisklt'idiiiig mxl datii) — im XVIIl. lahr-
liimderl (li<! Ilaiisfrontfii ans kl('iiifoririatif.'oii Ziof^fln mit trokapptein (jiebe4
und Walm.
All Werken kirchliclier Kleinkunst kann natürli(;h in der ieformi«;rten
Grafschaft l^ontlieim nur gerinj^e Ausheute ervvaitet werden. Ilolzf^esehnitzte
Hochaltäre aus dem XVII. XVIII. lahrhundert besitzen die katholischen
Kirchen zu Wie tiii arsche n und Bentlieim. In der erstgenannten Kirche
findet sich auch eine besonderer Beachtung werte Chorschranke. Die in der
Frensweger Klosterkirche verbrannten Holzschnitzereien werden im Stil diesen
V^erken ähnlich gewesen sein. An Steinskulpturen sind der Grabstein des
Adrian von Khede zu Brandlecht (f 1634) und der Sarko])hag der Brinzessin
Amoena in der Bentheimer reformierten Kirche (f 1584) als hervorragende
Werke zu nennen. Die Stiftskirche zu Wietmarschen besitzt mehrere
steinerne Stationsfigürchen und eine sehr alte Madonnenstatuette mit dem
Kinde — aus Holz und mit Metall überzogen — ein Werk etwa aus dem
Anfange des XIV. Jahrhunderts.
Wandgemälde sind nirgend mehr sichtbar vorhanden. In der Kirche
zu Seh üttorf befanden sich die wertvollsten (um 1500), die in Kopien gerettet
werden konnten*). Auch in Gildehaus und Ohne stieß man auf Bilder.
Daß die Kirche zu Emiich he im Ausmalung besessen hat, ist an Spuren
deutlich; in Ülsen und Brandlecht ist es wahrscheinlich.
Leuchter und Sanduhrhalter aus Gelbguß sind von den allgemein
üblichen Formen des XVIII. Jahrhunderts.
Unter den Kirchengeräten sind der Abendmahlskelch in Gildehaus
(um 1550) und eine Brotschüssel in Nordhorn (um 1700) bemerkenswert;
auch die zu Neuen haus mag genannt werden.
Von den Glocken sind einige aus dem XV. Jahrhundert; es finden
sich die Gießernamen Joh. Volkeer. Wolter Westerhus, Gherard und Joannes
Schoneburch, Joh. Fremich, Peter Hemony.
Profane kunstgewerbliche Arbeiten von hohem künstlerischen Wert
sind oftmals die Schränke, Truhen und Bettstellen aus Eichenholzschnitzerei. Als
Importwaren müssen wohl die oftmals sehr prächtigen gußeisernen Kaminplatten
mit biblischen Darstellungen gelten. Ein Gleiches ist von den Porzellangegen-
ständen zu sagen; wie sie sich oft in Besitz der alteingesessenen Familien finden.
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Abb 77a. Schloß in Bcntheim; Gosamtansicht von Südwesten.
Bentheim,
Burg, reformierte Kirche, katholische Kirche, Bad Beiitheim, Haus Laugen,
Bürgerhäuser.
Die nahezu 2800 Einwohner zählende Stadt Bentheim, die sich
unter dem Schutze der sie hoch überragenden Burg (Abb. 77a) entwickelt hat,
trägt den Charakter eines Ackerbürgerstädtchens und besitzt so gut wie keine
industriellen Betriebe. Sie ist weitläufig am Südhange des Schloßberges dem
Gelände angepaßt, mit fast terrassenartig verlaufenden Straßen angelegt
(s. den Stadtplan, Abb. 78).
Das bekannte und von den Holländern gern besuchte Bad Bentheim
liegt 1^/2 km nördlich der Stadt im Bentheimer Walde.
Schloß und Stadt liegen geologisch auf einem Teile der ostwestlich
streichenden Bentheimer Scholle von Wealdensandstein, die von Süden her
sanft ansteigend, sich aus der gleichgerichteten Schichtung von Hilston erhebt
und gen Norden zu jäh abbricht: und zwar liegt die Burg da, wo dieser
Abbruch die auffallendsten Felsbildungen — wie den Drususstuhl mit dem
Teufelsohrkissen — und den steilsten Abfall gezeitigt hat.
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Al)b. 77 b. Schloß in Hentheim : Ansicht von Büdeu nach einer getuschten Sepiazeiehiiung im liesitz des
Herrn E. Corden in Bentlieim. (Cnterschiift: T' Slot en een Gedeelte v.an de Stat 172') — Berkhuy^ ad
vivum delineavit.)
Bau- Wie die Urgeschichte des gräflich bentheiraschen Geschlechtes in
gesc IC e. j)yfj].g] gehüllt ist, so auch die der Burg zu Bentheim. Ob die Annahme, daß
der Burgberg schon von den Römern befestigt war, zu recht besteht, braucht
hier nicht erörtert zu werden; bauliche Reste aus Jener Zeit finden sich nicht.
Erst die Zerstörung der Burg durch den Herzog Lothar von Sachsen im
Jahre 11 IG bringt ihre erste urkundliche Erwähnung. Über den Wiederaufbau
und ihre weiteren Schicksale fehlt aber einwandsfreie Kunde. Sichere
baugeschichtliche Einzelnachrichten treten — soweit bisher unsere Kenntnis
reicht — gelegentlich erst seit dem XVII. Jahrhundert auf. Über die frühere
Zeit kann nur der Bau selbst noch Auskunft geben.
Zu Anfang des XIII. Jahrhunderts war der eigentümlich geformte, mit
Steilabfällen akropolisartig ringsum sich abhebende höchste Teil der Bentheimer
Sandstein schölle vermutlich in seiner ganzen Ausdehnung mit einer Befestigungs-
mauer versehen. So finden sich an der Nordmauer der unteren Burg östlich
der Katharinenkirche und zu Seiten der beiden Gartenaltane an der Nordostecke
rechteckige, mit Randschlag versehene Bossenquader, die in diese Zeit
gehören. Das äußere Tor, ,,die untere porte" {Ä im Plan), lag bereits an seiner
heutigen Stelle. Das Haupttor {G) und die anschließende Katharinenkirche {K)
sowie die Kronenbuig {X) in der Nordwestecke des Burgbezirkes bestanden
ebenfalls damals schon. Unter den regierenden Grafen des XIII. Jahrhunderts,
denen diese Bauten zugeschrieben werden könnten, kommen Balduin der
Tapfere (1209—1247) und Egbert (etwa 1247—1277) am meisten in Betracht.
Dazu bezieht die erste Nachricht darüber, daß die Ausbeute der Bentheimer
Steinbrüche in Aufnahme gekommen sei, sich auf die Regierungszeit des
letzteren.
Weitere Einzelheiten zu dem Bilde zu bringen, welches die Burg bis
zum Abschluß des XV. Jahrhunderts bot, will bislang nicht gelingen. Nur
darf man annehmen, daß am Ende dieser Epoche die (jebäude in Verfall
geraten waren, da der viereckige, später sogenannte Pulver- oder Krautturm (M)
in der Südostecke des oberen Burghofes den Namen ,,scheurvede Torn" (d. i.
der verfallene Turm) erhalten hatte. Unter Everwin IL, dem Weisen und
Reichen (1473—1530) wurde dann dieser Turm erneuert und Vermutlich auch
der runde Turm (P) sowie das auf dem Plan als Speisesaal mit Küche
bezeichnete Gebäude (TU). An der Kronenburg ist zur Zeit der späteren Gotik
ebenfalls gebaut worden.
1584 stürzte die Mauer der Bügelbahn (F) herunter (Ms. Das Leben
des Grafen Arnold, hrsg. v. Döhmanu a. a. 0. S. 18) und 1598 auch ,,der
ausserste hoek an der principal mauren gegen die Bögelbahnen" (das. S. 42).
Von dem ehemaligen Bestehen eines mit Gewölbe versehenen Turmes an
der Nordseite des Schlosses nach dem Tiergarten hin erfahren wir durch die
Mitteilung, daß dieses ,,Schulthurn'' genannte ..uraltt Gebew" im gleichen Jahre
abgestürzt sei (das. S. 49). Mit seinem Wiederaufbau wurde nach 1598
begonnen.
Der ,,Capellenturm und der runde Turm" wurden 1002 durch einen
Sturm stark beschädigt. Das Dach des ersteren wurde dabei über das
Sommerhaus am Krautgarten, das auf dem Plan von Schlaun (Abb. 79)
nicht mehr angegeben ist, hinw^eggetragen.
Eine besonders rege Bautätigkeit muß unter dem durch sein
hochdramatisches Schicksal bekannten Grafen Ernst Wilhelm (1()43— 1693)
stattgefunden haben. Die , .untere ])orte" (A) wurde erweitert, die ,, dritte
pqrte" (G) außen und innen mit einer neuen Fassade versehen. In der
Architektur erkennt man die Hand eines niederländischen Meisters wieder,
der auf dem Gute Singraven in der Twente, das Ernst Wilhelm bis 1651
besessen hatte, im Jahre 1661 einen Turm zum Gutshause und wahrscheinlich
dieses selbst ganz neuerbaut hatte (s. ter Kuile a. a. 0. S. 195 Abb.). Die
Schildwachtürmchen auf der Ostmauer des oberen Schloßhofes nach der
Bügelbahn und auf der Nordmauer tragen das erstere die Jahreszahl 1663,
das zweite 1666. Nicht viel später werden die zuerst erwähnten Bauten
zu setzen sein, und ferner die Garteuanlagen des unteren Schloßhofes,
wie sie auf dem Plan von Schlaun (Abb. 79) erscheinen. Sie sind
heute geändert, aber darin steht noch eine Sonnenuhr (Abb. 82) mit
In
(leiDselbeii, aus den Buchstaben E C (Emestu.s Coines) gebildeten
Monognimn), das über dem Ilauptjxjital und noch einmal in der Verglasung
eines ('horfensters der von demselben Grafen 1074 erbauten katholischen
Kirche zu Bentheim vorkommt. Deji Zustand des Schlosses um diese Zeit
geben Gemälde von Nikiaas Berghem (-'1024. f lf)8.'>) und Jakob Ruisdael
(* 102;'), f ]ü82) wieder, die sich in der Königlichen Gemäldegalerie zu Dresden
befinden*). Das Gemälde Berghems weist die Jahreszahl lf;'57 auf.
Die äußere südliche Schloßmauer ist nach einer Inschrift daran zur
Zeit der vormundschaftlichen Regierung des Grafen Ernst von Manderscheid
1712 von Grund auf wiederhergstellt worden. Von demselben stammt auch
die Erneuerung der Ecktürmchen auf dem viereckigen Turm (1700). Ebenso
ist das kleine W'achtgebäude 1 zu Anfang des XVIII. Jahrhunderts entstanden.
Abi). 77 e. Schloß in Bentheim: Nordwestansicht nacli einer Zeiclinung von Berlihuys, 17ü
Aus dem Jahre 1725 sind zwei von Berkhuys gezeichnete Ansichten
des Schlosses erhalten (Abb. 77 b u. c), die den Gesamteindruck richtig W'ieder-
zugeben, aber im einzelnen nicht besonders vertrauenswürdig zu sein scheinen:
so haben die Eckaufbauten des viereckigen Turmes noch die spitzen Helme,
die damals nicht mehr vorhanden waren. Der schon oft angeführte Plan des
Schlosses (Abb. 79) ist im Jahre 1736 aufgenommen durch Johann Conrad
Schlaun (1694— -1773), der eine Reihe hervorragender Bauten für den Bischof
von Münster Clemens August hergestellt hat. Endlich findet sich noch eine
kleine Ansicht des Schlosses auf einem 1737 herausgegebeneu Kupferstich
unter den Bentheim betreffenden Urkunden in der Provinzial-Bibliothek zu
Hannover.
Die älteste Beschreibung des Schlosses, welche es gibt, findet sich in
der, nur in zwei Abschriften (im Kgl. Archiv zu Hannover und im Besitze
*) Nach deai Kataloge holländischer Maler von Hotstede de Gioot hat Ruysdael
das Benth. Schloß 17 mal gemalt.
des Fürstl. Hauses Bentheim) vorhandenen, geschriebenen Geschichte oder
Beschreibung der Reichsgrafschaft Bentheim von Heinr. Am. Rump, ref. Prediger
in Ibbenbüren von 1728 oder 1738. Rump erzählt wörtlich:
„Es waren sonst im Heraufgehen zwei Unterplätze, in ihren absonder-
lichen Mauern und Pforten unterschieden. Zu dem ersten führte ein Torhaus,
welches zur Seite die Niedergerichtsstube hatte und vor welches unter den
Linden den Missetätern die Sentenz gelesen wurde. Gleich auf diesem Platze
zur rechten Hand findet sich die aus purem lebendigen Felsen tief ausgehauene
Tränke, worinnen die gräflichen Pferde abgespület werden und welche zu
Verwunderung bei Menschendenken nicht ausgetrocknet ist. Es ist aber dieser
Platz mit dem Hause abgebrochen, nunmehr offen und frei. Darauf präsentiert
sich die jetzige unterste prächtige Pforte, zu welcher beiden Seiten eine hoch-
aufgeführte Mauer die äußerste Mittagsgrenze macht, über sich aber die
ordinäre Hofgerichtsstube trägt; hiernach passirt man die erste Wacht und
kommt auf den Unterplatz, woselbst von Fremden der zur rechten Seite
befindliche Lustgarten admirirt wird, der gleichsam über den gemeinen
Nordwärts im Tal liegenden Küchengarten schwebt, woher desfalls auch eine
lange Windeltreppe die Beschauer tief vom Platze herunterführt; ohne diesen
Lustgarten aber ist der Schloßplatz noch ziemlich groß und gibt von wegen
seiner Höhe von allen Seiten eine schöne Aussicht. Gehet man ferner hinauf
zu der zweiten Pforte, kommt man erst in einen tiefen trockenen Graben,
der größtenteils aus der Klippe gehauen und worüber eine Zugbrücke zum
Thor leitet, welches, wenn man es passiret, findet sich daselbt die sogenannte
Bögel-Bahn oder Wall mit einigen metallenen Stücken beflanzet. In gleichen
zur rechten Hand der sehr ansehnhche Glockturm mit künstlichem Uhrwerk
und alter vormaliger Kirche. Endlich langet man zur dritten und letzten
Pforte, welches wieder ein herrliches von Quaderstein hoch aufgerichtetes
Gebäude ist und oben die Logementer vor den Kommandanten, unten aber
die Hauptwache hat. Zu dessen linken Seite stehet die angelegte prächtige
Kanzlei und ferner auswärts in der Festungsmauer der starke 4 eckige
Pulverthurm oder Magazin, so oben platt und auf deren vier Ecken mit kleinen
Türmches verzieret ist, welche nachdem sie anno 1703 durch damaligen starken
Windsturm heruntergestürzet, hernach 1706 neu erbauet sind, wie diese auf alle
vier Ecken vertheilte W^orte zu verstehen geben: a teMpestate DeleCta a
tVtore*) reteCta (MDCCVI = 1706). Von da führt der sogenannte scharpen
hövel, oder die Schloßmauer nach Seiten des Fleckens nach dem runden sog.
dicken Thurm und hat längs zur Seiten einwärts ein festangebautes Gebau,
welches nebst verschiedenen Logementern vor die herrschaftliche Bedienten
unten die Pferdeställe und oben die vornehmsten Kornsoller verfaßet. Der besagte
runde Thurm hat oben die unlängst kostbare renovirte Zimmer und unten
an und in der Erde die Gefängnisse vor diejenigen Missetäter, so das Leben
verwirket (sog. Pinige-Keller). Hiernächst hat die Mauer westseits wiederum eine
*) Tutor = Vormund über den gemütskranken Grafen Hermann Friedrich (f 1731)
war der Bischof Clemens August von Köln, welcher durch den Grafen Manderscheid-
Blankheim die Verwaltung der Grafschaft führen ließ.
7*
-<*% KK) H*''-
IJatioiic VOM ficschülz iiiid inworls f^rciiz^'t ;in den Tliurrri ein /war altes
(loch vorlrellliche.s. hocheihahenes (iebüude, die (iallerie genannt, worauf di(
Herrschaften ihr Kßsaal und andere Zimmer, unten aber die Küche haben
Sodann folg(!t nach der Nordseite noch ein besonderer eingesf-hlossenei
inneier l'lat'/, worin die ältesten gebäude stehen und die werke seyn, die
Drusus bereits sollte angelegt haben, nemblich die Schloßcapelle, worin mar
noch Kelicjuien aus der heidnischen Göt/endienst weisen will; daß Archive
item, daß jetzt so genannte öpitzhütchen, die Bierkeller und ferner ostwärts
steht ein Flügel, der zum Brau-, Back- und Milchhaus aptirt ist, woneber
der erstaunenstiefe fiiiinnen, durch die Felsen und ganzen Schloßberg aus-
gehauen, woraus vermittels großer Räder das Wasser mühsam gezogen wird
und nimmer Mangel hat. Von diesem Brunnenhaus an hat endlich noch ein
Flügel die Circumferentz bis wiederum an das gemeldte dritte Tor beschlossen
der vornehmlich noch zu einem besondern Pferden- und Reitstall aptiert war
HO aber, nachdem er durch Windsturm heruntergeworfen, bisher nicht wiedei
erbauet ist, und hier an diese Nordische Seiten ist die auswendige Mauei
glei(^hfalls fürtrefflich aufgeführt und mit einig Geschütz versehen, so daß a^va-
dieser kurzen Beschreibung erhellet, wie das Schloß nicht nur ansehnlich und
massiv erbauet, sondern auch zur defension wegen der Natur sowohl als Kunst
in guten stände sei. Hintor dem Casteel und Küchengarten liegt immediate
der berühmte Wald."
Unter der Verwaltung der hannoverschen Regierung während der
Pfändungszeit in der zweiten Hälfte des XVIII. -Jahrhunderts wurde die bauliche
Unterhaltung des Schlosses stark vernachlässigt. Als im Siebenjähriger
Kriege 1761 die hannoversche Besatzung unter dem Kommandanten Dürre
Ende Mai abziehen mußte, wurde ein Stück der nördlichen Schloßmauer
und zwar der westliche Teil derselben, vom Brau- und Backhaus bis zun
Brunnenhäuschen in die Luft gesprengt und infolgedessen auch das di(
Frauengemächer enthaltende Gebäude (T), das mit seinem Nordgiebel au
der Mauer stand, zerstört. Letztere wird dann bald wieder aufgeführ
sein, denn über der Tür, die von der hier angelegten Wendeltreppi
ins Freie führt, ist die Jahreszahl 1767 eingehauen. Den Pferdestall [0)
der oben die Kornböden enthielt, ließen die Landstände Ende de
XVIII. Jahrhunderts erbauen. Bei der Belagerung des Schlosses durch
Franzosen unter Vandamme im Jahre 1795 wurden die Kanzlei sow
die Galerie {W) und -der Verbindungsbau von da nach dem runde
Turm in Brand geschossen und dann später niedergelegt. Der rund
Turm verlor 1800 seine Spitze durch einen Sturm. Zu Anfang
18-50 er Jahre erhielt er nach Wiederherstellung der oberen Räume da
jetzt vorhandene Dach.
Seit dem Tode Friedrich Karl Philipps, des letzten Grafen der Lini
Bentheim-Bentheim (1803) hat im übrigen Jede neuschaffende ode
erhaltende Bautätigkeit auf dem Schlosse geruht, bis sie seit den 1880(
Jahren unter dem gegenwärtigen Fürsten von Bentheim-Steinfurth wied(
aufgenommen wurde.
->§ 101 ^-
Schloß.
JDer gesamte Schloßkomplex hat etwa die Grundform eines in der bc-
Ost- Westrichtung sehr lang gezogenen Vielecks mit einem bedeutend ein- Schreibung*)
springenden Winkel in der Mitte der Südseite (s. die Pläne, Abb. 79 u. 80).
Dieses Vieleck wird durch eine Befestigungsmauer in zwei, etwa gleiche Teile
(juer geteilt: der östliche, tiefer gelegene Teil enthält den von schwächeren
Mauern umgürteten Vorhof mit einem Torgebäude (das untere Tor) in der
Südmauer und den Schloßgarten. Der Haupthof ist ringsum stärker befestigt
und enthält alle zum Wesen der Burg gehörenden Baulichkeiten, von denen
freilich ein Teil der Zeit, oder, wie schon mitgeteilt, gewaltsam den kriegerischen
Ereignissen zum Opfer gefallen ist. Nach dem Vorhof hin ist eine zwinger-
artigo Anlage vorgelagert, die sogenannte Bögelbahn, die von dem Tor unter-
brochen und im Norden durch die Katharinenkirche abgeschlossen wird :
andererseits über die Südmauer des Vorhofes vortretend, beherrschte sie den
Zugang zum unteren Tor.
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Abb. 81. Schloß in Bentheim; unteres l'forthiius
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Das auf den Fels gegründete, gegen Ende des XVII. Jahrhunderts um- Das untere
gestaltete Torgebäude (Abb. 81) umschließt noch Teile eines älteren Einganges. ^or.
Von dem Tonnengewölbe, welches ihn abdeckte, sind die Ansätze noch vor-
Mit
die
*) Der Architekt Ev erbeck brachte im Jahre 1869 in der Deutschen Bauz ei tun g
Geschichte des Schlosses, Aufnahmen und Beschreibungen. An« dieser Arbeit entnahm
hoff seine Darstellung im Bd. VI der Knnstdenkmäler und Altcrthümcr Hannovers (187i»,
hier teilweise wiedergegeben und durch einige neue Beobachtungen erweitert ist,
102
(i^
li;iii(U'ii. Kcclits und links in der Wund befindet sich je t!ine zugemauerte
'l'ür. Der nach der Südseite zu belegene Bogen dieses älteren Tores ist spitz-
bogig; man kann der Steinfügung nach das Tor als ungefähr gleichzeitig
mit der Kalharinenkirehe (s. (bis.i setzen. Dieses ;ille Tor wurde südwärts
erweitert, nach dem in (Quader und Backstein gewölbten Bogen, der über der
jetzigen rundbogigen Öffnung sichtbar ist, vermutlich schon im XVI. Jahrhundert.
Daim, um 1680, wird der obere Aufbau hinzugefügt sein, dessen Mittelteil durch
jonische Pilaster gegliedert ist und zwischen ihnen eine zarte Kustikabehand-
lung erfahren hat. Im Mittelfeld das Bentheimsche Wappen mit frei aus-
gearbeitetem Kronreifen darüber und umrahmt von Schnörkelwerk.
Abb. 8l'. Schloß in Bentheim,
Sonnenuhr.
Abb. 83 b. Schloß in Bentheim;
inneres Pforthaus (s. Lageplan in O).
Ein hier vorhanden gewesenes Fallgatter ist erst in der ersten Hälft •
des XIX. Jahrhunderts beseitigt. In der Durchfahrt finden sich auf einiget
Werksteinen in Linien eingehauen verschiedene Zeichen, die mit dem hier geübtei
Gericht in Zusammenhang zu stehen scheinen. Einfache Kreuze, zum Teil ii
Verbindung mit Dreieck und Drudenfuß, unter einem anderen das Monogramn
('hristi und auf 2 Steinen ein Rad. Nach Rump befand sich über dem Ein
gang die Hofgerichtsstube, und eine Urkunde vom 9. Nov. 1524 läßt erkennen
daß unter der Linde vor der Burg Gericht gehalten wurde.
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a
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-->^ 103 S^
Die Vorburg enthielt den die größere, östliche Hälfte einnehmenden, Vorburg,
in Beete geteilten Küchengarten, daneben nördlich einen Ziergarten (C) (darin
die Sonnenuhr Abb. 82), aus welchem an der Nordmauer eine Ausfallpforte
mit Treppe an den bewaldeten Fuß des Burgfelsens führte.
Vom Torhause steigt der Weg im Bogen bis zu der Stelle, wo das
nicht mehr vorhandene erste Binnentor {E) stand. Das schmale, zu einer die
Vorburg schützenden Batterie eingerichtete Erdreich links daneben (F) wird
durch eine Futtermauer, die eine krenelierte Brüstung sowie ein Ecktürmchen
trägt, gehalten und von der ebenfalls krenelierten Burgmauer überragt.
Nur wenige Schritte von der ehemaligen Stätte des Binnentores ent- Eingang zur
fernt liegt das eigentliche Burgtor (G), dessen Durchfahrt mit einem Tonnen- ^^i^P^^J^^B-
gewölbe überspannt ist. Dieses und das Kernmauerwerk des Erdgeschosses
stammt noch aus spätromanischer Zeit, während die außen und innen vor-
gesetzte, prächtige, durch Pilasterstellungen belebte Rustikaarchitektur dem
Ende des XVII. Jahrhunderts angehört. Über dem Eingang ist an seiner Westseite
ein reich ausgestattetes Wappen mit Krone darüber (Tafel 8, Abb. 83a), an der
Ostseite ein aus den Buchstaben E und C*) zusammengesetztes Monogramm
angebracht (Abb. 83 b). Das Tor (Abb. 83) bildet den einzigen Zugang zum Burg-
hofe; nur in der Nordmauer zeigt sich noch ein Ausfallfpörtchen mit Treppe.
Der Burgplatz ist, soweit nicht Gebäude die äußere Begrenzung Hauptburg
ausmachen, mit sehr hohen und starken Mauern eingefaßt. Sie sind durch
steinerne Treppen zugänglich und durchgehends mit einem breiten, nach
Abb. 85. Schloß in Bentheim ; Katharineiikirche, Grundriß (1 ; 250).
außen hin durch eine krenelierte Brustmauer geschützten Plattengange
versehen, der hier und da mit vorgekragten Türmchen, auch mit Terrassen
zur Aufstellung von Geschützen in Verbindung gebracht ist (Tafel 9, Abb. 84).
Die Mauern mögen in ihrer jetzigen Gestalt im wesentlichen aus der Mitte
des XVII. Jahrhunderts herrühren.
*) Graf (c = comes) Ernst Wilhelm von Bentheim (1643— 1G93). Vgl. S. 96 u. 120.
-^ 1U4 iK-
Bmnkapcllc
(Katlijuincn-
kirclio).
Zu licidt'ii Scilfii di-s Hm^toros laf^nn auf dfin Burghöfe Wach-
}^el»äii(lo (./): (las nönlliclic flcrselbeii ist noch erhalten. Neben diesem steht
die chonialigo Hiirgkapelle iK).
Der BtirgkapfiUe, die auch unter dem Namen ..Katharinenkirche ' er-
scheint, wird urkundlich 1415 gedacht, in welchem -lahre der (jraf Bernhard
von Bentheim ,,eyn Altar belegen up der Borch to Kenthem in unser ("apellen"
stiftete; zu dessen Bedienung er verschiedene Renten auss(;tzte. 1525, 28. Okt.
wird Gerdt Hylbrands als Vikar des
St.-Antonius-Altares aufgeführt. Graf
Arnold 1. ließ die Kapelle 1544 für den
lutherischen Gottesdienst herrichten.
Im Jahre 1606 wird wahrscheinlich
eine Wiederherstellung des Innern vor-
genonnnen sein, oder aber, die Nach-
richt, daß Graf Arnold in diesem Jahre
einen Raum auf dem Schlosse mit
,, Predigtstuhl, anderen Gestühlen, tisch
und taufplatz" ausstattete, bezieht sich
auf den „Heidentempel" genannten Raum
der Kronenburg (Döhmann a. a. 0. S. 63).
Unter Ernst Wilhelm eine Zeitlang
den Katholiken überlassen, wurde die
Katharinenkirche nach Erbauung der
katholischen Kirche der reformierten
Schloßgemeinde zurückgegeben. Im
Jahre 1767 diente sie nicht mehr kirch-
lichen Zwecken: der Boden war hoch
mit Unrat bedeckt, von der Ausstattung
nichts mehr vorhanden. Nur auf der
linken Seite, wo der Altar gestanden,
befand sich an der Wand „in erhabener
Gipsarbeit ein geharnischter Mann zu
Pferde, so wie der Ritter St. Georg
abgezeichnet wird".
Die ehemalige, jetzt als Remise
benutzte Schloßkapelle (Abb. 85) besteht
aus einem Langhause mit östlich davor
Hegendem Chor. Dieser ist ein im
Grundriß quadratischer, einst gewölbt
gewesener Raum spätromanischer Anlage
(Abb. 86). Die Wandvorlagen für die
spitzen Schildbögen sind mit Ecksäulen
versehen, die sich oberhalb ihrer Kapitelle als rundwulstige Rippen fortsetzen;
das Gewölbe selbst ist eingestürzt. Die Fenster sind rundbogig
geschlossen.
Abb. 86. Schloß in Bentheim;
Katharinenkirche: Turm, Schnitt (t : 250).
->^ 105 %<-
Das Langhaus war mit flacher Decke, deren Balken auf Konsolen
ruhten, abgedeckt. Die Westwand wird durch die alte, schräg zur Schiffs-
mittelachse verlaufende Burgmauer gebildet; darin liegt der breite Eingang
zur Kirche. Die einzigen beiden Fenster des Schiffes liegen in dessen Süd-
wand und sind s])itzbogig geschlossen.
Abb. 87. Schloß in Bentlieim; Wachtstube (s. Lageplan J).
Das Obergeschoß über dem Chorgewölbe ist in spätgotischer Zeit
ausgebaut und hat in der Westwand einen Kamin. Die Fenster sind mit
geradem Sturz und rohem Entlastungsbogen versehen ; eine Tür führt auf
das Dachgeschoß des Schiffes.
Der mit 4 Ecktürmchen besetzte Turmhelm, der oben jetzt in Form einer
flachen Pyramide abgedeckt ist, trug früher über einer kräftigen kugeligen
Ausbauchung eine Laterne mit Zwiebelhaube. Dieser malerische Aufbau ist im
Jahre 1778 wegen Baufälligkeit abgetragen worden.
Eine Glocke, unterer Durchmesser 0,46 m, stammt aus dem Jahre 1519 (?) Glocke,
und hat zur Inschrift in gotischen Kleinbuchstaben : Jhesus. Maria. Johanes.
Volkerus. me. fecit. mcccccxix (?).
llauptbiirf;, Nnlx'ii der Wache (J) (s. a. Ahb. ^7) führt eine Stiogo von :j4 Stufen zu
NordBoito ,,,.j. ,„),.,iii,.j„.„ 15,11 aniauer fiinauf. Der I^lattengarig daselbst liält 2 in Breite;
die mit Schußs])alten versehene Brustmauer von 0,80 m Breite und 2,;34 m
Höhe ist an dieser Stelle mit einem vor^ekragten runden, innen 2,34 ni
hohen Steinlürmchen von ,,Anno 1B66" versehen. Diese bis zu der unten zu
besprechenden Kronenburg sich hinziehende Mauer zeigt eine lange, durch
die 1761 vorgenommene Sprengung entstandene Lücke, bei deren Beginn
etwa das Brunnenhäuschen (S) steht. Weiterhin liegt die erwähnte, von einem
achteckigen Zeltdache geschützte Ausfallpforte mit Trep])e. Von den auf
dem Grundrisse in Schraffur angedeuteten Gebäuden enthielt dasjenige, das
einst sich längs dieser Mauer hinzog, die Stallungen {/?), das dann folgende, mit
dem Nordgiebel die Mauer berührende, die Frauengeniächer (T).
Hauptbüro, Das nicht mehr vorhandene Gebäude {11} südlich vom Burgtor dier»te
Sudscite. .^j^ Kanzlei; weiterhin, bei dem quadratischen Turme {M} lag die Schmiede.
Der für sich stehende, einem Bergfried zu vergleichende Turm neben der
südöstlichen Burgmauer zieht durch seine gewaltige, hochaufragende und
wirkungsvoll bekrönte Masse den BUck besonders auf sich. Der Eingang zum
Turm ist von hier nur auf einem Umwege erreichbar. Eine Treppe neben dem
Ostgiebel des an der Südmauer befindlichen, der neueren Zeit angehörenden
Wohnhauses [0] führt zu einer 3,75 m über dem Hofpflaster liegenden Terrasse (AT).
Von dieser leitet eine zweite Stiege zu einer, mit dem südöstlichen (hier mit
einem vorgekragten Türmchen versehenen) Mauergange verbundenen Plattform,
die zu einem Geschützstande nach zwei Seiten hin ausgeweitet ist und etwa
14m hoch über dem angrenzenden Vorgelände liegt. Auf dieser steht noch
jetzt ein zierlich gearbeitetes Lafettengeschütz von Bronze, das außer dem
gräflichen Wappen folgende Inschrift in lateinischen Majuskeln trägt:
?]verw4n Grave To Benthem
Teklenborch Und Stenvorde Her To
Rede Und Wevehnckhove Ec.
(Ornamentstreif)
Uueme dat Veit dat rade ich
Wen ich spreck so hoet dich
Hans Wideman goet mich.
Anno Dni 1557.
\'on dieser Plattform ab ist der quadratische Turm (M) (s. a. Abb. 88)
Vicreckigor ^^ seiner südhchen Seite durch eine schmale Treppe und Tür zugänglich.
Turm. Das Äußere desselben zeigt ein schlichtes, nur von einigen Schießscharten
durchbrochenes Quadergemäuer aus großen Werkstücken, oben aber eine auf
Konsolen und halbrunden (innen durch Nasenansätze kleeblattförmigen
Bögen ruhende, krenelierte Brüstungsmauer und an den vier Ecken je ein
vorgekragtes, achtseitiges, mit Schußplatten versehenes und oben kuppeiförmig
ausgehendes Quadertürmchen. Diese Türmchen sind 1706 wiederhergestellt,
wie das aus folgendem, auf ihrer Abdeckung angebrachten Chronogramm erhellt:
TE MPESTATIO DFJeC'PA A tVtORE RETECtA*)
*) Vgl. S. 97 Anm.
