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Full text of "Hydra : eine Anatomisch-entwicklungsgeschichtliche Untersuchung"

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EINE 


ANATOMISCH -ENTWICKLUNGSGESCHICHTLICHE  UNTERSUCHUNG 


VON 


D«  NICOLAUS  KLEIJVENBERG. 


MIT  VIEE  LITHOGßAPHIETEN  TAEELN, 


LEIPZIG, 

VERLAG  VON   WILHELM  ENGELMANN. 

]872. 


V 


HERRN  PROFESSOR 


ERNST  HAECKEL 


GEWIDMET. 


|t-'6-IB.RA- 


VORBEMERKUNG. 


L'ie  Untersuc'lmngen ,  welche  der  nachstellenden  Abhandlung  zu  Grunde 
liegen  Avaren  bereits  zu  Ende  des  Jahres  1S70  abgeschlossen  —  andere  Ar- 
beiten, die  meine  Thätigkeit  rücksichtslos  in  Anspruch  nahmen,  und  dann  un- 
erwartete, von  mir  nicht  abhängige  Umstände  haben  die  YeröfFentlichung  bis 
jetzt  Aerzögert. 

Unterdessen  hat  Franz  Eilhard  Schulze  in  seiner  schönen  Monographie 
der  Cordylophora  lacustris  ausführliche  neue  Beobachtungen  über  den  Bau  der 
Hydra  bekannt  gemacht.  Hätte  ich  früher  auf  diese  Rücksicht  nehmen  können, 
so  würde  die  Fassnna,-  des  anatomischen  Theils  meiner  Arbeit  avoI  manche  Ver- 
änderung  erlitten  haben,  namentlich  dürften  einige  Erörterungen  gekürzt  oder 
AA'eggelassen  AAorden  sein,  und  die  Uebereinstimmung  der  Resultate  wäre  in  der 
Form  von  Bestätigungen  herAorge treten.  Aber  abgesehen  davon,  dass  mein 
Manuscript  schon  druckfertig  Avar,  erschien  mir  eine  Umarbeitung  desselben  um 
so  weniger  geboten,  als  der  methodische  Gang  beider  Untersuchungen  ein  Aer- 
schiedener  ist  und  ich  in  der  Hauptsache,  nämlich  in  Bezug  auf  die  Structur 
und  die  physiologische  Bedeutung  der  GeAvebe  des  Ectoderms,  zu  einer  Auf- 
fassung gekommen  bin,  Avelche  von  jener  Schulze's  durchaus  abAveicht.  So  habe 
ich  denn  die  ursjjrüngliche  Darstellung  beibehalten.  Die  Yergleichung  Avird 
leicht  ergeben,  Avas  der  einen  und  Avas  der  andern  Arbeit  eigenthümlich  ist: 
in  den  streitigen  Fragen  möge  die  Entscheidung  bald  erfolgen.  Ich  Avill  nur 
noch  aussprechen,  dass  ich  mich  der  Ansicht,  welche  Schulze  über  die  Fvmction, 


63473 


VI 


der  mit  den  Nesselkapselzellen  in  Verbindung  stehenden  Härchen  aufgestellt 
bat,  ohne  Weiteres  glaube  anschliessen  zu  müssen,  zumal  ich  auch  von  der 
Unhaltbarkeit  der  Möbius'schen  Erklärung  der  Entladung  überzeugt  bin. 

Die  erste  Hälfte  des  grossen  Tubularien -Werkes  von  All  man  erhielt  ich 
gleichfalls  zu  spät,  um  es  noch  benutzen  zu  können.  Es  finden  sich  im  all- 
gemeinen Theil  desselben  einige  Bemerkungen  über  die  EntAvicklung  der  Hy- 
dren, die  im  wesentlichen  den  Angaben  Ecker's  entsprechen  —  auch  Allman 
hat  die  Furchung  verkannt  und  hält  die  sonderbaren  Dotterelemente  für  Zellen. 
Zu  der  interessanten  Entwicklungsgeschichte  der  Tubularien  fehlen  leider  bis 
jetzt  noch  die  Abbildungen  und  aus  der  Beschreibung  allein  ist  mir  nicht 
alles  klar  geAvorden. 


Anatomie. 

Von  allen  Leistungen  des  vorigen  Jahrhunderts  auf  dem  Gebiete  der  niederen  Thiere 
ist  wot  keine  von  so  eingreifendem  Einfluss  für  die  Entwickkmg  der  Wissenschaft  gewesen, 
wie  die  Entdeckung  der  wunderbaren  Lebenseigenschaften  der  Süsswasserpolypen.  Nicht  nur, 
dass  der  experimentellen  Untersuchung  ein  ganz  neues  und  wichtiges  Arbeitsfeld  eröffnet  wurde: 
die  Erscheinungen,  welche  jenes  kleine  Thierchen  darbot,  warfen  ein  helles  Licht  auf  viele  bis 
dahin  unverstandene  Vorgange  im  Leben  der  höchst  organisirten  Geschöpfe.  Mit  Recht  be- 
zeichnet daher  Karl  Ernst  v.  Baer  in  einer  seiner  schönen  Reden  das  Erscheinen  der  meisterhaften 
TREMBLEv'schen  Arbeit  als  den  Beginn  einer  neuen  Epoche  der  gesammten  Physiologie.  Und 
so  genau  waren  die  Beobachtungen  Tremblev's,  so  umfassend  und  von  so  strenger  Kritik  ge- 
leitet seine  Versuche,  dass  alle  die  vielen  Nachfolger  seine  Untersuchungen  kaum  in  ihrer 
Vollständigkeit  zu  wiederholen,  noch  weniger  aber  ihnen  Neues  hinzuzufügen  vermochten.  Nur 
der  Nachweis  der  geschlechtlichen  Fortpflanzung  des  Thiers  durch  Pallas  und  Ehrexberg  ist 
als  ein  wesentlicher  Fortschritt  zu  betrachten.  Denn  Tremblev  hatte  die  Eier  und  die  samen- 
bereitenden Organe  wol  gesehen,  jedoch  in  ihrer  Bedeutung  durchaus  verkannt. 

Dagegen  blieb  das  Studium  des  feinern  Baus,  der  Hydra  der  neuern  Zeit  vorbehalten, 
die,  im  Besitz  ausreichender  Untersuchungsmittel  und  von  den  massgebenden  Gesichtspunkten 
der  Zellenlehre  ausgehend,  sich  auch  bald  des  interessanten  Stoffs  bemächtigte.  Die  erste 
Mittheilung  ist  freilich  eher  eine  Mystification  als  eine  wissenschaftliche  Arbeit  zu  nennen. 
CoRDA  beschrieb  den  Körper  des  Thiers  aus  drei  Schichten  zusammengesetzt,  von  denen  die 
äussere,  die  Cutis,  von  einer  oberflächlichen  Lage  grösserer  und  einer  tiefern  Lage  kleiner 
Zellen  gebildet  ist;  dann  folgt  ein  mittleres  Stratum  musculare  aus  Zellen  bestehend,  die  mit 
farbigen  Körnern  angefüllt  sind,  und  hierauf  als  unvollständige  Auskleidung  des  Darms  die  tunica 
villosa  mit  pallisadenförmigen  theils  geschlossenen,  theils  au  ihrer  Spitze  offenen  Zellen.  Die 
Tentakeln  sind  häutige  Röhren,  welche  an  gewissen  Stellen  Anschwellungen  haben,  in  denen 
die  Cilia  und  Hastae  eingebettet  liegen.  An  der  Innenfläche  dieser  Röhren  verlaufen  vier,  in 
ihrem  Bau  gänzlich  von  dem  Stratum  musculare  des  Körpers  verschiedene  Längsmuskeln,  die 
extensores  tentaculi,  welche  unter  einander  durch  tranversale  Muskeln  von  derselben  Beschaf- 
fenheit,  die   adductores  tentaculi,   verbunden   werden  '.      Es   genüa;!   aber  einen  Blick  auf  die 


'  Acta  Acad.   C.   Leop.   Carol.   Nat.   Cur.   V.   XVIII.   p.    299. 

Kleinenberg,    Hydra. 


Tafeln  zu  werten,  um  zu  der  Ueberzeugung  zu  gelangen,  dass,  trotz  der  ausdrücklichen  gegen- 
theiligen  Behauptung  des  Autors,  die  Bilder  nicht  nach  der  Natur  gezeichnet,  sondern  ganz 
willkiihrlich  coniponirt  sind  —  ein  Verfahren,  dessen  Corda  sich  auch  bei  anderen  Arbeiten 
bedient  und  dadurch  die  ebenso  berechtigte  wie   scharfe   Kritik  Schleiden's   lienorgerufen  hat. 

Unter  dem  Einfluss  der  DujARDiN'schen  Sarcodelehre  studirte  Ecker  '  den  Bau  der  Hydra 
und  kam  zu  dem  Resultat ,  dass  der  Körper  nicht  aus  Zellen  besteht,  sondern  aus  einer  zu- 
sammenhängenden Masse  einer  äusserst  elastischen  und  contractilen,  netzförmig  durchlirochenen 
Substanz,  die  er  »ungeformte  contractile  Substanz«  zu  nennen  vorschlägt.  Abgesehen  von  ihren 
äussern  Forniverhältnissen  und  dem  Besitz  der  eigenthümlichen  Nesselorgane  wäre  Hydra  dem- 
nach in  nahe  Beziehung  zu  den  Infusorien  und  Rhizopoden  zu  bringen.  In  einer  spätem  Ab- 
handlung'^ bespricht  Ecker  die  Genese  seiner  ungeforniten  contractilen  Substanz.  Er  behauptet, 
dass  die  aus  der  Furchung  des  Eies  hervorgehenden  Embryonalzellen  keine  wesentliche  Be- 
deutung für  den  Aufbau  des  Embryonalleibes  hätten,  sondern,  dass  die  Köipersubstanz  der 
Hydren  »Intercellularsubstanz«  sei. 

Diesen  Angaben  Ecker's  trat  Leydig  mit  aller  Entschiedenheit  entgegen,  indem  er  nach- 
wies, dass  der  Körper  der  Hydren  durchweg  aus  Zellen  und  Zellenderivaten  zusammengesetzt 
ist,  und  zugleich  die  Irrthümer  Ecker's  aus  der  angewandten  Untersuchungsmethode  erklärte  '. 
Leydig  erkannte  ferner,  dass  wie  bei  allen  andern  Coelenteraten,  so  auch  bei  Hydra  der  Körper 
aus  zwei  anatomisch  und  physiologisch  verschiedenen  Blättern  gebildet  ist,  welche  durch  eine 
homogene  Memljran  getrennt  werden. 

Wichtige  Angaben  über  einzelne  Theile  brachte  dann  Külliker  ^:  er  fand  in  der  von 
Leydig  beschriebenen  structurlosen  Lamelle  eine  Muskelschicht. 

Der  letzte ,  der  die  Hydra  verarbeitet  hat ,  ist  Reichert  \  Seine  Ergebnisse  führten 
überraschender  Weise  zu  einen  Compromiss  zwischen  Ecker  und  Leydig.  Der  erstere  soll  in 
Bezug  auf  das  Ectoderra  Recht  haben,  der  andere  in  Bezug  auf  das  Entoderm.  Jenes  besteht  aus 
einer  continuirlichen  Masse  ungeformter  contractiler  Substanz,  oder  wie  sie  nun  heisst,  proto- 
zootischer  Substanz  —  dieses  ist  ein  wirkliches  Epithel.  Die  protozootische  Substanz  geht  aus 
Zellen  hervor,  wahrscheinlich  durch  Verschmelzung  der  persistirenden  Membranen,  während  der 
Zellinhalt  schwindet.  Zwischen  beiden  Schichten  befindet  sich  als  inneres  Skelet  eine  homogene 
StUlzlamelle.  Eine  übereinstimmende  Organisation  findet  Reichert  bei  den  andern  Coelenteraten 
und  den  Bryozoen,  und  auch  die  Amoeben,  Polythalamien  und  Gregarinen  sollen  nach  diesem 


1  Zeitsclirifl   f.  wiss.   Zoologie.   B.   I.,   p.    218.     1848. 

2  Entwicklungsgeschichte  der  grünen  Armpolypen.    1853. 

3  Müllers  Archiv.    Jahrgang  1854,    p.    270. 

*  Icones  Histiologicae.    II.  Ablheil.     1865. 

*  lieber  die  contractile  Substanz  (Sarcode  Protoplasma)  und  ihre  Bewegungserscheinungen,  Abh.  d.  Akad. 
d.  Wiss.  zu  Berlin,  1866;  und  Vergleichend  anatomische  Untersuchungen  über  Zoobotryon  pellucidus,  Abh.  der 
Berliner  Akademie,    1869. 


Plan  gebaut  sein,  nur  mit  dem  Unterschiede,  dass  sie  kein  inneres  Epithel  besitzen,  sondern 
»die  Wand  des  thierischen  Holilkörpers  ausschhessHch  durcii  die  protozootische  Substanz  ge- 
bildet ist«.  Es  werden  daher  alle  die  genannten  Thiergruppen  als  «niedrigste  wirbellose  Thiere« 
in  eine  Abtheilung  zusammengefasst. 

Meine  Untersuchungen  haben  mich  vor  allem  zur  Bestätigung  der  Angabe  Leydig's,  dass  der 
Körper  der  Hydren  durchweg  aus  Zellen  besteht,  geführt.  Indem  ich  von  dieser  Grundlage  aus  den 
Bau  der  beiden  constituirenden  Blätter  einem  genauem  Studium  unterwarf,  bin  ich  dagegen  zu  einer 
wesentlich  abweichenden  Auffassung  der  Beschaffenheit  und  der  Leistungen  der  Gewebe  gelangt. 

Das  Entoderm. 

Die  Hohlräume  des  Hydrakörpers  —  die  Leibeshöhle,  an  welcher  man  gewöhnlich 
die  Stielhöhle  und  den  sogenannten  Magen  unterscheidet,  und  die  mit  dem  letztern  com- 
municirenden  Canäle  der  Tentakeln  —  sind  überall  mit  einem  einschichtigen  Epithel  aus- 
gekleidet. Dies  besteht  aus  fest  an  einander  haftenden,  kernhaltigen,  membranlosen  Zellen, 
welche  in  den  verschiedenen  Regionen  des  Körpers  in  Bau  und  Function  einige  nicht  unbedeu- 
tende Unterschiede  darbieten.  Ihre  Form  wechselt  natürlich  je  nach  dem  Zustande  des  über- 
all leicht  beweglichen  Körpers.  Befindet  sich  das  Thier  ausgedehnt  in  Ruhe,  so  bildet  das 
Entoderm  des  freien  Endes  der  Tentakeln  eine  gleichmässige  dünne  Schicht,  in  welcher  oft 
weder  die  Zellgrenzen  noch  die  Kerne  wahrnehmbar  sind;  gegen  das  angeheftete  Ende  zu 
lassen  sich  die  einzelnen  Zellen  immer  deutlich  erkennen,  da  sie  sich  nur  im  Umfange  der 
breiten  Basis,  mit  welcher  sie  der  Muskellamelle  aufsitzen,  berühren,  während  ihre  freie  Fläche 
halbkuglig  in  die  Höhle  hineinragt:  der  Canal  erscheint  dadurch  im  optischen  Längsschnitt 
regelmässig  eingeschnürt  und  im  Querschnitt  sternförmig.  Die  Auskleidung  des  oralen  Theils 
der  Leibeshöhle  wird  dagegen  von  dicht  gedrängt  stehenden,  piismatischen  Zellen  gebildet, 
deren  Höhe  immer  und  zuweilen  bis  auf  das  sechsfache  grösser  ist,  als  ihi-  Durchmesser 
(Taf.  I.  Fig.  3).  Im  Fuss  sind  die  Zellen  wieder  niedriger  und  breiter,  ähnlich  denen  der 
Basis  der  Tentakeln  (Taf.  I.  Fig.  1 .)  Diese  beiden  Regionen  gehen  entweder  allmählich  in 
einander  über,  so  stets  bei"  H.  viridis,  oder  die  Form  der  Zellen  ändert  sich  ganz  plötzlich,  wie 
bei  wohlgenährten  Exemplaren  von  H,  aurantiaca  und  grisea  und  dadurch  erscheint  auch 
äusserUch  eine  sehr  scharfe  Abgrenzung  von  Fuss  und  Magen. 

Von  den  Zellen  des  Entoderms  sind  nun  die  des  basalen  Theils  der  Tentakeln  und  die 
der  Fusshöhle  constant  Plasmaschläuche,  welche  einen  grossen,  mit  wässriger  Flüssigkeit  gefüllten 
Hohlraum,  eine  Vacuole,  einschliessen.  Die  Dicke  des  hellen,  fein  und  leicht  graimlirten 
Plasmas  ist  nicht  überall  gleich:  an  der  der  Muskellamelle  angedrückten  Basis  sowie  an  den 
u.  Seiten  ist  die  Schlauchwendung  meist  sehr  dünn,  an  der  freien  Kuppe  dagegen  hat  sie  regel- 
mässig eine  beträchtlichere  ^lächtigkeit  und  springt  oft  nach  innen  gewölbt  in  den  Vacuolen- 
raum  ein.  Ausserdem  wird  die  Innenfläche  des  Schlauchs  vielfach  durch  verschiedene  in  seine 
Masse  eingelagerte  feste  Köiper  vorgetrieben  und  uneben  gemacht.     Der  kuglige  oder  ellipsoi- 


dische  Kern,  der  niemals  im  basalen  oder  freien  Theil,  sondern  stets  in  der  Seitenwand  der 
Zelle  eingebettet  ist,  übertrifft  die  Dicke  des  Schlauchs  um  das  mehrfache,  und  da  er  nie  in 
unmittelbare  Berührung  mit  der  Vacuolenflüssigkeit  steht,  sondern  stets  mit  einer,  wenn  auch 
oft  ausserordentlich  dünnen,  Plasmaschicht  überzogen  ist,  so  liegt  er  wie  in  einer  Einstülpung 
des  Hohlkörpers.  Dazu  kommen  bei  H.  viridis  die  überall  im  Entoderm  verbreiteten  Farb- 
körner-Kügelchen  von  ca.  0,007  ""^  Durchmesser.  Sie  bestehen  aus  einer  dichten  sehr  eiweiss- 
reichen  Grundmasse,  die  sich  mit  Jod  dunkelbraun,  mit  Karmin  oder  Anilin  tief  roth  färbt,  und 
einem  aufgelagerten,  unmessbar  dünnen  Ueberzug  eines  grünen  Farbstoffs,  welcher  seinem 
chemischen  und  optischen  Verhalten  nach  mit  dem  Chlorophyll  identisch  ist  oder  ihm  wenigstens 
doch  sehr  nahe  steht.  Diese  Kügelchen  entsprechen  also  in  Bezug  anf  ihre  Zusammensetzung 
genau  dem  Chlorophyllkörper  der  Pflanzenzellen.  Bei  einem  Theil  derselben  ist  die  Oberfläche 
ganz  glatt,  andere  erhalten  durch  Furchen  und  Risse  ein  segmentirtes  Aussehen.  An  diese 
schliessen  sich  kleinere  theilweise  im  Zerfall  begriffene  Körperchen,  welche  eckige  Formen  und 
anstatt  dei-  reingrünen  eine  schmutzige  dunklere  Färbung  haben  und  allmählich  in  ganz  kleine, 
häufig  zu  Haufen  zusammengeballte,  dunkelbraune  bis  schwarze  Körnchen  übergehen.  Die 
Menge  aller  dieser  Körper  wechselt  erheblich  je  nach  den  Ernährungsverhältnissen  des  Thiers. 
Die  grünen  finden  sich  vorherrschend  in  den  Seitentheilen  der  Zellen  und  nur,  wenn  sie  besonders 
zahlreich  sind,  in  dem  basalen  Theil ;  sie  sitzen  dem  Zellschlauch  zuweilen  wie  angeklebt  an,  scheinen 
aber  doch  immer  einen  ganz  dünnen  Plasmaüberzug  zu  haben.  Das  freie  Ende  der  Zellen  enthält 
niemals  Chlorophyllkörner,  dagegen  sind  hier  die  braunen  und  schwarzen  Körnchen  angehäuft. 

Bei  H.  aurantiaca  und  grisea  fehlen  im  Entoderm  der  Fuss-  und  Tentakelhöhlen  mit 
den  Chlorophyllkörnern  der  H.  viridis  vergleichbare  Formelemente,  es  finden  sich  nur  orange, 
biaune  und  schwärzliche  rundliche  oder  eckige  Körperchen,  welche  alle  eine  bedeutende  Re- 
sistenz gegen  chemische  Agentien  zeigen.  Das  Epithel  der  Magenhöhle  enthält  aber  — 
wenigstens  bei  gut  genährten  Exemplaren  —  farblose  runde  oder  ovale  dichte  Eiweisskörper- 
chen,  welche  sich,  abgesehen  von  dem  Mangel  des  Chlorophylls,  ganz  wie  die  Farbkörner  der 
H.  viridis  verhalten  und  auch  dieselben  Uebergänge  zu  den  dunklen  Körnchen  darbieten. 

Ausser  diesen  Körpern  sind  den  Entodermzellen  aller  Arten  noch  feste  Fettstückchen  und 
Oeltropfen,  oft  in  sehr  bedeutenden  Massen,  eingelagert.  Die  letztern  sind  bei  H.  viridis  und 
grisea  ungefärbt  oder  gelblich,  bei  H.  aurantiaca  zum  Theil  lebhaft  orange  gefärbt. 

Alle  diese  Einschlüsse  liegen  im  Plasma.  Der  Innenraum  der  Zellen  ist  von  einer  ganz 
klaren  Flüssigkeit  erfüllt,  die  sich  gegen  alle  Reagentien  wie  fast  reines  Wasser  verhält.  Ich 
erwähnte  jedoch  schon,  dass  das  Vorkommen  dieses  centralen  Flüssigkeitsraums  nur  bei  den 
Zellen  des  basalen  Tentakelendes  und  denen  der  Fusshöhle  constant  ist.  Hier  wechselt  zwar 
die  Dicke  der  Plasmaschläuche,  die  bei  Thieren,  welche  in  der  Gefangenschaft  auf  schmale 
Kost  gesetzt  sind,  ausserordentlich  dünn  werden,  während  sie  bei  wohlgenährten  Exemplaren 
beträchtlich  zunehmen ;  aber  die  Vacuole  wird  niemals  ganz  ausgefüllt.  Die  Entodermzellen  der 
freien  Tentakelenden   sind   dagegen  häufig   zu   flachen  Plättchen  reducirt   und  jene   des  oralen 


Theils  der  Leibeshöhle  enthalten  nur  bei  schwachgenührlen  Thieren  eine  Vacuole;  sonst  siml 
sie  ganz  sohde  Plasraaprismen,  und  die  festen  EinschUisse.  welche  in  ihnen  immer  am  reich- 
lichsten vorhanden  sind,  liegen  gleichmässig  durch  ihre  ganze  Masse  vertheilt. 

In  allen  Theilen  der  Leibeshöhle  und  ihrer  Anhänge  tragen  einzelne  Entodermzellen 
eine,  selten  zwei,  sehr  zarte  Wimpern,  deren  Länge  bis  0,03  ""  beträgt.  Sie  sitzen  auf  den 
Spitzen  der  Zellen  (Taf.  I.  Fig.  61  und  bewegen  sich,  langsam  hin  und  heischlagend.  nach  Art 
der  Geissei  der  Flagellaten.  Am  unverletzten  Thier  konnte  ich  sie  nie  wahrnehmen,  man  be- 
merkt in  den  Tentakeln  der  beiden  durchsichtigen  Arten  nur  eine  Bewegung  der  in  der  Flüs- 
sigkeit, welche  den  Canal  erfüllt,  suspendirten  Körperchen,  die  auf  das  Vorhandensein  von 
Wimpern  schHessen  lässt,  auch  gelang  mir  nicht  diese  durch  Reagentien  deutlich  zu  machen 
und  zu  erhalten ;  aber  auf  feinen  Querschnitten  des  lebenden  Thiers  kann  man  sie  bei  ihien 
trägen  und  aussetzenden  Bewegungen  mit  -aller  Deutlichkeit  beobachten.  An  solchen  Präparaten 
schien  es  mir,  als  ob  die  Geissein,  nachdem  sie  eine  Zeit  lang  bestanden  haben,  allmählich 
wieder  eingezogen  werden,  während  sie  auf  benachbarten  Zellen  neu  entstehen.  Sie  wären 
demnach  keine  fixen  Gebilde,  und  dann  würde  sich  auch  ihr  Verschwinden  beim  Absterben 
des  Thiers  erklären./  Jedenfalls  ist  das  Entoderni  nicht  mit  einem  continuirlichen  Flimmerbesatz, 
sondern  mit  isolirten  Geisselzellen  (im  Sinne  Häckels'  versehen  —  ein  Factum,  das  in  Bezug 
auf  das  ausschliessliche  Vorkommen  dieser  Form  des  vibratilen  Gewebes  bei  den  Spongien 
nicht  ohne  Interesse  ist.  Leydig  hat  die  Geissein  bei  Hydra  zuerst  bemerkt.  Reichert  konnte 
sie  später  nicht  auffinden.  Nach  Leydig  soll  je  ein  äusserst  feines  Flimmerhärchen  auf  einem 
sehr  kleinen  blassen  Kügelchen  sitzen  und  diese  Gebilde  auf  gewisse  Gegenden  der  Leibes- 
und Armhöhlen  beschränkt  sein  ^  Ich  habe  mich  dagegen,  wie  gesagt,  überzeugt,  dass  die 
Geissein  aus  den  grossen  Entodermzellen  unmittelbar  hervorgehen,  und  dass  sie  in  allen  Regionen 
des  Körpers  vorkommen,  aber  nur  auf  einzelnen  Zellen. 

In  wesentlicher  Weise  weicht  die  Darstellung,  welche  ich  von  dem  Bau  dei'  Entoderm- 
zellen gegeben  habe,  von  der  Levdig's  ab.  Er  gibt  an.  diese  Zellen  besässen  dicke  Membranen, 
welche,  mit  einander  verschmolzen,  ein  elastisches  Fachwerk  herstellen,  in  dessen  Lücken  der 
wasserklare  contractile  Zelfinhalt  liegt.  In  der  Membran  selbst  eingeschlossen  befinden  sich 
die  dunklen  Körnerhaufen  sowie  die  farblosen  Eiweisskiigelchen  oder  die  grünen  Körner  dei- 
H.  viridis.  Ob  der  zu  jedem  Zellraum  gehörige  Kern  auch  in  die  Membran  eingeschaltet  oder 
ihr  nur  angeheftet  ist,  wiid  aus  der  Beschreibung  nicht  ganz  klar,  jedoch  scheint  das  erstere 
gemeint  zu  sein  K  Die  Angaben  hat  Gbeef  im  Wesentlichen  für  seine  Protohydra  bestätigt. 
Er  sagt,  dass  er  eine  die  Leibeshöhle  auskleidende  Epithelialschicht  nicht  finden  konnte,  sondern 
»ein  das  ganze  Parenchym  durchsetzendes  continuirliches  Zellnetz«  ^.     Die  Innenschicht   besteht 


1  1.   c.   p.    278. 

2  1.   c.    p.    279. 

^  Protohydra   Leukarti   Zeitschr.    f.   wiss.    Zool.      B.  XX..    p.   46.    u.    f. 


aus  rundlichen  liellen  kernhaltigen  Zellen.  Das  zvvischenliegende  Netzwerk  konnte  Greef  auf 
keine  Weise  in  einzelne  Zelleni)ezirke  zerlegen  und  nimmt  daher  ein  allseitiges  Verschmolzen- 
sein der  Fäden  desselben  an.  Er  meint,  in  diesem  Falle  wären  wir  nicht  genöthigt,  »die 
Wandungen  der  einzelnen  Felder  des  Netzes  als  integrirende  Theiie  der  Zellen  anzusehen, 
sondern  wir  haben  ein  zusammenhängendes  Fach  werk  vor  uns,  von  denen  jedes  Fach  resp. 
jeder  Hohlraum  eine  Zelle  einschliesst,  d.  h.   Protoplasma  mit  einem  Kern«  '. 

Mir  waren  die  Angaben  Leydig's  schon  deshalb  bedenklich,  weil  sie  ohne  alle  Analogie 
dastehen.  Denn  es  ist  bisher  noch  nirgends  beobachtet  worden,  dass  Zellmembranen,  abge- 
schiedene Plasmaproducte,  die  stets  der  eigentlichen  Vitalität  entbehren,  der  Sitz  jenes  Assi- 
milationsprozesses sein  sollten ,  der  sich  in  den  Umwandlungen  der  eiweissreichen  farblosen 
und  grünen  Körner  deutlich  genug  ausspricht  —  abgesehen  davon,  dass  weder  bei  thierischen 
noch  bei  pflanzlichen  Zellen  der  Kern  jemals  in  der  Membran  angetrotlen  wird.  Die  Unter- 
suchung zeigte  auch  bald,  dass  von  einem  zusammenhängenden  Fachwerke  gar  nicht  die  Rede 
sein  kann.  Schon  beim  lebenden  Thier,  noch  besser  aber  nach  kurzer  Einwirkung  der  Sal- 
petersäure von  0,5%,  welche  die  leichte  Ablösung  des  Ectoderms  ermöglicht,  das  Entoderm 
aber  eine  Zeit  lang  ganz  unverändert  lässt,  erkennt  man  mit  starken  Vergrösserungen  oft  sehr 
deutlich  inmitten  der  Scheidewand,  welche  zwei  an  einander  liegende  helle  Räume  trennt,  eine 
feine  Linie,  die  sich  als  der  Ausdruck  der  Berührungsfläche  zweier  verschiedenen  Zellen  ange- 
höriger  Schichten  betrachten  lässt  (Taf.  I.  Fig.  2) .  Ganz  klar  wird  das  Verhältniss  jedoch  erst,  wenn 
man  Macerationsmittel,  besonders  die  Essigsäure  von  0,25 — 0,05  %,  in  Anwendung  bringt.  Das 
Entoderm  zerfällt  dann  in  lauter  einzelne  Zellen,  zwischen  denen  Nichts  von  einem  Fachwerk 
übrig  bleibt,  und  alle  diese  Zellen  bestehen  aus  einer  dichten  durch  die  Säure  getrübten  Aussen- 
schicht  und  einem  hellen  Innenraum,  so  dass  kein  Zweifel  darüber  bestehen  kann,  dass  das 
Bild  des  Netzwerks  nur  durch  die  enge  Aneinanderlagerung  der  stärker  lichtbrechenden  Aussen- 
schichten  der  Zellen  hervorgerufen  wird.  Ebenso  bestimmt  muss  ich  gegen  die  Auffassung 
dieser  Schicht  als  Zellmembran  opponiren.  Sie  ist  im  Gegentheil  der  eigentliche  den  Kern 
umschliessende  Zellkörper.  Gegen  alle  Reagentien  verhält  sie  sich  wie  Plasma,  mit  Essigsäure 
behandelt  schrunipft  sie  und  trübt  sich,  starke  Salpeter-  und  Schwefelsäure  sowie  caustische 
Alkalien  lassen  sie  erst  quellen  und  lösen  sie  dann,  mit  Jod,  Karmin  und  Anilin  färbt  sie  sich 
lebhaft.  Endlich  entscheiden  die  amoeboiden  Bewegungen  isolirter  Stücke  für  ihre  plasmatische 
Natur.  Was  dagegen  die  helle  innere  Masse  der  Zellen  anbetrißt,  so  rufen  weder  Säuren  noch 
Alkalien  eine  Veränderung  ihrer  optischen  Beschaffenheit  hervor,  sie  fcirbt  sich  weder  mit  Jod, 
noch  mit  Karmin.  Unter  Einwirkung  von  Säuren,  Alkohol,  Zuckerlösung  u.  s.  w.  tritt  sie  je 
nach  dem  Concentrationsgrade  des  Zusatzes  schneller  oder  langsamer  exosmotisch  durch 
den  Plasraaschlauch,  und  dieser  fällt  faltig  zusammen.  Levdig  behauptet,  diese  innere  Sub- 
stanz   quelle    durch    Essigsäure,    die    Membran    reisse    in   Folge    dessen,    und    der   Inhalt    trete 


'  Protohydra  Leukarti,   Zeilschr.   f.   wiss.   Zool.    B.  XX.,   p.  48. 


heraus  '.  Es  ist  das  ein  Irrtlium.  Lässl  man  verdünnte  Essigsäure  langsam  hinzutreten,  so 
nehmen  die  Zellen  gleichmässig  und  alimalilich  au  Grösse  ab  und  man  kann  gar  nicht  auf  den 
Gedanken  kommen,  dass  dabei  durcJi  einen  Riss  in  der  Aussenschicht  die  Innenmasse  entleert 
werde,  sondern  man  hat  ein  ruhiges  exosmotisches  Ueberjströmen  vor  sich ;  wirkt  starke  Säuie 
dagegen  plötzlich,  dann  freilich  wird  die  Druckdill'erenz  auf  einmal  so  bedeutend,  dass  die 
Aussenschicht  reisst  und  ihren  Inhalt  ganz  austreten  lasst,  aber  man  sieht  auch  dann 
Nichts  von  einer  iiervorquellenden  Masse,  sondern  es  erfolgt  eine  augenblickliche  Vermischung 
der  austliessenden  Flüssigkeit  mit  dem  umgebenden  Wasser.  Aus  diesem  ganzen  Verhalten 
geht  hervor,  dass  die  Innenmasse  dei'  Entodermzellen  am  wenigsten  Plasma .  überhaupt  abei- 
keine  eiweisshaltige  Substanz,  sondern  nur  Wasser  oder  eine  ausserordentlich  dünne  Salzlösung 
sein  kann.  Levdig  hat  diese  Vacuolenflüssigkeit  für,  contractu,  Ja  füi-  das  einzige  contractile 
Element  des  Hydrakörpers  erklSit,  eine  Täuschung,  welche  besonders  auf  der  falschen  Auffassung 
der  beim  Zerreissen  des  lebenden  Thiers  isolirten  amoeboiden  Körpei',  in  denen  er  die  ausge- 
tretene Innenmasse  zu  erkennen  glaubt,  beruht. 

Die  Angaben  Levdig's  waren  schon  durch  Reichert  vielfach  berichtigt.  Reichert  erkannte 
die  Zusammensetzung  des  Entoderms  aus  Zellen  ohne  Zwischensubstanz  und  wies  nach,  dass 
die  netzförmige  Zeichnung  nicht  von  Zellmeml)ranen  herrührt.  Nach  ihm  bestehen  die  Ento- 
dermzellen aus  einer  Zelhuembran,  einer  eiweisshalligen  Mantelschicht  und  einer  centralen  Kern- 
masse. Die  ^lembran  soll  unmessbar  fein  und  leicht  zerstörbar  sein  -.  Ich  glaube ,  dass  sie 
mehr  ein  Product  von  Reichert's  Zellendogma  als  das  Resultat  von  Beobachtungen  ist,  ich 
wenigstens  habe  bei  den  verschiedenartigsten  Behandlungsweisen  nie  etwas  gesehen,  was  als 
Zellmembran  hätte  gedeutet  werden  können.  Die  Mantelschicht  ist  mit  dem  schlauchförmigen 
Zellkörper  identisch,  und  wenn  Reichert  angiebt,  dass  sie  in  den  Zellen  des  Magens  und  des 
Kopfstückes  schwierig  nachzuweisen  ist,  so  liegt  das  daran,  dass  hier  die  ganze  Zelle  aus 
»Mantelschicht«  besteht.  Von  seiner  Kernmasse  sagt  er:  »sie  fliesst  nach  Zerstörung  der  Zell- 
membran in  Tropfen  aus  unil  erhält  sich  in  Tiopfenform  im  Wasser,  in  Chromsäure,  in  schwacher 
Natronlösung,  in  Essigsäure,  Jodwasser,  es  sind  keine  Körperchen  darin  suspendirt.  Kein 
Reagens  für  eiweissartige  StolYe  bringt  eine  Veränderung  an  ihr  hervor;  durch  chemisch  reine 
Schwefelsäure  wird  sie  aufgelöst.  Es  lässt  sich  vorläufig  nur  aussagen,  dass  die  fragliche 
Substanz  kein  Eiweiss  ist  und  kein  Eiweiss  enthält"  '•'. 

Ich  möchte  hier  etwas  genauer  auf  die  Beschaffenheit  der  Gewebsbruchstücke  einsehen, 
welche  man  duich  Zerreissen  oder  Zerquetschen  einer  lebenden  Hydra  bekommt.  Sie  scheinen 
mir  von  Ecker's  Arbeit  an  viel  Verwirrung  angerichtet  zu  haben.  Zunächst  will  ich  bemerken, 
dass  man  nicht  sichei-  wissen  kann,  von  welchem  Blatt  des  Körpers  sie  abstanmien,  wenn  man 
die   Manipulation    nicht    unter    dem    Microscope   vornimmt;    denn    wenn    auch    häufig   die   Ein- 


'  1.  e.  p.  277. 
2  1.  c.  p.  26.5. 
^  ibid.    p.    266. 


8 

Schlüsse  die  Zugehörigkeit  unzweifelhaft  machen,  so  kommen  doch  eben  so  oft  Körper  vor, 
denen  dieselben  ganz  fehlen,  oder  wo  man  keine  Garantie  hat,  dass  sie  nicht  erst  nach  dem 
Freiwerden  aufgenommen  sind.  Abgesehen  von  den  andern  Verschiedenheiten  kann  man  zwei 
Formen  unterscheiden ,  von  denen  die  erste  aber  mit  der  Zeit  immer  in  die  zweite  übergeht : 
amoeboide  und  kuglige  Körper.  Die  erstem,  welche  durch  ihren  Formwechsel  characterisirt 
sind,  stammen  sowohl  vom  Ectoderm  als  auch  vom  Entoderm  her:  von  diesem  sind  sie  häu- 
figer. Sie  bestehen  aus  der  plasmatischen  Grundsubstanz,  die  neben  Färb-  und  Excretkörnchen 
oder  Nesselkapseln  immer  eine,  oft  aber  noch  mehrere  Vacuolen  einschliesst.  Die  Formver- 
änderungen, welche  sie  zeigen,  müssen  meiner  Meinung  nach  auf  zwei  verschiedene  Vorgänge 
zurückgeführt  werden.  Einmal  entstehen  solide  Plasmafortsätze ,  die  in  ihrer  Beschaffenheit 
und  in  der  Art  ihrer  Bildung  genau  mit  den  Pseudopodien  der  Amoeben  übereinstimmen.  Sie 
kommen  bei  Hydra  nicht  besonders  häufig  vor  und  sind  meist  kurz  und  dick,  während  nach 
Greef  bei  Protohydra  diese  Bildungen  praevaliren  und  lang  und  dünn  sind.  Andererseits 
werden  hyaline  Blasen  liruchsackartig  vorgetrieben.  Sie  entstehen  durch  Translocation  der 
Vacuolen,  die.  nui'  von  einer  dünnen  Plasmaschicht  überzogen,  über  die  Oberflächen  hinaus- 
geschoben werden.  Wenn  man  diese  Bildungen  des  äussern  Formwechsels  wegen  auch  Pseudo- 
podien nennen  will,  so  muss  man  doch  die  Verschiedenheit  des  Entstehungsmodus  anerkennen : 
die  wirklichen  Pseuilopodien  sind  der  unmittelbare  Ausdruck  activer  Bewegungen  des  Plasmas, 
die  rundlichen  Hervorwölbungen  bestehen  dagegen  aus  Flüssigkeitsansammlungen,  welche  durch 
den  wechselnden  Druck  ihrer  Umgebung  bald  vorgetrieben  werden ,  bald  wieder  unter  das 
Niveau  der  Oberfläche  zurücksinken.  Die  amoeboiden  Körper  sind  meist  aus  dem  Zusammen- 
hang gelöste  ganze  Zellen,  aber  ich  habe  mich  auch  überzeugt,  dass  selbst  kleine  Stückchen 
von  diesen  die  Fähigkeit  der  Formveränderung  für  einige  Zeit  beibehalten. 

Die  kugligen  Körper  bieten  grössere  Verschiedenheiten  in  ihrer  Beschaffenheit  dar.  Zum 
Theil  schliessen  sie  Körner  und  Nesselkapseln  ein,  zum  Theil  entbehren  sie  derselben.  Von 
den  letztern  l)estehen  einige  aus  einer  hellen  leicht  granulirten  Masse.  Sie  sind  durchweg 
gleichartig  und  immer  nur  von  einem  einzigen  Contoui-  umgeben.  Mit  Jod  und  Karmin  färben 
sie  sich,  in  Essigsäure,  Alkohol  und  Zuckerlösung  schrumpfen  sie  und  werden  dunkler.  Es 
sind  solide  Plasmakugeln.  Neben  ihnen  finden  sich  Plasmakugeln,  die  eine  häufig  excentrisch 
gelegene  Vacuole  einschliessen,  und  endlich  solche,  die  zuerst  kaum  von  den  soliden  Kugeln  zu 
unterscheiden .  sind.  Auf  der  Oberfläche  erscheinen  sie  gleichfalls  leicht  granulirt,  stellt  man 
aber  genau  auf  die  Mitte  ein,  so  sieht  man,  dass  sie  von  einem  äusserst  feinen,  aber  deutlich 
doppelten  Contour  begrenzt  sind,  welcher  eine  durchaus  klare  ungekörnte  Masse  einschliesst. 
Ihr  Entstehen  ist  leicht  zu  beobachten.  Unter  Druck  oder  nach  Zerrungen  bilden  sich  an  ein- 
zelnen Stellen  der  Gewebe  blasige  Auftreibungen  der  Zellen,  welche  zuerst  noch  dicke  Wan- 
dungen haben.  Allmählich  dringt  mehr  Flüssigkeit  vor  und,  indem  ihre  Wandung  mehr  und 
mehr  ausgedehnt  wird,  nimmt  die  Ausstülpung  Kugelform  an,  bis  sie  sich  zuletzt  von  der 
Masse,  aus  der  sie  entstand,  ganz  ablöst  und  frei  wird.     Denselben  Vorgang   beobachtet   man 


an  Thieren,  die  auf  dem  Objecttriiger,  ohne  einem  Druck  ausgesetzt  zu  sein,  absterben.  Hier 
löst  sich  langsam  dei-  ganze  Körper  in  Kugeln  auf,  deren  grösserer  Theil  aber  aus  ganzen 
Zellen  mit  deutlichem  Kern  besteht.  Das  Verhalten  der  doppelt  contourirten  Kugeln  gegen 
Reagentien  ist  von  dem  der  soliden  Plasmakugeln  ganz  verschieden.  In  Tinclionsmitteln  bleiben 
sie  unverändert  oder  erhalten  doch  nur  einen  sehr  leichten  Farbenton,  der  von  der  gefärbten 
dünnen  Hülle  herrührt,  während  die  ganze  Innenmasse  wasserhell  bleibt.  Nur  bei  längerem 
Verweilen  in  wässeriger  Jodlösung  nimmt  auch  die  Innenmasse  eine  gelbliche  Färbung  an,  was 
wol  auf  den  endosmotischen  Austausch  der  Flüssigkeiten  zu  beziehen  ist.  Durch  wasserent- 
ziehende Agentien  ziehen  sie  sich  rasch  sehr  stark  zusammen ,  wobei  die  Plasmaschicht  zu- 
sehends dicker  wird,  und  bei  plötzlichei'  Einwirkung  platzen  die  Kugeln  und  fallen,  indem  sich 
ihr  Inhalt  mit  der  umgebenden  Flüssigkeit  mischt,  wie  leere  Blasen  zusammen. 

Es  ergiebt  sich  hieraus,  dass  alle  die  kngligen  Körper,  die  man  aus  einer  lebenden 
Hydra  isoliit,  Plasmamassen  sind,  dass  aber  bei  den  zuletzt  beschriebenen,  durch  excessive 
Wasseransammlung  im  Innern,  das  Plasma  zu  einem  äusserst  dünnen  Häutchen  ausgedehnt  ist 
und  sie  in  Folge  dessen  leicht  als  Tropfen  einer  durchweg  gleichartigen  nicht  eiweisshaltigen 
Substanz  erscheinen  können.  Die  Behauptung  Reichert's,  dass  die  fragliche  Substanz  in  Schwefel- 
säure gelöst  werde,  ist  leicht  zu'  erklären.  Schwefelsäure  löst  das  Plasma,  die  soliden  Kugeln 
quellen  auf  und  schwinden  dann,  bei  den  Blasen,  die  aus  einer  so  dünnen  Plasmaschicht  be- 
stehen, wird  diese  plötzlich  zerstört  und  das  eingeschlossene  Wasser  mischt  sich  unmerklich 
mit  dem  umgebenden,  so  dass  es  wol  den  Anschein  haben  kann,  als  ob  das  ganze  Gebilde 
sich  aufgelöst  hätte. 

Reichert  behauptet,  dass  das  freie  Ende  der  Tentakeln  keine  innere  Zellenschicht  be- 
sässe,  und  er  scheint  hierauf  besonderes  Gewicht  zu  legen  '.  Jedoch  ist  dies  im  Allgemeinen 
nicht  richtig.  Bei  H.  viridis  ist  der  Tentakelcanal  immer  bis  zu  seinem  äussersten  Ende  von 
einer  Schicht  ausgekleidet,  welche  Chlorophylkörner  enthält.  Einzelne  Zellen  kann  man  frei- 
lich nicht  unterscheiden.  Bei  frischen  und  kräftigen  lebenden  Exemplaren  der  beiden  andern 
Arten  sieht  man  dagegen,  auch  während  des  Maximums  der  Extension,  die  deutlichen  flachen 
Entodermzellen  in  zusammenhängender  Lage  bis  an  das  Ende  der  Tentakeln  reichen.  Aller- 
dings kommen  aber  auch  Fälle  vor,  die  für  Reichert's  Angabe  sprechen.  Es  sind  dies  meist 
verhungerte,  lange  in  der  Gefangenschaft  gehaltene  Thiere.  Hier  werden  die  Entodermzellen, 
welche  an  der  Basis  der  Tentakeln  deutlich  sind,  gegen  das  Ende  zu  immer  flacher  und  gehen 
zuletzt  in  sehr  dünne  hyaline  Schicht  über.  Ich  will  nicht  entscheiden,  ob  lües  bloss  die 
Muskellamelle  und  das  Entoderm  völlig  geschwunden  ist,  oder  ob  doch  noch  eine  zarte  Lage 
desselben  die  Höhle  auskleidet  —  soviel  ist  aber  gewiss,  dass  diese  Fälle  als  Abnormitäten 
zu  betrachten  sind,  während  die  Regel  ist.  dass  Leibes-  und  Tentakelhöhlen  überall  eine 
Epithelschicht  besitzen. 


'  1.    c.    p.    24.5.    247. 

Kleinenberg,   Hydr.i. 


10 

Das  Ectoderiii. 

Gegenüber  der  einfachen  Zelllage  des  Entoderms  erscheint  das  äussere  Blatt  des 
Hydrakörpers  als  eine  coniplicirte  Bildung.  Nicht  allein,  dass  ein  Theii  seiner  Zellen  eine  sehr 
eigenthümliche  Dift'erenzirung  erlangt  hat  —  mit  Ausnahme  der  Fussscheibe  ist  es  überall  aus  zwei 
formell  und  functionell  ganz  verschiedenen  Geweben  zusammengesetzt,  die  sich  morphologisch  und 
genetisch  als  integrirende  Bestandtheile  eines  heteroplastischen  Organs,  des  Ectoderms  erweisen. 

Beim  lebenden  Thier  ist  das  Aussehen  der  KörperoberHäche  je  nach  den  Contractions- 
zuständen  sehr  verschieden.  Während  der  Erschlaffung  stellt  das  Ectoderm  eine  gleich- 
förmige zusammenhängende  Masse  dar,  in  welcher  die  grossen  und  kleinen  Nesselkapseln  ein- 
gebettet sind.  Von  Zellengrenzen  und  Kernen  kann  man  nur  an  der  Basis  der  Tentakeln 
zuweilen  einige,  nicht  sehr  bestimmte,  Andeutungen  sehen.  Bei  mittlerer  Contraction  entsteht 
dagegen  das  Bild  eines  epithelialen  Baues,  indem  die  Oberfläche  in  vieleckige  Feldei-  zerfällt, 
die  durch  starke  breite  Grenzlinien  abgetheilt  werden,  und  durch  die  Seitenansicht  überzeugt 
man  sich,  dass  jedes  dieser  Felder  einem  papillenartigen  Vorsprung  entspricht.  Schreitet  die 
Verkürzung  des  Körpers  fort,  so  verlieren  sich  die  breiten  Grenzlinien  wieder,  die  Felder 
werden  in  der  Richtung  des  Körperumfangs  zu  gestreckt  Hiombischen  oder  linsenförmigen 
Wülsten  zusammengedrückt,  und  indem  ihre  Oberfläche  sich  stärker  erhebt,  stellen  sie  schmale 
hohe  Falten  dar ,  die  einzeln  oder  zu  Gruppen  vereinigt  dem  Ectoderm  das  Ansehen  einer 
gefalteten  Membran  verleihen. 

Von  den  mannigfachen  Methoden,  die  ich  für  die  Untersuchung  des  Entoderms  an- 
wandte, sind  mir  zwei  von  besonderem  Werth  gewesen.  Einmal  die  Erhärtung  des  Thiers 
durch  ein-  bis  dreitägige  Einwirkung  der  Chromsäure  von  0,02o7o  zum  Zweck  der  Anfertigung 
von  Querschnitten  und  tiann  die  Maceration  in  0,23 — 0,05  procentiger  Essigsäure  (eine  viertel 
oder  eine  halbe  Stunde  lang).  Man  erhält  zwar  bei  diesem  Verfahren  die  Thiere  inuuer  im 
Contractionszustande ,  doch  ist  das  durchaus  kein  Uebelstand.  Die  Präparate  wurden  mit 
Fuchsin  gefärbt  und  in  verdünntem  Glycerin  aufbewahrt. 

Auf  dem  Querschnitt  (Taf.  I  Fig.  I  und  7)  findet  man  nach  aussen,  die  Oberfläche  bil- 
dend, eine  einfache  Lage  grosser  Zellen  mit  grossen  ellipsoidischen  Kernen  (Fig.  7  h),  dann 
unter  und  zwischen  diesen  eine  Menge  kleinerer  Zellen,  die  theils  je  eine  Nes.selkapsel ,  theils 
nur  einen  verhältnissmassig  beträchtlichen  Kern  enthalten  [ig)  und  endlich  dem  Entoderm  dicht 
anliegend  eine  schmale  helle  Zone  in  welcher  senkreclit  verlaufende  feine  Fäserchen  eingebettet 
sind  {ml) .  Die  vollständige  Erkcnntniss  der  Formverhältnisse  dieser  Zellen  ist  jedoch  erst  durch  die 
Isolation  derselben  möglich.  'Man  sieht,  dass  die  grossen  Zellen  meist  nur  mit  ihren  verbreiterten 
Grundflächen  sich  gegenseitig  berühren.  Von  dieser  Basis  aus  verjüngt  sich  der  Zellkörper 
bald  ziemlich  plötzlich,  bald  ganz  allmählich  und  geht  entweder  gleichmässig  sich  verschmälernd 
in  einen  derben  Fortsatz  aus  (Taf.  I  Fig.  1 0  (/)  oder  er  spaltet  sich  dichotomisch  und  löst  seine 
Masse  in  zwei  Fortsätze  auf,  die,  indem  sie  weitere  secundäre  und  tertiäre  Spaltungen  erleiden. 


11 

das  centrale  Ende  der  Zelle  mehrfach  verzweigt  erscheinen  lassen  (Taf.  1  Fig.  9;.  Die  Hohe, 
auf  welcher  die  Spaltung  beginnt,  ist  sehr  verschieden,  und  ebenso  wechselnd  ist  die  Form  der 
Fortsätze :  neben  massigen,  welche  in  ihrem  Verlauf  sich  zuspitzen  und  weiter  verzweigen,  ent- 
stehen sehr  dünne,  die  vom  Ausgangspunkt  an  in  ihrem  ganzen  Verlauf  dieselben  Dimensionen 
beibehalten.  Alle  diese  Fortsätze  verlaufen  divergirend,  bis  sie  das  Entoderra  erreicht  haben, 
dann  biegen  die  feinsten  derselben  scharf  im  rechten  Winkel  um ,  ohne  dass  an  der  Um- 
biegungsstelle  eine  Dimensionsveränderung  entsteht ;  die  andern  sowohl  als  auch  die  zugespitzten 
Enden  der  ungetheilten  Zellkörper  gehen  in  eine,  meist  aber  in  zwei  rechwinklig  gestellte  feine 
Fasern  aas,  die  immer  der  Längsaxe  des  Körpers  parallel  nach  oben  und  unten  verlaufen.  Auf 
diese  Weise  entsteht  eine  dem  Entoderm  anliegende  einfache  Lage  längsgerichteter  zarter 
Fasern.  Die  Länge  der  einzelnen  Faser  ist  schwer  zu  bestimmen ,  weil  die  Spaltbarkeit  des 
Gewebes  in  querer  Richtung  viel  grösser  ist,  als  in  der  Längsrichtung,  so  dass  beim  Zerzupfen 
die  longitudinalen  Fasern  gew'öhnlich  zerreissen ;  die  längste,  welche  ich  an  solchen  Präparaten 
gemessen  habe,  hatte  0.08""".  Dagegen  lassen  sich  aus  der  später  zu  beschreibenden  Eihulle 
diese  Zellen  des  Entoderms  sehr  leicht  isoliren  und  zeigen  Fortsätze  von  zuweilen  mehr  als 
0.2Ö  """  Länge   (Taf.  II  Fig.  U  . 

Alle  diese  Fasern,  welche  ich  Muskelfortsätze  nennen  will,  sind  nun  durch  reichliche 
Zwischensubstanz  zu  einer  zusammenhängenden  Haut,  der  Muskellamelle,  verbunden,  die  überall 
zwischen  Entoderm  und  Ectoderm  eingeschaltet  ist.  Das  Bindemittel  füllt  aber  nicht  bloss  die 
Räume  zwischen  den  Fasern  aus,  sondern,  gegen  das  Entoderm  an  Mächtigkeit  zunehmend, 
bildet  es  eine  zusammenhängende  dünne  Membran.  Durch  Maceration  und  Zerzupfen  gelingt  es 
zuweilen  diese  Membran  von  den  Muskelfortsätzen  abzulösen  und  für  sich  allein  darzustellen. 
Sie  ist  während  des  Lebens  otl'enbar  sehr  weich,  klar  und  farblos,  ohne  alle  körnigen  Ein- 
lagerungen ;  in  reinem  Wasser  scheint  sie  zu  quellen  und  schwindet  allmählich ,  Säuren 
von  massiger  Concentration  trüben  sie  und  geben  ihr  eine  feste  Consistenz,  in  concentrirter 
Schwefelsäure  und  kaustischen  Alkalien  quillt  sie  beträchtlich  und  löst  sich  dann,  Karmin  and 
Jod  färben  sie  gar  nicht ,  dagegen  erliält  sie  durch  Goldchlorid  einen  strohgelben  Ton. 

