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EINE
ANATOMISCH -ENTWICKLUNGSGESCHICHTLICHE UNTERSUCHUNG
VON
D« NICOLAUS KLEIJVENBERG.
MIT VIEE LITHOGßAPHIETEN TAEELN,
LEIPZIG,
VERLAG VON WILHELM ENGELMANN.
]872.
V
HERRN PROFESSOR
ERNST HAECKEL
GEWIDMET.
|t-'6-IB.RA-
VORBEMERKUNG.
L'ie Untersuc'lmngen , welche der nachstellenden Abhandlung zu Grunde
liegen Avaren bereits zu Ende des Jahres 1S70 abgeschlossen — andere Ar-
beiten, die meine Thätigkeit rücksichtslos in Anspruch nahmen, und dann un-
erwartete, von mir nicht abhängige Umstände haben die YeröfFentlichung bis
jetzt Aerzögert.
Unterdessen hat Franz Eilhard Schulze in seiner schönen Monographie
der Cordylophora lacustris ausführliche neue Beobachtungen über den Bau der
Hydra bekannt gemacht. Hätte ich früher auf diese Rücksicht nehmen können,
so würde die Fassnna,- des anatomischen Theils meiner Arbeit avoI manche Ver-
änderung erlitten haben, namentlich dürften einige Erörterungen gekürzt oder
AA'eggelassen AAorden sein, und die Uebereinstimmung der Resultate wäre in der
Form von Bestätigungen herAorge treten. Aber abgesehen davon, dass mein
Manuscript schon druckfertig Avar, erschien mir eine Umarbeitung desselben um
so weniger geboten, als der methodische Gang beider Untersuchungen ein Aer-
schiedener ist und ich in der Hauptsache, nämlich in Bezug auf die Structur
und die physiologische Bedeutung der GeAvebe des Ectoderms, zu einer Auf-
fassung gekommen bin, Avelche von jener Schulze's durchaus abAveicht. So habe
ich denn die ursjjrüngliche Darstellung beibehalten. Die Yergleichung Avird
leicht ergeben, Avas der einen und Avas der andern Arbeit eigenthümlich ist:
in den streitigen Fragen möge die Entscheidung bald erfolgen. Ich Avill nur
noch aussprechen, dass ich mich der Ansicht, welche Schulze über die Fvmction,
63473
VI
der mit den Nesselkapselzellen in Verbindung stehenden Härchen aufgestellt
bat, ohne Weiteres glaube anschliessen zu müssen, zumal ich auch von der
Unhaltbarkeit der Möbius'schen Erklärung der Entladung überzeugt bin.
Die erste Hälfte des grossen Tubularien -Werkes von All man erhielt ich
gleichfalls zu spät, um es noch benutzen zu können. Es finden sich im all-
gemeinen Theil desselben einige Bemerkungen über die EntAvicklung der Hy-
dren, die im wesentlichen den Angaben Ecker's entsprechen — auch Allman
hat die Furchung verkannt und hält die sonderbaren Dotterelemente für Zellen.
Zu der interessanten Entwicklungsgeschichte der Tubularien fehlen leider bis
jetzt noch die Abbildungen und aus der Beschreibung allein ist mir nicht
alles klar geAvorden.
Anatomie.
Von allen Leistungen des vorigen Jahrhunderts auf dem Gebiete der niederen Thiere
ist wot keine von so eingreifendem Einfluss für die Entwickkmg der Wissenschaft gewesen,
wie die Entdeckung der wunderbaren Lebenseigenschaften der Süsswasserpolypen. Nicht nur,
dass der experimentellen Untersuchung ein ganz neues und wichtiges Arbeitsfeld eröffnet wurde:
die Erscheinungen, welche jenes kleine Thierchen darbot, warfen ein helles Licht auf viele bis
dahin unverstandene Vorgange im Leben der höchst organisirten Geschöpfe. Mit Recht be-
zeichnet daher Karl Ernst v. Baer in einer seiner schönen Reden das Erscheinen der meisterhaften
TREMBLEv'schen Arbeit als den Beginn einer neuen Epoche der gesammten Physiologie. Und
so genau waren die Beobachtungen Tremblev's, so umfassend und von so strenger Kritik ge-
leitet seine Versuche, dass alle die vielen Nachfolger seine Untersuchungen kaum in ihrer
Vollständigkeit zu wiederholen, noch weniger aber ihnen Neues hinzuzufügen vermochten. Nur
der Nachweis der geschlechtlichen Fortpflanzung des Thiers durch Pallas und Ehrexberg ist
als ein wesentlicher Fortschritt zu betrachten. Denn Tremblev hatte die Eier und die samen-
bereitenden Organe wol gesehen, jedoch in ihrer Bedeutung durchaus verkannt.
Dagegen blieb das Studium des feinern Baus, der Hydra der neuern Zeit vorbehalten,
die, im Besitz ausreichender Untersuchungsmittel und von den massgebenden Gesichtspunkten
der Zellenlehre ausgehend, sich auch bald des interessanten Stoffs bemächtigte. Die erste
Mittheilung ist freilich eher eine Mystification als eine wissenschaftliche Arbeit zu nennen.
CoRDA beschrieb den Körper des Thiers aus drei Schichten zusammengesetzt, von denen die
äussere, die Cutis, von einer oberflächlichen Lage grösserer und einer tiefern Lage kleiner
Zellen gebildet ist; dann folgt ein mittleres Stratum musculare aus Zellen bestehend, die mit
farbigen Körnern angefüllt sind, und hierauf als unvollständige Auskleidung des Darms die tunica
villosa mit pallisadenförmigen theils geschlossenen, theils au ihrer Spitze offenen Zellen. Die
Tentakeln sind häutige Röhren, welche an gewissen Stellen Anschwellungen haben, in denen
die Cilia und Hastae eingebettet liegen. An der Innenfläche dieser Röhren verlaufen vier, in
ihrem Bau gänzlich von dem Stratum musculare des Körpers verschiedene Längsmuskeln, die
extensores tentaculi, welche unter einander durch tranversale Muskeln von derselben Beschaf-
fenheit, die adductores tentaculi, verbunden werden '. Es genüa;! aber einen Blick auf die
' Acta Acad. C. Leop. Carol. Nat. Cur. V. XVIII. p. 299.
Kleinenberg, Hydra.
Tafeln zu werten, um zu der Ueberzeugung zu gelangen, dass, trotz der ausdrücklichen gegen-
theiligen Behauptung des Autors, die Bilder nicht nach der Natur gezeichnet, sondern ganz
willkiihrlich coniponirt sind — ein Verfahren, dessen Corda sich auch bei anderen Arbeiten
bedient und dadurch die ebenso berechtigte wie scharfe Kritik Schleiden's lienorgerufen hat.
Unter dem Einfluss der DujARDiN'schen Sarcodelehre studirte Ecker ' den Bau der Hydra
und kam zu dem Resultat , dass der Körper nicht aus Zellen besteht, sondern aus einer zu-
sammenhängenden Masse einer äusserst elastischen und contractilen, netzförmig durchlirochenen
Substanz, die er »ungeformte contractile Substanz« zu nennen vorschlägt. Abgesehen von ihren
äussern Forniverhältnissen und dem Besitz der eigenthümlichen Nesselorgane wäre Hydra dem-
nach in nahe Beziehung zu den Infusorien und Rhizopoden zu bringen. In einer spätem Ab-
handlung'^ bespricht Ecker die Genese seiner ungeforniten contractilen Substanz. Er behauptet,
dass die aus der Furchung des Eies hervorgehenden Embryonalzellen keine wesentliche Be-
deutung für den Aufbau des Embryonalleibes hätten, sondern, dass die Köipersubstanz der
Hydren »Intercellularsubstanz« sei.
Diesen Angaben Ecker's trat Leydig mit aller Entschiedenheit entgegen, indem er nach-
wies, dass der Körper der Hydren durchweg aus Zellen und Zellenderivaten zusammengesetzt
ist, und zugleich die Irrthümer Ecker's aus der angewandten Untersuchungsmethode erklärte '.
Leydig erkannte ferner, dass wie bei allen andern Coelenteraten, so auch bei Hydra der Körper
aus zwei anatomisch und physiologisch verschiedenen Blättern gebildet ist, welche durch eine
homogene Memljran getrennt werden.
Wichtige Angaben über einzelne Theile brachte dann Külliker ^: er fand in der von
Leydig beschriebenen structurlosen Lamelle eine Muskelschicht.
Der letzte , der die Hydra verarbeitet hat , ist Reichert \ Seine Ergebnisse führten
überraschender Weise zu einen Compromiss zwischen Ecker und Leydig. Der erstere soll in
Bezug auf das Ectoderra Recht haben, der andere in Bezug auf das Entoderm. Jenes besteht aus
einer continuirlichen Masse ungeformter contractiler Substanz, oder wie sie nun heisst, proto-
zootischer Substanz — dieses ist ein wirkliches Epithel. Die protozootische Substanz geht aus
Zellen hervor, wahrscheinlich durch Verschmelzung der persistirenden Membranen, während der
Zellinhalt schwindet. Zwischen beiden Schichten befindet sich als inneres Skelet eine homogene
StUlzlamelle. Eine übereinstimmende Organisation findet Reichert bei den andern Coelenteraten
und den Bryozoen, und auch die Amoeben, Polythalamien und Gregarinen sollen nach diesem
1 Zeitsclirifl f. wiss. Zoologie. B. I., p. 218. 1848.
2 Entwicklungsgeschichte der grünen Armpolypen. 1853.
3 Müllers Archiv. Jahrgang 1854, p. 270.
* Icones Histiologicae. II. Ablheil. 1865.
* lieber die contractile Substanz (Sarcode Protoplasma) und ihre Bewegungserscheinungen, Abh. d. Akad.
d. Wiss. zu Berlin, 1866; und Vergleichend anatomische Untersuchungen über Zoobotryon pellucidus, Abh. der
Berliner Akademie, 1869.
Plan gebaut sein, nur mit dem Unterschiede, dass sie kein inneres Epithel besitzen, sondern
»die Wand des thierischen Holilkörpers ausschhessHch durcii die protozootische Substanz ge-
bildet ist«. Es werden daher alle die genannten Thiergruppen als «niedrigste wirbellose Thiere«
in eine Abtheilung zusammengefasst.
Meine Untersuchungen haben mich vor allem zur Bestätigung der Angabe Leydig's, dass der
Körper der Hydren durchweg aus Zellen besteht, geführt. Indem ich von dieser Grundlage aus den
Bau der beiden constituirenden Blätter einem genauem Studium unterwarf, bin ich dagegen zu einer
wesentlich abweichenden Auffassung der Beschaffenheit und der Leistungen der Gewebe gelangt.
Das Entoderm.
Die Hohlräume des Hydrakörpers — die Leibeshöhle, an welcher man gewöhnlich
die Stielhöhle und den sogenannten Magen unterscheidet, und die mit dem letztern com-
municirenden Canäle der Tentakeln — sind überall mit einem einschichtigen Epithel aus-
gekleidet. Dies besteht aus fest an einander haftenden, kernhaltigen, membranlosen Zellen,
welche in den verschiedenen Regionen des Körpers in Bau und Function einige nicht unbedeu-
tende Unterschiede darbieten. Ihre Form wechselt natürlich je nach dem Zustande des über-
all leicht beweglichen Körpers. Befindet sich das Thier ausgedehnt in Ruhe, so bildet das
Entoderm des freien Endes der Tentakeln eine gleichmässige dünne Schicht, in welcher oft
weder die Zellgrenzen noch die Kerne wahrnehmbar sind; gegen das angeheftete Ende zu
lassen sich die einzelnen Zellen immer deutlich erkennen, da sie sich nur im Umfange der
breiten Basis, mit welcher sie der Muskellamelle aufsitzen, berühren, während ihre freie Fläche
halbkuglig in die Höhle hineinragt: der Canal erscheint dadurch im optischen Längsschnitt
regelmässig eingeschnürt und im Querschnitt sternförmig. Die Auskleidung des oralen Theils
der Leibeshöhle wird dagegen von dicht gedrängt stehenden, piismatischen Zellen gebildet,
deren Höhe immer und zuweilen bis auf das sechsfache grösser ist, als ihi- Durchmesser
(Taf. I. Fig. 3). Im Fuss sind die Zellen wieder niedriger und breiter, ähnlich denen der
Basis der Tentakeln (Taf. I. Fig. 1 .) Diese beiden Regionen gehen entweder allmählich in
einander über, so stets bei" H. viridis, oder die Form der Zellen ändert sich ganz plötzlich, wie
bei wohlgenährten Exemplaren von H, aurantiaca und grisea und dadurch erscheint auch
äusserUch eine sehr scharfe Abgrenzung von Fuss und Magen.
Von den Zellen des Entoderms sind nun die des basalen Theils der Tentakeln und die
der Fusshöhle constant Plasmaschläuche, welche einen grossen, mit wässriger Flüssigkeit gefüllten
Hohlraum, eine Vacuole, einschliessen. Die Dicke des hellen, fein und leicht graimlirten
Plasmas ist nicht überall gleich: an der der Muskellamelle angedrückten Basis sowie an den
u. Seiten ist die Schlauchwendung meist sehr dünn, an der freien Kuppe dagegen hat sie regel-
mässig eine beträchtlichere ^lächtigkeit und springt oft nach innen gewölbt in den Vacuolen-
raum ein. Ausserdem wird die Innenfläche des Schlauchs vielfach durch verschiedene in seine
Masse eingelagerte feste Köiper vorgetrieben und uneben gemacht. Der kuglige oder ellipsoi-
dische Kern, der niemals im basalen oder freien Theil, sondern stets in der Seitenwand der
Zelle eingebettet ist, übertrifft die Dicke des Schlauchs um das mehrfache, und da er nie in
unmittelbare Berührung mit der Vacuolenflüssigkeit steht, sondern stets mit einer, wenn auch
oft ausserordentlich dünnen, Plasmaschicht überzogen ist, so liegt er wie in einer Einstülpung
des Hohlkörpers. Dazu kommen bei H. viridis die überall im Entoderm verbreiteten Farb-
körner-Kügelchen von ca. 0,007 ""^ Durchmesser. Sie bestehen aus einer dichten sehr eiweiss-
reichen Grundmasse, die sich mit Jod dunkelbraun, mit Karmin oder Anilin tief roth färbt, und
einem aufgelagerten, unmessbar dünnen Ueberzug eines grünen Farbstoffs, welcher seinem
chemischen und optischen Verhalten nach mit dem Chlorophyll identisch ist oder ihm wenigstens
doch sehr nahe steht. Diese Kügelchen entsprechen also in Bezug anf ihre Zusammensetzung
genau dem Chlorophyllkörper der Pflanzenzellen. Bei einem Theil derselben ist die Oberfläche
ganz glatt, andere erhalten durch Furchen und Risse ein segmentirtes Aussehen. An diese
schliessen sich kleinere theilweise im Zerfall begriffene Körperchen, welche eckige Formen und
anstatt dei- reingrünen eine schmutzige dunklere Färbung haben und allmählich in ganz kleine,
häufig zu Haufen zusammengeballte, dunkelbraune bis schwarze Körnchen übergehen. Die
Menge aller dieser Körper wechselt erheblich je nach den Ernährungsverhältnissen des Thiers.
Die grünen finden sich vorherrschend in den Seitentheilen der Zellen und nur, wenn sie besonders
zahlreich sind, in dem basalen Theil ; sie sitzen dem Zellschlauch zuweilen wie angeklebt an, scheinen
aber doch immer einen ganz dünnen Plasmaüberzug zu haben. Das freie Ende der Zellen enthält
niemals Chlorophyllkörner, dagegen sind hier die braunen und schwarzen Körnchen angehäuft.
Bei H. aurantiaca und grisea fehlen im Entoderm der Fuss- und Tentakelhöhlen mit
den Chlorophyllkörnern der H. viridis vergleichbare Formelemente, es finden sich nur orange,
biaune und schwärzliche rundliche oder eckige Körperchen, welche alle eine bedeutende Re-
sistenz gegen chemische Agentien zeigen. Das Epithel der Magenhöhle enthält aber —
wenigstens bei gut genährten Exemplaren — farblose runde oder ovale dichte Eiweisskörper-
chen, welche sich, abgesehen von dem Mangel des Chlorophylls, ganz wie die Farbkörner der
H. viridis verhalten und auch dieselben Uebergänge zu den dunklen Körnchen darbieten.
Ausser diesen Körpern sind den Entodermzellen aller Arten noch feste Fettstückchen und
Oeltropfen, oft in sehr bedeutenden Massen, eingelagert. Die letztern sind bei H. viridis und
grisea ungefärbt oder gelblich, bei H. aurantiaca zum Theil lebhaft orange gefärbt.
Alle diese Einschlüsse liegen im Plasma. Der Innenraum der Zellen ist von einer ganz
klaren Flüssigkeit erfüllt, die sich gegen alle Reagentien wie fast reines Wasser verhält. Ich
erwähnte jedoch schon, dass das Vorkommen dieses centralen Flüssigkeitsraums nur bei den
Zellen des basalen Tentakelendes und denen der Fusshöhle constant ist. Hier wechselt zwar
die Dicke der Plasmaschläuche, die bei Thieren, welche in der Gefangenschaft auf schmale
Kost gesetzt sind, ausserordentlich dünn werden, während sie bei wohlgenährten Exemplaren
beträchtlich zunehmen ; aber die Vacuole wird niemals ganz ausgefüllt. Die Entodermzellen der
freien Tentakelenden sind dagegen häufig zu flachen Plättchen reducirt und jene des oralen
Theils der Leibeshöhle enthalten nur bei schwachgenührlen Thieren eine Vacuole; sonst siml
sie ganz sohde Plasraaprismen, und die festen EinschUisse. welche in ihnen immer am reich-
lichsten vorhanden sind, liegen gleichmässig durch ihre ganze Masse vertheilt.
In allen Theilen der Leibeshöhle und ihrer Anhänge tragen einzelne Entodermzellen
eine, selten zwei, sehr zarte Wimpern, deren Länge bis 0,03 "" beträgt. Sie sitzen auf den
Spitzen der Zellen (Taf. I. Fig. 61 und bewegen sich, langsam hin und heischlagend. nach Art
der Geissei der Flagellaten. Am unverletzten Thier konnte ich sie nie wahrnehmen, man be-
merkt in den Tentakeln der beiden durchsichtigen Arten nur eine Bewegung der in der Flüs-
sigkeit, welche den Canal erfüllt, suspendirten Körperchen, die auf das Vorhandensein von
Wimpern schHessen lässt, auch gelang mir nicht diese durch Reagentien deutlich zu machen
und zu erhalten ; aber auf feinen Querschnitten des lebenden Thiers kann man sie bei ihien
trägen und aussetzenden Bewegungen mit -aller Deutlichkeit beobachten. An solchen Präparaten
schien es mir, als ob die Geissein, nachdem sie eine Zeit lang bestanden haben, allmählich
wieder eingezogen werden, während sie auf benachbarten Zellen neu entstehen. Sie wären
demnach keine fixen Gebilde, und dann würde sich auch ihr Verschwinden beim Absterben
des Thiers erklären./ Jedenfalls ist das Entoderni nicht mit einem continuirlichen Flimmerbesatz,
sondern mit isolirten Geisselzellen (im Sinne Häckels' versehen — ein Factum, das in Bezug
auf das ausschliessliche Vorkommen dieser Form des vibratilen Gewebes bei den Spongien
nicht ohne Interesse ist. Leydig hat die Geissein bei Hydra zuerst bemerkt. Reichert konnte
sie später nicht auffinden. Nach Leydig soll je ein äusserst feines Flimmerhärchen auf einem
sehr kleinen blassen Kügelchen sitzen und diese Gebilde auf gewisse Gegenden der Leibes-
und Armhöhlen beschränkt sein ^ Ich habe mich dagegen, wie gesagt, überzeugt, dass die
Geissein aus den grossen Entodermzellen unmittelbar hervorgehen, und dass sie in allen Regionen
des Körpers vorkommen, aber nur auf einzelnen Zellen.
In wesentlicher Weise weicht die Darstellung, welche ich von dem Bau dei' Entoderm-
zellen gegeben habe, von der Levdig's ab. Er gibt an. diese Zellen besässen dicke Membranen,
welche, mit einander verschmolzen, ein elastisches Fachwerk herstellen, in dessen Lücken der
wasserklare contractile Zelfinhalt liegt. In der Membran selbst eingeschlossen befinden sich
die dunklen Körnerhaufen sowie die farblosen Eiweisskiigelchen oder die grünen Körner dei-
H. viridis. Ob der zu jedem Zellraum gehörige Kern auch in die Membran eingeschaltet oder
ihr nur angeheftet ist, wiid aus der Beschreibung nicht ganz klar, jedoch scheint das erstere
gemeint zu sein K Die Angaben hat Gbeef im Wesentlichen für seine Protohydra bestätigt.
Er sagt, dass er eine die Leibeshöhle auskleidende Epithelialschicht nicht finden konnte, sondern
»ein das ganze Parenchym durchsetzendes continuirliches Zellnetz« ^. Die Innenschicht besteht
1 1. c. p. 278.
2 1. c. p. 279.
^ Protohydra Leukarti Zeitschr. f. wiss. Zool. B. XX.. p. 46. u. f.
aus rundlichen liellen kernhaltigen Zellen. Das zvvischenliegende Netzwerk konnte Greef auf
keine Weise in einzelne Zelleni)ezirke zerlegen und nimmt daher ein allseitiges Verschmolzen-
sein der Fäden desselben an. Er meint, in diesem Falle wären wir nicht genöthigt, »die
Wandungen der einzelnen Felder des Netzes als integrirende Theiie der Zellen anzusehen,
sondern wir haben ein zusammenhängendes Fach werk vor uns, von denen jedes Fach resp.
jeder Hohlraum eine Zelle einschliesst, d. h. Protoplasma mit einem Kern« '.
Mir waren die Angaben Leydig's schon deshalb bedenklich, weil sie ohne alle Analogie
dastehen. Denn es ist bisher noch nirgends beobachtet worden, dass Zellmembranen, abge-
schiedene Plasmaproducte, die stets der eigentlichen Vitalität entbehren, der Sitz jenes Assi-
milationsprozesses sein sollten , der sich in den Umwandlungen der eiweissreichen farblosen
und grünen Körner deutlich genug ausspricht — abgesehen davon, dass weder bei thierischen
noch bei pflanzlichen Zellen der Kern jemals in der Membran angetrotlen wird. Die Unter-
suchung zeigte auch bald, dass von einem zusammenhängenden Fachwerke gar nicht die Rede
sein kann. Schon beim lebenden Thier, noch besser aber nach kurzer Einwirkung der Sal-
petersäure von 0,5%, welche die leichte Ablösung des Ectoderms ermöglicht, das Entoderm
aber eine Zeit lang ganz unverändert lässt, erkennt man mit starken Vergrösserungen oft sehr
deutlich inmitten der Scheidewand, welche zwei an einander liegende helle Räume trennt, eine
feine Linie, die sich als der Ausdruck der Berührungsfläche zweier verschiedenen Zellen ange-
höriger Schichten betrachten lässt (Taf. I. Fig. 2) . Ganz klar wird das Verhältniss jedoch erst, wenn
man Macerationsmittel, besonders die Essigsäure von 0,25 — 0,05 %, in Anwendung bringt. Das
Entoderm zerfällt dann in lauter einzelne Zellen, zwischen denen Nichts von einem Fachwerk
übrig bleibt, und alle diese Zellen bestehen aus einer dichten durch die Säure getrübten Aussen-
schicht und einem hellen Innenraum, so dass kein Zweifel darüber bestehen kann, dass das
Bild des Netzwerks nur durch die enge Aneinanderlagerung der stärker lichtbrechenden Aussen-
schichten der Zellen hervorgerufen wird. Ebenso bestimmt muss ich gegen die Auffassung
dieser Schicht als Zellmembran opponiren. Sie ist im Gegentheil der eigentliche den Kern
umschliessende Zellkörper. Gegen alle Reagentien verhält sie sich wie Plasma, mit Essigsäure
behandelt schrunipft sie und trübt sich, starke Salpeter- und Schwefelsäure sowie caustische
Alkalien lassen sie erst quellen und lösen sie dann, mit Jod, Karmin und Anilin färbt sie sich
lebhaft. Endlich entscheiden die amoeboiden Bewegungen isolirter Stücke für ihre plasmatische
Natur. Was dagegen die helle innere Masse der Zellen anbetrißt, so rufen weder Säuren noch
Alkalien eine Veränderung ihrer optischen Beschaffenheit hervor, sie fcirbt sich weder mit Jod,
noch mit Karmin. Unter Einwirkung von Säuren, Alkohol, Zuckerlösung u. s. w. tritt sie je
nach dem Concentrationsgrade des Zusatzes schneller oder langsamer exosmotisch durch
den Plasraaschlauch, und dieser fällt faltig zusammen. Levdig behauptet, diese innere Sub-
stanz quelle durch Essigsäure, die Membran reisse in Folge dessen, und der Inhalt trete
' Protohydra Leukarti, Zeilschr. f. wiss. Zool. B. XX., p. 48.
heraus '. Es ist das ein Irrtlium. Lässl man verdünnte Essigsäure langsam hinzutreten, so
nehmen die Zellen gleichmässig und alimalilich au Grösse ab und man kann gar nicht auf den
Gedanken kommen, dass dabei durcJi einen Riss in der Aussenschicht die Innenmasse entleert
werde, sondern man hat ein ruhiges exosmotisches Ueberjströmen vor sich ; wirkt starke Säuie
dagegen plötzlich, dann freilich wird die Druckdill'erenz auf einmal so bedeutend, dass die
Aussenschicht reisst und ihren Inhalt ganz austreten lasst, aber man sieht auch dann
Nichts von einer iiervorquellenden Masse, sondern es erfolgt eine augenblickliche Vermischung
der austliessenden Flüssigkeit mit dem umgebenden Wasser. Aus diesem ganzen Verhalten
geht hervor, dass die Innenmasse dei' Entodermzellen am wenigsten Plasma . überhaupt abei-
keine eiweisshaltige Substanz, sondern nur Wasser oder eine ausserordentlich dünne Salzlösung
sein kann. Levdig hat diese Vacuolenflüssigkeit für, contractu, Ja füi- das einzige contractile
Element des Hydrakörpers erklSit, eine Täuschung, welche besonders auf der falschen Auffassung
der beim Zerreissen des lebenden Thiers isolirten amoeboiden Körpei', in denen er die ausge-
tretene Innenmasse zu erkennen glaubt, beruht.
Die Angaben Levdig's waren schon durch Reichert vielfach berichtigt. Reichert erkannte
die Zusammensetzung des Entoderms aus Zellen ohne Zwischensubstanz und wies nach, dass
die netzförmige Zeichnung nicht von Zellmeml)ranen herrührt. Nach ihm bestehen die Ento-
dermzellen aus einer Zelhuembran, einer eiweisshalligen Mantelschicht und einer centralen Kern-
masse. Die ^lembran soll unmessbar fein und leicht zerstörbar sein -. Ich glaube , dass sie
mehr ein Product von Reichert's Zellendogma als das Resultat von Beobachtungen ist, ich
wenigstens habe bei den verschiedenartigsten Behandlungsweisen nie etwas gesehen, was als
Zellmembran hätte gedeutet werden können. Die Mantelschicht ist mit dem schlauchförmigen
Zellkörper identisch, und wenn Reichert angiebt, dass sie in den Zellen des Magens und des
Kopfstückes schwierig nachzuweisen ist, so liegt das daran, dass hier die ganze Zelle aus
»Mantelschicht« besteht. Von seiner Kernmasse sagt er: »sie fliesst nach Zerstörung der Zell-
membran in Tropfen aus unil erhält sich in Tiopfenform im Wasser, in Chromsäure, in schwacher
Natronlösung, in Essigsäure, Jodwasser, es sind keine Körperchen darin suspendirt. Kein
Reagens für eiweissartige StolYe bringt eine Veränderung an ihr hervor; durch chemisch reine
Schwefelsäure wird sie aufgelöst. Es lässt sich vorläufig nur aussagen, dass die fragliche
Substanz kein Eiweiss ist und kein Eiweiss enthält" '•'.
Ich möchte hier etwas genauer auf die Beschaffenheit der Gewebsbruchstücke einsehen,
welche man duich Zerreissen oder Zerquetschen einer lebenden Hydra bekommt. Sie scheinen
mir von Ecker's Arbeit an viel Verwirrung angerichtet zu haben. Zunächst will ich bemerken,
dass man nicht sichei- wissen kann, von welchem Blatt des Körpers sie abstanmien, wenn man
die Manipulation nicht unter dem Microscope vornimmt; denn wenn auch häufig die Ein-
' 1. e. p. 277.
2 1. c. p. 26.5.
^ ibid. p. 266.
8
Schlüsse die Zugehörigkeit unzweifelhaft machen, so kommen doch eben so oft Körper vor,
denen dieselben ganz fehlen, oder wo man keine Garantie hat, dass sie nicht erst nach dem
Freiwerden aufgenommen sind. Abgesehen von den andern Verschiedenheiten kann man zwei
Formen unterscheiden , von denen die erste aber mit der Zeit immer in die zweite übergeht :
amoeboide und kuglige Körper. Die erstem, welche durch ihren Formwechsel characterisirt
sind, stammen sowohl vom Ectoderm als auch vom Entoderm her: von diesem sind sie häu-
figer. Sie bestehen aus der plasmatischen Grundsubstanz, die neben Färb- und Excretkörnchen
oder Nesselkapseln immer eine, oft aber noch mehrere Vacuolen einschliesst. Die Formver-
änderungen, welche sie zeigen, müssen meiner Meinung nach auf zwei verschiedene Vorgänge
zurückgeführt werden. Einmal entstehen solide Plasmafortsätze , die in ihrer Beschaffenheit
und in der Art ihrer Bildung genau mit den Pseudopodien der Amoeben übereinstimmen. Sie
kommen bei Hydra nicht besonders häufig vor und sind meist kurz und dick, während nach
Greef bei Protohydra diese Bildungen praevaliren und lang und dünn sind. Andererseits
werden hyaline Blasen liruchsackartig vorgetrieben. Sie entstehen durch Translocation der
Vacuolen, die. nui' von einer dünnen Plasmaschicht überzogen, über die Oberflächen hinaus-
geschoben werden. Wenn man diese Bildungen des äussern Formwechsels wegen auch Pseudo-
podien nennen will, so muss man doch die Verschiedenheit des Entstehungsmodus anerkennen :
die wirklichen Pseuilopodien sind der unmittelbare Ausdruck activer Bewegungen des Plasmas,
die rundlichen Hervorwölbungen bestehen dagegen aus Flüssigkeitsansammlungen, welche durch
den wechselnden Druck ihrer Umgebung bald vorgetrieben werden , bald wieder unter das
Niveau der Oberfläche zurücksinken. Die amoeboiden Körper sind meist aus dem Zusammen-
hang gelöste ganze Zellen, aber ich habe mich auch überzeugt, dass selbst kleine Stückchen
von diesen die Fähigkeit der Formveränderung für einige Zeit beibehalten.
Die kugligen Körper bieten grössere Verschiedenheiten in ihrer Beschaffenheit dar. Zum
Theil schliessen sie Körner und Nesselkapseln ein, zum Theil entbehren sie derselben. Von
den letztern l)estehen einige aus einer hellen leicht granulirten Masse. Sie sind durchweg
gleichartig und immer nur von einem einzigen Contoui- umgeben. Mit Jod und Karmin färben
sie sich, in Essigsäure, Alkohol und Zuckerlösung schrumpfen sie und werden dunkler. Es
sind solide Plasmakugeln. Neben ihnen finden sich Plasmakugeln, die eine häufig excentrisch
gelegene Vacuole einschliessen, und endlich solche, die zuerst kaum von den soliden Kugeln zu
unterscheiden . sind. Auf der Oberfläche erscheinen sie gleichfalls leicht granulirt, stellt man
aber genau auf die Mitte ein, so sieht man, dass sie von einem äusserst feinen, aber deutlich
doppelten Contour begrenzt sind, welcher eine durchaus klare ungekörnte Masse einschliesst.
Ihr Entstehen ist leicht zu beobachten. Unter Druck oder nach Zerrungen bilden sich an ein-
zelnen Stellen der Gewebe blasige Auftreibungen der Zellen, welche zuerst noch dicke Wan-
dungen haben. Allmählich dringt mehr Flüssigkeit vor und, indem ihre Wandung mehr und
mehr ausgedehnt wird, nimmt die Ausstülpung Kugelform an, bis sie sich zuletzt von der
Masse, aus der sie entstand, ganz ablöst und frei wird. Denselben Vorgang beobachtet man
an Thieren, die auf dem Objecttriiger, ohne einem Druck ausgesetzt zu sein, absterben. Hier
löst sich langsam dei- ganze Körper in Kugeln auf, deren grösserer Theil aber aus ganzen
Zellen mit deutlichem Kern besteht. Das Verhalten der doppelt contourirten Kugeln gegen
Reagentien ist von dem der soliden Plasmakugeln ganz verschieden. In Tinclionsmitteln bleiben
sie unverändert oder erhalten doch nur einen sehr leichten Farbenton, der von der gefärbten
dünnen Hülle herrührt, während die ganze Innenmasse wasserhell bleibt. Nur bei längerem
Verweilen in wässeriger Jodlösung nimmt auch die Innenmasse eine gelbliche Färbung an, was
wol auf den endosmotischen Austausch der Flüssigkeiten zu beziehen ist. Durch wasserent-
ziehende Agentien ziehen sie sich rasch sehr stark zusammen , wobei die Plasmaschicht zu-
sehends dicker wird, und bei plötzlichei' Einwirkung platzen die Kugeln und fallen, indem sich
ihr Inhalt mit der umgebenden Flüssigkeit mischt, wie leere Blasen zusammen.
Es ergiebt sich hieraus, dass alle die kngligen Körper, die man aus einer lebenden
Hydra isoliit, Plasmamassen sind, dass aber bei den zuletzt beschriebenen, durch excessive
Wasseransammlung im Innern, das Plasma zu einem äusserst dünnen Häutchen ausgedehnt ist
und sie in Folge dessen leicht als Tropfen einer durchweg gleichartigen nicht eiweisshaltigen
Substanz erscheinen können. Die Behauptung Reichert's, dass die fragliche Substanz in Schwefel-
säure gelöst werde, ist leicht zu' erklären. Schwefelsäure löst das Plasma, die soliden Kugeln
quellen auf und schwinden dann, bei den Blasen, die aus einer so dünnen Plasmaschicht be-
stehen, wird diese plötzlich zerstört und das eingeschlossene Wasser mischt sich unmerklich
mit dem umgebenden, so dass es wol den Anschein haben kann, als ob das ganze Gebilde
sich aufgelöst hätte.
Reichert behauptet, dass das freie Ende der Tentakeln keine innere Zellenschicht be-
sässe, und er scheint hierauf besonderes Gewicht zu legen '. Jedoch ist dies im Allgemeinen
nicht richtig. Bei H. viridis ist der Tentakelcanal immer bis zu seinem äussersten Ende von
einer Schicht ausgekleidet, welche Chlorophylkörner enthält. Einzelne Zellen kann man frei-
lich nicht unterscheiden. Bei frischen und kräftigen lebenden Exemplaren der beiden andern
Arten sieht man dagegen, auch während des Maximums der Extension, die deutlichen flachen
Entodermzellen in zusammenhängender Lage bis an das Ende der Tentakeln reichen. Aller-
dings kommen aber auch Fälle vor, die für Reichert's Angabe sprechen. Es sind dies meist
verhungerte, lange in der Gefangenschaft gehaltene Thiere. Hier werden die Entodermzellen,
welche an der Basis der Tentakeln deutlich sind, gegen das Ende zu immer flacher und gehen
zuletzt in sehr dünne hyaline Schicht über. Ich will nicht entscheiden, ob lües bloss die
Muskellamelle und das Entoderm völlig geschwunden ist, oder ob doch noch eine zarte Lage
desselben die Höhle auskleidet — soviel ist aber gewiss, dass diese Fälle als Abnormitäten
zu betrachten sind, während die Regel ist. dass Leibes- und Tentakelhöhlen überall eine
Epithelschicht besitzen.
' 1. c. p. 24.5. 247.
Kleinenberg, Hydr.i.
10
Das Ectoderiii.
Gegenüber der einfachen Zelllage des Entoderms erscheint das äussere Blatt des
Hydrakörpers als eine coniplicirte Bildung. Nicht allein, dass ein Theii seiner Zellen eine sehr
eigenthümliche Dift'erenzirung erlangt hat — mit Ausnahme der Fussscheibe ist es überall aus zwei
formell und functionell ganz verschiedenen Geweben zusammengesetzt, die sich morphologisch und
genetisch als integrirende Bestandtheile eines heteroplastischen Organs, des Ectoderms erweisen.
Beim lebenden Thier ist das Aussehen der KörperoberHäche je nach den Contractions-
zuständen sehr verschieden. Während der Erschlaffung stellt das Ectoderm eine gleich-
förmige zusammenhängende Masse dar, in welcher die grossen und kleinen Nesselkapseln ein-
gebettet sind. Von Zellengrenzen und Kernen kann man nur an der Basis der Tentakeln
zuweilen einige, nicht sehr bestimmte, Andeutungen sehen. Bei mittlerer Contraction entsteht
dagegen das Bild eines epithelialen Baues, indem die Oberfläche in vieleckige Feldei- zerfällt,
die durch starke breite Grenzlinien abgetheilt werden, und durch die Seitenansicht überzeugt
man sich, dass jedes dieser Felder einem papillenartigen Vorsprung entspricht. Schreitet die
Verkürzung des Körpers fort, so verlieren sich die breiten Grenzlinien wieder, die Felder
werden in der Richtung des Körperumfangs zu gestreckt Hiombischen oder linsenförmigen
Wülsten zusammengedrückt, und indem ihre Oberfläche sich stärker erhebt, stellen sie schmale
hohe Falten dar , die einzeln oder zu Gruppen vereinigt dem Ectoderm das Ansehen einer
gefalteten Membran verleihen.
Von den mannigfachen Methoden, die ich für die Untersuchung des Entoderms an-
wandte, sind mir zwei von besonderem Werth gewesen. Einmal die Erhärtung des Thiers
durch ein- bis dreitägige Einwirkung der Chromsäure von 0,02o7o zum Zweck der Anfertigung
von Querschnitten und tiann die Maceration in 0,23 — 0,05 procentiger Essigsäure (eine viertel
oder eine halbe Stunde lang). Man erhält zwar bei diesem Verfahren die Thiere inuuer im
Contractionszustande , doch ist das durchaus kein Uebelstand. Die Präparate wurden mit
Fuchsin gefärbt und in verdünntem Glycerin aufbewahrt.
Auf dem Querschnitt (Taf. I Fig. I und 7) findet man nach aussen, die Oberfläche bil-
dend, eine einfache Lage grosser Zellen mit grossen ellipsoidischen Kernen (Fig. 7 h), dann
unter und zwischen diesen eine Menge kleinerer Zellen, die theils je eine Nes.selkapsel , theils
nur einen verhältnissmassig beträchtlichen Kern enthalten [ig) und endlich dem Entoderm dicht
anliegend eine schmale helle Zone in welcher senkreclit verlaufende feine Fäserchen eingebettet
sind {ml) . Die vollständige Erkcnntniss der Formverhältnisse dieser Zellen ist jedoch erst durch die
Isolation derselben möglich. 'Man sieht, dass die grossen Zellen meist nur mit ihren verbreiterten
Grundflächen sich gegenseitig berühren. Von dieser Basis aus verjüngt sich der Zellkörper
bald ziemlich plötzlich, bald ganz allmählich und geht entweder gleichmässig sich verschmälernd
in einen derben Fortsatz aus (Taf. I Fig. 1 0 (/) oder er spaltet sich dichotomisch und löst seine
Masse in zwei Fortsätze auf, die, indem sie weitere secundäre und tertiäre Spaltungen erleiden.
11
das centrale Ende der Zelle mehrfach verzweigt erscheinen lassen (Taf. 1 Fig. 9;. Die Hohe,
auf welcher die Spaltung beginnt, ist sehr verschieden, und ebenso wechselnd ist die Form der
Fortsätze : neben massigen, welche in ihrem Verlauf sich zuspitzen und weiter verzweigen, ent-
stehen sehr dünne, die vom Ausgangspunkt an in ihrem ganzen Verlauf dieselben Dimensionen
beibehalten. Alle diese Fortsätze verlaufen divergirend, bis sie das Entoderra erreicht haben,
dann biegen die feinsten derselben scharf im rechten Winkel um , ohne dass an der Um-
biegungsstelle eine Dimensionsveränderung entsteht ; die andern sowohl als auch die zugespitzten
Enden der ungetheilten Zellkörper gehen in eine, meist aber in zwei rechwinklig gestellte feine
Fasern aas, die immer der Längsaxe des Körpers parallel nach oben und unten verlaufen. Auf
diese Weise entsteht eine dem Entoderm anliegende einfache Lage längsgerichteter zarter
Fasern. Die Länge der einzelnen Faser ist schwer zu bestimmen , weil die Spaltbarkeit des
Gewebes in querer Richtung viel grösser ist, als in der Längsrichtung, so dass beim Zerzupfen
die longitudinalen Fasern gew'öhnlich zerreissen ; die längste, welche ich an solchen Präparaten
gemessen habe, hatte 0.08""". Dagegen lassen sich aus der später zu beschreibenden Eihulle
diese Zellen des Entoderms sehr leicht isoliren und zeigen Fortsätze von zuweilen mehr als
0.2Ö """ Länge (Taf. II Fig. U .
Alle diese Fasern, welche ich Muskelfortsätze nennen will, sind nun durch reichliche
Zwischensubstanz zu einer zusammenhängenden Haut, der Muskellamelle, verbunden, die überall
zwischen Entoderm und Ectoderm eingeschaltet ist. Das Bindemittel füllt aber nicht bloss die
Räume zwischen den Fasern aus, sondern, gegen das Entoderm an Mächtigkeit zunehmend,
bildet es eine zusammenhängende dünne Membran. Durch Maceration und Zerzupfen gelingt es
zuweilen diese Membran von den Muskelfortsätzen abzulösen und für sich allein darzustellen.
Sie ist während des Lebens otl'enbar sehr weich, klar und farblos, ohne alle körnigen Ein-
lagerungen ; in reinem Wasser scheint sie zu quellen und schwindet allmählich , Säuren
von massiger Concentration trüben sie und geben ihr eine feste Consistenz, in concentrirter
Schwefelsäure und kaustischen Alkalien quillt sie beträchtlich und löst sich dann, Karmin and
Jod färben sie gar nicht , dagegen erliält sie durch Goldchlorid einen strohgelben Ton.