->^ 107 S^-
Der Turm selbst stammt aus der Spätgotik. Au seiner Westseite
erscheinen in bedeutender Höhe und schwer kenntHch zwei, von einer Inschrift
begleitete Wappen, und zwar zur Linken des Beschauers ein Schild mit den
bentheimschen Pfennigen. Die Inschrift daran lautet nach der auf Seite 91),
Anm., angegebenen Baubeschreibung:
,,In't Jar unses Heren mccccxyiu") wort deze torn tot Benthem
erbowet door den edelen Junckherr Everwyn, graven to Benthem et Tecklenborg."
Abb. 88. Schloß in Bentheim; viereckiger Turin.
An seiner Ostseite befinden sich unter einer Inschrift ebenfalls zwei
Wappen: zur Linken des Beschauers Bentheim, ziu- Rechten Mecklenburg.
Von der Inschrift fehlt die oberste Zeile ganz. Aus den Wappen erhellt aber, daß
ersteres dem Grafen Everwin IL von Bentheim und letzteres seiner Gemahlin
Ingeburg, Tochter Ulrichs, des letzten Herzogs von Mecklenburg-Stargard,
welche er um 1489 heiratete, angehört.
*) Everwin I. erbte erst 1421 die Grafschaft Bentheim-, die Lesart der Jahreszahl
ist daher mit Vorbehalt aufzunehmen.
..^ K)K ;?^
Die iiiiK'i'o i^ijiriclitiinj: «Ics 'J'iJiiiifs Noriinsclüuiliclil der hi'i MiUioff lirl. VI
auf Tafel \'II ^c^chorif Sclinill. Heim Eintritt in das untere Gescfioß zeigt .sich
xnittcn im KufAboden eine runde ()ffnung als Zuganfz zu einem Verließ oder
Keller, desseh Fußboden 12,15 m tiefer liegt, und noch 0,07 m unter dem
Erdreich des Hofes sich befindet. Das Verließ ist von f|uadratischem Grund-
riß, hält 4,12 m Seite und i.st (bis auf die erwähnte Öffnung) mit einem
ToiHicngewölbe geschlossen. Die Stärke der Einfassungen beträgt hier o.fJl) m.
der Turm hält hiernach 14,30 m Seite. Das Geschof.S oberhalb des Verließes
ist ebenfalls ({uadratisch und mit einem Tonnengewölbe überdeckt, hat aber
auch ein Zwischengebälk, Dicht über dem Steinfußboden dieses Geschosses
befindet sich nach drei Richtungen hin je eine Schießscharte. Die Um-
fassungsmauern sind hier noch 4,(57 m dick. Eine hölzerne Treppe stellt die
Verbindung mit dem obersten Turmge.schosse her. Dieses, im Lichten G,25 m
weit und an drei Seiten mit je einer SchiefSscharte versehen, wird von einem
Kreuzgewölbe überspannt. Letzteres ist oben mit Gefälle abgedeckt. Zu der
dadurch gebildeten, wie vorhin ervVähnt, mit einem Zinnenkranze au.sgestatteten
Plattform führt ehie massive, gewundene Treppe, die in einem der vorge-
kragten Ecktürmchen ihren Austritt hat. Sie setzt über dem Tonnengewölbe
des unteren Geschosses an und trägt dieselben Steinmetzzeichen, die sich auch
an der Treppe des runden Turmes finden. Die ganze Höhe des Turmes
über dem Fuße der Burgmauer beträgt etwa 80,20 m, und er beherrscht, da
er ohnehin einen so hervorragenden Standpunkt einnimmt, seine Umgebung
auf weite Entfernung.
Wolmhaus. D^s vorhin als neues Wohnhaus (0) bezeichnete, gegen Ende des
XVlü. Jahrhunderts von den Landständen der Grafschaft errichtete Gebäude
an der Südseite zeigt am Hofe ein hohes Erdgeschoß, darüber ein Halbgeschoß
und oben das Hauptgeschoß mit einer Tür nach dem Mauergange, der hier
als Söller dient und statt der bezinnten Brüstung ein Eisengeländer mit
Steinpfosten hat. Was für ein Gebäude an dieser, hinsichtlich der Aussicht bevor-
zugten Stelle des Burghofes früher gestanden hat, darüber fehlt es an Nachrichten.
An den Westgiebel des neuen Wohnhauses schließt sich ein Zwischen-
bau mit Wendelstiege, und diesem folgt ein außen rund vortretender, innen
abgeplatteter, 17,80 m im Durchmesser haltender Festungsturm (P; s. a. Abb. 89).
Sein kegelförmiges Dach wurde bei der Belagerung durch Vandamme abgeschossen.
Runder Der Runde Turm (P) in der Südwestecke des Schlosses ist
lurm. ^^^f (jgj^ Felsen gegründet mit nicht sehr hohem Fundament, dessen Absatz
mit einfacher Schräge jirofiliert ist. Die Steine sind von sehr langer Form
und konvex gearbeitet. Etwa in Höhe des Erdgeschosses findet sich außen,
gen Südwesten zu, der Rest eines Spruchbandes mit ,
unleserlichen Buchstaben. An den Wänden des S — X- -^ — )(^ — -j
Erdgeschosses sind Steinmetzzeichen häufig. Die ^
außerordentlich starke Umfassungsmauer erhebt sich doppelgeschossig in
schlichter Masse bis zur Höhe des Plattenganges der Burgmauer. Hier
beginnt das dritte Geschoß, von einem um 0,25 m vorgekragten Bogenfriesc
ausgehend und wird oben von einem ähnlichen, jedoch der Konsolen ent-
->« 109 g*^
behrenden Bogenfriese imisäumt. Beide Friese gehören der Periode der Gotik
und etwa derselben Zeit an, aus welcher der vorhin besprochene viereckige
Turm herrührt. Der untere Fries wird an drei Stellen durch .mächtige Kon-
solen in Form eines halben Achtecks unterbrochen, welche jetzt zwar nur
Abb. Sil Schloß in Bentheim: runder Turm.
je einen, von einem Geländer in Renaissanceformen eingefaßten Balkon tragen,
früher aber, wie alte Abbildungen des Schlosses zeigen, zur Aufnahme von
drei Erkern dienten, deren Mauerwerk bis zum Borde des Turmdachs reichte
und mit je einem Helme bekrönt war. Der Fußboden des untersten Geschosses
liegt um 5,45 m tiefer als das Hofterrain und steht sowohl mit dem Hofe,
als auch mit der im Grundrisse des nächstfolgenden Geschosses angegebenen
-o« 110 ?w-
W<'n(lplin!|i))(' ((li(^ wahrschoinlicli bis zum oberston Stockwerke führte) durch
underwoite Treppen in Veibindung. Außerdem ist ein Zusammenhang der
verschiedenen Geschosse durch je eine in dem betreffenden Fußboden ange-
brachte runde Öffnung von 0,50 iri Durchmesser hergestellt. Das unterste
Geschoß von (juadratischer Grundform enthält zwei Schießscharten und ist
mit einem von Konsolen ausgehenden, gotischen Kreuzgewölbe überspannt.
Das durch eine kleine 'JVepi)e vom Hofe ah zugängliche Mittelgeschoß hat
einen kreisförmigen Querschnitt von etwa 8 m Durchmesser, bei 4,90 m
Mauerstärke, und ist durch eine Art Kuppelgewölbe vermittels Überkragung
sdiräg und kreisförniig ])e}iauener Ringsteine geschlossen. Die Schießscharteji
sind für grobes Geschütz eingerichtet, und oben mit Rauch-Abzugskanälen
versehen. Das oberste Geschoß ist nicht mehr im ursprünglichen Zustande,
sondern durch diametral gestellte Wände in keilförmige Zimmer abgeteilt,
und in der Mitte sind kolossale Schornsteinröhren bis zur Helmspitze auf-
geführt, wo sie in Form eines korinthisierenden Kapitals enden. Der Fußboden
dieses Geschosses hegt, wie erwähnt, in Höhe des Mauerganges, der von hier,
an einer in der Mauerbiegung einst befindlichen Batterie (}') vorüber, bis zu der
im Westen des Burghofs gelegenen Gebäudegruppe führt.
Kronenburg. Es ist dies die Kronenburg (i\.bb. 90) (A'), vermuthch so genannt
nach den aus Sandstein gehauenen Grafenkronen, die als Schornsteinaufsätze
gedient und gewissermaßen die Wahrzeichen des Hauses gebildet hatten.
(Eine solche Krone wird noch jetzt im Schloßhof aufbewahrt.) Sie nähert sich
im Grundrisse der Hufeisenform, hatte früher aber noch ein zum Südflügel recht-
winkelig stehendes Gebäude und war am Nordostende durch einen Zw^ischenbau
mit dem oben erwähnten, die Frauengemächer und den Rittersaal enthaltenden
Hause (T) und dem daneben gelegenen Ausfallpf Örtchen verbunden. Die mit
steilen Giebeln versehene Kronenburg trug noch zu Mithoffs Zeit ein mittel-
alterliches Gepräge. Sie stammt in den ältesten Teilen noch aus der Periode
des romanischen Stils, zeigte aber im wesentlichen gotische Formen (etwa aus
der Zeit Everwins d. Reichen), stellenweise auch Renaissancebildungen.
Letztere fanden sich im restaurierten Teile des südlichen, dreigeschossigen,
damals wieder in Verfall geratenen Flügels, wo die in den beiden oberen
Geschossen enthaltenen Gemächer mit Stuckdecken und Kachelöfen versehen
w'aren. Das Erdgeschoß hatte seineu mittelalterlichen Charakter insoweit bewahrt,
als an der nordöstlichen Ecke der Halle, deren fehlendes Gebälk auf Konsolen
geruht hatte, in zwei Spitzbogenarkaden nach avißen sich öffnete. Über
diesen erschien im Mittelgeschoß eine Balkonanlage. Die Fenster waren hier
oben rechteckig, zum Teil gekuppelt, und mit steinernen Kreuzpfosten versehen.
In den 1880er Jahren hat die Kronenburg durch den jetzt verstorbenen
Architekten Nordhof einen Ausbau erfahren im Stile der Neugotik, so daß
sie heute völlig verändert erscheint. In der gleichen Stilart wurde damals
ein gebogener, zweistöckiger Verbindungsgang von dem alten Wohnhause {0)
im Süden nach den Prunkgemächern der Kronenburg neu geschaffen, der
einen toten Winkel in der Südwestecke der Burg abschert. Die Erneuerungs-
arbeiten sind 1911 wieder aufgenommen worden.
->*S 111 Sk-
Vou der Kronenbiirg wird der nordwestliche, dem Drususfelseu gegen-
überliegende Eckraum mit dem Namen Heidentempel bezeichnet. Er diente
ziüetzt bis 1868 als Schloßkapelle. Da er aber mit einem Kamin ausgestattet
ist, war er ursprünglich wohl für Profanzwecke bestimmt und wird erst zur
Kapelle hergerichtet sein, als die Katharinenkirche nicht mehr benutzt wurde.
Aus ihr herübergebracht war vermutlich die steinerne Renaissancekanzel, die
sich hier befand. Teile der mit Rundbogenfüllungen versehenen Brüstung
Abb. 90 Schloß in Benthelm ; Kronenburg, heutiger Zustand.
werden im viereckigen Turm aufbewahrt, während der Untersatz jetzt als
Fuß eines steinernen Tisches in den gärtnerischen Anlagen des oberen Schloß-
hofes steht. Das Gestühl der Kapelle zeigte neuere Formen. Der Raum hat in
der Westwand zwei tiefe Nischen. Die Überlieferung, die Wand habe an
diesen Stellen arkadenartige Öffnungen gegen den einzelstehenden (Opfer-)
Felsenstein gehabt, ist mit dem Befinide nicht vereinbar. Die Nordwestecke
des Raumes ist abgeschrägt. Dahinein legt sich ein Kamin, der Jüngst erneuert
wurde. Im oberen Stockwerk liegt dementsprechend ein zweiter Kamin. Der
durch beide Stockwerke gehende Mittelpfeiler (Tafel 8, Abb, 91) steht auf acht-
eckiger Basis. Der Schaft ist zunächst rund und geht etwa in der Höhe von
2,45 m über der Fußplatte in die Form eines achtseitigen Prismas über. Die
Balken des oberen Stockwerkes haben ehemals auf kurzen Streichbalken
gelegen, die ihrerseits auf Konsölchen ruhten, welche aus dem Pfeiler bzw.
Iaus den Wänden herausragten. Im oberen Geschoß behält der Pfeiler, die
Form des achtseitigen Prismas bei. Unterhalb des hohlkehligen Kämpfers
\2 8^
liindiirc li Cortsflzon. Dor liaiiiii olx'ii ist ;iiif I{i|»|K'n <^('\\'ü\\A. KWc stilistisdien
Mcrkinalo weist^n auf die; Zeil tun I4H0 hin (vgl. Dflails df.'r Scliüttori'cr Kirche).
Die Nordwand des Heidentemiiels hat im Krdj^e.schoß fiiie rundbogige Tür mit
symmetrisch dazu bejegenen nmdbogigoji Fenstern — das westhciie ist Blende —
A))l). i>2. Schloß in Bentheim; Kruzitixus.
und kreisrunden Fenstern. Die Quader dieser Wandfläche sind winkelrecht
behauen, von verschiedener Größe, meist klein; die wagerechte Fuge ist
möglichst durchgeführt. Danach gehört dieser Gebäudeteil zeitlich ungefähr
zusammen mit der Katharinenkirche. Anfang des XIII. Jahrhunderts.
Kruzitixus. Ein Kruzifix aus Stein (Abb. 92), das Anfang des XIX. Jahrhunderts,
auf dem sogenannten Kreuzkamp in der Niederung südlich des Schloßberges
gefunden wurde, hat auf dem Schlosse im Haupthof Aufstellung gefunden.
Die Höhe beträgt etwa 2,45 m. Der Kreuzschaft hat eine attische Basis mit
verwitterten Eckblättern; seine Kanten sind im unteren Teil wenig scharf
ausgeprägt. Die Christusfigur ist in steifer Haltung unbeholfen dargestellt.
'afcl 9.
Abb. 84 u. 104.
SCHLOSS IN BENTHFJM; Mauerstück beim Viereckigen Turm und Turm der
Katiiarinenkirche. - KATHOLISCHE KIRCHE IN BENTHEIM; Innenansicht.
->3 113 S-c--
der Kopf mit wallendem Haupthaar ist geradeaus gerichtet, die Arme sind
gewinkelt, die Lenden mit einem bis über die Knie herabfallenden Tuch ver-
hüllt; die Füße scheinen auf einer Unterlage ruhend gedacht zu sein. Die
Skulptur ist wegen ihres verwitterten Zustandes schwer zu datieren. (XII. Jahrh. ?)
Reformierte Kirche.
Die Bentheimer Pfarre ist von dem Gildehäuser Pfarrbezirk abgetrennt Geschichte,
worden: in einer Urkunde aus dem Jahre 1226 bekundet Graf Balduin von
Abb. ;i3. Reformierte Kirche in Bentheim ; Ansicht von Xordwesten.
Abb. 94. Reformierte Kirche in Bentheim; Grundriß (1:250).
-^^ 114 if^
Beniheini die Ahsidil „ante casiruin iiostrum Beutliem" (Jung, C. J). Xr. 825)
eine Kirche zu bauen. Die Absicht wurde aber, wie es scheint, erst weit
später ausgeführt. In einer Uikuiido des Bischofs Ludwig von Münster aus
Abb. 95. Reformierte Kirche in Bentheim; Turm mit Querschnitt; Ciuerschnitt durch die Kirche (1:250).
dem Jahre 1321 (Jung, C. D. Nr. 60) ist davon die Rede, daß Johannes II. als
Patron der ,,juxta monteni castri Benthem" zu gründenden oder eben im
Entstehen begriffenen Kirche einige von der Gildehäuser Parochie abgetrennte
Ländereien der neuen Kirche zuw^eist, wofür Jene Entschädigung erhält. Im
->§ 115 g-:-
Jahre 1372 wird in einer Urkunde (Jung, C. D. Nr. 100), in welcher die
Stiftung einer .,ewighen marc gheldes pennighe" behandelt wird, die Kirche
als bestehend angenommen.
Diese — füglich gotische — Kirche, deren Schutzheihger der hl. Johannes
der Täufer (siehe Tibus a. a. 0. S. 912) war, wurde im Jahre 1696 durch das
gegenwärtige Gotteshaus (Abb. 93) ersetzt,
wie die Inschriften daran vermelden.
Von der alten gotischen Kirche scheinen
Reste in dem von der jüngeren Kirche um-
schlossenen, sogenannten Archive erhalten
zu sein (s. d. Grundriß Abb. 94). Dieser
Raum "•■) ist auf tiefansetzenden, hohlkehligen
Rippen gewölbt und enthält einen unter-
irdischen Grabkeller, welcher mit einer
Tonne aus Ziegeln abgedeckt ist (s. Abb. 95
hnks). Die Kirche von 1696 stellt im Grund-
riß ein langes, ostwestlich orientiertes
Rechteck dar mit dem Turm an der östli-
chen Schmalseite. Sie ist in Backstein mit
äußerhcher Verblendung von Bentheimer
Sandsteinquadern errichtet und hat innen
wie außen vorspringende Wandpfeiler.
Die Decke des Kirchenraumes, eine in Holz
nachgeahmte Kreuzwölbung, zwischen Sand-
steingurten, ist am Dachstuhl aufgehängt.
Die Fenster — durch Pfosten geteilt —
sind rundbogig geschlossen. Die Türen in
den Mittelachsen der Ost-, Nord- und West-
wand zeigen geschmackvoll geghederte Um-
rahmungen mit Spruchinschriften und der
Jahreszahl 1696 oberhalb des Sturzes.
Der Turm tritt im Grundriß der Kirche
nicht hervor; er ist quadratisch angelegt
und steigt oberhalb der Mitte der Ostfront
in vier durch Bandsimse bezeichneten Ge-
schossen empor. Das Obergeschoß geht in
ein Achteck über und enthält rundbogige
Schallöffnungen in Jeder der Seitenflächen.
Die als achtseitige, bauchige Haube aus-
gebildete Turmbedeckung trägt eine offene,
mit glockenförmigem Dach versehene Laterne.
In der Nordostecke des Schiffes ist auf einem
in situ befindlichen Renaissancekamin als Sockel ein Sandsteinepitaph
Be-
schreibuni!;.
§
^BcM'
5l
Abb. 96. Reformierte Kirche in Bentheim;
Epitaph von 1684, rechte Hälfte.
wie es scheint — Epitaph.
*) In einer Handschrift über das Leben des Grafen Arnold (s. Döhmann a. a. 0. S. 17,
auch S. 71^ wird er Gerkammer genannt. tJber Ger = Gerve vgl. Anm. auf S. 216.
8*
^^ ik; ?.-
Abb. 97. Reformierte Kirche in IJentheim; Glockeninschrift.
Glocken.
aufgesetzt (Abb. 96), dessen
Widmungsinsehrift der 1584 ver-
storbenen Gemahlin des Grafen
Everwyn III. gilt. Es ist im
wesentlichen ein Retabulura mit
Predella und seithchen Pilastern
— der Oberteil ist durch die
Orgelp rieche verdeckt — , dessen
Mittelstück die rechteckige
Inschrifttafel mit einem durch
Kartuschen und Rollbandwerk
ornamentierten Rahmen trägt
Die kannelierten Seitenpilastei
sind mit Wappenschilden belegt
Das Ganze ist durch Übertünchen
um die Schärfe seiner Former
gebracht.
Die älteste Glocke aus derr
Jahre 1436, unterer Durchmesse!
1,08 m, hat die Inschrift
Signum • do • coro • mortuos • fleo
festa • decoro • ivio (?) • aunc
dni • m cccc • xxx • vi • (Abb. 97)
Die zweite Glocke, untere:
Durchmesser 1,18 m, stamnn
Abb. 98. Reformierte Kirche in Bentheim; Kanzel.
->^ 117 gK-
•
aus dem Jahre 1641 und hat Ornamentbänder mit Engelsköpfen. Die Inschrift
in lateinischen Großbuchstaben lautet: Viel hatts verdrossen noch bin ich
gössen hier in der Gemein im Jahre MDCXL und ein • Fransis Hemony
Lotharing me fecit. Die dritte ist 1891 umgegossen.
Die Kanzel, nach Möller (a. a. 0. S. 92) vom Grafen Ernst Wilhelm Kanzel,
gestiftet, besteht aus Sandstein (Abb. 98). Der achtseitige, aus Sandsteinplatten
zusammengesetzte Stuhl, ruht auf rundem, mit achtseitiger Ifußplatte ver-
sehenen Ständer. Die Stuhlflächen tragen zum Teil biblische Inschriften; an
der Vorderfläche ist das Monogramm des Stifters mit einer Krone angebracht.
Abb. 99. Reformierte Kirche in Bentheiui; Sarkophag.
In der ,, Gerkammer" ruht auf Wandkonsolen, ebenerdig, der Sand- Sarkophaj
Steinsarkophag der 1584 verstorbenen Prinzessin Amoena von Bentheim-
Tecklenburg (geb. 1581), mit der vollplastischen Bildnisfigur des im Totenkleide
daliegenden Kindes (Abb. 99).
Katholische Kirche.
Die kathohsche Kirche zu Bentheim, am nördlichen Abhänge des Geschichte.
Schloßberges, nordwestlich des Schlosses belegen, ist eine Gründung des
Grafen Ernst Wilhelm von Bentheim, auf die das Schutzpatronat des hl.
Johannes des Täufers übertragen wurde, nachdem die alte Kirche dem
protestantischen Gottesdienst gewidmet war. Nach Möller (a. a. 0. S. 93)
wurde der erste Stein zu dem katholischen Gotteshause am 11. Juni 1670
gelegt und die Weihe 1676 vollzogen. Eine Inschrift, die ehemals im Westgiebel
eingelassen war und seit Erbauung eines Turmes an dessen Front angebracht
wurde, besagt, daß die Kirche im Jahre 1674 vom Grafen Ernst Wilhelm von
Grund aus neu errichtet worden sei.
Die Kirche (Abb. 100), in Bentheimer Haustein ausgeführt, besteht Be-
aus einem Langhause mit schmalerem Chor (Abb. 101), der in fünf Seiten Schreibung.
eirios regelrnüßif^on Achtecks geschlossen ist. Scliiff und Chor hahen eine
fiiopuizte Bretterdecke nach der Form r-ines Spiegelgcwölbes (Abh. 102), die am
Abb. 100. Katholische Kirche in Bentheim: Ansiclit von Südost.
Daclistuhl aufgehängt ist und über einem Stuckgesims ansetzt. Die Fenster
mit bleiverglasten Scheiben, die die Wappen der Stifter mit der Jahreszahl 1676
tragen (Abb. 103). sind durch ungegliederte Pfosten geteilt und die einzelnen
Lichtöffnungen in der Weise mit Rundbogen geschlossen, daß diese aus dem
gemeinsamen Fenstersturz herausgearbeitet sind. Die auf vier Säulen ruhende
Westempore tritt in der Mitte weit vor, weicht beiderseits aber in gebogener
Form zurück, so daß die westlichen Schiffsfenster nicht überschnitten werden.
Abb 101. Kathulische Kirche,'.in3Bentheiiii Grundrifi (1 250).
->^ iiy !3^-
-^ 120 8--'
Die Kirche, die außen, im Gegensatz zu dor etwa gleichzeitig ent-
standenen reformierten Kirche, durch die Anonhiung der Strebepfeiler und
auch sonst in der I'Jinzelaushildung ein Zurückgreifen auf gotische Form-
gebung erkennen läßt, hat 1895 einen Turm erhalten, oberhalb dessen Portal,
wie bereits mitgeteilt wurde, die Stiftungsinschrift wieder eingesetzt ist:
AD MAIOREM DEI OFT. MAX. GLDFtlAM F;r
IN HOiNOREM S JOANNIS BAPTIST^:
ERNESTUS WILHELMUS COMES IN BENTHEIMB
etc. etc.
HOC TEMHUM A FÖNDAMENTIS EXyEDIFICAVFr
" ANNO 1674 (s. a. Mithoff VI, S. 28.)
Der bei Mithoff erwähnte Dachreiter ist gleichzeitig entfernt.
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Abb. 103. Katholische Kirche in Bentheim; Glasfenster von 1676
Altar. Der Hochaltar, aus Holz (Tafel 9, Abb. 104), mit hoher Predella und
gedrehten korinthischen Säulen, die ein verkröpftes Gebälk mit gebrochenem
Segmentgiebel stützen, enthält im Retabulum ein Christi Auferstehung dar-
-)-8 121 gK-
Abb 105. Katholische Kirche in Bentheim; Kückwand einer Kirchenbank
(jetzt im Besitz des Herrn E. Cordes, Bentheim).
Abb. 106. Kathol. Ivirche in Bentheim;
Altarleuchtsr.
steUeiides, im Halbkreise geschlossenes
Ölgemälde. Die Seitenteile bestehen aus
einem Ornamentschnitzwerk in Knorpelstil-
formen und tragen Je eine auf Holz gemalte
und ausgeschnittene Apostelstatue.
Das bekrönende Stück enthält ein
das Haupt Johannis des Täufers dar-
stellendes Ölbild, dessen breitrechteckiger
Rahmen mit Ornamenten reich belegt
und oben durch eine gebrochene Giebel-
verdachung geschlossen ist, überragt von
einer thronenden Madonna.
Die beiden Nebenaltäre zeigen ent-
sprechende Ausbildung. Die Ölbilder stellen
dar: links die heilige Familie mit Elisabeth
und Johannes, rechts die Flucht nach
Ägypten.
Von der bei Mithoff VI, S. 28, Gestühl,
erwähnten Kirchenbank befindet sich die
Rücklehne heute im Privatbesitz des Herrn
E. Cordes, Bentheim (Abb. 105). Das noch
vorhandene Chorgestühl hat in der Brüstung
und der hohen Rücklehne gekröpfte
Füllungen.
Die Kanzel (Tafel 9, Abb. 104), Holz, Kanzel,
mit achtseitigem Stuhl und Schalldeckel,
hat gedrehte korinthische Säulchen mit
Verkröpf ungen an deij Stuhlkanten; die
dazwischen liegenden Flächen sind als
Konchen ausgebildet. Am Schalldeckel
•^2 1 22 8^
Glas-
Gemälde.
Grabsteine.
Leuchter.
sitzen vor den Seitenmitten Wa))|)en
und Kn^'elsköjtfclien. Die Bekröiiun^'
bilden im Knorpelstil ornamentierte
Bügel, die unter einem achtseitigen,
die Figur des .Johannes tragenden
Knauf zusammenlaufen.
Beachtenswert ist die gut erhaltene
urs|)rüngliche Verglasung der P'enster
aus kleinen rechteckigen Scheiben in
kräftiger Bleifassung mit eingefügten
gemalten Schmuckstücken : Stifter-
Wappen und -Inschriften oder kleine
Heiligenbilder, von Kartuschen um-
rahmt, letztere durchweg nur in
Schwarzloth ausgeführt. Im Schiff
sind sie von bescheidenem Umfang
und in der mittleren Öffnung der
dreiteiligen Fenster angebracht. Hier
erscheinen als Geschenkgeber: 1. „Die
Stadt Bentheim" (Wappen und Kind
von einem Engel beschützt). 2. ,,Die
Stadt Schüttorf" (Wappen und St.
Laurentius). 3. „Die Stadt Neuen-
haus" (Wappen). 4. ,,Die Stadt
Bentheim" (Madonna). 5. ,,Northorn"
(Wappen). 6. ,, Flecken Bentheim" (St. Bonifatius).
gerus). 8. „Das Gericht Veithausen" (Haupt -Johannes des Täufers).'
In den seitlichen Chorfenstern finden sich dagegen reicher durch-
gebildete Malereien. Das Südfenster mit dem Wappen des Grafen Ernst ,
Wilhelm ist in Abb. 103 wiedergegeben. Auf der unteren Kartusche die
Inschrift: ,,Ernest Wilhelm Graf zu Bentheim Tecklenburg Steinfurt u Lim-
burg Herzfeld Rheda Wevelinghouen Hoia Alpen Helfenstein. Erbvogt zu
Colin. Dero Rom. Key. Maj. Reichs -Hoff raht und Cammerer." In dem Fenster
der benachbarten Schrägseite ist zweimal das Monogramm EC auf gekröntem
Wappenschild zwischen gekreuzten Palmwedeln eingesetzt. Die Fenster der
Gegenseite zeigen in entsprechender Anordnung Wappen und Monogramm des
Bischofs von Münster Christoff er Bernhard. In allen Fenstern kehrt die
Jahreszahl 1676 wieder.
Zwei Grabsteine mit Wappen in flachem Relief an der Nordwand des
Schiffes. ,,Joan Peter . . . Etzbach, Herr zu Langen", f 25. Okt. 171.Ö -
,, Freifrau Maria Elisabeth von Etzbach, geb. Freyfrau von Nagel . . . Frau
zu Langen j 18. Nov. 1753.
Zwei Altarleuchter (Abb. 106), aus Silber, Regence. Das Fußgestell
ist dreiteilig in Voluten mit Knickungen ausgebildet; der Schaft, hoch und
Abb. 107. Katholische Kirche in Bentheim;
BJaker
7. „Northorn" (St. Lud-„
It
->3 123 gK^
schlank, hat im unteren Teil einen Knauf; der Lichtteller ist mit doppelter
Bauchung und gewelltem Rande versehen und trägt einen Dorn. Als Stiftungs-
jahr ist 1804 am Fuß eingraviert.
Mehrere Blaker (Abb. 107), Messing, getrieben, zeigen Regenceformen.
Ein Kronleuchter, Gelbguß, nicht in ursprünglicher Zusammensetzung,
(auf Tafel 9, Abb. 104, vorn) hat anstatt einer Spindel ein vierfaches Ge-
stänge, das von einer tellerförmigen Krone herabhängt, und acht S-förmige Arme.
Zwei Krouleuchter aus Glas, der eine mit gegliedertem Mitfelkörper und ge-
bogenen Lichterarmen, der andere ein mit Lichterarmen besetzter Reifen, von
dem Ketten aus fassettierten Glassteinen nach dem oberen und unteren
Abschlußglied des Mittelträgers führen. XVIII. Jahrh.
Ein Ölgemälde auf Leinwand, 1,30:0,96, mit Darstellung von Petri ölgomäldo.
Gefängnis.
Eine Taufe, Sandstein, barock, mit Wappen des Stifterehepaares am Taufe.
Becken, plumpe Arbeit.
Bad Beutheim.
Während der Administrationszeit des Grafen zu Manderscheid-
Blankenheito (1706 — 1731) für den minderjährigen Grafen Hermann Friederich
entstanden die Alleen vom Bentheimer Schloß nach dem nördlich davon ge-
Abb 108. Bad Bentheim; Logierhaus.
legenen Bentheimer Walde mit den beiden Pyramiden, dem Brunnen und dem
Höltingstuhl als Richtungspunkten. (Eine Originalkopie des Anlageplanes be-
findet sich im Bentheimer Rathause.) Die seit alters als heilbringend bekannte
Schwefelquelle im Bentheimer Walde wurde 1711 gefaßt. Nach Rump war
das Brunnenhaus ein über der offenen Mineral- und Schwefelquelle aus
Bentheimer Quadern errichteter Achtecksbau mit einer Kuppel und trug auf
/-? 1 24 8->
jeder Seite Inschriften, die Ruinp auch angiht. Bei der P]rweiterung der
(Quelle, walirscheinhoh gegen 1820, wurde das Gebäude abgebrochen.
Die bei der Quelle kurz na(;}i 1711 erbauten Unterkunftshäuser wurden
wegen des geringen Zuzuges von Ileilurigsuchenden bald wieder niedergelegt.
Da.s Bad Bentheim karn erst in Aufnahme auf eine Empfehlung des großen
Arztes Hufeland, des Verfassers der Makrobiotik, unter dem Fürsten Alexis.
Das jetzige I.ogierhaus (Abb. 108) ist 1820,
das Badehaus 1823 und das Kurhaus 1848
errichtet worden.
Abb. 109. Bad Bentheim;
Pyramide im Walde
Abb. 110. Bad Bentheim;
Höltingstuhl im Walde, Rückwand.
Pyraiiiide. Von den beiden sandsteinernen Pyramiden ist nur die eine erhalten
geblieben; die Reste der anderen werden aber noch aufbewahrt. Die erst-
genannte (Abb. 109) hat an der Südseite ein Wappen, wahrscheinlich das des
Grafen Manderscheid-Blankenheim und Geroldstein. An der nordöstUchen
Seite befindet sich ein Medaillon, das eine Frau mit einem Kinde darstellt,
wie sie aus dem Walde der Sonne entgegentritt. Auf dem Sockel steht die
Jahreszahl 1710. Auf der nordwestlichen Seite der dreiseitigen Pyramide sind
in einem Medaillon ein Wald, Gewässer und zwei Hirsche dargestellt.
-A^ 125 ^'-
Eine urkundliche Erwähnung des Holzgerichts im Bentheimer Walde Höltingstuhl.
aus dem Jahre 1415 findet sich bei Jung, C. D. Nr. 153.