Am  lebenden  Thiere  erkennt  man  während  der  Contraction  deutlich,  dass  die  Zellkörper 
an  ihrer,  die  Oberfläche  bildenden  Basis  einen  verdichteten  Plasmasaum  besitzen,  der  sich 
ziemlich  scharf  gegen  die  hellere  und  weniger  consistente  innere  Masse  abgrenzt ;  an  den 
Seitenflächen  ist  er  nicht  vorhanden.  Der  Basalsaum  ist  keineswegs  als  gesonderte  Membran 
anzusehen,  und  ebensowenig  liegt  eine  Uebereinstimmung  mit  dem  Bau  der  Entodermzellen  vor, 
denn  diese  sind,  wie  ich  gezeigt  habe,  Plasmaschläuche  mit  wässrigem  Inhalt,  die  grossen 
Ectodermzellen  dagegen  solide  Plasmakörper,  wenn  gleich  an  der  erwähnten  Stelle  eine  be- 
trächtliche Differenz  des  Wassergehalts  sich  merklich  macht.  Der  Basalsaum  zeigt  während  des 
Lebens  eine  grobe  Körnelung,  welche,  wie  ich  glaube,  nicht  von  eingestreuten  heterogenen 
Körperchen,  sondern  von  kleinen  circumscripten  Condensationen  der  Substanz  herrührt.  Diese 
Erscheinung  schwindet  merkwürdiger  Weise  beim  Absterben  des  Thiers  fast  immer  vollständig. 


12 

nur  nach  Behandlung  mit  Goldchlorid  von  c.  0,25  7o  erhält  sie  sich  und  tritt  noch  schärfer 
hervor.  Das  übrige  Plasma  des  Zellkörpers  entbehrt  grösserer  körnigei-  Einschlüsse,  es  ist  hell 
und  ganz  fein  granulirt.  Das  Plasma  der  Muskelfortsätze  stimmt  in  seiner  Beschaffenheit  mit 
dem  des  Zellkörpers  überein,  nur  erscheint  es  besonders  an  Essigsäurepräparaten  um  ein 
Weniges  stärker  lichtbrechend.  Der  Kern,  welcher  immer  vorhanden  ist,  enthält  ein,  seltener 
zwei  Kernkörperchen ;  seine  Form  ist  gewöhnlich  ellipsoidisch  mit  c.  0,0i6  '"'"  grösstem  Durch- 
messer. Er  befindet  sich  nie  an  der  Basis  des  Zellkörpers  oder  in  einem  Fortsatz,  sondern 
liegt  mehr  in  der  Mitte,  meist  gerade  unter  der  ersten  Theilung. 

In  Folge  der  eigenthümlichen  Gestaltung  dieses  Gewebes  entsteht  zwischen  den  an 
einander  gefügten  Basen  der  Zellkörper  und  ihren  zu  einer  Membran  verbundenen  Muskelfort- 
sätzen ein  System  von  communicirenden  Lücken.  Diese  werden  ausgefüllt  von  einem  Gewebe, 
welches  ich  seiner  topographischen  Beziehung  zu  dem  andern  wegen  als  interstitielles  Gewebe 
des  Ectoderms  bezeichnen  werde.  Seine  Vertheilung  ist  aus  dem  Gesagten  klar.  Es  bildet 
keine  vollkommene  Schicht,  sondern  ein  Netzwerk,  dessen  Maschen  von  Theilen  des  andern 
Gewebes  eingenommen  werden.  An  der  Muskellamelle  zwischen  den  Theihmgen  ist  es  am 
reichlichsten,  oft  mehrfach  geschichtet,  in  die  Interstitien  der  Zellkörper  schieben  sich  nur 
wenige  vereinzelte  Zellen  hinein  (Taf.  I  Fig.  7) .  Diese  Zellen  sind  spindelförmig  oder  zu  kleinen 
Plättchen  ausgebreitet,  ihr  Plasma  ist  dicht  und  körnig  und  umgiebt  einen  relativ  grossen,  oft 
die  Hauptmasse  bildenden  Kern  (Taf.  I  Fig.  1 2  a.b).  Neben  diesem  entstehen  in  einzelnen 
Zellen  der  tiefern  Lagen  des  interstitiellen  Gewebes  jene  eigenthümlichen  Organe,  die  Nessel- 
kapseln. Es  bildet  sich  seitlich  vom  Kein  ein  zuerst  nicht  scharf  umschriebener  kugliger  heller 
Raum,  der  allmählich  die  definitive  Form  der  Nesselkapsel  anninnnt  und  einen  doppelten  Con- 
lour  erhält  (Taf.  I  Fig.  12/).  Dann  entsteht  im  Innern  desselben  der  spiralig  aufgewundene 
äusserst  zarte  Faden.  Die  Einzelheiten  des  Entwicklungsganges  sind  mir  unbekannt  geblieben, 
weil  die  Kleinheit  und  grosse  Vergänglichkeil  der  jungen  Kapseln  die  Untersuchung  ausser- 
ordentlich erschweren.  Einige  Zeit  nach  vollendeter  Ausbildung  der  Kapsel  schwindet,  wie 
mii-  scheint,  ganz  regelmässig  der  Kern  der  Bildungszelle,  diese  verliert  ihre  Spindelform,  ihren 
körnigen  Inhalt  und  umgiebt  als  kuglige  oder  eiförmige  Hülle  die  Kapsel.  Die  zur  Entladung 
reifen  Nesselkapseln  werden  von  ihrer  tiefern  Bildungsstätte  gegen  die  Oberfläche  vorgedrängt, 
wo  sie  zwischen  den  grossen  Zellkörpern  oder  auch  ganz  in  das  Plasma  derselben  eingebettet 
liegen.  Hier  findet  sich  an  vielen  derselben  ein  ziemlich  steifes  feines  und  spitziges  Härchen, 
welches  etwas  seitlich  vom  Eröffnungspol  aufsitzt.  Diese  Borste  ist  jedenfalls  kein  ausgetre- 
tenes Stück  des  Nesselfadens,  und  eben  so  wenig  gehört  sie  zu  den  grossen  Zellkörpern ;  ich 
möchte  sie,  ohne  jedoch  ganz  in's  Reine  gekommen  zu  sein,  für  einen  Fortsatz  der  plasma- 
tischen Hülle  der  Kapsel  halten.  In  Bezug  auf  den  Bau  der  fertigen  Nesselkapseln  habe  ich 
dem  Bekannten  nichts  Wesentliches  hinzuzufügen,  nur  fand  ich,  dass,  während  der  Faden  der 
grössern  birnförmigen  Kapseln  bis  auf  die  Haken"  am  untersten  Theil  ganz  glatt  ist,  jener  der 
kleinern  mit  zwei  gegenläufigen  Spiralen  ungemein  kurzer  und  feiner  Härchen  versehen  ist. 


13 

Der  Bau  der  Fusstläche  weicht  von  dem  eben  beschriebenen  des  iiljrigen  Korpers  be- 
sonders darin  ab,  dass  hier  das  interstitielle  Gewebe  und  dem  entsprechend  auch  die  Nessel- 
kapseln gänzlich  fehlen.  Die  grossen  Zellkörpei'  Taf.  I  Fig.  I  1  haben  eine  prismatische  oder 
keulenarlige  Gestalt  mit  kuppenförmigem  äusseren  Ende.  Sie  bleiben  immer  ungetheilt,  aber  ihi- 
stumpf  abgeschnittenes  inneres  Ende  läuft  seitlich  in  eine  kleine  Spitze  aus.  die  in  einen  ein- 
fachen Muskelfortsatz  übergeht.  Die  Zellkorper  haben  keinen  Basalsaum,  ihre  ganze  Masse  ist 
gleichartig  und  bedeutend  dichter  als  bei  denen  des  Körpers,  so  dass  die  Fussscheibe  innner 
am  dunkelsten  erscheint. 

Im  Ectoderm  der  Tentakeln  praevalirt  wieder  das  interstitielle  Gewebe.  An  der  Basis 
ist  es  zwischen  den  grossen  flachen  Zellkörpern  in  ähnlicher  Weise  wie  am  Körper  vertheilt, 
weiterhin  besteht  es  fast  nur  aus  Nesselkapselzellen  vorherrschend  mit  kleinen  Kapseln,  welche 
dicht  gedrängt,  unterhalb  der  grossen  Zellkörper  und  in  dem  Plasma  derselben  selbst  liegend, 
zugespitzte  Wulste  bilden,  die  spangenförmig  ein  bis  zwei  Drittheile  des  Umfangs  des  Tentakels 
umgreifen.  Diese  Nesselpolster  sind  bei  H.  viridis  am  schwächsten,  sehr  stark  bei  H.  gri.sea 
ausgebildet.  Sie  sind  ganz  fixe  Gebilde,  welche  bei  den  Bewegungen  ihre  Form  nur  wenig 
ändern.  Während  der  Extension  flachen  sie  sich  etwas  ab  und  werden  in  dei'  Längsrichtung 
breiter,  zugleich  aber  weichen  sie  von  einander,  so  dass  sie,  durch  weite  Zwischenräume  ge- 
trennt, ganz  vereinzelt  stehen;  verkürzt  sich  der  Tentakel,  so  erheben  sie  sich  wie  Falten  und 
rücken  bis  zur  gegenseitigen  Berührung  zusammen. 

Leydig  beschreibt  das  Ectoderm  der  Hydra  als  eine  einfache  Epithellage.  Die  cylin- 
drischen  oder  keulenförmigen  Zellen  der  Fussscheibe  sollen  gegen  das  orale  Ende  hin  an  Länge 
abnehmen  und  in  die  rundlichen  flachen  Zellen  des  Körpers  und  der  Arme  übergehen  '.  In 
diesen  Zellen  werden  auch  die  Nesselkapseln  erzeugt.  Wenn  er  also  auch  die  Zusammen- 
setzung des  Ectoderms  aus  zwei  verschiedenen  Geweben  nicht  erkannte,  so  scheint  mir  doch 
aus  seinen  Abbildungen  mit  Bestimmtheit  hervorzugehen,  dass  er  isolirte  Zellen  beider  Gewebe 
gesehen  hat.  Die  Figur  1 0  der  Tafel  (Fig.  8  des  Textes)  stellt  einen  grossen  Zellkörper  der 
Fussscheibe  dar,  welchem  freilich  jede  Andeutung  des  Muskelfortsatzes  fehlt ;  Fig.  9  (7)  zeigt 
dagegen  nicht  die  entsprechenden  Zellen  des  Körpers,  sondern  einige  Zellen  des  interstitiellen 
Gewebes.  Der  Irrthum  ist  leicht  erklärlich,  wenn  man  berücksichtigt,  dass  es  Levdfg  bei  seiner 
Untersuchung  doch  besonders  nur  darauf  ankam,  die  histiologische  Structur  des  Thiers  im 
Grossen  und  Ganzen,  ohne  Rücksicht  auf  Einzelheiten  und  Eigenthünilichkeilen,  aufzuklären, 
und  dass  er  zu  diesem  Zweck  seine  Reagentien  und  besonders  die  Essigsäure  in  starken 
Lösungen  angewandt  hat,  wie  das  damals,  als  man  den  grossen  Werth  der  hohen  Verdauungen 
noch  wenig  anerkannt  hatte,  allgemein  gebräuchlich  war.  Dann  erhält  man  zwar  ein  gutes 
Bild  des  zelligen  Baus  der  Fussscheibe,  aber  am  übrigen  Körper  werden  die  natürlichen  Ver- 
hältnisse bis  zur  Unkenntlichkeit  verändert.     Nicht  nur,  dass  durch  die  eintretende  starke  Con- 

•   1.  c.  p.  272. 


14 

traction  die  grossen  Zellkörper  sehr  zusammen  gepresst  werden,  bei  ihrem  bedeutenden  Wasser- 
gehalte schrumpfen  sie  auch  durch  den  Einfluss  der  Säure  und  werden  von  den  Zellen 
des  interstitiellen  Gewebes,  die  wegen  ihres  festen  Plasmas  consistenter  und  formbeständiger 
sind,  zerdrückt  und  verdeckt.  Zerzupft  man  das  so  misshandelte  Gewebe,  so  isolirt  man  als 
deutlich  zellige  Elemente  freilich  nur  die  grossen  Zellkörper  der  Fussscheibe,  deren  Muskel- 
fortsatz abgerissen  ist,  und  Zellen  des  interstitiellen  Gewebes  und  kann  zu  der  Meinung  kommen, 
dass  ausser  den  letztern  gar  keine  andern  Zellen  im  Ectoderm  des  Körpers  vorhanden  wären. 
Die  Schwierigkeit,  dies  Resultat  der  Praeparation  mit  dem  Ansehen  des  Ectoderms  am  lebenden 
Thiere  in  Einklang  zu  bringen ,  wäre  einem  so  ausgezeichneten  Beobachter  wie  Leydig  wol 
auch  aufgefallen,  wenn  er  nicht  noch  eine  andere  irrige  Vorstellung  vom  Bau  des  Ectoderms 
gehabt  hätte.  Er  glaubte  nämlich,  eine  das  Ectoderm  überziehende  homogene  Cuticula  wahr- 
genommen zu  haben.  »Es  geht  am  lebenden  Thier  eine  scharfe  Contour  über  die  Zellen  als 
Grenzlinie  weg,  die  bei  der  Contraction  der  Arme  oder  noch  merklicher  am  Fusse  an  Dicke 
gewinnt  und  bei  dem  zuletzt  genannten  Körpertheil  in  starke  Querfalten  sich  legt  und  dann 
etwa  0,0012  """  im  Durchmesser  hat.  Auf  der  Fusscheibe  scheint  sie  zu  mangeln«'.  Ich  habe 
mich  bestinmit  überzeugt,  dass  solch  eine  Cuticula  nicht  vorhanden  ist,  und  glaube  in  der  An- 
nahme nicht  zu  irren,  dass  Leydig  die 'Basalsäume  der  grossen  Zellkörper  für  ein  besonderes 
structurloses  Oberhäutchen  und  dem  entsprechend  die  Vorwölbung  derselben  bei  der  Contraction 
für  Faltenbildungen  gehalten  hat.  Die  Muskellamelle  hat  Leydig  wol  gesehen,  er  sagt  aber 
nur :  »Unterhalb  der  Zellenlage  der  Haut  folgt  abermals  eine  scharfe  Linie,  die  auf  eine  homo- 
gene Membran  bezogen  werden  kann,  und  die  an  der  Fussscheibe  am  dicksten  ist«  2. 

Der  Entdecker  der  Muskulatur  der  Hydren  ist  Kölliker.  Seine  Mittheilung  ist  jedoch 
aphoristisch  und  sollte  durch  eine  ausführlichere  Darstellung  vervollständigt  werden,  die  aber 
bis  jetzt  nicht  erschienen  ist.  Er  giebt  an,  die  Muskelfasern  »finden  sich  in  allen  Theilen  des 
Körpers,  sind  0,043  ""  lange,  feine,  der  Länge  nach  verlaufende  Fäserchen,  die  zwischen 
beiden  Epithellagen  des  Leibes  ihren  Sitz  haben.  Ich  glaube  ausserdem  gefunden  zu  haben, 
ohne  jedoch  für  einmal  mit  voller  Bestimmtheit  mich  aussprechen  zu  können,  dass  jede  Faser 
oder  Fibrille  einzeln  für  sich  im  Innern  eines  schmalen  Basalfortsatzes  der  Zellen  des  Ento- 
derms  sich  entwickelt.  Diesem  zufolge  besitzt  auch  Hydra  für  die  stärkeren  Bewegungen  be- 
sondere Elemente,  inunerhin  wäre  es  leicht  möglich,  dass  auch  die  Zellen  der  beiden  Epithel- 
lagen, vor  allem  die  der  äussern  Schicht,  im  Stande  wären,  langsam  ihre  Form  zu  verändern, 
wie  dies  schon  Wright  angedeutet  hat«  ^.  Auf  der  Tafel  XVII  Fig.  3  desselben  Werks  ist  auch 
der  Querschnitt  eines  in  Chromsäure  gehärteten  Thiers  abgebildet,  auf  dem  man  die  in  einer 
schmalen  lichten  Zone  eingebetteten  kreisförmigen  Durchschnitte  dieser  muskulösen  Elemente 
deutlich  erkennt.     Kölliker  hat  ihnen  aber  den  Character  selbständiger  Zellen  beigelegt,  denn 


1  1.   c.   p.    275. 

2  1.   c.   p.    276. 

•''  Icones  histiologicae.    11.  Abtheilung,   p.  105,  106.    1865. 


15 

er  sagt  an  einer  andern  Stelle,  bei  allen  Hydroidpolypen  läge  zwischen  dem  Innern  die 
verdauende  Höhle  begrenzenden  und  dem  äussern  die  Oberfläche  bekleidenden  Epithel,  wie  es 
scheint,  ohne  Ausnahme  eine  Lage  von  Muskelzellen,  die  überall  zuerst  eine  longitudinale  ist'. 
Ich  habe  mich  dagegen  überzeugt,  dass  die  contractilen  Elemente  von  Hydra  nicht  besondere 
Zellen,  sondern  eigenthümlich  angeordnete  und  mit  einander  verbundene  Zellfortsätze  sind  und 
als  solche  stets  in  Zusammenhang  mit  den  grossen  Zellkörpern  des  Ectoderms  bleiben. 

Trotz  des  fundamentalen  Gegensatzes  der  EcKEn'schen  Anschauung  über  den  Bau  des 
Hydrakörpers  zu  der  meinigen,  trotz  der  wesentlich  abweichenden  Auffassung,  zu  welcher  ich 
durch  meine  Untersuchungen  gegenüber  Leydig  gekommen  bin,  sind  mir  die  betreffenden  Ar- 
beiten doch  verständlich  und  der  Würdigung  zugänglich  gewesen.  Ich  habe  die  Sicherheit 
gewonnen,  dass  unsere  Meinungsdifferenzen  allein  auf  Verschiedenheiten  der  Untersuchungs- 
methoden, welche,  wie  ich  behaupten  darf,  bei- beiden,  besonders  bei  Ecker,  unzugänglicher 
und  unvollkommner  waren  als  die  meinigen,  zurückzuführen  sind.  Anders  steht  es  mit 
Reichert's  Arbeit.  Er  hat  die  Ergebnisse  der  Vorarbeiten  genau  gekannt,  er  hat  die  meisten 
der  technischen  Hülfsmittel  gebraucht,  welche  auch  ich  benutzt  habe,  und  kommt  doch  zu  Re- 
sultaten, die  sich  mit  den  meinigen  auf  keine  Weise  vereinigen  lassen.  Und  zwar  sind  es 
nicht  bloss  seine  Deutungen  und  Folgerungen,  welche  die  Unvereinbarkeit  begründen,  sondern 
es  ist  die  Darstellung  des  objectiven  Thatbestandes. 

Reichert  beginnt  mit  der  Beschreibung  der  contractilen  Schicht  (Ectoderm)  der  Ten- 
takeln im  ausgedehnten  Zustande  und,  da  er  die  Masse,  in  welcher  die  Nesselkapseln  einge- 
bettet sind,  durchsichtig  und  ohne  Contouren  von  Zellen  oder  Zellkernen  findet,  schliesst  er 
schon  ohne  Weiteres:  »die  contractile  Schicht  darf  also  nicht  als  Epithel  aufgefasst  und  dar- 
gestellt werden«  ^.  Es  dürfte  Reichert  ,  der  sich  lange  genug  mit  der  Histiologie  abgegeben 
hat,  doch  unzweifelhaft  bekannt  sein,  dass  die  Differenz  der  Brechungsexponenten  verschiedener 
Gewebstheile,  besonders  zwischen  Kernsubstanz  und  Plasma  ausserordentlich  oft  zu  gering  ist, 
um  durch  unsere  Microscope  wahrgenommen  zu  werden.  Im  Gegensatz  zu  der  ganzen  heu- 
ligen Wissenschaft  den  Grundsatz  aufstellen:  was  man  am  frischen  Theil  nicht  sieht,  ist  über- 
haupt nicht  da,  heisse  die '  Gewebelehre  um  mehr  als  ein  Jahrhundert  zurückversetzen. 

Bei  massiger  Contraction  verändert  sich  das  microscopische  Bild,  die  contractile  Schicht 
verdickt  sich  und  die  äussere  Begrenzungslinie  wird  wellig;  »dasselbe  findet  aber  auch  an  der 
Berührungsfläche  mit  der  Stützmembran  statt  und  bewirkt,  dass  die  zwischen  Stützmembran 
und  contractiler  Schicht  im  optischen  Querschnitt  sichtbare  Linie  körnig  ersc4ieint«  ■'.  Das 
letztere  verstehe  ich  nicht,  ich  weiss  weder,  was  für  ein  Bild  gemeint  ist,  noch  wie  durch  die 
Verdickung  und  wellige  Begrenzungslinien  körnige  Linien  hervorgebracht  werden  sollen.  Die 
Substanz  erscheint  jetzt  auch  auf  der  Flächenansicht  granulirt:    »Dieses  körnige  Ansehen   kann 


'  Icones  histioloiiicae.    II.  Ablheikins;.   p.  88. 

2  .üeber  die  contractile  Substanz  a.   d.  W.    p.  247. 

'  ibid.   p.    2i7. 


16 

demnach  nur  als  optischt^r  Ausdi-uck  kleiner,  durcli  die  Contraction  herbeigetüliiter  papillen- 
arliger  Erhebungen  angeselien  werden«  '  —  wirküche  Körnchen  sollen  nur  hin  und  wieder  in 
der  Gegend  der  Fussscheihe  vorkommen.  Die  betreffenden  papillenartigen  Erhebungen  müssen 
aber  sehr  wandelbarer  Natur  sein,  da  sie  nur  in  der  Flächenansicht  erscheinen,  während  bei 
der  Seitenansicht,  in  welcher  Hervorragungen  an  der  Oberfläche  doch  deutlicher  hervorzutreten 
pflegen,  keine  Spur  von  solchen  auCzufinden  ist. 

Das  Ectoderni  des  Fusses  und  der  Fussscheibe  soll  im  ausgedehnten  Zustande  auch 
durchaus  homogen  sein.  Reichert  giebt  jedoch  zu,  dass  man  dann  doch  zuweilen  polyedrische 
Felder  sieht,  die  nicht  auf  die  Grenzen  der  Entodermzellen  bezogen  werden  können.  Seine 
Erklärung  dieses  Bildes  ist  originell :  "Die  befestigten  Endflächen  der  Zellen  liefern  ein  sehr 
regelmässiges,  einem  Plattenepithel  ähnliches  Bild.  Gleichzeitig  oder  auch  nur  bei  geringer 
Senkung  des  Focus  werden  die  Begrenzungslinien  der  Prismen  untei-  einander  sichtbar  und 
combiniren  sich  zu  einer  gemeinhin  weniger  regelmässigen  netzförmigen  Zeichnung  mit  mehr 
in  die  Länge  gezogenen  Maschen«  -.  Da  an  den  Basalflächen  der  Entodermzellen  doch  nur 
durch  die  Brechungsdifferenz  ihrer  Beriihrungslinien  die  netzförmige  Zeichnung  hervorgerufen 
wird  und  diese  sich  in  den  Seitenflächen  bis  an  das  freie  Ende  continuirlich  fortsetzt,  kann 
natürlich  von,  denselben  Zellen  angehörigen,  getrennten,  über  einander  liegenden  Bildern  gar 
keine  Rede  sein. 

Die  während  der  Contraction  am  Körper  erscheinende  Zeichnung  des  Ectoderms  ist  auch 
nach  Reichert  einem  Epithel  so  ähnlich,  dass  »man  nur  mit  Mühe  von  dem  Gedanken  sich  los- 
machen kann,  dass  ein  wirkliches  Epithel  vorliege«^,  kann  aber  doch  wegen  der  Beschaffen- 
heit der  Schicht  bei  der  Ausdehnung  nicht  ein  solches  sein  und  rauss  auf  Contractionsformen 
der  zusammenhängenden  Substanz,  namentlich  auf  die  »papilläre  Contractionsform«,  bei  welcher 
abgegrenzte  rundliche  Erhebungen  entstehen,  bezogen  werden.  Da  die  erwähnte  Zeichnung  an 
der  Fussscheibe  immer  vorhanden  ist,  so  schliesst  Reichert  ganz  consequent,  dass  dieser  Theil 
sich  unausgesetzt  im  contrahirten  Zustande  befindet. 

Nun  nimmt  Reichert  auch  Reagentien,  besonders  Chromsäure  und  Essigsäure,  zu  Hülfe 
und  findet:  »Unter  Umständen,  namenthch,  wenn  die  contractile  Substanz  bei  Erhärtung  sich 
in  papillenaitigem  Contractionszustande  befand,  erscheinen  viele  polyedrische  Stücke  von  nahezu 
gleicher  Grösse,  die  sich  bei  flüchtiger  Beobachtung  wie  Epithelplättchen  ausnehmen,  wobei  die 
Nesselorgane  odei'  die  Lücken,  worin  letztere  gesessen  haben,  als  Kerne  gedeutet  werden. 
Wer  die  Eigenschaften  der  contractilen  Schicht  im  lebenden  Zustande  kennt  und  den  Gang  der 
Zerstückelung  genau  verfolgt  hat,  kann  in  einen  solchen  Irrthum  nicht  verfallen«  *.  Ueber  den 
Gang  der  Zerstückelung  wird  weiter  nichts  als  die  sehr  einfache  Thatsache  gemeldet,  dass  das 


^  Ueber  die  contractile  Substanz  a.   d.   W. 
2  ibid.    p.    2.50. 
ä  ibid.    p.    2.36. 
*   ibid.    p.    2.57. 


17  , 

mit  Säuren  behandelte  Gewebe  bei  Anwendung  von  Druck  zuerst  in  grössere  Parthieen,  dann 
in  die  polyedrisclien  Plättchen  und  unter  stärkerer  Pressung  schliesslich  in  körnerartige  Stückchen 
zerfällt.  Wie  dies  gegen  den  zelligen  Bau  des  Ectoderms  entscheiden  soll ,  ist  mir  nicht  zu- 
gänglich. Aber  die  Kerne  fehlen.  Was  Leydig  und  Andere  für  Kerne  hielten,  sind  Nesselkapseln 
oder  die  Lücken,  die  nach  dem  Herausfallen  derselben  nachbleiben.  Nein  —  Reichert  weiss 
auch  noch  eine  dritte  Quelle  des  Irrthums  aufzuschliessen :  es  können  auch  Nesselkapseln  sein, 
bei  denen  der  Faden  noch  nicht  entwickelt  ist  '.  Wirkliche  Kerne  sollen  in  Ectoderm  nie 
vorkommen.  Bei  der  Contraction  dienen,  sagt  Reichert,  die  Nesselorgane  als  Centra,  um  welche 
sich  die  contractile  Masse  ansammelt,  die  spangenförmigen  Wülste  der  Tentakeln  entstehen, 
indem  Gruppen  von  Nesselorganen  die  Substanz  aus  ihrer  Umgebung  anziehen,  während  am 
Körper  und  Fuss  einzelne  Kapseln  diese  Rolle  übernehmen,  so  dass  die  Masse  des  Ectoderms 
in  stumpfe  Kegel  sich  gruppirt ,  deren  jeder  »mit  seiner  breiten  Basis  der  Stützmembran  an- 
liegt und  an  der  abgerundeten  freien  Spitze  das  Nesselorgan  trägt«  l  Durch  diese  eigenthüm- 
liche  Erscheinung  ist  die  irrige  Ansicht  vom  zelligen  Bau  des  Ectoderms  veranlasst  worden. 
Gleich  darauf  führt  Reichert  wieder  aus,  wie  das  beschriebene  Verhalten  der  Nesselorgane  nur 
eine  von  den  Formen  sei,  unter  welchen  sich  die  Thätigkeit  der  contractilen  Substanz  zu  er- 
kennen gebe,  und  vielleicht  auch  etwas  ganz  Zufälliges  sein  könne,  weil  an  der  Fussscheibe  die 
Nesselorgane  gänzlich  fehlen,  trotzdem  aber  sein  papillenartiger  Contractionszustand  hier  immer 
vorhanden  ist  - —  ich  möchte  hinzufügen,  abgesehen  davon,  dass  nicht  die  Spur  eines  Grundes 
vorliegt,  den  Nesselkapseln  eine  anziehende  Kraft  auf  das  Plasma  zu  vindiciren,  dass  stets  nur 
sehr  vereinzelte  Papillen  auf  ihrer  Spitze  eine  Nesselkapsel  tragen,  der  Regel  nach  diese  aber 
zwischen  den  Zellgrenzen  liegen.  Interessant  ist  die  Stelle,  weil  sie  einen  klaren  Einblick  in  den 
Mechanismus  REiCHERT'scher  Beweisführung  giebt.  Um  einen  Irrthum  Leydig's  wahrscheinlich 
zu  machen  und  die  Zellen  für  Contractionspapillen,  deren  Kerne  für  Nesselkapseln  erklären  zu 
können,  braucht  Reichert  durchaus  die  Behauptung,  dass  im  Entoderm  des  lebenden  Thiers 
kernhaltige  Zellen  wahrnehmbar  seien:  da  nun  Niemand  diese  Angabe  gemacht  hat,  fingirt 
Reichert  sie  einfach  und  widerlegt  dann  in  seiner  Weise,  trotzdem  er  wissen  musste,  dass 
Leydig  —  auf  den  es  doch  nur  ankommen  kann  —  ausdrücklich  hervorhebt,  wie  die  Kerne 
des  unverletzten  Ectoderms  nicht  sichtbar  sind  und  erst  nach  Einwirkung  der  Essigsäure  er- 
scheinen! Wie  steht  es  nun  mit  diesen  durch  Säure  deutlich  gemachten  Kernen,  die  sich  in 
so  grosser  Zahl  finden?  Dass  Reichert  sie  gesehen  hat,  unterliegt  um  so  weniger  einem  Zweifel, 
als  er  die  unverkennbarsten  Kerne  in  der  Fig.  1 3  der  Tafel  VII  selbst  gezeichnet  oder  von 
Herrn  Dünitz  hat  zeichnen  lassen.  Es  sollen  aber  doch  keine  Kerne  sein.  Er  hat  sich  ent- 
schlossen, auch  diese  Gebilde  für  Nesselkapseln  zu  erklären.  Die  Verwechselung  der  aus  chitin- 
artiger Substanz  bestehenden,  doppelt  contourirten,    einen  aufgerollten  Faden  einschliessenden, 


'   Ueber  die  contractile  Substanz,    p.  251. 
2  ibid.   p.    252. 

Kleinen berg,  Hydra. 


,  18 

birn-  oder  eiförmigen  Kapseln  mit  den  gianulirten  eiweisshaltigen  Kernen,  welche  ein  oder 
zwei  Kernkörperchen  enthalten,  ist  mit  einem  halbwegs  brauchbaren  Microscope  kaum  möghch, 
und  jeder,  der  die  Nesselkapseln  einmal  gesehen  hat,  wird  zugeben,  dass  die  als  solche  be- 
zeichneten Körper  der  Fig.  1 3  Taf.  VII ,  wenn  sie  nicht  ganz  falsch  gezeichnet  sind ,  keine 
Nesselkapseln  sein  können.  Ein  derartiges  Versehen  Leydig  zuzumuthen  ist  gewiss  etwas  stark. 
Das  hat  Reichert  denn  wohl  auch  selbst  gemerkt  und  sich  daher  noch  die  erwähnten  beiden 
andern  Auswege  eröffnet.  Die  Lücken,  welche  beim  Herausfallen  der  Nesselkapseln  nachbleiben 
(Taf.  I  Fig.  12  f.),  lassen  sich  als  solche  besonders,  wenn  man  die  Zelle  hin  und  her  bewegt, 
sehr  leicht  erkennen,  und  bei  dem  Mangel  jedes  Körpers,  der  ein  Kernkörpeichen  vortauschen 
könnte,  ist  nur  eine  absichtliche  Verwechslung  mit  Kernen  möglich.  Bleiben  noch  die  unent- 
wickelten Nesselkapseln.  Aber  ebenso  wenig  wie  in  der  ganzen  Schrift  der  leicht  erkennbare 
Bau  der  fertigen  Nesselkapseln  und  ihr  auffalliges  optisches  Verhalten  erwähnt  ist,  ebenso  wenig 
hat  Reichert  es  zweckmässig  gefunden,  .seine  Beobachtungen  über  die  Entwicklung  der  Nessel- 
kapseln mitzutheilen  oder  die  Dinge,  von  denen  er  als  von  Nesselkapseln,  bei  welchen  der 
Faden  noch  nicht  ausgebildet  ist,  spricht,  abzubilden  oder  sonst  irgendwie  kenntlich  zu 
machen.  Ich  bin  überzeugt,  dass  er  die  unentwickelten  Kapseln  gar  nicht  gekannt  hat,  er 
hätte  sonst  einsehen  müssen,  dass  sie  fast  noch  weniger  als  die  ausgebildeten  Aehnlichkeit  mit 
Kernen  haben.  Er  hat  wirkliche  Kerne,  ohne  sich  weiter  um  ihre  Genese  und  ihr  Verhältniss 
zu  den  Nesselkapseln  zu  kümmern,  einfach  als  Nesselorgane  mit  unentwickelten  Fäden  be- 
zeichnet und  damit  die  Verwirrung  vollendet,  die  nothwendig  war,  um  zu  dem  Resultat  zu 
gelangen ,  dass  das  Entoderm  der  Hydra  aus  einer  continuirlichen  Masse  contractiler  Sub- 
stanz besteht. 

Die  Muskelfortsätze  hat  Reichert  theilweise  gesehen  und  richtig  erkannt,  dass  sie  in 
Zusammenhang  mit  dem  Ectoderm  stehen.  An  Flächenansichten  von  Chromsäurepräpaiaten  und 
mit  Essigsäure  behandelten  Querschnitten  des  lebenden  Thiers  will  er  sich  jedoch  überzeugt 
haben,  dass  der  Verlauf  der  Fasern  ein  vorherrschend  radiärer,  von  der  Aussentläche  der  con- 
tractilen  Schicht  zu  seiner  Stutzlamelle,  ist.  Der  Character  einer  ^Muskulatur  dürfte  ihnen  nicht 
zuerkannt  werden,  und  weil  man  sie  am  lebenden  Thier  während  der  Ausdehnung  nicht  be- 
merken kann,  dürften  sie  auch  nicht  fixe  Bildungen  sein,  sondern  zeitweilig  an  der  Innen- 
fläche der  äussern  Schicht  auftretende  papilläre  (^ontractionsformen  oder  Pseudopodien.  Die 
Schicht,  welche  ich  als  .Muskellamelle  beschrieben  habe,  wird  füi'  eine  structurlose,  weiche  und 
elastische  »Stützmerabran«,  die  als  eine  Art  inneres  üSkelet«'  aufzufassen  ist,  erklärt.  Ich  ver- 
weise dem  gegenüber  auf  meine  Darstellung  und  auf  das  Object  selbst. 

Auf  das  neueste  Werk  der  REicHERT'schen  Aluse  einzugehen,  in  welchem  den  Bryozoen 

die  längst  bekannte  Muskulatur,  das  Nervensystem  und  das  Hautepithel  abgestritten  werden  — 

.auch  der  Körper  der  Bryozoen  soll  nur  im  Verlauf  des  Darmkanals  und  an  den  Tentakeln  aus 

einem  Epithel    bestehen,   während  alles   übrige   contractile  Substanz,   oder  wie  sie  jetzt  heisst, 


19 

»protozootische  Substanz«*  ist  —  dazu  liegt  wo!  keine  Veranlasssung  vor.  um  so  weniger, 
als  hier  mit  Thatsaciien  nicht  mehr  zu  streiten  ist  und  der  Angriff  sich  gegen  den  Autor 
richten  müsste. 

Wie  über  den  Bau  der  Hydra,  so  haben  sicli  auch  (Ue  Ansichten  über  die  physiolo- 
gischen Leistungen  der  Körpertheile  und  speciell  über  den  Sitz  der  activen  Bevveghchkeit  sehr 
verschieden  gestaltet.  Ecker,  der  das  Thier  für  eine  zusammenhängende  Sarcodemasse  hielt, 
nimmt  dem  entsprechend  die  (lontractilität  aller  Theile  an ,  jedoch  sollte  diese  Eigenschaft  in 
hölierm  Grade  der  grünen  Schicht  (dem  Entoderm  also  zukommen.  Er  schliesst  dies  aus  der 
Beobachtung,  dass  von  den  durch  Zerreissen  isolirten  Stuckchen  jene,  welche  grüne  Farbkörner 
enthalten,  die  lebhaftesten  amoeboiden  Bewegungen  zeigen  '.  Leydig  geht  weiter  und  bezeichnet 
entschieden  das  Entoderm  als  das  allein  contractile  Gewebe,  an  dessen  Bewegungen  das  Ecto- 
derm  nur  passiv  Theil  nimmt.  Von  dem  ersten  heisst  es  dann  weiter:  »Es  nehmen  diese  Zellen 
unsere  Aufmerksamkeit  desshalb  besonders  in  Anspruch,  weil  die  eigentlich  contractile  Substanz 
in  Form  eines  halbflüssigen  Zellinhaltes  auftritt.  .Mir  will  es  nämlich  vorkommen,  als  ob  die 
mit  einander  verschmolzenen  Zellenwände  letliglicli  elastisch  wäien,  der  wasserklare  Inhalt  aber 
die  allein  kontractionsfähige  Substanz  sei«  -.  In  seinem  Handbuch  der  Histologie  nennt  Leydig 
denn  auch  das  Entodermepithel  der  Hydra  ein  .Aluskelgewebe,  de.ssen  Zellen  in  der  Bla.senform 
verharren  '.  Dies  ist  schon  desshalb  incoi'i-ect,  weil  das  Entoderm  in  unzweifelhafter  Beziehung 
zur  Nahrungsaufnahme  steht,  indem  es  die  Resorption  vollzieht.  Ein  flimmerndes  Gewebe,  das 
Nahrungssäfte  und  Excrete  liefert,  kann  nicht  als  Muskel  bezeiclmet  werden,  selbst  wenn  die 
Formveränderungen  seiner  Zellen  ausschliesslich  die  Bewegungen  des  Körpers  bedingten.  Gewiss 
ist  Leydig  auch  darin  im  Irrthum.  dass  er  im  Inhalt  dei-  Entodermzellen  das  activ  bewegliche 
Element  sucht.  Welche  Erscheinungen  am  unverletzten  Thier  ihn  zu  dieser  Annahme  verleitet 
haben,  weiss  ich  nicht  —  mir  ist  im  Gegentheil  aufgefallen,  dass  bei  diesem  gar  keine  An- 
haltspunkte gegeben  sind,  die  Activität  der  einen  oder  der  andern  Schicht  zuzusprechen  — 
und  was  er  aus  den  Veränderungen  isolirter  Gewebstheile  schliesst ,  ist  nicht  haltbai'.  Die 
amoeboitlen  Körper  sind  nicht,  wie  Leydig  glaubt,  dei-  ausgetretene  Inhalt  der  Entodermzellen, 
»der  zufällig  allerlei  Anderes ,  was  beim  Zerreissen  des  Thieres  ebenfalls  frei  werden  kann, 
wie  die  gefärbten  Köinchen  und  selbst  Nesselorgane  einschliesst« ,  sondern  sie  sind,  wie  ich 
gezeigt  habe,  lo.sgerissene  Zellen  sowol  des  Entoderms  als  auch  des  Ectoderms,  oder  abgelöste 
Plasmastückchen,  die  Vacuolen  enthalten.  Die  contractile  Substanz  Leydig's  ist  Nichts  als  Wasser. 
Davon  abgesehen  ist  noch  zu  bemerken,  dass  die  amoeboiden  Bewegungen  jener  Körper  beim 
unverletzten  Thier  sicher  nicht  vorkommen,  also  wol  nur  durch  den  widernatürlichen  allseitigen 


*  »eine  liislologische  Substanz  ,   die  in  der  organologisclien  Pla.stilv  unter  versciiiedener  äusserer  Form  gleicii- 
sam  verarbeitet  sich  darstellt».    Vergleichende  anatomische  Untersuchungen  über  Zoobotryon  pelliiridus,  \i.  30*. 
'  Zeitschr.  f.  wiss.  Zoo).    B.  I,   p.  -234. 
-  Müllers  Archiv  1854.    p.  278. 
3  p.   »36. 


20 

Contact  mit  dem  Wasser  bewirkt  werden  —  sei  es,  dass  der  Reiz  des  Wassers  vitale  Re- 
actionen  hervorruft,  sei  es,  dass  die  Formveränderungen  Erscheinungen  des  Absterbens  sind,  ein 
Ausdruck  der  Zersetzungsvorgänge  im  Plasma  —  und  daher  auch  nicht  ohne  Weiteres  in  Be- 
ziehung zu  den  normalen  Bewegungen  des  Thiers  gebracht  werden  dürfen. 

Indem  Kolliker  die  Fasern,  welche  er  zwischen  Ectoderm  und  Entoderm  aufgefunden 
hatte,  als  muskulöse  Elemente  deutete,  entschied  er  die  Frage  in  einer  eben  so  sehr  von  der 
Auffassung  Ecker's  wie  von  jener  Ansicht,  die  Levdig  vertrat,  abweichenden  Weise:  wenn  er 
immerhin  auch  das  Zugeständniss  machte,  dass  die  Fasern  vielleicm  nur  die  stärkeren  Be- 
wegungen ausführten ,  w  ogegen  langsamere  Formveränderungen  des  Körpers  auch  durch  die 
Epithelien  des  Entoderms  und  besonders  des  Ectoderms  bewerkstelligt  werden  könnten,  bi- 
dessen  lässt  die  Darstellung  Kolliker's  etwaigen  Zweifeln  doch  zu  grossen  Sjiielraum.  Die 
Fasern,  welche  er  beschreibt,  zeigen  mit  unzweifelhaften  Muskelelementen  nicht  die  genügende 
Uebereinstimmung  der  Form  und  des  Baues,  um  einen  Analogieschluss  auf  ihre  Function  von 
vorn  herein  gerechtfertigt  erscheinen  zu  lassen.  Um  über  ihre  Natur  ins  Klare  zu  kommen, 
erscheint  der  Nachweis  ihrer  physiologischen  Leistung  nothwendig,  und  einen  solchen  hat 
Kolliker  nicht  geliefert.  Es  ist  daher  erklärlich,  wenn  Reichert  in  den  Fortsätzen  unter  keinen 
Umständen  bevorzugte  Bewegungsorgane  sehen  will,  wobei  er  sich  auf  seine  freilich  unrichtige 
Beobachtung  stützt,  dass  der  Verlauf  der  betreffenden  Fasern  vorherrschend  radiär  ist.  Sie 
sollen  nur  zur  Befestigung  der  äussern  Schicht  an  die  (fast  flüssige !)  Stutzlamelle  dienen  und 
die  mögliche  Ablösung  derselben  bei  der  Contraction  verhindern.  Durch  die  morphologische 
Deutung,  welche  Reichert  dem  Ectoderm  giebt,  ist  dessen  Function  als  Bewegungsorgan  prae- 
judicirt.  Die  Beobachtungen  aber,  welche  Reichert  zur  Stütze  seiner  Ansicht  vorbringt,  sind 
werthlos.  Die  Papillen  und  Wülste,  die  bei  dei-  Contraction  am  Ectoderm  hervortreten,  können 
gewiss  ebenso  gut  durch  Corapression  wie  durch  eigene  vitale  Thätigkeit  ihrei-  Substanz  ei- 
zeugt  werden,  und  was  er  sonst  von  Pseudopodien  sagt,  welche  an  der  Überfläche  des  Ecto- 
derms entstehen,  ist  unrichtig.  Am  Tentakel  sah  er,  jedoch  nur  ein  einziges  Mal,  eine  Pseudo- 
podie,  welche  auf  ihrer  Spitze  eine  Nesselkapsel  trug.  Ich  habe  solche  Fortsätze,  die  immer 
nur  in  Zusammenhang  mit  Nesselkapseln  entstehen,  häuiig  genug  vor  Angen  gehabt  —  sie  sind 
aber  nichts  weniger  als  Pseudopodien,  sondern  die  Ueberreste  der  Bildungszelle  der  Kapsel, 
die  mit  dieser  zusammen  heraus  gepresst  sind,  aber  dem  Körper  noch  adhäriien  und,  indem 
sie  bei  den  Bewegungen  des  Thiers  fadenförmig  ausgezogen  werden,  entweder  reissen  oder 
sich  im  Wasser  auflösen.  Ebenso  entstellen  die  angeblichen  Pseudopodien  an  der  Fussscheibe 
nur  dadurch,  dass  die  festhaftenden  Flächen  des  zähen  Zellplasmas  bei  plötzlicher  Zerrung  sich 
in  Spitzen  ausdehnen. 

Ich  legte  meinen  Untersuchungen  ein  einfaches  Experiment  zu  Grunde.  Bei  den  Be- 
wegungen des  unverletzten  Thiers  gehen  die  Formveränderungen  dei'  Gewebe  der  Körperwan- 
dung meist  so  vollkommen  gleichzeitig  uml  gleichmässig  vor  sich,  dass,  wie  gesagt,  absolut 
keine  Verschiedenheit    im  Verhalten   der  Schichten    zu  erkennen  ist.     Vorausgesetzt,  dass   eine 


21 

solche  dennoch  besieht,  indem  nur  die  eine  Schicht  sich  activ  contrahirt,  während  die  andere 
bloss  comprimirt  wird,  nmss  die  Verbintlung  beider  in  der  Weise  stattfinden,  dass  der  Druck- 
widerstand der  comprimirten  Theiie  sehr  vollständig  und  schnell  überwunden  werden  kann, 
und  in  der  Form  der  Bewegung  gar  nicht  zum  Ausdruck  gelangt.  Denn  sonst  wurde  nicht 
nur  eine  Verkürzung  in  der  Richtung  der  Kraft,  sondern  gleichzeitig  auch  eine  Krümmung  der 
passiven  Schiclil  erfolgen.  Es  erschien  mir  wahrscheinlich,  dass  die  Krümnnmg  am  Körper 
durch  die  feste  Verijindung  des  Ectoderms  mit  dem  Entoderm  an  der  Muntlöllnung  und  an  der 
Fussscheibe  verhindert  werde.  Ich  durchschnitt  daher  das  Thier  unterhalb  der  TentakclansUtze 
und  oberhalb  der  Fussscheibe  und  erhielt  so  einen  cylindrischen  Körper,  an  dessen  beiden 
Enden  Entoderm  und  Ectoderm  freilagen.  Das  Stück  dehnte  sich  bald  vollkommen  aus,  und 
es  konnte  constatirt  werden ,  dass  die  Schnitttlachen  beider  BIfttter  sich  in  derselben  Ebene 
befanden.  Nun  leizte  ich  den  Körper  an  dem  einen  Ende  mit  einer  Nadel ;  es  erfolgte  schnell 
eine  starke  Contraction,  aber  sie  ging  nicht  wie  am  unverletzten  Thier  vor  sich,  das  Entoderm 
nahm  nicht  in  gleicher  Weise  an  der  Verkürzung  des  Ectoderms  Theil,  sondern  schlug  sich  in 
Form  einer  Ringfalte  nach  aussen  über  und  bildete  so  eine  Duplicatur,  welche  mehr  als  den 
vierten  Theil  der  Lange  des  ganzen  contrahirten  Stückes  ausmachte.  In  andern  Füllen  löste 
sich  bei  der  Contraction  sogar  die  Verbindung  beider  Blätter  an  der  Schnittfläche,  und  indem 
das  EiAoderm  sich  zusammenzog,  lief  es  über  das  Entoderm  hinweg,  so  dass  dieses  unverkürzt 
blieb  und  in  grössei-er  Ausdehnung  bloss  gelegt  wurde.  Bei  Wiederholung  dieses  Versuchs 
stellte  sich  jedoch  heraus,  dass  es  nicht  immer  das  Entoderm  war,  das  sich  an  der  Ver- 
kürzung des  Körpers  unvollständig  betlieiligte,  sondern  noch  häufiger  stülpte  sich  l)ei  der  Con- 
traction das  Ectoderm  mehr  oder  weniger  tief  in  die  Leibeshöhle  hinein,  wodurch  das  Ende 
eine  knopfförmig  aufgetriebene  Form  erhielt.  Es  geht  hieraus  hervor,  dass  unter  den  gegebenen 
Umständen  sich  die  beiden  Schichten  bei  der  Zusammenziehung  des  Körpers  allerdings  nicht 
gleichmässig  betheiligen  und  zwai'  bald  das  Ectoderm  stärker  contrahirt  erscheint,  während 
das  Entoderm  das  Bestreben  zeigt,  seine  anfängliche  Au.sdehnung  beizubehalten,  i)aid  wieder 
umgekehrt  das  letztere  der  mehr  verkürzte  Theil  ist.  Diese  Thatsache  entscheidrt  gegen 
Levdig  und  Reichert,  da  sie  beweist,  dass  weder  ^las  Entoderm  noch  das  Ectoderm  im  au.s- 
schliesslichen  Besitz  der  Contractilität  sein  können:  dagegen  lässl  sich  nicht  leugnen,  dass  sie 
für  sich  genommen  die  Möglichkeit  der  EcKer'schen  Ansicht  nicht  völlig  ausschliesst.  .Man 
wäre  dann  aber  genöthigt,  zuzugeben,  dass,  tr-otz  der  gleichen  (Jontraclionsfähigkeit,  doch  zur 
Zeit  immer  nur  eins  der  beiden  Blätter  thätig  ist,  und  dass  unter  Umständen,  die  so  weit  die 
Controle  reicht,  als  wesentlich  gleichartig  betrachtet  werden  müssen,  bald  nui-  ilas  Entoderm. 
bald  v^ieder  nur  das  Ectoderm  auf  ilen  Reiz  reagirt.  Die  grosse  Unwahrscheinlichkeit  eines 
solchen  Verhaltens  wiril  aber  ausserdem  noch  in  so  erheblichem  Maasse  verstärkt  durch  die 
anatomischen  Thatsachen,- wonach  das  Entoderm.  seines  ausgesprochen  epithelischen  Characters 
und  des  eigenthümlichen  Baues  seiner  Zellen  wegen,  zur  Bewirkung  der  energischen  Be- 
wegungen,   die   das    Thier   ausführt,    durchaus    unfähig   erscheint .- da.ss    es  unmöglich  ist,  die 


22 

EcKER'scIie  Ansicht  aufrecht  zu  erhalten.  Dann  bleibt  nur  die  Möglichkeit  übrig,  dass;  die  Be- 
wegungen des  Entodeiins  und  aucli  des  Ectodenns  bei  der  Verkürzung  des  Körpers  immer 
passive  sind  und  hervorgerufen  werden  durch  active  (]ontraction  eines  zwischen  beiden  einge- 
schalteten Köipertheils,  der  Muskellamelle.  Indem  die  Fasern  derselben  sich  zusammenziehen, 
entsteht  eine  Verschiebung  der  Masse  beider  Blätter,  die  gerade  in  der  Richtung  der  Kraft  und 
mit  gleichzeitiger  Annäherung  und  (irössenzunahme  im  Dickendurchmesser  erfolgen  rauss,  weil 
der  Zug,  den  das  Entoderm  nach  aussen  und  das  Ectoderm  nach  innen  erleidet ,  durch  die 
feste  Verbindung  beider  Blätter  aufgehoben  wird.  Wo  diese  zerstört  wird,  treten  dann  natür- 
lich auch  Krümmungen  ein.  Der  Grund ,  weswegen  am  ausgeschnittenen  Stück  einmal  die 
Krünmumg  des  Innern  Blattes,  ein  anderes  Ma!  die  des  äussern  stattfindet ,  scheint  einerseits 
in  der  Art  der  Schnittführung  zu  liegen,  andererseits  ist  die  Beschallenheit  der  Gewebe  ver- 
schiedener Individuen  sehr  verschieden ;  bei  Thieien ,  welche  vor  kurzem  reichliche  Nahrung 
aufgenommen  halien,  sind  die  Zellen  des  Entoderms  sehi-  stark  mit  den  festen  Produclen  des 
Stoffwechsels  angefüllt ,  wodurch  sie  weniger  verschiebbar  werden  und  das  Blatt  sich  eher 
krümmt  und  umschlägt .  als  dass  es  gerade  der  Richtung  des  Zuges  dei'  Muskelfasern  folgt ; 
bei  andein  ist  das  feste  interstitielle  Gewebe  im  Ectoderm  sehr  mächtig  entwickelt  und  l)e- 
sonders  in  Folge  dei'  Einlagerung  zahlreicher  Nesselkapseln  schwerer  comprimirbar.  Am  un- 
verletzten Thier  können  diese  Differenzen  wegen  des  antagonistischen  Verhältnisses  der  beiden 
Schichten  nicht   zur  Geltung  kommen. 

Wenn  ich  somit  zur  Bestätigung  von  Kollikkr's  Ansicht  gelangt  bin,  gewinnt  die  Tliat- 
sache  doch  eine  wesentlich  verschiedene  Bedeutung.  Kolliker  sieht  in  dem  Ectoderm  ein 
Epithel  und  hält  die  contractilen  Elemente  für  faserförmige  Muskelzellen.  Dies  ist,  wie  ich 
nachwies,  nicht  richtig,  sondern  die  Muskellamelle  besteht  aus  Zellfortsätzen,  die  stets  in  Zu- 
sammenhang mit  den  grossen  Zellkörpern  des  Ectoderms  bleiben  und  unter  einander  durch  ein 
reichliches  Bindemittel  zu  einer  Membran  vereinigt  sind.  Aus  dem  Vorhergehenden  ist  aber 
klai',  dass  nur  die  Fortsätze  Gontractilität  besitzen,  die  dazu  gehörigen  Zellkörper  dagegen  bei 
den  Bewegungen  sich  passi^  verhalten.  Man  kann  daher  auch  nicht  die  ganze  Zelle  als  Mus- 
kelzelle auffassen.  Wie  soll  man  sie  dann  aber  deuten?  Ich  glaube  nicht,  dass  man  berechtigt 
ist,  das  aus  ihnen  zusammengesetzte  Gewebe  morphologisch  einem  dei'  bekannten  Gewebe 
anderer  Thiere  gleichzusetzen  oder  ihm  physiologisch  nur  eine  Function  zuzuerkennen :  es  er- 
scheint mir  am  consequentesten  und  allein  den  Ihatsachen  entspiechend,  das  betretTende  Ge- 
webe des  Ectoderms  der  Hydra  als  den  niedrigsten  Entwicklungszustand  des  Nei-ven-Muskel- 
systems  zu  betrachten,  in  welchem  eine  anatomische  Sonderung  der  beiden  Systeme  in  der 
Weise,  wie  sie  bei  allen  höhern  Thieren  vorkommt,  noch  nicht  stattgefunden  hat.  sondern  jede 
einzelne  Zelle  die  Trägerin  jener  doppelten  Function  ist,  indem  die  Theile  derselben,  die  als 
lange  Fortsätze  in  der  Mitte  der  Körperwandung  verlaufen,  contractil  sind  und  als  Muskel 
functioniren ,  während  der  Zellkörper,  von  welchem  sie  ausgehen,  der  in  unmittelbarer  Be- 
rührung mit  dem  umgebenden  Medium  steht,    Reize   leitet   und   durch    Uebertragung  derselben 


23 

auf  die  Fortsatze  die  Contractionen  dieser  auslöst,  d.  li.  als  iiiolorisoher  Nerv  wirkt.  Ich 
schlage  daher  vor.  diese  Zellen  Neuronuiskelzellen  zu  nennen. 