Am lebenden Thiere erkennt man während der Contraction deutlich, dass die Zellkörper
an ihrer, die Oberfläche bildenden Basis einen verdichteten Plasmasaum besitzen, der sich
ziemlich scharf gegen die hellere und weniger consistente innere Masse abgrenzt ; an den
Seitenflächen ist er nicht vorhanden. Der Basalsaum ist keineswegs als gesonderte Membran
anzusehen, und ebensowenig liegt eine Uebereinstimmung mit dem Bau der Entodermzellen vor,
denn diese sind, wie ich gezeigt habe, Plasmaschläuche mit wässrigem Inhalt, die grossen
Ectodermzellen dagegen solide Plasmakörper, wenn gleich an der erwähnten Stelle eine be-
trächtliche Differenz des Wassergehalts sich merklich macht. Der Basalsaum zeigt während des
Lebens eine grobe Körnelung, welche, wie ich glaube, nicht von eingestreuten heterogenen
Körperchen, sondern von kleinen circumscripten Condensationen der Substanz herrührt. Diese
Erscheinung schwindet merkwürdiger Weise beim Absterben des Thiers fast immer vollständig.
12
nur nach Behandlung mit Goldchlorid von c. 0,25 7o erhält sie sich und tritt noch schärfer
hervor. Das übrige Plasma des Zellkörpers entbehrt grösserer körnigei- Einschlüsse, es ist hell
und ganz fein granulirt. Das Plasma der Muskelfortsätze stimmt in seiner Beschaffenheit mit
dem des Zellkörpers überein, nur erscheint es besonders an Essigsäurepräparaten um ein
Weniges stärker lichtbrechend. Der Kern, welcher immer vorhanden ist, enthält ein, seltener
zwei Kernkörperchen ; seine Form ist gewöhnlich ellipsoidisch mit c. 0,0i6 '"'" grösstem Durch-
messer. Er befindet sich nie an der Basis des Zellkörpers oder in einem Fortsatz, sondern
liegt mehr in der Mitte, meist gerade unter der ersten Theilung.
In Folge der eigenthümlichen Gestaltung dieses Gewebes entsteht zwischen den an
einander gefügten Basen der Zellkörper und ihren zu einer Membran verbundenen Muskelfort-
sätzen ein System von communicirenden Lücken. Diese werden ausgefüllt von einem Gewebe,
welches ich seiner topographischen Beziehung zu dem andern wegen als interstitielles Gewebe
des Ectoderms bezeichnen werde. Seine Vertheilung ist aus dem Gesagten klar. Es bildet
keine vollkommene Schicht, sondern ein Netzwerk, dessen Maschen von Theilen des andern
Gewebes eingenommen werden. An der Muskellamelle zwischen den Theihmgen ist es am
reichlichsten, oft mehrfach geschichtet, in die Interstitien der Zellkörper schieben sich nur
wenige vereinzelte Zellen hinein (Taf. I Fig. 7) . Diese Zellen sind spindelförmig oder zu kleinen
Plättchen ausgebreitet, ihr Plasma ist dicht und körnig und umgiebt einen relativ grossen, oft
die Hauptmasse bildenden Kern (Taf. I Fig. 1 2 a.b). Neben diesem entstehen in einzelnen
Zellen der tiefern Lagen des interstitiellen Gewebes jene eigenthümlichen Organe, die Nessel-
kapseln. Es bildet sich seitlich vom Kein ein zuerst nicht scharf umschriebener kugliger heller
Raum, der allmählich die definitive Form der Nesselkapsel anninnnt und einen doppelten Con-
lour erhält (Taf. I Fig. 12/). Dann entsteht im Innern desselben der spiralig aufgewundene
äusserst zarte Faden. Die Einzelheiten des Entwicklungsganges sind mir unbekannt geblieben,
weil die Kleinheit und grosse Vergänglichkeil der jungen Kapseln die Untersuchung ausser-
ordentlich erschweren. Einige Zeit nach vollendeter Ausbildung der Kapsel schwindet, wie
mii- scheint, ganz regelmässig der Kern der Bildungszelle, diese verliert ihre Spindelform, ihren
körnigen Inhalt und umgiebt als kuglige oder eiförmige Hülle die Kapsel. Die zur Entladung
reifen Nesselkapseln werden von ihrer tiefern Bildungsstätte gegen die Oberfläche vorgedrängt,
wo sie zwischen den grossen Zellkörpern oder auch ganz in das Plasma derselben eingebettet
liegen. Hier findet sich an vielen derselben ein ziemlich steifes feines und spitziges Härchen,
welches etwas seitlich vom Eröffnungspol aufsitzt. Diese Borste ist jedenfalls kein ausgetre-
tenes Stück des Nesselfadens, und eben so wenig gehört sie zu den grossen Zellkörpern ; ich
möchte sie, ohne jedoch ganz in's Reine gekommen zu sein, für einen Fortsatz der plasma-
tischen Hülle der Kapsel halten. In Bezug auf den Bau der fertigen Nesselkapseln habe ich
dem Bekannten nichts Wesentliches hinzuzufügen, nur fand ich, dass, während der Faden der
grössern birnförmigen Kapseln bis auf die Haken" am untersten Theil ganz glatt ist, jener der
kleinern mit zwei gegenläufigen Spiralen ungemein kurzer und feiner Härchen versehen ist.
13
Der Bau der Fusstläche weicht von dem eben beschriebenen des iiljrigen Korpers be-
sonders darin ab, dass hier das interstitielle Gewebe und dem entsprechend auch die Nessel-
kapseln gänzlich fehlen. Die grossen Zellkörpei' Taf. I Fig. I 1 haben eine prismatische oder
keulenarlige Gestalt mit kuppenförmigem äusseren Ende. Sie bleiben immer ungetheilt, aber ihi-
stumpf abgeschnittenes inneres Ende läuft seitlich in eine kleine Spitze aus. die in einen ein-
fachen Muskelfortsatz übergeht. Die Zellkorper haben keinen Basalsaum, ihre ganze Masse ist
gleichartig und bedeutend dichter als bei denen des Körpers, so dass die Fussscheibe innner
am dunkelsten erscheint.
Im Ectoderm der Tentakeln praevalirt wieder das interstitielle Gewebe. An der Basis
ist es zwischen den grossen flachen Zellkörpern in ähnlicher Weise wie am Körper vertheilt,
weiterhin besteht es fast nur aus Nesselkapselzellen vorherrschend mit kleinen Kapseln, welche
dicht gedrängt, unterhalb der grossen Zellkörper und in dem Plasma derselben selbst liegend,
zugespitzte Wulste bilden, die spangenförmig ein bis zwei Drittheile des Umfangs des Tentakels
umgreifen. Diese Nesselpolster sind bei H. viridis am schwächsten, sehr stark bei H. gri.sea
ausgebildet. Sie sind ganz fixe Gebilde, welche bei den Bewegungen ihre Form nur wenig
ändern. Während der Extension flachen sie sich etwas ab und werden in dei' Längsrichtung
breiter, zugleich aber weichen sie von einander, so dass sie, durch weite Zwischenräume ge-
trennt, ganz vereinzelt stehen; verkürzt sich der Tentakel, so erheben sie sich wie Falten und
rücken bis zur gegenseitigen Berührung zusammen.
Leydig beschreibt das Ectoderm der Hydra als eine einfache Epithellage. Die cylin-
drischen oder keulenförmigen Zellen der Fussscheibe sollen gegen das orale Ende hin an Länge
abnehmen und in die rundlichen flachen Zellen des Körpers und der Arme übergehen '. In
diesen Zellen werden auch die Nesselkapseln erzeugt. Wenn er also auch die Zusammen-
setzung des Ectoderms aus zwei verschiedenen Geweben nicht erkannte, so scheint mir doch
aus seinen Abbildungen mit Bestimmtheit hervorzugehen, dass er isolirte Zellen beider Gewebe
gesehen hat. Die Figur 1 0 der Tafel (Fig. 8 des Textes) stellt einen grossen Zellkörper der
Fussscheibe dar, welchem freilich jede Andeutung des Muskelfortsatzes fehlt ; Fig. 9 (7) zeigt
dagegen nicht die entsprechenden Zellen des Körpers, sondern einige Zellen des interstitiellen
Gewebes. Der Irrthum ist leicht erklärlich, wenn man berücksichtigt, dass es Levdfg bei seiner
Untersuchung doch besonders nur darauf ankam, die histiologische Structur des Thiers im
Grossen und Ganzen, ohne Rücksicht auf Einzelheiten und Eigenthünilichkeilen, aufzuklären,
und dass er zu diesem Zweck seine Reagentien und besonders die Essigsäure in starken
Lösungen angewandt hat, wie das damals, als man den grossen Werth der hohen Verdauungen
noch wenig anerkannt hatte, allgemein gebräuchlich war. Dann erhält man zwar ein gutes
Bild des zelligen Baus der Fussscheibe, aber am übrigen Körper werden die natürlichen Ver-
hältnisse bis zur Unkenntlichkeit verändert. Nicht nur, dass durch die eintretende starke Con-
• 1. c. p. 272.
14
traction die grossen Zellkörper sehr zusammen gepresst werden, bei ihrem bedeutenden Wasser-
gehalte schrumpfen sie auch durch den Einfluss der Säure und werden von den Zellen
des interstitiellen Gewebes, die wegen ihres festen Plasmas consistenter und formbeständiger
sind, zerdrückt und verdeckt. Zerzupft man das so misshandelte Gewebe, so isolirt man als
deutlich zellige Elemente freilich nur die grossen Zellkörper der Fussscheibe, deren Muskel-
fortsatz abgerissen ist, und Zellen des interstitiellen Gewebes und kann zu der Meinung kommen,
dass ausser den letztern gar keine andern Zellen im Ectoderm des Körpers vorhanden wären.
Die Schwierigkeit, dies Resultat der Praeparation mit dem Ansehen des Ectoderms am lebenden
Thiere in Einklang zu bringen , wäre einem so ausgezeichneten Beobachter wie Leydig wol
auch aufgefallen, wenn er nicht noch eine andere irrige Vorstellung vom Bau des Ectoderms
gehabt hätte. Er glaubte nämlich, eine das Ectoderm überziehende homogene Cuticula wahr-
genommen zu haben. »Es geht am lebenden Thier eine scharfe Contour über die Zellen als
Grenzlinie weg, die bei der Contraction der Arme oder noch merklicher am Fusse an Dicke
gewinnt und bei dem zuletzt genannten Körpertheil in starke Querfalten sich legt und dann
etwa 0,0012 """ im Durchmesser hat. Auf der Fusscheibe scheint sie zu mangeln«'. Ich habe
mich bestinmit überzeugt, dass solch eine Cuticula nicht vorhanden ist, und glaube in der An-
nahme nicht zu irren, dass Leydig die 'Basalsäume der grossen Zellkörper für ein besonderes
structurloses Oberhäutchen und dem entsprechend die Vorwölbung derselben bei der Contraction
für Faltenbildungen gehalten hat. Die Muskellamelle hat Leydig wol gesehen, er sagt aber
nur : »Unterhalb der Zellenlage der Haut folgt abermals eine scharfe Linie, die auf eine homo-
gene Membran bezogen werden kann, und die an der Fussscheibe am dicksten ist« 2.
Der Entdecker der Muskulatur der Hydren ist Kölliker. Seine Mittheilung ist jedoch
aphoristisch und sollte durch eine ausführlichere Darstellung vervollständigt werden, die aber
bis jetzt nicht erschienen ist. Er giebt an, die Muskelfasern »finden sich in allen Theilen des
Körpers, sind 0,043 "" lange, feine, der Länge nach verlaufende Fäserchen, die zwischen
beiden Epithellagen des Leibes ihren Sitz haben. Ich glaube ausserdem gefunden zu haben,
ohne jedoch für einmal mit voller Bestimmtheit mich aussprechen zu können, dass jede Faser
oder Fibrille einzeln für sich im Innern eines schmalen Basalfortsatzes der Zellen des Ento-
derms sich entwickelt. Diesem zufolge besitzt auch Hydra für die stärkeren Bewegungen be-
sondere Elemente, inunerhin wäre es leicht möglich, dass auch die Zellen der beiden Epithel-
lagen, vor allem die der äussern Schicht, im Stande wären, langsam ihre Form zu verändern,
wie dies schon Wright angedeutet hat« ^. Auf der Tafel XVII Fig. 3 desselben Werks ist auch
der Querschnitt eines in Chromsäure gehärteten Thiers abgebildet, auf dem man die in einer
schmalen lichten Zone eingebetteten kreisförmigen Durchschnitte dieser muskulösen Elemente
deutlich erkennt. Kölliker hat ihnen aber den Character selbständiger Zellen beigelegt, denn
1 1. c. p. 275.
2 1. c. p. 276.
•'' Icones histiologicae. 11. Abtheilung, p. 105, 106. 1865.
15
er sagt an einer andern Stelle, bei allen Hydroidpolypen läge zwischen dem Innern die
verdauende Höhle begrenzenden und dem äussern die Oberfläche bekleidenden Epithel, wie es
scheint, ohne Ausnahme eine Lage von Muskelzellen, die überall zuerst eine longitudinale ist'.
Ich habe mich dagegen überzeugt, dass die contractilen Elemente von Hydra nicht besondere
Zellen, sondern eigenthümlich angeordnete und mit einander verbundene Zellfortsätze sind und
als solche stets in Zusammenhang mit den grossen Zellkörpern des Ectoderms bleiben.
Trotz des fundamentalen Gegensatzes der EcKEn'schen Anschauung über den Bau des
Hydrakörpers zu der meinigen, trotz der wesentlich abweichenden Auffassung, zu welcher ich
durch meine Untersuchungen gegenüber Leydig gekommen bin, sind mir die betreffenden Ar-
beiten doch verständlich und der Würdigung zugänglich gewesen. Ich habe die Sicherheit
gewonnen, dass unsere Meinungsdifferenzen allein auf Verschiedenheiten der Untersuchungs-
methoden, welche, wie ich behaupten darf, bei- beiden, besonders bei Ecker, unzugänglicher
und unvollkommner waren als die meinigen, zurückzuführen sind. Anders steht es mit
Reichert's Arbeit. Er hat die Ergebnisse der Vorarbeiten genau gekannt, er hat die meisten
der technischen Hülfsmittel gebraucht, welche auch ich benutzt habe, und kommt doch zu Re-
sultaten, die sich mit den meinigen auf keine Weise vereinigen lassen. Und zwar sind es
nicht bloss seine Deutungen und Folgerungen, welche die Unvereinbarkeit begründen, sondern
es ist die Darstellung des objectiven Thatbestandes.
Reichert beginnt mit der Beschreibung der contractilen Schicht (Ectoderm) der Ten-
takeln im ausgedehnten Zustande und, da er die Masse, in welcher die Nesselkapseln einge-
bettet sind, durchsichtig und ohne Contouren von Zellen oder Zellkernen findet, schliesst er
schon ohne Weiteres: »die contractile Schicht darf also nicht als Epithel aufgefasst und dar-
gestellt werden« ^. Es dürfte Reichert , der sich lange genug mit der Histiologie abgegeben
hat, doch unzweifelhaft bekannt sein, dass die Differenz der Brechungsexponenten verschiedener
Gewebstheile, besonders zwischen Kernsubstanz und Plasma ausserordentlich oft zu gering ist,
um durch unsere Microscope wahrgenommen zu werden. Im Gegensatz zu der ganzen heu-
ligen Wissenschaft den Grundsatz aufstellen: was man am frischen Theil nicht sieht, ist über-
haupt nicht da, heisse die ' Gewebelehre um mehr als ein Jahrhundert zurückversetzen.
Bei massiger Contraction verändert sich das microscopische Bild, die contractile Schicht
verdickt sich und die äussere Begrenzungslinie wird wellig; »dasselbe findet aber auch an der
Berührungsfläche mit der Stützmembran statt und bewirkt, dass die zwischen Stützmembran
und contractiler Schicht im optischen Querschnitt sichtbare Linie körnig ersc4ieint« ■'. Das
letztere verstehe ich nicht, ich weiss weder, was für ein Bild gemeint ist, noch wie durch die
Verdickung und wellige Begrenzungslinien körnige Linien hervorgebracht werden sollen. Die
Substanz erscheint jetzt auch auf der Flächenansicht granulirt: »Dieses körnige Ansehen kann
' Icones histioloiiicae. II. Ablheikins;. p. 88.
2 .üeber die contractile Substanz a. d. W. p. 247.
' ibid. p. 2i7.
16
demnach nur als optischt^r Ausdi-uck kleiner, durcli die Contraction herbeigetüliiter papillen-
arliger Erhebungen angeselien werden« ' — wirküche Körnchen sollen nur hin und wieder in
der Gegend der Fussscheihe vorkommen. Die betreffenden papillenartigen Erhebungen müssen
aber sehr wandelbarer Natur sein, da sie nur in der Flächenansicht erscheinen, während bei
der Seitenansicht, in welcher Hervorragungen an der Oberfläche doch deutlicher hervorzutreten
pflegen, keine Spur von solchen auCzufinden ist.
Das Ectoderni des Fusses und der Fussscheibe soll im ausgedehnten Zustande auch
durchaus homogen sein. Reichert giebt jedoch zu, dass man dann doch zuweilen polyedrische
Felder sieht, die nicht auf die Grenzen der Entodermzellen bezogen werden können. Seine
Erklärung dieses Bildes ist originell : "Die befestigten Endflächen der Zellen liefern ein sehr
regelmässiges, einem Plattenepithel ähnliches Bild. Gleichzeitig oder auch nur bei geringer
Senkung des Focus werden die Begrenzungslinien der Prismen untei- einander sichtbar und
combiniren sich zu einer gemeinhin weniger regelmässigen netzförmigen Zeichnung mit mehr
in die Länge gezogenen Maschen« -. Da an den Basalflächen der Entodermzellen doch nur
durch die Brechungsdifferenz ihrer Beriihrungslinien die netzförmige Zeichnung hervorgerufen
wird und diese sich in den Seitenflächen bis an das freie Ende continuirlich fortsetzt, kann
natürlich von, denselben Zellen angehörigen, getrennten, über einander liegenden Bildern gar
keine Rede sein.
Die während der Contraction am Körper erscheinende Zeichnung des Ectoderms ist auch
nach Reichert einem Epithel so ähnlich, dass »man nur mit Mühe von dem Gedanken sich los-
machen kann, dass ein wirkliches Epithel vorliege«^, kann aber doch wegen der Beschaffen-
heit der Schicht bei der Ausdehnung nicht ein solches sein und rauss auf Contractionsformen
der zusammenhängenden Substanz, namentlich auf die »papilläre Contractionsform«, bei welcher
abgegrenzte rundliche Erhebungen entstehen, bezogen werden. Da die erwähnte Zeichnung an
der Fussscheibe immer vorhanden ist, so schliesst Reichert ganz consequent, dass dieser Theil
sich unausgesetzt im contrahirten Zustande befindet.
Nun nimmt Reichert auch Reagentien, besonders Chromsäure und Essigsäure, zu Hülfe
und findet: »Unter Umständen, namenthch, wenn die contractile Substanz bei Erhärtung sich
in papillenaitigem Contractionszustande befand, erscheinen viele polyedrische Stücke von nahezu
gleicher Grösse, die sich bei flüchtiger Beobachtung wie Epithelplättchen ausnehmen, wobei die
Nesselorgane odei' die Lücken, worin letztere gesessen haben, als Kerne gedeutet werden.
Wer die Eigenschaften der contractilen Schicht im lebenden Zustande kennt und den Gang der
Zerstückelung genau verfolgt hat, kann in einen solchen Irrthum nicht verfallen« *. Ueber den
Gang der Zerstückelung wird weiter nichts als die sehr einfache Thatsache gemeldet, dass das
^ Ueber die contractile Substanz a. d. W.
2 ibid. p. 2.50.
ä ibid. p. 2.36.
* ibid. p. 2.57.
17 ,
mit Säuren behandelte Gewebe bei Anwendung von Druck zuerst in grössere Parthieen, dann
in die polyedrisclien Plättchen und unter stärkerer Pressung schliesslich in körnerartige Stückchen
zerfällt. Wie dies gegen den zelligen Bau des Ectoderms entscheiden soll , ist mir nicht zu-
gänglich. Aber die Kerne fehlen. Was Leydig und Andere für Kerne hielten, sind Nesselkapseln
oder die Lücken, die nach dem Herausfallen derselben nachbleiben. Nein — Reichert weiss
auch noch eine dritte Quelle des Irrthums aufzuschliessen : es können auch Nesselkapseln sein,
bei denen der Faden noch nicht entwickelt ist '. Wirkliche Kerne sollen in Ectoderm nie
vorkommen. Bei der Contraction dienen, sagt Reichert, die Nesselorgane als Centra, um welche
sich die contractile Masse ansammelt, die spangenförmigen Wülste der Tentakeln entstehen,
indem Gruppen von Nesselorganen die Substanz aus ihrer Umgebung anziehen, während am
Körper und Fuss einzelne Kapseln diese Rolle übernehmen, so dass die Masse des Ectoderms
in stumpfe Kegel sich gruppirt , deren jeder »mit seiner breiten Basis der Stützmembran an-
liegt und an der abgerundeten freien Spitze das Nesselorgan trägt« l Durch diese eigenthüm-
liche Erscheinung ist die irrige Ansicht vom zelligen Bau des Ectoderms veranlasst worden.
Gleich darauf führt Reichert wieder aus, wie das beschriebene Verhalten der Nesselorgane nur
eine von den Formen sei, unter welchen sich die Thätigkeit der contractilen Substanz zu er-
kennen gebe, und vielleicht auch etwas ganz Zufälliges sein könne, weil an der Fussscheibe die
Nesselorgane gänzlich fehlen, trotzdem aber sein papillenartiger Contractionszustand hier immer
vorhanden ist - — ich möchte hinzufügen, abgesehen davon, dass nicht die Spur eines Grundes
vorliegt, den Nesselkapseln eine anziehende Kraft auf das Plasma zu vindiciren, dass stets nur
sehr vereinzelte Papillen auf ihrer Spitze eine Nesselkapsel tragen, der Regel nach diese aber
zwischen den Zellgrenzen liegen. Interessant ist die Stelle, weil sie einen klaren Einblick in den
Mechanismus REiCHERT'scher Beweisführung giebt. Um einen Irrthum Leydig's wahrscheinlich
zu machen und die Zellen für Contractionspapillen, deren Kerne für Nesselkapseln erklären zu
können, braucht Reichert durchaus die Behauptung, dass im Entoderm des lebenden Thiers
kernhaltige Zellen wahrnehmbar seien: da nun Niemand diese Angabe gemacht hat, fingirt
Reichert sie einfach und widerlegt dann in seiner Weise, trotzdem er wissen musste, dass
Leydig — auf den es doch nur ankommen kann — ausdrücklich hervorhebt, wie die Kerne
des unverletzten Ectoderms nicht sichtbar sind und erst nach Einwirkung der Essigsäure er-
scheinen! Wie steht es nun mit diesen durch Säure deutlich gemachten Kernen, die sich in
so grosser Zahl finden? Dass Reichert sie gesehen hat, unterliegt um so weniger einem Zweifel,
als er die unverkennbarsten Kerne in der Fig. 1 3 der Tafel VII selbst gezeichnet oder von
Herrn Dünitz hat zeichnen lassen. Es sollen aber doch keine Kerne sein. Er hat sich ent-
schlossen, auch diese Gebilde für Nesselkapseln zu erklären. Die Verwechselung der aus chitin-
artiger Substanz bestehenden, doppelt contourirten, einen aufgerollten Faden einschliessenden,
' Ueber die contractile Substanz, p. 251.
2 ibid. p. 252.
Kleinen berg, Hydra.
, 18
birn- oder eiförmigen Kapseln mit den gianulirten eiweisshaltigen Kernen, welche ein oder
zwei Kernkörperchen enthalten, ist mit einem halbwegs brauchbaren Microscope kaum möghch,
und jeder, der die Nesselkapseln einmal gesehen hat, wird zugeben, dass die als solche be-
zeichneten Körper der Fig. 1 3 Taf. VII , wenn sie nicht ganz falsch gezeichnet sind , keine
Nesselkapseln sein können. Ein derartiges Versehen Leydig zuzumuthen ist gewiss etwas stark.
Das hat Reichert denn wohl auch selbst gemerkt und sich daher noch die erwähnten beiden
andern Auswege eröffnet. Die Lücken, welche beim Herausfallen der Nesselkapseln nachbleiben
(Taf. I Fig. 12 f.), lassen sich als solche besonders, wenn man die Zelle hin und her bewegt,
sehr leicht erkennen, und bei dem Mangel jedes Körpers, der ein Kernkörpeichen vortauschen
könnte, ist nur eine absichtliche Verwechslung mit Kernen möglich. Bleiben noch die unent-
wickelten Nesselkapseln. Aber ebenso wenig wie in der ganzen Schrift der leicht erkennbare
Bau der fertigen Nesselkapseln und ihr auffalliges optisches Verhalten erwähnt ist, ebenso wenig
hat Reichert es zweckmässig gefunden, .seine Beobachtungen über die Entwicklung der Nessel-
kapseln mitzutheilen oder die Dinge, von denen er als von Nesselkapseln, bei welchen der
Faden noch nicht ausgebildet ist, spricht, abzubilden oder sonst irgendwie kenntlich zu
machen. Ich bin überzeugt, dass er die unentwickelten Kapseln gar nicht gekannt hat, er
hätte sonst einsehen müssen, dass sie fast noch weniger als die ausgebildeten Aehnlichkeit mit
Kernen haben. Er hat wirkliche Kerne, ohne sich weiter um ihre Genese und ihr Verhältniss
zu den Nesselkapseln zu kümmern, einfach als Nesselorgane mit unentwickelten Fäden be-
zeichnet und damit die Verwirrung vollendet, die nothwendig war, um zu dem Resultat zu
gelangen , dass das Entoderm der Hydra aus einer continuirlichen Masse contractiler Sub-
stanz besteht.
Die Muskelfortsätze hat Reichert theilweise gesehen und richtig erkannt, dass sie in
Zusammenhang mit dem Ectoderm stehen. An Flächenansichten von Chromsäurepräpaiaten und
mit Essigsäure behandelten Querschnitten des lebenden Thiers will er sich jedoch überzeugt
haben, dass der Verlauf der Fasern ein vorherrschend radiärer, von der Aussentläche der con-
tractilen Schicht zu seiner Stutzlamelle, ist. Der Character einer ^Muskulatur dürfte ihnen nicht
zuerkannt werden, und weil man sie am lebenden Thier während der Ausdehnung nicht be-
merken kann, dürften sie auch nicht fixe Bildungen sein, sondern zeitweilig an der Innen-
fläche der äussern Schicht auftretende papilläre (^ontractionsformen oder Pseudopodien. Die
Schicht, welche ich als .Muskellamelle beschrieben habe, wird füi' eine structurlose, weiche und
elastische »Stützmerabran«, die als eine Art inneres üSkelet«' aufzufassen ist, erklärt. Ich ver-
weise dem gegenüber auf meine Darstellung und auf das Object selbst.
Auf das neueste Werk der REicHERT'schen Aluse einzugehen, in welchem den Bryozoen
die längst bekannte Muskulatur, das Nervensystem und das Hautepithel abgestritten werden —
.auch der Körper der Bryozoen soll nur im Verlauf des Darmkanals und an den Tentakeln aus
einem Epithel bestehen, während alles übrige contractile Substanz, oder wie sie jetzt heisst,
19
»protozootische Substanz«* ist — dazu liegt wo! keine Veranlasssung vor. um so weniger,
als hier mit Thatsaciien nicht mehr zu streiten ist und der Angriff sich gegen den Autor
richten müsste.
Wie über den Bau der Hydra, so haben sicli auch (Ue Ansichten über die physiolo-
gischen Leistungen der Körpertheile und speciell über den Sitz der activen Bevveghchkeit sehr
verschieden gestaltet. Ecker, der das Thier für eine zusammenhängende Sarcodemasse hielt,
nimmt dem entsprechend die (lontractilität aller Theile an , jedoch sollte diese Eigenschaft in
hölierm Grade der grünen Schicht (dem Entoderm also zukommen. Er schliesst dies aus der
Beobachtung, dass von den durch Zerreissen isolirten Stuckchen jene, welche grüne Farbkörner
enthalten, die lebhaftesten amoeboiden Bewegungen zeigen '. Leydig geht weiter und bezeichnet
entschieden das Entoderm als das allein contractile Gewebe, an dessen Bewegungen das Ecto-
derm nur passiv Theil nimmt. Von dem ersten heisst es dann weiter: »Es nehmen diese Zellen
unsere Aufmerksamkeit desshalb besonders in Anspruch, weil die eigentlich contractile Substanz
in Form eines halbflüssigen Zellinhaltes auftritt. .Mir will es nämlich vorkommen, als ob die
mit einander verschmolzenen Zellenwände letliglicli elastisch wäien, der wasserklare Inhalt aber
die allein kontractionsfähige Substanz sei« -. In seinem Handbuch der Histologie nennt Leydig
denn auch das Entodermepithel der Hydra ein .Aluskelgewebe, de.ssen Zellen in der Bla.senform
verharren '. Dies ist schon desshalb incoi'i-ect, weil das Entoderm in unzweifelhafter Beziehung
zur Nahrungsaufnahme steht, indem es die Resorption vollzieht. Ein flimmerndes Gewebe, das
Nahrungssäfte und Excrete liefert, kann nicht als Muskel bezeiclmet werden, selbst wenn die
Formveränderungen seiner Zellen ausschliesslich die Bewegungen des Körpers bedingten. Gewiss
ist Leydig auch darin im Irrthum. dass er im Inhalt dei- Entodermzellen das activ bewegliche
Element sucht. Welche Erscheinungen am unverletzten Thier ihn zu dieser Annahme verleitet
haben, weiss ich nicht — mir ist im Gegentheil aufgefallen, dass bei diesem gar keine An-
haltspunkte gegeben sind, die Activität der einen oder der andern Schicht zuzusprechen —
und was er aus den Veränderungen isolirter Gewebstheile schliesst , ist nicht haltbai'. Die
amoeboitlen Körper sind nicht, wie Leydig glaubt, dei- ausgetretene Inhalt der Entodermzellen,
»der zufällig allerlei Anderes , was beim Zerreissen des Thieres ebenfalls frei werden kann,
wie die gefärbten Köinchen und selbst Nesselorgane einschliesst« , sondern sie sind, wie ich
gezeigt habe, lo.sgerissene Zellen sowol des Entoderms als auch des Ectoderms, oder abgelöste
Plasmastückchen, die Vacuolen enthalten. Die contractile Substanz Leydig's ist Nichts als Wasser.
Davon abgesehen ist noch zu bemerken, dass die amoeboiden Bewegungen jener Körper beim
unverletzten Thier sicher nicht vorkommen, also wol nur durch den widernatürlichen allseitigen
* »eine liislologische Substanz , die in der organologisclien Pla.stilv unter versciiiedener äusserer Form gleicii-
sam verarbeitet sich darstellt». Vergleichende anatomische Untersuchungen über Zoobotryon pelliiridus, \i. 30*.
' Zeitschr. f. wiss. Zoo). B. I, p. -234.
- Müllers Archiv 1854. p. 278.
3 p. »36.
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Contact mit dem Wasser bewirkt werden — sei es, dass der Reiz des Wassers vitale Re-
actionen hervorruft, sei es, dass die Formveränderungen Erscheinungen des Absterbens sind, ein
Ausdruck der Zersetzungsvorgänge im Plasma — und daher auch nicht ohne Weiteres in Be-
ziehung zu den normalen Bewegungen des Thiers gebracht werden dürfen.
Indem Kolliker die Fasern, welche er zwischen Ectoderm und Entoderm aufgefunden
hatte, als muskulöse Elemente deutete, entschied er die Frage in einer eben so sehr von der
Auffassung Ecker's wie von jener Ansicht, die Levdig vertrat, abweichenden Weise: wenn er
immerhin auch das Zugeständniss machte, dass die Fasern vielleicm nur die stärkeren Be-
wegungen ausführten , w ogegen langsamere Formveränderungen des Körpers auch durch die
Epithelien des Entoderms und besonders des Ectoderms bewerkstelligt werden könnten, bi-
dessen lässt die Darstellung Kolliker's etwaigen Zweifeln doch zu grossen Sjiielraum. Die
Fasern, welche er beschreibt, zeigen mit unzweifelhaften Muskelelementen nicht die genügende
Uebereinstimmung der Form und des Baues, um einen Analogieschluss auf ihre Function von
vorn herein gerechtfertigt erscheinen zu lassen. Um über ihre Natur ins Klare zu kommen,
erscheint der Nachweis ihrer physiologischen Leistung nothwendig, und einen solchen hat
Kolliker nicht geliefert. Es ist daher erklärlich, wenn Reichert in den Fortsätzen unter keinen
Umständen bevorzugte Bewegungsorgane sehen will, wobei er sich auf seine freilich unrichtige
Beobachtung stützt, dass der Verlauf der betreffenden Fasern vorherrschend radiär ist. Sie
sollen nur zur Befestigung der äussern Schicht an die (fast flüssige !) Stutzlamelle dienen und
die mögliche Ablösung derselben bei der Contraction verhindern. Durch die morphologische
Deutung, welche Reichert dem Ectoderm giebt, ist dessen Function als Bewegungsorgan prae-
judicirt. Die Beobachtungen aber, welche Reichert zur Stütze seiner Ansicht vorbringt, sind
werthlos. Die Papillen und Wülste, die bei dei- Contraction am Ectoderm hervortreten, können
gewiss ebenso gut durch Corapression wie durch eigene vitale Thätigkeit ihrei- Substanz ei-
zeugt werden, und was er sonst von Pseudopodien sagt, welche an der Überfläche des Ecto-
derms entstehen, ist unrichtig. Am Tentakel sah er, jedoch nur ein einziges Mal, eine Pseudo-
podie, welche auf ihrer Spitze eine Nesselkapsel trug. Ich habe solche Fortsätze, die immer
nur in Zusammenhang mit Nesselkapseln entstehen, häuiig genug vor Angen gehabt — sie sind
aber nichts weniger als Pseudopodien, sondern die Ueberreste der Bildungszelle der Kapsel,
die mit dieser zusammen heraus gepresst sind, aber dem Körper noch adhäriien und, indem
sie bei den Bewegungen des Thiers fadenförmig ausgezogen werden, entweder reissen oder
sich im Wasser auflösen. Ebenso entstellen die angeblichen Pseudopodien an der Fussscheibe
nur dadurch, dass die festhaftenden Flächen des zähen Zellplasmas bei plötzlicher Zerrung sich
in Spitzen ausdehnen.
Ich legte meinen Untersuchungen ein einfaches Experiment zu Grunde. Bei den Be-
wegungen des unverletzten Thiers gehen die Formveränderungen dei' Gewebe der Körperwan-
dung meist so vollkommen gleichzeitig uml gleichmässig vor sich, dass, wie gesagt, absolut
keine Verschiedenheit im Verhalten der Schichten zu erkennen ist. Vorausgesetzt, dass eine
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solche dennoch besieht, indem nur die eine Schicht sich activ contrahirt, während die andere
bloss comprimirt wird, nmss die Verbintlung beider in der Weise stattfinden, dass der Druck-
widerstand der comprimirten Theiie sehr vollständig und schnell überwunden werden kann,
und in der Form der Bewegung gar nicht zum Ausdruck gelangt. Denn sonst wurde nicht
nur eine Verkürzung in der Richtung der Kraft, sondern gleichzeitig auch eine Krümmung der
passiven Schiclil erfolgen. Es erschien mir wahrscheinlich, dass die Krümnnmg am Körper
durch die feste Verijindung des Ectoderms mit dem Entoderm an der Muntlöllnung und an der
Fussscheibe verhindert werde. Ich durchschnitt daher das Thier unterhalb der TentakclansUtze
und oberhalb der Fussscheibe und erhielt so einen cylindrischen Körper, an dessen beiden
Enden Entoderm und Ectoderm freilagen. Das Stück dehnte sich bald vollkommen aus, und
es konnte constatirt werden , dass die Schnitttlachen beider BIfttter sich in derselben Ebene
befanden. Nun leizte ich den Körper an dem einen Ende mit einer Nadel ; es erfolgte schnell
eine starke Contraction, aber sie ging nicht wie am unverletzten Thier vor sich, das Entoderm
nahm nicht in gleicher Weise an der Verkürzung des Ectoderms Theil, sondern schlug sich in
Form einer Ringfalte nach aussen über und bildete so eine Duplicatur, welche mehr als den
vierten Theil der Lange des ganzen contrahirten Stückes ausmachte. In andern Füllen löste
sich bei der Contraction sogar die Verbindung beider Blätter an der Schnittfläche, und indem
das EiAoderm sich zusammenzog, lief es über das Entoderm hinweg, so dass dieses unverkürzt
blieb und in grössei-er Ausdehnung bloss gelegt wurde. Bei Wiederholung dieses Versuchs
stellte sich jedoch heraus, dass es nicht immer das Entoderm war, das sich an der Ver-
kürzung des Körpers unvollständig betlieiligte, sondern noch häufiger stülpte sich l)ei der Con-
traction das Ectoderm mehr oder weniger tief in die Leibeshöhle hinein, wodurch das Ende
eine knopfförmig aufgetriebene Form erhielt. Es geht hieraus hervor, dass unter den gegebenen
Umständen sich die beiden Schichten bei der Zusammenziehung des Körpers allerdings nicht
gleichmässig betheiligen und zwai' bald das Ectoderm stärker contrahirt erscheint, während
das Entoderm das Bestreben zeigt, seine anfängliche Au.sdehnung beizubehalten, i)aid wieder
umgekehrt das letztere der mehr verkürzte Theil ist. Diese Thatsache entscheidrt gegen
Levdig und Reichert, da sie beweist, dass weder ^las Entoderm noch das Ectoderm im au.s-
schliesslichen Besitz der Contractilität sein können: dagegen lässl sich nicht leugnen, dass sie
für sich genommen die Möglichkeit der EcKer'schen Ansicht nicht völlig ausschliesst. .Man
wäre dann aber genöthigt, zuzugeben, dass, tr-otz der gleichen (Jontraclionsfähigkeit, doch zur
Zeit immer nur eins der beiden Blätter thätig ist, und dass unter Umständen, die so weit die
Controle reicht, als wesentlich gleichartig betrachtet werden müssen, bald nui- ilas Entoderm.
bald v^ieder nur das Ectoderm auf ilen Reiz reagirt. Die grosse Unwahrscheinlichkeit eines
solchen Verhaltens wiril aber ausserdem noch in so erheblichem Maasse verstärkt durch die
anatomischen Thatsachen,- wonach das Entoderm. seines ausgesprochen epithelischen Characters
und des eigenthümlichen Baues seiner Zellen wegen, zur Bewirkung der energischen Be-
wegungen, die das Thier ausführt, durchaus unfähig erscheint .- da.ss es unmöglich ist, die
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EcKER'scIie Ansicht aufrecht zu erhalten. Dann bleibt nur die Möglichkeit übrig, dass; die Be-
wegungen des Entodeiins und aucli des Ectodenns bei der Verkürzung des Körpers immer
passive sind und hervorgerufen werden durch active (]ontraction eines zwischen beiden einge-
schalteten Köipertheils, der Muskellamelle. Indem die Fasern derselben sich zusammenziehen,
entsteht eine Verschiebung der Masse beider Blätter, die gerade in der Richtung der Kraft und
mit gleichzeitiger Annäherung und (irössenzunahme im Dickendurchmesser erfolgen rauss, weil
der Zug, den das Entoderm nach aussen und das Ectoderm nach innen erleidet , durch die
feste Verbindung beider Blätter aufgehoben wird. Wo diese zerstört wird, treten dann natür-
lich auch Krümmungen ein. Der Grund , weswegen am ausgeschnittenen Stück einmal die
Krünmumg des Innern Blattes, ein anderes Ma! die des äussern stattfindet , scheint einerseits
in der Art der Schnittführung zu liegen, andererseits ist die Beschallenheit der Gewebe ver-
schiedener Individuen sehr verschieden ; bei Thieien , welche vor kurzem reichliche Nahrung
aufgenommen halien, sind die Zellen des Entoderms sehi- stark mit den festen Produclen des
Stoffwechsels angefüllt , wodurch sie weniger verschiebbar werden und das Blatt sich eher
krümmt und umschlägt . als dass es gerade der Richtung des Zuges dei' Muskelfasern folgt ;
bei andein ist das feste interstitielle Gewebe im Ectoderm sehr mächtig entwickelt und l)e-
sonders in Folge dei' Einlagerung zahlreicher Nesselkapseln schwerer comprimirbar. Am un-
verletzten Thier können diese Differenzen wegen des antagonistischen Verhältnisses der beiden
Schichten nicht zur Geltung kommen.
Wenn ich somit zur Bestätigung von Kollikkr's Ansicht gelangt bin, gewinnt die Tliat-
sache doch eine wesentlich verschiedene Bedeutung. Kolliker sieht in dem Ectoderm ein
Epithel und hält die contractilen Elemente für faserförmige Muskelzellen. Dies ist, wie ich
nachwies, nicht richtig, sondern die Muskellamelle besteht aus Zellfortsätzen, die stets in Zu-
sammenhang mit den grossen Zellkörpern des Ectoderms bleiben und unter einander durch ein
reichliches Bindemittel zu einer Membran vereinigt sind. Aus dem Vorhergehenden ist aber
klai', dass nur die Fortsätze Gontractilität besitzen, die dazu gehörigen Zellkörper dagegen bei
den Bewegungen sich passi^ verhalten. Man kann daher auch nicht die ganze Zelle als Mus-
kelzelle auffassen. Wie soll man sie dann aber deuten? Ich glaube nicht, dass man berechtigt
ist, das aus ihnen zusammengesetzte Gewebe morphologisch einem dei' bekannten Gewebe
anderer Thiere gleichzusetzen oder ihm physiologisch nur eine Function zuzuerkennen : es er-
scheint mir am consequentesten und allein den Ihatsachen entspiechend, das betretTende Ge-
webe des Ectoderms der Hydra als den niedrigsten Entwicklungszustand des Nei-ven-Muskel-
systems zu betrachten, in welchem eine anatomische Sonderung der beiden Systeme in der
Weise, wie sie bei allen höhern Thieren vorkommt, noch nicht stattgefunden hat. sondern jede
einzelne Zelle die Trägerin jener doppelten Function ist, indem die Theile derselben, die als
lange Fortsätze in der Mitte der Körperwandung verlaufen, contractil sind und als Muskel
functioniren , während der Zellkörper, von welchem sie ausgehen, der in unmittelbarer Be-
rührung mit dem umgebenden Medium steht, Reize leitet und durch Uebertragung derselben
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auf die Fortsatze die Contractionen dieser auslöst, d. li. als iiiolorisoher Nerv wirkt. Ich
schlage daher vor. diese Zellen Neuronuiskelzellen zu nennen.