Der Höltingstuhl (Holzgerichtsstuhl) ist eine Sandsteinplattform in
Gestalt eines regelmäßigen Achtecks von 6,43 m Durchmesser. Eine nicht
mehr erhaltene Balustrade hat auf sechs Seiten diese Plattform umgeben; die
siebente blieb für den Zugang frei, und
diesem gegenüber steht, die achte
Seite begrenzend, der 4,10 m hohe
Wappenstein (siehe Abb. 110) als Hinter-
grund für den gräflichen Gerichtsstuhl,
dessen Platz eine Platte im Fußboden
Abb. 111. Haus Langen; geschnitzter Schrank.
Abb. 112. Haus Langen; Himmelbett.
angibt. Auf der Vorderseite, oberhalb des Wappens, ist in einer Kartusche
zu lesen: Sylvae renascenti. Auf der Rückseite oben: 1713. Darunter:
Gaudete Fauni Satyrique
Et Incolarum quicquid est Sylvestrum
En nova sedes,
Quae domos vobis nemorosas
Servabit Sartasq Tectasq
Vivite Ludite tuti
Nemo turbabit amplius.
Kaiiiihc Iji jÜDf^.ster Zeit wurdeu KatJiine aus dei- Klosleiruinc Freuswegeu in den
, , ",' ..'''," Gebäuden dos Bades aufgestellt; sie stammen aus dem XVII. bis XVIIi. Jahrhundert
(«(•l)Jiii(lon 1 • x-i
(Ich HadcH. (s. Abb. 145 bfi Frenswegen).
lluii.s LuniE^eii.
(Vgl. Über das Haus Langen Aan der Heyden, (ieschichte des Hauses
Elverfeldt.) Das landtagfähige Rittergut Langen war ehemals im Besitze der
Familie von Bevern, dann in dem der Familie Etzbach und gehört jetzt den
Erl)en der Familie von Elverfeldt.
Abb. 113. Haus Langen; geschnitzter Wappenaufsatz an der Bettstelle.
Das Herrenhaus Langen, um 1700 erbaut, ist eingeschossig
und besteht aus Bentheimer Quadern. In der zweiten Hälfte des
XIX. Jahrhunderts wurde die Diele als Durchfahrt umgeändert und darüber
ein abgestumpfter Turm nach dem Geschmack englischer Gotik errichtet.
Möbel. Ein gotischer Anrichteschrank von Eichenholz mit Wappen in der Tür-
füllung; übrige Flächen gefältelt. Teilweise erneuert (Abb. 111).
Zwei Himmelbetten, Eichenholz, reich geschnitzt, XVII. Jahrhundert
(Abb. 112 und 113).
Bürgerhäuser.
Bentheim hat keine durch Schmuck und Alter hervorragenden Bürger-
häuser aufzuweisen. Doch bietet die von den Zinnen und Türmen der Burg
überragte, auf ansteigendem, bewegtem Terrain liegende Stadt, in dem
Böschungen, Futtermauern und Treppen die Höhenunterschiede vermitteln,
malerische Staßenbilder voll Reiz und Eigenart, wie sie sonst in Norddeutschland
selten angetroffen werden. Da der Ort niemals befestigt gewesen ist, sind
die Häuser weniger dicht gedrängt, so daß neben oder hinter ihnen Platz für
Gärten geblieben ist.
->^ 127 S^-
Die älteren Häuser, von deueu nur wenige bis in das XVII. Jahrhundert
zurückgehen, sind schlichte Fachwerkbauten mit Pfannendach, eingeschossig
und mit dem Giebel der Straße zugekehrt, in der Grundrißanordnung und im
Aufbau dem Bauernhaus der Umgegend nahe verwandt: vorne die Tenne
mit den Viehständen; dann der Flett mit dem Herd, aber hier abgetrennt
Jiami,
Jfrimer
Jini:
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Abb. lU. Bentheim; Ackerbürgerhaus am
Katthagen, Grundriß und Vorderansicht (Maß-
stab 1:200). Ausbildung der Giebel vorkragung.
oder auch zur Seite gerückt und eingeschränkt zur Küche umgewandelt; und
endlich hinten oder teilweise seitlich Stuben und Kammern. Grundriß und
Vorderansicht eines solchen Hauses zeigt Abb. 114. Es ist laut Inschrift auf
dem Türsturz 1665 erbaut; die Ausbildung des Fachwerks ist die denkbar
einfachste. Charakteristische Merkmale bilden die weit gestellten Pfosten, der mit
senkrechten Brettern verschalte, vorgekragte Giebel und die Eigenheit, daß diese
Vorkragung unabhängig von der Balkenlage durch Hakenbalken bewirkt ist.
(Vgl. Bürgerhäuser in Lingen und Schüttorf.) So schiebt sich die Brettschalung
tiefer herab wie die seitliche Traufe. Die Gefache sind mit kleinformatigen
Ziegeln ausgemauert. In diesem Falle ist in den unteren Gefachen dicht über
dem Erdboden eine Schicht aus Sandsteinplatten eingefügt. Da die Ausdehnung
der Häuser in der Breite nicht beschränkt war, wurde die seitliche Kübbung
des Bauernhauses, die für die Anordnung der Viehstände so vorteilhaft ist,
noch nicht abgestoßen, wie es sonst bei Bürgerhäusern in befestigten,
engbebauten Plätzen zu geschehen pflegte. Dasselbe ist zu beobachten bei den
in Abb. 115 a und b wiedergegebenen Häusern, deren Fachwerk allerdings schon
teilweise durch massive Mauern ersetzt wurde.
Groß ist die Reihe der erhaltenen Fach werkbauten nicht; bei den
wiederholten Belagerungen, denen die Burg ausgesetzt war, werden manche
in Flammen aufgegangen und dann ganz in Ziegel wiederaufgebaut sein, wie
'^S 128 J--
die neueren aus dem Ende des XVIII. und dem Anfang des XIX. -lahrhunderts
errichteten Häuser, die hier noch der Krwähnunf^ wert erscheinen. Als ein
Beispiel sei das aus dem Ende dos XN'lIl. Jahrhunderts stammende Wohnhaus
Abb. 115a. Benthcim; Bürgerhaus
Abb. 115b. Bentheim; Bürgerhäuser.
des Fürstlichen Forstmeisters am Herrenberge, Abb. 116, angeführt. Es ist
eingeschossig mit ausgebautem Dachgeschoß; Fenster- und Türrahmen in
Sandstein. Tür mit geradem Kämpfersims. Oberhcht oval, geteilt. Schiebe-
->§ 1 29 &K-
Abb. 116. Beuthciui; Haus am Heircnberge.
»ilS"' ^iföfe?!
:S
1
1
. J»
'^*^ --.
Abb. 117. Bentheim;
Sclirank im Besitz des Herrn E. Cordes
130
fonsior init Spro.ssonteiluii^'. (liobel goka])pt. Dadi gewalmt; hölzernes
Walmsims und VVindbretler (Abi). 11(3).
In den Wohnungen trifft man noch hin und wieder Kamine mit weit
ausladendem Hauch lang, die Fcuervvand mit gegossener Eisenplatte und be-
malton Fliesen bekleidet, auch schönen alten Hausrat, geschnitzte Bettladen
Abb. 118. Bentheim;
Schrank von 1731, im Besitz des Herrn K. Corde-'*
und Schränke. Dagegen sind die gemalten Fensterscheiben, die früher ii
keinem Hause fehlten, selten geworden. Näher darauf einzugehen, hieße dei
Rahmen dieses Werkes überschreiten; daher nur einige Proben.
Möbel. Schrank aus geklabtem Eichenholz. XVI. Jahrh. Füllungen mit figür^
lieber und ornamentaler Schnitzerei. Im übrigen erneuert (Abb. 117).
Zweigeschossiger Schrank mit zumeist gekerbter Schnitzerei und de
Jahreszahl 1737 (Abb. 118).
Tafel 10.
Abb. 119 u. 131.
IRCHE IN BRANDLECHT; Aussenaiisicht. ^ KIRCME IN EMLICHEIM; Innenansicht.
->^ 131 g^-
Brandlecht.
Ref. Kirche. Katli. Kirche, neu.
Drandlecht, ein Dorf mit einem adeligen, ehemals landtagfähigen
Gute, ist 9 km südlich von Nordhorn in der Marsch Hnks des Vechteflusses belegen.
Der Ortsname findet sich u. a. in den Formen Brantelget und Geschichte.
Bramtelgert (s. Tibus a. a. 0., S. 487). Im Registrum omniuih ecclesiarum et
beneficiorum vom 11. April 1313, aufgestellt durch den münsterischen Bischof
Ludwig von Hessen, findet sich Brandlecht mit einer Einnahme von 2 Mark
aufgeführt (Tibus S. 160). Eine fernere Erv^'ähnung enthält das Liber redituum
Abb. 120. Kirche In IJrandlecht; Grundriß (1:250).
des münsterschen Domkapitels aus dem XIV. Jahrhundert. Hier werden die
Zehnten aufgeführt, welche derjenige Domherr, dem die Curtis in Ostenfelde
als beneficium überwiesen war, in parochia Branttelget et in parochia
Northorne zu beziehen hatte. (Näheres bei
Niesert a. a. 0., S. 7, 556 u. Jung, Cod.
dipl. Nr. 138 u. App. S. 380.) Im Jahre 1351
erteilte der Graf von Bentheim als Lehns-
herr dem Edelen Adolf von Brandlecht die
Erlaubnis, zu Brandlecht ein hölzernes Ge-
bäude aufzuführen und dieses mit einem
höchstens 75 Fuß breiten Graben zu um-
ziehen (Jung, Cod. dipl. 63 b). Aber schon
1360 wurde die Burg durch Bischof Adolf
von Münster zerstört. (Siehe Jung, Hist.
S. 299.) Die Brüder Johann und Curdt von
Brandlecht verkauften 1483 das Haus
Brandlecht an Godert von Reede, Amt-
mann derTwente. Ein Heinrich von Rhede
errichtete gegen Ende des XVI. Jahrhunderts
die Burg „magnifico ritu" aufs neue. (Hendr. Abb. 121. Kirche in Bnmdiecht; scimitt (1 : 250
9*
-^ 132 S->-
Bc-
schieibniii
Schiff. '
\'. Ilitvcl in r'liron. Mslo.) Niichdeni ITlo mit .lohaDn Albroclil, l-riedricli
(lorMannesstainin (Uir Kliedcs erloschen war, kam das Gut durch die Schwester
des Verstorbenen auf dem Wege der Vererbung \T.\\ an den Erbdrosten
Ad(d|)h Heidenroic}», Droste zu Viscfiering. (Til)us a. a. 0., Seite 1208.) In
Händen dieser Familie ist das Gut bis heute.
Die Lage des ehemaligen Brandlechtanum castrum (Hövel) kenn-
zeiclinet sich gegenwärtig noch durc[i die Hausgräben, welche das jetzige
katholische Pfarrhaus umgeben.
Die erste Pfarrkirche zu Brandlecht war eine Tochterkirche von Nord-
horn (Tibus, a. a.O.S.901) und scheint unter den) Schutzpatronat des hl. Christo-
phorus gegründet zu sein. Wenigstens wies nach Tibus (a. a. 0. S. 992), der den
um 1706 schreibenden Nünning als Autopten zitiert, die Unterschrift unter
einem Bildnis aus dem -lahre 1401 auf diesen als Schutzpatron hin. Die dem
hl. Christophorus geweihten Kirchen gelten im allgemeinen als Gründlingen
aus dem XIII. lahrhundert. Da aus der Inschrift der ältesten vorhandenen
Glocke vom -fahre 1458 zu schließen ist, daß die Kirche, für die sie bestimmt
war, in den Schutz des hl. Pankratius gestellt sein sollte, so kann man an-
nehmen, daß gegen 1458 die Errichtung einer neuen Kirche — der jetzigen
reformierten Kirche — zu Brandlecht fällt.
Die Brandlechter Kirche — ein gotisches Langhaus mit polygonalem
Chor und Westturm — liegt auf einer kleinen Erhöhung am linken Vechte-
ufer, ist normal orientiert und aus Bentheimer Quadern erbaut. (Tafel 10,
Abb. 119.) Die Umfassungsmauern zeigen einfach geschrägten Sockelabsatz,
Kaffsims und Hauptsims mit tiefer Kehlung. Vorgelagerte Streben deuten
das Vorhandensein eines Gewölbes im Innern an.
Oberhalb des Pensterschlusses an der Südwand des
Schiffes erscheint das Quaderwerk stellenweise erneuert;
zwischen der zweiten und dritten Strebe sind hier zwei
verwitterte Sandsteinköpfcheu eingefügt. Das Schiff (s
d. Grundriß, Abb. 120) ist in zwei -lochen auf gekehlten
Abb. i;!2. Kirche in Brandlecht. Saudsteiurippen uach Kreuzgcwölbeform in Ziegeln ein-
Kapitenim Kapitell im gewölbt (s. d. Schnitt, Abb. 121). Der Schlußstein des
zweiten Joches ist ringförmig gebildet. Die Rippen uuc
Gurten ruhen auf Diensten mit hohen Kapitellei
(Abb. 122). Die zweiteihgen Fenster zeigen Dreipaß- und Fischblasenmaßwerk
nur dasjenige der Südwand des Westjoches ist doppelt geteilt.
Von dem Türenpaar in demselben -loch ist der Eingang an der Nord
Seite zugemauert. Der andere hat geraden Sturz mit Zwickelkonsolen; darai
das Steinmetzzeichen: i ^.
('hör. Der Chor (Abb. 123), der sich im Äußeren ebenflächig an die Schiffs
Wandungen anfügt, setzt im Innern um je 8 cm zurück: er liegt um eine Stuf
erhöht und hat außer einem rechteckigen -Joch einen Abschluß in fünf Seiten eine
Achteckes. Die Wölbung ist ^technisch derjenigen des Schiffes entsprechen
ausgeführt und besteht aus einem Kreuzgew(")lbe mit daran anschließender
C
^
->-? 13:5 ^-
halben Stern. Die Dienste und ihre Kapitelle sind einfacher und plumper
ausgebildet als die des Schiffes (s. Abb. 122). Die Fenster entsprechen in
Teilung und Maßwerk denen des Schiffes. Der Chor scheint einer jüngeren
Bauperiode anzugehören als das Schiff, während die Gewölbe hier und dort
gleichzeitig sein mögen.
Die Kirche ist innen weiß getüncht, hat aber zweifellos Ausmalung gehabt.
Der Turm ist nach einer Datumsinschrift auf einem Spruchbande 'rnnn.
außen, links neben dem Westportal (Abb. 124) im Jahre 1505 erbaut, und
Abb. 123. Kirche in Hrandlecht: Innenansielit.
zwar ist er — im Grundriß quadratisch — ohne \'erband der Westfront des
Schiffes vorgesetzt. In der Anlage und Gliederung zeigt er Anlehnung an den
:o
Abb. 124. Kirche tu Brandlecbt; Inschriftband am Turm.
-^ i:m ij^
Schültorfor Turin. Eine Wendellropjx) lie^t in der Siidwanfl und tritt in
oin(3m halben Achteck nach außen hervor. Das Obergeschoß des Turmes —
(hirch ein unterschnittenes Sims abgesetzt — ist an den drei freien Seiten
durch spit/.bogige, mit Maßwerk ausgestattete Blendnischen gegHedert, in
denen gekuppelte Schall(>ffnungen liegen. Der Turmhehn hat die (iestalt einer
verhältnismäßig niedrigen vierseitigen Pyramide.
Der Westeingaiig (Abb. 12.Ö) ist mit hohem, spitzbogigem Oberfenster
versehen, das oberhall) des geraden und von- Zwickelkonsolen unterstützten
Türsturzes ansetzt.
Abb. 12.5. Kirche in Brandlecht.;
Turmiiortiil.
Abb. 126. Kirche in Urandlecht
Grabstein.
Die Durchgangshalle hat ein Kreuzgewölbe in Ziegeln auf einfach ge-
kehlten Sandsteinrippen, die aus Ecksäulen hervorgehen und sich in einem
ringförmigen Schlußstein treffen.
Glocken Drei Glocken finden sich im zweiten Turmgeschoß:
die älteste von 1458. Inschrift : anno dni M • cccc • Ivni ihesus • maria
iohannes et s. pancraciü; unterer Durchmesser 1,05 m;
->^ 135 g^-
die kleinste von 1473 ist zersprungen. Inschrift: a! d! M • cccc! Lxxui
yhesus (maria iohan) nes • iohannes volkeer; unterer Durchmesser 0,62 m.
die größte von 1474. Inschrift: anno domini • mcccc • Lxxnn iohannes
volkeer • Xps viucnt (Christus vincit ?) ihesus maria iohannes • panciacius;
unterer Durchmesser 1,25 m.
Auf dem erhöhten Chor befinden sich eine Reihe von meist stark Grabsteine,
abgetretenen Grabplatten mit unleserlichen Inschriften. Ein rechteckiger
Stein mit der Inschrift: (Ever ?)haert albrecht von Reede starf anno
1579 den verden (?) Jaers sines
Ein ebensolcher: Ao 1649 26 7 bris • obijt
illustris et generosus dns -Joannes Albertus de
Reede das (!) in Saesfeklt et Brandtelechte
cuius anima requiescat in pace.
Eine dritte Platte (Abb. 12()) trügt das
Bildnis eines Kindes in hohem Relief. Sein
Abb. 127. Kirche in Biandleeht; Kekh
Abb. 128. Kirche in Brandlecht; Taufstein.
Köpfchen, mit einem Myrthenkranz geschmückt, ruht auf einem Kissen:
den Körper verhüllt ein Totenhemd. In den gefalteten Händen ruht ein
Blumenstrauß. Stilisierte Wasserrosen sind verstreut auf dem Hintergrunde.
Als architektonische Umrahmung dient eine Rundbogennische, mit Wappen und
Todesemblemen zu Füßen und Raupten des Figürchens ausgeziert. Die Umschrift
lautet; Adrian Diderigh van Reede zu Brandtleght Natus 20. Maij. Anno 1630
zcichcii.
Obiji l'J Mai.i l^V-'A Aetatis • 4. Annos. Das Kind Adri.'ui I »i'lHji^h soll Ix-irn
IJIumciipflücken ertruiikoii sein.
Kcicli. Ein silberner Kelch, Höhe niit Deckel 2'6 cm, ist aus verschiedenen,
nicht zusammengehörigen Teilen zusammengesetzt (Abb. 127): Fuß rund und
mit Akanthusblattvverk in getriebener Arbeit belegt. Der starke Schaft hat
unterhalb des Knaufes eine Einschnürung und ist mit acht tropfenförmigen
Rotulen besetzt. Der Knauf selbst hat durchbrochenes, scharfgeschnittenes
Hlattwerk. Die Kuppa ist ein steilvv'andiger Becher mit eingravierten biblischen
Darstellungen: z. B. Moses und die Schlange (XVIII. lahrhundert). Der Deckel
trägt als Bekrönung einen Pelikan. Meisterzeichen fehlt.
Steinmetz- ^^ Turm und an der Tür in der Südwand des Schiffes finden sich
die in der Abbildung gegebenen Steinmetzzeichen: ;> /\ —
'j'aute. Ein romanischer Taufstein aus Bentheimer Material; nicht in Ge])rauch:
Höhe 98 cm, oberer Durchmesser 78 cm (Abb. 128). Oberhalb einer quadratischen,
niedrigen Fußplatte erhebt sich der plump-runde Schaft, der das zylindrische,
mit einer Hohlkehle ausladende Becken trägt. Die Eckvermittelung zwischen
FufSplatte und Schaft bilden vier gegen den Schaft mit dem Rücken sich
stemmende Männchen. Die Beckenfläche ist in ihrer unteren Hälfte mit einer
Arkadenstellung in flachem Relief belebt, während die obere Hälfte mit einer
Umschnürung, ähnlich einem flachen Dop])eltau, ornamentiert ist.
Katholische Kirche.
Glocke. ßJe katholische Kirche zu Brandlecht, ein Ziegelbau aus dem Jahre 1858,
hat einen Dachreiter, in dem "sich eine von Alexius Petit zu Gescher 1838
gö'gossene Glocke befindet. Ihr unterer Durchmesser ist 0,55 m.
Emlichheim.
Kirche (ref.j.
Das Dorf Emlichheim liegt an der Landstraße von Neuenhaus nach
Coevorden rechts der Vechte, auf zwei Drittel des Weges.
Der Name des Ortes kf)mmt vor in den Formen Emminchem (Urk. v. 1312),
Emblichem, Empnincheu (Raet. v. B., S. 118). Ennenheim iVisch, S. 134).
Emblichheim; im Volksmunde heute Emmelenkamp; nach Jung, C. di]>l. S. 127
Emblikamp.
Geschichte. Die erste, bisher bekannte Erwähnung des Ortes Emminchem findet
sich in einer Urkunde aus dem Jahre 1312 (Jung, C. Dipl. Nr. 51), worin als
Zeuge Grurabert, der Leiter der Kirche in Emminchem auftritt. In einer
Urkunde von 1324 (Jung, C.Dipl. Nr. ()2) verkauft der Bentheimer Graf mehrere
Güter im Kerspel the Eralichem sowie das Gogericht daselbst an Gottfried
von Borkelo. Die Herrlichkeit Emlichheim kam dann diu'ch Kauf oder Erb-
I
--S 1^7 ^-
schuft an die Herren von Grainsbergen. uiul' von diesen kaiitie .sie Graf
Everwin 1. für 2(X)0 goldene oele franckescho Schilde im Jahre 1440 zAirück
(Jung, C. Dipl. S. 127, vgl. auch Rump, S. 85 und Visch, S. 134). Nach einer
Urkunde im Burgsteinf. FQrstl. Archiv war vorher Henrich von Gramsbergen
im Jahre 1431 der von Bentheim lehnsrührigen Herrlichkeit Empninchen für
verlustig erklärt worden. Einige Richter des ehemaligen Gogerichts Emiichheim
nennt eine Urkunde vom 24. Juni 1448. (Abschrift im Bentheimer Stadtarchiv
s. Stockmann, Forts. 180 f. Weitere Angaben über das Kirchspiel und die
Herrlichkeit bei Rump, S. 84 ff.)
Abi). 120 Kirche in Emiichheim: Gnimlriß (1:250).
Abb. liO Kiixhe iu Kmlichhelui; Schuitt (1:250).
Die Kirche zu Emliehheim liegt Be-
hart an dem Abfall einer sandigen Schreibung-.
Geestebene zu den Vechte wiesen,
normal orientiert und ist aus
scheitrecht behauenen Bentheimer
Quadern verschiedener Größe erbaut.
Das Schiff (s. d. Grundriß, Schift".
Abb. 129) hat drei Joche mit breiten,
spitzbogigen Gurten und Kreuz-
gewölben in Backstein, die auf das
Ende des XV. Jahrhunderts weisen.
Die Gurten wachsen heraus aus weit
vorspringenden Wandvorlagen, die
außerdem noch Schildbögen tragen
(s. (1. Schnitt, Abb. 130). An der
Nordseite des Schiffes fällt eine
solche Wandvorlage zwischen dem
2. vmd 3. Joch auf, die spätromanisch
' ausgebildet ist und zwei einge-
bundene Halbsäulen hat(Al)b. 132).
■^ l.'J« g^-
Chor.
I)«u- Fuß <\oi Vorlai^'o ist, infolgf; einer späteren Kinebnung des Schiff-
und Chorbüdens vorschüttet. Nadi der Turrnseiie zu öffnet sich das Schiff
mit einem Rundbogen. Oberhalb desselben an der Turmaußenseite, heute
durch das Kircliendach verdeckt, gibt ein — übrigens frühgotisches — Gesims
die üiebellinien des Daches über dem alten, spätromanischen Gotteshause
an. Dieses hatte danach ein v^'eit schmaler angelegtes Schiff, als das heutige
aufweist. Alt ist also an der Emlichheimer Kirche die ganze nördliche und
der größte Teil der westlichen Umfassungsmauer des Schiffes. Die Tür in dei
Nordseite des ersten Joches, mit geradem Sturz und Steinmetzzeichen am
Gewände, ist der Inschrift nach angelegt: Anno dmi m cccc 1 xxx nii.
Die angedeutete Verbreiterung des Kirchenschiffes ist gleichzeitig mit
der Neuerrichtung des Chors geschehen. Dieser, der ein rechteckiges Joch hat
und mit fünf Seiten eines regelmäßigen Achtecks abschließt, ist mit einem
Netzgewölbe, an das sich ein Sterngewölbe anfügt, abgedeckt (Tafel 10. Abb. 131).
Kapitell im
Turm.
Abb. 132. Kirclie in Emlicbheiin;
rom. Wandvorlage im Scbiff.
Die gekehlten Rippen wachsen aus schmalen, den Chorecken nach gewinkelten,
Vorlagen heraus, welchen je ein Dreivierteldienst eingebunden ist. Die Kapitelle
daran sind charakteristisch für die zweite Hälfte des XV. Jahrhunderts. Die
Basen sind heute mit Holz verschalt imd nicht zu sehen. An der Südwand
des Chors, außen, zeigt sich, daß dort die Wand aus ihrem alten Material
teilweise neu errichtet wurde, nachdem man beim Abbruch die Quadern mit
Zeichen versehen hatte. Im Fenstergewände findet sich dort das Steinmetz-
zeichen vom Gildehäuser Opferstock (s. das.). Die Fenster im Chor und Schiff
sind alle ihres Maßwerkes beraubt und haben hölzerne Rahmen.
Turm. Der Turm (Abb. 133) ist ohne Verband der Westwand der Kirche
vorgebaut. Er hat drei gegeneinander abgesetzte Geschosse. Im untersten
befindet sich eine gewölbte Halle; die Säulen in den Ecken derselben tragen
gotische Kapitelle (Abb. 132). Die Ausgangstür ist schmal und spitzbogig; die
Laibung mit Riegelloch versehen. Das erste der drei Turmgeschosse hat gekuppelte
Fenster, das obere schmale, spitzbogige Schallöcher. Den oberen Abschluß
des Turmkörpers bildet eine plumpe, steinerne Galerie; dahinter hebt der
Turmhelm als einfache, ins Achteck übergehende Pyramide an.
An der Nordwand hat bis etwa 1820 eine gewölbte Sakristei be-
standen, deren Spuren noch sichtbar sind.
->s i:>9 sk^
Das eichene Gestühl auf dem Chore stammt einer Inschrift nach aus Gestühl,
dem Jahre 1694.
Die älteste Glocke (1487), Gießer nicht genannt, Durchmesser 1,20 m, Glocken,
hat in gotischen Kleinbuchstaben die Inschrift: maria prolem laude plebem . . .
voco anno din mcccclxxxvn.
Die zweite (1512) nennt als Gießer Gherard Wou undJan Schoneborch ;
Durchmesser ist 1.56 m. Inschrift in gotischen Kleinbuchstaben teilweise
unleserlich: sum magdalena marta fusa a gherhardo vou schonenborch que
Janne anno millesimo quinquagesimo duodecimo
ipsa maria quidem . . .
Abb. 133. Kirclie in Emliebheim : Turm.
Abb. 134 Kirche in Emlicbheini: Taufstein.
Die dritte (1516) nennt als Meister ebenfalls Gherardus Wou und
Joh. Schoneborch; Durchmesser ist 1,38 m. Sie hat zwei Glockenbilder in hohem
Relief: auf der einen Seite Madonna mit dem Kinde, auf der anderen Christus
mit der Weltkugel. Darunter die Inschrift in gotischen Kleinbuchstaben:
maria heet yck • den leuendicgen roep yck • den doden beschrey yck • haegel •
ende • donre • breke • yck • wou fudere Gherardus Schoneborch qe Johannes
anno domini Mcccccxvi.
Eine vierte Glocke stammt der schwer leserlichen Inschrift nach aus
1510 oder 1512. Der Gießer nennt sich nicht. Durchmesser 0,50 m.
•>«Si 110
(ir.ili|>l:>l l<'ii
Külcli
Kron-
leuchter,
'l'auft'
Wand-
L>emiilde
All! (ioiii Clioro liiidiMi sich niriigo lajigrechtockij^r f Irahstf^ine «ins dein
XV'ii. •lulirlmndi'jt mit Wappen der Familie Witlenliorst-Haorsolte.
Zwei Kelche aus Silber init gravierten Ornamenten; der kleinere hat
allegorische Darstellungen, lüide XVIII. -lalirhundert.
Ein Kronleuchter, Gelbguß, Sjjindel mit Knäufen und Kugel, zwei
Reihen S-förmiger 'Arme; XVIIL Jahrhundert.
Ein romani.scher Taufstein aus Bentheimer Material (Abb. ];»4), Höhe
1.20 m, Durchmesser 98 cm, nicht mehr in Ciebrauch, gleicht in Form und
Abmessungen dem zu Brandlecht (s. das. Abb. 128), hat aber als Eck-
vermittelungen zwischen Fußplatte und Schaft vier Figuren, Löwen oder
Panther, deren Leiber gegen den Schaft aufgerichtet sind, während die Köpfe
sich mit gefletschten Zähnen rückwärts wenden. Am Becken ist der untere
Teil mit einem auf doppelter Schnur gereihten, aufrechten Blattwerk in
flachem, durch Vertiefen der Grundfläche gebildeten Relief rhythmisch
ornamentiert. Der obere Teil enthält in ebensolcher Arbeit, oben und unten
durch je einen Ornamentstreifen — ähnlich einem flachen Doppeltau —
umsäumt, eine Wellenranke, deren Bogen abwechselnd eine schematisch
behandelte Weintraube, hängend, und eine Palmette, stehend, umschließen.
Spuren von figüriicher, vermutlich gotischer Wandmalerei zeigen sich
oberhalb der Orgelprieche in einem Gewölbezwickel,
Glocke.
E n g d e n.
'Katholische Kirche.
Die Gemeinde Engden gehört kirchlich zu Emsbüreu im Kreise Lingen.
Der Name des Ortes wird in den Formen Engene (1267). Engede (1002.
s. Döhmann, a. a. 0. S. 48) und ähnlichen genannt.
Es bestand hier eine Kapelle w^ahrscheinlich schon seit gotischer Zeit
(s. Hobbeling, a. a. 0. S. 76), die den hl. Antonius, den Eremiten zum Patron
hatte. Sie wurde litOO durch die heutige Kirche, einen romanischen Ziegel-
bau, ersetzt.
Eine Glocke (1481): ohne Meisterangabe, Durchmesser 0,70 m. hat in
gotischen Kleinbuchstaben die Inschrift: h. campana in honore sancti antonii
abatis anno dni mcccc Ixxxi fusa e. Darunter das Antoniuskreuz 7".
Frens wegen.
£heiu. Klostor.
Das Kloster Prens wegen liegt etw^a 3 km nordwestlich von Nord-
horn, von Feldern, Laubgehölzen und Wiesen umgeben, an der Vechte.
Geschichte. Sein Name ist überliefert in den Formen Vrendeswegen, Vrendesvvede
(XIV. Jahrhundert), Vrendesweel (XV. Jahrhundert); auch wird es genannt
Kloster Nemoris beate Marie oder St. Marienwolde.
->^ 141 §*<^
Das Augustiner Chorherrnkloster Frenswegeu wurde auf dem Erbe
„Enolding in dem Kerspele van Northorne in dem ^Vrendeswege" (Jung, App.
dipl. Nr. 14) im Jahre 1394 gegründet und erhielt noch im gleichen Jahre
seine Bestätigung durch den Bischof Otto von Münster. Die unmittelbare
Aufsicht des Bischofs von Münster über das Kloster hörte auf, als dasselbe
sich 1400 der Windesheimer Kongregation anschloß (über die Windesheimer
Regeln siehe Acquoi, Het Klooster te Windesheim en zijn invloed). Der erste
Prior, Heinrich von Kyndeshoff, ein weitabgewandter AsketJ hatte sich um
das materielle Vorwärtskommen des Klosters wenig gekümmert; unter dem
1400 gewählten Hermann von Plettenberg entstand über die Wahl des Platzes
für die zu erbauende Klosterkirche ein Zwiespalt unter den Mönchen: ein Teil
von ihnen sonderte sich ab und gründete das Kloster Gaesdonck. Dazu
dezimierte eine Pest 1401 die an Charakter und Stand bunt zusammen-
gewürfelte Brüderschar. Heinrich Loder, um das Jahr 1415 zum Prior erwählt,
besserte die materielle Lage des Klosters durch Kultivierung des Landes,
Aufforstung mit Laubholz und Veränderungen an den landwirtschaftlichen
Gebäuden, Begradigung der Vechte und manche andere Maßnahmen (siehe
darüber Joh. Busch, Chron. Windhm., S. 344 ff). Innerhalb des Klosterhofes
errichtete Loder den ersten Steinbau in Frenswegeu, der später als Kranken-
haus benutzt w-urde. Nach etwa 20jähriger Priorschaft scheint er einen Zu-
stand des Klostersäckels erreicht zu haben, der gestattete, an den Bau einer
steinernen Klosterkirche zu gehen. Eine hölzerne Kirche mit fünf Altären
und einer Glocke hatte bereits bestanden. Für den Neubau stellte Graf
Everw^yn die Bentheimer Steinbrüche zur Verfügung. Die Kirche wurde so
eingerichtet, daß der Chor das alte Oratorium von 1,'>91 einschloß, \vährend
die Sakristei und ein Teil des Umganges
mit der zweiten Holzkirche zusammen-
fiel. Loders Nachfolger setzten den
Bau fprt, der im Jahre 1445 in octava
Petri et Pauli gleichzeitig mit der Kirche
in Nordhorn durch den Weihbischof
Johannes von Münster geweiht wurde
(vgl. F. Jostes a. a. 0., S. 17 ff.).