Je  mehr  sich  die  genaue  niicroscopische  Analyse  über  alle  Classen  des  Thierreichs  aus- 
gebreitet hat,  desto  bestimmter  hat  sich  herausgestellt,  dass  überall,  wo  eine  Muskulatur  in 
die  Organisation  des  Körpers  eingreift,  auch  ein  Nervensystem  entwickelt  ist.  Es  giebt  wedei- 
Thiere,  die  .Muskeln  haben  und  der  Nerven  entbehren,  noch  solche,  die  ein  Nervensystem  ohne 
.Muskulatui-  besitzen.  Die  einzige  Au.snahme,  welche  man  mit  einem  gewi.ssen  Maasse  von  Be- 
rechtigung die.sem  Gesetz  entgegenstellen  könnte,  bieten  die  Vorticellen  dasr  deren  Stiel  in  der 
Art  seiner  Function  einer  .Vlu.skelfaser  allerdings  nicht  unähnlich  erscheint,  .ledoch  ist  die 
Genese  des  Körpers  der  Infusorien  nhd  speciell  der  Vorticellen  gänzlich  unbekannt ,  ja  wir 
wissen  nicht  einmal,  ob  sie  einzellige  oder  vielzelli.Lie  Organismen  sind;  es  fehlt  al.so  jede 
Möglichkeit  der  morphologischen  Werthschätzung  ihrer  Organe  und  des  Vergleichs  mit  andern 
Thieren.  Es  war  daher  nicht  allein  die  functionelle  Abhängigkeit  beider  Systeme  von  einander, 
sondern  auch  ihie  sich  als  Thatsache  ergebende  morphologische  Zusammengehörigkeit,  was  die 
Frage  nacli  der  Art  der  Verbindung  \on  Ner\  und  Mu.skel .  welche  gewöhnlich  als  die  Frage 
nach  der  motorischen  Nervenendigung  gefasst  wird,  zu  einer  ebenso  nahe  liegenden  wie  wich- 
tigen machte  und  in  den  letzten  dreissig  Jahren  eine  lange  Reihe  von  Untersuchungen  hervor- 
rief. Leidei-  beschränken  sich  dieselben  mit  geringen  Ausnahmen  auf  Wirbelthiere  und  Arthro- 
poden. Im  Allgemeinen  läs.st  sich  von  diesen  .\rbeiten  sagen,  ilass  sie  einen  innigem  Zusam- 
menhang zwischen  Nerv  und  Muskel  nachgewiesen  haben,  als  früher  angeiu)iumen  wurde,  und 
so  vielfach  sie  auch  unter  einander  in  Widerspruch  stehen,  kann  doch  für  die  ijuergestreifte 
Muskulatur  als  festgestellt  betrachtet  werden:  I.  dei-  grosse  Reichthum  an  Nervenenden  und 
die  häuHgen  Theilungen  der  Axencylinder,  2.  der  continuirlichu  Uebergang  der  Nervenscheide 
in  das  Sarcolemm,  3.  die  unmittelbare  Berührung  der  Substanz  des  Nerven  mit  jener  der 
Muskelfaser.  Die  wichtigste  Frage,  ob  diese  Berührung  weiterhin  in  eine  wiikliche  Continuität 
übergeht,  oder  ob  die  Nersen  mit  bestimmt  abgegrenzten  Enden  aufhören,  scheint  mir  dagegen 
zur  Zeit  noch  nicht  ent.schieden.  Die  Meinungen  ilarüber  haben  hin  und  her  geschwankt,  bis 
neuerdings  besonders  KihnE  in  entschieden.ster  Weise  für  die  letztere  Ansicht  eingetreten  ist. 
Ei-  lehrt,  dass  nicht  nur  keine  Verschmelzung  der  Substanzen  .stattfindet,  .sondern,  dass  auch 
die  Nervenendigungen  immer  nur  der  Oberfläche  des  Muskelfadens  aufliegen  und  nie  in  das 
Innere  desselben  hineindringen.  Seine  Beweise  sind  jedoch  nicht  unangreifbar,  wenn  auch 
zugegeben  werden  muss,  dass  das  Verhalten  der  Nervenenden  im  Froschmuskel,  wie  er  es 
schildert,  von  nicht  geringem  Gewicht  für  seine  Auffassung  ist.  Was  er  abei'  als  physiologischen 
Beweis  gegen  die  Continuität  vorbringt .  dass  nämlich  die  Erregung  nur  vom  Nerv  auf  den 
Muskel,  jedoch  nicht  umgekehrt  von  diesem  auf  jenen  übertragen  werden  kann,  scheint  inii- 
ausser  allem  Zusammenhang  mit  der  in  Rede  stehenden  Frage. 

Bei  den  glatten  Muskeln  ist  man  übereinstimmenil  zu  einem  andern  Resultat  gekonnnen : 
hier  dringen  die  feinen  Verzweigungen  der  .\xencvlinder  in  die  contractile  Substanz  ein.  sollen 


24 

diese  durchsetzen  und  sich  weiter  bis  in  die  Kerne  oder  selbst  bis  in  die  Kernivörperclien  ver- 
folgen lassen  —  Verhältnisse,  die  eine  viel  innigere  Verbindung  des  leitenden  und  contractilen 
Gewebes  bekunden,  als  Kihne  für  die  quergestreiften  Muskeln  zugeben  möchte,  aber  über 
Endigung  oder  Vereinigung  auch  noch  keinen  genügenden  Aufschluss  geben. 

Es  ist  eine  überraschende  Thatsache,  dass  die  Ansichten  über  die  physiologische  Zu- 
sammengehörigkeit von  Nerv  und  Muskel  sich  in  einem  ganz  ähnlichen  Zustande  befinden. 
Nachdem  Haller  die  Frage  nach  der  hritabilität  des  Muskels  aufgeworfen  und  bejahend  be- 
antwortet hatte,  herrschte  diese  Lehre,  bis  seine  Beweise,  besonders  durch  den  Nachweis  der 
v^ollkommnen  Innervation  jener  Tlieile.  welche  Haller  für  nervenlos  gehalten  hatte,  ihre  über- 
zeugende Ki-aft  verloren.  Dazu  kamen  noch  physiologische  Thatsachen,  die  sehr  bestimmt  auf 
die  Abhängigkeit  der  Muskelzuckung  von  der  Erregung  der  Nerven  hinweisen,  und  genügend 
erscheinen,  die  h-ritabilitätslehre  ganz  fallen  zu  lassen,  hi  letzter  Zeit  trat  wiederum  eine  Re- 
action  zu  Gunsten  derselben  ein,  und  im  AugenbUck  gehöi't  wol  die  grosse  Mehrzahl  der 
Physiologen  zu  entschiedenen  Vertheidigern  der  selbständigen  Erregbaikeit  des  Muskels.  In- 
dessen ist  nicht  zu  verkennen,  und  dies  wird  auch  ziemlich  allgemein  zugestanden,  dass  ein 
unantastbarer  Beweis  noch  nicht  geliefert  ist.  So  schlagend  auch  einige  Versuche  dem  ersten 
Blick  entgegentreten,  können  sie  zu  einem  sichern  Schluss  doch  nicht  führen,  weil  das  Ver- 
halten der  Endverzweigungen  der  Nerven,  speciell  das  jenes  unterhalb  des  Sarcolemms 
gelegenen  Theils,  sich  bisher  der  Controle  entzogen  hat,  und  erfahrungsmässig  feststeht ,  dass 
der  Effect  eines  und  desselben  Agens  auf  die  verschiedenen  Districte  des  Nervensystems  sehr 
verschieden  ausfallen  kann.  Immerhin  unterliegt  es  keiner  Frage,  dass  vom  Standpunkt  der 
heutigen  Experimentalphysiologie  aus  die  Irritabilitätslehre  besser  begründet  erscheint  als  die 
gegentheilige  Behauptung,  der, zufolge  das  Zustandekommen  der  Muskelzuckung  unabänderlich 
an  die  Nervenerregung  gebunden  ist.  Daran  zweifelt  dagegen  Niemand,  dass  innerhalb  der 
Bedingungen,  welche  im  unverletzten  Körper  —  der  höhern  Thiere  wenigstens  —  gegeben 
sind,  die  Thätigkeit  der  Muskeln  immer  in  causaler  Abhängigkeit  von  der  Erregung  dei-  moto- 
rischen Nerven  steht.  Diese  Thatsache,  so  bedeutungsvoll  sie  auch  ist,  beeinträchtigt  den 
grossen  principiellen  Werth  der  experimentellen  Untersuchungen  der  isolirten  Gewebe  natürlich 
nicht  im  Geringsten.  Wäre  nachgewiesen,  dass  bloss  gewisse  accidentelle  Einrichtungen  im 
Körper  der  höhern  Thiere  das  Zustandekommen  der  directen  Reizung  der  Muskeln  verhindern, 
während  der  Muskel  an  sich  irritabel  ist ,  so  wäre  der  Fall  eines  Thiers  mit  ausgebildeter 
Muskulatur  ohne  Nervensystem  gar  nicht  besonders  wunderbar:  stünde  dagegen  andeierseits 
fest,  dass  die  Zuckung  immer  nur  der  Ausdruck  des  auf  den  Muskel  übertragenen  Zustandes 
der  Nervenerregung  ist,  dann  wäre  consequenterweise  eine  Muskulatur  ohne  Nerven  überhaupt 
nicht  denkbar. 

Ich  habe  die  Ansichten  über  die  Endigungen  der  motorischen  Nerven  der  höhern  Thiere 
und  die  Irritabilitätslehre  hier  berührt,  um  zu  zeigen,  dass  sowohl  die  Art  der  Verbindung 
von  Nerv  und  Muskel  als  auch  ihre  physiologische  Zusammengehöiigkeit  als  otYene  Fragen  be- 


25 

trachtet  werden  können  und  ein  Praejudiz  nach  keiner  Seite  vorHegt.  Was  feststellt,  ist  nur  der 
innige  Zusammenhang  Ijeiilei-  Gewebe  und  ilir  gleichzeitiges  Auftreten  im  Körper  aller  bis  jetzt 
genau  untersuchten  Thiere.  Wenn  wir  uns  nun  mit  dieser  Thatsache  auf  den  Standpunkt  der 
Descendenztlieorie  stellen,  entsteht  die  Frage :  Auf  welche  Weise  haben  Muskel  und  Nerv  sich 
entwickelt?  Wie  differenzirten  sich  aus  den  Geweben  nuiskel-  und  nervenloser  Thiere  Organe, 
von  denen  das  eine  nur  die  Function  einer  bestimmten  Bewegung  übernimmt,  wahrend  das 
andere  nur  Reize  leitet  und  Übertrügt'^ 

Die  vergleichende  Anatomie  hat  uns  bisher  ohne  Antwort  gelassen.  Der  Bau  des 
Muskelgewebes  und  der  dazu  gehörigen  Nerven  erscheint ,  so  weit  die  Erfahrungen  reichen, 
bei  allen  Thierklassen  wesentlich  idjereinstimmend,  und  wenn  man  wol  auch  einzelne  Ver- 
schiedenheiten gefunden  liat ,  so  sind  doch  Formen ,  die  als  entschieden  niedrigere  oder  ur- 
sprüngliche Ausbildungszustände  angesprochen  werden  könnten,  nicht  bekannt.  Auch  die  Ge- 
schichte der  individuellen  Entwicklung  vermag  keinen  Aufschluss  zu  geben.  Die  wichtigste  Arbeit 
ist  die  von  Hensen  über  die  Entwicklung  des  Gewebes  und  der  Nerven  im  Schwanz  der  Frosch- 
larve '.  Zwar  hat  Hexsen  die  Muskelnerven  gar  nicht  berücksichtigt  und  auch  die  Entstellung 
der  Nerven,  die  zu  den  Epithelien  gehen,  nicht  direct  beobachtet,  aber  die  Verhältnisse,  welche 
er  an  den  jungen  Geweben  constatirte,  liesonders  die  Vei-breitung  der  Nervenfasern,  veranlassten 
ihn,  in  Opposition  zu  treten  gegen  die  altere  Ansicht,  nach  welcher  ein  Auswachsen  der  Nerven 
von  den  Centralorganen  zu  den  Endapparaten  hin  stattfinden  soll.  Er  stellt  dagegen  als  Ver- 
rauthung  auf,  »dass  die  Endzelle  iler  Nerven  zu  keiner  Zeit  von  dem  Ursprungsganglion  getrennt 
ist,  {].  h.  dass  die  ersten  Zellen  des  Rückenmarks  sich  bei  ihrer  Theilung  nicht  vollständig  von 
einander  trennen,  sondern  durch  einen  Faden,  den  Nerven,  stets  mit  einander  im  Zusammen- 
hang bleiben«  -.  Trotz  der  etwas  misslichen  unvollkommnen  Trennungen  lässt  sich  nicht  leugnen, 
dass  die  Hypothese  in  Bezug  auf  die  Entstehung  der  Nervenstämme  und  der  peripherischen 
Ganglien  nicht  allein  den  Thatsachen  nicht  widerspricht,  sondern  dieselben  auch  besser  erklären 
könnte  als  die  andere  Ansicht.  Auf  die  Entstehung  der  Verbindung  der  Nerven  mit  Epithelien 
und  Muskeln  kann  ich  sie  dagegen  nicht  für  anwendbar  halten,  weil  es  nicht  möglich  ist,  alle 
Gewebe ,  welche  mit  Nerven  versehen  sind ,  durch  unvollständige  Theilung  von  den  Ganglien- 
zellen des  Rückenmarks  sich  entwickeln  zu  lassen.  Bei  diesem  Mangel  empirischer  Anhalts- 
punkte bleibt  uns  Nichts  übrig,  als  die  Möglichkeiten,  welche  für  das  Entstehen  des  vereinigten 
Muskel-Nervensystems  gedacht  werden  können,  in's  Auge  zu  fassen. 

.Man  könnte  meinen,  es  hätten  sich  bei  niederen  Thieren  zuerst  Muskeln  für  sich  allein 
entwickelt,  und  die.->e  waren  dann  s|)ater  in  Verbindung  mit  andern  Gewebstheilen  getreten, 
welche,  indem  sie  ihre  bisherige  Funclion  aufgaben,  sich  zu  motorischen  Nerven  umbildeten. 
Abgesehen  davon,    dass   eine   solche  Annahme  von  der  unerwiesenen  Prämisse  der  Irritabilität 


'   Virchow's  Archiv.     3  1     Üiirul,    p.   ."51. 
-   Ibid.  ]).  67. 

K  1  e  i  r  e  n  b  p  r  i: ,  Hydrn . 


26 

ausgeht,  scheint  sie  ohne  jede,  wenn  auch  nur  indirecte,  thatsächhche  Stütze,  und  obendrein 
bedürfte  sie  noch  einer  weitern  Hypothese  in  Bezug  auf  den  Vorgang  des  Zusanunentretens  der 
präexistirenden  Muskulatur  mit  dem  in  Abhängigkeit  von  ihr  enslehenden  Nervensystem. 

Andererseits  lässt  sich  annehmen,  dass  contractile  und  leitende  Gewebstheile  gleich- 
zeitig und  zwar  in  ursprünglichem  Zusammenhange  und  functioneller  Abhängigkeit  von  einander 
entstanden  —  mit  andern  Worten,  dass  aus  den  einzelnen  indifferenten  reizbaren  und  beweg- 
lichen Zellen  einer  Körperschicht  ein  primitives  Nervenmuskelsystem  hervorging,  indem  sich  in 
jeder- Zelle  die  Function  der  Bewegung  auf  einen  Theil  ausschliesslich  übertrug,  welcher  da- 
durch, dass  seine  Bewegungen  sich  auf  den  einen  Modus  der  Verkürzung  des  Längsdurch- 
messers mit  proportionaler  Zunahme  des  Querschnitts  beschränkten,  zu  einer  Muskelfaser  wurde, 
während  der  andere  Theil  derselben  Zelle  die  Fähigkeit  ausgiebiger  Formveränderung  verlor, 
dafür  aber  in  besonderm  Maasse  die  Eigenschaft  erhielt,  Reize  zu  leiten  und  durch  Ueber- 
tragung  seines  Erregungszustandes  auf  den  muskulösen  Theil  die  specifische  Bewegung  des- 
selben auszulösen.  Hieraus  könnten  die  anatomischen  und  physiologischen  Beziehungen  des 
Muskel-  und  Nervensystems  auch  der  höhern  Thiere  wol  erklärt  werden,  und  die  Annahme 
hätte  noch  den  grossen  Vorzug,  die  Entwicklung  der  Functionen  dieser  specialisirten  Gewebe 
direct  ohne  alle  Zwischenglieder  auf  die  fundamentalen  Eigenschaften  des  indifferenten  Plasmas 
zurückzuführen. 

Aber  mit  derartigen  Hypothesen  ist  nicht  viel  gewonnen  —  eigentlich  besteht  ihr  ganzer 
Werth  darin,  dass  sie  die  Untersuchung  auf  bestimmte  Bahnen  leiten.  In  anderm  Licht  er- 
scheinen sie  dagegen,  sobald  sie  sich  auf  Thatsachen  gründen.  Und  diese  glaube  ich  bei  der 
Hydra  gefunden  zu  haben.  Das  Thier  scheint  keine  Spur  eines  gesonderten  Nervensystems  zu 
haben,  besitzt  jedoch  eine  morphologisch  und  physiologisch  streng  characterisirte  ^luskulatur 
in  Form  von  Fasern,  die  inmitten  der  Körperwandung  verlaufen.  Diese  Fasern  sind  aber 
nichts  anderes  als  Fortsätze  der  grossen  Zellkörper  des  Ectoderms.  Die  letztern  sind  nach- 
weisbar nicht  contractu.  Sie  bilden  die  äussere  Begrenzung  des  Körpers,  stehen  also  in  un- 
mittelbarem Contact  mit  der  Aussenwelt.  Alle  Reize,  die  von  aussen  her  wirken,  treffen  daher 
den  nicht  contractilen  Theil  der  Zelle  direct  und  können  nur  durch  seine  Vermittlung  auf  die 
im  Innern  des  Körpers  ganz  geschützt  gelegenen  contractilen  Fortsätze  übergehen.  Diese  Ver- 
hältnisse gestatten  keine  andere  Auffassung  als  die,  in  dem  nach  aussen  gelegenen  nicht  con- 
tractilen Zellkörper  den  Leitungsajjparat  für  seine  muskulösen  Fortsätze,  d.  h.  das  motorische 
Nervenelement  zu  erblicken  und  die  ganze  Zelle  als  primitive  Neuromuskelzelle  zu  bezeichnen. 
Es  kann  daher  von  einem  besondern  Muskel-  oder  Nervensystem  bei  Hydra  nicht  die  Rede 
sein:  beide  Systeme  erscheinen  in  dieser  niedrigen  Ausbildungsform  als  untrennbare  morpho- 
logische Einheit. 

Ob  nun,  wie  ich  glaube,  das  Neuromuskelgewebe  der  Hydra  als  Ausgangspunkt  der  compli- 
cirten  und  scheinbar  so  verschiedenartigen  Muskulatur  und  des  motorischen  Nervensystems  der 
höhern  Thiere  zu  betrachten  ist,  ob  auch  bei  diesen  beide  Gewebe  als  ein  einziges  System,  die 


27 

Mu!?keln  als  die  contractilen  Endausbreitungen  der  Nerven  aufzufassen  sind,  darüber  werden  wei- 
tere Untersuchungen  die  sichere  Entscheidung  zu  bringen  haben.  Wenn  man  an  der  unbestreit- 
baren Homologie  des  Ectoderms  der  Coelenteraten  mit  dem  äussern  Blatt  der  Embryonen 
höherer  Thiere  festhiilt ,  kann  man  nur  erwarten,  dass  auch  bei  diesen  der  primäre  Vorgang 
die  Bildung  eines  einheitlichen  Nervenmuskelsystems  ist.  und  von  da  aus  liesse  sich  die  Ent- 
stehung der  Centralorgane  und  der  sensiblen  Nerven  wol  erklären.   — 

Fassen  wir  die  vorliegenden  Untersuchungen  kurz  zusammen,  so  ergiebt  sich  als  Re- 
sultat: Das  Entoderm  des  Hydra,  welches  die  Höhlungen  des  Körpers  überall  auskleidet,  ist 
ein  einschichtiges  Geisseiepithel,  das  Verdauungssäfte  liefert,  die  gelösten  Nahrungsstoffe  re- 
sorbirt,  umsetzt  und  Auswurfsstotfe  ausscheidet,  wahrscheinlich  auch  den  Gasaustausch  besorgt ; 
das  Ectoderm  besteht  aus  zwei  Geweben,  aus  dem  Neuromuskelgewebe  und  dem  interstitiellen 
Gewebe;  das  letztere  bildet  in  seinen  Zellen  die  Nesselkapseln,  und  aus  ihm  gehen  die 
Geschlechtsorgane  hervor.  Beide  Gewebe  sind  keine  Epithelien.  —  Der  gänzliche  Mangel 
eines  äussern  Epithels  muss  sehr  auffallend  erscheinen ,  und  ich  gestehe ,  dass  dieser 
Umstand  mich  selbst  gegen  meine  Auffassung  des  Ectoderms  misstrauisch  machte.  Die  Ent- 
wicklungsgeschichte löste  das  Räthsel.  Ganz  ebenso  wie  bei  den  hohem  Thieren  ent- 
steht bei  Hydra  als  erste  Difterenzirung  des  gefurchten  Keimes  eine  äussere  Epithelschichl 
(Hornblatt).  Diese  verwandelt  sich  in  die  bekannte  sogenannte  Eischale  und  wird  beim 
Ausschlüpfen  des  jungen  Thieres  abgeworfen. 


Eiitwiekliingsgeschichte. 

Die  am  frühesten  erkannte  und  am  häufigsten  beobachtete  Fortpflanzungsweise  der 
Hydren  ist  die  ungeschlechtliche  durch  Knospen.  An  irgend  einer  Stelle  des  Magentheils  des 
Körpers  entsteht ,  ohne  dass  eine  merkliche  Veränderung  in  der  Beschaffenheit  der  Gewebe 
vorhergeht,  eine  anfänglich  niedrige  kegelförmige,  bei  weiterem  Wachsthum  cylindrische  Aus- 
stülpung der  ganzen  Wand.  Hat  diese  eine  gewisse  Grösse  erreicht,  so  bilden  sich  an  ihrem 
blinden  Entle  zuerst  ein  oder  zwei,  dann  in  unregelmässiger  Aufeinanderfolge  mehr  kleine 
hohle  Fortsätze,  welche  zu  Tentakeln  auswachsen.  Hierauf  erhält  die  Knospe  eine  Mund- 
öffnung,  indem  die  zwischen  den  Tentakeln  gelegene  Wand  durchbrochen  wird.  Während- 
dessen bleibt  die  Communication  zwischen  den  Leibeshöhlen  des  Mutter-  und  Tochterthiers  eine 
völlig  freie,  und  die  Nahrung  dringt  von  dem  einen  Schlauch  in  den  andern.    Ist  die  Nahrung 

4* 


28 

reichlich,  so  enlwickehi  sich  gleichzeitig  oder  in  kurzen  Zwischenräumen  bis  fünf  Knospen,  an 
diesen  vollzieht  sich  derselbe  Process,  ohne  seinen  Abschluss  erreicht  zu  haben,  und  es  kommt 
zu  Stockbildungen,  die  in  einer  betrachtlichen  Anzahl  von  Individuen  zwei  big  vjer  Generationen 
repräsentiren.  Allmählich  beginnt  die  Abtrennung.  Die  Verbindungsstellen  der  Einzelthiere 
scheinen  in  der  Ernährung  gestört  zu  werden ,  es  zeigt  sich  eine  lingförmige  Verdünnung,  welche 
nach  innen  vorschreitend  den  Verbindungscanal  einschnürt  und  endlich  das  Ablallen  der  Knospe 
herbeiführt.  Die  Communicationsöflhung  wird  dabei  vollkommen  geschlossen,  sodass  auch  die 
jüngsten  eben  frei  gewordenen  Thiere  keine  Oeffnung  in  der  Fussscheibe  haben. 

Unter  günstigen  Umständen  verläuft  die  Entwicklung  in  zwei  bis  drei  Tagen,  dagegen 
habe  ich  in  Gläsern,  in  welchen  sehr  wenig  Nahrung  sich  vorfand,  Stöcke  länger  als  ein 
halbes  Jahr  im  Zusammenhang  erhalten.  Es  zeigte  sich  hier  eine  eigenthümliche  Erscheinung. 
Ich  setzte  die  sehr  grossen  und  kräftigen,  reichlich  knospenden  Exemplare  von  H.  viridis  im 
October  1869  ein.  Fast  keine  der  Knospen  löste  sich,  und  doch  war  nach  einigen  Wochen 
die  Individuenzahl  der  Stöcke  merklich  kleinei'  geworden.  Bei  aufmerksamer  Beobachtung 
fand  sich,  dass  ein  vollkonimner  Schwund  der  Knospen  eintrat,  während  das  Mutterthier  kaum 
merklich  an  Grösse  abnahm.  Die  Reduction  begann  mit  einer  Verkürzung  des  Knospenleibes, 
welche  im  weitern  Verlauf  wunderbare  Monstrositäten  hervoirief:  an  Stelle  der  cylindrischen 
Knospen  sassen  dem  Leibe  des  !Mutterthiers  flache  runde  Scheiben  dicht  an,  von  denen  die  in 
Zahl  und  Grösse  wohl  erhaltenen  Tentakeln  wie  die  Speichen  eines  Rades  abgingen.  Darauf 
atrophirten  auch  einzelne  Tentakeln  gänzlich,  und  es  blieb  ein  unförmliches  Knötchen  mit  einem 
einzigen  langen  Tentakel  nach,  bis  auch  tlieser  letzte  Uel)errest  der  Knospe  von  dem  3Iutter- 
körper  resorbirt  wurde. 

Ich  ersehe  aus  dem  GRENACHER'schen  ISericht  lür  1 869,  dass  Baidelot  äluiliche  Beobach- 
tungen gemacht  und  zur  Erklärung  der  Senkfäden  des  Siphonophoren  benutzt  hat.  Leider  war 
mir  die  Originalabhandlung  nicht  zugänglich. 

Als  einen  zweiten  Vermehrungsmodus  haben  Tremblev,  Rusel  und  Lairent  die  spontane 
Theilung  bezeichnet.  An  irgend  einer  Stelle  des  Körpers  findet  Verdünnung  statt,  bis  zum 
Zerreissen  in  zwei  Theile,  und  diese  ergänzen  sich  zu  vollständigen  Thieren,  indem  das  eine 
Stück  Tentakeln  treibt,  das  andere  einen  neuen  Fuss  bildet.  Die  Seltenheit  dieser  spontanen 
Theilung,  die  auch  von  den  genannten  Beobachtern  hervorgehoben  wird,  könnte  erklären,  wie  allen 
übrigen  Forschern  die  Constatirung  des  Vorgangs  nicht  möglich  war.  Darauf  hin  die  Angabe 
bestreiten  zu  wollen,  erscheint  mir  unberechtigt,  besonders  in  Berücksichtigung  der  künstlichen 
Theilung  der  Hydren  und  der  sichern  Fälle  spontaner  Theilung  bei  andern  Coelenteraten  wie 
Kölliker  sie  für  Stomobrachium  mirabile  und  in  neueier  Zeit  Greef  für  seine  Piotohydra  be- 
schrieben haben.  Bei  der  letztern  soll  sogar  die  Theilung  die  einzige  Form  der  ungeschlecht- 
lichen Fortpflanzung  sein. 

Vor  einigen  Jahren  ist  ein  Aufsatz  von  Gustav  Jäger  erschienen,  in  welchem  eine 
ganz     neue    und    unerhörte    Fortpflanzungsweise    der    Hydren    als    wahrscheinlich     aufgestellt 


29 

wird  '.  Der  Vorgang,  den  Jager  "Diasporogenesis«  nennt,  soll  darin  bestehen,  dass  nach  voll- 
endeter Geschlechtsthätigkeit  das  Thier  in  seine  einzelnen  Zellen  zerfällt :  diese  nehmen  die 
Form  von  Amoeben  an,  vermehren  sich  durch  Theilung,  encystiren  sich ,  überwintern  —  und 
im  Frühjahr  entwickelt  sich  vielleicht  aus  jeder  deiselben  eine  Hydra.  Diese  ganze  Hypothese 
beruht  auf  dem  brdium,  dass  Jäger  Amoeben  für  Hydrazellen  gehalten  hat.  Schon  seine  Ab- 
bildungen machten  mii-  die  Abstammung  der  fraglichen  Korpei-  von  den  Gewebselementen  der 
Hydra  sehr  zweifelhaft,  weil  ihr  Plasma  eine  dift'use  gelbliche  Farbe  besitzt,  das  der  Hydra- 
zellen dagegen  immer  ganz  farblos  ist.  Als  ich  den  Zerfall  der  Gewebe  beim  Absterben  ge- 
schlechtsreifer und  nichtgeschlechtsreifer  Thiere  verfolgte,  stellte  sich  bald  heraus,  dass  alle  un- 
zweifelhaften Hydrazellen  ausnahmslos  in  kurzer  Zeit  zu  Grunde  gehen,  dass  aber  allerdings  sich 
unter  diesen  oft  amoebenartige  Bildungen  in  beti-achtlicher  Anzahl  linden,  welche  mit  den  von 
Jager  beschriebenen  im  Wesentlichen  übereinstimmen  und  auch  dieselben  Veränderungen  durch- 
machen, lieber  ihre  Herkunft  blieb  ich  längere  Zeit  im  Unklaren,  bis  sich  herausstellte ,  dass 
dieselben  Organismen  schon  wäin-end  des  Lebens  in  den  Hohlräumen  des  Hydrakörpers  vor- 
handen sind.  Besonders  häufig  beobachtete  ich  sie  '  im  Basaltheil  des  Tentakelcanals  von 
H.  aurantiaca;  im  Fiühjahr  kamen  sie  bei  fast  allen  den  Bewohnern  eines  kleinen  Tümpels 
vor.  Sie  bestehen  aus  gelblichem  Plasma  und  enthalten  neben  dem  zuweilen  cachirten  Kern 
gewöhnlich  mehrere  dunkle  eckige  Körperchen,  die  grosse  Aehnlichkeit  mit  den  Excretkörnchen 
der  Hydra  haben,  bilden  breite  lappenförmige  Pseudopodien  und  bewegen  sich  lebhaft,  indem 
sie  bald  auf  der  hinenwand  des  Tentakels  umherkriechen,  i)ald  in  der  Flüssigkeit  des  Canals 
durch  die  Contractionen  hin  und  her  gelrieben  werden.  So  häufig  diese  eigenthümlichen 
Parasiten  in  den  Hydren  einiger  ^Gewässer  waren ,  eben  so  wenig  konnte  ich  sie  jemals  in 
andern  auffinden  und  bei  diesen  letztem  zeigten  sich  auch  niemals  nach  dem  Verfall  die  sich 
theilenden  und  encystirenden  Kör[)er.  Wenn  hiermit  die  Identität  der  fraglichen  Organismen 
festgestellt  ist,  so  scheint  es  mir  auch  sicher,  dass  sie  keinesfalls  in  genetische  Beziehung  zu 
den  Geweben  der  Hydra  gebracht  werden  dürfen  —  ich  muss  sie  für  parasitisirende  Amoeben 
erklären. 

Die  geschlechtliche  Fortpflanzung  der  Hydren  wurde  lange  Zeit  verkannt.  Während 
Bernard  de  Jussieu  bald  nach  der  Entdeckung  des  Thieis  die  »Eieiklumpen«  gesehen  und  dann 
später  Pallas  sogar  das  Auskriechen  der  jungen  Hydra  direct  l)cobachtet  hatte,  vertraten 
Tremrley,  Rösel,  Schrenk,  Dljardin,  van  der  Hoeven  und  Andere  die  Ansicht,  dass  die  zeitweilig 
entstehenden  Pusteln  und  Kugeln  Gebilde  pathologischer  Natur  oder  Parasiten  seien,  bis  endlich 
Ejirenrerg  die  Frage  durch  eine  gutie  Beschreibung  der  Eier  und  Samenkapseln  definitiv  ent- 
schied -.  Seitdem  sind  von  mehreren  Forschern  einzelne  Angai)en  übei-  die  Eibildung  und 
Entwicklung    der   Hydra    gebracht  worden,    und   Ecker   hat    eine    ausführlichere  Entwicklungs- 


1  Voher  das  spontane   Zerfallen   der  Siisswasserpolypen.     Sitzunijsber.    d.  mattiem.-naturw.    Gl.    der   Akad. 
d.    Wiss.    zu  Wien.     B.  XXXIX,    p.  32). 

2  Abtiandl.    der   Berliner  Akadenüc   vorn  .lahre    1836.    p.    Mti,    H7. 


30 

geschichte  geliefert  '.  Diese  Arbeit  ist  von  vornherein  ungünstig  beeinflusst  durch  die  Anschau- 
ungen Ecker's  in  Bezug  auf  den  histologischen  Bau  des  Thiers,  aber  ausseidera  ist  sie  lücken- 
haft und  in  ihren  Einzelheiten  meist  unrichtig. 

Meine  Untersuchungen  beziehen  sich  auf  H.  viridis,  aurantiaca  und  grisea.  Die  Jahres- 
zeit, in  welcher  die  Geschlechtsreife  eintritt,  scheint  nach  den  Species  verschieden,  aber  keines- 
wegs ganz  constant  zu  sein.  Für  H.  viridis  wird  allgemein  der  Frühling  angegeben;  für 
H.  aurantiaca  von  Rosel  und  Leydig  der  Herbst  (September,  October),  von  Ehrenberg  Anfang 
Juni;  für  H.  grisea  von  Tremblev,  P.\ll.\s,  Lalrent  und  J.\ger  Herbst  und  Winter,  von  M.^x 
ScHiLTZE  der  Mai.  Ich  fand  H.  viridis  vom  April  bis  zum  October,  die  beiden  andern  Arten 
vom  September  bis  zum  Januar  geschlechtsreif.  Ich  möchte  jedoch  bemerken,  dass  die  Hydren 
nicht  überall  alljährlich  Eier  pioduciren,  denn  während  zweier  auf  einander  folgender  Jahre 
hat  die  H.  aurantiaca  in  einem  Teich  der  Umgebung  Jena's  mich  vergebens  auf  ihre  Geschlechts- 
reife warten  lassen  —  eine  Abnormität,  die  nach  einer  Bemerkung  von  Leydig^  auch  bei 
H.  viridis  zuweilen  vorzukommen  scheint. 

Die  sexuelle  Thätigkeit  beginnt  in  der  Regel  mit  der  Bildung  der  Hoden.  Sie  entstehen 
am  oralen  Theil  des  Körpers,  ziemlich  diclit  unterhalb  der  Tentakeln  und  sitzen  zerstreut  neben 
und  über  einander.  Ihre  Zahl  wechselt  von  zwei  bis  zwanzig.  Die  Ovarien  entwickeln  sich 
tiefer,  ungefähr .  in  der  Mitte  des  Körpers.  Bei  H.  viridis  entsteht  nur  ein  einziges,  in  äusserst 
seltenen  Fällen  zwei ;  bei  den  beiden  andern  Arten  ist  dagegen  die  Mehrzahl  Regel ,  und  ich 
habe  gleichzeitig  bis  zu  acht  gefunden;  dann  sind  auch  reichliche  Hoden  vorhanden  und  diese 
oft  nicht  nur  auf  den  oralen  Theil  beschränkt,  sondern  sie  stehen  zwischen  den  Ovarien,  soear 
unter  denselben  auf  dem  Fusstheil.  Ausnahmsweise  finden  sich  aber  auch  Thiere,  welche  wol 
Eier,  aber  gar  keine  Hoden  entwickeln. 

Die  Hodeu  iiucl  die  Saiuenkörper. 

Die  Bildung  der  samenbereitenden  Organe  wird  eingeleitet  durch  ein  auf  rundlich  um- 
schriebene Stellen  beschränktes  stärkeres  Wachsthum  der  Zellen  des  interstitiellen  Gewebes  des 
Ectoderms.  Diese  Zellen  vergrössern  sich  beträchtlich  und  nehmen  die  Form  polyedrischer 
Plättchen  an,  ihr  Plasma  erscheint  heller;  der  kuglige  Kern  tritt  deutlich  hervor  (Taf.  I  Fig.  Ha). 
Dann  theilen  sie  sich,  und  indem  sich  dies  mehrmals  wiederholt,  gehen  sie  in  kleine  unregel- 
mässig gestaltete,  wie  es  scheint,  amoeboide  Zellen  über,  die  dicht  zusammen  gedrängt  einen 
mehrschichtigen  compacten  linsenförmigen,  zuweilen  gelappten  Körper  bilden.  Dies  Organ  — 
der  Hoden  —  markirt  sich  äusserlich  zuvörderst  nur  als  flache  beulenförmige  Erhebung  und 
durch  seine  weissliche  Farbe;  in  Folge  des  fortschreitenden  Dickenwachsthums,    welches    sich 


'  Entwicklungsgeschichte  des  grünen  Annpolypen.    Akademisclies  Programm.    Freiburg  i.  Br.    18153. 
2  Müllers  Archiv.    Jahrg.   1834,    p.  280. 


31 

späterhin  mit  einer  Fliissigkeitsausscheidung  zwischen  der  äussern  Fläche  des  Organs  und  der 
dasselbe  bedeckenden  Lage  des  Neuromuskelgewebes  combinirt ,  wird  das  letztere  aber  all- 
mählich zu  einem  ziemlich  hohen  Cylinder  oder  Kegel  aufgetrieben,  dessen  Spitze  in  einen  oder 
zwei  seitlich  geneigte  Zipfel  ausgeht.  Die  Neuromuskelzellen  verlieren  dabei  ihre  Form  und 
atrophiren  bedeutend,  so  dass  von  ihnen  nur  eine  dünne  Plasmaschicht  als  äussere  Decke  des 
Hoden  nachbleibt,  in  welcher  die  Zellengrenzen,  anfangs  noch  als  vorspringende  Leisten  an 
der  Innenfläche  kenntlich,  später  ganz  schwinden. 

Unterdessen  gehen  in  den  Hodenzellen  die  Kerne  zu  Grunde :  ihre  Substanz  wird  körnig, 
und  sie  zerfallen  in  mehrere  dunkle  Körperchen,  die  dann  auch  undeutlich  werden  Tat'.  I  Fig.  1  ib). 
An  Stelle  derselben  erscheinen  später  1 — 4  scharf  contourirte,  sehr  staik  lichtbrechende  kuglige 
oder  ovale  Körperchen.  Ob  diese  durch  üniwanillung  aus  den  erstem  hervorgehen,  also  von 
Kernen  abstammen,  oder  ob  sie  Neubildungen  sind,  habe  ich  nicht  entscheiden  können.  Die 
Zelle  nimmt  dabei  zuerst  eine  eiförmige  Gestalt  an  (Taf.  I  Fig.  1 3),  und  darauf  verwandelt  sie 
sich  in  eine  zarte  wasserhelle  Kugel  Taf.  I  Fig.  lic).  Aus  dieser  bildet  sich  direct  das  Sper- 
matozoid.  An  iigend  einer  Stelle  der  Kugeloberfläche  entsteht  ein  feiner  Plasmafortsatz,  der 
bald  kiäftige  schlagende  Bewegungen  ausführt.  Eine  Verbindung  dieser  Cilie  mit  dem  im 
Innern  der  Zelle  gelegenen  glänzenden  Körperchen  ist  auch  mit  den  stärksten  Systemen  nicht 
wahrnehmbar. 

Die  Entwicklung  der  Samenkörper  beginnt  in  der  oberflächlichsten  Lage  des  Hoden- 
gewebes, und  zunächst  bleiben  die  Zellkügelchen  noch  in  einer  Schicht  vereinigt,  während  die 
frei  in  den  FlUssigkeitsraum  hineinragenden  Cilien  schon  gleichmässig  auf-  und  abschwingen, 
so  dass  sich  ein  manchen  Flimmerepithelien  sehr  ähnliches  Bild  darbietet.  Durch  die  an- 
dauernden Bewegungen  wird  indessen  die  Verbindung  gelockert,  die  jungen  Samenkörper  lösen 
sich  einzeln,  meist  aber  in  grössern  zusammenhängenden  Gruppen  ab  und  treiben  —  alle  noch 
mit  der  kugligen  Bildungszelle  versehen  —  in  der  Flüssigkeit  hin  und  her.  Derselbe  Vorgang 
wiederholt  sich  in  der  nächst  tiefern,  blossgelegten  Schicht,  und  so  löst  sich  das  ganze  Hoden- 
gewebe in  eine  Masse  einzelner  oder  zu  mehreren  vereinigter  Kügelchen  auf,  deren  jedes  eine 
lange  Ciiie  trägt  Taf.  I  Fig?  1 4  c/ .  Nun  erfolgt  die  Trennung  der  reifen  Saraenkörper  von 
ihren  Mutterzellen.  Die  Cilie  hat  sich  mit  dem  inmitten  der  Zelle  gelegenen  Körperchen  ver- 
bunden. Zwai'  konnte  ich  auch  jetzt  nicht  die  Verbindung  innerhalb  des  durchsichtigen, 
Kugelchens  erkennen;  dass  sie  vorhanden  ist,  lässt  sich  aber  während  des  Actes  der  Abtren- 
tmng  constatiren:  mit  einer  kräftigen  Bewegung  der  Cilie  wird  das  Körperchen  herausgezogen, 
und  das  fertige  Spermatozoid  Taf.  1  Fig.  1 4  e) ,  das  aus  dem  stark  lichtbrechenden ,  etwas 
länglichen  Kopf  und  dem  sehr  zarten  langen  am  Ende  zugespitzten  Faden  besteht,  entfernt 
sich  von  der  Bildungszelle,  welche  bald  darauf  aufgelöst  wird. 

Die  Entleerung  des  Samens  geschieht  in  das  Wasser  durch  eine  OetTnung  in  der  Spitze 
der  Hodendecke,  die  wol  in  Folge  verstärkten  Innern  Druckes  entsteht.  Doch  tritt  zunächst 
nur  ein  Theil  der  Spermatozoiden    aus,    die  Decke    fällt    darauf  etwas  zusammen  und  schliesst 


32 

sich  wieder,  bis  die  erneuerte  Füllung  eine  neue  Sprengung  herbeiführt  und  eine  zweite  Portion 
des  Samens  entlassen  wird.  Diese  Eruptionen  wiederholen  sich,  bis  der  Sainenvorrath  ei- 
schöpft  ist. 

Der  Eierstock. 

Die  Anlage  des  Eierstocks  stimmt  im  Wesentlichen  mit  der  des  Hoden  überein.     Auch 
hier  ist  das  interstitielle  Gewebe  der  Ausgangspunkt  der  Neubildung. 

hl  einer  Zone,  welche  fast  die  Hälfte  des  Körperumfangs  umfasst,  vermehren  sich  die 
Zellen  der  zwischen  den  Neuromuskelzellen  liegenden  kleinen  Züge  und  treten  in  einzelne  un- 
regelmässig geformte  einschichtige  Gruppen  zusammen  (Taf.  II  Fig.  1  ig].  Dabei  nehmen  sie  an 
Grösse  ab,  und  besonders  auffallend  ist  das  Missverhältniss  zwischen  Kern  und  Zellkürper; 
beim  ersten  Anblick  möchte  man  glauben,  dicht  an  einander  gedrängte  freie  Kerne  vor  sich 
zu  haben,  die  hin  und  wieder  durch  ein  wenig  körnige  Zwischensubstanz  geschieden  sind; 
nach  Behandlung  mit  verdünnter  Essigsäure  und  Präparation  mit  der  Nadel  erkennt  man  jedoch 
leicht,  wie  jeder  der  Kerne  eine  besondere  Plasmahülle  besitzt,  die  freilich  oft  von  so  geringer 
Mächtigkeit  ist,  dass  sie  nur  als  ein  dunkler  doppelter  Contour  er.scheint.  .Mit  fortschreitendem 
Wachsthum  treten  die  Zellgruppen  mit  einander  in  Verbindung,  die  Zwischenräume  füllen  sich 
aus,  indem  die  Neuiomuskelzellen  nach  aussen  und  seitlich  verdrängt  werden,  und  so  entsteht 
an  Stelle  des  netzförmigen  Gewebes  zwischen  Entoderm  und  Neuromuskelschicht  eine  voll- 
kommene einschichtige  Zellplatte  von  länglicher  Form.  Die  Zellvermehrung  dauert  fort ,  be- 
schränkt sich  aber  auf  die  beiden  langen,  dem  oralen  und  aboralen  Ende  des  Körpers  zuge- 
wandten Seitentheile  des  Organs :  da  sich  hier  die  kleinen  Spindelzellen  mehrfach  über  einander 
schieben,  erheben  sich  die  Ränder  in  Form  von  zwei  anfangs  parallelen,  dann  an  den  Enden 
bogenförmig  sich  verbindenden  Wülsten,  zwischen  denen  eine  flache  Furche  verläuft  Taf.  II 
Fig.  3).  Die  Zellen,  die  den  Grund  dieser  Furche  bilden,  theilen  sich  nicht  mehr;  dagegen 
wachsen  sie  beträchtlich  und  nehmen  die  Gestalt  rundlicher  oder  eckiger  Plättchen  an;  ihr 
Plasma  hellt  sich  auf  und  scheidet  eine  Menge  stark  lichtbrechender  Körnchen  aus,  die 
sich  um  den  Kern  herum  ansammeln,  wälnend  die  Peripherie  frei  bleibt  (Taf.  II  Fig.  4). 
Gleichzeitig  ordnen  sich  sämmtliche  Zellen  zu  einfachen,  an  einander  liegenden  Reihen  an, 
welche  alle  wie  ungleich  lange  Radien  gegen  annähernd  denselben  Mittelpunkt  convergiren, 
und  so  den  Bau  des  Organs  deutlich  strahlig  erscheinen  lassen.  Jetzt  ist  ilies  auch  dem  un- 
bewaffneten Auge  als  eine  quer  zur  Kürperaxe  gestellte  niedrige,  in  der  .Alitte  etwas  eingesenkte 
Erhebung  von  c.  1  """  Länge  und  0,25  '""  Breite  erkenntlich  und  hebt  sich  durch  seine  weisse 
Farbe  scharf  von  der  durchsichtigen  Umgebung  ab. 

Die  vorliegende  Schilderung  bezieht  sich  auf  die  Bildung  des  Eierstocks  von  H.  viri- 
dis; bei  den  beiden  andern  Arten  ist  der  Vorgang  ganz  derselbe,  nur  entstehen  hier  fast  immer 
mehrere  Ovarien  zu  gleiclier  Zeil,  und  tliese  nehmen  zusammengedrängt  den  ganzen  Umfang 
des  mittleren  Theils  des  Körpers  ein;  hierdurch  wird  die  Präparation  der  vollständigen  Organe 
erschwert  um!  die  Ueber^icht  der  histologischen  Details  einigei-massen  behindert. 


Ich  habe  die  Zellverniehrung,  die  ziii-  Hlntwickhing  des  Eierstocks  fiihit,  einfach  als  das 
Resultat  oft  wiederholter  Theilungen  der  iirsprünglicli  im  Bereiche  des  Bildungsfeldes  befind- 
lichen Zellen  des  interstitiellen  Gewebes  bezeichnet,  und  gewiss  ist  di(;s  aucli  zum  giossen 
Theil  richtig;  einige  Umstände,  namentlich  die  zuweilen  sehr  auffallende  Harefaction  dieses 
Gewebes  in  der  Umgebung  des  in  der  Bildung  begriffenen  Organs,  haben  mich  aber  auf  ilic 
Verniuthung  gebracht,  dass  vielleicht  in  dem  Stadium,  wo  es  zui-  Verdickung  der  Seitenninder 
kommt,  noch  ein  zweites  Moment  zu  der  localen  Zellenanhiiufung  beitragt:  nämlich  die  Ein- 
wanderung von  Zellen  aus  entfernteren  Regionen  des  Ectoderms.  Bestimmt  behaupten  will 
ich  das  jedoch  nicht,  weil  directe  Beobachtungen  sich  nicht  anstellen  liessen  und  ich  nicht 
einmal  weiss,  ob  die  Zellen  des  interstitiellen  Gewebes  überhaupt  die  Fähigkeit  activer  Orts- 
veränderung besitzen. 

Gegenbahr  fasst  die  Eierstöcke  der  Hydra  als  Knospen  auf,  in  welchen  sich  je  ein  Ei 
entwickelt  '.  Ich  möchte  mich  dieser  Ansicht  nicht  anschliessen,  weil  die  Genese  des  Eierstocks 
so  sehr  verschieden  von  jenei-  der  Knospen  ist .  dass  die  Zusammenfassung  beider  Bildungen 
unter  einen  Gesichtspunkt  nicht  durchführbar  sein  dürfte.  Durch  eine  andere  Betrachtung 
würde  sich  aber,  wie  ich  glaube,  der  scheinbaie  Gegensatz,  der  dann  zwischen  der  Hydra  und 
den  Medusen  oder  medusiforme  Gemmen  eizeugenden  Hydroiden  hervortritt,  ausgleichen  lassen. 
Ursprünglich  scheint  bei  den  Hydromedusen  allgemein  das  Verhältniss  bestanden  und  sich  auch 
bei  Hydra  erhalten  zu  haben ,  dass  die  aus  tlen  Eiern  hei-vorgegangenen  Individuen  selbst 
niemals  Eiei'  und  Samenkörper  produciren,  sondern  sich  nur  ungeschlechtlich  durch  Knospung 
oder  Theilung  fortpflanzen  und  eist  die  nächste  oder  eine  spätere  ungeschlechtlich  erzeugte 
Generation  wieder  geschlechtsreif  wird.  Wenn  nun  die  Knospen  mit  dem  Mutterthier  und  unter 
sich  im  Zusammenhang  bleibend  einen- Stock  bilden,,  so  ist  die  Gelegenheit  zur  Arbeitstheilung 
gegeben,  welche  sich  vor  Allem  in  jener  spccifischen  Umbildung  und  Ausbildung  dei-  Eier  und 
Samen  producirenden  Knospengeneration  ausdrückt,  die  wir  so  schön  in  den  Gonophoreo  und 
den  freien  Medusensprösslingen  \ieler  Hydroiden  erkennen.  Wo  dagegen,  wie  bei  Hydra,  die 
Knospen  sich  regelmässig  gleich  nach  ihiem  Entstehen  abtiennen ,  erwacht  die  Geschlechls- 
function  in  den  für  sich  altein  lebenden  Einzelthieren  einer  spätem  Generation,  und  diese  haben, 
da  sie  selbst  in  jeder  Hinsicht  für  ihre  Erhaltung  sorgen  müssen,  auch  keine  Umbildung  zu 
Gunsten  ihrer  geschlechtlichen  Thätigkeit  erfahren,  sondern  stimmen  in  Bau  und  Form  ganz 
mit  den  andern  überein.  Die  Veigicichung  würde  sich  demnach  einerseits  auf  die  Stöcke  der 
Hydroiden,  andrerseits  auf  die  Indi\iduenreilie  der  Hydra  beziehen  können,  welche- mit  einem 
aus  dem  Ei  entwickelten  Mutterthier  beginn!  unil  niil  i\r\-  in  Einzelthiere  aufgelösten  wieder 
geschlechtsreifen  Generation  abschliesst,  und  dann  wäre  auch  nicht  der  Eierstock  der  Hydra, 
sondern  jedes  einzelne  geschlechtsreife  Thier  einer  Ge.schlechtsknospe  der  stockbildenden 
Hydroiden  gleich  zu  stellen. 


'   Grundzüge   d.    vergl.  Aiialoniio.     •>.  .\iifl.    p.    118, 

K  1  e  i  II  e  II  l»  e  V  g  ,   Hydra. 


34 

Die  Thalsache,  dass  bei  Hydra  Eiei;  iiiul  Samenkörper  ans  Zeilen  des  Ectodernis  iier- 
vorgehen,  steht  in  Widerspruch  mit  dem  Ge?;elz  der  Organbildung,  das  Häckel  für  die  (^oe- 
lenteraten  aufgestellt  hat :  »Die  aus  dem  Entoderm  oder  der  innern  Bildungshaut  hervor- 
gegangenen Zellen  vermitteln  bei  den  Spongien  ebenso  wie  bei  den  Acalephen  die  vegetativen 
Functionen  der  Ernährung  und  Fortpilanzung.  Die  aus  dem  Ectodenn  oder  der  äusseren  Bil- 
dungshaut entstandenen  Zellen  vermitteln  dagegen  die  animalen  Functionen  der  Bewegung  und 
Empfindung  und  dienen  ausserdem  als  schützende  Decken  und  stutzende  Skelettheile  für  den 
ganzen  Körper.  Es  dürfte  daher  nicht  unpassend  erscheinen,  bei  allen  C.oelenteraten,  d.  Ii.  bei 
allen  Spongien  und  Acalephen  das  Entoderm  oder  die  inneie  Bildungszellenschicht)  als  vege- 
tatives Keimblatt  und  das  Ectoderm  oder  die  Süssere  Bildungszellenscliicht  als  animales  Keim- 
blatt zu  bezeichnen«'.  Die  Eier  und  Zoospermien  sind  nichts  als  sexuell  dilferenzirle  Zellen 
des  EntodermepiUiels,  und  Häckel  ist  geneigt,  in  Anbetracht  der  Uebereinstimmung  des  i^]nto- 
derms  und  Ectoderms  der  Coelenteraten  mit  dem  innern  und  äussern  Keimblatt  der  Embryonen 
höherer  Thiere,  dieselben  fundamentalen  Beziehungen  für  das  ganze  Thierreich  anzunehmen. 