Je mehr sich die genaue niicroscopische Analyse über alle Classen des Thierreichs aus-
gebreitet hat, desto bestimmter hat sich herausgestellt, dass überall, wo eine Muskulatur in
die Organisation des Körpers eingreift, auch ein Nervensystem entwickelt ist. Es giebt wedei-
Thiere, die .Muskeln haben und der Nerven entbehren, noch solche, die ein Nervensystem ohne
.Muskulatui- besitzen. Die einzige Au.snahme, welche man mit einem gewi.ssen Maasse von Be-
rechtigung die.sem Gesetz entgegenstellen könnte, bieten die Vorticellen dasr deren Stiel in der
Art seiner Function einer .Vlu.skelfaser allerdings nicht unähnlich erscheint, .ledoch ist die
Genese des Körpers der Infusorien nhd speciell der Vorticellen gänzlich unbekannt , ja wir
wissen nicht einmal, ob sie einzellige oder vielzelli.Lie Organismen sind; es fehlt al.so jede
Möglichkeit der morphologischen Werthschätzung ihrer Organe und des Vergleichs mit andern
Thieren. Es war daher nicht allein die functionelle Abhängigkeit beider Systeme von einander,
sondern auch ihie sich als Thatsache ergebende morphologische Zusammengehörigkeit, was die
Frage nacli der Art der Verbindung \on Ner\ und Mu.skel . welche gewöhnlich als die Frage
nach der motorischen Nervenendigung gefasst wird, zu einer ebenso nahe liegenden wie wich-
tigen machte und in den letzten dreissig Jahren eine lange Reihe von Untersuchungen hervor-
rief. Leidei- beschränken sich dieselben mit geringen Ausnahmen auf Wirbelthiere und Arthro-
poden. Im Allgemeinen läs.st sich von diesen .\rbeiten sagen, ilass sie einen innigem Zusam-
menhang zwischen Nerv und Muskel nachgewiesen haben, als früher angeiu)iumen wurde, und
so vielfach sie auch unter einander in Widerspruch stehen, kann doch für die ijuergestreifte
Muskulatur als festgestellt betrachtet werden: I. dei- grosse Reichthum an Nervenenden und
die häuHgen Theilungen der Axencylinder, 2. der continuirlichu Uebergang der Nervenscheide
in das Sarcolemm, 3. die unmittelbare Berührung der Substanz des Nerven mit jener der
Muskelfaser. Die wichtigste Frage, ob diese Berührung weiterhin in eine wiikliche Continuität
übergeht, oder ob die Nersen mit bestimmt abgegrenzten Enden aufhören, scheint mir dagegen
zur Zeit noch nicht ent.schieden. Die Meinungen ilarüber haben hin und her geschwankt, bis
neuerdings besonders KihnE in entschieden.ster Weise für die letztere Ansicht eingetreten ist.
Ei- lehrt, dass nicht nur keine Verschmelzung der Substanzen .stattfindet, .sondern, dass auch
die Nervenendigungen immer nur der Oberfläche des Muskelfadens aufliegen und nie in das
Innere desselben hineindringen. Seine Beweise sind jedoch nicht unangreifbar, wenn auch
zugegeben werden muss, dass das Verhalten der Nervenenden im Froschmuskel, wie er es
schildert, von nicht geringem Gewicht für seine Auffassung ist. Was er abei' als physiologischen
Beweis gegen die Continuität vorbringt . dass nämlich die Erregung nur vom Nerv auf den
Muskel, jedoch nicht umgekehrt von diesem auf jenen übertragen werden kann, scheint inii-
ausser allem Zusammenhang mit der in Rede stehenden Frage.
Bei den glatten Muskeln ist man übereinstimmenil zu einem andern Resultat gekonnnen :
hier dringen die feinen Verzweigungen der .\xencvlinder in die contractile Substanz ein. sollen
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diese durchsetzen und sich weiter bis in die Kerne oder selbst bis in die Kernivörperclien ver-
folgen lassen — Verhältnisse, die eine viel innigere Verbindung des leitenden und contractilen
Gewebes bekunden, als Kihne für die quergestreiften Muskeln zugeben möchte, aber über
Endigung oder Vereinigung auch noch keinen genügenden Aufschluss geben.
Es ist eine überraschende Thatsache, dass die Ansichten über die physiologische Zu-
sammengehörigkeit von Nerv und Muskel sich in einem ganz ähnlichen Zustande befinden.
Nachdem Haller die Frage nach der hritabilität des Muskels aufgeworfen und bejahend be-
antwortet hatte, herrschte diese Lehre, bis seine Beweise, besonders durch den Nachweis der
v^ollkommnen Innervation jener Tlieile. welche Haller für nervenlos gehalten hatte, ihre über-
zeugende Ki-aft verloren. Dazu kamen noch physiologische Thatsachen, die sehr bestimmt auf
die Abhängigkeit der Muskelzuckung von der Erregung der Nerven hinweisen, und genügend
erscheinen, die h-ritabilitätslehre ganz fallen zu lassen, hi letzter Zeit trat wiederum eine Re-
action zu Gunsten derselben ein, und im AugenbUck gehöi't wol die grosse Mehrzahl der
Physiologen zu entschiedenen Vertheidigern der selbständigen Erregbaikeit des Muskels. In-
dessen ist nicht zu verkennen, und dies wird auch ziemlich allgemein zugestanden, dass ein
unantastbarer Beweis noch nicht geliefert ist. So schlagend auch einige Versuche dem ersten
Blick entgegentreten, können sie zu einem sichern Schluss doch nicht führen, weil das Ver-
halten der Endverzweigungen der Nerven, speciell das jenes unterhalb des Sarcolemms
gelegenen Theils, sich bisher der Controle entzogen hat, und erfahrungsmässig feststeht , dass
der Effect eines und desselben Agens auf die verschiedenen Districte des Nervensystems sehr
verschieden ausfallen kann. Immerhin unterliegt es keiner Frage, dass vom Standpunkt der
heutigen Experimentalphysiologie aus die Irritabilitätslehre besser begründet erscheint als die
gegentheilige Behauptung, der, zufolge das Zustandekommen der Muskelzuckung unabänderlich
an die Nervenerregung gebunden ist. Daran zweifelt dagegen Niemand, dass innerhalb der
Bedingungen, welche im unverletzten Körper — der höhern Thiere wenigstens — gegeben
sind, die Thätigkeit der Muskeln immer in causaler Abhängigkeit von der Erregung dei- moto-
rischen Nerven steht. Diese Thatsache, so bedeutungsvoll sie auch ist, beeinträchtigt den
grossen principiellen Werth der experimentellen Untersuchungen der isolirten Gewebe natürlich
nicht im Geringsten. Wäre nachgewiesen, dass bloss gewisse accidentelle Einrichtungen im
Körper der höhern Thiere das Zustandekommen der directen Reizung der Muskeln verhindern,
während der Muskel an sich irritabel ist , so wäre der Fall eines Thiers mit ausgebildeter
Muskulatur ohne Nervensystem gar nicht besonders wunderbar: stünde dagegen andeierseits
fest, dass die Zuckung immer nur der Ausdruck des auf den Muskel übertragenen Zustandes
der Nervenerregung ist, dann wäre consequenterweise eine Muskulatur ohne Nerven überhaupt
nicht denkbar.
Ich habe die Ansichten über die Endigungen der motorischen Nerven der höhern Thiere
und die Irritabilitätslehre hier berührt, um zu zeigen, dass sowohl die Art der Verbindung
von Nerv und Muskel als auch ihre physiologische Zusammengehöiigkeit als otYene Fragen be-
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trachtet werden können und ein Praejudiz nach keiner Seite vorHegt. Was feststellt, ist nur der
innige Zusammenhang Ijeiilei- Gewebe und ilir gleichzeitiges Auftreten im Körper aller bis jetzt
genau untersuchten Thiere. Wenn wir uns nun mit dieser Thatsache auf den Standpunkt der
Descendenztlieorie stellen, entsteht die Frage : Auf welche Weise haben Muskel und Nerv sich
entwickelt? Wie differenzirten sich aus den Geweben nuiskel- und nervenloser Thiere Organe,
von denen das eine nur die Function einer bestimmten Bewegung übernimmt, wahrend das
andere nur Reize leitet und Übertrügt'^
Die vergleichende Anatomie hat uns bisher ohne Antwort gelassen. Der Bau des
Muskelgewebes und der dazu gehörigen Nerven erscheint , so weit die Erfahrungen reichen,
bei allen Thierklassen wesentlich idjereinstimmend, und wenn man wol auch einzelne Ver-
schiedenheiten gefunden liat , so sind doch Formen , die als entschieden niedrigere oder ur-
sprüngliche Ausbildungszustände angesprochen werden könnten, nicht bekannt. Auch die Ge-
schichte der individuellen Entwicklung vermag keinen Aufschluss zu geben. Die wichtigste Arbeit
ist die von Hensen über die Entwicklung des Gewebes und der Nerven im Schwanz der Frosch-
larve '. Zwar hat Hexsen die Muskelnerven gar nicht berücksichtigt und auch die Entstellung
der Nerven, die zu den Epithelien gehen, nicht direct beobachtet, aber die Verhältnisse, welche
er an den jungen Geweben constatirte, liesonders die Vei-breitung der Nervenfasern, veranlassten
ihn, in Opposition zu treten gegen die altere Ansicht, nach welcher ein Auswachsen der Nerven
von den Centralorganen zu den Endapparaten hin stattfinden soll. Er stellt dagegen als Ver-
rauthung auf, »dass die Endzelle iler Nerven zu keiner Zeit von dem Ursprungsganglion getrennt
ist, {]. h. dass die ersten Zellen des Rückenmarks sich bei ihrer Theilung nicht vollständig von
einander trennen, sondern durch einen Faden, den Nerven, stets mit einander im Zusammen-
hang bleiben« -. Trotz der etwas misslichen unvollkommnen Trennungen lässt sich nicht leugnen,
dass die Hypothese in Bezug auf die Entstehung der Nervenstämme und der peripherischen
Ganglien nicht allein den Thatsachen nicht widerspricht, sondern dieselben auch besser erklären
könnte als die andere Ansicht. Auf die Entstehung der Verbindung der Nerven mit Epithelien
und Muskeln kann ich sie dagegen nicht für anwendbar halten, weil es nicht möglich ist, alle
Gewebe , welche mit Nerven versehen sind , durch unvollständige Theilung von den Ganglien-
zellen des Rückenmarks sich entwickeln zu lassen. Bei diesem Mangel empirischer Anhalts-
punkte bleibt uns Nichts übrig, als die Möglichkeiten, welche für das Entstehen des vereinigten
Muskel-Nervensystems gedacht werden können, in's Auge zu fassen.
.Man könnte meinen, es hätten sich bei niederen Thieren zuerst Muskeln für sich allein
entwickelt, und die.->e waren dann s|)ater in Verbindung mit andern Gewebstheilen getreten,
welche, indem sie ihre bisherige Funclion aufgaben, sich zu motorischen Nerven umbildeten.
Abgesehen davon, dass eine solche Annahme von der unerwiesenen Prämisse der Irritabilität
' Virchow's Archiv. 3 1 Üiirul, p. ."51.
- Ibid. ]). 67.
K 1 e i r e n b p r i: , Hydrn .
26
ausgeht, scheint sie ohne jede, wenn auch nur indirecte, thatsächhche Stütze, und obendrein
bedürfte sie noch einer weitern Hypothese in Bezug auf den Vorgang des Zusanunentretens der
präexistirenden Muskulatur mit dem in Abhängigkeit von ihr enslehenden Nervensystem.
Andererseits lässt sich annehmen, dass contractile und leitende Gewebstheile gleich-
zeitig und zwar in ursprünglichem Zusammenhange und functioneller Abhängigkeit von einander
entstanden — mit andern Worten, dass aus den einzelnen indifferenten reizbaren und beweg-
lichen Zellen einer Körperschicht ein primitives Nervenmuskelsystem hervorging, indem sich in
jeder- Zelle die Function der Bewegung auf einen Theil ausschliesslich übertrug, welcher da-
durch, dass seine Bewegungen sich auf den einen Modus der Verkürzung des Längsdurch-
messers mit proportionaler Zunahme des Querschnitts beschränkten, zu einer Muskelfaser wurde,
während der andere Theil derselben Zelle die Fähigkeit ausgiebiger Formveränderung verlor,
dafür aber in besonderm Maasse die Eigenschaft erhielt, Reize zu leiten und durch Ueber-
tragung seines Erregungszustandes auf den muskulösen Theil die specifische Bewegung des-
selben auszulösen. Hieraus könnten die anatomischen und physiologischen Beziehungen des
Muskel- und Nervensystems auch der höhern Thiere wol erklärt werden, und die Annahme
hätte noch den grossen Vorzug, die Entwicklung der Functionen dieser specialisirten Gewebe
direct ohne alle Zwischenglieder auf die fundamentalen Eigenschaften des indifferenten Plasmas
zurückzuführen.
Aber mit derartigen Hypothesen ist nicht viel gewonnen — eigentlich besteht ihr ganzer
Werth darin, dass sie die Untersuchung auf bestimmte Bahnen leiten. In anderm Licht er-
scheinen sie dagegen, sobald sie sich auf Thatsachen gründen. Und diese glaube ich bei der
Hydra gefunden zu haben. Das Thier scheint keine Spur eines gesonderten Nervensystems zu
haben, besitzt jedoch eine morphologisch und physiologisch streng characterisirte ^luskulatur
in Form von Fasern, die inmitten der Körperwandung verlaufen. Diese Fasern sind aber
nichts anderes als Fortsätze der grossen Zellkörper des Ectoderms. Die letztern sind nach-
weisbar nicht contractu. Sie bilden die äussere Begrenzung des Körpers, stehen also in un-
mittelbarem Contact mit der Aussenwelt. Alle Reize, die von aussen her wirken, treffen daher
den nicht contractilen Theil der Zelle direct und können nur durch seine Vermittlung auf die
im Innern des Körpers ganz geschützt gelegenen contractilen Fortsätze übergehen. Diese Ver-
hältnisse gestatten keine andere Auffassung als die, in dem nach aussen gelegenen nicht con-
tractilen Zellkörper den Leitungsajjparat für seine muskulösen Fortsätze, d. h. das motorische
Nervenelement zu erblicken und die ganze Zelle als primitive Neuromuskelzelle zu bezeichnen.
Es kann daher von einem besondern Muskel- oder Nervensystem bei Hydra nicht die Rede
sein: beide Systeme erscheinen in dieser niedrigen Ausbildungsform als untrennbare morpho-
logische Einheit.
Ob nun, wie ich glaube, das Neuromuskelgewebe der Hydra als Ausgangspunkt der compli-
cirten und scheinbar so verschiedenartigen Muskulatur und des motorischen Nervensystems der
höhern Thiere zu betrachten ist, ob auch bei diesen beide Gewebe als ein einziges System, die
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Mu!?keln als die contractilen Endausbreitungen der Nerven aufzufassen sind, darüber werden wei-
tere Untersuchungen die sichere Entscheidung zu bringen haben. Wenn man an der unbestreit-
baren Homologie des Ectoderms der Coelenteraten mit dem äussern Blatt der Embryonen
höherer Thiere festhiilt , kann man nur erwarten, dass auch bei diesen der primäre Vorgang
die Bildung eines einheitlichen Nervenmuskelsystems ist. und von da aus liesse sich die Ent-
stehung der Centralorgane und der sensiblen Nerven wol erklären. —
Fassen wir die vorliegenden Untersuchungen kurz zusammen, so ergiebt sich als Re-
sultat: Das Entoderm des Hydra, welches die Höhlungen des Körpers überall auskleidet, ist
ein einschichtiges Geisseiepithel, das Verdauungssäfte liefert, die gelösten Nahrungsstoffe re-
sorbirt, umsetzt und Auswurfsstotfe ausscheidet, wahrscheinlich auch den Gasaustausch besorgt ;
das Ectoderm besteht aus zwei Geweben, aus dem Neuromuskelgewebe und dem interstitiellen
Gewebe; das letztere bildet in seinen Zellen die Nesselkapseln, und aus ihm gehen die
Geschlechtsorgane hervor. Beide Gewebe sind keine Epithelien. — Der gänzliche Mangel
eines äussern Epithels muss sehr auffallend erscheinen , und ich gestehe , dass dieser
Umstand mich selbst gegen meine Auffassung des Ectoderms misstrauisch machte. Die Ent-
wicklungsgeschichte löste das Räthsel. Ganz ebenso wie bei den hohem Thieren ent-
steht bei Hydra als erste Difterenzirung des gefurchten Keimes eine äussere Epithelschichl
(Hornblatt). Diese verwandelt sich in die bekannte sogenannte Eischale und wird beim
Ausschlüpfen des jungen Thieres abgeworfen.
Eiitwiekliingsgeschichte.
Die am frühesten erkannte und am häufigsten beobachtete Fortpflanzungsweise der
Hydren ist die ungeschlechtliche durch Knospen. An irgend einer Stelle des Magentheils des
Körpers entsteht , ohne dass eine merkliche Veränderung in der Beschaffenheit der Gewebe
vorhergeht, eine anfänglich niedrige kegelförmige, bei weiterem Wachsthum cylindrische Aus-
stülpung der ganzen Wand. Hat diese eine gewisse Grösse erreicht, so bilden sich an ihrem
blinden Entle zuerst ein oder zwei, dann in unregelmässiger Aufeinanderfolge mehr kleine
hohle Fortsätze, welche zu Tentakeln auswachsen. Hierauf erhält die Knospe eine Mund-
öffnung, indem die zwischen den Tentakeln gelegene Wand durchbrochen wird. Während-
dessen bleibt die Communication zwischen den Leibeshöhlen des Mutter- und Tochterthiers eine
völlig freie, und die Nahrung dringt von dem einen Schlauch in den andern. Ist die Nahrung
4*
28
reichlich, so enlwickehi sich gleichzeitig oder in kurzen Zwischenräumen bis fünf Knospen, an
diesen vollzieht sich derselbe Process, ohne seinen Abschluss erreicht zu haben, und es kommt
zu Stockbildungen, die in einer betrachtlichen Anzahl von Individuen zwei big vjer Generationen
repräsentiren. Allmählich beginnt die Abtrennung. Die Verbindungsstellen der Einzelthiere
scheinen in der Ernährung gestört zu werden , es zeigt sich eine lingförmige Verdünnung, welche
nach innen vorschreitend den Verbindungscanal einschnürt und endlich das Ablallen der Knospe
herbeiführt. Die Communicationsöflhung wird dabei vollkommen geschlossen, sodass auch die
jüngsten eben frei gewordenen Thiere keine Oeffnung in der Fussscheibe haben.
Unter günstigen Umständen verläuft die Entwicklung in zwei bis drei Tagen, dagegen
habe ich in Gläsern, in welchen sehr wenig Nahrung sich vorfand, Stöcke länger als ein
halbes Jahr im Zusammenhang erhalten. Es zeigte sich hier eine eigenthümliche Erscheinung.
Ich setzte die sehr grossen und kräftigen, reichlich knospenden Exemplare von H. viridis im
October 1869 ein. Fast keine der Knospen löste sich, und doch war nach einigen Wochen
die Individuenzahl der Stöcke merklich kleinei' geworden. Bei aufmerksamer Beobachtung
fand sich, dass ein vollkonimner Schwund der Knospen eintrat, während das Mutterthier kaum
merklich an Grösse abnahm. Die Reduction begann mit einer Verkürzung des Knospenleibes,
welche im weitern Verlauf wunderbare Monstrositäten hervoirief: an Stelle der cylindrischen
Knospen sassen dem Leibe des !Mutterthiers flache runde Scheiben dicht an, von denen die in
Zahl und Grösse wohl erhaltenen Tentakeln wie die Speichen eines Rades abgingen. Darauf
atrophirten auch einzelne Tentakeln gänzlich, und es blieb ein unförmliches Knötchen mit einem
einzigen langen Tentakel nach, bis auch tlieser letzte Uel)errest der Knospe von dem 3Iutter-
körper resorbirt wurde.
Ich ersehe aus dem GRENACHER'schen ISericht lür 1 869, dass Baidelot äluiliche Beobach-
tungen gemacht und zur Erklärung der Senkfäden des Siphonophoren benutzt hat. Leider war
mir die Originalabhandlung nicht zugänglich.
Als einen zweiten Vermehrungsmodus haben Tremblev, Rusel und Lairent die spontane
Theilung bezeichnet. An irgend einer Stelle des Körpers findet Verdünnung statt, bis zum
Zerreissen in zwei Theile, und diese ergänzen sich zu vollständigen Thieren, indem das eine
Stück Tentakeln treibt, das andere einen neuen Fuss bildet. Die Seltenheit dieser spontanen
Theilung, die auch von den genannten Beobachtern hervorgehoben wird, könnte erklären, wie allen
übrigen Forschern die Constatirung des Vorgangs nicht möglich war. Darauf hin die Angabe
bestreiten zu wollen, erscheint mir unberechtigt, besonders in Berücksichtigung der künstlichen
Theilung der Hydren und der sichern Fälle spontaner Theilung bei andern Coelenteraten wie
Kölliker sie für Stomobrachium mirabile und in neueier Zeit Greef für seine Piotohydra be-
schrieben haben. Bei der letztern soll sogar die Theilung die einzige Form der ungeschlecht-
lichen Fortpflanzung sein.
Vor einigen Jahren ist ein Aufsatz von Gustav Jäger erschienen, in welchem eine
ganz neue und unerhörte Fortpflanzungsweise der Hydren als wahrscheinlich aufgestellt
29
wird '. Der Vorgang, den Jager "Diasporogenesis« nennt, soll darin bestehen, dass nach voll-
endeter Geschlechtsthätigkeit das Thier in seine einzelnen Zellen zerfällt : diese nehmen die
Form von Amoeben an, vermehren sich durch Theilung, encystiren sich , überwintern — und
im Frühjahr entwickelt sich vielleicht aus jeder deiselben eine Hydra. Diese ganze Hypothese
beruht auf dem brdium, dass Jäger Amoeben für Hydrazellen gehalten hat. Schon seine Ab-
bildungen machten mii- die Abstammung der fraglichen Korpei- von den Gewebselementen der
Hydra sehr zweifelhaft, weil ihr Plasma eine dift'use gelbliche Farbe besitzt, das der Hydra-
zellen dagegen immer ganz farblos ist. Als ich den Zerfall der Gewebe beim Absterben ge-
schlechtsreifer und nichtgeschlechtsreifer Thiere verfolgte, stellte sich bald heraus, dass alle un-
zweifelhaften Hydrazellen ausnahmslos in kurzer Zeit zu Grunde gehen, dass aber allerdings sich
unter diesen oft amoebenartige Bildungen in beti-achtlicher Anzahl linden, welche mit den von
Jager beschriebenen im Wesentlichen übereinstimmen und auch dieselben Veränderungen durch-
machen, lieber ihre Herkunft blieb ich längere Zeit im Unklaren, bis sich herausstellte , dass
dieselben Organismen schon wäin-end des Lebens in den Hohlräumen des Hydrakörpers vor-
handen sind. Besonders häufig beobachtete ich sie ' im Basaltheil des Tentakelcanals von
H. aurantiaca; im Fiühjahr kamen sie bei fast allen den Bewohnern eines kleinen Tümpels
vor. Sie bestehen aus gelblichem Plasma und enthalten neben dem zuweilen cachirten Kern
gewöhnlich mehrere dunkle eckige Körperchen, die grosse Aehnlichkeit mit den Excretkörnchen
der Hydra haben, bilden breite lappenförmige Pseudopodien und bewegen sich lebhaft, indem
sie bald auf der hinenwand des Tentakels umherkriechen, i)ald in der Flüssigkeit des Canals
durch die Contractionen hin und her gelrieben werden. So häufig diese eigenthümlichen
Parasiten in den Hydren einiger ^Gewässer waren , eben so wenig konnte ich sie jemals in
andern auffinden und bei diesen letztem zeigten sich auch niemals nach dem Verfall die sich
theilenden und encystirenden Kör[)er. Wenn hiermit die Identität der fraglichen Organismen
festgestellt ist, so scheint es mir auch sicher, dass sie keinesfalls in genetische Beziehung zu
den Geweben der Hydra gebracht werden dürfen — ich muss sie für parasitisirende Amoeben
erklären.
Die geschlechtliche Fortpflanzung der Hydren wurde lange Zeit verkannt. Während
Bernard de Jussieu bald nach der Entdeckung des Thieis die »Eieiklumpen« gesehen und dann
später Pallas sogar das Auskriechen der jungen Hydra direct l)cobachtet hatte, vertraten
Tremrley, Rösel, Schrenk, Dljardin, van der Hoeven und Andere die Ansicht, dass die zeitweilig
entstehenden Pusteln und Kugeln Gebilde pathologischer Natur oder Parasiten seien, bis endlich
Ejirenrerg die Frage durch eine gutie Beschreibung der Eier und Samenkapseln definitiv ent-
schied -. Seitdem sind von mehreren Forschern einzelne Angai)en übei- die Eibildung und
Entwicklung der Hydra gebracht worden, und Ecker hat eine ausführlichere Entwicklungs-
1 Voher das spontane Zerfallen der Siisswasserpolypen. Sitzunijsber. d. mattiem.-naturw. Gl. der Akad.
d. Wiss. zu Wien. B. XXXIX, p. 32).
2 Abtiandl. der Berliner Akadenüc vorn .lahre 1836. p. Mti, H7.
30
geschichte geliefert '. Diese Arbeit ist von vornherein ungünstig beeinflusst durch die Anschau-
ungen Ecker's in Bezug auf den histologischen Bau des Thiers, aber ausseidera ist sie lücken-
haft und in ihren Einzelheiten meist unrichtig.
Meine Untersuchungen beziehen sich auf H. viridis, aurantiaca und grisea. Die Jahres-
zeit, in welcher die Geschlechtsreife eintritt, scheint nach den Species verschieden, aber keines-
wegs ganz constant zu sein. Für H. viridis wird allgemein der Frühling angegeben; für
H. aurantiaca von Rosel und Leydig der Herbst (September, October), von Ehrenberg Anfang
Juni; für H. grisea von Tremblev, P.\ll.\s, Lalrent und J.\ger Herbst und Winter, von M.^x
ScHiLTZE der Mai. Ich fand H. viridis vom April bis zum October, die beiden andern Arten
vom September bis zum Januar geschlechtsreif. Ich möchte jedoch bemerken, dass die Hydren
nicht überall alljährlich Eier pioduciren, denn während zweier auf einander folgender Jahre
hat die H. aurantiaca in einem Teich der Umgebung Jena's mich vergebens auf ihre Geschlechts-
reife warten lassen — eine Abnormität, die nach einer Bemerkung von Leydig^ auch bei
H. viridis zuweilen vorzukommen scheint.
Die sexuelle Thätigkeit beginnt in der Regel mit der Bildung der Hoden. Sie entstehen
am oralen Theil des Körpers, ziemlich diclit unterhalb der Tentakeln und sitzen zerstreut neben
und über einander. Ihre Zahl wechselt von zwei bis zwanzig. Die Ovarien entwickeln sich
tiefer, ungefähr . in der Mitte des Körpers. Bei H. viridis entsteht nur ein einziges, in äusserst
seltenen Fällen zwei ; bei den beiden andern Arten ist dagegen die Mehrzahl Regel , und ich
habe gleichzeitig bis zu acht gefunden; dann sind auch reichliche Hoden vorhanden und diese
oft nicht nur auf den oralen Theil beschränkt, sondern sie stehen zwischen den Ovarien, soear
unter denselben auf dem Fusstheil. Ausnahmsweise finden sich aber auch Thiere, welche wol
Eier, aber gar keine Hoden entwickeln.
Die Hodeu iiucl die Saiuenkörper.
Die Bildung der samenbereitenden Organe wird eingeleitet durch ein auf rundlich um-
schriebene Stellen beschränktes stärkeres Wachsthum der Zellen des interstitiellen Gewebes des
Ectoderms. Diese Zellen vergrössern sich beträchtlich und nehmen die Form polyedrischer
Plättchen an, ihr Plasma erscheint heller; der kuglige Kern tritt deutlich hervor (Taf. I Fig. Ha).
Dann theilen sie sich, und indem sich dies mehrmals wiederholt, gehen sie in kleine unregel-
mässig gestaltete, wie es scheint, amoeboide Zellen über, die dicht zusammen gedrängt einen
mehrschichtigen compacten linsenförmigen, zuweilen gelappten Körper bilden. Dies Organ —
der Hoden — markirt sich äusserlich zuvörderst nur als flache beulenförmige Erhebung und
durch seine weissliche Farbe; in Folge des fortschreitenden Dickenwachsthums, welches sich
' Entwicklungsgeschichte des grünen Annpolypen. Akademisclies Programm. Freiburg i. Br. 18153.
2 Müllers Archiv. Jahrg. 1834, p. 280.
31
späterhin mit einer Fliissigkeitsausscheidung zwischen der äussern Fläche des Organs und der
dasselbe bedeckenden Lage des Neuromuskelgewebes combinirt , wird das letztere aber all-
mählich zu einem ziemlich hohen Cylinder oder Kegel aufgetrieben, dessen Spitze in einen oder
zwei seitlich geneigte Zipfel ausgeht. Die Neuromuskelzellen verlieren dabei ihre Form und
atrophiren bedeutend, so dass von ihnen nur eine dünne Plasmaschicht als äussere Decke des
Hoden nachbleibt, in welcher die Zellengrenzen, anfangs noch als vorspringende Leisten an
der Innenfläche kenntlich, später ganz schwinden.
Unterdessen gehen in den Hodenzellen die Kerne zu Grunde : ihre Substanz wird körnig,
und sie zerfallen in mehrere dunkle Körperchen, die dann auch undeutlich werden Tat'. I Fig. 1 ib).
An Stelle derselben erscheinen später 1 — 4 scharf contourirte, sehr staik lichtbrechende kuglige
oder ovale Körperchen. Ob diese durch üniwanillung aus den erstem hervorgehen, also von
Kernen abstammen, oder ob sie Neubildungen sind, habe ich nicht entscheiden können. Die
Zelle nimmt dabei zuerst eine eiförmige Gestalt an (Taf. I Fig. 1 3), und darauf verwandelt sie
sich in eine zarte wasserhelle Kugel Taf. I Fig. lic). Aus dieser bildet sich direct das Sper-
matozoid. An iigend einer Stelle der Kugeloberfläche entsteht ein feiner Plasmafortsatz, der
bald kiäftige schlagende Bewegungen ausführt. Eine Verbindung dieser Cilie mit dem im
Innern der Zelle gelegenen glänzenden Körperchen ist auch mit den stärksten Systemen nicht
wahrnehmbar.
Die Entwicklung der Samenkörper beginnt in der oberflächlichsten Lage des Hoden-
gewebes, und zunächst bleiben die Zellkügelchen noch in einer Schicht vereinigt, während die
frei in den FlUssigkeitsraum hineinragenden Cilien schon gleichmässig auf- und abschwingen,
so dass sich ein manchen Flimmerepithelien sehr ähnliches Bild darbietet. Durch die an-
dauernden Bewegungen wird indessen die Verbindung gelockert, die jungen Samenkörper lösen
sich einzeln, meist aber in grössern zusammenhängenden Gruppen ab und treiben — alle noch
mit der kugligen Bildungszelle versehen — in der Flüssigkeit hin und her. Derselbe Vorgang
wiederholt sich in der nächst tiefern, blossgelegten Schicht, und so löst sich das ganze Hoden-
gewebe in eine Masse einzelner oder zu mehreren vereinigter Kügelchen auf, deren jedes eine
lange Ciiie trägt Taf. I Fig? 1 4 c/ . Nun erfolgt die Trennung der reifen Saraenkörper von
ihren Mutterzellen. Die Cilie hat sich mit dem inmitten der Zelle gelegenen Körperchen ver-
bunden. Zwai' konnte ich auch jetzt nicht die Verbindung innerhalb des durchsichtigen,
Kugelchens erkennen; dass sie vorhanden ist, lässt sich aber während des Actes der Abtren-
tmng constatiren: mit einer kräftigen Bewegung der Cilie wird das Körperchen herausgezogen,
und das fertige Spermatozoid Taf. 1 Fig. 1 4 e) , das aus dem stark lichtbrechenden , etwas
länglichen Kopf und dem sehr zarten langen am Ende zugespitzten Faden besteht, entfernt
sich von der Bildungszelle, welche bald darauf aufgelöst wird.
Die Entleerung des Samens geschieht in das Wasser durch eine OetTnung in der Spitze
der Hodendecke, die wol in Folge verstärkten Innern Druckes entsteht. Doch tritt zunächst
nur ein Theil der Spermatozoiden aus, die Decke fällt darauf etwas zusammen und schliesst
32
sich wieder, bis die erneuerte Füllung eine neue Sprengung herbeiführt und eine zweite Portion
des Samens entlassen wird. Diese Eruptionen wiederholen sich, bis der Sainenvorrath ei-
schöpft ist.
Der Eierstock.
Die Anlage des Eierstocks stimmt im Wesentlichen mit der des Hoden überein. Auch
hier ist das interstitielle Gewebe der Ausgangspunkt der Neubildung.
hl einer Zone, welche fast die Hälfte des Körperumfangs umfasst, vermehren sich die
Zellen der zwischen den Neuromuskelzellen liegenden kleinen Züge und treten in einzelne un-
regelmässig geformte einschichtige Gruppen zusammen (Taf. II Fig. 1 ig]. Dabei nehmen sie an
Grösse ab, und besonders auffallend ist das Missverhältniss zwischen Kern und Zellkürper;
beim ersten Anblick möchte man glauben, dicht an einander gedrängte freie Kerne vor sich
zu haben, die hin und wieder durch ein wenig körnige Zwischensubstanz geschieden sind;
nach Behandlung mit verdünnter Essigsäure und Präparation mit der Nadel erkennt man jedoch
leicht, wie jeder der Kerne eine besondere Plasmahülle besitzt, die freilich oft von so geringer
Mächtigkeit ist, dass sie nur als ein dunkler doppelter Contour er.scheint. .Mit fortschreitendem
Wachsthum treten die Zellgruppen mit einander in Verbindung, die Zwischenräume füllen sich
aus, indem die Neuiomuskelzellen nach aussen und seitlich verdrängt werden, und so entsteht
an Stelle des netzförmigen Gewebes zwischen Entoderm und Neuromuskelschicht eine voll-
kommene einschichtige Zellplatte von länglicher Form. Die Zellvermehrung dauert fort , be-
schränkt sich aber auf die beiden langen, dem oralen und aboralen Ende des Körpers zuge-
wandten Seitentheile des Organs : da sich hier die kleinen Spindelzellen mehrfach über einander
schieben, erheben sich die Ränder in Form von zwei anfangs parallelen, dann an den Enden
bogenförmig sich verbindenden Wülsten, zwischen denen eine flache Furche verläuft Taf. II
Fig. 3). Die Zellen, die den Grund dieser Furche bilden, theilen sich nicht mehr; dagegen
wachsen sie beträchtlich und nehmen die Gestalt rundlicher oder eckiger Plättchen an; ihr
Plasma hellt sich auf und scheidet eine Menge stark lichtbrechender Körnchen aus, die
sich um den Kern herum ansammeln, wälnend die Peripherie frei bleibt (Taf. II Fig. 4).
Gleichzeitig ordnen sich sämmtliche Zellen zu einfachen, an einander liegenden Reihen an,
welche alle wie ungleich lange Radien gegen annähernd denselben Mittelpunkt convergiren,
und so den Bau des Organs deutlich strahlig erscheinen lassen. Jetzt ist ilies auch dem un-
bewaffneten Auge als eine quer zur Kürperaxe gestellte niedrige, in der .Alitte etwas eingesenkte
Erhebung von c. 1 """ Länge und 0,25 '"" Breite erkenntlich und hebt sich durch seine weisse
Farbe scharf von der durchsichtigen Umgebung ab.
Die vorliegende Schilderung bezieht sich auf die Bildung des Eierstocks von H. viri-
dis; bei den beiden andern Arten ist der Vorgang ganz derselbe, nur entstehen hier fast immer
mehrere Ovarien zu gleiclier Zeil, und tliese nehmen zusammengedrängt den ganzen Umfang
des mittleren Theils des Körpers ein; hierdurch wird die Präparation der vollständigen Organe
erschwert um! die Ueber^icht der histologischen Details einigei-massen behindert.
Ich habe die Zellverniehrung, die ziii- Hlntwickhing des Eierstocks fiihit, einfach als das
Resultat oft wiederholter Theilungen der iirsprünglicli im Bereiche des Bildungsfeldes befind-
lichen Zellen des interstitiellen Gewebes bezeichnet, und gewiss ist di(;s aucli zum giossen
Theil richtig; einige Umstände, namentlich die zuweilen sehr auffallende Harefaction dieses
Gewebes in der Umgebung des in der Bildung begriffenen Organs, haben mich aber auf ilic
Verniuthung gebracht, dass vielleicht in dem Stadium, wo es zui- Verdickung der Seitenninder
kommt, noch ein zweites Moment zu der localen Zellenanhiiufung beitragt: nämlich die Ein-
wanderung von Zellen aus entfernteren Regionen des Ectoderms. Bestimmt behaupten will
ich das jedoch nicht, weil directe Beobachtungen sich nicht anstellen liessen und ich nicht
einmal weiss, ob die Zellen des interstitiellen Gewebes überhaupt die Fähigkeit activer Orts-
veränderung besitzen.
Gegenbahr fasst die Eierstöcke der Hydra als Knospen auf, in welchen sich je ein Ei
entwickelt '. Ich möchte mich dieser Ansicht nicht anschliessen, weil die Genese des Eierstocks
so sehr verschieden von jenei- der Knospen ist . dass die Zusammenfassung beider Bildungen
unter einen Gesichtspunkt nicht durchführbar sein dürfte. Durch eine andere Betrachtung
würde sich aber, wie ich glaube, der scheinbaie Gegensatz, der dann zwischen der Hydra und
den Medusen oder medusiforme Gemmen eizeugenden Hydroiden hervortritt, ausgleichen lassen.
Ursprünglich scheint bei den Hydromedusen allgemein das Verhältniss bestanden und sich auch
bei Hydra erhalten zu haben , dass die aus tlen Eiern hei-vorgegangenen Individuen selbst
niemals Eiei' und Samenkörper produciren, sondern sich nur ungeschlechtlich durch Knospung
oder Theilung fortpflanzen und eist die nächste oder eine spätere ungeschlechtlich erzeugte
Generation wieder geschlechtsreif wird. Wenn nun die Knospen mit dem Mutterthier und unter
sich im Zusammenhang bleibend einen- Stock bilden,, so ist die Gelegenheit zur Arbeitstheilung
gegeben, welche sich vor Allem in jener spccifischen Umbildung und Ausbildung dei- Eier und
Samen producirenden Knospengeneration ausdrückt, die wir so schön in den Gonophoreo und
den freien Medusensprösslingen \ieler Hydroiden erkennen. Wo dagegen, wie bei Hydra, die
Knospen sich regelmässig gleich nach ihiem Entstehen abtiennen , erwacht die Geschlechls-
function in den für sich altein lebenden Einzelthieren einer spätem Generation, und diese haben,
da sie selbst in jeder Hinsicht für ihre Erhaltung sorgen müssen, auch keine Umbildung zu
Gunsten ihrer geschlechtlichen Thätigkeit erfahren, sondern stimmen in Bau und Form ganz
mit den andern überein. Die Veigicichung würde sich demnach einerseits auf die Stöcke der
Hydroiden, andrerseits auf die Indi\iduenreilie der Hydra beziehen können, welche- mit einem
aus dem Ei entwickelten Mutterthier beginn! unil niil i\r\- in Einzelthiere aufgelösten wieder
geschlechtsreifen Generation abschliesst, und dann wäre auch nicht der Eierstock der Hydra,
sondern jedes einzelne geschlechtsreife Thier einer Ge.schlechtsknospe der stockbildenden
Hydroiden gleich zu stellen.
' Grundzüge d. vergl. Aiialoniio. •>. .\iifl. p. 118,
K 1 e i II e II l» e V g , Hydra.
34
Die Thalsache, dass bei Hydra Eiei; iiiul Samenkörper ans Zeilen des Ectodernis iier-
vorgehen, steht in Widerspruch mit dem Ge?;elz der Organbildung, das Häckel für die (^oe-
lenteraten aufgestellt hat : »Die aus dem Entoderm oder der innern Bildungshaut hervor-
gegangenen Zellen vermitteln bei den Spongien ebenso wie bei den Acalephen die vegetativen
Functionen der Ernährung und Fortpilanzung. Die aus dem Ectodenn oder der äusseren Bil-
dungshaut entstandenen Zellen vermitteln dagegen die animalen Functionen der Bewegung und
Empfindung und dienen ausserdem als schützende Decken und stutzende Skelettheile für den
ganzen Körper. Es dürfte daher nicht unpassend erscheinen, bei allen C.oelenteraten, d. Ii. bei
allen Spongien und Acalephen das Entoderm oder die inneie Bildungszellenschicht) als vege-
tatives Keimblatt und das Ectoderm oder die Süssere Bildungszellenscliicht als animales Keim-
blatt zu bezeichnen«'. Die Eier und Zoospermien sind nichts als sexuell dilferenzirle Zellen
des EntodermepiUiels, und Häckel ist geneigt, in Anbetracht der Uebereinstimmung des i^]nto-
derms und Ectoderms der Coelenteraten mit dem innern und äussern Keimblatt der Embryonen
höherer Thiere, dieselben fundamentalen Beziehungen für das ganze Thierreich anzunehmen.