Bis zur Reformation, 1544, blieb
Frenswegen das zweite Familienkloster
und die Begräbnisstätte der Grafen
von Bentheim. 15(30 wurde durch den
Grafen Everwyn III. die Aufnahme von
Novizen verboten, und 1570 durch
dessen Witwe die Einsetzung einer gräf-
lichen Verwaltung über die Klostergüter
verfügt. Im w^estfälischen Frieden wurde
das Kloster deshalb nicht als eingezogen
behandelt, weil es infolge eines Hand-
. , Ar- i 1 -ITT- • ^^^- ^•^» l'^hcni. Kloster Frenswegen:
Streiches von Mönchen der Windesheimer Lagppian.
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Abb. ISK. Ehem. Kloster Frenswegen Grundriß (1:250\
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->^ 143 §*<-
Kongregation niemals ganz ohne Mönche gewesen war. Es zeigt sich an der
inschriftlichen Datierung der Klosterbaulichkeiten, daß dessen eigentliche Blüte
in die nun folgende Zeit, und zwar zum guten Teil unter die Regierung Ernst
Wilhelms (1643—1693) fällt. Ein 1800 seitens des damaligen Bentheimer
Grafen Ludwig unternommener Versuch, das Kloster einzuziehen, scheiterte
infolge der Einverleibung Bentheims in das Großherzogtum Berg. Dieses
aber hob selbst im Jahre 1809 das Kloster auf, und Napoleon bestätigte am
22. JuH 1811 die Aufhebung, worauf 1812—1813 der Verkauf der meisten
Abb. 133. Kloster Frenswegen; Südflügel.
Klostergüter erfolgte. Unter den Entschädigungszugeständnissen, die Hannover
dem Fürstlich Bentheimischen Hause für den Verlust seiner Hoheitsrechte
durch den Vertrag vom 16. März 1823 erteilte, befand sich die Überlassung
der Klostergebäude von Frenswegen mit der Hovesaat.
Die Klosterbibliothek wurde vom Fürsten Ludwig von Bentheim der
neu gegründeten Universität Straßburg geschenkt (1871). Die Kirche des
Klosters wurde 1883 vom ßhtz getroffen und ein Raub der Flammen. Ihre
malerische Ruine ist dann leider in jüngster Zeit bis auf die Grundmauern
abgetragen worden.
Um einen fast quadratischen Binnenhof von etwa 80 m Seitenlänge Be-
legt sich der zweigeschossige, ungewölbte Kreuzgang (Abb. 135). Nördlich schreibang
daran fügt sich die Klosterkirche. Der Ostbau hat einige Wohngemächer und in der
Mitte das Treppenhaus zu den im Oberstock rings um den Hof hegenden Mönchs-
--*?
41
e,*^"-
/f'llcii (Al»l). I.'X)). her Sij(ll)aii (Tafel 1 1, Abb. \M) wird von V'crsMmmliiMg.siHuiiiMii
und einer KücIk} elngenoirnrien. I)ei' Westbau (jndlicb isl gen .Süden in einen
Flügel ausgezogen (Abb. 138) und (enthält bevor/Jigte Wobrnäuine sowie einen
Speisesaal. .Seine Front isl /ugleioli die Haujjlfronl rles Klosters: das Mittel-
teil daran bat (.'ine Sandsteinlassade mit \oigeleg1en Pilastern und einen (jiebel
in 1^'ojin oin(!s flacben Kreissegmentes. Am Architrav steht in aufgelegten
Hion'/.e/,iff(un die -lahreszahl MDCCXXXXIl (Abb. ]/'/)). Vor dieser Front
cWdfjiet sieb, ehemals rings von Wirtschaftsgebäuden umgrenzt, ein Hof mit
l>äunien, Bosquetten — auch einem überdachten Ziehbrunnen (Abb. 140).
Al)b. 139. Kloster Frenswegen; Westfront.
Abb. 140. Kloster Frenswegen: Brunnen.
In der Mittelachse trifft der Blick gen Westen hin auf eine Steiubrücke
über den hier mit Ufermauern versehenen Klostergraben und auf alte Linden-
alleen, die von dem Brücken vorplatz aus wie drei große Strahlen ausgehen.
Der Graben umgibt das Kloster an der Südseite und trifft, nach Osten um-
biegend, in gerader Richtung auf die Vechte. Der an der Süd- und Ostseite,
des Klosters so eingeschlossene Bezirk wurde ehemals teils von. einem Nutz-
garten, andernteils wohl von einem Ziergarten eingenommen. Weiterhin im
Osten an der Vechte lag eine Kegelbahn.
Vom jetzigen Klostergebäude ist der älteste Teil offenbar die Kreuzgang-
wand, welche den Klosterhof südlich begrenzt (Abb. 141). Sie ist aus Bentheimer
->^ 145 8^*-
Quadern gebaut; die Fenster haben ein spätgotisches Maßwerk; die Mitteltür ist
1724 eingesetzt. Die andern drei Seiten des Klosterhofes sind in großformatigen
Ziegeln erbaut und haben einfach geteilte, gotisierende Fenster mit schmalen
Sandsteingewänden und ohne Maßwerk. Die ungefähr in den Seitenmitten
nachträglich eingesetzten Türen tragen die Jahreszahlen: 1692 (die Westtür),
1695 (die Nordtür) und 1697 (die Osttür). Die Fenster des ersten Stockwerkes
ringsum haben geraden Sturz, und zwar sind diejenigen an der in Sandstein
aufgeführten Seite langrechteckig mit einfacher Querteilung, während die an
den übrigen Seiten nahezu quadratisch und durch Kreuzpfosten geteilt sind.
Die Geschoßteilung wird ringsum gekennzeichnet durch ein wagerechtes Sand-
steinsims. Dieses hat an zwei Stellen der Südwand üiebelbildungen.
Abb. 141. Kloster Frenswegen; Südseite des Klosterhofes
Der gesamte Üstbau und vom Südbau der größte Teil gehören zeitlich
mit den soeben beschriebenen, in Ziegeln aufgeführten Klosterhoffassaden zu-
sammen. Das Mittelportal in der Ostfront hegt in einem Risalit mit flachem
Dreiecksgiebel (Abb. 143). In einer Nische oberhalb der Tür steht eine Madonna,
und auf dem Sockel darunter befindet sich das Chronogramm: qUae finita plls
stant fiensWeglana sub alls teCtatUere tUae Virgo patrona DoMUS (1641).
(Möller (a. a. 0. S. 127) überhefert eine Reihe anderer, jetzt nicht mehr erhaltener
Jahresinschriften.) Der ganze westhche Frontbau des Klosters ist möglicher-
weise jünger; die schon erwähnte bronzene Jahreszahl am Mittelteil gibt für
diesen sogar das späte Datum 1742.
10
-^ i4f; F"
Abb. 143. Kloster Frenswegen'; Ostfront.
Abb. 144. Kloster Frenswegen ;
PiotiY, Jetzt in fler Scliloßkapelle zu Hurgsteinftirt.
Abb. 145. Kloster Frens wegen;
Madonna.
->^ 147 S-<-
Die Klosterkirche an der nördlichen Langseite des Klosters (Tafel 11,
Abb. 142) ist aus großformatigen Ziegeln (6,5/12,5/27,5) in Blockverband unter
stellenweiser Verwendung von Bruchstein errichtet gewesen. Eckverzahnungen,
Tür und Fenstergewände, Gewölberippen und Konsolen bestanden aus Bent-
heimer Quadern. Das Schiff hat fünf Joche gehabt; der Chor, auf beiden Seiten
einspringend und etwas erhöht, drei Joche. Er schloß mit fünf Seiten eines
regelmäßigen Achteckes ab. Die Gewölbe sind nach den noch vorhandenen,
schwachgekehlten Rippenansätzen einfache Kreuzgewölbe- auf Konsolen
gewesen. Diese, nach der Form eines halben Sechsecks mit geschweiften Seiten
Kloster-
kirche.
Abb. 146. Kloster Frenswegen;; Scbnitzstücke, jetzt im Schlosse zu Bentbeim.
gebildet, stellen drei ineinander geschachtelte, gotische Kelchkapitelle vor.
Eine steinerne Wendeltreppe führt noch heute an der Südostseite des Chores
zum Dachstuhl empor und machte ehemals den Dachreiter zugänglich, der
dort in der Nähe saß. Wie mitgeteilt, ist die Klosterkirche im Jahre 1445
vollendet und geweiht worden.
Die durch den Brand von 1883 vernichtete Ausstattung der Kirche war
barock (s. Mithoff IV, 45). Die Spuren an der noch erhaltenen Südwand verraten,
daß im zweiten Joch des Schiffes vom Westen aus, ein Altar, im dritten,
oberhalb der nicht in der Mitte liegenden Tür auf barockem Unterbau ein
Crucifixus mit trauernden Figuren unter einem Baldachin, im vierten eine
drapierte Tafel (Altar?) bestanden hat. Das fünfte Joch hat offenbar die
sogenannte italienische Kanzel enthalten; die Nische mit dem Aufgang dazu
ist noch vorhanden. Der Chor hatte ein berühmtes geschnitztes Eichenholz-
gestühl aus je 12 Sitzen zu beiden Seiten.
10*
-^ IIS -f^'
r.ildwcikc, Vm\ l'ictii uiil Konsole, Marmor, wahrscheinlich italienische Arheil,
baro(;k (Ahl). 144); ein Stationsbild, Christus mit dem Kreuz, ebenfalls auf
- Konsole, Marmor, ähnliche Arbeit wie das vorige. Abb. in Kunstdenk-
mäler Westf., Kr. Stein fürt. Beide Werke sind jetzt in der Burgsteinfurter
Schloßkapelle.
Mehrere Holzbiidwerke, Heiligenfiguren, befinden sich im Besitz des
Heimatmuseums zu Bentheim und auf Haus Langen. Die in Abb. 14.5
gegebene Madonna, Arbeit aus dem Anfang des XVI. Jahrhunderts, besitzt
das Heimatmuseum.
Glas- Die Fenster des Kreuzganges haben Blankverglasung aus rechteckigen
inalereien. Scheiben, in die nach Mithoff gemalte Wappen eingesetzt waren mit den
folgenden Unterschriften :
1. Maria Ernestina Francisca Graffinne von Ostfriesland Graffin zu
Rittberg Anno 16ü3.
2. Anna Isabella Grävinne zu Bentheim Tecklenburgch Steinfurt und
Limburgch Fraw zu Wevelinghoven Hoya und Helfenstein Erbvoghtin Gebohren
Grävinne zu Limborg [Br]unckhorst Fraw zu Styrum Borkeloe und Ghemen
Anno 1693.
3. Johan Friedrich Albrecht Freyherr von Reede Herr zu Brandlecht
Lengerke und Langen Burghmann zu Nienborgh Anno 1695.
4. Johan Godefried Freyherr von Beveren zu . . . burgk und
Burgmann . . . Bentheimb Anno 1695.
5. Bernhardt Casper Henrich von Luning Cappeler Grafschaft Anno 1695.
Grabplatten. Von den bei Mithoff IV, 46, auch bei Möller S. 98 ff. erwähnten und
mit Inschriften angegebenen Grabplatten liegen nur wenige noch auf der
Stelle des hohen Chores. Ihre gotischen Minuskelzeichen sind fast un-
leserlich geworden.
Mithoff gibt die folgenden Umschriften von Grabplatten des gräflichen
Hauses, die auf dem Chore lagen.
1. [Anno 1400 (?) 1. Septemb,] "■■) obiit domina anna comitissa in
benthem nata de [Egmondiaj.
2. anno domini mcccciii in profesto gordiani et epimachi mrn obiit
nobilis domicelb arnoldg de guterswich hes dni [Bernardi Comitis] de benthem
fundatoris hui9 monastery cui9 aia reqescat in pace amen. (Wappenschild mit
fünf horizontalen, durch Wellenlinien ausgefüllten Streifen.)
3. [A 1420 • ipso die Beatae Gertrudis obiit domicella Mechtildis van
Guterswich Comitissa de Benthem.]
4. Anno domini • m cccc • vicesimo primo feria quinta post festum
beator' symonis et Jude apostolor' obiit nobilis [Dominus Ber]nardus comes in
benth[em]. (Wappenschild mit 6 Reihen von Pfennigen, 4, 5, 4, 3, 2, 1 gestellt.)
*) In den eckigen Klammern Ergänzung nach Jung, a. a. 0. Codex diplom. p 265. Not.,
der die Inschriften nach einer ihm vom Prior Bernardus Fabri zu Frenawegen 1765 gemachten
Aufstellung wiedergibt.
->-S 149 g^-
Abb. 147. Kloster Frenswegen; Kamin.
Abb. 118. Kloster Freuswegeii :
Kamin, jetzt in Bad Bentbeim.
f). anno domiiii in -cccc- lim -(luarto iionas rnarcij ohijt nohilis dornicellus
Euerwinus comes de hentheim cuius anima re()uie.scat in i>ace amen. (Wappen-
schild wie vor.)
6. [A 1510 • 8 • A|iril • obiit Nobilis et Illustris] dna [anna Ingenburgis
nata] de mckeleborch Filia ducis de ster [glicio]. (Erste Gemahlin Everwins II.)
7. Anno domini millesimo quingentesimo tricesimo ipso dif; lucie
virginis et [martyris] Obiit [Nobilis Domi]nus comes in benthe cuius ala
recjuiescat in pace. (Wappenschild wie bei 4.)
Holz- Wenige geschnitzte Holzornamente, Fruchtgirlanden aus Eichenholz.
Ornamente. XVII. Jahrhundert, werden zurzeit im Bentheimer Schloß auf bewahrt (Abb. 140).
Abb. 149. Kloster Frenswegen;
Taufstein ; jetzt auf dem Schlosse zu Bentheim.
Kamine. Mehrere Kamine aus den Klostergebäuden sind in den Badehäusern
des Bades Bentheim aufgestellt. Sie waren mit einem Ölfarbenüberzug in Blau
mit Gold versehen. Als Beispiel s. Abb. 147 u. 148.
T;u\f8tein. Ein Taufstein, jetzt auf dem Schloßhofe zu Bentheim aufgestellt, zeigt
hohe, runde Kelchform. XVII. Jahrh. Abb. 149.
->*g 151 Sk^
Gildehaus.
Kirche (ref.).
(.TÜdehaus, das größte Dorf der Grafschaft Bentheim, 3 km west-
lich von Bentheim belegen, setzt sich aus dem Orte und dem nordwestlich
davon liegenden, erst später ausgebauten M er seh zusammen. 'Geologisch liegt
es auf der Bruchfläche der ostwestlich streichenden HilssandsteinschoUe, die
im Süden der Grafschaft zutage tritt. Das Vorhandensein dieses Steines gab
Gildehaus die vernehmlichste Lebensbedingung. Gildehäuser Stein bildete einen
Ausfuhrartikel schon zu Ende des XIII. Jahrhunderts, der Zeit des Grafen Egbert
Rump, S. 70. Über den Steinhandel und die Steinbrüche siehe Burgstf. Fürstl.
Arch. I. Rep. B. 18; auch Visch S. 109.) An der Börse zu Rotterdam, am
Rathaus und Palais in Amsterdam, am Rathaus zu Emden ist Gildehäuser
Stein verwandt. Ein Steinbruch, der erst im XVII. Jahrhundert ausgebeutet
zu sein scheint, gab einen weißen, marmorartigen Stein, von dem z. B. die
Plastiken in der Frensweger Klosterkirche und der Sarkophag der Prinzessin
Amoena in der Bentheimer reformierten Kirche gearbeitet sein sollen.
Der Name Gildehaus muß als Haus der Bauerschaft, wie es solcher
Häuser viele gab, nicht aber als Haus der Steinhauergilde erklärt werden
(vgl. Raet V. Bglscp. S. 114 Anm. 4); denn gewerbliche Gilden sind vor dem
XIV. Jahrhundert im Lande unbekannt. (Siehe darüber Nordhoff a. a. 0.
S. 63 ff. Daselbst weitere Nachrichten über Gildehäuser Meister und Arbeiten.)
Die Gildehäuser Parochie wird schon in einem Güterverzeichnisse der
Grafen von Dalen vom Jahre 1188 genannt (Kindlinger a. a. 0. Nr. 29, Tibus,
Grdgsgesch. S. 191); sie ist eine FiUale von Schüttorf und, dem Datum der
ebengenannten Urkunde nach, schon früh abgezweigt. Eine Urkunde aus dem
Jahre 1192 (Wilmans U.-B. III., 1459), die den Austausch zweier Häuser im
Kirchspiel Rene gegen eins im Kirchspiel On und das Haus Rosine im Gilde-
hausischen behandelt, hat den Passus ,,in parochia Nove ecclesiae prope
Benthem". Diese Bezeichnung wiederholt sich in Urkunden von 1341, 1360
und 1369 (Jung, C. D. Nr. 78, 88, 97) in den Formen Nova Ecclesia prope
Benthem quae Gyldehus nuncupatur in honorem Stae Annae ejusdem ecclesie
patronae. Nyenkerken alias dicta then Ghildehues und sunte Annen tor Nyen-
kerken gebeten ton Gillehus (vgl. Tibus a. a. 0. S. 910). Auch das Münsterische
Registrum von 1313 führt die Nova ecclesia prope Benthem auf mit einem
Einkommen von drei Mark. St. Anna*) hatte nach den vorhin angeführten
Urkunden das Patrocinium über die Kirche zu Nienkerken; dieser Name
scheint also im XIV. Jahrhundert noch neben dem Namen Gildehaus ge-
braucht zu sein. Als Patronus parochialis wird einmal der Graf Johann in
einer Urkunde von 1321 genannt. Fernere Urkunden aus den Jahren 1404
*) Möller nennt die hl. Agnes als Schutzpatronin, St. Anna gilt als Beschützerin
des Bergbaues.
-^?, 1 52 8*--
Abb. 151. Kirche in Gildehaus; Grundriß (1: 250)
Abb. 152. Kirche in Gildehaus; Längsschnitt (1:250).
->-§ 153 S-c-
(Jung, ü. D. 140, Raet v. Bglscp. I, 200) udcI 1414 (Hannov. Prov.-Bibl.
Benth. Vol. VIII.) behandeln Verkäufe an die Kirche. Mit der Geschichte der
Widertäufer ist Gildehaus insofern verknüpft, als Bernhard Kroch ting hier
um 1530 Pastor war.
Über Räubereien und anderes Ungemach, unter denen die Gildehäuser
Kirche wie der Ort in den Kriegen des XVI. und XVII. Jahrhunderts gelitten
haben, berichtet Visch a. a. 0. S. 111.
Die Gildehäuser Kirche (Tafel 12, Abb. 150), aus einheimischen Sandstein-
quadern erbaut, ist ein einfaches gotisches Langhaus von vier Jochen, die sich
außen durch Strebepfeiler kennzeichnen (s. d. Grundriß Abb. 151 u. d. Schnitt
Abb. 152). Der Turm steht abseits, dicht unterhalb der Höhe des Berges, an
dessen Fuß die Kirche liegt. In die hohe Giebelwand an der Westseite des
Schiffes ist ein spätgotisches Portal (Abb. 153) eingesetzt. Die Wölbungen
der einzelnen Joche des Schiffes sind in Bruchstein auf gekehlten Gurten und
Rippen ausgeführt, die aus Wanddiensten herauswachsen; die Schlußsteine
sind mit Rosetten verziert. Die Dienste erscheinen verhältnismäßig niedrig,
haben achteckige Basen und Kapitelle mit rundem Kelch und achteckiger
Platte darüber (Abb. 154). Jedes Gewölbejoch hat ein Fensterpaar; nur nicht
das zweite von Westen, in dessen Nord-
wand das Fenster fehlt. Auf der freien
Wandfläche war hier ein Wandgemälde, das
jüngste Gericht darstellend, angebracht, das
1910 aufgedeckt wurde, aber nicht erhalten
werden konnte. Im gleichen Joche befindet
sich in Nord- und Südwand je eine zu-
gesetzte Tür: die in der Nordwand durch
späte, tiefe Kehlen und Wülste profiliert.
Die Fenster, bis auf die beiden mittleren
in der Südwand, welche später sein werden,
sind schmal und ungeteilt; alle liegen
ziemlich hoch.
Den Chor, dessen Boden um drei
Stufen höher liegt, als der des Schiffes
und der auch höher gewölbt ist, scheidet
vom Schiff ein breiter, spitzbogiger Tri-
1 j
e^
> c
Be-
schreibung.
Abb. 153. Kirche in GiUlehaus;
Westportal.
Abb. 154. Kirche in Gildeliaus ; Wand-
dienste ; links im Schiff, rechts iin Chor.
iirnphbogen auf vorspringerHlftii Wan(l[)feilern (Abb. 155). Er hat dünnere
Wandt) als das Schiff und setzt desfialb innen etwas zurück gef^en
die Schiffswände, während er außen fast ebenflächig damit verläuft.
Außer einem kreuzgewölbten Vorjoch umfaßt der Chor einen Abschluß in
fünf Seiten eines regelmäßigen Achtecks mit Sterngewölbe. In den Winkeln
des Chors liegen dünne Wandvorlagen für die Schildbögen; in jede der
Abb. 155. Kirche in Gildehaus; Inneres.
Tiinu
Vorlagen ist ein Dreivierteldienst mit achteckigem Fuß eingebunden. Die
Kapitelle klingen an die im Schiffe an. Die Wölbung des Chors ist in
Backsteinen ausgeführt, ebenso wie die die ungleichen Höhen des
Chors und Schiffes vermittelnde Anwölbung zwischen beiden. Die Fenster
im Chor sind dreiteihg und mit Maßwerk aus Dreipaß- und Fischblasenwerk
versehen.
An der Nordseite des Chors schließt sich eine Sakristei mit Kreuz-
gewölbe auf tief ansetzenden, von Konsolen aufsteigenden gekehlten Rippen an.
Die Erbauung des Schiffes der Gildehäuser Kirche muß möglicher-
weise in die zweite Hälfte des XIV. Jahrhunderts gesetzt werden, während der
Chor nach der Inschrift über der Tür in seiner Südwand, außen, 1480 erbaut
worden ist.
Der abseits von der Kirche stehende Turm (Abb. 156) von fast
quadratischem Grundriß, hat zwei äußeriich durch ein profiliertes Sims unter-
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->*§ 155 §*>-
Abb. 156. Kirche in Olldehaus;,
Turm.
Abb. 157. Kirclie in Gildehaus;
Turm. Schnitt (1 : 250).
Abb. 158. Kirche in Gildehaus; Glockenfries von^Hemony
schiedene Geschosse. Die /,u ebener Krde gelegene TunnhuUe, zugänglich
durch eine sj)ii'/hogige '^'\\\ in der Nordwand, ist mit einem scharfgrätigen
Kreuzgow(')lbo auf starken Schildbögen versehen; (^e Wölbung besteht aus
Haustein (Abb. 157). Eine Treppe liegt in der Südmauer des Turmes. Der
Kaum oberhalb des Gewölbes hat spitzbogige I^'enster gehabt, die teilweise
zugemauert oder zerst(")rt sind. Im zweiten Turmgeschoß, das den Glocken-
stuhl birgt, kommen gekuppelte gotische Fenster vor. Nach den Spuren an
den Wänden ist hier der Turm mit einem Gewölbe abgeschlossen gewesen.
Man wird ihn nach dem Befunde in die erste Hälfte des XIV. Jahrhunderts
zu datieren haben.
Abb. 161. Kirche in Gildehaus; Kronleuchter.
Glocken. Eine Glocke (1670) nennt als Meister Joannes Fremich; Durchmesser
ist 1,50 m. Inschrift in lateinischen Großbuchstaben:
Gef heer als dees klock luit om ons 't sam te roopen
dat wij mögen met lust tot uwen tempel loopen,
te lowen uwen wil, te bidden uw^n naam
en met een blij geschall u loven al 't sam-Ao 1670
(Namen der Kerkmeester) Joannes Fremich fecit.
Eine zweite (1648) von Peter Hemony; Durchmesser 1,38 m, hat den
in Abb. 158 gegebenen Fries. Inschrift in lateinischen Großbuchstaben:
Im tausend sechshundert vierzig und achten Jahr
Hie sechsundzwanzig Jahr von Krieg kein Friede war,
ist die Klock von Peter Hemony*) gegossen.
Ach Gott, gib das der Friede zum Trost werd geschlossen.
*) Siehe B. Zehe, Historische Notizen über die Glockengießerkunst des Mittel-
alters, Münster 18.57.
->^. 157 %x-
Eine dritte (1787) von A. Petit und Sohn; Durchmesser 1,20 m; In-
schrift in lateinischen GrofSbuchstaben : Alexios Petit en Alexios zijn Zoon
hebben my gegoten Ao 1787. Der Klang des Metals wandelt über die stillen
Gräber und das gewühl der Wohnungen ins einsame Feld, sey nicht gefühlloß
wie sie, höre den Todes botschafter, den Herold des Gerichts, die Posaune
der Ewigkeit. Gegoßen zu Steinfurth. Für die Kirche zu Gildehaus.
Abb. 162. Kirche in Gildeliaus;
Opferstock.
Abb. 163. Gildeliaus;
Sonnenuhr im Pfarrgarten.
Mehrere Grabplatten auf dem Chor tragen die Namen der ehemals Grabsteine,
auf Ravenhorst ansässigen Familie Hövel mit deren Wappen.
Die Kanzel ist aus einheimischem Stein zusammengesetzt und stammt Kanzel,
der Inschrift nach aus dem Jahre 1617 (Tafel 12, Abb. 159). Der Kanzelstuhl,
im Achteck angelegt, mit starken korinthischen Ecksäulen. Die Seitenfelder
sind oben und unten je mit zwei Engelsköpfen von auffällig negroidem
Typus geschmückt; außerdem tragen sie Inschriften, die bei Möller a. a. 0. S. 95,
angegeben sind. Zur Kanzel gehört ein Sanduhrhalter (jetzt in der Sakristei)
und ein Kanzelpult, beides aus Gelbguß. Das Pult enthält das Gildehäuser Wappen.
-^8 158 8--
Kron-
leuchter
Külcli. Der Ab(!ii(lmahlskclch aus Silb(jr, 24 cm lioch. .slaiiiinl ausdern Jahre 1615
(Tafel 12, Abi). lOO). Der Fuß ist jünger. Arn Knauf die Darstellung von
drei Pelikanen. Die Kuppa hat zwei abgesetzte Teile, die je in sechs Omannent-
felder zerlegt sind: je drei enthalten getriebene ?]ngelskö[)fehen, umgeben von
Pflaii/ejiwerk, die anderen drei je einen herzförmig ausgestalteten Buckel. Am
Kelchrande steht die Inschrift: Kompt und schmecket, wie freundlich der Herr
ist. Gerhardo Perizonio pastore. Anno 1015.
Ein Kronleuchter auf dem Chor aus Gelbguß mit zweimal acht
S-förmigen Armen stammt aus dem XVIII. Jahrhundert (Abb. 161).
Opferstock. ^^^ Opferstock aus Stein (Abb. 162), ein Werk der ersten Hälfte des
XVII. Jahrhunderts, etwa 1,20 m hoch, mit blattwerkgeschmücktem Fuß und
Vorlagen an den Seitenflächen, die als Hauptschmuck in der Mitte je einen
geflügelten Engelskopf tragen. Den Übergang zum Sockel vermitteln an den
Ecken Wülste, die als Tigerklauen ausgebildet sind. Den oberen Abschluß
bildet eine ungegliederte Deckplatte mit der Inschrift: Bedencket den Armen
(holl. Flur.).
Steinmetzzeichen am Westportal ^^~\ — , an den Chordiensten \^ ^ .
am Opferstock /s^- ^
Sonnenuhr. Eine Sonnenuhr im Garten der jetzigen II. Pfarre, Stein: Ende des
XMII. Jahrhunderts (s. Abb. 163).
Steinmetz
zeichen.
H e s e p e.
Kapelle (ref.).
Geschichte. Hesepe ist eine zum Nordhorner Kirchspiel gehörige Bauerschaft
südhch von Nordhorn und hat eine eigene ^Kapelle, die ursprünglich dem
hl. Johannes geweiht war, also vielleicht im XII. Jahrhundert schon angelegt
worden ist. Mithoff (VI, S. 62) entnimmt der
im Jahre 1861 aufgestellten Kirchenbeschreibung
weitere Angaben.
Be- Die im Osten dreiseitig geschlossene Kapelle
Schreibung, ^^y^^ ^54) jg^ ^uf Hausteinfundament, das
möglicherweise alt ist, aber kein Charakteristikum
zur Zeitbestimmung aufweist, in Backstein auf-
geführt. An den Ecken der Westfront sieht
man Hausteinverzahnung, nicht aber an den
Chorecken. Der Bau wird in der ersten Hälfte
des XVIII. Jahrhunderts entstanden sein. Das Türgewände an der west-
lichen Schmalseite bietet ferner Anhalt für diese Zeitbestimmung. Im Innern
Abb 164. Kapelle in Hesepe;
Grundriß (1 : 250).
->§ 159 ge-
haben die Schiffswände schmale Vorlagen aus Ziegeln. Die Ausstattung,
soweit das Wort Berechtigung hat, ist neueren Datums. Die Kapelle wurde
1853 auf Bittgesuch der Einwohnerschaft aus Mitteln der Königlich
Hannoverschen Privatschatulle renoviert.
Laar.
Uaus Laar, Haus Wolda, Kanzel i. d. ref. Kirche,
Laar ist ein Dorf, etwa 8 km nw. von Emiichheim belegen. Der
Ortsname hängt möglicherweise zusammen mit Lar = unbebaute Gegend
(s, Förstemann, Ortsnamen, S. 70).
Abb 16ö Laar; Haus Laar.
Laar war ehemals eine Herrlichkeit mit Gerichtsbarkeit über eine
Anzahl Häuser. Das Haus Laar wurde 1227 von dem Burggrafen von
Coevorden erobert, diesem aber durch den Bischof von Utrecht im gleichen
Jahre entrissen und völlig zerstört. Später wurde es wieder aufgebaut, aber
nicht mehr befestigt. Eilard von Bentheim empfing es als Lehen im Jahre
1227 und nannte sich seitdem von Laar. Diese Familie starb 1722 mit
Gerhard Heinrich von Laar, Herrn zu Laerwalde, in der männlichen Linie
aus, und der Landesherr nahm sein Lehen zurück. (Burgsteinf. Fürstl. Archiv
I. Rep. Urk. u. Akten von 1434—1857; Jung, App. Benth. nennt Literatur.)
Auf der Stelle des ehemaligen Hauses Laar steht heutzutage ein
Wohnhaus aus Ziegeln, das etwa der Mitte des XVIII. Jahrhunderts ent-
stammt (Abb. 165).*
-o^ KIO 8^-
llaiis Wi.lda.
Das Haus Wolda war ehemals (;iii
<'i(l(dif^(^s und laii(liafj;fäliigr;s Out, bis 1050
im Besitze der Familie von Heesten, darauf
im Besitze der Herren von Scherff. 171<>
kam es an die Familie von Bentinck. von
der es in andere Hände ü})ertragen wurde.
Um 1818 wurde Wolda schuldenhalber
verkauft. Erwähnenswerte Bauliehkeiten
bestehen nicht mehr.
Kirche (ref.).
Kanzel. I^iß von C. W. Hase erbaute reformierte
Kirche zu Laar enthält eine ältere Kanzel
(XVII. Jahrhundert) aus Holz, mit Fuß.
achtseitigem Stuhl und Schalldeckel
Abb. 106).
Glocke. Eine Glocke (1490) von Meister Gerhard
de Wou, Durchmesser 0,78 m, hat zur
Inschrift in gotischen Kleinbuchstaben:
maria is myn naem, myn gheludt zy
Gode bequaem de Wou me fecit anno
domini mccccxc.
Eine zweite Glocke (1511) vom gleichen
Meister; Durchmesser 1 m, trägt in
gotischen Kleinbuchstaben die Inschrift:
de Wou me fecit anno domini mcccccxi.
Abb. ICü. Iviiclie in Laar; Kanzel.
Jhesus maria Johannes Gerhardu-
Lage.
Kastellriiine, Herrenhaus, Kirche (ref.).
Die Herrlichkeit Lage an der Dinkel und einem Nebenflüßchen der-
selben, liegt in einer landschaftlich reizvollen Gegend, südlich von Neuenhaus,
an der Straße von da nach Ootmarsum.
Geschichte. Der Name Lage kommt vor meist in der Form Lage (Urk. v. 1183).
seltener Laege und Laghe (XIV. Jahrhundert).