Da  ich  diese  weittragende  Ansicht  kannte  und  mir  kaum  denkbar  schien,  dass  selbst 
bei  so  primitiven  Geschöpfen,  wie  die  Coelenteraten  sind .  in  einem  Fall  das  innere,  in  einem 
andern  dagegen  das  äussere  Blatt  der  Ausgangspunkt  der  (ieschlechtsorgane  sein  sollte,  so  habe 
ich,  als  sich  mir  von  vornheiein  die  Ueberzeugung  des  genetischen  Zusammenhangs  der  Ovarien 
imd  Hoden  mit  dem  Ectoderm  aufdrängte,  jede  Möglichkeit,  welche  eine  Täuschung  hervor- 
rufen könnte,  in's  Auge  gefasst  und  der  Untersuchung  ganz  besondere  Sorgfalt  zu  Theil  werden 
lassen.  Jedoch  sind  die  Verhältnisse  bei  Hydra  so  klar,  Entoderm  und  Ectoderm  so  voll- 
kommen trennbar  und  ihre  Zellen  nach  Form  und  Beschatienheit  so  leicht  kenntlich,  dass,  in- 
dem ich  die  Entwicklung  des  Ovariums  von  der  ersten  merklichen  Veränderung  des  inter- 
stitiellen Gewebes  bis  zur  definitiven  Ausbildung  des  Organs ,  und  die  Umwandlung  einer 
Zelle  desselben  zum  reifen  sich  furchenden  Ei  verfolgte,  jeder  Zweifel  an  der  Abstammung 
des  Eies  von  einer  Ectodermzelle  mit  der  grössten  Bestimmtheit  zurückgewiesen  wuide.  Und 
eine  »locale  Substitution«  des  einen  Blattes  für  das  andere,  wie  Häckel  sie  in  einzelnen  Fällen 
zugeben  möchte,  erscheint  mir  im  Allgemeinen  schon  höchst  bedenklich,  bei  Hydra  kann  davon 
gar  nicht  die  Rede  sein,  weil  Entoderm  und  Ectoderm  in  der  ganzen  Ausdehnung  des  Körpers 
als  ununterbrochene  Lagen  vorhanden  sind  und  ihre  typische  Anordnung  in  völliger  Reinheit 
bewahrt  haben. 

Aber  auch  abgesehen  von  dieser  Thatsache  ist  die  Berechtigung  des  H.\cKEL'schen  Ge- 
setzes sehr  fraglich.  Geben  wii-  die  Bestimmungen  »animal«  und  »vegetativ«  auf  und  bezeichnen 
die  Keimblätter  einfach  nach  ihrer  Lage  als  äusseres  und  inneres  (Ectoderm  und  Entoderm). 
Es   werden   sich   dann    aus   diesem    räumlichen    Verhältniss    einige    allgemeine   Folgerungen    in 


*  Ueber  den  Organismus  der  Sctiwänime  und   ihre  Verwaiidlsoliafl  mit  den  Corallen.     .lenaisclie  Zeilsciirifl. 
Bd.  V.    p.  221. 


35  . 

Bezug  auf  die  pliysiologisclien  Leistungen  der  Blatter  und  der  \on  ihnen  abstammenden  Organe 
ableiten  lassen.  Das  äussere  Blatt  steht  in  unmittelbarem  Contact  mit  der  Aussenwelt,  die 
Beziehungen  des  thierischen  Indi\i(luums  zur  Aussenwelt  werden  in  erster  Instanz  durch  Re- 
actionen  ausgedrückt,  die,  indem  sie  anf  bestimn)t  abgegrenzte  Theile  localisirt  werden,  zur 
Ausbildung  des  Nerven-^iuskelsystems  führen.  Eben.so  liegen  den  Schutz-  und  Stützeinricli- 
tungen  des  Körpers  äussere  Veranlassungen  zu  Grunde :  es  werden  daher  auch  die  Integument- 
bildungen  und  das  Skelet  aus  dem  äussern  Blatt  hervorgehen.  Aber  der  Organismus'  besitzt 
ausser  den  Beziehungen  zur  Aussenwelt  auch  Beziehungen  zu  sich  selbst,  d.  h.  Functionen, 
welche  nicht  von  aussen  her,  sondern  von  innen  angeregt  werden,  die  von  äussern  Umständen 
relati\  unabhängig  in  der  eigenartigen  Beschall'enheit  des  lebendigen  Plasmas  ihren  Grund  halben. 
Hierlier  gehört  der  StotTwechsel :  ein  Vorgang,  der  sich  in  sofern  jedoch  auch  auf  die  Aussen- 
welt richtet,  als  er  durch  die  Assimilirung  von  aussen  her  bezogener  Stoffe  für  die  Erhaltung 
jedes  Körpei'theils,  für  seine  Ernährung,  sorgt.  Die  Ernähi-ung  in  ihrer  Grundbedeutung  ist 
natürlich  nicht  localisirbar,  jede  Zelle  verlangt  zui'  Erhaltung  eine  ihren  Ausgaben  entsprechende 
Einnahme,  zum  Wachsthum  einen  Ueberschuss  der  Einnahmen.  Da  aber  zum  Zweck  voll- 
ständiger Ausnutzung  die  Nährstoffe  in  den  Hohlraum  des  Körpers  aufgenommen  werden,  so 
konunen  wegen  der  concentrischen  Lagerung  der  Keimblätter  die  Zellen  des  äussern  nicht  in 
Berührung  mit  jenen  Stoffen ,  sie  sind  also  angewiesen,  ihre  Nahrung  durch  Vermittelung  des 
inneren  Blatts  zu  beziehen,  dies  bemächtigt  sich  des  ganzen  Materials,  um  den  grossen  Ueber- 
schuss, den  es  zur  Erhaltung  seiner  eigenen  Zellen  nicht  braucht,  an  die  übrigen  Körpertheile 
abzugeben,  und  zwar  in  einei-  für  diese  direct  verwerthbaren  Form.  So  ist  denn  einleuchtend, 
dass  sich  alle  Verdaunngsorgane  aus  dem  Innern  Blatt  entwickeln. 

Eine  entsprechende  Deduction  der  Bildung  der  Geschlechtsorgane  scheint  mir  dagegen 
in  Anbetracht  unserer  völligen  Unkenntniss  des  Wesens  der  sexuellen  Fortpflanzung  nicht  aus- 
führbai-.  Die  Dehnition  der  Fortpflanzung  als  Function  der  Erhaltung  der  Art  ist  Nichts  als 
eine  teleologische  Umschreibung  der  Thatsache,  wobei  ausserdem  noch  die  Ait  als  höheres 
Individuum  angenommen  wird,  in  dessen  Diensten  das  Einzelthier  die  Rolle  eines  Organs- spielt. 
Ebenso  liegt  in  der  Auffassung,  nach  welcher  die  Foripllanzung  ein  Wachsthum  des  Organis- 
nuis  über  sein  individuelles  Maass  hinaus  ist ,  keine  Erklärung,  sondern  nur  eine  Behauptung, 
die  ziemlich  inhaltslos  ist,  so  lange  die  Wachsthumsgrenzen  der  Individuen  nicht  bekannt  sind, 
und  unerklärt  bleibt,  wie  aus  einfachem  Wachsthum  die  specifischen  Bildungen  der  Eier  und 
Samenkörper  hervorgehen  können.  Unzweifelhaft  spricht  sich  in  der  Bildung  der  Geschlechts- 
organe ein  eigenthümlicher  Ernährungsprocess  aus,  dass  aber  hierin  ein  Hinweis  auf  den  gene- 
tischen Zusammenhang  dieser  Organe  mit  dem  Innern  Blall  zu  suchen  ist,  wie  H.icKEL  an- 
deutet, dürfte  um  so  weniger  zuzugeben  sein,  als  dies  Blatt  mit  allen  seinen  Abkömmlingen 
notorisch  nur  der  Verdauung  dient  und  eine  nähere  Beziehung  der  Geschlechtsthätigkeit  zur 
Verdauung  sich  doch  wol  kaum  annehmen  lässt. 

Die  höchst  unvollständigen    und    oft    einander  widersprechenden  Erfahrungen,   die    wir 


36 

über  die  erste  Anlage  tier  Geschlechtsorgane  in  den  verschiedenen  Classen  des  Thierreichs 
besitzen,  erscheinen  auch  nicht  geeignet,  das  HÄcKEL'sche  Gesetz  zu  stützen.  Für  die  t^oelen- 
teraten,  bei  denen  die  Untersuchung  durch  die  während  des  ganzen  Lebens  deutlich  erhaltene 
Trennung  der  Keimblätter  und  das  periodische  Neuentstehen  der  Sexualorgane  sehr  erleichtert 
wird,  giebt  es  noch  die  meisten  positiven  Angaben.  Allman  behauptet,  die  Abstammung  der 
Eier  und  Samenkörper  der  Hydroiden  von  Zellen  des  Entoderms '.  ebenso  Kölliker  ^  und  H.\ckel 
für  die  Geryoniden  '  und  Kalkscinvämme^  dagegen  stimmen  mit  meiner  Beobachtung  an  Hyilra 
Keferstein  und  Ehlers  für  die  Siphonophoren  überein  \  Die  Abstammung  der  Geschlechts- 
organe der  Würmer,  Echinodermen,  Mollusken  und  Arthropoden  ist  gänzlich  unbekannt;  bei 
Wirbelthieren  ist  die  erste  Anlage  in  neuerer  Zeit  mehrfach  untersucht  worden,  und  die  Er- 
gebnisse stimmen  mit  einer  Ausnahme  darin  uberein,  dass  die  Geschlechtsorgane  \om  äussern 
Blatt  gebildet  werden.  So  hat  Hensen  in  einei'  vorläuHgen  Mittheilung  für  das  Kaninciien  be- 
stimmt eine  Einstülpung  des  Hornblatts  angegeben '',  nach  His  fmdet  die  Bildung  der  Geschlechts- 
diüsen  beim  Hühnchen  vom  Axenslrang  aus  statt  und  dieser  enthält  »unzweifelhaft  reichlichere 
Bestandtheile  des  oberen  als  des  unteren  Keimblattes,  vielleicht  gehört  es  sogar  jenem  aus- 
schliesslich an« ',  W.\LDEVER  sagt.-  »mit  grosser  Wahrscheinlichkeit  lässt  sich  indessen  noch  die 
Behauptung  verfechten,  dass  der  ursprüngliche  Heerd  der  Urogenitalanlage  im  oberen  Keimblatte 
liegt«  *•;  nach  van  Bambeke  entwickeln  sich  die  Geschlechtsorgane  von  Pelolates  fuscus  aus  einem 
Theil  des  äussern  Blattes,  welches  durch  die  Analspalte  in  das  Innere  des  Embryonalkörpers 
hinein  geschlagen  ist  ■'.  Nur  Götte  verlegt  den  Ausgangspunkt  in's  innere  Blatt,  indem  er  das 
sogenannte  mittlere  Keimblatt,  welches  die  Geschlechtsorgane  entwickelt,  von  jenem  herleitet  '". 

Das  Ei. 

Wenn  das  Ovariura  die  beschriebene  Entwicklung  erreicht  hat,  beginnt  eine  Zelle,  die 
gewöhnlich  fast  genau  im  Mittelpunkt  des  Organs  gelegen  ist,  sich  durch  stärkeres  Wachsthum 
vor  den  andern  auszuzeichnen.  Diese  Zelle  ist  das  junge  Ei.  Da  es  zunächst  noch  in  seiner 
Beschaffenheit  durchaus  mit  den  übrigen  Zellen  des  Ovariums  übereinstimmt  und    unter  diesen 

'  Kepoit  Oll  Ihe  present  State  of  our  kaowledge  of  the  reproduclive  System  in  tlio  Mydroida.  'Reporl  ol  llie 
Britist)  Association  for  llie  Advancement  of  Science  for  1863  .  p.  385. 

2  Icones  histiologicae,   p.  89. 

■*  Jenaisclie  Zeitschrift.    Bd.  I  u.  II. 

■•   Ebendaselbst  Bd.  V. 

■'  Zoologische  Beiträge,    p.  3. 

''  Max  Schultze's  Archiv.    Bd.  III,    p.  .500. 

'  Untersuchungen  über  die  erste  Anlage  des  Wirbelthierleibes.  I.  iln  den  Zusätzen  und  Berichtigungen 
ain  Scliluss.)  " 

*  Eierstock  und  Ei,   p.  H3. 

■'  Mem.  de  l'Academie  de  Belgique.    T.  XXXIV. 

'"  Max  Schultze's  Archiv.    B.  V. 


•M 

liiiiitig  nicht  unbeträchtliche  Grössenschwankungen  vorkommen,  so  ist  es  erst  dann  mit  Sichor- 
lieit  zu  erkennen,  \\('nn  sein  längster  Durchmesser  sich  ungefähr  um  tlas  Anderthalljfache  ver- 
grössert  hat  und  zugleich  eine  (iestallveränderung  eingetreten  ist  Tal'.  II  Fig.  5  b].  Die  letztere 
besteht  darin,  dass  die  Höhe  zunimmt,  währenil  die  Breite  relativ  geringer  wird;  auf  die.se 
Weise  bildet  sich  das  urspi'ünglich  Hache  Plättchen  zu  einem  annähernd  keilförmigen  Körper 
um.  des.sen  schärferer  Rand  iumier  nach  aussen  gerichtet  ist.  Ausserdem  treten  an  der  Ober- 
fläche —  bald  nur  an  einei'  Stelle ,  bald  über  die  Basis  und  die  Seitenränder  verbreitet  — 
kuize  spitze  Fortsätze  auf.  Bei  etwas  grössern  Eiern  gehen  diese  Fortsätze  schon  in  hielte 
uniegelmässige  Lappen  über  Taf.  II  Fig.  6),  und  jetzt  findet  sich  oft  inmitten  des  Plasmas  ein 
kreisi'undcr  oder  länglicher  heller  Raum,  der  mit  klarer  Flüssigkeit  erfüllt  ist  und  zuweilen  \on 
frei  ausgespannten  zarten  Plasmafäden  durchzogen  wird.  Ob  die  Bildung  einer  solchen  giossen 
Vacuole  in  diesem  Entwicklungsstadium  des  Eies  constant  stattfindet,  kann  ich  nicht  mit  Sicher- 
heit augeben,  jedenfalls  ist  sie  aber  von  sehr  kurzem  Bestände. 

Mit  dem  weitern  Wachsthum  bis  zu  0,15"""  Länge  nimmt  die  Höhe  nicht  niehi'  zu, 
sondern  der  Eikörper  dehnt  sich  vorheirschend  in  der  Breite  aus;  dabei  entstehen  aber  regel- 
mässig zwei  tief  in  das  Innere  dringende  Einschnitte,  durch  welche  das  Ei  in  zwei  seitliche, 
durch  ein  Mittelstück  verbundene  Hälften  geschieden  wird.  Die  Seitentheile  selbst  sind  auch 
noch  vielfach  ausgezackt  und  zerrissen  (Taf.  II  Fig.  8).  Gleichzeitig  gehen  im  Innern  der  Ei- 
zelle einige  Veränderungen  vor.  Der  stets  in  der  Mitte,  im  Verbindungsstück,  gelegene  Kern, 
das  Keimbläschen,  hatte  bisher  seine  ursprüngliche  Beschaffenheit  und  Grösse  beibehalten,  nun 
fängt  er  an  bedeutend  zu  wachsen,  und  mit  ihm  vergrössert  sich  das  dunkle,  scharf  umschrie- 
bene Kernkörperchen.  Dies  letztere  gehl  jedoch,  nachdem  es  eine  gewisse  Grösse  erreicht 
hat,  zu  Grunde,  wenigstens  entzieht  es  sich  gänzlich  der  Wahrnehmung,  und  der  Kern  erscheint 
als  ein  deutlich  doppelt  contourirtes  Bläschen,  welches  durchaus  gleichmässig  mit  einer  äusserst 
fein  granulirten  schwach  lichtbiechenden  Masse  angefüllt  ist. 

Im  Innern  des  Eikörpers  entstehen  neben  den  kleinen  Plasmakörnchen  unregelmässig 
rundliche  Körper  von  verschiedener  Grösse  (Taf.  II  Fig.  7  u.  8).  Ihr  Aussehen  ist  glänzend,  und 
sie  haben  grosse  Aehnlichkeit  mit  festem  Fett,  wie  man  es  häufig  im  Plasma  findet,  sind  in- 
dessen bestimmt  nicht  fettiger  Natur,  sondern  .scheinen  hauptsächlich  aus  jener  eigenthümlichen 
iMweissverbindung  zu  bestehen,  welche  in  Form  von  Krystallen,  Kugeln  oder  Plättchen  so  weit 
verbreitet,  in  den  Eiern  von  Wirbelthieren  und  Wirbellosen  vorkommt,  imd  die  man  mit  His 
als  Protagon,  oder  mit  Klhne  als  Vitellin  bezeichnen  kann.  Im  Hydraei  zerfallen  sie  bald  nach 
ihrem  Entstehen  wieder,  und  es  bleiben  nur  kleine  Körnchen  im  Plasma  nach. 

Weiterhin  wächst  die  Eizelle  beträchtlich  in  die  Breite  urul  die  Fortsätze  entwickeln 
sich  immer  stärker.  Gemeiniglich  ist  die  Gestalt  des  Eies  jetzt  so ,  dass  man  es  einem 
Schmetterlinge  mit  ausgespannten  Flügeln  vergleichen  könnte :  zwei  Flügel  mit  zerrissenen  und 
gezackten  Rändern  gehen  \on  einem  längern  oder  kürzern  Verbindungstheil  ab  (Taf.  II.  Fig.  9). 
Im  Keimbläschen  erscheint  dicht   unter  seiner  Membran  ein  heller  kreisrunder  flacher  Körper  — 


38 

dei-  Keiuifleck.  Selten  sind  zwei  Keiintlecken  voilianden  und  dann  liegen  sie  ziemlich  nahe 
bei  einander. 

Bei  Hydra  viridis  führen  die  nun  folgenden  Ausscheidungan  im  Plasma  auf  bekannte 
Dinge  zurück;  es  beginnt  die  Bildung  der  Chlorophv likörner.  In  ganz  unregelmiissiger  Weise 
zerstreut,  oft  zahlreich,  oft  auch  ganz  vereinzelt,  liegen  kuglige  Körper  im  Ei,  theils  schon  vou 
grüner  Färbung,  theils,  denen  ahnlich,  die  man  in  den  Entodermzellen  des  Magentheils  von 
H.  grisea  und  aurantiaca  antritl't,  farblos  oder  schwach  gelblich.  Ihr  erstes  Auftreten  kann 
ebenso  gut  im  centralen  Tlieil  des  Eies  wie  in  den  Fortsätzen  statttinden.  Da  sie  gleich  zu 
Anfang  durch  ihr  blasses  helles  Aussehen  leicht  kenntlich  sind,  lässt  sich  constatiren,  dass  sie 
alle  farblos  entstehen  und  die  Ausscheidung  des  Farbstoffes  erst  dann  eintritt,  wenn  das  Plasma- 
kügelchen  seine  definitive  Grösse  erreicht  hat.  Es  stimmt  dies  ganz  mit  den  Beobachtungen 
Hofmeister's  über  die  Entwicklung  der  Chlorophyllkörper  von  Vaucheria  und  Bryopsis    überein. 

Dieser  Vorgang  scheint  mir  von  einiger  Wichtigkeit  für  die  Auffassung  des  Wesens  der 
Eizelle.  Mit  der  Bildung  der  Farbkörner  hat  sich  das  Ei  in  entschiedener  Weise  von  seiner 
Herkunft  losgesagt.  Denn  wir  haben  gesehen,  tlass  der  Assimilationsprocess,  welcher  der  Er- 
zeugung derselben  zu  Grunde  liegt,  ausschliesslich  an  die  Zellen  des  Entoderms  gebunden  ist 
und  selbst  bei  der  abundanfesten  Ernährung  niemals  auf  die  Elemente  des  äusseren  Blattes 
übergreift.  Dem  entsprechend  verhalten  sich  die  Zellen  des  Ovariums  und  bis  zu  einem  gewissen 
Punkte  seiner  Entwicklung  auch  das  Ei.  Wenn  dies  letztere  nun  mit  einem  Male  in  seinem 
Stoffwechsel  eine  so  eclatante  Uebereinstimmung  mit  jenem  der  Zellen  des  Innern  Blattes  zeigt, 
so  dürfen  wir  darin  den  Beweis  erkennen,  dass  das  Ei  schon  frühzeitig,  lange  vor  Eintritt  der 
Befruchtung,  mit  den  physiologischen  Traditionen  des  Gewebes,  aus  welchen  es  hervorging,  ge- 
brochen hat;  es  ist  ein  Gebilde  eigener  Art  geworden,  das  consequenter  Weise  nicht  mehr 
unter  die  Formelemente  eines  Blattes  eingereiht  werden  kann,  genetisch  gehört  es  dem  Ecto- 
derm  an,  physiologisch  besitzt  es  eine  diesem  völlig  fremde  Beziehung  zum  Entoderm.  Da 
vorauszusetzen  ist,  dass  das  Ei,  indem  es  neue  Fähigkeiten  erwirbt,  doch  auch  jene,  deren  es 
durch  seine  Abstammung  theilhaftig  wurde,  bewahrt,  lässt  sich  dasselbe  in  gewissem  Sinne 
als  einheitlicher  Repräsentant  der  beiden  constituirenden  Systeme  des  Körpers  auffassen:  ein 
Verhältniss,  das  um  so  bedeutungsvoller  ist,  als  in  ihm  der  Ausgangspunkt  der  zukünftigen 
reproductiven  Leistungen  der  Eizelle  erscheint.  Dass  das  Ei  sich  im  Laufe  seinei-  Entwicklung 
sehr  bald  von  dem  einseitigen  Character  jener  Zellen,  denen  es  anfangs  gleichwerthig  war, 
entfernen  nuiss,  um  seine  Bestimnumg  erfüllen  zu  können,  ist  a  priori  klar  und  darf  als  all- 
gemeine Thatsache  gelten,  meines  Wissens  tritt  aber  nirgends  die  Umwandlung  mit  solcher 
Schärfe  und  solch  objectiver  Sicherheit  hervoi',  wie  bei  dem  Ei  von  H.  viridis.  Bei  den  beiden 
andern  Arten  verhindert  der  Mangel  gleich  auffallender  Formbestandtheile,  dass  der  Vorgang 
mit  derselben  Prägnanz  sich  manifestirt,  indessen  bezeugt  das  Auftreten  der  sonst  nur  in  den 
Entodermzellen  \  erbreiteten  braunen  und  gelben  Körnchen  im  Ei  deutlich  genug  das  Vorhan- 
densein durchaus  entsprechender  Verhältnisse. 


39 

Die  nächste  Umwandlung;  des  Eies  hetrift't  wieder  zugleicli  seine  Form  und  seinen 
Inhalt.  Die  PlasniaausUiufer  halten  bisher  ihrem  Vohnn  nach  sehr  hinter  der  centralen  An- 
häufung zurückgestanden;  nun  \\ird  das  anders;  diese  Ausläufer  machen  den  Haupttheil  des 
Eies  aus,  sie  entspringen  als  dicke  Stränge  dichtgedrängt  von  dem  verhältnissmässig  kleinen, 
ilas  Keimbläschen  enthaltenden,  ('entrum,  verzweigen  sich  dichotom  und  schieben  sich  weit 
\oi  .  das  Gewebe  des  Eierstockes  auseinanderdrängejid  und  zwischen  sich  aufnehmend.  So 
wird  die  Gestalt  des  Eies  eine  sein-  eigenthiimliche  von  der  gewöhnlichen  Eiform  abweichende, 
es  ist  jetzt  exquisit  amoebiform.  Dabei  hat  es  sich  bis  zu  I """  Durchmesser  vergrössert  und  ist 
dem  unbewaffneten  Auge  wahrnehmbar  als  ein  inmitten  der  weissen  Masse  des  Ovariums  ge- 
legener, bei  H.  viridis  grün  gefärbter,  sternförmiger  Körper. 

Zur  selben  Zeit  entstehen  inl  Innern  des  Eies  sonderbare  Gebilde.  Neben  ilen  Körn- 
chen unil  ('.hlorophyllkörnern  liegen  im  Plasma  eingebettet  scharf  contouiirte  kuglige  Körper- 
chen von  O.Ol — 0.02"""  Durchmesser.  Zerdrückt  man  das  Ei  und  lässt  diese  Körper  in  das 
Wasser  austreten,  so  erkennt  man  oft  schon  eine  dicke  dunkle  äussere  Schicht ,  welche  einen 
hellen  Raum  umschliesst,  der  zum  Theil  aber  wieder  von  einer  dichtem  Masse  ausgefüllt  ist. 
Die  Einwirkung  des  Wassers  verändert  jedoch  bald  ihi-  Aussehen,  und  an  irgend  einer  Stelle 
dringt  allmählich,  ohne  dass  ein  Riss  in  der  Aussenschicht  erfolgt  wäre,  ein  wasserklarer  Tropfen 
heraus.  Nach  Zusatz  geringer  Menge  von  Kali-  oder  Natronlauge  erfolgt  der  Austritt  der 
Innenmasse  raschei',  und  dann  löst  sich  das  ganze  Gebilde  vollständig  auf.  Durch  Behand- 
lung mit  verdünnter  Essigsäure  erhält  uian  einen  klaren  Einlilick  in  den  Bau  der  Körperchen 
Taf.  II  Fig.  \":>e  l'(ß.  Sie  besitzen  eine  dicke  Wandung,  deren  Umfang  bei  passender  Lagerung 
nicht  vollkommen  kuglig,  sondern  an  einer  Stelle  mehr  oder  weniger  deutlich  abgeplattet  er- 
scheint. Hier  ist  die  Basis  eines  der  Wand,  die  hier  oft  verdünnt  ist,  dicht  aufsitzenden  ver- 
schieden gestalteten,  meist  zapfenförmigen  Körpers,  der  tief  in  den  Innenraum  vorspringt.  Der 
letztere  enthält  eine  klare  Substanz,  in  welcher  selten  kleine  Fetttröpfchen,  gewöhnlich  dagegen 
mehrere  theilweise  in  lebhafter  .Molecularbewegung  begriffene  Eiweisskörnchen  suspendirt  sind, 
die  mit  jenen,  welche  frei  im  Plasma  vorkommen,  die  grösste  Aehnlichkeit  haben.  FarbstotTe 
werden  von  der  Hülle  und-  dem  Zapfen  energisch  ind)ibirt,  Jo<Uösung  tVubt  dieselben  Theile 
braun,  dagegen  bleibt  die  eingeschlossene  Substanz  immer  farblos  und  bildet  bei  Zusatz  von 
Alkohol  oder  Säuren  keinen  Niederschlag.  Aus  die.sen  Reactionen  ergiebt  sich  also,  dass  die 
Hohlkugel  und  der  Zapfen  aus  dichter  plasmoider  Substanz  bestehen,  währerul  die  eingeschlos- 
sene Innenmasse  Wasser  ist. 

Diese  Körper  haben  Veranlassung  zu  erheblichen  Missverständnissen  gegeben ;  besonders 
EcKKR  ist  in  einen  verhängnissvollen  Irrthum  verfallen,  indem  er  sie  für  die  echten,  mit  Kern 
und  Membran  veisehenen  Embryonalzellen  erklärte  und  ihre  Entstehung  auf  einen  Furchungs- 
process  des  Eies  zurückführte.  Gegen  diese  Auffassung  eigaben  sich  starke  Bedenken  schon 
aus  der  genauem  Untersuchung  der  Structur  der  ausgebildeten  Körper,  ihre  Entwicklungs- 
geschichte erwies  aber  aufs  Bestimmteste    die  Unrichtigkeit  der  EcKERSchen  Angaben. 


40 

Das  erste  Auftreten  dieser  Körper  —  icli  will  sie  Pseudozellen  nennen  —  findet  in 
regellos  zerstreuten  Gruppen  statt,  die  jedoch  zunächst  auf  die  centralen  Parthieen  der  Aus- 
t,r  laufei-  und  den  Umfang  des  Kerntheils  beschränkt  sind,  während  die  Enden  der  Ausläufei'  und 
die  unmittelbare  Umgebung  dei'  Keimbläschen  frei  bleiben.  Ihre  Entwickelung  verläuft  otfen- 
bar  sehr  rasch,  denn  man  trifft  in  Eiern  von  annähernd  gleicher  Ausbildungsstufe  entweder 
noch  gar  keine  Andeutung  von  ihnen,  oder  sie  sind  schon  in  reichlicher  Zahl  und  meist  in 
fertiger  Gestalt  vorhanden.  Indessen  gelang  es  mir  doch,  mehrere  Eier  aufzufinden,  welche 
unzweifelhafte  und  lückenlose  Entwicklungsreihen  von  Pseudozellen  darboten.  Als  Anfänge  er- 
scheinen sehr  kleine  kuglig  umschriebene  Verdichtungen  im  Plasma,  die  sich  von  den  jungen 
noch  nicht  gefärbten  Chlorophyllkörpern  nur  durch  etwas  stärkeres  Lichtbrechungsvermögen 
unterscheiden.  Indem  sie  sich  vergrössern,  entsteht  in  ihrem  Innern  eine  Höhle  (Taf.  II  Fig.  15a), 
die  zuerst  genau  in  der  Mitte  gelegen  ist,  mit  dem  fortschreitenden  Wachsthum  aber  diese 
centrale  Lage  verlässt  und  sich  an  einer  Stelle  der  Oberfläche  nähert  (i).  Hier  erhel)t  sich 
darauf,  frei  in  die  Höhle  hineinragend,  auf  breiter  Basis  ein  niedriger  kleiner  Kegel  (c) ,  der 
später  eine  ungefäiir  linsenförmige  Gestalt  annimmt  und  endlich  zu  dem  Zapfen  auswächst. 
Da  sich  die  Eiweisskörnchen  schon  früher  ausgeschieden  haben ,  ist  hiermit  die  Entwicklung 
der  Pseudozellen  beendigt.  Dass  sie  keine  Zellen  sind,  unterliegt  keinem  Zweifel,  und  dem 
entsprechend  nehmen  sie  auch  gar  keinen  directen  Antheil  an  dem  Aufbau  des  Embryo,  son- 
dern bleiben  intiacellulare  Formbestandtheile,  die  offenbar  die  Bedeutung  aufgestapeltei-  Re- 
servestofTe  haben  und  allmählich  aufgezehrt  werden. 

Die  vorstehende  Beschreibung  bezieht  sich  auf  die  Pseudozellen  des  Eies  von  H.  viridis, 
jene  tler  H.  grisea  und  aurantiaca  sind  weniger  characteristisch,  da  ihnen,  bei  sonst  gleichem 
Bau,  der  eigenthümliche  Zapfen  fehlt,  an  dessen  Stelle  sich  nur  eine  einfache  Verdickung  eines 
Theiles  der  Wand  findet,  welche  oft  mehr  als  die  Hälfte  des  Innenraums  einnimmt  (Taf.IIFig.1 5  B.b  . 

Trotz  mancher  Verschiedenheiten  liegt  es  nahe,  die  Pseudozellen  morphologisch  den  so- 
genannten Dotterkugeln  der  Eier  der  Wirbelthiere  gleichzustellen,  zumal  auch  die  physiologische 
Bedeutung  beider  Gebilde  auf  dasselbe  hinauszulaufen  scheint.  Indessen  bleibt  fraglich,  ob  ihre 
Bildungsprocesse  identiscli  sind.  Die  Dotterkugeln  sollen  durch  Quellung  der  kleinen  Eiweiss- 
körnchen entstehen ,  welche  nach  GEGENB.\rR  innere  Ausscheidungsproducte  der  Eizelle  ' ,  nach 
Waldever  in  das  Ei  eingedrungene  Bestandtheile  der  Granulosazellen  sind  -.  In  ihrem  Aus- 
sehen und  ihren  chemischen  Eigenschaften  diesen  ganz  ähnliche  Körnchen  sind  auch  im  Plasma 
des  Hydraeies  verbreitet,  jedenfalls  sind  sie  hier  aber  nicht  die  Vorläufer  der  Pseudozellen. 
sondern  diese  werden,  wie  wir  gesehen  haben,  neben  ihnen  als  circumscfipte  Verdichtungen 
des  Plasmas  angelegt. 

In    den    Eiern    anderer    Hydroiden,    die    freilich    alle    in    Alkohol    otler    Go.^oBv'scher 


1  Müllers  Archiv  1861,  p,  491. 

2  Eierslook  und  Ei,  p.  6:5. 
-V  , 


Flüssigkeit  conserviit  waren ,  konnto  ich  bisiier  keine  den  P.soudozellen  vergleichbare  Forni- 
bestandlheile  entdecken.  Dagegen  ersah  ich  aus  der  Beschreibung  und  den  Abbildungen, 
welche  Lieberkihn  von  den  »Keinikörnernc  dei-  Eier  von  Spongilla  giel)t  ',  dass  diese  den  Pseudo- 
zellen  sehr  ähnlich  sind,  und  konnte  mich  an  Alkoholpraparaten  selbst  davon  überzeugen.  Ihr 
Bau  stimmt   in  der  That   vollkommen  mit   dem  der  Pseudozellen   überein. 

Die  Pseudozellenbildung  dauert  in  auf  einander  folgenden  Nachschüben  längere  Zeit  und 
füiirt  zu  einer  dichten  Anfüilung  des  ganzen  Eikörpers,  jedoch  werden  die  einzelnen  Pseudo- 
zellen ,  wenn  sie  auch  noch  so  nahe  zusanmienrücken ,  immer  durch  dazwischenliegendes 
Plasma  getrennt,  und  an  der  Oberfltiche  bleibt  eine  zuletzt  sehr  dünne  Schicht  frei  von  ihnen. 
Dabei  vergrössert  sich  das  Ei  bedeutend,  es  stellt  einen  flachen,  im  grössten  Durchmesser  ca. 
1,3'""  langen  Körper  dar,  der  in  seinem  ganzen  Umfange  in  lauter  Fortsätze  zerfällt  (Taf.  lIFig.  10  . 
Die  Fortsätze  laufen  nicht  mehr  wie  f'rühei'  in  Spitzen  aus,  sondern  sind  an  den  Enden  kolbig 
angeschwollen  und  veischmälern  sich  meist  gegen  ihre  Abgangsstelle,  so  dass  sie  im  Ganzen 
eine  keulenförmige  Gestalt  haben.  Aber  auch  diese  Form  des  Eies  ist  von  kurzem  Bestände: 
bald  nachdem  es  seine  grösste  Flächenausdehnung  erreicht  hat,  wird  die  Masse  der  Fortsätze 
allmählich  in  den  Kerntheil  eingezogen,  das  Ei  wölbt  sich  halbkuglig  mit  glatter  Oberfläche  nach 
aussen  vor,  während  an  seiner  dem  Entoderm  zugewandten  etwas  concaven  Fläche  noch  einige 
dünne  und  spitzige  Ausläufer  sitzen ;  endlich  verschmelzen  auch  sie  mit  der  Hauptmasse,  und 
diese  rundet  sich  zu  einem  breiten  Ovoid  ab,  dessen  Spitze  gegen  das  Entoderm  gerichtet 
ist    (Taf.  II  Fig.  1 6  . 

Wir  haben  das  Keimbläschen  \erlassen  als  ein  Bläschen  mit  deutlich  doppeil  con- 
tourirter  .Membran  und  einem  gleichmässig  verbreiteten  granulirten  Inhalt .  in  welchem  eben 
der  Keimfleck  aufgetreten  wai'.  In  diesem  erscheint  bald  darauf  ein  auffallend  stark  licht- 
brechendes Körperchen  iTaf.  II  Fig.  I  I  .  das  die  grösste  Aehnlichkeit  mit  einem  Oeltrüpfchen 
hat  (ScHRöN'sches  Korn!.  Nach  kurzer  Zeit  schwindet  es  wiedei-.  Das  Keimbläschen  wächst 
bis  zu  0,06"""  Durchmesser  an,  und  zugleich  vollzieht  sich  eine  Sonderung  seiner  Innenmasse. 
Der  grössere  Theil  derselben  zieht  sich  von  der  .Membran  zurück  und  sanunelt  sich  als  ein 
dichter  Klumpen  um  den  Keimfleck  an.  während  auf  dei-  .Membran  nur  ein  dicht  anliegender 
äusserst  dünner,  aber  ununterbrochener  Ueberzug  der  plasmoiden  .Masse  nachbleibt.  Der 
Zwischenraum  ist  von  wasserklarer  Flüssigkeit  erfüllt,  jedoch  steht  die  Wandschicht  vermittelst 
zahlreiciier  zarter  Fäden,  welche  den  Flüssigkeitsraum  durchsetzen,  mit  der  .Vnhäufung  um  di-n 
Keimfleck  in  Verl)indung  Taf.  II  Fig.  \i  .  .  In  diesem  Zustande  hat  das  Keimbläschen  eine  frap- 
pante Aehnlichkeit  mit  vielen  Pflanzenzellen  oder  jenen  Zellen ,  die  HAr.KEi.  als  Knorpel  der 
Medusen  und  Lieiierkihn  aus  der  Chorila  des  Fro.sches  beschrieben  liabcii.  Bei  der  Grösse 
des  Keimbläschens  ist  es  leicht,  dasselbe  zu  isoliren  und  dei'  Behandlung  mit  chemischen 
Reagentien  zu  unterwerfen.     Der  körnige   Inhalt   verhält   sich   ihnen  gegenüber  ganz  wie  dichtes 


'  Müllers  .\rcliiv  18.06.  p.   1  t. 

Kleinenberg,  Hydri. 


42 

Plasma,  die  lielle  Zwischenniasse  tritt  in  allen  wasserentzielienclen  Losungen  exosmotisch  voll- 
ständig aus,  die  Membran,  welche  eine  sehr  bedeutende  Festigkeit  und  Eiasticität  besitzt,  nimmt 
weder  Farbstoffe  auf,  noch  bräunt  sie  sich  mit  Jod.  in  ihrer  Resistenz  gegen  Säuren  und 
Alkalien  nähert  sie  sich  den  Hörn-  und  Chitinsubstanzen. 

Zu  der  Zeit  ungefähi-,  wenn  im  Ei  die  Pseudozelleubildung  beendigt  ist,  tritt  eine  rück- 
gängige Metamorphose  des  Keimflecks  ein ,  er  verliert  seinen  kreisförmigen  Umfang  und  wird 
unregelmässig  eckig,  seine  Substanz  erscheint  wie  geronnen,  dann  zerfällt  sie  in  kleine  Stück- 
chen, und  diese  werden,  wie  ich  glaube  annehmen  zu  dürfen ,  aufgelost.  Das  Keimbläschen 
selbst,  das,  so  lange  das  Ei  den  flachen  amoebifoiinen  Körj)er  bildete,  im  Centrum  desselben 
lag,  wird  mit  der  Abrundung  des  Eiköi'pers  excentrisch  gegen  den  nach  aussen  gerichteten 
Pol  gedrängt,  wo  es  dicht  an  der  Oberfläche  nur  von  einer  ganz  dünnen  Plasmaschicht  über- 
zogen liegt.  Hier  beginnt  nun  auch  seine  Rückbildung,  die  in  völligen  Schwund  ausläuft.  Der 
körnige  Inhalt  verflüssigt  sich  meiir  und  mehr,  zugleich  tritt  ein  Theil  desselben  dun'h  die 
.Membran  aus,  denn  diese,  die  bisher  prall  gespannt  wai-.  sinkt  zu  einem  meist  eiförmigen  Schlauch 
zusammen,  dessen  Wandung  verdickt  und  stellenweise  gefaltet  ist  Taf.  H  Fig.  13).  Die  noch 
übrig  gebliebene  compacte  Innenmasse  löst  sich  darauf  in  einzelne  glänzende  Körper  auf,  von 
rundlicher  oder  eckigei'  Foiin  und  sehr  verschiedener  Grösse,  z\>ischen  denen  hin  und  wieder 
Tröpfchen  eines  flüssigen  Fettes  zerstreut  sind.  Die  festen  Partikeln  Hessen  sich  in  Kalilauge 
leicht  auflösen,  dagegen  konnte  ich  ihre  Löslichkeit  in  Aether  nicht  mit  Sicherheil  feststellen. 
Der  microchemische  Nachweis  von  Fett  durch  Aether  ist  übrigens  oft  sehr  schwierig,  besonders 
wo  man  es,  wie  in  diesem  Falle,  mit  Substanzen  zu  thun  hat,  die  in  unlösliche  Membranen 
eingehüllt  sind.  Ich  bin  sehr  geneigt,  die  fraglichen  Körper  für  Fett  oder  doch  für  jene  eigen- 
thümliche  Modification  eiweisshaltiger  Stoffe,  welche  wir  als  sicheren  Vorläufer  der  Verfettung 
aus  so  vielen  pathologisch  veränderten  Geweben  kennen ,  zu  erklären ,  und  demgemäss  den 
Schwund  des  Keimbläschens  auf  eine  fettige  Degeneration  zurückzuführen.  Einmal  glaube  ich 
in  diesem  Stadium  eine  Oelfnung  in  der  Membran  gesehen  zu  haben :  wenn  dies  ein  normaler 
Befund  ist,  wäre  es  möglich,  dass  auch  ihr  fester  Inhalt  austritt  und  in  das  umgebende  Plasma 
aufgenommen  wird.  Was  aus  der  .Membran  selbst  wird,  kann  ich  nicht  sagen;  jedenfalls  ist 
aber  das  ganze  Keimbläschen  schon  lange  vor  Eintritt  der  Befruchtung  bis  auf  jede  S|)ur  ver- 
schwunden. 

Hand  in  Hand  mit  dem  Wachsthum  des  Eies  vollzieht  sich  eine  Reihe  von  Verände- 
rungen in  den  umliegenden  Geweben.  Gleich  bei  .Beginn  der  Eibildung  vergrössern  sich  die 
im  Umfang  des  Ovariums  gelegenen  Zellen  des  Entoderms  bedeutend  und  füllen  sich  dicht 
mit  grossen  Massen  von  Chlorophyllkörnern  an.  Diese  zerfallen,  es  erfolgen  neue  Nachschübe, 
und  wenn  das  Ei  seine  deflnitive  Grösse  erreicht  hat,  bestehen  die  Entoderrazellen  unter  ihm 
zum  grösslen  Theil  ihrer  Masse  aus  den  dunklen  Excretkörnchen,  so  dass  der  ganze  Bezirk 
fast  schwarz  erscheint  —  ein  hübscher  Beleg  für  den  intensiven  Stoffwechsel,  der  sich  auf 
diese  Stelle  concentrirt. 


43 

Das  Wachsthuin  des  üvariunis  dauert,  naclidem  das  Ei  entstanden  ist ,  noch  eine  Zeil 
lang  fort,  jedoch  vermehren  sich  seine  Zellen  nicht  niehi-,  sondern  die  vorliandenen  und  Ije- 
sonders  jene  kleinen  in  den  Randwülsten  aufgehäuften  Zellen  nehmen  an  Grösse  zu  und  breiten 
sich  in  Form  von  Plättchen  aus.  Späterhin  (juellen  sie  etwas,  ihr  Plasma  bekommt  ein  eigen- 
thümlich  glasiges  Ansehen,  der  Kern  wird  grobkörnig,  es  scheitlen  sich  einzelne  Fettlröpfchen 
aus  und  endlich  zerfallen  sie,  dem  Ei  offenbar  reichlich  Nahrung  darbietend.  Beim  Durchbruch 
des   Eies    ist   das  Organ    bis    auf  einige    zerstreute   spärliche  Ueberreste   zu  Grunde   gegangen. 

Die  äussere  Schicht  des  Ectoderms,  die  das  Ovarium  überzieht,  erfährt  nur  passive 
Veränderungen,  indem  sie  durch  den  Druck  des  wachsenden  Eies  sackförmig  ausgestülpt  wird 
und  so  als  dichtanliegende  Hülle  das  Ei  umschliesst  (Taf.  II  Fig.  16  «).  Der  zellige  Bau  dieser 
Schicht  tritt  jetzt  auch  schon  während  des  Lebens  sehr  deutlich  hei-\or.  Nun  ist  aber  wol  zu 
beachten,  dass  das  Ovarium  und  das  Ei  von  Hause  aus  zwischen  jener  oberflächlichen  Zelllage 
des  Ectoderms  und  der  Aluskellamelle  eingeschaltet  liegen:  bei  der  enormen  Ausdehnung,  die 
das  Ei  gewinnt,  und  bei  der  Abrundung  desselben  werden  die  Zellkörper,  welche  seine  Hülle 
zusammensetzen,  weit  aus  ihrer  ursprünglichen  Lage  verdrängt,  und  da  ihre,  in  der  Lamelle 
verlaufenden,  Muskelfortsätzc  auf  der  innern  Seite  des  Eies  sich  belinden,  so  können  diese 
nur  entweder  von  den  Zellkörpern  abreissen,  oder  sie  müssen,  wenn  sie  dem  Zuge  der 
letztem  folgen  sollen ,  aus  ihrer  Verliindung  gelöst  und  zugleich  seitlich  verschoben  werden. 
Dies  findet  in  der  That  statt.  Nach  Behandlung  mit  verdünnter  E.ssigsäure  ist  es  sehr  leicht, 
die  Hülle  von  dem  Ei  abzuheben;  man  sieht  dann,  dass  auf  der  innern  Fläche  derselben  eine 
Schicht  feiner  Fasern  sich  ausbreitet,  und  isolirt  man  die  einzelnen  Elemente,  so  erhält  man 
lauter  Zellen,  die  einen  deutlichen  Kern  enthalten,  und  in  einen  oder  mehrere  sehr  feine  oft 
korkzieherartig  gewundene  plasmatische  Fortsätze  auslaufen  (Taf.  II  Fig.  14).  Die  Länge  der- 
selben variirt  beträchtlich,  ist  aber  inuner  sehr  bedeutend  —  bis  zu  0,2""".  Was  mir  mit 
Anwendung  künstlicher  Alittel  nie  in  der  Vollkon)menheit  gelingen  wollte,  ist  hier  auf  natürlichem 
Wege  durch  den  ganz  allmählich  sich  steigernden  Druck  des  wachsenden  Eies  geleistet:  die  Neuro- 
muskelzellen  werden  mit  vollständiger  Erhaltung  wenigstens  eines  iMuskelfortsatzes  frei  präparirt, 
freilich    mit  Verlust    des  noinialen   gegenseitigen    Lageverhältnisses    beider  Theile  der  Zelle. 

Die  Bildungsgeschiclite  des  Hydraeies  war  bisher  ziemlich  unbekannt,  und  was  darüber 
in  einzelnen  Angaben  vorliegt,  ist  meist  nicht  richtig.  Dass  dem  Ei  die  Bildung  eines  beson- 
dern Organs  vorausgeht,  dass  das  Ei  sich  erst  aus  einer  Zelle  dieses  Ovariums  entwickelt  und 
nicht  unmittelbar  aus  einem  ursprünglichen  Formelement  des  Körpers,  ist  von  den  frühern  Be- 
obachtern übersehen  worden.  Leydig  scheint  das  Ei  in  seiner  amoeboiden  Gestalt  gesehen  zu 
haben,  denn  er  sagt :  »Unter  dei'  glashellen  farblosen  Cutis  sannnelt  sich  nach  und  nach  Dotter- 
masse an.  Letzteres  geschieht  unter  der  Bildung  von  ornamenten-ähnlichen  Formen«  '.  Auch 
hat  er  das  Keimbläschen  aufgefunden  -. 


1  Die  Dotterfurclning  n:\cli  iliriMii  VurkdiiiiiuMi  in  der-  Tliierwoll  und  n.icli  iliirr  nmlonliing.    Isis  I8i8,  p.  164. 

2  Ml  bin  liier  in  dor  si-llenon  l,:ii;(\  die  rHdnliil  diT  Knldcckniii;  oiiios  Anlors  gegen  den  .\ulor  selbsl  verlhei- 


(i 


44 

Ecker  ist  wol  \orherr,sclieiul  ilurcli  die  falschen  Anschauungen,  welche  er  sicli  von  dem 
liau  des  Hydrakörpers  gebildet  hatte,  veriiindert  worden,  eine  richtige  Erkenntniss  des  Wesens 
und  der  Bedeutung  des  Eibildungsprocesses  zu  gewinnen.  Die  erste  Anlage  des  Eies  erfolgt 
nacli  ihm  durch  Ablagerung  kleiner  Dolterkörnchen,  die  in  der  glashellen  äussern  Körperschicht 
zerstreut  umher  liegen  »und  durch  eine  sarcodeartige  Substanz  zu  einer  zähen  Masse  verbun- 
den sind«.  Wenn  das  Ei  eine  .schwache  Erhebung  darstellt,  treten  in  dieser  Doltermasse  helle 
blaschenföimige  Kerne  mit  Kernkörperchen  auf.  Diese  vermehren  sich  durch  Theilung,  und 
indem  sich  darauf  die  Substanz  des  Eies  um  die  eingestreuten  Kerne  ansammelt,  zerfallt  das- 
selbe allmählich  in  eine  Menge  theils  kugliger,  theils  durch  gegenseitigen  Druck  abgellachter 
|)olygonaler  Körper.  Dies  ist  der  Furchungsprocess  der  Hydraeies,  und  jene  Körper  sind  die 
Fuichungskugeln.  Letztere  besitzen  zunächst  noch  keine  Membran,  aber  noch  ehe  das  Ei  sicli 
vollkommen  abgerundet  hat .  umgeben  sie  sicii  mit  einer  solchen  und  wandeln  sich  damit  zu 
Embryonalzellen  um,  die  theils  frei,  theils  »einzeln  oder  zu  mehreren  in  inselförmigen  Massen 
einer  durchsichtigen  Intercellularsubstanz  einge.schlossen«  sind  '. 

Ich  habe  mir  Mühe  gegeben,  diese  Angaben  auf  wirklich  vorhandene  Verhältnisse  zurück- 
zuführen, und  ich  meine,  das  ist  mir  auch  gelungen.  Was  Ecker  für  die  erste  Anlage  des  Eies 
hält,  ist  das  ganze  Ovarium.  Bei  ungenügender  Präparation  erscheint  da.sselbe  allerdings  als 
eine  dem  Ectodeim  eingebettete,  unregelmässige,  dunkelkörnige  Masse,  und  die  geringe  Grösse 
der  Zellen,  namentlich  aber  ihrer  Kerne,  sowie  die  Beschaffenheit  des  Plasmas  erschweren  das 
Erkennen  der  Stiuctur.  Die  Kerne ,  welche  im  Ei  auftreten  sollen .  sind  zwar  Kerne,  aber 
weder  neuentstanden,  noch  zum  Ei  gehörig  —  es  sind  die  alten,. nur  grösser  und  deuthcher 
gewordenen  der  Zellen  des  Ovariums.  Die  Annahme  freier  Kerne  kann  durch  die  geringe 
Mächtigkeit  des  Zellkörpers  begünstigt  werden.  Das  spätere  Wachsthum  dieser  Zellen  hat 
Ecker  als  Ansammlung  von  Dottermasse  um  präformirte  Kerne  aufgefasst  und  ilen  Process  für 
die  Furchung  erklärt.  Ganz  gewiss  sind  tlie  »Furchungskugeln« ,  die  er  beschreibt  und  in 
Fig.  VIII  seiner  Tafel  abbildet,  nichts  anderes,  als  Zellen  des  Ovariums,  welche  durch  den 
Eintluss  von  Wasser  zu  dickern,  mehr  rundlichen  Körpern  aufgequollen  sein  mögen.  Dass  aus 
ihnen  sich  die  sogenannten  Embi  yonalzellen  entwickeln,  ist  eine  irrthümliche  Annahme,  die  nur 
bei  Voraussetzung  sehr  oberflächlicher  Beobachtungen  erklärlich  erscheint.  In  den  Ecker'- 
schen  Embryonalzellen  haben  wir  schon  früher  jene  merkwürdigen  Formbestandtheile  des  Ei- 
plasmas,   die    Pseudozellen,   erkannt    und   zugleich    ihre  Entstehung   und  Bedeutung  angegeben: 


(ligen  zu  müssen.  Leydig  hat  niimlich  späterhin  dem  enlsrliieilenen  Widerspriicli  v.  Siebold  s,  Laurents  und  beson- 
ders EcKERS  gegenüber  seine  Behauptung  zurückgenonmien  und  zugegeben,  dass  er  durch  ein  zufiilMg  in  die  zer- 
drückte Dottermasse  gerathenes  zelliges  Element  getäuscht  worden  sein  könne  ;Naturge.schichte  der  Daphniden,  p.  63, 
Anmerk.j  Ich  glaube,  dass  er  zu  misstraui.sch  gegen  seine  Jugendarbeit  gewesen  ist.  Denn  bei  der  Grösse  und  leichten 
Isolirbarkeit  des  Keimbläschens,  bei  der  Unmöglichkeit,  es  mit  irgend  einem  andern  Formbeslandtheil  des  Hydrakörpers 
zu  verwechseln,  ist  es  gewiss  schwieriger,  dasselbe  zu  übersehen,,  als  es  zu  finden. 

1  Enlwicklungsg.  d.  g.  Armpolypen,  p.  H. 

2  Ibid.  p.  13. 


45 

die  angebliche  dicke  Zellmembran  ist  die  plasmoide  Wand ,  der  wandstandige  Kern  ist  die 
zapfenförmige  Verdickung,  und  der  ziihtlüssige  Zellleib  ist  dei'  wiissrige  Inhalt  derselben.  Es 
ist  eine  eigenthümliche  Tücke  des  Schicksals,  dass  Ecker,  wahrend  er  die  Existenz  aller  der 
verschiedenartigen,  den  Hydrakörper  zusammensetzenden  Zellen  stricte  leugnet,  gerade  jene 
Gebilde  für  Zellen  comme  il  taut  anerkennen  musste,  die  weder  in  ihrer  (ienese,  noch  in  ihrem 
Bau.  noch  in  ihren  physiologischen  Leistungen  irgend  wie  dem  (".haracter  von  Zellen  entsprechen. 
Neuerdings  hat  man  behauptet ,  dass  die  ausgebildeten  Eier  aller  Thieie  nicht  Zellen, 
sondern  zusammengesetzte  Bildungen  seien.  Mit  Rücksicht  darauf  habe  ich  auch  beim  Hjdraei 
die  Möglichkeit  eines  Zusammentretens  geneti.sch  ungleichartiger  Formbestandtheile  fortwahrend 
scharf  in's  Auge  gofasst.  aber  ich  brauche  nur  auf  den  geschilderten  Entwicklungsgang  hinzu- 
weisen, um  die  Thatsache  zu  begründen,  dass  das  Ei  der  Hydra,  trotz  all  der  wichtigen  Um- 
\\andlungen,  die  sich  in  ihm  vollziehen,  doch  den  morphologischen  Werth,  welchen  es  im 
Augenblick  seines  Entstehens  aus  einer  indilferenten  Zelle  des  üvariums  besass,  durchaus  bei- 
behalt ,  dass  es  mit  einem  Wort  eine  einfache  Zelle  Ijleibt  —  die  sich  indessen  von  allen 
übrigen  gerade  durch  den  hohen  Grad  ihrer  ebenso  sehi-  selbständigen  wie  vielseitigen  Aus- 
bikhmg  und  Entwicklungsfähigkeit  unterscheidet. 