Da ich diese weittragende Ansicht kannte und mir kaum denkbar schien, dass selbst
bei so primitiven Geschöpfen, wie die Coelenteraten sind . in einem Fall das innere, in einem
andern dagegen das äussere Blatt der Ausgangspunkt der (ieschlechtsorgane sein sollte, so habe
ich, als sich mir von vornheiein die Ueberzeugung des genetischen Zusammenhangs der Ovarien
imd Hoden mit dem Ectoderm aufdrängte, jede Möglichkeit, welche eine Täuschung hervor-
rufen könnte, in's Auge gefasst und der Untersuchung ganz besondere Sorgfalt zu Theil werden
lassen. Jedoch sind die Verhältnisse bei Hydra so klar, Entoderm und Ectoderm so voll-
kommen trennbar und ihre Zellen nach Form und Beschatienheit so leicht kenntlich, dass, in-
dem ich die Entwicklung des Ovariums von der ersten merklichen Veränderung des inter-
stitiellen Gewebes bis zur definitiven Ausbildung des Organs , und die Umwandlung einer
Zelle desselben zum reifen sich furchenden Ei verfolgte, jeder Zweifel an der Abstammung
des Eies von einer Ectodermzelle mit der grössten Bestimmtheit zurückgewiesen wuide. Und
eine »locale Substitution« des einen Blattes für das andere, wie Häckel sie in einzelnen Fällen
zugeben möchte, erscheint mir im Allgemeinen schon höchst bedenklich, bei Hydra kann davon
gar nicht die Rede sein, weil Entoderm und Ectoderm in der ganzen Ausdehnung des Körpers
als ununterbrochene Lagen vorhanden sind und ihre typische Anordnung in völliger Reinheit
bewahrt haben.
Aber auch abgesehen von dieser Thatsache ist die Berechtigung des H.\cKEL'schen Ge-
setzes sehr fraglich. Geben wii- die Bestimmungen »animal« und »vegetativ« auf und bezeichnen
die Keimblätter einfach nach ihrer Lage als äusseres und inneres (Ectoderm und Entoderm).
Es werden sich dann aus diesem räumlichen Verhältniss einige allgemeine Folgerungen in
* Ueber den Organismus der Sctiwänime und ihre Verwaiidlsoliafl mit den Corallen. .lenaisclie Zeilsciirifl.
Bd. V. p. 221.
35 .
Bezug auf die pliysiologisclien Leistungen der Blatter und der \on ihnen abstammenden Organe
ableiten lassen. Das äussere Blatt steht in unmittelbarem Contact mit der Aussenwelt, die
Beziehungen des thierischen Indi\i(luums zur Aussenwelt werden in erster Instanz durch Re-
actionen ausgedrückt, die, indem sie anf bestimn)t abgegrenzte Theile localisirt werden, zur
Ausbildung des Nerven-^iuskelsystems führen. Eben.so liegen den Schutz- und Stützeinricli-
tungen des Körpers äussere Veranlassungen zu Grunde : es werden daher auch die Integument-
bildungen und das Skelet aus dem äussern Blatt hervorgehen. Aber der Organismus' besitzt
ausser den Beziehungen zur Aussenwelt auch Beziehungen zu sich selbst, d. h. Functionen,
welche nicht von aussen her, sondern von innen angeregt werden, die von äussern Umständen
relati\ unabhängig in der eigenartigen Beschall'enheit des lebendigen Plasmas ihren Grund halben.
Hierlier gehört der StotTwechsel : ein Vorgang, der sich in sofern jedoch auch auf die Aussen-
welt richtet, als er durch die Assimilirung von aussen her bezogener Stoffe für die Erhaltung
jedes Körpei'theils, für seine Ernährung, sorgt. Die Ernähi-ung in ihrer Grundbedeutung ist
natürlich nicht localisirbar, jede Zelle verlangt zui' Erhaltung eine ihren Ausgaben entsprechende
Einnahme, zum Wachsthum einen Ueberschuss der Einnahmen. Da aber zum Zweck voll-
ständiger Ausnutzung die Nährstoffe in den Hohlraum des Körpers aufgenommen werden, so
konunen wegen der concentrischen Lagerung der Keimblätter die Zellen des äussern nicht in
Berührung mit jenen Stoffen , sie sind also angewiesen, ihre Nahrung durch Vermittelung des
inneren Blatts zu beziehen, dies bemächtigt sich des ganzen Materials, um den grossen Ueber-
schuss, den es zur Erhaltung seiner eigenen Zellen nicht braucht, an die übrigen Körpertheile
abzugeben, und zwar in einei- für diese direct verwerthbaren Form. So ist denn einleuchtend,
dass sich alle Verdaunngsorgane aus dem Innern Blatt entwickeln.
Eine entsprechende Deduction der Bildung der Geschlechtsorgane scheint mir dagegen
in Anbetracht unserer völligen Unkenntniss des Wesens der sexuellen Fortpflanzung nicht aus-
führbai-. Die Dehnition der Fortpflanzung als Function der Erhaltung der Art ist Nichts als
eine teleologische Umschreibung der Thatsache, wobei ausserdem noch die Ait als höheres
Individuum angenommen wird, in dessen Diensten das Einzelthier die Rolle eines Organs- spielt.
Ebenso liegt in der Auffassung, nach welcher die Foripllanzung ein Wachsthum des Organis-
nuis über sein individuelles Maass hinaus ist , keine Erklärung, sondern nur eine Behauptung,
die ziemlich inhaltslos ist, so lange die Wachsthumsgrenzen der Individuen nicht bekannt sind,
und unerklärt bleibt, wie aus einfachem Wachsthum die specifischen Bildungen der Eier und
Samenkörper hervorgehen können. Unzweifelhaft spricht sich in der Bildung der Geschlechts-
organe ein eigenthümlicher Ernährungsprocess aus, dass aber hierin ein Hinweis auf den gene-
tischen Zusammenhang dieser Organe mit dem Innern Blall zu suchen ist, wie H.icKEL an-
deutet, dürfte um so weniger zuzugeben sein, als dies Blatt mit allen seinen Abkömmlingen
notorisch nur der Verdauung dient und eine nähere Beziehung der Geschlechtsthätigkeit zur
Verdauung sich doch wol kaum annehmen lässt.
Die höchst unvollständigen und oft einander widersprechenden Erfahrungen, die wir
36
über die erste Anlage tier Geschlechtsorgane in den verschiedenen Classen des Thierreichs
besitzen, erscheinen auch nicht geeignet, das HÄcKEL'sche Gesetz zu stützen. Für die t^oelen-
teraten, bei denen die Untersuchung durch die während des ganzen Lebens deutlich erhaltene
Trennung der Keimblätter und das periodische Neuentstehen der Sexualorgane sehr erleichtert
wird, giebt es noch die meisten positiven Angaben. Allman behauptet, die Abstammung der
Eier und Samenkörper der Hydroiden von Zellen des Entoderms '. ebenso Kölliker ^ und H.\ckel
für die Geryoniden ' und Kalkscinvämme^ dagegen stimmen mit meiner Beobachtung an Hyilra
Keferstein und Ehlers für die Siphonophoren überein \ Die Abstammung der Geschlechts-
organe der Würmer, Echinodermen, Mollusken und Arthropoden ist gänzlich unbekannt; bei
Wirbelthieren ist die erste Anlage in neuerer Zeit mehrfach untersucht worden, und die Er-
gebnisse stimmen mit einer Ausnahme darin uberein, dass die Geschlechtsorgane \om äussern
Blatt gebildet werden. So hat Hensen in einei' vorläuHgen Mittheilung für das Kaninciien be-
stimmt eine Einstülpung des Hornblatts angegeben '', nach His fmdet die Bildung der Geschlechts-
diüsen beim Hühnchen vom Axenslrang aus statt und dieser enthält »unzweifelhaft reichlichere
Bestandtheile des oberen als des unteren Keimblattes, vielleicht gehört es sogar jenem aus-
schliesslich an« ', W.\LDEVER sagt.- »mit grosser Wahrscheinlichkeit lässt sich indessen noch die
Behauptung verfechten, dass der ursprüngliche Heerd der Urogenitalanlage im oberen Keimblatte
liegt« *•; nach van Bambeke entwickeln sich die Geschlechtsorgane von Pelolates fuscus aus einem
Theil des äussern Blattes, welches durch die Analspalte in das Innere des Embryonalkörpers
hinein geschlagen ist ■'. Nur Götte verlegt den Ausgangspunkt in's innere Blatt, indem er das
sogenannte mittlere Keimblatt, welches die Geschlechtsorgane entwickelt, von jenem herleitet '".
Das Ei.
Wenn das Ovariura die beschriebene Entwicklung erreicht hat, beginnt eine Zelle, die
gewöhnlich fast genau im Mittelpunkt des Organs gelegen ist, sich durch stärkeres Wachsthum
vor den andern auszuzeichnen. Diese Zelle ist das junge Ei. Da es zunächst noch in seiner
Beschaffenheit durchaus mit den übrigen Zellen des Ovariums übereinstimmt und unter diesen
' Kepoit Oll Ihe present State of our kaowledge of the reproduclive System in tlio Mydroida. 'Reporl ol llie
Britist) Association for llie Advancement of Science for 1863 . p. 385.
2 Icones histiologicae, p. 89.
■* Jenaisclie Zeitschrift. Bd. I u. II.
■• Ebendaselbst Bd. V.
■' Zoologische Beiträge, p. 3.
'' Max Schultze's Archiv. Bd. III, p. .500.
' Untersuchungen über die erste Anlage des Wirbelthierleibes. I. iln den Zusätzen und Berichtigungen
ain Scliluss.) "
* Eierstock und Ei, p. H3.
■' Mem. de l'Academie de Belgique. T. XXXIV.
'" Max Schultze's Archiv. B. V.
•M
liiiiitig nicht unbeträchtliche Grössenschwankungen vorkommen, so ist es erst dann mit Sichor-
lieit zu erkennen, \\('nn sein längster Durchmesser sich ungefähr um tlas Anderthalljfache ver-
grössert hat und zugleich eine (iestallveränderung eingetreten ist Tal'. II Fig. 5 b]. Die letztere
besteht darin, dass die Höhe zunimmt, währenil die Breite relativ geringer wird; auf die.se
Weise bildet sich das urspi'ünglich Hache Plättchen zu einem annähernd keilförmigen Körper
um. des.sen schärferer Rand iumier nach aussen gerichtet ist. Ausserdem treten an der Ober-
fläche — bald nur an einei' Stelle , bald über die Basis und die Seitenränder verbreitet —
kuize spitze Fortsätze auf. Bei etwas grössern Eiern gehen diese Fortsätze schon in hielte
uniegelmässige Lappen über Taf. II Fig. 6), und jetzt findet sich oft inmitten des Plasmas ein
kreisi'undcr oder länglicher heller Raum, der mit klarer Flüssigkeit erfüllt ist und zuweilen \on
frei ausgespannten zarten Plasmafäden durchzogen wird. Ob die Bildung einer solchen giossen
Vacuole in diesem Entwicklungsstadium des Eies constant stattfindet, kann ich nicht mit Sicher-
heit augeben, jedenfalls ist sie aber von sehr kurzem Bestände.
Mit dem weitern Wachsthum bis zu 0,15""" Länge nimmt die Höhe nicht niehi' zu,
sondern der Eikörper dehnt sich vorheirschend in der Breite aus; dabei entstehen aber regel-
mässig zwei tief in das Innere dringende Einschnitte, durch welche das Ei in zwei seitliche,
durch ein Mittelstück verbundene Hälften geschieden wird. Die Seitentheile selbst sind auch
noch vielfach ausgezackt und zerrissen (Taf. II Fig. 8). Gleichzeitig gehen im Innern der Ei-
zelle einige Veränderungen vor. Der stets in der Mitte, im Verbindungsstück, gelegene Kern,
das Keimbläschen, hatte bisher seine ursprüngliche Beschaffenheit und Grösse beibehalten, nun
fängt er an bedeutend zu wachsen, und mit ihm vergrössert sich das dunkle, scharf umschrie-
bene Kernkörperchen. Dies letztere gehl jedoch, nachdem es eine gewisse Grösse erreicht
hat, zu Grunde, wenigstens entzieht es sich gänzlich der Wahrnehmung, und der Kern erscheint
als ein deutlich doppelt contourirtes Bläschen, welches durchaus gleichmässig mit einer äusserst
fein granulirten schwach lichtbiechenden Masse angefüllt ist.
Im Innern des Eikörpers entstehen neben den kleinen Plasmakörnchen unregelmässig
rundliche Körper von verschiedener Grösse (Taf. II Fig. 7 u. 8). Ihr Aussehen ist glänzend, und
sie haben grosse Aehnlichkeit mit festem Fett, wie man es häufig im Plasma findet, sind in-
dessen bestimmt nicht fettiger Natur, sondern .scheinen hauptsächlich aus jener eigenthümlichen
iMweissverbindung zu bestehen, welche in Form von Krystallen, Kugeln oder Plättchen so weit
verbreitet, in den Eiern von Wirbelthieren und Wirbellosen vorkommt, imd die man mit His
als Protagon, oder mit Klhne als Vitellin bezeichnen kann. Im Hydraei zerfallen sie bald nach
ihrem Entstehen wieder, und es bleiben nur kleine Körnchen im Plasma nach.
Weiterhin wächst die Eizelle beträchtlich in die Breite urul die Fortsätze entwickeln
sich immer stärker. Gemeiniglich ist die Gestalt des Eies jetzt so , dass man es einem
Schmetterlinge mit ausgespannten Flügeln vergleichen könnte : zwei Flügel mit zerrissenen und
gezackten Rändern gehen \on einem längern oder kürzern Verbindungstheil ab (Taf. II. Fig. 9).
Im Keimbläschen erscheint dicht unter seiner Membran ein heller kreisrunder flacher Körper —
38
dei- Keiuifleck. Selten sind zwei Keiintlecken voilianden und dann liegen sie ziemlich nahe
bei einander.
Bei Hydra viridis führen die nun folgenden Ausscheidungan im Plasma auf bekannte
Dinge zurück; es beginnt die Bildung der Chlorophv likörner. In ganz unregelmiissiger Weise
zerstreut, oft zahlreich, oft auch ganz vereinzelt, liegen kuglige Körper im Ei, theils schon vou
grüner Färbung, theils, denen ahnlich, die man in den Entodermzellen des Magentheils von
H. grisea und aurantiaca antritl't, farblos oder schwach gelblich. Ihr erstes Auftreten kann
ebenso gut im centralen Tlieil des Eies wie in den Fortsätzen statttinden. Da sie gleich zu
Anfang durch ihr blasses helles Aussehen leicht kenntlich sind, lässt sich constatiren, dass sie
alle farblos entstehen und die Ausscheidung des Farbstoffes erst dann eintritt, wenn das Plasma-
kügelchen seine definitive Grösse erreicht hat. Es stimmt dies ganz mit den Beobachtungen
Hofmeister's über die Entwicklung der Chlorophyllkörper von Vaucheria und Bryopsis überein.
Dieser Vorgang scheint mir von einiger Wichtigkeit für die Auffassung des Wesens der
Eizelle. Mit der Bildung der Farbkörner hat sich das Ei in entschiedener Weise von seiner
Herkunft losgesagt. Denn wir haben gesehen, tlass der Assimilationsprocess, welcher der Er-
zeugung derselben zu Grunde liegt, ausschliesslich an die Zellen des Entoderms gebunden ist
und selbst bei der abundanfesten Ernährung niemals auf die Elemente des äusseren Blattes
übergreift. Dem entsprechend verhalten sich die Zellen des Ovariums und bis zu einem gewissen
Punkte seiner Entwicklung auch das Ei. Wenn dies letztere nun mit einem Male in seinem
Stoffwechsel eine so eclatante Uebereinstimmung mit jenem der Zellen des Innern Blattes zeigt,
so dürfen wir darin den Beweis erkennen, dass das Ei schon frühzeitig, lange vor Eintritt der
Befruchtung, mit den physiologischen Traditionen des Gewebes, aus welchen es hervorging, ge-
brochen hat; es ist ein Gebilde eigener Art geworden, das consequenter Weise nicht mehr
unter die Formelemente eines Blattes eingereiht werden kann, genetisch gehört es dem Ecto-
derm an, physiologisch besitzt es eine diesem völlig fremde Beziehung zum Entoderm. Da
vorauszusetzen ist, dass das Ei, indem es neue Fähigkeiten erwirbt, doch auch jene, deren es
durch seine Abstammung theilhaftig wurde, bewahrt, lässt sich dasselbe in gewissem Sinne
als einheitlicher Repräsentant der beiden constituirenden Systeme des Körpers auffassen: ein
Verhältniss, das um so bedeutungsvoller ist, als in ihm der Ausgangspunkt der zukünftigen
reproductiven Leistungen der Eizelle erscheint. Dass das Ei sich im Laufe seinei- Entwicklung
sehr bald von dem einseitigen Character jener Zellen, denen es anfangs gleichwerthig war,
entfernen nuiss, um seine Bestimnumg erfüllen zu können, ist a priori klar und darf als all-
gemeine Thatsache gelten, meines Wissens tritt aber nirgends die Umwandlung mit solcher
Schärfe und solch objectiver Sicherheit hervoi', wie bei dem Ei von H. viridis. Bei den beiden
andern Arten verhindert der Mangel gleich auffallender Formbestandtheile, dass der Vorgang
mit derselben Prägnanz sich manifestirt, indessen bezeugt das Auftreten der sonst nur in den
Entodermzellen \ erbreiteten braunen und gelben Körnchen im Ei deutlich genug das Vorhan-
densein durchaus entsprechender Verhältnisse.
39
Die nächste Umwandlung; des Eies hetrift't wieder zugleicli seine Form und seinen
Inhalt. Die PlasniaausUiufer halten bisher ihrem Vohnn nach sehr hinter der centralen An-
häufung zurückgestanden; nun \\ird das anders; diese Ausläufer machen den Haupttheil des
Eies aus, sie entspringen als dicke Stränge dichtgedrängt von dem verhältnissmässig kleinen,
ilas Keimbläschen enthaltenden, ('entrum, verzweigen sich dichotom und schieben sich weit
\oi . das Gewebe des Eierstockes auseinanderdrängejid und zwischen sich aufnehmend. So
wird die Gestalt des Eies eine sein- eigenthiimliche von der gewöhnlichen Eiform abweichende,
es ist jetzt exquisit amoebiform. Dabei hat es sich bis zu I """ Durchmesser vergrössert und ist
dem unbewaffneten Auge wahrnehmbar als ein inmitten der weissen Masse des Ovariums ge-
legener, bei H. viridis grün gefärbter, sternförmiger Körper.
Zur selben Zeit entstehen inl Innern des Eies sonderbare Gebilde. Neben ilen Körn-
chen unil ('.hlorophyllkörnern liegen im Plasma eingebettet scharf contouiirte kuglige Körper-
chen von O.Ol — 0.02""" Durchmesser. Zerdrückt man das Ei und lässt diese Körper in das
Wasser austreten, so erkennt man oft schon eine dicke dunkle äussere Schicht , welche einen
hellen Raum umschliesst, der zum Theil aber wieder von einer dichtem Masse ausgefüllt ist.
Die Einwirkung des Wassers verändert jedoch bald ihi- Aussehen, und an irgend einer Stelle
dringt allmählich, ohne dass ein Riss in der Aussenschicht erfolgt wäre, ein wasserklarer Tropfen
heraus. Nach Zusatz geringer Menge von Kali- oder Natronlauge erfolgt der Austritt der
Innenmasse raschei', und dann löst sich das ganze Gebilde vollständig auf. Durch Behand-
lung mit verdünnter Essigsäure erhält uian einen klaren Einlilick in den Bau der Körperchen
Taf. II Fig. \":>e l'(ß. Sie besitzen eine dicke Wandung, deren Umfang bei passender Lagerung
nicht vollkommen kuglig, sondern an einer Stelle mehr oder weniger deutlich abgeplattet er-
scheint. Hier ist die Basis eines der Wand, die hier oft verdünnt ist, dicht aufsitzenden ver-
schieden gestalteten, meist zapfenförmigen Körpers, der tief in den Innenraum vorspringt. Der
letztere enthält eine klare Substanz, in welcher selten kleine Fetttröpfchen, gewöhnlich dagegen
mehrere theilweise in lebhafter .Molecularbewegung begriffene Eiweisskörnchen suspendirt sind,
die mit jenen, welche frei im Plasma vorkommen, die grösste Aehnlichkeit haben. FarbstotTe
werden von der Hülle und- dem Zapfen energisch ind)ibirt, Jo<Uösung tVubt dieselben Theile
braun, dagegen bleibt die eingeschlossene Substanz immer farblos und bildet bei Zusatz von
Alkohol oder Säuren keinen Niederschlag. Aus die.sen Reactionen ergiebt sich also, dass die
Hohlkugel und der Zapfen aus dichter plasmoider Substanz bestehen, währerul die eingeschlos-
sene Innenmasse Wasser ist.
Diese Körper haben Veranlassung zu erheblichen Missverständnissen gegeben ; besonders
EcKKR ist in einen verhängnissvollen Irrthum verfallen, indem er sie für die echten, mit Kern
und Membran veisehenen Embryonalzellen erklärte und ihre Entstehung auf einen Furchungs-
process des Eies zurückführte. Gegen diese Auffassung eigaben sich starke Bedenken schon
aus der genauem Untersuchung der Structur der ausgebildeten Körper, ihre Entwicklungs-
geschichte erwies aber aufs Bestimmteste die Unrichtigkeit der EcKERSchen Angaben.
40
Das erste Auftreten dieser Körper — icli will sie Pseudozellen nennen — findet in
regellos zerstreuten Gruppen statt, die jedoch zunächst auf die centralen Parthieen der Aus-
t,r laufei- und den Umfang des Kerntheils beschränkt sind, während die Enden der Ausläufei' und
die unmittelbare Umgebung dei' Keimbläschen frei bleiben. Ihre Entwickelung verläuft otfen-
bar sehr rasch, denn man trifft in Eiern von annähernd gleicher Ausbildungsstufe entweder
noch gar keine Andeutung von ihnen, oder sie sind schon in reichlicher Zahl und meist in
fertiger Gestalt vorhanden. Indessen gelang es mir doch, mehrere Eier aufzufinden, welche
unzweifelhafte und lückenlose Entwicklungsreihen von Pseudozellen darboten. Als Anfänge er-
scheinen sehr kleine kuglig umschriebene Verdichtungen im Plasma, die sich von den jungen
noch nicht gefärbten Chlorophyllkörpern nur durch etwas stärkeres Lichtbrechungsvermögen
unterscheiden. Indem sie sich vergrössern, entsteht in ihrem Innern eine Höhle (Taf. II Fig. 15a),
die zuerst genau in der Mitte gelegen ist, mit dem fortschreitenden Wachsthum aber diese
centrale Lage verlässt und sich an einer Stelle der Oberfläche nähert (i). Hier erhel)t sich
darauf, frei in die Höhle hineinragend, auf breiter Basis ein niedriger kleiner Kegel (c) , der
später eine ungefäiir linsenförmige Gestalt annimmt und endlich zu dem Zapfen auswächst.
Da sich die Eiweisskörnchen schon früher ausgeschieden haben , ist hiermit die Entwicklung
der Pseudozellen beendigt. Dass sie keine Zellen sind, unterliegt keinem Zweifel, und dem
entsprechend nehmen sie auch gar keinen directen Antheil an dem Aufbau des Embryo, son-
dern bleiben intiacellulare Formbestandtheile, die offenbar die Bedeutung aufgestapeltei- Re-
servestofTe haben und allmählich aufgezehrt werden.
Die vorstehende Beschreibung bezieht sich auf die Pseudozellen des Eies von H. viridis,
jene tler H. grisea und aurantiaca sind weniger characteristisch, da ihnen, bei sonst gleichem
Bau, der eigenthümliche Zapfen fehlt, an dessen Stelle sich nur eine einfache Verdickung eines
Theiles der Wand findet, welche oft mehr als die Hälfte des Innenraums einnimmt (Taf.IIFig.1 5 B.b .
Trotz mancher Verschiedenheiten liegt es nahe, die Pseudozellen morphologisch den so-
genannten Dotterkugeln der Eier der Wirbelthiere gleichzustellen, zumal auch die physiologische
Bedeutung beider Gebilde auf dasselbe hinauszulaufen scheint. Indessen bleibt fraglich, ob ihre
Bildungsprocesse identiscli sind. Die Dotterkugeln sollen durch Quellung der kleinen Eiweiss-
körnchen entstehen , welche nach GEGENB.\rR innere Ausscheidungsproducte der Eizelle ' , nach
Waldever in das Ei eingedrungene Bestandtheile der Granulosazellen sind -. In ihrem Aus-
sehen und ihren chemischen Eigenschaften diesen ganz ähnliche Körnchen sind auch im Plasma
des Hydraeies verbreitet, jedenfalls sind sie hier aber nicht die Vorläufer der Pseudozellen.
sondern diese werden, wie wir gesehen haben, neben ihnen als circumscfipte Verdichtungen
des Plasmas angelegt.
In den Eiern anderer Hydroiden, die freilich alle in Alkohol otler Go.^oBv'scher
1 Müllers Archiv 1861, p, 491.
2 Eierslook und Ei, p. 6:5.
-V ,
Flüssigkeit conserviit waren , konnto ich bisiier keine den P.soudozellen vergleichbare Forni-
bestandlheile entdecken. Dagegen ersah ich aus der Beschreibung und den Abbildungen,
welche Lieberkihn von den »Keinikörnernc dei- Eier von Spongilla giel)t ', dass diese den Pseudo-
zellen sehr ähnlich sind, und konnte mich an Alkoholpraparaten selbst davon überzeugen. Ihr
Bau stimmt in der That vollkommen mit dem der Pseudozellen überein.
Die Pseudozellenbildung dauert in auf einander folgenden Nachschüben längere Zeit und
füiirt zu einer dichten Anfüilung des ganzen Eikörpers, jedoch werden die einzelnen Pseudo-
zellen , wenn sie auch noch so nahe zusanmienrücken , immer durch dazwischenliegendes
Plasma getrennt, und an der Oberfltiche bleibt eine zuletzt sehr dünne Schicht frei von ihnen.
Dabei vergrössert sich das Ei bedeutend, es stellt einen flachen, im grössten Durchmesser ca.
1,3'"" langen Körper dar, der in seinem ganzen Umfange in lauter Fortsätze zerfällt (Taf. lIFig. 10 .
Die Fortsätze laufen nicht mehr wie f'rühei' in Spitzen aus, sondern sind an den Enden kolbig
angeschwollen und veischmälern sich meist gegen ihre Abgangsstelle, so dass sie im Ganzen
eine keulenförmige Gestalt haben. Aber auch diese Form des Eies ist von kurzem Bestände:
bald nachdem es seine grösste Flächenausdehnung erreicht hat, wird die Masse der Fortsätze
allmählich in den Kerntheil eingezogen, das Ei wölbt sich halbkuglig mit glatter Oberfläche nach
aussen vor, während an seiner dem Entoderm zugewandten etwas concaven Fläche noch einige
dünne und spitzige Ausläufer sitzen ; endlich verschmelzen auch sie mit der Hauptmasse, und
diese rundet sich zu einem breiten Ovoid ab, dessen Spitze gegen das Entoderm gerichtet
ist (Taf. II Fig. 1 6 .
Wir haben das Keimbläschen \erlassen als ein Bläschen mit deutlich doppeil con-
tourirter .Membran und einem gleichmässig verbreiteten granulirten Inhalt . in welchem eben
der Keimfleck aufgetreten wai'. In diesem erscheint bald darauf ein auffallend stark licht-
brechendes Körperchen iTaf. II Fig. I I . das die grösste Aehnlichkeit mit einem Oeltrüpfchen
hat (ScHRöN'sches Korn!. Nach kurzer Zeit schwindet es wiedei-. Das Keimbläschen wächst
bis zu 0,06""" Durchmesser an, und zugleich vollzieht sich eine Sonderung seiner Innenmasse.
Der grössere Theil derselben zieht sich von der .Membran zurück und sanunelt sich als ein
dichter Klumpen um den Keimfleck an. während auf dei- .Membran nur ein dicht anliegender
äusserst dünner, aber ununterbrochener Ueberzug der plasmoiden .Masse nachbleibt. Der
Zwischenraum ist von wasserklarer Flüssigkeit erfüllt, jedoch steht die Wandschicht vermittelst
zahlreiciier zarter Fäden, welche den Flüssigkeitsraum durchsetzen, mit der .Vnhäufung um di-n
Keimfleck in Verl)indung Taf. II Fig. \i . . In diesem Zustande hat das Keimbläschen eine frap-
pante Aehnlichkeit mit vielen Pflanzenzellen oder jenen Zellen , die HAr.KEi. als Knorpel der
Medusen und Lieiierkihn aus der Chorila des Fro.sches beschrieben liabcii. Bei der Grösse
des Keimbläschens ist es leicht, dasselbe zu isoliren und dei' Behandlung mit chemischen
Reagentien zu unterwerfen. Der körnige Inhalt verhält sich ihnen gegenüber ganz wie dichtes
' Müllers .\rcliiv 18.06. p. 1 t.
Kleinenberg, Hydri.
42
Plasma, die lielle Zwischenniasse tritt in allen wasserentzielienclen Losungen exosmotisch voll-
ständig aus, die Membran, welche eine sehr bedeutende Festigkeit und Eiasticität besitzt, nimmt
weder Farbstoffe auf, noch bräunt sie sich mit Jod. in ihrer Resistenz gegen Säuren und
Alkalien nähert sie sich den Hörn- und Chitinsubstanzen.
Zu der Zeit ungefähi-, wenn im Ei die Pseudozelleubildung beendigt ist, tritt eine rück-
gängige Metamorphose des Keimflecks ein , er verliert seinen kreisförmigen Umfang und wird
unregelmässig eckig, seine Substanz erscheint wie geronnen, dann zerfällt sie in kleine Stück-
chen, und diese werden, wie ich glaube annehmen zu dürfen , aufgelost. Das Keimbläschen
selbst, das, so lange das Ei den flachen amoebifoiinen Körj)er bildete, im Centrum desselben
lag, wird mit der Abrundung des Eiköi'pers excentrisch gegen den nach aussen gerichteten
Pol gedrängt, wo es dicht an der Oberfläche nur von einer ganz dünnen Plasmaschicht über-
zogen liegt. Hier beginnt nun auch seine Rückbildung, die in völligen Schwund ausläuft. Der
körnige Inhalt verflüssigt sich meiir und mehr, zugleich tritt ein Theil desselben dun'h die
.Membran aus, denn diese, die bisher prall gespannt wai-. sinkt zu einem meist eiförmigen Schlauch
zusammen, dessen Wandung verdickt und stellenweise gefaltet ist Taf. H Fig. 13). Die noch
übrig gebliebene compacte Innenmasse löst sich darauf in einzelne glänzende Körper auf, von
rundlicher oder eckigei' Foiin und sehr verschiedener Grösse, z\>ischen denen hin und wieder
Tröpfchen eines flüssigen Fettes zerstreut sind. Die festen Partikeln Hessen sich in Kalilauge
leicht auflösen, dagegen konnte ich ihre Löslichkeit in Aether nicht mit Sicherheil feststellen.
Der microchemische Nachweis von Fett durch Aether ist übrigens oft sehr schwierig, besonders
wo man es, wie in diesem Falle, mit Substanzen zu thun hat, die in unlösliche Membranen
eingehüllt sind. Ich bin sehr geneigt, die fraglichen Körper für Fett oder doch für jene eigen-
thümliche Modification eiweisshaltiger Stoffe, welche wir als sicheren Vorläufer der Verfettung
aus so vielen pathologisch veränderten Geweben kennen , zu erklären , und demgemäss den
Schwund des Keimbläschens auf eine fettige Degeneration zurückzuführen. Einmal glaube ich
in diesem Stadium eine Oelfnung in der Membran gesehen zu haben : wenn dies ein normaler
Befund ist, wäre es möglich, dass auch ihr fester Inhalt austritt und in das umgebende Plasma
aufgenommen wird. Was aus der .Membran selbst wird, kann ich nicht sagen; jedenfalls ist
aber das ganze Keimbläschen schon lange vor Eintritt der Befruchtung bis auf jede S|)ur ver-
schwunden.
Hand in Hand mit dem Wachsthum des Eies vollzieht sich eine Reihe von Verände-
rungen in den umliegenden Geweben. Gleich bei .Beginn der Eibildung vergrössern sich die
im Umfang des Ovariums gelegenen Zellen des Entoderms bedeutend und füllen sich dicht
mit grossen Massen von Chlorophyllkörnern an. Diese zerfallen, es erfolgen neue Nachschübe,
und wenn das Ei seine deflnitive Grösse erreicht hat, bestehen die Entoderrazellen unter ihm
zum grösslen Theil ihrer Masse aus den dunklen Excretkörnchen, so dass der ganze Bezirk
fast schwarz erscheint — ein hübscher Beleg für den intensiven Stoffwechsel, der sich auf
diese Stelle concentrirt.
43
Das Wachsthuin des üvariunis dauert, naclidem das Ei entstanden ist , noch eine Zeil
lang fort, jedoch vermehren sich seine Zellen nicht niehi-, sondern die vorliandenen und Ije-
sonders jene kleinen in den Randwülsten aufgehäuften Zellen nehmen an Grösse zu und breiten
sich in Form von Plättchen aus. Späterhin (juellen sie etwas, ihr Plasma bekommt ein eigen-
thümlich glasiges Ansehen, der Kern wird grobkörnig, es scheitlen sich einzelne Fettlröpfchen
aus und endlich zerfallen sie, dem Ei offenbar reichlich Nahrung darbietend. Beim Durchbruch
des Eies ist das Organ bis auf einige zerstreute spärliche Ueberreste zu Grunde gegangen.
Die äussere Schicht des Ectoderms, die das Ovarium überzieht, erfährt nur passive
Veränderungen, indem sie durch den Druck des wachsenden Eies sackförmig ausgestülpt wird
und so als dichtanliegende Hülle das Ei umschliesst (Taf. II Fig. 16 «). Der zellige Bau dieser
Schicht tritt jetzt auch schon während des Lebens sehr deutlich hei-\or. Nun ist aber wol zu
beachten, dass das Ovarium und das Ei von Hause aus zwischen jener oberflächlichen Zelllage
des Ectoderms und der Aluskellamelle eingeschaltet liegen: bei der enormen Ausdehnung, die
das Ei gewinnt, und bei der Abrundung desselben werden die Zellkörper, welche seine Hülle
zusammensetzen, weit aus ihrer ursprünglichen Lage verdrängt, und da ihre, in der Lamelle
verlaufenden, Muskelfortsätzc auf der innern Seite des Eies sich belinden, so können diese
nur entweder von den Zellkörpern abreissen, oder sie müssen, wenn sie dem Zuge der
letztem folgen sollen , aus ihrer Verliindung gelöst und zugleich seitlich verschoben werden.
Dies findet in der That statt. Nach Behandlung mit verdünnter E.ssigsäure ist es sehr leicht,
die Hülle von dem Ei abzuheben; man sieht dann, dass auf der innern Fläche derselben eine
Schicht feiner Fasern sich ausbreitet, und isolirt man die einzelnen Elemente, so erhält man
lauter Zellen, die einen deutlichen Kern enthalten, und in einen oder mehrere sehr feine oft
korkzieherartig gewundene plasmatische Fortsätze auslaufen (Taf. II Fig. 14). Die Länge der-
selben variirt beträchtlich, ist aber inuner sehr bedeutend — bis zu 0,2""". Was mir mit
Anwendung künstlicher Alittel nie in der Vollkon)menheit gelingen wollte, ist hier auf natürlichem
Wege durch den ganz allmählich sich steigernden Druck des wachsenden Eies geleistet: die Neuro-
muskelzellen werden mit vollständiger Erhaltung wenigstens eines iMuskelfortsatzes frei präparirt,
freilich mit Verlust des noinialen gegenseitigen Lageverhältnisses beider Theile der Zelle.
Die Bildungsgeschiclite des Hydraeies war bisher ziemlich unbekannt, und was darüber
in einzelnen Angaben vorliegt, ist meist nicht richtig. Dass dem Ei die Bildung eines beson-
dern Organs vorausgeht, dass das Ei sich erst aus einer Zelle dieses Ovariums entwickelt und
nicht unmittelbar aus einem ursprünglichen Formelement des Körpers, ist von den frühern Be-
obachtern übersehen worden. Leydig scheint das Ei in seiner amoeboiden Gestalt gesehen zu
haben, denn er sagt : »Unter dei' glashellen farblosen Cutis sannnelt sich nach und nach Dotter-
masse an. Letzteres geschieht unter der Bildung von ornamenten-ähnlichen Formen« '. Auch
hat er das Keimbläschen aufgefunden -.
1 Die Dotterfurclning n:\cli iliriMii VurkdiiiiiuMi in der- Tliierwoll und n.icli iliirr nmlonliing. Isis I8i8, p. 164.
2 Ml bin liier in dor si-llenon l,:ii;(\ die rHdnliil diT Knldcckniii; oiiios Anlors gegen den .\ulor selbsl verlhei-
(i
44
Ecker ist wol \orherr,sclieiul ilurcli die falschen Anschauungen, welche er sicli von dem
liau des Hydrakörpers gebildet hatte, veriiindert worden, eine richtige Erkenntniss des Wesens
und der Bedeutung des Eibildungsprocesses zu gewinnen. Die erste Anlage des Eies erfolgt
nacli ihm durch Ablagerung kleiner Dolterkörnchen, die in der glashellen äussern Körperschicht
zerstreut umher liegen »und durch eine sarcodeartige Substanz zu einer zähen Masse verbun-
den sind«. Wenn das Ei eine .schwache Erhebung darstellt, treten in dieser Doltermasse helle
blaschenföimige Kerne mit Kernkörperchen auf. Diese vermehren sich durch Theilung, und
indem sich darauf die Substanz des Eies um die eingestreuten Kerne ansammelt, zerfallt das-
selbe allmählich in eine Menge theils kugliger, theils durch gegenseitigen Druck abgellachter
|)olygonaler Körper. Dies ist der Furchungsprocess der Hydraeies, und jene Körper sind die
Fuichungskugeln. Letztere besitzen zunächst noch keine Membran, aber noch ehe das Ei sicli
vollkommen abgerundet hat . umgeben sie sicii mit einer solchen und wandeln sich damit zu
Embryonalzellen um, die theils frei, theils »einzeln oder zu mehreren in inselförmigen Massen
einer durchsichtigen Intercellularsubstanz einge.schlossen« sind '.
Ich habe mir Mühe gegeben, diese Angaben auf wirklich vorhandene Verhältnisse zurück-
zuführen, und ich meine, das ist mir auch gelungen. Was Ecker für die erste Anlage des Eies
hält, ist das ganze Ovarium. Bei ungenügender Präparation erscheint da.sselbe allerdings als
eine dem Ectodeim eingebettete, unregelmässige, dunkelkörnige Masse, und die geringe Grösse
der Zellen, namentlich aber ihrer Kerne, sowie die Beschaffenheit des Plasmas erschweren das
Erkennen der Stiuctur. Die Kerne , welche im Ei auftreten sollen . sind zwar Kerne, aber
weder neuentstanden, noch zum Ei gehörig — es sind die alten,. nur grösser und deuthcher
gewordenen der Zellen des Ovariums. Die Annahme freier Kerne kann durch die geringe
Mächtigkeit des Zellkörpers begünstigt werden. Das spätere Wachsthum dieser Zellen hat
Ecker als Ansammlung von Dottermasse um präformirte Kerne aufgefasst und ilen Process für
die Furchung erklärt. Ganz gewiss sind tlie »Furchungskugeln« , die er beschreibt und in
Fig. VIII seiner Tafel abbildet, nichts anderes, als Zellen des Ovariums, welche durch den
Eintluss von Wasser zu dickern, mehr rundlichen Körpern aufgequollen sein mögen. Dass aus
ihnen sich die sogenannten Embi yonalzellen entwickeln, ist eine irrthümliche Annahme, die nur
bei Voraussetzung sehr oberflächlicher Beobachtungen erklärlich erscheint. In den Ecker'-
schen Embryonalzellen haben wir schon früher jene merkwürdigen Formbestandtheile des Ei-
plasmas, die Pseudozellen, erkannt und zugleich ihre Entstehung und Bedeutung angegeben:
(ligen zu müssen. Leydig hat niimlich späterhin dem enlsrliieilenen Widerspriicli v. Siebold s, Laurents und beson-
ders EcKERS gegenüber seine Behauptung zurückgenonmien und zugegeben, dass er durch ein zufiilMg in die zer-
drückte Dottermasse gerathenes zelliges Element getäuscht worden sein könne ;Naturge.schichte der Daphniden, p. 63,
Anmerk.j Ich glaube, dass er zu misstraui.sch gegen seine Jugendarbeit gewesen ist. Denn bei der Grösse und leichten
Isolirbarkeit des Keimbläschens, bei der Unmöglichkeit, es mit irgend einem andern Formbeslandtheil des Hydrakörpers
zu verwechseln, ist es gewiss schwieriger, dasselbe zu übersehen,, als es zu finden.
1 Enlwicklungsg. d. g. Armpolypen, p. H.
2 Ibid. p. 13.
45
die angebliche dicke Zellmembran ist die plasmoide Wand , der wandstandige Kern ist die
zapfenförmige Verdickung, und der ziihtlüssige Zellleib ist dei' wiissrige Inhalt derselben. Es
ist eine eigenthümliche Tücke des Schicksals, dass Ecker, wahrend er die Existenz aller der
verschiedenartigen, den Hydrakörper zusammensetzenden Zellen stricte leugnet, gerade jene
Gebilde für Zellen comme il taut anerkennen musste, die weder in ihrer (ienese, noch in ihrem
Bau. noch in ihren physiologischen Leistungen irgend wie dem (".haracter von Zellen entsprechen.
Neuerdings hat man behauptet , dass die ausgebildeten Eier aller Thieie nicht Zellen,
sondern zusammengesetzte Bildungen seien. Mit Rücksicht darauf habe ich auch beim Hjdraei
die Möglichkeit eines Zusammentretens geneti.sch ungleichartiger Formbestandtheile fortwahrend
scharf in's Auge gofasst. aber ich brauche nur auf den geschilderten Entwicklungsgang hinzu-
weisen, um die Thatsache zu begründen, dass das Ei der Hydra, trotz all der wichtigen Um-
\\andlungen, die sich in ihm vollziehen, doch den morphologischen Werth, welchen es im
Augenblick seines Entstehens aus einer indilferenten Zelle des üvariums besass, durchaus bei-
behalt , dass es mit einem Wort eine einfache Zelle Ijleibt — die sich indessen von allen
übrigen gerade durch den hohen Grad ihrer ebenso sehi- selbständigen wie vielseitigen Aus-
bikhmg und Entwicklungsfähigkeit unterscheidet.