Ein Herimanus de Lage, Kanonikus des Münsterschen Bischofs Her-
manns IL wird in einer Urkunde vom Jahre 1183 genannt (Niesert, Urkb. I,
Abt. I, S. 274); ein Goswinus de Lage fiel 1227 im Kampfe des Bischofs
Otto von Uetrecht gegen Rudolph v. Coevorden. Von einem Benmanus Got-
wines de Lage weiß Harseim im Feuilleton d. Neuen Hannov. Ztg., 24. April 1877,
zu berichten. Jung gibt in seinem Apparatus Benthemicus eine ausführliche
->^ 101 8k-
Geschichte über Lage, in der er eingehend seine Quellen darlegt. Danach
verkaufte Herrmann von Laege 1346 Burg und Herrlichkeit Lage an den
Bischof von Uetrecht. Da die Kauf summe nicht gänzlich bezahlt worden
war, verharrten die von Lage auf ihrem Besitz. Das veranlaßte 1380 den
Bischof Florenz v. Wevehnchoven zu einem Überfall auf Lage; das Schloß
wijrde damals dem Erdboden gleichgemacht. Zwischen 1439 und 1447 er-
richtete der Bischof Rudolph v. Diepholz die Burg aufs neue. Aus fünf, von
Racer in seinen Overysselschen Gedenkstücken (VII, S. 272 f. 308/9) über-
lieferten Urkunden aus den Jahren 1445 bis 1452 scheint hervorzugehen, daß
der Bischof v. Utrecht 1450 die Pfandschaft über Lage eingelöst hat. Unter
dem Einflüsse der Reformation übergab der Bischof 1527 Lage an Kaiser
Karl V., der es später seinem Sohn Philipp II. abtrat. (Über den Zustand
Lages zur Zeit Karls V. vgl. Jung App. Benth., wo als Quelle Strodtmanns
de Jure Curiali Litonico S. 105 ff., Göttingen 1754, genannt ist.) Philipp II.
verpfändete 1576 die Herrlichkeit an Dieterich v. Ketteier, dem er später für
2000 fl. die Erbbelehnung darüber erteilte, bei welcher Summe ein Abzug für
den Neubau der Burg und Mühle in Anrechnung gebracht werden sollte.
1591 soU die Burg — das jetzige Kastell — vollendet gewesen sein, hat aber
nicht lange bestanden. Durch Heirat mit einer Enkelin des genannten Dietrich
V. Ketteier wurde der Graf v. Croix und Reux, ein eifriger Katholik, Erbe
der Herrlichkeit. Im spanisch - niederländischen Kriege geschah es deshalb,
daß von den Niederländern 1626 das Kastell belagert und nach Abzug der
Besatzung gesprengt wurde*). Die Herrlichkeit Lage wurde dann nach Kriegs-
recht der Provinz Overyssel einverleibt, aber 1635 wieder an die Familie
v. Croix und Reux zu Lehen zurückgegeben. Diese Familie verkaufte Lage
und die dazu gehörenden Güter 1642 an Jean v. Raesveld, Herrn zu Twikkel,
Drosten der Twenthe, Der heutige Besitzer geTiört der Familie van Heeckeren
van Wassenaer auf Twikkel an.
Von 1642 bis 1803 blieb Lage politisch ein selbständiges, nicht staat-
liches Gebilde. Dann kam es im Zusammenhange mit der französischen Be-
setzung an Bentheim. 1806 wurde die gesamte Grafschaft Bentheim zum
Großherzogtum Berg geschlagen und 1810 dem französischen Kaiserreiche ein-
verleibt. Nach der Schlacht bei Leipzig blieb die widerrechtliche Angliederung
an Bentheim bestehen, bis im Jahre 1855 der gräflichen Familie Twikkel-
Wassenaer die Eigentumsrechte über Lage von Hannover wieder zugesprochen
wurden.
Kastellruine.
Die Ruine des um 1576 erbauten und 1626 gesprengten Kastells liegt
inmitten des alten, an einer Seite von der Dinkel, an den übrigen drei
Seiten von einem daraus gespeisten Graben eingeschlossenen, ungefähr recht-
eckigen Schloßbezirkes (s. den Lageplan Abb. 167). Das Kastell, das
vermuthch von einem besonderen Graben umgeben war, ist aus groß-
*) Die Altertumsammlting in Zwolle besitzt einen Holzschnitt, der die Zerstörung
des Kastells 1626 darstellt.
11
foriiiati^en Ziogoln frrijrhtol gewesen und hat im Gniiidriß ein Quadrai
von ungefülir :)() m Seitenlange umfaßt (vgl. Abb. 1G8 und Abb. 109). Eir
Zugangstor scheint an der Nordseite sich befunden zu haben; eine Kasematt(
mit Schießscharten ist in der Nordostecke erhalten; eine stark zerstört«
Abb. 167. Haus Lage; Lageplan
Abb. 168. Haus Lage; Zustand im XVI. Jahrhundert, nach einem
Ölbild im Archiv Twilskel zu Delden
andere Kasematte, in die ein jüngerer Backofen mit kleinformatigen Ziegel
eingebaut ist, scheint rechts des angenommenen Zugaugstores gelegen zu habe
Die Westseite steht hoch an und ist mit Efeu völlig überwachsen. Dr
Schießscharten für Geschütze öffnen sich hier im Erdgeschoß; dahinter sir
drei Gemächer einwandfrei zu rekonstruieren. Die Spuren einer Treppe,
^>*li 103 &K-
durch das erste ins zweite Geschoß hinaufführte, sind an der Westwand
sichtbar. Die Ostseite, in der drei Geschützscharten erkennbar sind, sowie
die Südseite sind am meisten zerstört. Über die dort liegenden Gemächer
Abb. 169. Haus Lage: Ruine des Kastells.
würde selbst eine Nachgrabung nichts Lohnendes fördern. In der Mitte des
Ruinenkomplexes stehen die Reste eines im Erdgeschoß viereckigen, darüber
achteckigen Turmes.
Herrenhaus.
Das jetzige Herrenhaus zu Lage (Abb. 170) ist ein einstöckiges
Gebäude aus kleinformatigen Ziegeln, wenige Schritt nördlich der Kastell-
Abb. 170. Haus Lage; Westfront.
11^-
-^ 1 CA i^-
ruinc belegen. Nach der Inschrift am Sockeleckstein des Südflügels (Ostseite)
ist „17()2 den (>. Mej deeser Steen gelecht".
Die Wassermühle ist 1677 erbaut und 1741 und 1826 "erneuert (In-
schrift am Kai),
1
1
«'^^^^^^H
Abb. 171. Kirche in Lage; Seitenansicht.
Abb. 173. Kirche In Lage: Schnitt.
Kirche.
Lage gehört zu den von der Ülsener Parochie abgezweigten Kirch-
spielen. Eine Hauskapelle hat nach Mithoff (VI, S. 77) auf dem Schlosse
Abb. 172. Kirche in Lage; Grundriß (1:250).
bestanden. Die reformierte Kirche (Abb. 171) gründete, wie die Inschrift
über der Tür in der Südwand daselbst besagt: Amadea Nata comes in
Flodroff — Vidua Adolphi Henrici Bar. in Raesfelt. Domini in Lage et
->§ 1G5 ^-
Twickeloe .... Anno Christiano MDCLXXXVII 3 Id. lun. Über der Westtür
steht ergänzend dazu: Anno 1687 den 11. Junii is den eersten Steen gelecht
an deese Kercke door Vrou Amadea van Flodroff Weduwe van Raesfelt.
Die Kirche (s. den Grundriß Abb. 172 und den Schnitt Abb. 173) ist eine
Saalkirche aus Ziegelsteinen mit sandsteinernen Tür- und Fenstergewänden;
die Fenster sind rundbogig. Die Decke in Stuck ist am Dachstuhl aufgehängt.
Mitten auf dem Dach sitzt ein Dachreiter.
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Abb. 174 Kirche in Lage; Becher.
Abb. 175. Kirche in Lage ; Kanzel.
Ein Silberbecher mit Wappen der Famihe van Wassenaer und der AbeudiualiLs
Beischriüt Ciux Christi Mea Gloria 1717; in zwei Medaillons die Allegorien J^'f^rätf-
Glaube, Liebe, Hoffnung (s. Abb. 174).
Ein Oblatenteller, Silber, mit Wappen der Heeckeren van Wassenaer, 1717.
Die beiden vorhandenen Glocken sind 1908 umgegossen. Die ältere Glocken,
stammte aus dem Jahre 1688 und war eine Stiftung von Amadea v. Flodroff,
Weduwe von Wassenaer. Diese Glocke wurde 1855 umgegossen, in dem gleichen
Jahr, als die zweite Glocke bei Radler & Söhne in Hildesheim neugegossen
wurde. Durchmesser der ersten ist 0,66 m, der zweiten 0,82 m. Inschriften
und Wappen befinden sich an beiden.
Die Kanzel aus Eichenholz mit Steinfuß; Stuhl und Schalldeckel Kanzel,
achteckig; gedrehte Säulen an den Kanten des Stuhles; XVII. bis XVIII. Jahr-
hundert (Abb. 175).
->^, l(i<) c->-
Abb. 176. Neuenbaus; Stadtplan (l:5(X>0).
->*§ 167 g^.-
Neuenhaus.
Burg Diiikelrode (nicht mehr vorh.), ref. Kirche, kath. Kirche, Rathaug, Bürgerhäuser.
Die Stadt Neuenhaus (s. den Plan Abb. 176), mit etwas über 1200
Einwohnern, liegt an der Dinkel, unfern deren Einmündung in die Vechte,
aber doch so weit abseits dieses Flusses, daß sie an der Schiffahrt nach
Holland, so lange diese in Blüte war, nur in geringem Maße beteiligt sein
konnte. Die Burg (s. Plan), um welche sich die Stadt allmählich ansiedelte,
lag auf einer erhöhten Stelle nicht weit vom Dinkelflusse, und ihr Name
Abb. 177. Neuenhaus; "Wassermühle; nach Zeichnung von Prof. H. Siebern
Dinkelrode scheint anzudeuten, daß sie an einer im großen Üsterwalde erst
freigelegten Stelle erbaut wurde (über den Osterwald s. Jung a. a. 0., Cod.
dipl. Nr. 142). Die Hauptverkehrsstraße von Nordhorn über Ülsen in die
Twente hinein und mehrere Kanäle, welche die Stadt durchzogen, bedingten
deren äußere Gestaltung. Von der alten Befestigung, die im Dreißigjährigen
Kriege beseitigt wurde, ist nur noch der Ölwall über. Die Wohnhausanlage
unterscheidet sich nicht von der in den beiden anderen Städten der Grafschaft
üblichen. Neuenhaus hat sich aber einige malerische Bilder erhalten, namentlich
an einem der die Stadt durchziehenden Wasserkanäle (s. als Beisp. Abb. 177
und Tafel 13, Abb. 178).
Für die Gründung der Burg läßt sich ein bestimmtes Jahr nicht Geschichte,
angeben, doch fällt sie unter die Regierung des Grafen Johannes IL (1305
bis ca. 1333), und zwar um das Jahr 1317 (nach Stockmann a. a. 0. Forts. 110).
Zu der Anlage gerade an dieser Stelle mögen den Grafen namentlich
straU'Ki^^'liß Kücksicliteu bewogen haben. Im Gegensatz zu der alten Burg
in Bontheiin wurde sie das „neue Haus" benannt. In einer Urkunde vorn
Jahre 1328 (Jung; Cod. dipl. Nr. 66) bestimmte der Graf gewisse Einkünfte für
die Kapelle und deren Priester zu Dinkelrode. Dieser Urkunde sind die Siegel
des Grafen und seiner Gemahlin Mechtildis sowie ihrer drei S'ihne angehängt
(Abb. bei Jung, Cod. dipl. Tafel V). Während der Graf Otto VI,, weil er sich in
Geldverlegenheiten befand, die Burg und Ortschaft an einen gewissen
Floriken Voet verpfändete, wie aus Urkunden aus den Jahren llJö") (Jung.
Cod. dipl. Nr. 82) und 1364 (Jung, Cod. dipl. Nr. 91) hervorgeht, wandten die nach-
folgenden Grafen einsichtsvoller ihre Sorge der Niedergrafschaft und ihrer
Residenz darin wieder zu. Urkunden aus den Jahren 1365 (Jung, Cod. dipl. Nr. 'J.3)
1370 und 1404 (Jung, Cod. dipl. Nr. 98 und 141) behandeln Schenkungen und
Privilegien in diesem Sinne. Auch die Verlegung der Veldhäu.ser Kirche
(Rump S. 77 und Jung App. Nr. 8) nach Neuenhaus, zu der Graf Bernhard
1370 seine Einwilligung gab, gehört hierher (s. unter Veldhausen).
Die Nähe der gräflichen Burg gereichte hingegen der Stadt gelegentlich
zum Schaden. Visch (S. 117) und Rump (S. 78) berichten von Kriegs-
unruhen, die Neuenhaus über sich ergehen lassen mußte, zur Zeit des
Bischofs Wilhelm von Utrecht, der infolge von Streitigkeiten mit seinen
Lehnsvasallen in die Twente und Grafschaft eingefallen war und insbesondere
auch in Neuenhaus Verwüstungen anrichtete. Im Jahre 1418 wurde (Raet
V. B. a. a. 0. I, 235 ff.) die Stadt abermals verpfändet. Graf Everwyn von
Beutheim war 1417 in die Drente und Twente eingefallen, um den Bischöflich
Ütrechter Burggrafen zu Coevorden wegen der fortgesetzten Dinkelaufstauungen
zu züchtigen und hatte seine Beute nach Neuenhaus gebracht. Die
Ütrechtischen belagerten hierauf die Stadt und nahmen sie. Graf Everwyn
von Güterswyk mußte alsdann zum Schadenersatz sein Schloß mit hoher
und niederer Gerichtsbarkeit auf mindestens fünf Jahre verpfänden, und der
Burggraf von Coevorden wurde zum Amtmann und Kastellan des Hochstiftei
Utrecht in Neuenhaus bestellt (R. v. B. I, 239 f.).
Im Jahre 1427 war Neuenhaus noch nicht wieder eingelöst. Auch
noch in einer Urkunde vom Jahre 1429 ist von „Niehus" als Stiftslehn von
Utrecht die Rede (R. v. B. I, 243). Erst am 24. Januar 1688 scheint dai-
Haus Bentheim unter Graf Ernst Wilhelm die Belehnung mit Neuenhaus von
den Staaten der Provinz Overyssel als den Nachfolgern der vormahgen Fürst-
bischöfe von Utrecht wieder erlangt zu haben (R. v. B. 11., 121). 1696 wurde
dem Grafen erneut die Belehnung erteilt, der dann die Burg miHtärisch
besetzen ließ (R. v. B. II, 131 f.).
Die Wälle und Mauern der Burg wurden im Dreißigjährigen Kriege
geschleift. Neuenhaus selbst hat sowohl in diesem Kriege als auch durch die
Raubzüge Ludwigs XIV. und besonders im Siebenjährigen Kriege sehr gelitten.
Es gelangte so nie zu der Bedeutung, die Nordhorn und Schüttorf gewannen.
Tafel 13.
Abb. 181 u. 178.
kiRCHE IN NEUENMAUS; Innenansicht, - NEUENHAUS; Stadtbild am ÖlwalL
->§ KiU g-^-
Ref. Kirche.
Die reformierte Kirche in Neuenhaus (Abb. 179) wurde nach der In- Creschichte.
Schrift am Südgiebel begonnen im Jahre 1684 und vollendet 1686. Sie steht
Ablj. 179 J!ff. Kirche in Neuenliaus; Aiisiclit.
Abb. 180. Ref. Kirche in Neuenhaus : Grundriß (1 : 250).
nach Visch (S. 117) auf dem Platze der alten verfallenen Kirche, das heißt,
an Stelle des Gotteshauses, das nach 1370 vielleicht bis zu dem Neubau von
'^% 170 ?*>-
1684 Ijestanden hatte*) und ursprünf^lich als Ersatz für di<; Veldhausener
Kircho errichtet worden war.
ße- iJic. Neu(3iihäuser Kirche ist eine sehr große Saalkirche, deren Längs-
schreibimg. ^chse ungefähr nord-südliche Orientierung zeigt (s. d. Grundriß Abb. 180).
Ihre Umfassungsmauern sind aus kleinformatigen, grauroten Ziegeln mit nach
innen wie außen vortretenden Pfeilern errichtet: diese letzteren sind mit
Bentheimer Quadern verblendet. Die
Fenster .setzen verhältnismäßig hoch
Abb. 182. Eef. Kirche in Neuenhaus;
Schnitt (1 : 250).
Abb. 183. Eef. Kirche in Neuenhaus :
Schnitzwerk am gräflichen Gestühl.
an und sind rundbogig geschlossen (Tafel 13, Abb. 181). In'^ den beiden
Giebelseiten findet sich je eine Tür. Die Pfeiler der Giebelwände außen laufen
über die Giebelschrägen hinaus und enden in Verkröpf ungen, die durch ein
wagerechtes Gesims verbunden sind. Dahinter setzt der Walm des Daches
an. Oberhalb des Südgiebels ist ein achtseitiger Dachreiter mit dem Glocken-
stuhl aufgesetzt. An den Seitenwänden außen stoßen die um 24 cm vor-
springenden Sandsteinpfeiler unter das Dachgesims, das außer durch diese
noch durch Konsolen getragen wird (s. d. Schnitt, Abb. 182). In der Mitte der
Westseite liegt, mit fünf Seiten eines Achtecks aus der Wand hervortretend,
*) 1591 etwa ließ Graf Arnold „die Kirche zu Newenhauss von dem was darein
von päpstlichen Reliquien übrig war, reformieren" (8. Döhmann a. a. 0. S. 30 u. 48).
Taicl 15.
Abb. 184, 2?,'^) u. 19^.
RRF. KIRChE IN NP.UKNHAUS; Brotschüssel. - KIRCHE IN ÜLSEN
REP. KIRCHE IN NORDHORN; Brotschüssel.
Kelch.
->-§ 171 g^^
ein wagerecht abgedeckter Treppenturm. Das Dach hat schwere Holz-
konstruktion in doppeltem Sprengwerk. Daran hängt die Holzdecke der
Kirche in Form einer flachen Tonne.
Eine Brotschüssel aus Silber (Tafel 15, Abb. 184), rund, Durchmesser Brot-
22,8 cm. Der Rand ist getrieben; im Mittelfelde, umgeben von namentlich '^cliussel.
pflanzlichen Ornamenten, drei Medaillons mit Tierdarstellungen in Graviertechnik.
Die Kanzel, mit vierseitigem Stuhl und halbachteckigem Schalldeckel, Kanzel,
ragt frei aus der Mitte der Westwand heraus und ist zugänglich von dem
vorhin genannten Treppenturm aus. Der Stuhl besteht aus feinstem Bent-
heimer Stein und hat an der Unterfläche im Relief einen stilisierten Adler,
ferner Sonne und Mond.
Ein Kelch aus Silber, 21, o cm hoch, der Knauf mit Widderköpfen Kelch,
besetzt. Dem Gildehäuser Kelch verwandt. Der Fuß stammt aus der Zeit
um 1720. Die Kuppa ist neuer.
Zwei Kronleuchter aus Messingguß, von üblicher Form — mit Stifter- Kron-
inschriften auf den Kugeln, datiert 1759 — , tragen Figuren unter der Krone,
Ein Lesepult an der Kanzelbrüstung besteht aus Messingguß und zeigt Lesepnlt.
das Neuenhäuser Stadtwappen — ein Haus.
Ein Taufbecken, Metall, rund mit Stifterinschrift und Wappen, datiert 1 7G9. Taufbecken .
Die Kirche zeichnet sich durch ein prächtiges, tief braun gebeiztes Gestühl.
Eichenholzgestühl aus. Ein besonders schöner Stuhl mit Regenceschnitzwerk
ist der ehemahge gräfliche (Abb. 183).
Kath. Kirche.
Die katholische Kirche ist in den Jahren 1863—65 in einfachen
gotischen Formen aus Backsteinen erbaut.
Die drei vorhandenen Glocken sind 1865 von Petit u. frat. Edelbrock Glocken,
in Gescher gegossen. Die größte: Durchmesser 0,93 m, Inschrift ,,Sancta
Maria ora pro nobis". Die mittlere: 0,82 m, ,,S. Petrus ora pro nobis". Die
kleinste: 0,725 m, „S. Paulus ora pro nobis". Inschriften in lateinischen
Großbuchstaben.
Ein neueres Meßgewand aus rotem Sammet ist mit prächtigen, um Meßgewand.
1500 entstandenen Stickereien in Gold und Seide ausgestattet, die aus dem
ehemaligen Kloster Frenswegen stammen, (Aus Westf. Vergangenheit, Münster
1893, S. 36, Anmerk.)
Rathans.
Das an der Hauptstraße belegene Rathaus (Abb, 185) ist ein zwei- Rathaxis,
geschossiger, fünfachsiger Ziegelbau auf rechteckigem Grundriß, mit der Lang-
front der Straße zugekehrt. Sockel, EckHsenen, Hauptsims bestehen aus
Sandstein. Lichtöffnungen sind rechteckig; Holzrahmen, Schiebefenster mit
Sprossenteilung. Ein Scheinrisalit in der Frontmitte, dessen Eckhsenen sich
am Hauptsims verkröpfen, trägt einen Dreiecksgiebel und enthält die recht-
eckig umrahmte Eingangstür und im Oberstock ein Fenster. Im Zwischen-
stück zwischen beiden befindet sich das Neuenhäuser Wappen; im Giebel-
-'^l 172 ^-
Altes
Pastorat.
i'eldü das licniliciiner Wapixui. I'rolilo und Oniarn«inlforinen .sind klassizistisch.
Das ziegelgedockto Walmdach trägt auf der Firstmitte einen zweistöckigen,
achtseitigen Dachreiter mit offenen Laternen. Deckling in Schiefer.
Altes Pastorat.
Das alte Pastorat zeigt einen wirkungsvollen, schlichten Staffelgiebel
mit Zierstücken und Eckbekrönungen in der Abtreppung; Jene wie die Gesimse
aus Sandstein, die Flächen jetzt verputzt; früher wird aber das Backstein-
Abb. 185. Neuenhaus: Kathaus.
mauerwerk sichtbar gewesen sein. ' Zwischen den in Blockrahmen eingesetzten
Fenstern des Giebels eine Wappentafel. Die Ankersplinte geben als Erbauungs-
zeit die Jahreszahl 1684 an. (Abb. 186.)
Haus
.Schölten.
Bürgerhäuser.
Haus Schölten an der Hauptstraße (Abb. 187 a). Fünf achsiges, zwei-
geschossiges Geschäftshaus; den Grundriß zeigt Abb. 187b. Kleinformatige
Ziegel, Eckverzahnungen aus Sandstein. Ankereisen bilden die Jahreszahl
1753. Große Licfctöffnungen : gerader Sturz, Holzrahmen, Schiebefenster;
Hauptsims aus Holz, nicht ursprünglich. Das Ziegeldach hat \der im Viereck
zueinander liegende Firsten, so daß nach Innen zu ein Wassersack
gebildet wird.
->^ 1 7;> gK-
Abb. 186. Neuenhaus ; Altes Pastorat.
Abb. 187a. Neuenhaus; Haus Schölten, Ansicht.
Carlen
Brückp
Abb. 188. Neuenhaus; Haus an der Hauptstraße
Abb. 187b. Neuenhaus; Haus Schölten, Grundriß.
•>^ 1 7-1 fh'-
Wo Im haus an (Icr llauptstraßo — Mitte des XIX. .Jalirliunderts —
(Abb. 188). Eingeschossiger Ziegelbau mit fünf Achsen. ?]ckUsenen und Haupt-
sims in Holz, (iroßo Liditöffnungen mit zurückhegenden Holzrahmen und
Schiebefenstern. Sturz gerade. Tür mit Holzgebälk. Zweifenstriger Erker-
aufbau. Gevvalmtes Dach.
Nordhorn.
Ref. Kh'che, kath. Kirche, Ratlians, Bürgerhaus usw.
JNordhorn, ein stark im Aufblühen begriffenes Städtchen mit %4elen
Weberei- und Spinnereibetrieben, liegt auf einer Vechteinsel an der alten
Abb 189. Nordhorn; Stadtplan.
Hauptpoststraße von Nord Westdeutschland nach Amsterdam. Offenbar hat das
Vorhandensein der Burg, die wahrscheinlich seit Ende des XI\^. Jahrhunderts
bestand t»nd auf deren Platz heute die katholische Kirche, Pfarre und Schule
liegen, die Entwicklung des Ortes gefördert (s. d. Stadtplan, Abb. 189). Der
Lauf der die Stadt umfließenden Vechte wurde wiederholt mit dem An-
wachsen der Stadt verlegt. Von den sogenannten Binnenvechten, welche
einst als schiffbare Kanäle die Stadt durchzogen, sind nur noch die Spuren
vorhanden; der Burggraben -wurde als letzter dieser Wasserläufe im Jahre
1899 zugeschüttet.
Tafel 14.
Abb. 190, 195 u. 193.
REF. KIRCHE IN NORDMORN; Aussenansicht, - Turm, - Innenansicht
-^ 175 8^-
Während die große Landstraße, an deren Eintritt und Austritt aus
der Stadt je ein Tor lag — nach Rump (a. a. 0. S. 67) sind zwei Tore 1410
erbaut — und die Binnenvechten einerseits von Einfluß auf die Gestaltung
des Stadtbildes wurden, so unterlag die Gestaltung des Wohnhauses den all-
gemein im Lande gültigen Bedingungen des kleinbürgerlichen Lebens. Die
Einwohnerschaft trieb Vieh- und Wiesenwirtschaft, Hausweberei, Fuhrunter-
nehmung und Schiffahrt. Die Bauweise ist aber mehr als anderwärts die
holländische des XVIII. Jahrhunderts — wie denn der Einfluß niederländi-
scher Kultur auch auf anderen Gebieten sich in dieser Zeit am stärksten
erweist. Die Hausfronten zeigen kleinformatige, graurote Ziegel, gekappte
Giebel, gwalmte Dächer; die Hinterbauten bestehen meist noch aus Fachwerk,
während Fachwerkfronten nach älterer Bauweise selten geworden sind. Das
älteste Privatgebäude überhaupt stammt "aus dem Jahre 1657.
Visch (a. a. 0. S. 105) bringt Angaben über eine vorübergehende Befesti-
gung der Stadt in den Jahren 1370—1380 und verweist auf Henr. Hövel,
S. 304. (Ms. in der Prov.-Bibl. Hannover.)
Der Name Nordhorns kommt vor in der Form Northernon in den aeschichto.
Werdener Heberegistern von den Jahren 1000, 1050 und 1092*) (Ztschr. des
Berg. Gesch. -Ver., Band 33, S. 28. Crecelius, Collectae . . Illb 113); dann in
der Form Nodehorne in einer Urkunde aus dem Jahre 1341 (Jung, Cod. dipl.
Nr, 78). (Zur Namenserklärung siehe Förstemann, Namenbuch II, Sp. 1548.)
Außer diesen Erwähnungen findet sich der Name Nordhorn in Ur-
kunden aus den Jahren 1184, 1249 (1250?) und 1255. Die erste handelt
von Einkünften des Magdalenenhospitals zu Münster, die zweite nennt
als Zeugen einen Johannes, plebanus in Northorn, die letzte dreht sich um
die Übertragung von Einkünften im Kirchspiel Nordhorn an das Kloster
Langenhorst (Erhard, Regesten 2147, Cod. dipl. Nr. 443, Osn. Urk. B. I, Nr. 374).
Das Münsterische Registrum vom Jahre 1313 schätzt Nordhorn auf neun
Marcas ein, und auch im liber redituum vom XIV. Jahrhundert wird sein
Name erwähnt (Tibus, Gründungsgesch. S. 929). Im Jahre 1319 verlieh der
Bischof Ludwig von Münster dem Grafen Johann IL von Bentheim die welt-
liche Gerichtsbarkeit in Nordhorn gegen die Verpflichtung, die im Gerichts-
bezirk auf Erben oder Katten des Bischofs oder Domkapitels Sitzenden nicht
mit Schätzung oder Dienstleistung zu bedrängen (Jung, Cod. dipl. Nr. 58).
Graf Bernhard I. gab ,,alzedann 1379 den Borgheren und der Menhet, und den
Wichbolde tho Nordhorne . . . Recht und Wonehet alze de van Schuttorpe hebbet"
(Vaterl. Archiv I. 128, Niesert, Urk. V, S. 187). Zwischen 1370 und 1380,
während eines Krieges des Grafen Bernhard mit dem Bischof Florentius von
Münster, scheint Nordhorn durch Wälle und Kanäle befestigt gewesen zu sein.
Die Stadtrechte erfuhren Bestätigung 1478 durch Everwyn II. und andere
spätere Grafen. Im Dreißigjährigen Kriege hatte Nordhorn infolge der Besetzung
durch die Kaiserlichen 1643 und ferner durch die Beschießung unter dem
*) Dieses enthält auch zweimal den Namen des Dorfes Addentliorpe, in dem
später die heutige reformierte Kirche erbaut wurde.
-'^ 170 g---
schwodischon (leiieral Uantzaii zu leiden. Hei dieser letzten Gelegenheit wurden
120 Häuser in Asche gelegt (vgl. O.sn. Monatshiätter Nr. 11, August 1900).
Ref. Kirclic.
Ocscliiclito. Die ursprüngliche, wahrscheinlich vom hl. Liudger oder kurz nach
seiner Zeit gegründete Kirche zu Nordhorn ist nicht auf dem Platze der
heutigen angelegt gewesen. Sie hat unter dem Patrocinium des hl. Liudger
gestanden, denn das alte Kirchensiegel zeigte nach Mithoff (VI, S. 97), in rundem
Felde die Halbfigur eines Bischofs mit der Umschrift St. : ecclesie : sancti :
ludgeri. i. northor. Über die jetzige reformierte Kirche schreibt Johannes von
Horstmar in seiner Frensweger Chronik, Kapitel 58, daß diese gleichzeitig
mit der Klosterkirche in Frenswegen . im Jahre 1445 geweiht wurde (vgl. auch
Tibus, Gesch. Nachrichten über die Weihbischöfe S. ;38). Aus der gleich-
zeitigen Konsekration des Kirchhofes folgt der Schluß, daß die Kirche auf
einem ganz neuen Platze angelegt worden war. Nach der Kirchenbe-schreibung
aus dem Jahre 1861 soll der Turm der Kirche unter Everwyn dem Reichen
1489 begonnen sein. „Anno 1747; 12. Dec. s'av. 7—8 uur is de 308 voet
hooge toren, die 1489 gebouwd was, omgewaid". „1749, 5. Dec. was de nieuwe
voordig" sagt die gleiche Beschreibung. Der neue Turmhelm brannte dann
infolge Blitzschlages noch im selben Jahrhundert ab und es wurde der jetzige
,,in zierlicher Kuppelform auf acht Pfählen" errichtet.
Die reformierte Gemeinde zu Nordhorn teilt sich in Stadtgemeinde
und acht Bauerschaften.
Be- Die Kirche (Tafel 14, Abb. 190) liegt auf einer geringen Erhöhung
ung. ^g^j|j.j^ ^Qp ^gj. g^a(j^ [jj^ sogenannten Alten Dorfe, ist aus Sandsteinquadern
aufgeführt und hat drei gewölbte Schiffe mit zwei Paar im Grundriß
kreisrunden Pfeilern. Dem Mittelschiff ist ein mit fünf Seiten eines Achteckes
abschließender Chor vorgelegt (s. d. Grundriß Abb. 191). Die gekehlten
Rippen des Gewölbes wachsen aus runden Wandsäulchen mit achteckigen
Basen und Kelchkapitellen hervor. Die Gewölbe sind in Backstein ausgeführt
(s. den Schnitt Abb. 192). An die Nordseite des Chores schließt sich eine
in zwei Jochen gewölbte Sakristei. Der Schlußstein des westlichen Joches
zeigt eine Fratze. Die Tür in der Chorsüdseite ist nach der gotisierenden
Inschrift außen darüber im Jahre 1653 erneuert oder eingesetzt. Der Chor-
fußboden liegt um etwa 12 cm höher als der des Schiffes (nach der Beschreibung
von 1861 einen Fuß). Den Chor öffnet nach dem Langhause zu ein mächtiger
Triumphbogen. Ein Entlastungsbogen liegt darüber, oberhalb der Gewölbe,
gegen Sicht von außen durch das Chordach verdeckt.
Die ganze Anlage des Schiffes (Tafel, 14. Abb 193) gleicht derjenigen von
' der Schüttorfer Kirche. Die Pfeiler sind rund ohne Dienste ; Basen und Kapi-
telle sind untereinander gleich profiliert (Abb. 194). Breite Gurten spannen
sich von Pfeiler zu Pfeiler und sind mit Hohlkehlen profiliert. Auch die
Rippen der Kreuzgewölbe sind gekehlt. Das Gewölbe zunächst dem Chor weist
ringförmigen Schlußstein auf imd ist etwas höher ausgeführt als die übrigen.
->^ 177 g-c-
12
-^ 1 78 h<'-
'j',„.,„ Der Turm (Tafel 14, Abb. \\)i)) ist der We.slwand des Schiffes nachträglich
vorgelegt, wie ja auch die Geschichte überliefert. Die hohe westliche Giebel-
wand des Schiffes besteht selbständig bis oben hin; daran legt sich der
Turm ohne Verband. Die Durchgangshalle im Turm hat ein auf Konsolen
ruhendes und mit gekehlten Rippen ausgeführtes Gewölbe. Mächtige Hohl-
kehlenprofilierung zeigt der die Halle nach dem Schiff zu öffnende Spitzbogen.
Abb. 192. Ref. Kirche in Kordhoin:
Schnitt (1 : 250).
Abb. ia4. Eef. Kirche in
Nordhorn; Pfeiler, Fuf5
und Kapitell.