Kann  demnach  jener  Satz  als  allgemeines  Gesetz  nicht  bestehen,  so  fragt  .sich,  inwie- 
weit er  überhaupt  Berechtigung  hat.  Die  morphologische  Gleichwerthigkeit  der  Eier  ist  das 
Fundament  der  vergleichenden  EntvAicklungsgescliichte  unti  in  weiterer  Instanz  auch  das  der 
\eigleichenden  Anatomie.  Wenn  die  Entstehung  und  dei-  Bau  des  Vogeleies  derart  wtire.  wie 
His  angenommen  hat,  wenn  dasselbe  wirklich  aus  einem  Hauptdotter  und  einem  Nebendotter 
bestände,  die  beide  ebenso  verschieden  in  ihrem  Ursprünge  wie  in  dem  selbständigen  Antheil, 
welchen  sie  an  dem  .\ufbau  des  Embryonalleibes  nehmen,  sind,  dann  wäre  sein  Vergleich  mit 
einer  einfachen  Eizelle  als  unstatthaft  zurückzuweisen  und  consequenterweise  auch  die  Gleich- 
stellung der  aus  dem  einem  oder  dem  andern  hervorgegangenen  Bestandtheile  des  Thierleibes 
höchstens  in  ganz  beschränktem  Sinne  möglich.  Die  His'sche  Theorie  hat  in  der  ausgezeich- 
neten Arbeit  Waldeyer's  ihre  Widerlegung  gefunden,  aber  von  andern  Gesichtspunkten  aus  ver- 
iheidigt  Waldeyer  selbst  die  Lehre  vom  zusammengesetzten  Bau  dei'  Eier  auf's  Entschiedenste. 
Es  kann  meine  Absicht  nicht  sein,  hier  eine  eingehende  Kritik  seiner  Beweisführung  zu  ver- 
suchen, zumal  meine  Erfahrungen  über  die  Eibildung  in  den  verschiedenen  Classen  des  Thier- 
reichs  nicht  umfas.send  und  vollständig  genug  sind,  um  mich  auf  sie  zu  berufen.  Nur  eine 
Bemerkung  möge  man  mir  gestatten.  Waldeyer's  Hauptgrund  ist  dei':  in  das  Plasma  der 
jungen  Eizelle  Primordialei)  dringen  —  wahrscheinlich  —  Bestandtheile  der  Granulosaepithel- 
zellen  ein.  und  diese  werden  nicht  assimiliit,  sondern  bleiben  erhalten  und  gestalten  sich  durch 
einige  Veränderungen  zu  den  (nichtzelligen !)  Elementen  des  sogenannten  Nebendotters ;  folglich 
ist  das  reine  Ei  keine  einfache  Zelle,  sondern  ein  aus  zwei  genetisch  ungleichartigen  Factoren 
zusammengesetztes  eigenthüniliches  Gebilde.  Ich  will  annehmen,  die  Einwanderung  solcher 
Theilchen   der   Granulosazellen   sei    eine    ausgemachte   Thatsache  —  auch  dann  erscheint  dieser 


46 

Schluisri  durchaus  \^illku^lich.  Denn  es  steht  Nichts  der  Auffassung  entgegen,  die  in  jenem 
Vorgang  nur  einen  besondern  Modus  der  Ernährung  anerkennen  will,  durch  welchen  die  ur- 
sprüngliche morphologische  Werthigkeit  des  Eies  in  keiner  Weise  alterirt  werden  kann.  Seit- 
dem wir  wissen,  dass  die  meisten  thierischen  Zellen  nicht  in  geschlossene  feste  Membi-anen 
eingehüllt  sind,  besteht  die  Nöthigung  nicht  mehr,  ihre  Ernährung  nur  durch  endosmotische 
Aufnahme  von  Lösungen  vermittelt  zu  denken.  Beobachtung  und  Experiment  haben  im  Gegen- 
theil  bewiesen,  dass  viele  Zellen  feste  Körper,  die  man  ihnen  darbietet,  mit  grosser  Energie 
sich  einzuverleüjen  im  Stande  sind,  und  Waldeyer  sagt  selbst:  »Ich  halte  es  für  sehr  wahr- 
scheinlich, dass  nicht  bloss  die  Epithelzellen  der  GR.^Ar'schen  Follikel,  sondern  auch  die  Epi- 
thelien  vieler  anderer  Organe  einen  Theil  ihres  Wachsthums-,  Vermehrungs-  und  Ernähruugs- 
matei'ials  auf  diese  Weise  beziehen  und  also  vom  Blute  aus  nicht  bloss  getrankt,  sondern  auch 
re  vera  mit  fester  Kost  gespeist  werden«  '.  Wenn  daher  das  Eindringen  fester,  von  benach- 
barten Zellen  abgeschiedener  Nährstoffe  in  den  Eikörpei-  nichts  dem  Begriff  der  Zelle  wider- 
sprechendes ist,  so  kann  doch  auch  unmöglich  darin  dieser  Widerspruch  liegen,  dass  die  auf- 
genommenen Theilchen  nicht  gleich  verschwinden,  sondern  längere  Zeit  formell  erhalten  bleiben. 
Warum  sollte  das  bei  andern  Zellen,  wenn  ihre  Einnahmen  über  den  augenblicklichen  Bedarf 
hinausgehen,  nicht  auch  vorkommen?  Und  gesetzt,  hier  läge  wirklich  ein  nur  dem  Ei  eigen- 
thUmliches  Verhalten  vor:  dürfte  dies  genügend  sein,  um  dasselbe  in  der  ganzen  Bedeutung 
seiner  ursprünglichen  morphologischen  und  physiologischen  Individualität  wesentüch  zu  ver- 
ändern? Ich  glaube  kaum.  Die  Thatsache  an  sich  wäre  keineswegs  wunderbar,  sondern  leicht 
verständlich.  Um  seinen  zukünftigen  Leistungen  nachkommen  zu  können,  ist  das  Ei  genöthigt, 
so  lange  die  Gelegenheit  noch  geboten  ist,  so  viel  als  möglich  krafthaltige  Stoffe  vom  mütter- 
lichen Körper  an  sich  zu  reissen.  Diese  unmittelbai'  umzusetzen  und  zu  verwerthen  besitzt  es 
in  seinem  zeitweiligen  Zustande  keine  Veranlassung  oder  vielleicht  nicht  einmal  die  Fähigkeit : 
sie  werden  unverändei-t  eingespeichert  oder  in  leichter  voiläufiger  Bearbeitung  aufbewahrt,  ein 
wichtiger  Reservefond  für  die  reiclilichen  Ausgaben  kommender  Zeiten  der  Entwicklung.  Wo, 
wie  beim  Hydraei ,  die  Nahrungsmittel  wol  ausschliesslich  in  gelöster  Form  bezogen  werden, 
auch  da  sehen  wir,  wie  die  Thätigkeit  des  Zellleibes  nicht  auf  übermässiges  ausbreitendes 
Wachsthum  gerichtet,  sondern  durch  innere  Ausscheidungen  und  Condensirungen  des  aufge- 
nommenen Stoffes  für  die  Zukunft  besorgt  ist. 

Die  Durclibreeliuiig  der  EihüUe  und  die  Befruchtung. 

Bald  nach  dem  Verschwinden  des  Keimbläschens  zieht  sich  das  Ei  zusammen,  indem 
es  eine  nicht  unbeträchtliche  Menge  wasserklarer  Flüssigkeit  ausstö.sst,  welche  sich  zwischen 
seiner  Oberfläche  und  der  Eihülle  ausbreitet.  Regelmässig  werden  dabei  auch  ein  paar  Theil- 
chen  der   Eisubstanz    selbst   herausgepresst,    kleine   Plasmakügelchen ,    in    welchen    meist    eine 


1  Eiersfwk  und  Ei,  n.  68. 


Pseudozelle  eingebettet  ist.  Sie  sind  entwedei-  in  das  Gewebe  der  Hülle  eingedrückt  oder 
liegen  frei  in  dem  mit  Flüssigkeit  erfüllten  Flächenraum.  Es  sind  dies  die  von  den  Eiern 
vieler  anderen  Tliiere  bekannten  sogenannten  Richtungsbläschen;  ganz  bedeutungslos  füi'  die 
weitere  Entwicklung  des  Eies  gehen  sie  langsam  zu  Grunde. 

Durch  die  Ausscheidung  der  Flüssigkeit  ist  die  Spannung  der  Eihulle  offenbar  niclit 
vermindert,  sondern  im  Gegentheil  wahrscheinlich  noch  erhöht  woiden.  Denn  kurze  Zeil  darauf 
weichen  die  Zellen  am  Scheitelpunkt  der  Hülle  aus  einander,  es  entsteht  eine  ziemlich  enge  Oetl- 
nung.  durch  welche  die  Flüssigkeit  sofort  abtliesst.  Die  Hülle  legt  sich  wieder  dicht  der  Ober- 
lläche  des  Eies  an  und  übt  einen  starken  Druck  auf  dasselbe  aus.  in  Folge  dessen  ein  Theil 
des  leicht  verschiebbaren  Eiplasraas  in  die  Lücke  hineingedrängt  wird,  welche  es  wie  ein 
Propf  verschliesst.  Indem  immer  mehr  Masse  von  innen  nachrückt,  erhebt  sich  der  austretende 
Theil  des  Eies  zunächst  papillenartig  über  das  Niveau  der  Hülle,  dann  rundet  er  sich  kuglig 
ab.  das  Ei  erhält,  in  der  Mitte  eingeschnürt,  eine  sanduhiförmige  Gestalt,  und  endlich  liegt  es 
ganz  frei  nach  aussen.  Es  ist  klar,  dass  bei  diesem  Ereigniss  das  Ei  sich  durchaus  passiv 
verhält :  vermöge  der  Contractilität  ihrer  ^luskelfortsätze  zieht  sich  die  Hülle  zusammen  und 
zugleich  über  das  Ei  weg,  welches  unter  bedeutender  Aenderung  seiner  Form  durch  die  vor- 
her entstandene  enge  Oeffnung  hinausgedrückt  wird.  Wenn  man  sich  den  Vorgang  vorstellt, 
wie  das  Zusammensinken  eines  liohlen,  an  einer  Stelle  durchbohrten  Gummiballes,  aus  welchem 
man  durch  Einstülpen  der  Wand  von  einer  Seite  her  alle  Luft  vertreibt,  so  hat  man  zugleich 
ein  ungefähres  Bild  des  schalenförmigen  doppelwandigen  Organs,  das  aus  der  Hülle  des  Hydia- 
eies  entsteht.  In  der  centralen  Oeft'nung  der  concaven  äussern  Wand  dieses  »Fussgestells«  oder 
Eiträgers  bleibt  ein  kleiner  in  eine  Spitze  ausgezogener  Theil  des  Eikörpers  stecken  und  wird 
hier  durch  den  Druck  des  umgebenden  contractilen  Gewebes  festgehalten ;  mir  scheint  wenig- 
stens das  starke  Haften  des  Eies  an  dem  mütterlichen  Körper  aus  der  Ailhäsion  der  sehr 
beschränkten  Berührungsflächen  allein  nicht  erklärlich. 

Das  frei  in  das  Wasser  hineinragende  nackte  Ei  wird  nun  auch  befruchtet.  Einzelne 
Hoden  entleeren  ihren  Inhalt  in  der  früher  beschriebenen  Weise,  die  Spermatozoon  verbreiten 
sich  im  Wasser,  und  wo  sie  mit  dem  Ei  in  Berührung  konmien ,  setzen  sich  ihre  Köpfe  an 
der  Oberfläche  desselben  fest,  während  die  peitschenden  Schwingungen  des  Fadens  noch 
längere  Zeit  fortdauern.  Ein  wirkliches  Eindringen  der  Samenkörper  in  das  Ei  habe  ich 
nicht  beobachten  können.  Da.ss.  wie  M.\x  Schlltze  beschreibt,  das  Thier  bei  der  Befruch- 
tung das  orale  Ende  seines  Körpers  krümmt  und  indem  es  die  Hoden  gegen  das  Ei  presst, 
dieses  mit  Samen  übergiesst,  mag  wol  einmal  zufällig  vorkommen,  Regel  ist  es  nicht ;  nebenbei 
ist  Max  Schultze  im  Irrthum ,  wenn  er  glaubt,  in  den  von  ihm  beschriebenen  Fällen  die  Be- 
fruchtung gesehen  zu  haben,  da  er  bestimmt  gar  nicht  das  Ei,  sondern  den  mit  einer  dicken 
Schale  umgebenen  gefurchten  Keim  vor  sich  gehabt  hat  '. 


Beobachtung  der  Samentliierchen.  der  Eibildung,  der  Selbstbefruclitung  und  des  Auskriechens  der  Jungen 


4S 

Esi  ist  eine  interessante  in  der  Neuzeit  vielfach  geprüfte  Frage,  wo  bei  Hernia[)hro(liten 
Selbstbefruchtung,  wo  wechselseitige  Befruchtung  stattfindet.  Dass  die  Hydra  zu  den  selbst- 
befruchtenden Zwittern  gehört,  kann  keinem  Zweifel  unteiliegen,  da  auch  bei  Thieren,  die  in 
strengster  Isolirhaft  sassen,  die  Eier  sich  normal  entwickelten.  Andrerseits  kommen,  wie  ich 
schon  erwähnte,  ausnahmsweise  Exemplare  voi\  .welche  gar  keine  Hoden  bilden :  wurden  diese 
frühzeitig  isolirt,  so  gingen  die  Eier,  wie  vorauszusehen  war,  zu  Grunde,  lebten  sie  dagegen 
in  Gemeinschaft  mit  herma|)hioditischen  Genossen ,  so  vollzog  sich  der  Entwicklungsgang  des 
Eies  ganz  regelmässig.  Hier  war  also  sicher  die  Befruchtung  von  einem  andern  Individuum 
ausgegangen. 

Die  Furchung. 

Die  Form  des  Eies  von  Hydra  viridis,  wenn  es  eben  die  Hülle  verlassen  hat,  ist  ge- 
wöhnlich die  eines  mehr  als  halbkugligen  Segments,  auf  dessen  Schnittfläche  ein  in  der  zurück- 
gezogenen Hülle  steckender,  niedriger  Kegel  aufsitzt.  Man  kann  diese  Form  im  Allgemeinen 
bestimmen  durch  drei  einander  rechtwinklig  schneidende  Linien,  von  denen  die  erste  von  der 
Spitze  des  Kegels  zu  dem  gegenüber  liegenden  Punkte  der  Kugeloberfläche  geht,  also  in  die 
Richtung  eines  Radius  des  Querschnitts  des  mütterlichen  Körpers  fällt;  die  zweite  ein  Durch- 
messer des  grössten  Kreises  des  Kugelabschnitts  und  der  Längsaxe  des  Thiers  parallel ;  die 
dritte  gleichfalls  ein  Durchmesser  des  grössten  Kreises,  aber  der  Tangente  an  dem  Berührungs- 
punkte des  Eies  mit  dem  Körper  parallel  ist.  Dei'  Bequemlichkeit  wegen  werde  ich  diese 
Linien  kurz  als  ersten,  zweiten  und  dritten  Durchmesser  des  Eies  bezeichnen. 

Die  früheste  wahrnehmbare  Veränderung  geht  an  dem  vom  Körper  abgewandten  Ende 
des  ersten  Durchmessers  vor  sich :  es  entsteht  hier  eine  flache  Erhebung,  die  sich  gegen  ihre 
Umgebung  deutlich  abgrenzt  und  bald  eine  glatte  Oberfläche,  bald  eine  schwindende  und  wieder 
auftretende  Runzelung  zeigt  (Taf.  IV  Fig.  1  .  Nach  kurzer  Zeit  verliert  sich  die  Begrenzung,  es 
lässt  sich  jedoch  nachweisen ,  dass  eine  Verlängerung  des  Eies  in  der  Richtung  des  ersten 
Durchmessers  stattgefunden  hat  und  fortdauert ,  so  dass  dieser  Durchmesser ,  der  bisher  der 
kleinste  war,  der  grösste  wird  und  das  Ei  die  Form  eines  Ellipsoids  annimmt,  dessen  dem 
Körper  zugewandter  Pol  in  eine  kleine  Spitze  au.sgezogen  bleibt  (Taf.  IV  Fig.  2).  Hat  die  Ver- 
längerung des  ersten  Durchmessers  eine  Zeit  lang  gedauert  und  einen  gewissen  Höhepunkt  er- 
reicht, so  tritt  eine  rückläufige  Bewegung  ein ;  dei-  zweite  und  diilte  Durchmesser  vergrössern 
sich  auf  Kosten  des  ersten,  und  das  Ei  nähert  sich  wieder  der  Kugelform.  Indem  diese  er- 
reicht ist .  oder  auch  etwas  später  entstehen  plötzlich  da ,  wo  die  erste  Erhebung  stattfand, 
zwei  bis  drei  zarte  pseudopodienartige  Fortsätze,  und  gleichzeitig  bemerkt  man  zwischen  den- 
selben eine  flache  Vertiefung,  deren  Längsrichtung  so  verläuft,  dass  eine  obere  und  untere 
Hälfte  des  Eies  markirt   wird  —   wenn  man  nämlich  den  tentakelti-agenden  Theil  des  Thiers  als 


von  Hydra;  Anliaiig  zu  der  HoRNScmxH'sctien  Uebersetzung  von  Stee.nstri'p's  Untersuchungen  über  das  Vorkommen 
des  Hermaphroditismus  in  der  Natur  1816,  p.  117. 


49 

oben,  den  Fuss  als  unten  bezeichnet.  Die  Ränder  dieser  ersten  Anlage  der  Furche  (Taf.IV  Fig.  3) 
erheben  sich  ein  wenig,  zahlreichere  Fortsätze  gehen  von  ihnen  aus,  die  sich  über  den  Eingang 
der  Furche  zusammen  wölben  und  ihn  verengen,  ohne  jedoch  einen  Verschluss  hersustellen. 
Dabei  nähern  sich  die  Ränder  einander,  so  dass  aus  der  flachen  Einsenkung  eine  schmale  Rinne 
entsteht,  die  in  der  Profillage  als  scharfer  keilförmig  in  das  Ei  eindringender  Spalt  erscheint. 
Indem  darauf  die  Furclie  peripherisch  und  in  die  Tiefe  fortschreitet,  erweitert  sich  ihr  Grund 
wieder  und  flacht  sich  ab;  der  scharfe  Einschnitt  geht  in  einen  breiten  rundlichen  Ausschnitt 
über,  dessen  offene  Seite  von  stumpfzackigen  Ausläufern  eingefasst  undbeti-ächtlich  verengt  ist 
(Taf.  IV  Fig.  4).  Dies  sehr  eigenthümliche  Bild  ist  auch  nur  von  kurzer  Dauer,  die  Fortsätze 
werden  allmählich  eingezogen,  die  Furche  wird  immer  schmäler,  bis  sie  wieder  einen  feinen, 
nun  aber  schon  ziemlich  tiefen  Spalt  darstellt.  Hat  dieser  ungefähr  den  dritten  Theil  des  Eies 
durchschnitten,  so  legen  sich,  von  aussen  beginnend,  seine  Seitenflächen  an  einander  und  ver- 
schliessen  die  Furche  bis  auf  den  vordringenden  Grund,  welcher  bei  passender  Lagerung  immer 
ein  offenes  Lumen  erkennen  lässt,  die  Furche  sieht  wie  ein  den  Eikörper  quer  durchbohrender 
enger  Canal  aus.  Die  Trennungsflächen  berühren  sich  in  ihrer  bei  weitem  grössten  Ausdeh- 
nung und  adhäriren  sehr  fest,  so  dass  bei  dem  Versuche,  sie  aus  einander  zu  ziehen,  meist  das 
Plasma  einreisst;  nach  innen  bleibt,  wie  gesagt,  nur  der  Grund  der  Furche  offen,  und  äusser- 
lich  deutet  bloss  eine  oft  schwer  wahrzunehmende  feine  Linie  die  Trennung  an.  Die  Umgebung 
des  Grundes  ist  mit  mehr  oder  weniger  zahlreichen  kommenden  und  schwindenden  Pseudo- 
podien besetzt,  und  gegen  Ende  der  Theihmg  wird  die  Furche  wiederum  breiter  und  öffnet 
sich  mehr.  Schliesslich  sind  beide  Seiten  nur  durch  eine  schmale  Brücke  verbunden,  diese 
wird  immer  mehr  ausgezogen :  endlich  reisst  sie  durch  und  damit  ist  die  Theilung  des  Eies  in 
zwei  Keimzellen  vollendet. 

Mit  der  Ausbildung  der  Furche  ist  eine  fortwährende  Veränderung  der  Gesamratform 
des  Eies  verknüpft,  und  zwar  findet  eine  Vergrösserung  des  zweiten,  auf  der  Trennungsebene 
senkrecht  stehenden,  Durchmessers  mit  proportionaler  Abnahme  der  beiden  andern  Durchmesser 
statt.  Ich  habe  eine  grosse  Reihe  möglichst  genauer  Messungen  angestellt,  welche  beweisen, 
dass  dies  Verhalten  ein  entschieden  gesetzmässiges  ist,  was  sich  bei  jedem  Ei,  auch  der  beiden 
andern  Arten,  uiit  nur  sehr  wenigen  Abweichungen  wiederholt.  Freilich  konnten  meistens  nur 
die  beiden  gleichzeitig  zu  übersehenden  Durchmesser  bestimmt  werden,  den  dritten,  dessen 
Richtung  in  die  Axe  des  Microscops  fällt,  mit  gleicher  Genauigkeit  zu  messen,  gelingt  nicht 
immer,  da  die  nothwendige  Umlagerung  des  Eies  nicht  leicht  ist  und  oft  so  viel  Zeit  erfordert, 
dass  die  Messung  für  den  Vergleich  mit  der  vorherigen  der  beiden  andern  Durchmesser  un- 
brauchbar wird.  Soviel  lässt  sich  aber  mit  völliger  Sicherheit  constatiren,  dass  die  Tiefe  der 
Furche  stets  im  geraden  Verhältniss  zur  Grösse  des  zweiten,  im  umgekehrten  zu  der  des  ersten 
und  dritten  Durchmessers  steht.  Die  beiden  eben  entstandenen  Keimzellen  liegen  mit  ihren  ebenen 
Trennungsflächen  fest  an  einander  und  bilden  zusammen  einen  cylindrischen-  Körper  mit  abgerun- 
deten Enden,  dessen  Höhe  sich  zu  seinem  Durchmesser  ungefähr  wie  9  :  13  verhält  (Taf.  III  Fig.  1 7). 

Kleinenberg,  Hydra.  ~ 


50 

Der  ganze  Vorgang  vom  ersten  Erscheinen  dei'  Furche  bis  zur  vollendeten  Theilung 
dauert  2 — 2V2  Stunden.  Dann  runden  sich  gevvöhnhch  auch  die  Trennungstlachen  der  beiden 
Zellen  ab,  diese  nehmen  Kugelform  an,  und  dadurch  wird  die  gegenseitige  Berührung  entweder 
vollständig  oder  bis  auf  einen  Punkt  aufgehoben.  In  dieser  Form  ruhen  sie  eine  kurze  Zeit, 
bis  neue  Bewegungen  die  Bildung  der  zweiten  Furche  einleiten.  Zuweilen  habe  ich  jedoch 
diesen  Ruliezustand  vermisst  und  die  Keimzellen  bereiteten  sich  unmittelbar  nach  Beendigung 
der  ersten  Theilung  zur  zweiten  vor.  Ihre  Bewegungen  sind  jetzt  äusserst  lebhaft  und  fuhren 
nicht  allein  zu  Formveränderungen,  sondern  auch  zu  Locomotionen,  indem  die  Lage  der  beiden 
Zellen  sowohl  zu  einander  als  auch  zum  mütterlichen  Körper  sich  ändert.  Die  Pseudopodien- 
bildung  ist  viel  entwickelter  als  bei  der  ersten  Theilung,  sie  geht  meist  von  den  Trennungs- 
tlachen aus,  und  dann  sind  die  Fortsätze  zart  und  dünn,  aber  auch  von  den  übrigen  Flächen 
erheben  sich  vielfach  niedrige  Buckel  auf  breiter  Basis  Fig.  IV  Fig.  8 — M).  Bewegungen  der 
festen   Einschlüsse  des  Plasmas  lassen  sich  sehr  deutlich  wahrnehmen. 

Während  dessen  findet  eine  Verlängerung  des  dritten  Durchmessers  statt,  und  die  beiden 
näher  rückenden  Zellen  legen  sich  der  Länge  nach  an  einander.  Der  dritte  Durchmesser  wächst, 
der  erste  und  zweite  nehmen  ab.  Wenn  diese  Formveränderung  eine  gewisse  Ausdehnung 
erreicht  hat,  beginnt  jederseits  eine  unregelmässige  von  vielen  Pseudopodien  besetzte  Einsenkung 
der  Innenflächen  der  beiden  Zellen,  die  sich  bald  zu  einem  quer  verlaufenden  Spalt  gestaltet. 
Das  weitere  Einschneiden  desselben  geschieht  in  ganz  ähnlicher  Weise  wie  bei  der  ersten 
Theilung,  nur  steht  hier  der  dritte  Durchmesser  senkrecht  auf  der  Theilungsebene,  und  dieser 
vergrössert  sich  in  dem  Maasse,  wie  die  Theilung  vorrückt.  Die  Vollendung  der  Trennung 
durch  Zerreissen  des  letzten  verbindenden  Plasmastranges  lässt  sich  hier  genauer  beobachten 
als  bei  dem  ersten  Furchungsstadium ,  wo  die  zuletzt  erhaltene  Verbindung  von  dem  Eiträger 
verdeckt  war;  man  sieht,  wie  der  Strang  brückenartig  über  den  Grund  der  Furche  ausgespannt 
ist.  Die  Uebergangspunkte  desselben  in  die  Masse  der  entstehenden  Zellen  entfernen  sich  von 
einander,  die  Furche  wird  breiter  und  der  Strang  länger  und  dünner.  Oft  währt  diese  Be- 
wegung nicht  ununterbrochen  fort,  sondern  die  Theile  nähern  sich  wieder,  und  dann  wird  das 
Verbindungsstück  auch  kürzer  und  dicker,  zuletzt  gehen  aber  die  Uebergangss teilen  so  weit 
aus  einander,  dass  die  Dehnung  zu  stark  wird:  an  irgend  einer  Stelle,  meist  da,  wo  ein  grösserer 
eingelagerter  Körper  die  Cohäsion  des  Plasmas  beeinträchtigt,  reisst  der  Strang,  seine  beiden 
Theile  runden  sich  an  den  Enden  knopfförmig  ab  und  verschwinden  rasch  in  der  Masse  der 
Zellen. 

Die  Pseudopodienbildung  hört  nun  auf;  die  vier  eben  entstandenen  Keimzellen  nehmen 
Kugelform  an  und  liegen,  sich  nur  an  einzelnen  Punkten  berührend,  den  Winkeln  eines  Quadrats 
entsprechend  angeordnet  in  einer  Ebene. 

Die  Zeitdauer  der  zweiten  Theilung  beträgt  3 — 3V2  Stunden,  jedoch  verhalten  sich  beide 
Seiten  nicht  ganz  gleich  —  die  eine  pflegt  der  andern  ujn  einige  Minuten  voraus  zu  sein. 

Aus  der  eben  beschriebenen  Anordnung  der  vier  Zellen  geht   durch  Verlängerung  der- 


51 

selben  in  der  Richtung  des  ersten  Durchmessers  und  Verlust  des  kreisförmigen  Umfangs  mit 
gleichzeitigem  Auseinanderrücken  eine  Form  des  Keims  hervor,  welche  als  typisch  für  die 
Viertheilung  von  den  Eiern  vielei'  Thiere  bekannt  ist :  es  ist  dies  eine  durch  zwei  meridionale 
Furchen  zerlegte,  aus  vier  Sectoren  zusammengesetzte  Kugel  Taf.  lU  Fig.  I  8  .  Dieser  Zustand 
ist  die  Einleitung  zur  Bildung  der  dritten  äquatorialen  Furche.  Die  Entwicklung  derselben  ist 
schwer  in  ihren  Einzelheiten  zu  verfolgen,  da  sie,  wie  die  zweite  meridionale  und  alle  folgen- 
den, von  den  nach  dem  Mittelpunkte  des  Keims  gerichteten  Flächen  der  Zellen  ausgeht  und 
durch  die  Undurchsichtigkeit  der  Eimasse  dem  Anblick  entzogen  ist.  Die  Pseudopodienbildung 
ist  nicht  sehr  lebhaft,  die  Vollendung  der  Theilungen  durch  Zerreissen  der  Brücken  geht  ebenso 
wie  in  den  früheren  Stadien  vor  sich.  Hierauf  runden  sich  alle  acht  Zellen  zu  Kugeln  ab  und 
ordnen  sich  nach  den  Ecken  eines  Würfels  an.  Später  rücken  sie  mehr  zusammen  und  platten 
ihre  Berührungsflächen  ab,  wählend  die  Aussenflächen  gekrümmt  bleiben.  Der  Keim  wird  in 
Folge  dessen  wieder  kuglig. 

Von  jetzt  ab  lassen  sich  die  Theilungen  unmittelbar  nicht  mehr  beobachten,  man  muss, 
um  eine  Uebersicht  der  immer  zahlreicheren,  den  Keim  zusammensetzenden  Theile  zu  gewinnen, 
das  Aneinanderhaften  derselben  vermittelst  verdünnter  Säuren  beseitigen,  und  dadurch  wird 
natürlich  die  Weiterentwicklung  aufgehoben,  sowie  eine,  wenn  auch  im  Ganzen  nicht  bedeu- 
tende Veränderung  der  Formen  hervorgerufen.  Leicht  lässt  sich  indessen  feststellen ,  dass  die 
zunächst  entstehenden  Theilungsebenen  so  situirt  sind,  dass  sie  zwei  in  gleichen  Abständen  vom 
Aequator  verlaufende,  Breitenkreisen  entsprechende,  Furchen  darstellen.  Die  vierte  Furchungs- 
periode  führt  also  zur  Bildung  von  sechzehn  Zellen.  Doch  ist  nun  die  Isochronie  der  Einzel- 
theilungen schon  beträchtlich  gestört:  man  findet  nur  selten  Keime  von  sechzehn  Zellen,  ge- 
wöhnlich sind  neben  einer  Anzahl  Sechzehntel-Zellen  noch  mehrere  Achtel-Zellen  vorhanden; 
letztere  zeigen  aber  immer  durch  einen  mehr  oder  weniger  tiefen  Einschnitt,  dass  sie  in  Thei- 
lung  begriffen  sind  und  sich  nur  etwas  verspätet  haben.  Weiter  besteht  der  Keim  aus  zwei- 
unddreissig  Zellen,  dann  aus  vierundsechzig  u.  s.  w. ,  woraus  hervorgeht,  dass  auch  in  den 
späteren  Stadien  der  Modus  der  Zell  Vermehrung  die  überall  gleichmässige  Zweitheilung  ist. 

Die  Form  des  Keims  bleibt  von  der  Vollendung  der  Aequatorialfurche  ab  im  Allgemeinen 
kuglig,  nur  hin  und  wieder  drängen  sich  einzelne  Zellen  nach  aussen  vor  und  machen  den 
Contour  unregelmässig;  die  Gesammtform  entspricht  also  nicht  mehr  den  Formveränderungen 
der  Zellen,  die  den  früher  beschriebenen,  mit  Ausnahme  der  fast  völlig  mangelnden  Pseudo- 
podienbildung durchaus  analog  sind.  Bei  jeder  Zelle  ist  stets  der  Durchmesser,  welcher  auf 
der  Trennungsfläche  senkrecht  steht,  der  Tiefe  der  Continuitätstrennung  proportional  verlängert. 
Dass  die  Uebereinstimraung  der  Form  des  Ganzen  mit  der  der  constituirenden  Theile  fehlt,  er- 
klärt sich  einfach  aus  der  Anordnung  der  letzteren,  deren  Theilungsebem?n  nicht  mehr  parallel 
liegen  können. 

Die  Beschaö'enheit  der  Oberfläche  des  Keims  wechselt  mit  der  Zahl  der  Zellen,  bei 
zweiunddreissig  hat   sie   das  höckerige  Aussehen   der  »Maulbeerform«   (Taf.  HI  Fig.  19),   später 


52 

wird  sie  immer  feinkörniger  und  endlich  ganz  glatt.  Diese  Ausglättung  ist  nicht  etwa  nur 
scheinbar,  hervorgerufen  durch  extreme  Kleinheit  der  Zellen,  diese  sind  im  Gegentheil  nach 
der  definitiven  Beendigung  der  Furchung  noch  verhältnissmässig  gross,  sondern  es  findet  factisch 
eine  Ausfüllung  der  Zwischenräume  an  den  Zellengrenzen  statt,  indem  einzelne  Zellen  mit  mem- 
branösen  Fortsätzen  auf  die  runde  Oberfläche  der  benachbarten  übergreifen.  Ohne  Anwendung 
von  Reagentien  ist  der  Keim  in  diesem  Zustande  gar  nicht  von  dem  ungefurchten  Ei  zu  unter- 
scheiden. 

Die  Keimzellen  sind  ihrer  Zusammensetzung  nach  unveränderte  Theile  des  Eies :  wie 
dieses  besteht  jede  derselben  aus  der  plasmatischen  Grundsubstanz ,  welcher  Dotterkörnchen, 
Chlorophyllkörner  und  Pseudozellen,  je  nach  ihrer  Grösse,  in  grösserer  oder  kleinerer  Zahl  ein- 
gelagert sind.  Nur  schien  mir,  dass  die  Gesammtzahl  der  Chlorophyllkürner  vermindert  wäre. 
Liesse  sich  dies  sicher  nachweisen,  so  wäre  wol  anzunehmen,  dass  aus  ihnen  die  relativ  gewiss 
sehr  bedeutende  mechanische  Kraft,  die  für  die  zahlreichen  und  andauernden  Theilungen  nöthig 
jSt,  durch  den  Stoffwechsel  disponibel  gemacht  wird. 

Nach  Beendigung  der  Furchung  lassen  sich  zwei  Formen  von  Keimzellen  unterscheiden: 
die  einen  sind  ziemlich  hoch,  einem  Cylinderepithel  ähnlich;  sie  bilden  als  einschichtige  Lage  die 
Oberfläche  des  Keims;  die  andern,  polygonal  durch  gegenseitigen  Druck  abgeplattet,  setzen  die 
innere  Hauptmasse  desselben  zusammen.  Alle  diese  Zellen  sind  nackte  und  anfangs  auch  kern- 
lose Plasmastücke.  Nachdem  sie  einige  Stunden  unverändert  geblieben  sind,  bemerkt  man, 
besonders  deutlich  an  den  prismatischen  Zellen  der  äussern  Lage,  einen  heflen  kreisrunden 
Fleck,  der  sich  bei  näherer  Betrachtung  als  ein  kugliger  Tropfen  einer  ganz  klaren,  stark 
eiweisshaltigen  Flüssigkeit  zu  erkennen  giebt.  Bei  diesen  Zellen  liegt  er  immer  nahe  unter  der 
freien  Oberfläche,  bei  den  andern  gleichfalls  excentrisch  an  einer  Seite.  Später  schliesst  jeder 
Tropfen  ein  stark  lichtbrechendes  Körperchen  ein,  zuweilen  auch  zwei.  Es  unterliegt  wol 
keinem  Zweifel,  dass  diese  Gebilde  als  Kerne  aufzufassen  sind,  hi  Bezug  auf  ihre  Genese  habe 
ich  durch  vergleichende  Messungen  und  Zählungen  festgestellt,  dass  sie  nachträglich  in  vorher 
kernlosen  Zellen  entstehen  und  sich  nicht  gleichzeitig  in  allen  Zellen  des  Keims  bilden,  sondern 
zuerst  in  den  oberflächlichen  und  erst  nach  und  nach  in  den  centralen.  Anfänglich  erscheinen 
sie  blass  und  haben  keine  ganz  deutliche  Abgrenzung  gegen  das  Plasma,  bald  aber  wird  die- 
selbe sehr  scharf,  und  indem  zugleich  ihr  Lichtbrechungsvermögen  zunimmt,  setzen  sie  sich  be- 
stimmt von  dem  Zellkörper  ab.  Diese  Entstehungsweise  entscheidet  gegen  eine  Möglichkeit, 
die  ich  berücksichtigen  zu  müssen  glaubte,  nämlich  die  Verwandlung  von  Pseudozellen  in  kern- 
ähnliche Bildungen;  eine  Annahme,  welche  dadurch  noch  besonders  nahe  gelegt  war,  dass  in 
diesem  Stadium  der  Entwicklung  ein  Theil  der  Pseudozellen  zu  schwinden  beginnt.  Fand  eine 
Umwandlung  statt,  so  mussten  sich  auch  Uebergangsformen  auffinden  lassen.  Die  Jüngern  Zu- 
stände der  Kerne  mussten  einen  doppelten  Contour  und  Ueberreste  des  Zapfens  zeigen.  Da 
dies  nun  nicht  der  Fall  ist,  stammen  sie  sicher  nicht  von  den  Pseudozellen  ab.  Ebenso  wenig 
dürfen   sie  mit   dem  Keimbläschen,  dessen    Schicksale  bis    zu    seinem    frühzeitigen    Untergange 


53 

wir  ja  verfolgt  haben,  in  Verbindung  gebracht  werden,  sondern  sie  entstehen,  unabhängig  von 
irgend  welchen  präexistirenden  Formelementen  in  den  Zellen,  als  innere  Ausscheidungen  einer 
eiweissreichen  Substanz.  Eine  solche  »freie«  Entstehung  der  Kerne  hat  nichts  Befremdendes, 
sie  ist  in  neuerer  Zeit  an  thierischen  Zellen  vielfach  beobachtet  worden,  und  für  die  der  Pflanzen 
hat  man  diese  Bildungsweise  der  Kerne  geradezu  zum  allgemeinen  Gesetz  erhoben. 

In  Vorstehendem  habe  ich  die  formelle  Umbildung  des  Eies  zum  Keim  beschrieben,  ich 
werde  nun  den  Vorgang,  der  diesen  Veränderungen  zu  Grunde  liegt,  die  Kräfte,  welche  bei 
der  Furchung  thätig  sind,  zu  erörtern  versuchen. 

Von  vornherein  ist  klar,  dass,  da  das  Ei  eine  Zelle  ist,  der  Zerfall  desselben  in  gleich- 
werthige  Theile,  die  Furchung  als  eine  Zelltheilung  aufzufassen  ist.  Die  Theilung  besteht  in 
der  Aufhebung  der  Cohäsion  an  einer  oder  mehreren  Stellen  einer  Plasmamasse,  die  zur  voll- 
kommenen Scheidung  in  gleichartige  neue  Zellen  führt.  Die  Trennung  könnte  sowol  durch 
Kräfte,  die  von  aussen  her  auf  das  Plasma  wirken,  als  auch  durch  solche,  die  in  ihm  selbst 
thätig  sind,  veranlasst  werden,  und  beide  dieser  Möglichkeiten  haben  in  der  Wissenschaft  ihre 
Vertretung  gefunden.  Zur  Zeit,  als  man  die  Membran  für  einen  integrirenden  Bestandtheil  der 
Zelle  hielt,  wurde  die  Zelltheilung  durch  Scheidewandbildung  von  der  Membran  aus  für  die 
Norm  erklärt  und  seitens  der  Botaniker  der  Vorgang  in  einer  grossen  Reihe  von  Fällen  de- 
tailhrt  beschrieben,  während  die  Zoologen  allerdings  immer  genöthigt  waren,  auf  Beobachtungen 
zu  verzichten  und  ein  analoges  Verhalten  der  thierischen  Zelle  aus  theoretischen  Gründen  zu 
supponiren.  Diese  Auffassung,  die  von  vielen  Erscheinungen  an  sich  theilenden  Pflanzenzellen 
augenscheinlich  gestützt  wurde,  lag  nahe  genug,  so  lange  man  in  dem  Plasma  nicht  mehr  als 
blossen  Zellinhalt  sah.  Mit  dem  Nachweis  membranloser,  nur  aus  einem  Plasmaklümpchen  be- 
stehender Zellen  wurde  aber  ihre  Allgemeingültigkeit  bedenklich  in  Frage  gestellt.  Man  konnte 
nur  zu  der  Annahme  seine  Zuflucht  nehmen,  dass  die  nackten  Zellen  aus  membranversehenen 
hervorgingen  oder,  dass  sich  während  der  Theilung  in  der  nackten  Zelle  eine  nachher  schwin- 
dende Scheidewand  bilde ;  die  Beobachtung  widerlegte  jedoch  diese  dogmatischen  Constructionen 
und  stellte  fest,  dass  der  Theilungsprocess  ohne  jede  Betheiligung  einer  Membran  vor  sich 
gehen  könne.  Damit  wurden  denn  auch  Zweifel  angeregt,  ob  wirklich  bei  den  membranver- 
sehenen Zellen  die  Membran  das  die  Theilung  Bedingende  sei,  oder  ob  nicht  auch  hier  die 
Theilung  vom  Plasma  ausgeführt  werde  und  die  Membranbildung  erst  nachträglich  als  etwas 
Secundäres  hinzutrete.  Genaue  Untersuchungen  bestätigten  diese  Vermuthung  so  vollständig, 
dass,  wenn  auch  factisch  bei  einigen  Pflanzenzellen  Theilung  des  Plasmas  und  Scheidewand- 
bildung räumlich  und  zeitlich  untrennbar  erscheinen,  der  Satz  mit  der  grössten  Sicherheit  auf- 
gestellt werden  konnte,  dass  die  Zelltheilung  sich  überall  durch  eigene  Thätigkeit  des  Plasmas 
imabhängig  von  der  Membran  vollzieht. 

Max  Schcltze,  dem  wir  so  viel  für  die  wissenschaftliche  Auffassung  des  Zellenlebens  zu 
danken  haben,  war  der  erste,  der  mit  Entschiedenheit  die  Furchung  für  eine  Bewegungs- 
erscheinung des  Plasmas  erklärte.     Die  Furche  soll  entstehen  durch  erst  oberflächlich  und  cir- 


54 

cumscript  auftretende,  allmählich  sich  verbreitende  Contractionen  des  Dotters  '.  Was  Schlltze 
unter  Contractionen  versteht,  hat  er  leider  nicht  ausgesprochen,  doch  geht  aus  seiner  Definition 
des  Wortes  Contractilität  hervor,  dass  er  alle  organischen  Bewegungen,  welche,  von  der  Elasti- 
cität  allein  nicht  abhängend,  nur  im  lebenden  Zustande  beobachtet  werden,  mit  diesem  Namen 
belegt.  Daran  wäre  nun  nichts  auszusetzen,  wenn  nämlich  Contraction  eine  bestimmte  Be- 
wegungsform bedeutete  und  der  Nachweis  geliefert  wäre,  dass  alle  Plasmabewegungen  nach 
diesem  einen  Modus  verlaufen.  Keine  dieser  beiden  Bedingungen  ist  aber  erfüllt.  Der  Sprach- 
gebrauch bedient  sich  des  Wortes  Contraction  zur  Bezeichnung  der  heterogensten  Erscheinungen, 
nämlich  besonders  1 .  der  Volumverringerung  in  Folge  von  Flüssigkeitsaustritt  oder  durch  thermische 
Einflüsse;  2.  der  Oberflächenverkleiuerung  bei  gleichbleibendem  Volum,  wie  sie  beim  Uebergang 
in  die  Kugelform  stattfindet;  3.  der  Formveränderung  eines  cylindrischen  oder  prismatischen 
Körpers,  hervorgerufen  durch  Verkürzung  des  Längsdiirchmessers  mit  gleichzeitiger  proportio- 
naler Zunahme  des  Querschnitts.  (Muskelbewegung.)  Ohne  nähere  Bezeichnung  lässt  sich  daher 
bei  dem  Ausdruck  Contraction  gar  nichts  denken,  oder  doch,  nur  ganz  willkürlich,  einer  der 
angeführten  Vorgänge.  Vor  dieser  Alternative  stehen  alle  jene  Forscher,  welche  dies  Wort 
ohne  Weiteres  für  jede  Plasmabewegung  acceptiren,  und  in  der  That  haben  sie  beinahe  noch 
die  günstigste  Wahl  getroffen,  wenn  sie  bald  mehr,  bald  weniger  klar  ausgesprochen  Con- 
traction und  Muskelbewegung  identificiren,  eine  Auffassung,  die  auch  durch  den  Umstand  be- 
günstigt war,  dass  man  bis  vor  nicht  zu  langer  Zeit  keine  andern  »lebendigen«  Bewegungen 
als  die  der  Muskeln  genauer  kannte  und  daher  jedes  sich  activ  bewegende  Gebilde  für  einen 
Muskel,  oder  doch  wenigstens  für  »muskulöser  Natur«  erklärte.  Der  Nachweis  entschieden 
einzelliger  beweglicher  Organismen,  sowie  die  folgenreiche  Feststellung  der  wesentlichen  Ueber- 
einstimmung  des  beweglichen  Plasmas  der  Thier-  und  Pflanzenzelle  beweisen  aber  unwider- 
leglich, dass  die  Beweglichkeit  keineswegs  ausschliessliches  Vorrecht  des  Muskels,  sondern  eine 
fundamentale  Eigenschaft  der  organischen  Substanz  im  Allgemeinen  ist.  Es  wäre  unsinnig,  eine 
Amoebe  oder  eine  Pflanzenzelle  als  Muskel  zu  betrachten,  aber  die  Behauptung,  dass  alle 
activen  Plasmabewegungen  nach  Art  der  Muskelzuckung  verlaufen,  wird  von  den  Anhängern 
der  Contractilitätstheorie  festgehalten.  ■  Ihren  schärfsten  Ausdruck  hat  diese  Meinung  durch 
Kühne  gefunden  ^  und  insofern  auch  den  berechtigtesten ,  als  er  bei  den  Myxomyceten  nach- 
gewiesen zu  haben  glaubte,  dass  die  Körnchenströmung  in  den  Stämmen  eine  passive  Be- 
wegung ist,  hervorgerufen  durch  active  Contractionen  der  peripherischen  Ausbreitung,  und  dass 
diese  letzteren  das  Kriterium  der  Muskelcontraction,  die  Verkürzung  unter  Zunahme  des  Quer- 
schnitts besitzen.  Kühne  bestätigt  damit  die  schon  früher  von  Brücke  ausgesprochene  Ansicht, 
dass  die  Plasmaströmimgen  ein  der  Contraction  des  Blutes  in  den  Gefässen  vergleichbares  Phä- 
nomen   seiend     Diese  Angaben    sind  jedoch    von   den    Botanikern   (Hofmeister,  Nägeli,  Sachs) 


1  Observationes  nonnullae  de  ovoruni  ranarum  segmentatione  quae  »Furchungsprocess«  dicitur  1863,  p.  10. 

2  Untersuchungen  über  das  Protoplasma  und  die  Contractilität  1864. 

3  Die  Elementarorganisnien.   Sitzungsber.  d.  Acad-  d.  Wiss.  zu  Wien.   Bd.  XLIV,  p.  381. 


55 

so  gründlich  widerlegt  worden,  und  es  ist  in  der  That  so  leicht,  sich  an  geeigneten  Objecten 
von  der  Unhaltbarkeit  dersejben  zu  überzeugen,  dass  es  mir  genügend  erscheint,  ohne  weitere 
Erörterungen  zu  constatiren,  dass  die  Muskelcontraction  ein  von  den  Bewegungen  der  Myxo- 
myceten,  Amoeben,  Pflanzenzellen  u.  s.  w.  durchaus  verschiedener  Vorgang  ist. 

Kühne  meint :  »Man  mag  einen  Unterschied  zwischen  geformten  contractilen  Substanzen 
und  ungeformten  festhalten,  und  dabei  zwei  grosse  Gruppen  scheiden,  solche,  welche  nur 
kleine,  einfach  lichtbrechende  Körnchen  enthalten,  und  solche,  die  doppelt  lichtbrechende  Dis- 
diaklasten  enthalten,  immer  wird  man  anerkennen  müssen,  dass  die  eigentliche  Grundsubstanz, 
in  welche  die  kleinen  festen  Körper  eingebettet  liegen,  in  beiden  Gruppen  einige  Eigenschaften 
besitzt,  die  wir  in  der  Muskelsubstanz  und  in  den  contractilen  Theilen  aller  Thiere  und  selbst 
der  Pflanzen  wiederfinden.«  Den  letzten  Theil  dieses  Satzes  unbedingt  zugegeben,  scheint  es 
mir  doch  passender,  den  wesentlichen  Unterschied  zwischen  geformter  und  ungeformter  »con- 
tractiler  Substanz«  oder  zwischen  Muskelsubstanz  und  allem  andern  Plasma  in  der  Verschieden- 
heit der  Bewegungserscheinungen  und  nicht  in  dem  Vorhandensein  oder  Mangel  von  Dis- 
diaklasten,  deren  Bedeutung  uns  vorläufig  ganz  unbekannt  ist,  zu  suchen.  Die  . Uebereinstim- 
mung  so  vieler  chemischer  und  physiologischer  Reactionen  beweist,  dass  wir  es  überall  im 
Thier-  und  Pflanzenreich  mit  einem  und  demselben  lebendigen  Stoß",  dem  Plasma,  zu  tlum 
haben,  dass  Nerv  und  Muskel,  Bindegewebskörperchen  und  Pflanzenzelle,  von  Hause  aus  gleich- 
artig, nur  Modificationen  dieser  einen  Substanz  sind.  Von  diesem  Grundsatz  au.sgehend  stellt 
sich  besonders  der  Physiologie  die  Aufgabe,  das  Specifische  einer  jeden  dieser  Modificationen, 
das,  wodurch  sie  sich  von  allen  übrigen  unterscheidet,  zu  untersuchen  und  festzustellen.  Diese 
Frage  kann  für  die  Muskelsubstanz  als  gelöst  betrachtet  werden.  Dieselbe  ist  jedem  andern 
Plasma  gegenüber  chaiacterisirt  durch  die  Einseitigkeit  ihrer  Bewegung,  welche  stets  als  Ver- 
kürzung unter  Zunahme  des  Querschnitts  sich  darstellt.  Während  bei  einer  Amoebe,  einem 
Bindegewebskörperchen  u.  s.  w.  jedes  Theilchen  seiner  Masse  nach  jeder  Richtung  beweglich 
ist,  findet  die  Lageveränderung  der  Molecüle  des  Muskels  immer  nur  in  der  einen  bestimmten 
Direction  statt,  und  da  wir  wissen ,  dass  die  allseitige  Beweglichkeit  eine  Eigenschaft  des  in- 
diff"erenten  Plasmas  ist,  muss  ^  die  Muskelsubstanz  als  eine  Modification  desselben ,  in  welcher 
eine  eigenthümtiche  Anordnung  der  Molecüle  eingetreten  ist,  die  alle  Bewegungen  bis  auf  eine 
ausschliesst,  aufgefasst  werden. 

Noch  schlimmer  als  mit  der  Contraction  steht  es  mit  der  Contractilität.  Max  Schultze 
glaubt  die  Ursache  der  organischen  Bewegungen,  wenngleich  sie  uns  ganz  dunkel  sei,  mit  einem 
besondern  Namen  bezeichnen  zu  müssen.  »Tale  nomen  est  Contractilitatis ,  quo  significamus 
causam  motuum  organicorum,  qui  ex  elasticitate  sola  non  dependentes  nusquam  nisi  in  statu 
vitali  observantur« '.  Zuvörderst  wäi'e  wol  zu  fragen,  warum  gerade  die  Elasticität  ausge- 
schlossen ist,  warum  nicht  auch   die  Schw^ere  oder  die  Wärme?    Berechtigt  wäre   diese   Aus- 

1  1.  c.  p.  9. 


56 

Schliessung  doch  nur  in  dem  Fall,  dass  etwas  Bestimmtes  über  die  Betheiligung  der  Elasticität 
bei  den  vitalen  Bewegungen  bekannt  wäre.  Welche  wichtige  Rolle  spielt  sie  denn  aber  z.  B. 
bei  den  Plasmaströmnngen?  Wir  wissen,  dass  so  wie  jeder  andere  Körper,  auch  das  Plasma 
einen  gewissen  —  aber  äusserst  niedrigen  —  Grad  von  Elasticität  besitzt,  inwiefern  oder  ob 
diese  die  vitalen  Bewegungen  beeinflusst,  ist  gänzlich  unbekannt. 

Während  Max  Schultze  auf  der  einen  Seite  Kenntnisse  voraussetzt,  die  nicht  vorhanden 
sind,  ignorirt  er  auf  der  andern  Seite  feststehende  Thatsachen.  Es  ist  nicht  richtig,  dass  alle 
Ursachen  der  vitalen  Bewegungen  verborgen  sind,  denn  da  wir  wissen,  dass  für  das  Zustande- 
kommen der  Muskelzuckung  —  in  den"  Verhältnissen  des  unverletzten  Körpers  wenigstens  — 
die  Nervenerregung  nothwendige  Voraussetzung  ist,  werden  wir  diese  unzweifelhaft  als  Ur- 
sache, und  wenn  wir  unter  Ursache  das  Moment  verstehen,  durch  dessen  Eintritt  in  die  un- 
veränderliche Reihe  vorhandener  Bedingungen  unveränderhch  eine  bestimmte  Wirkung  hervor- 
gerufen wird,  als  einzige  Ursache  jener  Erscheinung  betrachten  müssen.  Die  Ursache  der 
organischen  Bewegungen  nennt  Schultze  Contractilität ,  folglich  ist  die  Nerventhätigkeit  Con- 
tractilität,  und.  da  man  unter  contractilen  Substanzen  oder  contractilen  Geweben  sich  doch  nur 
solche  denken  kann,  die  durch  den  Besitz  der  Contractilität  ausgezeichnet  sind,  dürften  diese 
Bezeichnungen  wol  auf  den  Nerv,  nicht  aber  auf  den  Muskel  Anwendung  finden.  So  sicher 
sich  aus  dem  Wortlaut  von  Schultze's  Definition  die  Consequenz  ergiebt,  dass  der  Muskel  kein 
contractiles  Gewebe  ist,  eben  so  sicher  ist  dies  nicht  seine  Meinung:  er  versteht  nämlich 
factisch  unter  Contractilität  nicht  die  Ursache  der  organischen  Bewegungen,  sondern  das  Ver- 
mögen —  d.  h.  diejenigen  unveränderlichen  Bedingungen,  durch  deren  Vorhandensein  ein  hin- 
zutretendes Moment  zur  Ursache  einer  bestimmten  Wirkung  wird  —  gewisser  lebendiger  Theile 
derartige  Bewegungen  auszuführen.    In  diesem  Sinne  ist  die  Muskelsubstanz  natürlich  contractu. 