Kann demnach jener Satz als allgemeines Gesetz nicht bestehen, so fragt .sich, inwie-
weit er überhaupt Berechtigung hat. Die morphologische Gleichwerthigkeit der Eier ist das
Fundament der vergleichenden EntvAicklungsgescliichte unti in weiterer Instanz auch das der
\eigleichenden Anatomie. Wenn die Entstehung und dei- Bau des Vogeleies derart wtire. wie
His angenommen hat, wenn dasselbe wirklich aus einem Hauptdotter und einem Nebendotter
bestände, die beide ebenso verschieden in ihrem Ursprünge wie in dem selbständigen Antheil,
welchen sie an dem .\ufbau des Embryonalleibes nehmen, sind, dann wäre sein Vergleich mit
einer einfachen Eizelle als unstatthaft zurückzuweisen und consequenterweise auch die Gleich-
stellung der aus dem einem oder dem andern hervorgegangenen Bestandtheile des Thierleibes
höchstens in ganz beschränktem Sinne möglich. Die His'sche Theorie hat in der ausgezeich-
neten Arbeit Waldeyer's ihre Widerlegung gefunden, aber von andern Gesichtspunkten aus ver-
iheidigt Waldeyer selbst die Lehre vom zusammengesetzten Bau dei' Eier auf's Entschiedenste.
Es kann meine Absicht nicht sein, hier eine eingehende Kritik seiner Beweisführung zu ver-
suchen, zumal meine Erfahrungen über die Eibildung in den verschiedenen Classen des Thier-
reichs nicht umfas.send und vollständig genug sind, um mich auf sie zu berufen. Nur eine
Bemerkung möge man mir gestatten. Waldeyer's Hauptgrund ist dei': in das Plasma der
jungen Eizelle Primordialei) dringen — wahrscheinlich — Bestandtheile der Granulosaepithel-
zellen ein. und diese werden nicht assimiliit, sondern bleiben erhalten und gestalten sich durch
einige Veränderungen zu den (nichtzelligen !) Elementen des sogenannten Nebendotters ; folglich
ist das reine Ei keine einfache Zelle, sondern ein aus zwei genetisch ungleichartigen Factoren
zusammengesetztes eigenthüniliches Gebilde. Ich will annehmen, die Einwanderung solcher
Theilchen der Granulosazellen sei eine ausgemachte Thatsache — auch dann erscheint dieser
46
Schluisri durchaus \^illku^lich. Denn es steht Nichts der Auffassung entgegen, die in jenem
Vorgang nur einen besondern Modus der Ernährung anerkennen will, durch welchen die ur-
sprüngliche morphologische Werthigkeit des Eies in keiner Weise alterirt werden kann. Seit-
dem wir wissen, dass die meisten thierischen Zellen nicht in geschlossene feste Membi-anen
eingehüllt sind, besteht die Nöthigung nicht mehr, ihre Ernährung nur durch endosmotische
Aufnahme von Lösungen vermittelt zu denken. Beobachtung und Experiment haben im Gegen-
theil bewiesen, dass viele Zellen feste Körper, die man ihnen darbietet, mit grosser Energie
sich einzuverleüjen im Stande sind, und Waldeyer sagt selbst: »Ich halte es für sehr wahr-
scheinlich, dass nicht bloss die Epithelzellen der GR.^Ar'schen Follikel, sondern auch die Epi-
thelien vieler anderer Organe einen Theil ihres Wachsthums-, Vermehrungs- und Ernähruugs-
matei'ials auf diese Weise beziehen und also vom Blute aus nicht bloss getrankt, sondern auch
re vera mit fester Kost gespeist werden« '. Wenn daher das Eindringen fester, von benach-
barten Zellen abgeschiedener Nährstoffe in den Eikörpei- nichts dem Begriff der Zelle wider-
sprechendes ist, so kann doch auch unmöglich darin dieser Widerspruch liegen, dass die auf-
genommenen Theilchen nicht gleich verschwinden, sondern längere Zeit formell erhalten bleiben.
Warum sollte das bei andern Zellen, wenn ihre Einnahmen über den augenblicklichen Bedarf
hinausgehen, nicht auch vorkommen? Und gesetzt, hier läge wirklich ein nur dem Ei eigen-
thUmliches Verhalten vor: dürfte dies genügend sein, um dasselbe in der ganzen Bedeutung
seiner ursprünglichen morphologischen und physiologischen Individualität wesentüch zu ver-
ändern? Ich glaube kaum. Die Thatsache an sich wäre keineswegs wunderbar, sondern leicht
verständlich. Um seinen zukünftigen Leistungen nachkommen zu können, ist das Ei genöthigt,
so lange die Gelegenheit noch geboten ist, so viel als möglich krafthaltige Stoffe vom mütter-
lichen Körper an sich zu reissen. Diese unmittelbai' umzusetzen und zu verwerthen besitzt es
in seinem zeitweiligen Zustande keine Veranlassung oder vielleicht nicht einmal die Fähigkeit :
sie werden unverändei-t eingespeichert oder in leichter voiläufiger Bearbeitung aufbewahrt, ein
wichtiger Reservefond für die reiclilichen Ausgaben kommender Zeiten der Entwicklung. Wo,
wie beim Hydraei , die Nahrungsmittel wol ausschliesslich in gelöster Form bezogen werden,
auch da sehen wir, wie die Thätigkeit des Zellleibes nicht auf übermässiges ausbreitendes
Wachsthum gerichtet, sondern durch innere Ausscheidungen und Condensirungen des aufge-
nommenen Stoffes für die Zukunft besorgt ist.
Die Durclibreeliuiig der EihüUe und die Befruchtung.
Bald nach dem Verschwinden des Keimbläschens zieht sich das Ei zusammen, indem
es eine nicht unbeträchtliche Menge wasserklarer Flüssigkeit ausstö.sst, welche sich zwischen
seiner Oberfläche und der Eihülle ausbreitet. Regelmässig werden dabei auch ein paar Theil-
chen der Eisubstanz selbst herausgepresst, kleine Plasmakügelchen , in welchen meist eine
1 Eiersfwk und Ei, n. 68.
Pseudozelle eingebettet ist. Sie sind entwedei- in das Gewebe der Hülle eingedrückt oder
liegen frei in dem mit Flüssigkeit erfüllten Flächenraum. Es sind dies die von den Eiern
vieler anderen Tliiere bekannten sogenannten Richtungsbläschen; ganz bedeutungslos füi' die
weitere Entwicklung des Eies gehen sie langsam zu Grunde.
Durch die Ausscheidung der Flüssigkeit ist die Spannung der Eihulle offenbar niclit
vermindert, sondern im Gegentheil wahrscheinlich noch erhöht woiden. Denn kurze Zeil darauf
weichen die Zellen am Scheitelpunkt der Hülle aus einander, es entsteht eine ziemlich enge Oetl-
nung. durch welche die Flüssigkeit sofort abtliesst. Die Hülle legt sich wieder dicht der Ober-
lläche des Eies an und übt einen starken Druck auf dasselbe aus. in Folge dessen ein Theil
des leicht verschiebbaren Eiplasraas in die Lücke hineingedrängt wird, welche es wie ein
Propf verschliesst. Indem immer mehr Masse von innen nachrückt, erhebt sich der austretende
Theil des Eies zunächst papillenartig über das Niveau der Hülle, dann rundet er sich kuglig
ab. das Ei erhält, in der Mitte eingeschnürt, eine sanduhiförmige Gestalt, und endlich liegt es
ganz frei nach aussen. Es ist klar, dass bei diesem Ereigniss das Ei sich durchaus passiv
verhält : vermöge der Contractilität ihrer ^luskelfortsätze zieht sich die Hülle zusammen und
zugleich über das Ei weg, welches unter bedeutender Aenderung seiner Form durch die vor-
her entstandene enge Oeffnung hinausgedrückt wird. Wenn man sich den Vorgang vorstellt,
wie das Zusammensinken eines liohlen, an einer Stelle durchbohrten Gummiballes, aus welchem
man durch Einstülpen der Wand von einer Seite her alle Luft vertreibt, so hat man zugleich
ein ungefähres Bild des schalenförmigen doppelwandigen Organs, das aus der Hülle des Hydia-
eies entsteht. In der centralen Oeft'nung der concaven äussern Wand dieses »Fussgestells« oder
Eiträgers bleibt ein kleiner in eine Spitze ausgezogener Theil des Eikörpers stecken und wird
hier durch den Druck des umgebenden contractilen Gewebes festgehalten ; mir scheint wenig-
stens das starke Haften des Eies an dem mütterlichen Körper aus der Ailhäsion der sehr
beschränkten Berührungsflächen allein nicht erklärlich.
Das frei in das Wasser hineinragende nackte Ei wird nun auch befruchtet. Einzelne
Hoden entleeren ihren Inhalt in der früher beschriebenen Weise, die Spermatozoon verbreiten
sich im Wasser, und wo sie mit dem Ei in Berührung konmien , setzen sich ihre Köpfe an
der Oberfläche desselben fest, während die peitschenden Schwingungen des Fadens noch
längere Zeit fortdauern. Ein wirkliches Eindringen der Samenkörper in das Ei habe ich
nicht beobachten können. Da.ss. wie M.\x Schlltze beschreibt, das Thier bei der Befruch-
tung das orale Ende seines Körpers krümmt und indem es die Hoden gegen das Ei presst,
dieses mit Samen übergiesst, mag wol einmal zufällig vorkommen, Regel ist es nicht ; nebenbei
ist Max Schultze im Irrthum , wenn er glaubt, in den von ihm beschriebenen Fällen die Be-
fruchtung gesehen zu haben, da er bestimmt gar nicht das Ei, sondern den mit einer dicken
Schale umgebenen gefurchten Keim vor sich gehabt hat '.
Beobachtung der Samentliierchen. der Eibildung, der Selbstbefruclitung und des Auskriechens der Jungen
4S
Esi ist eine interessante in der Neuzeit vielfach geprüfte Frage, wo bei Hernia[)hro(liten
Selbstbefruchtung, wo wechselseitige Befruchtung stattfindet. Dass die Hydra zu den selbst-
befruchtenden Zwittern gehört, kann keinem Zweifel unteiliegen, da auch bei Thieren, die in
strengster Isolirhaft sassen, die Eier sich normal entwickelten. Andrerseits kommen, wie ich
schon erwähnte, ausnahmsweise Exemplare voi\ .welche gar keine Hoden bilden : wurden diese
frühzeitig isolirt, so gingen die Eier, wie vorauszusehen war, zu Grunde, lebten sie dagegen
in Gemeinschaft mit herma|)hioditischen Genossen , so vollzog sich der Entwicklungsgang des
Eies ganz regelmässig. Hier war also sicher die Befruchtung von einem andern Individuum
ausgegangen.
Die Furchung.
Die Form des Eies von Hydra viridis, wenn es eben die Hülle verlassen hat, ist ge-
wöhnlich die eines mehr als halbkugligen Segments, auf dessen Schnittfläche ein in der zurück-
gezogenen Hülle steckender, niedriger Kegel aufsitzt. Man kann diese Form im Allgemeinen
bestimmen durch drei einander rechtwinklig schneidende Linien, von denen die erste von der
Spitze des Kegels zu dem gegenüber liegenden Punkte der Kugeloberfläche geht, also in die
Richtung eines Radius des Querschnitts des mütterlichen Körpers fällt; die zweite ein Durch-
messer des grössten Kreises des Kugelabschnitts und der Längsaxe des Thiers parallel ; die
dritte gleichfalls ein Durchmesser des grössten Kreises, aber der Tangente an dem Berührungs-
punkte des Eies mit dem Körper parallel ist. Dei' Bequemlichkeit wegen werde ich diese
Linien kurz als ersten, zweiten und dritten Durchmesser des Eies bezeichnen.
Die früheste wahrnehmbare Veränderung geht an dem vom Körper abgewandten Ende
des ersten Durchmessers vor sich : es entsteht hier eine flache Erhebung, die sich gegen ihre
Umgebung deutlich abgrenzt und bald eine glatte Oberfläche, bald eine schwindende und wieder
auftretende Runzelung zeigt (Taf. IV Fig. 1 . Nach kurzer Zeit verliert sich die Begrenzung, es
lässt sich jedoch nachweisen , dass eine Verlängerung des Eies in der Richtung des ersten
Durchmessers stattgefunden hat und fortdauert , so dass dieser Durchmesser , der bisher der
kleinste war, der grösste wird und das Ei die Form eines Ellipsoids annimmt, dessen dem
Körper zugewandter Pol in eine kleine Spitze au.sgezogen bleibt (Taf. IV Fig. 2). Hat die Ver-
längerung des ersten Durchmessers eine Zeit lang gedauert und einen gewissen Höhepunkt er-
reicht, so tritt eine rückläufige Bewegung ein ; dei- zweite und diilte Durchmesser vergrössern
sich auf Kosten des ersten, und das Ei nähert sich wieder der Kugelform. Indem diese er-
reicht ist . oder auch etwas später entstehen plötzlich da , wo die erste Erhebung stattfand,
zwei bis drei zarte pseudopodienartige Fortsätze, und gleichzeitig bemerkt man zwischen den-
selben eine flache Vertiefung, deren Längsrichtung so verläuft, dass eine obere und untere
Hälfte des Eies markirt wird — wenn man nämlich den tentakelti-agenden Theil des Thiers als
von Hydra; Anliaiig zu der HoRNScmxH'sctien Uebersetzung von Stee.nstri'p's Untersuchungen über das Vorkommen
des Hermaphroditismus in der Natur 1816, p. 117.
49
oben, den Fuss als unten bezeichnet. Die Ränder dieser ersten Anlage der Furche (Taf.IV Fig. 3)
erheben sich ein wenig, zahlreichere Fortsätze gehen von ihnen aus, die sich über den Eingang
der Furche zusammen wölben und ihn verengen, ohne jedoch einen Verschluss hersustellen.
Dabei nähern sich die Ränder einander, so dass aus der flachen Einsenkung eine schmale Rinne
entsteht, die in der Profillage als scharfer keilförmig in das Ei eindringender Spalt erscheint.
Indem darauf die Furclie peripherisch und in die Tiefe fortschreitet, erweitert sich ihr Grund
wieder und flacht sich ab; der scharfe Einschnitt geht in einen breiten rundlichen Ausschnitt
über, dessen offene Seite von stumpfzackigen Ausläufern eingefasst undbeti-ächtlich verengt ist
(Taf. IV Fig. 4). Dies sehr eigenthümliche Bild ist auch nur von kurzer Dauer, die Fortsätze
werden allmählich eingezogen, die Furche wird immer schmäler, bis sie wieder einen feinen,
nun aber schon ziemlich tiefen Spalt darstellt. Hat dieser ungefähr den dritten Theil des Eies
durchschnitten, so legen sich, von aussen beginnend, seine Seitenflächen an einander und ver-
schliessen die Furche bis auf den vordringenden Grund, welcher bei passender Lagerung immer
ein offenes Lumen erkennen lässt, die Furche sieht wie ein den Eikörper quer durchbohrender
enger Canal aus. Die Trennungsflächen berühren sich in ihrer bei weitem grössten Ausdeh-
nung und adhäriren sehr fest, so dass bei dem Versuche, sie aus einander zu ziehen, meist das
Plasma einreisst; nach innen bleibt, wie gesagt, nur der Grund der Furche offen, und äusser-
lich deutet bloss eine oft schwer wahrzunehmende feine Linie die Trennung an. Die Umgebung
des Grundes ist mit mehr oder weniger zahlreichen kommenden und schwindenden Pseudo-
podien besetzt, und gegen Ende der Theihmg wird die Furche wiederum breiter und öffnet
sich mehr. Schliesslich sind beide Seiten nur durch eine schmale Brücke verbunden, diese
wird immer mehr ausgezogen : endlich reisst sie durch und damit ist die Theilung des Eies in
zwei Keimzellen vollendet.
Mit der Ausbildung der Furche ist eine fortwährende Veränderung der Gesamratform
des Eies verknüpft, und zwar findet eine Vergrösserung des zweiten, auf der Trennungsebene
senkrecht stehenden, Durchmessers mit proportionaler Abnahme der beiden andern Durchmesser
statt. Ich habe eine grosse Reihe möglichst genauer Messungen angestellt, welche beweisen,
dass dies Verhalten ein entschieden gesetzmässiges ist, was sich bei jedem Ei, auch der beiden
andern Arten, uiit nur sehr wenigen Abweichungen wiederholt. Freilich konnten meistens nur
die beiden gleichzeitig zu übersehenden Durchmesser bestimmt werden, den dritten, dessen
Richtung in die Axe des Microscops fällt, mit gleicher Genauigkeit zu messen, gelingt nicht
immer, da die nothwendige Umlagerung des Eies nicht leicht ist und oft so viel Zeit erfordert,
dass die Messung für den Vergleich mit der vorherigen der beiden andern Durchmesser un-
brauchbar wird. Soviel lässt sich aber mit völliger Sicherheit constatiren, dass die Tiefe der
Furche stets im geraden Verhältniss zur Grösse des zweiten, im umgekehrten zu der des ersten
und dritten Durchmessers steht. Die beiden eben entstandenen Keimzellen liegen mit ihren ebenen
Trennungsflächen fest an einander und bilden zusammen einen cylindrischen- Körper mit abgerun-
deten Enden, dessen Höhe sich zu seinem Durchmesser ungefähr wie 9 : 13 verhält (Taf. III Fig. 1 7).
Kleinenberg, Hydra. ~
50
Der ganze Vorgang vom ersten Erscheinen dei' Furche bis zur vollendeten Theilung
dauert 2 — 2V2 Stunden. Dann runden sich gevvöhnhch auch die Trennungstlachen der beiden
Zellen ab, diese nehmen Kugelform an, und dadurch wird die gegenseitige Berührung entweder
vollständig oder bis auf einen Punkt aufgehoben. In dieser Form ruhen sie eine kurze Zeit,
bis neue Bewegungen die Bildung der zweiten Furche einleiten. Zuweilen habe ich jedoch
diesen Ruliezustand vermisst und die Keimzellen bereiteten sich unmittelbar nach Beendigung
der ersten Theilung zur zweiten vor. Ihre Bewegungen sind jetzt äusserst lebhaft und fuhren
nicht allein zu Formveränderungen, sondern auch zu Locomotionen, indem die Lage der beiden
Zellen sowohl zu einander als auch zum mütterlichen Körper sich ändert. Die Pseudopodien-
bildung ist viel entwickelter als bei der ersten Theilung, sie geht meist von den Trennungs-
tlachen aus, und dann sind die Fortsätze zart und dünn, aber auch von den übrigen Flächen
erheben sich vielfach niedrige Buckel auf breiter Basis Fig. IV Fig. 8 — M). Bewegungen der
festen Einschlüsse des Plasmas lassen sich sehr deutlich wahrnehmen.
Während dessen findet eine Verlängerung des dritten Durchmessers statt, und die beiden
näher rückenden Zellen legen sich der Länge nach an einander. Der dritte Durchmesser wächst,
der erste und zweite nehmen ab. Wenn diese Formveränderung eine gewisse Ausdehnung
erreicht hat, beginnt jederseits eine unregelmässige von vielen Pseudopodien besetzte Einsenkung
der Innenflächen der beiden Zellen, die sich bald zu einem quer verlaufenden Spalt gestaltet.
Das weitere Einschneiden desselben geschieht in ganz ähnlicher Weise wie bei der ersten
Theilung, nur steht hier der dritte Durchmesser senkrecht auf der Theilungsebene, und dieser
vergrössert sich in dem Maasse, wie die Theilung vorrückt. Die Vollendung der Trennung
durch Zerreissen des letzten verbindenden Plasmastranges lässt sich hier genauer beobachten
als bei dem ersten Furchungsstadium , wo die zuletzt erhaltene Verbindung von dem Eiträger
verdeckt war; man sieht, wie der Strang brückenartig über den Grund der Furche ausgespannt
ist. Die Uebergangspunkte desselben in die Masse der entstehenden Zellen entfernen sich von
einander, die Furche wird breiter und der Strang länger und dünner. Oft währt diese Be-
wegung nicht ununterbrochen fort, sondern die Theile nähern sich wieder, und dann wird das
Verbindungsstück auch kürzer und dicker, zuletzt gehen aber die Uebergangss teilen so weit
aus einander, dass die Dehnung zu stark wird: an irgend einer Stelle, meist da, wo ein grösserer
eingelagerter Körper die Cohäsion des Plasmas beeinträchtigt, reisst der Strang, seine beiden
Theile runden sich an den Enden knopfförmig ab und verschwinden rasch in der Masse der
Zellen.
Die Pseudopodienbildung hört nun auf; die vier eben entstandenen Keimzellen nehmen
Kugelform an und liegen, sich nur an einzelnen Punkten berührend, den Winkeln eines Quadrats
entsprechend angeordnet in einer Ebene.
Die Zeitdauer der zweiten Theilung beträgt 3 — 3V2 Stunden, jedoch verhalten sich beide
Seiten nicht ganz gleich — die eine pflegt der andern ujn einige Minuten voraus zu sein.
Aus der eben beschriebenen Anordnung der vier Zellen geht durch Verlängerung der-
51
selben in der Richtung des ersten Durchmessers und Verlust des kreisförmigen Umfangs mit
gleichzeitigem Auseinanderrücken eine Form des Keims hervor, welche als typisch für die
Viertheilung von den Eiern vielei' Thiere bekannt ist : es ist dies eine durch zwei meridionale
Furchen zerlegte, aus vier Sectoren zusammengesetzte Kugel Taf. lU Fig. I 8 . Dieser Zustand
ist die Einleitung zur Bildung der dritten äquatorialen Furche. Die Entwicklung derselben ist
schwer in ihren Einzelheiten zu verfolgen, da sie, wie die zweite meridionale und alle folgen-
den, von den nach dem Mittelpunkte des Keims gerichteten Flächen der Zellen ausgeht und
durch die Undurchsichtigkeit der Eimasse dem Anblick entzogen ist. Die Pseudopodienbildung
ist nicht sehr lebhaft, die Vollendung der Theilungen durch Zerreissen der Brücken geht ebenso
wie in den früheren Stadien vor sich. Hierauf runden sich alle acht Zellen zu Kugeln ab und
ordnen sich nach den Ecken eines Würfels an. Später rücken sie mehr zusammen und platten
ihre Berührungsflächen ab, wählend die Aussenflächen gekrümmt bleiben. Der Keim wird in
Folge dessen wieder kuglig.
Von jetzt ab lassen sich die Theilungen unmittelbar nicht mehr beobachten, man muss,
um eine Uebersicht der immer zahlreicheren, den Keim zusammensetzenden Theile zu gewinnen,
das Aneinanderhaften derselben vermittelst verdünnter Säuren beseitigen, und dadurch wird
natürlich die Weiterentwicklung aufgehoben, sowie eine, wenn auch im Ganzen nicht bedeu-
tende Veränderung der Formen hervorgerufen. Leicht lässt sich indessen feststellen , dass die
zunächst entstehenden Theilungsebenen so situirt sind, dass sie zwei in gleichen Abständen vom
Aequator verlaufende, Breitenkreisen entsprechende, Furchen darstellen. Die vierte Furchungs-
periode führt also zur Bildung von sechzehn Zellen. Doch ist nun die Isochronie der Einzel-
theilungen schon beträchtlich gestört: man findet nur selten Keime von sechzehn Zellen, ge-
wöhnlich sind neben einer Anzahl Sechzehntel-Zellen noch mehrere Achtel-Zellen vorhanden;
letztere zeigen aber immer durch einen mehr oder weniger tiefen Einschnitt, dass sie in Thei-
lung begriffen sind und sich nur etwas verspätet haben. Weiter besteht der Keim aus zwei-
unddreissig Zellen, dann aus vierundsechzig u. s. w. , woraus hervorgeht, dass auch in den
späteren Stadien der Modus der Zell Vermehrung die überall gleichmässige Zweitheilung ist.
Die Form des Keims bleibt von der Vollendung der Aequatorialfurche ab im Allgemeinen
kuglig, nur hin und wieder drängen sich einzelne Zellen nach aussen vor und machen den
Contour unregelmässig; die Gesammtform entspricht also nicht mehr den Formveränderungen
der Zellen, die den früher beschriebenen, mit Ausnahme der fast völlig mangelnden Pseudo-
podienbildung durchaus analog sind. Bei jeder Zelle ist stets der Durchmesser, welcher auf
der Trennungsfläche senkrecht steht, der Tiefe der Continuitätstrennung proportional verlängert.
Dass die Uebereinstimraung der Form des Ganzen mit der der constituirenden Theile fehlt, er-
klärt sich einfach aus der Anordnung der letzteren, deren Theilungsebem?n nicht mehr parallel
liegen können.
Die Beschaö'enheit der Oberfläche des Keims wechselt mit der Zahl der Zellen, bei
zweiunddreissig hat sie das höckerige Aussehen der »Maulbeerform« (Taf. HI Fig. 19), später
52
wird sie immer feinkörniger und endlich ganz glatt. Diese Ausglättung ist nicht etwa nur
scheinbar, hervorgerufen durch extreme Kleinheit der Zellen, diese sind im Gegentheil nach
der definitiven Beendigung der Furchung noch verhältnissmässig gross, sondern es findet factisch
eine Ausfüllung der Zwischenräume an den Zellengrenzen statt, indem einzelne Zellen mit mem-
branösen Fortsätzen auf die runde Oberfläche der benachbarten übergreifen. Ohne Anwendung
von Reagentien ist der Keim in diesem Zustande gar nicht von dem ungefurchten Ei zu unter-
scheiden.
Die Keimzellen sind ihrer Zusammensetzung nach unveränderte Theile des Eies : wie
dieses besteht jede derselben aus der plasmatischen Grundsubstanz , welcher Dotterkörnchen,
Chlorophyllkörner und Pseudozellen, je nach ihrer Grösse, in grösserer oder kleinerer Zahl ein-
gelagert sind. Nur schien mir, dass die Gesammtzahl der Chlorophyllkürner vermindert wäre.
Liesse sich dies sicher nachweisen, so wäre wol anzunehmen, dass aus ihnen die relativ gewiss
sehr bedeutende mechanische Kraft, die für die zahlreichen und andauernden Theilungen nöthig
jSt, durch den Stoffwechsel disponibel gemacht wird.
Nach Beendigung der Furchung lassen sich zwei Formen von Keimzellen unterscheiden:
die einen sind ziemlich hoch, einem Cylinderepithel ähnlich; sie bilden als einschichtige Lage die
Oberfläche des Keims; die andern, polygonal durch gegenseitigen Druck abgeplattet, setzen die
innere Hauptmasse desselben zusammen. Alle diese Zellen sind nackte und anfangs auch kern-
lose Plasmastücke. Nachdem sie einige Stunden unverändert geblieben sind, bemerkt man,
besonders deutlich an den prismatischen Zellen der äussern Lage, einen heflen kreisrunden
Fleck, der sich bei näherer Betrachtung als ein kugliger Tropfen einer ganz klaren, stark
eiweisshaltigen Flüssigkeit zu erkennen giebt. Bei diesen Zellen liegt er immer nahe unter der
freien Oberfläche, bei den andern gleichfalls excentrisch an einer Seite. Später schliesst jeder
Tropfen ein stark lichtbrechendes Körperchen ein, zuweilen auch zwei. Es unterliegt wol
keinem Zweifel, dass diese Gebilde als Kerne aufzufassen sind, hi Bezug auf ihre Genese habe
ich durch vergleichende Messungen und Zählungen festgestellt, dass sie nachträglich in vorher
kernlosen Zellen entstehen und sich nicht gleichzeitig in allen Zellen des Keims bilden, sondern
zuerst in den oberflächlichen und erst nach und nach in den centralen. Anfänglich erscheinen
sie blass und haben keine ganz deutliche Abgrenzung gegen das Plasma, bald aber wird die-
selbe sehr scharf, und indem zugleich ihr Lichtbrechungsvermögen zunimmt, setzen sie sich be-
stimmt von dem Zellkörper ab. Diese Entstehungsweise entscheidet gegen eine Möglichkeit,
die ich berücksichtigen zu müssen glaubte, nämlich die Verwandlung von Pseudozellen in kern-
ähnliche Bildungen; eine Annahme, welche dadurch noch besonders nahe gelegt war, dass in
diesem Stadium der Entwicklung ein Theil der Pseudozellen zu schwinden beginnt. Fand eine
Umwandlung statt, so mussten sich auch Uebergangsformen auffinden lassen. Die Jüngern Zu-
stände der Kerne mussten einen doppelten Contour und Ueberreste des Zapfens zeigen. Da
dies nun nicht der Fall ist, stammen sie sicher nicht von den Pseudozellen ab. Ebenso wenig
dürfen sie mit dem Keimbläschen, dessen Schicksale bis zu seinem frühzeitigen Untergange
53
wir ja verfolgt haben, in Verbindung gebracht werden, sondern sie entstehen, unabhängig von
irgend welchen präexistirenden Formelementen in den Zellen, als innere Ausscheidungen einer
eiweissreichen Substanz. Eine solche »freie« Entstehung der Kerne hat nichts Befremdendes,
sie ist in neuerer Zeit an thierischen Zellen vielfach beobachtet worden, und für die der Pflanzen
hat man diese Bildungsweise der Kerne geradezu zum allgemeinen Gesetz erhoben.
In Vorstehendem habe ich die formelle Umbildung des Eies zum Keim beschrieben, ich
werde nun den Vorgang, der diesen Veränderungen zu Grunde liegt, die Kräfte, welche bei
der Furchung thätig sind, zu erörtern versuchen.
Von vornherein ist klar, dass, da das Ei eine Zelle ist, der Zerfall desselben in gleich-
werthige Theile, die Furchung als eine Zelltheilung aufzufassen ist. Die Theilung besteht in
der Aufhebung der Cohäsion an einer oder mehreren Stellen einer Plasmamasse, die zur voll-
kommenen Scheidung in gleichartige neue Zellen führt. Die Trennung könnte sowol durch
Kräfte, die von aussen her auf das Plasma wirken, als auch durch solche, die in ihm selbst
thätig sind, veranlasst werden, und beide dieser Möglichkeiten haben in der Wissenschaft ihre
Vertretung gefunden. Zur Zeit, als man die Membran für einen integrirenden Bestandtheil der
Zelle hielt, wurde die Zelltheilung durch Scheidewandbildung von der Membran aus für die
Norm erklärt und seitens der Botaniker der Vorgang in einer grossen Reihe von Fällen de-
tailhrt beschrieben, während die Zoologen allerdings immer genöthigt waren, auf Beobachtungen
zu verzichten und ein analoges Verhalten der thierischen Zelle aus theoretischen Gründen zu
supponiren. Diese Auffassung, die von vielen Erscheinungen an sich theilenden Pflanzenzellen
augenscheinlich gestützt wurde, lag nahe genug, so lange man in dem Plasma nicht mehr als
blossen Zellinhalt sah. Mit dem Nachweis membranloser, nur aus einem Plasmaklümpchen be-
stehender Zellen wurde aber ihre Allgemeingültigkeit bedenklich in Frage gestellt. Man konnte
nur zu der Annahme seine Zuflucht nehmen, dass die nackten Zellen aus membranversehenen
hervorgingen oder, dass sich während der Theilung in der nackten Zelle eine nachher schwin-
dende Scheidewand bilde ; die Beobachtung widerlegte jedoch diese dogmatischen Constructionen
und stellte fest, dass der Theilungsprocess ohne jede Betheiligung einer Membran vor sich
gehen könne. Damit wurden denn auch Zweifel angeregt, ob wirklich bei den membranver-
sehenen Zellen die Membran das die Theilung Bedingende sei, oder ob nicht auch hier die
Theilung vom Plasma ausgeführt werde und die Membranbildung erst nachträglich als etwas
Secundäres hinzutrete. Genaue Untersuchungen bestätigten diese Vermuthung so vollständig,
dass, wenn auch factisch bei einigen Pflanzenzellen Theilung des Plasmas und Scheidewand-
bildung räumlich und zeitlich untrennbar erscheinen, der Satz mit der grössten Sicherheit auf-
gestellt werden konnte, dass die Zelltheilung sich überall durch eigene Thätigkeit des Plasmas
imabhängig von der Membran vollzieht.
Max Schcltze, dem wir so viel für die wissenschaftliche Auffassung des Zellenlebens zu
danken haben, war der erste, der mit Entschiedenheit die Furchung für eine Bewegungs-
erscheinung des Plasmas erklärte. Die Furche soll entstehen durch erst oberflächlich und cir-
54
cumscript auftretende, allmählich sich verbreitende Contractionen des Dotters '. Was Schlltze
unter Contractionen versteht, hat er leider nicht ausgesprochen, doch geht aus seiner Definition
des Wortes Contractilität hervor, dass er alle organischen Bewegungen, welche, von der Elasti-
cität allein nicht abhängend, nur im lebenden Zustande beobachtet werden, mit diesem Namen
belegt. Daran wäre nun nichts auszusetzen, wenn nämlich Contraction eine bestimmte Be-
wegungsform bedeutete und der Nachweis geliefert wäre, dass alle Plasmabewegungen nach
diesem einen Modus verlaufen. Keine dieser beiden Bedingungen ist aber erfüllt. Der Sprach-
gebrauch bedient sich des Wortes Contraction zur Bezeichnung der heterogensten Erscheinungen,
nämlich besonders 1 . der Volumverringerung in Folge von Flüssigkeitsaustritt oder durch thermische
Einflüsse; 2. der Oberflächenverkleiuerung bei gleichbleibendem Volum, wie sie beim Uebergang
in die Kugelform stattfindet; 3. der Formveränderung eines cylindrischen oder prismatischen
Körpers, hervorgerufen durch Verkürzung des Längsdiirchmessers mit gleichzeitiger proportio-
naler Zunahme des Querschnitts. (Muskelbewegung.) Ohne nähere Bezeichnung lässt sich daher
bei dem Ausdruck Contraction gar nichts denken, oder doch, nur ganz willkürlich, einer der
angeführten Vorgänge. Vor dieser Alternative stehen alle jene Forscher, welche dies Wort
ohne Weiteres für jede Plasmabewegung acceptiren, und in der That haben sie beinahe noch
die günstigste Wahl getroffen, wenn sie bald mehr, bald weniger klar ausgesprochen Con-
traction und Muskelbewegung identificiren, eine Auffassung, die auch durch den Umstand be-
günstigt war, dass man bis vor nicht zu langer Zeit keine andern »lebendigen« Bewegungen
als die der Muskeln genauer kannte und daher jedes sich activ bewegende Gebilde für einen
Muskel, oder doch wenigstens für »muskulöser Natur« erklärte. Der Nachweis entschieden
einzelliger beweglicher Organismen, sowie die folgenreiche Feststellung der wesentlichen Ueber-
einstimmung des beweglichen Plasmas der Thier- und Pflanzenzelle beweisen aber unwider-
leglich, dass die Beweglichkeit keineswegs ausschliessliches Vorrecht des Muskels, sondern eine
fundamentale Eigenschaft der organischen Substanz im Allgemeinen ist. Es wäre unsinnig, eine
Amoebe oder eine Pflanzenzelle als Muskel zu betrachten, aber die Behauptung, dass alle
activen Plasmabewegungen nach Art der Muskelzuckung verlaufen, wird von den Anhängern
der Contractilitätstheorie festgehalten. ■ Ihren schärfsten Ausdruck hat diese Meinung durch
Kühne gefunden ^ und insofern auch den berechtigtesten , als er bei den Myxomyceten nach-
gewiesen zu haben glaubte, dass die Körnchenströmung in den Stämmen eine passive Be-
wegung ist, hervorgerufen durch active Contractionen der peripherischen Ausbreitung, und dass
diese letzteren das Kriterium der Muskelcontraction, die Verkürzung unter Zunahme des Quer-
schnitts besitzen. Kühne bestätigt damit die schon früher von Brücke ausgesprochene Ansicht,
dass die Plasmaströmimgen ein der Contraction des Blutes in den Gefässen vergleichbares Phä-
nomen seiend Diese Angaben sind jedoch von den Botanikern (Hofmeister, Nägeli, Sachs)
1 Observationes nonnullae de ovoruni ranarum segmentatione quae »Furchungsprocess« dicitur 1863, p. 10.
2 Untersuchungen über das Protoplasma und die Contractilität 1864.
3 Die Elementarorganisnien. Sitzungsber. d. Acad- d. Wiss. zu Wien. Bd. XLIV, p. 381.
55
so gründlich widerlegt worden, und es ist in der That so leicht, sich an geeigneten Objecten
von der Unhaltbarkeit dersejben zu überzeugen, dass es mir genügend erscheint, ohne weitere
Erörterungen zu constatiren, dass die Muskelcontraction ein von den Bewegungen der Myxo-
myceten, Amoeben, Pflanzenzellen u. s. w. durchaus verschiedener Vorgang ist.
Kühne meint : »Man mag einen Unterschied zwischen geformten contractilen Substanzen
und ungeformten festhalten, und dabei zwei grosse Gruppen scheiden, solche, welche nur
kleine, einfach lichtbrechende Körnchen enthalten, und solche, die doppelt lichtbrechende Dis-
diaklasten enthalten, immer wird man anerkennen müssen, dass die eigentliche Grundsubstanz,
in welche die kleinen festen Körper eingebettet liegen, in beiden Gruppen einige Eigenschaften
besitzt, die wir in der Muskelsubstanz und in den contractilen Theilen aller Thiere und selbst
der Pflanzen wiederfinden.« Den letzten Theil dieses Satzes unbedingt zugegeben, scheint es
mir doch passender, den wesentlichen Unterschied zwischen geformter und ungeformter »con-
tractiler Substanz« oder zwischen Muskelsubstanz und allem andern Plasma in der Verschieden-
heit der Bewegungserscheinungen und nicht in dem Vorhandensein oder Mangel von Dis-
diaklasten, deren Bedeutung uns vorläufig ganz unbekannt ist, zu suchen. Die . Uebereinstim-
mung so vieler chemischer und physiologischer Reactionen beweist, dass wir es überall im
Thier- und Pflanzenreich mit einem und demselben lebendigen Stoß", dem Plasma, zu tlum
haben, dass Nerv und Muskel, Bindegewebskörperchen und Pflanzenzelle, von Hause aus gleich-
artig, nur Modificationen dieser einen Substanz sind. Von diesem Grundsatz au.sgehend stellt
sich besonders der Physiologie die Aufgabe, das Specifische einer jeden dieser Modificationen,
das, wodurch sie sich von allen übrigen unterscheidet, zu untersuchen und festzustellen. Diese
Frage kann für die Muskelsubstanz als gelöst betrachtet werden. Dieselbe ist jedem andern
Plasma gegenüber chaiacterisirt durch die Einseitigkeit ihrer Bewegung, welche stets als Ver-
kürzung unter Zunahme des Querschnitts sich darstellt. Während bei einer Amoebe, einem
Bindegewebskörperchen u. s. w. jedes Theilchen seiner Masse nach jeder Richtung beweglich
ist, findet die Lageveränderung der Molecüle des Muskels immer nur in der einen bestimmten
Direction statt, und da wir wissen , dass die allseitige Beweglichkeit eine Eigenschaft des in-
diff"erenten Plasmas ist, muss ^ die Muskelsubstanz als eine Modification desselben , in welcher
eine eigenthümtiche Anordnung der Molecüle eingetreten ist, die alle Bewegungen bis auf eine
ausschliesst, aufgefasst werden.
Noch schlimmer als mit der Contraction steht es mit der Contractilität. Max Schultze
glaubt die Ursache der organischen Bewegungen, wenngleich sie uns ganz dunkel sei, mit einem
besondern Namen bezeichnen zu müssen. »Tale nomen est Contractilitatis , quo significamus
causam motuum organicorum, qui ex elasticitate sola non dependentes nusquam nisi in statu
vitali observantur« '. Zuvörderst wäi'e wol zu fragen, warum gerade die Elasticität ausge-
schlossen ist, warum nicht auch die Schw^ere oder die Wärme? Berechtigt wäre diese Aus-
1 1. c. p. 9.
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Schliessung doch nur in dem Fall, dass etwas Bestimmtes über die Betheiligung der Elasticität
bei den vitalen Bewegungen bekannt wäre. Welche wichtige Rolle spielt sie denn aber z. B.
bei den Plasmaströmnngen? Wir wissen, dass so wie jeder andere Körper, auch das Plasma
einen gewissen — aber äusserst niedrigen — Grad von Elasticität besitzt, inwiefern oder ob
diese die vitalen Bewegungen beeinflusst, ist gänzlich unbekannt.
Während Max Schultze auf der einen Seite Kenntnisse voraussetzt, die nicht vorhanden
sind, ignorirt er auf der andern Seite feststehende Thatsachen. Es ist nicht richtig, dass alle
Ursachen der vitalen Bewegungen verborgen sind, denn da wir wissen, dass für das Zustande-
kommen der Muskelzuckung — in den" Verhältnissen des unverletzten Körpers wenigstens —
die Nervenerregung nothwendige Voraussetzung ist, werden wir diese unzweifelhaft als Ur-
sache, und wenn wir unter Ursache das Moment verstehen, durch dessen Eintritt in die un-
veränderliche Reihe vorhandener Bedingungen unveränderhch eine bestimmte Wirkung hervor-
gerufen wird, als einzige Ursache jener Erscheinung betrachten müssen. Die Ursache der
organischen Bewegungen nennt Schultze Contractilität , folglich ist die Nerventhätigkeit Con-
tractilität, und. da man unter contractilen Substanzen oder contractilen Geweben sich doch nur
solche denken kann, die durch den Besitz der Contractilität ausgezeichnet sind, dürften diese
Bezeichnungen wol auf den Nerv, nicht aber auf den Muskel Anwendung finden. So sicher
sich aus dem Wortlaut von Schultze's Definition die Consequenz ergiebt, dass der Muskel kein
contractiles Gewebe ist, eben so sicher ist dies nicht seine Meinung: er versteht nämlich
factisch unter Contractilität nicht die Ursache der organischen Bewegungen, sondern das Ver-
mögen — d. h. diejenigen unveränderlichen Bedingungen, durch deren Vorhandensein ein hin-
zutretendes Moment zur Ursache einer bestimmten Wirkung wird — gewisser lebendiger Theile
derartige Bewegungen auszuführen. In diesem Sinne ist die Muskelsubstanz natürlich contractu.