Das vierteilige Oberlichtfenster des Turmportales ist mit feinem, spätgotischem
Maßwerk versehen (Abb. 196). Die Türbekrönung ist eine Wimperge mit
Eselsrücken, späten Krabben und Resten von Fialen zu beiden Seiten. Nach
seiner Gliederung ist der Turm dem Schüttorf er verwandt: er steigt in drei
mächtigen Stockwerken empor; an der Westfront ist das zweite und dritte
Geschoß durch Je drei lange Blenden geteilt. An den übrigen Seiten hat nur
das obere Geschoß jederseits eine Zweiteilung durch Blenden. Die Höhe de-:
Turmkörpers beträgt o2,60 m.
An der Südseite, außen in der Ecke zwischen Turm und Schiff liegt
ein Treppentürmchen, das im Grundriß ein halbes Achteck bildet und von
der Südwestecke des Schiffes aus zugänglich ist. Es bestand eher als der
->S 179 ö-<-
Kirchturm; Außen daran befindet sich ein stark verwitterter, lebensgroßer
Kopf in vollem Relief, aus kreisrunder Umrahmung westwärts schauend.
Aus den Fenstern in Schiff und Chor sind in den 1860er Jahren
die Maßwerke entfernt; sie sind durch gußeiserne Rahmen ersetzt.
Die eichene Wandverschalung des Chores trägt die Jahreszahl 1653; Gestühl,
die Brüstung der nördlichen Prieche die Zahl 1657.
Abb. 196. Ref. Kirche in Kordhorn;
Turmportal.
Abb. 1^7. Eef. Kirche in Nordhorn;
Kanzel.
Die größte der vier vorhandenen Glocken (1508) nennt in ihrer In- Glocken.
Schrift: Westerhues Wolterus nos fecit anno domini mdviii zugleich für die
übrigen drei den Meister. Ihr Durchmesser beträgt 1,5 m. Die einzeilige
Inschrift findet sich unterhalb der Haube, oben und unten mit einer Blatt-
kante besäumt, und enthält außer Meisternennung und Jahreszahl in gotischen
Kleinbuchstaben eine Anrufung Gottvaters: o pater eterne laus petentibus usw.
Bei der zweiten, Durchmesser 1,35 m, gilt die in gleicher Weise an-
gebrachte Inschrift der Himmelskönigin : regine cell servemus mente fideli usw.
. . . laude cum digna dicamus ave maria ano domini mdvm.
Die dritte, Durchmesser 1,20 m: 0 ludiger pater pete . . . usw. . . . sit
procul hie bellum, sit procul omne malum. ano domini mdvm.
Die vierte Glocke, Durchmesser 0,75. Inschrift nicht entziffert.
12*
1 H< ) 't-^--
Kan/ol.
Kntii-
Iciiclitcr.
Kclclie.
Die aus Steinplatten /usaminenf,'esetzte Kanzel (Abb. YM) trägt am
Fuß die Zahl 1057. Der Stuhl ist sech.seckig und hat dorische Säulen an
den Kanten. Die Seitenflächen enthalten Spruchinschriften.
Drei Kronleuchter aus üelbguß von der üblichen Form. Auf Wappen-
schilden am Knauf: Gegeven door de Familie van Hubert 1700. Zwischen den
Schilden plastische Figuren einer Mutter mit drei kleinen Kindern (Abb. 198).
Ein größerer Becherkelch mit Deckel, Höhe ;j9,5 cm, aus Silber, trägt im
Deckelinneren über dem Nordhorner Wappen die Zahl 1588. Das Gefäß ist
in Graviertechnik verziert. Der Deekelknauf ist als Pelikan ausgebildet.
Abb. 198. Ref. Kirche in Nordhorn; Kronleuchter.
Ein kleinerer Becher aus Silber, 15,3 cm hoch, ist in Graviertechnü
im Stil um 1720, ähnlich dem Becher von Lage, verziert.
Brotschüssel. Eine Brotschüssel aus Silber in elliptischer Form, 41 cm Durchmesse)
(Tafel 15, Abb. 199), deren Rand mit naturalistischem Blumenornament ii
Treibtechnik versehen ist, enthält im Grunde die Darstellung eines bärtiger
Mannes in mittelalterlicher Gewandung und Kopfbedeckung, mit Sandalei
an den Füßen; auf einem Lehnstuhl sitzend, vorgebeugt gegen ein offene
Feuer, wärmt er rechte Hand und Fuß. Die linke Hand hält einen Gegen
stand. Hinter dem Stuhle kauern zwei Hunde. Der Fußboden im Hinter
grund zeigte, daß die Szene in freier Natur gedacht ist. Eine Architektu
mit Nischen für die Abendmahlsattribute und mit Wappen scheint nach
trägliche Zutat. Die Arbeit entstammt der Wende des XVII. Jahrhunderte
Siegel. Das Kirchensiegel stellt die hl. Maria mit dem Jesuskinde dar un(
hat die Umschrift: Sigillum Prioris nemoris beatae Mariae Virginis prop
Nordhorn.
->? 181 8^-
Kath. Kirche.
Auf einer besonderen kleinen, von der Vechte gebildeten Insel im
Westen der heutigen Stadt lag ehemals die Burg Nordhorn. Sie ist als solche
nach Tibus (Gründungsgeschichte S. 995) wahrscheinhch erst nach 1360,
vermutlich aber im XIV. Jahrhundert überhaupt noch gar nicht erbaut, weil
die Bischöfe von Münster ebensowenig hier die Anlage eines befestigten
Platzes geduldet haben würden, als sie es in Brandlecht taten.. Die Kirchen-
Geschichte.
Abb. 200. Nordboin; Augustinerhaus, nachmals Kirche und Kapelle (kath.) auf der Buvs.
Abb. 201. Nordhorn ; Kapelle (kath.), Grundriß (1 : 250).
beschreibung der katholischen Kirche aus dem Jahre 1862 enthält geschichtliche
Angaben: danach verkaufte Graf Arnold IL von Bentheim 1578 die Burg an
das Kloster zu Frenswegen, das sie für den katholischen Gottesdienst
herrichtete. Unter den Bentheimer Grafen war die Burg als Jagdschloß
benutzt worden, während sie vorher Sitz einer Johanniter - Kommende
(vgl. Jung, Cod. dipl. Nr. 78) gewesen sein soll, in deren Hand das Haus aus
dem Besitz der adeligen Familie Nothehorne übergeben worden wäre.
Genauere geschichtliche Daten über die ältere Zeit fehlen.
Der Gottesdienst auf der Burg wurde nach der Reformation vom
Kloster Frenswegen aus gehalten. Zur Zeit der napoleonischen Besetzung
erlitt sie das gleiche Schicksal wie die übrigen klösterlichen Besitzungen: sie
-«»? 1H2 %^
wurde 1H]1 von dor fran'/,ösis(;h<!n Regierung verkauft. Im .Jahre 1S24 aber
erwarb die katholische Gemeinde zu Nordhorn die Burg für 02(X) fl. mit Bei-
hilfe der hannoverschen Klosterkammer.
, 'V'' Das Residenzhaus der Augustiner wurde zur Kirche umgewandelt,
die Kaj)elle als Lehrerwohnurig und Schule eingerichtet und das ehemalige
Jägerhaus zur Ffarrwohnung umgebaut. Die ersten beiden Gebäude sind im
Jahre 1911 niedergelegt, um dem Neubau einer Kirche Platz zu machen.
Das von Ordensleuten des Klosters Frenswegen 1579 errichtete
Residonzhaus, das 1825—20 zu einer dem hl. Augustinus geweihten Kirche
ausgebaut wurde, war ein schlichter, zweigeschossiger rechteckiger Bau mit
Ziegelwalmdach, 9,5 m breit und 22,8 m lang (Abb. 200). In die Umfassungs-
wände, die im unteren Teil aus Quadern, im oberen aus verputzten Back-
steinen (Format 24 : 11^12 ' ö^k) bestanden, waren bei Umwandlung zum
Gotteshause spitzbogige schlanke Fenster eingebrochen. In der nördlichen
Schmalseite lag der alte rechteckige Eingang mit zweiteihgem Oberlicht,
dessen Sandsteinumrahmung in der bogenförmigen Verdachung die folgende
Inschrift trug: .,TEMPORIS INIURIA. / EXTRUCTUM AXNO 1579. /
RENOVATUM ANNO 1711." Zu beiden Seiten dieser Tür befand sich ein
vermauertes, durch Kreuzpfosten geteiltes Fenster; ein gleiches über dem
Eingang und noch mehrere in der Ostwand. Hier zeigte sich, 7,9 m von der Süd-
ecke entfernt, eine senkrechte Fuge im Mauerwerk; außerdem v^^ar der dadurch
abgetrennte südliche Teil des Gebäudes ausgezeichnet durch ein in 2;^ der
Höhe herumlaufendes Gurtgesims gotischer Bildung, die hier wie auch an anderen
Orten bis tief ins XVI. Jahrhundert hinein in Übung geblieben ist. Die der
Vechte zugewandte Westrand wurde durch zwei Strebepfeiler mit Schräg-
abdeckung verstärkt, so daß an dieser Stelle auf das einstige Vorhandensein
von gewölbten Räumen geschlossen werden darf. Das Innere wies zuletzt
eine flach gewölbte Decke auf und bot keine Anhaltspunkte für die ehemahge
Grundrißbildung.
Die ehemalige Kapelle (Abb. 201), 1712 aus kleinen Backsteinen
(22,5 : 10,2 : 4,2) erbaut, war im Osten und Westen dreiseitig geschlossen und in
den Wandflächen durch Lisenen gegliedert. Das abgewalrate Ziegeldach trug in
der Mitte einen bescheidenen Dachreiter. Der Sockel, das toskanische Haupt-
gesims und die schlichte Umrahmung der rundbogigen Fenster aus Sandstein
ebenso die mit Deckgesims ausgestattete Umrahmung der rechteckigen West-
tür. Eine darüber angebrachte Tafel trug die Inschrift:
DEO TER OPTIMO MAXIMO SUB PATROCINIO SS
AUGUSTINI, ET LUDGERI, EPISCOPORUM; PRIOR,
ET CANONICI REGULÄRES, IN FRENDESWEGEN SIBI
POSTERIS PONI CURARUNT ANNO 1712.
Ein Eingang im Osten war nachträglich für die Lehrerwohnun*
geschaffen worden. Das Innere hatte eine gerade geputzte Decke mit ringsum
laufender Voute.
->^ 183 ^-
Die im Dachreiter untergebrachte Glocke hatte nach Möller (a. a. 0.
(S.98) die Inschrift: Jeroniraus is min Naem. Jan Moor mackten mi MCCCCCLVI.
(1556.) Unterer Durchmesser ist 0,40 m.
Rathaus.
Das Rathaus an der Hauptstraße — Mitte des XVIII. Jahrhunderts —
Abb. 202) ist ein zweigeschossiger, fünfachsiger Ziegelbau; Sockel, Eckver-
Abb. 202. Nordhorn; Rathaus
zahnungen, Hauptsims bestehen aus Sandstein. Der Eingang liegt in einem
Mittelrisalit, das in einem Giebelaufbau mit Voluten, Verkröpfungen und
Segmentbogen abschließt. Tür und Fenster haben Sandsteinumrahmungen.
Das Portal im Risalit ist durch Gebälk und Oberlicht ausgezeichnet, darüber
das Nordhorner Stadtwappen. Im Giebelfelde das Bentheimer Wappen mit
Chronogramm.
Ein achtseitiger Dachreiter mit offener Laterne krönt die Firstmitte
des gewalmten Daches.
-X-i |sl y,^,-
liiirgcrliuii.'s.
Wolmliaus an der Hauptstraße - - Mitte bis Knde des XVIII. .Jahr-
hunderts (Abh, 20)5 ;i). Eingeschossiges (iiebclhaus aus kleinformatigen Ziegehi
Abi'. 203la. Koidliorn : Haus an der Hauptstraße.
Abb. 203b. Nordborn; Giebel des ehem. Neuenhäuser Tore.«
mit unsymmetrisch belegenem Dielentor. Sockel und Ecklisenen aus Sandstein :
Giebel gekappt, Schrägen konkav geschwungen. Fenster rechteckig, Dielentor
mit Korbbogen. -
"c75
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C
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G
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-o^ 185 §*<-
Giebel.
Giebel des ehemaligen Neuenhäuser Tores — Mitte des XVIIl. Jahr-
hunderts (Abb. 203 b). Konkav geschwungene Schrägen nach unten in Voluten
Abb. 204. Nordhorn; Pumpe.
aufgerollt, wagerechtes Baudsims; darüber ein konchenähnlicher Abschluß.
Das Giebelfeld enthält das Nordhorner Wappen. Der Giebel ist in jüngerer
Zeit verputzt.
Pumpe.
Pumpe (Abb. 204), Sandstein — zweite Hälfte des XVIIL
hunderts. Ähnliche Stücke in benachbarten holländischen Städten.
Jahr-
Ohne.
Kirche.
Uhne ist ein aus den Bauerschaften Samern, Suddendorf und Ohne
bestehendes Pfarrdorf, am Vechteübergange einer alten, von Osnabrück nach
Amsterdam führenden Straße belegen.
-^ iHf; g->
Abb. 206. Kirche in Ohne: Grundriß (1:250).
Abb. 207. Kirche in Ohne; Längsschnitt (lj:250).
->§ 187 gK^
Sein Name kommt vor in der Schreibweise On (Wilmans Urk. B. 1454), Gescliichte.
Oon, Oen und schließlich Ohne. Über die Wahrscheinlichkeit, daß die
Gegend von Ohne durch fränkische Kolonisten aus der Ysselgegend besiedelt
worden sei, deren Annahme sich zunächst an das Vorkommen gleicher
Ortsnamen knüpft, handelt Tibus (Gründungsgesch. S. 184 und 1040).
Möglicherweise waren die Herren von Keppel die Gründer, welche
auch über das benachbarte Epe und andere Parochien das Patronatsrecht
ausübten. Die Pfarre zu Ohne ist nach Tibus (Gründungsgesch. S. 913), in der
Zeit des Bischofs Hermanns II. von Münster (1174 — 1203) eingerichtet. Er-
wähnt wird das Kirchspiel Ohne in Urkunden aus dem XIII. Jahrhundert
(Wilmans Urk. B. III, 1459 u. Niesert Urk,-S. 187); später im Registrum des
Stiftes Münster vom 11. April 1313, wo seine Einkünfte mit sechs Marc auf-
geführt werden. Ferner wird ,,dat Kerspel van Oen" in einem Vertrage
genannt, welchen der Dynast Everwyn von Steinfurt als Graf von Bentheim
mit dem Fürstbischof Heinrich von Münster 1444 dahin abschloß, daß die
eine Hälfte des Kirchspieles „tho den Stoelgerichte und Gedinge tho
Sandtwelle", die andere ,,zum Stoelgerichte und Gedinge Schüttorf gehören
solle" (Niesert Urk.-S. VII 5 ; Hobbeling, Beschreibung des Stiftes Münster, S. 53).
Der Patron der Kirche ist unbekannt.
Die Kirche zu Ohne (Tafel 16, Abb. 205) liegt auf einer kleinen Er- , B.^-
höhung am linken Ufer der Vechte mit dem Chor nach dem Wasser zu und
ist normal orientiert. Der Bau besteht aus scheitrecht behauenen Bentheimer
Quadern von oftmals fast kubischer Form. Wie das alte, noch vorhandene
Kirchensiegel anzudeuten scheint — ein neues ist nach dem alten um 1888
gestochen — , bestand die Kirche ehemals aus einem romanischen Langhause
mit drei Jochen und einem apsidialen Chorabschluß. An die Stelle des dritten
Joches ist dann, um die Mitte des XV. Jahrhunderts, ein Chor getreten, der
das Schiff mit fünf Seiten eines regelmäßigen Achteckes abschließt (s. d. Grund-
riß Abb. 206).
Die beiden Joche des Schiffes (s. Schnitt Abb. 207) haben Je ein Paar Schiff.
hochsitzende romanische Fenster; das westhche Joch hat außer dem Durch-
gang nach dem Turm noch eine rundbogige Tür in der
Südwand. Zwischen beiden Jochen spannt sich eine kräftige
Rundbogengurte, die auf starken Wandpfeilern mit Drei-
viertelsäulen in den einspringenden Ecken ruht. Kapitelle
und Kämpfer (Abb. 208) zeigen romanische Formen etwa
aus dem ersten Drittel des XIII. Jahrhunderts. Das Ge-
wölbe über dem westlichen Joche ist ein rippenloses Kreuz-
gewölbe aus Haustein. Von dem zweiten Joche besteht die
ursprüngliche Wölbung nicht mehr. Reste der romanischen
Schildbogen zeigen, daß sie in gleicher Weise wie beim
Ohne; Pfeilerkapitell, ersten ausgeführt War. Die jetzt vorhandene Wölbung ist
in Backstein auf gekehlten Sandsteinrippen, etwa zu Ende
des XV. Jahrhunderts, eingezogen. Reparaturen daran sollen 1830 vorgenom-
men worden sein.
Abb. 208. Kirche in
ci,^,. I)or ('hör (Tafel 10, Aljb. 2<>'.»j lie^l mit seinem Fußboden um eine
Sluf'o über dem Schiffsboden erhöht und setzt etwas zurück (^egen das Schiff.
Seine Wcilbung ist in Ziegeln auf gekehlten Sandsteinrifipen ausgeführt, die
auf Konsolen ruhen, welche mit gebuckeitern I'lattwerk belegt sind. Die
spitzbogigen P'enstor sind dreiteilig und haben Fischblasenrnaßwerk.
'l',„.,„ Der viereckige Turin ist dem Schiffe vorgebaut unter Benutzung von
dessen Westwand. Er liegt um einige Dezimeter aus der Schiffsrnittelachse
südwärts verschoben; und zwar mag diese Verschiebung einem Kirchenanbau
zuliebe geschehen sein, dessen Spuren sich an der Nordwand des Turmes
|^"fPL^^\S
Abb. 2lU. Kirche in Ohne; Inschrift.
erhalten haben, der aber älter als dieser war. Der Turm hat eine Durch-
gangshalle mit Tonnengewölbe. Seine Treppe liegt innerhalb der Südwand,
von der Halle aus zugänglich. Dicht unter dem Dachgesims finden sich in
den Seitenmitten rundbogige, gekuppelte Fenster mit Rundwulst außen und
einem frühgotischen Säulenkapitell. Danach gehört der Turm also frühestens
in das Ende des XIII. Jahrhunderts,
luschrifteu. ^^ der Östlichen Leibung der Tür in der Südmauer des Schiffes:
ein Kreuz mit Strahlen und um den Stamm sich ziehenden Gewinde.
Darunter ein A (Abb. 21U). Versuch der Lesung:
ISTE LAPIS
FIXUS AN-NO DOI
MCD — FL
Eine Inschrift an der Südwand des Schiffes, unter dem Dache, datiert
eine Erhöhung des Schiffes um vier Steinlagen, die nach der Neuwölbung
->^ 189 §K^
notwendig war, um Schiff und Chor auf gleiche Höhe zu bringen (Abb. 211,
vgl. Visch, a. a. 0., S. 112).
Ein Brand am Himmelfahrtstage 1757 verheerte das Dorf mitsamt
dem Kirchendach und Turmhelm (Visch, S. 112, Möller, S. 89). Auf die Er-
neuerung des Turmes bezieht sich die übergroße Inschrift an der Turmfront:
„RENOVEERT 1754".
Abb. 211. Kirche in Ohne; Inschrift.
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Abb. 212 Kirche in Ohne; Kanzelpult.
Eine Glocke, Durchmesser 1,07 m, ist 1822 von Alexius Petit gegossen. Glocken.
Die zweite (1882) von Radler, Hildesheim.
Das Kanzelpult aus Gelbguß von 1743 (Abb. 212) ist eine Stiftung Kanzelpult.
der Zieglergilde und trägt eine Dachpfanne im runden Mittelfeld.
Ein Kelch, gotisch, aus Silber (Abb. 213), mit Fuß in Form eines Acht- Kelch,
passes, Knauf flach und mit acht würfelförmigen Rotulen besetzt, Kuppa rund
und am Rande etwas auswärts gebogen.
Ein Kronleuchter aus Gelbguß ist eine Stiftung der Webergilde von Kron-
1750 und trägt am Knauf drei Weberschiffchen.
leuchtev.
190 S->-
Opl'orstock,
SicKd.
'ruufo,
Kill Weiliwassorgeläß aus Stein ist zum ()j)ferbtock umgearbeitet
(Höhe HO, Durchmesser 45 cm). Achteckige, gotische Kelchform.
Das Kirchcrisiegci enthält eine Darstellung der Kirche von Süden
gesehen. ljm.schril't: Sigillum ecclesiae ohnen.sis 1829.
Das Pfarrarchiv enthält Siegelabdrücke, wahrscheinlich von münsteri-
schen Bischofssiegeln.
Ein Taufstein aus Bentheimer Material (Abb. 214): viereckige Fußplatte,
runder Schaft, rundes Becken. Höhe im ganzen 1,10 m, oberer Durchmesser
Abb. 213. Kirc-hc in Ohne; Kelch.
Abb. 214. Kirche in Ohne: Taufstein.
VVand-
j?emälde.
84 cm. Auf den Ecken der Fußplatte vier Löwen mit zurückgebogenen
Köpfen. Das Becken ist umgürtet mit Ornamentstreifen: am unteren Rande
eine Palmettenreihe, in der Mitte eine Ranke, die von zwei Bändern unten
und oben begleitet wird. Die Arbeit ist flach, das Relief durch Vertiefung
des Grundes hergestellt. Der Taufstein scheint eine jüngere Arbeit seines
Types darzustellen.
Die Renovierungsarbeiten im Jahre 1909 haben in der Kirche Reste
von Wandgemälden bloßgelegt: an der Südwand des zweiten Joches (v.West)
einen Kampf des hl. Georg mit dem Drachen und die Gestalt eines Heiligen
->^ 191 §*<>-
in bunten Gewändern (Schutzpatron der Kirche?). An der gegenüberliegenden
Wand desselben Joches einen figurenreichen Einzug Christi in Jerusalem.
Oberhalb der Bilder in Kämpferhöhe zog sich ein gemalter Fries aus Palmetten
in Rundbogen hin. Unterhalb ein nicht vollständig leserlicher Schriftfries:
„Die Gnade unseres Herren Jesu Christi — — " (Mitt. v. H. P. Kröner in
Ohne.) Kopien der Bilder sind im Denkmalsarchiv zu Hannover.
Schüttorf.
Ref. Kirche, Kath. Kirche 1867, Systernhaus (n. m. vorh.), Burg Altena, Rathaus,
Bürgerhäuser.
ochüttorf, seit alters die erste unter den Städten der Grafschaft
Bentheim, liegt in der Vechtemarsch. Die Stadt, deren Mauern zum Teil noch
heute erhalten sind, dehnt sich halbkreisförmig auf dem linken Ufer des
Flusses aus (s. d. Plan, Abb. 215). Die Bürgerschaft treibt Ackerbau und
Viehzucht; daneben aber haben seit dem Mittelalter Weberei und verwandte
Industrien hier eine Stätte gefunden. Der Charakter des Ortes ist immerhin
der eines Ackerstädtchens geblieben. Die Einwohnerzahl beträgt etwa 5000.
Der Name Schiittorfs findet sich in den Formen Scutthorpe, Scuttorp Gesclilchto.
und ähnUchen*). Nach Tibus (Grdgesch., S. 920) ist es wahrscheinlich,
daß in Schüttorf der Hauptfreistuhl der Grafen von Bentheim schon
im X. Jahrhundert gestanden habe. Dessen Bestehen wird für den hl. Liudger
bestimmend gewesen sein, seine Kirchengründung nach dort zu verlegen, und
zwar unter Mitwirkung der gräflichen Familie, wie Tibus (S. 910) dartut.
Auch das Patrocinium des hl. Laurentius über die Kirche, wie es aus dem
Ablaßbriefe vom Jahre 1335 (Jung, Cod. dipl. 76) als bestehend hervorgeht,
weist auf ein hohes Alter der Kirche und damit des Ortes hin. Schüttorf
wird zuerst erwähnt in der Stiftungsurkunde des Klosters Wietmarschen vom
Jahre 1154 (Bürgst. Fürstl. Archiv), nach der fortan derjenige Vogt über das
neugegründete Kloster sein sollte, welcher die curtis Scuttorpe von der gräflichen
Familie ererbte. Eine fernere Erwähnung Schüttorfs findet sich in einer
Urkunde von 1184 (Erhard, Cod. dipl. Nr. 443). Unter den Einkünften des
Magdalenenhospitals zu Münster wird dort gegenübergestellt: sex solidi et sex
denarii de dote — vom Wehm- und Pfarrhofe — in Scuttorpe quatuor
solidi de curia comitis de Scuttorpe — vom gräflichen Gerichtssitze. Das
gräfliche Judicium kommt weiter vor in Urkunden aus den Jahren 1272 und
1288 (Wilmans Urk.-B. Nr. 920 und 1343). Als curia, gräfHcher Amtssitz,
wird ausdrücklich in einer Urkunde von 1184 die spätere Burg Altena in
Schüttorf bezeichnet. Die vorhin genannte Urkunde von 1288 nennt Schüt-
torf ein „opidum", jedoch hat die Stadt erst 1295 Stadtrechte mit einigen Bedin-
gungen erhalten (Bürgst. Archiv I Rep., B. 12; Niesert Urk.-S. V, 187; siehe
*) Vgl. die Urkunden Jung, Cod. dipl. 8 und Ms. XXIII, 1148. Vol. VIII der
Kgl. u. Prov.-B. Hannover.
;iu(;li Tibus S. 1)20). Noch inclirere aiidcn; l.i künden, außer eben dieser vom
Jahre 1295, nämlich solche aus den Jahren 1;>72, i;>80 und 1;}87 (Jung, Cod.
Abb. 215 Schüttorf; Stadtplan (1:5000).
dipl. 122; Hobbeling a. a. 0., S. 53; Tibus a. a. 0., S. 912) sind eine Be-
stätigung für die Oberherrlichkeit der Grafen von Bentheim über den Ort
und das Gericht zu Schüttorf sowie für die Bedeutung der Gerichtsstätte weit
über die Grenzen der Grafschaft hinaus. Auch die Tatsache, daß die Burg
--B 193 g^-
Altena unter gewissen Bedingungen als Freistätte für flüchtige Verbrecher
galt, spricht dafür (Visch a. a. 0., S, 103). Im Zusammenhange mit der Ver-
leihung des Stadtrechtes mag eine Pflicht der Bürgerschaft, zu der Befestigung
der Stadt beizutragen, bestanden haben. Nach verschiedenen Kriegen gegen
den Bischof von Münster (vgl. Raet v. Bögeiscamp, I, 137) beschloß Graf
Simon (ca. 1332 — ca. 1347) die Stadt besser zu ,,fortifizieren" (Rump a. a. 0.
S. 157 und Ms. Geburt und Herkunft der Grafen von Bentheim unter ,,Graf
Simon").
Abb. 216. Sehüttoif; Piggentorn bei Mannsbrügge.
Der Wartturm Mannsbrüge (Abb. 216) an dem Vechteübergang südHch
der Stadt wird aus dieser Zeit stammen. Wie aus den Überresten der Stadt-
mauer zu erkennen ist, war die Mauer aus Bentheimer Stein fast 10 m hoch
und 1,90 bis 2 m dick. Drei Tore — Poorten — , die jetzt abgebrochen
sind*), eröffneten den Zugang zur Stadt. Ein doppelter Graben mit dazwischen
liegendem Wall begleitete die Mauer im Halbrund an der westlichen Stadt-
seite; im Osten floß die Vechte (vgl. Visch a. a. 0. S. 100). Die Burg Altena
war in die Befestigung einbezogen und lag in dem südöstlichen Winkel der-
selben. Im Münsterischen Kriege, Ende des XVII. Jahrhunderts, wurde der
Stadtwall abgetragen und die Gräben ausgefüllt (nach Visch a. a. 0. S. 101).
Seit dem Mittelalter gehörte Schüttorf zur Hansa, denn es war ein
wichtiger Verladepiatz an dem Schiffahrtswege aus dem Münsterlande ins
Groninger Land (über den Handel der Grafschaft siehe Rump a. a. 0. S. 122;
•Jung a. a. 0. S. 222; Raet v. Bögeiscamp a. a. 0. I, S. 47, 134). Die Reformation
wurde unter dem Grafen Arnold I., 1588, eingeführt. In der Folgezeit betreffen
*) Von dem Osttor an dem Vechteübergange ist eine Inschrift in einem Pfeiler
der neuen Brücke vermauert.
13
--^s 104 c**-
die urkundlichen Angaben über Schüttorf die fast fortgesetzten gemeinsamen
Leiden der Städte in der Grafschaft unter Kontribution oder gelegentlicher
Soldatenstellung im sj)anisch-niedorländischen und dann im Dreißigjährigen
Kriege. Der Wohlstand verminderte sich bis zur Dürftigkeit (Visch a. a. 0.
S. 187). Neue Beschwernisse brachte 1()72 die Fehde des Bischofs Bernhard
von Galen gegen Coevorden über die Stadt (Ms. des Stadtsekretärs Steelinck
und Akten auf dem Rathause).
Reformierte Kirche.
Gcscliiclito. j)ie Schüttorfer Kirche als Patrocinium des hl. Laurentius (vgl, Tibus
a. a. 0. S. 990, wo er im Zusatz zu S. 918 sich auf Nünnings Beobachtungen
bezieht) ist eine Gründung — sehr wahrscheinlich des hl. Liudger — aus dem
X. Jahrhundert. Ein Kirchensiegel mit dem Bilde des hl. Laurentius und
Romanus ist noch heute im Gebrauch. Auch bestätigt die Ablaßurkunde von
1835 ('Jung, Cod. dipl. 76) und andere Urkunden, die sich im Burgsteinfurter
fürstl. Archiv befinden, das Patrocinium des hl. Laurenlius. Im XIII. -Jahr-
hundert war der Pfarrer von Schüttorf, wie aus einer Urkunde von 1208
(od. 1209) (Wilmans III, 50) hervorgeht, stellvertretender Archidiakon der
Obergrafschaft — wenigstens bis zur Zeit der Einverleibung der Schüttorfer
Kirche in das Kloster Wietmarschen im Jahre 129G (Tibus a. a. 0. S. 918).
Das Registrum omnium ecclesiarum et beneficiorum von 131)3 schätzt in
Schüttorf einen major plebanus mit 13 Marcas und einen minor plebanus mit
7 Marcas ein. Vielleicht muß aus dem Vorhandensein zweier Pfarrer auf das
Bestehen zweier Pfarrkirchen geschlossen werden. Von einem Altar zu Ehren
der Jungfrau Maria in der Kirche zu Schüttorf, welcher im Jahre 1343 mit Ein-
künften versehen wurde, ist die Rede in einer bei Jung (Cod. dipl. 79) abgedruckten
Urkunde. Danach entläßt Graf Simon einen von ihm lehnsrührigen Hof aus
dem Lehnsverbande, und Friedrich von Quendorf stiftet damit den genannten
Altar, der unter Verwaltung des Priesters Bernhard von Honholte gestellt wird.
Aus dem Jahre 1355 stammt ein Ablaßbrief für die Schüttorfer Kirche, der
zu Avignon von 14 Bischöfen ausgestellt ist und kurz darauf, um 1390, unter
Bernhard I. auf Betreiben des Weltgeistlichen Henricus KruU erweitert wurde
(Jung, Cod. dipl. 76. Vgl, auch den Ablaßbrief der Kirche zu Ülsen v. J. 1327).
Möglicherweise sollten die Einkünfte aus dem Ablaßhandel schon zum Teil
für einen Kirchenneubau bestimmt sein. Wenigstens stammen die weitere
Ablaßprivilegien enthaltenden Urkunden von 1451, 1472*) und 1473 (Bürgst.
Arch. I, Rep. A. 16 i) aus der Zeit, in der die Kirche ihre jetzige Gestalt erhielt.
Nach der Inschrift unter dem Mittelfenster des Chores außen wurde der Chor im
Jahre 1477 begonnen und im folgenden Jahre vollendet (s. Abb. 217). Der Turm
wurde etwas später, 1502, erbaut (s. Inschrift, Abb. 218). Das Besitzrecht an der
Kirche nach Einführung der Reformation war nicht streitig, da die gesamte
Einwohnerschaft sich dem reformierten Bekenntnis anschloß. Während des
*) Diese am 3. Nov. 1472 in Koin von zwölf Kardinälen ausgestellte Urkunde
zeigt nach Veröff. d. Hist. Konnu. f. Westf. IV, 18, prächtigen malerischen Schmuck.
-^ 195 gK-
Dreißigjährigen Krieges 1637 wurde die Kirche durch kaiserliche Truppen unter
dem Major von Vehlen ausgeplündert (Visch a. a. 0. S. 100) und auch im
Munsterischen Kriege des Bischofs Bernhard von Galen scheint sie unmittelbar
gelitten zu haben. Das Ratsarchiv in Schüttorf enthält (IG. Fach, Nr. 140) ein
Gabenverzeichnis auswärtiger Kirchspiele von 1703: da nämlich die Mittel der
imriwiitt
(c?
liiiiiiifii»;
wsmm
Hfir
Abb. 217. Ref. Kirche in Schüttoif;
linke Hälfte der Inschrift am Chor.
Abb. 218. Eef. Kirche in Schüttorf; Inschrift am Turm.