Die  Unklarheit  und  Unbrauchbarkeit  der  Contractilitätstheorie  ist  zuerst  von  Hofmeister 
erkannt  worden  \  dem  Nägeh  und  Schwendener  sich  angeschlossen  haben ,  indem  sie  sagen : 
»Es  kann  Niemand  befriedigen,  Lebensäusserungen,  wie  die  in  Frage  stehenden,  unter  die 
Rubrik  der  Contractilitätserscheinungen  gestellt  zu  sehen,  aus  dem  einfachen  Grunde,  weil  damit 
eigentlich  gar  Nichts  erklärt  ist,  zumal  der  Begriff  der  Contractilität  bis  jetzt  der  Klarheit  und 
Fassbarkeit  entbehrt«  -.  In  der  That  ist  diese  sogenannte  Theorie  Nichts  als  die  willkürliche 
Anwendung  zweideutiger  und  leerer  Worte  auf  die  verschiedenartigsten  Vorgänge  und  hat  da- 
durch zu  einer  erschrecklichen  Verwirrung  geführt,  die  sich  überaus  unheilvoll  in  dei-  jede 
richtige  Einsicht  hemmenden  Identificirung  aller  activen  Plasmabewegungen  mit  der  Muskel- 
action  äussert.  Contraction  und  Contractilität  auf  Lebenserscheinungen  angewandt  sind  nur  in 
Bezug  auf  den  Muskel  bestimmte  Begriffe,  indem  der  erste  jene  eigenthümliche  Molecular- 
bewegung,  welche  sich  in  der  Verkürzung  mit   proportionaler  Zunahme   des   Querschnitts    aus- 


1  Flora  1865. 

2  Das  Microscop  186-3  u.  68,  p.  397. 


Ol 

drückt,  der  andere  das  (seinem  Wesen  nach  unbekannte,  Vermögen  zu  dieser  Thätigkeit  be- 
zeichnet; Plasma,  das  sich  in  wesentlicii  anderer  Weise  bewegt,  gleichfalls  contractu  zu  nennen, 
ist  auf  jeden  Fall  unlogisch.  Weil  aber  die  Plasmabevvegungen  verschiedenartig  sind,  ist  eine 
allgemeine  Bezeichnung,  durch  welche  die  Form  der  Bewegung  characterisirt  werden  soll, 
überhaupt  unmöglich ;  will  man  dagegen  nur  die  active  Beweglichkeit  aller  Plasmagebilde,  ohne 
Rücksicht  auf  die  Art  der  Bewegung,  ausdrücken,  so  wäre  es  vielleicht  am  passendsten ,  das 
Plasma  eine  »automatische  Substanz«  zu  nennen  —  mir  scheint,  dass  durch  diesen  Namen  die 
augenfälligste  Eigenschaft  desselben,  scheinbar  ohne  äussere  Veranlassung  Bewegungen  auszu- 
führen, sowie  seine  Fähigkeit,  fortwährend  latente  Kraft  in  lebendige  Kiaft  umzusetzen,  in  ganz 
prägnanter  Weise  veranschaulicht  würden. 

Da  weder  von  Schiltze,  noch  von  sonst  Jemand  Thatsachen  vorgebracht  sind,  die  ge- 
eignet wären ,  die  Auffassung  der  Furchung  als  eines  Contractilitätsphänomens  (in  dem  prä- 
cisirten  Sinne)  zu  stützen,  so  dürfte  es  wol  nicht  nothwendig  sein,  den  ausführlichen  Gegen- 
beweis anzutreten,  zumal  die  Erscheinung  des  Faltenkranzes  bei  der  Furchung  des  Froscheies, 
auf  welche  Schiltze  grosses  Gewicht  zu  legen  scheint,  nicht  für,  sondern  gegen  seine  Ansicht 
spricht.  Denn  wenn  Bewegungen  nach  Ait  der  Muskelzuckung  an  der  Oberfläche  des  Eies  zur 
Furchenbildung  führten,  so  müssten  sie  doch  senkrecht  zur  Furche  gerichtet  sein,  und  dem 
ents[)rechend  könnten  die  Falten  nur  parallel  und  nicht,  wie  es  factisch  der  Fall  ist,  im  rechten 
Winkel  zur  Furche  verlaufen.  Die  schlagendste  Widerlegung  bieten  aber  die  Formveränderungen 
des  sich  furchenden  Hydraeies,  bei  dem  in  senkrechter  Richtung  zur  Theilungsebene  nicht  nur 
keine  Verkürzung,  sondern  im  Gegentheil  eine  beträchtliche  Verlängerung  stattfindet. 

Max  Schiltze  lässt  ausserdem  auch  den  Kern  eine  eingreifende  Rolle  bei  der  Zellthei- 
lung  spielen.  Ich  verweise  dagegen  auf  die  zahlreichen  Fälle,  wo  während  der  Theilung  ein 
Kern  gar  nicht  besteht,  und  stelle  mich  in  Betrefl'  der  andern  auf  den  Standpunkt,  den  Bricke 
bezeichnet,  w  enn  er  fragt ,  was  man  wol  darauf  antworten  wolle ,  wenn  Jemand  behauptete, 
der  Kern  verhalte  sich  bei  der  Theilung  ganz  passiv?  '  Schiltze  sagt  zwar,  »das  ungestüm  sich 
theilende«  Protoplasma  würde  »von  dem  noch  ungestümeren  Kerne  stets  von  neuem  angestachelt« ^t 
das  ist  gewiss  sehr  kraftvoil  dramatisch  gedacht,  eine  Beobachtung  dieses  leidenschaftlichen 
Verhältnisses  liegt  aber  wol  kaum  zu  Grunde. 

Eine  wesentUch  verschiedene  Theorie  der  Zelltheilung  ist  von  den  Botanikern  aufgestellt 
worden,  ich  kann  jedoch  auch  diese  nicht  anerkennen. 

Sachs,  an  dessen  Darstellung  ich  mich  besonders  gehalten  habe,  unterscheidet  drei  Be- 
wegungsformen des  Plasmas  der  Ptlanzenzelle :  1.  .Massenbewegungen,  bei  denen  die  Molecüle 
in  unveränderter  Lage  und  Veibindung  bleiben,  das  Ganze  aber  eine  Rotation  um  eine 
Drehungsaxe  ausführt;  2.   Massenbewegungen,  die  in  Translocafionen  auf  gerader  oder  krummer 


'  Die  Eleinentarorganismen,  p.  398. 

**  Ueber  Muskelkörperchen  und  was  mau  eine  Zelle  zu  nennen  liabe.    Reiclierl's  Archiv   1861,  p.  ü. 

Kleinenberg,  Hyärti.  8 


58 

Linie  bestehen ;  3.  Bewegung  durch  moleculare  Umlagerung :  die  Molecüle  verändern  ihre  gegen- 
seitige Lage,  eine  Forinveränderung  des  Ganzen  ist  gewöhnlich  aber  nicht  nothwendig  '.  Die 
Bewegungen  der  letzten  dieser  Hauplfornien  werden  in  zwei  Unterabtheihmgen  geschieden,  je 
nachdem  die  moleculare  Umlagerung  sich  auf  in  der  Masse  gelegene,  einfach  oder  mehrfach 
vorhandene,  sichtbare  oder  unsichtbare,  organische  Centra  bezieht  '\  odei-  eine  solche  Beziehung 
nicht  vorhanden,  wenigstens  nicht  nothwendig  ist:  jene  bewirken  die  Zelltheilung  (und  neben 
manchem  anderen  auch  die  freie  Zellbildung  und  die  Kernbildungj  .  diese  äussern  sich  als 
Plasmaströmungen. 

Der  Vorgang  der  Zelltheilung  wäre  demnach  folgender:  innerhalb  der  Zellen  gelegene 
»organische  Centra«  vervielfältigen  sich  unter  Umständen,  jedes  derselben  t)itt  in  Beziehung  zu 
den  Plasmamolecülen  seiner  Umgebung,  was  zur  Anordnung  der  .Molecüle  in  radialen  und  tan- 
gentialen Richtungen  führt,  und  diese  Umlagerung  bewirkt  an  bestimmten  Stellen  eine  Con- 
tinuitätstrennung,  eine  Aufhebung  des  Zusammenhangs  der  Molecüle. 

In  Bezug  auf  die  Centra  wäre  wünschenswerth  zu  erfahren ,  was  die  nähere  Bezeich- 
nung »organisch«  bedeuten  soll.  Da  Sach.s  doch  unmöglich  zugenuithet  werden  darf,  dass  er 
unter  einem  organischen  Centrum  den  Mittelpunkt  eines  organischen  Körpers  versteht,  so  muss 
wol  ein  Kraftcentrum  geraeint  sein ,  odei-,  weil  wol  keine  andere  Kraft  als  die  Anziehung  in 
Frage  kommen  möchte,  einfach  ein  Anziehungsmittelpunkt.  Es  ist  mir  befremdlich,  dass  Sachs 
diese  letztere  Bezeichnung  consequent  vermeidet,  um  so  mehr,  als  es  unverständlich  ist,  wie 
ein  besonderes  »organisches«  (Zentrum  in  eine  dem  Anscheine  nach  physikalische  Erklärung 
aufgenommen  werden  konnte. 

Ueber  das  sichtbare  organische  ("entrum  habe  ich  erst  recht  nicht  in's  Klare  kommen 
können.  Am  nächsten  liegt,  an  den  Kern  zu  denken,  und  Sachs  befördert  diese  Vermuthung 
einigermassen ,  wenn  er  sagt:  »Die  neuen  Bildungsmittelpunkte  können  durch  vorangehendes 
Erscheinen  von  Kernen  angedeutet  werden  oder  nicht«  '^,  doch  andrerseits  entscheidet  sich 
Sachs  mit  Recht  sehr  bestinmit  gegen  die  active  Betheiligung  des  Kerns  bei  der  Zelltheilung: 
»Der  Mitwirkung  des  Zellkerns  hat  man  wol  eine  zu  grosse  Bedeutung  beigelegt .  unrichtig  ist 
es  gewiss ,  ihn  so  zu  sagen  als  Anstifter  dieser  Vorgänge  zu  betrachten ,  an  denen  er  als 
blosser  und  unwesentlicher  Theil  des  Protoplasmas  doch  nur  Theilnehmer  ist<i  und  »die  Lage 
und  Bewegung  des  Zellkerns  während  der  Theilung  der  Spirogyien  ist  nicht  geeignet,  ihn  als 
Kraftcentrum  dieses  Vorganges  erscheinen  zu  lassen«^:  Wenn  aber  der  Kern  das  sichtbare 
Centrum  nicht  ist,  so  weiss  ich  in  der  That  nicht,  welchem  gefoiinten  Theil  der  Pflanzen-  odei' 
Thierzelle  die  Rolle  eines  solchen  zuertheilt  werden  könnte,  und  Sachs  selbst  macht  auch  nicht 
die  geringste  dahin  zielende  Andeutung.     Wir  haben   uns   daher   nur   an    das    unsichtbare    or- 


'  Handbuch  derExperimentalphysiologie  der  Pflanzen  (Hofmeister -sHaiidb.  d.  phys.  Bolaii.  Bd.  IV)  I  865,  p.i48. 

2  ibid.  p.  449.  438. 

'  Lehrbuch  der  Botanik  \  868.  p.   I  I . 

■•  Handb.  d.  Exper.-Phy.s.,  p.   4Ö9. 


59 

ganische  Centruin  zu  halten  nntl  zuzusehen,  welclie  Gründe  für  die  Existenz  desselben  voi- 
Uegen. 

»Die  äussere  GestaUung  des  Protoplasmas  zu  einem  bestimmt  geformten  Körper«,  sagt 
Sachs,  »kann  auf  zwei  Falle  zurückgeführt  werden :  entweder  streben  die  einzelnen  kleinsten 
Theilchen  desselben  sich  concentrisch  um  einen  gemeinsamen  Mittelpunkt  zu  gruppiren  und 
Kugelform  anzunehmen,  oder  es  findet  eine  innere  Bewegung  statt,  welche  dahin  führt,  den 
Protoplasmakörper  nach  iigend  einer  Richtung  hin  zu  verlängern ,  die  centripelale  Anordnung 
aufzuheben.  Jenes  tritt  im  Allgemeinen  bei  der  Bildung  neuer  Zellen,  dieses  bei  dem  Wachs- 
thum  derselben  ein«'.  Hält  man  dies  mit  dem  vorher  Gesagten  zusammen,  so  ist  klar,  dass 
Sachs  erstens  in  dem  Bestreben  des  Plasmas,  die  Kugelform  anzunehmen,  die  Kraft,  welche  die 
Zelltheilung  bewirkt,  erblickt,  und  zweitens,  dass  er  den  Grund  der  Annahme  der  Kugelform 
in  der  molecularen  Umlagerung  mit  Beziehung  auf  sichtbare  oder  unsichtbare  organische 
Centra  findet. 

Es  lässt  sich  ganz  allgemein  behaupten,  dass  alles  Plasma,  das  keine  Beweglichkeit 
zeigt,  wenn  äussere  hindernde  Umstände  ausgeschlossen  sind,  immer  in  Form  von  Kugeln  er- 
scheint; durch  alle  Einllüsse,  die  jene  eigenartige  Beweglichkeit  zeitweilig  oder  dauernd  auf- 
heben und  nicht  sofortige  Gerinnung,  d.  h.  Uebergang  in  den  festen  Aggregatzustand,  veran- 
lassen, wird  das  Plasma  aus  jeder  beliebigen  Form  in  die  der  Kugel,  oder  doch  wenigstens 
eines  sphärischen  Körpers,  übergeführt.  Sehr  schön  lässt  sich  diese  Erscheinung  an  den  Zellen 
von  Fadenalgen  'studiren,  die  man  der  langsamen  Einwirkung  wasserentziehender  Agentien 
(verdünnte  Zucker-  oder  Kochsalzlösungen,  schwacher  Alkohol)  aussetzt.  Der  Plasmaschlauch 
zieht  sich  zusammen  und  trennt  sich  von  dei'  Cellulosekapsel ,  anfänglich  nur  an  einzelnen 
Stellen,  während  andere,  fester  der  Membran  adhärirend,  noch  die  Verbindung  zwischen  Plasma 
und  Membran  erhalten;  diese  werden  durch  den  Zug  der  Hauptmasse  zu  immer  dünneren 
Fäden  ausgezogen,  bis  sie  sich  auch  ablösen,  oder  sie  zerreissen  und  bleiben  zum  Theil  als 
Klümpchen  an  der  Membran  haften :  so  entsteht  ein  frei  in  der  Kapsel  liegender ,  glatter, 
sphärischer  Körper,  dessen  Hauptdurchmesser  immer  der  Längsrichtung  der  Membran  entspricht. 
Ganz  analog  ist  das  Verhalten  aller  pflanzlichen  und  thierischen  in  eine  Membran  eingeschlos- 
senen Zellen ,  mögen  sie  einen  Saftraum  enthalten  oder  nicht ,  und  es  lä^t  sich  durch  Ver- 
gleichung  der  verschiedenen  Formen  leicht  constatiren,  dass  die  mehr  oder  minder  beträcht- 
lichen Abweichungen  von  der  Kugelform  von  der  Gestalt  der  Membran  abhängen,  indem  in 
langgestreckten  das  sich  abrundende  Plasma  eine  längliche  Form  beibehält,  während  es  in 
solchen,  die  nach  allen  Richtungen  ziemlich  gleich  entwickelt  sind,  vollkommen  kuglig  wird. 
Das  letztere  tritt  übrigens  auch  dann  ein,  wenn  der  einschliessende  Raum  im  Verhältniss  zum 
zusammengezogenen  Plasma  sehr  gross  ist,  seine  Form  wirtl  dadurch  gleichgültig.  An  nackten 
Zellen  lässt  sich  da,  wo  sie  fest  mit  einander  zu  Geweben  verbunden  sind,    der  gegenseitigen 


1  Handb.  d.  Exper.-Phys..  p.   10. 


60 

Spannung  wegen,  die  Kugelfoiin  durch  Wasserentziehung  nicht  herstellen,  sobald  man  sie  aber 
isolirt,  gelingt  dies  sofort,  ebenso  wie  bei  ursprünglich  freien  Zellen,  z.  B.  Amoeben,  weissen 
Blutkörperchen  u.  s.  w. 

Wendet  man  das  entgegengesetzte  Verfahren  an,  hebt  man  die  Bewegungen  des  Plasmas 
auf,  indem  dasselbe  zu  übermässiger  Wasseraufnahme  veranlasst  wird,  so  findet  gleichfalls 
Kugelbildung  statt,  und  eine  entsprechende  Formveränderung  bewirken  mechanische  Insulte,  starke 
Temperaturdifferenzen  und  der  electiische  Strom.  Es  ist  nicht  bewiesen,  aber  aus  manchen 
•Erscheinungen  sehr  wahrscheinlich,  dass  diese  letzteren  Einflüsse  nur  indirect  dadurch,  dass 
auch  sie  eine  Aenderung  der  Wassercapacität  des  Plasmas  bedingen,  dasselbe  in  die  Kugelform 
überführen,  so  dass  demnach  alle  Fälle  von  Kugelbildung  auf  Wasserarmuth  (nicht  Wasser- 
mangel) oder  Wasserreichthum  zu  reduciren  wären.  Dem  würde  dann  ein  mittlerer  Wasser- 
gehalt des  Plasmas  als  Zustand  der  eigenartigen  Beweglichkeit  entgegen  zu  stellen  sein. 

Endlich  gehören  hierher  die  Fälle,  in  welchen  das  Plasma  sich  im  Laufe  seiner  Ent- 
wicklung, ohne  nachweisbare  äussere  Veranlassung  zu  Kugeln  umformt.  Dies  findet  besonders 
häufig  kurz  vor  Beginn  der  Theilung  oder  bei  eben  entstandenen  jungen  Zellen  statt.  Eine 
Verdichtung  durch  Wasserverlust  ist  hiei'  oft  sehr  deutlich  zu  erkennen. 

Es  kann  nun  wol  keinem  Zweifel  unterliegen,  dass  die  in  Frage  stehende  Erscheinung 
lediglich  auf  die  Thätigkeit  von  3Iolecularkräften  zurückzuführen  ist,  und  aus  der  Physik  sind 
Verhältnisse  bekannt,  unter  denen  ein  sich  selbst  übeilassener  Körper  Kugelform  annehmen 
muss.  Die  Bedingungen  sind  1 .  dass  die  Molecüle  sich  einander  in  allen  Richtungen  gleich- 
massig  anziehen,  und  2.  dass  dieselben  eine  leichte  Verschiebbarkeit  besitzen.  Bei  einem  der- 
art beschaffenen  Körper  übt  nothwendig  seine  oberflächliche  Schicht  einen  Druck  auf  die  nach 
innen  gelegenen  unter  einander  im  Gleichgewichtszustande  befindliehen  Theilchen  aus,  und  da 
dieser  Druck  an  allen  Punkten  der  Oberfläche  gleich  sein  muss,  wird  sie  die  Form  eines  Kugel- 
mantels annehmen,  weil  nur  dann  eine  vollkommen  gleichmässige  Spannung  möglich  ist.  Körper 
von  solcher  Molecularbeschafl'enheit  nennt  man  Flüssigkeiten  und  bezeichnet  die  Annahme  der 
Kugelforni  als  Tropfenbildung.  Dieser  allgemeinen  Thatsache  gegenüber  ist  es  nicht  nur  ge- 
stattet, sondern  geboten,  jeden  Köiper,  welcher  sich  selbst  überlassen  Kugelform  annimmt, 
wenn  nicht  ganz  bestimmte  und  entscheidende  Gründe  dagegen  sprechen,  als  flüssig  und  den 
entsprechenden  Gestaltungsprocess  als  Tropfenbildung  aufzufassen.  So  hält  man  allein  wegen 
der  Form  der  Himmelskörper  den  früheren  flüssigen  Zustand  derselben  für  erwiesen.  Derselben 
Beurtheilung  müssen  auch  die  betreffenden  Formen  des  Plasmas  unterzogen  werden,  und  be- 
sonders Hofmeister  hat  in  slrictester  Weise  die  Plasmakugeln  mit  Flüssigkeitstropfen  identificirt. 
So  sehr  gewiss  der  Aggregatzustand  des  freibeweglichen  Plasmas  von  dem  einer  Flüssigkeit 
entfernt  ist:  in  dem  Augenblick,  in  dem  es  sich  zu  einer  Kugel  zusammenballt,  ist  es  flüssig. 
Sachs  vertritt  freilich  eine  andere  Ansicht,  er  sagt:  »So  gross  aber  auch  die  Wassermenge  und 
dem  entsprechend  die  Aehnlichkeit  mit  einer  Flüssigkeit  sein  mag,  so  ist  das  Protoplasma  doch 
niemals  eine  Flüssigkeit,  selbst  die  gewöhnlichen  teigigen  schleimigen  und  gallertartigen  Zustände 


61 

anderer  Körper  können  luit  ihm  nur  i,'anz  oberflächlich  verglichen  werden«  '.  Nach  einem 
Beweise  für  diese  Behauptung  habe  ich  vergeblich  gesucht,  es  sei  denn,  dass  folgende  Bemer- 
kung einen  solchen  enthalten  soll.  Sachs  beschreibt  die  Vorgänge  bei  der  Copulation  von 
Spirogyra  longata:  »Die  Verschmelzung  macht  den  Eindruck,  als  ob  zwei  Flüssigkeitstropfen 
sich  vereinigten,  das  Protoplasma  ist  aber  niemals  eine  Flüssigkeit,  und  abgesehen  von  anderen 
Umständen  zeigt  eine  Thatsache,  dass  hier  ganz  besondere  Kräfte,  die  jeder  Flüssigkeit  fehlen, 
thätig  sind;  das  schraubentörmige  Chlorophyllband  nämlich  bleibt  bei  der  (^ontraction  jedes  der 
beiden  conjugirenden  Protoplasmakörper  erhalten,  nur  wird  es  enger  zusammen  gezogen ;  wäh- 
rend der  Vereinigung  nun  legen  sich  die  Enden  der  beiden  Chlorophyllbänder  so  an  einandei-, 
dass  sie  jetzt  ein  Band  bilden«  ^.  .Mir  ist  dieser  Vorgang  aus  eigener  Anschauung  nicht  be- 
kannt, so  viel  ist  aber  klar,  dass  damit  Nichts  gegen  die  flüssige  Beschaffenheit  der  Haupt- 
masse der  conjugirenden  Plasmakörper  und  die  Abhängigkeil  ihrer  ellipsoidischen  Form  von 
dieser  Beschaffenheit  bewiesen  ist.  Denn  aus  dem  Verhalten  der  Chlorophyllbänder,  welche 
schon  durch  die  Beibehaltung  ihrer  eigenthümlichen  Form  und  ihre  scharfe  Begrenzung  zeigen, 
dass  sie  nicht  flüssig  sind,  lässt  sich  auf  die  Beschaffenheit  des  übrigen  Plasmas  nicht  schliessen, 
dieses  kann  flüssig  sein  und  einen  Tropfen  bilden,  während  das  eingeschlossene  Chlorophyll- 
band Bewegungen  ausführt,  welche,  seinen  eigenthümlichen  Molecularverhältnissen  entsprechend, 
von  denen  seiner  flüssigen  Umgebung  durchaus  verschieden  sind. 

Wenn  aber  richtig  ist,  dass  das  Streben  nach  der  Kugelform,  wie  es  beim  Plasma 
vorkommt,  iu  allen  Fällen  von  der  Verflüssigung  desselben  abhängig  ist,  so  hat  die  SACHs'sche 
Hypothese  einer  molecularen  Umlagerung  mit  Beziehung  auf  ein  organisches  Centrum  offenbar 
keinen  Sinn,  denn  die  Tropfenbildung  ist  eine  Folge  der  Oberflächenspannung,  und  in  einer 
Flüssigkeit  giebt  es  gar  kein  physikalisches  Centrum.  Ferner  zeigen  die  Plasmakugeln  ganz 
übereinstimmend  mit  allen  andern  Flüssigkeitstropfen  die  nothwendige  Verdichtung  der  Ober- 
fläche (das  Flüssigkeitsoberhäutchen)  oft  in  ausserordentlicher  Deutlichkeit ;  nach  Sachs'  An- 
schauung ist  dies  Verhalten  aber  nicht  nur  völlig  unerklärlich ,  sondern  es  enthält  einen  di- 
recten  Widerspruch,  weil,  wenn  ein  Anziehungscentrum  vorhanden  wäre,  nothwendig  die  cen- 
tralen Theile  die  dichtesten,  die  an  der  Peiipherie  am  wenigsten  dicht  sein  müssten  Ist  dem- 
nach die  Annahme  eines  Centrums  für  die  Entstehung  von  Plasmakugeln  unstatthaft,  so  lässt  sich 
auch  die  Zelltheilung  nicht  als  Effect  einer  molecularen  Umlagerung  mit  Beziehung  auf  Bildungs- 
mittelpunkte auffassen,  zumal  die  nothwendig  vorausgesetzte  zeitweilige  Vermehrung  dieser 
Centra  weder  von  Sachs  irgendwie  erklärt  ist,  noch  überhaupt  erklärlich  erscheint.  Welche 
unwesentliche  Bedeutung  die  Kugelbildung  meiner  Meinung  nach  im  Verlauf  der  Zelltheilung 
hat,  werde  ich  gleich  aus  einander  setzen. 

Vorher  will  ich  aber,    um   mich    nicht   Missverständnissen  auszusetzen,  eine  Bemerkung 


'  Lehrb.  d.  Botan.,  p.  39. 
2  ibid.  p.   10. 


62 

gegen  Hofmeister  einschalten.  Hofmeister  bezeichnet  vielfach  lebendes  Plasma  ganz  allgemein 
als  flüssig,  andrerseits  hebt  er  nachdrücklich  heivor,  dass  die  Bewegungserscheinungen  des- 
selben einen  eigenartigen  Bau,  »welcher  von  dem  Aggregationszustande  breiartiger  oder  flüs- 
siger unorganischer  Körper  abweicht«'  voraussetzten.  Es  scheint  dainach  fast,  als  ob  Hof- 
meister organische  von  unorganischen  Flüssigkeiten  unterscheide,  da  aber  das  einzige  Kriterium 
einer  Flüssigkeit  darin  besteht,  dass  die  leicht  verschiebbaren  Molecüle.  sich  einander  nach  allen 
Richtungen  gleichmässig  stark  anziehen,  so  ist  ein  Körper  entweder  flüssig,  oder  er  ist  es  nicht, 
weitere  Unterschiede  kann  es  in  dieser  Beziehung  nicht  geben,  und  die  aus  ihrer  molecularen 
Beschart'enheit  folgenden  Bewegungen  müssen  für  alle  Flüssigkeiten  wesentlich  dieselben  sein. 
Weiter  heisst  es:  »Im  lebenden  Plasma  wirken  zwei  verschiedene  V^orgänge  nach  weit  aus 
einander  gehenden  Richtungen  hin:  Einestheils  das  Streben  zur  Veränderung  von  Gestalt  und 
Ort,  und  anderntheils  das  Streben  zui-  Tropfenbildung,  zur  Annahme  der  Kugelfoim,  welches 
das  Protoplasma  mit  allen  flüssigen  und  halbflüssigen  Körpern  theilt« '-.  Der  erste  Vorgang  ist 
von  nach  verschiedenen  Richtungen  verschiedener,  der  zweite  von  nach  allen  Richtungen 
gleichmassiger  gegenseitiger  Anziehung  der  kleinsten  Theilchen  bedingt,  also  heisst  iler  Satz 
mit  andern  Worten :  das  Plasma  ist  ein  Körper ,  dessen  Molecüle  sich  ungleichmässig  und  zu- 
gleich gleichmässig  anziehen.  Mir  scheint,  dass  man  überhaupt  nicht  berechtigt  ist,  dem  Plasma 
im  Allgemeinen  einen  bestimmten  Aggregatzustand  zuzuschreiben,  was  streng  genommen  auch 
für  fast  alle  andern  Körper  gilt.  Je  nach  den  Verhältnissen,  unter  denen  es  sich  befindet,  hat 
das  Plasma  bald  einen  ihm  ausschliesslich  zukommenden  Aggregatzustand,  welcher  wol  eben- 
soweit von  dem  des  Festen,  wie  von  dem  des  Flüssigen  entfernt  ist,  bald  ist  es  flüssig  —  für 
die  Erklärung  seiner  Bewegungserscheinungen  ist  es  aber  von  wesentlichster  Bedeutung,  dass 
diese  verschiedenen  Zustände  nicht  allein  zeitlich  sehr  schnell  wechseln,  sondern,  dass  auch  in 
derselben  Masse  verschiedene  Stellen,  unbeschadet  ihres  Zusammenhanges,  gleichzeitig  verschie- 
dene Aggregatzustände  anzunehmen  vermögen. 

Hofmeister  erklärt  die  Zelltheilung  für  identisch  mit  der  Tropfenbildung :  Primordialzellen 
sind  Tropfen  ^.  Zu  ihrer  Bildung  gehören  zwei  Bedingungen :  erstens  eine  durch  Wassenerlust 
entstandene  bestimmte  Dichtigkeit  des  Plasmas,  welche  die  eigenartige  Beweglichkeit  desselben 
aufhebt,  und  zweitens  ein  für  jeden  generellen  Fall  bestimmtes,  nur  innerhalb  enger  Grenzen 
schwankendes  Volumen.  »Wird  dies  Maass  überschritten,  so  tritt  Zerklüftung,  Tropfenbildung, 
Theilung  des  Protoplasmas  in  mehrere  Massen  ein«  *. 

Es  ist  ersichtlich,  dass  hiermit  keine  Erklärung  der  Zelltheilung  gegeben  ist,  denn  die 
Erklärung  dieses  mechanischen  Vorganges  verlangt  neben  dem  Nachweis  oder  der  hypothe- 
tischen Annahme  bestimmt  thätiger  Kräfte  die  Feststellung  des  nothwendigen  Zusammenhanges 


1  Die  Lelire  von  der  Pflanzenzelle  (Haiidb.  d.  pliys.  Botan.,  Bd  I)  1867,   p.  60. 

2  ibid.  p.  135. 

3  ibid.  p.  14.3. 
*  1.  c.  p.  143. 


63 

(lieser  letzteren  mit  der  in  Frage  stehenden  Erscheinung.  Ich  glaube  aber  auch  die  Behaup- 
tung vertreten  zu  können,  dass  mit  den  beiden  von  Hofmeister  aufgestellten  Bedingungen  die 
Zelltheilung  sich  überhaupt  nicht  erklaren  liisst. 

Die  Tropfenbildung  an  sich  kann,  da  sie  Nichts  weiter  als  der  Ausdruck  gleichmässiger 
(lohüsion  ist,  niemals  Grund  eines  Zerfalls,  d.  h.  der  partiellen  Aufliebung  der  Cohasion  sein 
—  ebensowenig  wie  ein  Wassertropfen  wird  eine  überall  gleichartige  Plasmakugel,  man 
denke  sie  sich  so  gross,  wie  man  will,  sobald  alle  äusseren  Kräfte  ausgeschlossen  sind, 
sich  in  Stücke  theilen  können.  Findet  jedoch  eine  Wechselwirkung  mit  andern  Körpern  statt, 
oder  sind  bestimmte  Verschiedenheiten  in  der  Masse  eines  plasmatischen  Körpers  voihanden, 
so  wären,  wenn  man  von  Verhältnissen  absieht,  welche  beim  Plasma  realiter  niemals  vor- 
kommen, zwei  Fälle  denkbar,  in  welchen  die  Theilung  auf  Tropfenbildung  zurückgeführt  werden 
könnte.  Der  erste  wäre  der,  dass  in  einer  einseitig  oder  allseitig  einem  festen  Körper  ad- 
härirenden,  wenigstens  partiell  verflüssigten  Plasmamasse,  innerhalb  einer  oder  mehrerer  mitt- 
lerer Zonen  das  Adhäsionsvermögen  aufhörte,  während  es  in  den  übiigen  bestehen  bliebe.  Es 
würde  dann  eine  Ansammlung  der  Molecüle  an  den  Stellen  der  Adhäsion  stattfinden,  was  bei 
bestimmter  Mächtigkeit  der  Masse  und  bestimmter  Ausdehnung  der  verschiedenartigen  Zonen 
zur  vollständigen  Trennung  in  soviel  Theile,  als  Adhäsionsstellen  da  sind,  führen  muss.  So  theilt 
sich  auch  eine  dünne  Wasserschicht,  die  durch  Druck  auf  einer  stellenweise  fettigen  Holzplatte 
continuirlich  ausgebreitet  ist,  beim  Aufhören  des  Drucks  in  einzelne  Tropfen,  indem  die  Theil- 
chen  von  den  Orten,  an  denen  keine  Adhäsion  besteht,  fortgezogen  werden.  Derselbe  Vor- 
gang tritt  unzweifelhaft  aucli  ein  bei  dem  Zerfall  des  plasmatischen  Wandbelegs  langgestreckter 
Algenzellen ,  den  man  durch  langsame  Einwirkung  von  Zuckerwasser  zui'  Zusammenziehung 
bringt,  und  gerade  hier  geben  sich  die  Adhäsionsverschiedenheiten  eclatant  zu  erkennen.  Hof- 
meister scheint  diesen  Fall  in's  Auge  gefasst  zu  haben,  er  bedient  sich  desselben  aber  nur  zur 
Erklärung  einer  hier  nicht  weiter  zu  berücksichtigenden  Thatsache  '.  Ob  aber  irgendwo  unter 
normalen  Verhältnissen  eine  Zelltheilung  auf  diesem  Wege  zu  Stande  kommt,  scheint  mir  bei 
dem  Mangel  jeder  dahin  zu  deutenden  Beobachtung  mehr  als  zweifelhaft;  für  die  grosse  Mehr- 
zahl aller  Zellen  ist  schon  durch  ihre  Form  und  Umgebung  diese  Möglichkeit  direct  ausge- 
schlossen. 

Der  zweite  Fall  besteht  darin,  dass  das  tropfenbildende  Plasma  nicht  überall  gleichartig 
ist:  sind  dann  eine  oder  mehreie  Stellen  der  Oberfläche  von  geringerer  Dichtigkeit  als  die 
andern,  und  findet  gleichzeitig  eine  relativ  starke  Oberflächenspannung  der  dichteren  Parthien 
statt,  so  wird  ein  Theil  der  unter  dem  Druck  stehenden  Innern  Masse  an  den  Orten  des 
kleinern  Widerstandes  nach  aussen  gedrängt  werden,  sich  hier  zu  einer  Kugel  abrunden  und 
schliesslich  eine  völlige  Abtrennung  erfahren.  Diese  Erscheinung  finde  ich  sehr  deutlich  bei 
zarten   Zellen,    die   man    der  Einwiikung    einer   Chromsäurelösung   von    äusserst   geringer  Con- 

'   I.  c.  p.   Mü. 


64 

cenlration  aussetzt;  die  Hauptmasse  derselben  ist  in  Folge  der  Wasserentziehung  geschrumpft, 
an  einer  Stelle  sitzt  aber  ein  anfangs  sehr  weicher  und  leicht  zerfliesslicher,  allmählich  sich 
verdichtender  Plasmatropfen  an.  Aehnlich  scheinen  auch  die  unter  dem  ertödtenden  Einfluss 
des  Wassers  aus  einer  Plasmamasse  austretenden  Tropfen  zu  beurtheilen  zu  sein,  und  sich 
besser  so,  als  durch  die  Annahme  partieller  Quellung,  zu  erklären.  Es  wäre  auch  möglich, 
dass  analoge  Vorgänge  bei  jener  Art  von  Zellvermehrung,  die  man  als  Sprossung  bezeichnet, 
eine  Rolle  spielten;  nachweisen  lässt  sich  das  aber  keineswegs,  und  für  alle  andern  Zellver- 
mehrungen ist  eine  solche  Annahme  durchaus  unstatthaft. 

Welche  Vorgänge  könnte  man  sonst  noch,  um  die  Zelltheilung  durch  Tropfenbildung  zu 
erklären,  construiren,  die  nicht  den  (Iharacter  der  realen  Unmöglichkeit  an  sich  trügen? 

Hofmeister  meint:  »Die  Vorstellung:  das  Protoplasma  eines  im  Wachsthum  begriüenen 
Pflanzentheils  vermöge  nur  so  lange  im  Zusammenhange  zu  l)leiben,  als  seine  Masse  (die 
Quantität  seiner  Materie)  ein  bestimmtes,  für  jeden  generellen  Fall  verschiedenes,  für  gleich- 
artige Entwicklungsvorgänge  aber  annähernd  gleiches  Maass  nicht  überschreitet«  '.  Ich  halte 
diese  Vorstellung  doch  für  unerlaubt.  Die  Masse  eines  sich  selbst  überlassenen  Körpers  ist  an 
sich  niemals  Grund  seines  Zerfalls;  die  Theilung  setzt  innere  Veränderungen  voraus,  qualitative 
und  nicht  quantitative,  und  wenn  auch  die  Thatsache,  an  der  ich  keineswegs  zweifele,  besteht, 
dass  bei  einem  gewissen  Volum  einer  Zelle  immer  Zerfall  derselben  eintritt,  bleibt  die  wesent- 
liche Frage,  von  der  wir  ausgegangen  sind,  die  »Mechanik  der  Theilung,    absolut   unaufgeklärt. 

Ich  glaube  in  Vorstehendem  nachgewiesen  zu  haben,  dass  das  Streben  nach  der  Kugei- 
form  oder  die  Tropfenbildung,  d.  h.  der  Zustand  des  molecularen  Gleichgewichts,  nicht  die 
Ursache  der  Zelltheilung  sein  kann,  dass  also  auch  diese  Erscheinung,  wenn  sie  vor,  während 
oder  nach  dem  Theilungsact  auftritt,  in  keinem  directen  causalen  Zusammenhange  mit  dem- 
selben steht.  Indem  ich  nun  eine  Erklärung  der  Theilung  des  Hydraeies  versuche,  werde 
ich  auch  auf  Fälle  verweisen,  in  denen  die  Kugelbildung  während  des  ganzen  Theilungs- 
actes  fehlt. 

Die  vorher  ausführlich  beschriebenen  Vorgänge  während  der  Furchung  des  Hydraeies 
bestehen  in  allgemeinen  Formveränderungen,  localer  Pseudopodienbildung  und  der  an  einer 
Stelle  oberflächlich  beginnenden,  unmer  tiefer  einschneidenden  Continuitätstrennung;  die  Form- 
veränderung steht  in  bestimmter  Beziehung  zu  der  Continuitätstrennung,  indem  die  letztere 
immer  erst  dann  beginnt,  wenn  der  auf  der  Theilungsebene  senkrechte  Durchmesser  eine  ge- 
wisse Grösse  erreicht  hat,  und  diese  Beziehung  dauert  während  des  ganzen  Actes,  so  dass  die 
Tiefe  und  peripherische  Ausdehnung  der  Furche  im  geraden  Verhältniss  zur  Grösse  des  senk- 
rechten, im  umgekehrten  zu  den  beiden  andern  Durchmessern  steht;  die  neuentstandenen  Zellen 
liegen  mit  ebenen  Flächen  aus  einander,  bis  sie  vorübergehend  Kugelform  annehmen  oder 
gleich  Veränderungen  zeigen,  welche  die  weitere  Theilung  einleiten.    Diese  Umstände  beweisen, 

1  1.  c.  p.  1  15. 


65 

dass  hier  die  Tropt'enbildiing  keine  Rolle  spielt:  fernei-  können  die  Formveiiinderungen  nicht 
Folge  der  Theilung  sein,   da  sie  schon   vor  Beginn  derselben  vorhanden  sind. 

Was  nun  die  Kräfte  ani)etrifl't,  welche  diese  Umgestaltungen  bewirken ,  so  wissen  wir, 
dass  die  fast  frei  im  Wasser  schwebende  J'lasmamasse  Kugelform  haben  muss,  wenn  ihre 
Molecularkrafte  sich  überall  im  Gleichgewicht  erhalten;  der  Uebergang  in  jede  andere  Form 
wird  daher  die  Aufhebung  des  Gleichgewichts  der  Molecüle  voraussetzen.  Die  Cohiision  des 
Plasmas  ist  local  veiiindert,  an  den  einen  Stellen  ziehen  sich  die  Molecüle  stärker  an,  und 
zwar  in  verschiedenen  Richtungen  verschieden  stark,  während  an  den  andern  die  allseitig 
gleichmässige  und  schwache  Anziehung  erhalten  bleibt.  Diese  Gohäsionsditferenzen  werden, 
ihi'er  Verbreitung  entspi-echend,  eine  allgemeine  oder  beschränkte  Lagenveränderung  der  Mole- 
cüle zu  einander  herbeiführen,  ein  Tlieil  derselben  wird  seinen  Ort  verlassen  und  sich  an  den 
Punkten  und  in  der  Richtung  der  stärksten  Anziehung  ansammeln,  während  ein  anderer  seinen 
Ort  beibehält  oder  doch  nur  sehr  wenig  ändeit.  Man  wird  also  ruhende  und  veränderliche 
Theile  in  derselben  Plasmamasse  unterscheiden.  Indem  bald  ruhende  Stellen  v'eränderlich 
werden ,  bald  veränderliche  in  Ruhe  übergehen ,  und  je  nachdem  die  veränderlichen  Stellen 
einem  raschen  Wechsel  der  Anziehungsintensität  und  -Richtung  unterworfen  sind  oder  nicht, 
finden  die  verschiedenartigsten  Bewegungen  der  .Molecüle  statt,  und  diese  werden  nicht  allein 
zu  bloss  inneren  Verschiebungen,  sondern  untei-  Umständen  gleichzeitig  auch  zu  localen  oder 
allgemeinern  Verändeiungen  der  Conhguration  der  Oberfläche  führen.  Nennt  man  die  in  Folge 
von  Cohäsionsverschiedenheiten  eintretenden  fortschreitenden  Bewegungen  der  Molecüle  eines 
plasmatischen  Körpers  Strömungen,  so  kann  man  bei  dem  Hydraei  zwei  F"ormen  von  Strö- 
mungen unterscheiden :  erstens  die  localen  uud  oberflächlichen  Pseudopodien ,  und  zweitens 
Strömungen,  welche  die  Gesammtform  des  Eies  verändern,  indem  sie  dasselbe  aus  der  Kugel- 
.forni  in  die  eines  mehr  und  mehr  gestreckten  Ellipsoids  überführen. 

Bewirken  dieselben  Kräfte ,  welche  sich  in  den  Strömungen  aussprechen ,  nun  auch 
gleichzeitig  die  Theilung?  Beweisen  kann  ich  das  freilich  nicht,  wenn  man  aber  festhält,  dass 
diese  Kräfte  durchaus  geeignet  erscheinen,  eine  Continuitütstrennung  zu  veranlassen,  und  dass 
zwischen  der  Formveränderung  des  Eies  und  der  Furche  eine  gesetzmässige  Relation  besteht, 
so- scheint  mir  die  Annahme  .sehr  gerechtfertigt,  dass  es  in  der  That  Cohäsionsdifferenzen  sind, 
die  dadurch,  dass  sie  Verschiebungen  der  Molecüle  herbeiführen,  an  einzelnen  Stellen  den 
Zusanunenhang  des  Plasmas  aufheben.  Man  könnte  dann  die  Theilung  auch  als  ein  Strömungs- 
phänomen bezeichnen,  nach  Sachs'  Schema  als  moleculare  Umlagerung  ohne  Beziehung  auf  ein 
Centrum. 

Die  Pseudopodienbildung  kann  ihrem  ganzen  Verhalten  nach  keinen  wesentlichen  Ein- 
fluss  auf  die  Theilung  haben,  dieser  wird  daher  in  der  allgemeinen  Gestaltveränderung  des 
Eikörpers  zu  suchen  sein,  und  der  Vorgang  durfte  in  seinen  Einzelheiten  vielleicht  folgender- 
maassen  verlaufen. 

Aus  unbekannten  Gründen  treten    im  Ei  Cohäsionsverschiedenheiten    in    bestimmter  An- 

Kleinenberg.  Hydra.  q 


66 

Ordnung  ein;  die  Hauptmasse  desselben  und  besonders  eine  mittlere  Zone,  durch  welche  später 
die  Theilungsebene  verläuft,  bleiben  zunächst  im  Ruhezuslande,  d.  h.  sie  haben  eine  allseitig 
gleichmässige  schwache  Cohäsion,  oder  sie  sind  flüssig,  dagegen  erhalten  an  der  Oberfläche  bei 
der  ersten  Theilung  in  der  Umgebung  des  aussen  Pols^  zu  beiden  Seiten  der  Theilungszone 
die  Molecüle  eine  stärkere  und  ungleichmässige  Anziehungskraft,  welche  am  stärksten  in  der 
Richtung  der  Tangente  wirkt,  in  Folge  dessen  streben  sie  sich  einander  zu  nähern,  ihre  ur- 
sprünglichen Orte  zu  verlassen  und  sich  an  andern  anzusammeln.  Dies  ist  nur  dadurch  mög- 
lich, dass  Molecüle  der  ruhenden  Theile  entweder  umgelagert  werden  oder  den  Zusammenhang 
mit  ihrer  Umgebung  verlieren.  Ersteres  ist  der  Fall  mit  den  nach  unten  gelegenen  seitlichen 
Theilen,  Molecüle  derselben  bewegen  sich  nach  jenen  Orten,  welche  von  den  sich  einander 
nähernden  Molecülen  der  veränderlichen  Theile  verlassen  werden,  und  indem  sie  hier  eine 
entsprechende  Aenderung  ihi'er  (^ohäsionsverhältnisse  erfahren,  vergrössern  sie  gleichzeitig  die 
Spannungsditterenzen  und  bewirken  die  allmähliche  Umgestaltung  der  Form ;  auf  die  Theilungs- 
zone dagegen  wirkt  die  verstäi'kte  Anziehung  auf  beiden  Seiten  in  entgegengesetzter  Richtung, 
sie  wird  gedehnt,  bis  die  schwache  Cohäsion  ihrer  Theilchen  an  irgend  einer  Stelle  überwunden 
ist,  es  erfolgt  ein  Riss  und  die  Plasmamassen  weichen  aus  einander.  Nachdem  dies  an  der 
Oberfläche  erfolgt  ist,  beginnt  derselbe  Vorgang  in  der  nächst  unteren  Schicht,  und  indem  nach 
und  nach  immer  tiefere  Lagen  ergiifl'en  werden,  schreitet  die  Continuitätstrennung  bis  zum 
vollständigen  Zerfall  des  Eies  in  zwei  Zellen  fort. 

Dass  die  hier  gegebene  Erklärung  der  Zelltheilung  allgemeine  Geltung  hat,  lässt  sich 
bei  dem  gegenwärtigen  Stande  unserer  Kenntniss  dieser  Vorgänge  nicht  ohne  Weiteres  be- 
haupten. Ich  finde  aber  eine  grosse  Reihe  von  Fällen,  z.  H.  Furchung  vieler  Eier,  Theilung 
von  Moneren,  Amoeben  und  Bindegewebskörperchen  nach  Stricker  ,  die  sich  mit  Entschieden- 
heit derselben  Deutung  unteiwerfen ,  und  andierseits  keinen,  der  sie  unmöglich  erscheinen 
Hesse  —  sobald  man  berücksichtigt,  dass,  wenn  ich  auch  allerdings  beim  Hydraei  besonderes 
Gewicht  auf  die  Gestaltveränderung  legen  musste,  doch  vorhandene  und  wirksame  Cohäsion.s- 
diö'erenzen  nicht  nothwendig  immer  mit  Gestaltveränderungen  verknüpft  zu  sein  brauchen. 
Gestalteten  jedoch,  wenn  auch  nur  vereinzelte ,  Facta  meinem  Erklärungspiincip  die  Verallge- 
meinerung nicht,  so  würde  ich  es,  selbst  für  die  Fälle,  denen  es  sich  mit  Leichtigkeit  anpasst, 
fallen  lassen,  denn  ich  schliesse  mich  durchaus  der  Ansicht  Hofmeister's  an,  dass  die  in  Rede 
stehenden  Protoplasmabewegungen  »unter  sich  so  wesentlich  gleichaitig  sind,  dass  jeder  Erklä- 
rungsversuch von  vorn  herein  für  verfehlt  gelten  muss,  der  nicht  alle  bekannten  Fälle  begreift." 

Bildung  der  Keinisclialen. 

Wir  haben  gesehen,  wie  aus  der  Eizelle  durcii  fortschreitende  Zweitheilung  ein  viel- 
zelliger kugliger  Keim  entstand,  dessen  kernhaltige  Zellen  nach  Beendigung  der  Theilungen  eine 
Differenzirung  eingehen,  indem  eine  einfache,  die  Oberfläche  bildende  Lage  derselben  (Taf.  III 
Fig.  1,  Fig.  2  A)   längliche  prismatische  Formen  anninmit,  während   die  innere  Hauptmasse    aus 


67 

diclit  gedrängten,  nirgends  einen  Zwischenraum  lassenden  polyedrisclien  Zellen  Tat".  III  Fig.  2ß) 
zusammengesetzt  ist.  Die  Oberflüche  ist  glatt  und  das  ganze  Gebilde  erscheint  hell  und  glän- 
zend. Nach  einigen  Stunden  bemerkt  man  schon  mit  blossem  Auge  eine  Veränderung ;  der 
Keim  ist  dunkel  und  matt  geworden.  Das  Microscop  giebt  die  Erklärung  dieser  Erscheinung. 
Die  Überfläche  ist  nicht  mehr  glatt,  sondern  hat  ein  körniges  Aussehen,  die  Enden  der  Zellen 
bilden  zusammen  nicht  mehr  eine  ununterbrochene  Fläche,  sondern  jede  derselben  grenzt  sich 
von  ihrer  Umgebung  deutlich  ab,  indem  sie  sich  kuppenförmig  erhebt.  Soviel  sieht  man  am 
unverletzten  lebenden  Keim.  Hat  man  denselben  duich  Chromsäure  gehärtet  und  durchschnitten 
Oller  mit  Essigsäure  macerirt,  so  dass  die  einzelnen  Zellen  sich  isoliren  lassen,  so  ergiebt  sich, 
dass  nicht  nur  die  Form,  sondern  auch  die  Beschatl'enheil  des  Plasmas,  sowie  die  Anordnung 
der  festen  Einschlüsse  der  prismatischen  Zellen  verändert  ist.  Bishej-  waren  die  Eiweisskörn- 
chen,  Chlorophyllkorner  und  Pseudozellen  unregelmässig  im  Plasma  jeder  Keimzelle  eingebettet, 
sowohl  an  der  Oberfläche,  wie  im  Innern  drängten  sich  diese  Gebilde  zusammen  und  machten 
die  Hauptmasse  der  Zelle  aus,  jetzt  ist  die  Anzahl  dieser  Elemente  in  den  Zellen  der  äussern 
Lage  augenscheinlich  verringert  und  der  Rest,  hauptsächlich  aus  einigen,  theils  noch  wohl- 
erlialtenen,  theils  mehr  oder  weniger  zerfallenen ,  unregelmässig  gestalteten  Pseudozellen  be- 
stehend, hat  sich  auf  das  der  Obei'rtäche  al)gewandte  Ende  der  Zelle  zurückgezogen  (Taf.  III 
Fig.  3).  Diese  Umwandlung  erfolgt  ganz  allmählicii,  anfänglich  ist  an  iler  freien  Fläche  der  Zelle 
nur  ein  von  Einschlüssen  freier,  schmaler  Saum  bemerklich,  tler  aber  immer  breiter  in  die 
Tiefe  greift  und  bald  übei-  die  Mitte  des  Zellkorpers  hinaus  sich  erstreckt.  Das  Plasma  dieses 
Theils  ist  klar  und  liat  nur  ein  ganz  leicht  granulirtes,  von  unmessbar  kleinen  Körnchen  her- 
rührendes Aussehen,  sein  Lichtbrechungsvermögen  ist  stärker  geworden,  es  erscheint  glas- 
artig glänzend,  und  zugleich  hat  sich  sein  Absorptionsvermögen  für  Farbstoffe  geändert.  Be- 
handelt man  eine  solche  Zelle  mit  Anilinlösung,  so  zeigt  sich ,  dass  die  helle  äussere  Schicht 
sich  schwächer  färbt.  Dies  ist  an  denjenigen,  welche  in  ihren  centralen  Enden  noch  viel 
Pseudozellen  enthalten,  nicht  sehr  deutlich,  weil  die  Wandungen  der  letzteren  den  Farbstoff 
sehr  energisch  imbibiren  und  dann  feinere  Farbenunterschiede  des  umgebenden  Plasmas 
verdecken ,  aber  es  finden  sich  in  jedem  Keim  einzelne  [)rismatische  Zellen ,  welche ,  von 
Hause  aus  weniger  Pseudozellen  besitzend,  dieselben  auf  dieser  Stufe  der  Entwicklung  schon 
völlig  verbraucht  haben:  diese  erscheinen  gegen  ihr  centrales  Ende  hin  dunkler,  die  Anilin- 
oder Karmint^rbung  ist  hier  an»  intensivsten  und  nimmt  sehr  deutlich,  aber  in  ganz  allmäh- 
lichem üebergange,  gegen  das  freie  Ende  zu  ab. 

üei'  Kern,  welcher  unmittelbar  untei"  dei'  freien  Fläche  dei-  prismatischen  Zelle  ent- 
stand, verbleibt  daselbst,  auch  noch  wenn  die  Pseudozellen  und  Chlorophyllkörnern  sich  gegen 
das  innere  Ende  hin  zurückgezogen  haben.  Seine  Substanz,  in  der  das  stark  lichtbrechende 
punktförmige  Kernkörperchen  sich  erhalten  hat  oder  schon  geschwunden  ist,  nimmt  die  optische 
Beschalfenheit  des  umgebenden  Plasmas  an,  seine  Existenz  ist  nur  iladuich  erkennbar,  dass  er 
sich    mit    einer  diflerenten    Membran    umgeben    hat ,    w  eiche    sich    scharf,    sowohl  gegen  seine 

9* 


68 

eigene  Substanz,  als  auch  gegen  das  Zellplasma. abgrenzt,  so  doch  der  optische  Eflect  eines 
mitten  in  gleichartigei-  Masse  gelegenen  kreisrunden  oder  ovalen  Ringes  entsteht.  Diese  Mem- 
bran wird  nach  und  nach  körnig,  gebrochen  und  verkleinert  ihren  Umfang  Taf.  III  Fig.  3),  bis 
sie  endlich  ganz  schwindet  und  eine  Vermischung  der  Kernsubstanz  mit  der  Zellmasse  eintritt. 