Die Unklarheit und Unbrauchbarkeit der Contractilitätstheorie ist zuerst von Hofmeister
erkannt worden \ dem Nägeh und Schwendener sich angeschlossen haben , indem sie sagen :
»Es kann Niemand befriedigen, Lebensäusserungen, wie die in Frage stehenden, unter die
Rubrik der Contractilitätserscheinungen gestellt zu sehen, aus dem einfachen Grunde, weil damit
eigentlich gar Nichts erklärt ist, zumal der Begriff der Contractilität bis jetzt der Klarheit und
Fassbarkeit entbehrt« -. In der That ist diese sogenannte Theorie Nichts als die willkürliche
Anwendung zweideutiger und leerer Worte auf die verschiedenartigsten Vorgänge und hat da-
durch zu einer erschrecklichen Verwirrung geführt, die sich überaus unheilvoll in dei- jede
richtige Einsicht hemmenden Identificirung aller activen Plasmabewegungen mit der Muskel-
action äussert. Contraction und Contractilität auf Lebenserscheinungen angewandt sind nur in
Bezug auf den Muskel bestimmte Begriffe, indem der erste jene eigenthümliche Molecular-
bewegung, welche sich in der Verkürzung mit proportionaler Zunahme des Querschnitts aus-
1 Flora 1865.
2 Das Microscop 186-3 u. 68, p. 397.
Ol
drückt, der andere das (seinem Wesen nach unbekannte, Vermögen zu dieser Thätigkeit be-
zeichnet; Plasma, das sich in wesentlicii anderer Weise bewegt, gleichfalls contractu zu nennen,
ist auf jeden Fall unlogisch. Weil aber die Plasmabevvegungen verschiedenartig sind, ist eine
allgemeine Bezeichnung, durch welche die Form der Bewegung characterisirt werden soll,
überhaupt unmöglich ; will man dagegen nur die active Beweglichkeit aller Plasmagebilde, ohne
Rücksicht auf die Art der Bewegung, ausdrücken, so wäre es vielleicht am passendsten , das
Plasma eine »automatische Substanz« zu nennen — mir scheint, dass durch diesen Namen die
augenfälligste Eigenschaft desselben, scheinbar ohne äussere Veranlassung Bewegungen auszu-
führen, sowie seine Fähigkeit, fortwährend latente Kraft in lebendige Kiaft umzusetzen, in ganz
prägnanter Weise veranschaulicht würden.
Da weder von Schiltze, noch von sonst Jemand Thatsachen vorgebracht sind, die ge-
eignet wären , die Auffassung der Furchung als eines Contractilitätsphänomens (in dem prä-
cisirten Sinne) zu stützen, so dürfte es wol nicht nothwendig sein, den ausführlichen Gegen-
beweis anzutreten, zumal die Erscheinung des Faltenkranzes bei der Furchung des Froscheies,
auf welche Schiltze grosses Gewicht zu legen scheint, nicht für, sondern gegen seine Ansicht
spricht. Denn wenn Bewegungen nach Ait der Muskelzuckung an der Oberfläche des Eies zur
Furchenbildung führten, so müssten sie doch senkrecht zur Furche gerichtet sein, und dem
ents[)rechend könnten die Falten nur parallel und nicht, wie es factisch der Fall ist, im rechten
Winkel zur Furche verlaufen. Die schlagendste Widerlegung bieten aber die Formveränderungen
des sich furchenden Hydraeies, bei dem in senkrechter Richtung zur Theilungsebene nicht nur
keine Verkürzung, sondern im Gegentheil eine beträchtliche Verlängerung stattfindet.
Max Schiltze lässt ausserdem auch den Kern eine eingreifende Rolle bei der Zellthei-
lung spielen. Ich verweise dagegen auf die zahlreichen Fälle, wo während der Theilung ein
Kern gar nicht besteht, und stelle mich in Betrefl' der andern auf den Standpunkt, den Bricke
bezeichnet, w enn er fragt , was man wol darauf antworten wolle , wenn Jemand behauptete,
der Kern verhalte sich bei der Theilung ganz passiv? ' Schiltze sagt zwar, »das ungestüm sich
theilende« Protoplasma würde »von dem noch ungestümeren Kerne stets von neuem angestachelt« ^t
das ist gewiss sehr kraftvoil dramatisch gedacht, eine Beobachtung dieses leidenschaftlichen
Verhältnisses liegt aber wol kaum zu Grunde.
Eine wesentUch verschiedene Theorie der Zelltheilung ist von den Botanikern aufgestellt
worden, ich kann jedoch auch diese nicht anerkennen.
Sachs, an dessen Darstellung ich mich besonders gehalten habe, unterscheidet drei Be-
wegungsformen des Plasmas der Ptlanzenzelle : 1. .Massenbewegungen, bei denen die Molecüle
in unveränderter Lage und Veibindung bleiben, das Ganze aber eine Rotation um eine
Drehungsaxe ausführt; 2. Massenbewegungen, die in Translocafionen auf gerader oder krummer
' Die Eleinentarorganismen, p. 398.
** Ueber Muskelkörperchen und was mau eine Zelle zu nennen liabe. Reiclierl's Archiv 1861, p. ü.
Kleinenberg, Hyärti. 8
58
Linie bestehen ; 3. Bewegung durch moleculare Umlagerung : die Molecüle verändern ihre gegen-
seitige Lage, eine Forinveränderung des Ganzen ist gewöhnlich aber nicht nothwendig '. Die
Bewegungen der letzten dieser Hauplfornien werden in zwei Unterabtheihmgen geschieden, je
nachdem die moleculare Umlagerung sich auf in der Masse gelegene, einfach oder mehrfach
vorhandene, sichtbare oder unsichtbare, organische Centra bezieht '\ odei- eine solche Beziehung
nicht vorhanden, wenigstens nicht nothwendig ist: jene bewirken die Zelltheilung (und neben
manchem anderen auch die freie Zellbildung und die Kernbildungj . diese äussern sich als
Plasmaströmungen.
Der Vorgang der Zelltheilung wäre demnach folgender: innerhalb der Zellen gelegene
»organische Centra« vervielfältigen sich unter Umständen, jedes derselben t)itt in Beziehung zu
den Plasmamolecülen seiner Umgebung, was zur Anordnung der .Molecüle in radialen und tan-
gentialen Richtungen führt, und diese Umlagerung bewirkt an bestimmten Stellen eine Con-
tinuitätstrennung, eine Aufhebung des Zusammenhangs der Molecüle.
In Bezug auf die Centra wäre wünschenswerth zu erfahren , was die nähere Bezeich-
nung »organisch« bedeuten soll. Da Sach.s doch unmöglich zugenuithet werden darf, dass er
unter einem organischen Centrum den Mittelpunkt eines organischen Körpers versteht, so muss
wol ein Kraftcentrum geraeint sein , odei-, weil wol keine andere Kraft als die Anziehung in
Frage kommen möchte, einfach ein Anziehungsmittelpunkt. Es ist mir befremdlich, dass Sachs
diese letztere Bezeichnung consequent vermeidet, um so mehr, als es unverständlich ist, wie
ein besonderes »organisches« (Zentrum in eine dem Anscheine nach physikalische Erklärung
aufgenommen werden konnte.
Ueber das sichtbare organische ("entrum habe ich erst recht nicht in's Klare kommen
können. Am nächsten liegt, an den Kern zu denken, und Sachs befördert diese Vermuthung
einigermassen , wenn er sagt: »Die neuen Bildungsmittelpunkte können durch vorangehendes
Erscheinen von Kernen angedeutet werden oder nicht« '^, doch andrerseits entscheidet sich
Sachs mit Recht sehr bestinmit gegen die active Betheiligung des Kerns bei der Zelltheilung:
»Der Mitwirkung des Zellkerns hat man wol eine zu grosse Bedeutung beigelegt . unrichtig ist
es gewiss , ihn so zu sagen als Anstifter dieser Vorgänge zu betrachten , an denen er als
blosser und unwesentlicher Theil des Protoplasmas doch nur Theilnehmer ist<i und »die Lage
und Bewegung des Zellkerns während der Theilung der Spirogyien ist nicht geeignet, ihn als
Kraftcentrum dieses Vorganges erscheinen zu lassen«^: Wenn aber der Kern das sichtbare
Centrum nicht ist, so weiss ich in der That nicht, welchem gefoiinten Theil der Pflanzen- odei'
Thierzelle die Rolle eines solchen zuertheilt werden könnte, und Sachs selbst macht auch nicht
die geringste dahin zielende Andeutung. Wir haben uns daher nur an das unsichtbare or-
' Handbuch derExperimentalphysiologie der Pflanzen (Hofmeister -sHaiidb. d. phys. Bolaii. Bd. IV) I 865, p.i48.
2 ibid. p. 449. 438.
' Lehrbuch der Botanik \ 868. p. I I .
■• Handb. d. Exper.-Phy.s., p. 4Ö9.
59
ganische Centruin zu halten nntl zuzusehen, welclie Gründe für die Existenz desselben voi-
Uegen.
»Die äussere GestaUung des Protoplasmas zu einem bestimmt geformten Körper«, sagt
Sachs, »kann auf zwei Falle zurückgeführt werden : entweder streben die einzelnen kleinsten
Theilchen desselben sich concentrisch um einen gemeinsamen Mittelpunkt zu gruppiren und
Kugelform anzunehmen, oder es findet eine innere Bewegung statt, welche dahin führt, den
Protoplasmakörper nach iigend einer Richtung hin zu verlängern , die centripelale Anordnung
aufzuheben. Jenes tritt im Allgemeinen bei der Bildung neuer Zellen, dieses bei dem Wachs-
thum derselben ein«'. Hält man dies mit dem vorher Gesagten zusammen, so ist klar, dass
Sachs erstens in dem Bestreben des Plasmas, die Kugelform anzunehmen, die Kraft, welche die
Zelltheilung bewirkt, erblickt, und zweitens, dass er den Grund der Annahme der Kugelform
in der molecularen Umlagerung mit Beziehung auf sichtbare oder unsichtbare organische
Centra findet.
Es lässt sich ganz allgemein behaupten, dass alles Plasma, das keine Beweglichkeit
zeigt, wenn äussere hindernde Umstände ausgeschlossen sind, immer in Form von Kugeln er-
scheint; durch alle Einllüsse, die jene eigenartige Beweglichkeit zeitweilig oder dauernd auf-
heben und nicht sofortige Gerinnung, d. h. Uebergang in den festen Aggregatzustand, veran-
lassen, wird das Plasma aus jeder beliebigen Form in die der Kugel, oder doch wenigstens
eines sphärischen Körpers, übergeführt. Sehr schön lässt sich diese Erscheinung an den Zellen
von Fadenalgen 'studiren, die man der langsamen Einwirkung wasserentziehender Agentien
(verdünnte Zucker- oder Kochsalzlösungen, schwacher Alkohol) aussetzt. Der Plasmaschlauch
zieht sich zusammen und trennt sich von dei' Cellulosekapsel , anfänglich nur an einzelnen
Stellen, während andere, fester der Membran adhärirend, noch die Verbindung zwischen Plasma
und Membran erhalten; diese werden durch den Zug der Hauptmasse zu immer dünneren
Fäden ausgezogen, bis sie sich auch ablösen, oder sie zerreissen und bleiben zum Theil als
Klümpchen an der Membran haften : so entsteht ein frei in der Kapsel liegender , glatter,
sphärischer Körper, dessen Hauptdurchmesser immer der Längsrichtung der Membran entspricht.
Ganz analog ist das Verhalten aller pflanzlichen und thierischen in eine Membran eingeschlos-
senen Zellen , mögen sie einen Saftraum enthalten oder nicht , und es lä^t sich durch Ver-
gleichung der verschiedenen Formen leicht constatiren, dass die mehr oder minder beträcht-
lichen Abweichungen von der Kugelform von der Gestalt der Membran abhängen, indem in
langgestreckten das sich abrundende Plasma eine längliche Form beibehält, während es in
solchen, die nach allen Richtungen ziemlich gleich entwickelt sind, vollkommen kuglig wird.
Das letztere tritt übrigens auch dann ein, wenn der einschliessende Raum im Verhältniss zum
zusammengezogenen Plasma sehr gross ist, seine Form wirtl dadurch gleichgültig. An nackten
Zellen lässt sich da, wo sie fest mit einander zu Geweben verbunden sind, der gegenseitigen
1 Handb. d. Exper.-Phys.. p. 10.
60
Spannung wegen, die Kugelfoiin durch Wasserentziehung nicht herstellen, sobald man sie aber
isolirt, gelingt dies sofort, ebenso wie bei ursprünglich freien Zellen, z. B. Amoeben, weissen
Blutkörperchen u. s. w.
Wendet man das entgegengesetzte Verfahren an, hebt man die Bewegungen des Plasmas
auf, indem dasselbe zu übermässiger Wasseraufnahme veranlasst wird, so findet gleichfalls
Kugelbildung statt, und eine entsprechende Formveränderung bewirken mechanische Insulte, starke
Temperaturdifferenzen und der electiische Strom. Es ist nicht bewiesen, aber aus manchen
•Erscheinungen sehr wahrscheinlich, dass diese letzteren Einflüsse nur indirect dadurch, dass
auch sie eine Aenderung der Wassercapacität des Plasmas bedingen, dasselbe in die Kugelform
überführen, so dass demnach alle Fälle von Kugelbildung auf Wasserarmuth (nicht Wasser-
mangel) oder Wasserreichthum zu reduciren wären. Dem würde dann ein mittlerer Wasser-
gehalt des Plasmas als Zustand der eigenartigen Beweglichkeit entgegen zu stellen sein.
Endlich gehören hierher die Fälle, in welchen das Plasma sich im Laufe seiner Ent-
wicklung, ohne nachweisbare äussere Veranlassung zu Kugeln umformt. Dies findet besonders
häufig kurz vor Beginn der Theilung oder bei eben entstandenen jungen Zellen statt. Eine
Verdichtung durch Wasserverlust ist hiei' oft sehr deutlich zu erkennen.
Es kann nun wol keinem Zweifel unterliegen, dass die in Frage stehende Erscheinung
lediglich auf die Thätigkeit von 3Iolecularkräften zurückzuführen ist, und aus der Physik sind
Verhältnisse bekannt, unter denen ein sich selbst übeilassener Körper Kugelform annehmen
muss. Die Bedingungen sind 1 . dass die Molecüle sich einander in allen Richtungen gleich-
massig anziehen, und 2. dass dieselben eine leichte Verschiebbarkeit besitzen. Bei einem der-
art beschaffenen Körper übt nothwendig seine oberflächliche Schicht einen Druck auf die nach
innen gelegenen unter einander im Gleichgewichtszustande befindliehen Theilchen aus, und da
dieser Druck an allen Punkten der Oberfläche gleich sein muss, wird sie die Form eines Kugel-
mantels annehmen, weil nur dann eine vollkommen gleichmässige Spannung möglich ist. Körper
von solcher Molecularbeschafl'enheit nennt man Flüssigkeiten und bezeichnet die Annahme der
Kugelforni als Tropfenbildung. Dieser allgemeinen Thatsache gegenüber ist es nicht nur ge-
stattet, sondern geboten, jeden Köiper, welcher sich selbst überlassen Kugelform annimmt,
wenn nicht ganz bestimmte und entscheidende Gründe dagegen sprechen, als flüssig und den
entsprechenden Gestaltungsprocess als Tropfenbildung aufzufassen. So hält man allein wegen
der Form der Himmelskörper den früheren flüssigen Zustand derselben für erwiesen. Derselben
Beurtheilung müssen auch die betreffenden Formen des Plasmas unterzogen werden, und be-
sonders Hofmeister hat in slrictester Weise die Plasmakugeln mit Flüssigkeitstropfen identificirt.
So sehr gewiss der Aggregatzustand des freibeweglichen Plasmas von dem einer Flüssigkeit
entfernt ist: in dem Augenblick, in dem es sich zu einer Kugel zusammenballt, ist es flüssig.
Sachs vertritt freilich eine andere Ansicht, er sagt: »So gross aber auch die Wassermenge und
dem entsprechend die Aehnlichkeit mit einer Flüssigkeit sein mag, so ist das Protoplasma doch
niemals eine Flüssigkeit, selbst die gewöhnlichen teigigen schleimigen und gallertartigen Zustände
61
anderer Körper können luit ihm nur i,'anz oberflächlich verglichen werden« '. Nach einem
Beweise für diese Behauptung habe ich vergeblich gesucht, es sei denn, dass folgende Bemer-
kung einen solchen enthalten soll. Sachs beschreibt die Vorgänge bei der Copulation von
Spirogyra longata: »Die Verschmelzung macht den Eindruck, als ob zwei Flüssigkeitstropfen
sich vereinigten, das Protoplasma ist aber niemals eine Flüssigkeit, und abgesehen von anderen
Umständen zeigt eine Thatsache, dass hier ganz besondere Kräfte, die jeder Flüssigkeit fehlen,
thätig sind; das schraubentörmige Chlorophyllband nämlich bleibt bei der (^ontraction jedes der
beiden conjugirenden Protoplasmakörper erhalten, nur wird es enger zusammen gezogen ; wäh-
rend der Vereinigung nun legen sich die Enden der beiden Chlorophyllbänder so an einandei-,
dass sie jetzt ein Band bilden« ^. .Mir ist dieser Vorgang aus eigener Anschauung nicht be-
kannt, so viel ist aber klar, dass damit Nichts gegen die flüssige Beschaffenheit der Haupt-
masse der conjugirenden Plasmakörper und die Abhängigkeil ihrer ellipsoidischen Form von
dieser Beschaffenheit bewiesen ist. Denn aus dem Verhalten der Chlorophyllbänder, welche
schon durch die Beibehaltung ihrer eigenthümlichen Form und ihre scharfe Begrenzung zeigen,
dass sie nicht flüssig sind, lässt sich auf die Beschaffenheit des übrigen Plasmas nicht schliessen,
dieses kann flüssig sein und einen Tropfen bilden, während das eingeschlossene Chlorophyll-
band Bewegungen ausführt, welche, seinen eigenthümlichen Molecularverhältnissen entsprechend,
von denen seiner flüssigen Umgebung durchaus verschieden sind.
Wenn aber richtig ist, dass das Streben nach der Kugelform, wie es beim Plasma
vorkommt, iu allen Fällen von der Verflüssigung desselben abhängig ist, so hat die SACHs'sche
Hypothese einer molecularen Umlagerung mit Beziehung auf ein organisches Centrum offenbar
keinen Sinn, denn die Tropfenbildung ist eine Folge der Oberflächenspannung, und in einer
Flüssigkeit giebt es gar kein physikalisches Centrum. Ferner zeigen die Plasmakugeln ganz
übereinstimmend mit allen andern Flüssigkeitstropfen die nothwendige Verdichtung der Ober-
fläche (das Flüssigkeitsoberhäutchen) oft in ausserordentlicher Deutlichkeit ; nach Sachs' An-
schauung ist dies Verhalten aber nicht nur völlig unerklärlich , sondern es enthält einen di-
recten Widerspruch, weil, wenn ein Anziehungscentrum vorhanden wäre, nothwendig die cen-
tralen Theile die dichtesten, die an der Peiipherie am wenigsten dicht sein müssten Ist dem-
nach die Annahme eines Centrums für die Entstehung von Plasmakugeln unstatthaft, so lässt sich
auch die Zelltheilung nicht als Effect einer molecularen Umlagerung mit Beziehung auf Bildungs-
mittelpunkte auffassen, zumal die nothwendig vorausgesetzte zeitweilige Vermehrung dieser
Centra weder von Sachs irgendwie erklärt ist, noch überhaupt erklärlich erscheint. Welche
unwesentliche Bedeutung die Kugelbildung meiner Meinung nach im Verlauf der Zelltheilung
hat, werde ich gleich aus einander setzen.
Vorher will ich aber, um mich nicht Missverständnissen auszusetzen, eine Bemerkung
' Lehrb. d. Botan., p. 39.
2 ibid. p. 10.
62
gegen Hofmeister einschalten. Hofmeister bezeichnet vielfach lebendes Plasma ganz allgemein
als flüssig, andrerseits hebt er nachdrücklich heivor, dass die Bewegungserscheinungen des-
selben einen eigenartigen Bau, »welcher von dem Aggregationszustande breiartiger oder flüs-
siger unorganischer Körper abweicht«' voraussetzten. Es scheint dainach fast, als ob Hof-
meister organische von unorganischen Flüssigkeiten unterscheide, da aber das einzige Kriterium
einer Flüssigkeit darin besteht, dass die leicht verschiebbaren Molecüle. sich einander nach allen
Richtungen gleichmässig stark anziehen, so ist ein Körper entweder flüssig, oder er ist es nicht,
weitere Unterschiede kann es in dieser Beziehung nicht geben, und die aus ihrer molecularen
Beschart'enheit folgenden Bewegungen müssen für alle Flüssigkeiten wesentlich dieselben sein.
Weiter heisst es: »Im lebenden Plasma wirken zwei verschiedene V^orgänge nach weit aus
einander gehenden Richtungen hin: Einestheils das Streben zur Veränderung von Gestalt und
Ort, und anderntheils das Streben zui- Tropfenbildung, zur Annahme der Kugelfoim, welches
das Protoplasma mit allen flüssigen und halbflüssigen Körpern theilt« '-. Der erste Vorgang ist
von nach verschiedenen Richtungen verschiedener, der zweite von nach allen Richtungen
gleichmassiger gegenseitiger Anziehung der kleinsten Theilchen bedingt, also heisst iler Satz
mit andern Worten : das Plasma ist ein Körper , dessen Molecüle sich ungleichmässig und zu-
gleich gleichmässig anziehen. Mir scheint, dass man überhaupt nicht berechtigt ist, dem Plasma
im Allgemeinen einen bestimmten Aggregatzustand zuzuschreiben, was streng genommen auch
für fast alle andern Körper gilt. Je nach den Verhältnissen, unter denen es sich befindet, hat
das Plasma bald einen ihm ausschliesslich zukommenden Aggregatzustand, welcher wol eben-
soweit von dem des Festen, wie von dem des Flüssigen entfernt ist, bald ist es flüssig — für
die Erklärung seiner Bewegungserscheinungen ist es aber von wesentlichster Bedeutung, dass
diese verschiedenen Zustände nicht allein zeitlich sehr schnell wechseln, sondern, dass auch in
derselben Masse verschiedene Stellen, unbeschadet ihres Zusammenhanges, gleichzeitig verschie-
dene Aggregatzustände anzunehmen vermögen.
Hofmeister erklärt die Zelltheilung für identisch mit der Tropfenbildung : Primordialzellen
sind Tropfen ^. Zu ihrer Bildung gehören zwei Bedingungen : erstens eine durch Wassenerlust
entstandene bestimmte Dichtigkeit des Plasmas, welche die eigenartige Beweglichkeit desselben
aufhebt, und zweitens ein für jeden generellen Fall bestimmtes, nur innerhalb enger Grenzen
schwankendes Volumen. »Wird dies Maass überschritten, so tritt Zerklüftung, Tropfenbildung,
Theilung des Protoplasmas in mehrere Massen ein« *.
Es ist ersichtlich, dass hiermit keine Erklärung der Zelltheilung gegeben ist, denn die
Erklärung dieses mechanischen Vorganges verlangt neben dem Nachweis oder der hypothe-
tischen Annahme bestimmt thätiger Kräfte die Feststellung des nothwendigen Zusammenhanges
1 Die Lelire von der Pflanzenzelle (Haiidb. d. pliys. Botan., Bd I) 1867, p. 60.
2 ibid. p. 135.
3 ibid. p. 14.3.
* 1. c. p. 143.
63
(lieser letzteren mit der in Frage stehenden Erscheinung. Ich glaube aber auch die Behaup-
tung vertreten zu können, dass mit den beiden von Hofmeister aufgestellten Bedingungen die
Zelltheilung sich überhaupt nicht erklaren liisst.
Die Tropfenbildung an sich kann, da sie Nichts weiter als der Ausdruck gleichmässiger
(lohüsion ist, niemals Grund eines Zerfalls, d. h. der partiellen Aufliebung der Cohasion sein
— ebensowenig wie ein Wassertropfen wird eine überall gleichartige Plasmakugel, man
denke sie sich so gross, wie man will, sobald alle äusseren Kräfte ausgeschlossen sind,
sich in Stücke theilen können. Findet jedoch eine Wechselwirkung mit andern Körpern statt,
oder sind bestimmte Verschiedenheiten in der Masse eines plasmatischen Körpers voihanden,
so wären, wenn man von Verhältnissen absieht, welche beim Plasma realiter niemals vor-
kommen, zwei Fälle denkbar, in welchen die Theilung auf Tropfenbildung zurückgeführt werden
könnte. Der erste wäre der, dass in einer einseitig oder allseitig einem festen Körper ad-
härirenden, wenigstens partiell verflüssigten Plasmamasse, innerhalb einer oder mehrerer mitt-
lerer Zonen das Adhäsionsvermögen aufhörte, während es in den übiigen bestehen bliebe. Es
würde dann eine Ansammlung der Molecüle an den Stellen der Adhäsion stattfinden, was bei
bestimmter Mächtigkeit der Masse und bestimmter Ausdehnung der verschiedenartigen Zonen
zur vollständigen Trennung in soviel Theile, als Adhäsionsstellen da sind, führen muss. So theilt
sich auch eine dünne Wasserschicht, die durch Druck auf einer stellenweise fettigen Holzplatte
continuirlich ausgebreitet ist, beim Aufhören des Drucks in einzelne Tropfen, indem die Theil-
chen von den Orten, an denen keine Adhäsion besteht, fortgezogen werden. Derselbe Vor-
gang tritt unzweifelhaft aucli ein bei dem Zerfall des plasmatischen Wandbelegs langgestreckter
Algenzellen , den man durch langsame Einwirkung von Zuckerwasser zui' Zusammenziehung
bringt, und gerade hier geben sich die Adhäsionsverschiedenheiten eclatant zu erkennen. Hof-
meister scheint diesen Fall in's Auge gefasst zu haben, er bedient sich desselben aber nur zur
Erklärung einer hier nicht weiter zu berücksichtigenden Thatsache '. Ob aber irgendwo unter
normalen Verhältnissen eine Zelltheilung auf diesem Wege zu Stande kommt, scheint mir bei
dem Mangel jeder dahin zu deutenden Beobachtung mehr als zweifelhaft; für die grosse Mehr-
zahl aller Zellen ist schon durch ihre Form und Umgebung diese Möglichkeit direct ausge-
schlossen.
Der zweite Fall besteht darin, dass das tropfenbildende Plasma nicht überall gleichartig
ist: sind dann eine oder mehreie Stellen der Oberfläche von geringerer Dichtigkeit als die
andern, und findet gleichzeitig eine relativ starke Oberflächenspannung der dichteren Parthien
statt, so wird ein Theil der unter dem Druck stehenden Innern Masse an den Orten des
kleinern Widerstandes nach aussen gedrängt werden, sich hier zu einer Kugel abrunden und
schliesslich eine völlige Abtrennung erfahren. Diese Erscheinung finde ich sehr deutlich bei
zarten Zellen, die man der Einwiikung einer Chromsäurelösung von äusserst geringer Con-
' I. c. p. Mü.
64
cenlration aussetzt; die Hauptmasse derselben ist in Folge der Wasserentziehung geschrumpft,
an einer Stelle sitzt aber ein anfangs sehr weicher und leicht zerfliesslicher, allmählich sich
verdichtender Plasmatropfen an. Aehnlich scheinen auch die unter dem ertödtenden Einfluss
des Wassers aus einer Plasmamasse austretenden Tropfen zu beurtheilen zu sein, und sich
besser so, als durch die Annahme partieller Quellung, zu erklären. Es wäre auch möglich,
dass analoge Vorgänge bei jener Art von Zellvermehrung, die man als Sprossung bezeichnet,
eine Rolle spielten; nachweisen lässt sich das aber keineswegs, und für alle andern Zellver-
mehrungen ist eine solche Annahme durchaus unstatthaft.
Welche Vorgänge könnte man sonst noch, um die Zelltheilung durch Tropfenbildung zu
erklären, construiren, die nicht den (Iharacter der realen Unmöglichkeit an sich trügen?
Hofmeister meint: »Die Vorstellung: das Protoplasma eines im Wachsthum begriüenen
Pflanzentheils vermöge nur so lange im Zusammenhange zu l)leiben, als seine Masse (die
Quantität seiner Materie) ein bestimmtes, für jeden generellen Fall verschiedenes, für gleich-
artige Entwicklungsvorgänge aber annähernd gleiches Maass nicht überschreitet« '. Ich halte
diese Vorstellung doch für unerlaubt. Die Masse eines sich selbst überlassenen Körpers ist an
sich niemals Grund seines Zerfalls; die Theilung setzt innere Veränderungen voraus, qualitative
und nicht quantitative, und wenn auch die Thatsache, an der ich keineswegs zweifele, besteht,
dass bei einem gewissen Volum einer Zelle immer Zerfall derselben eintritt, bleibt die wesent-
liche Frage, von der wir ausgegangen sind, die »Mechanik der Theilung, absolut unaufgeklärt.
Ich glaube in Vorstehendem nachgewiesen zu haben, dass das Streben nach der Kugei-
form oder die Tropfenbildung, d. h. der Zustand des molecularen Gleichgewichts, nicht die
Ursache der Zelltheilung sein kann, dass also auch diese Erscheinung, wenn sie vor, während
oder nach dem Theilungsact auftritt, in keinem directen causalen Zusammenhange mit dem-
selben steht. Indem ich nun eine Erklärung der Theilung des Hydraeies versuche, werde
ich auch auf Fälle verweisen, in denen die Kugelbildung während des ganzen Theilungs-
actes fehlt.
Die vorher ausführlich beschriebenen Vorgänge während der Furchung des Hydraeies
bestehen in allgemeinen Formveränderungen, localer Pseudopodienbildung und der an einer
Stelle oberflächlich beginnenden, unmer tiefer einschneidenden Continuitätstrennung; die Form-
veränderung steht in bestimmter Beziehung zu der Continuitätstrennung, indem die letztere
immer erst dann beginnt, wenn der auf der Theilungsebene senkrechte Durchmesser eine ge-
wisse Grösse erreicht hat, und diese Beziehung dauert während des ganzen Actes, so dass die
Tiefe und peripherische Ausdehnung der Furche im geraden Verhältniss zur Grösse des senk-
rechten, im umgekehrten zu den beiden andern Durchmessern steht; die neuentstandenen Zellen
liegen mit ebenen Flächen aus einander, bis sie vorübergehend Kugelform annehmen oder
gleich Veränderungen zeigen, welche die weitere Theilung einleiten. Diese Umstände beweisen,
1 1. c. p. 1 15.
65
dass hier die Tropt'enbildiing keine Rolle spielt: fernei- können die Formveiiinderungen nicht
Folge der Theilung sein, da sie schon vor Beginn derselben vorhanden sind.
Was nun die Kräfte ani)etrifl't, welche diese Umgestaltungen bewirken , so wissen wir,
dass die fast frei im Wasser schwebende J'lasmamasse Kugelform haben muss, wenn ihre
Molecularkrafte sich überall im Gleichgewicht erhalten; der Uebergang in jede andere Form
wird daher die Aufhebung des Gleichgewichts der Molecüle voraussetzen. Die Cohiision des
Plasmas ist local veiiindert, an den einen Stellen ziehen sich die Molecüle stärker an, und
zwar in verschiedenen Richtungen verschieden stark, während an den andern die allseitig
gleichmässige und schwache Anziehung erhalten bleibt. Diese Gohäsionsditferenzen werden,
ihi'er Verbreitung entspi-echend, eine allgemeine oder beschränkte Lagenveränderung der Mole-
cüle zu einander herbeiführen, ein Tlieil derselben wird seinen Ort verlassen und sich an den
Punkten und in der Richtung der stärksten Anziehung ansammeln, während ein anderer seinen
Ort beibehält oder doch nur sehr wenig ändeit. Man wird also ruhende und veränderliche
Theile in derselben Plasmamasse unterscheiden. Indem bald ruhende Stellen v'eränderlich
werden , bald veränderliche in Ruhe übergehen , und je nachdem die veränderlichen Stellen
einem raschen Wechsel der Anziehungsintensität und -Richtung unterworfen sind oder nicht,
finden die verschiedenartigsten Bewegungen der .Molecüle statt, und diese werden nicht allein
zu bloss inneren Verschiebungen, sondern untei- Umständen gleichzeitig auch zu localen oder
allgemeinern Verändeiungen der Conhguration der Oberfläche führen. Nennt man die in Folge
von Cohäsionsverschiedenheiten eintretenden fortschreitenden Bewegungen der Molecüle eines
plasmatischen Körpers Strömungen, so kann man bei dem Hydraei zwei F"ormen von Strö-
mungen unterscheiden : erstens die localen uud oberflächlichen Pseudopodien , und zweitens
Strömungen, welche die Gesammtform des Eies verändern, indem sie dasselbe aus der Kugel-
.forni in die eines mehr und mehr gestreckten Ellipsoids überführen.
Bewirken dieselben Kräfte , welche sich in den Strömungen aussprechen , nun auch
gleichzeitig die Theilung? Beweisen kann ich das freilich nicht, wenn man aber festhält, dass
diese Kräfte durchaus geeignet erscheinen, eine Continuitütstrennung zu veranlassen, und dass
zwischen der Formveränderung des Eies und der Furche eine gesetzmässige Relation besteht,
so- scheint mir die Annahme .sehr gerechtfertigt, dass es in der That Cohäsionsdifferenzen sind,
die dadurch, dass sie Verschiebungen der Molecüle herbeiführen, an einzelnen Stellen den
Zusanunenhang des Plasmas aufheben. Man könnte dann die Theilung auch als ein Strömungs-
phänomen bezeichnen, nach Sachs' Schema als moleculare Umlagerung ohne Beziehung auf ein
Centrum.
Die Pseudopodienbildung kann ihrem ganzen Verhalten nach keinen wesentlichen Ein-
fluss auf die Theilung haben, dieser wird daher in der allgemeinen Gestaltveränderung des
Eikörpers zu suchen sein, und der Vorgang durfte in seinen Einzelheiten vielleicht folgender-
maassen verlaufen.
Aus unbekannten Gründen treten im Ei Cohäsionsverschiedenheiten in bestimmter An-
Kleinenberg. Hydra. q
66
Ordnung ein; die Hauptmasse desselben und besonders eine mittlere Zone, durch welche später
die Theilungsebene verläuft, bleiben zunächst im Ruhezuslande, d. h. sie haben eine allseitig
gleichmässige schwache Cohäsion, oder sie sind flüssig, dagegen erhalten an der Oberfläche bei
der ersten Theilung in der Umgebung des aussen Pols^ zu beiden Seiten der Theilungszone
die Molecüle eine stärkere und ungleichmässige Anziehungskraft, welche am stärksten in der
Richtung der Tangente wirkt, in Folge dessen streben sie sich einander zu nähern, ihre ur-
sprünglichen Orte zu verlassen und sich an andern anzusammeln. Dies ist nur dadurch mög-
lich, dass Molecüle der ruhenden Theile entweder umgelagert werden oder den Zusammenhang
mit ihrer Umgebung verlieren. Ersteres ist der Fall mit den nach unten gelegenen seitlichen
Theilen, Molecüle derselben bewegen sich nach jenen Orten, welche von den sich einander
nähernden Molecülen der veränderlichen Theile verlassen werden, und indem sie hier eine
entsprechende Aenderung ihi'er (^ohäsionsverhältnisse erfahren, vergrössern sie gleichzeitig die
Spannungsditterenzen und bewirken die allmähliche Umgestaltung der Form ; auf die Theilungs-
zone dagegen wirkt die verstäi'kte Anziehung auf beiden Seiten in entgegengesetzter Richtung,
sie wird gedehnt, bis die schwache Cohäsion ihrer Theilchen an irgend einer Stelle überwunden
ist, es erfolgt ein Riss und die Plasmamassen weichen aus einander. Nachdem dies an der
Oberfläche erfolgt ist, beginnt derselbe Vorgang in der nächst unteren Schicht, und indem nach
und nach immer tiefere Lagen ergiifl'en werden, schreitet die Continuitätstrennung bis zum
vollständigen Zerfall des Eies in zwei Zellen fort.
Dass die hier gegebene Erklärung der Zelltheilung allgemeine Geltung hat, lässt sich
bei dem gegenwärtigen Stande unserer Kenntniss dieser Vorgänge nicht ohne Weiteres be-
haupten. Ich finde aber eine grosse Reihe von Fällen, z. H. Furchung vieler Eier, Theilung
von Moneren, Amoeben und Bindegewebskörperchen nach Stricker , die sich mit Entschieden-
heit derselben Deutung unteiwerfen , und andierseits keinen, der sie unmöglich erscheinen
Hesse — sobald man berücksichtigt, dass, wenn ich auch allerdings beim Hydraei besonderes
Gewicht auf die Gestaltveränderung legen musste, doch vorhandene und wirksame Cohäsion.s-
diö'erenzen nicht nothwendig immer mit Gestaltveränderungen verknüpft zu sein brauchen.
Gestalteten jedoch, wenn auch nur vereinzelte , Facta meinem Erklärungspiincip die Verallge-
meinerung nicht, so würde ich es, selbst für die Fälle, denen es sich mit Leichtigkeit anpasst,
fallen lassen, denn ich schliesse mich durchaus der Ansicht Hofmeister's an, dass die in Rede
stehenden Protoplasmabewegungen »unter sich so wesentlich gleichaitig sind, dass jeder Erklä-
rungsversuch von vorn herein für verfehlt gelten muss, der nicht alle bekannten Fälle begreift."
Bildung der Keinisclialen.
Wir haben gesehen, wie aus der Eizelle durcii fortschreitende Zweitheilung ein viel-
zelliger kugliger Keim entstand, dessen kernhaltige Zellen nach Beendigung der Theilungen eine
Differenzirung eingehen, indem eine einfache, die Oberfläche bildende Lage derselben (Taf. III
Fig. 1, Fig. 2 A) längliche prismatische Formen anninmit, während die innere Hauptmasse aus
67
diclit gedrängten, nirgends einen Zwischenraum lassenden polyedrisclien Zellen Tat". III Fig. 2ß)
zusammengesetzt ist. Die Oberflüche ist glatt und das ganze Gebilde erscheint hell und glän-
zend. Nach einigen Stunden bemerkt man schon mit blossem Auge eine Veränderung ; der
Keim ist dunkel und matt geworden. Das Microscop giebt die Erklärung dieser Erscheinung.
Die Überfläche ist nicht mehr glatt, sondern hat ein körniges Aussehen, die Enden der Zellen
bilden zusammen nicht mehr eine ununterbrochene Fläche, sondern jede derselben grenzt sich
von ihrer Umgebung deutlich ab, indem sie sich kuppenförmig erhebt. Soviel sieht man am
unverletzten lebenden Keim. Hat man denselben duich Chromsäure gehärtet und durchschnitten
Oller mit Essigsäure macerirt, so dass die einzelnen Zellen sich isoliren lassen, so ergiebt sich,
dass nicht nur die Form, sondern auch die Beschatl'enheil des Plasmas, sowie die Anordnung
der festen Einschlüsse der prismatischen Zellen verändert ist. Bishej- waren die Eiweisskörn-
chen, Chlorophyllkorner und Pseudozellen unregelmässig im Plasma jeder Keimzelle eingebettet,
sowohl an der Oberfläche, wie im Innern drängten sich diese Gebilde zusammen und machten
die Hauptmasse der Zelle aus, jetzt ist die Anzahl dieser Elemente in den Zellen der äussern
Lage augenscheinlich verringert und der Rest, hauptsächlich aus einigen, theils noch wohl-
erlialtenen, theils mehr oder weniger zerfallenen , unregelmässig gestalteten Pseudozellen be-
stehend, hat sich auf das der Obei'rtäche al)gewandte Ende der Zelle zurückgezogen (Taf. III
Fig. 3). Diese Umwandlung erfolgt ganz allmählicii, anfänglich ist an iler freien Fläche der Zelle
nur ein von Einschlüssen freier, schmaler Saum bemerklich, tler aber immer breiter in die
Tiefe greift und bald übei- die Mitte des Zellkorpers hinaus sich erstreckt. Das Plasma dieses
Theils ist klar und liat nur ein ganz leicht granulirtes, von unmessbar kleinen Körnchen her-
rührendes Aussehen, sein Lichtbrechungsvermögen ist stärker geworden, es erscheint glas-
artig glänzend, und zugleich hat sich sein Absorptionsvermögen für Farbstoffe geändert. Be-
handelt man eine solche Zelle mit Anilinlösung, so zeigt sich , dass die helle äussere Schicht
sich schwächer färbt. Dies ist an denjenigen, welche in ihren centralen Enden noch viel
Pseudozellen enthalten, nicht sehr deutlich, weil die Wandungen der letzteren den Farbstoff
sehr energisch imbibiren und dann feinere Farbenunterschiede des umgebenden Plasmas
verdecken , aber es finden sich in jedem Keim einzelne [)rismatische Zellen , welche , von
Hause aus weniger Pseudozellen besitzend, dieselben auf dieser Stufe der Entwicklung schon
völlig verbraucht haben: diese erscheinen gegen ihr centrales Ende hin dunkler, die Anilin-
oder Karmint^rbung ist hier an» intensivsten und nimmt sehr deutlich, aber in ganz allmäh-
lichem üebergange, gegen das freie Ende zu ab.
üei' Kern, welcher unmittelbar untei" dei' freien Fläche dei- prismatischen Zelle ent-
stand, verbleibt daselbst, auch noch wenn die Pseudozellen und Chlorophyllkörnern sich gegen
das innere Ende hin zurückgezogen haben. Seine Substanz, in der das stark lichtbrechende
punktförmige Kernkörperchen sich erhalten hat oder schon geschwunden ist, nimmt die optische
Beschalfenheit des umgebenden Plasmas an, seine Existenz ist nur iladuich erkennbar, dass er
sich mit einer diflerenten Membran umgeben hat , w eiche sich scharf, sowohl gegen seine
9*
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eigene Substanz, als auch gegen das Zellplasma. abgrenzt, so doch der optische Eflect eines
mitten in gleichartigei- Masse gelegenen kreisrunden oder ovalen Ringes entsteht. Diese Mem-
bran wird nach und nach körnig, gebrochen und verkleinert ihren Umfang Taf. III Fig. 3), bis
sie endlich ganz schwindet und eine Vermischung der Kernsubstanz mit der Zellmasse eintritt.