Schüttorfer Gemeinde ,,im vorigen Kriege und annoch beschwerlich werenden
Zeiten" erschöpft waren, so fand sie sich außerstande, ohne Beihilfe die Schäden
auszubessern, die ,,ein sterkes menschen und vieh erschreckliches Ungewitter
Donner und Blitz — dadurch die Kirche und sonderlich der Thurm hieselbst
großen Schaden erlitten" — verursacht hatte.
Die Schüttorfer Kirche, die größte in der Grafschaft, liegt auf einem Be-
heute nur wenig über das umgebende Gelände erhöhten Platze inmitten der Schreibung.
Stadt, ist aus scheitrecht behauenen Bentheimer Quadern errichtet und hat
normale Orientierung. Die Kirche, die eine Zeitlang ohne Turm (erbaut 1502)
13*
-<*8 l'JH 8^
Chor.
bestanden hat, ist eine dreischiffige Hallenkirche (s. d. (irundiiß, Abb. 219).
Die Joche sind im Äußeren erkennbar an den Sirebenstellungen; von den
Seitenschiffen hat jedes Joch ein (liebeldach, das mit seinem First gegen die
schrägen Flächen des Daches über dem Mittelschiff anläuft (s.d. Schnitt, Abb. 220).
Der Chor (vollendet 1478) wird begrenzt von fünf Seiten eines regel-
mäßigen Achteckes. Sein Boden liegt um 'M cm erhöht gegen den Schiffs-
boden. In den Ecken des Polygons steigen Wandi)fosten nach der Form des
Abb. 221. Ref. Kirche in Schüttorf; Innenansicht gegen den Chor.
SchiflF.
Birnstabes empor, deren Kapitelle Profile wiederholen, die sich im Querschiff
finden. Die Gewölberippen sind ebenfalls ähnlich denen im Querschiff profiliert.
Das Gewölbe selbst, in Backstein ausgeführt, zeigt nach dem Chor-
abschluß hin einen halben Stern. Die Fenster sind hochansetzend und spitz-
bogig, ihre Leibungen mit einer Hohlkehle profiliert, die Fensterflächen drei-
geteilt, Pfosten gekehlt; das Maßwerk hat Fischblasenmuster.
Unter dem Fenster der Ostwand befindet sich die Inschrift:
mcccclxxvn des dinxdages na
Sacraments dag wort dit coer begv
uen vn wllebracht in den jar Ixx
vni vp allegodes hyligen avent
Sb veii d~o Hmäno Lägehorst plbno.
Zu den ursprünglich vier Jochen des Mittelschiffes (Abb. 221) ist als
fünftes das ehemalige Vorjoch des Chores hinzugezogen; und die Neben-
schiffe sind nach Osten zu ebenfalls um je ein Joch erweitert worden dadurch,
->§ im ^-
daß man ihre bisherigen östlichen Abschlußvvände durchbrach und Je ein
neues Joch anbaute. Diese beiden neuen Joche schieben sich querschiff artig
nach Süden bzw. nach Norden um einige Dezimeter über die allgemeine Außen-
flucht hinaus.
Die Pfeiler der einzelnen Gewölbejoche sind paarweise von verschiedenem
Grundriß (s. Beschreibung bei Mithoff IV, 157). Die Pfeiler zwischen dem vierten
Abb. 222. Eef. Kirche in Schüttorl'; sog. Brauttür.
und fünften Joche, rechteckig mit runden Vorlagen für die Gurte, die ursprüngHch
den Anfang des alten Chores bezeichneten und erst freistehend wurden, nach-
dem flian die Seitenwände des ersten Joches des alten Chores weggebrochen
hatte, sind offenbar die ältesten Teile der gegenwärtigen Kirche. Anhalte zur
Datierung bieten die daran sitzenden Konsolen, die noch dem XIV. Jahrhundert
entstammen mögen. Die westlichen Pfeiler, kräftiger wie die übrigen, sind
von rundem Querschnitt. Das folgende Paar, im Kern ebenfalls kreisförmig,
ist mit 4 runden Diensten besetzt, das dritte besteht aus einem Bündel von
4 Diensten, die durch Hohlkehlen miteinander verbunden sind. Alle Basen
sowie alle Kapitelle der übrigen Pfeiler im Schiff sind imtereinander gleich
profiliert. In den Seitenschiffen entsprechen den Pfeilern runde Wandpfosten
mit hohen Achtecksbasen und einfachen Kelchkapitellen.
-'^'i 2<K) (H-
l)io Gewölbe das Mittelschiffs und der Seitenschiffe sind Kreuzgewölbe
au8 Haustein mit gekehlten Rippen, Nur die Anwölbung nach der hohen
Durchgangshalle des Turmes und das sogenannte Querschiff haben Hackstein-
gcw(")lbe und erbringen damit ünterlagfsn für die Annahme ihrer späteren
l^]ntstehung. Die Gewölbe des Querschiffes sind der Art nach im Mitteljoch
Stern- und in den seitlichen Netzgewölbe und haben Birnstabrippen.
Die zwei-, drei- und vierteiligen Fenster setzen hoch an und haben
im südlichen Seitenschiff wie im Querschiff gekehlte Pfosten und Laibungen sowie
geteiltes Fischblasenmaßwerk. Im nördlichen Seitenschiff dagegen sind die Mafi-
werkformen strenger gezeichnet, die Pfosten nur abgeschrägt und in den drei
Abb. 223. liei. Kirche in Sehüttorf; Turmportal.
westUchen Jochen die Leibungen schräg eingeschnitten, während sie irn vierten
durch Kehle Wulst Kehle gegliedert erscheinen. Die ursprünglichen Haupt-
eingänge liegen in üblicher Weise im Westjoch. Die nördliche Tür, die
sogenannte Brauttür, ist in Abb. 222 wiedergegeben.
Sakristei. Vom Chor nordwärts, durch eine Tür damit verbunden, liegt die etwa
gleichzeitig mit dem Chor entstandene Sakristei. Sie ist mit einem Kreuz-
gewölbe überdeckt, und zwar gehen dessen Rippen von Konsölchen aus,
deren eine in der Nordostecke als bärtiger Kopf mit seitlich herabwallendem
Haar ausgebildet ist.
Turm. Der Turm ist nach Abbruch des Mittelstückes der westlichen Schiffs-
wand an diese angebaut und greift mit flügelartigen Maueransätzen in sie ein.
Das Datum der Errichtung des Turmes wird, wie erwähnt, durch die aller-
->^ 201 ^-
dings wenig zunftgemäß gemeißelte Zahl 1502 (Abb. 218) außen, links des
doppeltürigen und mit vierteiligem Spitzbogenfenster versehenen Portals an-
gegeben (Abb. 223). Die hochgevvölbte Durchgangshalle von fast quadratischem
Grundriß hat in Ziegeln ausgeführte Kreuzwölbung auf Hausteinrippen, die aus
dünnen Ecksäulchen herauswachsen. Der Schlußstein ist ein großer, offener
Ring. Die Turmtreppe liegt in der Südwand und tritt nach außen im halben
Achteck aus der Wand heraus. Der Turm (Tafel 10, Abb. 224) steigt in drei
Geschossen — Jedes durch ein profiliertes Sims bezeichnet' — empor. Den
Beschluß des Turmkörpers bildet eine Galerie aus Fischblasenmaßwerk.
Der Helm hat die Form einer achtseitigen Pyramide mit sieben Geschossen ohne
Querverstrebung (daher die unbeabsichtigte Schraubendrehung vom sechsten
Geschoß an). Die Höhe des Steinkörpers beträgt 41 m, die des Helmes
bis zum Zusammenschluß der Sparren 33,50 m. (Siehe die Beschreibung
bei Mithoff VI, 157.)
Von den Glasmalereien, die früher die Fenster des Chores schmückten, Glasfenster,
ist heute nur noch im Ostfenster das von zwei Löwen gehaltene Wappen
des Bentheimschen Hauses erhalten.
Eine Glocke (1435) ohne Meisternennung, unterer Durchmesser 1,40 m; Glocken.
Inschrift in gotischen Kleinbuchstaben: dulce melos tango, sanctorum carmina
pango, hoc sacrum munus benedicat .... mccccxxxv.
Eine zweite (1492), Meister Volkeer, unterer Durchmesser 0,98 m, hat
die Inschrift: Anna per merita cuius cum nomina fungens clangorem dedero
— — usw. — (?) Anno dm m x v^ 11 volkeer me fecit.
Eine dritte, die ursprünglich 1502 (?) von W^olter Westerhues gegossen
war, ist 1895 von Radler & S. in Hildesheim umgegossen. Die alte Inschrift
ist übernommen : nomen Laurent! da mihi sancte tuum Wolter Westerhues me
fecit anno dorn v*^ II Singula festa cano fleo mortes, fulgura pello — Laurentius —
Eine vierte (1771), Durchmesser 0,68. Inschrift Christianus et Röttgerus
Voigt me funderunt 1771 Soli deo gloria.
Eine fünfteist 1838 von Gebr. Edelbrock umgegossen. Durchmesser 1,45 m.
Die von Mithoff (VI, 157) beschriebene gotische Kanzel, aus mehreren Kanzel,
durchbrochen gearbeiteten Sandsteinplatten zusammengesetzt, ist seit der
Renovierung der Kirche um 1900 außer Gebrauch.
Vier Kronleuchter aus Gelbguß; Spindeln mit Knäufen und Kugeln Kron-
besetzt; doppelte Reihen von S-förmigen Armen. euciter.
In der Sakristei mehrere schwarze Holztafeln mit Wappen, aus dem Memorien-
XVII. Jahrhundert. '"'"••^'^••
An dem Schiff der Schüttorf er Kirche wurden Steinmetzzeichen nicht Steinmetz-
gefunden, wohl aber am Chor die folgenden in spärlicher Verteilung: ^*^^^ ''''^ '■
an der Sakristei ähnliche,
/ am Turm die rechts neben-/ / -
^-A stehend abgebildeten : / /
^^
*) Eine Privaturkunde nennt nach Nordholf, Bonner Jahrbuch 90, S. 102, einen
Steenmesseler zu Schüttorf.
Abb. 226. Scliüttorf; Buig Altena.
Abb. 22Ö. Scliüttorf; Hurg Altena nach einer Origlnal-
/.eichnung, angebl. Im Bnrg.steini'nrter Fi'irstl. Archive.
Tafel 18.
Abb. 227 u. 236.
SCHÜTTÖRF; Burg Altena. - KIRCHE IN ÜLSEN; innenaiibicht.
-^>g 203 §x-
Katholische Kirche.
Die aus Quadern erbaute, einschiffige Kirche mit polygonal gestaltetem
Chorschluß und Westturm ist nach der am Chor angebrachten Inschrift 1867
erbaut worden.
Systernhaus (n. m. vorh.)
Graf Bernhard I. von Bentheim hatte im Anfang des XV. Jahrhunderts,
auf der Stelle der heutigen ersten Pfarre, ein Beguinenhaus oder Nonnen-
kloster des Augustinerordens gegründet. 1418 schenkte er sein Recht daran
dem Prior von Frenswegen zur Errichtung einer geistlichen Vereinigung von
Jungfrauen. 1423 erteilte der curatus ecclesiae S. Laurentii in Schüttorf jenem
Prior die Erlaubnis, eine Kapelle und einen Altar im ,,Systernhause'" zu
errichten. Über die ,, Capeila in Horto beate Marie" s. Burgsteinf. Fürstl. Arch. I,
Rep. A. 16. K. neun Urkunden, 1418-1499. Raet v. Bglsc. I, 187. Zur
Zeit Arnolds I., nach Einführung der Reformation, vv^urde das Kloster auf-
gehoben. Einige Jahre dienten die Gebäude als hohe Schule, die dann 1591
nach Burgsteinfurt verlegt wurde (s. Visch a. a. 0. S. 102 über die Ein-
künfte des Klosters). Die Gebäude des Systernhauses sind abgetragen.
Burg Altena.
Die Burg Altena (Taf. 11, Abb. 227) war der alte, bereits 1184 er-
wähnte gräfliche Amtssitz, später Wohnsitz der gräflichen Witwen. („De
beroemde gravin Anna, eene dochter von Koenraad, graaf von Teklenburg, liet
dit Kasteel, in het jaar 1565, merkelijk verbeteren, en tot eene geschikte
woning voor haar zelve inrigten." Visch a. a. 0. 103). Ihre Lage und ihr
ehemahges Aussehen geht aus der beigefügten Plankopie (Abb. 224 u. 225)
hervor, deren Original in Burgsteinfurt sein soll. Die Gebäude, deren Ruinen
aus dem Besitze des gegenwärtigen Fürsten von Bentheim in den eines
Privatmannes in Schüttorf Anfang dieses Jahrhunderts übergingen, sind, soweit
sie Jetzt noch erhalten, um die Mitte des XVI. Jahrhunderts errichtet. Die ganze
östliche Hälfte der Burg hat der jetzige Besitzer sprengen und abtragen lassen.
Der Nord- und Westflügel (Abb. 226) sind als Wohnung ausgebaut. Die
Westfront ist durch Putz und Anstrich sowie durch den Anbau von Erkern
auf den Ecken entstellt. Nach Mithoff VI S. 15S führte ehemals ein gotischer,
von zwei Wappen beseiteter Torbogen auf einen rechts und links von Neben-
gebäuden umgrenzten Vorhof, in dessen Hintergrunde die Langseite des
westlichen Schloßflügels sich erhob. (Vgl. dazu die Abbildungen.) Dieser,
jetzt noch erhaltene Bauteil ist aus Sandstein errichtet, hat zwei Geschosse
und ist mit steilen Renaissancegiebeln an den Enden des stattlichen Sattel--
daches versehen. Die rechteckigen Fenster haben Quaderkreuzpfosten. Eine
gewölbte Durchfahrt, deren Bogen fast spitzbogig erscheinen, eröffnet den
-^ 204 g---
Ziif^ang zu (lein ehornaligen, a,nnähern(l »luadratiscli gewesenen Hinnenhof,
(leren Süd- und Ostfront des Ahschlusses entbehrt, seit die beiden Sohloß-
flügel, die dort gestanden haben, beseitigt sind. Der Nordi'lügel, zur Linken
des Eintretenden, ist mit dem zuerst beschriebenen F^lügel verbunden und
diesem ähnlich. Im Innenwinkel zwischen beiden liegt ein Türmchen mit
Wendeltreppe, l^^in Kamin im nordwestlichen Eckzimmer des Erdgeschosses
trägt die Jahreszahl 16G7.
Rathaii.s.
Das Rathaus zu Schüttorf ist ein im Grundriß (Abb. 228) langrecht-
eckiger Bau aus Bentheimer Quadern mit Staffelgiebeln an den Schmalseiten
(Tal 10, Abb. 229). Der Haupteingang in der Mitte der nach dem Markt
gewandten Schmalseite ist spitzbogig und durch eine kräftige, von Wülsten
Al)l). 228. Schüttorf: Rathaus, Gnindriß (1 : 250).
begleitete Kehle umrahmt. Die rechteckigen Fenster, im XVIII. Jahrhundert
umgestaltet, waren früher durch Kreuzpfosten geteilt und, wie die unver-
änderten Fenster im Giebel noch heute, nur in den oberen Teilungen mit
Bleiverglasung, in den unteren mit Luken geschlossen. Das Pfostenprofil
ist durch Abschrägung hergestellt. Unter den Fenstern ist ein Gurtgesims
(Kehle mit Wasserschlag) eingefügt. Das Traufgesims tritt mit wuchtigem
Viertelstab vor.
Im Innern war das Erdgeschoß ursprünglich wohl ungeteilt; Jeder
zweite Balken der Decke wurde von Klappstielen mit Sattelholz und aus-
geschweiften Bohlenkopfbändern unterstützt. Einige dieser von profilierten
Kragsteinen getragenen Klappstiele sind noch erhalten. Im hinteren Teil des
Gebäudes ist ein nur zur Hälfte im Erdboden steckender, von außen zugäng-
licher, gewölbter Keller angelegt und daher der Fußboden hier um mehrere
Stufen erhöht. Die starke Querwand, die dem Keller entsprechend den hinteren
Teil des Erdgeschosses abtrennt und ohne Rücksichtnahme auf die Lage der
->*S 205 ^-
Klappstiele angeordnet ist, dürfte aber erst später eingezogen sein. Wo in der
ersten Anlage die Treppe zum Obergeschoß sich befand, ist nicht mehr fest-
zustellen; die heutige stammt erst aus dem XVIII. Jahrhundert, als das Erd-
geschoß weiter ausgebaut wurde. Der kleine, mit einem Kreuzgewölbe über-
I im 11 ffi IS
Abb. 22« a und b. Hchüttorf; Rathaus, (iuerschnitt und Dachstuhl.
spannte Raum, jetzt Gefängniszelle, diente als Archiv. Im Obergeschoß
mündet die Treppe auf einen schmalen Querflur, an den sich nach vorne
zwei Zimmer, nach hinten ein größerer Raum anschließen. Letzterer weist an
der Schmalwand die Reste eines gotischen Kamines auf, dessen Abdeckung
*l 200 h^
Kron-
leuchter.
und Uanchrnaiitcl enlforni worden sind. (Ahh. 228a.) Audi irn Oher-
goschoß war anl'Jlnglich nur ein f^inziger Saal.
Sehenswert ist der mit Sorgfalt
gezimmerte Dachstuhl. (i\bb. 228 b.)
Er stammt noch aus der Erbauungszeit
des Rathauses, die auf Grund stilistischer
Merkmale in das XIV, Jahrhundert gelegt
werden darf.
Zwei spätgotische Kronleuchter, aus
Bandeisen und ausgeschnittenen Blechen
hergestellt; der größere von einfacher,
derber Formgebung, der kleinere in seiner
Grundform an eine Laterne erinnernd.
Letzterer ist in Abb. 228 c unter Ergänzung
der durch Rost zerstörten blattartigen
Gebilde wiedergegeben.
Abb. 228 c. Schüttorf; Rathaus, Kronleuchter.
Abb. *28d. Schüttorf; Rathaus, Trinkeimer
(1/4 nat. Größe).
Trinkoimcr. Ein Trinkeimer aus Holz mit Bronzebeschlag aus dem» Ende des
XV. Jahrhunderts. (Abb. 228 d.) Er ruht auf drei etwas schwächlich wirkenden
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-^ 207 Sx^
beschuhten Menschenfüßen. Zwei Ungeheuer dienen als Halter für den klee-
blattförmig gebogenen Henkel. Dieser wie auch die mit zierHchen Blattreihen
besetzten Reifen tragen eingravierte launige Trinksprüche in einer derzeit
üblichen, an die ältesten romanischen Formen anknüpfenden Majuskelschrift. Am
Henkel: VRVNT • SETE • DEN • EMMER • AN • DINEN • MVNT • VN • DRING •
DAN . WENT • AN • DEN • GRVNT. | WAT • DAR • STEIT • GESCREVEN • NA •
DER . GRACIEN • IS • DAR • AFLATJPO • GEGEVBN • Am oberen Reifen:
SET • AN • SET • AN • HET • IS • EN • ER (Emmer) • WES • TRV • ALS • IC • DIR •
BIN . IC • EN • BEGER • NIT • MER • VN • IC • EN • EGE • NIT • MIN 8 DRINC • DIT •
VT • VN • SCEIT • DAR • VAN • HIR • SIT • SO • MANNIC • DORSICH • MAN • Am
mitt eren Reifen: DE • MER • DRINCKEN • DAN • SE • ETEN • DE • HOLDE •
WI • VOR • VNSE • PROPHETEN 8 LVTTEL • WOERDE • VN • DE • VAST •
MER • ALTIT • NA • DE • KANNE • GETAST • Am unteren Reifen: AVE • DE •
DAT • BEER • DOR • HÖR • KELE • LATEN • LOPEN • DEN • GEVE • WI • AFLAT •
MIT -GROTEN • HOEPEN • DIT • IST • LESTE • BESLVT • DRINC • AL • REIN •
WT • Am Holz des Eimers ist die Jahreszahl 1611 eingeschnitten, es wird
damals erneuert sein.
Bürgerhäuser.
Bei Beschreibung der Bürgerhäuser Lingens ist schon darauf hinge-
wiesen, daß eine Gruppe von Fachwerkbauten durch die weite Stellung der
Ständer und durch die unterhalb der Traufe angeordnete, mit den Ständern
verzapfte Balkenlage den Blick auf die ähnlich aufgebauten Bauernhäuser des
Emslandes lenkt. In der Stadt Bentheim begegneten wir ähnlichen Bildungen
und auch in Schüttorf können dieselben Beobachtungen gemacht werden. Hier
ist ein besonders bezeichnendes Beispiel aus dem Jahre 1593 erhalten.
Jürgenstr. 46a. Das in Abb. 230a, b, d und e dargestellte Haus
wird jetzt als Stall benutzt; das hintere Kammerfach ist im XIX. Jahrhundert
erneuert worden. Da es nur geringe Breite aufweist, ist die Tenne mitsamt
dem rundbogigen Einfahrtstor seitlich angeordnet. Letzteres, von Eierstab
und Perlleiste eingefaßt, trägt auf dem breiten Sturzriegel die Inschrift:
„VERBVM • DOMINI ■ MANET • IN • ETERNVM ■ 1593". Die Knaggen der Vor-
kragung unter dem mit senkrechten Brettern verschalten Giebel sind an der
Vorderseite konsolartig ausgearbeitet. (Abb. 230 e.) Die quer gelegten Balken
sind beiderseits durch die Ständer gezapft und mjt je zwei Holznägeln verkeilt.
Zur Verstärkung des geschwächten Auflagers und zur Versteifung dienen
breite, aus Bohlen geschnittene und an der Unterseite ausgeschweifte Kopf-
bänder. Die Ständer selbst gehen höher hinauf und sind in der Längsrichtung
durch ein aufgelegtes, über Zapfen geschobenes Rahm miteinander verbunden,
das wegen der beträchtlichen Stützenweiten wieder durch Kopfbänder ver-
verspreizt ist und unmittelbar die Sparren aufnimmt. Diese stehen mit den
Balken in keinem Zusammenhang, sind enger gelegt in 1,30^ — 1,50 m Ent-
fernung und am Ausweichen nur dadurch gehindert, daß, abgesehen von
■^ 208 H-
tt+H 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1-
Abb. 230a, b u. c. Sehüttorf; Hans Jürgenstr. 46a, Grundriß und Schnitt;
Haus Steinstr. 46. Grundriß (1 : 2öO).
— Illllllllll 1 i 1 1 1 1 1 1 1 —
Abb. 230 d. Schüttorf: Haus .Türgenstr. 46 a — Vorder- und Seitenansicht
--^ 201) g^^
dem Hahnenbalken, durch den Fuß ein Holznagel geschlagen ist. Daß die
Ständer der Fußschwelle entbehren, fällt auf; sie stehen, stumpf abgeschnitten,
Abb. 230 e und f. Schüttoif; Haus Jürgenstr. 46 a. Ausbildung der Vorkragung und Gliederung
der Türleibung.
auf dem Sandsteinsockel; doch scheint diese Anordnung ursprünglich zu sein.
Die Gefache sind mit Ziegelsteinen ausgemauert und nicht verputzt.
I I I I I M I I I I
Abb. 230 g. Schüttorf; Haus Steinstr. 4ti : Kammerfach.
Steinstr. 46. Das dem vorigen benachbarte Eckhaus ist zwar an
beiden Straßenfronten jetzt massiv ausgeführt — die schlichte Sansteinum-
rahmung der korbbogigen Einfahrt trägt auf dem Schlußstein die Jahreszahl
1827 — , läßt aber im Innern trotz der auch hier vorgenommenen Änderungen
14
-^ 210 8->-
(lie alto aus dorn Jahic 1570 stafnniendo Kiniichtung noch erkennen. (Abb. 230c.)
Durch zwei Reihen von kräftigen, auch hier etwa 2 m weit gestellten Ständern
ist eine Dreiteilunf^ in der Län^sriclitunj^j bewirkt. Von den Ständern gehen
Kojdbänder sowoiil nach dem über ihnen von vorn nach hinten durchlaufenden
Rahm, wie auch nach den darüber gestreckten Querbalken. Die Ausbildung
der Vorkragung ist nur noch an der hinteren Giebelwand festzustellen. Die
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Al»t). 230 h. Schüttorf: Haus Steinstr. 46; Fenster des Kammerfaches.
Knaggen sind auf der ausgeschweiften Vorderfläche nach gotischer Art durch
Wulste und Kehlen gegliedert. Das hintere Kammerfach von geringerer Breite
ist zur Seite gerückt und unterkellert (Abb. 230 g); davor liegt die Küche mit
mächtigem Rauchfang. Die Herdwand ist mit Fliesen bekleidet. Im Kammer-
fach befand sich offenbar die Prunkstube, von der das Erhaltene allerdings
nur eine schwache Vorstellung gibt. Der Kamin mit ansprechender Sand-
steinumfassung trägt die Jahreszahl 1579. Eine besonders sorgfältige Aus-
bildung haben die Fenster erfahren. (Abb. 230 h.) Die oberen Öffnungen
derselben enthielten früher Bleiverglasung mit gemalten Wappenscheiben, die
unteren sind noch heute durch Luken geschlossen.
Steinstr. 45. Eingeschossiger Fach werkbau mit vorgekragtem und
verschaltem Giebel. Knaggen ähnlich wie bei dem Hause Jürgenstr. 46 a. Die
ursprünglich rundbogige Einfahrt trägt auf dem Sturzriegel die Inschrift:
„ANNO • DNI • 1601 • JOHAN • BESTELSSMIT • VND • SINT • HVSEFROW.''
^>*§ 211 ^-
Am Markt 128a. Das in Abb. 230i links wiedergegebene Fachwerk-
haus ist im Erdgeschoß unter Beibehaltung des alten rundbogigen Einfahrts-
tores erneuert worden. Den Sturzriegel des letzteren ziert die Inschrift:
.^^ / PAX INTRANTIBVS \
' SALVS EXEVNTIBVS '
BH GT
Auch bei diesem Hause liegen die Balken über dem Erdgeschoß tiefer wie
die Traufe. Die dadurch sich ergebende eigenartige Ausbildung der Vor-
kragung ist jedoch durch Vorziehen der Front beseitigt. Der Giebel ist im
Abb. 230 i. Schüttorf; Häuser am Markt 128 a und 128.
oberen Teil nochmals auf Hakenbalken und Konsolen vorgekragt und zeigt
hier schräg gestellte Gefache mit gemusterter Ziegelausmauerung.
Am Markt 131. Im Aufbau dem vorigen ähnlich, doch der Giebel
nachträghch verschalt.
In der zweiten Hälfte des XVII. Jahrhunderts mischen sich in die Reihen
der Fachwerkhäuser, von denen noch eine ganze Anzahl einfacher Art er-
halten ist, die unter holländischem Einfluß stehenden Ziegelbauten mit Sand-
steingliederungen. Bezeichnend bleibt auch für diese die schmale Giebelfront
und das Drempelgeschoß.
Am Markt 256. Das eingeschossige, wohl erst später verputzte,
5 Achsen breite Giebelhaus, Ende des XVII. Jahrhunderts erbaut, ist seitlich
von Lisenen eingefaßt. Das Erdgeschoß wird durch ein reich profiliertes
Horizontalgesims abgeschlossen, darüber in Traufhöhe, unter den Giebelfenstern
hinlaufend, ein zweites zierliches Gesims. Der Giebel mit einwärts ge-
schwungenen Seitenlinien hat an den Schultern Volutenansätze und als Stirn-
bekrönung eine segmentbogige Verdachung mit Muschelfüllung. Oben im
Giebel ein ovales Fenster mit kartuschartiger Umrahmung; sonst sind die
14*
-X-i )i]-2 l^'-
Fenster und dio in der Mitte liogeiidr; Tür r(;c,hte(;kig. Die l'inralirnunf^ dei
letzteren mit öeitenlisonen und Sturzgesinis umfaßt auch das rechteckige Oher-
licht und ist durch das Gurtgesims verkröpft: darüher in Kartusche die Wappen
der von Beesten und von Middachten.
Steinstr. 63. Links neben dem Hause befindet sich ein portalartiger
Durchgang, aus Sandstein-Architokturteilen hergestellt, die ursprünglich eiiif-rn
anderen Zweck gedient haben und mit Puttenköpfen, Hlumengehängen und
Kartuschen reich geziert sind. — Ende des XVII. Jahrhunderts.
^:
^:li^':
m&m.
r vm.\K^ 'A^Ji-^^imtm^' in\\mät_-.jt,^iftmf.
Abb. 231. Scbüttorf ; Ofenplatte, jetzt im Heimatmuseum zu Bentheim.
Am Markt 128 — Anfang des XIX, Jahrhunderts (Abb. 2oO i rechts)
Eingeschossiger Ziegelbau: Sockel und Ecklisenen aus Sandstein. Giebel ge-
kappt und mit mächtigem Hauptsims (Sandstein) schließend. Giebelschrägen
durch konkav geschwungene Sandsteinlisenen hergestellt, die unten in kantig
gebrochenen Voluten enden. — Die Haustür liegt unsymmetrisch; die Fenster
besitzen nicht mehr das ursprüngliche Holzwerk. — Das Dach ist gewalmt.
Steinstr. 22. Das 1807 erbaute Haus zeigt die gleiche Giebelform.
Hier ist aber auf das schwere dreiteilige Abschlußgesims noch eine Attika
gesetzt, die durch vasenbekrönte Pilastervorlageu gegliedert und dazwischen
mit Kranzgehängen verziert ist.
Ofen platte.
Ofenplatte (Abb. 231), jetzt im Heimatmuseum zu Bentheim. Gußeisen
— Ende des XVI. Jahrhunderts. Hauptdarstellung ist die Hochzeit zu Kana.
->§ 21o g^
Ü 1 s e n.
Kirtlie (ref.), Rathaus, Bürgerhaus.
Das Dorf Clsen liegt in einem Gebiet von diluvialen, großenteils mit
Heide bedeckten Sanddünen, an der Gabelung der Straße, die von Neuenhaus
nach Har-denberg-Getelo mit dem einen
Zweige und nach Wilsum mit dem anderen
Zweige führt.
Ülsen ist bis ins XIV. Jahrhundert hinein Geschiclito.
der bedeutendste Ort desjenigen Teiles der
holländischen Landschaft Twente gewesen,
der jetzt zur Niedergrafschaft Bentheim ge-
hört. Es war Stätte des Hauptfreistuhles,
welches Gericht ursprünglich Besitz der
Familie von Toren war. Die Herren de Turri,
oder van den Tome, besaßen etwa ^'2 km
südlich der Kirche eine Burg, In einem auf
ihrer Stätte noch erhaltenen Hause findet
sich der in Abb. 232 gegebene Renaissance-
kamin in einem eichengetäfelten Räume.
Das Gogericht trat die Familie 1312 an den
Grafen von Bentheim ab; ihre Güter kamen
1651 durch Kauf an den Grafen Ernst
Wilhelm, nachdem sie schon seit 1450 nicht
mehr Eigentum der van den Torne gewesen
waren. (Über die van den Torne siehe Raet
V. Bglscp. I, 195 ff. und Burgsteinf. Fürstl.
Arch. I. Rep. B 15a.) In der Geschichte der
Kriegsleiden, die die gesamte Grafschaft im
XVI. — XVII. Jahrhundert betrafen, wird auch
Ülsen wiederholt genannt.
Zum Kirchspiel Ülsen gehörten ursprüng-
lich Veldhausen, das aber sehr früh ab-
gezweigt wurde, Wilsum und Lage, so daß
es ehemals das bedeutendste der der Ütrechter
Diözese unterstehenden Niedergrafschaft war.
Eine Kirche, dem hl. Werenfried geweiht, der hier mit dem hl. Wilibrord zuerst
das Evangelium gepredigt haben soll, muß hier schon im Jahre 1131 bestanden
haben. Denn in einer Urkunde aus diesem Jahre überweist der Ütrechter Bischof
die Pfarre von Ülsen dem Kapitel von St. Peter zu Utrecht (Raet v. Bglscp. I, S. 27).
Im Jahre 1327, unter dem Papste Johann XXII. erhielt die Kirche einen von zwölf
Bischöfen unterzeichneten Ablaßbrief (Jung, Cod. dipl., Nr. 64). 1332 empfing
die Ülsener Kirche von der Familie Meyerinch 'und dem Hause Sonnenbrink
einen Zehnten zu einem ewigen Licht zur Ehre der sehgsten Jungfrau Maria
Abb. 232. Ülsen; Teil eines Kamines.
->*Ü 214 8^
(.Jung, ('od. (lipl., Nr. 70). Das sogenannte M("»nchsl>u(;h — ein handgeschriebenes
Kirchenbuch — entliält Gegebenheiten und bauhehe V^eränderungen an der Kirche
aus dem XVll. Jahrhundort. (IGOG Brand des Turnnes, 10(/J und 1632 Angaben
über Kanzel und Kirchengestühl, 1G/J4 Aufstellung einer neuen hölzernen
Kanzel an Stelle der steinernen.) Am 17. Februar 1082 wurde der Turm vorn
Blitze getroffen und brannte bis auf das Mauerwerk nieder. Die darauf ver-
anstaltete Kollekte (s. darüber R. E. Hattinck, Erlaubnisbrief usw., gedr.
Almolo 1898) gestattete drei Jahre später, den Turm in geringerer Höhe als
vorher, neu aufzubauen.
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Abb. 234. Kirche in Ülsen: Teil der Südfront.
Be-
schreibung.
Turm.