Alle  Zellen  des  Keims  waren  bisher  hüllenlose  nackte  Plasmakörper;  nachdem  die  eben 
beschriebenen  Veränderungen  an  den  prismatischen  Zellen  eingetreten  sind,  bemerkt  man  plötzlich 
an  dem  freien  Ende  derselben  einen  scharfen  doppellen  (lontour.  dei-  gleichmässig  über  die 
ganze  Flache  hinzieht,  wie  ein  schmaler  niedrigei'  Keil  zwischen  die  Zellgrenzen  eindringt  und 
ununterbrochen  auf  die  Fläche  der  nächsten  Zelle  übergeht  Taf.  III  Fig.  5).  Durch  Maceration 
mit  Essigsäure  oder  sehr  verdünnter  Chromsäure  gelingt  es  denn  auch  leicht,  eine  zusammen- 
hängende Haut  von  dem  Plasma  abzuheben.  Die  Zellen  der  äussern  Schicht  haben  an  ihrer 
freien  Fläche  eine  di Heren te  Membran  gebildet,  welche  niedrige  leistenartige  Fortsätze  zwischen 
die  Berührungsflächen  der  an  einander  gedrängten  Zellen  hineinschickt ;  letzlere  stellen  also 
sehr  unvollständige,  nur  auf  die  äussern  Enden  beschränkte  Scheidewände  dar.  Dass  der  übrige 
Theil  der  Zellkörper  durchaus  einei-  solchen  Umhüllung  entbehrt,  lässt  sich  mit  xölliger  Sicher- 
heit sowohl  an  den  Zellen  selbst,  als  auch  an  der  isolirten  .Membran  demonstriren.  Diese  er- 
scheint als  ein  wasserhelles  Häutchen  von  fast  unmessbarer  Dicke,  das  durch  äusserst  zarte 
gerade  Linien  in  polyedrische  Felder  gelheill  ist.  Es  ist  leicht  ersichtlich,  dass  diese  Zeich- 
nung von  den  senkrecht  auf  der  Fläche  der  Membran  stehenden  Leisten  heirühit,  dass  also  die 
polyedrischen  Felder  genau  die  Flächen  der  betretfenden  Zellen  wiedergeben.  Das  Häulchen 
verhält  sich  gegen  chemische  Agentien  sehr  indilferent,  und  seiner  Resistenz  gegen  Säuren  und 
Alkalien  nach  scheint  es  aus  einei'  hornigen  oder  chitinösen  Masse  zu  bestehen. 

Auf  die  Abscheidung  der  ersten  Membran  folgt  bald  die  Bildung  einer  zweiten,  unter 
ihr  gelegenen,  dann  die  einer  diitten  (Taf.  III  Fig.  Gas  u.  s.  w.,  so  dass  am  Schluss  des  Vor- 
gangs der  Keim  anstatt  von  einer  Lage  nackter  prismatischer  Zellen  von  einer  0,04 — 0,5  """ 
dicken,  sehr  harten  Chilinschale  umgeben  ist.  Die  Structur  derselben  entspricht  ihrer  Ent- 
stehung. Von  der  Fläche  gesehen,  erscheint  sie  aus  fünf-  oder  sechseckigen  ziemlich  gleich 
grossen  und  feinpunktirlen  Feldern  zusammengesetzt  Taf.  III  Fig.  8).  Auf  dem  Durchschnitt 
(Taf.  III  Fig.  7  as)  sieht  man.  dass  die  Überfläche  nicht  glatt,  sondern  mehr  oder  weniger  un- 
eben ist;  die  Schale  wird  von  radial  verlaufenden  derben,  etwas  körnigen  Linien,  welche 
die  ganze  Dicke  durchsetzen,  in  einzelne  Felder  zerlegt;  zwischen  je  zweien  dieser  Linien  ver- 
laufen rechtwinklig  zu  ihnen,  nicht  immer  gerade,*  sondern  hin  unil  wieder  leicht  wellig  ge- 
bogene, bedeutend  zartere  Striche  in  gleichen  Abständen  von  einander;  und  endlich  erkennt 
man  zwischen  den  letztern  ein  System  senkrecht  gerichteter  überaus  feiner  Strichelchen.  Die 
Combination  der  Flächenansicht  mit  dem  Durchschnittsbilde  ergiebt  ohne  Weiteres  den  Bau  der 
Schale:  sie  ist  zusammengesetzt  aus  einer  Menge  fünf-  oder  sech.seckiger  prismatischer  Säulen, 
von  welchen  jede  aus  6 — 15  auf  einander  geschichteten  dünnen  Plättchen  besteht.  Wie  die 
innerhalb  jeder  Säule  wahrnehmbare  feine  Streifung  zu  deuten  ist.  wurde  mir  nicht  ganz  klar. 


69 

es  wäre  möglich,  dass  radiäre  ('.anälchen  die  einzelnen  Lamellen  durchziehen  (dass  sie  nur 
ilurcii  je  ein  Plättchen  und  nicht  continuiilich  duich  die  ganze  Dicke  der  Schale  verlaufen, 
glaube  ich  deutlich  wahrgenonnnen  zu  haben^,  und  dass  die  Punktirung  der  (Oberfläche  den 
.Mündungen  derselben  entspiäche. 

Nachdem  'die  äussere  Schale  auf  die  beschriebene  Weise  entstanden  ist,  bildet  sich 
zwischen  ihr  und  dem  Keim,  diesem  dicht  anliegend,  eine  zweite  Hülle.  Dies  ist  ein  structurloses 
durchsichtiges  und  sehr  elastisches  Häutchen  von  ca.  0,008™'"  Dicke  (Taf.  III  Fig.  7,  Fig.  11 /s). 
Ueber  die  Art  dei-  Entstehung  diesei-  Membran  habe  ich  nichts  feststellen  können,  es  scheint 
mir  bei  der  Homogenität  und  den>  völligen  Mangel  einer  Zusammensetzung  aus  gesonderten 
Elementen  am  wahrscheinlichsten,  dass  sie  durch  Erhärtung  einer  Flüssigkeil  zu  Stande  kommt, 
welche  von  dem  Keim  zwischen  seiner  Oberfläche  und  der  innern  Wand  der  äussern  Schale 
ausgeschieden  wird. 

Die  hier  gegebene  Bildungsgeschichte  der  Schalen  des  Kein)s  von  Hydra  viridis  weicht 
sehr  ab  von  dem,  was  bisher  über  diesen  Vorgang  bekannt  war.  v.  Siebold  ist  der  Erste,  der 
ziemlich  ausführliche  dahin  bezügliche  Angaben  gemacht  hat,  diese  sind  jedoch  weder  klar, 
noch  lassen  sie  sich  mit  dem  von  mir  Gefundenen  in  Einklang  bringen.  Nach  ihm  wird  das 
Ei ,  welches  durch  Au.seinanderweichen  der  Cutis  nach  aussen  getreten  ist ,  von  einer  »sehr 
zarten  Spinnwebehaut"  umhüllt,  die  von  dem  napfförmigen  Organ  ausgeht.  Bevor  sich  ein 
solches  Ei  von  seinem  Mutterboden  trennt,  nimmt  die  Hülle,  welche  den  Dotter  zunächst  um- 
giebt,  eine  derbere  Beschaffenheit  an  und  wird  zugleich  von  einer  gallertigen  Masse  über- 
zogen, dann  wachsen  bei  H.  vulgaris  aus  ihr  rund  herum  stumpfe  Fortsätze  hervor,  welche 
sich  verlängern,  an  ihrer  Spitze  ein-  oder  mehrmal  spalten  und  so  eine  zackige  Form  be- 
kommen. Die  zarte  Spinnwebehaut  berstet  zuletzt,  das  Ei  fällt  ab  und  heftet  sich,  indem  der 
Gallertüberzug  schwindet,  irgendwo  fest.  Aehnlich  verhalten  sich  die  Eier  vom  H.  viridis,  nur 
bilden  sich  hier  ganz  kurze,  sehr  dichtstehende  Fortsätze  auf  der  Dotterhülle  aus  '. 

Diese  Darstellung  wurde  von  Ecker  für  H.  viridis  bestritten.  Ecker  erkannte,  dass  das 
Ei  nackt,  ohne  besondere  Dotterhaut  und  ohne  das  SiEBOLD'sche  Spinnvvebehäutchen  heraustritt. 
Die  sich  später  bildende  Schale  ist  in  polygonale,  in  der  Mitte  etwas  erhabene  Felder  getheilt, 
welche  jedoch  nicht  einer  Zusammensetzung  aus  Zellen  entsprechen  sollen.  Von  der  Entwick- 
lung der  Schale  sagt  Ecker,  dass  sie  zuerst  als  eine  structurlose  Haut,  «in  welcher  die  Grenzen 
der  künftigen  Felder  nur  durch  Streifen  von  Körnchen  bezeichnet  waren«  ^  auftritt.  Die  Ab- 
bildungen, welche  er  von  der  ausgebildeten  Schale  des  Keims  von  H.  viridis  giebl,  sind  nicht 
ganz  naturgetreu,  denn  sie  besteht  nicht  aus  regelmässigen  erhabenen  Feldern,  sondern  nur 
einzelne  derselben  ragen  vor,  während  andere  eine  imprimirte  Oberfläche  haben. 

Max  ScHiLTZE  giebt  an,  die  Keimschalen  von  H.  viridis   und  vulgaris    enthielten  kohlen- 


'  Lelirbucli  der  vergl.  Analoniie  d.  wirbellosen  Thiere,  1848,  p.  51. 
'^  Entw.  d.  grün.  Armpolypen,  p.   ii. 


70 

sauren  Kalk  '.  Ich  niuss  dies  entschieden  in  Abiede  stellen,  da  es  mir  nie  gelang,  aus  der 
vorher  von  anhaftenden  Sand-  und  Schlamintheilchen  sorgfaltig  gereinigten  Schale  Kohlensäure- 
blasen zu  entwickeln. 

Nachdem  ich  die  Schalenbildung  von  Hydra  viridis  untersucht  hatte ,  musste  es  von 
besonderm  Interesse  sein ,  den  entsprechenden  Vorgang  bei  den  beiden  Varietäten  von  H.  vul- 
garis kennen  zu  lernen,  da  sich  die  fertigen  Schalen  der  beiden  Arten  sehr  auffällig  von  einan- 
der unterscheiden.  Die  Keimschale  von  H.  aurantiaca  ist  eine  im  Vergißich  zu  der  von 
H.  viridis  dünne  Chitinkapsel,  welche  mit  einer  Menge  ziemlich  langer  Stacheln  ringsum  besetzt 
ist.  Einige  dieser  Stacheln  sind  in  eine  feine  Spitze  ausgezogen,  das  Ende  der  meisten  ist 
aber  einfach  oder  doppelt  gespalten  und  läuft  in  2 — 4  hakenförmige  Zacken  aus.  Es  ist  mir 
gelungen,  die  Entstehung  dieser  eigenthümlichen  Formen,  wie  ich  glaube,  vollständig  zu  ver- 
folgen. 

Die  ersten  Vorgänge  in  den  prismatischen  Zellen  der  äussern  Lage  des  Keims  \on 
H.  aurantiaca  sind  genau  dieselben,  wie  die  vorher  geschilderten:  die  Zellen  trennen  sich  ober- 
flächlich von  einander,  ihre  Einschlüsse  ziehen  sich  auf  das  centrale  Ende  zurück,  und  die 
äussere  den  Kern  umgebende  Plasmaschicht  ist  moditicirt  in  Bezug  auf  die  Lichtbrechung  und 
die  Farbstotfimbibition  (Tat.  III  Fig.  3  .  Dann  tritt  aber  eine  Veränderung  ein,  welche  bei  dei- 
Schalenbildung  iler  H.  viridis  ganz  fehlt.  Dicht  unter  der  freien  Oberfläche  der  Zellen  ent- 
steht ein  (zuweilen  auch  zwei)  mit  Flüssigkeit  erfüllter  Raum  von  linsenförmiger  Gestalt ;  seine 
äussere  Wand  besteht  aus  einem  äusserst  zarten  Häutchen,  das  von  der  Substanz  der  Zelle 
abgehoben  ist  und  dieser  wie  ein  starkes  gewölbtes  Uhrgläschen  aufsitzt,  sein  Boden  wird 
von  einer  flachen  Impression  des  Zellkörpers  gebildet.  Die  dunkle  Keimkugel  ist  überall  mit 
hellen  Buckeln  besetzt  (Taf.  III  Fig.  9)  und  erinnert  lebhaft  an  die  Bilder,  welche  man  so  häufig 
künstlich  durch  die  Einwirkung  verdünnter  Säuren  erzeugt.  Die  einzelnen  Räume  sind  in  Bezug 
auf  ihre  Grösse  sehr  ungleich,  die  in  ihnen  enthaltene  Flüssigkeit  ist  wasserklar  ohne  irgend 
welche  Beimischung  von  Körnchen,  die  abgehobene  Decke  geht  mit  ihrem  Umfange  ohne  jede 
innere  Abgrenzung  in  die  solide  Zellmasse  über-,  deren  feinkörnige  BeschatTenheit  auch  noch 
deutlich  an  dem  dünnen  Häutchen  erkennbar  ist.  Indem  die  Flüssigkeitsausscheidung  fort- 
dauert, wölbt  sich  die  Decke  der  Vacuole  mehr  vor,  einzelne  platzen  und  ihr  Inhalt  entleert 
sich  nach  aussen.  Zu  gleichei-  Zeit  werden  an  vielen  Stellen  die  sich  berührenden  Seiten- 
wände, besonders  die  kleinern  Räume,  durchbrochen  und  ihr  Inhalt  fliesst  zusammen.  So 
entstehen  grössere  Räume,  die  über  zwei  oder  mehr  Zellen  hinwegziehen.  Weiterhin  wird 
nicht  mehr  die  Decke  ausgedehnt,  sondern  es  erfolgt  eine  immer  tiefer  greifende  Excavation 
des  den  Boden  bildenden  Plasmas,  welches,  zur  Seite  gediängt,  mehr  oder  wenigei-  dicke 
Scheidewände  zwischen  den  Vacuolen  herstellt  (Taf.  III  Fig.  4).  Diese  Scheidewände  zeigen 
auf  dem  Durchschnitt  eine  biconcave  Form,  in  der  Mitte    sind   sie   verdünnt,    nach   innen  ver- 


1  Beobaclil.  d.  Samenthiercheii  u.  s.  w. 


71 

breitern  sie  sich  in  den  formell  noch  unverändert  erhaltenen  Theil  der  Zelle,  aussen  gehen  sie 
nach  allen  Seiten  in  die  Decken  der  anstossenden  Vacuolen  über.  Darauf  wird  dies  Ende  der 
Scheidewände  besonders  stark  gedehnt  und  spaltet  sich  in  Folge  dessen  in  zwei  oder  mehr 
l.amellen,  die  sich  bogenförmig  in  die  Deckblättchen  der  Vacuolen  fortsetzen.  Die  letztern  ver- 
lieren ihre  Wölbung  und  verschmelzen  alle  zusammen  zu  einem  sehr  dünnen,  scheinbar  ganz 
homogenen  Häutchen,  zugleich  werden  die  plasraatischen  Scheidewände  imvollständig,  indem 
sich  die  verschiedenen  Zellen  angehörigen  Tlieile  von  einander  lösen  und  aus  der  Form  von 
Platten  in  die  von  Säulen  übergehen;  die  bisher  einzeln  abgeschlossenen  Vacuolen  vereinigen 
sich  dadurch  zu  einem  zusammenhängenden  labyrinthischen  Raum.  Die  Schale  besteht  also  nun 
aus  zwei  concentrischen  kugligen  Lamellen,  von  denen  die  innere,  dem  Keim  dicht  anliegende 
und  verhältnissmässig  dicke  auf  ihrer  Aussenfläche  eine  Menge  von  Fortsätzen  trägt,  die  wie 
Strebepfeiler  eines  Gewölbes  den  Raum  bis  zu  dem  zarten  äussern  Schalenhäutchen  durch- 
ziehen und  sich  in  derselben  mit  gespaltenen  bogenförmigen  Enden  ausbreiten,  tier  freie 
Zwischenraum  zwischen  beiden  Lamellen  ist  von  Flüssigkeit  erfüllt  fTaf.  III  Fig.  106).  Indessen 
betheiligen  sich  nicht  alle  Zellen  der  äussern  Schicht  gleichmässig  in  der  angegebenen  Weise 
an  der  Bildung  der  Schale,  sondern  bei  vielen  erreicht  die  Vacuole  keine  grössere  Ausdehnung 
und  der  Zellkörper  schickt  keine  Fortsätze  aus. 

Abgesehen  von  der  Vacuolenbildung  und  den  durch  sie  bedingten  eigenthümlichen  Ge- 
staltungen stimmen  die  Veränderungen  der  Zellen  der  oberflächlichen  Schicht  durchaus  mit  den 
vorher  für  H.  viridis  beschriebenen  überein.  Das  Zurückweichen  der  festen  Einschlüsse  nach 
dem  centralen  Ende  und  der  allmähliche  Zerfall  derselben  dauert  wählend  der  Stachelbildung 
fort,  ebenso  wie  das  auf  der  Oberfläche  beginnende  Hellwerden  des  Plasmas;  in  den  Fort- 
sätzen finden  sich  niemals  Pseudozellen  oder  grössere  Eiweisskörnchen,  wol  aber  zuweilen  der 
degenerirende  Zellkern.  Die  Ablagerung  von  Chitinsubstanz  erfolgt,  indem  zuerst  die  äussere 
Lamelle  in  ein  durchsichtiges,  homogenes,  sprödes  Häutchen  sich  verwandelt,  dann  nachdem 
die  definitive  Form  der  Schale  aus  der  weichen  Plasmaniasse  modellirt  ist,  gleichzeitig  auf  der 
ganzen  Oberfläche.  Es  ditferenzirt  sich  hier  sowohl  an  den  Fortsätzen  als  auch,  an  den  flächen- 
haft  ausgebreiteten  Zelltheilen  eine  dünne  Membran,  die  bald  eine  bedeutende  Consistenz  er- 
hält. Diese  Schicht  lässt  sich  leicht  auf  grössere  Strecken  im  Zusammenhange  von  dem  drunter- 
liegenden  noch  weichen  Plasma  abheben  und  giebt  auch  dann  noch  die  Architektonik  der 
Schale  xollkommen  wieder;  von  den  Fortsätzen,  wo  das  Plasma  in  der  Chitinscheide  wie  der 
Finger  im  Handschuh  steckt,  wird  natürlich  die  Ausfüllung  der  umgebogenen  Spitzen  bei  der 
Manipulation  mit  abgerissen.  Später  bildet  sich  unter  dei-  ersten  eine  zweite  Membran  u.  s.  w. 
je  nach  der  Mächtigkeit  des  betreffenden  Theils.  So  verwandelt  sich  die  ganze  äussere  Zell- 
lage des  Keims  in  ein  hartes,  starres  Gebilde,  das  durchweg  aus  gleichdicken  Lamellen  zu- 
sammengesetzt ist.  Da  die  Richtung  dieser  Lamellen,  wie  gesagt,  genau  der  Configuration  der 
Oberfläche  entspricht,  so  haben  die  Theile  eines  und  desselben  Systems  eine  sehr  verschiedene 
Lage  zu  einander  und  liegen  nicht,  wie  bei  H.  viridis,  in  der  Kugelfläche. 


72 

Die  Grenzen  der  Zellen  sind,  bevor  die  Membranbildung  begonnen  hat,  sehr  leicht 
durch  die  bekannten  Mittel  deutlich  zu  machen,  leider  wird  dabei  gewöhnlich  die  zarte  Aussen- 
wand  der  Vacuolen,  die  zu  schwach  ist,  um  den  geringsten  endosmotischen  Strom  zu  ver- 
tragen, zerstört.  Wenn  der  Erhitrtungsprocess  weiter  vorgeschritten  ist,  gelingt  dagegen  die 
Isolirung  einzelner  Zellen  nur  sehr  unvollkommen,  weil  die  Membranen  ausserordentlich  fest 
mit  einander  verbunden  sind ;  bei  der  fertigen  Schale  tritt  wieder  die  Zusammensetzung  aus 
umgewandelten  Zellen  mit  derselben  Schärfe  wie  bei  H.  viridis  hervor. 

Die  aus  den  verschmolzenen  Decken  der  Vacuolen  gebildete  äussere  Lamelle  der  Schale 
ist  von  nur  kurzem  Bestände;  beim  Abfallen  des  Keims  oder  auch  schon  früher  zerbricht  das 
äusserst  zarte  Gebilde;  die  bisher  in  den  Hohlräumen  der  Schale  befindliche  Flüssigkeit  fliesst 
aus  und  die  Stacheln  ragen  frei  nach  aussen  vor.  Es  erscheint  mir  wahrscheinlich,  dass  Siebold 
duich  dies  Häutchen,  das  auf  dem  optischen  Durchschnitt  fast  wie  einfacher  Contoiir  sich  dar- 
stellt, zu  der  Annahme  veranlasst  worden  ist,  der  Keim  werde  anfänglich  von  einer  später 
schwindenden  Gallerthülle  umgeben. 

Die  innere  Keimschale  entsteht  nach  vollendeter  Ausbildung  der  äussern  und  gleicht 
durchaus  der  von  H.  viridis. 

Ich  habe  die  Entstehung  der  äussern  Keimschale  so  ausführlich  beschrieben,  weil  sie 
mir  von  Interesse  für  die  Auffassung  der  Cuticular-  und  Epidermoidalbildungen  zu  sein  seheint. 
Die  Frage ,  ob  eine  an  der  Oberfläche  von  Zellen  entstehende  feste  Substanz  durch  directe 
Umwandlung  des  Plasmas,  oder  durch  flüssige,  nachträglich  erstarrende  Ausscheidungen  gebildet 
wird,  lässt  sich  mit  Recht  nur  für  bestimmte  Fälle  —  namentlich  für  die,  in  welchen  die 
Matrix  aus  Zellen,  die  normal  mit  einer  diflferenten  Membran  bekleidet  sind,  besteht  —  auf- 
stellen, für  andere  verliert  sie  sich  sehr  in's  Unbestimmte,  da  Ausscheidung  und  Umwandlung 
nur  unter  besonders  günstigen  Umständen  als  streng  geschiedene  Vorgänge  erkennbar  sind. 
Für  die  äussere  Schale  des  Hydrakeims,  deren  Form  von  dem  weichen  Plasma  auf's  genauste 
vorgebildet  wird,  scheint  es  mir  inunerhin  zweifellos,  dass  von  der  Ausscheidung  einer  erstar- 
renden Flüssigkeit  nicht  die  Rede  sein  kann,  sondern,  dass  hier  die  schichtenweise  fortschrei- 
tende Umsetzung  des  Plasmas  in  Chitinsubstanz  stattfindet.  Von  grosser  Wichtigkeit  ist  aber 
die  mit  der  ersteren  zum  Theil  innig  zusammenhängende  Frage,  ob  eine  totale  Umwandlung 
der  Zellen  erfolgt,  ob  sie  auch  formell  in  die  Bildung  des  neuen  Organs  eingehen,  oder  ob 
die  Bildungszellen  erhalten  bleiben  und  nur  gewisse  Substanzen  nach  aussen  absetzen.  Es  ist 
ersichtlich,  dass  aus  der  Antwort  die  morphologische  Werthigkeit  der  fraglichen  Bildungen  sich 
ergiebt.  So  unterscheiden  sich  Epidermoidalgebilde  und  Cuticularbildungen,  von  denen  die 
ersteren  stets  einem  Gewebe,  oder  doch  wenigstens  einer  bestimmten  Zellengeneration,  homolog 
sind,  die  andern  dagegen  den  Intercellularsubstanzen  und  ähnlichen  Absonderungsproducten, 
welche  ihre  Entstehung  dem  Stoffwechsel  bestehender  Zellkörper  verdanken,  gleichgesetzt  werden 
müssen.  Ich  kann  nicht  zweifelhaft  sein ,  in  welche  dieser  beiden  Kategorieen  die  äussere 
Schale  des  Hydrakeims  unterzubringen  ist:  sie  entsteht  durch   totale  Umwandlung    der   ganzen 


73 

äussern  einscliiclitigen  Zelllage  des  Keims  und  jedes  der  sie  zusammensetzenden  Elemente  ist 
eine  Zelle,  die,  wenn  sie  auch  in  Folge  der  Umsetzung  des  Plasmas  in  CJiitinsubstanz  jede 
Vitalität,  jeden  eigenen  physiologischen  Werth  verloren  hat,  dennoch  ihre  morphologische 
Aequivalenz  behält;  die  Schale  ist  daher  eine  epidermoidale  Bildung  und  in  Beziehung  zum 
ganzen  Keim  ein  Gewebe  desselben.  Die  Berechtigung  dieser  Behauptung  gehl  wol  schon  aus 
der  gegel)enen  Beschreibung  des  Bildungsprocesses  hervor,  in  Rücksicht  auf  die  ausserordent- 
liche Wichtigkeit  dieses  Verhältnisses  für  die  Auffassung  des  ganzen  Organismus  dei-  H\(lra 
will  ich  aber  noch  dem  einzigen  Einwände,  den  man  machen  könnte,  mit.  wie  ich  glaube, 
entscheidenden  Gründen  entgegen  treten.  Die  Thatsache  nämlich,  dass  im  Verlauf  des  Um- 
wandlungsvorganges die  Begrenzung  der  einzelnen  Zellen  undeutlich  wird,  sowie  die  beginnende 
wirkliche  Verschmelzung  der  centralen  Zellen  des  Keims  konnte  meine  Darstellung  fraglich 
machen,  weil  das  directe  Verfolgen  der  Veränderungen  aller  Zellen  bis  zur  Vollendung  der 
Schale  dadurch  verhindert  wird  und  die  .Möglichkeit,  dass  die  Zellen  der  äussern  Lage,  wenn 
sie  auch  durch  Absetzung  der  Chitinmasse  an  Volum  verlieren,  doch  erhalten  bleiben  und  bei 
eintretender  Verschmelzung  mit  in  den  Keim  aufgenommen  werden,  nicht  ausgeschlossen  zu 
sein  scheint.  Dagegen  erwidere  ich:  I.  Ich  habe  mehrmals  nach  schon  beendigter  Ausbildung 
der  Schale  die  Zellen  des  Keims  noch  gesondert  gefunden,  dabei  aber  nie  solche  getroll'en, 
die  als  veränderte  Zellen  der  äussern  Lage  hätten  gedeutet  werden  können,  sondern  überall 
lagen  die  grossen  polyedrischen  Zellen  der  Sehale  dicht  an.  Es  sind  zwar  nur  seltene  Fälle, 
wo  man  dies  sicher  conslatiren  kann,  aber  sie  sprechen  jedenfalls  sehr  zu  Gunsten  meiner 
Behauptung;  2.  wenn  es  auch  nicht  gelang,  bei  fortgeschrittener  Umwandlung  die  betretTenden 
Zellen  zu  isoliren,  so  erkennt  man  doch  noch  häufig  an  einzelnen  Stellen  die  Zellgrenzen 
deutlich,  und  da,  wo  schon  die  äussere  Lage  eine  gleichförmige  zusammenhängende  Plasma- 
schicht  zu  bilden  scheint,  während  erst  ungefähr  die  Hälfte  der  Chitinlamellen  abgelagert  ist,  be- 
weist der  Umstand,  dass  die  zweite  Hälfte  der  Schale  genau  dieselbe  Structur  besitzt,  wie  die 
erste,  und  zwar  eine  Structur,  die,  wie  wir  gesehen  haben ,  nur  durch  die  Zusammensetzung 
des  Bildungsgewebes  aus  einzelnen  Zellkörpern  zu  Stande  konnnen  kann  —  dass  die  Ver- 
schmelzung nur  scheinbar -ist;  3.  es  finden  sich  fast  in  jedem  Keim  einzelne  Zellen,  bei 
denen  der  Mangel  oder  der  frühzeitige  Schwund  der  grössern  festen  Einschlüsse  es  möglich 
macht  zu  erkennen,  dass  die  erwähnten  vorbereitenden  Veränderungen  nicht  bloss  einen  Theil, 
sondern  die  Totalität  ihres  Plasmas  ergreifen,  woraus  denn  sehr  wahrscheinlich  wird,  dass  die 
nachfolgenden  Processe  auch  die  ganze  Zelle  in  Anspruch  nehmen;  4.  die  Grösse  der  die 
Schale  von  H.  viridis  zusammensetzenden  Prismen  entspricht  genau  der  Grösse  der  Zellen  der 
äussern  Lage  des  Keims ;  da  man  sich  nun  zu  Beginn  des  Processes  davon  überzeugen  kann, 
dass  mit  der  Zunahme  der  Chitinschicht  eine  proportionale  Abnahme  des  Plasmas  der  Zelle 
verbunden  ist  und,  wie  gesagt,  die  Form  der  Bildung  von  Anfang  bis  zu  Ende  dieselbe  bleibt, 
so  kann  kaum  ein  Zweifel  dagegen  erhoben  werden,  dass  ilie  prismatischen  Zellen  der  äussern 
Schicht  sich  in  toto  in  die  Elemente  der  Schale  umwandeln. 

Kleinenberg,   Hydr.a.  tn 


Hiermit  scheint  niii'  festgestellt,  dass  die  erste  Differenzirung  des  Keims  von  Hydra  in 
der  Bildung  eines  peripherischen  einschichtigen  Blattes  besteht,  welches,  indem  seine  Zellen 
absterben  und  ihr  Plasma  sich  in  Chitin  umsetzt,  zu  einer  festen  Schale  wird,  die  den  übrigen 
Theil  des  Keims  —  aus  dem  allein  das  junge  Thier  sich  herausbildet  —  während  der  langen 
Zeit  der  Entwicklung  vor  Zerstörung  schützt.  Das  erste  Organ,  das  aus  dem  Hydrakeim  her- 
vorgeht, ist  ein  provisorisches,  embryonales,  das  an  dem  Aufbau  des  deÜnitiven  Körpers  nicht 
den  geringsten  Antheil  nimmt  und  beim  Ausschlüpfen  einfach  abgeworfen  wird.  Ich  werde 
dies  Verhältniss  im  Zusammenhang  mit  den  andern  Entwicklungsvorgängen  noch  einmal  zu 
berücksichtigen  Gelegenheit  nehmen. 

Embryonale  Entwicklung. 

Sobald  die  Schale  fertig  ist,  löst  sich  die  Verbindung  des  Keims  mit  dem  mütterlichen 
Körpe;-,  der  Keim  fällt  ab  untl  sinkt  zu  Boden. 

Es  ist  nicht  richtig,  dass,  wie  mehrfach  angegeben  wii'd,  nach  der  Ablösung  des  Keims 
regelmässig  der  Tod  des  Mutterthiers  erfolgt ;  wenn  die  Existenzbedingungen  im  Aquarium 
überhaupt  günstig  waren,  habe  ich  nicht  einmal  eine  grössere  Mortalität  unter  den  Thieren, 
welche  das  Fortptlanzungsgeschäft  absolvirt  hatten,  bemerkt,  und  ich  glaube  sogar,  dass  die- 
selben Individuen  im  nächsten  Jahr  wiederum  geschlechtsreif  werden  können. 

Der  Eiträgei-  bleibt  noch  längere  Zeit  nach  dem  Abfallen  erhalten,  erst  nach  und  nach 
degenerirt  er  und  verwandelt  sich  in  eine  schwielenartige  Verdickung  im  Ectoderm,  auch  diese 
schwindet,  und  das  Ectoderm  bekommt  wieder  sein  normales  Aussehen. 

Die  Periode  der  embryonalen  Entwicklung  nimmt  bei  weitem  mehr  Zeit  in  Anspruch, 
als  die  bisher  beschriebenen  Vorgänge.  Während  dei'  ganze  Process,  vom  ersten  Erscheinen 
des  Eies  bis  zui'  Ausbildung  der  Keimschalen ,  meist  schon  am  vierten  Tage  abgelaufen  ist, 
vergehen  von  da  ab  bis  zum  Auskriechen  des  jungen  Thiers  mindestens  vier,  gewöhnlich  aber 
sechs  bis  acht  Wochen.  Schon  dieser  Umstand  macht  die  Untersuchung  unbequem ;  in  hohem 
Grade  ■  erschwert  wird  sie  aber  durch  die  Undurchsichtigkeit  dei-  äussern  Schale  und  durch 
den  Mangel  jedes  äussern  Zeichens ,  welches  den  Stand  der  Entwicklung  markirte.  Die  ein- 
zige anwendbare  Untersuchungsmethode  ist  die  Härtung  des  Keims  und  die  Anfertigung  von 
Schnitten.  Als  Erhärtungsmittel  benutzte  ich  Chromsäurelösungen  von  0,05— 0,025  7o,  in 
welchen  der  Keim  2 — 3  Tage  verbleiben  muss.  AlKohol  —  auch  absoluter  —  ist,  namentlich 
für  die  Stadien,  in  welchen  die  Leibeshöhle  schon  angelegt  ist,  ganz  unbrauchbar,  weil  er 
starke  Schiunipfung  und  das  Zusammenfallen  der  Keimblase  hervorruft.  Das  einfache  Halbiren 
des  mit  Chromsäure  behandelten  Keims  ist  leicht  und  genügt  auch  so  ziemlich  für  das  Er- 
kennen der  wesentlichen  Veränderungen,  successive  dünne  Schnitte  abzutragen,  hat  seine 
Schwierigkeit  und  verlangt  das  Einbetten  des  Objects  in  eine  gut  schneidbare  plastische  Masse. 
Die  Schale  des  Keims  von  H.  viridis  hat  häufig  ein  Merkmal,  nach  welchem  die  Richtung  des 
Schnitts  sich  beurtheilen  lässt;    an  der  Stelle  nämlich,  wo  der  Keim  mit  dem  Eiträger  in  Be- 


75 

rühriing  stand,  ist  die  Schale  oft  etwas  verdickt  und  abgeplattet,  oder  in  z\%ei  Blätter  ge- 
spalten, die  einen  linsenförmigen  Hohlraum  umgeben. 

Ein  grosser  Theil  der  Keime  stirbt  während  der  embryonalen  Entwicklung  ab.  Offen- 
bar wird  schon  das  nackte  Ei  durch  das  Eindringen  von  Pilzsporen  inficirt;  indem  diese  nun 
innerhalb  der  Schale  keimen,  zersetzen  und  \ erzehren  sie  das  Plasma,  und  an  die  Stelle  des 
Keims  tritt  ein  verschlungenes  knäultrirmiges  Alyeil,  dessen  Fäden  zuletzt  sogar  die  harte  Schale 
durchbohren  und  so  wieder  nach  aussen  gelangen.  Diese  tödtliche  Erkrankung,  welche  in 
manchen  Gewässern  fast  die  ganze  Brut  zerstört,  mag  der  Giuml  sein,  warum  so  viele  Be- 
obachter vergeblich  auf  das  Ausschlüpfen  der  jungen  Hydren  gewartet  haben.  Von  1500  Keimen, 
die  ich  gesammelt  hatte,  sind  ungefähr  1  I  00  vor  Beendigung  der  Entwicklung  auf  diese  Weise 
zu  Grunde  gegangen. 

Die  unerwartete  Veränderung,  welche  sich  nach  vollendeter  Ausbildung  der  Schalen 
in  der  Structur  des  Keims  vollzieht,  habe  ich  oben  schon  berührt;  es  ist  die  Verschmelzung 
sämmtlicher  Keimzellen  zu  einem  zusammenhängenden  Plasmodium.  Die  vorher  auf  "Duich- 
schnitten  vollkommen  scharfen  Zellgrenzen  werden  zunächst  undeutlich  und  \ erwaschen,  und 
endlich  hören  sie  ganz  auf,  erkennbar  zu  sein,  die  Zellkerne  verschwinden,  und  der  Keim  ist 
wieder  dem  ungefurchten  Ei  ähnlich,  eine  einzige  grosse  Plasmamasse,  welche  dicht  mit  Pseudo- 
zellen,  Chlorophyllkörnern  und  Eiweisskörnchen  angefüllt  ist.  .  Natürlich  heisst  dies  nichts 
anderes,  als  dass  es  mir  nicht  gelungen  ist ,  am  lebenden  Keim  oder  mit  Zuhülfenahme  aller 
bekannten  Mittel,  von  denen  ich  keins  unversucht  gelassen  habe  —  auch  nicht  das  Erhitzen 
in  Wasser,  womit  Liebehkihn  neuerdings  im  Stande  war,  das  ausserordentlich  fest  zusammen- 
hängende Ectoderm  der  Spongillen  in  einzelne  Zellen  aufzulösen  —  in  diesem  Entwicklungs- 
zustande auch  nur  die  Spur  eines  zelligen  Baues  nachzuweisen.  Ich  gebe  zu,  dass  man  dies 
Zusammenfliessen  der  Keimzellen  zu  einer  formlosen  Masse  —  nach  ünsern  heutigen  Anschau- 
ungen ein  enormer  histiologischer  Rückschritt  —  für  ein  durchaus  unverständliches,  ja  para- 
doxes Phänomen  der  Entwicklung  erklären  kann,  und  sehe  voraus,  dass  man  dem  Befunde 
jede  Beweiskraft  absprechen  wird,  sich  berufend  auf  die  Unvollkommenheit  unserer  optischen 
und  sonstigen  technischen.  Untersuchungsmittel ,  vielleicht  auch  auf  die  Ungeschicktheit  des 
Beobachters.  Ich  für  meine  Person  halte  es  indessen  nicht  für  berechtigt ,  in  einer  Wissen- 
schaft, welche,  wie  die  Entwicklungsgeschichte,  der  principiellen  Durcharbeitung  so  sehr  ent- 
behrt, zu  Gunsten  der  Theorie,  die  Realität  oder  Beweiskraft  einer  unabweisbaren  Beobachtung 
ohne  Weiteres  zu  bestreiten.  Ausserdem  wissen  wir  das  ja  sichei',  das.s  ein  wirkliches 
Verschmelzen  ursprünglich  getrennter  Zellen  zu  einem  einheitlichen  Körper,  welcher  dann 
wiederum  simultan  in  eine  Menge  von  Zellen  zerfällt,  vorkommen  kann:  die  Strömungen  in  den 
Plasmodien  der  Myxorayceten  bekunden  unwiderleglich,  dass  die  Zellen,  aus  denen  dieselben 
hervorgegangen  sind,  ihre  individuelle  Abgrenzung  absolut  verloren  haben.  Man  erinnere  sich 
auch  einiger  Beobachtungen  aus  der  Entwicklungsgeschichte  der  höheren  Thiere,  'die  in  neuerer 
Zeit  etwas  allzu  sehr  bei  Seite  geschoben  sintl.     Ich    meine    die  Angaben  Bischoff's    in    Bezug 

10* 


76 

auf  die  Auflösung  der  Keimzellen  beim  Meerschweinchen  und  heim  Keli.  Bischoff  ist  gewiss 
nicht  im  Recht,  wenn  er,  seinen  eigenen  Erfahrungen  entgegen,  denselben  Process  in  die  Ent- 
wicklung aller  Stiugethiere  einschalten  möchte,  aber  ebenso  unzulässig  ist  das  Verfahren  seiner 
Gegner,  welche,  ohne  sich  um  den  |)ositiven  Gegenbeweis  zu  bemühen,  die  Sache  einfach  um- 
drehen und  aus  dem  Verhalten  der  Keime  einiger  anderer  Säugethiere  die  Unmöglichkeit  des 
Zusammenfliessens  der  Keimzellen  beim  Meerschweinchen  und  Reh  beweisen  wollen.  Mit 
solchen  Phrasen,  wie  »der  fragliche  Vorgang  ist  undenkbar,  weil  dadurch  der  Furchungsprocess 
zu  einem  zwecklosen  Luxus  herabsänke«,  ist  Nichts  gesagt:  wir  wissen  schliesslich  doch  gar 
zu  wenig  von  dem  Wesen  des  Zellenlebens  und  seinen  Bedingungen,  um  nicht  dei-  Gefahr 
ausgesetzt  zu  sein,  in  einem  solchen  Urtheil  auf  einige  conventioneile  Redensarten  hin  Etwas 
für  undenkbar  und  für  zwecklosen  Luxus  zu  erkläien,  was  in  Wirklichkeit  vielleicht  unum- 
gängliche Nothwendigkeit  und  weiseste  Üekonomie  für  den  entstehenden  Thieikörper  ist.  So 
wie  die  Sache  liegt,  habe  ich  nach  meinen,  wie  ich  glaube,  mit  genügender  Gewissenhaftigkeit 
ausgeführten  Untersuchungen  gar  keine  andere  Wahl,  als  die  thatsächliche  Vei'schmelzung  der 
Zellen  des  Hydrakeims  zu  behaupten.  Dagegen  scheint  es  mir  keinem  Zweifel  unterworfen, 
dass  diese  Erscheinung  in  der  Entwicklung  anderer  Hydroiden,  welche  sogar  meinem  Beobach- 
lungsobjecte  im  System  sehr  nahe  stehen,  durchaus  fehlt;  der  Vorgang  kann  daher  auch  keine 
allgemeine  Bedeutung  für  den  typischen  Gang  der  Entwicklung  haben ,  sondern  wird  als  eine 
den  Lebensverhältnissen  der  Species  angepasste  Eigenthümlichkeit  aufzufassen  sein.  In  dieser 
;  Hinsicht  ist  nicht  uninteressant  zu  bemerken ,  dass  sowol  bei  der  Hydra  wie  beim  Reh  ein 
'ganz  aussergewöhnlich  langer  Zeitraum  latenter  oder  doch  sehr  träger  Weiterbildung  zwischen 
tler  Furchung  und  der  Differenzirung  der  Keimblätter  liegt. 

In  der  compacten  Masse  des  Hydrakeims  bildet  sich  nun  eine  kleine  Höhle.  Dies  ist 
die  Anlage  der  Leibeshöhle.  Sie  entsteht  immer  excentrisch,  nahe  der  Oberfläche,  und  wie 
ich,  gestützt  auf  das  oben  angeführte  ^Merkmal,  behaupten  möchte,  stets  an  derselben  Stelle, 
nämlich  an  dem  Pol,  von  welchem  die  erste  Furche  des  Eies  ausging,  also  dem  Anheftungspunkte 
gerade  gegenüber.  Ihre  Form  ist  anfänglich  die  einer  flachen  biconvexen  Linse;  mit  der  fort- 
schreitenden Vergrösserung  dringt  ihr  Umfang  aber  schneller  in  die  Masse  ein,  als  der  centrale 
Theil,  in  Folge  dessen  erhält  ihr  Grund  eine  concave  Krümmung  und  auf  dem  Längsschnitt 
erscheint  sie  sichelförmig.  Später  gleicht  sich  das  wieder  aus,  die  centrale  Masse  des  Keims 
schwindet  mehr  und  mehr,  bis  ein  grosser,  nach  allen  Dimensionen  ziemlich  gleichmässig  ent- 
wickelter Hohlraum  entsteht,  dessen  plasmatische  Wand  an  der  Stelle,  welche  dem  Ausgangs- 
l)unkte  der  Aushöhlung  gegenüber  liegt,  etwas  dicker  ist,  unil  so  auch,  wie  ich  glaube,  bis 
zum  Schluss  der  Entwicklung  verbleibt.  Die  Innenfläche  der  auf  diese  Weise  entstandenen 
Keimblase  (Taf.  III  Fig.  I  I)  ist  nicht  glatt,  sondern  zeigt  Vorsprünge  und  Ausbuchtungen.  Die 
Flüssigkeit,  welche  die  Leibeshöhle  erfüllt,  ist  klar  und  mischt  sich  beim  Ausschneiden  augen- 
blicklich mit  dem  umgebenden  Wasser,  suspendirte  feste  Körperchen  scheinen  nicht  vorhanden 
zu  sein.     Besonders  aus  den  späteren  Stadien  seiner  Entwicklung  ist  klar,  dass  der  Hohlraum 


77 

nur  durch  wirkliche  Verflüssigung  eines  grossen  Theils  der  Substanz  des  Keims  entstanden  sein 
kann,  denn  die  Menge  des  Plasmas  und  die  absolute  Zahl  der  Pseudozellen  hat  sicherlich  be- 
trächtlich abgenommen. 

Ich  brauche  wohl  kaum  hinzuzufügen,  dass  eine  Furchungshöhle  in  dem  Sinne  und  von 
der  Bedeutung,  wie  Kowalewsky  sie  für  Thiere  verschiedener  Classen  beschrieben  hat,  bei 
Hydra  nicht  existirt ;  die  aus  der  Furchung  hervorgegangenen  Keimzellen  lassen  nirgends  einen 
freien  Raum  zwischen  sich  und  verschmelzen  zu  einem  durchaus  soliden  Körper.  Die  definitive 
Leibeshöhle  dei-  Hydra  entsteht ,  wie  wir  eben  gesehen  haben ,  verhiiltnissmässig  spät  durch 
Auflösung  der  Innern  Plasmamasse  des  Keims. 

Die  Strucfur  der  Keimblase  ist  in  dei-  ganzen  Dicke  der  Wand  durchaus  gleichmässig; 
in  dem  dichten  Plasma  liegen  einzelne  Chlorophyllkörner  und  sehi'  zahlreiche  Pseudozellen  ein- 
gebettet, die  an  der  glatten  Aussenfläche,  w  eiche  der  Innern  Schale  fest  angedrückt  ist ,  dicht 
bis  an  die  überfläche  tretend ,  nur  von  einer  unmessbar  dünnen  Plasniaschicht  umsäumt  wer- 
den, während  sie  auf  der  unebenen  hinenfläche ,  sich  über  das  Niveau  ihrer  Umgebung  er- 
hebend, oft  bis  zur  Hälfte  ihres  Durchmessers  in  den  Flüssigkeitsraum  vorspringen  —  aber 
auch  hier  sind  sie  stets  von  einer  ganz  dünnen  Lage  des  Plasmas,  welche  sich  ihrem  Contour 
genau  anschmiegt,  übeizogen. 

In  diesem  Zustande  verbleibt  die  Keimblase  mehrere  Wochen.  Unterdessen  verliert  die 
äussere  Keimschale,  wahrscheinlich  durch  die  allmähliche  Einwirkung  des  Wassers,  sehr  merklich 
an  Festigkeit.  Man  überzeugt  sich  davon  beim  Zerdrücken  des  Keims :  anfangs  leistet  die 
Schale  beträchtlichen  Widerstand,  und  wenn  sie  bricht,  entsteht  ein  Riss  mit  scharfen  Rändern; 
gegen  das  Ende  der  Entwicklung  zerbröckelt  sie  schon  unter  leisem  Druck  in  mehrere  Stücke. 
Bei  dieser  Brüchigkeit  genügt  nun  wol  schon  eine  geringe  Ausdehnung  des  Keims,  um  die 
Hülle  zu  sprengen,  die  Schale  fällt  in  zwei  Hälften  aus  einander,  oder  es  entsteht  ein  langer 
weitklaffender  Spalt,  durch  welchen  der  Keim  hervortritt.  Er  bleibt  jedoch  noch  von  der 
elastischen  durchsichtigen  innern  Schale  überzogen  und  füllt  dieselbe  vollkommen  aus. 

An  der ,  nun  wieder  der  unmittelbaren  Beobachtung  zugänglichen ,  Keimblase  fällt 
sofort  eine  Veränderung  auf;  sie  ist  nicht  mehr  wie  früher  von  gleichartigem  Gefuge,  sondern 
es  lassen  sich  sehr  deutlich  zwei  Schichten  unterscheiden:  eine  äussere  helle,  die  zunächst 
noch  verhältnissmässig  dünn  ist,  und  eine  innere,  viel  dickere,  dunkle  Schicht.  Dei'  Unterschied 
im  Aussehen  rührt,  wie  mir  scheint,  nur  davon  her,  dass  die  Pseudozellen  sich  im  ganzen 
Umfange  gleichmässig  von  der  Oberfläche  zurückgezogen  haben;  die  Chlorophyllkörner  ver- 
bleiben aber  in  der  äussern  Schicht.  Diese  einfache  Aenderung  in  der  Vertheilung  der  festen 
Einschlüsse  des  Plasmas  ist  die  erste  Andeutung  der  sich  entwickelnden  definitiven  beiden  Keim- 
blätter: aus  der  hellen  Schicht  geht  das  Ectoderm  hervor,  aus  der  dunklen  das  Entoderm. 
Beide  Lagen  erscheinen  auf  dem  optischen  Durchschnitt  bestimmt  von  einander  abgegrenzt,  es 
ist  indessen  völlig  unmöglich,  sie  von  einander  zu  trennen,  und  ich  glaube  mich  aufs  Sicherste 
überzeugt  zu  haben,  dass  sie  jetzt  noch  in  continuirlicher  Verbindung  stehen. 


^1. 


78 

Die  Dicke  der  hellen  äussern  Schicht  nimmt  ganz  allmäiilich  zu ,  und  sie  erreicht  so 
eine  bedeutende  [Mächtigkeit  (Taf.  III  Fig.  12ec).  Dabei  zieht  sie  sich  etwas  von  der  Hülle 
zurück  und  ihre  Oberfläche  wird  durch  kleine  körnige  Erhabenheiten  rauh  und  matt.  Dann 
zerföllt  die  ganze  Schicht  in  Zellen.  Wie  dies  geschieht,  auf  welche  Weise  die  continuirliche 
Plasmalage  .sich  in  ein  zeliiges  Blatt  umwandelt,  darüber  habe  ich  keine  Aufklärung  gewinnen 
können.  Jedenfalls  verläuft  der  Vorgang  sehr  rasch  und  wahrscheinlich  gleichzeitig  auf  der 
ganzen  Oberfläche  des  Embryo.  Ich  muss  hier  auch  bemerken,  dass  ich  nur  ein  einziges  Mal 
den  zelligen  Bau  des  äussern  Keimblattes  schon  an  dem  noch  kugelförmigen  Embryo  bestimmt 
gesehen  habe,  und  zwar  an  einem  in  Chromsäure  gehärteten  Präparat.  Das  ganze  Blatt  be- 
stand aus  einer  einzigen  Lage  annähernd  cubischer  Zellen,  welche  ebenso  deutlich  von 
einander,  wie  von  der  innern  noch  formlosen  Keimschicht  abgegrenzt  waren.  Kerne  konnte 
ich  nicht  wahrnehmen. 

Hierauf  streckt  sich  der  Embryo  und  nimmt  die  Form  eines  Ellipsoids  an,  dessen  Haupt- 
axe  ungeföhr  anderthalbmal  so  lang  ist,  wie  sein  Querdurchmesser  (Taf.  III  Fig.  13).  Die 
elastische  Hülle  passt  sich  genau  tler  neuen  Gestalt  des  Embryo  an  und  umschliesst  denselben 
noch  immer  ziemlich  eng.  Nach  einiger  Zeit  erscheint  die  Umgebung  des  einen  Pols  heller 
als  die  übrigen  Tlieile  des  Embryonalkörpers ,  und  stellt  man  das  Microscop  auf  den  Längs- 
schnitt ein,  so  ist  klar  ersichtlich,  dass  eine  allmähliche  Verdünnung  gegen  das  eine  Ende  zu, 
an  dessen  Spitze  sie  ihren  höchsten  Grad  erreicht,  stattgefunden  hat  (Taf.  III  Fig.  14).  Oft 
bemerkt  man  noch  in  der  Umgebung  des  hellen  Endes,  aber  von  ihm  durch  dazwischen  lie- 
gende dunklere  Partieen  geschieden,  einige  rundliche  helle  Flecken,  welche  unzweifelhaft  auch 
der  Ausdruck  von  Verdünnungen  der  Körperwand  sind.  Die  Abnahme  der  Mächtigkeit  am 
Ende  schreitet  schnell  fort,  jedoch  nicht  ununterbrochen,  sondern  von  Zeit  zu  Zeit  sammelt 
sich  wieder  mehr  Masse  um  den  Pol  an,  um  indessen  bald  darauf  desto  weiter  zurückzu- 
weichen. Die  durchscheinenden  Pseudozellen,  deren  Lage  man  im  Ocularmicrometer  bestimmt, 
rücken  abwechselnd  vor  und  zurück,  im  Ganzen  entfernen  sie  sich  aber  doch  mehr  und  mehr 
von  dem  Pol,  so  dass  hier  schliesslich  nur  ein  sehr  dünnes  durchsichtiges  Häutchen  nachbleibt. 
Plötzlich  entsteht  an  der  Spitze  ein  strahliger  Riss,  und  indem  die  Flüssigkeit  der  Leibeshöhle, 
einzelne  Pseudozellen  und  unregelmässig  gestaltete  Gewebsfetzen  mit  sich  reissend  in  die  Hülle 
ausströmt,  wulsten  sich  die  zackigen  Rissränder  lippenförmig  auf  und  verschmelzen  rasch  mit 
der  zusammen  sinkenden  verdickten  Körperwand  des  Embryos.  Die  Leibeshöhle  hat  eine 
Oeffnung  erhalten  —  der  Mund  ist  fertig.  Ich  bin  überzeugt,  dass  die  Stelle,  wo  die  Ver- 
dünnung und  der  schliessliche  Durchbruch  staltfindet,  jenem  Theil  des  Keims  entspricht,  in 
welchem  ursprünglich  die  Leibeshöhle  als  oberflächlicher  Hohlraum  auftrat. 

Nachdem  die  Mundöffnung  auf  .diese  etwas  brüske  iManier  entstanden  ist,  liegt  der  zu 
einem  unförmlichen  Häufchen  zusammengefallene  Embryo  einige  Minuten  regungslos  wie  betäubt 
da.  Dann  richtet  er  sich  langsam  auf,  und  nun  erkennt  man,  dass  er  im  Wesentlichen  schon  die 
Gestalt  des  fertigen  Thiers  besitzt  (Taf.  III  Fig  1 5) .  Gleichzeitig  mit  dem  Munde  haben  sich  nämlich 


79 

auch  die  Anlagen  der  Tentakeln  gebildet:  .stunipfe  niedrige  kegelförmige  Ausstülpungen  der  Körper- 
wand, welche,  wie  diese,  aus  zwei  deutlich  geschiedenen  Blättern  bestehen  und  durch  sehr 
weite  OetJnungen  mit  der  Leibeshöhle  communiciren.  üeber  ihie  Entstehung  kann  ich  nur  die 
Vermulhung  ausspreclien,  dass  bei  der  Zusammenziehung  des  Körpers,  welche  die  Mundbildung 
begleitet,  eine  Ausstülpung  jener  erwähnten  verdünnten  kreisförmigen  Stellen  in  der  Umgebung 
des  ^lundpols  (die  ich  aber  nicht  bei  allen  Embryonen  ujit  Sicherheit  erkennen  konnte)  ein- 
tritt. Die  Zahl  der  ursprunglich  angelegten  Tentakeln  ist  gewöhnlich  vier,  jedoch  ist  dies  nicht 
ausnahmslos  der  Fall,  ich  sah  unter  meinen  Augen  gleichzeitig  sieben  entstehen. 