Alle Zellen des Keims waren bisher hüllenlose nackte Plasmakörper; nachdem die eben
beschriebenen Veränderungen an den prismatischen Zellen eingetreten sind, bemerkt man plötzlich
an dem freien Ende derselben einen scharfen doppellen (lontour. dei- gleichmässig über die
ganze Flache hinzieht, wie ein schmaler niedrigei' Keil zwischen die Zellgrenzen eindringt und
ununterbrochen auf die Fläche der nächsten Zelle übergeht Taf. III Fig. 5). Durch Maceration
mit Essigsäure oder sehr verdünnter Chromsäure gelingt es denn auch leicht, eine zusammen-
hängende Haut von dem Plasma abzuheben. Die Zellen der äussern Schicht haben an ihrer
freien Fläche eine di Heren te Membran gebildet, welche niedrige leistenartige Fortsätze zwischen
die Berührungsflächen der an einander gedrängten Zellen hineinschickt ; letzlere stellen also
sehr unvollständige, nur auf die äussern Enden beschränkte Scheidewände dar. Dass der übrige
Theil der Zellkörper durchaus einei- solchen Umhüllung entbehrt, lässt sich mit xölliger Sicher-
heit sowohl an den Zellen selbst, als auch an der isolirten .Membran demonstriren. Diese er-
scheint als ein wasserhelles Häutchen von fast unmessbarer Dicke, das durch äusserst zarte
gerade Linien in polyedrische Felder gelheill ist. Es ist leicht ersichtlich, dass diese Zeich-
nung von den senkrecht auf der Fläche der Membran stehenden Leisten heirühit, dass also die
polyedrischen Felder genau die Flächen der betretfenden Zellen wiedergeben. Das Häulchen
verhält sich gegen chemische Agentien sehr indilferent, und seiner Resistenz gegen Säuren und
Alkalien nach scheint es aus einei' hornigen oder chitinösen Masse zu bestehen.
Auf die Abscheidung der ersten Membran folgt bald die Bildung einer zweiten, unter
ihr gelegenen, dann die einer diitten (Taf. III Fig. Gas u. s. w., so dass am Schluss des Vor-
gangs der Keim anstatt von einer Lage nackter prismatischer Zellen von einer 0,04 — 0,5 """
dicken, sehr harten Chilinschale umgeben ist. Die Structur derselben entspricht ihrer Ent-
stehung. Von der Fläche gesehen, erscheint sie aus fünf- oder sechseckigen ziemlich gleich
grossen und feinpunktirlen Feldern zusammengesetzt Taf. III Fig. 8). Auf dem Durchschnitt
(Taf. III Fig. 7 as) sieht man. dass die Überfläche nicht glatt, sondern mehr oder weniger un-
eben ist; die Schale wird von radial verlaufenden derben, etwas körnigen Linien, welche
die ganze Dicke durchsetzen, in einzelne Felder zerlegt; zwischen je zweien dieser Linien ver-
laufen rechtwinklig zu ihnen, nicht immer gerade,* sondern hin unil wieder leicht wellig ge-
bogene, bedeutend zartere Striche in gleichen Abständen von einander; und endlich erkennt
man zwischen den letztern ein System senkrecht gerichteter überaus feiner Strichelchen. Die
Combination der Flächenansicht mit dem Durchschnittsbilde ergiebt ohne Weiteres den Bau der
Schale: sie ist zusammengesetzt aus einer Menge fünf- oder sech.seckiger prismatischer Säulen,
von welchen jede aus 6 — 15 auf einander geschichteten dünnen Plättchen besteht. Wie die
innerhalb jeder Säule wahrnehmbare feine Streifung zu deuten ist. wurde mir nicht ganz klar.
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es wäre möglich, dass radiäre ('.anälchen die einzelnen Lamellen durchziehen (dass sie nur
ilurcii je ein Plättchen und nicht continuiilich duich die ganze Dicke der Schale verlaufen,
glaube ich deutlich wahrgenonnnen zu haben^, und dass die Punktirung der (Oberfläche den
.Mündungen derselben entspiäche.
Nachdem 'die äussere Schale auf die beschriebene Weise entstanden ist, bildet sich
zwischen ihr und dem Keim, diesem dicht anliegend, eine zweite Hülle. Dies ist ein structurloses
durchsichtiges und sehr elastisches Häutchen von ca. 0,008™'" Dicke (Taf. III Fig. 7, Fig. 11 /s).
Ueber die Art dei- Entstehung diesei- Membran habe ich nichts feststellen können, es scheint
mir bei der Homogenität und den> völligen Mangel einer Zusammensetzung aus gesonderten
Elementen am wahrscheinlichsten, dass sie durch Erhärtung einer Flüssigkeil zu Stande kommt,
welche von dem Keim zwischen seiner Oberfläche und der innern Wand der äussern Schale
ausgeschieden wird.
Die hier gegebene Bildungsgeschichte der Schalen des Kein)s von Hydra viridis weicht
sehr ab von dem, was bisher über diesen Vorgang bekannt war. v. Siebold ist der Erste, der
ziemlich ausführliche dahin bezügliche Angaben gemacht hat, diese sind jedoch weder klar,
noch lassen sie sich mit dem von mir Gefundenen in Einklang bringen. Nach ihm wird das
Ei , welches durch Au.seinanderweichen der Cutis nach aussen getreten ist , von einer »sehr
zarten Spinnwebehaut" umhüllt, die von dem napfförmigen Organ ausgeht. Bevor sich ein
solches Ei von seinem Mutterboden trennt, nimmt die Hülle, welche den Dotter zunächst um-
giebt, eine derbere Beschaffenheit an und wird zugleich von einer gallertigen Masse über-
zogen, dann wachsen bei H. vulgaris aus ihr rund herum stumpfe Fortsätze hervor, welche
sich verlängern, an ihrer Spitze ein- oder mehrmal spalten und so eine zackige Form be-
kommen. Die zarte Spinnwebehaut berstet zuletzt, das Ei fällt ab und heftet sich, indem der
Gallertüberzug schwindet, irgendwo fest. Aehnlich verhalten sich die Eier vom H. viridis, nur
bilden sich hier ganz kurze, sehr dichtstehende Fortsätze auf der Dotterhülle aus '.
Diese Darstellung wurde von Ecker für H. viridis bestritten. Ecker erkannte, dass das
Ei nackt, ohne besondere Dotterhaut und ohne das SiEBOLD'sche Spinnvvebehäutchen heraustritt.
Die sich später bildende Schale ist in polygonale, in der Mitte etwas erhabene Felder getheilt,
welche jedoch nicht einer Zusammensetzung aus Zellen entsprechen sollen. Von der Entwick-
lung der Schale sagt Ecker, dass sie zuerst als eine structurlose Haut, «in welcher die Grenzen
der künftigen Felder nur durch Streifen von Körnchen bezeichnet waren« ^ auftritt. Die Ab-
bildungen, welche er von der ausgebildeten Schale des Keims von H. viridis giebl, sind nicht
ganz naturgetreu, denn sie besteht nicht aus regelmässigen erhabenen Feldern, sondern nur
einzelne derselben ragen vor, während andere eine imprimirte Oberfläche haben.
Max ScHiLTZE giebt an, die Keimschalen von H. viridis und vulgaris enthielten kohlen-
' Lelirbucli der vergl. Analoniie d. wirbellosen Thiere, 1848, p. 51.
'^ Entw. d. grün. Armpolypen, p. ii.
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sauren Kalk '. Ich niuss dies entschieden in Abiede stellen, da es mir nie gelang, aus der
vorher von anhaftenden Sand- und Schlamintheilchen sorgfaltig gereinigten Schale Kohlensäure-
blasen zu entwickeln.
Nachdem ich die Schalenbildung von Hydra viridis untersucht hatte , musste es von
besonderm Interesse sein , den entsprechenden Vorgang bei den beiden Varietäten von H. vul-
garis kennen zu lernen, da sich die fertigen Schalen der beiden Arten sehr auffällig von einan-
der unterscheiden. Die Keimschale von H. aurantiaca ist eine im Vergißich zu der von
H. viridis dünne Chitinkapsel, welche mit einer Menge ziemlich langer Stacheln ringsum besetzt
ist. Einige dieser Stacheln sind in eine feine Spitze ausgezogen, das Ende der meisten ist
aber einfach oder doppelt gespalten und läuft in 2 — 4 hakenförmige Zacken aus. Es ist mir
gelungen, die Entstehung dieser eigenthümlichen Formen, wie ich glaube, vollständig zu ver-
folgen.
Die ersten Vorgänge in den prismatischen Zellen der äussern Lage des Keims \on
H. aurantiaca sind genau dieselben, wie die vorher geschilderten: die Zellen trennen sich ober-
flächlich von einander, ihre Einschlüsse ziehen sich auf das centrale Ende zurück, und die
äussere den Kern umgebende Plasmaschicht ist moditicirt in Bezug auf die Lichtbrechung und
die Farbstotfimbibition (Tat. III Fig. 3 . Dann tritt aber eine Veränderung ein, welche bei dei-
Schalenbildung iler H. viridis ganz fehlt. Dicht unter der freien Oberfläche der Zellen ent-
steht ein (zuweilen auch zwei) mit Flüssigkeit erfüllter Raum von linsenförmiger Gestalt ; seine
äussere Wand besteht aus einem äusserst zarten Häutchen, das von der Substanz der Zelle
abgehoben ist und dieser wie ein starkes gewölbtes Uhrgläschen aufsitzt, sein Boden wird
von einer flachen Impression des Zellkörpers gebildet. Die dunkle Keimkugel ist überall mit
hellen Buckeln besetzt (Taf. III Fig. 9) und erinnert lebhaft an die Bilder, welche man so häufig
künstlich durch die Einwirkung verdünnter Säuren erzeugt. Die einzelnen Räume sind in Bezug
auf ihre Grösse sehr ungleich, die in ihnen enthaltene Flüssigkeit ist wasserklar ohne irgend
welche Beimischung von Körnchen, die abgehobene Decke geht mit ihrem Umfange ohne jede
innere Abgrenzung in die solide Zellmasse über-, deren feinkörnige BeschatTenheit auch noch
deutlich an dem dünnen Häutchen erkennbar ist. Indem die Flüssigkeitsausscheidung fort-
dauert, wölbt sich die Decke der Vacuole mehr vor, einzelne platzen und ihr Inhalt entleert
sich nach aussen. Zu gleichei- Zeit werden an vielen Stellen die sich berührenden Seiten-
wände, besonders die kleinern Räume, durchbrochen und ihr Inhalt fliesst zusammen. So
entstehen grössere Räume, die über zwei oder mehr Zellen hinwegziehen. Weiterhin wird
nicht mehr die Decke ausgedehnt, sondern es erfolgt eine immer tiefer greifende Excavation
des den Boden bildenden Plasmas, welches, zur Seite gediängt, mehr oder wenigei- dicke
Scheidewände zwischen den Vacuolen herstellt (Taf. III Fig. 4). Diese Scheidewände zeigen
auf dem Durchschnitt eine biconcave Form, in der Mitte sind sie verdünnt, nach innen ver-
1 Beobaclil. d. Samenthiercheii u. s. w.
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breitern sie sich in den formell noch unverändert erhaltenen Theil der Zelle, aussen gehen sie
nach allen Seiten in die Decken der anstossenden Vacuolen über. Darauf wird dies Ende der
Scheidewände besonders stark gedehnt und spaltet sich in Folge dessen in zwei oder mehr
l.amellen, die sich bogenförmig in die Deckblättchen der Vacuolen fortsetzen. Die letztern ver-
lieren ihre Wölbung und verschmelzen alle zusammen zu einem sehr dünnen, scheinbar ganz
homogenen Häutchen, zugleich werden die plasraatischen Scheidewände imvollständig, indem
sich die verschiedenen Zellen angehörigen Tlieile von einander lösen und aus der Form von
Platten in die von Säulen übergehen; die bisher einzeln abgeschlossenen Vacuolen vereinigen
sich dadurch zu einem zusammenhängenden labyrinthischen Raum. Die Schale besteht also nun
aus zwei concentrischen kugligen Lamellen, von denen die innere, dem Keim dicht anliegende
und verhältnissmässig dicke auf ihrer Aussenfläche eine Menge von Fortsätzen trägt, die wie
Strebepfeiler eines Gewölbes den Raum bis zu dem zarten äussern Schalenhäutchen durch-
ziehen und sich in derselben mit gespaltenen bogenförmigen Enden ausbreiten, tier freie
Zwischenraum zwischen beiden Lamellen ist von Flüssigkeit erfüllt fTaf. III Fig. 106). Indessen
betheiligen sich nicht alle Zellen der äussern Schicht gleichmässig in der angegebenen Weise
an der Bildung der Schale, sondern bei vielen erreicht die Vacuole keine grössere Ausdehnung
und der Zellkörper schickt keine Fortsätze aus.
Abgesehen von der Vacuolenbildung und den durch sie bedingten eigenthümlichen Ge-
staltungen stimmen die Veränderungen der Zellen der oberflächlichen Schicht durchaus mit den
vorher für H. viridis beschriebenen überein. Das Zurückweichen der festen Einschlüsse nach
dem centralen Ende und der allmähliche Zerfall derselben dauert wählend der Stachelbildung
fort, ebenso wie das auf der Oberfläche beginnende Hellwerden des Plasmas; in den Fort-
sätzen finden sich niemals Pseudozellen oder grössere Eiweisskörnchen, wol aber zuweilen der
degenerirende Zellkern. Die Ablagerung von Chitinsubstanz erfolgt, indem zuerst die äussere
Lamelle in ein durchsichtiges, homogenes, sprödes Häutchen sich verwandelt, dann nachdem
die definitive Form der Schale aus der weichen Plasmaniasse modellirt ist, gleichzeitig auf der
ganzen Oberfläche. Es ditferenzirt sich hier sowohl an den Fortsätzen als auch, an den flächen-
haft ausgebreiteten Zelltheilen eine dünne Membran, die bald eine bedeutende Consistenz er-
hält. Diese Schicht lässt sich leicht auf grössere Strecken im Zusammenhange von dem drunter-
liegenden noch weichen Plasma abheben und giebt auch dann noch die Architektonik der
Schale xollkommen wieder; von den Fortsätzen, wo das Plasma in der Chitinscheide wie der
Finger im Handschuh steckt, wird natürlich die Ausfüllung der umgebogenen Spitzen bei der
Manipulation mit abgerissen. Später bildet sich unter dei- ersten eine zweite Membran u. s. w.
je nach der Mächtigkeit des betreffenden Theils. So verwandelt sich die ganze äussere Zell-
lage des Keims in ein hartes, starres Gebilde, das durchweg aus gleichdicken Lamellen zu-
sammengesetzt ist. Da die Richtung dieser Lamellen, wie gesagt, genau der Configuration der
Oberfläche entspricht, so haben die Theile eines und desselben Systems eine sehr verschiedene
Lage zu einander und liegen nicht, wie bei H. viridis, in der Kugelfläche.
72
Die Grenzen der Zellen sind, bevor die Membranbildung begonnen hat, sehr leicht
durch die bekannten Mittel deutlich zu machen, leider wird dabei gewöhnlich die zarte Aussen-
wand der Vacuolen, die zu schwach ist, um den geringsten endosmotischen Strom zu ver-
tragen, zerstört. Wenn der Erhitrtungsprocess weiter vorgeschritten ist, gelingt dagegen die
Isolirung einzelner Zellen nur sehr unvollkommen, weil die Membranen ausserordentlich fest
mit einander verbunden sind ; bei der fertigen Schale tritt wieder die Zusammensetzung aus
umgewandelten Zellen mit derselben Schärfe wie bei H. viridis hervor.
Die aus den verschmolzenen Decken der Vacuolen gebildete äussere Lamelle der Schale
ist von nur kurzem Bestände; beim Abfallen des Keims oder auch schon früher zerbricht das
äusserst zarte Gebilde; die bisher in den Hohlräumen der Schale befindliche Flüssigkeit fliesst
aus und die Stacheln ragen frei nach aussen vor. Es erscheint mir wahrscheinlich, dass Siebold
duich dies Häutchen, das auf dem optischen Durchschnitt fast wie einfacher Contoiir sich dar-
stellt, zu der Annahme veranlasst worden ist, der Keim werde anfänglich von einer später
schwindenden Gallerthülle umgeben.
Die innere Keimschale entsteht nach vollendeter Ausbildung der äussern und gleicht
durchaus der von H. viridis.
Ich habe die Entstehung der äussern Keimschale so ausführlich beschrieben, weil sie
mir von Interesse für die Auffassung der Cuticular- und Epidermoidalbildungen zu sein seheint.
Die Frage , ob eine an der Oberfläche von Zellen entstehende feste Substanz durch directe
Umwandlung des Plasmas, oder durch flüssige, nachträglich erstarrende Ausscheidungen gebildet
wird, lässt sich mit Recht nur für bestimmte Fälle — namentlich für die, in welchen die
Matrix aus Zellen, die normal mit einer diflferenten Membran bekleidet sind, besteht — auf-
stellen, für andere verliert sie sich sehr in's Unbestimmte, da Ausscheidung und Umwandlung
nur unter besonders günstigen Umständen als streng geschiedene Vorgänge erkennbar sind.
Für die äussere Schale des Hydrakeims, deren Form von dem weichen Plasma auf's genauste
vorgebildet wird, scheint es mir inunerhin zweifellos, dass von der Ausscheidung einer erstar-
renden Flüssigkeit nicht die Rede sein kann, sondern, dass hier die schichtenweise fortschrei-
tende Umsetzung des Plasmas in Chitinsubstanz stattfindet. Von grosser Wichtigkeit ist aber
die mit der ersteren zum Theil innig zusammenhängende Frage, ob eine totale Umwandlung
der Zellen erfolgt, ob sie auch formell in die Bildung des neuen Organs eingehen, oder ob
die Bildungszellen erhalten bleiben und nur gewisse Substanzen nach aussen absetzen. Es ist
ersichtlich, dass aus der Antwort die morphologische Werthigkeit der fraglichen Bildungen sich
ergiebt. So unterscheiden sich Epidermoidalgebilde und Cuticularbildungen, von denen die
ersteren stets einem Gewebe, oder doch wenigstens einer bestimmten Zellengeneration, homolog
sind, die andern dagegen den Intercellularsubstanzen und ähnlichen Absonderungsproducten,
welche ihre Entstehung dem Stoffwechsel bestehender Zellkörper verdanken, gleichgesetzt werden
müssen. Ich kann nicht zweifelhaft sein , in welche dieser beiden Kategorieen die äussere
Schale des Hydrakeims unterzubringen ist: sie entsteht durch totale Umwandlung der ganzen
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äussern einscliiclitigen Zelllage des Keims und jedes der sie zusammensetzenden Elemente ist
eine Zelle, die, wenn sie auch in Folge der Umsetzung des Plasmas in CJiitinsubstanz jede
Vitalität, jeden eigenen physiologischen Werth verloren hat, dennoch ihre morphologische
Aequivalenz behält; die Schale ist daher eine epidermoidale Bildung und in Beziehung zum
ganzen Keim ein Gewebe desselben. Die Berechtigung dieser Behauptung gehl wol schon aus
der gegel)enen Beschreibung des Bildungsprocesses hervor, in Rücksicht auf die ausserordent-
liche Wichtigkeit dieses Verhältnisses für die Auffassung des ganzen Organismus dei- H\(lra
will ich aber noch dem einzigen Einwände, den man machen könnte, mit. wie ich glaube,
entscheidenden Gründen entgegen treten. Die Thatsache nämlich, dass im Verlauf des Um-
wandlungsvorganges die Begrenzung der einzelnen Zellen undeutlich wird, sowie die beginnende
wirkliche Verschmelzung der centralen Zellen des Keims konnte meine Darstellung fraglich
machen, weil das directe Verfolgen der Veränderungen aller Zellen bis zur Vollendung der
Schale dadurch verhindert wird und die .Möglichkeit, dass die Zellen der äussern Lage, wenn
sie auch durch Absetzung der Chitinmasse an Volum verlieren, doch erhalten bleiben und bei
eintretender Verschmelzung mit in den Keim aufgenommen werden, nicht ausgeschlossen zu
sein scheint. Dagegen erwidere ich: I. Ich habe mehrmals nach schon beendigter Ausbildung
der Schale die Zellen des Keims noch gesondert gefunden, dabei aber nie solche getroll'en,
die als veränderte Zellen der äussern Lage hätten gedeutet werden können, sondern überall
lagen die grossen polyedrischen Zellen der Sehale dicht an. Es sind zwar nur seltene Fälle,
wo man dies sicher conslatiren kann, aber sie sprechen jedenfalls sehr zu Gunsten meiner
Behauptung; 2. wenn es auch nicht gelang, bei fortgeschrittener Umwandlung die betretTenden
Zellen zu isoliren, so erkennt man doch noch häufig an einzelnen Stellen die Zellgrenzen
deutlich, und da, wo schon die äussere Lage eine gleichförmige zusammenhängende Plasma-
schicht zu bilden scheint, während erst ungefähr die Hälfte der Chitinlamellen abgelagert ist, be-
weist der Umstand, dass die zweite Hälfte der Schale genau dieselbe Structur besitzt, wie die
erste, und zwar eine Structur, die, wie wir gesehen haben , nur durch die Zusammensetzung
des Bildungsgewebes aus einzelnen Zellkörpern zu Stande konnnen kann — dass die Ver-
schmelzung nur scheinbar -ist; 3. es finden sich fast in jedem Keim einzelne Zellen, bei
denen der Mangel oder der frühzeitige Schwund der grössern festen Einschlüsse es möglich
macht zu erkennen, dass die erwähnten vorbereitenden Veränderungen nicht bloss einen Theil,
sondern die Totalität ihres Plasmas ergreifen, woraus denn sehr wahrscheinlich wird, dass die
nachfolgenden Processe auch die ganze Zelle in Anspruch nehmen; 4. die Grösse der die
Schale von H. viridis zusammensetzenden Prismen entspricht genau der Grösse der Zellen der
äussern Lage des Keims ; da man sich nun zu Beginn des Processes davon überzeugen kann,
dass mit der Zunahme der Chitinschicht eine proportionale Abnahme des Plasmas der Zelle
verbunden ist und, wie gesagt, die Form der Bildung von Anfang bis zu Ende dieselbe bleibt,
so kann kaum ein Zweifel dagegen erhoben werden, dass ilie prismatischen Zellen der äussern
Schicht sich in toto in die Elemente der Schale umwandeln.
Kleinenberg, Hydr.a. tn
Hiermit scheint niii' festgestellt, dass die erste Differenzirung des Keims von Hydra in
der Bildung eines peripherischen einschichtigen Blattes besteht, welches, indem seine Zellen
absterben und ihr Plasma sich in Chitin umsetzt, zu einer festen Schale wird, die den übrigen
Theil des Keims — aus dem allein das junge Thier sich herausbildet — während der langen
Zeit der Entwicklung vor Zerstörung schützt. Das erste Organ, das aus dem Hydrakeim her-
vorgeht, ist ein provisorisches, embryonales, das an dem Aufbau des deÜnitiven Körpers nicht
den geringsten Antheil nimmt und beim Ausschlüpfen einfach abgeworfen wird. Ich werde
dies Verhältniss im Zusammenhang mit den andern Entwicklungsvorgängen noch einmal zu
berücksichtigen Gelegenheit nehmen.
Embryonale Entwicklung.
Sobald die Schale fertig ist, löst sich die Verbindung des Keims mit dem mütterlichen
Körpe;-, der Keim fällt ab untl sinkt zu Boden.
Es ist nicht richtig, dass, wie mehrfach angegeben wii'd, nach der Ablösung des Keims
regelmässig der Tod des Mutterthiers erfolgt ; wenn die Existenzbedingungen im Aquarium
überhaupt günstig waren, habe ich nicht einmal eine grössere Mortalität unter den Thieren,
welche das Fortptlanzungsgeschäft absolvirt hatten, bemerkt, und ich glaube sogar, dass die-
selben Individuen im nächsten Jahr wiederum geschlechtsreif werden können.
Der Eiträgei- bleibt noch längere Zeit nach dem Abfallen erhalten, erst nach und nach
degenerirt er und verwandelt sich in eine schwielenartige Verdickung im Ectoderm, auch diese
schwindet, und das Ectoderm bekommt wieder sein normales Aussehen.
Die Periode der embryonalen Entwicklung nimmt bei weitem mehr Zeit in Anspruch,
als die bisher beschriebenen Vorgänge. Während dei' ganze Process, vom ersten Erscheinen
des Eies bis zui' Ausbildung der Keimschalen , meist schon am vierten Tage abgelaufen ist,
vergehen von da ab bis zum Auskriechen des jungen Thiers mindestens vier, gewöhnlich aber
sechs bis acht Wochen. Schon dieser Umstand macht die Untersuchung unbequem ; in hohem
Grade ■ erschwert wird sie aber durch die Undurchsichtigkeit dei- äussern Schale und durch
den Mangel jedes äussern Zeichens , welches den Stand der Entwicklung markirte. Die ein-
zige anwendbare Untersuchungsmethode ist die Härtung des Keims und die Anfertigung von
Schnitten. Als Erhärtungsmittel benutzte ich Chromsäurelösungen von 0,05— 0,025 7o, in
welchen der Keim 2 — 3 Tage verbleiben muss. AlKohol — auch absoluter — ist, namentlich
für die Stadien, in welchen die Leibeshöhle schon angelegt ist, ganz unbrauchbar, weil er
starke Schiunipfung und das Zusammenfallen der Keimblase hervorruft. Das einfache Halbiren
des mit Chromsäure behandelten Keims ist leicht und genügt auch so ziemlich für das Er-
kennen der wesentlichen Veränderungen, successive dünne Schnitte abzutragen, hat seine
Schwierigkeit und verlangt das Einbetten des Objects in eine gut schneidbare plastische Masse.
Die Schale des Keims von H. viridis hat häufig ein Merkmal, nach welchem die Richtung des
Schnitts sich beurtheilen lässt; an der Stelle nämlich, wo der Keim mit dem Eiträger in Be-
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rühriing stand, ist die Schale oft etwas verdickt und abgeplattet, oder in z\%ei Blätter ge-
spalten, die einen linsenförmigen Hohlraum umgeben.
Ein grosser Theil der Keime stirbt während der embryonalen Entwicklung ab. Offen-
bar wird schon das nackte Ei durch das Eindringen von Pilzsporen inficirt; indem diese nun
innerhalb der Schale keimen, zersetzen und \ erzehren sie das Plasma, und an die Stelle des
Keims tritt ein verschlungenes knäultrirmiges Alyeil, dessen Fäden zuletzt sogar die harte Schale
durchbohren und so wieder nach aussen gelangen. Diese tödtliche Erkrankung, welche in
manchen Gewässern fast die ganze Brut zerstört, mag der Giuml sein, warum so viele Be-
obachter vergeblich auf das Ausschlüpfen der jungen Hydren gewartet haben. Von 1500 Keimen,
die ich gesammelt hatte, sind ungefähr 1 I 00 vor Beendigung der Entwicklung auf diese Weise
zu Grunde gegangen.
Die unerwartete Veränderung, welche sich nach vollendeter Ausbildung der Schalen
in der Structur des Keims vollzieht, habe ich oben schon berührt; es ist die Verschmelzung
sämmtlicher Keimzellen zu einem zusammenhängenden Plasmodium. Die vorher auf "Duich-
schnitten vollkommen scharfen Zellgrenzen werden zunächst undeutlich und \ erwaschen, und
endlich hören sie ganz auf, erkennbar zu sein, die Zellkerne verschwinden, und der Keim ist
wieder dem ungefurchten Ei ähnlich, eine einzige grosse Plasmamasse, welche dicht mit Pseudo-
zellen, Chlorophyllkörnern und Eiweisskörnchen angefüllt ist. . Natürlich heisst dies nichts
anderes, als dass es mir nicht gelungen ist , am lebenden Keim oder mit Zuhülfenahme aller
bekannten Mittel, von denen ich keins unversucht gelassen habe — auch nicht das Erhitzen
in Wasser, womit Liebehkihn neuerdings im Stande war, das ausserordentlich fest zusammen-
hängende Ectoderm der Spongillen in einzelne Zellen aufzulösen — in diesem Entwicklungs-
zustande auch nur die Spur eines zelligen Baues nachzuweisen. Ich gebe zu, dass man dies
Zusammenfliessen der Keimzellen zu einer formlosen Masse — nach ünsern heutigen Anschau-
ungen ein enormer histiologischer Rückschritt — für ein durchaus unverständliches, ja para-
doxes Phänomen der Entwicklung erklären kann, und sehe voraus, dass man dem Befunde
jede Beweiskraft absprechen wird, sich berufend auf die Unvollkommenheit unserer optischen
und sonstigen technischen. Untersuchungsmittel , vielleicht auch auf die Ungeschicktheit des
Beobachters. Ich für meine Person halte es indessen nicht für berechtigt , in einer Wissen-
schaft, welche, wie die Entwicklungsgeschichte, der principiellen Durcharbeitung so sehr ent-
behrt, zu Gunsten der Theorie, die Realität oder Beweiskraft einer unabweisbaren Beobachtung
ohne Weiteres zu bestreiten. Ausserdem wissen wir das ja sichei', das.s ein wirkliches
Verschmelzen ursprünglich getrennter Zellen zu einem einheitlichen Körper, welcher dann
wiederum simultan in eine Menge von Zellen zerfällt, vorkommen kann: die Strömungen in den
Plasmodien der Myxorayceten bekunden unwiderleglich, dass die Zellen, aus denen dieselben
hervorgegangen sind, ihre individuelle Abgrenzung absolut verloren haben. Man erinnere sich
auch einiger Beobachtungen aus der Entwicklungsgeschichte der höheren Thiere, 'die in neuerer
Zeit etwas allzu sehr bei Seite geschoben sintl. Ich meine die Angaben Bischoff's in Bezug
10*
76
auf die Auflösung der Keimzellen beim Meerschweinchen und heim Keli. Bischoff ist gewiss
nicht im Recht, wenn er, seinen eigenen Erfahrungen entgegen, denselben Process in die Ent-
wicklung aller Stiugethiere einschalten möchte, aber ebenso unzulässig ist das Verfahren seiner
Gegner, welche, ohne sich um den |)ositiven Gegenbeweis zu bemühen, die Sache einfach um-
drehen und aus dem Verhalten der Keime einiger anderer Säugethiere die Unmöglichkeit des
Zusammenfliessens der Keimzellen beim Meerschweinchen und Reh beweisen wollen. Mit
solchen Phrasen, wie »der fragliche Vorgang ist undenkbar, weil dadurch der Furchungsprocess
zu einem zwecklosen Luxus herabsänke«, ist Nichts gesagt: wir wissen schliesslich doch gar
zu wenig von dem Wesen des Zellenlebens und seinen Bedingungen, um nicht dei- Gefahr
ausgesetzt zu sein, in einem solchen Urtheil auf einige conventioneile Redensarten hin Etwas
für undenkbar und für zwecklosen Luxus zu erkläien, was in Wirklichkeit vielleicht unum-
gängliche Nothwendigkeit und weiseste Üekonomie für den entstehenden Thieikörper ist. So
wie die Sache liegt, habe ich nach meinen, wie ich glaube, mit genügender Gewissenhaftigkeit
ausgeführten Untersuchungen gar keine andere Wahl, als die thatsächliche Vei'schmelzung der
Zellen des Hydrakeims zu behaupten. Dagegen scheint es mir keinem Zweifel unterworfen,
dass diese Erscheinung in der Entwicklung anderer Hydroiden, welche sogar meinem Beobach-
lungsobjecte im System sehr nahe stehen, durchaus fehlt; der Vorgang kann daher auch keine
allgemeine Bedeutung für den typischen Gang der Entwicklung haben , sondern wird als eine
den Lebensverhältnissen der Species angepasste Eigenthümlichkeit aufzufassen sein. In dieser
; Hinsicht ist nicht uninteressant zu bemerken , dass sowol bei der Hydra wie beim Reh ein
'ganz aussergewöhnlich langer Zeitraum latenter oder doch sehr träger Weiterbildung zwischen
tler Furchung und der Differenzirung der Keimblätter liegt.
In der compacten Masse des Hydrakeims bildet sich nun eine kleine Höhle. Dies ist
die Anlage der Leibeshöhle. Sie entsteht immer excentrisch, nahe der Oberfläche, und wie
ich, gestützt auf das oben angeführte ^Merkmal, behaupten möchte, stets an derselben Stelle,
nämlich an dem Pol, von welchem die erste Furche des Eies ausging, also dem Anheftungspunkte
gerade gegenüber. Ihre Form ist anfänglich die einer flachen biconvexen Linse; mit der fort-
schreitenden Vergrösserung dringt ihr Umfang aber schneller in die Masse ein, als der centrale
Theil, in Folge dessen erhält ihr Grund eine concave Krümmung und auf dem Längsschnitt
erscheint sie sichelförmig. Später gleicht sich das wieder aus, die centrale Masse des Keims
schwindet mehr und mehr, bis ein grosser, nach allen Dimensionen ziemlich gleichmässig ent-
wickelter Hohlraum entsteht, dessen plasmatische Wand an der Stelle, welche dem Ausgangs-
l)unkte der Aushöhlung gegenüber liegt, etwas dicker ist, unil so auch, wie ich glaube, bis
zum Schluss der Entwicklung verbleibt. Die Innenfläche der auf diese Weise entstandenen
Keimblase (Taf. III Fig. I I) ist nicht glatt, sondern zeigt Vorsprünge und Ausbuchtungen. Die
Flüssigkeit, welche die Leibeshöhle erfüllt, ist klar und mischt sich beim Ausschneiden augen-
blicklich mit dem umgebenden Wasser, suspendirte feste Körperchen scheinen nicht vorhanden
zu sein. Besonders aus den späteren Stadien seiner Entwicklung ist klar, dass der Hohlraum
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nur durch wirkliche Verflüssigung eines grossen Theils der Substanz des Keims entstanden sein
kann, denn die Menge des Plasmas und die absolute Zahl der Pseudozellen hat sicherlich be-
trächtlich abgenommen.
Ich brauche wohl kaum hinzuzufügen, dass eine Furchungshöhle in dem Sinne und von
der Bedeutung, wie Kowalewsky sie für Thiere verschiedener Classen beschrieben hat, bei
Hydra nicht existirt ; die aus der Furchung hervorgegangenen Keimzellen lassen nirgends einen
freien Raum zwischen sich und verschmelzen zu einem durchaus soliden Körper. Die definitive
Leibeshöhle dei- Hydra entsteht , wie wir eben gesehen haben , verhiiltnissmässig spät durch
Auflösung der Innern Plasmamasse des Keims.
Die Strucfur der Keimblase ist in dei- ganzen Dicke der Wand durchaus gleichmässig;
in dem dichten Plasma liegen einzelne Chlorophyllkörner und sehi' zahlreiche Pseudozellen ein-
gebettet, die an der glatten Aussenfläche, w eiche der Innern Schale fest angedrückt ist , dicht
bis an die überfläche tretend , nur von einer unmessbar dünnen Plasniaschicht umsäumt wer-
den, während sie auf der unebenen hinenfläche , sich über das Niveau ihrer Umgebung er-
hebend, oft bis zur Hälfte ihres Durchmessers in den Flüssigkeitsraum vorspringen — aber
auch hier sind sie stets von einer ganz dünnen Lage des Plasmas, welche sich ihrem Contour
genau anschmiegt, übeizogen.
In diesem Zustande verbleibt die Keimblase mehrere Wochen. Unterdessen verliert die
äussere Keimschale, wahrscheinlich durch die allmähliche Einwirkung des Wassers, sehr merklich
an Festigkeit. Man überzeugt sich davon beim Zerdrücken des Keims : anfangs leistet die
Schale beträchtlichen Widerstand, und wenn sie bricht, entsteht ein Riss mit scharfen Rändern;
gegen das Ende der Entwicklung zerbröckelt sie schon unter leisem Druck in mehrere Stücke.
Bei dieser Brüchigkeit genügt nun wol schon eine geringe Ausdehnung des Keims, um die
Hülle zu sprengen, die Schale fällt in zwei Hälften aus einander, oder es entsteht ein langer
weitklaffender Spalt, durch welchen der Keim hervortritt. Er bleibt jedoch noch von der
elastischen durchsichtigen innern Schale überzogen und füllt dieselbe vollkommen aus.
An der , nun wieder der unmittelbaren Beobachtung zugänglichen , Keimblase fällt
sofort eine Veränderung auf; sie ist nicht mehr wie früher von gleichartigem Gefuge, sondern
es lassen sich sehr deutlich zwei Schichten unterscheiden: eine äussere helle, die zunächst
noch verhältnissmässig dünn ist, und eine innere, viel dickere, dunkle Schicht. Dei' Unterschied
im Aussehen rührt, wie mir scheint, nur davon her, dass die Pseudozellen sich im ganzen
Umfange gleichmässig von der Oberfläche zurückgezogen haben; die Chlorophyllkörner ver-
bleiben aber in der äussern Schicht. Diese einfache Aenderung in der Vertheilung der festen
Einschlüsse des Plasmas ist die erste Andeutung der sich entwickelnden definitiven beiden Keim-
blätter: aus der hellen Schicht geht das Ectoderm hervor, aus der dunklen das Entoderm.
Beide Lagen erscheinen auf dem optischen Durchschnitt bestimmt von einander abgegrenzt, es
ist indessen völlig unmöglich, sie von einander zu trennen, und ich glaube mich aufs Sicherste
überzeugt zu haben, dass sie jetzt noch in continuirlicher Verbindung stehen.
^1.
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Die Dicke der hellen äussern Schicht nimmt ganz allmäiilich zu , und sie erreicht so
eine bedeutende [Mächtigkeit (Taf. III Fig. 12ec). Dabei zieht sie sich etwas von der Hülle
zurück und ihre Oberfläche wird durch kleine körnige Erhabenheiten rauh und matt. Dann
zerföllt die ganze Schicht in Zellen. Wie dies geschieht, auf welche Weise die continuirliche
Plasmalage .sich in ein zeliiges Blatt umwandelt, darüber habe ich keine Aufklärung gewinnen
können. Jedenfalls verläuft der Vorgang sehr rasch und wahrscheinlich gleichzeitig auf der
ganzen Oberfläche des Embryo. Ich muss hier auch bemerken, dass ich nur ein einziges Mal
den zelligen Bau des äussern Keimblattes schon an dem noch kugelförmigen Embryo bestimmt
gesehen habe, und zwar an einem in Chromsäure gehärteten Präparat. Das ganze Blatt be-
stand aus einer einzigen Lage annähernd cubischer Zellen, welche ebenso deutlich von
einander, wie von der innern noch formlosen Keimschicht abgegrenzt waren. Kerne konnte
ich nicht wahrnehmen.
Hierauf streckt sich der Embryo und nimmt die Form eines Ellipsoids an, dessen Haupt-
axe ungeföhr anderthalbmal so lang ist, wie sein Querdurchmesser (Taf. III Fig. 13). Die
elastische Hülle passt sich genau tler neuen Gestalt des Embryo an und umschliesst denselben
noch immer ziemlich eng. Nach einiger Zeit erscheint die Umgebung des einen Pols heller
als die übrigen Tlieile des Embryonalkörpers , und stellt man das Microscop auf den Längs-
schnitt ein, so ist klar ersichtlich, dass eine allmähliche Verdünnung gegen das eine Ende zu,
an dessen Spitze sie ihren höchsten Grad erreicht, stattgefunden hat (Taf. III Fig. 14). Oft
bemerkt man noch in der Umgebung des hellen Endes, aber von ihm durch dazwischen lie-
gende dunklere Partieen geschieden, einige rundliche helle Flecken, welche unzweifelhaft auch
der Ausdruck von Verdünnungen der Körperwand sind. Die Abnahme der Mächtigkeit am
Ende schreitet schnell fort, jedoch nicht ununterbrochen, sondern von Zeit zu Zeit sammelt
sich wieder mehr Masse um den Pol an, um indessen bald darauf desto weiter zurückzu-
weichen. Die durchscheinenden Pseudozellen, deren Lage man im Ocularmicrometer bestimmt,
rücken abwechselnd vor und zurück, im Ganzen entfernen sie sich aber doch mehr und mehr
von dem Pol, so dass hier schliesslich nur ein sehr dünnes durchsichtiges Häutchen nachbleibt.
Plötzlich entsteht an der Spitze ein strahliger Riss, und indem die Flüssigkeit der Leibeshöhle,
einzelne Pseudozellen und unregelmässig gestaltete Gewebsfetzen mit sich reissend in die Hülle
ausströmt, wulsten sich die zackigen Rissränder lippenförmig auf und verschmelzen rasch mit
der zusammen sinkenden verdickten Körperwand des Embryos. Die Leibeshöhle hat eine
Oeffnung erhalten — der Mund ist fertig. Ich bin überzeugt, dass die Stelle, wo die Ver-
dünnung und der schliessliche Durchbruch staltfindet, jenem Theil des Keims entspricht, in
welchem ursprünglich die Leibeshöhle als oberflächlicher Hohlraum auftrat.
Nachdem die Mundöffnung auf .diese etwas brüske iManier entstanden ist, liegt der zu
einem unförmlichen Häufchen zusammengefallene Embryo einige Minuten regungslos wie betäubt
da. Dann richtet er sich langsam auf, und nun erkennt man, dass er im Wesentlichen schon die
Gestalt des fertigen Thiers besitzt (Taf. III Fig 1 5) . Gleichzeitig mit dem Munde haben sich nämlich
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auch die Anlagen der Tentakeln gebildet: .stunipfe niedrige kegelförmige Ausstülpungen der Körper-
wand, welche, wie diese, aus zwei deutlich geschiedenen Blättern bestehen und durch sehr
weite OetJnungen mit der Leibeshöhle communiciren. üeber ihie Entstehung kann ich nur die
Vermulhung ausspreclien, dass bei der Zusammenziehung des Körpers, welche die Mundbildung
begleitet, eine Ausstülpung jener erwähnten verdünnten kreisförmigen Stellen in der Umgebung
des ^lundpols (die ich aber nicht bei allen Embryonen ujit Sicherheit erkennen konnte) ein-
tritt. Die Zahl der ursprunglich angelegten Tentakeln ist gewöhnlich vier, jedoch ist dies nicht
ausnahmslos der Fall, ich sah unter meinen Augen gleichzeitig sieben entstehen.
Der Embryo, dessen Bewegungen noch sehr träge sind, verschluckt nach und nach
wieder die ausgestossene Flüssigkeit, in Folge dessen tritt er näher an die Schale heran, sein
Leib schwillt kugelförmig auf, die Tentakelausstülpungen werden bis auf kaum wahrnehmbare
Andeutungen ausgeglichen und der Mund erscheint fest verschlossen. Dann erfolgt wiederum
eine plötzliche Eruption, und das Thier kehit zu seiner normalen Gestalt zurück. Dies Spiel
wiederholt sich mehrere Male. Nun streckt sich der Körper in die Länge, und dem ent-
sprechend wachsen auch die Tentakeln zu langen dünnen Röhren aus. Die Schale gestattet
dem schon recht beweglichen Thier ein gerades Ausdehnen nicht mehr, sondern der Körper
ist genöthigt, sich mehrfach zu krümmen und zu biegen. Trotzdem verbleibt der Embryo ge-
wöhnlich noch zwei bis drei Tage innerhalb der schützenden Decke. Ein actives Durchbrechen
derselben findet eigentlich überhaupt nicht statt: die früher ziemlich lesistente Membran wird
allmählich erweicht, ihre Substanz wandelt sich in einen klebrigen, fadenziehenden Schleim um
und löst sich endlich im Wasser auf Das frei gewordene junge Thier entspricht, abgesehen
von seiner geringern Grösse , vollkommen dem ausgewachsenen : alle Gewebe haben sich zu
ihrer definitiven Gestaltung differenzirt, und selbst die Nesselkapseln sind, wenn auch noch
spärlich, so doch schon zur Entladung reif, entwickelt.