Die Kirche zu Ülsen, aus Sandsteinquadern erbaut, liegt auf einem
Ausläufer der Hügelgruppe, die weiter westlich des Dorfes anhebt, in immerhin
erhöhter Lage und ist normal orientiert (s. Taf. 19, Abb. 233). Im Äußeren
kennzeichnen Strebepfeiler die Gewölbejoche des Innern (Abb. 234). Der Chor
ist nicht abgesetzt gegen das Schiff und schließt mit fünf Seiten eines flachen
Achtecks. In seiner südöstlichen Wand findet sich eine zugesetzte Nische für
ein Heiligenbild; an der Nordwand zeigen sich die Spuren der nach Mithoff
(VI, S. 103), im Jahre 1859 abgebrochenen Sakristei. Der Nordseite des Schiffes
ist in dessen ganzer Länge ein Nebenschiff vorgelegt (s. d. Grundriß Abb. 235).
Der Turm am Westende der Kirche, auf quadratischer Basis errichtet,
ist der älteste Teil des Gotteshauses und stammt seinem Steinschnitt und
den Fensteröffnungen nach, bis zum zweiten Geschoß aus der Zeit um 1200.
Das dritte Geschoß hat in jeder Seite zwei gotische Schallöffnungen. Das
Turmportal ist in gotischer Zeit eingesetzt.
Das Gewölbe der Durchgangshalle des Turmes ist den Nachrichten
zufolge bei einem Brande eingestürzt; es war ehemals als Kreuzgewölbe in
Bruchstein auf Rippen und Ecksäulen ausgeführt. Die Turmtreppe liegt inner-
->^ 215 gK^
-^ 21(5 ^«<-
halb der Südwand des Turmes und ist vorn Schiffe aus zugänglich. Stein-
metzzeichon daran zeugen von Erneuerungsarbeiten, die um ITKXJ geschehen
sein werden.
Abb. 237. Kirche in Ülsen; Schnitt.
Schiff. Das Schiff (Taf. 18, Abb. 236) ist ursprünglich in vier Jochen angelegt
gewesen; die beiden folgenden Joche, die ehemals zum Chor gehörten, dessen
alter Anfang auch durch eine breitere Quergurte gekennzeichnet ist, sind
später zum Schiff hinzugezogen. Die Wölbung (Abb. 237) ist durch-
weg auf Rippen mit Birnstabprofil aus Konsolen heraus ausgeführt,
und zwar ist das Gewölbe des Schiffes etwas höher als das des
Chores. Die Konsolen zeigen im Grundriß vier Seiten eines regel-
mäßigen Sechseckes (Abb. 238). Die Gurten sind durchweg sehr
flach und kaum spitzbogig zu nennen. Die Fenster setzen hoch an,
sind ziemlich schlank und haben Maßwerk: im Schiff aus Drei-
pässen und Fischblasen, im Chor aus Drei- und Vierpässen.
Das Nebenschiff gehört im ganzen einer späteren Zeit an
als das Hauptschiff; und zwar bestand es zunächst aus vier, auf
Konsolen und Wandsäulen gewölbten Jochen, entsprechend denen Kirchri^n
des Hauptschiffes, Die drei kämpferlosen Rundpfeiler zwischen Schiff tisen;
und Nebenschiff sind die rundbehauenen Reste der ehemaligen '^^^^ *"
nördlichen Kirchenaußenwand, denen man eine Basis mit flach-
liegender Hohlkehle gegeben hat. In einer noch späteren Zeit hat man in
den beiden nächstliegenden Jochen des alten Chores — also im fünften
und sechsten Gewölbejoch vom Turme ab gerechnet — die Nordwand durch-
brochen in der Weise, daß im Grundriß rechteckige Pfeiler stehen blieben ;
->^ 217 ^-
zugleich wurde das Nebenschiff um zwei Joche ostwärts verlängert. So
erklärt sich das zweite Ivonsolenpaar im Nebenschiff an der Stelle der ehe-
mahgen östlichen Abschlußwand des Nebenschiffes.
Außen an der Südseite der Kirche fügt sich in der wagerechten
Verlängerung der Streben des dritten Joches ein Vorbau in Sandstein an, der
„Gravenkerkje"*) genannt wird (Abb. 233). Sein zierliches Fialen- und Fischblasen-
werk und die vorkommenden Steinmetzzeichen, von denen einige in Gildehaus und
Emiichheim sich wiederfinden, lassen ihn als Werk der Wende des XV. Jahr-
hunderts erkennen. Leider sind die Feinheiten stark verwittert.
Eine Inschrift über der Chortür in der Südwand außen, welche das
Datum der Erbauung angegeben hat, ist völlig verwittert und unleserlich
geworden. Nach allen angeführten Stilmerkmalen muß Schiff und Chor —
vielleicht in getrennten Bauperioden — in die zweite Hälfte des XV. Jahr-
hunderts gesetzt werden. Das Nebenschiff ist etwas später; bemerkenswert
sind hier ein Schlußstein mit einem Bildniskopf und das Vorkommen des
Seilornamentes an Konsolen und Schlußsteinen (C. W. Hase, Das Seilornament
und polygonale Kelchkapitell zu Ilsenburg. Mittelalter!. Baudenkmäler Nieder-
sachsens I, 158, Tafel 37). A.n der Kirchensüdseite unter dem Dach steht:
Anno 1612 is dit gedec. Zwei der Streben weisen als Erneuerungsdaten die
Jahresangaben 1658 und 1829 auf.
Außen am Schiff — 1 1 1 1 ; Gravenkerkje "7^ — ; Turmtreppe an Steinmetz-
zeichen.
emer
Reparatur .'^ _\ ^ I
Nach Inschrift ist das Eichenholzgetäfel „Anno 1633" eingebaut. Chorgetäfcl
Die Grabplatten in der Kirche sind zumeist stark abgetreten. Eine Grabstein.
vom -Jahre 1637 auf die Dogentsame Cathrina Gerdina Sperge seligen Bernd
van Benthems gewesene Husvrouwe.
Die drei vorhandenen Glocken sind um 1835 von Dubois in Ülsen Glocken,
selbst gegossen. — Die älteren waren beim Brand 1682 zerstört. Bei der ersten
Glocke beträgt der untere Durchmesser 0,70 m ; Inschrift holländisch : Joh. 6, 27,
lat. Großbuchstaben. — Die zweite mißt 0,90 m unteren Durchmesser;
Inschrift: Ps. 127, 1, wie bei voriger. — Die dritte 1 m; Inschrift:
Ps. 95, 7, ebenso.
Kanzel mit Schalldeckel aus Holz, im Sechseck angelegt, von schlichter Kanzel.
Formgebung. An den Ecken des Stuhles toskanische Dreiviertelsäulchen ;
dazwischen rundbogig geschlossene Füllungen. Anfang des XVII. Jahrhunderts.
Ein Kelch, 24,6 cm hoch und 9,4 cm im Durchmesser des oberen Kelcli.
Randes, besteht aus Silber und zeigt Spuren von Vergoldung. Er ist aus
Stücken verschiedenen Ursprunges zusammengesetzt. Der Knauf mit Widder-
köpfen besetzt (vgl. Kelch zu Neuenhaus), entstammt dem XVI. Jahrhundert.
*) „Grave" umgebildet ans Gerve = Gewand, meist in Zusammensetzung mit Kammer
(s. Grimm, Wörterbuch). Vgl. „Gerkammer" in der ref. Kirche in Bentheim.
-^ 218 iK-
I)ie Kii|)j)a liai fast gerade aufsteigende Wandungen und ist rnit liandweik und
naturalistisch gebildeten Früchten sowie mit vier Engelsköpfen in getriebener
Arbeit verziert; sie entstammt der /weiten Hälfte des XVII. Jahrhunderts.
Der Deckel ist in ähnlicher Weise ornamentiert (Taf. 15, Abb. 2;'/J).
Kroii- ^rei Kronleuchter aus Gelbguß in der üblichen Form, einer davon
Iciiclitcr. j„j| Wa])[)enschilden am Knauf „gegeven dor Mechtelt Mulder, weduwe van
•lohannes Lij)i)inghoff" usw. 1779.
Der zweite von 17'.J1 ,,ter gedachtenis van de -luffreuw Gesina
Lippinghoff en Aleida Bode".
Der dritte von 17*,).').
Orgel. Orgel aus dem Anfang des XVIII. JahJhunderts mit bescheidenem,
mehr handweiksmäßig ausgeführtem Schnitzwerk, im Gesamtaufbau aber nicht
ungeschickt und bemerkenswert durch den Versuch, von der sonst üblichen
flächigen Ausbildung des Prospektes abzuweichen. Auch an den Seiten-
wandungen des Gehäuses sind Pfeifen in halbrund vortretenden Türmchen
angeordnet,
l'ateue. Eine Patene aus Silber (35 cm Durchmesser) enthält das Wappen
Ernst Wilhelms, Grafen von Bentheim und das Datum 1650 als Stiftungsjahr.
W:md- Wandgemälde sind vermutlich vorhanden, aber unter der dicken, weißen
gemälde. Tünche verdeckt.
Rathaiiii.
Das Rathaus, ähnlich dem zu Neuenhaus, auch ungefähr gleichzeitig
gebaut, hat durch Auftragen von Putz an Charakter eingebüßt.
Garten
^1 rai,f> e -i — > — > — ■ — ^
Abb, 240. Ül?en; Utius Jacobs (1:250).
->S 219 §K-
Im Dachreiter des Rathauses eine Glocke, 1683 in Amsterdam gekauft; Glocke.
Durchmesser 0,52 m.
Bürgerhaus.
Haus Jacobs, Giebelhaus in Fachwerk, XVIII. Jahrhundert (s. d.
Grundriß, Abb. 240).
Veldhausen.
Kirche (ref.).
Das Dorf Veldhausen, 3 km nordöstlich von Neuenhaus, auf Geest-
boden, in einiger Entfernung von der Vechte belegen, ist der Kirchort für die
zerstreuten Dörfer des großen Heseper Moorgebietes.
Der Name findet sich in den Schreibweisen Velthusen {Jung, Cod. Geschichte.
dipl. Nr. 55), Velthuzen (Jung, App. dipl. Nr. 8) Velthuyzen.
Veldhausen ist nach Möllers Ansicht (a. a. 0. S. 106) wenigstens im
X. Jahrhundert gegründet und besaß schon früh ein ausgedehntes Kirchspiel.
Seine erste Kirche soll den hl. Johannes den Täufer zum Patron gehabt
haben. Veldhausen kommt zum ersten Male vor in einer Urkunde vom Jahre
1317, nach welcher Graf Johann IL ein von einem Bodolphus Ton Sande
erworbenes Stück Land der genannten Kirche schenkt (Jung, Cod. dipl. Nr. 55).
Eine weitere Erwähnung der Kirche findet sich in einer Urkunde vom Jahre
1360, die eine Zuwendung in Getreide behandelt (Raet. v. Bgls. I, 146). Diese
in den Urkunden erwähnte Kirche wurde 1370 abgebrochen. Wahrscheinlich
war BaufäUigkeit die Veranlassung dazu in gleichem Maße, wie das Bestreben
der Grafen, ihrer jungen Gründung Neuenhaus durch Verlegung der Kirche
dahin, aufzuhelfen. In der Nähe der neugegründeten Burg Dinkelrode — nach
Visch da, wo Jetzt die reformierte Kirche in Neuenhaus steht — wurde mit
Zustimmung des Ütrechter Bischofs die Kirche wieder aufgebaut. 40 Jahre
später gelang es aber dem damahgen Veldhausener Pastor Faber, den Bischof
Friedrich von Blankenhain von den Nachteilen und der Ungerechtigkeit dieser
Kirchenversetzung zu überzeugen. Der Bischof erklärte nach eingehender
Prüfung der Sachlage durch den Domherrn Swederus Hübting zu Oldenzaal
die Wünsche der Gemeinde von Veldhausen für berechtigt und bestimmte die
Zurückversetzung der Kirche „mit ihrem Tauf stein und allen anderen Rechten und
Geräten" (Jung, Cod. dipl. Nr. 150). Zur Förderung des Kirchenbaues — wie es
wenigstens scheint — verlieh derselbe Bischof im folgenden Jahre, 1411,
allen Besuchern und Wohltätern dieser Kirche einen Ablaß von 40 Tagen
(Jung, Cod. dipl. Nr. 151). Eine zweite Ablaßurkunde, ausgestellt zu Utrecht
in dem Jahre 1481 oder 1491 durch den Bischof David von Burgund teilt
P. Stiasny im Neuenhäuser Kreisblatt Artikelserie 1910 mit. Darin ist vom
-^ 220 8->-
('lior der Kirchs die Kode, der oHjalten und iiust^eschinückl weiden soll. Der
Reformation schloß sich die Veldhausener Kirchengeirieinde 15H8 gleichzeitig
mit den übiigen Orten in der Grafschaft an.
Be- ^ Die Veldhäuser Kirche (s. d. Grundriß Abb. 241 a, Schnitt Abb. 241 b), aus
dor Kirche, regelmäßig behauenen Bentheimer Quadern von wechselnder Größe erbaut,
scheint eine lange Bauzeit gehabt zu haben. Das geht hervor aus den ver-
schiedenartigen, aber stilistisch doch nicht allzu weit auseinanderliegenden
->*g 221 g^-
Abb. 2ab. Kirche in Veldhausen; Schnitt (1 -.250).
Abb. 242. Kirche in Veldhausen; Innenansicht gegen den Chor.
-^g 22^ 'cr--
Foirnon dor s|)ät{^otisch6n Kapitelle, Gewölberipj)en und Schlußsteine im
Schiff, Chor und Turm. Das Schiff besteht aus einer dreijochigen Halle mit
halbrunden Wandsäulen, deren Kapitelle in mehr oder minder scharfer
Aus|)rägung die ineinander geschachtelte Kelchform zeigen. Die Fenster sind
nicht sehr hoch, dabei verhältnismäßig breit. Das Maßwerk soll wegen
seiner Schadhaftigkeit um 1830 herausgebrochen sein.
Abb. '244. Kirche in Veldhausen; Turmportal.
Chor. Der Chor (Abb. 242) hat ein Vorjoch und schließt mit fünf Seiten
eines regelmäßigen Achteckes ab. Während das Vorjoch in einfachen Kreuz-
gewölben mit ringförmigem Schlußstein abgedeckt ist, liegt über dem übrigen
Teil ein Sterngewölbe. Die Gewölberippen gehen hervor aus Dreiviertelsäulen
in den Chorecken. Daran sind die Kapitelle rund und von später Pro-
filierung. Zwei Paar sind auch bei der gleichen Profilierung achteckig gebildet.
Die Fenster setzen höher an als die des Schiffes und sind auch höher hinauf-
geführt. Das Maßwerk ist herausgebrochen wie im Schiff und durch Holz-
rahraen ersetzt. Der Chorboden soll nach mündlicher Mitteilung erst Mitte
des XIX. Jahrhunderts niedriger gelegt sein. Unter dem Chor befanden sich
gemauerte Grüfte.
Turm. Die Kirche ist ohne Turm angelegt gewesen. Erst vielleicht um 1510,
wie es scheint, ist ein solcher nach dem Schüttorfer Muster der Westfront
vorgelegt (s. Taf. 17, Abb. 243). Die Halle des Turmes ist mit Kreuzgewölben
auf Rippen, die aus Dreiviertelsäulen in den Hallenecken herauswachsen, ab-
gedeckt. Der Schlußstein ist ein großer, offener King. Aus der Südwand des
->S 223 ^-
Turmes tritt das Treppentürmchen als halbes, achteckiges Prisma heraus; es
ist von der Halle aus zugänglich. In der Westseite des Turmes liegt ein Portal
(Abb. 244), das sich oberhalb des Türsturzes als hohes spitzbogiges Fenster
fortsetzt. Der Turmsockel hat ein sehr charakteristisches Profil, das zu beiden
Seiten des Portales in senkrechter Linienführung nach unten umbricht. Der
Turm selbst steigt in drei Geschossen empor, jedes obere etwas eingezogen
gegen das untere; der Absatz gekennzeichnet durch ein dünnes Hohlkehl-
profil. Das zweite und dritte Geschoß erfährt senkrechte' Gliederung durch
lange, dreigeteilte und spitzbogig abschließende Blenden, die nur im dritten
Geschoß teilweise als Schallöcher geöffnet sind. Das Maßwerk darin besteht
aus Dreipässen und Fischblasen. Den oberen Abschluß des Turmkörpers
bildet eine aus Fischblasenwerk zusammengesetzte Balustrade.
Ein Notdach mit kurzem First, in roten Ziegeln gedeckt, bekrönt den
Turm, der seiner gefälligen Gliederung wegen wohl als der schönste der
Grafschaft bezeichnet zu werden verdient.
Zur Vergrößerung der Kirche ist an deren Anbau.
Nordseite ein Ausbau in Ziegeln vorgenommen
(s. Abb. 240). Über der Nordtür befindet sich
die Inschrift:
In het Jaar MDCCCXXXII Aangebouwed,
Über der Südosttür des Chores: Inscbriftou.
incepin • an • dm • m
cöple m • vo • an • mcccc ....
(Stockmann a. a. 0. Frts. 162 bringt weitere
Inschriften an den Strebepfeilern.)
Abb. 24ü. Kirche in Veldhausen; Kelch.
Abb. 246. Kirche in VeUlhausen: Brotschüssel.
->»8 224 6-^
stciiiinoiz- Vielfach vorkommende Steinrrietzzeichen ;im 'J'tjnii :
zeiclicii.
tft^^>f4--.^^
A
Glocken. Von den drei vorhandenen Glocken sind zwei 1509 durch Wolter
Westerhues gegossen. Bei der dritten steht der Ursprung nicht fest; sie
wurde 1839 von J. B. Dubois in Olsen umgegossen.
Unterer Durchmesser der ersten ist 0,95 m; Inschrift in gotischen
Kleinbuchstaben: Salvator dicor, inimicos pellere utor, convoco viventes
pulsu, plango morientes, Wolterus Westerhues me fecit anno domini
Mcccccix. — Durchmesser der zweiten ist 1,05 m; Inschrift in Kleinbuch-
staben: Est marie nomen mich, sacros pulsor in usus, cogo sonans homines
ad pietatis opus. Wolterus Westerhues me fecit MDIX. — Die dritte Glocke,
Durchmesser 0,80. Inschriften: vivos voco . . usw Gegos.sen von
J. B. Dubois im Jahre 1839.
Kanzel. Die Kanzel, Renaissance, hat einen steinernen Fuß und einen aus Stein-
platten zusammengesetzten, sechsseitigen Stuhl ohne wesentlichen Schmuck.
Kc'icli. Ein Kelch (Abb. 245) aus Silber ohne wesentliche Ornamentierung,
Höhe mit Deckel 31 cm, oberer Durchmesser 10 cm, hat die Umschrift am
Fuß: In usum Ecclesiae Velthausanae 1618, 26 Marti. Renov. 1685, 4. Juni:
Am Rande: Poculum benedictionis cui benedicimus, nonne communio san-
guinis Christi est.
Ein zweiter Kelch, mit dem Datum 1716 am Fuß und Stifterwappen
V. Stampa am Gefäß, ist dem ersteren nachgebildet.
Ki.^,n. Zwei Kronleuchter der üblichen Form aus Gelbguß mit Wappen-
U'uchter. Schilden am Knauf. XIV. Jahrhundert.
Brot- Zwei Brotschüsseln (Abb. 246) aus Silber, die größere 32,8, die kleinere
Schüssel. 27,3 cm im Durchmesser haltend, sind von untereinander ähnlicher Arbeit.
Der Rand ist mit einem naturalistisch gebildeten Kranz von Blumen in Treib-
technik belegt und enthält das Wappen der Familie Stampa; dem gegen-
über auf der anderen Seite in einem Medaillon: Mauritz Alexsander von
Stampa dedit hoc dono Ao 1695.
Taufbecken. Eine Taufschüssel aus Silber mit Wappen der Familie Stampa*).
Taufstein. Der obere Teil eines runden Taufsteins, in der Form ähnlich denen von
Ohne, Brandlecht, Emiichheim findet sich in der 1. Pfarre. Er hat keinerlei
Ornament. Die Höhe des Stückes ist etwa 60 cm, der obere Durchmesser 96 cm.
Wietmarschen.
Ehem. Beiiediktinerinnenkloster, Kirche (kath.).
Das Stift Wietmarschen liegt etwa 10 km nö. von Nordhorn in einer
weiden- und waldreichen Niederung.
'■) über die Stanipas, Besitzer des Hauses Schulenburg, s. Moellor a. a. 0. S. 85.
->^ 225 8-<-
Der Name der Gegend kommt vor in den Formen Wytmersch, Wittmarsen Geschichte.
und ähnlichen (Jung, Cod. dipl., S. 21, s. a. Förstemann, Ortsnamen, S. 63 und 114).
Abb. 248. Stiftskirche in Wietmarschen: Grundriß (1:250)
Das Kloster wurde durch den Benediktinermönch Hugo, Edeln von
Büren (Erzählung darüber in Burgstf. Fürstl. Archiv IX Rep.) in dem von der
Gräfin Witwe Gertrudis von Bentheim (f nach 1154) geschenkten und in die
Hand des Bischofs Friedrich von Münster überwiesenen palus Wittmersensis
gegründet. Die Stiftungsurkunde von 1152 enthält sogleich Schenkungen an
das Kloster, das unter der Oberaufsicht
des Bischofs verbleiben und unter der
Voigtschaft des Erben der Schüttorfer Curtis
stehen sollte (Erhard, Cod. dipl. Nr. 297).
Wietmarschen war ursprünglich zu einem
Männer- und Frauenkloster bestimmt, ver-
wandelte sich aber schon 1209 in ein
Frauenstift unter einem Propst und einer
Priorin. Zugleich nahm das zu Ehren des
hl. Johannes des Täufers gegründete Kloster
den Titel ,,St. Marie in Rode" an. Die
Entwickelung des Klosters zu einem frei-
weltlichen Damenstift — nobile collegium
S. Joannis Evangelistae — , die sich ganz
allmählich vollzogen hatte, führte 1659 und
1675 zur förmlichen Anerkennung dieses
Zustandes durch den Bischof Bernhard von
Galen, dessen Bruder und Neffe hier 1670
zwei Galensche Erbpräbenden gründeten.
Der Reformation hatte sich Wietmarschen nicht angeschlossen. Als Folge davon
und, weil das Stift mit der Hilfe des Bischofs von Münster sich der Landesober-
hoheit des Grafen zu entziehen suchte, ergaben sich Zwistigkeiten mit diesem.
15
Abb. 249. Stiftskirche in Wietmarschen;
Schnitt durch den Chor (i : 250).
I
-<-2 220 g^
Im .lahro 1800 versucliie Grat Ludwig im Einverständnis mit den
Stiftsdamen das Stift anfzuhoben; doch verhinderte die Einsetzung der Groß-
herzoglich Bergischen liegierung die Aufhebung. ?]rst Napoleon hob das Stift
am 14. November 1811 auf und zog dessen Güter ein. Die Hannoversche
Abb. 250. Stiftskirche in Wietmarsclieu ;
Glockenturm.
Regierung, die 1813 die Grafschaft Bentheim in Besitz genommen hatte, über-
ließ durch den Vergleich vom 16. März 1823 — wie es auch mit Frenswegen
geschah — die Klostergüter von Wietmarschen ]dem ehemaligen Besitzer als
Entschädigung für den Verlust der Landeshoheitsrechte.
Be. Von der Klosteranlage ist der sie umgebende Graben teilw^eise, ferner
Schreibung, das Hauptzugangstor mit der Brücke und einige der alten Wirtschaftshäuser
bis heute vorhanden. Die Gebäude entstammen der Wende des XVII. Jahrhunderts.
Die malerische Stiftskirche (Taf. 19, Abb. 247) liegt heutigestages frei
und ist normal gerichtet (Abb. 248). Der älteste Teü daran ist der Chor (Abb. 249).
auf nahezu quadratischem Grundriß, teils aus behauenen Findlingen, in seinen
oberen Teilen aus Bentheimer Quadern erbaut und mit romanischen Fenstern
versehen. Im Inneren hat der Chor Eckvorlagen für die Schildbögen, die nach
dem an der Ostseite erhaltenen spitzbogig waren. In den einspringenden
Ecken der Vorlagen saßen Runddienste, die sich einst oberhalb ihrer
Kapitelle als Rippen für das Jetzt nicht mehr vorhandene Gewölbe
fortgesetzt haben. Die Fenster sind sehr hoch angebracht, und zwar sind
die beiden in der Ostwand befindlichen bevorzugt durch einen in der
Wandfläche belegenen Rundwulst auf Säulchen mit je zweimal gegürteten
->^ 227 ^'-
Schäfteii. Von dem Triumphbogen ist nur die nördliche Wandvorlage mit
zwei halben Rundsäulen erhalten. Die Decke ist in Stuck auf Holzverschalung
ausgeführt. Nach den angeführten Stilmomenten stammt der Chor, wenigstens
in seinem oberen Teile, aus der zweiten Hälfte des XIII. Jahrhunderts.
An die Südseite des Chores fügt sich eine Sakristei aus Sandstein,
etwa in gotischer Zeit gebaut.
Abb. 251. Stiftskirche in Wietmarschen; Altar.
Das Schiff hat außen gleiche Breite mit dem Chor; wegen der
geringeren Stärke seiner Mauern setzt es im Inneren gegen jenen etwas zurück.
Es ist aus großformatigen Ziegeln (5,5/13,5/27,5) errichtet und hat zum Teil
spitzbogige Fenster mit schmalen Hausteingewänden. Die Tür in der Nord-
wand — offenbar in zweiter Verwendung — zeigt gotische Formen um 1500
(vgl. Brandlechter Südtür). Gegen Westen ist das Schiff durch einen schmaleren
Anbau verlängert (Ziegelformat 6,5/12,5/25,5). Die westliche Abschlußwand
ist in kleinformatigen Ziegeln, nach den Profilen der Tür und der darüber-
liegenden, eine Heiligenfigur bergenden Nische, in den ersten Jahrzehnten des
XVIII. Jahrhunderts erneuert. In der Südwand des Anbaues trägt eine
15*
Schiff.
-^ 228 8->-
Glockcii-
tnnii.
zugesetzte Tür auf dem Sturz die Aufscluift: Renovaturn Anno 1697. Das
Obergeschoß dieses Anbaues war ehemals zu einem Kapitelsaal eingerichtet.
In der Nordwestecke des Schiffes befindet sich ein zweiter, kleinerer
Anbau, der in seinem unteren Geschofi sich nach dem Schiffe öffnet und einen
l)evorzugten Kirchenplatz enthält.
Die gotischen Strebepfeiler aus Sandstein — zwei an der Südseite des
Schiffes, ehier an dessen Nordseite — mögen zur Unterstützung für die
Gewölbe des ehemaligen, s])ätromanischen Schiffes errichtet gewe.sen sein.
Auf dem Westende des Kirchendaches sitzt ein Dachreiter mit der
Meßglocke.
Ein hölzerner Glockenturm (Abb. 250) steht am Rande des Kirch-
hofes in nördlicher Richtung vom Chor aus.
Abb. 252. Stiftskirche in Wietmarschen : Chorschranke von 1695.
Altäre. Der Hochaltar (Abb. 251), in Eichenholz geschnitzt, stammt aus der
zweiten Hälfte des XVII. Jahrhunderts. Er enthält ein Ölgemälde, das eine
Kreuzigungsgruppe darstellt.
Der St. Annenaltar ist 1662, der St, Nicolausaltar 1663 gestiftet.
Die beiden Nebenaltäre bestehen aus Stein und haben Reliefbilder im
Retabulum (s. Möller, a. a. 0. S. 103 u. Mithoff VI, S. 168).
Chor- Die Chorschranke, in Eichenholz geschnitzt, entstammt nach der In-
schranko. ^^^^.^^ ^^^ j^^^^ ^^^^^^ ^^^^ ^52).
Mehrere Stationsfiguren von Stein, Höhe etwa 60 cm. Dabei ein
leidender Christus von 1683.
Im Glockenturm drei Glocken, Die älteste (1510) hat einen Durch-
messer von 1 m. Als Meister nennt sich Wolter Westerhues. Eine einzeilige
Inschrift, unterhalb der Haube in Kleinbuchstaben lautet: Est Mariae nomen
mihi . , usw. (vgl. Veldhausen) . . . Wolterus Westerhues me fecit anno
Domini MDX Anna van Vorden abtina.
Die zweite (1529), Durchmesser 1,10 m, nennt ihren Gießer nicht.
Inschrift: Dicor Salvator, mihi fulmina grandoque cedunt esuries, pestis, bella
rapidique furores, et fugiunt sönitus noxia quaeque meos. Anna van Vorden
Aebatissa Anno MCCCCCXXIX.
Stations-
figuron.
Glocken.
-'>^ 229 g^-
Die dritte (1839) Durchmesser 0,80 m, sagt in ihrer Inschrift: J'ai
ete fondue ä Paris ab Du Boits 1839.
Eine aus Holz geschnitzte und mit Metall belegte Madonnenfigur in Madonna,
sitzender Stellung (Höhe etwa 50 cm), mit dem Kinde auf dem Schoß, das
leider beschädigt ist, war einst Ziel von Wallfahrten. (Katalog d. Ausst. westf.
Altertümer 1879, Münster, Nr. 403.)
W i 1 s u m.
Kirche (ref).
Das Dorf Wilsum liegt an den Nordwestabhängen des Ülsener Dünen-
gebietes und hat nächst der Bauerschaft Samern, südlich von Schüttorf, den
fettesten Boden in der Grafschaft.
Der Name des Ortes scheint zuerst genannt zu werden in der Ge- Geschichte,
schichte der translatio S. Alexandri, die zwischen den Jahren 863 und 891
p^-1^
^^^B^ 1.?^^^ <sfir----^l|^^H^^H
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SOMIIMI' , IPBHI
Abb. 253. Kirche in Wilsum ; Ansicht von Süden.
•
geschrieben ist und worin die Heilung eines Bünden aus Wilsum
berichtet wird*). In der Form Wylschem kommt der Name vor in einer
Urkunde aus dem Jahre 1332 (Jung, Cod. dipl. Nr. 91), in welcher Arnold
von Schonevelde, ein Sprößling des alten Geschlechtes, das in Wilsum seinen
Stammsitz hatte, einen Revers über sein Lehen an den Grafen von Bentheim
ausstellt. Kirchlich gehörte Wilsum ursprünglich zuÜlsen, hat aber bereits vorder
Reformation eine eigene, dem hl. Antonius geweihte Kapelle gehabt, in
welcher der Pfarrer von Ülsen zu bestimmten Zeiten des Jahres die Messe
lesen mußte. Nach der 1861 zu Wilsum aufgestellten Kirchenbeschreibung
*) Monum. Germau. histor. II. Hannover 1829, S. G80.
-•♦8 230 i*-.-
ist die \'ikario im Jahre löll durch den (Irafon iwcrwyn gestiftet (s. a. -lung,
Cod. di|)l. Nr. 4) und im Jahre 1515 durch den Bischof von Ctrecht konfirmiert.
B(v Die alte Wilsumer Kapelle ist um das Jahr 1725 durch die gegenwärtige
Schreibung. Kirche ersetzt (Abh. 25;j). Von jener ist nur der Turm bis etwa zu seinem
ersten Geschoß übriggeblieben. Was alt daran ist, besteht aus Raseneisen-
stein. In jüngerer Zeit ist der Turm mit Ziegeln ausgeflickt. Zwischen
Halle und Schiff öffnet sich ein hoher Spitzbogen mit Wulst und Kehle im
Profil und aus rötlichem Bentheimer Sandstein. Die Eingangstür in der
Turmfront hat feinere Profilierung; der innerste der Wulste ist als gedrehtes
Tau ausgebildet. Bei Erneuerungsarbeiten 11310 ist der Turm mit Zement
verputzt. Unverändert sind aber die Sandsteinsimse, welche die Geschoß-
teilung bezeichnen. Nach diesen Merkmalen kann der Turm aus den ersten
Jahrzehnten des XVI. Jahrhunderts stammen.
Abb. 254. Kirche in Wilsuna; Grandriß (1:250;.
Glocken.
Kanzel.
Kelch.
Ölgemälde
im Pastorat. Landschaft
und Delila.
In der Saalkirche, die sich ostwärts an den Turm schließt (Abb. 254),
ist der Inschrift über der Nordwesttür nach der erste Stein gelegt Anno
MDCCXXV IPSIS IDIBUS MAIL Sie ist auf Hausteinsockel ifi kleinformatigen
Ziegeln aufgebaut, hat rundbogige Fenster, innen wie außen vorspringende
Pfeiler und als Abschluß nach Osten hin drei Seiten eines Achteckes. Die
Decke ist in Holz nach der Form eines Spiegelgewölbes gebildet.
Eine Glocke, unterer Durchmesser 0,82 m. ist 1829 von Andries van
Bergen und M. Fremy in Mitwolde gegossen.
Die Kanzel aus Holz, ähnlich der zu Lage, etwa gleichzeitig mit dem
Kirchenneubau von 1725.
Ein Kelch aus Silber, in Form eines Bechers auf plumpem Fuß.
Der Name der Stifterin, umgeben von einem Kranze, ist im Becher eingraviert.
Sechs Porträts in Öl, ca. 1780; ein stark nachgedunkeltes Ölgemälde:
mit antiken Säulen im Vordergrunde; ein Ölgemälde: Simson
0
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Heft 4
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