Der  Embryo,  dessen  Bewegungen  noch  sehr  träge  sind,  verschluckt  nach  und  nach 
wieder  die  ausgestossene  Flüssigkeit,  in  Folge  dessen  tritt  er  näher  an  die  Schale  heran,  sein 
Leib  schwillt  kugelförmig  auf,  die  Tentakelausstülpungen  werden  bis  auf  kaum  wahrnehmbare 
Andeutungen  ausgeglichen  und  der  Mund  erscheint  fest  verschlossen.  Dann  erfolgt  wiederum 
eine  plötzliche  Eruption,  und  das  Thier  kehit  zu  seiner  normalen  Gestalt  zurück.  Dies  Spiel 
wiederholt  sich  mehrere  Male.  Nun  streckt  sich  der  Körper  in  die  Länge,  und  dem  ent- 
sprechend wachsen  auch  die  Tentakeln  zu  langen  dünnen  Röhren  aus.  Die  Schale  gestattet 
dem  schon  recht  beweglichen  Thier  ein  gerades  Ausdehnen  nicht  mehr,  sondern  der  Körper 
ist  genöthigt,  sich  mehrfach  zu  krümmen  und  zu  biegen.  Trotzdem  verbleibt  der  Embryo  ge- 
wöhnlich noch  zwei  bis  drei  Tage  innerhalb  der  schützenden  Decke.  Ein  actives  Durchbrechen 
derselben  findet  eigentlich  überhaupt  nicht  statt:  die  früher  ziemlich  lesistente  Membran  wird 
allmählich  erweicht,  ihre  Substanz  wandelt  sich  in  einen  klebrigen,  fadenziehenden  Schleim  um 
und  löst  sich  endlich  im  Wasser  auf  Das  frei  gewordene  junge  Thier  entspricht,  abgesehen 
von  seiner  geringern  Grösse ,  vollkommen  dem  ausgewachsenen :  alle  Gewebe  haben  sich  zu 
ihrer  definitiven  Gestaltung  differenzirt,  und  selbst  die  Nesselkapseln  sind,  wenn  auch  noch 
spärlich,  so  doch  schon  zur  Entladung  reif,  entwickelt. 

Was  ich  über  die  Entwicklung  der  Gewebe  sagen  kann,  ist  leider  lückenhaft  und  dürftig. 
Wir  haben  schon  gesehen,  dass  das  Ectoderm  entstand,  indem  sich  die  äussere  helle  Schicht 
des  Erabryonalkörpers  in  eine  einfache  Lage  von  Zellen  umsetzt.  Diese  Zellen ,  die  anfangs 
cubische  Formen  haben,  flachen  sich  bei  der  Streckung  des  Körpers  ab  und  werden  zu 
polyedrischen  Plättchen  (Taf  III  Fig.  16).  Sie  enthalten  jetzt  einen  deutlichen,  mit  einem  Kern- 
körperchen  versehenen  Kern,  häufig  aber  auch  zwei,  und  neben  grösseren  Dotterkörnchen  bei 
H.  viridis  vereinzelte  oder  zu  Häufchen  zusammengeballte  Chlorophyllkörnei-,  während  Pseudo- 
zellen  in  ilmen  ausnahmslos  fehlen.  Etwas  später  ist  ihre  Form  bei  verkürztem  Körper  eine 
rhombisch  verzogene,  sie  haben  an  Grösse  abgenommen,  und  nun  bemerkt  man  zwischen  ihnen 
auch  die  ersten  Anfänge  des  interstitiellen  Gewebes  als  verhältnissmässig  grosse  spindelförmige 
oder  unregelmässig  gestaltete  Zellen  (Taf.  III  Fig.  18).  Noch  ist  das  Ectoderm  indessen  eigentlich 
ein  einschichtiges  Blatt,  denn  wenn  die  jungen  Zellen  des  interstitiellen  Gewebes  auch  theil- 
weise  von  den  grössern  Neuromuskelzellkörpern  bedeckt  werden,  liegt  doch  ein  Theil  ihrer 
Oberfläche  frei  zu  Tage.     Erst  bei  altern  Embryonen,  wo  sie  sich  schon  stark  vermehrt  haben, 


80 

rücken  sie  ganz  unter  die  auswachsenden  Neuromuskelzellen  in  die  Tiefe  hinab.  Darnach 
iässt  sich  wol  kaum  daran  zweifeln,  dass  sowohl  das  Neuromiiskelgewebe  als  auch  das  inter- 
stitielle Gewebe  aus  <ler  primären  einschichtigen  Ectodernianiage  durch  Theilung  und  nach- 
trägliche Umlagerung  der  Zellen  hervorgehen. 

Die  Entstehung  der  Muskelfortsiitze  und  der  ersten  Nesselkapseln  habe  ich  nicht  ver- 
folgen können. 

Die  dunkle  innere  Schicht,  aus  der  das  Entoderni  wird,  erscheint  auch  nach  der  Bil- 
dung der  Mundöffnung,  und  nachdem  das  Ectoderm  schon  eine  vollkommen  deutliche  zellige 
Structur  erlangt  hat,  noch  immer  als  ein  zusammenhängendes  Plasmodium.  Späterhin  erst  findet 
man  an  seiner  Stelle  ein  einschichtiges  Blatt  leicht  isoliibarer  Zellen  von  prismatischer  Form 
mit  abgerundeten  freien  Enden.  Sie  besitzen  von  vornherein  einen  hellen  Kern  und  umschliessen 
gewöhnlich  mehrere  wohlerhaltene  Pseudozellen,  neben  welchen  zahlreiche  grössere  oder  kleinere 
unregelmässig  gestaltete  Körperchen  liegen,  die  wol  als  Bruchstücke  zerfallener  Pseudozellen 
aufzufassen  sind  (Taf.  III  Fig.  17).  Ich  bemerke  noch,  dass  die  Entodermzellen  bei  ihrem 
Entstehen  ausnahmslos  solide  Plasmakörper  sind   —  die  Vacuole   bildet    sich    erst  nachträglich. 

Immerhin  bin  ich  doch  bei  der  Untersuchung  der  embryonalen  Entwicklung  der  Hydra 
weiter  gekommen  als  Ecker.  Ecker  fand,  dass  der  Keim  sich  innerhalb  der  Schale  zu  einer 
Hohlkugel  umgestaltet.  Dann  sah  er  in  der  geborstenen  Schale  einen  kugligen  Embryo  mit  heller 
äussere!'  Schicht  und  beobachtete,  wie  dei'selbe  nach  Ausstossung  der  in  seiner  Leibeshöhle 
enthaltenen  Flüssigkeit  eine  dem  er-wachsenen  Thiere  ähnliche  Form  annahm.  Ich  glaube 
jedoch  nach  der  kurzen  Beschreibung  und  den  Abbildungen  erkannt  zu  haben,  dass  es  sich  in 
diesem  Falle  nicht  um  die  Entstehung  des  .Mundes  gehandelt  hat,  sondern  dass  Ecker  nur  jenen 
vorhin  beschriebenen  Vorgang  vor  Augen  hatte,  in  welchem  der  schon  mit  einer  MundötTnung 
versehene,  durch  Verschlucken  der  Flüssigkeit  blasenförmig  aufgeschwollene  Embryo,  den  Inhalt 
seiner  Leibeshöhle  mit  einer  kräftigen  Zusammenziehung  wieder  ausspeit.  Die  Umwandlung  der 
beiden  Schichten  in  zellige  Keimblättei'  hat  Ecker  übersehen,  und  von  den  Pseudozellen,  welche 
er,  wie  wir  wissen,  für  Embryonalzellen  hielt,  sagt  er :  »Die  Embryonalzellen  scheinen  mir  über- 
haupt hier  für  den  Aufbau  des  Embryo-Leibes  eine  mehr  untergeordnete  Beileutung  zu  haben, 
und  ich  muss  annehmen,  dass  die  Körpersubstanz  der  Hydra  wesentlich  Intercellularsubstanz 
sei«  '.  Unverständlich  ist  dabei,  wie  Ecker  gleich  darauf  kurz  bemerken  konnte,  die  Nessel- 
kapseln bildeten  sich  in  Zellen,  und  dann  die  Frage  aufzuwerfen  vermochte,  ob  bei  der  Aehn- 
lichkeit  der  dickwandigen  Embryonalzellen  (Pseudozellen)  mit  dem  dickwandigen  Nesselbläschen, 
die  letzteren  nicht  aus  den  ersteren  oder  einem  Theil  derselben  hervorgingen  —  eine  Frage, 
die,  abgesehen  von  allem  anderen,  schon  dadurch  erledigt  wird,  dass  zu  der  Zeit,  in  welcher 
die  Bildung  der  Nesselkapseln  beginnt,  im  Ectoderm  keine  Spur  mehr  von  Pseudozellen  zu 
finden  ist. 


1  Entwicklungsg.  d.  gr.  Armpolypen,  p.  25. 


81 

Darin   stimme    icii    mit  Ecker    und    ilon    andern   Beobachtern  volliiommen  iiberein,  dass 
die    Hydra    in    ilirer   Entwicklung   kein    freies  Larvenstadium  durchlauft,  ja  es  fehlt  sogar  jede 
Andeutung,    welche    auf  das    frühere    Bestehen    eines   solchen   in    der   Ahnenreihe    des    Thiers 
schliessen  Hesse.     Durch  dies  Verhalten,  das  die  Hydra  mit  den  Tubularien,    welche  ihr,   wie 
mir  scheint,  auch  sonst  der  Entwicklung  nach  sehr  nahe  verwandt  sind,  theilt,  nehmen  beide 
Gattungen  eine  besondere  Stellung  unter  den  Coelenteraten  ein ,  da  diese  allgemein    aus   einer 
frei   beweglichen    Planula    hervorgehen.     Dem  jungen  Thier  in   der  Gestalt,  wie  es  bei  Hydra 
und  den    Tubularien   seine    Hülle   verlässt,    einen    besondern  Namen   zu  geben    und    nach   der 
Analogie  von  Planula  »Actinula«  zu  nennen,  wie  Allman  vorgeschlagen  hat  ',  dürfte  nicht  ganz 
passend  sein,  weil  seine  Verschiedenheit  von  dem  Ausgewachsenen  bloss    in   einigen  unbedeu- 
den  Dimensionsabweichungen  besteht,  ausserdem    ist    die   Planula   mit    der   Actinula    nicht  ver- 
gleichbar,   da    beide  nicht   bloss  verschiedene    Formen,    sondern  wirklich    verschiedene    Stufen 
derselben    Entwicklungsreihe    darstellen,    und    man    müsste    consequenterweise    auch    bei    den 
Hydroiden,  bei  welchen  die  Planula  sich  festsetzt  und  Tentakeln  treibt,  diese  Form  als  Actinula 
bezeichnen.     Wesentliche    morphologische   Verschiedenheiten    zwischen   einer    Planula    und   den 
entsprechenden  Embryonal  formen  der  Hydren  und  Tubularien  giebt  es  aber  nicht  —  die  Flim- 
merung  der    itussern  Körperschicht   darf  nur    als    eine    specifische  physiologische  Leistung  und 
nicht   als   ein    anatomischer    Characler   aufgefasst  werden,     biimerhin    lässt   sich  nicht  leugnen, 
dass  der  schon  auf  den  ei'sten  Blick  frappante  Unterschied  im  Gange    der  Entwicklung  um  so 
auffallender  ist,  als  er  bei  nahe  verwandten  Thieren  sich  ündet.     Ich  glaube  jedoch,  dass  von 
einem  Gesichtspunkt  aus  das  Verstiindniss    dieser    Ungleichmässigkeit   gewonnen   werden   kann. 
Es  dürfte  unbestreitbar  sein,  dass  der  Reichthum  oder  die  Armuth  des  Eies  an  aufgespeicherten 
Nahrungsstoffen  von  eingreifendem  EintUiss  auf  den  Verlauf  der  Entwicklung  sein  muss.      Vor- 
ausgesetzt,  dass    die   Zeitdauer    der  Vorgänge    von   der   Reife    des   Eies   bis    zur   wesentlichen 
Vollendung  des  Körpers  des  Thiers  nicht  gar  zu  kurz  und  relativ  unveränderlich  ist,  so  werden 
die    mütterlicherseits    reichlich    ausgestatteten  Eier  wahrscheinlich    die    günstigsten  Chancen   für 
die  Vollendung  ihrer  Entwicklung  haben ,  wenn    sie  sich  so  viel  als   möglich  von   aller  Berüh- 
rung mit  der  Aussenwelt  zurückziehen,  indem  sie  unausgesetzt  an  einem  sichern  Ort  verbleiben 
oder  sich  selbst  schutzende  widerstandsfähige  Hüllen  bilden;  die  andern  dagegen,  welche  eine 
sehr  ärmliche  Mitgift  erhalten  haben,  die  vielleicht  nicht  einmal  ausreicht,  um  bis  zu  Ende  die 
Kosten    der   Entwicklung   zu    decken,    werden    genöthigt   sein,    bereits    einen    der    gegebenen 
typischen  Entwicklungszustände  in  der  Weise  zu  erziehen,  dass  er   im  Stande  ist,    selbständig 
zu  erwerben ;  im  Gegensatz  zu  den  ersteren  werden  sie  daher  schon  frühzeitig  ein  freies,  be- 
wegliches, auf  das  Aufsuchen   von  Nahrung   gerichtetes    Leben    führen   müssen.     .le   ärmer   die 
Eltern  sind,  desto  früher  muss  das  Kind  sich  selbst  sein  Brod  schallen. 


'  Keport  on  tlie  present  State  of  oiir  kriowledge  of  tlie   reprodiictive  .System  in  the  Hydroida   (Rep.  of  the 
British  Association  for  1863)  p.   411. 

Kleinenberg,  Hydra.  |  i 


82 

Das  eiste  Verhaltniss  liegt  nun  bei  Hydra  vor.  Ich  glaube  kaum  zu  inen,  wenn  ich 
behaupte,  dass  das  Ei  dieses  Thiers  eins  der  verhaltnissmässig  am  besten  dotirten  ist.  Ich  habe 
eine  junge  Hydra,  die  ich  selbst  aus  der  Keimschale  befreit  hatte,  in  ausserordentlich  reines 
Brunnenwasser  gesetzt,  und  trotzdem,  ilass  eist  ganz  zuletzt  und  nur  mit  grosser  Mühe  einige 
hifusorien  in  diesem  Wasser  aufgefunden  waren,  also  von  aussen  zu  beziehende  Nahrung  so 
gut  wie  vollständig  fehlte,  lebte  das  Thierchen  höchst  munter  länger  als  drei  Monate.  Die 
Eier  der  Tubuiarien  sind  gross  und  jedenfalls  auch  gut  versorgt,  wenn  auch  nicht  in  dem 
Maasse,  wie  die  dei-  Hydra.  Bei  den  meisten  andern  Hydroiden,  welche  eine  Pianula  bilden, 
sind  die  Eier  dagegen,  soweit  ich  nach  Abbildungen  und  Beschreibungen  urtheilen  kann,  ent- 
weder verhaltnissmässig  klein  oder  ihr  Plasnja  enthält  nur  wenig  von  jenen  dichten  Eiweiss- 
körnchen  und  -Bläschen,  die  ein  so  werthvolles  und  vollkommenes  Nahrungsmaterial  darbieten. 


Soweit  die  Coelenteraten  iiberhau[)t  besondere  Organe  zur  Erzeugung  der  Eiei-  und 
lies  Samens  bilden,  erscheinen  bei  ihnen  diese  Organe  im  Allgemeinen  in  ihiem  reinsten  und 
einfachsten  VerhJiltniss,  insofern  sie  nämlich,  ihrer  nur  zeitweiligen  physiologischen  Bedeutung 
entsprechend ,  mit  dem  jemaligen  Eintreten  der  Geschlechtsthätigkeit  als  Neubildungen  von 
Grund  auf  entstehen  und  nach  Beendigung  ihrer  Function  wieder  spurlos  verschwinden.  Bei 
den  höhern  Thieren  ist  dies  ursprüngliche  Verhalten  zwar  auch  noch  andeutungsweise  vor- 
handen, indem  in  den  Zwischenzeiten  der  auf  einander  folgenden  Perioden  der  Brunst  oder  dei' 
Eilösung  die  beständigen  Hoden  und  Eierstöcke  mehr  oder  weniger  ausgesprochen  den  Cha- 
ractei'  rudimentärer  Oigane  im  anatomischen  Sinne  annehmen,  aber  sie  sind  hier  eben  doch 
ein-  für  allemal  angelegt  und  werden  durch  ihre  unveränderlichen  Beziehungen  zu  andern 
Theilen  des  Körpers  integrirende  Factoren  derselben.  Als  solche  gehören  sie  natürlich  in  das 
(iebiet  der  Anatomie,  wo  sie  dagegen  nur  vorübergehend  als  Ausdruck  der  periodischen  Ge- 
schlechtsthätigkeit auftreten,  da  fällt  auch  die  Beschreibung  der  Geschlechtsorgane  recht  eigentlich 
mit  in  die  Entwicklungsgeschichte  hinein. 

Kurz  gefasst  ist  der  Entwicklungsgang  der  Hydra  folgender.  Hoden  und  Eierstöcke 
entstehen  als  einfache  circumscripte  Wucherungen  des  interstitiellen  Gewebes  gewisser  Körper- 
stellen. Die  Zellen  des  Hodens  verkleinern  sich  durch  fortgesetzte  Theilungen  beträchtlich,  sie 
nehmen  zuletzt  Kugelform  an  und  verlieien  ihren  Kern,  an  dessen  Stelle  ein  Körperchen  tritt, 
welches  sich  mit  tlem  zunächst  an  der  Oberfläche  entstandenen  Faden  verbindet  und  so  als 
fertiges  Spermalozoid  die  Bildungszelle  verlasst.  Sammtliche  oder  doch  bei  weitem  die  meisten 
Hodenzellen  bilden  Samenfäden.  Von  den  Zellen  des  Ovariums  entwickelt  sich  dagegen  immer 
nur  eine  einzige  zu  einem  Ei.  Mit  der  Reife  des  Eies  degenerirt  und  schwindet  das  Keim- 
bläschen, das  Ei  verlasst  seine  Hülle,  wird  befruchtet  und  macht  eine  regelmässige  Furchung 
durch.      Die    Zellen    des    auf    diese    Weise    entstandenen    Keims    scheiden    Kerne    aus,    dann 


83- 

differenzirl  sich  an  der  ganzen  Obeitliiche  ein  einschichtiges  Blatt  prismatischer  Zellen.  Dies 
Blatt  wandelt  sich  in  seiner  Totalität  in  ein  Chitingebilde,  in  die  äussere  Keiraschale.  um.  Die 
iüjrigbleibende  Masse  des  Keims  scheidet  eine  struclurlose  Membran  aus  —  die  innere  Keim- 
schale —  und  nachdem  ihre  Keine  geschwunden  sind,  verschmelzen  hierauf  sämmtliche  Keim- 
zellen zu  einem  zusauunenhängenden  Plasmodium.  In  diesem  soliden  Plasmakörper  entsteht  als 
Anlage  der  verdauenden  (Javität  exceniriseh  eine  kleine  Höhle,  die  sich  allmählich  bedeutend 
vergrössert.  So  geht  aus  dem  soliden  Keim  eine  ziemlich  dickwandige  Keimblase  hervor.  Ihre 
Wand  hat  zunächst  überall  ein  durchaus  gleichartiges  Gefiige.  Dann  bildet  sich  durch  Um- 
lageruna;  oder  theilweisen  Schwund  der  festen  Einschlüsse  in  der  noch  immer  zusammen- 
hängenden  Plasmamasse  der  Keimblase  eine  äussere  helle  Schicht,  und  zugleich  wird  die  äussere 
Keimschale  durchbrochen.  Hat  die  helle  Schicht  eine  gewisse  Mächtigkeit  erreicht,  so  zerfällt 
sie  in  eine  einfache  Lage  gleich  grosser  Zellen :  dies  ist  das  |)rimitive  Ectoderm.  Erst  später 
vollzieht  sich  derselbe  Vorgang  in  der  innern  Schicht,  und  aus  dieser  ist  dann  das  Ectoderm  >^ 
entstanden.  Das  Neuronuiskelgewebe  und  das  interstitielle  Gewebe  entwickeln  sich  durch  Thei- 
lung  und  Ditferenzirung  aus  der  primitiven  Zelllage  des  Ectoderms.  Unterdessen  ist  der  Embryo 
aus  seiner  kugligen  Form  in  eine  ellipsoidische  übergegangen;  an  dem  einen  Pol  verdünnt  sich 
allmählich  die  Köiperwand,  bis  hier  endlich  durch  einfaches  Zeri-eissen  die  Mundöffnung  ent- 
steht, und  gleichzeitig  mit  die.ser  bilden  sich  die  Anlagen  der  Tentakeln  als  Ausstülpungen  beider 
Blätter  des  Köipers.  Wenn  darauf  der  Embryo  die  innere  Keimschale  verlässt,  ist  die  Ent- 
wicklung im  Wesentlichen  beendigt. 

Ich  darf  es  wol  als  ein  befiiedigendes  Ergebniss  dieser  Untersuchung  bezeichnen  gegen- 
über den  Angaben  Ecker's,  welche  für  die  Hydra  eine  mit  allem  Gesetzlichen  unvereinbare 
Entwicklungsweise  hinstellten,  nachgewiesen  zu  haben,  dass  die  ersten  Entwicklungserschei- 
nune;en  auch  dieses  Thiers  sicli  mit  Leichti2:keit  und  vollkommen  in  den  allgemeinen  Bildungs- 
modus  des  thierischen  Körpers  einordnen  lassen.  Wie  es  von  allen  näher  untersuchten  Thieren 
bekannt  ist ,  so  findet  auch  bei  Hydra  die  Anordnung  des  durch  die  Furchung  des  Eies  ge- 
schatTenen  Keimmaterials  in  zwei  concentrisch  geschichtete  Keimblätter  statt ,  welche  die  feste 
Grundlage  darstellen,  von  der  alle  weiterhin  sich  vollziehenden  Umbildungen  und  Ausbildungen 
direct  oder  indirect  ihren  Ausgang  nehmen.  Die  hierin  ausgesprochene  Wesensgleiclilieit  sänmit- 
licher  Thiere  hat  Baer  zuerst  erkannt  und  in  ihier  grossen  Bedeutung  zu  würtligen  gewusst 
—  derselbe  Mann,  der  mit  unvergleichlicher  Energie  und  bewunderungswürdigem  Geist  die 
Lehre  von  den  unabhängigen  Typen  des  Thierreichs  nach  ihien  Entwicklungsformen  aufgestellt 
und  durchgeführt  hat. 

Es  ist  wahr,  dass  die  Vorgänge,  durch  welche  die  Keimblätter  zu  Stande  kommen,  von 
der  Furchung  an  in  nicht  unbeträchtlichem  Maasse  von  einander  abweichen,  diese  Unterschiede 
des  Bildungsmodus  aber  zur  Begründung  wesentlich  verschiedener  Entwicklungsformen  benutzen 
zu  wollen,  scheint  um  so  weniger  gerechtfertigt,  als  die  Maxima  der  Differenzen  nicht  nur 
innerhalb  ein  und  desselben  Typus,  sondern  sogar  innerhalb  derselben  Classe  vereint  sich  linden. 


.84 

"Bei   Hydra    föllt   als    besonders   störendes    Moment    das    Verschmelzen    der  Keimzellen    auf,    ich 
glaube  jedoch,  dass  es  gestattet  ist,   diesen  Umstand,    einerseits  mit  Hinweis  auf  ilie  unwider- 
legten  Angaben    über  dasselbe  Vorkommniss    bei    tlen    Keimen    einiger  Säugethiere,  andrerseits  . 
unter  Berufung   auf   das    Fehlen   eines  ähnlichen  Zustands  in  der  Entwicklung   nahe    stehender 
Hydroiden,  als  unwesentlich  aus  der  allgemeinen  Betrachtung    und  Vergleichung   zu   eliminiren. 

Wenn  aber  als  Grundgesetz  der  Entwicklung  feststeht,  dass  bei  allen  Thieren  von  den 
Coelenteraten  an  die  Scheidung  des  indifferenten  Keimmaterials  in  zwei  concentrische  Schichten 
sich  vollzieht,  und  dass  allein  aus  diesen  primären  Keimblättern  der  Thierkörper  sich  aufbaut, 
so  erhebt  sich  die  weiteie  Frage,  ob  überall  die  Beziehung  der  beiden  Blätter  zu  den  ent- 
stehenden Geweben  eine  identische  ist,  ob  jene  Träger  der  wesentlichen  Functionen,  die  Epi- 
Ihelien,  die  Muskulatur,  die  Nerven  und  das  Bindegewebe  mit  Rücksicht  auf  die  Keimblätter 
gleichen  Ursprungs  sind  —  mit  einem  Wort  die  Frage  nach  der  Homologie  der  analogen  ihie- 
rischen  Gewebe. 

Wir  sind  weil  entfernt,  hierauf  eine  allgemein  gültige  Antwort  geben  zu  können.  Ist 
doch  bisher'  die  Entstehung  der  Gewebe  fast  ausschliesslich  bei  Wirbelthieren  untersucht  worden, 
und  Jedermann  weiss,  dass  selbst  auf  diesem  beschränkten  Gebiete  noch  Manches  ganz  dunkel 
ist.  Vieles  zweifelhaft.  Weniges  unbestritten.  Von  den  Arthropoden,  Mollusken,  Echinodermen 
und  Würmern  ist  "trotz  einiger  neuerer  ausgezeichneter  Arbeiten  zu  wenig  Positives  bekannt, 
um  den  Versuch  der  Vergleichung  wagen  zu  dürfen.  Gunstiger  steht  die  Sache  für  die  Coe- 
lenteraten. Indem  Huxley  in  einer  fundamentalen  Arbeit  den  typischen  Bau  dieser  Thieie  fest- 
stellte, wies  er  zugleich  hin  auf  die  Uebereinstimmung  der  physiologischen  Leistungen  des  Ecto- 
derms  und  Entoderms  des  erwachsenen  Coelenteratenkörpers  mit  denen  des  äussern  und  innern 
Keimblatts  der  Embryonen  höherer  Thiere  '.  Diese  Uebereinstimmung  schien  in  der  That  so 
klar,  dass  die  HuxLEv'sche  Anschauung  bald  zahlreiche  Anhänger  sich  erwarb,  von  denen  ich 
nur  KuLLiKER  und  Allman  und  aus  neuester  Zeit  Häckel  zu  nennen  brauche.  Nun  darf  man 
aber  nicht  veigessen,  dass  mit  der  Anerkennung  der  Wesensgleichheit  des  Ectoderms  und  des 
äussern  Keimblatts  eine  noch  schwebende  wichtige  Frage  in  der  Entwicklung  der  Wirbelthieie 
principiell  entschieden  ist,  nämlich  die  Abstammung  und  Zugehörigkeit  des  sogenannten  mittlem 
Keimblatts  oder  doch  wenigstens  die  der'  primären  Muskelanlage.  Denn  da  die  Muskulatur  der 
(Coelenteraten  unzweifelhaft  dem  Ectoderm  angehört,  so  würde  sich  die  ganze  Uebereinstimmung 
in  eine  rein  äusserliche  gleiciigültige  Aehnlichkeil  auflösen,  wenn  das  Muskelgewebe  der  Wirbel- 
thiere  nicht  vom  äussern,  sondern  vom  innern  Keimblatt  seinen  Ursprung  nähme.  Den  grössten 
wissenschaftlichen  Werth  hat  Hlxley's  Auffassung  aber,  sobald  nachgewiesen  werden  kann, 
dass  die  prätendirte  Gleichhheit  nicht  nur  allgemeine  Geltung  besitzt,  sondern  auch  im  Einzelnen 
durchführbar  ist. 

Als  ich  von  diesem  Gesichtspunkte  aus  das  Ectoderm  der  erwachsenen  Hydra  mit  dem 


'   On  ttie  .\iialomv  arui  llie  Aftinities  of  the  Kiitnilv  of  tlio  Medusiie.    l'hil.  Tniiisact.   1849,  p.    l"26. 


85 

äussern  Keimblatt  der  Wirhelthieie  verglich,  stellte  sich  zunächst  heraus,  dass  die  Gleichsetzung 
der  Gewebe  nicht  auszuführen  war.  Denn  wir  haben  gesehen,  dass  die  oberflächliche  Lage 
des  Ectodernis  aus  sehr  eigenartigen  Zellen  zusammengesetzt  ist,  deren  Körper,  wie  früher  aus- 
geführt wurde,  als  reizleitender,  nervöser  Theil  sich  darstellt,  während  ihre  contractilen  Fort- 
sätze eine  unzweideutige,  aber  höchst  einfache  Muskulatur  bilden  —  welchen  Elementen  des 
äussern  Keimblatts  sollten  diese  Zellen  nun  entsprechen?  Ihrer  Lage  nach  stimmen  sie  mit  dei' 
epithelialen  Schicht  des  äussern  Keimblatts,  dem  Hornblatt,  überein,  sie  diesem  gleichzusetzen 
ist  aber  nicht  möglich,  da  Nichts  dafür  und  Alles  dagagen  spricht,  dass  echte  Epithelien  sich 
je  zu  muskulösen  und  motorisch-nei'vösen  Elementen  umbilden  können.  Gesetzt,  man  wollte 
dies  trotzdem  thun.  so  wäre  hiermit  dennoch  von  vornherein  die  Gleichartigkeit  aufgehoben, 
weil  dann  die  Muskulatur  der  Hydren  aus  einem  Theil  des  Hornblatts  bestände,  jene  der  Wirbel- 
thiere  aber  ganz  sicher  nicht  vom  Hornblatt  herkommt:  beide  würden  also  genetisch  durchaus 
verschiedenartig  sein.  Homologisirt  man  ilagegen  das  Neuromuskelgewebe  der  Hydra  mit  den 
vereinigten  primären  Anlagen  tler  Muskulatur  und  der  motorischen  Nerven  der  Wirbelthiere, 
dann  fehlt  der  ersteren  jede  Andeutung  des  äussern  Epithels  und  dei-  Vergleich  verliert  sich 
so  wiederum  in's  Unbestimmte  nnd  Haltlose. 

Hier  wie  überall  —  die  Entwicklungsgeschichte  gab  den  Ausschlag.  Wir  fanden,  dass 
am  Hydrakeim  sich  zu  allererst  ein  einfaches  oberflächliches  Blatt  differenzirt.  und  dass  dies 
sich  in  die  chitinisirte  Keimschale  verwandelt.  Dies  Moment  ist  entscheidend.  Denn  wenn 
man  die  Keimschale  in  Zusammenhang  mij,  dem  l)leibenden  Ectoderm  als  äusserste  Schicht 
desselben  betrachtet,  ergiebt  sich  in  der  That  eine  klare  Uebereinstimmung  mit  dem  äussern 
Keimblatt  und  der  Muskelanlage  der  Wirbelthiere.  Bei  diesen  folgen  von  aussen  nach  innen 
aufeinander:  1.  Hornblatt,  2.  Nervenblatt  als  äusseres  Keimblatt  zusammengefasst),  3.  Muskel- 
anlage (mittleres  Blatt) ;  bei  Hydra  1.  Keimschale  (Hornblatt),  2.  Nervenzellenlage,  3.  Muskel- 
lamelle. Die  Verschiedenheit  liegt  bloss  im  zeitlichen  Gang  der  Entwicklung.  Das  Hornblatt 
der  Hydra  entsteht  ganz  zuerst,  wenn  in  dem  übrigen  Keimmaterial  noch  keine  Spur  einer 
Sonderung  sich  zeigt ,  und  die  Anlagen  des  Ectoderms  und  Entoderms  differenziren  sich  erst 
nachdem  das  Hornblatt  schön  längst  zur  Schale  geworden  ist.  Beim  Fioschkeim  ist  indessen 
doch  auch,  wie  zuerst  Stricker  besonders  hervorgehoben  hat,  das  Hornblatt  als  einfache  Zell- 
lage erkenntlich,  lange  bevor  die  vollständige  Sonderung  der  Keimblätter  sich  vollzogen  hat ; 
Rynek  hat  dasselbe  Verhältniss  am  Korellenkeim  gefunden.  Und  wenn  beim  Keim  des  Huhns 
diese  Scheidung  in  der  ursprünglichen  Anlage  des  äussern  Blatts  nicht  wahrnehmbar  ist,  so  ist 
diese  doch  von  Hause  aus  mehrschichtig  und  die  Trennung  in  Hoin-  und  Nervenblatt  findet  in 
derselben  Weise  statt,  wie  bei  den  vorgenannten  Thieren.  nur  später.  Dem  Nervenblatt  und 
der  Muskelanlage  der  Wirbelthiere  entsprechend,  haben  wir  nun  in  gleicher  topographischer 
Beziehung  zum  Hornblatt  das  einheitliche  Neuromuskelgewebe  der  Hydra.  Die  leitenden  Theile 
des.selben  befinden  sich  genau  in  demselben  Lageverhältniss  zu  den  übrigen  Schichten,  wie 
dies  mit  dei'  primären  Nervenanlage    des   Wirbelthierembryo   der   Fall    ist;    die    morphologische 


86 

Gleichstellung  der  contractilen  Fuitsiatze  und  der  primitiven  Muskulatur  des  VVirbelleibes  ist, 
wie  gesagt,  nur  unter  der  Voraussetzung  möglich,  dass  die  letztere  vom  iiussern  Keimblatt  aus 
sich  bildet.  Es  ist  jedenfalls  sehr  bemerkenswerth ,  dass  durch  die  Verbindung  der  Muskel- 
fortsätze der  Hydi-a  zu  einer  geschlossenen  Lamelle,  eine  dem  Entoderm  dicht  anliegende, 
scheinbar  ebenso  bestimmt  von  den  äussern  Zelllagen  des  Ectoderms  wie  vom  Entoderm  ge- 
schiedene mittlere  Schicht  entsteht,  die  also  ganz  dieselbe  Lage  hat,  wie  das  mittlere  Keim- 
blatt der  Wirbelthiere  —  wie  ich  nachzuweisen  versucht  habe,  ist  die  Muskellamelle  aber  in 
Wirklichkeit  keine  discrete  selbständige  Körperschicht,  sondern  ihre  Elemente  gehören  als  Fort- 
sätze den  leitenden  Zellkörpern  der  äussern  Lage  des  Ectoderms  an  und  gehen  continuirlich 
in  diese  über. 

Das  interstitielle  Gewebe,  das  aus  gemeinschaftlicher  Anlage  sich  vom  Neuromuskel- 
gewebe  abtrennt,  lässf  sich  vorläufig  nicht  mit  genügender  Sichei-heit  einem  bestimmten  Theil 
der  Keimblätter  der  Wirbelthiere  homologisiren.  In  seinem  morphologischen  Character  nähert 
es  sich  dem  Bindegewebe,  in  seinen  Beziehungen  zu  den  Leistungen  des  Gesammtorganismus 
entfernt  es  sich  dagegen  weit  von  diesem.  Eine  ganz  specifische  Bedeutung  erhält  es 
durch  die  Production  der  Nesselkapseln  —  jener  wunderbaren,  völlig  unvermittelt  dastehen- 
den Bildungen.  Dagt^gen  liegt  ein  fe.ster  Vergleichungspunkt  in  der  Thatsache,  dass  vom 
interstitiellen  Gewebe  aus  die  Geschlechtsorgane  sich  entwickeln.  Und  vergleicht  man  die 
Darstellung,  welche  Waldever  von  der  ürogenitalanlage  des  Hühnchens  gegeben  hat,  mit  der 
Bildungsgeschichle  des  Ovariums  der  Hydra,  so  ist  allerdings  die  fundamentale  Uebereinstim- 
mung  nicht  zu  verkennen.  Wenn  ich  demnach  die  Homologie  des  interstitiellen  Gewebes  der 
Hydra  mit  jenen  Theilen  ties  Keims  der  Wirbelthiere,  aus  denen  die  Geschlechtsorgane  hervor- 
gehen, für  sehr  wahrscheinlich  halten  muss,  so  bedarf  es  doch  noch  weiterer  Untersuchungen, 
um  dies  zur  Evidenz  zu  bringen. 

Die  Vergleichung  des  Entoderms  mit  dem  innern  Keimblatt  bietet  gar  keine  Schwierig- 
keit dar:  hier  liegt  die  Uebereinstimmung  der  Genese  so  klar  zu  Tage,  dass  eine  besondere 
Begründung  vvol  überflüssig  wäre. 

Die  wesentliche  Eigenthümlickeit  der  Entwicklung  der  Hydra  ist  die  Verwandlung  der 
ganzen  äussern  Epithelschicht  des  Keims  in  ein  vergängliches  embryonales  Organ.  Während 
bei  den  Wirbelthieren  das  Hornblatt  mit  in  die  Organisation  des  definitiven  Körpers  aufgenommen 
wird  und  als  Epidermis  eine  schützende  Decke  —  gleichsam  eine  bleibende  Sehale  —  für  die 
ganze  äussere  Oberfläche  des  erwachsenen  Thiei-s  darstellt,  geht  dasselbe,  wie  wir  gesehen 
haben,  bei  Hydra  in  die  Keimschale  über,  welche  nur  für  die  Zeit  der  embryonalen  Entwick- 
lung als  Schutzorgan  dient  und  von  dem  ausschlüpfenden  jungen  Thier  abgestreift  wird.  So 
ist  denn  wirklich  die  äussere  Begrenzung  des  Körpers  der  erwachsenen  Hydren  nicht  von  der 
ursprünglich  oberflächlichen  Zelilage  des  Keims  gebildet,  sondern  von  der  zunächst  darunter- 
liegenden —  das  Nervenblatt  tritt  in  unmittelbare  Berührung  mit  der  Aussenwelt.  Dies  ausser- 
gewöhnliche  Verhältniss    war   der   Grund,    welcher  uns  früher  vei'hinderte,  die  Homologie  der 


persistirenden  Gewebe  des  Ectoderuis  und  der  analogen  Gewebe  des  äussei'n  Keimblatts  zu 
erkennen. 

Für  die  hier  vertretene  Auffassung  niuss  es  natürlich  von  entsclieidender  Bedeutung  sein, 
wie  sich  die  entsprechenden  Biidungsvorgiinge  bei  den  übrigen  Coelenteraten  gestalten.  Der 
Keiinschale  ähnliche  Bildungen  linden  sich,  soviel  ich  weiss,  ausser  bei  Hydra  im  ganzen  Stamme 
nicht.  Viele  der  höheren  Formen  besitzen  dagegen  unzweifelhaft  ein  echtes  äusseres  Epithel 
—  es  ist  also  anzunehmen,  dass  bei  ihnen  ebenso  wie  bei  den  Wirbelthieren  die  Epithelschicht 
des  äussern  Blatts  erhalten  bleil)t.  Bei  denjenigen  der  festsitzenden  Hydropolypen  aber,  deren 
Bau  im  wesentlichen  dem  der  Hydra  gleich  zu  sein  scheint,  die  jedoch  aus  einer  flimmernden 
Larve  hervorgehen,  kommt  es  darauf  an,  ob  die  cilientragende  äussere  Zellschicht  wirklich 
direct  in  ein  bleibendes  Gewebe  übergeht.  Ehe  wir  speciell  auf  diesen  Punkt  gerichtete  Unter- 
suchungen haben,  werden  wir  die  Frage  als  eine  offene  betracjiten  müssen. 

Inneihaib  der  übrigen  Thierstämme  kommen  nui-  bei  der  Entwicklung  der  Würmer 
Verhältnisse  vor,  welche  sich  denen  von  Hydra  anschliessen.  So  ist  aus  der  schönen  Arbeit 
von  Desor  '  bekannt,  dass  bei  Nemertes  obscura  und  Polynoe  s(|uamata  die  oberflächlichste 
Zellage  des  Keims,  welche  bei  ersterer  überall,  bei  der  andein  nur  auf  einer  mittleren  Zone 
flimmert,  von  der  auskriechenden  Larve  abgeworfen  wird.  Indessen  scheint  hier  die  Larven- 
haut nicht  aus  dem  ganzen  Hornblatt  hervorzugehen,  sondern  bloss  aus  der  obersten  Lage  der 
von  vornherein  mehrschichtig  angelegten,  epithelialen  Schicht  des  äussern  Blatts.  Aehnliches 
mag  feiner  auch  bei  einigen  Trematoden  und  Cestoden,  vielleicht  auch  bei  Bryozoen  sich  finden. 

Vorstehende  Betrachtung  resumirend  möchte  ich  die  zu  Anfang  aufgeworfene  Frage  da- 
hin beantworten,  dass  die  Uebereinstimmung  der  Entwicklung  der  Hydra  und  der  Wirbelthiere 
nicht  nur  bis  zu  den  primären  Keimblättern  reicht,  sondern  dass  auch  die  specialisirten  Gewebe 
die  Epithelien,  die  Muskeln  mit  den  dazugehörigen  Nerven  und  die  Geschlechtsorgane  bei  beiden 
mit  Rücksicht  auf  die  Keimblätter  eine  wesentlich  gleichartige  Genese  haben.  Die  Homologie 
des  Ectoderms  der  erwachsenen  Hydra  mit  dem  vereinigten  äussern  und  mittlem  Blatt  der 
Wirbelthiere  ist  aber  eine  incomplete  (im  Sinne  Gegenbaur'.s)  ,  weil  die  Epithelialschicht  des 
äussern  Blatts  der  ersteren  im  Lauf  der  Entwicklung  verloren  geht. 

Die  niedrige  Stellung  der  Coelenteraten  im  System  begreift  sich  vollkommen  aus  ihrer 
Entwicklungsgeschichte.  Ihr  Typus  ist  bestimmt  durch  das  Erhaltenbleiben  der  fundamentalen 
räumlichen  Beziehungen  der  Keimblätter  und  ihrer  dilferenten  Schichten  zu  einander  und  zur 
Aussenwelt.  Und  was  von  wesentlicher  Bedeutung  ist  —  die  morphologische.  Sonderung  der 
Keimblätter  in  der  Richtung  der  Fläche  fehlt  bei  den  niedern  Formen  gänzlich  und  ist  bei  den 
höheren  doch  nur  äusserst  schwach  entwickelt.  Wenn  auch  verschiedene  Flächenabschnitte 
desselben  Keimblatts  im  ausgebildeten  Körper  häufig  Modificationen  der  jjhysiologischen  Leistung 


'  On  the  Embryology  of  Nemertes  with  nii  Appendix  on  the  Enibrvonic  Development  of  Polynoe  and  Remarks 
on  the  Enibryology  of  Marine  Worms  in  general.    Boston  Journal  of  Natural  History.    T.  VI.     1  857. 


88 

darbieten,  so  kommt  es  docli  nur  ausnahmsweise  zur  Ditlerenzirung  beständiger  einheitliclier 
Organe.  Die  hiermit  gegebene  grosse  Einfachheit  und  Gleichförmigiieit  des  ganzen  Körperbaues 
unterscheidet  die  Coelenteraten  von  allen  andern  Thierstämmen,  bei  denen  der  definitive  Körper 
durch  weitgehende  histologische  Sonderungen,  hauptsächlich  aber  durch  vielfache  Verlegungen 
und  Verflechtungen  der  Theile  der  Keimblätter  entsteht,  sodass  die  urspriuiglichen  Lagenver- 
hältnisse der  Keimblätter  an  den  fertigen  Organen  meist  gar  nicht,  am  Gesammtkürper  nur  in 
sehr  verwaschenen  Umrissen  erkennbar  sind.  Verfolgt  man  aber  die  Entwicklungsgeschichte 
dieser  complicirten  Organisationen  rückwärts,  so  kommt  man,  bei  den  Wirbelthieron  und 
höchst  wahrscheinlich  auch  bei  allen  übrigen  Thierstämmen,  schliesslich  auf  Formen,  welche 
denen  der  Coelenteraten  im  wesentlichen  entsprechen.  Da  nun  diese  Formen  bei  den  höheren 
Thieren  nothwendige,  aber  vorübergehende  Entwicklungszustände  sind,  auf  denen  sich  dann 
der  specifische  Typus  aufbaut,  bei  den  Coelenteraten  dagegen  dieselben  Formen  unverändert 
erhalten  bleibend  den  Typus  bilden,  so  ergiebt  sich  der  Schluss,  dass  nicht  bloss  bei  allen 
Thieren  die  Entwicklungsvorgänge  bis  zu  einer  gewissen  Stufe  identisch  sind,  sondern,  dass 
auch  in  der  individuellen  Entwicklung  der  Uebergang  eines  Tjpus  in  den  andern  wirklich 
stattfindet,  indem  der  constante  Typus  der  Coelenteraten  von  allen  höhern  Thieren  als  Ent- 
wicklungszustand durchlaufen  wird.  Der  einfache  Typus  der  Coelenteraten  ist  die  gemein- 
schaftliche Grundform,  auf  welche  alle  die  unendlich  reichen  und  mannigfaltigen  Gestaltungen 
des  'Thierkörpers  direct  oder  indirect  zuiuckgeführt  werden  können. 


89 


Erklärung  der  Tafeln. 

Taf.  I. 

Fig.   I.    Querschnitt  durch  den  oberen  Theil  des  Fusses  von  Hydra  auranliaca ,    ec.  Ectoderm .    ml.  Muskel- 
lamelle,  en.   Entodenii.      Chrouisiiureprüiiamt. 

»  2.  Entoderni  von  der  äussern  Flüche  i;esehen.  «.  Plasmaschlauch,  h.  Vacuole.  Das  Ectoderm  ist  nach 
minutenlanger  Einwirkung  von  schwacher  Salpetersäure  entfernt.  Die  Grenzen  der  Zellschläuche 
sind  stellenweise  deutlich.     H.  aurant. 

n     •^.     Isolirte  Entodermzellen  durch  Zusatz  von    \%   Essigsaure  zusammengefallen. 

>>     \.    Solide  Entodermzellen  aus  dem  Magentheil.      0,1^  Essigsäure. 

Entodermzellen  nach  hingeier  Behandlung  mit  I  ^  Salpetersäure  kugelförmig  aufgequollen.   Fig.!  —  .3. 


»     o. 


Verg.  310. 


1)  6.  Freie  Enden  der  Entodermzellen  des  Fusstheils  mit  schwingenden  Cilien.  Nach  einem  feinen  Quer- 
schnitt vom   lebenden   Thier.     Verg.  840. 

■>  7.  Querschnitt  durch  das  in  Chromsäure  von  0,02.5^  gehärtete  Ectoderm,  n.  grosse  Zellkörper  der 
äussern  Lage  mit  ihren  grossen  Kernen,  ig.  interstitielles  Gewebe,  ?«/.  Muskellamelle  mit  quer- 
durchschnittenen  Muskelfortsätzen.     Verg.  300. 

»  8.  Ectoderm  von  der  Fläche  gesehen,  ?i.  grosse  Zellkörper,  ly.  tlazwischen  liegende  Züge  des  inter- 
stitiellen Gewebes,   m.  Muskelfortsätze.     Chromsäurepräparat. 

»  9.  Neuromuskclzellen  des  Körpers  nach  Behandlung  mit  Essigsäure  von  0,02.5  ^.  Das  interstitielle 
Gewebe  ist  entfernt.   /?(.  Muskclfortsätze. 

»   10.     Isolirte  Neuromuskclzellen  vom  Körper.     Essigsäure  von   0,03^. 

»   t  1.     Neuromuskclzellen  von  der  Fussscheibe,   m.  Muskelfortsatz.     Ebenso  behandelt. 

»  12.  Zellen  aus  dem  interstitiellen  Gewebe,  n.  b.  ohne  Nesselkapseln,  c.  d.  e.  mit  grossen  Nesselkapseln, 
/.  Rest  der  Bildungszelle,  nachdem  die  Kapsel  herausgefallen  ist,  g.  kernhaltige  Zelle  mit  einer 
gi-ossen ,  h.  eine  solche  mit  einer  kleinen  Nesselkapsel,  i.  Zellen  mit  unentwickelten  kleinen  Kapseln. 
I  ^6  Essigsäure.     Fig.  1  — 12  von  H.  auranliaca. 

»  13.  Ausgebildete  Hoden  aus  einem  Haufen  von  ovalen  kernlosen  Zellen  bestehend.  Nach  Behandlung 
mit  0,5^  Essigsaure  isolirt.     Fig.  8 — 13.     Verg.  310. 

'  li.  Entwicklung  der  Hodenzellen  und  der  Samenkörper,  a.  vergrösserle  und  sich  stark  vermehrende 
Zellen  des  interstitiellen  Gewebes,  h.  dieselben  nachdem  der  Kern  zu  zerfallen  begonnen  hat,  c.  die- 
selben zu  hyalinen  Kugeln  aufgequollen,  d.  mit  entwickelten  Fäden,  e.  reife  Spermatozoiden.  Vergl..30O. 
Fig.  13  u.   14   von  H.  viridis. 

Taf.  II. 

»     I.     Beginn  der  Bildung  des  Ovariums.     Die  Zellen  des  intersliliellen  Gewebes  (ig)   haben  sich  bedeutend 

vermehrt,    liegen  aber  noch  in  einzelnen  Häufchen  beisammen.   ;;.   grosse  Zellkörpcr  des  Ectoderms. 
»     2.     Weiter  entwickeltes  Stadium.     Die  vergrösserten  Ovarialzellen  (oj  bilden  eine  fast  vollstimdige  Schicht 

unter  den  grossen  Zellkörpern    «). 
»     3.     Das  ausgebildete  Ovarium  vor    der  Entstehung  des  Eies.     Durch    Behandlung  mit  ö.ö  ^  Essigsäuie 

isolirt. 
»     4.     Einzelne  Ovariumzellen.     Fig.  I  —  i.     Verg.  3IO.i 

»     5.     (/.  Ovariumzellen  und  6.  junges  Ei  mit  Kern  und  Kernkörperchen  aus  demselben  Eierstock.   Verg.  öOO. 
»     6.    Ein  anderes  Ei  mit  breiten  Fortsätzen. 
»     7.     Ei  von  der  Seite  gesehen.     Um  den  Kern,    aus    dem    das  Kernkörperchen  geschwunden   ist,    liegen 

unregelmässig  geformte  dichte  Eiweissstückchen. 

Kleine  nberg.  Hydra.  .  - 


90 

Fig.     8.     Dasselbe  von  oben  gesehen.     Fig.  (i  — 8.     Verg.  310. 
I)       9.     Ei  mit  Keimbläschen  und  Keimfleck,   die   Bildung  der  Chlorophyllkörner  hat  begonnen.    V'erg.  240. 
i>     10.     Weiler   enlwickeiles    Ei    mit    Chloiophyllkörnern    und    Pseudozellen    angefüllt.      Der    Keimüeck    des 

Keimbläschens  ist  in  der  Fig.  nicht  zu  sehen,   war  aber  noch  vorhanden.     Verg.  120. 
»     11.    Keimbläschen  isolirt  aus  einem  Ei.   das  ungefähr  auf  derselben  Entwicklungsstufesich  befand,  wie 

das  der  Fig.  10,  a.  Membran,    h.  Keimfleck,   v.  stark  lichtbrechendes  Körperchen  in  demselben. 
»     12.     Aelteres  Keimbläschen,   dessen  Inhalt  sich  verändert  hat.     Der  Keimfleck  in  einen  unregelmässigen 

Körper  übergegangen. 
»     13.     Keimbläschen  aus  einem  halbkugligen  Ei  in  fettigem  Zerfall  begriffen.     Fig.   I  I  — 13.     Verg.  600. 
))     14.    Neuromuskelzellen  durch  0,.o  Essigsäure  aus  der  EihUlle  isolirt.      Verg.  310. 

»     15.     A.  Entwicklung  der  Pseudozellen   von  H.  viridis,    B.  reife  Pseudozellen  von  H.  aurantiaca.   Verg   .500. 
»     16.     Ei   (P;   kurz  vor  Durchlirechung  der  Hülle   [n). 
»     17.     Erstes  Furchungsstadium. 
»     18.     Zweites  Furchungsstadium. 
»     19.     Maulbeerförmiger    Keim.     Fig.  10  — 19.     Vergl.  .50.     Alle    Fig.   der   Tafel    mit   Ausnahme    von  15ß 

beziehen  sich  auf  H.  viridis. 

Taf.  III. 
11       1 .     Oberflächliche  Zellenlage   des    Keims   |Hornbl;itt)    von    der  Fläche  gesehen.     Die  Zellen  haben  noch 

keine  Kerne. 
»       2.     A.   Zellen  desselben  Blattes  von  der  Seite  gesehen:   sie  besitzen  einen  Kern  <k).     B.   Noch  kernlose 

Zellen  der  Innern  Masse  des  Keims. 
»       3.     Zellen  des  Hornblatts,   die  äussere  Schicht  derselben  hellt  sich  auf.     Fig.  1 — 3  von  H.  viridis. 
»       4.     Zellen  des  Hornblatts  von  H.  auranl.     Das  dünne  Deckhäulchen  der  Vacuolen  ist  durch  Chromsäure 

zerstört. 
»       5.     Vom  Hornblatt  von  H.  viridis.     Die  erste  Membran   [h,   ist  gebildet,   die  Kerne    A)    zerfallen. 
«       6.     Die  Umwandlung  in  Membranen    [as]   vorgeschritten. 

»       7.    Ausgebildete  Keimschalen,  as.  die  äussere,  is.  die  innere,  h.  Plasmamasse  des  Keims. 
»       8.     Aeussere  Keimschale  von    der  Fläche   gesehen.     Fig.' 6— 8  von  H.  viridis.     Fig.  1 — 8.     Verg.  310. 
»       9.     Optischer  Durchschnitt  durch  den  Keim  von  H.  aurantiaca,    u.   halbkuglig  voi'springende  Vacuolen. 
y>     1 0.     Optischer   Durchschnitt    durch    einen    älteren    Keim    von  H.  aurant.  ,    a.  äusseres    Schalenhäutchen, 

b.   Flüssigkeitsrauni.   c.   die  Schale  mit  ihren  Stacheln. 
»     11.     Durchschnitt  durch  die  Keimblase  von  H.  viridis,   as.  äussere  Schale,   is.   innere  Schale,   b.  Plasma- 

schicbl,   Ifi.   Leibeshöhle. 
»     12.     Embryo  von  H.  aurant.,   is.  innere  Keimschale,   ec.  Ectodermanlage,   en.  Entodermanlage.   Fig.  9 — 12. 

Verg.  123. 
»     1 3.     Embryo  in  die  Länge  gestreckt.      Dieselben  Bezeichnungen  wie  in  der  vorhergehenden  Figur. 
»     14.     is.  ec.  und  en.  wie  in  Fig.  12,   m.  verdünnte  Stelle,   an  welcher  dei'  Mund  durchbricht. 
»     15.     Embryo  nach  Durchbruch  der  Mundöflnung  und  Ausstülpung  der  Tentakeln.   Fig.   13  —  15.    Verg.  80. 
»     16.     Zellen  des  primären  Ectoderms. 
»     17.     Zellen  des  embryonalen  Entodernis. 
»     1 8.     Zellen  des  interstitiellen  Gewebes   vor   Entstehung   der   Nesselkapseln. 

Fig    13—18  von  H.  viridis.     Fig.  16—18.     Verg.  310. 

Taf.  l\. 

Sämmtliche  Figuren  dieser  Tafel  sind  genaue  Umrisszeichnungen  zur  Versinnlichung  der  Foi'mver- 
änderungen  bei  der  Furchung  des  Eies  von  Hydra  viridis,  ^Fig.  1 — 7  stellen  Momente  aus  dem  ersten 
Furchungsstadium  dar,   Fig.  8 — I  I    illustriien  die  Bildung  der  zweiten  Furche. 


Druck  von  Ereitkopf  &  Härtel  in  Leipzig. 


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