Was ich über die Entwicklung der Gewebe sagen kann, ist leider lückenhaft und dürftig.
Wir haben schon gesehen, dass das Ectoderm entstand, indem sich die äussere helle Schicht
des Erabryonalkörpers in eine einfache Lage von Zellen umsetzt. Diese Zellen , die anfangs
cubische Formen haben, flachen sich bei der Streckung des Körpers ab und werden zu
polyedrischen Plättchen (Taf III Fig. 16). Sie enthalten jetzt einen deutlichen, mit einem Kern-
körperchen versehenen Kern, häufig aber auch zwei, und neben grösseren Dotterkörnchen bei
H. viridis vereinzelte oder zu Häufchen zusammengeballte Chlorophyllkörnei-, während Pseudo-
zellen in ilmen ausnahmslos fehlen. Etwas später ist ihre Form bei verkürztem Körper eine
rhombisch verzogene, sie haben an Grösse abgenommen, und nun bemerkt man zwischen ihnen
auch die ersten Anfänge des interstitiellen Gewebes als verhältnissmässig grosse spindelförmige
oder unregelmässig gestaltete Zellen (Taf. III Fig. 18). Noch ist das Ectoderm indessen eigentlich
ein einschichtiges Blatt, denn wenn die jungen Zellen des interstitiellen Gewebes auch theil-
weise von den grössern Neuromuskelzellkörpern bedeckt werden, liegt doch ein Theil ihrer
Oberfläche frei zu Tage. Erst bei altern Embryonen, wo sie sich schon stark vermehrt haben,
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rücken sie ganz unter die auswachsenden Neuromuskelzellen in die Tiefe hinab. Darnach
iässt sich wol kaum daran zweifeln, dass sowohl das Neuromiiskelgewebe als auch das inter-
stitielle Gewebe aus <ler primären einschichtigen Ectodernianiage durch Theilung und nach-
trägliche Umlagerung der Zellen hervorgehen.
Die Entstehung der Muskelfortsiitze und der ersten Nesselkapseln habe ich nicht ver-
folgen können.
Die dunkle innere Schicht, aus der das Entoderni wird, erscheint auch nach der Bil-
dung der Mundöffnung, und nachdem das Ectoderm schon eine vollkommen deutliche zellige
Structur erlangt hat, noch immer als ein zusammenhängendes Plasmodium. Späterhin erst findet
man an seiner Stelle ein einschichtiges Blatt leicht isoliibarer Zellen von prismatischer Form
mit abgerundeten freien Enden. Sie besitzen von vornherein einen hellen Kern und umschliessen
gewöhnlich mehrere wohlerhaltene Pseudozellen, neben welchen zahlreiche grössere oder kleinere
unregelmässig gestaltete Körperchen liegen, die wol als Bruchstücke zerfallener Pseudozellen
aufzufassen sind (Taf. III Fig. 17). Ich bemerke noch, dass die Entodermzellen bei ihrem
Entstehen ausnahmslos solide Plasmakörper sind — die Vacuole bildet sich erst nachträglich.
Immerhin bin ich doch bei der Untersuchung der embryonalen Entwicklung der Hydra
weiter gekommen als Ecker. Ecker fand, dass der Keim sich innerhalb der Schale zu einer
Hohlkugel umgestaltet. Dann sah er in der geborstenen Schale einen kugligen Embryo mit heller
äussere!' Schicht und beobachtete, wie dei'selbe nach Ausstossung der in seiner Leibeshöhle
enthaltenen Flüssigkeit eine dem er-wachsenen Thiere ähnliche Form annahm. Ich glaube
jedoch nach der kurzen Beschreibung und den Abbildungen erkannt zu haben, dass es sich in
diesem Falle nicht um die Entstehung des .Mundes gehandelt hat, sondern dass Ecker nur jenen
vorhin beschriebenen Vorgang vor Augen hatte, in welchem der schon mit einer MundötTnung
versehene, durch Verschlucken der Flüssigkeit blasenförmig aufgeschwollene Embryo, den Inhalt
seiner Leibeshöhle mit einer kräftigen Zusammenziehung wieder ausspeit. Die Umwandlung der
beiden Schichten in zellige Keimblättei' hat Ecker übersehen, und von den Pseudozellen, welche
er, wie wir wissen, für Embryonalzellen hielt, sagt er : »Die Embryonalzellen scheinen mir über-
haupt hier für den Aufbau des Embryo-Leibes eine mehr untergeordnete Beileutung zu haben,
und ich muss annehmen, dass die Körpersubstanz der Hydra wesentlich Intercellularsubstanz
sei« '. Unverständlich ist dabei, wie Ecker gleich darauf kurz bemerken konnte, die Nessel-
kapseln bildeten sich in Zellen, und dann die Frage aufzuwerfen vermochte, ob bei der Aehn-
lichkeit der dickwandigen Embryonalzellen (Pseudozellen) mit dem dickwandigen Nesselbläschen,
die letzteren nicht aus den ersteren oder einem Theil derselben hervorgingen — eine Frage,
die, abgesehen von allem anderen, schon dadurch erledigt wird, dass zu der Zeit, in welcher
die Bildung der Nesselkapseln beginnt, im Ectoderm keine Spur mehr von Pseudozellen zu
finden ist.
1 Entwicklungsg. d. gr. Armpolypen, p. 25.
81
Darin stimme icii mit Ecker und ilon andern Beobachtern volliiommen iiberein, dass
die Hydra in ilirer Entwicklung kein freies Larvenstadium durchlauft, ja es fehlt sogar jede
Andeutung, welche auf das frühere Bestehen eines solchen in der Ahnenreihe des Thiers
schliessen Hesse. Durch dies Verhalten, das die Hydra mit den Tubularien, welche ihr, wie
mir scheint, auch sonst der Entwicklung nach sehr nahe verwandt sind, theilt, nehmen beide
Gattungen eine besondere Stellung unter den Coelenteraten ein , da diese allgemein aus einer
frei beweglichen Planula hervorgehen. Dem jungen Thier in der Gestalt, wie es bei Hydra
und den Tubularien seine Hülle verlässt, einen besondern Namen zu geben und nach der
Analogie von Planula »Actinula« zu nennen, wie Allman vorgeschlagen hat ', dürfte nicht ganz
passend sein, weil seine Verschiedenheit von dem Ausgewachsenen bloss in einigen unbedeu-
den Dimensionsabweichungen besteht, ausserdem ist die Planula mit der Actinula nicht ver-
gleichbar, da beide nicht bloss verschiedene Formen, sondern wirklich verschiedene Stufen
derselben Entwicklungsreihe darstellen, und man müsste consequenterweise auch bei den
Hydroiden, bei welchen die Planula sich festsetzt und Tentakeln treibt, diese Form als Actinula
bezeichnen. Wesentliche morphologische Verschiedenheiten zwischen einer Planula und den
entsprechenden Embryonal formen der Hydren und Tubularien giebt es aber nicht — die Flim-
merung der itussern Körperschicht darf nur als eine specifische physiologische Leistung und
nicht als ein anatomischer Characler aufgefasst werden, biimerhin lässt sich nicht leugnen,
dass der schon auf den ei'sten Blick frappante Unterschied im Gange der Entwicklung um so
auffallender ist, als er bei nahe verwandten Thieren sich ündet. Ich glaube jedoch, dass von
einem Gesichtspunkt aus das Verstiindniss dieser Ungleichmässigkeit gewonnen werden kann.
Es dürfte unbestreitbar sein, dass der Reichthum oder die Armuth des Eies an aufgespeicherten
Nahrungsstoffen von eingreifendem EintUiss auf den Verlauf der Entwicklung sein muss. Vor-
ausgesetzt, dass die Zeitdauer der Vorgänge von der Reife des Eies bis zur wesentlichen
Vollendung des Körpers des Thiers nicht gar zu kurz und relativ unveränderlich ist, so werden
die mütterlicherseits reichlich ausgestatteten Eier wahrscheinlich die günstigsten Chancen für
die Vollendung ihrer Entwicklung haben , wenn sie sich so viel als möglich von aller Berüh-
rung mit der Aussenwelt zurückziehen, indem sie unausgesetzt an einem sichern Ort verbleiben
oder sich selbst schutzende widerstandsfähige Hüllen bilden; die andern dagegen, welche eine
sehr ärmliche Mitgift erhalten haben, die vielleicht nicht einmal ausreicht, um bis zu Ende die
Kosten der Entwicklung zu decken, werden genöthigt sein, bereits einen der gegebenen
typischen Entwicklungszustände in der Weise zu erziehen, dass er im Stande ist, selbständig
zu erwerben ; im Gegensatz zu den ersteren werden sie daher schon frühzeitig ein freies, be-
wegliches, auf das Aufsuchen von Nahrung gerichtetes Leben führen müssen. .le ärmer die
Eltern sind, desto früher muss das Kind sich selbst sein Brod schallen.
' Keport on tlie present State of oiir kriowledge of tlie reprodiictive .System in the Hydroida (Rep. of the
British Association for 1863) p. 411.
Kleinenberg, Hydra. | i
82
Das eiste Verhaltniss liegt nun bei Hydra vor. Ich glaube kaum zu inen, wenn ich
behaupte, dass das Ei dieses Thiers eins der verhaltnissmässig am besten dotirten ist. Ich habe
eine junge Hydra, die ich selbst aus der Keimschale befreit hatte, in ausserordentlich reines
Brunnenwasser gesetzt, und trotzdem, ilass eist ganz zuletzt und nur mit grosser Mühe einige
hifusorien in diesem Wasser aufgefunden waren, also von aussen zu beziehende Nahrung so
gut wie vollständig fehlte, lebte das Thierchen höchst munter länger als drei Monate. Die
Eier der Tubuiarien sind gross und jedenfalls auch gut versorgt, wenn auch nicht in dem
Maasse, wie die dei- Hydra. Bei den meisten andern Hydroiden, welche eine Pianula bilden,
sind die Eier dagegen, soweit ich nach Abbildungen und Beschreibungen urtheilen kann, ent-
weder verhaltnissmässig klein oder ihr Plasnja enthält nur wenig von jenen dichten Eiweiss-
körnchen und -Bläschen, die ein so werthvolles und vollkommenes Nahrungsmaterial darbieten.
Soweit die Coelenteraten iiberhau[)t besondere Organe zur Erzeugung der Eiei- und
lies Samens bilden, erscheinen bei ihnen diese Organe im Allgemeinen in ihiem reinsten und
einfachsten VerhJiltniss, insofern sie nämlich, ihrer nur zeitweiligen physiologischen Bedeutung
entsprechend , mit dem jemaligen Eintreten der Geschlechtsthätigkeit als Neubildungen von
Grund auf entstehen und nach Beendigung ihrer Function wieder spurlos verschwinden. Bei
den höhern Thieren ist dies ursprüngliche Verhalten zwar auch noch andeutungsweise vor-
handen, indem in den Zwischenzeiten der auf einander folgenden Perioden der Brunst oder dei'
Eilösung die beständigen Hoden und Eierstöcke mehr oder weniger ausgesprochen den Cha-
ractei' rudimentärer Oigane im anatomischen Sinne annehmen, aber sie sind hier eben doch
ein- für allemal angelegt und werden durch ihre unveränderlichen Beziehungen zu andern
Theilen des Körpers integrirende Factoren derselben. Als solche gehören sie natürlich in das
(iebiet der Anatomie, wo sie dagegen nur vorübergehend als Ausdruck der periodischen Ge-
schlechtsthätigkeit auftreten, da fällt auch die Beschreibung der Geschlechtsorgane recht eigentlich
mit in die Entwicklungsgeschichte hinein.
Kurz gefasst ist der Entwicklungsgang der Hydra folgender. Hoden und Eierstöcke
entstehen als einfache circumscripte Wucherungen des interstitiellen Gewebes gewisser Körper-
stellen. Die Zellen des Hodens verkleinern sich durch fortgesetzte Theilungen beträchtlich, sie
nehmen zuletzt Kugelform an und verlieien ihren Kern, an dessen Stelle ein Körperchen tritt,
welches sich mit tlem zunächst an der Oberfläche entstandenen Faden verbindet und so als
fertiges Spermalozoid die Bildungszelle verlasst. Sammtliche oder doch bei weitem die meisten
Hodenzellen bilden Samenfäden. Von den Zellen des Ovariums entwickelt sich dagegen immer
nur eine einzige zu einem Ei. Mit der Reife des Eies degenerirt und schwindet das Keim-
bläschen, das Ei verlasst seine Hülle, wird befruchtet und macht eine regelmässige Furchung
durch. Die Zellen des auf diese Weise entstandenen Keims scheiden Kerne aus, dann
83-
differenzirl sich an der ganzen Obeitliiche ein einschichtiges Blatt prismatischer Zellen. Dies
Blatt wandelt sich in seiner Totalität in ein Chitingebilde, in die äussere Keiraschale. um. Die
iüjrigbleibende Masse des Keims scheidet eine struclurlose Membran aus — die innere Keim-
schale — und nachdem ihre Keine geschwunden sind, verschmelzen hierauf sämmtliche Keim-
zellen zu einem zusauunenhängenden Plasmodium. In diesem soliden Plasmakörper entsteht als
Anlage der verdauenden (Javität exceniriseh eine kleine Höhle, die sich allmählich bedeutend
vergrössert. So geht aus dem soliden Keim eine ziemlich dickwandige Keimblase hervor. Ihre
Wand hat zunächst überall ein durchaus gleichartiges Gefiige. Dann bildet sich durch Um-
lageruna; oder theilweisen Schwund der festen Einschlüsse in der noch immer zusammen-
hängenden Plasmamasse der Keimblase eine äussere helle Schicht, und zugleich wird die äussere
Keimschale durchbrochen. Hat die helle Schicht eine gewisse Mächtigkeit erreicht, so zerfällt
sie in eine einfache Lage gleich grosser Zellen : dies ist das |)rimitive Ectoderm. Erst später
vollzieht sich derselbe Vorgang in der innern Schicht, und aus dieser ist dann das Ectoderm >^
entstanden. Das Neuronuiskelgewebe und das interstitielle Gewebe entwickeln sich durch Thei-
lung und Ditferenzirung aus der primitiven Zelllage des Ectoderms. Unterdessen ist der Embryo
aus seiner kugligen Form in eine ellipsoidische übergegangen; an dem einen Pol verdünnt sich
allmählich die Köiperwand, bis hier endlich durch einfaches Zeri-eissen die Mundöffnung ent-
steht, und gleichzeitig mit die.ser bilden sich die Anlagen der Tentakeln als Ausstülpungen beider
Blätter des Köipers. Wenn darauf der Embryo die innere Keimschale verlässt, ist die Ent-
wicklung im Wesentlichen beendigt.
Ich darf es wol als ein befiiedigendes Ergebniss dieser Untersuchung bezeichnen gegen-
über den Angaben Ecker's, welche für die Hydra eine mit allem Gesetzlichen unvereinbare
Entwicklungsweise hinstellten, nachgewiesen zu haben, dass die ersten Entwicklungserschei-
nune;en auch dieses Thiers sicli mit Leichti2:keit und vollkommen in den allgemeinen Bildungs-
modus des thierischen Körpers einordnen lassen. Wie es von allen näher untersuchten Thieren
bekannt ist , so findet auch bei Hydra die Anordnung des durch die Furchung des Eies ge-
schatTenen Keimmaterials in zwei concentrisch geschichtete Keimblätter statt , welche die feste
Grundlage darstellen, von der alle weiterhin sich vollziehenden Umbildungen und Ausbildungen
direct oder indirect ihren Ausgang nehmen. Die hierin ausgesprochene Wesensgleiclilieit sänmit-
licher Thiere hat Baer zuerst erkannt und in ihier grossen Bedeutung zu würtligen gewusst
— derselbe Mann, der mit unvergleichlicher Energie und bewunderungswürdigem Geist die
Lehre von den unabhängigen Typen des Thierreichs nach ihien Entwicklungsformen aufgestellt
und durchgeführt hat.
Es ist wahr, dass die Vorgänge, durch welche die Keimblätter zu Stande kommen, von
der Furchung an in nicht unbeträchtlichem Maasse von einander abweichen, diese Unterschiede
des Bildungsmodus aber zur Begründung wesentlich verschiedener Entwicklungsformen benutzen
zu wollen, scheint um so weniger gerechtfertigt, als die Maxima der Differenzen nicht nur
innerhalb ein und desselben Typus, sondern sogar innerhalb derselben Classe vereint sich linden.
.84
"Bei Hydra föllt als besonders störendes Moment das Verschmelzen der Keimzellen auf, ich
glaube jedoch, dass es gestattet ist, diesen Umstand, einerseits mit Hinweis auf ilie unwider-
legten Angaben über dasselbe Vorkommniss bei tlen Keimen einiger Säugethiere, andrerseits .
unter Berufung auf das Fehlen eines ähnlichen Zustands in der Entwicklung nahe stehender
Hydroiden, als unwesentlich aus der allgemeinen Betrachtung und Vergleichung zu eliminiren.
Wenn aber als Grundgesetz der Entwicklung feststeht, dass bei allen Thieren von den
Coelenteraten an die Scheidung des indifferenten Keimmaterials in zwei concentrische Schichten
sich vollzieht, und dass allein aus diesen primären Keimblättern der Thierkörper sich aufbaut,
so erhebt sich die weiteie Frage, ob überall die Beziehung der beiden Blätter zu den ent-
stehenden Geweben eine identische ist, ob jene Träger der wesentlichen Functionen, die Epi-
Ihelien, die Muskulatur, die Nerven und das Bindegewebe mit Rücksicht auf die Keimblätter
gleichen Ursprungs sind — mit einem Wort die Frage nach der Homologie der analogen ihie-
rischen Gewebe.
Wir sind weil entfernt, hierauf eine allgemein gültige Antwort geben zu können. Ist
doch bisher' die Entstehung der Gewebe fast ausschliesslich bei Wirbelthieren untersucht worden,
und Jedermann weiss, dass selbst auf diesem beschränkten Gebiete noch Manches ganz dunkel
ist. Vieles zweifelhaft. Weniges unbestritten. Von den Arthropoden, Mollusken, Echinodermen
und Würmern ist "trotz einiger neuerer ausgezeichneter Arbeiten zu wenig Positives bekannt,
um den Versuch der Vergleichung wagen zu dürfen. Gunstiger steht die Sache für die Coe-
lenteraten. Indem Huxley in einer fundamentalen Arbeit den typischen Bau dieser Thieie fest-
stellte, wies er zugleich hin auf die Uebereinstimmung der physiologischen Leistungen des Ecto-
derms und Entoderms des erwachsenen Coelenteratenkörpers mit denen des äussern und innern
Keimblatts der Embryonen höherer Thiere '. Diese Uebereinstimmung schien in der That so
klar, dass die HuxLEv'sche Anschauung bald zahlreiche Anhänger sich erwarb, von denen ich
nur KuLLiKER und Allman und aus neuester Zeit Häckel zu nennen brauche. Nun darf man
aber nicht veigessen, dass mit der Anerkennung der Wesensgleichheit des Ectoderms und des
äussern Keimblatts eine noch schwebende wichtige Frage in der Entwicklung der Wirbelthieie
principiell entschieden ist, nämlich die Abstammung und Zugehörigkeit des sogenannten mittlem
Keimblatts oder doch wenigstens die der' primären Muskelanlage. Denn da die Muskulatur der
(Coelenteraten unzweifelhaft dem Ectoderm angehört, so würde sich die ganze Uebereinstimmung
in eine rein äusserliche gleiciigültige Aehnlichkeil auflösen, wenn das Muskelgewebe der Wirbel-
thiere nicht vom äussern, sondern vom innern Keimblatt seinen Ursprung nähme. Den grössten
wissenschaftlichen Werth hat Hlxley's Auffassung aber, sobald nachgewiesen werden kann,
dass die prätendirte Gleichhheit nicht nur allgemeine Geltung besitzt, sondern auch im Einzelnen
durchführbar ist.
Als ich von diesem Gesichtspunkte aus das Ectoderm der erwachsenen Hydra mit dem
' On ttie .\iialomv arui llie Aftinities of the Kiitnilv of tlio Medusiie. l'hil. Tniiisact. 1849, p. l"26.
85
äussern Keimblatt der Wirhelthieie verglich, stellte sich zunächst heraus, dass die Gleichsetzung
der Gewebe nicht auszuführen war. Denn wir haben gesehen, dass die oberflächliche Lage
des Ectodernis aus sehr eigenartigen Zellen zusammengesetzt ist, deren Körper, wie früher aus-
geführt wurde, als reizleitender, nervöser Theil sich darstellt, während ihre contractilen Fort-
sätze eine unzweideutige, aber höchst einfache Muskulatur bilden — welchen Elementen des
äussern Keimblatts sollten diese Zellen nun entsprechen? Ihrer Lage nach stimmen sie mit dei'
epithelialen Schicht des äussern Keimblatts, dem Hornblatt, überein, sie diesem gleichzusetzen
ist aber nicht möglich, da Nichts dafür und Alles dagagen spricht, dass echte Epithelien sich
je zu muskulösen und motorisch-nei'vösen Elementen umbilden können. Gesetzt, man wollte
dies trotzdem thun. so wäre hiermit dennoch von vornherein die Gleichartigkeit aufgehoben,
weil dann die Muskulatur der Hydren aus einem Theil des Hornblatts bestände, jene der Wirbel-
thiere aber ganz sicher nicht vom Hornblatt herkommt: beide würden also genetisch durchaus
verschiedenartig sein. Homologisirt man ilagegen das Neuromuskelgewebe der Hydra mit den
vereinigten primären Anlagen tler Muskulatur und der motorischen Nerven der Wirbelthiere,
dann fehlt der ersteren jede Andeutung des äussern Epithels und dei- Vergleich verliert sich
so wiederum in's Unbestimmte nnd Haltlose.
Hier wie überall — die Entwicklungsgeschichte gab den Ausschlag. Wir fanden, dass
am Hydrakeim sich zu allererst ein einfaches oberflächliches Blatt differenzirt. und dass dies
sich in die chitinisirte Keimschale verwandelt. Dies Moment ist entscheidend. Denn wenn
man die Keimschale in Zusammenhang mij, dem l)leibenden Ectoderm als äusserste Schicht
desselben betrachtet, ergiebt sich in der That eine klare Uebereinstimmung mit dem äussern
Keimblatt und der Muskelanlage der Wirbelthiere. Bei diesen folgen von aussen nach innen
aufeinander: 1. Hornblatt, 2. Nervenblatt als äusseres Keimblatt zusammengefasst), 3. Muskel-
anlage (mittleres Blatt) ; bei Hydra 1. Keimschale (Hornblatt), 2. Nervenzellenlage, 3. Muskel-
lamelle. Die Verschiedenheit liegt bloss im zeitlichen Gang der Entwicklung. Das Hornblatt
der Hydra entsteht ganz zuerst, wenn in dem übrigen Keimmaterial noch keine Spur einer
Sonderung sich zeigt , und die Anlagen des Ectoderms und Entoderms differenziren sich erst
nachdem das Hornblatt schön längst zur Schale geworden ist. Beim Fioschkeim ist indessen
doch auch, wie zuerst Stricker besonders hervorgehoben hat, das Hornblatt als einfache Zell-
lage erkenntlich, lange bevor die vollständige Sonderung der Keimblätter sich vollzogen hat ;
Rynek hat dasselbe Verhältniss am Korellenkeim gefunden. Und wenn beim Keim des Huhns
diese Scheidung in der ursprünglichen Anlage des äussern Blatts nicht wahrnehmbar ist, so ist
diese doch von Hause aus mehrschichtig und die Trennung in Hoin- und Nervenblatt findet in
derselben Weise statt, wie bei den vorgenannten Thieren. nur später. Dem Nervenblatt und
der Muskelanlage der Wirbelthiere entsprechend, haben wir nun in gleicher topographischer
Beziehung zum Hornblatt das einheitliche Neuromuskelgewebe der Hydra. Die leitenden Theile
des.selben befinden sich genau in demselben Lageverhältniss zu den übrigen Schichten, wie
dies mit dei' primären Nervenanlage des Wirbelthierembryo der Fall ist; die morphologische
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Gleichstellung der contractilen Fuitsiatze und der primitiven Muskulatur des VVirbelleibes ist,
wie gesagt, nur unter der Voraussetzung möglich, dass die letztere vom iiussern Keimblatt aus
sich bildet. Es ist jedenfalls sehr bemerkenswerth , dass durch die Verbindung der Muskel-
fortsätze der Hydi-a zu einer geschlossenen Lamelle, eine dem Entoderm dicht anliegende,
scheinbar ebenso bestimmt von den äussern Zelllagen des Ectoderms wie vom Entoderm ge-
schiedene mittlere Schicht entsteht, die also ganz dieselbe Lage hat, wie das mittlere Keim-
blatt der Wirbelthiere — wie ich nachzuweisen versucht habe, ist die Muskellamelle aber in
Wirklichkeit keine discrete selbständige Körperschicht, sondern ihre Elemente gehören als Fort-
sätze den leitenden Zellkörpern der äussern Lage des Ectoderms an und gehen continuirlich
in diese über.
Das interstitielle Gewebe, das aus gemeinschaftlicher Anlage sich vom Neuromuskel-
gewebe abtrennt, lässf sich vorläufig nicht mit genügender Sichei-heit einem bestimmten Theil
der Keimblätter der Wirbelthiere homologisiren. In seinem morphologischen Character nähert
es sich dem Bindegewebe, in seinen Beziehungen zu den Leistungen des Gesammtorganismus
entfernt es sich dagegen weit von diesem. Eine ganz specifische Bedeutung erhält es
durch die Production der Nesselkapseln — jener wunderbaren, völlig unvermittelt dastehen-
den Bildungen. Dagt^gen liegt ein fe.ster Vergleichungspunkt in der Thatsache, dass vom
interstitiellen Gewebe aus die Geschlechtsorgane sich entwickeln. Und vergleicht man die
Darstellung, welche Waldever von der ürogenitalanlage des Hühnchens gegeben hat, mit der
Bildungsgeschichle des Ovariums der Hydra, so ist allerdings die fundamentale Uebereinstim-
mung nicht zu verkennen. Wenn ich demnach die Homologie des interstitiellen Gewebes der
Hydra mit jenen Theilen ties Keims der Wirbelthiere, aus denen die Geschlechtsorgane hervor-
gehen, für sehr wahrscheinlich halten muss, so bedarf es doch noch weiterer Untersuchungen,
um dies zur Evidenz zu bringen.
Die Vergleichung des Entoderms mit dem innern Keimblatt bietet gar keine Schwierig-
keit dar: hier liegt die Uebereinstimmung der Genese so klar zu Tage, dass eine besondere
Begründung vvol überflüssig wäre.
Die wesentliche Eigenthümlickeit der Entwicklung der Hydra ist die Verwandlung der
ganzen äussern Epithelschicht des Keims in ein vergängliches embryonales Organ. Während
bei den Wirbelthieren das Hornblatt mit in die Organisation des definitiven Körpers aufgenommen
wird und als Epidermis eine schützende Decke — gleichsam eine bleibende Sehale — für die
ganze äussere Oberfläche des erwachsenen Thiei-s darstellt, geht dasselbe, wie wir gesehen
haben, bei Hydra in die Keimschale über, welche nur für die Zeit der embryonalen Entwick-
lung als Schutzorgan dient und von dem ausschlüpfenden jungen Thier abgestreift wird. So
ist denn wirklich die äussere Begrenzung des Körpers der erwachsenen Hydren nicht von der
ursprünglich oberflächlichen Zelilage des Keims gebildet, sondern von der zunächst darunter-
liegenden — das Nervenblatt tritt in unmittelbare Berührung mit der Aussenwelt. Dies ausser-
gewöhnliche Verhältniss war der Grund, welcher uns früher vei'hinderte, die Homologie der
persistirenden Gewebe des Ectoderuis und der analogen Gewebe des äussei'n Keimblatts zu
erkennen.
Für die hier vertretene Auffassung niuss es natürlich von entsclieidender Bedeutung sein,
wie sich die entsprechenden Biidungsvorgiinge bei den übrigen Coelenteraten gestalten. Der
Keiinschale ähnliche Bildungen linden sich, soviel ich weiss, ausser bei Hydra im ganzen Stamme
nicht. Viele der höheren Formen besitzen dagegen unzweifelhaft ein echtes äusseres Epithel
— es ist also anzunehmen, dass bei ihnen ebenso wie bei den Wirbelthieren die Epithelschicht
des äussern Blatts erhalten bleil)t. Bei denjenigen der festsitzenden Hydropolypen aber, deren
Bau im wesentlichen dem der Hydra gleich zu sein scheint, die jedoch aus einer flimmernden
Larve hervorgehen, kommt es darauf an, ob die cilientragende äussere Zellschicht wirklich
direct in ein bleibendes Gewebe übergeht. Ehe wir speciell auf diesen Punkt gerichtete Unter-
suchungen haben, werden wir die Frage als eine offene betracjiten müssen.
Inneihaib der übrigen Thierstämme kommen nui- bei der Entwicklung der Würmer
Verhältnisse vor, welche sich denen von Hydra anschliessen. So ist aus der schönen Arbeit
von Desor ' bekannt, dass bei Nemertes obscura und Polynoe s(|uamata die oberflächlichste
Zellage des Keims, welche bei ersterer überall, bei der andein nur auf einer mittleren Zone
flimmert, von der auskriechenden Larve abgeworfen wird. Indessen scheint hier die Larven-
haut nicht aus dem ganzen Hornblatt hervorzugehen, sondern bloss aus der obersten Lage der
von vornherein mehrschichtig angelegten, epithelialen Schicht des äussern Blatts. Aehnliches
mag feiner auch bei einigen Trematoden und Cestoden, vielleicht auch bei Bryozoen sich finden.
Vorstehende Betrachtung resumirend möchte ich die zu Anfang aufgeworfene Frage da-
hin beantworten, dass die Uebereinstimmung der Entwicklung der Hydra und der Wirbelthiere
nicht nur bis zu den primären Keimblättern reicht, sondern dass auch die specialisirten Gewebe
die Epithelien, die Muskeln mit den dazugehörigen Nerven und die Geschlechtsorgane bei beiden
mit Rücksicht auf die Keimblätter eine wesentlich gleichartige Genese haben. Die Homologie
des Ectoderms der erwachsenen Hydra mit dem vereinigten äussern und mittlem Blatt der
Wirbelthiere ist aber eine incomplete (im Sinne Gegenbaur'.s) , weil die Epithelialschicht des
äussern Blatts der ersteren im Lauf der Entwicklung verloren geht.
Die niedrige Stellung der Coelenteraten im System begreift sich vollkommen aus ihrer
Entwicklungsgeschichte. Ihr Typus ist bestimmt durch das Erhaltenbleiben der fundamentalen
räumlichen Beziehungen der Keimblätter und ihrer dilferenten Schichten zu einander und zur
Aussenwelt. Und was von wesentlicher Bedeutung ist — die morphologische. Sonderung der
Keimblätter in der Richtung der Fläche fehlt bei den niedern Formen gänzlich und ist bei den
höheren doch nur äusserst schwach entwickelt. Wenn auch verschiedene Flächenabschnitte
desselben Keimblatts im ausgebildeten Körper häufig Modificationen der jjhysiologischen Leistung
' On the Embryology of Nemertes with nii Appendix on the Enibrvonic Development of Polynoe and Remarks
on the Enibryology of Marine Worms in general. Boston Journal of Natural History. T. VI. 1 857.
88
darbieten, so kommt es docli nur ausnahmsweise zur Ditlerenzirung beständiger einheitliclier
Organe. Die hiermit gegebene grosse Einfachheit und Gleichförmigiieit des ganzen Körperbaues
unterscheidet die Coelenteraten von allen andern Thierstämmen, bei denen der definitive Körper
durch weitgehende histologische Sonderungen, hauptsächlich aber durch vielfache Verlegungen
und Verflechtungen der Theile der Keimblätter entsteht, sodass die urspriuiglichen Lagenver-
hältnisse der Keimblätter an den fertigen Organen meist gar nicht, am Gesammtkürper nur in
sehr verwaschenen Umrissen erkennbar sind. Verfolgt man aber die Entwicklungsgeschichte
dieser complicirten Organisationen rückwärts, so kommt man, bei den Wirbelthieron und
höchst wahrscheinlich auch bei allen übrigen Thierstämmen, schliesslich auf Formen, welche
denen der Coelenteraten im wesentlichen entsprechen. Da nun diese Formen bei den höheren
Thieren nothwendige, aber vorübergehende Entwicklungszustände sind, auf denen sich dann
der specifische Typus aufbaut, bei den Coelenteraten dagegen dieselben Formen unverändert
erhalten bleibend den Typus bilden, so ergiebt sich der Schluss, dass nicht bloss bei allen
Thieren die Entwicklungsvorgänge bis zu einer gewissen Stufe identisch sind, sondern, dass
auch in der individuellen Entwicklung der Uebergang eines Tjpus in den andern wirklich
stattfindet, indem der constante Typus der Coelenteraten von allen höhern Thieren als Ent-
wicklungszustand durchlaufen wird. Der einfache Typus der Coelenteraten ist die gemein-
schaftliche Grundform, auf welche alle die unendlich reichen und mannigfaltigen Gestaltungen
des 'Thierkörpers direct oder indirect zuiuckgeführt werden können.
89
Erklärung der Tafeln.
Taf. I.
Fig. I. Querschnitt durch den oberen Theil des Fusses von Hydra auranliaca , ec. Ectoderm . ml. Muskel-
lamelle, en. Entodenii. Chrouisiiureprüiiamt.
» 2. Entoderni von der äussern Flüche i;esehen. «. Plasmaschlauch, h. Vacuole. Das Ectoderm ist nach
minutenlanger Einwirkung von schwacher Salpetersäure entfernt. Die Grenzen der Zellschläuche
sind stellenweise deutlich. H. aurant.
n •^. Isolirte Entodermzellen durch Zusatz von \% Essigsaure zusammengefallen.
>> \. Solide Entodermzellen aus dem Magentheil. 0,1^ Essigsäure.
Entodermzellen nach hingeier Behandlung mit I ^ Salpetersäure kugelförmig aufgequollen. Fig.! — .3.
» o.
Verg. 310.
1) 6. Freie Enden der Entodermzellen des Fusstheils mit schwingenden Cilien. Nach einem feinen Quer-
schnitt vom lebenden Thier. Verg. 840.
■> 7. Querschnitt durch das in Chromsäure von 0,02.5^ gehärtete Ectoderm, n. grosse Zellkörper der
äussern Lage mit ihren grossen Kernen, ig. interstitielles Gewebe, ?«/. Muskellamelle mit quer-
durchschnittenen Muskelfortsätzen. Verg. 300.
» 8. Ectoderm von der Fläche gesehen, ?i. grosse Zellkörper, ly. tlazwischen liegende Züge des inter-
stitiellen Gewebes, m. Muskelfortsätze. Chromsäurepräparat.
» 9. Neuromuskclzellen des Körpers nach Behandlung mit Essigsäure von 0,02.5 ^. Das interstitielle
Gewebe ist entfernt. /?(. Muskclfortsätze.
» 10. Isolirte Neuromuskclzellen vom Körper. Essigsäure von 0,03^.
» t 1. Neuromuskclzellen von der Fussscheibe, m. Muskelfortsatz. Ebenso behandelt.
» 12. Zellen aus dem interstitiellen Gewebe, n. b. ohne Nesselkapseln, c. d. e. mit grossen Nesselkapseln,
/. Rest der Bildungszelle, nachdem die Kapsel herausgefallen ist, g. kernhaltige Zelle mit einer
gi-ossen , h. eine solche mit einer kleinen Nesselkapsel, i. Zellen mit unentwickelten kleinen Kapseln.
I ^6 Essigsäure. Fig. 1 — 12 von H. auranliaca.
» 13. Ausgebildete Hoden aus einem Haufen von ovalen kernlosen Zellen bestehend. Nach Behandlung
mit 0,5^ Essigsaure isolirt. Fig. 8 — 13. Verg. 310.
' li. Entwicklung der Hodenzellen und der Samenkörper, a. vergrösserle und sich stark vermehrende
Zellen des interstitiellen Gewebes, h. dieselben nachdem der Kern zu zerfallen begonnen hat, c. die-
selben zu hyalinen Kugeln aufgequollen, d. mit entwickelten Fäden, e. reife Spermatozoiden. Vergl..30O.
Fig. 13 u. 14 von H. viridis.
Taf. II.
» I. Beginn der Bildung des Ovariums. Die Zellen des intersliliellen Gewebes (ig) haben sich bedeutend
vermehrt, liegen aber noch in einzelnen Häufchen beisammen. ;;. grosse Zellkörpcr des Ectoderms.
» 2. Weiter entwickeltes Stadium. Die vergrösserten Ovarialzellen (oj bilden eine fast vollstimdige Schicht
unter den grossen Zellkörpern «).
» 3. Das ausgebildete Ovarium vor der Entstehung des Eies. Durch Behandlung mit ö.ö ^ Essigsäuie
isolirt.
» 4. Einzelne Ovariumzellen. Fig. I — i. Verg. 3IO.i
» 5. (/. Ovariumzellen und 6. junges Ei mit Kern und Kernkörperchen aus demselben Eierstock. Verg. öOO.
» 6. Ein anderes Ei mit breiten Fortsätzen.
» 7. Ei von der Seite gesehen. Um den Kern, aus dem das Kernkörperchen geschwunden ist, liegen
unregelmässig geformte dichte Eiweissstückchen.
Kleine nberg. Hydra. . -
90
Fig. 8. Dasselbe von oben gesehen. Fig. (i — 8. Verg. 310.
I) 9. Ei mit Keimbläschen und Keimfleck, die Bildung der Chlorophyllkörner hat begonnen. V'erg. 240.
i> 10. Weiler enlwickeiles Ei mit Chloiophyllkörnern und Pseudozellen angefüllt. Der Keimüeck des
Keimbläschens ist in der Fig. nicht zu sehen, war aber noch vorhanden. Verg. 120.
» 11. Keimbläschen isolirt aus einem Ei. das ungefähr auf derselben Entwicklungsstufesich befand, wie
das der Fig. 10, a. Membran, h. Keimfleck, v. stark lichtbrechendes Körperchen in demselben.
» 12. Aelteres Keimbläschen, dessen Inhalt sich verändert hat. Der Keimfleck in einen unregelmässigen
Körper übergegangen.
» 13. Keimbläschen aus einem halbkugligen Ei in fettigem Zerfall begriffen. Fig. I I — 13. Verg. 600.
)) 14. Neuromuskelzellen durch 0,.o Essigsäure aus der EihUlle isolirt. Verg. 310.
» 15. A. Entwicklung der Pseudozellen von H. viridis, B. reife Pseudozellen von H. aurantiaca. Verg .500.
» 16. Ei (P; kurz vor Durchlirechung der Hülle [n).
» 17. Erstes Furchungsstadium.
» 18. Zweites Furchungsstadium.
» 19. Maulbeerförmiger Keim. Fig. 10 — 19. Vergl. .50. Alle Fig. der Tafel mit Ausnahme von 15ß
beziehen sich auf H. viridis.
Taf. III.
11 1 . Oberflächliche Zellenlage des Keims |Hornbl;itt) von der Fläche gesehen. Die Zellen haben noch
keine Kerne.
» 2. A. Zellen desselben Blattes von der Seite gesehen: sie besitzen einen Kern <k). B. Noch kernlose
Zellen der Innern Masse des Keims.
» 3. Zellen des Hornblatts, die äussere Schicht derselben hellt sich auf. Fig. 1 — 3 von H. viridis.
» 4. Zellen des Hornblatts von H. auranl. Das dünne Deckhäulchen der Vacuolen ist durch Chromsäure
zerstört.
» 5. Vom Hornblatt von H. viridis. Die erste Membran [h, ist gebildet, die Kerne A) zerfallen.
« 6. Die Umwandlung in Membranen [as] vorgeschritten.
» 7. Ausgebildete Keimschalen, as. die äussere, is. die innere, h. Plasmamasse des Keims.
» 8. Aeussere Keimschale von der Fläche gesehen. Fig.' 6— 8 von H. viridis. Fig. 1 — 8. Verg. 310.
» 9. Optischer Durchschnitt durch den Keim von H. aurantiaca, u. halbkuglig voi'springende Vacuolen.
y> 1 0. Optischer Durchschnitt durch einen älteren Keim von H. aurant. , a. äusseres Schalenhäutchen,
b. Flüssigkeitsrauni. c. die Schale mit ihren Stacheln.
» 11. Durchschnitt durch die Keimblase von H. viridis, as. äussere Schale, is. innere Schale, b. Plasma-
schicbl, Ifi. Leibeshöhle.
» 12. Embryo von H. aurant., is. innere Keimschale, ec. Ectodermanlage, en. Entodermanlage. Fig. 9 — 12.
Verg. 123.
» 1 3. Embryo in die Länge gestreckt. Dieselben Bezeichnungen wie in der vorhergehenden Figur.
» 14. is. ec. und en. wie in Fig. 12, m. verdünnte Stelle, an welcher dei' Mund durchbricht.
» 15. Embryo nach Durchbruch der Mundöflnung und Ausstülpung der Tentakeln. Fig. 13 — 15. Verg. 80.
» 16. Zellen des primären Ectoderms.
» 17. Zellen des embryonalen Entodernis.
» 1 8. Zellen des interstitiellen Gewebes vor Entstehung der Nesselkapseln.
Fig 13—18 von H. viridis. Fig. 16—18. Verg. 310.
Taf. l\.
Sämmtliche Figuren dieser Tafel sind genaue Umrisszeichnungen zur Versinnlichung der Foi'mver-
änderungen bei der Furchung des Eies von Hydra viridis, ^Fig. 1 — 7 stellen Momente aus dem ersten
Furchungsstadium dar, Fig. 8 — I I illustriien die Bildung der zweiten Furche.
Druck von Ereitkopf & Härtel in Leipzig.
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